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German Pages 390 [392] Year 2012
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Friedrich Avemarie (Marburg) Markus Bockmuehl (Oxford) James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL)
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Tanja Schultheiß
Das Petrusbild im Johannesevangelium
Mohr Siebeck
Tanja Schultheiß, geboren 1975; Theologiestudium in München und Jerusalem; 2011 Promotion an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München; seit September 2012 Pfarrerin z. A. der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Aidenbach.
e-ISBN 978-3-16-152146-1 ISBN 978-3-16-151926-0 ISSN 0340-9570 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Nehren auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine leicht veränderte Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 2010/2011 von der Ev.Theol. Fakultät in München angenommen wurde. Prof. Dr. Jörg Frey hat dieses Projekt mit angestoßen und seit 2007 betreut, das Zweitgutachten hat dankenswerterweise Prof. Dr. David S. du Toit übernommen. Wesentlich unterstützt und gefördert wurde meine Arbeit in dieser Zeit durch meine Eltern und ein Promotions-Stipendium der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, das anfangs mit meiner Tätigkeit als Wissenschaftliche Tutorin am Collegium Oecumenicum München in Verbindung stand. So hatte ich die Möglichkeit, sowohl wissenschaftliches Arbeiten mit Aufgaben und Anfragen im kirchlichen Kontext zu verbinden als auch exegetisches Interesse mit ökumenischen Anliegen. Letztere waren bereits an früheren Lebensstationen in der oberbayerischen Diaspora in den Vordergrund gerückt, der Horizont der weltweiten Ökumene stand dann während meiner StudienAufenthalte in Jerusalem und Rom vor Augen. Besonders dort, im Zentrum des römischen Katholizismus, wie auch im Rahmen meines Studiums in München hatte die Auseinandersetzung mit der Primatsfrage immer wieder an Bedeutung gewonnen. In exegetischer Hinsicht hat sich eine große Vorliebe für das Johannesevangelium herauskristallisiert, dessen literarische und theologische Besonderheiten mich bis heute faszinieren. Aus den genannten Gründen lag es nahe, johanneische Darstellungsabsichten anhand der literarisch greifbaren Charakterisierung der PetrusGestalt zu analysieren. Im Vergleich zu dem gewachsenen Bild kirchlicher Tradition ist immer wieder beobachtet worden, dass Petrus im Johannesevangelium insbesondere in Joh 1–20 weniger als Fels denn als Stein des Anstoßes präsentiert wird. Erst in Joh 21, so die häufige Annahme, werde Petrus anhand der ihm zugesprochenen Weideaufträge in ein positives Licht gerückt. Daraus wurde vielfach ein Gegensatz zwischen der johanneischen und einer ‚petrinisch‘-großkirchlichen Tradition konstruiert, der erst in Joh 21 aufgelöst werde. Meinem Eindruck nach zeichnet sich das johanneische Petrusbild jedoch durchgehend durch Ambivalenzen aus. Zudem erwies sich eine monographische Analyse aller johanneischen Aussagen über Petrus als Desiderat der Forschung. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle all jenen, die mit mir auf dem Weg waren: zu allererst meinem Doktorvater Prof. Dr. Jörg Frey, der als Herausgeber die Aufnahme des Manuskripts in die Reihe WUNT II
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Vorwort
befürwortet hat. Doch zunächst einmal hatte Prof. Frey auch einen wesentlichen Anteil daran, dass sich im Laufe meines Studiums schließlich eine Vorliebe für das Neue Testament und speziell das Johannesevangelium entwickelt hat. Die drei Jahre der Arbeit an meiner Dissertation waren geprägt von seinem großen Engagement und einer selbstverständlichen Hilfsbereitschaft, immer ansprechbar für wissenschaftliche wie persönliche Fragen, die sich auf einem derartigen Weg stellen. Wie schon in den Jahren zuvor die Arbeit am Neutestamentlichen Institut der EvangelischTheologischen Fakultät in München als studentische Hilfskraft konnten weitere Studien in einem sehr herzlichen, kollegial-freundschaftlichen Klima unter den Mitarbeitenden fruchtbar „gedeihen“. Stellvertretend seien hier erwähnt: Dr. Michael Becker, Pastor Dr. Carsten Claußen, Prof. Dr. David S. du Toit, Pfarrer z.A. Dr. Sönke Finnern, Pfarrer Dr. Daniel Graf, Prof. em. Dr. Dr. h.c. Ferdinand Hahn, Pfarrerin z.A. Michaela Kasparek, Nadine Kessler, Pfarrer PD Dr. Stefan Krauter, Prof. Dr. Enno Popkes, Jakob Späth, Astrid Stacklies und Prof. em. Dr. Alexander Wedderburn. Dankbar schaue ich aber auch zurück auf all die Erfahrungen in „meinen“ Kirchengemeinden, die nicht nur zum Theologiestudium führten, sondern in denen auch mein spezielles Interesse an der Beschäftigung mit der Bibel wie an ökumenischen Fragen geweckt und weiter gefördert worden ist. Exemplarisch möchte ich hier Dekan Dr. Werner Thiessen erwähnen, der in Altötting als Pfarrer und Ökumenebeauftragter auch in diesem Sinne segensreich gewirkt hat. Ein besonderer Schatz waren und sind nicht zuletzt all die wunderbaren Freunde, von denen ich viele über das Collegium Oecumenicum München kennenlernen durfte. Einige haben als Korrekturleser unschätzbare Arbeit geleistet, so Pfarrerin z.A. Tabea Baader, Dr. Thomas Gerold, Kathrin Hager, Dr. Eberhard Kluge und Dr. Falko von Saldern. Kathrin Hager hat zusätzlich bei den Formatierungsarbeiten sowie bei der Erstellung der Register großartige Arbeit geleistet; finanziell wurde diese von dem Exzellenzprogramm der LMU München auf Initiative von Prof. Dr. Birgitta Kleinschwärzer-Meister gefördert. Manche technischen Hilfestellungen verdanken sich der Hilfsbereitschaft von Dominik Niederlechner, Pfarrer z.A. Dr. Sönke Finnern und Dr. Katja Thörner. Mein herzlicher Dank gilt schließlich den Mitarbeitenden von Mohr Siebeck, die kompetent und überaus freundlich die Erstellung des Druckmanuskripts begleitet haben, so besonders Mirjam Feser und Bettina Gade. Schlussendlich wäre es meine Hoffnung, dass die hier vorgelegte Bestimmung der „ökumenischen“ Dimension der johanneischen Petrusfigur die exegetische und theologische Fachdiskussion weiterführt, nicht zuletzt auch im Blick auf ökumenische Horizonte. Neutraubling, im Juni 2012
Tanja Schultheiß
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1: Einführung in das Problem ........................................... 1 1.1 Vorbemerkungen: Bedeutung und Wirkung der neutestamentlichen Petrusfigur ........................................................................... 1 1.2 Der Textbefund im Johannesevangelium ........................................ 2 1.2.1 Übergreifende Beobachtungen im Rahmen des Johannesevangeliums ........................................................................ 3 1.2.2 Petrus-Szenen im Johannesevangelium ............................... 4 1.3 Tendenzen der Auswertung und Interpretation ............................... 6
Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung ..................... 8 2.1 Bisherige Untersuchungen ............................................................. 8 2.1.1 Kommentare und Monographien zum Johannesevangelium . 8 2.1.2 Monographien über die Petrus-Gestalt im Neuen Testament ......................................................................... 20 2.1.3 Untersuchungen zum Verhältnis von Petrus und dem Lieblingsjünger ................................................................. 33 2.1.4 Charakterisierung der johanneischen Figuren .................... 38 2.2 Überblick und Ausblick: Das Petrus-Bild und seine Funktion ...... 41 2.2.1 Modelle und Positionen im Rahmen der Forschung ........... 41 2.2.2 Grundansatz dieser Untersuchung ..................................... 45
Kapitel 3: Methodologische Erwägungen ................................... 48 3.1 Vorbemerkung: zwischen diachronen und synchronen Ansätzen – Entwicklungen innerhalb des Methodenspektrums ....................... 48 3.2 Einwände gegen literaturwissenschaftlich geprägte exegetische Methoden ..................................................................................... 53 3.2.1 Einwand gegen die Anwendung anachronistischer Analysekategorien............................................................. 53 3.2.2 Gattungsspezifischer Einwand .......................................... 55 3.2.3 Einwand aus historischer Perspektive ................................ 57 3.3 Chancen und Herausforderungen einer methodischen Verbindung 60 3.4 Charakterisierung: Grundfragen und ausgewählte Modelle........... 66 3.4.1 Grundfragen ...................................................................... 66 3.4.2 Ausgewählte Analyseschritte im Blick auf ihre mögliche Anwendung in der Exegese ............................................... 69
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3.4.3 Zum weiteren Vorgehen: synchrone und diachrone Analyse ............................................................................. 72
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung: Synchrone und diachrone Analyse ............................ 80 4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums ................................................................... 80 4.1.1 Analyse von Joh 1,35–51 .................................................. 80 4.1.1.1 Synchrone Analyse von Joh 1,35–51 ...................... 80 4.1.1.2 Diachrone Analyse von Joh 1,35–51 ...................... 91 4.1.1.3 Ergebnisse der synchronen und diachronen Analyse .................................................................. 95 4.1.2 Analyse von Joh 6,67–71 .................................................. 96 4.1.2.1 Synchrone Analyse von Joh 6,67–71 ...................... 96 4.1.2.2 Diachrone Analyse von Joh 6,67–71 .................... 103 4.1.2.3 Zusammenfassende Ergebnisse der Analyse von Joh 6,67–71 .......................................................... 109 4.1.3 Analyse von Joh 13,1–11.21–30.36–38 ........................... 110 4.1.3.1 Synchrone Analyse von Joh 13,1–11.21–30.36–38 110 4.1.3.2 Diachrone Analyse von Joh 13,1–11.21–30.36–38 122 4.1.3.3 Zusammenfassung der Analyse von Joh 13,1–11.21–30.36–38..................................... 125 4.1.4 Analyse von Joh 18,1–14.15–27 ...................................... 126 4.1.4.1 Synchrone Analyse von Joh 18,1–14.15–27 ......... 126 4.1.4.2 Diachrone Analyse von Joh 18,1–14.15–27 .......... 134 4.1.4.3 Zusammenfassende Aspekte der Analyse von Joh 18,1–14.15–27 ............................................... 140 4.1.5 Analyse von Joh 20,1–10 ................................................ 140 4.1.5.1 Synchrone Analyse von Joh 20,1–10 .................... 140 4.1.5.2 Diachrone Analyse von Joh 20,1–10 .................... 145 4.1.5.3 Synchrone und diachrone Analyse von Joh 20,1–10 .......................................................... 148 4.1.6 Analyse von Joh 21,1–14.15–23 ...................................... 149 4.1.6.1 Synchrone Analyse von Joh 21,1–14.15–23 ......... 149 4.1.6.2 Diachrone Analyse von Joh 21,1–14.15–23 .......... 165 4.1.6.3 Der Zusammenhang synchroner und diachroner Analyse in Joh 21 ................................................. 174 4.2 Zum Vergleich von Joh 1–20 und 21 .......................................... 175 4.2.1 Das Verhältnis von Joh 21 zu Joh 1–20: Hauptlinien einer umfassenden Diskussion ................................................. 176 4.2.2 Rolle und Funktion von Petrus in Joh 1–20 und 21 .......... 183
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Kapitel 5: Das johanneische Petrus-Bild im Horizont der synoptischen Darstellungen ...................................... 189 5.1 Das Petrus-Bild im Markusevangelium ...................................... 189 5.1.1 Allgemeine Beobachtungen ............................................. 189 5.1.2 Mk 1,16–18 ..................................................................... 190 5.1.3 Mk 1,29f. ........................................................................ 191 5.1.4 Mk 1,35–38 ..................................................................... 191 5.1.5 Mk 3,13–19 ..................................................................... 193 5.1.6 Mk 8,27–30.31–33 .......................................................... 193 5.1.7 Mk 9,2–9(10–12) (vgl. 5,37; 13,3) ................................. 195 5.1.8 Mk 10,28 ........................................................................ 196 5.1.9 Mk 11,21 ........................................................................ 196 5.1.10 Mk 14,29–31 ................................................................... 197 5.1.11 Mk 14,32–41 ................................................................... 197 5.1.12 Mk 14,54.66–72 .............................................................. 198 5.1.13 Mk 16,7 .......................................................................... 198 5.1.14 Das markinische Petrus-Bild – zusammenfassende Thesen .............................................. 199 5.2 Das Petrus-Bild im Lukasevangelium ......................................... 202 5.2.1 Allgemeine Beobachtungen ............................................ 202 5.2.2 Lk 4,38f. ........................................................................ 203 5.2.3 Lk 5,1–11........................................................................ 204 5.2.4 Lk 6,13–16 ...................................................................... 206 5.2.5 Lk 8,45f. ......................................................................... 207 5.2.6 Lk 9,18–22 ...................................................................... 207 5.2.7 Lk 9,28–36 ...................................................................... 208 5.2.8 Lk 12,35–48 .................................................................... 208 5.2.9 Lk 18,28–30 .................................................................... 209 5.2.10 Lk 22,8–13 ...................................................................... 209 5.2.11 Lk 22,31–34 .................................................................... 210 5.2.12 Lk 22,54–62 .................................................................... 211 5.2.13 Lk 24,12.......................................................................... 212 5.2.14 Lk 24,34.......................................................................... 212 5.2.15 Ertrag für das lukanische Petrusbild ................................ 213 5.3 Das Petrusbild im Matthäusevangelium...................................... 215 5.3.1 Allgemeine Beobachtungen ............................................. 215 5.3.2 Mt 4,18–20 ..................................................................... 216 5.3.3 Mt 8,14f. ......................................................................... 217 5.3.4 Mt 10,2 ........................................................................... 217 5.3.5 Mt 14,28–31.................................................................... 218 5.3.6 Mt 15,15 ......................................................................... 219 5.3.7 Mt 16,13–19.................................................................... 219
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5.3.8 5.3.9 5.3.10 5.3.11 5.3.12 5.3.13 5.3.14 5.3.15 5.3.16
Mt 16,21–23.................................................................... 221 Mt 17,1–8(13) ................................................................. 223 Mt 17,24–27.................................................................... 223 Mt 18,21f. ....................................................................... 223 Mt 19,27f. ....................................................................... 224 Mt 26,33–35.................................................................... 224 Mt 26,36–46.................................................................... 225 Mt 26,69–74.................................................................... 225 Zusammenfassende Thesen im Hinblick auf ein matthäisches Petrus-Bild ................................................. 226 5.4 Das johanneische Petrus-Bild im Verhältnis zu den synoptischen Petrus-Bildern ....................................................... 229
Kapitel 6: Das Petrus-Bild im Johannesevangelium im Kontext des johanneischen Jüngerbildes................ 232 6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes .................................... 232 6.1.1 Das johanneische Jüngerbild im Rahmen der Forschung . 232 6.1.2 Grundlegende Aspekte des johanneischen Jüngerbildes .. 237 6.1.3 Charakterisierung individueller Jüngergestalten .............. 241 6.2 Die Petrusfigur im Rahmen des johanneischen Jüngerbildes ...... 274 6.2.1 Petrus als exemplarischer Jünger ..................................... 274 6.2.2 Das Gegenüber von Petrus und dem Lieblingsjünger und seine Funktion im Rahmen der johanneischen Darstellung ..................................................................... 277
Kapitel 7: Theologische Perspektiven ....................................... 280 7.1 Die Nachfolge des exemplarischen Jüngers Petrus und die Schrift gewordene Glaubenserkenntnis des Lieblingsjüngers ...... 280 7.1.1 Die Petrusfigur im Rahmen johanneischer Erzählstrategie ................................................................ 280 7.1.2 Das Johannesevangelium und sein Selbstverständnis als (Heilige) Schrift .............................................................. 282 7.1.2.1 Theologie des Wortes ........................................... 282 7.1.2.2 Das Verhältnis zu alttestamentlichen Schriften in ihrem Selbstanspruch als (Heilige) „Schrift“ ........ 284 7.1.2.3 Die Schlüsse Joh 20,30f./Joh 21,24f. und der Lukasprolog ......................................................... 286 7.1.2.4 Der Zeuge als Hermeneut des Christusgeschehens ........................................................... 288 7.1.2.5 Das Johannesevangelium und die synoptischen Evangelienschriften .............................................. 291
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7.1.3 Zusammenfassung: Petrus, der Lieblingsjünger und der Anspruch (s)einer Schrift ................................................ 299 7.2 Die Weideaufträge (Joh 21,15–17) an Petrus: Akzente johanneischer Pastoraltheologie ................................................. 300 7.2.1 Petrus und in Jesus in Joh 21,15–17: Charakterisierung und theologische Fokussierung ....................................... 301 7.2.2 Intra- und intertextuelle Bezüge zu Joh 21,15–17 ............ 301 7.2.2.1 Rückbezug zu Joh 10,1–18 ................................... 302 7.2.2.2 Die Anklänge an die Verleugnung Joh 13,38/18,17–27 .............................................. 304 7.2.2.3 Der Nachfolgekontext .......................................... 305 7.2.2.4 Die Weideaufträge auf dem Hintergrund intertextueller Bezüge .......................................... 306 7.2.3 Zwischenbilanz: Funktionen der Petrus-Figur aufgrund des exegetischen Befunds ................................................ 307 7.2.4 Die Weideaufträge an Petrus: Interpretation und Rezeption ........................................................................ 308 7.2.5 Ausblick: Wirkungsgeschichtliche und ökumenische Perspektiven ................................................................... 314 Literaturverzeichnis ............................................................................. 323 Stellenregister ....................................................................................... 349 Register der Autorinnen und Autoren .................................................... 369 Sach- und Personenregister ................................................................... 375 Register griechischer Begriffe ............................................................... 379
Kapitel 1
Einführung in das Problem 1.1 Vorbemerkungen: Bedeutung und Wirkung der neutestamentlichen Petrusfigur Neben einer naturgemäß unerschöpflichen Fülle an Jesus-Büchern und einer respektablen Anzahl an Untersuchungen über Paulus erscheint die exegetische Literatur über Petrus vergleichsweise deutlich reduziert. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, da sich die Häufigkeit der Nennung der beiden letztgenannten, prägenden Gestalten des Urchristentums zumindest im Neuen Testament noch in etwa die Waage halten. Dies gilt umso mehr, bezieht man mit ein, dass der Wirkungsgeschichte der Petrusfigur – in besonderer Weise im Zusammenhang mit den Bischöfen von Rom und der Entwicklung ihres Primats – eine immense Rolle in der Christentumsgeschichte zukommt. Dieses Phänomen erinnert an die These von Franz MUßNER, Petrus habe „institutionell“ und Paulus „theologisch“ den Sieg behalten1. Bestätigung mag diese Überlegung u.a. dadurch erfahren, dass der Blick in den neutestamentlichen Kanon neben dem Gewicht der paulinischen Schriften auf die klare Existenz einer Paulus-Schule weist, wohingegen sich die Annahme einer Petrus-Schule nicht erweisen lässt2. Doch lässt sich eine theologische Bedeutung der Petrusfigur neutestamentlich nicht nur aufgrund seiner Rolle im Urchristentum, sondern auch anhand der Funktion seiner Darstellung in den Evangelien festmachen. 1
MUßNER, Petrus und Paulus, zusammenfassend 133. Als prominenter Vertreter einer derartigen „Petrus-Schule“ ist hier John H. ELLIOTT zu nennen (DERS., Rehabilitation vgl. auch DERS., Peter bzw. ausführlich in seiner Monographie: DERS., Home). Im deutschen Sprachraum wird diese These nicht nur von katholischen Exegeten wie Otto KNOCH (dazu der Exkurs in seinem Kommentarband: DERS., Petrusbrief 143–46) vertreten, sondern auch vom evangelischen Neutestamentler Jens HERZER (DERS., Petrus). Ebenso erwägt ACHTEMEIER, 1 Peter 42 die Herkunft des 1Petr aus einer „Petrine group“, die als Schule agierte. Dagegen spricht allerdings das äußerst disperate Material der petrinischen Literatur, das keinem einheitlichen Herkunftskreis zugeordnet werden kann vgl. SCHMIDT, Peter Writings; gegen eine „petrinische Schule“ sprechen sich ebenfalls aus: u.a. B AUCKHAM, Jude 146.161; VÖGTLE, Judasbrief 125; HORRELL, Product 29–60. 2
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Kapitel 1: Einführung in das Problem
Diese wiederum geht nicht auf in „institutionellen“ Aspekten, sondern behält eine umfassende, bis heute bleibende Relevanz für alle Adressaten dieser Schriften bei. Deutlich wird dies beispielsweise am wirkungsgeschichtlich besonders prägenden Petrusbild: Dazu gehört nicht nur die exponierte Rolle des Petrus Mt 16,16–19 als später mächtigem Stützpfeiler des Papsttums, sondern ebenso das Immanuel-Motiv, also der Gegenwart des Christus für seine Gemeinde, die Mt 14,24–32 am Beispiel des Petrus erzählerisch umgesetzt wird. Der Petrusfigur kommt folglich eine nicht zu unterschätzende theologische Bedeutung als exemplarischem Jünger zu und somit eine Bedeutung für Glaubende aller Zeiten. Dies lässt sich in allen Evangelien aufzeigen und wird in dieser Untersuchung primär anhand des johanneischen Petrusbildes – auch im Vergleich zu den synoptischen Darstellungen – unternommen. Zu den Besonderheiten des Johannesevangeliums gehört es dabei, dass dem exemplarischen Jünger Petrus an den meisten Stellen in persona des Lieblingsjüngers eine Idealgestalt an die Seite gestellt wurde, die Ersterem klar überlegen zu sein scheint. Doch wird zu untersuchen sein, welche Funktion dieser Konstellation zukommt.
1.2 Der Textbefund im Johannesevangelium Das Petrusbild im Johannesevangelium stellt sich uns auf eine sehr ambivalente Weise dar. Diese Ambivalenz bietet Anlass zu unterschiedlichen, auch konträren Sichtweisen auf diese Figur. Das Arrangement der Gesamtkomposition arbeitet hierbei mit durchaus differenzierten Schattierungen. Dies geschieht nicht zuletzt durch die Relation der Petrus-Gestalt zu anderen, im Johannesevangelium dargestellten Personen, etwa derjenigen des Judas oder in besonders prominenter Weise derjenigen des Lieblingsjüngers. Bezüglich Letzterem wurde und wird in einflussreichen Forschungsansätzen ein dezidiertes Kontrast-Verhältnis zur Petrusfigur postuliert (s.u. und zusammenfassend 2.2.1). Weitere Konturen werden deutlich durch den Vergleich mit entsprechenden Darstellungen in den synoptischen Evangelien (Kapitel 5). Nachfolgend soll in einem ersten Überblick der synchrone Befund im Rahmen des Johannesevangeliums kurz dargestellt (und in Kapitel 4 vertieft) werden3.
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Zum Verhältnis von Synchronie und Diachronie s.u. Kapitel 3.
1.2 Der Textbefund im Johannesevangelium
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1.2.1 Übergreifende Beobachtungen im Rahmen des Johannesevangeliums Zunächst ist rein statistisch festzuhalten, dass Petrus unter allen Jüngern mit großem Abstand am häufigsten genannt wird, nämlich 39mal4. Signifikant ist jedoch, dass im Johannesevangelium eine große Bandbreite an Personen – auch an zentralen Stellen – auftritt, Petrus jedoch im Vergleich zu ihnen unangefochten die Rangliste anführt. Als Beleg dafür lassen sich die Anzahl der Nennungen im Vergleich anführen: Pilatus (20), Johannes der Täufer (19), Philippus (12), Lazarus (11), Mutter Jesu (9), Maria und Marta (je 9), Judas (8), Andreas (5), Lieblingsjünger (75), Thomas (7), Nathanael (6), Maria Magdalene (5), Nikodemus (5), Kaiphas (5) Hannas (2). Auch im Vergleich zu den synoptischen Evangelien ist eine weitaus höhere Anzahl an Erwähnungen der Petrusfigur6, zugleich aber eine reduzierte Szenenanzahl7 festzustellen. Letzteres ist der spezifischen Kompositionsstruktur des Johannesevangeliums geschuldet, die weniger, aber dafür ausgebaute, „großflächigere“ Szenen bietet. Dies stellt zugleich eine eindrucksvollere Bühne dar, die einem Petrus – wie auch anderen Figuren des Johannesevangeliums (s.u. Kapitel 6) – weiten Raum bietet. Ein rein quantitativ bemessenes Bild kann die Bedeutung einer Figur allein jedoch nicht erfassen, was man am Beispiel der vergleichsweise geringen Anzahl an expliziten Nennungen des Lieblingsjüngers im Verhältnis zu dessen tatsächlicher Rolle im Johannesevangelium sehen kann (s. nur 19,34f. und 21,24!). Zudem kann eine an einem dramatischen Höhepunkt erfolgende Nennung eine größere Wirkung erzielen als stereotype Wiederholungen. Auch müssen die Nennungen in ihrer Verteilung auf die jeweiligen Szenen betrachtet werden und es müssen die jeweiligen Bedeutungen in diesen Abschnitten ermessen werden. So sind beispielsweise die Szenen, in denen Maria Magdalena vorkommt, mit 19,25–27 und 20,1f.11–18 knapp bemessen. Diesen Szenen kommt jedoch erhebliches Gewicht zu, da Maria Magdalena als Zeugin von Kreuz und Auferstehung dargestellt wird, zumal im Verhältnis zu einem Negativbefund bzgl. anderer zu erwartender Figuren wie Petrus. 4
Wobei der Hinweis von HENGEL, Petrus 45 zu berücksichtigen ist, dass davon allein zwölf Nennungen in Joh 21 zu finden sind. Je nachdem, wie das Verhältnis zu Joh 1–20 bestimmt wird (s.u. 4.2), ergäbe sich bei einer Abtrennung von Joh 21 kein so auffallendes Ergebnis mehr. Allerdings lässt sich – wie folgend dargelegt – die Bedeutung einer Figur ohnehin nicht allein von der quantitativen Anzahl der Nennungen her ermessen. 5 Gezählt wurden hierbei die expliziten Nennungen 13,23; 20,2.3.4.8. sowie 21,7.20, ferner ist der Lieblingsjünger unbestritten in 21,21–24 gemeint, ebenso geht man in der Regel in 19,34f. davon aus. Entgegen einiger Exegeten sind m.E. auch 1,37–39 und 18,15f. einzubeziehen (s.u. 4.1.1.1 der Exkurs „Der Lieblingsjünger in Joh 1,35–40“). 6 Vgl. die erwähnten 39 Nennungen im Vergleich zu 25 je bei Matthäus und Markus und 30 bei Lukas (s.o. S. 3). 7 Vgl. DSCHULNIGG, Jesus 51.
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Kapitel 1: Einführung in das Problem
Die elf Szenen, in denen Petrus eine Rolle spielt, sind an strukturell wie theologisch bedeutsamen Stellen zu verorten: in Joh 1 im Kontext der Jüngerberufungen, in Joh 6 im Zusammenhang mit der die johanneische Gemeinde bedrohenden Spaltung und dann – mit dem Auftreten des Lieblingsjüngers einhergehend – im Kapitel 13 beginnenden zweiten Teil des Evangeliums, das bekanntermaßen mit der Offenbarung vor den Seinen die Frage der Jüngerschaft akzentuiert. Die quasi „petrinische“ Konzentration in den Kapiteln 13 und 21 stellt so eine Klammer um diesen zweiten Teil des Johannesevangeliums dar, jedoch muss auch die mit Joh 1 und 21 erfolgte Inklusion Beachtung finden (s.u. 4.1.6.1 und 4.2.1). 1.2.2 Petrus-Szenen im Johannesevangelium Im Rahmen der folgenden Szenen spielt Petrus eine für das Johannesevangelium nicht unerhebliche Rolle: In Joh 1,40–42 wird er von seinem Bruder Andreas zu Jesus geführt, woraufhin dieser ihm den Namen Khfa'~ (in der Entsprechung zu Pevtro~) zuspricht. Eine Erklärung des Namens oder die Zuweisung einer damit verbundenen Funktion (vgl. Mt 16,16–19) findet sich allerdings nicht. Im Gesamtrahmen der Perikope 1,35–51 fällt dazu eine im Vergleich zu anderen Jünger-Figuren äußerst passive Rolle auf. Von besonderer Bedeutung ist dann die Funktion des Petrus im Abschnitt Joh 6,60–71 durch sein Bekenntnis zu Jesus als dem a{gio~ tou' qeou' 6,68f. Indem er stellvertretend auf die an die Jünger gestellte Frage Jesu antwortet, gibt er angesichts des 6,67 geschilderten Schisma ein richtungsweisendes Bekenntnis ab, das insbesondere im Vorausblick auf sein einheitsstiftendes Handeln 21,11 bemerkenswert ist. Zugleich erscheinen die durch Petrus repräsentierten Zwölf durch den abschließenden Verweis Jesu auf Judas als Verräter als eine ambivalente Größe. Zu Beginn der Passion scheint sich das Portrait des Petrus tendenziell zu verdunkeln, verstärkt durch den lichtvollen Kontrast in Form des Lieblingsjüngers. Von Joh 13 an zeichnet sich Petrus – wiederum im Einklang mit bzw. stellvertretend für die Jünger – darin aus, dem Leiden des Christus mit Unverständnis zu begegnen: So bleibt ihm 13,6–11 der Sinn der Fußwaschung unklar und versucht er 18,10 die Verhaftung des sich freiwillig hingebenden Jesus zu verhindern. Der Gang zum Grab 20,1–8 lässt Petrus zwar eine im Vergleich zu den anderen Jüngern führende Rolle zukommen. Diese wird dadurch bestätigt, dass der Lieblingsjünger Petrus den Vortritt beim Betreten und Begutachten des Grabes gibt. Im Gegensatz zum Lieblingsjünger, der auch als „Sieger“ des Wettlaufes ans leere Grab auszumachen ist, führt dieses Petrus jedoch noch nicht zum Glauben. Diese noch fehlende christologische Erkenntnis und daraus folgende Angewiesenheit hatte sich bereits 13,23–26 gezeigt: da wendet sich Petrus mit der
1.2 Der Textbefund im Johannesevangelium
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Frage nach dem Verräter an den Lieblingsjünger. Dieser vermittelt ebenso in 18,15ff. die Nähe zum nun verhafteten Jesus durch den Zugang zum Hof 8 des Hohenpriesters . Doch im größten Kontrast zur treuen Jüngerschaft, zu der sich Petrus noch 13,36f. bekennt, steht seine 13,38 angekündigte und 18,15–18.25–27 erfolgende Verleugnung eben jener Jüngerschaft. Nach der Verhaftung Jesu und seinem Aufenthalt im Hause des Hannas folgt Petrus Jesus zunächst noch, vermittelt durch den Lieblingsjünger (18,15f.), an den Ort des Leidens nach (hjkolouvqei!), verleugnet dann aber gerade sein Jüngersein (explizit 18,15.25). Diesem Scheitern wird jedoch bereits 13,36 seine darauf quasi im „zweiten Versuch“ folgende Märtyrerrolle an die Seite gestellt, die schlussendlich auch bestätigt wird: Denn sowohl Unverständnis als auch das Scheitern der Nachfolge werden in Joh 21 gewandelt in das 21,7 durch den Lieblingsjünger vermittelte Erkennen des Auferstandenen sowie eine Nachfolge als Hirte von Jesu Schafen (21,15– 17), die den Märtyrertod (21,18f.) einschließt. Mit der 21,1–14 deutlich zum Ausdruck kommenden führenden Rolle des Petrus als Missionar wird an seine Sprecher- und Repräsentanten-Rolle vor der Passion angeknüpft. Dazu entspricht sein einheitsstiftendes Handeln in Joh 21,11 der Bedeutung seines identitätsstiftenden Bekenntnisses in Joh 6,68f. In den abschließenden Versen 21,20–22 stellt sich jedoch noch einmal die Frage nach dem Verhältnis der Figuren des Petrus und des Lieblingsjüngers und nach der Funktion ihrer Darstellung. Einerseits werden beide V.20 aufeinander bezogen, indem Petrus den Lieblingsjünger „nachfolgen“ sieht und eine Reminiszenz an die Rolle des Lieblingsjüngers 13,23–26 eingeschoben wird. Andererseits fällt hier die klare Zurückweisung der Frage des Petrus nach dem Lieblingsjünger V.21 durch Jesus V.22 auf. Unter pragmatischen Gesichtspunkten kommt dann dem abschließenden Imperativ suv moi ajkolouvqei große Bedeutung zu, die im Rahmen des Petrusbildes insgesamt erschlossen werden muss (s.u. Kapitel 4, 6 und 7). Dieser Durchgang durch die Petrus-Szenen lässt deutlich werden, dass die Darstellung dieses Jüngers eine hervorgehobene Rolle und nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt. Zugleich bedarf es der Untersuchung, welche Funktion den aufgezeigten positiven wie negativen Aspekten im Petrusbild zukommt. Denn auffallend ist, dass seine Rolle als Repräsentant der Jünger verbunden wird mit dem ambivalenten Bild der Zwölf (Joh 6,68–71) und einer Joh 13–20 fehlenden christologischen Erkenntnis sowie dem Scheitern an der Nachfolge. Selbst im Anschluss an die Beauftragungen Joh 21,15–17 muss Petrus erst zur Nachfolge aufgerufen werden, weswegen sich bis zum Schluss eine gewisse Ambivalenz und spannungsvolle Offenheit im Petrusbild zeigt. 8
Zur umstrittenen Identifizierung des namenlosen zweiten Jüngers Joh 1,37–39 in Entsprechung zum „anderen“ Jünger 18,15f. und 20,2 s.u. S. 82.
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Kapitel 1: Einführung in das Problem
1.3 Tendenzen der Auswertung und Interpretation Die aufgezeigte Ambivalenz im Nebeneinander positiver wie negativer Aspekte im Petrusbild führte nicht immer nur zu differenzierten, ausgewogenen Interpretationen, sondern stellenweise auch zu einseitigen Positionen. So sind klar pro- wie anti-petrinische Tendenzen aufzuweisen, naheliegenderweise vorwiegend festgemacht am Verhältnis des Petrus zum Lieblingsjünger9. Aber auch das Verhältnis zur johanneischen Gemeinde wird sehr unterschiedlich bestimmt: So rangiert Petrus etwa als „Integrationsfigur“ im Sinne einer Integration petrinischer Tradition in das Johannesevangelium, was einer vom Untergang gezeichneten johanneischen Gemeinde die Aufnahme in die sogenannte „Großkirche“10 erleichtert sollte. Daneben wird eine integrative Funktion auch intern bestimmt: so als Gemeindegründer11 oder auch mit dem Ziel, Positionen eines Teils des johanneischen Kreises12 zu korrigieren. Angesichts dieser Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten wird die Funktion des durch besondere Ambivalenz bestimmten Petrusbildes einer weiteren Analyse unterzogen werden. Mit Ausnahme von Bradford B. 13 BLAINE lagen bisher Untersuchungen über Petrus im Johannesevangelium nur als Teilabschnitte im Rahmen eines neutestamentlichen Befundes im Ganzen vor oder waren in der Regel zugespitzt auf das Verhältnis zum Lieblingsjünger. Daraus ergibt sich die Begründung dieser speziellen Themenstellung, nämlich einerseits in der Konzentration auf die johanneische Darstellung des Petrus und andererseits nicht beschränkt auf dessen Verhältnis zum Lieblingsjünger. Letzteres soll insbesondere in der Auseinandersetzung mit der These von Raymond E. BROWN erfolgen, dass Petrus und der Lieblingsjünger historisch verschiedene Gemeindegruppen 14 repräsentieren . Dabei wird methodisch eine Verbindung von synchronen, v.a. narratologischen Ansätzen mit den klassischen Fragen historisch-kritischer Analyse zugrunde gelegt (Kapitel 3), um die Charakterisierung und Bewertung der Petrusgestalt zunächst innerhalb der johanneischen „Textwelt“ und schließlich im Vergleich zu den synoptischen Petrusbildern zu erheben (Kapitel 4 und 5).
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S.u. 2.2.1. S.u. die dargestellten Positionen unter 2.1.1 und 2.1.3. 11 S.u. 2.1.2 zu Bradford B. B LAINE. 12 S.u. 2.1.3 zu Kevin Q UAST. 13 B LAINE hat die bisher einzige Monographie zur Petrus im Johannesevangelium vorgelegt, zu seinen Ergebnissen jedoch s.u. 2.1.2. 14 S.u. S. 13. 10
1.3 Tendenzen der Auswertung und Interpretation
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Aufgrund der sich mit Petrus verbindenden ekklesiologisch bedeutsamen Auslegungs- und Wirkungsgeschichte (s.a. Kapitel 7) legt sich der Verdacht nahe, dass beim Blick auf die neutestamentlichen Texte konfessionelle Sichtweisen deutlich werden. Dieser Verdacht wird auch zumindest teilweise bestätigt, wenn es um Fragen ekklesiologischer Natur, 15 genauer die Gestalt des Amtes geht . Doch stellt sich die Situation im Gefolge ökumenischer Annäherungen mittlerweile sehr viel differenzierter dar16. Lediglich bei einzelnen Exegeten finden sich Anzeichen dafür, dass etwa katholischerseits eine positive, möglicherweise sogar unterstützende Haltung zum Primat ihren Untersuchungen als Leitinteresse zugrunde liegen17 – ganz zu schweigen von explizit das Papsttum bzw. den Primat glorifizierenden Autoren wie Peter BERGLAR18. Umgekehrt fällt auf, dass evangelischerseits manche Sichtweisen auf die Petrusfigur eine deutlich kritische Haltung gegenüber sich auf Petrus berufende Amts- und Autoritätsstrukturen erkennen lassen19, wobei nicht selten der Lieblingsjünger als positiv gezeichnete Kontrastfigur zu Petrus fungiert. Doch fehlt es ebenso wenig an Würdigung der Petrus-Gestalt durch evangelische Autoren20 wie auch römisch-katholische Exegeten durchaus kritische Maßstäbe an das Amt anlegen21. Insgesamt jedoch hat sich die Wahrheit des Anliegens einer bestimmten Phase der ökumenischen Bewegung gezeigt: Die gemeinsame Auslegung der Bibel führt nicht nur zu unterschiedlichen Sichtweisen, also einer legitimen – und teilweise befruchtenden – Vielfalt, sondern auch zu einem verbindenden gemeinsamen Fundament. Erfreulicherweise lässt sich dies sowohl im Bereich der kirchlichen Praxis feststellen, also in Begegnungen und Bibelgesprächen zwischen Christen unterschiedlicher Konfessionen, als auch auf wissenschaftlicher Ebene. Hier wären ökumenische Arbeitsgruppen (wie besonders prominent der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen) und Projektgruppen wie der EKK zu nennen, deren Publikationen von teils erstaunlichen Annäherungen zeugen. Noch hat die Primatsfrage verständlicherweise nichts von ihrer Brisanz verloren, aber dies sollte m.E. erst Recht zu immer neuen Verständigungsbemühungen Anlass geben.
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Dazu s.u. 2.1.4 das Votum bei Peter DSCHULNIGG. Dazu detailliert DIEFENBACH, Probleme, besonders 46–50. 17 S.u. 2.1.3 zu SIMON und in besonderer Weise 2.1.2 zu PESCH. 18 So die m.E. deutlich tendenziöse Monographie von Peter B ERGLAR (DERS., Petrus). 19 S.u. 2.2.1.a) zu den autoritätskritischen antipetrinischen Positionen. 20 Man denke nur an den programmatischen Titel bei Martin HENGEL: „Der unterschätzte Petrus“ (s.o. Kap. 1 Anm. 4) oder das Bemühen evangelischer Exegeten um einen „Petrusdienst“ s.u. 7.2.5. 21 So z.B. Peter DSCHULNIGG, Petrus (s.u. 2.1.2). 16
Kapitel 2
Grundfragen im Spiegel der Forschung 2.1 Bisherige Untersuchungen Beobachtungen zum Petrusbild im Johannesevangelium konnte man bisher primär einschlägigen Kommentaren und Untersuchungen zu johanneischer Theologie im Ganzen (2.1.1.), Monographien über die Petrus-Gestalt im Neuen Testament (2.1.2.) sowie Untersuchungen über das Verhältnis zwischen Petrus und dem Lieblingsjünger (2.1.3) entnehmen. Dazu kamen jüngst Charakterisierungen bzw. Analysen von verschiedensten Figuren im Johannesevangelium (2.1.4.), innerhalb derer die Petrusfigur Berücksichtigung fand. Eine Spezialmonographie über die Petrus-Gestalt im Johannesevangelium existierte zu Beginn der Vorarbeiten zu dieser Untersuchung noch nicht. 2007 erschien jedoch BLAINEs „Peter in the Gospel of John. The Making of an Authentic Disciple“. Eine eingehendere Diskussion im Kontext des hier vertretenen Ansatzes wird unter 2.2.2. erfolgen. 2.1.1 Kommentare und Monographien zum Johannesevangelium Besonderen Einfluss übte ganz maßgeblich Rudolf BULTMANN mit seinem 1941 zuerst erschienenen Kommentar zum Johannesevangelium1 aus. Historischen Fragestellungen, etwa nach Verfasser, Abfassungsort und -zeit, misst Bultmann für seine Interpretation eine geringe Bedeutung zu2, weswegen er auf eine Einleitung zum Kommentar völlig verzichten kann3. Im Zentrum stehen stattdessen seine sich gegenseitig stützenden literarkritischen und religionsgeschichtlichen Rekonstruktionen, die so den Eindruck eines in sich geschlossenen Systems erwecken. Das GrundschriftModell von Wellhausen und Schwartz ablösend postuliert Bultmann ein Mehrquellenmodell, d.h. die (kritische) Aufnahme mehrerer Quellen durch 1
B ULTMANN, Johannes. Zu den damit in Zusammenhang stehenden Problemen FREY, Eschatologie I 142(ff.). 3 In seiner 1948 erschienenen „Theologie Neuen Testamentes“ beschränkt sich Bultmann dann bezüglich der Fragen nach Verfasser und Ort auf den schlichten Hinweis, dies sei „unbekannt“ und setzt die Zeit der Abfassung mit reichlichem Abstand von den Synoptikern, aber noch vor den Textzeugen des 2. Jahrhunderts, dann Ende des ersten Jahrhunderts an, vgl. DERS., Theologie 362. 2
2.1 Bisherige Untersuchungen
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den Evangelisten . Dabei nimmt er in der Hauptsache eine Semeia-Quelle als Sammlung von Wundergeschichten an, ferner eine Vorlage von Offen5 barungsreden gnostischen Ursprungs und einen Passionsbericht. Daneben werden kleinere Abschnitte und Traditionen auf Quellenbenutzung zurückgeführt, wozu auch „synoptikernahe“ Traditionen gezählt werden. Zugleich wird komplementär zum ursprünglichen Evangelium eine kirchliche Redaktion konstruiert: Anzeichen dafür sei die zerstörte und nurmehr nachträglich zu rekonstruierende Reihenfolge der johanneischen Textpassagen6, sowie inhaltlich das Anliegen, dass ein „dubiously orthodox document“7 für die sich entwickelnde Kirche annehmbar werde8. Damit in Verbindung steht die Ablehnung einer expliziten Ekklesiologie für das ursprüngliche Evangelium, mit der Bultmann ebenso wirkungsvoll die Forschungslandschaft prägte: Dafür führt er in seiner „Theologie des Neu4
Vgl. im Kommentar (BULTMANN, Johannes) jeweils zu den entsprechenden Passagen s.a. DERS., Theologie 262f. 5 Der Offenbarungsredenquelle kommt im Gesamtgefüge der Theorie Bultmanns eine Schlüsselrolle zu, deren Existenz jedoch von Arbeiten zum Johannes-Prolog und zum 1Joh auf das gesamte Johannesevangelium rückgeschlossen wird. Als Kriterien zur Scheidung von vorliegender gnostischer Quelle und auf den Evangelisten zurückgehenden Textbereichen werden zunächst stilistische Merkmale geltend gemacht (so beispielsweise B ULTMANN, Johannes 37 Anm. 5 zu Joh 1,13 ebd. 100 Anm. 2 zu Joh 3,6 u.ö., vgl. die Zusammenstellung bei SMITH, Composition 9–11). Die inhaltliche Nähe zwischen angenommener Quelle und Evangelisten führt Bultmann auf eine religionsgeschichtliche Verortung beider in gnostischen Täufergruppen zurück, wovon sich der Evangelist gelöst habe (ebd. 5 vgl. auch 76). Infolgedessen werde der (v.a. aus mandäischen und manichäischen Paralleltexte rekonstruierte!) gnostische Erlösermythos vergeschichtlicht, ein kosmologischer Dualismus werde zu einem Entscheidungsdualismus (B ULTMANN, Theologie 373). Die so notwendigen Erläuterungen und Interpolationen zeichnen wiederum ein widersprüchliches Bild des Evangelisten als einerseits souveräner Theologe, der jedoch andererseits literarisch in der Kommentierung teils wörtlich übernommener Quellen zu erkennen sei (zu diesem Problem FREY, Eschatologie I 141f.). Wenn dieser teils dann auch das Quellenmaterial imitiere (so B ULTMANN, Johannes 409 Anm. 2 u.ö.), stellt sich tatsächlich die Frage, wie valide die vorgenommenen Unterscheidungen von Quelle(n) und Evangelist überhaupt sein können. So bildet ein zwar in sich konsistentes, aber anhand dieser Kriterien als unsicher zu bezeichnendes Bild des Evangelisten und ein davon abgeleitetes hypothetisches Konstrukt eines durch Literarkritik von Ergänzungen freigelegten Evangeliums die Grundlage der Interpretation. 6 Zu den weitreichenden Textumstellungen Bultmanns vgl. ausführlich SMITH , Composition 116–212, zu den Schwierigkeiten dieser Annahme vgl. u.a. T HYEN, ThR 39, 302–304, DERS., Art. Johannesevangelium, 209 und FREY, Eschatologie I 125f.144f. 7 SMITH, Composition 213. Zu dieser Einordnung des Johannesevangeliums in das von „Rechtgläubigkeit und Ketzerei“ bestimmte Geschichtsbild Walter Bauers BULTMANN, Interpretation 90. 8 Dieser Gedanke ist im Folgenden nicht nur von Bultmann-Schülern (z.B. HAENCHEN, Johannesevangelium 604) fortgeführt worden, sondern fand allgemeine Akzeptanz, s.u. S. 47 und Kap. 2 Anm. 195.
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
en Testaments“ neben dem nur 3Joh 6.9f. vorkommenden und auf die Einzelgemeinde bezogen ejkklhsiva-Begriff an: „Es fehlt auch jedes spezifisch ekklesiologische Interesse, jedes Interesse an Kultus und Organisation“ 9. U.a. einem „sakramentalen Kult“ setzt er stattdessen die „Gemeinde des Wortes“ entgegen10. Diese theologische Vorentscheidung führte auch im Kommentar zu einer weitgehenden Zuschreibung sakramentaler Bezüge an die kirchliche Redaktion (u{dato~ kaiv 3,5; 6,51b–58; 19,34b–35 s.a. 21,9b.13 zu Joh 21 s.u.). Zwar berichte der Evangelist 3,22 bzw. 4,1 von der Existenz der Taufe, aber nicht von deren Gebrauch und ebenso wenig vom Abendmahl, weswegen „die Stellung des Joh zu den Sakramenten problematisch“11 sei. Theologisch begründet geht Bultmann ebenso von einem Ausgleich der präsentischen Eschatologie des sogenannten ursprünglichen Evangeliums mit einer „traditionellen [d.h. apokalyptisch geprägten futurischen] Eschatologie“12 der Redaktion aus, der er 5,27b–29; 6,39f.44.54; 12,48 zuordnet. Von speziellem Interesse im Blick auf die Petrus betreffenden Textbereiche ist die Annahme einer späteren Harmonisierung mit den Synoptikern, die sich in Joh 1,22–24 (sowie Teilen von 1,26f.31–33); 3,24; 20,9 und insbesondere in Joh 21 zeige. Bei diesen genannten wie weiteren angenommenen Hinzufügungen 13 ist der postulierte redaktionelle Charakter also in der Regel auf ein vorausgesetztes Bild von der Theologie des Evangelisten zurückzuführen, was einen gewissen hermeneutischen Zirkel schließt. Als Testfall der Anwendung dieses Systems der kirchlichen Redaktion kann Joh 21 als Ganzes gelten, wobei wiederum inhaltliche Argumente eindeutiger sprachlicher Verifikation entbehren14. Als ein auch in späteren Diskussionen15 um den sekundären Charakter von Joh 21 wiederkehrendes Argument führt Bultmann zunächst 20,19–29 an, wonach keine weiteren Erscheinungen erwartbar seien, und den abschließenden Charakter von 20,30f. Das redaktionelle Ziel eines Ausgleichs mit synoptischer, in dem Fall markinischer und matthäischer Tradition komme in der Lokalisierung einer zusätzlichen Erscheinung in Galiläa16 zum Tragen. Die Hauptbeweislast scheint jedoch einer von Bultmann vorgebrachten ekklesiologischen Akzentverschiebung zuzukommen; denn es gehe hier im dargestellten Verhältnis des Lieblingsjüngers zu Petrus um die „aktuel9
B ULTMANN, Theologie 443. Ebd. 445. 11 B ULTMANN, Johannes 360. 12 Ebd. 196 u.ö. 13 U.a. 20,9; 4,22b (ggf. auch der ganze Vers); 7,38b; 10,16; vgl. die Übersicht bei SMITH, Composition 224–226. 14 So B ULTMANN selbst in der Kommentierung zum „Nachtrag Kapitel 21“: „Sprache und Stil liefern freilich keinen sicheren Beweis“ (DERS., Johannes 542). 15 S.u. 4.1.2. 16 B ULTMANN, Johannes 543. 10
2.1 Bisherige Untersuchungen
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le Frage nach dem Rang kirchlicher Autoritäten“17 – allerdings ohne ein spezielles Interesse an einem Amt des Petrus18. Der Lieblingsjünger, vorher als Idealgestalt und Repräsentant des Heidenchristentums19 angesehen, werde hier zur historischen Person, zum Autor des Evangeliums. Auf ihm liege der Fokus, auf ihn als Augenzeugen und „Bürgen für die Geltung des Evg“20 sei die zuvor Petrus übertragene Autorität übergegangen, weswegen 21,15–17 zur reinen „Folie“21 für 21,18–23 erklärt wird. Mit dem Lieblingsjünger verbinde sich zugleich eine klare Überordnung, woraus eine größere „Bereitschaft zum Glauben (...) bei den Heiden“ folge22. Unbenommen einer deutlich kritischen Auseinandersetzung mit Bultmann blieb auch der katholische Exeget Rudolf S CHNACKENBURG, dessen großer Kommentar ab 1965 publiziert wurde, in der ihm eigenen Form dessen redaktionsgeschichtlicher Herangehensweise verpflichtet. Ebenso verblieb Schnackenburg trotz der Aufnahme neuerer religionsgeschichtlicher Erkenntnisse im Bereich der Gnosisforschung teilweise noch im „Schatten Bultmanns“23. In literarkritischer Hinsicht jedoch zeigte er sich in der Einleitung zum ersten Kommentar-Band (mit Ausnahme einer angenommenen Vertauschung von Joh 5 und 6) skeptisch gegenüber umfangreichen Textumstellungen24. So nahm er zunächst nur die textkritisch eindeutig sekundären Bestandteile 5,3b–4, 7,53–8,11 sowie Joh 15–17 und 21 als spätere Hinzufügungen des gleichen Autors an und vermerkte Probleme bezüglich des Abschnittes 3,31–36 sowie weiterer kleinerer Textteile25, was sich mit dem Postulat „einer maßvollen und besonnenen Literarkritik“26 zusammenfassen lässt. Auch Quellenmodelle, insbesondere das Bultmanns, werden – u.a. anhand des berechtigten Hinweises auf dessen Defizite in sprachlich-stilistischer Hinsicht – einer klaren Kritik unter17
Ebd. Ebd. 552, 555. 19 Etwas inkonsistent erscheint diese Argumentation allerdings dahingehend, dass 19,25–27 Maria und 13,21–30 wie 20,2–10 Petrus als unzweifelhaft historische Figuren als Repräsentanten des Judenchristentums dem Lieblingsjünger zugeordnet werden können. 20 B ULTMANN, Johannes 554. 21 Ebd. 547. 22 Ebd. 531. 23 FREY, Eschatologie I 243. Dennoch zeigt sich SCHNACKENBURG bemüht, angesichts fehlender historischer Erkenntnisse zur johanneischen Gemeinde wie gleichermaßen der johanneischen Schriften viele Fragen offen zu halten, so D ERS., Zur Redaktionsgeschichte des Johannesevangeliums, in: DERS., Johannesevangelium IV, 90–101, 101f. 24 Vgl. die entsprechenden Abschnitte „Literarkritik am Joh-Ev“ sowie „Tradition und Redaktion“ in: SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 32–46 und 46–60, hier 33– 36.41–44. Zum Thema insgesamt auch D ERS., Johannesevangelium IV, 90–101. 25 Ebd. 34–36.44–46. 26 Ebd. 36. 18
12
Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
zogen27. Allein der Annahme einer shmei'a-Quelle und dem Rückgriff auf Logiengut sowie kultische Traditionen wird einige Wahrscheinlichkeit zugebilligt28. In Ablehnung u.a. auch einer „kirchlichen Redaktion“ sei das Johannesevangelium trotz der genannten einzelnen redaktionellen Eingriffe „im wesentlichen das Werk des Evangelisten“29. Im Laufe der voranschreitenden Kommentierung gerieten dann jedoch weitere Textteile unter „den Verdacht eines redaktionellen Zusatzes“30, ebenso trat ein Passionsbericht und ggf. eine Vorlage der Ostergeschichten als weiteres Quellenmaterial hinzu31. Auch im Rahmen einer Einordnung der LieblingsjüngerGestalt veränderte sich die Position Schnackenburgs: In der Einleitung zum ersten Kommentarband sah er sich noch vor die Alternative einer „Deutung auf eine individuelle Gestalt, in der man dann kaum jemand anders erblicken kann als den Apostel Johannes“32 und einer idealtypischen Deutung gestellt, wonach er sich für Erstere im Zusammenhang mit einem „hellenistischen Apostelschüler“33 als Evangelisten entscheidet. Im Exkurs „Der Jünger, den Jesus liebte“34 ging seine Hypothese von einem möglicherweise nach Kleinasien zugewanderten Jerusalemer Herrenjünger aus, der allerdings entgegen der johanneischen Darstellung historisch nicht zu den Zwölf gehörte. Dessen apostolische Herkunft sei jedoch (unbeabsichtigt) von dessen Schülern durch die Zuordnung zu Petrus suggeriert worden, die dazu dienen sollte, „ihr Evangelium in die Großkirche einzuführen“35. Eine grundsätzlich positive und an manchen Stellen zu diskutierende Sicht des johanneischen Petrusbildes zeigt sich im Zuge der Einzelkommentierung: Zu Joh 1,42 will Schnackenburg beispielsweise trotz der fehlenden Erstberufung keine Zurücksetzung von Petrus erkennen, stattdessen wird anhand auch der übrigen Petrus-Texte des Johannesevangeliums (besonders 6,68, hier m.E. auch zutreffend) der „Vorrang
27
Ebd. 38–40. Ebd. 51–54.59f. 29 Ebd. 59. 30 So ebd. 73f. zu 6,39c.40.44.54, auch für 6,51c–58 erwägt er mit aller Vorsicht die „Annahme einer anderen Hand“ (ebd. 89, zum ganzen Abschnitt 85–89), gleiches gilt für 12,48b (ebd. 528) und mit größerer Überzeugung für 5,27b–29 (ebd. 144–147) s.a. SCHNACKENBURG, Redaktionsgeschichte 94f. 31 Vgl. der Exkurs „Der Jünger, den Jesus liebte“ in: SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 449–464 (464). 32 SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 84. 33 Ebd. 86. 34 SCHNACKENBURG, Jünger, im Wesentlichen wiederholt in seinem Exkurs D ERS., Johannesevangelium III 449–464. 35 SCHNACKENBURG, Jünger 111. Zu dieser gängigen Hypothese, Petrus die Funktion einer Approbation des Johannesevangeliums zuzuschreiben s.u. Kap. 2 Anm. 195 und s.u. S. 47. 28
2.1 Bisherige Untersuchungen
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Petri als Sprecher der Zwölf“36 hervorgehoben. Zu den Weideaufträgen 21,15–17 weist er zwar eine „streng rechtliche Interpretation“ zurück, bezeichnet aber dennoch „den Dienst des Petrus auch als Amt und im Verhältnis zu Jesus als irdische Stellvertretung“37. Beachtenswert sind hingegen seine Bemerkungen, dass der Lieblingsjünger allen Jüngern einschließlich Petrus gegenüber steht38. Insbesondere im Rahmen einer gängigen Forschungsposition zum Verhältnis von Lieblingsjünger und Petrus, wie sie u.a. mit dem Namen Raymond BROWN verbunden ist (s. im folgenden Abschnitt), wird dieser Beobachtung Relevanz zukommen39. Die wohl bis heute einflussreichste Zuordnung der beiden Figuren des Petrus und des Lieblingsjüngers unternahm Raymond E. BROWN im Rahmen seiner Studien zur johanneischen Gemeinde40. Sein vorheriges fünfphasiges Modell in der Einleitung zum ersten Kommentarband ablösend41 rekonstruierte er darin vier Phasen der Entstehung des Johannesevangeliums, in welche sowohl verschiedene christologische und ekklesiologische Entwicklungen als auch die Geschichte der Gemeinde mit ihren jeweiligen äußeren und inneren Auseinandersetzungen eingeordnet wurden: (1) In die 70er und 80er Jahre des ersten Jahrhunderts fiele das Schisma der johanneischen Gemeinde mit der Synagoge (Joh 9,22; 16,2). Unter den ersten Christen dieser Gemeinde wären auch Täuferjünger, zu denen der Lieblingsjünger als Herrenjünger gehörte (1,35–51). (2) Zu einem späteren Zeitpunkt erfolge eine Niederschrift des Evangeliums, möglicherweise durch einen Schüler des Lieblingsjüngers. In diesem Werk hätte sich die theologische Auseinandersetzung mit verschiedenen Gruppierungen niedergeschlagen: Neben „den Juden“ seien das allgemein die ungläubige „Welt“ (kovsmo~) und nichtchristliche TäuferAnhänger. Doch wende sich die johanneische Polemik auch gegen Christen, deren Glaube als defizitär angesehen wurde: so gegen Judenchristen, die weiterhin dem Synagogenverband angehörten, also im Verborgenen blieben, oder deren Christologie sich von der johanneischen unterschied (u.a. 6,60–66; 8,31–59) Aus dem Kontrast zwischen Petrus und den Zwölf 36
SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 311f., CKENBURG, Johannesevangelium II 110. 37 SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 435f. 38 SCHNACKENBURG, Jünger 106f. 39
zu Joh 6,68f. besonders: SCHNA-
Dazu auch s.u. Kapitel 6. BROWN, Community; eine Zusammenfassung findet sich in: DERS., Introduction. 41 BROWN, John I xxxiv–xxxix. Im Rahmen dieses Modells erfahren vorliegende Traditionen eine Überarbeitung und Weiterentwicklung durch die johanneische Schule unter besonderem Einfluss des späteren Evangelisten. Dieser verantwortet in einem dritten Stadium eine erste Fassung des so Gestalt annehmenden Evangeliums, woran sich eine weitere Fassung des Evangelisten und eine abschließende einer Redaktion anschließt, die u.a. mit Joh 21 und dem Prolog neues Material einbringt. 40
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
einerseits und dem diesen überlegenen Lieblingsjünger andererseits schloss Brown, dass sich darin ebenfalls die johanneische Einstellung gegenüber einer bestimmten urchristlichen Gruppierung widerspiegele. Die johanneische Gemeinde – durch den Lieblingsjünger repräsentiert – sei den durch Petrus und die Zwölf dargestellten „apostolic churches“ überlegen 42. Davon unbenommen gehörten diese zu denjenigen, die in der Nachfolge blieben (6,60–69) und zu oiJ i[dioi (13,1) zählten. (3) In einer ca. 100 n. Chr. angesetzten Phase erfolge die Abfassung der Briefe durch den vom Lieblingsjünger unterschiedenen Presbyter, dessen Bezug zum Johannesevangelium unklar sei. Als zentrales Ereignis nennt Brown hier u.a. das innerjohanneisches Schisma, das sich 1Joh 2,18f. niedergeschlagen habe. (4) Joh 21 (und vermutlich 3Joh) repräsentierten nicht nur den Abschluss der literarischen Entwicklung, sondern darin auch eine Integration in die „Großkirche“ einerseits und ein Aufgehen der Sezessionisten in gnostische und später montanistische Kreise andererseits. Für diese Entwicklung im Rahmen heterodoxer Kreise führt Brown die Hochschätzung des Johannesevangeliums insbesondere durch valentinianische Gnostiker und den ersten bekannten Johanneskommentar des Heraklion an. Für eine Übernahme großkirchlicher Leitungsstrukturen im Bereich der Restgemeinde dagegen stehe der vom 3Joh bekämpfte Diotrephes. Mit den Weideaufträgen an Petrus Joh 21,15–17 sei intendiert gewesen, die von den Apostolischen Kirchen praktizierte „pastoral authority“ als von Jesus eingesetzt und so akzeptierbar darzustellen43. Im Ganzen gesehen zeichnet sich das Profil des ungemein einflussreichen katholischen Exegeten Raymond Brown u.a. aus durch eine große ökumenische Aufgeschlossenheit44 und methodisch durch eine „moderately critical theory of the composition of the Gospel“45. Im Rahmen dieses zweiten Anliegens, das er bereits im ersten Kommentarband von 1966 formulierte, hat sich bis zum Ende seines Wirkens eine gewisse Akzentverschiebung vollzogen: Wie sich in der Revision seiner früheren Modelle feststellen lässt, verlagerte sich das Gewicht auf die Charakterisierung sei42
BROWN, Community 31, s.a. die in ihrer Christologie gründende „one-upmanship of the Johannine Christians“ ebd. 84. 43 Ebd. 162. 44 Als Grundlage zu ökumenischer Zusammenarbeit unter Exegeten verschiedener Konfessionen können folgende Bemerkungen gelten: „Sincere confessional commitment to a theological position is perfectly consonant with a stubborn refusal to make a biblical text say more than its author meant it to say. There is no reason why scholars of different denominations cannot agree on the literal meaning of Scripture, even though they may disagree on the import of certain passages in the evolution of theology.“ (BROWN, John I vi). 45 BROWN, John I vi.
2.1 Bisherige Untersuchungen
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ner Positionen als „moderately“ anstelle von „critical“ und verstärkte sich die Skepsis gegenüber rekonstruierbaren Vorstufen, was mit einer in dieser Zeit allgemein feststellbaren Tendenz zur Synchronie einherging (s.u. zu Alan R. CULPEPPER und Francis J. MOLONEY). Am deutlichsten wird dies greifbar in seiner 2003 von Moloney posthum herausgegebenen „Introduction in the New Testament“46, worin er zwar begründete diachrone Nachfrage zugestand, aber sein primäres Augenmerk nun auf dem Endtext lag: „[P]rimary consideration should be given to the passage as it now stands“47. Dies verband ihn u.a. mit den Postulaten seines Schülers Francis J. MOLONEY48, der Browns Aufzeichnungen an einigen Stellen auch ergänzte. So fügte Moloney beispielsweise einen Exkurs über „Narrative Approaches to the Fourth Gospel“ ein, deren Existenz Brown nur relativ knapp erwähnt hatte, vor deren Überschätzung er gewarnt49, aber deren Gewinn er – in Ergänzung historisch-kritischen Vorgehens – ebenso hervorgehoben hatte50. Francis J. MOLONEY selbst stellt die Arbeit an seinem Band in der Reihe Sacra Pagina51 in Kontinuität zu seiner vorangegangenen dreibändigen Kommentierung52, die er in methodischer Hinsicht ausdrücklich als „narra46
BROWN, Introduction. Diese gehört zu den Vorarbeiten einer geplanten, aber nicht mehr zu realisierenden Revision seines Johanneskommentars. Zur Würdigung des Vermächtnisses von Brown wie zu seinen modifizierten Positionen vgl. auch Francis J. MOLONEY, The Gospel of John: The Legacy of Raymond E. Brown and beyond, in: DERS., Gospel 112–136. 47 Ebd. 63 s.a. 111: Die Zielsetzung eines Kommentars sei es nicht „to find out what happened historically, but to explain what the writer(s) intended and conveyed to the intended audience by the final Gospel narrative. (...) One should deal with the Gospel of John as it now stands, for that is the only form that we are certain has ever existed“. 48 Bezüglich der nun selbst vertretenen Annahme „the Gospel is an intelligible document in its present form“ verweist B ROWN namentlich auf Francis J. MOLONEY wie auch dessen „Vorgänger“ R. Alan CULPEPPER und Mark W. G. STIBBE (ebd. 45). 49 So klingen zunächst deutlich kritische Töne an, wenn Brown ohne nähere Spezifizierung einen Teil neuerer „hermeneutical approaches“ wie folgt charakterisiert: „Sometimes extravagent claims have been made for these new approaches as if they supplied messianic deliverance from a barren past totally concerned with sources and reconstructions.“ (ebd. 29). Mit Recht scheint sich Brown hier insbesondere gegen ein einseitiges Bild historisch-kritischer Exegese zu wenden, die sich ausschließlich mit hypothetischen Vorstufen des Textes beschäftigt haben soll. 50 Vgl. die direkt anschließende Feststellung: „But when seen as complementary enrichment rather than rejection or cataclysmic replacement, these approaches have filled out Johannine study in a fascinating way“ (ebd. 29) oder der Verweis auf eine korrigierende Funktion: „Various literary studies are bringing the scales of interpretation back to a better balance by emphasizing the importance of following the logic of the text itself“ (ebd. 30). 51 MOLONEY, John. 52 MOLONEY, Belief, DERS., Signs und DERS., Glory.
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
tive critical reading“53 bezeichnet. Dies konkretisiert sich beispielsweise in der Annahme einer theologischen Kohärenz des vorliegenden, kunstvoll54 kreierten Endtextes55, die u.a. in der narratologischen Kategorie des „point of view“ greifbar wird, oder einer „impact (…) on the reader“ genannten Fokussierung pragmatischer Aspekte56. An einer klassisch diachronen Perspektive wird grundsätzlich festgehalten57, der Fokus liegt jedoch auf der literarischen Gestalt, die die Welt „innerhalb“ des Textes (und nicht „hinter“ diesem liegend) beschreibt58. Bezüglich des Verhältnisses von Petrus und Lieblingsjünger im Johannesevangelium hebt Moloney einerseits eine auch vom Lieblingsjünger zuerkannte „primacy“ und insgesamt anvertraute „authority“ des Petrus hervor, als Modell wahrer Jüngerschaft stellt er jedoch den Lieblingsjünger dar59. Als methodisch besonders facettenreich kann man den Weg bezeichnen, den Hartwig THYEN in über 50 Jahren seiner Johannesforschung gegangen ist: Als Schüler Bultmanns60 und Käsemanns unternahm er es zunächst nach eigenen Worten „auf dem unzeitgemäßen Weg der Literarkritik der Lösung des ‚literarischen Rätsels‘ des Johannesevangeliums näherzukommen“61. Das redaktionsgeschichtliche Modell Bultmanns voraussetzend62 hob Thyen hier eine antidoketische Redaktion von einer gnostisch geprägten Grundschrift63 ab. Die Aufnahme zweier „Petrusgeschichten“ in Joh 21 53
MOLONEY, John xxii, zur Einführung in grundlegende Annahmen und Modelle des Narrative Criticism MOLONEY, John 14–19 s.a. der oben genannte Exkurs in BROWN, Introduction to John 30–35. 54 MOLONEY, John 14. 55 Ebd. xxii s.a. die Betonung der „narrative unity“ ebd. 13. 56 Ebd. xxii. 57 Ebd. 13 („...however we must never lose sight of the world behind the text“) bzw. 15 („Although not ignoring historical questions that inevitably lie ‚behind‘ the text of the Gospel“). Auch als Herausgeber des posthum veröffentlichten Werkes von Raymond BROWN würdigt er dessen Anliegen: „Brown rightly refuses to neglect the historicalcritical question of the development of a Gospel that was the result of a long process, however unified the final form of the narrative may appear to be“ (BROWN, Introduction to John 3). 58 Zur notwendigen Verbindung beider Perspektiven vgl. auch M OLONEY in B ROWN, Introduction to John 39. 59 MOLONEY, Reading, zum Lieblingsjünger als Modell der Jüngerschaft vgl. auch MOLONEY, John 520 zu Joh 20,1–9. 60 Bultmann betreute die 1955 unter dem Titel „Der Stil der Jüdisch-Hellenistischen Homilie“ publizierte Dissertation. 61 THYEN, Johannes 13. (Kursiv H.T.) 62 Ebd. 30. 63 Indem T HYEN in Joh 13,4–10a ein „nichtchristliches und spezifisch gnostisches Heilsverständnis“ erkennen wollte (ebd. 34f.) erwies er sich an dieser Stelle ebenso als Schüler KÄSEMANNs.
2.1 Bisherige Untersuchungen
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im Zusammenspiel mit dem Lieblingsjünger diene der Redaktion hierbei der Absicherung der apostolischen Legitimität ihrer Gründungsgestalt64. Doch verfolgte Thyen anhand der Lieblingsjünger-Stellen die Spuren der Redaktion auch in Joh 1–20 zurück, schied also eine sekundäre Lieblingsjünger-Schicht aus, wobei dieser Jünger durchgehend „in dem geliehenen Glanz der feststehenden Autorität des Petrus“ erscheine 65. Die dieser Redaktion zugeschriebene umfassende Bearbeitungstätigkeit setzte Thyen mit dem so entstandenen ganzen Buch des Evangelisten in eins, um es „als Autosemantikon für sich selber sprechen zu lassen“66. Dies lag ganz auf der Linie seines nun aufkommenden Postulats nach einer „konsequenten Anwendung der redaktionsgeschichtlichen Fragestellung“ 67, die allein dem Endtext gerecht werden könne. So zeigte sich sowohl die Bezeichnung des Redaktors als eigentlichen Evangelisten als auch die Hochschätzung des Endtextes analog in anschließenden Veröffentlichungen68, im Gegenzug verstärkt sich die Skepsis gegenüber einer klar zu rekonstruierenden Grundschrift69. Aus seiner These, dass alle Lieblingsjünger-Texte ein70 schließlich Joh 21 einen ursprünglichen Zusammenhang darstellten , schöpfte Thyen im weiteren Verlauf seiner Johannesexegese das Argument für die Kohärenz71 des gesamten Johannesevangeliums, da die Petrus und
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Ebd. 31. Ebd. 37f. 66 Ebd. 41. 67 T HYEN, Literatur (ThR 39) 328–330, und zwar mit der Konsequenz, „daß die Exegese sich von dem wertenden Schielen auf das ‚heilige Original‘ hinter dem vorliegenden Text lösen muß.“ (ebd. 330). 68 So in dem sechs Jahre später veröffentlichten Aufsatz von Hartwig T HYEN (DERS., Entwicklungen), wo er die Frage nach sekundären Schichten interpretatorisch wiederum für sekundär erklärt: „Denn ob die aufgezeigte Beziehung von Anfang an in dem Text bestanden hat oder erst durch einen Bearbeiter hergestellt wurde, ist insofern belanglos, als auch für jedes aus der Hand eines Bearbeiters hervorgegangene Werk gelten muß, daß es als koheränt zu begreifen ist“ (ebd. 261), vgl. auch im gleichen Jahr DERS., Literatur (ThR 42) 215, wonach die „vernachlässigte Frage nach der inneren Struktur und Absicht des gesamten überlieferten Johannesevangeliums dieses auch dann als eine absichtsvolle kompositorische Einheit erweisen könnte, wenn sich in ihm tatsächlich verschiedene ‚Handschriften‘ unterscheiden ließen“. Zum Redaktor als eigentlicher Evangelist s.a. THYEN, Entwicklungen 267.296 und seine Kritik an Brown (D ERS., Literatur [ThR 42] 218) vgl. auch DERS., Art. Johannesevangelium, 211. 69 THYEN, Entwicklungen 267 Anm. 25. 70 So noch vorausgesetzt ebd. 266f. 71 Demgemäß verwies THYEN in seinem TRE-Artikel auf die Textzeugen, die mit Ausnahme von 7,53–8,11 durchgehend das gesamte uns überlieferte Johannesevangelium stützen und betont: „Auch der sogenannte ‚Nachtrag‘ (Joh 21) fehlt nirgends“ (T HYEN, Art. Johannesevangelium, 200). Zwar werden die in der Forschung immer wieder genannten „Aporien“ vorgestellt (ebd. 203–205) und (noch!) am Modell einer Redaktion 65
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
den Lieblingsjünger betreffenden Texte gleichermaßen auf Johannes 21 als „ihre Klimax und glückliche Auflösung“ hin angelegt wären 72. Aus dem Verständnis des Johannesevangeliums als „literarisches Werk“73 heraus, dessen „fiktionale und inspirierende Textwelt“74 als Ganze einlade, begangen zu werden und als „Appell an das vom Autor vorausgesetzte und zugemutete freie und schöpferische Verstehenkönnen des Lesers“ 75 funktional wirkt, wird die historische Genese der Texte zunehmend als irrelevant erachtet. Für ein adäquates Verständnis der Texte hat allein das Gesamtgefüge des Textes als Bezugsrahmen zu gelten76. Diese literaturwissenschaftliche und textlinguistische Erkenntnisse aufnehmenden Impulse77 haben inzwischen in den 2005 erschienen Johanneskommentar78 als Gesamtentwurf Thyens Eingang gefunden. Dieser liest nun mit Ausnahme von Joh 7,53–8,11 das gesamte Johannesevangelium vollkommen synchron als „kohärenten und hoch poetisch literarischen und auktorialen Text“79. Das in Akte und Szenen untergliederte Werk80 des Evangeliums schließt so auch nicht mit dem sogenannten Nachtragskapitel, sondern mit dem 20,30 beginnenden Epilog. Bei Thyen dürfe „die Sache literarischer, d.h. in die festen Buchstaben der Schrift gefaßter Werke nicht hinter ihnen in ihrer vermeintlichen Vorgeschichte und Genese und auch festgehalten, doch: „Auch für den Redaktor muss gelten, daß er mit der Redaktion und nicht gegen sie spricht“ (ebd. 211, kursiv H.T). 72 THYEN, Werk 121 s.a. DERS., Art. Johannesevangelium, 210f. Als offene Frage und somit Infragestellung des mehrheitlich vertretenen Nachtragscharakters von Joh 21 äußerte sich Thyen bereits in seinem Forschungsbericht 1975 zu einer hermeneutischen Schlüsselfunktion von Joh 21: „Ja, kann das ganze Evangelium einschließlich seines ‚Nachtrages‘ und all seiner Eingriffe und Glossen der ‚Kirchlichen Redaktion‘ als die alles bestimmende Einheit verstanden werden? Dabei erhielte dann gerade das Kapitel 21 insofern eine Schlüsselfunktion, als aus ihm der Code für solche Lektüre des Evangeliums zu dechiffrieren wäre.“ (T HYEN, Literatur [ThR 39], 52). 73 Vgl. T HYEN, Werk. 74 Ebd. 119 (kursiv H.T.). Im Blick auf die pragmatische Dimension insbesondere der Abschiedsreden verwandte Thyen auch den Begriff der „Gegenwelt“ (D ERS., Art. Johannesevangelium, 217). 75 THYEN, Werk 117. 76 T HYEN, Art. Johannesevangelium 211: „Die Interpretation des Johannesevangeliums muß daher auf der Ebene der Synchronie von seinem überlieferten Text ausgehen“ bzw. noch zugespitzter DERS., Werk 119: „Alle seine Textteile und Teiltexte bis hinunter zur Ebene seiner Sätze müssen aus diesem Ganzen und als dessen Konstituenten begriffen werden“ (kursiv T.S.). 77 So das Postulat u.a. in T HYEN, Art. Johannesevangelium 211, zur Sache ausführlicher FREY, Eschatologie I 303–305. 78 THYEN, Johannesevangelium. 79 THYEN, Johannesevangelium 1 vgl. auch T HYEN, Werk 119. 80 Im Anschluss an Roland M. FRYE bezeichnet THYEN das Johannesevangelium konkret als „Dramatische Historie“ vgl. T HYEN, Werk 126.
2.1 Bisherige Untersuchungen
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nicht in den mutmaßlichen Intentionen ihrer Autoren gesucht werden“81. Die Einbeziehung alttestamentlicher und v.a. synoptischer Texte durch das Johannesevangelium bezeichnet Thyen jedoch konsequentermaßen nicht als diachronen Aspekt, sondern als Spiel mit „Prätexten“ innerhalb des Verfahrens der Intertextualität82. Gleichwohl sind besagte intertextuelle Bezüge, wie auch innerjohanneische Verbindungslinien als äußerst fruchtbar für die Exegese auszuwerten. Insbesondere darin sind wohl die größte Stärke und das grundsätzliche Recht jedes synchronen Ansatzes zu sehen, doch bleibt zu klären, ob synchrone und diachrone Fragestellungen alternativ zu betrachten sind und letzteren im Hinblick auf das Verstehen der Texte tatsächlich keine Relevanz mehr zuzusprechen ist83. Ebenso stellt sich die bleibende Frage nach einer möglichen Beziehung zwischen Textwelt und außertextlicher Welt, die zwar sicher nicht in Form einer einfachen Gleichung zu lösen sein wird, doch deren grundsätzlich bestehendes Verhältnis wohl auch nicht kategorisch ausgeschlossen werden kann84.
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THYEN, Johannesevangelium 5. Im Gegensatz dazu aber Thyen teilweise selbst noch 1977 (T HYEN, Entwicklungen 276 u.ö). Zu Thyens eigener Entwicklung vgl. HALDIMANN, Rekonstruktion 35–39. 82 Zum Phänomen der Intertextualität s.u. Kapitel 3 Anm. 74. Doch bleibt zu fragen, ob das Präfix „Prä“ (-Texte) nicht im Sinne vor-liegender, d.h. voraus-liegender Texte damit auch auf eine Genese des Textes weist, und somit diachronen Aspekten gleichbedeutend ist. „Intertextuelles Spiel“, um mit Thyen zu sprechen, entspricht in historischkritischer Terminologie der Verwendung von „Traditionen“, womit der streng synchrone Rahmen bereits verlassen ist. 83 Mit HALDIMANN ist die Anfrage an T HYEN zu stellen, „ob der Sinn von Texten auf der synchronen Ebene nicht immer auch, soweit möglich ‚diachron‘ aufgeschlüsselt werden sollte in dem Sinn, dass jedes Verstehen eines Textes, gerade wenn es sich ausschließlich an den ‚Zeichen und deren Konstellation‘ eines Textes orientiert, auf die geschichtlich-genetische Dimension des Textes verwiesen ist als einem der Nahkontexte der Verwendung dieses Textes selbst“ (HALDIMANN, Rekonstruktion 37f.). Vgl. dazu auch den berechtigten Einspruch von Manfred LANG bezüglich Thyens Fokus auf dem Wirkpotentials des Textes: „Wenn also durch dieses Repertoire das Rollenangebot des Textes an den Leser gesteigert wird, dann kann die Rückfrage nach dem Woher dieser Traditionen nicht ausgeklammert werden. Es wird auf diese Weise das deutlichere Profil ermittelt, das in der Summe die Aktstruktur des Lesens erhöht“ (LANG, Johannes 40 [kursiv T.S.]; s.a. auch Langs anschließendes Vorführen der methodischen Schwächen bei Thyen anhand von dessen Auslegung von Joh 2,5b). Für diese Verbindung von synchroner und diachroner Exegese und gegen eine a-historische narrative Analyse plädierte ebenso bereits STIBBE, Storyteller 12 u.ö., insbesondere seine damit verbundene Rückkehr zur alten Quellenkritik erscheint mir jedoch als äußerst problematisch. Zur methodischen Grundlage meines Ansatzes s.u. 3.3 als Verbindung von durch narratologische Analysen ergänzter synchroner und „klassisch“ diachroner Analyse. 84 S.u. 3.2.3.
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
2.1.2 Monographien über die Petrus-Gestalt im Neuen Testament Wenig überraschend schlägt sich das konfessionell bedingte Interesse an der Petrus-Gestalt in der Publikation von Monographien nieder, doch blieb das Feld nie der römisch-katholischen Exegese allein überlassen: Zu nennen sind an dieser Stelle von evangelischer Seite zuerst Oscar C ULLMANN, Dietrich GEWALT, später dann Christian GRAPPE und neuerdings Martin HENGEL, Christfried BÖTTRICH, Jürgen BECKER und Markus BOCKMUEHL. Im evangelischen Bereich wohl einmalig widmete der ökumenisch äußerst aufgeschlossene Oscar C ULLMANN Petrus bereits 1952 eine eigene Monographie. Diese – dezidiert als „Geschichte des Urchristentums“85 verortet – soll folglich keinen dogmatischen oder kontroverstheologischen Beitrag darstellen. Gleichwohl stellt sich Cullmann anknüpfend an der sehr breiten Darstellung von Mt 16,17–19 ökumenisch brisanten Grundfragen, so beispielsweise wie „das Einmalige gegenüber dem sich Wiederholenden abzugrenzen“86 sei. Als alle Synoptiker verbindendes Kennzeichen hebt Cullmann die Sonderstellung des Petrus hervor, der als Sprecher der Zwölf und Akteur in zentralen Szenen (z.B. Lk 5,1–11; 22,31f.; Mt 14,28–31; 16,16–19) auftritt87. Dabei geht er von einem synoptischen Gesamtbild aus, das aus „Einzelzügen“ bestünde. Diese seien „zwar nicht jeweils in gleicher Weise bewahrt worden“, sie verteilten sich im Blick auf die einzelnen Evangelien „aber gleichmäßig über sie“88. So liegt der Akzent auf einer harmonischen Zuordnung der jeweiligen Petrusstellen und dem Aufweis von Parallelstellen (z.B. Lk 22,32f. und Mt 16,16–19, auf ihre Weise auch Joh 6 und 2189), aber weniger auf einer Differenzierung und Profilierung der einzelnen Evangelisten. Bezüglich der synoptischen Petrusdarstellungen lautet das Urteil stattdessen: „Ein Unterschied in der Behandlung der Person des Petrus durch die einzelnen synpt Evangelien besteht nicht“90. Davon abgehoben wird allerdings der Befund im Johannesevangelium, worin der Lieblingsjünger „in eine gewisse Konkurrenz zu Petrus“91 trete. Die Sonderstellung des Petrus werde zwar nicht gemindert, sondern vielmehr vorausgesetzt, ihr werde nur die exponierte Stellung des Lieblingsjüngers an die Seite gestellt, wodurch „lediglich die Ausschließlichkeit der petrinischen Sonderstellung (…) bekämpft“92 werde. 85
CULLMANN, Petrus 11. Ebd., 174. 87 Ebd. 22–26, vgl. auch CULLMANN, Art. Pevtro" 101f. 88 Ebd. 101. 89 CULLMANN, Petrus 202–207. 90 CULLMANN, Art. Pevtro" 101. 91 Ebd. 102. 92 CULLMANN, Petrus 26f. Fraglich ist m.E. allerdings, ob sich dies auch anhand von 1,41 erhärten lässt, wie es Cullmann konstatiert, ebd. 28. Insgesamt scheint jedoch der 86
2.1 Bisherige Untersuchungen
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Ein dezidiert historisches Interesse leitete Dietfried G EWALT in seiner Dissertation „Petrus. Studien zur Geschichte und Tradition des frühen Christentums“93, was sich nicht nur am Titel, sondern auch der Struktur der Untersuchung ablesen lässt: Einem ersten Teil A („Petrus in den ältesten Traditionen“) folgt ein Teil B, der „Die Geschichte des Petrus“ beinhaltet. Einleitend formuliert Gewalt sein Anliegen dann als eine Verhältnisbestimmung „von Petrustradition und historia Petri“, womit sich die Frage „nach dem Verhältnis von vorösterlichem und nachösterlichem Petrus“ verbindet94. Anhand der vorgenommenen Scheidung von vorliegender Tradition und Einträgen des Evangelisten (und ggf. weiterer Redaktionsstufen) in den Petrus betreffenden Evangelientexten schätzt Gewalt das Textmaterial in allen Bereichen als kaum für den vorösterlichen Petrus auswertbar ein95. Zentral sei dagegen die abgebildete Funktion des Petrus, die sich bei Markus vorrangig als Garant „der den Jüngern vermittelten [nachösterlichen!] Tradition“96 darstelle. Diese Rolle erhalte bei Lukas noch einmal einen eigenen Akzent, indem Petrus besonders zu Beginn (Lk 5,1–11) und zum Abschluss des Wirkens Jesu (22,31–34; 24,34) hervorgehoben werde, was dem Apg 1,21f. erhobenen Kriterium der Zeugenschaft und der damit gewährleisteten heilsgeschichtlichen Kontinuität des Evangeliums entspreche97. Bei Matthäus hingegen werde Petrus noch stärker als Typos der Nachfolge profiliert98, ebenso zeichne Johannes „Petrus als theologisch bedeutsame Gestalt, nämlich als den im Bekennen und Nichtverstehen exemplarischen Jünger“99. Davon unterscheidet Gewalt ein noch wenig profiliertes Petrusbild der vorjohanneischen Tradition und das sich im Nachtrag Joh 21 widerspiegelnde gegenwartsbezogene Anliegen, die Funktion des Petrus als Gemeindeleiter von derjenigen des Lieblingsjüngers als Traditionsgarant abzuheben. Als Gründe für die Aufnahme in bereits dargelegte ambivalente Befund von Aufwertung einerseits und Relativierung einer Sonderstellung im Vergleich zu synoptischen Parallelstellen andererseits mit der Bezeichnung „Doppelhaltung“ adäquat bezeichnet (ebd. 26f.). 93 GEWALT, Petrus. 94 Ebd. 4. 95 Die historisch verifizierbaren Informationen über einen vorösterlichen Petrus erschöpfen sich nach Gewalt (ebd. 79) in dessen jüdischer Herkunft (vgl. Name des Vaters Mt 16,17; Joh 1,42 und 21,15–17), der Existenz eines Bruders namens Andreas und einer Ehefrau (1Kor 9,5; Mk 1,30). Darüber hinaus sei der geringe Bildungsgrad in Aussagen über alle Apostel dokumentiert (ebd. 79–81). 96 Ebd. 24 97 Ebd. 49–53 s.a. DERS., „Petrus-Bild“, zusammenfassend 21. 98 So habe Petrus in seiner hervorgehobenen Rolle „Anteil an Glanz und Elend der Jüngerschaft“ (GEWALT, Petrus 32, zur Sache 31f.). 99 Ebd. 67. Zur für meine Begriffe durchaus zutreffenden Bezeichnung als „exemplarischer“ Jünger s.a. GNILKA, Petrusdienst 10–12 (bezogen auf Markus- und Johannesevangelium) und s.u. besonders Kapitel 7.1.
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die urchristliche Tradition und deren Weiterentwicklung nennt er den Status als Jünger Jesu und die damit gegebene Verbindung zu ihm einerseits und eine exponierte Stellung in der Urgemeinde andererseits. Insbesondere als Osterzeuge und Befürworter der Heidenmission sei Petrus von heidenchristlicher Seite sehr geschätzt worden, was die BAUR’sche – wenn auch nur vorübergehende – Trennung von judenchristlicher und heidenchristlicher Phase des Urchristentums als zu schematisch erweise100. In seinem schließlich 1975 publizierten Aufsatz über die Frage nach einem lukanischen Petrusbild101 wiederholt Gewalt die Kritik an Versuchen, mit biographischem Interesse die Evangelientexte auszuwerten, und tritt einmal mehr für eine redaktionsgeschichtliche Vorgehensweise ein. Diese führt er jedoch in der Weise fort, dass er unter dem Verzicht einer Frage nach der vorlukanischen Tradition stattdessen „das lukanische Doppelwerk als Ganzheit ins Auge zu fassen“102 versucht. Diese übergreifende Perspektive, die dabei vorrangig die Intention der Petrusdarstellung in den Blick nimmt, kann – auch bezogen auf Markus-, Matthäus- und Johannesevangelium – als durchaus fruchtbar angesehen werden. Offen bleibt, inwieweit dieser nun redaktionsgeschichtlich primär aufs Ganze der Komposition gerichtete Blick auch auf das Johannesevangelium und insbesondere eine nun engere Verhältnisbestimmung von Joh 1–20 und Joh 21 zu übertragen wäre. An das bereits bei Cullmann (s.o. S. 20) hervorgetretene ökumenische Interesse knüpft eine Gruppe von amerikanischen Exegeten evangelischer wie katholischer Konfession an, deren Ergebnisse in einer deutschen Übersetzung von 1976, herausgegeben von Raymond E. BROWN, KARL P. DONFRIED UND J OHN REUMANN, vorliegen103. Das heute immer wieder aufgegriffene Leitbild der Einheit in Verschiedenheit bzw. des in der Erklärung zur Rechtfertigungslehre praktizierten differenzierten Konsenses scheint hier vorgebildet, da „es alternative Lösungsvorschläge berücksichtigt und an einzelnen Stellen kein Ergebnis erzwingt, wo dieses beim Stand der Forschung und der gemeinsamen Verständigung nicht möglich gewesen ist“104. Im entsprechenden Abschnitt über das Johannesevangelium ist das Vorgehen zu würdigen, gemeinsame Szenen mit dem Lieblingsjünger getrennt von denjenigen zu behandeln, in denen Petrus alleine auftritt. Insgesamt 100
Zur Auseinandersetzung mit B AUR vgl. GEWALT, Petrus 2.145f. GEWALT, „Petrus-Bild“. 102 Ebd. 10 (kursiv D.G.). 103 BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus. 104 Dies hebt Ferdinand HAHN in seinem Geleitwort, ebd., 8 hervor. Konsequentermaßen wird die Untersuchung abgeschlossen mit einer gemeinsamen lutherisch-katholischen Erklärung, die Probleme, strittige Fragen wie auch Gemeinsamkeiten und gemeinsame Lösungsansätze benennt. Darauf folgen in der Logik einer Einheit in Verschiedenheit die Überlegungen der jeweiligen Konfessionsvertreter. 101
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kann man hier wie auch in Abschnitten über die anderen neutestamentlichen Schriften von sorgfältig ausgewogenen Analysen sprechen, wofür u.a. das festgestellte komplementäre Verhältnis von Petrus und Lieblingsjünger als Beispiel genannt werden kann. Nach Becker sichere die johanneische Gemeinde ihre Position und Theologie ab, indem der Lieblingsjünger zwar einerseits gegenüber Petrus einen „Vorrang an Liebe“ zeige, andererseits aber die Bedeutung des Petrus (v.a. in Joh 21) in ihr Evangelium integrierte105. Aus dem weiten Feld römisch-katholischer Monographien zu Petrus möchte ich einige neuere herausgreifen, die teils ein unterschiedliches Profil aufweisen: Rudolf PESCH verfolgt in seinem 1980 erschienenen Band über „SimonPetrus“106 wie auch Dietfried Gewalt durchgehend ein klar historisches Anliegen107. Anders als Gewalt teilt er jedoch nicht dessen grundsätzliche Skepsis, anhand der Evangelientexte zu historischen Erkenntnissen über den vorösterlichen Petrus gelangen zu können 108, auch wenn verständlicherweise der Abschnitt über den nachösterlichen Petrus einen deutlich größeren Raum einnimmt109. Dabei muss sich Pesch Einwänden in methodischer Hinsicht stellen, die in Analogie zur Jesus-Forschung einen historischen Petrus von einem Petrus im nachösterlichen Licht des Glaubens unterscheiden wollen. Dem begegnet Pesch zunächst mit dem Argument, die Überlieferungen über den vorösterlichen Petrus seien „überwiegend nicht aus Interesse an Petrus, sondern aus Interesse an Jesus tradiert worden“. Doch ist an dieser Stelle zu fragen, inwieweit nicht gerade dieses christologische Interesse leitend für die Darstellungsweise der Petrusfigur ist110, was sich insbesondere im Vergleich der Petrusbilder in den einzelnen Evangelien aufweisen lässt111. In diesem Sinne billigt Pesch dann selbst auch bezüglich deren Quellenwertes eine unterschiedliche „Traditionstreue“ und Freiheit im Umgang mit den vorliegenden Traditionen zu112. An manchen Stellen, wie beispielsweise der Passionsgeschichte, führt ihn seine Untersuchung dann auch zu dem Ergebnis „daß sich nur 105
EBD. 128. PESCH, Simon-Petrus. 107 Darauf deuten sowohl der Untertitel als auch seine im Vorwort formulierte Intention, eine „Monographie zur Geschichte und geschichtlichen Bedeutung des Simon Petrus“ zu schreiben. 108 PESCH, Simon-Petrus 3–5. 109 § 2.II „Die Geschichte des ersten Apostels bis zu seinem Tod“ umfasst zusammen mit § 2 III. („Der Märtyrertod des Petrus in Rom“) 88 Seiten, während § 2.I. („Die Geschichte des ersten Jüngers bis zum Tode des Meisters“) nur 36 Seiten zukommen. 110 S.u. Kapitel 4 zur Funktion der Petrus-Figur im Kontext johanneischer Theologie. 111 S.u. Kapitel 5 zu den synoptischen Petrus-Bildern. 112 PESCH, Simon-Petrus 5. 106
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weniges als historische Information über das Verhalten des Petrus (…) erweisen läßt“. In der zunächst thematisch orientierten Darstellung der „Geschichte des Simon Petrus“ (§ 2) betrachtet Pesch die einzelnen, Petrus betreffenden Textpassagen zunächst je differenziert für sich, und dann ebenso im Blick auf historisch Auswertbares in ihrer Beziehung zueinander. Dabei führen allerdings stellenweise „konkurrierende Darstellungen“ nicht nur dazu, als teilweise sekundär ausgeschieden zu werden (so z.B. die Berufung nach Lk 5,1–11), sondern auch in ein gewissermaßen harmonisches Verhältnis zueinander gebracht zu werden (d.h. in diesem Kontext die Berufung nach Mk 1,16–18 und Joh 1,40–42113). Im anschließenden Abschnitt § 3 stellt Pesch überblicksartig eine „Entwicklung des Petrusbildes“114 von der vormarkinischen Tradition über Evangelien, Apostelgeschichte und Petrusbriefe bis hin zu den apokryphen urchristlichen Schriften vor. Abschließend folgen § 4 Erwägungen zur ökumenisch brisanten Frage des Verhältnisses zwischen Petrus und dem Primat der römischen Bischöfe. Aus exegetischer Perspektive lässt sich mit Pesch die fehlende Frage nach einem Nachfolger des Petrus115 feststellen, auch und gerade in der Verbindung mit dem Verweis auf den Tod des Petrus noch vor dem Lieblingsjünger Joh 21,18–23! Aus historischer Pespektive verweist er auf die nachgewiesene Verbindung einer beginnenden Primatsentwicklung zum Monepiskopat des zweiten Jahrhunderts als deren Voraussetzung116. Davon unbenommen nimmt Pesch die Rede von einer „Zielrichtung“ des neutestamentlichen Zeugnisses auf, zu der die Rezeption der Petrusbilder im Blick auf den Primat in Übereinstimmung zu bringen sei117. Hatte Pesch hier noch in der Geschichte des Petrus nicht die „hinreichende Begründung“ für das „‚Petrusamt‘“ als „eine geglaubte Wirklichkeit“ gesehen, obwohl „diese Geschichte zu ihrer notwendigen Voraussetzung zählt“118, so werden in seiner 2001 publizierten Monographie119 113
Ebd. 15–21. Dabei geht Pesch so vor, „daß die johanneische und die markinische Berufungstradition bzw. deren historische Grundlagen sich nicht wechselseitig ausschließen müssen, daß ihre hypothetische Kombination freilich zur Annahme führt, daß der Berufung Simons zum Menschenfischer in Kafarnaum in Galiläa der Übertritt seines Bruders Andreas aus dem Jüngerkreis Johannes des Täufers (…) vorausging“. 114 Freilich wäre wohl angesichts einer nicht zu unterschätzenden Differenz unter den kanonischen wie einer weitaus größeren Disparatheit unter den nichtkanonischen Schriften angemessener durchgehend von jeweils verschiedenen Petrus-Bildern anstelle von einer Entwicklung „des Petrus-Bildes“ zu sprechen. 115 Vgl. die klare Feststellung: „Vom Neuen Testament her gesehen ist die Frage nach der Gesamtleitung der Kirche eine offene Frage“ (ebd. 167). 116 Ebd. 166. 117 Ebd. 168 im Anschluss an BROWN. 118 Ebd. 5. 119 PESCH, Grundlagen. Diese Monographie stellt die überarbeitete Fassung eines Beitrages für ein Symposium der Kongregation der Glaubenslehre dar, das 1996 im An-
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die neutestamentlichen Texte daraufhin betrachtet, welche „Grundlagen des Primats“ aus ihnen zu entnehmen seien. Anstoß dazu bot laut seinen Angaben eine moderne, auf „antikirchlichen Ressentiments“ beruhende „Ablehnung des Papsttums“120. Programmatisch wendet er sich von der vorher eingenommenen dezidiert historischen Sichtweise ab und einer kanonischen Exegese – verstanden als „methodische Wende“ – zu121. Historische Fragestellungen werden aus der Perspektive des kanonischen Endtextes und dessen Wirkungen wahrgenommen (vgl. Kapitel XI), d.h. an die Deutungen im Rahmen einer Rezeption im Kanon und des Kanons selbst in der Kirche rückgebunden122. Für die Gestalt dieser Deutung gewinnt hierbei faktisch das matthäische Petrusbild „mit seiner urbildlichen Geschichtsmächtigkeit“ eine hermeneutische Schlüsselfunktion. Nach Pesch hätten ihm andere neutestamentliche Bilder „mit zu seiner Entfaltung geholfen“123, d.h. in ihm liefen viele Linien zusammen. Im Zuge einer näheren Besprechung der Positionen von Jürgen R OLOFF und Ulrich LUZ zu Mt 16,16–19 kritisiert er an diesen ihre Zuspitzung auf Petrus als Jünger, wodurch im Rahmen des Matthäusevangeliums „das ‚Apostolische‘“ ausgeblendet werde124, was den Eindruck erweckt, dass aktuelle, theologisch brisante Themen und Problemstellungen an die Texte herangetragen werden. Im Durchgang der neutestamentlichen Schriften werden diese in der Funktion als Amts-Spiegel und die dargestellte Petrusfigur nicht nur in ihrer historisch gegebenen Einmaligkeit, sondern als Typus 125 angesehen, und zwar als Typus des Jüngers und Apostels mit gesamtkirchlicher, „kollegial abgestützter Letztverantwortung“126. Bezüglich des johanneischen schluss an die Enzyklika „Ut unum sint“ von Johannes Paul II. veranstaltet wurde und dessen Vorträge 1998 in den Konzilsakten publiziert wurden. Ein Auszug der Monographie von 2001 wurde 2002 in einen Band der Glaubenskongregation in italienischer Sprache übernommen und liegt seit Juli 2010 in deutscher Übersetzung vor (PESCH, Petrus). 120 PESCH, Grundlagen 13. 121 Ebd. 16–20. 122 Vgl. ebd. 28: „Nur die Verbindung der Frage nach dem geschichtlichen Prozess mit der Deutung der approbierten Endgestalt der Überlieferung entspricht dem Wesen der Schrift“. 123 Ebd. 26. 124 In seiner ersten Monographie lag in der Darstellung des matthäischen PetrusBildes noch der Akzent darauf, dass die Felsenfunktion „nicht auf den Apostel Petrus beschränkt bleiben“ könne, „sondern an die auf dem Felsenfundament des Offenbarungstradenten Petrus gebaute brüderlich-einmütige Gemeinde (Mt 18; vgl. Mt 23)“ (P ESCH, Simon-Petrus 143). Demgegenüber betont er im analogen matthäischen Abschnitt jetzt: „Zugleich ist er die überragend apostolische Autorität“. 125 P ESCH, Grundlagen 45: „Wie der Mt 16 entworfene zeigt auch der in Joh 21 gezeichnete ‚Typos‘ Petrus seine Geschichtsmächtigkeit in der Folgezeit der werdenden Kirche“. 126 Ebd. 68 (zur Sache 66–69).
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
Petrusbildes setzt Pesch eigene Akzente, indem er in Joh 21,15–17 gleich zwei ökumenisch umstrittene Amtsstrukturen vorzufinden glaubt: Zum einen zählt er ihn wie Mt 16,16–19 und Lk 22,31f. zu den klassischen Primatstexten. Zum anderen sei er „in Anlehnung an Sippenrituale formuliert und schließt den Sukzessionsgedanken ein“127. Ebenso werden historische Zeugnisse für den Sukzessionsgedanken in Rom bemüht128, jedoch an dieser Stelle unter Ausblendung des von Pesch zuvor noch betonten Tatbestandes, dass im Neuen Testament gerade nirgends von der Sukzession eines „Petrusamtes“ die Rede ist. Demgegenüber bleibt Joachim GNILKA in seiner 2002 erschienenen Monographie129 einer nüchternen historischen Perspektive verpflichtet, im Rahmen derer von der Wirkungsgeschichte „zum schlichten apostolischen Leben des einstigen Fischers und zur römischen Gemeinde im zweiten Jahrhundert“130 zurückgelenkt wird. Dies impliziert einen Einbezug kanonischer wie nichtkanonischer petrinischer Literatur, zu der die beiden Petrusbriefe als Brücke verstanden werden131. Gemäß der von Cullmann geprägten Dreiteilung in Jünger – Apostel – Märtyrer beleuchtet Gnilka zunächst Stationen des historischen Petrus (Kapitel 2–5), um daran dann eine Entfaltung der Petrusbilder der Evangelien und des Befundes der Petrusbriefe anzuschließen (Kapitel 6–7). Anhand von wirkungsgeschichtlichen Aspekten im Sinne einer „Bedeutung von Petrus und Rom“ (Kapitel 8) wie der apokryphen Literatur (Kapitel 9) wird der Bogen abschließend bis ins zweite Jahrhundert gespannt. Weitere Entwicklungen etwa in der Primatsfrage werden jedoch nicht verfolgt, sondern grundsätzlich ein historischer Graben zwischen heutigen Fragen und der urchristlichen Literatur, insbesondere den neutestamentlichen Schriften festgestellt: Die Betrachtung letzterer könne „gewiß kein Modell liefern, das nach zweitausendjähriger Kirchengeschichte nachgebaut werden sollte“, sondern nur in ökumenischer Perspektive „Anregungen“ geben132. Im Fall der johanneischen Figurenkonstellation von Petrus und Lieblingsjünger verträten beide notwendige, aber verschieden akzentuierte Aspekte: Petrus das „Amt“, der Lieblingsjünger dagegen „die Christusunmittelbarkeit, die tiefe Glaubenseinsichten gewährt“133. Anliegen und Ansatz von Pheme P ERKINS kommen im Titel ihrer Petrus-Monographie „Peter. Apostle for the Whole Church“134 zum Ausdruck. 127
Ebd. 44, zu den johanneischen Texten insgesamt 43–46. Ebd. 82f. 129 GNILKA, Petrus. 130 Ebd. 7. 131 Ebd. 16. 132 Ebd. 7. 133 Ebd. 174. 134 PERKINS, Peter. 128
2.1 Bisherige Untersuchungen
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Bereits im einleitenden Kapitel stellt sie sich wirkungsgeschichtlichen und so ökumenisch relevanten Zusammenhängen und zeigt unterschiedliche Tendenzen der neueren Zeit auf: Hatte das Zweite Vatikanum (LG 18–23) die Rolle des Petrus-Nachfolgers als Basis der Einheit im Rahmen der Kollegialität der Bischöfe gezeichnet, so weist Perkins die Neigung anderer römisch-katholischer Exegeten zurück, mit der führenden Rolle des Petrus spätere Entwicklungen (Jurisdiktionsprimat, Unfehlbarkeit) zu legitimieren135. Sie selbst stellt Petrus als exemplarischen Jünger und „link to the words and deeds of Jesus“ dar, der in seinem Scheitern eine Warnung und zugleich Identifikationsfigur wie in seinem Glauben die Quelle der Einheit (nicht: Uniformität!) sei. Im Dienst des Grenzen überschreitenden Evangeliums könne so der Papst heute im Sinne des Petrus damals ein personales Zentrum für die universale Kirche sein (vgl. dazu den Titel: „the Whole Church“). In der Zuordnung des Petrus zum Lieblingsjünger und damit den Grundlagen des christlichen Zeugnisses über Jesus will Perkins folgende Funktion der johanneischen Darstellung erkennen: Petrus garantiere im Johannesevangelium die Validität des Jesus-Zeugnisses anderer Gemeinden – die vgl. Joh 10,16 auch zu der einen Herde gehörten – bei gleichzeitiger Wahrung der einzigartigen Autorität des johanneischen Gemeindegründers136; als Beleg für einen Primat komme Joh 21,15–17 dagegen nicht in Frage137. Im Kontext der ökumenisch strittigen Primatsfrage lässt ebenso das anhand der johanneischen Petrus-Gestalt im Verhältnis zum Lieblingsjünger erarbeitete Votum des katholischen Neutestamentlers Peter D SCHULNIGG138 aufhorchen: „Bezüglich der Erkenntnis des Glaubens sind Petrus und das Amt auf das Zeugnis des Lieblingsjüngers, des vierten Evangeliums und wohl auf alle authentische Glaubenseinsicht überhaupt angewiesen. Das Amt hat sie anzuerkennen, dankbar anzunehmen und zu schätzen, es darf nicht eigenmächtig über sie verfügen“139. Dabei ist das Anliegen von Dschulnigg vorausgesetzt, neben der einmaligen Funktion des Petrus auch die typische Funktion zu beleuchten, worin seine Bedeutung für die Jüngernachfolge wie auch die Frage nach einem kirchlichen Leitungsamt eingeschlossen sind. Als methodisch interessant und bereichernd ist – nicht zuletzt im Hinblick auf den hier vertretenen Ansatz – Timothy W IARDAs Charakterisie-
135
So u.a. PERKINS, Peter 65f. PERKINS, Peter 103 s.a. 83 im Anschluss an BROWN. 137 PERKINS, Peter 101(–103). 138 DSCHULNIGG, Petrus. 139 Ebd., 144. Zu DSCHULNIGG vgl. auch die Anmerkungen zu seiner Charakterisierung johanneischer Figuren s.u. 2.1.4. 136
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rung des Petrus in allen Evangelien zu erwähnen. So hält Wiarda an der Verbindung historischer, theologischer und narrativer Analysen fest. Als ein sich durch alle Evangelien ziehendes Muster an Charakterzügen zeige sich die stete Zurückweisung bzw. Korrektur des Petrus bei gleichzeitiger positiver Intention (Loyalität, Hingabe zu Jesus). Damit gelingt es Wiarda ein vergleichsweise differenziertes, weder einseitig pro- noch antipetrinisches Petrusbild aufzuzeigen. Theologisch bzw. pastoral gesehen stehe Petrus für eine Beziehung der Gläubigen zu Jesus, die weder auf besonderem (christologischem!) Verstehen noch moralischen Qualitäten, sondern allein auf Jesu Ruf beruht und auch durch Versagen nicht zerbricht. So sehr Hingabe Teil der Nachfolge sei, so wichtig sei es, dass der Jesus der Evangelien – exemplarisch in Bezug auf Petrus – Klarheit über das rechte Verständnis seiner Mission schaffe. Doch machten weder narrative noch theologische Gründe die Person des Petrus zwingend, daher wird die Verwendung von entsprechenden urchristlichen Traditionen, die ein spezielles Interesse an Erzählungen über Petrus hatten, angenommen und vorausgesetzt. Ungeklärt bleibt dabei jedoch das genaue Verhältnis von Tradition(en) und der von theologischem Interesse geleiteten Darstellung der jeweiligen Evangelisten. Methodisch gesehen besteht die Schwierigkeit, inwieweit von der Charakterisierung einer Figur der erzählten Welt als narrativer Erzähltechnik auf ein historisches Bild zu schließen ist141. Dass sich auch evangelische Exegeten im deutschsprachigen Raum derzeit dem umstrittenen Apostel widmen, lässt sich an einigen namhaften Autoren festmachen: Neben dem bereits erwähnten Martin H ENGEL142 ist so Christfried BÖTTRICH143 zu nennen. Zum Problem der Quellenlage verweist Böttrich eingangs auf die zu erkennenden Tendenzen in der Petrusdarstellung der neutestamentlichen Autoren, insbesondere die „Verkündigungsanliegen der jeweiligen Evangelisten“144. Zugleich tritt er im Blick auf zugrundeliegende Überlieferungen „einer übertriebenen Skepsis gegenüber ihrem Quellenwert“145 entgegen, was analog auch für die lange Zeit gegenüber Paulus zu gering geschätzte Apostelgeschichte gelte146. Die johanneische Darstellung des Petrus sieht Böttrich einerseits nicht als Abwertung, sondern als Parallelisierung mit der Position des Lieblingsjün140
W IARDA, Peter. Vgl. dazu die Kritik von DOERING, Schwerpunkte 211 an W IARDAs Optimismus, auf die (historische) Person des Petrus rückschließen zu können. Von einer vergleichbar großen Nähe zwischen erzählter Textwelt und historischem Geschehen geht Cornelis B ENNEMA aus s.u. S. 40. Grundsätzlich zum methodischen Problem s.u. Kapitel 3. 142 S.o. Kap. 1 Anm. 4 und 20. 143 B ÖTTRICH, Petrus. 144 Ebd. 22. 145 Ebd. 23. 146 Ebd. 22. 141
2.1 Bisherige Untersuchungen
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gers, erkennt aber andererseits – ähnlich wie Ulrich H ECKEL147 – anhand von Joh 21,15–17 eine Funktion des Gemeindeleiters, die ohne Hinweise auf eine Amts-Sukzession148 dargestellt sei. Teils ist so zwar eine Nähe zu konfessionell geprägten Sichtweisen zu beobachten, jedoch ohne dass sich etwa ein monolithischer Block katholischer oder auch evangelischer Exegeten ergeben würde149. In der 2009 erschienen Studie „Simon Petrus im Urchristentum“150 geht Jürgen BECKER den im Rahmen urchristlicher Geschichte erkennbaren Spuren des Lebens Petri wie dessen nachfolgender Interpretation und Rezeption nach. Ausgehend von der frühesten Wirkungsgeschichte (Lk/Apg, 1Clem), die Paulus und Petrus einander zuordnet, setzt Becker ein mit deren Sonderstellung im Urchristentum. Diese bereits zu Lebzeiten der beiden Apostel gegebene Sonderstellung lässt sich ansatzweise auch aus den paulinischen Briefen (1Kor, Gal) rekonstruieren (Kapitel 1 und 4)151. Daran anschließend wird in der Zusammenschau und kritischen Sichtung von neutestamentlichen und außerchristlichen Quellen ein „Curriculum Vitae“ erstellt (Kapitel 2). Die sich daraus ergebende vieldiskutierte Frage nach einer Rekonstruktion petrinischer Theologie (Kapitel 3) verneint Becker mit Hinweis auf die lukanische Gestaltung der Petrusreden152 in der Apostelgeschichte, die pseudepigraphe Herkunft der Petrusbriefe und den apologetischen Charakter der petrinischen Zuschreibung des Markusevangeliums bei Papias. Differenziert und pointiert zeichnet Becker, wiederum ausgehend vom Verhältnis des Petrus zu Paulus (5.1) die Petrusbilder in den Evangelien (5.2–4). Bei Markus fungiere Petrus in seinen positiven wie negativen Zügen als Identifikationsfigur für die nachösterliche Nachfolge Jesu, bei Matthäus komme ihm vorrangig die Rolle als Traditionsgarant in nachapostolischer Zeit zu. Das lukanische Bild sei dagegen sehr von dessen heilsgeschichtlichem Konzept der Evangeliumsverkündigung geprägt, in das Petrus wie Paulus in ihrer jeweiligen Darstellung eingeordnet würden; dabei sei die führende Rolle des Petrus in der Apostelgeschichte Maßstab auch für die Profilierung des Jüngers Jesu im 147
Petrus kommt so eine Rolle als Prototyp von Gemeinde-Leitern zu, und von ihm her wird ein „pastoraltheologisches Leitbild“ entworfen, vgl. HECKEL, Einheit. 148 Dagegen aber beispielsweise Rudolf P ESCH s.o. S. 26. 149 Dazu nur die unterschiedlichen Akzentsetzungen bei Peter D SCHNULNIGG und Rudolf P ESCH (s.o. S. 27 und S. 23ff.) oder auch die Sicht des evangelischen Neutestamentlers Ulrich W ILCKENS, der bzgl. Joh 21,15–17 postuliert, es gehe „nicht um ein örtliches Gemeindeleitungsamt, sondern um einen gesamtkirchlichen Dienst“ s. WILCKENS, Johannes 328, dazu s.u. 4.1.6. und 7.2. 150 BECKER, Simon Petrus. 151 Ebd. 1–14 vgl. aber auch 69–73.141. 152 Die Hinweise zu den Petrusreden finden sich konsequenterweise bereits im Kontext des nachösterlichen Petrus (ebd. 23f.).
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
Lukasevangelium, dem zudem allein hier die Würde des ersten Osterzeugen zukommt. Im Blick auf den Befund im Johannesevangelium kommen Beckers spezielle Forschungspositionen zum Tragen: Die angenommene Endredaktion153 des Johannesevangeliums wird für „die absichtliche Herunterstufung des Petrus“ zugunsten des Lieblingsjüngers verantwortlich gemacht. Ebenso führt Beckers Votum für eine Lokalisierung des Johannesevangeliums in Syrien ihn in Verbindung mit einer möglichen Missionstätigkeit des Petrus zu der Vermutung, „dass die in relativer Eigenständigkeit lebenden johanneischen Gemeinden petrinisch orientierte Gemeinden in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft kannten, und ihnen gegenüber der Verfasser von Joh 21 Selbstständigkeit und Originalität der johanneischen Gemeinden betonen wollte“154. Inwiefern das Johannesevangelium tatsächlich in seinen durch Becker dem Evangelisten wie der Redaktion zugewiesenen Textteilen an Petrus „nicht sonderlich interessiert“ ist und meint „auf Petrus gut verzichten zu können“155, das zu prüfen wird Aufgabe dieser Untersuchung sein156. Der abschließende Blick Beckers auf die Wirkungsgeschichte der Petrus-Texte im Rahmen der Entwicklung des römischen Papsttums führt ihn zu der schlichten Feststellung, diese unterscheide sich „vom geschichtlichen Petrus erheblich“ 157. In Richard J. CASSIDYs „Four Times Peter“ spiegelt bereits der Titel eine methodische Besonderheit wider: Die Petrus-Szenen jedes Evangeliums werden – u.a. auf der Grundlage narratologischer Untersuchung von Charakteren, Plot, Zeit, Setting und Struktur – nur im Rahmen des jeweiligen Evangeliums interpretiert. Zu würdigen ist daran die Bedeutsamkeit einer synchronen Perspektive, zu vermissen ist hingegen eine Genese der Texte, d.h. eine theologisch relevante diachrone Untersuchung. Die stattdessen einbezogene Analyse der möglichen Rezeption der einzelnen Evangelien kommt zu dem Ergebnis einer großen Vergleichbarkeit von Synoptikern und Johannesevangeliums in wichtigen das Petrusbild betreffenden Punkten. Dazu ist insbesondere die spezifische Rolle des Petrus während des Wirkens Jesu und seine Funktion im Rahmen des Plot158 zu zählen. Als 153
Analog zu Bultmann sieht BECKER in der vorliegenden Textabfolge, aber auch aufgrund von seiner Meinung nach klar erkennbaren Nachträgen (3,31–36; 10,1–18; 12,44– 50; 15–17) wie theologischen Korrekturen (z.B. 6,51c–58) und Interessen (wie im Fall der Lieblingsjüngertexte) das Werk einer mit „KR“ bezeichneten kirchlichen Redaktion (BECKER, Johannes I 32–41, besonders 40f.). Zur Rolle der Endredaktion im Blick auf das johanneische Petrus-Bild vgl. B ECKER, Simon Petrus 129–140 bzw. 94–96 zu den Lieblingsjüngerstellen. 154 BECKER, Simon Petrus 139. 155 Ebd. 142. 156 S.u. Kapitel 4, insbesondere die Abschnitte über die Funktion der Petrus-Figur. 157 BECKER, Simon Petrus 143. 158 Zum synoptischen und johanneischen Petrus-Bild im Vergleich s.u. Kapitel 5.
2.1 Bisherige Untersuchungen
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Besonderheit des Johannesevangeliums weist Cassidy auf die Hirten- (und Märtyrer-)Rolle in 21,15–19 hin. Doch dies stellt im Fall der Hirtenrolle159 eine Interpretation des ganzen Johannesevangeliums von Joh 21 her dar, was konsequent im Rahmen der methodischen Prämissen ist, inhaltlich jedoch das Bild von Joh 1–20 unterbelichtet. Ausführliche Analysen petrinischer Texte über die Evangelien und Paulus hinausgehend bieten Terence V. S MITH, Christian GRAPPE und Fred LAPHAM. SMITH stellt analog zu früheren Ansätzen wie beispielsweise von SNIDER160 u.a. im Johannesevangelium antipetrinische Tendenzen fest, die er als Antwort auf die Betonung des Petrus in der markinischen Tradition versteht161. Historisch verortet er diese antipetrinische Haltung in der johanneischen Gemeinde, die sich stattdessen betont auf den Lieblingsjünger berufe. Insgesamt geht Smith von einer Vielzahl an Kontroversen aus, und zwar in einem weiten geographischen wie zeitlichen Kontext, beginnend mit der Mitte des 1. Jh.s bis zum 3. Jh. Ausgehend von den genannten frühchristlichen Kontroversen stellt Christian GRAPPE deutlicher als Smith die Inanspruchnahme der Petrusfigur als Autoritäts- und Legitimationsgestalt durch verschiedenste Gruppierungen auf dem Weg zur „Orthodoxie“162 heraus, was in Kontinuität zu ambivalenten Positionen bereits des historischen Petrus gesehen wird163. Neben bedeutenden Funktionen als Traditionsgarant (Mt 15,15; 16,19; 17,24–27) und Autor (1/2 Petr; EvPetr; ApkPetr), zeigt Grappe in der Durchsicht neutestamentlicher Petrusbilder paradigmatische Züge im Blick auf die Adressaten der Schriften auf: so in der Darstellung des Petrus als reumütiger Sünder (Lk 22,31f.; Joh 21,15–17) und Märtyrer (Joh 21,18f.), wie als Missionar und Hirte (Lk 5,1–11; Joh 21,15–17). Im Vordergrund steht hier – sichtbar an der thematisch-systematischen Anlage der Arbeit – ein Gesamtbild, das in seiner Entwicklung wiederum chronologisch in aufeinanderfolgenden Epochen entfaltet wird. Innerhalb dessen wird durchaus auch nach den jeweiligen Schriften differenziert, auf eine Fokussierung der einzelnen Petrusbilder für sich, etwa der Evangelisten oder des Paulus wurde jedoch verzichtet.
159
Die Märtyrer-Rolle scheint ja bereits in Joh 13,36 auf. Vgl. SNYDER, Anti-Petrinism, zu Snyder s.u. S. 34f. 161 SMITH, Controversies 197–200. Die Funktion der als antipetrinisch eingestuften Texte wird in dieser Untersuchung weiterhin von Belang sein s.u. Kapitel 4, 6 und 7. Zu hinterfragen ist jedoch auch Smiths Einschätzung des Matthäusevangeliums als rein propetrinisch (ebd. 160.197) s.u. 5.3. 162 GRAPPE, Images, zusammenfassend 292. 163 Ebd. 291f. 160
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
Fred LAPHAM stellt, ausgehend von dem weiten Spektrum späterer pseudepigrapher petrinischer Schriften die Frage nach einer sogenannten „petrinischen“ Theologie und geht davon aus, „a common and distinctive tradition“ identifizieren zu können, die u.a. auch hinter Markus und dem Beginn der Apostelgeschichte stehe164. In unabhängiger Berufung auf diese Tradition165 zeigten sich die Konturen einer „Petrine Theology“ zunächst ganz zentral in einer Offenbarungstheologie166. Analog will Lapham eine spezifische „Petrine Christology“ 167 wie auch petrinische Positionen in Gesetzesfragen erheben können168. Angesichts des insgesamt recht disparaten Materials ist jedoch fraglich, ob eine ausreichende Basis gegeben ist, um eine sich darauf gründende einheitliche Theologie herausstellen zu können169. Tatsächlich wird die Frage von Leiden und Nachfolge170 in verschiedenen Schriften mit der Petrusfigur verbunden (so bereits Mk 8,27– 34!), was angesichts des überlieferten Martyriums (s.a. Joh 13,36; 21,18f.) auch nahe liegt fortgeführt zu werden. Zu würdigen ist zwar grundsätzlich die Einbeziehung von Petrusbildern späterer, nichtkanonischer Schriften, die von Lapham festgestellte distinkte und in vielen Aspekten konstante petrinische Tradition kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Anstelle dieser Konstruktion scheint es ertragreicher, den Fokus mehr auf die jeweilige Funktion der Petrusfigur in den unterschiedlichen Schriften zu legen. Die dezidierte Einbeziehung nichtkanonischer Schriften des zweiten Jahrhunderts zeichnet auch die 2010 erschienene Monographie „The Remembered Peter“ von Markus BOCKMUEHL aus. Die historische wie theologische Bedeutung des Petrus ergibt sich für Bockmuehl insbesondere aus dessen Funktion als „guarantor of the Jesus tradition that gave rise to 171 the Gospels“ und aus seiner integrativen Rolle in der Verbindung von palästinischer Jesus-Bewegung und Heidenmission. Neben dem neutestamentlichen Petrusbild, dem speziell ein weiterer Band gewidmet werden 164
LAPHAM, Peter 1 bzw. zum Markusevangelium und der Apostelgeschichte 10. So versucht Lapham ein gemeinsames Bild zu rekonstruieren „which both complements what we ‚know‘ of the Apostle from Gospels and Acts, and at the same time, is fully representative of all the later writings associated with his name“ (ebd. 244). 165 Die Hypothese einer petrinischen Schule lehnt Lapham zu Recht im Vergleich von 1/2 Petr ab, vgl. zusammenfassend ebd. 246. 166 Ebd. 237(ff.) 167 Ebd. 240–243. 168 Ebd. 249f. 169 Davon unbenommen ist es nicht nur möglich, sondern auch geschehen, dass sich Gruppierungen in dieser Frage auf die Petrus-Figur berufen haben, vgl. dazu GRAPPE, Images, zusammenfassend 291. 170 LAPHAM, Peter 243f. Ebd. 8 will Lapham u.a. anhand dieser Thematik eine thematische Verbindung der in den Evangelien enthaltenen Traditionen erkennen; zum Vergleich der Petrus-Bilder der Evangelien aber s.u. Kapitel 5. 171 B OECKMUEHL, Peter 6.
2.1 Bisherige Untersuchungen
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soll, und das auf breiter Basis von der Prominenz des Jüngers zeugt, stellt hier die Wirkungsgeschichte, „the enormous profile in the subsequent tradition of early Christian faith“, den Ausgangspunkt der Untersuchung als 172 historische Rückfrage dar . Beleuchtet werden so das Verhältnis von Petrus und Paulus (Kapitel 3), die Verbindung zu Syrien und Rom (Kapitel 4– 6), die Hintergründe der Namen Sivmwn, Pevtro~ und Khfa'~ (Kapitel 7) und der Herkunft aus Bethsaida (Kapitel 8) sowie die Frage nach der Bekehrung des Petrus nach Lk 22,32. Wirkungsgeschichtlich betrachtet wird Letztere mit Tod und Auferstehung Jesu verbunden, was seinen Nieder173 schlag auch in Joh 21 gefunden hat . Herauszuheben ist auch der abschließende Verweis auf die Bedeutung der Petrusfigur im Rahmen der Wirkungsgeschichte sowohl für die persönliche Nachfolge wie für die Kir174 che . Insofern bleibt zu untersuchen, welchen Anhalt diese Bedeutung an der neutestamentlichen, speziell der johanneischen Darstellung des Petrus als Jünger hat (s.u. insbesondere Kapitel 6 und 7). 2.1.3 Untersuchungen zum Verhältnis von Petrus und dem Lieblingsjünger Aufgrund des speziellen johanneischen Textbefundes175 werden Charakter und Rolle der Petrusfigur bereits in den Kommentaren und umfassender dann in Aufsätzen und Monographien meist im Gegenüber zum Lieblingsjünger gezeichnet. Daraus ergibt sich eine jeweils verschiedene Verhältnisbestimmung, die als anti- oder pro-petrinische Perspektive bezeichnet werden kann oder auch einem Modell der gleichrangigen Koordinierung entspricht. So implizierte das bereits dargestellte typologische Modell Rudolf BULTMANNs (s.o. 2.1.1), der Petrus dem Judenchristentum und den mit größerem Glauben ausgezeichneten Lieblingsjünger dem Heidenchristentum zuordnet, eine Unterordnung bzw. Abwertung des Petrus. Dem vergleichbar ist eine von Alv KRAGERUD angenommene „Inferiorität“ des Petrus176 und „Überlegenheit des L“177. Kragerud sieht hierbei – 172
Vgl. auch den Untertitel des Werkes „The Remembered Peter in Ancient Reception and Modern Debate“. 173 Dieser Zusammenhang von Joh 21 und Lk 22,32 ist bereits bei Apollinaris von Laodicea gesehen worden (ebd. 204), Rückschlüsse auf die Verwendung von ejpistrafeiv" in Joh 21,20 zieht BOECKMUEHL jedoch nicht (dazu s.u. S. 151). 174 „Simon Peter in early Christian memory embodies, for individual discipleship as much fort he church, what it means to turn – from denial to faith, from despair to hope, and from deserting Christ to shepherding his flock.“ ebd. 205. 175 S.o. 1.1: Ab Kapitel 13 treten abgesehen von 18,10 und der Kreuzesszene 19,35 Petrus und der Lieblingsjünger immer gemeinsam auf, sie werden daher in besonderer Weise einander zugeordnet. Dazu u.a. T HYEN, Johannesevangelium 598. 176 KRAGERUD, Lieblingsjünger 20. 177 Ebd. 26.
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
ausgehend von Joh 21,15–17 – Petrus als „Prototyp des kirchlichen Führeramtes“178 an. Im Anschluss an die in der altkirchlichen Forschung vertretene Polarität von „Amt“ und „Geist“179 wird der Lieblingsjünger, der trotz 20,23 nicht als historisches Individuum gedacht wird, zum Vertreter des „Geistes“, der damit zugleich dem Selbstbewusstsein des „johanneischen Kreises“ entspreche180. Zu diskutieren ist aus meiner Sicht v.a. die starke Parallelisierung von Petrus und Lieblingsjünger als zwei Nachfolger und „Hirten“181, die als konstruiert erscheint. Als problematisch ist ferner anzusehen, dass Joh 21,15–17 zum hermeneutischen Schlüssel für ein Gesamtkonzept der Petrusfigur erhoben wird182. Denn selbst unter dem Ausschluss diachroner Aspekte wäre damit die Rolle der Petrusfigur insgesamt, d.h. von Joh 1 an, unterbelichtet183. Eine dezidiert antipetrinische Lesart findet sich pointiert bei Savas AGOURIDES184, Graydon F. SNYDER185 und Arthur H. MAYNARD186. So ist gemäß dem orthodoxen Exegeten AGOURIDES 187 eine klare Überlegenheit der Figur des (mit dem Evangelisten Johannes identifizierten) Lieblingsjüngers über die Petrus-Gestalt gegeben. Im besonderen Maße zeige die Verbindung der Weideaufträge mit der Verleugnung sowie der Rückbezug des angekündigten Märtyrertodes auf 13,36–38 in Joh 21 eine Korrektur petrinischer Tradition. Nach Agourides sollte anhand dieser Korrektur einer auf missverstandene synoptische Tradition beruhenden Verehrung des Petrus als apostolischer Autorität in Kleinasien entgegengetreten werden188. SNYDER sieht den Lieblingsjünger Petrus und den Jüngern im Ganzen entgegengesetzt, worin er eine johanneische Distanzierung vom Anspruch apostolischer Autorität erkennen will, die sich mit Petrus und den Jüngern verbinde. Zutreffend daran ist zumindest, dass Petrus die Jünger insgesamt
178
Ebd. 55. Von extremen Positionen einer dezidierten Polarität zwischen „Amt“ und „Geist“, wie sie u.a. von Rudolf SOHM und – wenn auch in modifizierter Form – von Adolf von HARNACK vertreten wurde, grenzt sich KRAGERUD allerdings ab, vgl. ebd. 67 Anm. 3. 180 Ebd. 67–129. 181 Vgl. ebd. 69: „Wenigstens formal gesehen kennt das JE insofern zwei successores und vicarii Christi, zwei ‚Hirten‘ seiner Gemeinde“. Doch wird im Blick auf die Bemerkung Jesu tiv pro;" sevÉ Joh 21,22 trotz aller Parallelität eher von klar abgegrenzten Bereichen auszugehen sein. 182 Zum Verhältnis von Joh 1–20 und 21 grundsätzlich s.o. 4.2. 183 Dazu dann s.u. Kapitel 4. 184 AGOURIDES, Peter 6. 185 SNYDER, Anti-Petrinism. 186 MAYNARD, Role. 187 Vgl. die Formulierung „the superior character of John“, AGOURIDES, Peter 6. 188 AGOURIDES, Peter 3.5.7. und DERS., Purpose 132. 179
2.1 Bisherige Untersuchungen
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repräsentiert189, die genaue Rolle von Jüngern und Petrus wird dagegen in dieser Untersuchung zu diskutieren sein190. MAYNARD weist im Anschluss an die diversen Relativierungen der Rolle des Petrus im Vergleich zu synoptischen Vergleichsstellen sowie in Relation zur Rolle anderer Jünger, insbesondere des Lieblingsjüngers, auf ein zumindest Joh 1–20 deutlich negativ gezeichnetes Bild hin. Dieses diene der Abwehr eines mit Petrus (oder anderen Führungspersonen) verbundenen Vorrangs durch die johanneische Gemeinde. Umgekehrt sieht Kevin QUAST die Rolle des Petrus als Korrektur („exhortation“191) innerhalb der eigenen johanneischen Gemeinde an, von der die johanneische Schule zu unterscheiden sei. Letztere habe einer zu starken Überordnung des Lieblingsjüngers im Rahmen der johanneischen Gemeinde und einem inzwischen vernachlässigten Autoritätsprinzip entgegenwirken wollen. Aufgrund einer dadurch gefährdeten Einheit christlicher Gemeinden wird Petrus als Brennpunkt einer „‚intercommunity‘“ und „‚inter-generational‘ unity“ 192 profiliert. Die hierbei vorausgesetzte KrisenTheorie, derzufolge das johanneische Schisma entweder in eine Absorbtion der johanneischen Gemeinde in apostolische Kirchen oder in den Gnostizismus geführt habe193, ähnelt jedoch vom Ergebnis her der in der Forschung nicht selten vertretenen „Sekten-These“194. Nach beiden ist die Integration der petrinischen Tradition im Sinne einer Integration der johanneischen Gemeinde in die sogenannte „Großkirche“ (bzw. bei Quast die apostolischen Kirchen) zu deuten195. Können mit Joh 6,60–71 noch 189
So SNYDER, Anti-Petrinism 12. S.u., insbesondere Kapitel 4 und 6. 191 QUAST, Peter 157. 192 Ebd. 169. 193 Ebd. 168. 194 So prominent u.a. bei KÄSEMANN, Wille 17, der von dem „Relikt einer in den Winkel abgedrängten urchristlichen Gemeinschaft“ spricht oder auch MEEKS, Man. Dagegen aber beispielsweise KOWALSKI, Hirtenrede 236–240 oder BROWN, Sheep u.a. 20 bzw. BROWN, Community 14–17, 88–91, wobei jedoch die von Brown postulierte Annäherung an die „Apostolic Churches“ (s.o. 2.1.1) zu hinterfragen ist. Davon unbenommen ist das von Brown einseitig nur auf diese Gruppierung bezogene Liebes-Motiv 13,34 primär gemeindeintern als Reformulierung im Kontext des Gemeindeschismas zu verstehen und wird auf einer zweiten Ebene gemeindeextern „auch zu einer Voraussetzung des Glaubens und der Erkenntnis des Kosmos“, vgl. Enno E. P OPKES, Theologie 272, der im Ganzen seiner Untersuchung mit der Integration der dualistischen Motive in ein universales Gesamtkonzept zugleich plausibel der traditionell angenommenen Konventikelethik einer sektiererischen Gemeinschaft widerspricht. 195 So spricht etwa Klaus W ENGST von dem „Versuch, den johanneischen Kreis oder das, was von ihm übriggeblieben ist, in die übrige Kirche zu integrieren“ (DERS., Gemeinde 25), oder man liest von dem „Versuch aus dem isolierten Status der Kleingruppe durch eine Annäherung an die werdende Großkirche herauszukommen“ vgl. bei ROLOFF, Gemeinschaft 294; vgl. auch RUCKSTUHL, Jünger 366: „Die Johanneschristen mußten aus 190
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
deutliche Spuren des Schismas verfolgt werden und die damit als krisenhaft zu bezeichnende Situation nachvollzogen werden, so verlieren sich damit bereits die historisch zu verifizierenden Spuren. Abgesehen von der Frage der historisch nicht greifbaren Beziehung zwischen johanneischer Gemeinde und anderen Gemeindenverbänden wäre zu prüfen, auf welche Weise und mit welcher Intention Petrus betreffende synoptische Traditionen im Johannesevangelium verarbeitet wurden. Weiter anzuknüpfen wäre an der Einsicht von Quast, dass die Beziehung der Charaktere Petrus und Lieblingsjünger jeweils der christologischen Stoßrichtung der Textpassagen unterzuordnen ist196. Zudem ist es plausibel, dass aufgrund des Schismas intern eine gewisse Autoritätsproblematik gegeben und die Frage der 197 Einheit virulent war . Die genannte problematische historische Situierung gilt es ebenfalls in der Untersuchung von Lutz S IMON198 zu benennen: Dieser sieht das Verhältnis von Petrus und Lieblingsjünger „nur auf der Ebene zweier bekannter christlicher Persönlichkeiten“199 angelegt, die wiederum mit johanneischen und „anderen christlichen Gemeinden“ in Verbindung gebracht werden200. So verdienstvoll es ist, dass Simon einem allzu dualistischen Verständnis des im Untertitel genannten Begriffspaares „Amt und Autorität“ entgegen tritt201, so bleiben die Funktionen der beiden Figuren Petrus und Lieblingsjünger doch insgesamt unterbestimmt bzw. in fraglicher Weise bestimmt. Dies geschieht nicht nur, wenn die Hirtenrolle des Petrus einseitig als einheitsstiftendes Band bei der erwähnten „Integration von joh Christen in die petr Gemeinde“202 fungieren soll. Auch die für den Lieb-
dem Ghetto ihres bisherigen Daseins ausbrechen und sich dem größeren Verband petrinischer Kirchen anschließen“. Analog geht KLAUCK, Gemeinde 218 unter dem Schlagwort „Gnosis oder Kirche“ von der Notwendigkeit eines Anschlusses „an die petrinische Großkirche“ und ihren „pastoralen Primat“ als Preis dafür aus, dass die johanneischen Schriften nicht untergingen. Diese Legitimierung des Johannesevangeliums und seiner Trägergruppe gegenüber dem mit der „Großkirche“ identifizierten „petrinischen Christentum“ nehmen u.a. auch BECKER, Johannes II 520f., GNILKA, Petrusdienst 20, DSCHULNIGG, Jesus 81 und SÖDING, Erscheinung 229–231 an. Zum Anachronismus einer „Großkirche“ aber u.a. BROWN, Community 83, der dies für das 2.Jh. als problematisch ansieht und umfassend HECKEL, Hirtenamt 154 u.ö. 196 QUAST, Peter 166. 197 Dazu s.u. 4.1.6 d) die Analyse von Joh 21 unter dem Blickwinkel der theologischen Funktion der Petrus-Figur. 198 SIMON, Petrus. 199 Ebd. 203. 200 Ebd. 288. 201 S.o. S. 33f. zu KRAGERUD. 202 So abschließend SIMON, Petrus 290.
2.1 Bisherige Untersuchungen
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lingsjünger und Petrus gleichermaßen beanspruchte Zeugenfunktion203 kann ebenso wenig nachvollzogen werden wie umgekehrt dem Lieblingsjünger „Autorität in Glaubensdingen“ abgesprochen werden kann204. Die Monographie des katholischen Exegeten Alois S TIMPFLE205 ist zwar thematisch der johanneischen Eschatologie gewidmet, doch bietet dieser im Rahmen seiner Überlegungen auf prononcierte Weise einen Beitrag zur Rolle der Petrusfigur im Verhältnis zur Figur des Lieblingsjüngers. So ordnet Stimpfle analog zu Brown den beiden johanneischen Figuren verschiedene Gemeindegruppierungen zu. Petrinische Autorität im Sinne einer durch Petrus personifizierten „‚Großkirche‘“ werde in Gestalt des Lieblingsjüngers durch die johanneische Gemeinde desavouiert206. Dies zeige sich u.a. an 6,68–71 und 13,36–38, wo der johanneische Jesus ein petrinisches Nachfolgeverständnis abwehre. Damit in Verbindung stünde die Vorstellung des Märtyrertodes zur Verherrlichung Gottes (21,19), die in gleicher Weise abgelehnt werde; denn im Blick auf die folgenden, den Lieblingsjünger betreffenden Verse schlussfolgert Stimpfle: „Der vermeintlichen Autorität des Petrus tritt die wahre Autorität des geliebten Jüngers entgegen“207. Ferner werde die „‚großkirchliche‘ Tradition“ in Gestalt ihres Eucharistieverständnisses208 oder ihrer Eschatologie durch „die kontextuelle Desavouierung alles Nicht-Präsentischen“209 kritisiert, was jedoch an diesen Stellen nicht in Zusammenhang mit der Petrusfigur gebracht werden kann. Zu untersuchen bleibt ebenso die von Stimpfle dargelegte „konstante Kontrastierung“ von Lieblingsjünger und Petrus210. Mit der Übertragung des Verhältnisses von johanneischem Petrus zum Lieblingsjünger auf ein postuliertes Verhältnis von verschiedenen Gemeindeverbänden, d.h. johanneischer Gemeinde und einer meist als „Großkirche“ identifizierten Größe, besteht hier eine Nähe zu den Positionen von Arthur H. MAYNARD, Kevin QUAST und Lutz SIMON (s.o.). Diesbezüglich ist auf die Prämissen des eigenen Ansatzes (s.u. 2.2.2) hinzuweisen.
203
Einzig 6,68f. zeugt Petrus von christologischen Einsichten, die aus der vorangegangenen Rede Jesu aufgenommen werden. Gerade an den von S IMON genannten Stellen, an denen Petrus mit dem Lieblingsjünger korreliert wird, kommt die Zeugnisfunktion stattdessen dem Lieblingsjünger zu. 204 So ebd. 198f., dagegen aber die folgenden Analysen in Kapitel 4. 205 STIMPLE, Blinde. 206 Ebd. 187 (Anm. 201).260 u.ö. 207 Zu Joh 21,18f. ebd. 259–261. 208 Ebd. 177 Anm. 166. 209 Ebd. 277. 210 Ebd., 255. Gerade die von ihm besprochene Stelle 6,68f. und 18,10 für Petrus einerseits und 19,35 für den Lieblingsjünger andererseits sprechen dagegen und weisen insgesamt – wie auch Joh 21,18ff. – auf unterschiedliche Rollen hin.
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
2.1.4 Charakterisierung der johanneischen Figuren Nur kurze Zeit nach seinem Petrus-Buch211 widmete Peter DSCHULNIGG Personen des Johannesevangeliums, darunter naturgemäß auch Simon Petrus, eine Monographie212. In methodischer Hinsicht bezeugen beide Untersuchungen eine allgemein festzustellende Tendenz zur Synchronie, da Dschulnigg die Endgestalt des Textes als primären Bezugspunkt herausstellt213, die sogleich zu Beginn der Einführung in den Kontext allgemeiner literarischer Phänomene und Methoden gestellt wird. Das Verhältnis der Jesus-Figur als Hauptcharakter zu den diesem untergeordneten Charakteren erinnert an die Bestimmung bei Alan C ULPEPPER – und zwar sowohl in Bezug auf die Charaktere als auch den Plot214. Die Typisierung der Charaktere diene positiv der Identifizierung, Simon Petrus gilt hierbei als ein Beispiel dafür, dass negative Züge („Schatten“215) überwunden würden, in paradigmatischer Funktion also Mahnung und Trost darstellten. Als weiterführende Bobachtung ist so auch die festgestellte Dominanz an PetrusSzenen in Joh 13 und 21 in ihrer Bedeutung für die Jünger (respektive das Thema der Jüngerschaft!) zu unterstreichen. Zur Frage nach einem kirchlichen Leitungsamt weist Dschulnigg zunächst auf einen Auftrag an Petrus als Einzelperson, der jedoch die Gesamtkirche betreffe. Deshalb scheint es ihm legitim, in Anbetracht späterer Bedürfnisse auf diese Texte zurückzugreifen, trotzdem in ihnen selbst noch kein Primat im Blick sei. Trotz dieser vergleichsweise zurückhaltenden (katholischen) Position muss Dschulnigg darum insgesamt zugestimmt werden: „Im übrigen wirken sich auch konfessionsbedingte Sichtweisen aus, dies besonders bei der Wertung von Aussagen, die auch eine ekklesiologische Bedeutung im Blick auf das Amt in der Kirche haben können“216. 211
S.o. 2.1.2. DSCHULNIGG, Jesus. 213 Vgl. ebd. 8f. s.a. DERS., Petrus 4. 214 CULPEPPER, Anatomy 88 bestimmt die Plot-Entwicklung im Johannesevangelium als „a matter how Jesus’ identity comes to be recognized and how it fails to be recognized“; dieser Entwicklung untergeordnet sind die Charaktere neben Jesus, deren Funktion es ist, Aspekte der Person Jesu und unterschiedliche Reaktionen darauf darzustellen (CULPEPPER, Anatomy 104, vgl. auch s.u. 6.1.3.) Ebenso stellt DSCHULNIGG, Jesus 1 bezüglich der verschiedenen Personen, also johanneischen Charaktere heraus, dass „ihre Reaktion auf die Hauptperson für den Verfasser von Interesse“. Anders als Culpepper (s.u. 3.2.3) betrachtet Dschulnigg jedoch die johanneischen Personen als ein „Fenster“ in die Außenwelt an, und zwar allgemein in die frühjüdische Welt (3.3) und „in die Welt und das Selbstverständnis der joh. Gemeinden“ (3.4.). Ob Simon Petrus jedoch tatsächlich als „Repräsentant und Leiter der Gesamtkirche“ gesehen wurde, mag nicht nur als Fenster in eine historische Wirklichkeit der Gemeinde, sondern auch in ihre Theologie bezweifelt werden. 215 So die Formulierung bei DSCHULNIGG, Jesus 2.325f. 216 Ebd. 51. 212
2.1 Bisherige Untersuchungen
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Einen spezifisch narratologischen Ansatz im Anschluss an u.a. Shlomith Rimmon-Kenan vertritt Judith HARTENSTEIN 217 in ihrer Charakterisierung ausgewählter Personen des Johannesevangeliums, zu denen neben Petrus Maria Magdalena, Thomas und die Mutter Jesu gehören. Zu würdigen ist das Postulat, die Relationen der Figuren untereinander zu beachten. Theologische (d.h. auch ekklesiologische) Deutung muss also erfahren, dass Petrus als in den Jüngerkreis eingebunden (und teilweise auf andere Figuren angewiesen) dargestellt wird218, womit sich eine klare Autoritätskritik verbindet. Sinnvolle Erweiterungen erfährt dieser Ansatz ebenso durch das Einbeziehen eines möglichen Vorwissens der Leser und konsequentermaßen auch nichtjohanneischer Vergleichstexte in Gestalt synoptischer und apokrypher Evangelienschriften219. Als eine Schwierigkeit stellt sich jedoch die Chronologie der möglichen Rezeptionsvorgänge dar: Bezüglich der Quellenlage äußert Hartenstein selbst Problembewusstein dahingehend „dass nur wenige dieser Zeugnisse eindeutig früher als das JohEv datiert werden können und in keinem Fall eine Kenntnis durch das JohEv schlüssig nachgewiesen werden kann“220. Dennoch geht sie davon aus, dass das Johannesevangelium nicht nur auf synoptische Traditionen zurückgegriffen haben wird, sondern auch ältere mündliche Traditionen, die das Thomasevangelium und spätere Schriften verarbeitet haben, vorausgesetzt haben könnte221. Durchaus zutreffend macht Hartenstein auf die Spannungen im johanneischen Petrusbild sowie die am stärksten aufzuweisende Differenz zwischen vor- und nachösterlicher Rolle aufmerksam222. Aus der Reihe aktueller Studien zur Charakterisierung johanneischer Figuren ist die Untersuchung „Encountering Jesus. Character Studies in the 223 Gospel of John“ von Cornellis BENNEMA zu erwähnen. Den Charakterisierungen der johanneischen Figuren sind methodische Überlegungen als Reaktion auf das postulierte Forschungsdefizit einer „comprehensive theo224 ry of character“ vorangestellt. Neue Akzente setzt Bennema darin, dass er viele Charaktere als komplexer einschätzt als es im Rahmen einer viel225 fach angenommenen Klassifizierung als „Typen“ geschieht. Dagegen würde nur den „belief-respones“ der Charaktere eine typisierende Funktion 217
HARTENSTEIN, Charakterisierung. Ebd. 207f. Zum Thomasevangelium, dem Dialog des Erlösers, der Epistula Apostolorum und dem Philippusevangelium ebd. 46–49. 220 Ebd. 14. 221 Ebd. 44–49. 222 Ebd. 209–212. 223 BENNEMA, Encountering. 224 Ebd. 2, dazu ausführlich DERS., Theory. 225 Hier orientierte man sich an dem Modell von Edward FORSTER, der Charaktere alternativ als typisiert („flat“) oder komplex („round“) klassifizierte, dazu s.u. S. 72. 218 219
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung 226
zukommen . Diese könnten – nach Maßgabe eines vorausgesetzten dualistischen johanneischen Weltbildes – nur als „adequate“ oder „inadequate“ eingeschätzt werden, was m.E. teilweise eine zu schematische 227 Anwendung findet . Im Rahmen der Charakterisierung der Petrusfigur ist es hingegen gelungen, deren sich ambivalent darstellende Reaktionen auf228 zuzeigen . Insgesamt plädiert Bennema in methodischer Hinsicht für ei229 nen Ansatz, den er als „historical narrative criticism“ bezeichnet und der rein textbezogene mit über den Text hinausgehenden historisch-kritischen Analysemethoden verbinden soll (dazu s.u. 3.3). Das damit bezeugte Festhalten an einer historischen Perspektive auf die biblischen Texte führt ihn 230 zum einen zu deren Einschätzung als „non-fictional“ . Zum anderen scheint Bennema im Rekurrieren auf außertextliche Kontexte („socio231 historical context“ ) eine Möglichkeit zu sehen, weitgehend historisches 232 Geschehen rekonstruieren zu können . Im Rahmen der vorgenommenen Charakterisierungen johanneischer Figuren ist Petrus ein Abschnitt gewidmet, in dem dessen ambivalente Züge herausgestellt werden. Diese ordnet Benemma abschließend in ein Entwicklungsmodell ein, durch das ein von Petrus verkörpertes Paradigma von Jüngerschaft gekennzeichnet sei: „Peter represents the Christian in the ma233 king“ . An diesen grundsätzlich ertragreichen Ansatz werden sich die Überlegungen zum Verhältnis von johanneischem Petrusbild und Jüngerbild anschließen (s.u. Kapitel 6).
226
Davon unbenommen komme auch den johanneischen Charakteren als Ganze im Blick auf heutige Rezeption eine repräsentative Funktion zu, dazu abschließend B ENNEMA, Encountering 209f. 227 B ENNEMA, Encountering 204. Anstelle dieser teils zu schematischen Einordnung als entweder „adequate“ oder „inadequate“ ließen sich beispielsweise anhand der MartaFigur oder derjenigen der Samaritanerin feinere Nuancierungen vornehmen, vgl. dazu die Charakterisierungen unter 6.1.3. 228 Ebd., zusammenfassend 61–63 s.a. DERS., Theory 418. 229 Ebd. 12.20. 230 S.u. Kap. 3 Anm. 46. 231 BENNEMA, Encountering 20. 232 Dies zeigt sich beispielsweise an den Überlegungen über die Identität des Nikodemus (ebd. 77f.) oder den sozialen Status der Samaritanerin, der als Hintergrund für Details der geschilderten Begegnung namhaft gemacht wird, so ihr Kommen zu einer ungewöhnlichen Zeit (4,6) und allein (4,7), dazu ebd. 86. Der Eindruck, hier werde versucht, historisches Geschehen zu rekonstruieren, erhärtet sich an anderer Stelle durch die explizite Feststellung, das Johannesevangelium sei „primarily the story of Jesus, and the encounter in John 9 is authentic and historically reliable“ ebd. 136, Anm. 1. 233 BENNEMA, Encountering 62.
2.2 Überblick und Ausblick: Das Petrusbild und seine Funktion
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2.2 Überblick und Ausblick: Das Petrusbild und seine Funktion 2.2.1 Modelle und Positionen im Rahmen der Forschung Versucht man nun die dargestellten Ansätze der Petrusforschung modellhaft zu skizzieren, so zeigen sich folgende methodische wie inhaltliche Grundlinien: Von den methodischen Prämissen her stellt die Petrusforschung naturgemäß ein Spiegelbild grundsätzlicher Entwicklungen im Rahmen neutestamentlicher Exegese dar. War die ältere Forschung rein historischkritisch, und dabei – beispielsweise anhand von BULTMANNs „kirchlichem Redaktor“ – schwerpunktmäßig literar- und redaktionskritisch geprägt, so kann das rein synchron angelegte Gesamtkonzept von Hartwig T HYEN als beeindruckender Gegenentwurf und Indiz der neueren Tendenz der Forschung gelten234. Angeregt insbesondere durch den sogenannten „Narrative Criticism“ hat der Methodenkanon seit einigen Jahrzehnten bedeutsame Erweiterungen im Rahmen von primär synchron angelegten Vorgehensweisen erfahren (so u.a. bei Francis J. MOLONEY, Richard J. CASSIDY oder Timothy WIARDA, bei Letzterem mit einem Schwerpunkt auf der Analyse von Charakterzügen). Auch Peter DSCHULNIGG, Judith HARTENSTEIN und Cornellis BENNEMA setzen eine durch narratologische Aspekte und insbesondere Charakterisierungsmodelle geprägte Forschung voraus bzw. führen diese fort. Im Rahmen von betont synchron vorgehenden Arbeiten macht sich jedoch an manchen Stellen die Tendenz bemerkbar, dass die Textbefunde in Joh 1–20 und Joh 21 nicht nur nicht ausreichend voneinander unterschieden werden, sondern Joh 21 die Funktion eines hermeneutischen Schlüssels für das gesamte Johannesevangelium zukommt235. Umgekehrt kann eine redaktionsgeschichtlich begründete Sonderstellung von Joh 21 als reiner „Nachtrag“ dazu führen, dass die Bezüge und kontinuierlich sich durchziehenden theologischen Linien innerhalb von Joh 1–21 vollkommen außer Acht geraten236. Große Unterschiede ergeben sich ferner anhand des herangezogenen Quellenmaterials: Abhängig vom vorausgesetzten Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern werden die jeweiligen Befunde (meist) 234
Zu T HYEN s.u. 3.1. und 3.2.3. S.o. 2.1.1 zu T HYEN, 2.1.2 zu KRAGERUD und 2.1.3 zu CASSIDY. 236 Vgl. nur die Auslegung von Joh 21 bei B ULTMANN, der durch eine völlige Abtrennung und Zuweisung an die kirchliche Redaktion die Figur des Lieblingsjüngers auf zwei verschiedenen Ebenen einordnet: zunächst fungiere dieser als Symbolfigur, werde in Joh 21 dann aber als historische Figur dargestellt (s.o. 2.1.1). 235
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
in Bezug zueinander gesetzt, teils aber auch nur mehr oder weniger nebeneinandergestellt237 oder gar komplett ignoriert238. Auf der anderen Seite scheinen neutestamentliche Gesamtbilder der Petrus-Gestalt teilweise auf Kosten des eigenständigen Profils der jeweiligen Schriften und ihrer Verfasser erstellt zu sein239. Ganz neue Perspektiven ergeben sich, wenn neben den Evangelien und der Apostelgeschichte noch die Petrusbriefe oder gar außerkanonische petrinische240 wie nichtpetrinische241 Schriften mit einbezogen werden, obwohl hier die Gefahr bestehen kann, dass eine literarische Gesamtschau die historisch-chronologische Einordnung in den Hintergrund rücken lässt242. Inhaltlich lassen sich, wie bereits angedeutet, bezüglich der Einordnung der Petrusfigur im Groben folgende Modelle unterscheiden: Einen Schwerpunkt bildete lange Zeit die Überzeugung, das Johannesevangelium zeuge (zumindest in Joh 1–20) von einem Anti-Petrinismus bei einer gleichzeitigen Überlegenheit des Lieblingsjüngers: a) Anti-Petrinismus und Überlegenheit des Lieblingsjüngers Dabei verbinden sich teils recht unterschiedliche Bestimmungen der Funktion dieses angenommenen Phänomens, je nachdem, ob der Fokus mehr auf der Überlegenheit des Lieblingsjüngers oder der Unterlegenheit des Petrus liegt. Ging es bei Alv KRAGERUD um eine Überordnung von Geist bzw. der geistgeleiteten johanneischen Gemeinde über das Amt, so bei Savas AGOURIDES um die Korrektur synoptischer Tradition und darauf gegründeter Petrus-Verehrung. Obwohl die konfessionellen Gräben innerhalb der Exegetenzunft größtenteils überwunden zu sein scheinen, legt sich an dieser Stelle doch das Interesse nahe, römisch-katholischen Primatsansprüchen mit der angenommenen antipetrinischen Haltung des Johannesevangelium teilweise die neutestamentliche Grundlage zu entziehen. Das gleiche steht zu vermuten im Fall der expliziten Abwehr oder Relativierung von an die Petrusfigur geknüpften Autoritätsansprüchen von evan-
237
So am deutlichsten bei Richard J. CASSIDY, der ja bewusst jedes Evangelium für sich betrachtet. 238 Dies ist naturgemäß die Konsequenz, wenn dem Johannesevangelium und seinen Tradentenkreisen ein sektierierisches Dasein attestiert wird, und zumindest Joh 1–20 losgelöst von synoptischen Traditionen betrachtet werden. 239 Als Beispiel dafür wäre die vorrangig thematisch orientierte Darstellung bei Christian GRAPPE (s.o. S. 31) zu nennen. 240 Besonders ausführlich tut dies LAPHAM, Peter (s.o. 2.1.3). 241 S.o. 2.1.4 zu Judith HARTENSTEIN. 242 S.o. 2.1.4 zu Judith HARTENSTEIN.
2.2 Überblick und Ausblick: Das Petrusbild und seine Funktion
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gelischer Seite: so durch Judith HARTENSTEIN243, die zudem durch befreiungstheologische Interessen geleitet sein wird, durch Graydon F. S NYDER , der hier ein Bekämpfen apostolischer Autorität postuliert und Arthur H. MAYNARD, der eine grundsätzliche Abwehr von Führungsansprüchen über die johanneische Gemeinde im Blick hat. Auch Raymond E. BROWN, Terence V. SMITH, Alois STIMPFLE und Jürgen BECKER unterstreichen Anspruch und Selbstbewusstsein der johanneischen Gemeinde, gegründet auf die Figur des Lieblingsjüngers. Andere betonen dagegen, meist im Blick auf Joh 21, eine zwischen Petrus und Lieblingsjünger bestehende Gleichrangigkeit: b) Gleichrangigkeit von Petrus und Lieblingsjünger So halten u.a. Oscar CULLMANN und Rudolf SCHNACKENBURG an einer besonderen, wenn auch nicht exklusiven Stellung des Petrus fest: Die beiden Figuren (und wie oft angenommen die damit verbundenen Kreise) werden einander gleichgeordnet244. Daran schließen sich Interpretationen an, es gehe der johanneischen Gemeinde darum, anhand der Petrusfigur sich und ihr Evangelium zu legitimieren (so z.B. BROWN/DONFRIED/ REUMAN245). Die Notwendigkeit dazu sei gemäß der bereits vorgestellten, vielfach vertretenen Hypothese aufgrund eines „Sekten“-Daseins bzw. einer durch das johanneische Schisma verursachte Krise gegeben. Da sich Joh 21 in besonderer Weise durch die Einfügung synoptischen Materials auszeichne (das häufig gleichgesetzt wird mit „petrinischer Tradition“), was ein im Vergleich zu Joh 1–20 weitaus positiveres Petrusbild forme, empfehle sich die sonst dem Untergang geweihte johanneische Gemeinde mit dem so gestalteten Anhang an ihr Evangelium der sogenannten „Großkirche“ und sorge für eine Aufnahme in den späteren neutestamentlichen
243
Im Johannesevangelium werde „in der Darstellung des Petrus eher Autorität destruiert als eine Autorität durch eine andere [d.h. der des Lieblingsjüngers, Anm. der Verfasserin] zu ersetzen“, so HARTENSTEIN, Charakterisierung 212. 244 So z.B. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 441, der „keine polemische Auseinandersetzung zwischen Anhängern des Petrus und dem joh. Kreis“ vermutet, sondern stattdessen als Intention dieser Figurenkonstellation erkennen will: „diejenigen, die sich an Petrus halten und seine Autorität betonen, sollen auch Verständnis für jenen Jünger und seine Gemeinde aufbringen. Ohne die Autorität des Petrus herabzusetzen, will der joh. Kreis das Ansehen seines Gründers und Meisters heben, gerade durch Petrus, dem die Antwort Jesu zuteil wird“. 245 BROWN/DONFRIED/REUMAN, Petrus 128, vgl. auch SMITH, Theology 46, der davon ausgeht, die Intention in Joh 21 sei es „to honor Peter and the Christian tradition he represents, while simultaneously underscoring the value and the truth of Johanine witness and its Gospel (21:24)“.
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
Kanon246. Als Modifikation dessen knüpft QUAST ebenso an einer vorausgesetzten Krisensituation an, die allerdings mittels der einheitsstiftenden petrinischen Tradition eine innerjohanneische Korrektur bezwecke. Diese historisch weder verifizierbaren247 noch falsifizierbaren Hypothesen sollen nachfolgend im Hinblick auf eine erneute Analyse der Funktion der Petrusfigur im Kontext johanneischer Theologie überprüft werden248. Modellcharakter für kirchliche Einheit kommt Petrus auch bei Pheme P ERKINS zu, analgo zu Peter DSCHULNIGG, der eine Angewiesenheit des durch Petrus vertretenen „Amtes“ auf das auf den Lieblingsjünger zurückgeführte Johannesevangelium konstatiert, Christfried BÖTTRICH und Richard J. CASSIDY werden hier positive wie negative Züge im Petrusbild gleichermaßen betrachtet. Bei Cassidy249 wird im Rahmen seines für die einzelnen Evangelien jeweils rein synchronen Ansatzes Joh 21,15–19 zum hermeneutischen Schlüssel für alle Petrustexte im Johannesevangelium. Doch vertreten einige Exegeten auch ein insgesamt überwiegend positives Bild, d.h. ein dezidiert propetrinisches Petrusbild: c) Pro-petrinisches Petrusbild Als Vertreter eines pro-petrinischen Petrusbildes treten – wohl nicht zufällig – katholische Neutestamentler hervor, auch wenn innerhalb der katholischen Exegese ein relativ breit gelagertes Spektrum an Positionen zu finden ist, was einer grundsätzlichen apologetischen Indienstnahme entgegensteht250. Davon unbenommen legt sich bei Lutz SIMON der Verdacht einer konfessionsbedingten Hermeneutik als Hintergrund seiner Aussagen nahe, der in seiner Arbeit über Petrus und den Lieblingsjünger stellenweise 251 zu einseitig positiven Interpretationen der einschlägigen Petrusstellen findet. In aller Klarheit ist dies dagegen bei Rudolf P ESCH zu beobachten, dessen persönliche Anliegen nicht nur im Vergleich der beiden besproche246
S.o. Kap. 2 Anm. 195. Auch unter Einbeziehung der Johannesbriefe lässt sich lediglich das christologische Schisma verifizieren, nicht jedoch eine weitere Entwicklungsgeschichte der johanneischen Gemeinde; vgl. dazu auch Carsten CLAUSSEN in Auseinandersetzung mit dieser These, die an die Rehabilitation des Petrus Joh 21,15–17 anknüpft: „There is, however, no indication in the Johannine Epistles that the community was inclined to move in the direction of some sort of Petrine group within early christianity, as may be indicated by the rehabilitation of Peter in John 21.“ ( DERS., Role 67). 248 S.u. besonders Kapitel 4 und 6. 249 Das s.o. auch zu T HYEN und KRAGERUD. 250 Vgl. die dezidiert historischen Anliegen bei Joachim GNILKA oder die differenzierten Äußerungen bei Peter DSCHULNIGG (s.o. 2.1.2). 251 So beispielsweise S IMON, Petrus 143, der im schlichten neuvei Joh 13,24 den Habitus des Anführers zu entdecken glaubt. 247
2.2 Überblick und Ausblick: Das Petrusbild und seine Funktion
45
nen Monographien zutage treten, sondern bereits anhand des Titels („Die biblischen Grundlagen des Primats“) und der Einleitung252 der letzten Untersuchung von 2001 offensichtlich zum Ausdruck kommen. Zum anderen ist v.a. die Monographie von Bradford B. BLAINE253 dazu zu zählen, dessen Anliegen es ist, dem überwiegend negativen Petrusbild in Joh 1–20 entgegen zu treten254. Dies ist als Gegengewicht zur dominanten antipetrinischen Forschungsrichtung ebenso zu würdigen wie Blaines Entgegnung der mehrheitlich vertretenen Annahme, Petrus repräsentiere apostolisches Christentum bzw. die sogenannte „Großkirche“255. Doch äußerst fraglich und im Gegenzug als Überbewertung des Petrus scheint die Bestimmung einer mit dem Lieblingsjünger korrelierenden gemeindegründenden Funktion des Petrus zu sein256. Gleichwohl wird seine gegenüber Quast noch konsequenter verfolgte innerjohanneische Perspektive zu bedenken und anhand einer differenzierten Betrachtung der Texte zu überprüfen sein. 2.2.2 Grundansatz dieser Untersuchung In methodischer Hinsicht zeigte sich anhand der vorgeführten Modelle teils eine deutliche Bevorzugung entweder diachroner oder synchroner Aspekte. Dies kann dazu führen, dass einerseits diachrone Modelle als hermeneutischer Schlüssel für die Interpretation des Evangeliums insgesamt fungieren (so z.B. Rudolf BULTMANN oder Jürgen BECKER). Andererseits kann ebenso ein weitestgehender Ausschluss diachroner Betrachtungsweisen erfolgen (u.a. bei Hartwig THYEN, Richard J. CASSIDY oder Bradford B. BLAINE). In der vorliegenden Untersuchung wird stattdessen grundsätzlich ein sinnvolles Ineinandergreifen synchroner und diachroner Analyseschritte intendiert. Das Spektrum synchroner Textanalysen soll an dieser Stelle durch narratologisch ausgerichtete Zugänge erweitert werden. Daher stellt sich zunächst die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von historisch-kritischen Methoden einerseits und Zugangsweisen aus der Literaturwissenschaft, wie sie die Narratologie beispielhaft darstellt (dazu s.u. das folgende Kapitel 3). Damit in Zusammenhang stehen u.a. Fragen nach dem Charakter der Texte, insbesondere nach dem Verhältnis von (fik-
252
Vgl. PESCH, Grundlagen 13–15. B LAINE, Peter. 254 So ebd. 2: „The aim of this study is to show that Peter is portrayed very positively in the Gospel, appearing as an exemplary disciple and hero of the Johannine community“. 255 Ebd. 2 s.a. 10 zu BROWN, der analog zu Petrus die Zwölf als Gegenüber der johanneischen Gemeinde identifiziert. 256 Ebd. u.a. 2.13.21.23. 253
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Kapitel 2: Grundfragen im Spiegel der Forschung
tionaler?) Darstellung der Petrusfigur und historischer Gestalt des Urchristentums (s.o. bei WIARDA und BENNEMA). Im Zentrum der Untersuchung steht das johanneische Petrusbild, das in Kapitel 4 erörtert werden wird. Hier wird zunächst von einer synchronen, durch narratologische Ansätze ergänzten Analyse der Petrus betreffenden Szenen ausgegangen. Diese wird dann jeweils zu diachronen Aspekten ins 257 Verhältnis gesetzt werden . Analog dazu wird das auf diese Weise erhobene johanneische Petrusbild nochmals diachron auf dem Hintergrund der synoptischen Petrusbilder im Ganzen beleuchtet werden (s.u. Kapitel 5). Im Blick auf inhaltlich-theologische Aspekte stellt sich vorrangig die Frage nach der Funktion des Petrusbildes im Gesamtrahmen johanneischer Theo258 logie, welche zentral christologisch bestimmt ist . Besonders im Blick auf die Wirkungsgeschichte der Weideaufträge Joh 21,15–17 ist dazu ein Augenmerk auf ekklesiologische Fragen zu legen. Ein Spezialproblem im Bereich der Johannesforschung stellt hierbei das Verhältnis von Joh 1–20 und Joh 21 dar. Diesbezügliche Fragen werden zwar nicht erschöpfend beantwortet werden können (s.u. 4.2.). Wohl aber werden ausgehend von den untersuchten Texten und primär aus der Perspektive des Petrusbildes Aspekte dazu beigetragen werden. Wurde der redaktionelle und damit sekundäre Charakter von Joh 21 insbesondere anhand der Verwendung synoptischer Traditionen postuliert (so prominent bei BULTMANN und im Anschluss an ihn), so sind an dieser Stelle Art und Intention der Verarbeitung synoptischer Petrus-Traditionen in Joh 21 und 1–20 im Rahmen johanneischer Darstellungsinteressen zu vergleichen. Darüber hinaus werden grundsätzlich Kontinuität und Diskontinuität innerhalb des johanneischen Petrusbildes zu diskutieren sein. Die hier insgesamt sehr unterschiedlichen Bewertungen der Petrus259 figur und die Funktion ihrer Darstellung sind insbesondere auf den Hintergrund der festgestellten Ambivalenzen (s.o. Kapitel 1) zu prüfen. Dazu wird angenommen, dass sich die Funktion der dargestellten Petrusfigur wesentlich auch von ihren Relationen zu anderen Figuren bestimmen lässt. Den vielfach vorgenommenen Verhältnisbestimmungen von Petrus und Lieblingsjünger (s.o. 2.1.3) kommt so durchaus ihre Berechti-
257
Zum Vorgehen an dieser Stelle s.u. 3.4.3. Ansätze zur Einordnung des Petrus-Bildes in christologische Aussageabsichten des Johannesevangeliums finden sich u.a. bei Peter Quast s.o. 259 So wird von einem durchgängig pro- oder antipetrinischen Petrus-Bild ausgegangen bzw. häufig von einem kontinuierlich antipetrinischen Bild in Joh 1–20, dem ein propetrinisches in Joh 21 entgegensteht, zu den Positionen im Einzelnen s.o. 2.2.1. 258
2.2 Überblick und Ausblick: Das Petrusbild und seine Funktion
47
gung zu. Der spezifische Fokus dieser Untersuchung ist jedoch auf zweierlei gerichtet: Zur Diskussion steht zum einen die die Forschungslandschaft prägende These, Petrus und der Lieblingsjünger seien als Symbolfiguren bestimmten Gemeindeverbänden zuzuordnen (s.o. 2.1 zu BROWN, STIMPFLE, MAYNARD, QUAST und S IMON) und repräsentierten ein jeweiliges Gruppeninteresse. Als hermeneutisches Problem ist hier die Frage zu stellen, inwieweit von den dargestellten Figuren auf bestimmte historische Konstellationen, so z.B. konkrete Konflikte zwischen einzelnen Gruppen, rückgeschlossen werden kann. Darin eingeschlossen sind ferner Zweifel an der historisch vorausgesetzten Existenz einer „sektiererischen“ johanneischen Gemeinde im Gegenüber zu einer „Großkirche“. Diese historische Perspektive gilt es im Blick zu behalten, wenngleich der Frage nach der Funktion beider Figuren – hier ausgehend von derjenigen des Petrus – primär auf der Basis von Textanalysen im Rahmen der johanneischen Theologie insgesamt nachgegangen wird. Zum anderen ist die Figurenkonstellation von Petrus und Lieblingsjünger zu erweitern im Blick auf die Jünger als weitere, in diesem Zusammenhang relevante Figurengruppe, der beide auf je spezifische Weise 260 zugeordnet werden . Darum werden in einem weiteren Schritt die bisherigen Beobachtungen im Kontext des johanneischen Jüngerbildes interpretiert werden (Kapitel 6). Daran anschließend wird die Funktion der Darstellung der Petrusfigur grundsätzlich und im Rahmen dessen speziell die Funktion der Verhältnisbestimmung zur Gestalt des Lieblingsjüngers möglicherweise neu betrachtet werden und die daraus folgenden theologischen Perspektiven (Kapitel 7) bedacht werden.
260
So hatte bereits SCHNACKENBURG darauf hingewiesen, dass Petrus und die Jünger insgesamt dem Lieblingsjünger entgegen stünden s.o. Kap. 2 Anm. 38.
Kapitel 3
Methodologische Erwägungen 3.1 Vorbemerkung: zwischen diachronen und synchronen Ansätzen1 – Entwicklungen innerhalb des Methodenspektrums In Kapitel 2 ist ein breites Spektrum unterschiedlicher Sichtweisen auf die Petrus-Gestalt aufgezeigt worden, die in der Forschung vertreten werden. Diese Interpretationsvielfalt ist im Wesentlichen auf im Text selbst angelegte Ambivalenzen (vgl. Kapitel 1) zurückzuführen. Methodisch scheint es so grundsätzlich sinnvoll, diese Textsignale einer differenzierten Analyse zu unterziehen, wobei v.a. Einsichten der aus narratologischen Modellen2 hervorgegangenen narrativen Analyse 3 (im anglophonen Bereich meist in der Form des „Narrative Criticism“) Berücksichtigung finden sollen. Darum werden zunächst Grundlinien dieser „neueren“ Ansätze in den Blick genommen, die sich auf das Spektrum der Literaturwissenschaft beziehen und ergänzend zum „alten“ historisch-kritischen Methodenspekt4 rum hinzutreten können. Das Profil der jeweiligen methodischen
1
Aufgrund der Verwendung dieser Begriffe in vielfältigen Kontexten ist mittlerweile eine gewisse Unschärfe festzustellen (vgl. FINNERN, Narratologie 12 zu deren Bedeutungsspektrum). Als Oberbegriffe und primär in der Bedeutung von textimmanenten Analysen versus Textgenese anhand von (literarischen, historischen) Faktoren außerhalb des Textes verwendet, scheinen sie mir im exegetischen Diskurs als Grundlage der Verständigung nach wie vor geeignet. 2 Zu unterscheiden sind hierbei Theoriemodelle wie diejenigen aus dem Bereich der Narratologie und angewandte Analysekategorien, die begrifflich u.a. als „narrative Analyse“ gefasst werden; zu weiteren verwandten Begriffen s. FINNERN, Narratologie 28 Tabelle 3. 3 Dazu zur Erstinformation und als Überblick die exzellente Einführung und methodische Grundlegung bei Ute E ISEN (DIES., Poetik 13–139), oder – ebenfalls aus exegetischer Feder mit Blick auf die biblischen Texte – TOLMIE, Narratology; rein aus literaturwissenschaftlicher Perspektive, aber für einen ersten Zugang sehr gut aufbereitet: Peter W ENZEL (Hg.), Einführung. Für das Johannesevangelium ist hier absolut grundlegend CULPEPPER, Anatomy, eine gute Einführung zu Culpepper bietet wiederum SCHOLTISSEK, Johannes auslegen I 61–70. 4 Mit der Bezeichnung „Methodenspektrum“ soll an dieser Stelle der landläufigen Vorstellung von „der“ historisch-kritischen Methode entgegengetreten werden, und zwar sowohl aufgrund der begrifflichen Unschärfe also auch der Vielfalt der damit bezeichne-
3.1 Vorbemerkung: Entwicklungen innerhalb des Methodenspektrums
49
Prämissen sowie deren Verhältnis zueinander bedarf nach wie vor der Diskussion, denn jede „Interpretation kommt ohne Reflexion auf ihre Annahmen und Interessen nicht aus“5. Besonders unter dem Einfluss des sogenannten „New Criticism“6, der seinerseits stark in den Narrative Criticism hineinwirkte, und weiteren Teilbereichen des „Literary Criticism“7 hat sich eine tiefgreifende Infragestellung von Prämissen und Zielvorstellungen klassisch historischer Kritik vollzogen: Sinnkonstituierend sind nach dem New Criticism weder der Autor und seine Absichten („intentional“ und „affective fallacy“) noch der Leser, sondern der zu einer autonomen Größe erhobene Text allein, und zwar unter Absehung von historischen Fragestellungen. Wenn Hartwig THYEN nun also voraussetzt, das Johannesevangelium sei als rein literarisches Werk mit einer autonomen Textwelt konzipiert8, so weist dies auf eine starke Nähe zu Anliegen des Literary Criticism hin. Denn als ein Merkmal dieses Sammelbeckens von in der Exegese rezipierten literaturwissenschaftlichen Ansätzen kann der Fokus auf der „story-world“ mit dem Anspruch einer „autonomous integrity“9, also eines in sich geschlossenen selbstsuffizienten Universums, gelten10. ten Methodenschritte willen, innerhalb derer teilweise weiterhin Klärungsbedarf besteht, dazu auch FINNERN, Narratologie 4.2.–4.4. 5 W EDER, Heft 1. 6 Dazu zusammenfassend FINNERN, Narratologie 30f. 7 Zu diesem Sammelbegriff von im Bereich der Exegese rezipierten literaturwissenschaftlichen Modellen EISEN, Poetik 16–22. 8 So formuliert T HYEN in seiner Kommentar-Einleitung zugespitzt: „Diese Textwelt wartet darauf, von Lesern entdeckt und bewohnt zu werden. Dadurch, dass Rede durch die Schrift zum Text geworden ist, ist sie zugleich der Intention ihres Autors und den Rezeptionen der ursprünglichen Leser gegenüber autonom geworden“ (DERS., Johannesevangelium 5, kursiv H.Th.). Gegenüber diesem sich weitgehend vom ursprünglichen Kommunikationskontext und seinen Rezipienten verabschiedenden Konzept ist etwas differenzierter festzuhalten, dass sich im Rahmen des Impliziten Lesers heutige Rezipienten in vergleichbarer Weise wie damalige wiederfinden können, jedoch lässt sich fragen, ob sich uneingeschränkt sagen lässt, wovon M OLONEY, John 19 ausgeht: „[R]eaders at the turn of the second and third millenia still find, that their responses to this gospel, in dialogue with the experience with almost two thousand years of christian life, resonates with the experience of the implied reader and the original readers in the Johannine Community.“ Dagegen gehören Distanz und Nähe gleichermaßen zur Verhältnisbestimmung heutiger Rezipienten zu diesen antiken Texten, wobei es zum ausdrücklichen Verdienst historisch-kritischer Vorgehensweise gehört, zu einer – teilweise auch notwendigen – Distanz beizutragen, vgl. auch SEGOVIA, Tongues 9: „First, the historical impulse of traditional criticism – its sense of the distance of the text – should not be bypassed. In many ways these texts represent an ‚other‘ to us.“ Zur kritische Funktion des Textes s.a. DE B OER, Narrative Criticism 39. 9 MOORE, Literary Criticism 8. 10 Zu damit einhergehenden Anfragen aus historischer Sicht s.u. 3.2.3.
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
In diesen Extremformen konnten derartige Konzepte in der Exegese naturgemäß nicht aufgenommen werden, doch lässt sich in der neueren Forschung zum Johannesevangelium ein „deutlicher Trend zur synchronen Textinterpretation erkennen“11. Dies steht im Zusammenhang damit, dass man sich des allzu hypothetischen Charakters literarkritischer Modelle12 bewusst wurde. In der Folge wies man die Beweislast nun umgekehrt den geschaffenen Textkonstruktionen13 anstelle des uns vorliegenden Textgefüges zu und machte dieses – verstanden als kohärentes Ganzes – zum primären Ausgangspunkt aller Analysen. Dies impliziert auch, dass nicht mehr einzelne kleine oder auch kleinste Textteile14 den Bezugspunkt der Analyse darstellen, sondern diese wiederum ihren Bezugspunkt im Ganzen des Textkorpus haben sollen. Auf dieses Ganze bezogen werden dann (ausschließlich oder ergänzend) Kategorien narrativer Analyse zur Basis der Textinterpretation erhoben. Diese beschreiben, der Grundunterscheidung von „story“ und „discourse“ von Seymour C HATMAN15 folgend, das „Wie“ und das „Was“ einer Erzählung16: Dabei gehören zum „Wie“ zum einen im Bereich des Erzählens selbst die Erzählstimme und -adressaten („Narrator“/„Narratee“), zum anderen im Bereich der Erzählung Zeit und Modus. Das „Was“, d.h. Gegenstand der Erzählung sind Ereignisse und Figuren, wobei deren Charakterisierung im Rahmen einer Untersuchung über die Petrusfigur naturgemäß besondere Bedeutung zukommt17. Der zuerst genannte Bereich von „Narrator“ und „Narratee“ stellt wiederum einen Teilbereich des Kommunikationsmodells von C HATMAN18 dar: 11
SCHOLTISSEK, Johannes Auslegen III 144. Dies wird insbesondere durch ganz konsequent synchrone Ansätze markiert, zu deren Vertretern neben Hartwig T HYEN u.a. auch Thomas P OPP (DERS., Grammatik) gehören. 12 So u.a. DE J ONGE, Jesus 198f., P FITZNER, They Knew 67, MEYER, Kommt 37, vgl. auch die aktuellen Forschungsberichte bei SCHOLTISSEK, Johannes auslegen I 51–59 und FREY, Grundfragen 750. Mit Blick auf Rezeptionsmöglichkeiten anhand mancher sogenannter „Kohärenzstörungen“ zeigt Tobias NICKLAS (DERS., Literarkritik 175–192) alternative Perspektiven auf. 13 SCHNELLE, Recent Views 353. 14 SEGOVIA spricht zutreffend vom „highly atomistic approach of historical criticsm“ (DERS., Tongues 16). 15 Vgl. CHATMAN, Story 9: „I posit a what and a why. The what of narrative I call its ‚story‘; the why I call its ‚discourse‘“. 16 Vgl. das Überblickschema bei EISEN, Poetik 62f., im Detail erläutert 63–139. Wie daraus zu ersehen ist, erweitern manche Narratologen wie Mieke B AL und Gérard GENETTE die Zweiteilung bei Chatman, indem neben das Erzählen noch die Erzählung (bei R IMMON-KENAN als „text“) tritt. Da die Chatman’sche Unterteilung jedoch nicht nur als plausibel, sondern auch hinreichend erachtet wird, wird diese auch im Folgenden zugrunde gelegt. 17 S.u. mehr dazu unter 3.4. 18 CHATMAN, Story 147–151.
3.1 Vorbemerkung: Entwicklungen innerhalb des Methodenspektrums
51
Real Author → Implied Author → Narrator → Narratee → Implied Reader → Real Reader
Zum eigentlichen Gegenstand der narrativen Analyse zählen hier nur die innerhalb des Rahmens befindlichen textinternen Kategorien des Impliziten Autors bzw. Lesers und der genannten Erzählstimme bzw. die Adressaten innerhalb der Erzählung als das direkte Gegenüber des Erzählers (beispielsweise der von Jesus angesprochene Petrus Joh 1,42). Realer Autor, also Verfasser einer Erzählung, wie realer Leser, also deren Adressaten, werden als textexterne Größen betrachtet, die sich konsequentermaßen der direkten Untersuchung anhand des vorliegenden Textes entziehen19. Die u.a. von THYEN in den Blick genommene Rezeption des Lesers geht einher mit wichtigen Impulsen der Rezeptionsforschung bzw. des ReaderResponse-Criticism, der wiederum einen Teilbereich des Literary Criticism darstellt. Diesen recht unterschiedlichen Forschungsansätzen20 ist primär die Einsicht zu verdanken, dass der Leser ganz wesentlich an der Konstituierung von Sinn durch einen Text beteiligt ist21. Neben empirisch orientierten Ansätzen sind hier Rezeptionsgeschichte und Rezeptionsästhetik deutlich voneinander zu unterscheiden, da die Rezeptionsgeschichte den literarischen und lebensweltlichen Horizont des realen Lesers und damit textexterne Faktoren in den Blick nimmt, während sich die Rezeptionsästhetik programmatisch auf den Impliziten Leser (und Autor) und damit textinterne Phänomene konzentriert. Beispielhaft für die Rezeptionsästhetik ist hier das Konzept des Impliziten Lesers von Wolfgang ISER zu nennen, der damit die Wirkung von im Text angelegten Strategien auf den Leser fokussiert. Jedoch erst im Lesevorgang selbst und nicht schon durch die vorgegebenen Textmerkmale, d.h. nur in der engen Verbindung von „Textstruktur“ und „Aktstruktur“22 werden Sinn und Bedeutung konstituiert, was sich insbesondere an der Funktion von „Unbestimmtheitsstellen“ oder „Leerstellen“23 zeigt, die die aktive Rolle des Lesers erfordern. U.a. anhand dieser Leerstellen bezeichnet Jeffrey L. S TALEY24 in einer wei19
S.u. Kap. 3 Anm. 55. Vgl. LINK, Rezeptionsforschung 9. 21 Vgl. ISER, Akt 175: „Textmodelle umschreiben immer nur einen Pol der Kommunikationssituation. Daher halten Repertoire und Strategien den Text lediglich parat, dessen Potential sie zwar entwerfen und vorstrukturieren, das jedoch der Aktualisierung durch den Leser bedarf, um sich einlösen zu können.“ (kursiv T.S.). Zur Aktualisierung durch den Leser s.a. DERS., Appellstruktur 6–8. 22 ISER, Akt 60–64.175 u.ö. 23 Dazu ISER, Appellstruktur, v.a. 11–23.33f. und DERS., Akt 267–280 im Anschluss an Roman Ingarden s. dazu auch FREY, Leser 271–274. Als für das Petrus-Bild relevant ist hier beispielsweise die fehlende Ausdeutung des Petrus-Namens Joh 1,42 zu nennen s.u. 4.1.1.1. 24 Dazu grundlegend STALEY, Kiss. 20
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
tergehenden Differenzierung der Kommunikationsebenen Strategien des Impliziten Autors, den Erzähler für ein „victimizing“ des Impliziten Lesers einzusetzen. Gemeint ist damit die immer wieder einsetzende Erkenntnis des Impliziten Lesers, wie begrenzt und korrekturbedürftig sein Wissen ist. Nach den Informationen über Jesu Tauftätigkeit 3,3.26 und 4,1 etwa folgt 4,2 völlig unvorhergesehen die sonst häufig literarkritisch erklärte Korrektur, dass nicht Jesus, sondern seine Jünger tauften. Oder wenn Joh 13,23 anonym „einer von seinen Jüngern, den Jesus liebte“ eingeführt wird, der an der Brust Jesu lag, so stellen sich dem Impliziten Leser viele Fragen25. Möglicherweise wird eine Verbindung zu 1,37–40 als der ersten Szene, in der ein Jünger in der Anonymität belassen wurde, gezogen. In der Frage nach der Identität des Verräters den Charakteren der erzählten Welt überlegen, bleibt dem Implied Reader doch das Geheimnis des geliebten Jüngers weiter vorenthalten. Im Durchgang durch das Evangelium als Ganzes befindet sich der Implizite Leser so nach Staley in einem strategisch bewusst konstruierten „Lernprogramm“26. So sehr es grundsätzlich verdienstvoll ist, die den Impliziten Leser leitenden Strategien in den Blick zu nehmen, so schwierig ist an Staleys Konzept die in der negativen Bezeichnung „victimizing“ zum Ausdruck kommende Prämisse eines unzuverlässigen Erzählers. Dagegen steht die von S TALEY selbst hervorgehobene Qualität des Erzählers als auktorialer, d.h. allwissender Erzähler, der beispielsweise Joh 13,1–30 sowohl das Vorherwissen der Passion an sich als auch das Vorherwissen Jesu (vgl. nur 13,1–3.11) zum Ausdruck bringen kann27. Anhand von Leerstellen wird bewusst Spannung generiert, die teils an späterer Stelle aufgelöst wird und durch die die Interaktion der Adressaten herausgefordert wird; doch geht es wohl zu weit, diese geschickte Art der Leserlenkung als „Opferung“ („victimizing“) zu bezeichnen. Unter Absehung von diesen oder anderen teils problematischen Konzepten28 wird die Differenzierung der Erzählstimmen und -ebenen jedoch grundsätzlich sinnvollerweise von einigen Exegeten aufgegriffen, was in der Tat eine genauere Wahrnehmung mancher dem Text innewohnender Strategien ermöglichen kann. Durch die Rezeption von vorrangig am Text (narrative Exegese) oder den Adressaten (Reader-Response-Criticism, im deutschen Sprachraum Rezeptions- und Wirkungsästhetik) orientierten literaturwissenschaftlichen Ansätzen in der Exegese wurde so das Methodenspektrum nachhaltig erweitert. Weist also dieser u.a. vom späten Hartwig T HYEN, Francis 25
Zu diesem Abschnitt STALEY, Kiss 107–112. Ebd. 98 im Anschluss an MCKEE. 27 Zur Kritik an STALEY s.a. CULPEPPER, Anatomy x. 28 Zur Infragestellung von Implizitem Autor und Leser vgl. den Überblick bei FINNERN, Narratologie 48–51. 26
3.2 Einwände gegen literaturwissenschaftlich geprägte exegetische Methoden
53
MOLONEY und weiteren eingeschlagene methodische Weg auch in eine gute Zukunft der Johannesforschung? Oder kann das Instrumentarium bisheriger historisch-kritischer Exegese weiterhin zu einem vertieften Verständnis seiner Texte beitragen? In jedem Fall kann es sich hierbei um keine sich ausschließenden Alternativen handeln: Literaturwissenschaftliche Methoden, insbesondere vermittelt über den Bereich der Narratologie, sollen in dieser Arbeit ergänzend zur klassischen Exegese hinzutreten, um vielleicht sogar einen Ausweg aus manchen Aporien älterer Forschungspositionen (beispielsweise s.o. BULTMANN, BROWN, STIMPFLE etc.) aufzuzeigen. Dabei handelt es sich jedoch um ein Unterfangen, das keineswegs selbstverständlich29 und unumstritten ist. So werden gegen die Anwendung von Methoden aus dem Bereich der Literaturwissenschaft in der Exegese üblicherweise verschiedene Einwände vorgebracht, aus denen drei, teilweise miteinander zusammenhängende im Folgenden herausgegriffen werden30.
3.2 Einwände gegen literaturwissenschaftlich geprägte exegetische Methoden 3.2.1 Einwand gegen die Anwendung anachronistischer Analysekategorien Zunächst wurde vielfach hinterfragt, ob in der Analyse moderner Literatur entwickelte und angewendete Methoden auch auf die neutestamentlichen Texte – in narratologischer Ausprägung insbesondere auf die erzählenden Texte der Evangelien und der Apostelgeschichte – angewandt werden können. Dazu ist zunächst ganz grundsätzlich anzumerken: Texttheorien, gleich welcher Art, geht es darum, was einen Text konstituiert und wie er
29
So stammen größere Arbeiten dieser Art mehrheitlich aus jüngerer Zeit: Nach CULPEPPER waren dies im Bereich des Johannesevangeliums z.B. GNIESMER, Prozeß (2000) und P OPP, Grammatik (2001), für die synoptischen Evangelien wären MÜLLER, Prophet (2001), CORNILS, Geist (2006), EISEN, Poetik (2006), DU TOIT, Herr (2006), P OPLUTZ, Welt (2008) und F INNERN, Narratologie (2010) zu nennen; zu diesem Phänomen vgl. auch FINNERN, Narratologie 25f. In Methodenbüchern stellt das ausdrückliche Plädoyer zur Einbeziehung literaturwissenschaftlicher Methoden (vgl. ALKIER/BRUCKNER [Hgg.], Exegese, zur Narratologie darin besonders der Beitrag von Ute E ISEN 135– 153) zwar keine einsame Stimme mehr dar (so beispielsweise EGGER, Methodenlehre, B ERGER, Exegese oder auch das narratologische Textmodell bei EBNER/HEININGER, Exegese 63–131), aber im deutschsprachigen Raum auch noch keinen gewaltigen Chor. Zu Vertretern des Narrative Criticism im anglophonen und frankophonen Raum vgl. EISEN, Poetik 22–31 bzw. 43 im Bereich der Acta-Forschung. 30 Im Folgenden vgl. CULPEPPER, Anatomy 8–11.
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
funktioniert. Texte wieder als Texte31 mit ihren Strukturen wahrzunehmen (was noch nicht zu verwechseln ist mit den Theoriegebäuden des Strukturalismus!) und – im Bereich der Evangelien – als Erzählungen, ist ausdrücklich als Verdienst literaturwissenschaftlich und insbesondere narratologisch fundierter Analysemethoden festzuhalten, die auf diese Weise zu 32 einem tieferen Textverständnis beitragen können. Des Weiteren muss unterschieden werden zwischen sehr allgemein gehaltenen Analyse-Kategorien33 und den durch sie beschriebenen historischen, d.h. zeitlich bedingten Texten34. Im Falle „klassischer“, d.h. historisch-kritischer Methodenseminare jedenfalls wird dies teils unhinterfragt vorausgesetzt, da die angewandten Methoden in der jetzigen Form im Vergleich zu den untersuchten Texten kaum weniger „modern“ sind und mit ihnen die entsprechenden Begrifflichkeiten35. Dabei bleibt jedoch die Warnung bestehen, im Einzelfall nicht Texte in Konzepte zu pressen, sondern Analysekategorien immer wieder aus den Texten selbst abzuleiten, und damit ggf. auch zu erweitern oder zu modifizieren. Umgekehrt gehen manche Modelle aus dem Bereich der Narratologie tatsächlich am spezifischen Charakter neutestamentlicher Texte vorbei36. Auf der anderen Seite gehen Modelle zur Charakterisierung von Figuren wie auch die Untersuchung des „Plot“ beispielsweise auf Grundsätze zurück, die schon bei ARISTOTELES zu finden sind37. Ebenso ist die Adaption literaturwissenschaftlicher, insbesondere narratologischer Ansätze im Be31
In seiner Funktion als Medium zwischen Sender und Empfänger „...the text as text began to receive an attention it had never garnered before, with the text now gradually emerging as a literary and rhetorical product in its own right“ (SEGOVIA, Tongues 15). 32 Vgl. dazu FARELLY, Disciples 4: „… the literary task is primary, as the investigation of what the text says and how it functions both within itself and in relation to its readers is essentiell for questions oft he text’s meaning.“ Der hier herausgestellte „Primat“ bzw. die methodische Priorität narrativer Exegese geschieht jedoch bewusst unter der Prämisse, theologische und historische Untersuchungen zu befruchten. 33 Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von F INNERN, Narratologie 2: „Die Beschreibungskategorien müssen allgemein genug sein, und das Ergebnis darf durch sie nicht inhaltlich vorgegeben sein.“ 34 Plausibel erscheint in diesem Zusammenhang auch das Votum von Alan R. CULPEPPER, moderne Konzepte könnten auch dann zum Verständnis beitragen, wenn man nicht ein analoges Verständnis des Autors voraussetzen kann, so CULPEPPER, Anatomy 9. In ähnlicher Weise äußerte sich B ALL, ‚I Am‘ 18. 35 Vgl. dazu ebenfalls FINNERN, Narratologie 2f. 36 S.u. S. 67 Kap. 3 Anm. 103. 37 Vgl. etwa die Definition Poet. 1450a (wobei Aristoteles mit mu'qo~ bezeichnet, was dem heutigen „Plot“ entspricht): e]stin de; th'~ me;n pravxew~ oJ mu'qo~ hJ mivmhsi~, levgw ga;r mu'qon tou'ton th;n suvnqesin tw'n pragmavtwn, ta; de; h]qh, kaqÆ o} poiouv~ tina~ ei\naiv famen tou;~ pravttonta~ (...), dazu auch P OPLUTZ, Welt 8–13; zu den Charakteren bei Aristoteles vgl. insbesondere Poet. 1454a.
3.2 Einwände gegen literaturwissenschaftlich geprägte exegetische Methoden
55
reich der Altphilologen bereits vollzogen38 und wird als durchaus weiterführend bewertet39. 3.2.2 Gattungsspezifischer Einwand Inwieweit Analyseansätze aus dem Bereich moderner Literatur auf antike bzw. speziell biblische Texte angemessen übertragen werden können, hängt natürlich von der Bestimmung der Eigenart und des spezifischen Charakters Letzterer ab. Ganz grundsätzlich – v.a. im Hinblick auf das Verhältnis von Theologie und historischer Rückbindung der erzählten Inhalte – steht im Bereich der Evangelien die Anwendbarkeit von im Umgang mit fiktionalen Texten erprobten Analysekategorien zur Diskussion. Wird Fiktionalität von Texten per definitionem dadurch bestimmt, dass der „eindeutige Bezug zu dem, was man als ‚real‘ auffaßt, aufgehoben“ wird und meint ‚fiktiv‘ „etwas Erdachtes, Erfundenes, Vorgestelltes“40, dann können die Evangelien darin nicht undifferenziert eingeordnet werden41. Weder die Hauptperson Jesus noch die Figur des Petrus sind fiktive Charaktere, vielmehr stehen ihre Darstellungen in einem (allerdings schwer zu bestimmenden) Verhältnis zum Leben und Wirken historischer Personen. Zudem tritt im Fall des Johannesevangeliums ganz ausdrücklich ein Wahrheitsanspruch zutage, der in dieser Deutlichkeit über andere Evangelien hinausgeht42. Andererseits kann man im Johannesevangelium durchaus textinterne Fiktionalitätssignale wiederfinden, man denke nur an Verben innerer Vorgänge und die
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Als eine der Ersten ist hier Irene DE J ONGE als Schülerin von Mieke B AL zu nennen dazu s.a. die Einführung von HARRISON in DERS. (Hg.), Texts 1–18 und der Beitrag von DE JONGE in diesem Band (93–116) sowie S CHMITZ, Literaturtheorie 73–75. 39 So die Feststellung bei FOWLER: „Viewed as a bundle of techniques, narratology fits as easily into such traditional concerns as the construction of authorial intentions (why did Vergil narrate this event before this event?) or of historical ‚reality‘ (is this detail focalized from Thycidides’ point of view or that of one of his characters?) as it does into postmodernism“, DERS., 5. Introduction, in: HARRISON (Hg.), Texts 65–69 (hier 68). 40 NÜNNING (Hg.), Literatur 201. Zu unterscheiden ist hierbei „fiktiv“ als „intentionale Umdeutung des Seinsmodus von Gegenständen und Sachverhalten“ und „Fiktionalität“ als „Relation von Äußerungen zu fiktiven Konstituenten des Kommunikationsprozesses“, so die Definition bei LANDWEHR, Text 180. 41 So beispielsweise VAN AARDE, Narrative Criticism 107. 42 Vgl. nur das Wortfeld ajlhvqeia/ajlhqhv~/ajlhqinov~ und besonders die Betonung des „wahren“ Zeugnisses u.a. Joh 19,35 und 21,24; dazu auch s.u. 7.1. Zum u.a. daraus abzuleitenden Fehlen eines „positiven Fiktionalitätskonzeptes“ KÜGLER, Jünger 60, zur Sache insgesamt 54–61.
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
Darstellung erlebter Rede, die Innensicht in Dritte und rhetorische Figuren43. Da der Wirklichkeitsbezug fiktionaler Literatur ebenso unstrittig ist wie umgekehrt die literarische Gestaltung von Historiographie, bestehend etwa in der Auswahl und Anordnung der Ereignisse, der spezifischen Perspektive des Erzählers wie der Figuren, „hat die neuere literatur- und geschichtswissenschaftliche Forschung ergeben, dass sich fiktionale und faktuale Erzählungen nicht kategorial, sondern nur graduell unterscheiden“44. Für neutestamentliche Schriften gilt – analog zur antiken Historiographie45 –, dass fiktionale Darstellungsweise im Sinne narrativer Ausgestaltung und damit Deutung, Interpretation von vorliegenden Traditionen als konstitutiver Bestandteil zu gelten hat 46. Fiktion und Wirklichkeit sind daher nicht als Gegensatzpaar aufzulösen, innerhalb dessen Fiktion „als das Nicht-Wirkliche bestimmt ist“47. Nach Wolfgang ISER stellen Fiktion und Wirklichkeit nicht ein „Seinsverhältnis“, sondern stattdessen ein „Mitteilungsverhältnis“ dar, denn trotzdem Fiktion nicht mit der Wirklichkeit gleichzusetzen ist, „teilt Fiktion uns etwas über Wirklichkeit
43
Als Beispiele wären hier Joh 2,9.17.21.24 oder 11,33 zu nennen. Eine gute Übersicht zu textinternen wie textexternen Fiktionssignalen bietet FINNERN, Narratologie 63– 70. 44 Ebd. 57, zum Ganzen 57–60. 45 Zum „legitimen“ Rahmen von Fiktionalität beispielsweise bei Aristoteles vgl. KÜGLER, Jünger 53. Ausführlich widmet sich diesem Phänomen der Band von HÄFNER /B ACKHAUS, Historiographie, besonders 1–29.67–96. Einen Überblick zur „legitimen“ Ausbildung fiktionaler Elemente bietet auch Martin HOSE, Historiographie 182– 213 bzw. zusammenfassend 206–213. Zur Verbindung von Fiktionserzählung und Geschichtserzählung auch der Hinweis von HARTENSTEIN, der Unterschied zwischen einem historischen Bericht und einer fiktiven Erzählung sei mehr graduell zu sehen, denn auch das Johannesevangelium „ist eine erzählende Darstellung von Wirklichkeit, nicht die Wirklichkeit selbst“ (HARTENSTEIN, Charakterisierung 37). 46 Eine Abwehr des fiktionalen Charakters biblischer Erzählungen findet sich nur vereinzelt, so bei B ENNEMA, Theory 378, wo er von „non-fictional biblical narratives“ spricht s.a. DERS., Encountering 13, wo er das Johannesevangelium mit Verweis auf einen zuverlässigen Erzähler (19,35; 21,24) als „non-fictional narrative“ bezeichnet. Zwar habe Joh „fictionalized“ (ebd.), doch beschränke sich dies auf das Auslassen, Hinzufügen und Umstellen von Details im Umgang mit vorliegenden Quellen. Demgegenüber ist an einer stärker perspektivisch geprägten und im Verhältnis zu etwaigen Quellen eigenständigeren Darstellung des Johannesevangeliums zu sprechen; zum eigenständigen und profilierten Umgang mit den synoptischen Evangelien vgl. dazu auch die diachronen Analysen in Kapitel 4.1. 47 Dazu grundlegend I SER, Akt 87f. s.a. DERS., Das Fiktive, besonders 18–23, wo Iser für die Überführung des üblichen Gegensatzes real – fiktiv in eine Triade von Realem, Fiktivem und Imaginärem plädiert.
3.2 Einwände gegen literaturwissenschaftlich geprägte exegetische Methoden
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mit“48, wenn auch, so muss man ergänzen, in einer ganz bestimmten Perspektive. Offen bleibt so jedoch wie bei antiker Historiographie auch das genaue Verhältnis von „Fakten“ und Fiktion in dieser „Fiktion der Darstellung des Faktischen“49, da keine Rückführung auf ein unmittelbar zugängliches Ereignis möglich ist50. D.h. wir haben es zu tun mit einer schwer zu trennenden Gemengelage aus „life and history as well as imagination and reflection … a story that is a sublime blend of historical tradition and faith“51. Das Verhältnis von narrativer Erzählung und historischem Hintergrund wird innerhalb der Vertreter narrativer Exegese gerade im Hinblick auf das Ziel einer derartigen Erzählung unterschiedlich beurteilt. Dies wird darum im folgenden Abschnitt bedacht werden müssen. 3.2.3 Einwand aus historischer Perspektive Mit einem sehr passenden Bild hat sich A. CULPEPPER u.a. von MARTYNs Modell abgesetzt, indem er das Johannesevangelium nicht als ein „Fenster“ zur Außenwelt und historischen Situation, und darin eingeschlossen der johanneischen Gemeinde sieht, sondern als einen „Spiegel“52. Die Textbedeutung liege so nicht auf der anderen Seite eines Fensters, sondern zwischen dem Spiegel des Evangeliums und dem (im Bild gesprochen) Betrachtenden. Demgemäß sei es das Ziel, dessen Wahrnehmung der realen Welt zu verändern und nicht einen Blick auf die reale Welt zu eröffnen. In Bezug darauf stellt sich allerdings die Frage, ob eine rigorose Trennung 48
ISER, Akt 88. So die treffende Bezeichnung von Gerd H ÄFNER in: DERS./B ACKHAUS, Historiographie 75ff. Wenn STIBBE, Storyteller 75 dagegen – hier in Abgrenzung von CULPEPPER und KERMODE – daran festhält, Johannes sei wie alle Evangelien „fictionalized history, not historicized fiction“, so ist mit GNIESMER, Prozeß 128–130 darauf zu verweisen, dass damit zum einen wieder ein falscher Gegensatz zwischen im Grunde Untrennbarem aufgerissen wird und zum anderen die wahre Funktion der Fiktion verkannt wird: nämlich die Annahme einer bestimmten Sichtweise hervorzurufen und nicht zu den reinen Fakten zurückzukehren. 50 B ACKHAUS/HÄFNER, Historiographie 83. 51 CULPEPPER, Anatomy 231. Gegen eine Trennung von Theologie und „history“ spricht sich ebenso Derek TOVEY aus: „we (…) may also understand the nature of the discourse as a theological eloberation upon an historical substratum.“ vgl. TOVEY, Art 39. Indem Tovey „history as narrative“ zutreffend als „the act of ordering the raw material of ‚fact‘“ beschreibt, kann er der johanneischen Erzählung von der Tempelreinigung zugestehen, dass in ihr die historische Bedeutung der Tempelreinigung für das Schicksal Jesu mit dem nachösterlichen Verständnis der Glaubenden verbunden werden. Doch geht es natürlich, so auch bei Tovey ausführlich beschrieben, nicht nur um die Anordnung von „facts“, sondern um die Darstellung aus einer spezifischen Perspektive („point of view“). 52 CULPEPPER, Anatomy 3f. 49
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
in innere Textwelt und Außenwelt nicht ebenso wenig plausibel ist wie eine vorschnelle Identifizierung53. Wie oben festgestellt bleibt zwar die Beziehung zwischen fiktionaler Darstellungsweise und „Fakten“, die wiederum immer nur als gedeutete Ereignisse vermittelbar sind, nie exakt bestimmbar. Dies zieht aber auch nach sich, dass beides nicht völlig voneinander zu trennen ist. Im Gegenteil: wenn es geradezu zur Funktion von Fiktionalität gehört, etwas über Wirklichkeit als in einer bestimmten Perspektive wahrgenommener und gedeuteter „Außenwelt“ zu sagen, dann beinhaltet auch ein fiktional gestalteter Text zumindest Elemente dieser Welt. Ebenso gilt dies (nach Culpepper selbst!) für das Ziel der Veränderung einer realen Welt, deren Bedingungen mindestens implizit vorausgesetzt werden, obwohl wir kein genaues Abbild dieser realen Welt vor uns haben. Culpeppers Betonung einer diesseits des Spiegels zu sehenden „Innen“-Seite, zu der der Betrachter, nicht aber die äußere Welt in Beziehung zu setzen ist, führt jedoch konsequent maßgebliche Anliegen im Bereich literaturwissenschaftlicher Ansätze weiter. Wie unter 2.1.1 im Rahmen von Hartwig THYENs Ansatz bereits angedeutet, neigten Erben des New Criticism oft zur nahezu dogmatischen Verteidigung der Autonomie des Textes, was sich in ausschließlich synchroner Betrachtungsweise und dementsprechendem Ausschluss textexterner und damit diachroner Aspekte äußerte. Gemäß des postulierten „intentional fallacy“ 54 zog man sich zurück auf Texte als auf sich selbst referierende literarische Artefakte. Da demgemäß auch ein realer Autor als extrinsische Größe zu behandeln ist, führte dies im Kreise selbst mancher Exegeten nicht nur zu einer Unterscheidung von implizitem und realem Autor55, sondern zur Trennung bzw. 53
Zum berechtigten Einwand THYENS gegen eine pauschale Inanspruchnahme der johanneischen Textwelt zur historischen Rekonstruktion FREY, Eschatologie I 308f. 54 Zumindest das Postulat des „intentional fallacy“ wurde jedoch bereits in der Adaption durch Vertreter des „Narrative Criticism“ wie David RHOADS zugusten der mit historisch-kritischem Anliegen gemeinsamen Frage nach einer ursprünglichen Autorenintention und daraus folgenden beabsichtigten Wirkungen des Markusevangeliums auf seine Leser wieder zurückgenommen vgl. M OORE, Literary Criticism 14. In gewisser Weise anschlussfähig für traditionell historisch-kritische Methoden sind ebenso weitere Tendenzen im literaturwissenschaftlichen Bereich, die, ausgehend vom funktionalen Sinn eines Textes und damit sich von ahistorischen Sichtweisen abkehrend, den Verweischarakter auf Kontext, Kultur etc. festhalten, vgl. der Überblick bei FINNERN, Narratologie 45f. 55 Gegen T HYEN, Noch einmal 157 (bzw. 162 Anm. 40 im Anschluss an OVERBECK) spricht die Strategie der Anonymität und damit die Verborgenheit des Verfassers nicht gegen eine große Nähe oder gar Deckungsgleichheit von Implizitem Autor und vermutlich (realem) Autorenkollektiv. Darüber hinaus sind im Rahmen biblischer Texte grundsätzlich keine großen Differenzen zu den realen Autoren zu vermuten, da die textlich greifbaren Intentionen mit denen der realen Autoren im Wesentlichen deckungsgleich gewesen sein dürften s.a. NICKLAS, Ablösung 82.
3.2 Einwände gegen literaturwissenschaftlich geprägte exegetische Methoden
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Ab-Trennung von letzterem56. Dies betrifft neben dem Verfasser naturgemäß auch Fragen nach Abfassungszeit, -ort und -anlass. Die durch CULPEPPER postulierte Funktion des Spiegels, der die Wahrnehmung und Gestaltung der realen Welt verändern will, wird bei T HYEN sogar durch die Schaffung einer dezidierten Gegenwelt erfüllt. Historische Rückfrage erscheint dann – wenn nicht als obsolet – zumindest als irrelevant (s.o. 2.1.1 die grundsätzlichen Bemerkungen zu Thyen). Dabei bleibt u.a. unberücksichtigt, dass sich beispielsweise auf der Grundlage der Abschiedsreden als hermeneutischem Schlüssel57 durchaus ein Fenster zur Situation der Adressaten öffnet – wenn auch nur einen kleinen Spalt weit und wenn auch, im Bild gesprochen, durch deutlich gefärbtes Fensterglas hindurch58. So gesteht auch CULPEPPER an manchen Stellen die Möglichkeit einer Öffnung des Fensters zur textexternen Welt zu: beispielsweise, wenn er einräumt, dass teilweise eine Charakterisierung der Narratees, d.h. der rein textinternen Adressaten als Gegenüber des Erzählers, den intendierten Adressaten und diese wiederum den realen Adressaten nahe kommen könnte; ebenso kann man aufgrund des für den Impliziten Leser vorausgesetzten Wissens auf intendierte reale Adressaten rückschließen59. Damit werden diachrone, textexterne Aspekte nicht kategorisch abgelehnt, was analog zu Wandlungen geschieht, die sich im Bereich der Literaturwissenschaft (sowohl strukturalistischer als auch 60 narratologischer Provenienz) inzwischen vollzogen haben . Demzufolge wird nach Culpepper der Synchronie der Vorrang eingeräumt, die Berechtigung der Diachronie aber nicht grundsätzlich bestritten, sondern lediglich in andere Bereiche verwiesen. Ob dies für Exegeten allerdings in dieser Einseitigkeit61 zu begründen ist, und zumal dem Charakter des Johannesevangeliums angemessen ist, bleibt zu fragen. Denn dieses zeichnet sich – verstanden als Dokument der johanneischen Schule, bzw. adressiert an die johannei56
Dem korrespondieren im Bereich der Rezeptionsforschung die unterschiedlichen Interessen von Rezeptionsgeschichte und Rezeptionsästhetik, da letztere den realen Leser ausblendet. 57 HOEGEN-ROHLS, Johannes. 58 Dieser Metaphorik bedient sich sehr treffend GNIESMER, Prozeß 130 im Anschluss und in Kritik an STIBBE. 59 CULPEPPER, Anatomy 211–223. 60 Insbesondere unter dem Einfluss der kulturellen/historischen Wende lässt sich feststellen: „Die heutige Literaturtheorie ist wieder beim ‚Dass‘ der Berücksichtigung des historischen Kontextes angelangt“, F INNERN, Narratologie 46, zur Sache 35.45f. 61 Dies gilt neben CULPEPPER ganz profiliert auch für Ulrich B USSE und Hartwig THYEN vgl. dazu den Forschungsbericht bei FREY, Grundfragen, hier im Wesentlichen die Darstellung und Bewertung 750–753. Zu einer grundsätzlichen Integration von historisch-kritischen und literaturwissenschaftlichen Ansätzen beispielsweise bei Timothy W IARDA s.u. 3.3; auch Cornelis BENNEMA (s.o. S. 40) setzt sich sowohl von der Einschätzung des Johannesevangeliums als „Fenster“ als auch als „Spiegel“ ab. Unter dem Schlagwort „historical narrative criticism“ stellt für ihn die aus dem Text zu rekonstruierende Autorenintention den Ausgangspunkt dar, wozu es nötig sei, über die Textwelt hinaus den „socio-historical context“ zu erheben (B ENNEMA, Encountering 20). Zu den Problemen seiner historischen Rekonstruktionen jedoch s.o. S. 40, insbesondere Kap. 2 Anm. 232.
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
sche Gemeinde62 – bereits von der ersten Rezeptionsstufe an durch eine deutlich erkennbare kommunikative Struktur aus. In Gestalt der im Johannesevangelium auf besondere Weise vollzogenen Horizontverschmelzung 63 sind zwei Kommunikationsebenen64 zu unterscheiden, die – als unterschiedene – doch miteinander verbunden sind, und zwar im Bild der „Verschmelzung“ untrennbar miteinander verbunden sind: Das ist zum einen die Ebene des Christusereignisses, das textintern, mit dem Konzept der Präexistenz einsetzend, dann den Weg des Inkarnierten als Jesus von Nazareth65 und Christus in johanneischer Perspektive narrativ dargestellt wird. Damit verbunden ist die textexterne Kommunikations-Ebene der Gemeinde, die per se ein historisches Phänomen66 darstellt. Zwar steht aufgrund dieser untrennbaren Verbindung jede genaue historische Rekonstruktion unter deutlichen Vorbehalten67, was jedoch kein völliges Ausklammern dieser Ebene rechtfertigen kann. Daraus folgt, dass eine Beschränkung auf textinterne Phänomene und die fehlende Berücksichtigung textexterner Elemente (in der Terminologie Culpeppers der „Außenwelt“) und damit einer der beiden konstitutiven Ebenen eine dem Untersuchungsgegenstand methodisch nicht angemessene Verkürzung darstellen würde. So wird im Folgenden das Plädoyer einer Verbindung synchroner und diachroner Analyse im Rahmen des Methodenspektrums weiter ausgeführt werden.
3.3 Chancen und Herausforderungen einer methodischen Verbindung Culpepper bezeichnet Analysen im Gefolge des Literary Criticism ausdrücklich als „challenge“ und nicht „alternative“68 zu historisch-kritischen Methoden und plädiert für eine Versöhnung von „art and history, fiction 62
So auch CULPEPPER selbst, jedoch in der Identifizierung der Johanneischen Gemeinde als Schule (DERS., Johanine School, zusammenfassend 289). Den gemeindebezogenen Kontext negieren dagegen u.a. Richard B AUCKHAM (DERS., Gospels s.a. DERS., John und weitere Beiträge in diesem Band), oder K LINK, Sheep. 63 Vgl. MUSSNER, Sehweise 14–17 im Anschluss an G ADAMER und vielfach aufgegriffen, u.a. von ONUKI, Gemeinde 12–14; HOEGEN-ROHLS, Johannes 27f., im Bild der „Verschmelzung (...) der Horizonte“ bleibt auch FREY, Eschatologie I 234. 64 Vgl. SCHNELLE, Recent Views 355f., auch FREY, Grundfragen 753 „stellt sich die Frage, ob die historischen Fragen nach der Textentstehung und – noch mehr – nach dem ursprünglichen kommunikativen Kontext wirklich so weit zurückgestellt werden können“ wie es bei THYEN und den von ihm rezipierten texttheoretischen Prämissen der Fall ist. 65 Vgl. Joh 1,45f. 66 Vgl. dazu auch aus literaturwissenschaftlicher Sicht LANDWEHR, Text 160: „Durch ihr Eingebettetsein in Situationen sind sprachliche Äußerungen historische Phänomene.“ 67 Vgl. FREY, Theologie 459f.: „Der Text bietet so eine Zusammenschau unterschiedlicher Zeit- und Sachebenen, die das Wirken des irdischen Jesus sowie Entwicklungen und Konflikte der frühen Kirche und der johanneischen Gemeindekreise bis zur Abfassung des Werks einschließt. Wie klar sich aus diesem ‚Sandwich‘ die Situation der ersten oder intendierten Leserinnen und Leser erheben lässt, ist fraglich, weil alle konkreten Hinweise von einer Ebene größerer Allgemeinheit überlagert sind.“ 68 CULPEPPER, Anatomy 5.
3.3 Chancen und Herausforderungen einer methodischen Verbindung
61
and truth“69. Dem ist grundsätzlich zu folgen, jedoch nicht ohne ausgewogenes Einbeziehen von historisch-kritischen wie literaturwissenschaftlichen bzw. speziell der Narratologie entstammenden Methoden und ihrer genauen Verhältnisbestimmung zueinander. Bei den in der Forschung vertretenen Positionen reicht das Spektrum von einer völligen Unvereinbarkeit beider methodischer Bereiche über ein beziehungsloses Nebeneinander bis hin zu Integrationsversuchen70. Einseitigkeiten vermeidend kann beispielsweise auf die Richtung verwiesen werden, die Raymond E. BROWN am Ende seiner Forschungsentwicklung eingeschlagen hat, und die – fortgeführt von Francis M OLONEY – in seiner letzten, posthum herausgegebenen Ausgabe der Johannes-Einleitung71 dokumentiert ist. So bleiben Aspekte historischer Anfrage bestehen, jedoch aufgrund einer im Fall des Johannesevangeliums durchaus berechtigten Skepsis gegenüber dem Versuch, diachrone Stufen der Textentwicklung noch feststellen zu können72. Zumal im Blick auf deren fraglichen interpretatorischen Gewinn kommt stattdessen der synchronen Analyse eine vorrangige Bedeutung zu. Dass dies diachrone Aspekte nicht nur nicht ausschließen muss, sondern um der angemessenen Interpretation des Textes willen sogar nicht ausschließen darf, muss deutlich festgehalten werden: „Auf diesem Hintergrund verlangt das Joh nach einer theologischen Interpretation, die die metaphorischen Tiefendimensionen des Textes ernst nimmt, auf seine historische Kontextualisierung und traditionsgeschichtliche Erhellung aber gerade um des Profils der Textaussage willen nicht verzichtet“73. Kann man beispielsweise davon ausgehen, dass die in den Texten vorausgesetzten Traditionen den ersten Adressatenkreisen vertraut waren, ebenso wie die historischen Rahmenbedingungen, in die hinein ein Text sprach, so gilt dies für spätere Adressaten nur in eingeschränkter Weise und bedarf somit näherer Untersuchung. Jeder Text ist im Rahmen seiner Kon-Texte zu sehen, und zwar in historischen wie literarischen Formen. Zu ihnen steht er in Kontinuität wie Diskontinuität, wofür theologische Gründe – für ein tieferes Verständnis unerlässlich – zu erheben sind. So überrascht es auch nicht, dass analog im Bereich der Literaturwissenschaften ein von Strukturalisten angenommener autonomer Status von Texten in Zweifel gezogen 69
Ebd. 237. Eine Übersicht zu diesem Spektrum bietet FINNERN, Narratologie 4–22. 71 BROWN, Introduction to John. 72 S.o. S. 50 und Kap. 3 Anm. 12. 73 Darauf verweist mit Recht FREY, Grundfragen 760 in der Auseinandersetzung mit THYEN, dazu s.a. Kap. 2 Anm. 83 die Kritik von H ALDIMANN und das Plädoyer von MOLONEY, John 20: „Traditional critical scholarship and a contemporary approach are combined to create a space where a satisfied Christian reader is born“ (s.a. BROWN, Introduction to John 39). 70
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen 74
wurde. In Gestalt der Intertextualität erwuchs derartigen Prämissen ein notwendiger wie wirksamer Protest und führte u.a. zum Konzept einer Rekontextualisierung. Ferner verweist der bereits festgestellte Charakter der Evangelien als Erzählungen, deren Charaktere in einer (wie auch immer gearteten) Beziehung zu historischen Personen stehen, auf die Notwendigkeit überlieferungs- und traditionsgeschichtlicher Nachfrage. Ein Petrusbild ist unbenommen seiner literarischen Gestaltung nicht völlig loszulösen vom Leben und Wirken eines historischen Petrus, ebenso wenig wie die Christologien der Evangelien ohne jeden Zusammenhang zum Historischen Jesus stehen – so sehr sie davon deutlich zu unterscheiden sind. Kann als Zwischenergebnis (schon aus den Erwägungen zu 3.2.3.) nicht nur die Möglichkeit75, sondern die Notwendigkeit festgehalten werden, literaturwissenschaftlich geprägte Methoden mit klassisch historischkritischen zu verbinden und damit synchrone Aspekte beider Bereiche mit diachronen, muss noch deren Verhältnisbestimmung der Methodenbereiche zueinander und die daraus folgende Wechselwirkung betrachtet werden. Um sich zunächst mit chalcedonensischer Ausdrucksweise anzunähern: Es gibt gute Gründe, von einem „ungetrennt“, aber auch „unvermischt“ auszugehen. Laut Jean ZUMSTEIN besteht „die große Gefahr für die heutigen Exegeten“ darin, „… die von der Narratologie und Semiotik angebotenen 74
Mit diesem von Julia KRISTEVA geprägten Begriff verbinden sich in der Aufnahme von Michael B ACHTIN die Prinzipien von Dialog und Ambivalenz: nach KRISTEVA stellt jedes Wort eine Verbindung von zwei Achsen dar, wobei neben der horizontalen, Text und Rezipienten verbindenden Achse insbesondere die vertikale, die einen Text mit den ihn umgebenden Texten verbindet, hervorzuheben ist (K RISTEVA, Bachtin 345–375 s.a. D IES., Word 34–61, zu Kristeva u.a. SCHMITZ, Literaturtheorie 91–99 und ALKIER, Intertextualität). Als „Texte“ gelten hierbei nicht nur geschriebene Worte, sondern auch Geschichte und Gesellschaft, wodurch die strukturalistische Engführung einer isolierten Wahrnehmung von Texten zusätzlich diachron aufgebrochen wurde. Durch Gerard G ENETTE u.a. erfolgte wiederum eine Übernahme eines nur begrenzten Intertextualitätsbegriff, d.h. bezogen auf die Relation zwischen „Texten“ im wörtlichen Sinne (GENETTE, Palimpseste 9f.). Analog zum Reader-Response-Criticism kann der Gewinn des Intertextualitätskonzeptes für die Exegese darin liegen, dass ein auf den Text an sich verengter Blick hin zu einer Interpretation von Texten in Relation zu anderen Texten geweitet wird (dazu u.a. GILLMAYR-B UCHER, Intertextuality 23.). Mit den dadurch entstehenden Umdeutungen vorausgesetzter Texte und Interpretationsspielräumen (vgl. dazu ROOSE, Thessalonicherbriefe 346; ZUMSTEIN, Evangelium 18 und DERS., Intratextualität 222), zeigen sich zugleich die Grenzen des klassischen Ziels historisch-kritischer Fragestellungen, nämlich eine ursprüngliche Absicht des Autors aufzudecken (dazu M OYISE, Intertextuality 31–34). 75 Als Vertreter eines integrativen Ansatzes wäre Timothy W IARDA zu nennen, der im Rahmen eines Kommunikations-Modells, das Autor und Leser gleichermaßen einschließt, historische Aspekte mit der Autorenintention untrennbar verbunden sieht vgl. W IARDA, Peter 4–6 (zu Wiarda s.o. 2.1.2). Zur Bezeichnung einer „integrativen Schriftauslegung“ vgl. SCHOLTISSEK, Johannes auslegen II 104 im Anschluss an MERKLEIN.
3.3 Chancen und Herausforderungen einer methodischen Verbindung
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Vorgehensweisen (…) allzuschnell mit den klassischen Methoden zu verbinden, ohne sich stets bewußt zu sein, dass diese neuen Ansätze Teil einer klar definierten Fragestellung sind und daß sie Disziplinen zugehören, deren Eigenart und Kohärenz zu respektieren sind“76. Grundsätzlich ist Zumsteins Warnung Recht zu geben, nicht wahllos zu vermischen, doch sind stattdessen Kriterien zu benennen, nach denen eine Vereinbarkeit verschiedener Methoden gegeben sein kann: Zum einen müssten die hinter einem Modell stehenden Texttheorien entweder direkt zu vereinbaren sein oder wiederum auf einer übergreifenderen Ebene in ein Konzept zu integrieren sein77. Bei Timothy WIARDA78 wird dies anhand des zugrunde gelegten Kommunikationsmodells versucht, das grundsätzlich anschlussfähig ist für historisch-kritische wie narratologisch geprägte Theoriengebäude wie davon abgeleitete Methoden. Auch von der Zielbestimmung der jeweiligen Methoden lassen sich neben dem allgemeinen Ziel von Textanalysen durchaus konkretere Schnittmengen feststellen: Beispielsweise korrespondiert dem historisch-kritisch oft sehr detailbewussten Bemühen um den Text das dem New Criticism entstammende „Close Reading“79. Um ferner einen Diskussionspunkt aus den 3.1.2 aufgeworfenen Fragen nochmals aufzunehmen: Zum Problem der Fiktionalität bemerkt Zumstein mit Verweis auf GENETTE, dass im Rahmen seines Modells „eine Erzählung immer die Existenz einer ihr vorausgehenden Geschichte voraussetzt. Deshalb eignet es sich auch besonders gut für die Analyse von ‚historischen Erzählungen‘…“80. Wenn also unter einem bestimmten Aspekt von analogen Voraussetzungen auszugehen ist, kann methodisch auch nicht von Gefahren einer unsachgemäßen Vermischung unterschiedlicher methodischer Instrumentarien ausgegangen werden. Stattdessen wäre m.E. an eine komplementäre Ergänzung zu denken: Zum einen hat sich bewährt, innerhalb der synchronen Analyse zusätzlich sprach- und literaturwissenschaftliche Erkenntnisse und Analysekriterien aufzunehmen81. Zum anderen können auch ganz eigene und neue Bereiche, z.B. aus dem der Narratologie oder dem Reader Response Criticism ergänzend hinzutreten82. Dabei müssen immer und ganz grundsätzlich – wie in heute gängigen Modellen historisch-kritischer Methoden ohnehin vorgesehen – synchrone und 76
ZUMSTEIN, Narrative Analyse 6. Zur Vereinbarkeit exegetischer Methoden vgl. FINNERN, Narratologie 19–22 und sein eigener Entwurf anhand von Mt 28 ebd. Kapitel 3. 78 S.o. Kap. 2 Anm. 140 und Kap. 3 Anm. 75. 79 Darauf verweist auch REINHARTZ, Skyscrapers 57. 80 ZUMSTEIN, Narrative Analyse 14. 81 SCHOLTISSEK, Johannes auslegen II. 104f., umgesetzt u.a. bei EBNER/HEININGER, Exegese 71–131. 82 Dazu gehören etwa der für diese Untersuchung in besonderem Maße relevante Bereich der Charakterisierung oder Strategien der Leserlenkung. 77
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
diachrone Analyseschritte sinnvollerweise ineinander greifen: So wie nur eine sorgfältige synchrone Analyse die Grundlage ggf. aufzuweisender Inkohärenzen und die daran anschließenden literarkritischen Fragestellungen zur Textgenese darstellen kann, darf im Anschluss an redaktionsgeschichtliche Überlegungen wiederum eine Gesamttextexegese nicht fehlen. Zum Verständnis aber gerade dieses Gesamt- oder Endtextes können wiederum die einschlägigen diachronen Schritte Wertvolles beitragen83. Gegenüber Zumsteins Bedenken ist dabei noch zu bemerken, dass eine Übernahme von Methoden aus einem anderen Bereich zwangsläufig auch zu Modifikationen führt: So kann eine synchrone Analyse wie sie beispielsweise THYEN vertritt – und die als solche ebenso Teil klassischer Exegese ist – großen Erkenntnisgewinn erzielen, ohne ins Extrem einer rein holistischen Sichtweise führen zu müssen 84. Umgekehrt ist unter der Prämisse eines „Primates der Synchronie“85 manchen Tendenzen rigoroser Redaktionskritik entgegen zu wirken, die Redaktion und Tradition gegeneinander ausspielte bzw. die teils sehr hypothetischen Konstrukte einer Redaktionsschicht zur wirklich relevanten Interpretationsbasis erklärte86. Wenn es weiterhin Ziel der Narratologie ist, u.a. absichtsvolle rhetorische Strategien des Textes aufzuweisen (z.B. Leerstellen, bewusste Brüche etc.), so kann dies oft dem Verständnis des Textes dienen, sollte aber nicht in ähnlich ideologischer Weise das gegenteilige Extrem zu Teilen älterer, v.a. literarkritisch arbeitender Forschung darstellen, die aufgrund vermeintlicher Inkohärenzen nicht selten „Dummheit“ des Redaktors unterstellte. Was zweifellos gezeigt werden kann, ist die pragmatische Wirkung mancher Konstellationen auf den Leser oder Hörer, unabhängig davon, ob es sich um bewusste Leser- bzw. Adressatenlenkung87 handelt oder um aus anderen Gründen sich ergebende Rezeptionsmöglichkeiten. Als wenig weiterführend sind extreme Tendenzen zu betrachten, wie sie durch den programmatischen Aufsatz-Titel „La mort de l’auteur“ des Strukturalisten Roland BARTHES88 bezeichnet werden, worin im Wesentli83
Vgl. auch DE BOER, Narrative Criticism 42: „However, it may be said that historical-critical exercises, including source- and redaction-critical reconstruction, when properly understood and applied, are not antithetical to the aim of understanding the final form of the text bit may actually serve to achieve precisely that aim.“ 84 Zu T HYEN s.o. 2.1.1, insbesondere Kap. 2 Anm. 76.79.81. 85 Vgl. T HEOBALD, Primat 161–186. 86 Zu diesem Problem s.a. SCHOLTISSEK, Johannes Auslegen I 70: „Diese der redaktionsgeschichtlichen Fragestellung inhärente Versuchung gewinnt durch die konsequent synchrone und narrative Analyse und Interpretation der Endgestalt eines Textes, wie sie die narrative Textauslegung fordert, ein geeignetes Gegengewicht.“ 87 Zur problematischen Bestimmung „bewusster“ oder „unbewusster“ Lenkung s.a. 3.4.3. zu den Markierungen bei H ELBIG/FÜGER. 88 Vgl. B ARTHES, Mort).
3.3 Chancen und Herausforderungen einer methodischen Verbindung
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chen die Leser als Sinnproduzenten an die Stelle des Autors rücken. Programme wie diese bildeten den Gegenpol zur einer oftmals übermäßig autorenzentrierten historisch-kritischen Auslegung, deren Fokus teils einseitig auf einer als ursprünglich deklarierten, aber letztlich hypothetisch bleibenden Intention des Autors lag. Stattdessen wäre darauf abzuzielen, dass Autor, Text und Rezipient in ein sinnvolles, ausgewogenes Zuordnungsverhältnis zueinander gebracht werden89. Insgesamt sind Herausforderung und Bereicherung als zwei Seiten einer Medaille zu betrachten, können sich literaturwissenschaftliche und historisch-kritische Methoden nicht nur komplementär ergänzen und befruchten90, sondern v.a. auch auf heilsame Weise vor jeweils möglichen Extremen bewahren. Dies gilt, wie bereits dargelegt für ahistorische Tendenzen in Ansätzen des Literary Criticism, die aus historisch-kritischer Sicht zu Recht zu kritisieren waren, doch bereits durch einige Weiterentwicklungen im Bereich der Literaturwissenschaft selbst überwunden wurden91. Ertönte im Gegenzug von außerhalb der Exegese in den letzten Jahren vielfach der Vorwurf einer zu großen Hypothesenhaftigkeit und (teils damit einhergehend) einer fehlenden Relevanz für die Theologie, so klang dies aus mancher exegetischer Feder ähnlich: So zeige „die historisch-kritische Arbeit in unserem zu Ende gehenden Jahrhundert, daß die Exegese sich im Übermaß dazu verleiten ließ, die Hintergründe der Texte statt diese selbst zu beschreiben (oder besser: Hintergründe der Texte zu vermuten)“92. Analog dazu wurde im Gefolge einer sozusagen „diachronen Einseitigkeit“ das Ganze des Johannesevangeliums vielfach aus dem Blick verloren (und damit der Zusammenhang von wichtigen Sinn-Abschnitten), verdrängte Literarkritik im Sinne einer mittlerweile stark zu bezweifelnden Zuteilung auf Quellen und Schichten teilweise eine sorgfältige Textanalyse des vorliegenden Korpus. Die Text-Zentriertheit der aus der Literaturwissenschaft stammenden Methoden, d.h. die Aufmerksamkeit auf den Text als Text, kann – und konnte bereits – in diesem Zusammenhang Ex-
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Vgl. dazu den instruktiven Beitrag von Helmut UTZSCHNEIDER (DERS., Text). Wie BOER, Narrative Criticism 39 zu Recht betont, gehört dieses Modell grundsätzlich zum Anliegen beider methodischer Ansätze, doch sind manche einseitigen Schwerpunktverlagerungen zuungunsten des Lesers oder zeitweise auch eine völlige Überbetonung des Autors und Unterbewertung des Textes im Laufe der Forschungsgeschichte offensichtlich zutage getreten. 90 Vgl. dazu auch das deutliche Plädoyer bei E ISEN, Poetik 27: „Die Antithese von historischer und literaturwissenschaftlicher Kritik ist zwar immer wieder zu hören, sollte aber im 21. Jahrhundert als überwunden gelten. Heute ist deutlich, dass beide Paradigmen nicht ohne einander auskommen. Im Gegenteil, sie befruchten einander.“ 91 Vgl. FINNERN, Narratologie 45f. s.o. Kap. 3 Anm. 54. 92 W EDER, Heft 1. DE
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
treme korrigieren und damit zugleich zurückführen auf ureigene Anliegen der klassischen Exegese selbst. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass es möglich und sinnvoll ist, wenn aus der Literaturwissenschaft, insbesondere der Narratologie stammende Zugangsweisen zu biblischen Erzähltexten zu den klassisch historisch-kritischen Methoden ergänzend hinzutreten, wie dies im Bereich synchroner Textanalyse ohnehin bereits teilweise erfolgt. Wichtig wird es jedoch sein, im Rahmen eines integrativen Konzeptes sinnvolle, 93 einander ergänzende Analyseschritte zu finden bzw. auszuwählen . Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung über das Petrusbild im Johannesevangelium wird der Fokus primär auf dem Feld der Charakterisierung liegen, wozu im Folgenden (3.4.) Grundfragen erörtert und ausgewählte Analyseschritte skizziert werden.
3.4 Charakterisierung: Grundfragen und ausgewählte Modelle 3.4.1 Grundfragen Im Rahmen einer Untersuchung des Petrusbildes bietet sich die Integration narratologischer Modelle und davon abgeleiteter Methoden narrativer Analyse insbesondere in Form der Charakterisierung (alternativ „Figurenanalyse“94) an95. Gemäß der Unterscheidung von C HATMAN 96 in „story“, d.h. erzählter Welt und „discourse“, womit der Erzählvorgang bezeichnet wird, gehören die Figuren zusammen mit den Ereignissen zu den Konstituenten der erzählten Welt. Auf der Ebene des Erzählvorgangs wird die Art und
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Dazu jetzt grundlegend FINNERN, Narratologie. Wird in literaturwissenschaftlichem Kontext der Terminus „Figur“ bevorzugt, geschieht dies in der Absicht, auf „intentional Gemachtes, Artifizielles“ wie auch deren funktionellen Charakter zu verweisen vgl. P FISTER, Drama 221(f.), zur Grundfrage des Verhältnisses von Figuren auf der Ebene der Textwelt und Menschen der realen Welt s.u. 3.4.1. 95 Doch auch ganz grundsätzlich stellen EBNER/HEININGER, Exegese 87 fest: „Der vielleicht wichtigste Beitrag narratologischer Theoriebildung zur Analyse neutestamentlicher bzw. biblischer und antiker Texte betrifft die Techniken zur Charakterisierung von Personen“. Zu dieser Wertschätzung seitens einiger Exegeten steht der Befund im Widerspruch, „dass die Figuren in der Debatte oft nur am Rande oder gar nicht behandelt wurden“ (EISEN, Poetik 131f. dazu auch LUDWIG, Figur 106; CULPEPPER, Anatomy 101; B ACHORZ, Analyse 51; und F INNERN, Narratologie 126). J ANNIDIS, Figur 4f. konstatiert zwar eine gewisse Trendwende, allerdings nur mit dem Hinweis auf wenige Werke (Anm. 11). 96 S.o. 3.1. 94
3.4 Charakterisierung: Grundfragen und ausgewählte Modelle
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Weise der Charakterisierung geklärt, ob sie direkt oder indirekt, durch den Erzähler oder andere Figuren erfolgt97. Manche der unter 2.1 angesprochenen grundlegenden Fragestellungen entsprechen naturgemäß denen des speziellen Gebietes der Charakterisierung. Auch hier ist zunächst eine Verhältnisbestimmung biblischer Exegese zu den Nachbardisziplinen, d.h. klassischer Philologie und moderner Literaturwissenschaft gefordert, was wiederum eng mit dem Charakter der Evangelientexte und insbesondere der Gattungsfrage zusammenhängt. Von der älteren Formgeschichte (u.a. Dibelius) als „Kleinliteratur“ und anonyme Sammlungen eingestuft, wurde den Evangelien damit eigenständiger Gestaltungswille und zugleich auch jedes biographische Interesse abgesprochen. Diese Einschätzung trifft sich mit der Beobachtung, dass antike Texte überwiegend eine Charakterisierung der Figuren als Typos oder Repräsentant eines Kollektivs aufweisen98. Doch lässt sich dies nicht uneingeschränkt so feststellen: Zum einen können im Bereich von Theater und Bildender Kunst ebenso Ansätze eines Interesses am Individuum aufgewiesen werden wie zum anderen innerhalb von Texten eine zeitweise stärker charakterisierende Ausgestaltung einer Figur möglich ist99. Dies deckt sich wiederum mit dem Bild der Evangelien, als deren „main character“ die Jesus-Figur zu gelten hat, während die anderen in sich abgestuft als Nebencharaktere mit der in der Antike üblicheren indirekten Charakterisierung100 gezeichnet werden. Doch auch im Bereich der Nebencharaktere gewinnen manche Figuren zeitweise an hervorgehobenem Profil, was besonders auffallend und besonders zahlreich im Johannesevangelium zu beobachten ist. Von Interesse, insbesondere in Bezug auf die Petrusfigur, sind in diesem Zusammenhang auch mögliche Entwicklungen eines Charakters im Durchgang der „story“ und deren Bezug zum Plot. Diese genannte Beziehung der Charaktere zur Handlung („Plot“) stellt hierbei eine der Grundfragen im Bereich der Charakterisierung dar101: In der Regel werden die Charaktere dem Plot untergeordnet, da Letzterer ja grundsätzlich als leitendes und ordnendes Prinzip der Erzählung gilt. Jedoch kann umgekehrt ebenso den Charakteren eine strukturierende Funktion zuerkannt werden102, insbesondere wenn sie als Handlungsträger einen wichtigen Beitrag zur Plot-Entwicklung leisten 103. So ist mit RIMMON97
S.u. 3.4.2. (3) zu Shlomith R IMMON-KENAN und Manfred P FISTER. Vgl. dazu B URNETT, Characterization 6. 99 Vgl. ebd. 6–15. 100 Zur Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Charakterisierung nach Shlomith R IMMON-KENAN s.u. 3.4.2. (3). 101 Vgl. die Übersicht bei LUDWIG, Figur 118–125. 102 So z.B. durch FERRARA, Theory 252f. 103 Noch weiter geht CHATMAN in seiner Auffassung der Charaktere als „autonomous beings“ (DERS., Story 119 u.ö.) und „Paradigm of Traits“ (ebd. 126–131), wobei man auf 98
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
KENAN jede grundsätzliche Alternative abzulehnen, vielmehr ergibt sich das Verhältnis von Plot und Charakteren aus der Gattung bzw. dem Charakter des Textes, der als ein komplexes Gefüge mit jeweils verschiedenen Fokussierungen anzusehen ist104. Ein bereits im Kontext der Fiktionalitätsproblematik erörterter Diskussionspunkt bildet den Hintergrund dafür, wenn die Beziehung der Charaktere im Text zu Menschen in der realen Welt sehr unterschiedlich bestimmt wird. So steht einer mimetisch-realistischen Theorie, die die Charaktere als Imitation realer Personen ansieht, die semiotisch-puristische gegenüber, im Rahmen derer Charaktere als reines Konstrukt105 gelten, in vollkommener Abhängigkeit von ihrem literarischen Kontext106. Doch ist hier zu bedenken, dass sich Charakterzüge (C HATMAN: „traits“) nicht nur als textliche Indikatoren im Durchgang der „story“ aufweisen lassen, sondern zugleich auch Konstrukt des Lesers sind – teils auch aus ergänztem außertextlichem Wissen107, das so einen wichtigen Beitrag zum Bild der erzählten Welt im Bewusstsein des Adressaten leistet108. Bezogen auf die CHATMAN’sche Unterscheidung von „story“ und „discourse“ besagt dementsprechend eine vermittelnde Position bei RIMMON-KENAN109, dass die Charaktere auf der Ebene des Diskurses puristisch als reine Konstrukte, auf der Ebene der Geschichte aber in ihrer Rezeption durch den Leser eine gewisse Unabhängigkeit und realistische Modellierung gewinnen. Jedoch bleibt in diesem Fall die Geschichte vom Diskurs als Konstrukt abhängig, eine der Darstellung im Diskurs möglicherweise vorliegende „historische“ Geschichte über historische Personen ist hier ebenso wenig im Blick. Evident und hilfreich scheint mir jedoch das Drei-Welten-Modell von Kari SYREENI110, das zwischen „character“ (Text-Welt), „symbol“ (Symboldie Schwierigkeit stößt, dass neutestamentliche Charaktere neben Jesus in der Regel eher schwach, in jedem Fall hauptsächlich indirekt charakterisiert werden (s.o. Kap. 3 Anm. 98), vgl. auch die berechtigte Kritik von CULPEPPER, Anatomy 102. 104 R IMMON-KENAN, Narrative Fiction 36. 105 In diesem Sinne ist u.a. der Vorwurf von J ANNIDIS, Figur 162 an CHATMAN zu verstehen, dieser behandle Charaktere wie reale Personen. J ANNIDIS selbst vertritt mit seinem Modell jedoch eine Art Mittelposition, die den Beitrag lebensweltlichen Wissens und so außertextlicher Komponenten mit einbezieht. 106 Zu diesen gegensätzlichen Theorien vgl. u.a. RIMMON-KENAN, Narrative Fiction 31–34. Einen knappen Überblick bieten auch u.a. BURNETT, Characterization 4–6, TOLMIE, Narratology 39f. 107 Vgl. auch CHATMAN, Story 125: „The audience relies upon its knowledge of the trait-code in the real world“. 108 Zu dieser Mittelposition im Zuge des sogenannten „Cognitive Turn“ FINNERN, Narratologie 36–45. 109 R IMMON-KENAN, Narrative Fiction 33. 110 Dazu SYREENI, Characterization 172–180, zu Petrus 175f. und angewendet bei D IES., Peter 106–152.
3.4 Charakterisierung: Grundfragen und ausgewählte Modelle
69
Welt) und „person“ (konkrete Welt) unterscheidet, allerdings auch den Beziehungen zwischen diesen Größen Beachtung schenkt. Für CULPEPPER bleibt die Frage nach realen oder fiktionalen Figuren unerheblich, denn auch eine historische Person „has to pass through the mind of the author before it can be described“111. Die Charaktere des Johannesevangeliums repräsentieren für ihn die Bandbreite an möglichen Reaktionen auf Jesus als dem „main character“. Petrus als der nach Jesus komplexeste Charakter erhält so seine Bedeutung und Funktion als Identifizierungsangebot an die Leser. Zwar bleibt der Lieblingsjünger der paradigmatisch Glaubende, im Vergleich zu Petrus erscheint jener aber – wohl absichtlich112 – weniger realistisch und greifbar. Aufgrund des im 1. Kapitel umrissenen Textbestandes wird der Konstellation dieser beiden Figuren im besonderen Maße Aufmerksamkeit zukommen. 3.4.2 Ausgewählte Analyseschritte im Blick auf ihre mögliche Anwendung in der Exegese Entsprechend der zahlreichen in der Literaturwissenschaft vertretenen Modelle zur Charakterisierung variieren natürlich ebenso die sich auf diese beziehenden Vorgehensweisen im Bereich der Exegese. So werden nun diejenigen Ansätze herausgegriffen, deren Anwendung sich im Rahmen der Analyse neutestamentlicher Texte als hilfreich erweisen kann. (1) Figur(en) und Plot Die unter 3.4.1 beschriebene unterschiedlich akzentuierte Verhältnisbestimmung von Charakteren und Handlung (Plot) wird in jedem Fall für eine tragfähige Interpretation vonnöten sein. In der Bestimmung des johanneischen „Plot“ wird hier der vielfach rezipierte Ansatz von C ULPEPPER vorausgesetzt, demzufolge sich „Plot“-Entwicklung als Erkenntnis (oder auch fehlende Erkenntnis) der Identität Jesu darstellt113. Da die Christologie als Zentralpunkt johanneischer Theologie insgesamt zu gelten hat, ist zu fragen, in welcher Beziehung eine Figurendarstellung zum Darstellungsinteresse johanneischer Theologie und besonders johanneischer Christologie steht. Inwieweit ein dargestellter Charakter abhängig vom Plot ist oder umgekehrt Einfluss auf die Plot-Entwicklung ausübt, ist dabei 111
CULPEPPER, Anatomy 105. Denn am greifbarsten kann der Lieblingsjünger erst in 21,24 werden und als hinter dem Johannesevangelium stehende Autorität kann er nicht in der gleichen Weise als handelnde Figur gezeichnet werden wie Petrus. 113 CULPEPPER, Anatomy 86–89. Ähnlich formuliert Jean ZUMSTEIN, wenn er den johanneischen Plot als „Konflikt zwischen Glaube und Unglaube“ bezeichnet, so DERS., Strategie 33 (kursiv J.Z.). 112
70
Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
zugleich als ein Zeichen für den Grad der Charakterisierung zu werten (s.u.). Aus der Vielzahl an Modellen zur Funktionsbestimmung von Figuren im Rahmen der Handlung wird das am meisten rezipierte114 Aktantenmodell des französischen Strukturalisten Algirdas Julien GREIMAS115 exemplarisch herausgegriffen: Im Anschluss an den russischen Strukturalisten Vladimir P ROPP, der die Figuren der Handlung klar unterordnete, reduzierte Greimas jedoch dessen 31 anhand von Märchen bestimmte Funktionen auf drei Aktanten-Paare: (1) dem Subjekt als Hauptperson wird das gesuchte/begehrte Objekt zugeordnet, (2) dem Adressanten entspricht der Adressat meist eines Auftrages, wobei dieser in der Regel dem Subjekt entspricht und (3) einer helfenden wird eine opponierende Funktion entgegen gesetzt. Adressant/Sender (2)
Objekt (1)
Adressat/Empfänger (2)
sucht/ begehrt
Adjuvant (3)
Subjekt (1)
Opponent (3)
Die Aktanten sind hierbei nicht auf eine Figur und auch nicht auf menschliche Personen an sich beschränkt, im Vordergrund steht einzig die Funktion im Rahmen der Handlung. Doch gilt hier der bereits erwähnte Vorbehalt (s.o. S. 545), dass Modelle und Schemata nicht automatisch auf alle Texte anwendbar sind, bei der Untersuchung biblischer Texte also ggf. auch Modifikationen vorzunehmen sind116. Bezüglich des Verhältnisses der Figurendarstellung zum Plot sollte ferner sowohl zu Beginn als auch nach einer ausführlicheren Untersuchung die Stellung einer Szene im Rahmen des gesamten Handlungsablaufs bzw. die Beziehung zu anderen Szenen wie auch ihr spezifisches Setting festgestellt werden, da davon ausgehend häufig Wechselbeziehungen zu den Charakteren bestehen. 114
Dies zeigt sich auch in der Aufnahme des Aktantenmodells in neutestamentlichen Methodenbüchern bei E GGER, Methodenlehre 125 und EBNER/HEININGER 78f. 115 Vgl. GREIMAS, Semantik 157–177. Vgl. auch LUDWIG, Figur 134–137 und sehr übersichtlich B ACHORZ, Analyse 54–56. 116 Vgl. auch die Kritik von CORNILS, Geist 64: „Das Unbefriedigende an diesem Modell ist der Umstand, dass in nicht stark schematisierten Texten zahlreiche Figuren zu finden sind, die sich nur mit Gewalt in eine der Greimasschen Kategorien einordnen lassen“. Von der Exegese effektiv rezipiert werden konnte dagegen GREIMAS semiotisches Viereck s.u. 4.1.3.1.
3.4 Charakterisierung: Grundfragen und ausgewählte Modelle
71
(2) Figurenbestand und Figurenkonstellation117 In einem nächsten Schritt sind Figurenbestand bzw. Figurenkonstellationen zu betrachten, das bedeutet konkret: a) quantitativ werden die Zahl der Figuren und Textanteile einer Figur im Verhältnis zu anderen untersucht und b) qualitativ sind beispielsweise Kontrast-/Korrespondenz-Paare118, Dreieckskonstellationen und Gruppen inklusive deren gruppenspezifische Kriterien zu erheben. Insgesamt ist ganz allgemein das Verhältnis der Figuren zueinander zu bestimmen und ist etwa auf mögliche Hierarchisierungen oder Repräsentationsfiguren zu achten. (3) Figurendarstellung Im Kreise der Narratologen hat Shlomith RIMMON-KENAN119 wohl am meisten zum Thema der Charakterisierung beigetragen, hier soll insbesondere ihre Grundunterscheidung in direkte und indirekte Charakterisierung aufgegriffen werden. Die direkte Charakterisierung kann am meisten Autorität beanspruchen und ist erkennbar an Erzähler- oder Figurenkommentaren (d.h. nach Manfred P FISTER „figurale“ und „auktoriale“ Information, die zudem explizit oder implizit erfolgen kann)120. Mit indirekter Charakterisierung sind Handlungen, Reden anderer Figuren und äußere Erscheinungen121 gemeint. Als konkrete Analysekategorien von Figurenmerkmalen kommen neben den genannten Handlungen in Frage: die Beschreibungen von Charakterzügen, äußeren Merkmalen und sozialem Kontext, von inneren Vorgängen und Emotionen, Positionen und Motiven der Figur(en) usw122. Dazu kann die Quantität, d.h. die Textlänge, innerhalb derer ein Charakter beschrieben wird, wie auch die Frequenz, also die Häufigkeit dieser Nennungen Erhebliches zur Einordnung eines Charakters beitragen123. 117
Vgl. B ACHORZ, Analyse 56f. Kontrastierung kann sich natürlich auch auf das Verhältnis von ganzen Figurengruppen beziehen, wie es beispielsweise im Fall der Jünger und „Juden“ ist, vgl. N ICKLAS, Ablösung, 397f. Dazu s.a die Analyse von Joh 6 s.u. 4.1.2.1.; zu GREIMAS vgl. LUDWIG, Figur 134–137 und sehr übersichtlich B ACHORZ, Analyse 54–56. 119 R IMMON-KENAN, Narrative Fiction 59f. Vgl. auch B ACHORZ, Analyse 60f.; F INNERN, Narratologie 152f. 120 P FISTER, Drama 250–264. 121 NICKLAS weist zu Recht daraufhin, dass es zur Eigenart biblischer Literatur gehört, in diesem Bereich äußerst sparsam äußere Beschreibung aufzuweisen, vgl. DERS., Ablösung 395, was den genannten Details teils ein umso größeres Gewicht und im Rahmen johanneischer Erzählkunst vielfach symbolische Bedeutung verleiht. 122 Eine detaillierte Beschreibung und Verhältnisbestimmung möglicher Figurenmerkmale findet sich u.a. bei FINNERN, Narratologie 134–148. 123 Vgl. FINNERN, Narratologie 154. 118
72
Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
(4) Figurenkonzeption Im Anschluss an das Modell von Edward FORSTER wird die Figurenkonzeption anhand des Kriteriums der Komplexität eines Charakters untersucht. Hier sind jedoch weitere Modifizierungen notwendig, da die Bezeichnungen „round“ (im Sinne von mehrdimensional, dynamisch, komplex) und „flat“ (im Sinne von eindimensional, statisch) den meist vorhandenen komplexeren Charakter-Strukturen nicht gerecht werden. So fand FORSTER auch Nachfolger, u.a. Adele BERLIN, Manfred PFISTER und William J. HARVEY, die weitere Kategorien124 einführten. Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang das Modell von Joseph EWEN125, der die Intensität der Charakterisierung als Punkte entlang von drei gedachten Kontinuums-Skalen (für Komplexität, Entwicklung und Einblick in das Innere einer Figur) darstellt, was weiteren Differenzierungen wie eben v.a. auch Entwicklungen Ausdruck verleiht und so als hilfreiche Weiterführung anzusehen ist. (5) Wirkung auf den Leser Abschließend wäre der Text in Aufnahme entsprechender Erkenntnisse des Reader-Response-Criticism (s.o. 3.1) im Hinblick auf dessen mögliche Wirkung auf Leser bzw. Adressaten hin zu untersuchen. Dazu gilt es, Textsignalen nachzugehen, die die Adressaten in besonderer Weise einbeziehen: so beispielsweise durch doppeldeutige Aussagen und Leerstellen oder auch durch Erzähler- und Figurenkommentare, die Identifizierung wie Distanzierung bewirken. 3.4.3 Zum weiteren Vorgehen: synchrone und diachrone Analyse Im Zuge der Diskussion der unterschiedlichen methodischen Zugänge (s.o. 3.1–3.3) ist eine Verbindung von synchronen und diachronen Herange124
Das Spektrum erweiterte u.a. William HARVEY durch Differenzierungen in „background-figure“ mit rein funktionaler Bedeutung für den Plot, „cards/ficelles“ mit einem mittleren Grad an Komplexität und mit großer Komplexität ausgebildete „protagonists“ (vgl. HARVEY, Character 52–73). Auf Manfred P FISTER gehen etwa die Kategorien statisch – dynamisch, eindimensional – mehrdimensional, geschlossen – offen und transpsychologisch – psychologisch zurück, vgl. P FISTER, Drama 241–249 s.a. B ACHORZ, Analyse 58f. und LUDWIG, Figur 142f. 125 EWEN, Theory s.a. RIMMON-KENAN, Narrative Fiction 40–42. vgl. P FISTER, Drama 241–249 s.a. B ACHORZ, Analyse 58f. und LUDWIG, Figur 142f. Neuerdings ist EWENs Modell u.a. von Cornelis BENNEMA (s.o. S. 3939) aufgegriffen worden, der dessen leitende Kriterien „complexity“, „development“ und „penetration into the inner life“ für den jeweiligen Grad an Charakterisierung in den Vordergrund stellt und von einer üblichen Klassifizierung nach typisierenden Antworten unterscheidet (B ENNEMA, Encountering 14.203–207).
3.4 Charakterisierung: Grundfragen und ausgewählte Modelle
73
hensweisen als notwendig erwiesen worden. Von der grundsätzlichen Fragestellung nach dem johanneischen Petrusbild und seiner theologischen Funktion her wird der Schwerpunkt jedoch auf der synchronen, durch narratologische Modelle ergänzten Analyse liegen. Ebenso steht die diachrone Analyse primär unter dem Gesichtspunkt, das Profil der johanneischen Darstellung herauszuarbeiten. Deshalb wird hier das Hauptaugenmerk auf dem Verhältnis zu synoptischen Vergleichstexten liegen, was allerdings nur einen wichtigen Teilbereich diachroner Analyseschritte darstellt. Die in Kapitel 4 anschließenden Analysen werden daher folgendem Aufbau folgen: Ungeachtet der grundsätzlichen Zusammengehörigkeit von synchroner und diachroner Analyse sollen die Petrus-Szenen zunächst bewusst nur im Rahmen des Johannesevangeliums – d.h. auf synchroner Ebene – interpretiert werden. Nur so können etwa Feinstrukturen innerhalb eines Abschnittes wie intratextuelle Verbindungslinien und ggf. weitflächigere innerjohanneische Strukturen oder Entwicklungslinien in ihrer Eigenart angemessen in den Blick kommen, wobei narratologische, d.h. auf den vorliegenden Text abgestimmte Analyseschritte zur Anwendung kommen. Sinnvoll erscheint diese methodische Vorgehensweise aus einem weiteren Grund: Ausgehend von den für eine Betrachtung der Petrusfigur relevanten Abschnitten kann in einem zweiten Schritt danach gefragt werden, wie plausibel und wie ertragreich sich die Annahme einer Beziehung zu den synoptischen Texten darstellt. Je mehr beispielsweise der Vergleich mit möglichen synoptischen Prätexten das synchron erhobene, spezifisch Johanneinsche Darstellungsinteresse noch deutlicher hervortreten lässt, desto wahrscheinlicher wird eine Kenntnis und die Voraussetzung dieser Texte sein. Dabei kann es im Rahmen dieser Arbeit nicht darum gehen, sich außerhalb der zu besprechenden Textabschnitte an den umfassenden und komplexen Diskussionen um das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern zu beteiligen126, sondern lediglich – ausgehend von diesem eingegrenzten Bereich – einen Beitrag zu möglichen bzw. anzunehmenden Bezügen zu leisten. Im Rahmen der in der Forschung vertretenen Modelle, d.h. der mittlerweile stark in Frage gestellten Unabhängigkeitshypothese einerseits und der Kenntnis synoptischer Evangelien durch Johannes127 bzw. der johan-
126
Einen Überblick über die Forschungslage in ihrer Genese wie aus aktueller Perspektive bieten u.a. FREY, Evangelium und LABAHN/LANG, Johannes 443–516; vgl. auch die Hinweise bei SCHOLTISSEK, Johannes auslegen I 53 bzw. Johannes auslegen III 127. 127 Eine Variante dazu bildet das von Michael LABAHN vertretene Modell der „secondary orality“, das die weitgehend fehlenden wörtlichen Übereinstimmungen zwi-
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
neischen Redaktion oder der Berührung auf der Ebene vorjohanneischer Traditionen andererseits, wird im Rahmen dieser Untersuchung von der Arbeitshypothese ausgegangen, dass eine Kenntnis synoptischer Evangelien durch Autor(en) wie mögliche Redaktor(en) grundsätzlich als plausibel anzunehmen ist. Allerdings fällt der Befund bezüglich inhaltlicher Übereinstimmungen 128 in Relation zum gesamten Evangelium relativ gering aus , wobei kaum wörtliche Übereinstimmungen eine literarische Vorlage der synoptischen Evangelien stützen. In Anbetracht dessen wäre ebenso die Kenntnis mündlicher oder schriftlicher, den abgeschlossenen Evangelienschriften vorausliegender Traditionen denkbar129. Dennoch sprechen sowohl historische wie literarische Argumente für eine Kenntnis mindestens des Markus- und des Lukasevangeliums im Ganzen. So ist aus historischer Sicht vorzubringen, dass Kontakt und Austausch unter den zumindest größeren Gemeinden aufgrund von antiken Reisegewohnheiten und Botentätigkeiten130 anzunehmen sind. Aufgrund dessen „stellt sich die Frage, ob es historisch plausibel ist, eine solche Kenntnis für den Evangelisten auszuschließen“131. Diese Annahme einer Kenntnis lässt sich bereits im Blick auf die Gattung „Evangelium“ erhärten, die Johannes übernimmt – und wohl kaum neu 132 kreiert haben wird . In literarischer Hinsicht werden zwar vorwiegend in Joh 21 Berührungen mit synoptischer Tradition wahrgenommen133, doch können ebenso im Bereich von Joh 1–20 inhaltliche wie strukturelle Parallelen mit dem Markus- und Lukasevangelium geltend gemacht werden. Insbesondere letztere, also analoge Abfolgen von Textpassagen legen nahe, dass die entsprechenden synoptischen Texte vorausgesetzt wurden. Signifikant sind hier insbe134 sondere die Parallelen in Joh 6 im Vergleich zu Mk 6 und 8 :
schen den Evangelienschriften anhand der Vermittlung durch mündliche Weiterentwicklungen erklärt, vgl. LABAHN, Lebensspender 195(ff). 128 Wesentlichen Passagen sind u.a. erwähnt bei FREY, Evangelium 83–85. 129 Dies entspricht u.a. der Position von Anton DAUER (DERS., Passionsgeschichte). 130 Dazu u.a. HENGEL, Frage 208; DIETZFELBINGER I 11. 131 FREY, Evangelium 81. 132 SCHNELLE, Synoptiker 1801–1805, der mit der zentralen Rolle Jesu als Subjekt sowie „Kreuz und Auferstehung als Fluchtpunkte“ (ebd. 1804) die mit der Gattung „Evangelium“ bereits bei Markus verknüpften Konstituenten benennt, die in analoger Weise das Johannesevangelium prägen. 133 So bereits B ULTMANN, der dies zum Kennzeichen der sogenannten „kirchlichen Redaktion“ erhob (s.o. 2.1.1), wobei die Kenntnis zumindest synoptischer Tradition in Joh 21 einem gewissen Common Sense entspricht. 134 S.u. 4.1.6.2. Eine Aufstellung findet sich bei KIEFFER, Jean 113f. und SCHNELLE, Synoptiker 1805, eine ausführlichere Diskussion bei VOUGA, Évangile 261–279.
3.4 Charakterisierung: Grundfragen und ausgewählte Modelle
Mk 6–8
Joh 6
Speisung Mk 6,32–44
Speisung Joh 6,1–13
Seewandel Mk 6,45–52
Seewandel Joh 6,16–21
Zeichenforderung Mk 8,11–13
zeichenhafte Dimension des Brotes
75
Joh 6,26 Frage nach der Identität Jesu Mk 8,27f. christologische Dimension der Brotrede, fokussiert in „Ich-Bin“-Worten Joh 6,20.35.48 Jesus als Prophet (Menge) Joh 6,14 irdische Herkunft Jesu (Menge)
irdische Herkunft Jesu (Juden)
Mk 8,28
Joh 6,42
Petrus-Bekenntnis Mk 8,29
Petrus-Bekenntnis Joh 6,68f.
Evident werden literarisch zu erwägende Zusammenhänge besonders dann, wenn Modifikationen synoptischer Traditionen im Sinne einer theologischen Umformung bzw. Korrektur plausibel gemacht werden können. Was sich hier bereits anhand der Umformung der Zeichenforderung Mk 8,11–13 hin zur Forderung nach einem zeichenhaften Verständnis des Brotwunders 135 in Joh 6,26 an theologischer Korrektur nahe legt , lässt sich in analoger Weise exemplarisch für die johanneische Darstellung des Täufers aufzeigen: Zeugt das johanneische Täufer-Bild zunächst primär von signifikanten Differenzen, insbesondere Auslassungen gegenüber den synoptischen Dar136 stellungen , so ließe sich daraus im Sinne eines argumentum e silentio noch keine tragfähige Argumentation für eine literarische Beziehung gewinnen. Doch im Zusammenhang mit deutlichen Entsprechungen mit den Synoptikern einerseits und im Kontext johanneischer Theologie sich nahe legenden Korrekturen andererseits lassen sich Gemeinsamkeiten wie Diffe137 renzen plausibel erklären : so bedingt beispielsweise die johanneische Stilisierung als Christuszeuge den Wegfall der Täufer-Frage, die Identifizierung mit Elia und den explizit geschilderten Tauf-Akt. Die Worte 135
Dazu auch VOUGA, Évangile 266f. 272.275.277. FREY, Evangelium 93–95 führt als „Aussparungen“ besonders die Bußpredigt, die explizite Darstellung der Taufe Jesu, die Täufer-Frage und die Identifikation mit Elia an. 137 Im Folgenden FREY, Evangelium 95–100. 136
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
Mk 1,7f. bleiben strukturell wie inhaltlich bestimmend; der Wegfall etwa von oJ ijscurovterov~ mou V.7 erklärt sich hingegen dadurch, dass aus christologisch-soteriologischen Gründen jeder Vergleich mit Jesus als dem Offenbarer obsolet wird. Aus eben diesen Gründen erfolgt wiederum die Hinzufügung des zentralen christologischen Hoheitstitels oJ ajmno;~ tou' qeou' V.29, 36. Christologisch bedingte Reinterpretationen bei gleichzeitigen inhaltlichen wie strukturellen Analogien finden sich aus guten Gründen insbeson138 dere im Rahmen der johanneischen Darstellung der Passionsereignisse . Doch lassen sich Verbindungslinien struktureller wie inhaltlicher Art 139 auch zu lukanischen Passionstexten ziehen , so beispielsweise von Lk 22 zu Joh 21: Lk 22
Joh 21
Mahlszene V.14–23
Mahl-Szenarium V.9.13
Rangstreit der Jünger V.24– Vergleich Petrus – andere Jünger V.15140 30 Verleugnung des Petrus V.34 Anklänge an die Verleugnung V.15–17
Thema der Nachfolge V.35–38
Nachfolge von Petrus und Lieblingsjünger V.18f.20–22
Werden hier mit der Figur des Lieblingsjüngers spezifisch johanneische 141 Akzente gesetzt , so finden sich im Vergleich der beiden Versionen der Fischfang-Erzählung Lk 5,1–11 und Joh 21,1–14 direkte, theologisch be142 dingte Korrekturen : exemplarisch sei hier das gegen Lk 5,4–6 dezidiert nicht reißende eine Netz (Lk 5,2.7 ist von zwei Booten die Rede erwähnt), 138
Dazu u.a. SCHNELLE, Synoptiker 1805–1813; SABBE, Denial und DERS., Arrest (s.u. 4.1.4.2). Zur Reintepretation der markinischen Gethsemane-Perikope im Johannesevangelium FREY, Evangelium 86–93. 139 Zu Johannes und Lukas vgl. u.a. BUSSE, Johannes und Markus und im Kommentar DERS., Johannesevangelium jeweils z.St.; D AUER, Passionsgeschichte 53–60.97–99.147– 153.218–220 geht anhand der Beziehung von redaktionellen Lukas-Passagen und Stellen aus dem johanneischen Passionsbericht davon aus, dass das Lukasevangelium einer vorjohanneischen Quelle bekannt war; zu weiteren Stellen vgl. auch DERS., Johannes, zusammenfassend 297f. Zur Kritik an der Annahme einer vorjohanneischen Quelle aber u.a. THYEN, Johannesevangelium 707 und FREY, Evangelium 76–78.; s.a. Kap. 4 Anm. 220. 140 Zu Jesu Frage ajgapa'/~ me plevon touvtwnÉ s.u. 4.1.6.1. 141 Dazu ausführlich s.u. 4.1.6, Kap. 6 und 7. 142 S.u. 4.1.6.2.
3.4 Charakterisierung: Grundfragen und ausgewählte Modelle
77
das in Verbindung mit der Vollzahl 153 (V.11) zum wichtigen Symbol der Einheit wird. Während eine Kenntnis des Markus-, und wohl auch des Lukasevangeliums folglich anzunehmen ist, wird man bezüglich des Matthäusevangeliums vorsichtiger sein müssen143. Die These, Johannes habe Matthäus gekannt, aber weitgehend ignoriert144, kann in historischer Hinsicht, zumal aufgrund der vermutlich nicht weit voneinander entfernten Entstehungszeit einige Plausibilität für sich beanspruchen. Auch wäre es aus dem johannei145 schen Selbstverständnis und Selbstbewusstsein heraus durchaus denkbar, dass der Mt 9,9 hinzugefügte Name des Matthäus aus den synoptischen Jüngerlisten (Mt 10,3 vgl. Mk 3,18; Lk 6,15) von Johannes bewusst über146 gangen wurde. Doch abgesehen vom ebenfalls übergangenen, bei Matthäus geschätzten Gottessohn-Titel – wofür andere christologische Gründe verantwortlich sein könnten –, handelt es sich hier um ein argumentum e silcentio. Konkret anhand der Texte lässt sich hier also kaum etwas sicher 147 belegen , zumal aufgrund der äußerst geringen sprachlichen Übereinstimmungen und aufgrund ebenso fehlender, von Markus unabhängiger struktureller oder inhaltlicher Parallelen. Darum scheint die Text-Basis insgesamt zu dünn, um mit Sicherheit davon ausgehen zu können. Als methodisches Grundproblem ist hier die m.E. grundsätzlich schwierige Frage nach tragfähigen Kriterien148 einer textuellen Verbindung zu stellen. Da damit zu rechnen ist, dass sich die Art und Weise der Verarbeitung eines vorausgesetzten Textes grundlegend unterscheiden kann – die Benutzung von Markus in Matthäus und Lukas im Rahmen des Zweiquellenmodells also nicht als allgemeingültiger Maßstab anzusehen ist – sind möglicherweise auch je nach Art des Textes andere Kriterien anzulegen. In hermeneutischer Hinsicht ist zu unterscheiden zwischen einer angenommenen Kenntnis der Synoptiker oder synoptischer Traditionen durch den Evangelisten und/oder der Redaktion(en) und der Frage, ob dies auch 143
Zu den wenigen Befürwortern einer Kenntnis und Verarbeitung des Matthäusevangeliums gehören Thomas L. BRODIE (s.u. S. 292f., zur Verarbeitung des Matthäus in Johannes DERS., Quest 101–115), Maurits SABBE (u.a. DERS., Arrest), Frans NEIRYNCK (DERS., Synoptics 16–35) und prominent Hartwig T HYEN, so aktuell in seiner Kommentareinleitung: DERS., Johannesevangelium 4; s.a. in früheren Schriften, beispielsweise DERS., Erzählung oder DERS., Synoptiker 89.95f. u.ö. 144 Diese Überlegung findet sich bei HENGEL, Frage 208. 145 S.u. Kapitel 7. 146 HENGEL, Frage 83f. 147 Zu Mt 16,16–18 als Hintergrund zu Joh 1,42 oder Mt 28,17–20 zu Joh 21 s.u. 4.1.1.2 und 4.1.6.2. 148 Zur Kriterienfrage vgl. FREY, Evangelium 79f. oder BRODIE/MCDONALD/P ORTER: Conclusion, 291–296.
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Kapitel 3: Methodologische Erwägungen
für die intendierten Adressaten des Evangeliums vorauszusetzen ist149. Die bereits benannten historischen Gründe (s.o.), die für eine Kenntnis synoptischer Evangelien beim Johannesevangelist sprechen, lassen zwar grundsätzlich auch eine Kenntnis der Adressaten als plausibel erscheinen. Doch fehlt hier, mit Ausnahme klarer Korrekturen wie beim Zeitpunkt der Ver150 haftung des Täufers Joh 3,24 gegen Mk 1,14parr. in vielen Fällen eine deutliche Markierung der textlichen Zusammenhänge, was jedoch auf einen freien souveränen Umgang mit den verwendeten Texten zurückzuführen sein dürfte. Sollten sich Beziehungen zwischen den Evangelien nahe legen, wird zu klären sein, ob sich im Zuge einer das ganze Johannesevangelium einbeziehenden Analyse signifikante Unterschiede zwischen dem Bereich von Joh 1–20 und Joh 21 ergeben151: d.h. konkret, inwieweit sich die im Anschluss an Bultmann152 gängige These verifizieren lässt, die Einfügung synoptischen Materials stelle ein Kennzeichen der u.a. in Joh 21 zum Ausdruck kommenden Redaktion dar153. Im Hinblick auf die Fragestellungen dieser Untersuchung ist dies insbesondere aufgrund der damit verbundenen Einordnung des Johannesevangeliums bzw. seiner Trägerkreise von großer Relevanz: Löste etwa eine derartige, als „Verkirchlichung“154 gedeutete 149
THYEN geht hier bezüglich des Johannesevangelisten ganz klar davon aus: „Sein idealer (impliziter) Leser sollte das souveräne und oft höchst ironische Spiel des Johannes mit den Synoptikern zu goutieren wissen“, DERS., Synoptiker 89. SCHENKE, Johanneskommentar 432 äußert sich hier – trotz der mit Thyen übereinstimmenden Voraussetzung einer Kenntnis aller Synoptiker durch Johannes – etwas eingeschränkter: „Wohl wird man sagen können, der Autor rechne auch mit Lesern, denen die Synoptiker geläufig waren“ (kursiv L.S.). Schenke begründet dies damit, dass die synoptischen Texte zum Verständnis der johanneischen nicht notwendig seien; konsequenterweise bezieht er die synoptischen Parallelstellen auch nicht in seine Kommentar-Interpretation mit ein. 150 Vgl. dazu auch die Korrektur von Mk 14,34f. in Joh 12,27, dazu auch F REY, Evangelium 89. 151 So entspricht gängiger Einschätzung: „In Joh 21 verdichten sich die synoptikernahen Stellen gegenüber Joh 1–20“, HECKEL, Evangelium 159 mit Hinweis auf B ULTMANN, T HYEN und SCHMITTHALS. 152 B ULTMANN, Johannes 5.63 Anm. 7.321.325 Anm. 4. 153 Neuere Vertreter dieser in erster Linie auf die Bearbeitungsschicht zurückgehenden Rezeption der Synoptiker sind u.a. der „frühe“ Hartwig T HYEN (vgl. DERS., Entwicklungen u.a. 296: „Der auf der literarischen Ebene ‚Lieblingsjünger‘ Geheißene könnte gerade die ‚synoptische‘ Überlieferung in den johanneischen Kreis eingebracht und mit ihrer Hilfe bei der Bekämpfung der doketischen Krise eine maßgebliche Rolle gespielt haben“) oder Joachim KÜGLER (DERS., Jünger u.a. 179.229, wobei dies natürlich mit der Zuweisung einschlägiger Texte zur Redaktion, z.B. ebd. 348 für Joh 20,1–10, vgl. auch zu Joh 13, zusammenhängt. Des Weiteren wären zu nennen Ludger SCHENKE (u.a. DERS., Schisma 120 s.u. 4.1.2) oder Ismo DUNDERBERG (DERS., Johannes, zusammenfassend 190–192). 154 So der diese These treffend darstellende Ausdruck bei DUNDERBERG, Johannes 12.
3.4 Charakterisierung: Grundfragen und ausgewählte Modelle
79
Entwicklung ein Schattendasein als sektenähnliche155 Gruppierung ab? Der Auseinandersetzung auch mit diesem Pfeiler der Forschung, dem von nicht wenigen Stimmen eine tragende Rolle zugewiesen wurde und noch wird, soll diese Untersuchung dienen.
155
S.o. Kap. 2 Anm. 1944.
Kapitel 4
Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung: Synchrone und diachrone Analyse 4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums Im Folgenden werden alle Szenen untersucht, in denen die Petrusfigur in der Abfolge des Johannesevangeliums auftritt bzw. Erwähnung findet. Dabei wird im Rahmen der zuerst erfolgenden synchronen Analyse bei allen Textstellen jeweils ein analoges Schema zugrunde gelegt, das sich aus obigen methodischen Überlegungen (s.o. 3.4.2) ableitet: In einem ersten Schritt sind die Gliederung und die narrative Struktur der Perikope im Rahmen des Gesamtkapitels zu klären. Diese gründen sich auf Beobachtungen zum Setting (z.B. Zeit und Ort) und zu den grundsätzlichen Handlungslinien. Einzubeziehen ist ferner der Kontext, d.h. die Stellung einer Szene im Rahmen des gesamten Handlungsablaufs bzw. ihre Beziehung zu anderen Szenen. Im Rahmen der anschließend erfolgenden Charakterisierung werden die unter 3.4.2 vorgestellten Modelle aufgegriffen, so u.a. zu Figurenbestand und -konstellation sowie zur Figurendarstellung durch direkte oder indirekte Charakterisierung. Zentral wird dabei das Verhältnis der Figur zum johanneischen „Plot“ sein, und damit die Funktion der Petrusfigur im Rahmen johanneischer Theologie. Grundsätzlich ist immer auch mit Blick auf die Adressaten zu fragen, welche (literarische) Strategie die Darstellung der Charaktere, insbesondere der Petrusfigur erkennen lässt und welche theologischen Implikationen und Intentionen damit verbunden sind. 4.1.1 Analyse von Joh 1,35–51 4.1.1.1 Synchrone Analyse von Joh 1,35–51 a) Gliederung und narrative Struktur der Perikope im Rahmen von Joh 1 An den Prolog Joh 1,1–18 schließt sich mit Joh 1,19–51 ein erster narrativer Teil an. Die Erzählung von der Berufung der ersten Jünger Joh 1,35–51 stellt dabei den zweiten Teilabschnitt dar, in dem das vorangehende Zeugnis des Täufers 1,19–34 seine Fortsetzung findet:
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
Joh 1,1–18 Joh 1,19–51
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Prolog A: 1,19–34: Zeugnis des Täufers B: 1,35–51: Berufung der ersten Jünger
Die Teile A und B werden strukturell und inhaltlich verbunden: Strukturell lässt sich ein Vier-Tage-Schema erkennen, das Teil A und B jeweils analog in zwei Teilszenen unterteilt: 1. Tag V.19–28 2. Tag V.29–34 3. Tag V.35–42 4. Tag V.43–51
(V.28 abgeschlossen mit tau'ta ejn Bhqaniva/ ejgevneto) (V.29 eingeleitet mit th'/ ejpauvrion) (V.35 eingeleitet mit th'/ ejpauvrion) (V.43 eingeleitet mit th'/ ejpauvrion und abgeschlossen durch die neue Zeitangabe 2,1 th'/ hJmevra/ th'/ trivth/)
Inhaltlich wird Joh 1,19–51 insgesamt durchzogen von dicht aufeinanderfolgenden christologischen Hoheitstiteln (V.29.34.36.38.41.45.49.51). Diese füllen die Leerstelle, die durch das Negativzeugnis des Täufers über sich eröffnet wurde (V.20f.). Dadurch entsteht zugleich ein Bezug zum Prolog, denn in der jetzigen Zusammenstellung explizieren diese Hoheitstitel to; o[noma aujtou' aus V.12. Indem i[de oJ ajmno;~ tou' qeou' in V.36 exakt V.29 aufnimmt, werden in der Person des Täufers und in der Entsprechung seines Bekenntnisses V.19–34 mit V.35–51 verbunden. Innerhalb der Perikope V.35–51 lassen sich zwei Doppelszenen feststellen1: V.35–39. V.43f.
40–42 45–51
Diese weitere Unterteilung zeigt sich zum einen am Übergang von V.39 zu V.40: Mit dem Bleiben der Jünger und der Zeitangabe w{ra h\n wJ" dekavth wird der Handlungsverlauf V.37–39 abgeschlossen, die Erzählzeit und damit die Handlung stagnieren für einen Moment. Verstärkt wird dies durch die parenthetisch angefügte Namensnennung V.40, bevor mit den erstmals auftretenden Figuren des Andreas und des Simon die Handlung erneut einsetzt. In textpragmatischer Hinsicht wird durch diese kurzzeitige Stag1
Dazu auch HAHN, Jüngerberufung 511(ff.). Konstruiert erscheint dagegen die der angenommenen Konzentrik geschuldete Struktur bei E LLIS, John 30: V.19–39 V.40–41
V.46–51 (Zeugnis des Täufers/des Nathanael) V.43–45 (Andreas findet Simon/Philippus findet Natanael) V.42 (Namensgebung des Simon zu Petrus).
Hier finden weder der Neueinatz V.35, noch die Nachfolge der Anonymen Jünger V.35– 39 und die sich insgesamt ergebenden Doppelszenen entsprechende Berücksichtigung. Konkret als Zeugnis ist nach dem des Täufers ganz zentral das des Andreas V.41 zu nennen, worauf das des Philippus V.45 folgt.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
nation die Bedeutung von V.39 unterstrichen, deren Erfassung dem Leser so ermöglicht wird2. Der Hinweis auf die Herkunft des Philippus V.44 stellt eine ergänzende Information zu V.43 dar. Davon ist V.45 abzusetzen, da hier mit eJurivskw (s.a. V.43!) die Handlung neu einsetzt, zudem folgt mit Nathanael die Einführung einer neuen Figur. Die inhaltlichen Implikationen dieser signifikanten Doppelstruktur werden in den folgenden Abschnitten zu erläutern sein (s.u. b–d). Die Thematik der ersten Jünger weist dabei über 1,51 hinaus auf die folgenden Perikopen. Darauf deuten als Textsignale implizit die Dynamik der Verben hin, (insbesondere ajkolouqevw, e[rcomai, oJravw s.u. b) sowie explizit die Ankündigung meivzw touvtwn o[yh/ V.50. Dies wird dadurch unterstützt, dass – ausgehend von der Lokalisierung der vorangegangenen Szenen in Bethanien (V.28) –, der V.45 angekündigte Zielort Galiläa ab 2,1 erreicht ist. Dem entspricht das Erreichen des zentralen inhaltlichen Ziels, nämlich die Feststellung des Glaubens der Jünger 2,11. b) Charakterisierung Bevor nun im Folgenden eine Charakterisierung der einzelnen Figuren vorgenommen werden kann, werden zunächst einige kurze Bemerkungen zur Identität einer im weiteren Verlauf zentralen Figur vorangestellt: Exkurs: Der Lieblingsjünger in Joh 1,35–40 Zu den äußerst umstrittenen Fragen bezüglich der johanneischen Lieblingsjünger-Figur gehört auch die nach seiner möglichen Identifizierung mit dem anonymen „anderen Jüngers“ 1,37–40 (vgl. auch 18,15f.). Ungeachtet der Rätsel, die diese geheimnisvolle Gestalt den Exegeten bis heute aufgibt – und vermutlich den Adressaten von Anbeginn an aufgeben sollte! –, wird hier angenommen, dass sich aus der Perspektive späterer Stellen a posteriori auf die Identität des Lieblingsjüngers sowohl in Joh 1,37–40 als auch in 18,15f. rückschließen lässt. Dafür sprechen folgende Gründe: (a) die Identifizierung des a[llo" maqhthv" aus 18,15f. mit dem Lieblingsjünger durch die Näherbestimmung o}n ejfivlei oJ ÆIhsou'" in 20,2. Ferner scheinen mir (b) die Analogien zwischen 18,15f. und 20,5.6.8 diese Sicht zu 3 stärken . Dazu lässt sich (c) diese Annahme literarisch und inhaltlich begründen: Zwar wäre es im Rahmen einer Bestimmung der Position des Petrus in Relation zum Lieblingsjünger 1,37–42 ein Zirkelschluss, aus einer Priorität und damit Überordnung des Lieblingsjüngers über Petrus ein Argument für die Identität des Lieblingsjüngers zu ge4 winnen . Davon unbenommen rückt die rätselhafte Gestalt als Teil des erstberufenen Jüngerpaares in der Perspektive der Adressaten gleich zu Beginn gerade durch das Rätsel ihrer Anonymität in den Fokus. Wohl noch bewusst weiter in der Anonymität belassen
2
Dazu FREY, Eschatologie II 191. Dazu NEIRYNCK, ‚Other Disciple‘ 137–139. 4 Dies entspricht der bei BACKHAUS, „Jüngerkreise“ 239 unter c) dargestellten Position s.a. die dortige Anm. 741. 3
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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5
bleibt sie keineswegs „sachlich wie theologisch irrelevant“ . Zumal im Vergleich mit Mk 1,16 rückt der unbekannte Jünger im Rahmen des genannten ersten Paares an die Stelle des Petrus (s.u. 4.1.1.2), die wiederum nach Mk 3,16 als die des Erstberufenen zu gelten hat. Die zunächst in 1,35–51 bewusst verschlüsselte Darstellung wirft so literarisch geschickt die Frage nach „dem anderen“ auf, lässt aber – wie beim Jünger6 unverständnis – erst im Nachhinein verstehen . Nach der Profilierung des (explizit genannten) Lieblingsjüngers in seiner Rolle als Vermittler (13,23–25) und Zeuge der Ereignisse von Passion (18,15f.) und Kreuz (19,35) erfolgt 20,2 über 18,15f. die Identifizierung mit dem anonymen Jünger, dessen Zeugenschaft auch österliches Verstehen erschließt (20,8; 21,7). Schlussendlich von 21,24 her gewinnt die bereits 1,37–39 eingeführte Augenzeugenschaft so nachträglich an Sinn und Relevanz für die (fiktive) Rolle des Autors des Johannesevangeliums.
Betrachtet man nun den mit Joh 1,35 beginnenden Abschnitt, so wird der Adressatenkreis im Vergleich zur vorigen Szene durch die Johannesjünger erweitert: Der Täufer als vorheriger Protagonist mutiert zur statischen Hintergrundfigur (eiJsthvkei), während Jesus7 (peripatou'nti) und die Jünger – ausgelöst durch ihr Hören V.37 – mit Verben der Bewegung beschrieben werden (hjkolouvqhsan). Letztere sind somit diejenigen, welche die Handlung voranbringen. Von dieser neu entstehenden Dynamik können auf diese Weise auch die Adressaten erfasst und in das Geschehen „hineingezogen“8 werden. Die ersten beiden – zunächst anonym bleibenden – Jünger, die Jesus von sich aus bzw. auf das Zeugnis des Täufers hin folgen9, stellen bereits ein positives Beispiel und Identifikationsangebot für
5
B ACKHAUS, „Jüngerkreise“ 240, analog auch LORENZEN, Lieblingsjünger 45 bzw. zusammenfassend 73: „Der anonyme Jünger in 1,35–42 ist sachlich sowie theologisch uninteressant“, was als Argument gegen eine Identifizierung mit dem Lieblingsjünger angeführt wird. 6 S.o. die Bemerkungen zu johanneischen Leerstellen im Rahmen der Diskussion um die Subjektfrage Joh 1,43. 7 Zutreffend bezeichnet MOLONEY, Belief 67 dieses Phänomen als „movement away from the Baptist toward Jesus“ (kursiv F.M.), das sich theologisch sowohl in das erste Kapitel als auch generell in die christologische Zuspitzung des Johannesevangeliums fügt. 8 Annegret MEYER ordnet sowohl diese Verben der Bewegung als auch der Wahrnehmung (ajkouvw, oJravw) ein in die mystagogische Perspektive des Johannesevangeliums. „Durch die gezielte und verschränkte Verwendung von Verben der Bewegung und Wahrnehmung kommuniziert er [der Evangelist] Glaubensbewegung im Text und setzt Glaubensbewegung außerhalb in Gang [kursiv A.M.]“, MEYER, Kommt 306. 9 Rekha CHENNATTU ist hier Recht zu geben, dass die wörtliche Bedeutung von ajkolouqevw mit der metaphorischen zusammenfällt (CHENNATTU, Becoming 476). Gleiches gilt dann ebenso für mevnw V.39, das – ausgehend vom Bleiben des Geistes (1,32f.) auf Jesus bzw. des reziproken Bleibens des Vaters in Jesus (14,10) – auf das wechselseitige Bleiben Jesu (6,56; 15,4–7), des Geistes (14,17), der Liebe (15,10) und des Wortes (5,38; 8,31; 15,7) und in den Jüngern bezogen wird, 21,24 kulminierend im Bleiben des
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
die Adressaten dar. Insgesamt bildet sich so eine Personen-Kette, bestehend aus Johannes – Jesus – zwei Jüngern (Andreas und der später als Lieblingsjünger zu identifizierende Jünger) – Petrus. Wie im gesamten ersten Kapitel ist – mit Ausnahme von Jesus – das Auftreten aller Personen jeweils durch einen Kausalzusammenhang mit dem anderer Personen verbunden: Johannes tritt V.19 auf, weil er Jesus bezeugt, die Priester und Leviten (ebenfalls V.19) wurden von Juden bzw. Pharisäern (V.24) geschickt, die Jünger V.35 treten auf die Bildfläche, weil sie ursprünglich zum Täufer gehören und Andreas wiederum geht auf seinen Bruder Petrus zu10. Während der Lieblingsjünger nicht eigens als Agierender erwähnt wird, wird Petrus von Andreas geführt, stellt also ein Kettenglied innerhalb dieser Kette dar; in der Doppelszene V.35–39.40–42 bildet er das Schlussglied. In der ab V.43 folgenden Szene wird die Kette erneut mit einer kausal verbundenen Dreierkonstellation fortgeführt, allerdings neu einsetzend11 mit der Initiative Jesu. Wenn auch nicht mit dieser Deutlichkeit, so durchzieht doch alle Szenen eine primäre Initiative Jesu zum Beziehungsaufbau: V.38 sieht er die Täuferjünger an und spricht sie an12, V.42 gilt das gleiche von Simon (Petrus)13, V.43 spricht Jesus Philippus an, V.47 wiederum sieht Jesus Nathanael und spricht auch ihn an. Dadurch, dass die Person Jesu allerdings erst am Ende von V.43 im Zusammenhang mit dem Nachfolgeruf an Philippus nachgeholt wird, entsteht eine kurzzeitige Leer14 stelle und typisch johanneische Doppeldeutigkeit , die aber m.E. in die15 sem Sinne aufzulösen ist . Dennoch schieben sich auf diese Weise die Lieblingsjüngers in seinem Zeugnis. Zum alttestamentlichen Hintergrund vgl. CHENNATTU, Discipleship 43f. 10 Vgl. auch MEYER, Kommt 107. 11 BECKER legt seinen literarkritischen Überlegungen ein Schema zugrunde, demzufolge Philippus in einer ununterbrochenen Kettenreaktion von einem anderen Jünger gefunden werden müsste und postuliert darum eine Einfügung von V.43 durch den Evangelisten, vgl. BECKER, Johannes I 122f. Dagegen entspricht gerade dieser Neueinsatz mit der Initiative Jesu johanneischem Darstellungsinteresse, die Unterbrechung und daran anschließend das neubeginnende Schema strukturiert die Doppelerzählungen und korreliert so V.35–39 mit 43f. 12 Erst so kommt es also zu einer konkreten Beziehung, wird Nachfolge konkret – nämlich bezogen auf die Person Jesu und nicht auf eine nicht näher definierte Suche nach etwas (tiv zhtei'teÉ V38a). 13 Vgl. auch MOLONEY, Belief 68: „[T]rue discipleship is not the result of the initiative of characters who find and follow Jesus. To show the primacy of Jesus’ seeking and finding disciples, the initiative comes from Jesus in his recognition of Simon“. 14 Zur Funktion von Leerstellen s.o. 3.1. zu STALEY, insbesondere Kap. 3 Anm. 23. 15 Vgl. dazu auch die Argumente bei M EYER, Kommt 96–99; anders u.a. NICKLAS, Ablösung 164–166, der eine Identifizierung mit Andreas vorschlägt. Dies begründet er (1) mit einer unmotivierten Nachholung des oJ ÆIhsou'" , (2) einer im Fall von Andreas plausibleren Bedeutung des prw'ton, (3) dem im Fall einer Identifizierung mit Jesus sich ergebenden Ausnahmefall einer direkten Berufung durch Jesus entgegen Joh 1,7, und (4–5)
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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Ebenen einer direkten Berufung durch Jesus und einer (nach dem Handeln des Andreas bereits in den Blick geratenen) indirekten Berufung ineinander. Dies zeigt sich auch darin, dass V.40–42 das „Finden“ des Petrus durch Andreas V.43 dem des Philippus durch Jesus selbst entspricht. Dass euJrivskw16 V.41 zugleich für die Begegnung zwischen Jünger und missioniertem Jünger wie ein deklariertes Christus-Bekenntnis steht, bindet Bekenntnis und Mission verbal eng zusammen. Das „Wir“ beschreibt hier nicht nur die Missions-Erfahrung des ersten Jüngerpaares, sondern die Erfahrung der johanneischen Gläubigen insgesamt17. Insgesamt entsprechen sich die Doppelszenen V.35–39.40–42 und V43f.45–51 jeweils darin, dass ein Jesus Nachfolgender (Andreas/ Philippus) einen anderen (Simon/Nathanael) zu Jesus führt18. Dies zeigt sich auch daran, dass die Bekenntnisse V.41 und V.45 jeweils eine parallele Struktur aufweisen: euJrivskei + Subjekt + Objekt + kai; levgei aujtw'/: (…) + euJrhvkamen + christologische Prädikation. Variiert werden die jeweiligen Personen und christologischen Zuschreibungen sowie das im Vergleich zu V.43.45 überschießende und dadurch betonte prw'ton V.41. Indem also das Finden eines Jüngers durch einen mit der Stimmigkeit zur weiteren Rolle des Andreas (zusammen mit Philippus). Dagegen wird (zu 1) angenommen, dass die nachgeholte Einführung Jesu wie dargelegt eine bewusste Strategie darstellen wird. Unzweifelhaft ergibt sich (zu 2) eine klare Einordnung des prw'ton, wenn Andreas erst Simon, dann Philippus fände. Doch steht zu vermuten, dass die Bedeutung des prw̃ton eher auf das Verhältnis Andreas – Petrus zu beziehen ist und in diesem Sinne (ob in Kenntnis von Mt 10,3 oder der Tradition der Erstberufung im Allgemeinen) eine johanneische Modifikation der Erstberufung darstellt. Schließlich (zu 3) steht das Christuszeugnis des Täufers nach 1,7 weiterhin programmatisch am Beginn aller Berufungen und wird bei der Annahme von Jesus als Subjekt in V.43a der Berufung durch Jesus selbst parallel, d.h. gleichgesetzt (s.o. die Erläuterungen S. 85ff.). Ferner wird (zu 4) darauf hingewiesen, dass die Rolle des Andreas bereits durch 1,41 deutlich ist, und sich (zu 5) die Verbindung von Andreas und Philippus zuvor schon aus ihrem gemeinsamen Herkunftsort ergibt (1,44). Zur textkritischen Diskussion über das prw'ton und die verschiedenen Bezugsmöglichkeiten vgl. W ILCKENS, Johannes 49f.; HAHN, Jüngerberufung 515. Die sich ausgehend von der Person Jesu V.43 ergebende Struktur kann natürlich nur Ergebnis, nicht Voraussetzung der Analyse sein, fügt sich aber wie erwähnt zusammen mit einer bewussten Leerstelle V.43 gut in die Intention einer typisch johanneischen Ebenenverschmelzung s.o. Kap. 3 Anm. 63. Unterstützt wird dies noch dadurch, dass Jesus das V.42 letztgenannte Subjekt ist, sowie dadurch, dass – abgesehen von den Herkunftsbezeichnungen 12,21 und 21,2 – vermutlich bewusst alle Ortsangaben bzw. Ortswechsel nach Galiläa mit Jesus verbunden sind (4,3.43.45–47.54; 6,1; 7,1.9.41.52) und im näheren Kontext 1,43 als Vorbereitung für 2,11 fungieren wird. 16 Zu euJrivskw als „Etappe von Jesusbegegnungen“ MEYER, Kommt 265. 7,34–36 ist dazu als ein Gegenstück zu sehen. 17 Vgl. 1,14; 21,24. 18 S.a. HAHN, Jüngerberufung 503f.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Jünger (V.41.45) analog zum Finden durch Jesus (V.43) ausgedrückt wird und jedes Mal in eine direkte Begegnung mit Jesus führt, scheint diese indirekte, durch einen Jünger vermittelte Berufung in ihrer Bedeutung und Wirkung einer direkten Berufung durch Jesus in nichts nachzustehen. Unterstützt wird dies durch die narrative Darstellung dahingehend, dass die durch Jesus initiierte Nachfolge (V.35–39.43f.) jeweils mit der Missionstätigkeit der bereits Nachfolgenden (V.40–42.45) als an einem Tag geschehen erzählt wird und so eng aneinander gebunden wird. Denn es werden nicht nur V.40–42.45–51 mit V.43f. korreliert und so in ein inhaltlich gleichwertiges Verhältnis gesetzt, sondern es entsprechen sich ebenso V.35–39 und V.43f., also jeweils die erste innerhalb der Doppelszenen. Sowohl das Christuszeugnis des Täufers als auch der Nachfolgeruf Jesu selbst führen also nicht nur in die direkte Begegnung mit Jesus, sondern setzen sich im Zeugnis der Berufenen gegenüber weiteren Jüngern fort19. Auf diese Zeugnisse anderer folgt jeweils ein Gespräch zwischen Jesus und der betreffenden Person (V.38f.41), am längsten dann mit Nathanael V.47–51, wohingegen die Petrus-Szene einen Monolog Jesu anstelle eines Dialogs bietet (V.41). Betrachtet man die den Konstellationen zugeordneten Redeanteile, werden diese zunächst immer ausgedehnter, „beziehungsreicher“, es entsteht ein Kommunikationsnetz. Konstellationen: V35–36 1. Dreierkonstellation: Johannes + 2 Jünger V37–39 2. Dreierkonstellation: Jesus + 2 Jünger
Redeanteile
V40–42 3. Dreierkonstellation: Andreas, Simon, Jesus
Anrede Andreas’ an Simon Jesu an Simon
wörtl. Rede Johannes Dialog20 Jesus – Jünger
Bei der Petrusfigur angelangt wird dieses Kommunikationsnetz jedoch nicht mehr erweitert: Zwar wird dieser zweimal angesprochen: zuerst von Andreas, der sich auf sein Bekenntnis beschränkt, und dann von Jesus, der 21 ihm in Khfa'~ das Attribut „Fels“ zuspricht. Eigene Redeanteile erhält er 19
DODD, Traditions 302 sieht die Zeugnisse der Jünger V.35–51 als „supplementary to that of John“ und darin das Ziel der Passage. 20 COLLINS, Discipleship 33 weist auf die in dieser ersten wörtlichen Rede der Jünger zum Tragen kommende bedeutsame Rolle von Fragen allgemein im Rahmen der Darstellung von Jüngerschaft. 21 Zum Hintergrund dieses, wenn auch ungebräuchlichen aramäischen Namens B OCKMUEHL, Peter 148–150, der die Interpretation eines ursprünglich griechischen Pet-
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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im Gegensatz zu allen anderen genannten Jüngern 22 nicht, was im Vergleich zum vorangehenden kurzen Dialog zwischen Jesus und den beiden Jüngern V.38f. und dem anschließenden ausführlichen Dialog mit Nathanael V.46–50 auffällt. Signifikant sind in diesem Zusammenhang die christologischen Bekenntnisse, die V.41 Andreas, V.45 Philippus und V.49 Nathanael aussprechen, ein Petrus-Bekenntnis fehlt jedoch. Wie bei den anderen Jüngern fehlen Kennzeichen einer direkten Charakterisierung23, und größtenteils auch die einer indirekten: Aktive Verben kommen nur den anderen Jüngern zu und zwar die im Kontext johanneischer Theologie äußerst zentralen ajkouvw, ajkolouqevw, e[rcomai24, oJravw, mevnw, von Andreas an dann euJrivskw25. In Joh 1,40–42 besteht jedoch eine auffallende Dichte an allen im Johannesevangelium insgesamt für Petrus verwendeten Na26 men durch die Relation zu seinem Bruder Andreas und v.a. die Namensgebung (dazu s.u. (d)). Umgekehrt verweist allerdings die auktoriale Einführung des Petrus im Rahmen der Charakterisierung des Andreas als ajdelfo;" Sivmwno" Pevtrou V.40 auf eine vorausgesetzte (größere) Bekanntheit bzw. Bedeutung des Petrus. Betonung erfährt dies auch durch den dadurch vollzogenen Wechsel zwischen erzählter Zeit (die gemäß der Chronologie vor der Namensgebung V.42 noch V.41 von „Simon“ spricht) und der Erzählzeit, die diesen Simon bereits mit dem Beinamen „Petrus“ kennt. Man kann fragen, ob dadurch nicht mehrere Ebenen zwar verbunden (s.u. die Parallelisierung von vorösterlicher und nachösterlicher Nachfolge), doch zugleich auch unterschieden werden sollen. Bezogen auf Petrus betrifft dies nun dessen vor- und nachösterliche Rolle als Jünger Simon (so spricht ihn der johanneische Jesus an!) und seine spätere – ekklesiologische – Rolle als Petrus, die hier noch auffallend unbestimmt bleibt. Die dadurch entstehende Spannung zwischen den Zeitebenen lenkt die Adressaten in jedem Fall auf eine bereits angedeutete Entwicklung.
rus-Namens (im bilingualen Umfeld von Bethsaida) schon durch Jesus als möglich erachtet, ebd. 155f. 22 Vgl. dazu V.38f.47–51 s.o. 23 Diese Beobachtung lässt sich ebenso auf weitere Textpassagen ausweiten und trifft sich mit den unter 3.4.1. erwähnten Kennzeichen antiker Charakterisierung. 24 5,40; 6,35.37.45; 7,37 zeigen, dass e[rcomai im Sinne von „zu Jesus kommen“ gemeint ist. 25 Zu diesen Verben der Bewegung, Wahrnehmung und Begegnung im Rahmen johanneischer Mystagogie MEYER, Kommt, 144–305, zusammenfasssend 306–308. Zur Polyvalenz der Verben und ihrer Bedeutung im Rahmen johanneischer Jüngerschaft s.a. N ICKLAS, Ablösung 180–185. 26 BECK, Discipleship Paradigm 47.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
In der Interaktion mit Jesus V.42b liegt der Fokus ausschließlich auf der von Jesus gegebenen Verheißung bzw. Namensgebung27, die Petrus weder auslöst noch mit Worten (Bekenntnis) oder Handlungen darauf reagiert. Ebenso erfolgt seitens Jesu keine an die beiden Jünger und Philippus ergehende Einladung (e[rcesqe kai; o[yesqe V.39, ajkolouvqei moi V.43), diese findet sich erst 21,19.22. Aus der Perspektive von Joh 21 her wird so der Eindruck verstärkt, dass hier eine Entwicklung ihren Anfang nimmt, deren Abschluss erst am Ende eines langen Spannungsbogens erfolgen wird. c) Theologische Aspekte im Rahmen des Johannesevangeliums Die bisherigen Beobachtungen haben gezeigt, dass die 1,35 beginnenden Jüngerberufungen eng mit dem christologisch äußerst dichten Eingangsteil des Johannesevangeliums verknüpft werden und ihre Fortsetzung in der Thematik des Jüngerglaubens finden, die sich zunächst bis 20,30f. erstreckt. Insbesondere die Dichte der Verben (s.o.) und Bekenntnisse zeigt: „John has used the occasion of the call of the disciples to summarize discipleship in its whole development“28. Entsprechend der gesamten Darstellung des Johannesevangeliums kann man daher von einer „christologischen Ekklesiologie“29 sprechen. Dazu stimmt auch die festgestellte primäre Initiative Jesu, die wiederum 15,16 entspricht30. Das Christus-Bekenntnis des Andreas 1,41 füllt die Leerstelle von 1,20 und unterstreicht die Rolle des Täufers als eines Zeugen, der von sich weg auf Jesus weist (s.o. (a) die Bewegung der Jünger von ihm weg zu Jesus), worauf in besonderer Dichte weitere, Hoheitstitel beinhaltende Bekenntnisse folgen. Insgesamt entspricht das Christuszeugnis (zunächst des Täufers, dann der Jünger) der Berufung durch Jesus selbst (V.43): Beides führt jeweils in eine unmittelbare Begegnung mit Jesus. Nachösterliche Nachfolge wird also trotz ihrer veränderten Bedingungen der Jesus-Jüngerschaft gleichgesetzt und so als gleichwertig31 dargestellt. Die zunächst in der Anonymität belassenen ersten Jünger laden in besonderer Weise zur Identifikation ein, der nachgeholte Name (abgesehen vom Lieblingsjünger!) ver27
Vgl. auch NICKLAS, Ablösung 174: „So scheint sich die ganze Rolle zunächst darin zu erfüllen, mit Namen bedacht zu werden.“ 28 BROWN, John I 78. 29 Dazu auch unten Kapitel 6.1.1 zu Udo SCHNELLE und Johan FERREIRA. 30 DODD, Tradition 303 sieht in den Jüngerberufungen, die nur V.43 einen direkten Aufruf Jesu beinhalten, einen Gegensatz zu 15,16. M.E. zeigt sich jedoch an beiden Stellen die pointiert christologische Ekklesiologie, jedoch in Joh 1,35ff. auf die GemeindeSituation übertragen (vgl. das Christuszeugnis des Täufers und die nach einer ersten Begegnung historisch wenig plausible Dichte an Hoheitstiteln etc.). 31 Vgl. HAHN, Jüngerberufung 518f.: „Damit hängt zusammen, daß er die ‚Gleichwertigkeit‘ des eigenen Nachfolgerufs Jesu und des Christuszeugnisses betont, wenn es um die Jüngerschaft Jesu geht.“
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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bindet die Erzählzeit (Jesus-Zeit) mit der erzählten Zeit (Zeit der Adressaten). Die Fragen der ersten Jünger nach dem Bleiben32 (V.38) sind die Fragen der Adressaten, die Missionstätigkeit von Andreas und Philippus entspricht der Praxis der johanneischen Gemeinde (s.a. 4,35–38; 12,20–22; 21,1–14). Die auf verschiedenste Jünger verteilten Bekenntnisse weisen auf den Glauben, auf den das Johannesevangelium 20,30f. insgesamt zielt33. d) Rolle und Funktion der Petrusfigur In diesen Kontext als narrative Umsetzung johanneischer Missionssituation wird nun auch die Petrusfigur eingeführt. Anders als Joh 21 erscheint Petrus allerdings nicht als selbst agierender Missionar, was auf dem Hintergrund einer Kenntnis seiner historischen Rolle die erwähnte Spannung zwischen vorösterlichem Zustand und nachösterlicher Funktion generiert. Zwar durchzieht das Thema der Jüngerschaft und Nachfolge die meisten Petrus-Szenen (und im Fall von 6,68–71; 13; 18,15–27 als gefährdete Nachfolge), doch ist die Bedeutung des Petrus an dieser Stelle an einigen Punkten einzugrenzen: Denn Petrus ist nicht der Erste, der zu einem Jünger Jesu wird, diese Rolle kommt Andreas34 und einem noch unbekannten Jünger zu. Doch während das Zeugnis des Johannes in seinem Bekenntnis V.36 noch allgemein bleibt und sich an alle richtet, die es hören können (oder im Johannesevangelium prominent im unmittelbar vorausgehenden Abschnitt
32
1,39 entspricht die Reaktion der Jünger exakt der Aufforderung Jesu (e[rcomai – ojravw), woran sich das mevnw als Bestandteil der ursprünglichen Frage an Jesus anschließt, s.a. THYEN, Johannesevangelium 130. Zur zentralen Bedeutung des mevnw sind sowohl das bleibende Wort (5,38; 8,31 als Bedingung der Jüngerschaft) als auch die bleibende Speise (6,27), darauf 6,57 u.ö. das Bleiben in Jesus, 14,10 vom Vater im Sohn und 14,17 vom Parakleten in den Gläubigen zu nennen sowie in besonderer Konzentration dann 14,25 und 15,4–16. 21,22 wird dies dann auch noch einmal pointiert vom Lieblingsjünger ausgesagt, so dass sich eine Rahmung mit 1,39 ergibt. MEYER, Kommt 113 verweist zutreffend auf die Leerstelle, die zwischen dem „Bleiben“ bei Jesus und dem Messiasbekenntnis des Andreas ausgefülllt werden kann durch die Erfahrungen der Gläubigen selbst, eine „mystagogische Bewegung eigener Art“ (kursiv A.M). 33 Jean ZUMSTEIN bezeichnet dies sehr zutreffend als „Strategie des Glaubens“ vgl. DERS., Strategie. 34 Interessant ist hierbei, dass der Vorrang des Petrus im Johannesevangelium sonst meist durch den Lieblingsjünger relativiert scheint (vgl. aber s.u. Kapitel 6 zum Jüngerbild), hier allerdings durch Andreas. DODD, Tradition 305.308f. sieht darin eine Tendenz der asiatischen Kirche, wofür spricht, dass die Reihenfolge der ersten Namen der Liste bei Papias (bei Euseb, h.e. III,39.4) entspricht, der mündliche Tradition auf Andreas zurückführt.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Joh 1,1–34 lesen bzw. hören können), wird Petrus als Erster35 namentlich angesprochen und zwar durch Jesus als Figur, die der größtmöglichen Autorität zu gelten hat. Prototypen der Nachfolge und Mission sind zwar Andreas und der Lieblingsjünger, Prototyp des missionierten Gläubigen ist jedoch Petrus. Von Joh 10,3 her gesehen ist Petrus zugleich der erste Jünger, den Jesus katÆ o[noma benennt36. Das Verhältnis Jesus – Petrus gewinnt auch von daher eine prototypische Funktion für das Verhältnis Jesu zu den Gläubigen insgesamt. Doch zeigt sich die Rolle der Petrusfigur noch in einem weiteren Aspekt der Namensgebung. Diese zeigt zum einen das Vorherwissen Jesu37, der Petrus nicht nur sagt, wer er ist, sondern auch, woher er kommt (Sohn des Johannes) und zu was er werden wird38. Die Petrusfigur dient also, wie in vergleichbarer Weise Nathanael V.47f., dazu, christologische Erkenntnis zu gewinnen. Zum anderen kommt damit eine mit diesem Namen verbundene Bedeutung des Petrus in den Blick39. Diese bleibt allerdings noch unbestimmt: Die futurische Formulierung erfüllt proleptische Funktion, erhöht so auf ihre Weise die Dynamik des Abschnitts40. Damit entsteht eine typisch johanneische Leerstelle mit einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung und dem Ziel, sie im spezifisch johanneischen Sinne (vgl. Joh 21!) zu füllen. Zwar wäre es naheliegend, im Anschluss an das Attribut „Fels“ eine Charakterisierung etwa als „zuverlässig“ etc. im Sinne einer Beschreibung der individuellen Person zu erkennen. Indem jedoch gerade keine Deutung des Namens vollzogen wird41, scheint der Fokus weniger 35
Bezieht man prw'ton als Adverb auf die Tätigkeit des Andreas, so findet hier – von Mt 10,2 her gesehen – eine Akzentverschiebung weg von der Person des Petrus auf die Aktion der Mission bzw. Reaktion der Nachfolge statt. Doch vom Ergebnis her betrachtet ist und bleibt Petrus der Erste, der qua Vermittlung in eine Beziehung zu Jesus tritt. 36 Aufgrund des besonderen Vorgangs der Namensgebung steht hier klhqhvsh/ und keine Aktivform von kalevw, die sich auch sonst an keiner weiteren Stelle im Johannesevangelium im Munde Jesu findet. 37 Zum christologischen Motiv des Vorwissens s.u. 4.1.2.1–4.1.2.4 die synchrone Analyse jeweils zu Joh 6, 13 und 18. 38 B LAINE, Peter 30, s.a. QUAST, Peter 30, der das primäre Anliegen des Abschnittes als christologisches identifiziert; s.a. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 311: „Die Eigenart des joh. Erzählungsstils, die aus der Tradition bekannte Tatsachen nur in ein bestimmtes (vor allem christologisches) Licht rücken will, wird hier deutlich“. 39 Nicht nachweisbar ist dabei, ob eine ursprüngliche Bedeutung des Namens verloren gegangen sei (so BECKER, Simon-Petrus 124) oder ob die fehlende Explikation nicht, wie vorgeschlagen, erzähltechnischer Intention geschuldet sein dürfte. 40 S.a. CHENNATTU, Becoming 480. 41 Stimmig erscheint diese Vorgehensweise dann rückblickend aus der Perspektive des Joh 13 und 18 geschilderten Versagens, zu dem wiederum die an die Verleugnung anknüpfende Beauftragung 21,15–17 passt.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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auf einer individuellen Gestalt als vielmehr auf seiner allgemein hervorgehobenen Bedeutung bzw. Funktion zu liegen42. Den Adressaten, die sich mit den im gesamten Abschnitt dargestellten Jüngern identifizieren und – als Berufene wie Berufende – in die PersonenKette einreihen können, bietet sich so zunächst auch die Petrus-Gestalt als Identifikationsangebot dar: zum einen im Prototyp des missionierten Gläubigen, zum anderen dadurch, dass Petrus in christologischer Zuspitzung einzig von der Verheißung Jesu her beschrieben und bestimmt wird. Durch die Namensgebung, die mit einer individuellen, der Gemeinde bekannten Person (s. V.40) verbunden ist (und vermutlich wie das 13,36–38 erwähnte Martyrium vorrangig die Funktion einer historischen Reminiszenz bzw. Erklärung des überlieferten Namens erfüllt), wird die Identifikation jedoch wieder unterbrochen. Unterstrichen wird dies dadurch, dass Petrus rein passiv erscheint: Im Gegensatz zu den anderen Figuren fehlen Verben, die 43 ein Jüngerparadigma darstellen , völlig, ebenso wie eine verbale Reaktion auf Jesu Worte. 4.1.1.2 Diachrone Analyse von Joh 1,35–51 Unabhängig davon, dass der Abschnitt Joh 1,35–51 auf der Basis sehr unterschiedlicher Traditionen zu den vorliegenden Doppelszenen ausgestaltet wurde44, kann dieser mit Ferdinand HAHN als „überraschend einheitliche redaktionelle Komposition“45 bezeichnet werden, die aus spezifisch johanneischen Interessen heraus gestaltet wurde. Im synoptischen Vergleich sollen hierbei zwei Themenkomplexe getrennt voneinander behandelt werden: (1) die Jüngerberufungen selbst und (2) die Berufung und Namensgebung des Petrus. (1) Was im Kontext der Jüngerberufungen grundsätzlich ins Auge fällt, ist die Verbindung mit dem Wirken des Täufers. Dies erfüllt mehrere Funktionen zugleich: Zunächst wird herausgestellt, dass die Anfänge der Anhängerschaft Jesu in Verbindung mit (ehemaligen) Täuferjüngern stehen46. Doch die weitaus größere Rolle spielt wohl die theologische Akzen42
Vgl. auch HAHN, Jüngerberufung 514 und Anm. 52, der den Namen ebenso weniger als persönliche Zuschreibung ansieht. Dagegen aber beispielsweise K LAUSNITZER, Primat 76, der dies analog zur Bezeichnung der „Donnersöhne“ als eine Charaktereigenschaft erwägt. 43 S.o. S. 87. 44 Dazu grundlegend HAHN, Jüngerberufung 504–11. 45 Ebd. 511 im Anschluss an die Diskussion literarkritischer Hypothesen. Gegen DUNDERBERG, Synoptiker 45 u.ö. unterbricht die Petrus-Szene V.40–42 nicht den Zusammenhang, sondern konstituiert gerade ein Schema, das jeweils eine Berufung und eine Missionshandlung als an einem Tag geschehen darstellt. Eine sekundäre Ergänzung ist darum – wie auch V.43 betreffend – auszuschließen. 46 B ACKHAUS, „Jüngerkreise“ 244.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
tuierung, die in der Ausgestaltung der Szenen zum Ausdruck kommt: durch den Täufer, der auch als Vorbild für die nachfolgenden Bekenntnisse der Jünger fungiert, wird eine Gleichsetzung von Christuszeugnis und direkter Berufung durch Jesus (V.43 s.o. S. 88) vollzogen. Der Figur des Täufers verdankt sich daher die von Anfang an profilierte christologische Ekklesiologie. Im Gegensatz zu den Synoptikern lässt sich sagen: „Entscheidend ist hier nicht die Vorläuferschaft, sondern die Gleichzeitigkeit“47, da über den Täufer ebenso eine Ebenenverschmelzung der Zeit Jesu mit der Zeit der Gemeinde stattfindet. Dies fördert zudem, dass dieser zum Paradigma des Zeugeseins wird, dem die (ehemaligen) Täuferjünger dann auch nachkommen. Das Wirken Jesu beginnt also nicht mehr wie in der synoptischen Darstellung mit dessen eigener Verkündigung, sondern wird, vermittelt über eine Serie an Zeugnissen, bereits hier zur ChristusVerkündigung über ihn. Betrachtet man die Berufungen im synoptischen Vergleich etwas näher, so nennt die knappe Notiz Mk 1,16 Simon und Andreas als Erstberufene, was auch Mt 4,18 bestätigt, wo ansonsten (analog zu 4,21) duvo ajdelfouv~ ergänzt und Simon gleich als Petrus eingeführt wird. In Lk 5,1–11 hingegen steht Simon völlig im Mittelpunkt, sowohl als Handelnder als auch in den Dialogen mit Jesus, Andreas wird jedoch an keiner Stelle erwähnt. Daraus und aus der Sichtung weiterer synoptischer Stellen folgt, dass Andreas nirgends eine dem Johannesevangelium vergleichbare hervorragende Rolle zukommt: Im Kontext der Jüngerberufungen erscheint er wie in 6,8 und 12,22 zusammen mit Philippus48 als eigenständiger Akteur (genauer in 1,40–42.45 und 12,22 als Missionar) und wird in 1,40 zusammen mit dem Lieblingsjünger zum Erstberufenen (dementsprechend in orthodoxer Tradition zum „Protokletos“49). Damit rückt faktisch der Lieblingsjünger an die Stelle des Petrus50 wie auch 1,42 Andreas anstelle des Petrus in Mk 8,27– 30 das erste Christus-Bekenntnis nach dem Christuszeugnis des Täufers
47
HAHN, Jüngerberufung 503. S.o. Kap. 4 Anm. 34: Philippus kommt in der Papias-Liste ja ebenfalls eine gewisse Bedeutung zu, was sich mit dem Bild als Missionar deckt. 49 PETERSEN, Andrew 5. Die Tatsache, dass Andreas bei Lukas und Matthäus keine Rolle mehr spielt, lässt Petersen im Anschluss an Cullmann dessen Funktion dann im Johannesevangelium als Anti-Petrus deuten (zur Funktion der Andreas-Figur aber s.o. Kapitel 6). Zur späteren Entwicklung der Andreas-Legende(n) und der Rolle des Andreas als Apostel SANDERS, Andreas. 50 KRAGERUD, Lieblingsjünger 20 führt angesichts dessen den Begriff der „zeitlichen Priorität“ ein, der 1,15–30 und 8,53 deutlich zum Ausdruck kommt. Wie Kragerud ebenso eine „Herabsetzung“ des Petrus ausschließt, geht es wie dargelegt letztlich um die Verschmelzung der vor- und nachösterlichen Ebenen. 48
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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zukommt, Petrus aber zum ersten Empfänger51 des Christuszeugnisses wird. Dies gilt jedoch im Rahmen dessen, dass (anders als bei den Synoptikern) im Dienst der Verschmelzung vor- und nachösterlicher Ebenen insgesamt Berufungen und Christusbekenntnisse zusammengenommen werden und damit zugleich der Kontext vorösterlicher Jesus-Nachfolge mit nachösterlichem Missionskontext, wobei in letzteren nun die Petrusfigur eingeordnet wird. Nimmt man als weiteren Vergleichstext die Berufung der Zwölf Mk 3,16–19parr. hinzu, so fällt als Negativbefund auf, dass abgesehen von Joh 21,2 nicht nur Petrus als Erstgenannter, sondern Jüngerlisten überhaupt fehlen, und abgesehen von 6,68–71 und 20,24 Johannes die Zwölf nicht erwähnt52. An deren Stelle tritt eine Reihe von individuellen JüngerFiguren, die zu Prototypen von Nachfolge und Mission werden. Dabei legt die johanneische Darstellung im Vergleich zu den synoptischen Jüngerbildern zwar auch ein insgesamt „demokratischeres“ Gemeindeverständnis53 nahe, zunächst dürfte es sich hier jedoch um ein Abbild speziell der Missionspraxis handeln, die so einen Spezialfall einer grundsätzlichen Gemeindestruktur darstellt. (2) Für die Interpretation von Joh 1,42 nicht unerheblich ist das postulierte Verhältnis zu Mt 16,17f. als einzigem Vergleichstext54, der eine Namensgebung beinhaltet. Zunächst einmal überrascht das Vorkommen des Khfa'"-Namens, wenn man bedenkt, dass dieser im Johannesevangelium an keiner weiteren Stelle Verwendung findet, sondern nur in paulinischen Schriften gebraucht wird (vgl. 1Kor 1,12; 3,22; 9,5; 15,5; Gal 1,18; 2,9.11). Eine mit der paulinischen Tradition verbundene kritische Stoßrichtung legt sich daraus jedoch nicht nahe, da mit Ausnahme des Antiochenischen Zwischenfalls in der Mehrzahl eine neutrale Wertung mit diesem Namen verknüpft wird, oder, wie im Fall von 1Kor 15,5, eine exponierte Stellung des Petrus zum Ausdruck kommt. Die für Johannes ansonsten fremde Bezeichnung legt in jedem Fall die Verwendung einer Tradition nahe, über deren Herkunft nur spekuliert werden kann. Denn die synoptischen Evangelien kennen ebenso nur Pevtro", Sivmwn oder (wie Lk 5,8 und Mt 16,16) die für Johannes typische Verbindung beider, nicht aber Khfa'". 51
Insofern ist MAHONEY, Disciples 232 bedingt Recht zu geben, diese Darstellung „is neither a plus nor a minus for Peter in his being third“, da nicht Abwertung des Petrus im Vordergrund steht, sondern eine andere Rolle. Dass es allerdings fraglich sei, dass der Evangelist die Reihenfolge der Jünger überhaupt in irgendeiner Weise reflektiert habe, oder aber reine Traditionsbenutzung als Ursache zu betrachten sei – wie MAHONEY im Anschluss behauptet – ist wenig plausibel. 52 S.u. besonders 6.1.2. 53 Dies betont beispielsweise W ENGST, Johannesevangelium I 89. 54 Zur umstrittenen Annahme einer Kenntnis des Matthäusevangeliums durch Johannes grundsätzlich s.o. 3.4.3.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
So zeigt auch der Vergleich mit Mt 16,17f. nur wenige Gemeinsamkeiten, nämlich die Anrede Sivmwn in Verbindung mit dem Patronymikum und die Namensgebung selbst, wobei sich beides wiederum eklatant unterscheidet: Anstelle des aramäischen Bariwna' Mt 16,17 bietet Joh 1,42 oJ uiJo;" ÆIwavnnou, das wie an der Parallelstelle 21,15 in späteren Textzeugen mit der matthäischen Fassung harmonisiert wurde. Nur Johannes bietet eben 55 jenen aramäischen Namen Khfa'" . Betont die johanneische Fassung im klhqhvsh/ die alttestamentlichem Vorbild folgende Namensgebung, so verbindet sich mit dem feierlichen su; ei\ bei Matthäus (dem su; ei\ des Petrus Mt 16,16 korrespondierend) Bekenntnischarakter. So wird Johannes einer Tradition folgen, die sich unabhängig voneinander sowohl in Matthäus als auch in Johannes findet56. Daraus folgt auch ein von der matthäischen Fassung unabhängiges johanneisches Darstellungsinteresse57. Die in der LXX zahlreich belegten Futur-Passiv-Formen von kalevw58 weisen darauf hin, dass hier tatsächlich gemäß alttestamentlichem Vorbild die Namensgebung für sich im Zentrum steht, ohne dass eine Matthäus analoge spezifisch ekklesiologische Bedeutung mitgedacht werden muss. Davon unbenommen hat man diesem Akt bzw. der Reminiszenz an den inzwischen mit titulärem Charakter59 verbundenen Namen selbstverständlich eine wichtige Funktion beizumessen. Da weder eine weitere Explikation folgt, noch die Bedeutung des Namens später aufgegriffen wird, ist hier in jedem Fall von einer johanneischen Leerstelle60 (s.o. 4.1.1) zu sprechen. Diese Art der Darstellung erinnert an 13,36, wo bereits ohne die spätere Aufnahme in 21,18 in versteckter Form die Erinnerung an den Märtyrertod verarbeitet wird. Nicht nur der Name, auch die Art des Todes dieser im Urchristentum bedeutenden Person ist der johanneischen Ge55
Dazu s.o. Kap. 4 Anm. 21. Vgl. auch DODD, Tradition 307f. Dabei ist weniger davon auszugehen, dass Johannes diese Tradition „nicht übergehen wollte“, wie dies HÄHNCHEN, Johannesevangelium 180 annimmt, sondern dass er sie vielmehr bewusst als Teil seiner Darstellung integriert s.o. 4.1.1.1. d) zur christologischen Akzentuierung anhand des Motivs des Vorherwissens Jesu. 57 So auch SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 311, der die johanneische Darstellung des Petrus von der matthäischen Felsenrolle abhebt. Dagegen aber BULTMANN, Johannes 71, der anhand des Futur Joh 1,42 davon ausgeht, dass die Namensgebung auf eine Matthäus analoge Szene zielt. 58 Gen 2,23; 17,5.15; 32,29; 35,10; 48,6; Dtn 25,10; 1Esr 3,7; 4,42; OdSal 9,76; Hos 2,1; Sach 8,3; Jes 1,26; 19,18; 48,8; 56,7; 58,12; 60,14.18; 61,3.6; 62,4.12; Jer 19,6; Ez 39,11; Bar 5,4. 59 Dazu auch HAHN, Jüngerberufung 514, Anm. 52, demzufolge jener tituläre Charakter in Erinnerung gerufen werden musste. 60 Gegen das Konzept von Leerstellen in der Funktion einer intertextuellen Markierung, (wie sie an dieser Stelle LANG, Synoptiker 59 versteht), wird hier davon ausgegangen, dass dieser Leerstelle eine innerjohanneisch plausible Funktion zukommt. 56
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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meinde bekannt, was Eingang auch in die Gestaltung des Johannesevangeliums fand. Erwägenswert, aber nicht zu erweisen bleibt im Hinblick auf die fragliche Kenntnis und Voraussetzung des Matthäusevangeliums eine mögliche johanneische Korrektur des matthäischen prw'to" (10,2), da Petrus 1,42 gerade nicht als Erster berufen, sondern prw'ton, d.h. zuerst missioniert wird61. 4.1.1.3 Ergebnisse der synchronen und diachronen Analyse Zusammenfassend erweist die diachrone Analyse Joh 1,35–51 als eine gegenüber anderen Traditionen eigenständig geprägte johanneische Komposition, die dementsprechend einem ganz eigenen Darstellungsinteresse folgt. Dieses vertieft im Wesentlichen die auf der Ebene der synchronen Analyse hervorgetretenen Intentionen: (1) Vorrangig zu nennen ist hier die christologische Akzentuierung anhand des vorangehenden Täuferzeugnisses und der nachfolgenden Bekenntnisse der Jünger sowie der bereits Joh 1 durchziehenden Dichte an Hoheitstiteln. Johanneische Ekklesiologie ist daher in profilierter Weise christologische Ekklesiologie. Dies zeigt sich auch in der Gestaltung der Petrus-Szene, in der die Namensgebung nicht nur das Vorwissen Jesu demonstriert, sondern den Jünger Petrus einzig durch die Verheißung Jesu bestimmt sein lässt. (2) Daneben erfolgt im Gegensatz zu den synoptischen Paralleltexten von Anbeginn an eine deutliche Verschmelzung der vor- und nachösterlichen Ebenen. So wird in der johanneischen Darstellung das zentrale Christuszeugnis in der parallelen Struktur der beiden Doppelerzählungen V.35– 39.40–42 und V.43f.45–51 mit der (direkten) Jesusnachfolge gleichgesetzt, worin Petrus als Proto-Typ des missionierten Gläubigen fungiert. Dazu kommt (3) die Einbindung „historischer“ Reminiszenzen: So stellen die Täuferjünger die Anfänge der Gemeinde in den Kontext dieser Kreise und die Erklärung des Petrus-Namens weist auf die Erinnerung an eine bedeutende urchristliche Gestalt. An einer Explikation des PetrusNamens im Sinne einer Felsenfunktion, wie man sie Mt 16,18 findet, ist Johannes an dieser Stelle nicht interessiert: Mit Joh 1,40–42 verbinden sich in Bezug auf die Namensgebung christologische Aspekte, während eine ekklesiologische Bedeutung nur im Rahmen des Johannesevangeliums eigenen Missionsmodells zum Tragen kommt.
61
Diesen zentralen Aspekt einer möglichen Korrektur übersieht D UNDERBERG, Synoptiker 68, der davon unbenommen angesichts des prw'ton ebenfalls eine weitere mögliche, aber nicht beweisbare Verbindung von Joh 1,42 zu Mt 16,17 vorbringt.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
(4) Ferner wird in besonderer Weise die Rolle des Andreas hervorgehoben, was im Johannesevangelium bereits hier die spätere Bedeutung dieses Jüngers als Erstberufener und Missionar präfiguriert. 4.1.2 Analyse von Joh 6,67–71 4.1.2.1 Synchrone Analyse von Joh 6,67–71 a) Kontext und narrative Struktur in Joh 6 Ungeachtet prominenter Umstellungshypothesen z.B. bei BULTMANN oder BECKER, deren Notwendigkeit nicht nachvollzogen werden kann, wird an der Kapitelabfolge des uns vorliegenden Johannesevangeliums festgehalten62. So ergibt sich von Kapitel 5 an ein sich steigernder Konflikt mit den ÆIoudai'oi, der u.a. 5,18 (s.a. 7,29) thematisch mit der Einheit von Vater und Sohn in Zusammenhang steht. In diese dramatische und darin thematische Entwicklung hinein ist auch Kapitel 6 mit der zentralen Brotrede einzuordnen, zu dessen zweistufigem Ende63 auch die Petrusszene V.67–71 im Zusammenhang mit V.60–66 gehört. Anhand von Akteuren, Handlungsverläufen sowie Orts- und Zeitangaben lässt sich Joh 6 wie folgt gliedern: A1: V.1–15
Speisung (eingeleitet durch V.1–4)
A2: V.16–21 Seewandel B: V.22–59 Brotrede (eingeleitet V.22–25a64) C1: V.60–66 Schisma C2: V.67–71 Petrus-Bekenntnis Eine nochmalige Untergliederung wäre durch Personenwechsel bzw. verschiedene Redegänge vorzunehmen: V.(1–)2
Volksmenge
V.3–13
Jünger um Jesus, darin: Andreas und Philippus
V.14f.
„Menschen“ (oiJ a[nqrwpoi) auf der Suche nach Jesus
62
Zum Übergang von Kapitel 5 zu 6 als Erzählstrategie LABAHN, Jesus 266. Dazu P OPP, Grammatik 265f., bes. Anm. 43 und 272f. (vgl. auch DERS., Kunst 576ff.). 64 LABAHN, Lebensspender 268 Anm. 16 sieht diesen Abschnitt retrospektiv dem Abschnitt vom Seewandel zugeordnet. Inhaltlich ist dem zuzustimmen, während der Wechsel zu den Akteuren der Brotrede und die neue Zeitangabe V.22 für eine Zugehörigkeit zur V.25b beginnenden Brotrede sprechen. Daher erfüllen die Verse 22–25a eine Art Schanierfunktion, die eine Verschränkung der verschiedenen Szenen verstärkt. 63
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
V.16–21
Jünger um Jesus
V.22–40.41–59
Volksmenge, ab V.41 oiJ ÆIoudai'oi
V.60–66
Jünger
V.67–71
die Zwölf, darin: Petrus
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Dadurch ergibt sich ein Wechsel bzw. Ineinander von „internem“ und „externem“ Kreis um Jesus. Indem die Jüngergruppe V.60–66 durch ihren Widerstand (gogguvzw V.61 vgl. V.41.43) mit oiJ ÆIoudai'oi korreliert wird, ergibt sich auch hier wieder ein Kontrast zum „internen“ Kreis der Zwölf ab V.67. Strukturell ist die Petrusszene V.67–71 somit als integraler Bestandteil des Gesamtkapitels zu sehen, das sich auch anhand der thematischen Linien als Einheit erweist65: Die bis V.59 von der Brot-Metaphorik bestimmten Abschnitte finden 66 textpragmatisch ihren Abschluss in V.60–71 . Hier lassen sich Themen aufzeigen, die nicht nur innerhalb von V.60–71 kontrastierend aufeinander bezogen sind, sondern letztlich in einer Gesamtdynamik das ganze Kapitel bestimmen: 1) das Kommen zu Jesus (zunächst in wörtlicher Bedeutung V.5, dann V.35.37.45.47.65.68), 2) das Weggehen einerseits (V.66, durch Jesu Frage V.67 aufgegriffenen) und 3) das Bleiben in/bei Jesus (V.56, durch das Bekenntnis V.68f. letztlich umgesetzt) andererseits. Die hier szenisch umgesetzte Alternative zwischen Bleiben und Weggehen intendiert eine Identifizierung mit den bleibenden Jüngern, stellt letztlich einen Apell zum Bleiben dar. Eine entsprechende Positionierung wird durch weitere, sich durchziehende Motive unterstützt, und zwar durch Jesu Vorherwissen (V.6.15.61.70f.) und die Frage nach dem Glauben: so implizit V.5f.9, woran sich das erste, durch Jesu Reaktion V.15 relativierte „Glaubensbekenntnis“ V.14 anschließt, V.19f. und v.a. V.29 folgt die Furcht der Jünger und der besonders V.41.43 und 61 durch gogguvzw zum Ausdruck gebrachte Unglauben der oiJ ÆIoudai'oi wie der Jüngergruppe V.60–66. Gegenüber dieser Negativfolie erscheint das Petrus-Bekenntnis V.68f. dann als positives Gegenstück (s.u. zu b). Bestätigt wird dies auch durch die inhaltlichen Aussagen des Bekenntnisses: So nimmt V.68 rJhvmata und zwhv aus V.63 auf (zu zwhv s.a. V.33.35.40.48.53 bzw. zwhv aijwvnio" aus V.27.47.54); diese werden in den Gesamtrahmen johanneischer Theologie bzw. Christologie zu stellen sein (s.u. c).
65
POPP, Grammatik 437ff. bzw. zu den verwendeten Verben und Termini 387–390 s.a. DERS., Kunst 578–81; STIBBE, John 85f. 66 Zur sich wandelnden, aber stetig durchziehenden Brot-Metaphorik FREY, Bild; zur textpragmatischen Wirkung von V.60–71 ebd. 359.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
b) Charakterisierung Die Struktur von Joh 6 hat mit Blick auf die involvierten Personen (-gruppen) jeweils ein Gegenüber von „internen“ und „externen“ Kreisen um Jesus ergeben. Auf eine so immer wieder wechselweise erfolgende Ausweitung des Personenkreises hin vollzieht sich von V.22 an eine sich in konzentrischen Kreisen bis zum innersten Bereich um Jesus ambivalente Entwicklung hin zu Glaube und Unglaube, die in Petrus (im Kontrast zu Judas) ihren Abschluss findet. Anhand der V.13 erwähnten zwölf Körbe korrespondieren die Zwölf V.67–71 mit V.3–13, im Rahmen derer wiederum V.5–9 Philippus und Andreas der Petrusfigur V.68f. entsprechen67. Die Näherbestimmung des Andreas als ajdelfo;" Sivmwno" Pevtrou V.8 markiert einen Spannungsbogen bis V.6868. Deuteten die Äußerungen des Philippus und Andreas jedoch noch auf defizitären Glauben (V.7 diakosivwn dhnarivwn a[rtoi oujk ajrkou'sin aujtoi'" i{na e{kasto" bracuv »ti¼ lavbh/ und V.9 ajlla; tau'ta tiv ejstin eij" tosouvtou"É), so rückt im Rahmen der beiden korrespondierenden Szenen an diese Stelle das Glaubensbekenntnis des Petrus69. Besonders eng aufeinander bezogen werden die Jüngergruppe V.60–67 und die Zwölf über die Frage Jesu nach dem Weggehen V.67 (Petrus greift in seiner Antwort V.68 hierbei das ajpevrcomai aus V.66 auf) und dem sprachlich zu V.70 parallel gestalteten Vorverweis über den Verräter V.6470. Indem beide Szenen, V.60–66 wie V.67–71, darin ihren aufeinander bezogenen Kulminationspunkt im Thema des Weggangs bzw. Verrats haben, wird ein Spannungsbogen deutlich, der zugleich den Kontrast zwischen dem Verhalten der V.60–66 genannten Jünger und des Judas einerseits und dem der Zwölf und Petrus andererseits schärft. V.67–71 wird dieser Kontrast dadurch gesteigert, dass Petrus allein als Sprecher eines Bekenntnisses erscheint, Judas jedoch keine eigenen Redeanteile erhält, sondern einzig durch die leser- bzw. adresssatenlenkenden Erzählerkommentare bzw. den Hinweis Jesu selbst V.70 und als Gegenspieler respektive diavbolo" charakterisiert wird. Petrus fungiert hier als Repräsentant der Zwölf, nachdem sich Jesu Frage V.67 in der 2. Person Plural an 67
POPP, Kunst 577 ordnet im Rahmen der Inklusion von 6,1–15 und 6,67–71 Andreas und Philippus die beiden Einzel-Personen Petrus und Judas zu. Doch m.E. liegt die Entsprechung hier mehr in der Funktion der Sprecherrolle als in der Anzahl der genannten Personen. 68 Vgl. auch LABAHN, Lebensspender 269. 69 Gegen KRAFFT, Personen 23 handelt es sich bei oJ a{gio" tou' qeou' nicht um eine „noch unvollkommene und einseitige“ Erkenntnis, d.h. die Entsprechung von 6,3–13 und 6,67–71 unterstreicht vom inhaltlichen Aspekt her einen Kontrast; zur Diskussion dieses christologischen Hoheitstitels s.u. 4.1.2.2 b). 70 Voraus gehen jeweils Worte über das (ewige) Leben V.63.68. Zu diesem Bezug s.u. 4.1.2.1 c).
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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die neu eingeführte Gruppe wendet, woraufhin Petrus stellvertretend antwortet. In analoger Weise reagiert Jesus V.70f. auf das Bekenntnis mit der pluralischen Anrede, schließt in diesen Plural jedoch auch Judas mit ein. c) Theologische Aspekte im Rahmen des Johannesevangeliums Eingangs war mit dem Verhältnis von Jesus in der Rolle als eschatologischem Lebensgeber (und -gabe) zum Vater der christologisch-soteriologische Kontext aufgezeigt worden. Davon abhängig sind die ekklesiologischen Aspekte zu sehen, d.h. der Glaube oder aber Abfall der Jünger71 bzw. in der narrativen Sprache des Abschnittes: das Kommen zu Jesus bzw. Bleiben oder Weggehen. Die Gleichstellung der maqhtaiv mit den ≠Ioudai`oi, die durch den Verweis auf Judas ambivalente Sicht der Zwölf und die oben festgestellten wechselnden Personengruppen weisen darauf hin, dass die Grenzen zwischen „innen“ und „außen“ verschwimmen: Innerhalb der sich in konzentrischen Kreisen nach „innen“ vollziehenden Bewegung werden gleichermaßen Glauben und Nachfolge wie Abfall und Verrat festgestellt. Dies ist als Signal an die unter dem Schisma leidende johanneische Gemeinde zu lesen (vgl. V.66 und 1Joh 2,18f.), deren Erfahrung es ist, dass die Linie zwischen Bleiben im (johanneischen) Glauben und Trennung von der Gemeinde bis in die innersten Kreise hinein zur Scheidelinie wird72. Trost und Vergewisserung im Glauben bewirkt hierbei der Hinweis darauf, dass selbst dieses Geschehen noch umgriffen ist vom souveränen Vorherwissen Jesu (V.64 explizit, unausgesprochen, aber implizit ausgedrückt dann V.70f.). Dieser christologische Rahmen zeigt sich auch daran, dass der Abschnitt der Petrus-Rede umschlossen ist von JesusRede, und zwar in der zentralen Frage V.67 und der Reaktion auf das Petrus-Bekenntnis V.70f. Die inhaltlichen Aussagen des Bekenntnisses, insbesondere der zentrale 73 Begriff der zwhv V.68 rekurrieren auf die vorangegangene Brotrede (s.o. a)) und damit auf einen bedeutenden Aspekt johanneischer Christologie. Dieses von 1,4 an das Johannesevangelium durchziehende und in 3,15f. oder den „Ich-Bin“-Worten fokussierte christologische Thema kann, nicht 71
Entsprechend dominiert V.60–66 das dreimalige Vorkommen der maqhtaiv. So bezeichnet dies beispielsweise T HEOBALD, Häresie 243ff. zu Recht als „Strategie zur Bewältigung eines Gemeindeschismas“ oder verweist SCHENKE, Schisma 118 anhand von polloi; tw'n maqhtw'n aujtou' V.66 auf die Minderheitensituation als Folge. 73 Zu diesem schöpfungstheologisch und v.a. soteriologisch zentralen Begriff MUßNER, Anschauung; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 434–445; MLAKUZHYIL, Christocentric Literary Structure, 291–298; D IETZFELBINGER , Johannes I, 348– 350; FREY, Eschatologie III 261–270; STARE, Durch ihn leben; vgl. dazu auch DETTWILER, Gegenwart 165 zu Joh 14,6: „Die zwh; ist der joh Heilsbegriff par excellance“. 72
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
zuletzt im Hinblick auf 20,31, als Inbegriff johanneischer – d.h. christologisch zugespitzter – Soteriologie gelten. Das Petrus-Bekenntnis führt hierbei vorangegangene Aussagen weiter: „[F]or the first time in the narrative a character correctly identifies the reason why the word of Jesus gives eternal life: his origins“74. Der von Petrus Joh 6,68f. gebrauchte Hoheitstitel zielt daher im Rahmen von Joh 6 darauf „to acknowledge his function as the messenger who comes ‚from above‘“75. Das emphatische hJmei'" V.69 ist nicht nur im Kontrast zu Jesu uJmei'" V.67 zu sehen, sondern intendiert, dass die johanneische Gemeinde darin einstimmt76 (s.a. 1,16 und in analoger Funktion die Verwendung der 1. Person Plural in 1,14 und 21,24). Der mit ginwvskw, pisteuvw + o{ti77 angezeigte Glaube signalisiert hierbei, dass sie darin auch einstimmen kann. Dies wird bestätigt durch die Verbindung der johanneisch zentralen Verben pisteuvw + ginwvskw78, die im Perfekt 79 formuliert einen bereits erreichten Zustand des Glaubens beschreiben . Mit su; ei\ erscheint das Bekenntnis des Petrus in komplementärer Entsprechung zu Jesu ejgwv eijmi, nimmt also auch auf diese Weise Selbstoffenbarung80 auf. Gegenstand äußerst kontroverser Diskussionen ist dagegen der im ganzen Johannesevangelium singuläre Hoheitstitel oJ a{gio" tou' qeou', der 6,69 von Petrus ausgesprochen wird. Das Wortfeld a{gio" bzw. aJgiavzw weist jedoch auf die die Einheit zwischen Vater und Sohn81 betonenden Kapitel 10 und 17: 17,11 spricht Jesus den Vater als pavter a{gie an (vgl. auch 1Joh 2,2082), 10,36 wird der Sohn durch den Vater geheiligt und 17,17.19 formulieren die Heiligung durch den Vater und den Sohn selbst in analoger
74
MOLONEY, Signs 63. DOMERIS, Confession 164. 76 Vgl. auch COLLINS, Twelve 82 Anm. 52. Von dieser pragmatischen Dimension her scheint eine allzu negative Wertung dieses Phänomens als „‚Einebnung‘ des Simon Petrus“ (so WENGST Johannesevangelium I 261) nicht angemessen, zumal die Tendenz einer „Demokratisierung“ bzw. eine Funktion als Jünger-Typos ebenso auf der Linie des Matthäusevangeliums liegen (s.u. 5.3). 77 11,27; 16,30 bzw. Selbstbekenntnisse 8,24; 11,42; 14,10 vgl. auch D UNDERBERG, Synoptiker 172; zu ginwvskw und pisteuvw vgl. P OPP, Grammatik 411–414. 78 2,24; 4,53; 10,38 findet sich pisteuvw + ginwvskw in der gleichen Reihenfolge und die Verbindung beider Verben noch in 17,6–8 sowie 1Joh 4,16. 79 Vgl. 8,31; 16,27; 17,7 und 20,29. Zu 11,27 s.u. 6.1.3. 80 Zu diesem Aspekt s.a. P OPP, Kunst 587. 81 Darauf weisen auch SCHENKE, Schisma 118f., COLLINS, Figures 82 und B ENNEMA, Encountering 55. 82 Auffallender Weise steht auch 1Joh 2,20 durch den Anschluss an V.19 unmittelbar im Kontext des Schismas mit einer Gegenüberstellung von denjenigen, die weggegangen sind und den Adressaten, wie 6,69 im Rahmen des Johannesevangeliums erscheint dort ein im 1Joh singulärer Begriff. 75
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
101
Weise83. Joh 6 ist nicht nur durch seinen Kontext (s.o.) von diesem Thema bestimmt, sondern auch durch das absolute „Ich-bin“-Wort 6,20 wie die das Zentrum der Brotrede darstellenden prädikativen „Ich-Bin“-Worte 6,35.(41).48. An diese schließen sich dann jeweils Aussagen über die Einheit Jesu mit dem Vater (6,37–40.42–46) bzw. der eucharistische Abschnitt an. Da die Jünger in die beschriebene Einheit von Jesus mit dem Vater hineingenommen werden (z.B. 14,20f.), steht dieses christologische Thema in Zusammenhang auch mit ekklesiologischen Konsequenzen, die Joh 6 deutlich bestimmen: Unter pragmatischen Aspekten bildet die Betonung des Themas der Einheit daher ein Gegengewicht gegen das Thema der schismatischen Christologie wie gegen das Schisma an sich. Damit erweist sich das Petrus-Bekenntnis als Ausdruck spezifisch johanneischen Glaubens, v.a. fügt es sich kohärent ein in den christologischen Kontext des Johannesevangeliums insgesamt und des ab Joh 5 in hervorgehobener Weise thematisierten Verhältnisses von Vater und Sohn. Anlass zu einer negativen Deutung wenigstens von V.69 gab jedoch nicht nur der Vergleich mit der synoptischen Verwendung des johanneisch singulären Hoheitstitels (s.u. 4.1.2.2) anstelle des von Joh 1,20 an bis 20,31 zentralen cristov", sondern auch die Reaktion Jesu V.70f84. Doch bleibt zu fragen, inwieweit dies unmittelbar als Reaktion auf das Bekenntnis zu verstehen ist, da ein inhaltlicher Kommentar Jesu ausbleibt. Stattdessen wird in textpragmatischer Zielsetzung die Joh 6 gezogene Linie zum Abschluss gebracht: Gerade die Gleichzeitigkeit, das unmittelbare Verwobensein von Glaube und Verrat bzw. Abwenden weist auf eine Ambivalenz bis in die innersten Kreise hinein. Wird von V.60 an der JüngerBegriff auch auf schismatische Jünger angewandt, wodurch eine ideal gedachte Größe umgewertet wird, so wird diese Ambivalenz auch auf die Zwölf übertragen und damit auf die Spitze getrieben. Um- oder abzuwerten ist jedoch nicht das Bekenntnis an sich, sondern im Gegenteil: Dies würde dem beabsichtigten Kontrast und der damit herbeigeführten Ambivalenz gerade entgegenstehen. Korrigierende Funktion erhalten V.70f. v.a. mit dem Hinweis auf die Erwählung, die wie 13,18 den Verräter in scheinbar absichtsvoller Weise einschließt und wie 15,16.(19) die souveräne Tat Jesu betont, die allen Glaubensbekenntnissen in notwendiger Weise vorangehen muss. In pragmatischer Hinsicht wird hier die bereits dargestellte Linie verstärkt: Selbst unter den Erwählten befindet sich ein diavboloõ, ein Gegenspieler Jesu. Eine noch deutlichere Ambivalenz kann kaum ausgedrückt werden und angesichts der Situation des Schismas Warnung wie Trost zugleich sein. Zugleich fordert sie zum eige83
POPP, Grammatik 416 weist zu Recht daraufhin, dass dieser Subjektwechsel struktureller Bestandteil der Brotrede ist und von Gott zu Jesus als Gebendem hinführt. 84 Vgl. ANDERSON, Christology 229 u.ö.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
nen Bekenntnis heraus, d.h. konkret dazu, in das Bekenntnis des Petrus einzustimmen. d) Rolle und Funktion der Petrusfigur Die Ergebnisse der formalen wie inhaltlichen Analyse dieser zweiten Petrus-Szene lassen sich zu folgendem Petrusbild zusammenfügen: In analoger Funktion zu Philippus und Andreas V.5–9, allerdings mit dem Bekenntnis johanneischen Glaubens im inhaltlichen Gegensatz zu diesen, agiert Petrus in dem chiastisch zugeordneten Abschnitt V.67–71 gegenüber Jesus als Sprecher der Jüngergruppe um Jesus. Nur hier und Joh 20,24 kommt die Größe der Zwölf ins Spiel, die wie bei der Zuordnung zu Thomas Joh 20,24 Glaubensäußerungen in ein ambivalentes Verhältnis zu Zweifel (Thomas) oder gar Verrat (Judas) setzt. Petrus fungiert hier mit der Äußerung spezifisch johanneischen Glaubens als Kontrastfigur zu den schismatischen Jüngern einerseits und Judas andererseits85. Zugleich markiert er gegenüber den Jüngeräußerungen 6,7–9 einen deutlichen Fortschritt bzw. Höhepunkt der hier zu gewinnenden christologischen Erkenntnis. Damit wird eine Identifizierung der Adressaten mit Petrus erreicht, die in das hJmei'" und das Bekenntnis des johanneischen Glaubens einstimmen können und sich damit der Erfüllung von V.29, also des von Jesus angekündigten Werkes des Glaubens, gewiss sein dürfen. In der Aufnahme der Worte Jesu (hier besonders V.63, aber auch der vorangegangenen Aussagen zur Einheit mit dem Vater) und vorwegnehmend die Spitzenaussagen in Joh 10 und 17 zeigt sich Petrus als Prototyp eines hörenden, in nachösterlicher Perspektive verstehenden und glaubenden Jüngers. Zugleich bestätigt er damit johanneisches Kerygma bzw. konkret johanneische Soteriologie86, letztlich also das Johannesevangelium selbst87. Gleichzeitig steht Petrus jedoch für die Zwölf als eine Gruppe, die nicht geschlossen bei Jesus bleibt, sondern zu der wie bei den maqhtaiv V.60–66 die Trennung von der V.68 bekannten Quelle des Lebens hinzugehören kann. Der Glaube und sein Gegenpart in verschiedenen Facetten liegen nah 85
So kann man Petrus und Judas hier sehen als „Prototypen eines Verhaltens gegenüber Jesus, das der Evangelist in seiner Zeit als Treue bzw. Verrat wiedererkennt“ vgl. SCHNELLE, Johannes 155. POPP, Grammatik 431f. verweist darauf, dass Judas hier wie dann 13,18 als Gegenmodell zu einem rechten Verständnis der Eucharistie fungiert. Daraus ist zu schließen, dass Judas mit den schismatischen Jüngern auf eine Ebene gestellt wird und auch darin noch einmal zum Gegenpol des Petrus wird. 86 Vgl. auch SCHENKE, Johanneskommentar 143 s.a. 435, wobei es angesichts der Rolle des Lieblingsjüngers wohl etwas zu weit geht, „vom höchsten Repräsentanten der Jünger“ zu sprechen, durch den „auf diese Weise die ‚johanneische‘ Version des Evangeliums feierlich bestätigt“ werde. 87 S.u. 7.1.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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beieinander, so nah, dass sogar der innerste Kreis um Jesus als Spiegelbild für die innersten Gemeindekreise davon betroffen ist. Petrus bekennt daher nicht nur johanneischen Glauben, er steht auch für eine dramatische, ja traumatische historische Situation, die aktuell die Situation der Adressaten widerspiegelt. Letztlich aber repräsentiert er angesichts des Weggangs des schismatischen Gemeindeteils johanneisches Selbstverständnis als Äußerung einer profilierten Christologie und einer unmittelbar darauf bezogenen Ekklesiologie88. Ein davon zu unterscheidendes, durch Petrus repräsentiertes „petrinisches Christentum“89 ist daher in keinster Weise ersichtlich, vielmehr erweist sich diese These gerade aufgrund der Analyse von Joh 6 als unhaltbar. 4.1.2.2 Diachrone Analyse von Joh 6,67–71 a) Beobachtungen anhand von Struktur und Aufbau von Joh 6 In der Komposition von Joh 6 zeigt sich in der Abfolge von Speisung und 90 Seewandel eine Strukturanalogie zu Mk 6,30–54, wobei das genaue lite91 rarische Verhältnis strittig ist . Die Struktur von Joh 6,67–71 zeigt wiederum eine deutliche Analogie zu dem Zusammenhang von Mk 8,27–3392: Der Frage nach der Identität Jesu Mk 8,27f. entspricht die christologische Diskussion der johanneischen Brotrede im Ganzen, der Antwort Mk 8,28 das Bekenntnis der Menge Joh 6,14 sowie der Hinweis der Juden auf Jesu irdische Herkunft V.42 und implizit die Ablehnung sowohl der Juden als auch der schismatischen Jünger. Wie Mk 8,28f. bildet dies die Kontrastfolie zum Bekenntnis des Petrus, das szenisch und theologisch das Ziel des Abschnittes darstellt. Ebenso analog zu Markus findet in Joh 6 keine inhaltliche Bezugnahme Jesu auf das Bekenntnis statt, an die Stelle des markinischen Schweigegebotes tritt jedoch der Hinweis auf Judas als Mitglied der Zwölf. Dieser durch seinen Verrat ausdrücklich als diavbolo~ qualifizierte Gegenspieler Jesu stellt gleichzeitig den Bezug zur Passion dar (vgl. 13,2.18.21–30) und rückt so an die Stelle des satana' genannten, 88
P OPP, Grammatik 413 sieht hier folgerichtig ein „ekklesiologisches Selbstverständnis der joh. Gemeinde als geisterfüllter Glaubens- und Bekenntnisgemeinschaft“ gegeben. 89 S.o. Kapitel 2; s.a. SCHENKE, Schisma 111.121 im Zusammenhang von Joh 6. 90 Zur Deutung von Strukturanalogien zwischen Abschnitten im Johannesevangelium und synoptischen Evangelien s.o. S. 74 (3.4.3). 91 Dazu LABAHN, Lebensspender 293f., der m.E. überzeugend den Bezug zu redaktionellen markinischen Passagen aufzeigt, die demgegenüber starken Veränderungen bei Johannes aber im Rahmen seines Modells der secondary orality erklärt. 92 Dessen Fortsetzung V.34–38 wiederum wird in dem Dialog Jesu mit Petrus Joh 13,36–38 als Hinweis auf nur nachösterlich richtig verstandene Nachfolge in modifizierter Weise thematisiert.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
dem Leiden Jesu wehrenden Petrus Mk 8,32. Dies würde natürlich voraussetzen, dass Johannes die synoptische Tradition vorgelegen hat, was sich anhand sprachlicher Kriterien tatsächlich nicht verifizieren93, aber ebenso wenig ausschließen lässt. Die Frage ist allerdings, ob sprachliche Parallelen im Rahmen johanneischer Verarbeitung von synoptischer Tradition überhaupt zu erwarten wären oder ob das Johannesevangelium nicht grundsätzlich einen freien, kreativen Umgang mit seinen Traditionen zeigt. Sollte sich dieses Phänomen nicht willkürlichen, sondern theologisch motivierten, d.h. absichtsvollen Modifikationen verdanken, würde eine Kenntnis der synoptischen Tradition doch zumindest äußerst naheliegen. Diesen Verdacht scheint bereits die kritische Aufnahme der Erwählung der Zwölf aus synoptischer Tradition zu bestätigen: Johannes muss diese Tradition kennen, sonst hätte er sie nicht gezielt an bestimmten Stellen verwendet, obwohl sie insgesamt im Johannesevangelium keine Rolle spielen. Sowohl hier, in Joh 6,67–71 als auch in 20,24 kennzeichnen sie einen sich durch ambivalente Aspekte auszeichnenden Glauben94. Die Erwählung wird als souveräner, menschlichen Bekenntnissen vorangehender Akt Jesu betont, der jedoch keine Glaubenssicherheit beinhalten muss, sondern sogar den Verrat Jesu einschließen kann, was gleichgesetzt wird mit dem Abwenden vorheriger Jünger Jesu. Beides jedoch ist umschlossen vom Vorherwissen Jesu (s.o. S. 99) und steht so der genannten Souveränität nicht entgegen, sondern bestätigt sie vielmehr. Dass in Joh 6 anders als Mk 8 von den Zwölf und nicht den Jüngern die Rede ist, konnte bereits als notwendiges Strukturelement der johanneischen Komposition erwiesen werden: In der Abfolge der Personenkonstellationen Volksmenge bzw. Juden – Jünger – Zwölf – Petrus/Judas vollzieht sich eine Bewegung in konzentrischen Kreisen bis zum Kern der Jesusanhänger bzw. der johanneischen Gemeinde selbst95. Im Anschluss daran ist zu untersuchen, ob sich eine derartige Veränderung synoptischer Tradition auch für die Wahl des christologischen Hoheitstitels und den „Rollentausch“ von Judas und Petrus in der Rolle des Teufels bzw. Satans plausibel machen lässt. Dabei sind sehr verschiedene Möglichkeiten diskutiert worden, etwa eine konstruktive oder aber kritische Aufnahme von Mk 1,2496. Zusätzlich wäre zu fragen, wie mögliche 93
So u.a. DODD, Tradition 220f., jedoch ist daraus folgend nicht zwingend eine gegenseitige Unabhängigkeit anzunehmen. 94 S.u. 6.1.2. 95 S.o. 4.1.2.1 die synchrone Analyse zu Joh 6. 96 So beispielsweise bei SMITH, Controversies 145. Anhand der Ortsangabe ejn sunagwgh' … ejn Kafarnaouvm V.59, (worauf 18,20 Bezug zu nehmen scheint), könnte die Brotrede nicht nur in den Kontext der synoptisch bekannten Predigten Jesu in den Synagogen allgemein gestellt werden, sondern mit dem Verweis auf Kapernaum auch die Szenerie Mk 1,21–28 zum (Interpretations-)Hintergrund haben.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
105
Differenzen zu den synoptischen Darstellungen zu innerjohanneischer Logik bzw. Theo-logie ins Verhältnis zu setzen wären. b) oJ a{gio" tou' qeou' (Mk 1,24) als Interpretationsschlüssel für Joh 6,69? Inwieweit die Verwendung von oJ a{gio" tou' qeou' in Mk 1,24 für das Verständnis des johanneischen Petrus-Bekenntnisses herangezogen werden kann, hängt natürlich zunächst davon ab, welche christologischen Implikationen mit der Verwendung des Hoheitstitels bei Johannes verbunden sind. Alttestamentliche Parallelen im Zusammenhang mit Aaron (z.B. Sir 45,6; Ps 105,16LXX) führten dazu, eine hohepriesterliche Rolle Jesu zu postulieren97. Ein klarer Bezug zur johanneischen Christologie ist jedoch nicht ersichtlich, aJgiavzw ist wohl weniger im streng kultischen Sinne, sondern in erster Linie als Teil der Sendungsaussagen (s. 10,36) zu verstehen98. Die Vielfalt des alttestamentlichen Befundes steht jedoch einer Einschränkung auf priesterliche Funktionen entgegen, weswegen HAHN u.a. aufgrund der Nähe zur Elia-Tradition (1Kön 17,18LXX) eine alte, auf Jesus übertragene Vorstellung vom eschatologischen Propheten99 bevorzugt. Dagegen, dass diese Deutung im jetzigen Kontext noch eine Rolle spielen könnte, spricht jedoch die eher kritische Aufnahme der Propheten-Konzeption im Rahmen von Joh 6 selbst (V.14f.) bzw. die Verwendung dieses Titels 4,19 und 9,17. Dies bestätigt nochmals, dass der Titel im johanneischen Sinne zwar an Jesus herangetragen wurde, aber erst den Beginn eines christologischen Erkenntnisprozesses anzeigt100. Zwar wäre es theoretisch möglich, dass sich unter dieser Prämisse eine implizite Kritik an Petrus und dem von ihm verwandten Hoheitstitel feststellen ließe, doch fragt sich, ob den Adressaten ausgerechnet dieser eine Bereich des alttestamentlich weitgestreuten Vorkommens von oJ a{gio" gegenwärtig war101.
97
Dazu vgl. die Diskussion bei HAHN, Hoheitstitel 236–241 und SCHNACKENBURG Johannesevangelium II 111. 98 HAHN, Hoheitstitel 235 Anm. 1. Eine in das Sendungskonzept integrierte „rudimentäre hohepriesterliche Christologie“, wie sie sich dann auch in 10,36 und 17,19 zeigen würde, ist jedoch nicht auszuschließen, vgl. auch HENGEL, Frage 190f. 99 HAHN, Hoheitstitel 237f. S. 228 Anm. 4 sieht Hahn darum in dem Joh 6,69 enthalten Verständnis ein Zwischenglied zwischen Mk 8,27a.29b.33 und 8,27b–29 vor sich. 100 Daher wäre es in Analogie zu Joh 4 und 9 plausibler, wenn das Petrus-Bekenntnis ebenso einen Erkenntnisfortschritt zeigen würde. 101 Insgesamt weisen die alttestamentlichen Stellen Bezüge sowohl zu Aaron als auch zu prophetischen Gestalten wie Elia oder anderen Figuren wie Samson auf. Darum scheint mir das hinter all diesen Funktionen zu sehende „Office of the Holy One“ im Sinne eines „agent of God“ s.u. als „representative“ (u.a. D OMERIS, Office 36) zutreffender s.u.
106
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
ANDERSON dagegen sieht Mk 1,24 als Bestandteil einer davidischen, d.h. theokratischen Messianologie102, welcher der johanneische Jesus mit seiner Reaktion V.70f. widerspricht. Diese Reaktion Jesu erwies sich jedoch nicht als inhaltliche Korrektur, sondern als Zielpunkt der konzentrischen Struktur Joh 6,22–71103. Da die V.70f. tatsächlich zum Ausdruck kommende Ambivalenz auf die Zwölf als eine den Verräter einschließende Größe zu beziehen ist, kann auch dieser Weg nicht nachvollzogen werden, Mk 1,24 als hermeneutischen Schlüssel für Joh 6,69–71 heranzuziehen. Grundsätzlich ist zu fragen, ob nicht angesichts des kreativen Umgangs des Johannesevangeliums mit vorliegenden Traditionen diachrone Aspekte letztlich nur im Rahmen der johanneischen Christologie und Soteriologie wirklich sinnvoll erklärt werden können und darum auch in erster Linie dort nach einem schlüssigen Verstehenshorizont gesucht werden sollte. Dies konnte in synchroner Hinsicht bereits aufgezeigt werden und kann auf andere Weise auch diachron erhellt werden: Was zunächst den alttestamentlichen Hintergrund betrifft, so zeigt sich im Johannesevangelium insgesamt, aber auch konkret in Joh 6,45, eine starke Affinität zur Theologie Deuterojesajas104. Die dort zu findenden Gottesprädikationen sind nach DOMERIS u.a. vor dem Hintergrund der Repräsentation Israels durch JHWH im Rahmen der Götterversammlung und der damit verbundenen Gerichts-Funktion sowie der Vermittlung zwischen göttlicher und menschlicher Sphäre zu verstehen105. Beide Motive können im Kontext von Joh 6 sinnvoll interpretiert werden: Zum einen führt der festgestellte Fokus auf der Einheit Jesu mit dem Vater die das Heilige vermittelnde Funktion im Rahmen johanneischer Christologie (besonders der Sendungsaussagen) schlüssig fort. Zum anderen kann die Gerichtsfunktion Jesu als Inhalt des Petrus-Bekenntnisses im Kontrast zu Judas und den schismatischen Jüngern als plausible Funktion Jesu gelten und würde zudem kohärent zu der auch an anderen Stellen betonten Richter-Funktion passen106. In analoger Weise kann dieser Aspekt bereits als Erkenntnis des Dämons Mk 1,24 gelten; dies würde bedeuten, dass Johannes den markinischen Kontext tatsächlich – aber in spezifisch johanneischer Konstellation – mit einbezogen hätte107. Eine antipetrinische Tendenz resultiert so aus diesem möglichen 102
ANDERSON, Sitz im Leben 50ff. bzw. DERS., Christology 227 bzw. zusammenfassend 259. 103 S.o. 4.1.2.1. 104 Dazu u.a. P OPP, Grammatik 343f., 417; deutlich wird dies auch an Deuterojesaja als wichtigem (wenn auch nicht alleinigem) traditionsgeschichtlichem Hintergrund der „Ich-Bin“-Worte (dazu u.a. THYEN, Licht; DERS., Art. Ich-bin-Worte oder B ALL, ‚I Am‘). 105 DOMERIS, Office 37f., DERS., Confession 159. 106 Z.B. Joh 5,22.30; 8,16 u.ö. 107 Dafür könnte auch die analoge Lokalisierung anhand der Synagoge von Kapernaum sprechen (Mk 1,21 vgl. Joh 6,59).
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
107
intertextuellen Bezug nicht108. Denn vielmehr kommt umgekehrt die „dämonische“ Rolle im Gegensatz zu Mk 8,32 nicht Petrus, sondern Judas zu, was dem johanneischen Dualismus zwischen Glauben und Unglauben geschuldet ist. Entsprechend stehen sich hier das Bekenntnis des Petrus, das johanneischen Glauben zum Ausdruck bringt und der Verrat des Judas bzw. das christologische Schisma entgegen, weswegen letzterem und nicht Petrus die „diabolische“ Rolle zukommt. Eine Aufnahme, aber auch – wohl bewusste – Modifikation markinischer Vorlagen kann daher festgehalten werden und spricht für deren Kenntnis durch Johannes109. Dass dabei die Christus-Prädikation der Synoptiker ersetzt wurde, wird mit der bereits festgestellten110 „Demokratisierung“ zu tun haben, da ein ChristusBekenntnis nicht Petrus allein, sondern 1,41 Andreas, 4,25(.29) der Samaritanerin und 11,27 Marta in den Mund gelegt wurde. Eine fehlende Kenntnis des synoptischen Bekenntnisses111 kann damit nicht erwiesen werden. Ein Gegenstand weiterer Diskussion ist jedoch das Verhältnis zur matthäischen Version des Petrus-Bekenntnisses. c) Mt 16,16–18 als Hintergrund von Joh 6,68f.? Zahlreiche Textzeugen allerdings sekundären Charakters zeugen von Versuchen, Joh 6,69 mit dem matthäischen Petrus-Bekenntnis zu harmonisieren. Doch die Frage ist: gehen die trotz ihrer Parallelität sich deutlich unterscheidenden Versionen auf den jeweils unabhängigen Rückgriff auf petrinisches Material112 oder auf bewusste Korrektur (in diesem Fall der matthäischen Version) zurück113? Genaueres kann nur auf der Grundlage eines vergleichenden Textbefundes festgestellt werden:
108
Gegen beispielsweise ANDERSON (s.o. S. 108), DROGE, Peter 308 Anm. 7 und SNYDER, Anti-Petrinism 11. Die von Snyder hergestellte Verbindung zu Joh 6,70 (oujk ejgw; uJma'" tou;" dwvdeka ejxelexavmhnÉ kai; ejx uJmw'n ei|" diavbolov" ejstin) zielt jedoch in erster Linie auf Judas und in zweiter Linie auf das Gesamt der Zwölf, deren Sprecher Petrus ist. 109 Laut DUNDERBERG, Synoptiker 172 gilt dies aber nicht für die Leser, da diese sonst die dämonische Aussage von Mk 1,24 assoziiert hätten. Dagegen ist zu sagen, dass gerade Änderungen gegenüber Bekanntem zunächst zu Verunsicherung und nachfolgend zu fortgeschrittener christologischer Erkenntnis führen können und daher intendiert sein könnten. 110 S.o. Kapitel 1.3. und 4.1.1.2. 111 Gegen WENGST, Johannesevangelium I 260. 112 So B ROWN, John I 301, der in der johanneischen Fassung sogar gegenüber Matthäus primitiveres Material vermutet. 113 Dies postuliert ANDERSON, Christology, insbesondere 233–240. Dagegen u.a. B ARRETT, John 306, der eine Kenntnis des matthäischen Sondergutes ausschließt oder auch SCHNACKENBURG II 111, der eine solche nicht erkennen kann.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Viele Parallelen mit Matthäus sind hierbei Markus analog, so entspricht z.B. Joh 6,15 nicht nur Mt 16,13f., sondern auch dessen Vorlage Mk 8,27f. Darüber hinaus vermerken BROWN114 und ANDERSSON115 matthäische Motive, die sich entweder in Joh 6 oder auffälligerweise auch gerade anderswo im Johannesevangelium finden: (1) Bemerkenswert ist in der Tat, dass dem Christus-Bekenntnis Mt 16,16 nicht ein analog Joh 6,68f. von Petrus gesprochenes entspricht, sondern die Bekenntnisse des Andreas 1,41 oder der Marta 11,27. Doch ist die Frage, ob sich dies im Sinne einer Abwertung des Petrus oder einer mit ihm verbundenen Theologie (so z.B. ANDERSON) erklären lässt oder aber eine spezifische Funktion im Rahmen johanneischer Darstellungsabsichten zu erkennen ist116. Der Seligpreisung des Petrus Mt 16,17 entsprechen johanneische Makarismen wie in 13,17 oder 20,29. Doch lässt sich dieses Entsprechungsverhältnis nicht auf Mt 16,17 eingrenzen, da die weiteren zahlreichen matthäischen Makarismen einbezogen werden müssten, die Mt 16,17 so zu einer inner-matthäischen Kontrastfolie werden ließen bzw. ähnlich „demokratische“ Züge tragen wie die johanneischen Seligpreisungen. (2) Die Unabhängigkeit der jeweiligen Tradition über den Vater des Petrus (Sivmwn Bariwna' Mt 16,17 – oJ uiJo;" ÆIwavnnou Joh 1,42) ist bereits festgestellt worden, das gleiche gilt für das Felsenwort Mt 16,18117. (3) Die Wendung sa;rx kai; ai|ma ebenfalls Mt 16,17 ist schwerlich mit sa;rx oujk wjfelei' oujdevn Joh 6,63 zu korrelieren und ebenso wenig mit Joh 1,13. (4) Johanneische Ekklesiologie (z.B. anhand von Joh 10 oder 19,25–27) dem matthäischen Felsenwort oder der Übergabe der Schlüssel des Himmelreichs entgegen zu setzen lässt in der Tat jeweils verschiedene Ausrichtungen erkennen, aber beweist keinerlei Kenntnis der matthäischen Motive. Damit einher geht die m.E. nicht eindeutig zu beantwortende Frage nach einer Korrektur118 von Matthäus durch Johannes. (5) Die sowohl in Mt 16,19 als auch 18,18 und Joh 20,23 vorkommende Tradition vom Binden und Lösen weist zunächst auf eine innermatthäische Diskussion und erweist keinen direkten Zusammenhang zwischen Matthäus- und Johannesevangelium.
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BROWN, John I, 301f. ANDERSON, Christology 240. 116 S.o. 4.1.2.1 zum Petrus-Bekenntnis im Rahmen johanneischer Theologie und s.u. Kapitel 6 zum johanneischen Jüngerbild. 117 S.o. 4.1.1.2 (2). 118 So Anderson anhand tabellarisch aufgezeigter der Unterschiede: „Matthew 16:17– 19 and its ‚Christocratic Correctives‘ in John“ ANDERSON, Christology 240. 115
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
109
(6) Zum Vergleich von 16,16–18 mit Joh 21 ist an dieser Stelle auf die 119 Bemerkungen im Rahmen von Joh 21 zu verweisen. Eine Kenntnis der in Mt 16,16–19 vorliegenden Komposition kann dementsprechend nicht vorausgesetzt werden, lediglich dem Wort vom Binden und Lösen Mt 16,19 und Joh 20,23 wird unabhängig voneinander eine gemeinsame Tradition zugrunde liegen. ANDERSON (s.o.) ist allerdings dahingehend Recht zu geben, dass sowohl Joh 6,68f. als auch im übrigen Johannesevangelium eine radikalere Christozentrik zu finden ist als Mt 16. Doch kann dieses allgemein johanneische Phänomen nicht als eine bewusste Korrektur erwiesen werden, geschweige denn dient die Darstellung der Petrusfigur einer derartigen korrigierenden Absicht. 4.1.2.3 Zusammenfassende Ergebnisse der Analyse von Joh 6,67–71 Sowohl die synchrone als auch die diachrone Analyse erweisen die Petrusfigur als Repräsentanten johanneischen Glaubens: inhaltlich entspricht das Bekenntnis genuin johanneischer Christologie bzw. Soteriologie und im Rahmen der Erzählstruktur kann sich die durch das Schisma gegangene johanneische Gemeinde mit dem bekennenden – und dennoch vom Verrat bedrohten – Kern der Glaubenden identifizieren. Die Aufnahme (deutero-)jesajanischer Tradition analog zum Mk 1,24 verwendeten christologischen Hoheitstitel oJ a{gio" tou' qeou' stellt gegenüber dem markinischen Kontext als neuen Aspekt insbesondere die Heiligung heraus, und zwar beschrieben als Einheit im Rahmen der Sendungsaussagen und als wechselseitiges Wirken von Vater und Sohn. Die in Mk 1 über den Dämon ausgeübte Gerichts-Funktion bezieht sich in Joh 6 letztlich auf den schismatischen Gemeindeteil und fügt sich in das johanneische Bild Jesu als Richter. Auch synoptisch verwandte Bausteine dienen dementsprechend – wie die Rolle der Petrusfigur insgesamt – nicht der Integration einer sogenanntes „petrinisches“ oder „großkirchliches“ Christentum repräsentierenden Tradition, sondern der Profilierung johanneischer Theologie. Indem Judas und nicht Petrus der satanische Part zukommt, wird die markinische Version sogar partiell korrigiert und der johanneischen Darstellungsabsicht quasi unterworfen120. Ob dies zugleich impliziert, dass die somit veränderte Vorlage den Adressaten unbekannt war121, ist jedoch fraglich: Gerade eine dem Bekannten zuwiderlaufende 119
S.u. 4.1.6.2. So auch DUNDERBERG, Johannes 172, der daraus in gleicher Weise folgert: „Eher geht es um die Aufnahme und Anpassung einer synoptischen Geschichte für die joh Gemeinde(n)“. 121 Gegen DUNDERBERG, Johannes 172. 120
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Darstellung kann noch deutlichere Akzente setzen, indem sie die Adressaten zunächst irritiert, dann ein vorhandenes Bild destruiert und schließlich korrigiert. 4.1.3 Analyse von Joh 13,1–11.21–30.36–38 4.1.3.1 Synchrone Analyse von Joh 13,1–11.21–30.36–38 a) Kontext und Struktur der Perikope Bereits vorbereitet durch die johanneisch modifizierte GethsemaneReminiszenz 12,27122, die den Beginn der „Stunde“ markiert, eröffnet Joh 13 den Kontext der Passion. Die Eingangsverse 13,1–3 fungieren hierbei als hermeneutischer Schlüssel nicht nur für das folgende Kapitel 13, sondern den Komplex der Abschiedsreden, (die gattungsgemäß auf der literarischen Ebene den Tod Jesu vorbereiten bzw. theologisch nachbereiten), und der Passion im Ganzen. Dazu stimmt das Setting, angedeutet durch den zeitlichen Neueinsatz pro; de; th'" eJorth'" tou' pavsca und den Mahlkontext (kai; deivpnou ginomevnou V.2, deutlicher noch V.18.26f. in Verbindung mit dem Verrätermotiv). Programmatisch wird die Passion Jesu interpretiert als „Stunde“ (V.1)123 des „Weggangs zum Vater“ (V.1.3), eine naturgemäß die weiteren Kapitel der Abschiedsreden bestimmende Thematik (13,33.36; 14,12.28; 16,10.17.28). Durch das betont wiederholte ajgapavw erhält dies seine Sinnbestimmung als Akt der Liebe (vgl. Joh 3,16) zu den tou;" ijdivou" (13,1 vgl. 10,3f.12; 19,27). Der steigernde Zusatz eij" tevlo" bezeichnet nicht nur zeitliches Ende, sondern auch Erfüllung und stellt darin einen weiteren Hinweis auf Passion bzw. Kreuz 124 dar (vgl. tetevlestai 19,30). Die im folgenden Abschnitt V.4–11 als Sklavendienst konkretisierte Liebe erregt zwar zunächst Widerspruch (zur Rolle des Petrus s.u. d); doch in Verbindung mit VV.31–35 wird sie nicht nur zum Leitthema der Passion, im Sinne der Beziehung Jesu zu den Seinen, sondern auch zum Kriterium für die Beziehung der Seinen untereinander, die wiederum von außen als solche wahrgenommen werden soll (V.35). Christologie und Ethik bzw. Ekklesiologie stehen wie insgesamt im Johannesevangelium in einem engen – sich entsprechenden – Verhältnis. Darin eingeschlossen ist das Thema des Verrats, das Joh 13 ebenso durchzieht (V.2.10f.18f.21–26). Im Verhältnis zu 6,70f. zeigt sich hier eine Analepse 122
Dazu FREY, Evangelium 89f. S.o. 11,27. Insgesamt durchziehen das ganze Johannesevangelium proleptische Verweise auf die Stunde (besonders 2,4; 5,25.28; 7,30; 8,20; 16,32), deren Beginn nun einen neuen Abschnitt markiert. 124 Fraglich ist, ob schon die Nacktheit Jesu V.4 (vgl. T HOMAS, Footwashing 87) oder auch das V.4f. betont wiederholte diazwvnnumi in Verbindung mit dem 21,18 ebenfalls wiederholten zwvnnumi als Hinweis auf das Kreuz gesehen werden kann. 123
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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mit komplementierender Funktion125, die allerdings anstelle der schlichten Gleichsetzung des Judas mit dem diavbolo" letzteren nun als Ursache des Verrates bezeichnet. V.2 stellt so zugleich – wie die Eingangsverse insgesamt – die Fußwaschung proleptisch in Verbindung mit dem Tod Jesu. Dem paradivdwmi des Verräters (V.2.11.21 und dann in der narrativen Umsetzung Joh 18) steht jedoch V.3 das bewusste und souveräne Handeln Jesu entgegen. Dem entspricht die analoge Prolepse126 V.11, wo der Verrat wie Joh 6,64.71 von Jesus vorausgewusst wird und zum Gegenstand ekklesiologischer Ausführungen bzw. soteriologischer Konsequenzen127 wird. Der Verrat wird als schriftgemäß bestätigt (V.18) und ist als Teil der Sendung Jesu zu verstehen, was auch erklärt, dass Judas wie die anderen Jünger erwählt ist (V.18128 vgl. 6,70). V.21–30 kündigt Jesus den Verrat nicht nur an, sondern erfüllt sogar noch die Bedingung der Möglichkeit seiner Ausführung, indem er in wortwörtlicher Entsprechung zu seiner Ankündigung aktiv Judas das Brotstück gibt: als Auftakt für eine insgesamt heilvolle Tat, der Überwindung des Todes129 durch den Tod. Joh 13 zeigt so bereits V.1– 3 und daran anschließend weiter ausgeführt das ganze Heilsdrama der Passion auf, in dem Jesus der Hauptakteur und andere Figuren letztendlich Statisten sind – im Fall der Jünger allerdings in der Rolle von Heilsempfängern. Davon unbenommen zeigt sich anhand der Struktur des Kapitels und insbesondere der Dialoge, dass einige christologische (und ekklesiologische) Aspekte keinen selbstverständlichen Konsens darstellten, sondern in der johanneischen Darstellung profiliert werden mussten. Als ein Strukturmerkmal erweisen sich die V.6 (Petrus), V.12 (Jesus) und V.36 (wiederum Petrus) gestellten Fragen, die V.6–11 und V.36–38 in Dialoge, V.12 in einen der Monologe übergehen. Durch den Erzähler-Kommentar und dia; tou'to ei\pen V.11 abgeschlossen folgt auf den Dialog Jesus – Petrus reine Jesus-Rede, in deren Mittelpunkt V.15 die Fußwaschung als ein 125
Vgl. TOLMIE, Farewell 152. Insgesamt auffallend ist in Joh 13,1–38 die Häufung von Analepse und v.a. Prolepsen, d.h. narratologisch gesprochen Varianten der „order“ im Rahmen zeitlicher Darstellung. Dies weist auf eine gewisse Scharnierfunktion dieses Kapitels (s.u. S. 113 Kap. 4 Anm. 139), und unterstreicht v.a. den planvollen Gang der Ereignisse und darin Jesu Souveränität (s.a. Joh 18,1–11 s.o. 4.1.4.1). Dieselbe Funktion erfüllt die Zusammenfassung der Passionsereignisse 13,1–3 als Vorausschau formuliert: Die Dauer (narratologisch „duration“) der Erzählzeit ist sehr viel kürzer und demzufolge konzentrierter als die erzählte Zeit der Ereignisse. 127 Zur pragmatischen Funktion dieser Verse im Hinblick auf die Adressaten s.a. KÜGLER, Jünger 134. 128 Zur Diskussion um die Frage der Erwählung des Judas und damit die Lesart von V.18 vgl. B ARRETT, John 444. 129 Dazu wäre auf die vergleichbare Ausdrucksweise ejtaravcqh tw'/ pneuvmati 13,21 und ejnebrimhvsato tw'/ pneuvmati kai; ejtavraxen eJauto;n 11,33 zu verweisen, auch 12,27 steht taravssw im Kontext der Stunde als Ziel der Sendung Jesu. 126
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Beispiel für das Tun der Jünger erscheint. Thematisch könnte man durch die Inclusio von Wissen und Tun V.3–5 und V.16f.130 sowie das wiederkehrende Verratsthema V.18 nochmals eine Untergliederung in V.12– 17.18–20 vornehmen, wobei im Zentrum von V.18–20 das absolute „Ichbin“-Wort V.19 steht. V.21 erfolgt wiederum ein Wechsel zu einem narrativ-dialogischen Abschnitt: Die direkte Charakterisierung ejtaravcqh tw'/ pneuvmati kai; ejmartuvrhsen (vgl. 11,33) eröffnet eine neue Handlungssequenz, mit einem doppelten ajmh;n ajmhvn131 wird sowohl der Abschnitt in V.20 abgeschlossen als auch V.21 mit dem aus V.2.18 aufgegriffenen Thema des Verrats eingeleitet. Mit dem Abtritt des Judas und wie V.12 einem durch dia; tou'to ei\pen eingeleiteten kurzen Rückblick auf das vorangegangene Geschehen findet sich V.31–35 eine neue Jesus-Rede, in deren Zentrum das V.15 analog konstruierte Liebesgebot V.34 steht. Inhaltlich wird so zugleich aus V.1–3 die Liebe Jesu zu den Seinen und sein Weggang (in V.33) aufgenommen. Darauf bezieht sich schließlich der Dialog Jesus – Petrus zurück, der damit zum ersten Mal explizit das (implizit durch die Applikation der Fußwaschung und das Verrats-Thema vorhandene) Thema der Nachfolge in den Blick nimmt. Daraus ergeben sich folgende abzugrenzende Abschnitte: A: V.1–5
Einleitung und Fußwaschung
B1: V.6–11
Dialog Jesus – Petrus mit abschließendem Erzählerkommentar
C1: V.12–20 Monolog Jesu: das Paradeigma B2: V.21–30 Dialog Jesus – Jünger, darin Petrus und der Lieblingsjünger C2: V.31–35 Monolog Jesu: das Liebesgebot B3: V.36–38 Dialog Jesus – Petrus Die Abfolge von monologischen Teilen mit dialogischen Teilen entspricht typisch johanneischer Darstellungsweise, wobei sowohl Dialoge als auch reine Jesusrede in deutender Funktion stehen. Auf diesen Deutungen liegt schon vom Umfang her das Gewicht der Perikope132, trotz der jeweils recht detailreichen narrativen Darstellung V.2–5.23–26.30, die nicht nur den
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MOLONEY, Structure 4. Auch an anderen Stellen kann ajmh;n ajmhvn sowohl abschließende (1,51; 8,58; 13,38) als auch eröffnende Funktion haben (so den Beginn eines längeren Redegangs 8,34; 10,1 oder eines Unterabschnittes 10,7; 13,21; 16,20); in vielen Fällen geht es allerdings nur um die an allen Stellen zutreffende Unterstreichung der Worte Jesu. 132 Ähnliches lässt sich besonders Joh 4,1–42; Joh 6; Joh 9 beobachten. 131
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
113
Ablauf des Heilsdramas veranschaulicht, sondern die jeweiligen Personen (Jesus, Lieblingsjünger, Judas) direkt und indirekt charakterisiert. Strittig ist hierbei das Verhältnis der deutenden Weiterführungen zueinander133 und insbesondere die Stellung und Funktion der Abschnitte C2 und B3 (V.31–38). Einerseits wird traditionellerweise der Beginn der ersten Abschiedsrede in 13,31 angesetzt134, wofür u.a. anzuführen ist, dass besonders der Dialog Petrus – Jesus V.36–38, der in den Jüngerfragen 14,5.8. formal und inhaltlich seine Fortsetzung findet, in jedem Fall einen hermeneutischen Schlüssel für Kap. 14 darstellt. Doch sprechen andererseits auch einige Indizien dafür, V.31–38 als integralen Bestandteil von Joh 13 anzusehen: in formaler Hinsicht sind dies vorrangig die ajmh;n ajmhvnWorte V.21 und V.38135, die sowohl einleitende als auch V.38 abschließende Funktion haben136. Analog zu V.12 schließt wie oben beobachtet V.31 mit o{te ou\n und einem Rückverweis sowie dem vorausgesetzten Subjekt (Judas) an das Vorangegangene an, ist also nur als Teilzäsur zu sehen. Thematisch fällt die doppelte Inclusio in der Abfolge Liebe Jesu – Missverstehen V.1.6–11 und V.34.36–38 auf137. Dazu zeigte sich die starke formale wie inhaltliche Korrespondenz von V.34 mit V.15. Das durch Petrus repräsentierte Jüngerunverständnis durchzieht das ganze Johannesevangelium in seiner vorösterlichen Darstellungsebene, ebenso prägt das Thema des Weggangs von 13,1 an die folgenden Abschiedsreden. Daher sprechen diese Zusammenhänge also nicht nur für die Zusammengehörigkeit von 13,1–38138, sondern vielmehr für eine Scharnier-Funktion des Abschnittes V.31–38, der so 13,1–30 mit 14–17 verbindet139. b) Charakterisierung Die Protagonisten in Joh 13 sind Jesus und die V.1 als tou;" ijdivou" bezeichneten Jünger, unter ihnen werden namentlich nur Judas in der Rolle des Verräters und Petrus genannt. Eine Kontrastierung dieser beiden scheint sich hier aber im Gegensatz zu Joh 6 nicht zu ergeben140. Als „Gegenspieler“ haben Jesus auf der einen und Judas auf der anderen Seite zu
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S.u. die diachrone Analyse 4.1.3.2. Hierzu u.a. die Diskussion bei T HYEN, Johannesevangelium 603. 135 Vgl. MOLONEY, Structure 10 u.ö. 136 S.o. Kap. 4 Anm. 131. 137 Vergleichbar dazu auch die Analysen bei MOLONEY, Structure. 138 Gegen T HYEN, Johannesevangelium 603.614. 139 Vgl. auch TALBERT, John 203 mit Hinweis auf Lukian. 140 Gegen B LAINE, Peter 67, der die Bereitschaft des Petrus, sein Leben hinzugeben, Judas’ Verrat entgegenstellt. 134
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
gelten. Dem entspricht, dass diese nur direkt, Petrus und der Lieblingsjünger jedoch auch indirekt charakterisiert werden141. V.1–11 V.5 sind pauschal alle Jünger im Blick, V.6 richtet sich der Fokus stellvertretend auf Petrus: Ausgelöst durch das Handeln Jesu spielt sich nur zwischen Petrus und Jesus das typische Jüngerunverständnis ab. Als Sprecher der Jünger ergreift Petrus die Initiative und löst so das Gespräch über den Sinn der Fußwaschung aus. Diese typische Funktion einer Jünger-Frage findet sich an vielen Stellen des Johannesevangeliums, neben Petrus stehen auch andere Jünger an dieser Stelle (z.B. Thomas 14,5)142. Diese lösen einen Dialogoder Monolog aus, der in der Form der Jesus-Rede zentrale theologische Aussagen zur Darstellung bringt. Die johanneisch zwar übliche Anrede kuvrie V.6 schärft in dieser Konstellation aber sicherlich den Kontrast zwischen dem Dienst Jesu und der Hoheit Jesu, unterstrichen durch die Voranstellung des suv143. Der V.7 folgende Hinweis Jesu auf das Verstehen meta; tau'ta stellt eine Prolepse in Bezug auf die nachösterliche Zeit und damit eine Leerstelle dar, die Petrus mit den Jüngern gleichstellt (s.a. 2,22; 12,16)144. In pragmatischer Hinsicht werden u.a. durch den hermeneutischen Schlüssel 13,1–3 die bereits jetzt verstehenden Leser ihres nachösterlichen Standpunktes vergewissert. Der nächste Gesprächsteil V.8 unterstreicht in der Verneinung ouj mh; in Verbindung mit dem eij" to;n aijw'na noch einmal, wie Petrus die Bedeutung der Fußwaschung als Vorabbildung des Todes und so Jesu Hoheit in Niedrigkeit missversteht. Damit gibt er den Anlass für Jesu zentrale Aussage, die an den Erweis seiner Liebe (und damit seinen Tod) die Gemeinschaft mit ihm bindet145. Dem stimmt Petrus V.9 zwar zu146, er begreift jedoch nicht, dass die Fußwaschung bereits für das Ganze steht. 141
Darauf weisen zum einen die Erzählerkommentare, besonders V.2, wo Judas als „Agent“ des Teufels eingeführt wird, und die mit hoher Autorität verbundene Jesusrede V.10f., der auf gleicher Ebene das Schriftzitat V.18 entspricht. V.21ff. wird der Verrat des Judas zum Anstoß der ganzen Teilszene, die Petrus und den Lieblingsjünger (und nicht Petrus und Judas) einander zuordnet. Jesus-Rede und Erzählerkommentare VV.28–30 beenden dann das Drama in diesem Kapitel, insbesondere durch den bedeutungsvollen Zusatz h\n de; nuvx. Dagegen verbinden sich mit Petrus und dem Lieblingsjünger neben direkter Charakterisierung durch Jesusrede über Petrus (V.36.38) oder den Erzählerhinweis auf die Position des Lieblingsjüngers V.23 auch Elemente indirekter Charakterisierung: so V.25 die Frage des Lieblingsjüngers und V.6–9.36f. die Petrus-Reden. 142 S.u. Kapitel 6. 143 Vgl. KÜGLER, Jünger 129; analog findet sich dies z.B. 2,20; 3,10. 144 Zu diesem Thema s.u. 6.2. 145 KOHLER, Kreuz 212 betont hierbei zu Recht das „Ich“ Jesu als Urheber des Heils. Zum Verständnis von mevro" metÆ ejmou' als der Taufe analoge Beziehungsstruktur findet
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
115
Darauf folgen weitere, sich schließlich in der Formulierung an alle Jünger richtende Aussagen: V.10 wird zwar formal noch Petrus angesprochen, dann findet jedoch ein Wechsel zum unpersönlichen Partizip bzw. der 2. Person Plural statt, der sich V.11 als Abschluss dieser (Teil-)Szene fortsetzt. Als Adressaten des Handelns und Redens Jesu haben also zu gelten: V.5 die Jünger – V.7f. Petrus – V.10f. Petrus im Übergang wieder zu den Jüngern. Petrus erscheint im wahrsten Sinne des Wortes als „Medium“ d.h. in der Mitte der Jünger, um deren Rolle deutlich zu machen. Die zwischendurch erfolgte Nahaufnahme wird schließlich wieder ausgeblendet und durch den Blick auf das Ganze abgelöst. V.21–30 In dieser Szene reagiert Petrus wieder wie 6,68 und V.6 stellvertretend für die Jünger, die Jesu Hinweis V.21 nicht einordnen können (V.22). Diese seit 6,70f. (und nachfolgend 13,2.10f.18) unklare, allerdings für die Adressaten geklärte Frage der Identität des Verräters wird nun narrativ ausgestaltet. Wie in Kapitel 1 findet hier eine Dreierkonstellation mit Jesus, dem Lieblingsjünger und Petrus statt, die Vermittlung zwischen Petrus und Jesus übernimmt diesmal der Lieblingsjünger. Das im Anklang an 1,18 ein147 geführte kovlpo"-Motiv lässt ihn in der Funktion des Hermeneuten Jesu erscheinen, so wie Jesus wiederum der Hermeneut Gottes ist. Im Gegensatz zum Lieblingsjünger oder auch Judas (V.26.30, besonders durch die Zeitangabe h\n de; nuvx) wird Petrus nur darin beschrieben, dass er dem Lieblingsjünger winkt148, um die Bedeutung des Ganzen zu erfragen. Der Lieblingsjünger scheint jedoch nicht Teil dieser Gruppe zu sein, für die Petrus spricht149. Einen eigenen Redeanteil bekommt Petrus hier wiederum nicht zugestanden, an diese Stelle tritt die Frage des Lieblingsjüngers „Herr wer ist’s?“ (V.25). Jesu Antwort erfolgt wiederum (s.o. 13,10) an alle Jünger, die jedoch trotzdem noch nicht verstehen (V.28)150. Wie schon sich bei BEUTLER, Heilsbedeutung 198 eine systematisierende Darstellung der Bandbreite der diskutierten Interpretationen. 146 In Joh 18,10f.17.25.27 wird er angesichts von Schwertstreich und Verleugnung gerade an der Frage der Gemeinschaft mit Jesus scheitern, durch den Protest gegen die Notwendigkeit des Todes bzw. die Verleugnung des Jüngerseins angesichts des Todes. Im Scheitern aber (s.a. am Kreuz 16,32) steht er prototypisch für die Rolle der (vorösterlichen!) Jünger. Zum pars pro toto stehenden Kopf T HOMAS, Footwashing 96f. 147 Von 21,24 her gesehen ist die dargestellte hermeneutische Kompetenz des Lieblingsjüngers deckungsgleich mit dem hermeneutischen Anspruch des Johannesevangeliums selbst, dazu s.u. 7.1.2. 148 S.o. Kap. 2 Anm. 251. 149 Darauf verweist zu Recht u.a. SNYDER, Antipetrinism 12. 150 V.28 schließt hierbei wie 20,8 nicht den Lieblingsjünger ein s.u. 6.2 zum Gegenüber von Petrus und Jüngern einerseits und Lieblingsjünger andererseits. Das Unver-
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
in 1,40–42 geschieht also alles in indirekter, vermittelter Kommunikation. Petrus und der Lieblingsjünger haben so in ihrer Kombination die Funktion, in quasi doppelter151 – weil vermittelter – Jüngerfrage die Offenbarung der Passionsereignisse auszulösen. Die einzige Person, der sich Jesus hier explizit zuwendet und an der er in wortwörtlicher Entsprechung von Erzähler-Kommentar und Tat handelt (V.26: bavptw to ywmivon + divdwmi), ist Judas. Aufgrund der räumlichszenischen Parallelisierung mit den Jüngern 6,64, deren Weggehen 6,66 dem Hinausgehen152 des Judas 13,30 entspricht, sowie dem auf dem Höhepunkt der Dramatik auf die nuvx hinweisenden Erzählerkommentar153 ist anzunehmen, dass die Frage nach dem Verräter, der s.o. V.10f. soteriologisch ausgeschlossen bleibt, zusätzlich auch aktuelle Relevanz hat154. In ihr spiegelt sich Ratlosigkeit der Gemeinde angesichts des Verrats als Untreue eines Jüngers, der schon in Joh 6 sicherlich bewusst im Kontext des Schismas platziert worden ist, und es zeigt sich die Angewiesenheit auf das Christuszeugnis, das Vorherwissen und Notwendigkeit dieser schmerzhaften Ereignisse einschließt. Eine weitere Verbindung mit dem johanneischen Schisma könnte durch die Judas-Figur gegeben sein, wenn das Nehmen des Brotstückes wie das trwvgw V.18 eine Verbindung zum Abendmahl herstellt155. V.31–38 Wieder ergreift Petrus die Initiative und reagiert stellvertretend auf die Worte Jesu – allerdings scheinbar in erster Linie auf V.33 rekurrierend156. Seine Rolle ist hierbei analog zu den Nachfragen der ÆIoudai'oi 7,35 und 8,22 zu sehen, denn sie gerät nahe an die Grenze vom Missverstehen bis ständnis der Jünger steht hierbei im Kontrast zum Vorherwissen Jesu, wodurch letzteres vorhergehoben wird, vgl. auch KLAUCK, Judas 86: „Mit dieser Ahnungslosigkeit muß man das Vorherwissen Jesu vergleichen, um den ganzen Abstand zu ermessen“. 151 MOLONEY, Glory 21 weist daraufhin, dass auch der Lieblingsjünger Jesus fragen muss, d.h. die Offenbarung Jesu erst empfangen muss. 152 Das ejxh'lqen des Judas beschreibt eine klare Innen – Außen-Struktur, die – räumlich gesehen – auf der Beschränkung der Fokalisation auf den Raum des Mahls beruht, was eine intime Beziehung Jesu zu seinen Jüngern herstellt (vgl. TOLMIE, Farewell 178f.194). Aus diesem Beziehungsnetz ist Judas nun ausgeschlossen, was die räumliche Darstellung wirkungsvoll unterstreicht. 153 Darin ergibt sich ein Kontrast zur von 1,4 an prägenden Licht-Metapher. Eine symbolische Interpretation von nuvx findet sich auch u.a. bei KLAUCK, Judas 86, DSCHULNIGG, Jesus 173, FARELLY, Disciples 113f. im Anschluss an Lincoln. 154 So ist auch nach KÜGLER, Jünger 150 ein „besonderer Bezug des L[ieblings]J[üngers] zur Lesewelt zumindest wahrscheinlich“. 155 So u.a. T HYEN, Johannesevangelium 601f., KÜGLER, Jünger 152f.155. 156 Zu V.34f. aber FREY, Eschatologie III 128ff. u.ö.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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hin sogar zum Nichtverstehen. Diesmal antwortet Jesus trotz dieser allgemein gestellten Frage mit einer kunstvoll chiastisch aufgebauten persönlichen Verheißung an Petrus: ouj duvnasaiv moi nu'n ajkolouqh'sai, ajkolouqhvsei" de; u{steron. Das Thema der Nachfolge steht bereits ab V.31 wieder deutlich im Raum. Trotz der Nachfrage des Petrus V.37 bleibt aber offen, welcher Art dieses ajkolouqh'sai sein wird (vgl. 21,18f.). Der im o{pou uJpavgw V.36 angedeutete Ursprung Jesu beim Vater bleibt Petrus (im Gegensatz zu Lesern/Adressaten des Johannesevangeliums durch V.3, aber in Analogie zu den Pharisäern 8,14.21f.) noch verborgen, trotz der unmittelbar vorangegangenen Worte Jesu V.33 an die Jünger. Petrus wird hier also wiederum zum personifizierten Jüngerunverständnis, das von dem im Johannesevangelium vermittelten nachösterlichen Verständnis, und damit den Adressaten selbst, bereits überflügelt ist. An die zweite Nachfrage des Petrus V.37 schließt sich ein Bekenntnis zur Schicksalsgemeinschaft mit Jesus an, das an die Bereitschaft des Thomas 11,16 erinnert. In Verbindung mit Joh 10,11.15.17f. (yuchv [+ uJpe;r] + tivqhmi) wird jedoch wie 1,42 ein persönliches Ergehen wiederum im Sinne einer Funktion oder Rolle, diesmal der Rolle des Hirten, transzendiert: Der Anspruch des Petrus anstelle von Jesus Hirte157 zu sein, wird aufs deutlichste zurückgewiesen. So wird Petrus – und zwar in figuraler, aus dem Munde Jesu mit der höchsten Autorität ausgestatteter Rede – im Vorausblick auf die Verleugnung auf sein Scheitern verwiesen. Verstärkt wird dies noch durch die rhetorische Frage th;n yuchvn sou uJpe;r ejmou' qhvsei"É, die damit Petrus buchstäblich beim Wort nimmt und in Frage stellt. Im Verhältnis zum Schwertstreich 18,10 und zur bereits angesagten Verleugnung 18,15–27 ergibt sich damit inhaltlich eine Prolepse, die das Missverständnis wahrer Nachfolge und das Scheitern angesichts der Passion schon hier einblendet. Sein Scheitern steht zwar generell (s.o. zu 16,32) stellvertretend für das der Jünger insgesamt und kann so Identifikationsangebot auch für die Adressaten des Johannesevangeliums sein. Im konkreten Bezug auf seine Hirten-Funktion aber erhält es eine ganz spezifische Note, die mit Joh 10 als ihrem Dreh- und Angelpunkt eine allgemeine Aussage über das Scheitern von menschlichen Hirten macht und sie neu an ihr Vorbild, den Guten Hirten, verweist. So ergibt sich zwar nun ein im Vergleich zu anderen Jüngern deutlich komplexer gezeichnetes Charakterbild des Petrus, das gemäß FORSTERS „round“ und „flat“ mit dem Verweis auf die 157
An dieser Stelle kann Markus ÖHLER darin zugestimmt werden, V.37 im Licht der Hirtenrede zu lesen, so DERS., „Mietling“ 249; vgl. auch die Hinweise bei TOLMIE, Shepherd 364.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Verleugnung als festgelegt und daher als „flat“ erscheint. Noch nicht festgelegt, sondern offen aber bleibt die Frage der später (u{steron) erfolgenden Nachfolge. Es erfolgt also wiederum eine „Leerstelle“, die 18,15 aufgrund des dem hjkolouvqei nachfolgenden Scheiterns negativ und dann letztlich 21,18f. durch die Ankündigung des Märtyrertodes gefüllt werden wird. Ebenso setzt die persönlich in Aussicht gestellte Zukunft des Petrus zwar die Existenz einer individuellen historischen Gestalt voraus, das aber sowohl durch die allgemeine Jünger-Thematik der Nachfolge als auch durch die Hirten-Funktion ein weiteres Mal proto-„typische“ Züge erhält. Zwar ist BLAINE158 Recht zu geben, dass Joh 13 mit dieser Prognose einen positiven Ausklang erhält, das letzte Wort behält allerdings mit V.38 die Ankündigung der Verleugnung. In ähnlich ambivalenter Weise war bereits Joh 6 mit christologischem Bekenntnis einerseits und der Gefahr des Abfalls bis in den engsten Kreis um Jesus hinein andererseits beschlossen worden. Formen der Nachfolge, die Petrus hier wie dort repräsentiert, sind immer umgeben von Untreue und Verleugnung (wie auch Petrus selbst) oder sogar Verrat (wie durch Judas). Allerdings münden die Darstellung der an Petrus exemplifizierten Gefahr treuer Jüngerschaft und der in 13,36–38 zum Ausdruck kommende nachösterliche Vorbehalt von Nachfolge in die Verheißung 14,1: im (nachösterlichen) Glauben an den Erhöhten, der zum Vater geht (14,2–4), wird 159 die Angst angesichts der Macht des Todes (mh; tarassevsqw 14,1 ) überwunden, und zwar durch den, der die Macht des Todes stellvertretend an 160 sich selbst erleidet (yuchv mou tetavraktai 12,27) . Zusammenfassend ergibt sich aus den Personenkonstellationen und den direkten wie indirekten Charakterisierungen in Joh 13 folgendes Bild: Der souverän agierende Protagonist ist Jesus, dessen Handeln in den Erzählerkommentaren V.1–3.11 und 21 als vorhergewusster und aktiver Weg in den Tod gezeichnet wird, dessen soteriologische Implikationen besonders V.1–3, aber auch V.8 dargestellt werden. Sein Gegenspieler – als einziger nur in direkter Charakterisierung dargestellt – ist Judas: Vom Erzähler mit dem Diabolos und der Nacht des Unglaubens verbunden kann er dennoch nur im Rahmen dessen agieren, was Jesus vorhersagt und auch direkt ihm sagt (o} poiei'" poivhson tavcion V.27). Dagegen erscheinen die Jünger in einer ambivalenten Rolle: Einerseits gilt ihnen als „den Seinen“ (V.1) programmatisch Jesu Liebe, die er ihnen im Akt der Fußwaschung auch symbolisch erweist. Andererseits steht ihr fehlendes Verstehen 158
B LAINE, Peter 79, der hier auch auf B ULTMANN verweisen kann. Zur johanneischen Verwendung als Ausdruck der Erschütterung angesichts des Todes FREY, Eschatologie III 132 und DERS., Evangelium 91. 160 S.a. 11,33; 13,21. Vgl. dazu F REY, Evangelium 132. Darin wird zugleich „das Ziel der ganzen Rede vorweg fomuliert“ (kursiv J.F.). 159
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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(V.22.28f.) dem Vorherwissen Jesu entgegen 161. Aus diesem Bild heraus lässt sich das Agieren des Petrus als Fortführung erkennen: Auch ihm kommt in der Fußwaschung V.6 die als Sklavendient zunächst anstößige Liebe Jesu zu, die er dann V.9 auch zulassen will, jedoch selbst noch V.36–38 auf mehreren Ebenen missversteht. Dort zeichnet er sich durch seinen (falsch verstandenen) Willen aus, an die Stelle Jesu treten zu wollen und so nicht nur dessen Degradierung zum Knecht nicht zulassen zu wollen, sondern gar (vgl. 13,36–38) umgekehrt sein Leben für diesen hingeben zu wollen. So tut sich in der letzten Szene im Verhältnis zur ersten eine entsprechende Ambivalenz auf: Zwar nimmt Petrus das Thema der Hingabe jetzt positiv auf, jedoch wird die hingebende Liebe Jesu noch einmal missverstanden. Das bzgl. der Frage nach dem Verräter fehlende Verstehen der Jünger (V.22) greift Petrus auf, Kommunikation mit Jesus ist jedoch nur mittels des in besonderer Beziehung zu Jesus stehenden Lieblingsjüngers möglich. Im Anschluss an das Modell des semiotischen Vierecks von Algirdas Julien GREIMAS162, wie es u.a. François TOLMIE rezipiert hat, repräsentiert der Lieblingsjünger hierin den Jünger „par excellence“, Judas repräsentiert hingegen das Gegenteil, nämlich falsche Jüngerschaft. Petrus ist in der Mitte zwischen beiden einzuordnen163: Er steht für „nicht wahre“ Jüngerschaft, indem er den Liebesdienst Jesu zunächst ablehnt oder dessen Grundlage für das eigene Tun verkennt (V.37). Auch anhand weiterer Aspekte zeigt sich, dass die Petrusfigur in ihrer „nicht wahren“, aber doch intendierten Jüngerschaft den Jüngern insgesamt entspricht: Der Akt der Fußwaschung gilt zunächst allen, nur stellvertretend vollzieht sich daran anschließend der Dialog Jesus – Petrus, wobei die Anrede Jesu (s.o.) letztendlich den Jüngern im Gesamten gilt. Dies zeigt sich auch an der 13,13f. aufgegriffenen kuvrio"-Anrede und der Frage nach dem Verräter aufgrund des V.22 allgemein festgestellten Unverständnisses V.24. Dass diese Frage trotz der Vermittlung des Lieblingsjüngers noch offen bleibt, gilt für Petrus
161
Zu diesem zentralen Gegensatz s.a. CULPEPPER, Hypodeigma, zusammenfassend
147.
162
Vgl. GREIMAS, Du sens 135–183 (entspricht DERS., On Meaning 48–83); Weitere Literatur s.a. FINNERN, Narratologie 106 Anm. 346. Dabei handelt es sich um ein Oppositionspaar zweier Seme (ein Sem bildet bei GREIMAS die kleinste Bedeutungseinheit), die als S1 und S2 in konträrem Verhältnis zueinander stehen. Dem zugeordnet werden die jeweiligen Verneinungen in also kontradiktorischer Relation als Nicht-S1 und Nicht-S2, wobei wiederum das Verhältnis der Implikation zwischen S1 und Nicht-S2 oder S2 und Nicht-S1 entsteht. 163 In den Kategorien Tolmies ausgedrückt handelt es sich weder um wahre Jüngerschaft (Lieblingsjünger) noch um falsche (Judas), vgl. TOLMIE, Farewell 70 und zusammenfassend 202.
120
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
wie für die Jünger insgesamt (V.28)164. Dazu wäre schließlich noch die an V.33 anknüpfende Frage des Petrus V.36, (die ihre Fortsetzung in den folgenden Jüngerfragen 14,2–6 hat), und die bereits genannte Bereitschaft zu sterben V.37 zu nennen, die derjenigen des Thomas 11,16 entspricht. c) Rolle und Funktion der Petrusfigur im Rahmen johanneischer Theologie Die Funktion der Eingangsverse V.1–3 als hermeneutischem Schlüssel für Joh 13 und darüber hinaus für die nachfolgenden Abschnitte der Abschiedsreden und die Passion im Ganzen ist bereits festgestellt worden (s.o. a)). Den christologisch-soteriologischen Rahmen stellen der angekündigte Tod und seine Deutungen dar: Der Passahkontext entspricht der Rolle Jesu als Passahlamm (vgl. 19,14.33.36 s.a. 1,29.36), das Kreuz wird zur Erfüllung der Liebe zu den Seinen (V.1), als bewusster (und vorhergewusster) souveräner Akt des zum Vater gehenden Jesus (V.2f. und s.u. 4.1.4.1). Das johanneische Christologie kennzeichnende Paradox von Hoheit in Niedrigkeit (vgl. schon 1,14) wird in der Fußwaschung anschaulich vor Augen gestellt165. Auf diese Paradoxie, die eine Statusverletzung Jesu als Herr (V.6) zu sein scheint, reagiert der Protest des Petrus (V.6–9). Ferner zeigt sich an ihm das vorösterliche Missverständnis über die Bedeutung des Todes Jesu V.37 (th;n yuchvn mou uJpe;r sou' qhvsw). Die an Joh 10,14 anknüpfende Beziehung Jesu zu den Seinen erscheint Joh 13 als an den Liebesdienst Jesu gebundene fortdauernde Gemeinschaft mit Jesus, die V.8 und dann in den Abschiedsreden zum Hauptthema wird. Darin erweisen sich die ekklesiologischen Implikationen dieser Christologie, exemplarisch veranschaulicht an den Figuren des Judas und des Petrus: Während Judas durch den Verrat aus der Gemeinschaft ausgeschlossen in die Nacht des Unglaubens geht (s.o. Analogie mit 6,66), wird an Petrus die Konsequenz des Todes Jesu in der bleibenden Gemeinschaft mit ihm verdeutlicht. Pragmatisch gesehen erlaubt eine Identifizierung der Adressaten mit Petrus ein Überdenken des eigenen Verständnisses Jesu und der Beziehung zu ihm im Rahmen der Jüngerschaft, die zwar nicht in der Ge164
Abgewiesen werden müssen jedoch Versuche, den Lieblingsjünger darin einzuschließen, so beispielsweise B ARRETT, John 448, dessen Unterscheidung zwischen einem 13,28 angezeigten fehlenden Verstehen einerseits und dessen Verstehen von „the act of Jesus“ andererseits ziemlich konstruiert klingt (kursiv C.K.B.). Vgl. auch BUSSE, Johannesevangelium 297.300; hier sind deutlicher Erzählebene (was B USSE ebd. 297 Anm. 85 wohl mit „textgemäß“ bezeichnet) und pragmatische Funktion des Erzählten zu unterscheiden und insbesondere Letztere zu entfalten. Dazu s.u. 6.2 zur Verhältnisbestimmung Jünger und Petrus einerseits und Lieblingsjünger andererseits, und s.u. 7.1.2 zur hermeneutischen Funktion des Lieblingsjüngers, vgl. auch meine Bemerkungen zu 20,9 s.u. 4.1.5.1 c). 165 So bezeichnet DU RAND die Funktion der Fußwaschungserzählung treffend: „narrated as a symbolic act to reveal the identity of Jesus“ ( DU RAND, Perspectives 368).
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
121
fahr steht, abgelehnt zu werden (Judas), wohl aber missverstanden und später sogar verleugnet zu werden (V.38). Da der Abschnitt 13,36–38 nicht nur Kapitel 13 abschließt, sondern über das zweimalige Stichwort uJpavgw im Rahmen der dialogischen Inszenierung 13,36 (vgl. 14,4f.28) zugleich als Einleitung zu Joh 14166 fungiert, stellt er einen hermeneutischen Schlüssel für das Nachfolgeverständnis allgemein dar. Die Figur des Petrus und der Dialog zwischen Petrus und Jesus zeigt die vorösterlichen Grenzen einer nur nachösterlich möglichen – weil nur so richtig verstandenen – Nachfolge auf. Die im Zusammenspiel mit V.34f. erfolgende Spannung der vorösterlich noch nicht (nu'n – u{steron V.36167) möglichen Nachfolge wird schließlich in der Sendung der Jünger Joh 20 gelöst werden. Von zentraler theologischer Bedeutung ist allerdings auch die Rolle des in die Szene V.21–30 eingeführten Lieblingsjüngers: als Hermeneut Jesu (s.o. zu 13,23 in Verbindung mit 1,18) und Augenzeuge der zentralen Heilsereignisse (s.u. des Kreuzes 19,35 und der Auferstehung 20,8; 21,7). In der Angewiesenheit auf den Lieblingsjünger, die Petrus durch seine Frage selbst zum Ausdruck bringt168 und die mit dem erst nachösterlich möglichen Verständnis des Petrus V.7 auf einer Ebene liegt, spiegelt sich zunächst einmal grundsätzlich die Angewiesenheit der Adressaten auf das Johannesevangelium selbst, das die Geschichte Jesu nicht nur erzählt, sondern auch in spezifischer Weise durch die Reden des johanneischen Jesus deutet. Denn nach der johanneischen Konzeption (bzw. Fiktion) ist das Johannesevangelium wie die Worte Jesu V.26f. vermittelt durch den Lieblingsjünger als Augenzeuge und Verfasser. Unter dieser Prämisse klärt sich auch die merkwürdige Spannung in der Frage des Lieblingsjüngers einerseits und die allen Jüngern geltende Feststellung ihres bleibenden Unverständnisses V.28. Daraus, dass hier keine Vermittlung an die Jünger stattfindet, lässt sich aufgrund der speziellen Rolle des Lieblingsjüngers noch nicht dessen fehlendes Wissen ableiten169. Damit zeigt sich, dass Joh 13 nicht nur ekklesiologische und ethische, sondern auch offenbarungstheologische Aspekte in der johanneischen 166
Dazu auch ONUKI, Gemeinde 68f. Analog fasst SCHENKE, Johanneskommentar 280–283 fasst 13,36–14,4 als Abschnitt unter dem Titel „Die Nachfolge der Jünger“ zusammen. 167 V.36 ist zwar szenisch als persönliche Verheißung an Petrus gestaltet, meint aber die Nachfolge der Jünger insgesamt s.a. DIETZFELBINGER, Abschied 17. 168 Alle Erklärungsversuche bei B LAINE, Peter 72ff., diese Konstellation z.B. durch die Sitzordnung auf rein praktische Gründe zurückzuführen, können nicht überzeugen, wobei Sitzordnungen in der Antike ohnehin Hierarchien abbilden. Selbst räumt er ja auch die Möglichkeit ein, eine Hierarchisierung abzuleiten, die vom Ergebnis her nichts an der Deutung des Verhältnisses Lieblingsjünger – Petrus ändert. 169 THYEN, Johannesevangelium 600f.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Christologie und Soteriologie verankert. Die unter a) aufgeschlüsselte Struktur des Kapitels lässt sich daher thematisch so darstellen: A: V.1–5
Einleitung
B1: V.6–11
Christologie – Ekklesiologie/Offenbarungstheologie
C1: V.12–20 Ethik (Beziehung Jünger – Sohn V.12–17, Sohn – Vater V.20) B2: V.21–30 Christologie – Ekklesiologie (Verräter)/Offenbarungstheologie C2: V.31–35 Ethik (Beziehung Vater – Sohn V.31f., Sohn – Jünger V.33–35 = Aufnahme von A + C) B3: V.36–38 Christologie – Ekklesiologie Daraus ergibt sich, dass die Petrusfigur jeweils in den B-Teilen eine hervorgehobene Rolle spielt und dazu dient, durch Dialoge bzw. Interaktionen mit anderen Figuren christologische, und daran anknüpfende ekklesiologische wie offenbarungstheologische Aspekte zu profilieren. Dies entspricht im Wesentlichen der in Joh 6 festgestellten Funktion, wo dem Petrus-Bekenntnis eine entscheidende Bedeutung für die Christologie und das Jüngerbild zukam. Nicht zu entscheiden ist allerdings, inwieweit die insbesondere hinter V.6–11 und V.21–30 stehenden Diskussionen analog zur Joh 6 dargestellten Situation des Schismas aktuelle Relevanz haben170. In jedem Fall zeigt sich in allen Abschnitten (also neben V.7 auch in V.36– 38) in einer als notwendig herausgestellten nachösterlichen Perspektive spezifisch johanneisches Selbstverständnis171. 4.1.3.2 Diachrone Analyse von Joh 13,1–11.21–30.36–38 Aus dem weiten Feld der Diskussionen um mögliche Verbindungen von Versen oder Motiven aus Joh 13 zu synoptischen Darstellungen werden einige, speziell die Rolle der Petrusfigur betreffende Aspekte herausgegriffen.
170
Deutlicher könnte sich das anhand des Logions V.20 zeigen, wo hinter dem mit der Relation von Vater und Sohn begründeten Umgang mit Missionaren eine Abgrenzung gegen Diotrephes vermutet wird, so u.a. SCHNELLE, Schule 213f. 171 S.a. ONUKI, Abschiedsreden 213.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
123
Vergleicht man das Lk 22,3/Joh 13,2.27172 beschriebene Verhältnis des Judas zum Teufel173, ist festzustellen, dass die johanneische Darstellung damit einerseits Judas (und nicht Petrus wie Mk 8,33) dämonisiert und andererseits das Vorherwissen und damit die Souveränität Jesu betont. Für das Verständnis von Joh 13 nicht unwesentlich ist die Frage nach dem Verhältnis der Deutungen der Fußwaschung V.6–11 und 12–17(20) zueinander. Eine unabhängige traditionsgeschichtliche Herkunft der beiden Deutungen steht aufgrund der V.12–20 aufgenommenen synoptischen Motive174 außer Frage, die für eine literarkritische Operation geltend gemachte Unvereinbarkeit der beiden Deutungen kann allerdings nicht nachvollzogen werden175. Die Frage Jesu V.12 setzt zwar nur die Aktion der Fußwaschung als solche und nicht den Dialog mit Petrus voraus, widerspricht aber auch nicht dem Hinweis auf das nachösterliche Verstehen des Petrus V.7. Diese Spannungen treten aufgrund der beiden johanneischen Darstellungsebenen – der Erzählung vorösterlich platzierter Ereignisse in nachösterlicher Perspektive – hervor, wirken aber v.a. auch als Signal an die Adressaten, deren johanneisch geprägte nachösterliche Perspektive somit das fehlende Verstehen des Petrus bereits „überholt“ hat. Die Variation der Verben aus V.4f. in V.12176 dient in jedem Fall der Wiederaufnahme des Erzählfadens, setzt aber keinen ursprünglichen Anschluss von V.12 an V.4f. voraus177, um den sekundären Charakter der ersten Deutung zu erweisen. Doch selbst unter der Annahme einer späteren Hinzufügung von V.6–11 durch den Evangelisten178 wäre die kreuzestheologische Akzentuierung bereits in den einleitenden Versen (s.o. eij" tevlo" V.1) gegeben und nur narrativ weiter entfaltet worden. Jedoch werden umgekehrt auch einige Argumente dafür vorgebracht, dass die zweite Deutung unbenommen ihres traditionsgeschichtlich älteren Materials bereits auf die erste Bezug nimmt179. So scheint V.13 die kuvrio"-Anrede des Petrus V.6 aufzu172
Das genaue Verhältnis ist hierbei umstritten: u.a. ONUKI, Abschiedsreden 185 (–188) sieht wohl zu Recht Lk 22,3 im Hintergrund von Joh 13,27; D ODD, Tradition 26– 28 plädiert dagegen für eine ursprünglichere Form bei Johannes. 173 Hier changieren die Bezeichnungen zwischen satana'" (Joh 13,27 vgl. Lk 22,3) und diavbolo" Joh 13,2 (vgl. Joh 6,70; 8,44, aber auch Lk 4,2f. u.ö.). 174 So V.17 vermutlich aus Mt 10,24 und V.20 aus Mk 9,37. 175 Gegen u.a. B ULTMANN, Johannes 351, BECKER Johannes II 507, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 7, die damit bereits WELLHAUSEN folgen. Das Unverständnis über Jesu Tun V.6–9 steht kaum in inhaltlichem Gegensatz zur Frage Jesu V.12. Zutreffend ist, dass die zweite Deutung den Fokus auf das Jesu Tun entsprechende Handeln der Jünger legt. 176 So SCHNELLE, Johannes 239 aufgrund der Beobachtung von BEUTLER, Heilsbedeutung 200. 177 Gegen SCHNELLE, Johannes 239. 178 Beispielsweise bei SCHNELLE, Schule 213–216, bzw. DERS., Johannes 239. 179 So BEUTLER, Heilsbedeutung 200, DETTWILER, Gegenwart 67f.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
nehmen, jedoch ist dieses angesichts der im Johannesevangelium gängigen Anrede und der nicht unmittelbar vorangegangenen Bezeichnung als didavskalo" als nicht zwingend anzusehen. Das für diesen Abschnitt zentrale poievw V.12.15.17 muss auch nicht aus V.7 abgeleitet werden180, könnte allerdings tatsächlich für eine nachträgliche Überarbeitung unter der Voraussetzung der vorliegenden ersten Deutung sprechen. Insgesamt ist – trotz grundsätzlicher Differenzen im Hinblick auf sein Quellenmodell – an diesem Punkt übereinstimmend mit FORTNA festzustellen, dass die johanneische Überarbeitung genaue (d.h. sichere!) Rekonstruktionen kaum erkennen lässt181, weswegen nur noch die vorliegende Form des Evangeliums182 maßgeblich sein kann. Ebenso ist in jedem Fall an der bereits unter synchroner Perspektive deutlich gewordenen Beobachtung festzuhalten, dass die Petrusfigur in einem spezifisch johanneisch gestalteten Abschnitt eine zentrale Rolle spielt, da es für den Dialog V.6– 11 – trotz inhaltlicher Parallelen zum Protest des Petrus gegen Jesu Leiden Mk 8,32f. – keine direkte synoptische Parallele gibt. Das gleiche gilt naturgemäß für die Konstellation Petrus – Lieblingsjünger in V.23–26183, die den besonderen offenbarungstheologischen Anspruch (und implizit das erst nachösterlich zu gewinnende Verständnis) narrativ umsetzt. An die Stelle der wörtlichen Rede der Jünger (mhvti ejgwvÉ Mk 14,19b) tritt das indirekt formulierte Erfragen des Petrus Joh 13,24 (neuvei ou\n touvtw/ Sivmwn Pevtro" puqevsqai tiv" a]n ei[h peri; ou| levgei) bzw. die direkte Frage des Lieblingsjüngers 13,25 (kuvrie, tiv" ejstinÉ), wodurch die vermittelte Kommunikation unterstrichen wird. Die ursprünglich direkten Jüngerfragen aber sind letztlich durch die hermeneutische Rolle des Lieblingsjüngers ersetzt worden. Doch auch die johanneische Version der Verleugnungsankündigung V.36–38 hat gegenüber der synoptischen Vorlage deutlich andere Akzente gesetzt, und zwar unbenommen der unübersehbaren Nähe zur lukanischen Darstellung184, die zumindest eine traditionsgeschichtliche Beziehung nahelegt. Mit Lk 22,33 (und gegen Mk 14,29/Mt 26,33) lässt 180
Gegen BEUTLER, Heilsbedeutung 200. FORTNA, Fourth Gospel 148f.: „…the material has evidently been so greatly rewritten, perhaps more than once (...) that reconstruction of the source now seems too tenuos to be practicable“. 182 So auch T HOMAS, Footwashing 125, dessen synchrone Betrachtung unabhängig von möglichen vorherigen Entwicklungsstufen die jetzige Texteinheit als kohärent einstuft. KOHLER, Kreuz 198 verweist auf die – von einer getrennten Entwicklung der Überlieferung unabhängige – inhaltliche wie sprachliche Verschränkung der beiden Deutungen. 183 Zu weiteren möglichen Bezügen innerhalb von Joh 13,22ff. zu den Synoptikern vgl. SABBE, Footwashing 292f. 184 DSCHULNIGG, Jesus 60f. s.a. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 62f., DETWILER, Gegenwart 135, ONUKI, Abschiedsreden 217–220. 181
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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Johannes den Vergleich mit den anderen Jüngern weg (an dessen Stelle wohl die Anspielung in 21,15 getreten sein dürfte) und setzt den positiven Ausblick der späteren Nachfolge vor die Verleugnungsankündigung; der lukanische Auftrag für die „Brüder“ findet in der eher undeutlichen Martyriumsansage allerdings keine direkte Analogie, jedenfalls nicht von „pastoraltheologischem“ Rang185. Mit Lukas fällt gegenüber Markus auch die abschließende Abweisung einer Verleugnung und damit ein negativer Akzent im Petrusbild weg, an dieser Stelle steht die sich entsprechende Formulierung Lk 22,34 – Joh 13,38. Der unmittelbare Kontext von 13,13– 38 ist jedoch die Leitfrage des Weggehens Jesu aus V.33 (s. bereits V.1), also ein johanneisches Motiv, das den Anlass für die Abschiedsreden darstellt. Anstelle des insgesamt synoptischen mit Jesus sterben (sunapoqanei'n Mk 14,31; su;n soi; ajpoqanei'n Mt 26,35; weniger deutlich aber auch meta; sou' Lk 22,33) tritt in Joh 13,37 das für Jesus sein Leben geben (s.o. yuchv [+ uJpe;r] + tivqhmi) in terminologischer Entsprechung zu Joh 10,11.15.17f. Insofern stellt die ironische Infragestellung Jesu V.38 einen zusätzlichen christologischen Bezug zum wahren Hirten dar und profiliert auch darin die johanneische Christologie. 4.1.3.3 Zusammenfassung der Analyse von Joh 13,1–11.21–30.36–38 Wie Joh 6,67–71 konnte auch Joh 13 festgestellt werden, dass die Petrusfigur – besonders in dialogischen, aber auch narrativen Abschnitten – der Profilierung johanneischer Akzentsetzungen dient. Im Wesentlichen geschieht dies dadurch, dass Petrus das zentrale Motiv des Jüngerunverständnisses (explizit V.6–9.36–38, implizit V.28) personifiziert. 13,6–11 bieten die Missverständnisse des Petrus jeweils den Anlass für klärende und zugleich inhaltlich entscheidende Jesus-Rede, welche die Notwendigkeit des Todes Jesu herausstellt, der wiederum die Voraussetzung bleibender Gemeinschaft mit Jesus ist (V.9f.). Zugleich werden die soteriologischen Konsequenzen für diejenigen gezogen, die sich wie Judas aufgrund ihres Verrates (bzw. Weggehens V.30 vgl. 6,66) außerhalb dieser Gemeinschaft stellen. Der Hinweis Jesu auf das erst später (also nachösterlich mögliche) Verstehen zeigt sich auch im Abschnitt 13,23–28, in dem die Offenbarung der Passionsereignisse an die hermeneutische Funktion des Lieblingsjüngers gebunden wird – und durch das bleibende Unverständnis der Jünger (und Petrus) angezeigt – im Gegensatz zu den Adressaten vorerst auch gebunden bleibt. Doch betrifft die genannte Funktion der Petrusfigur nicht nur spezifisch johanneische Abschnitte, die wie 13,6–9.23–26 keine weiteren Parallelen aufweisen. Auch die Verse 36–38, die durch die Aufnahme des synopti185
Anders dann aber Joh 21,15–17 s.u. 4.1.6 und 7.3.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
schen Motivs der Verleugnung geprägt sind, stellen schon allein durch die Leitfrage des Weggehens Jesu (13,1.3.33; 14,2–6 u.ö.) in formaler und inhaltlicher Hinsicht einen integrativen Teil der johanneischen Darstellung dar. Hier findet sich wiederum der typische nachösterliche Vorbehalt, diesmal bezogen auf das Thema der Nachfolge, welches den hermeneutischen Schlüssel für die nachfolgenden Abschiedsreden darstellt. Der Wunsch des Petrus „für“ Jesus zu sterben, wird in Verbindung mit Joh 10,11.15,17, und dramatisch verstärkt durch das Scheitern in der angekündigten Verleugnung, als weiteres Missverständnis der Rolle des Guten Hirten und damit genuin johanneischer Christologie bzw. Soteriologie vor Augen gestellt. 4.1.4 Analyse von Joh 18,1–14.15–27 4.1.4.1 Synchrone Analyse von Joh 18,1–14.15–27 a) Struktur und Kontext von Joh 18,1–27 Auch Joh 18,1–27 besteht aus einer Vielzahl an Szenen, deren Ausgestaltung und Zusammenstellung von bedeutsamen theologischen Implikationen zeugt. Dabei lassen sich folgende Szenen abgrenzen: A: V.1–11
Verhaftung bzw. Theophanie im Garten
B: V.12–14
Gefangennahme und Übergabe an Hannas
C1: V.15–18
Verleugnung des Petrus I
D: V.19–23.24
Vernehmung Jesu bei Hannas Überstellung zu Kaiphas
C2: V.25–27
Verleugnung des Petrus II
Insbesondere von Teil A aus lassen sich diverse Verbindungslinien innerhalb des Johannesevangeliums ziehen. 18,1 schließt mit tau'ta eijpwvn die vorangegangenen Abschiedsreden und insbesondere Joh 17,1–26 ab186. 17,1 hatte erneut festgestellt, dass die „Stunde“ der Verherrlichung gekommen ist (vgl. 12,27; 13,1; 16,32) und die besondere Gemeinschaft mit dem Vater und den Glaubenden (17,21.26) betont. Daraus resultiert auch, dass (außer Judas) niemand verloren gegangen ist (17,12), worauf sich Jesus in 18,9 bezieht und zwar in einer formal einem Schriftzitat entsprechenden Weise187. Inhaltlich und über ajpovllumi scheint sich darüber hin186
Vorherige Abschlüsse sind jeweils 16,1.33 durch tau`ta lelavlhka. Bezüge sind hierbei über ajpovllumi gegeben zu 6,39; 10,28 (als Gegensatz auch 10,10) und 17,12. Zur Behandlung als Schriftzitat s.a. BUSSE, Johannesevangelium 236f. Anm. 665 und SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 255. 187
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
127
aus ein Hinweis auf Jesu Rolle als Guter Hirte zu ergeben (10,28). Die abschließend konstatierte Liebe des Vaters 17,26, in der auch Jesus ejn aujtoi'" ist, stellt einen Bezug zu 13,1 her, wo Passion und Kreuz programmatisch als erfüllende Liebe (eij" tevlo") interpretiert wurden (s.a. auch 15,13), die wiederum Vorbild und Kennzeichen der Jüngerschaft sein soll (13,15.34f.). Doch auch bezüglich der erneut in besonderer Weise hervorgehobenen Personen des Judas und des Petrus lassen sich einige Verbindungslinien zu Joh 13 aufzeigen: das Vorherwissen Jesu über Person und Tat des Verräters 13,10f.18.21–30 zeigt sich in 18,4 und die zweimaligen ejgwv eijmi-Worte 18,5.8 erfüllen 13,19. Der Schwertstreich des Petrus 18,10 zeigt die Absurdität der Absicht, sein Leben für Jesus zu geben aus 13,37 und die Verleugnungen 18,17.25.27 entsprechen exakt der Ankündigung Jesu 13,38 (ajlevktwr + fwnevw). Die doppelte und doppeldeutige Frage tivna zhtei'teÉ V.4.7 stellt einerseits im Rückbezug zu 1,38 in ironischer Weise die Frage nach der Nachfolge, und bezeichnet andererseits aber meist die Absicht, Jesus zu töten (7,19; 8,37.40; auch 6,26 verbindet sich zhtevw mit einer unangemessenen Suche nach Jesus). In diesem Sinne laufen alle bisherigen Sinnlinien in Joh 18 zusammen: Das Nachstellen der Feinde Jesu wird u.a. im Modus der Schrifterfüllung als Auftrag des Vaters (V.9) bzw. V.11 im Bezug zur Gethsemane-Reminiszenz 12,27 als Sendung des Vaters offenbar. Der Verrat, aber gerade darin auch die die Offenbarung der Identität Jesu betreffenden Prolepsen (vgl. 13,18f. u.ö.) generierten bereits eine Spannung, die nun in der Dramatik der Handlung vollends zur Darstellung kommt. Abgeschlossen durch das Kelchwort Jesu V.11 und die V.12 neu einsetzende Handlung ergibt sich V.12–14 ein Zwischenteil (B). Verbunden mit der Ortsveränderung vom Garten in das Haus des Hannas liegt seine Funktion darin, über die Verwandtschaft mit Kaiphas als Reminiszenz des Kaiphas-Wortes 11,50f. das Geschehen als Jesu Sterben „für“ (uJpevr vgl. 6,51; bes. 10,11.15; 15,13; 17,19) einzuführen. Auch Petrus wollte „für“ Jesus sein Leben lassen (13,37 analog zu 10,11.15[17]), was durch seine Handlungen in Joh 18,10.15–27 in dramatischer Weise ad absurdum geführt wird. V.15–27 (Teil D und C1) spielt sich die Szenerie nun abwechselnd im Hof des Hohepriesters und bei Hannas (V.19–23) bzw. Kaiphas (V.24.28) ab. Die Szenen C1 (V.15–18), D (V.19–23.24) und C2 (V.25– 27) werden nahtlos aneinander gereiht und geben in der Parallelisierung den Anschein einer Gleichzeitigkeit. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass sich nicht nur als Protagonisten Petrus und die ihn „verhörenden“ Figuren einerseits und Jesus mit dem Hohepriester andererseits entgegenstehen, sondern die dou'loi kai; oiJ uJphrevtai sowohl die Garten-Szene V.1– 11 als auch V.15–18.25–27 und V.19–24 in Beziehung zueinander set-
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
zen188. Darüber hinaus verbindet die Erwähnung des Malchus V.10 mit V.26 und damit die erste mit der letzten Szene. Indem gerade beim Szenenwechsel V.25 Petrus von einer nicht genannten Gruppe gefragt wird, so wie zuvor Jesus befragt wurde, fördert dies noch zusätzlich, dass sich die Szenen und damit die Situation Jesu und die des Petrus perspektivisch „ineinanderschieben“. Was die Verhaftungsszene (Szene A = V.1–11) noch zusätzlich mit der Verleugnung (Szenen C1.C2 = V.15–18.25–27) verbindet, ist das jeweils Joh 10,1–21 entsprechende Setting189: Das Thema des Hineingehens Jesu (eijsevrcomai) in den Garten190 findet sich 18,1 wie 10,1f.9 und stellt den Lieblingsjünger als Guten Hirten dar191. Der 18,2 nachfolgende Judas wird 12,6 als klevpth" identifiziert (vgl. nur noch 10,1.8.10). Ferner entspricht dem doppelten „Ich-Bin“-Wort 18,6.8 dasjenige in 10,7.9. bzw. 10,11.14, und zwar nicht nur in formaler Hinsicht: Indem sich Jesus freiwillig stellt (V.6) er-öffnet er im wahrsten Sinne des Wortes die Möglichkeit seines heilvollen Todes als Zugang zum Vater, und indem er dazu auffordert seine Jünger gehen zu lassen, erweist er sich als der Gute Hirte. Über das Stichwort aujlhv, (in Joh nur 10,1.16 und 18,15) sowie qurwrov" (10,3; 18,16) weist auch die Szene C2 ein Joh 10 analoges Setting auf. Wie V.1 gibt es eine Bewegung hinein (eijshvgagen V.16) und daraus folgend eine Innen-Außen-Struktur: V.15f. befindet sich Petrus draußen (e[xw) bzw. muss der Lieblingsjünger erst wieder zu ihm hinausgehen (ejxh'lqen V.16). Diese Beobachtungen werden sich anhand der Personenkonstellationen fortführen lassen. b) Charakterisierung Unbenommen der kaum zu überbietenden Steigerung an Dramatik sind alle Szenen vornehmlich geprägt durch die die Handlung bestimmenden Redewechsel (eine signifikante Ausnahme bildet die Interaktion von Petrus und dem Lieblingsjünger V.15f.; zwar spricht auch letzterer mit der Türhüterin, allerdings werden nirgends im Johannesevangelium vor 21,7 Worte des Lieblingsjüngers geschildert). Wie Joh 6 und 13 sind neben Jesus die namentlich genannten Hauptpersonen Judas und Petrus, wobei Judas mittlerweile ohne den Zusatz (Sivmwno") ÆIskariwvtou192 vollends zur Chiffre für den bevorstehenden Verrat geworden ist. Wie Joh 13 werden zwar nicht 188 189
Vgl. dou'lo" V.10.18.26 und v.a. uJphrevtai V.12.18.22. Zur Setting-Analyse ausführlich auch RESSEGUIE, Gospel 69ff., STIBBE, John
182ff. 190
Dem korrespondiert dann auch die gegenteilige Bewegung des Hinausgehens Jesu V.4 (ejxh'lqen). 191 Vgl. auch KRAGERUD, Lieblingsjünger 78 und s.u. b) 192 So an allen übrigen Stellen 6,71; 12,4; 13,2.26, abgesehen von der Paraphrase 13,29.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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diese kontrastierend einander gegenüber gestellt, erfüllen jedoch ihre jeweils spezifische Funktion (s.u c). Als Gegenspieler haben in Szene A (18,1–11) vielmehr Jesus und Judas zu gelten (s.a. entsprechend Joh 13,1– 11.18f.21–30): Wie Joh 6,70f.; 13,2.10.21–30 wird Judas zwar als Mitglied des engsten Jüngerkreises dargestellt, der so den Aufenthaltsort Jesu kennt (V.2 h[idei). Das Wissen des Judas wird jedoch umgriffen bzw. überboten durch das Vorherwissen Jesu um Judas’ Tat V.4. Als Gegenpol gekennzeichnet wird er zudem durch die von der Handlung her eigentlich nicht notwendige Bemerkung 18,5 (eiJsthvkei de; kai; ÆIouvda" oJ paradidou;" aujto;n metÆ aujtw'n)193, wodurch Judas mit dem Verhaftungstrupp identifiziert wird. Analog dazu ist die Charakterisierung als Dieb aus Joh 10,1 zu sehen, die bereits die Setting-Analyse ergeben hatte (s.o. a)). Prägend für Joh 18,1–11 (aber auch V.19–23) ist v.a. die Souveränität Jesu, die neben dem Vorherwissen des Verrats auch den Akt der Verhaftung selbst betrifft: Der aktive Part liegt eindeutig bei Jesus, der selbst „hinausgeht“ (ejxh'lqen V.4) und mit seiner zweimaligen Frage194 jeweils die Initiative ergreift. Als Reaktion auf die göttliche Selbstoffenbarung im ejgwv eijmi-Wort V.5. wird ihm die entsprechende Proskynese zuteil; im Anschluss an das zweite ejgwv eijmi-Wort V.8 wiederum gebietet er in einem weiteren Hoheitsakt – bestätigt durch den „Schrifterweis“ V.9195, der seine Rolle als Auftrag des Vaters kennzeichnet – seine Jünger gehen zu lassen. Auf diese Weise wird nicht nur die Tat des Judas und damit die Sphäre des Widergöttlichen196 von göttlicher Souveränität und göttlichem Willen (vgl. 10,18) „neutralisiert“197, sondern auch eine strahlende Folie gezeichnet, von der sich nicht nur Judas, sondern auch Petrus lediglich dunkel abheben kann: Sein Versuch, sein Leben für Jesus hinzugeben (13,37) war bereits 13,38 ironisch kritisiert worden und stellt nun im Kontext von Joh 18 den Versuch dar, sich gegen den göttlichen Heilsplan zu stellen. Dies zeigt sich in V.11, der den Auftrag des Vaters betont; auf diese Aussage zielen die Aktion des Schwertstreiches und damit das Darstellungsinteresse. Ebenso weisen V.13f. in Entsprechung zu 11,49–52 (s.o.) und V.32 auf die Notwendigkeit des Todes Jesu hin, dem sich Petrus hier ana193
SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 253 erklärt dies v.a. aus 13,18, was dem allerdings nicht entgegensteht. 194 Insgesamt sind V.4f. und 7f. jeweils in Frage Jesu – Antwort – Erwiderung Jesu bis in die Formulierungen hinein parallel, wodurch das Augenmerk noch einmal stärker auf die jeweils darauffolgenden Reaktionen (Anbetungsakt V.6 bzw. Forderung Jesu nach Freilassung der Seinen V.8f.) fokussiert werden. 195 Unklar bleibt hier der Rückbezug (zur Diskussion vgl. T HEOBALD, Herrenworte 39f.). 196 S.o. 4.1.2 die Dämonisierung des Judas, indem seine Tat (13,2) bzw. er selbst (6,70f.; 13,27) mit dem Teufel in Verbindung gebracht wird. 197 Vgl. BROWNSON, Enemy 53.60.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
log zu 13,8 aus fehlendem Verständnis für Jesu hingebende Liebe entgegenstellt. Schlussendlich muss auch die Bemerkung Jesu eij ejk tou' kovsmou touvtou h\n hJ basileiva hJ ejmhv, oiJ uJphrevtai oiJ ejmoi; hjgwnivzonto »a]n¼ i{na mh; paradoqw' toi'" ÆIoudaivoi" 18,36 als Kommentar zu 18,10 verstanden werden, wodurch Petrus gerade nicht als Jesu „Diener“ charakterisiert, sondern sein Verhalten ein weiteres Mal als dem göttlichen Willen zuwiderlaufend gekennzeichnet wird. Bezieht man zudem die 18,37 Jesu Stimme Hörenden mit ein, so wird Petrus zu den Nachfolgenden aus der Hirtenrede (10,3–5.27) in Kontrast gesetzt198. Ab V.15 wird Petrus wiederum im Kontrast zu Jesus, zunächst aber auch zum Lieblingsjünger gekennzeichnet: Über den Begriff aujlhv (V.15) ist der Hof des Hohepriesters wie bereits der Garten in V.1–11 als ein mit Joh 10 in Verbindung zu bringendes Setting markiert worden (s.o. a)). Dies bestätigen weitere Wortverbindungen wie ajkolouqevw V.15 vgl. 10,4f.27 und die von einem/einer qurwrov" bewachte quvra V.16 vgl. 10,1f.7.9., was die Darstellung einer Nachfolge im Sinne von Joh 10,9199 zu intendieren scheint. Der Joh 10,1 als Hof der Schafe benannte Ort ist im Kontext der Passion zum Hof des Hohepriesters, der Ort der Sicherheit zum Ort der Gefahr und damit der Gefährdung des Jüngerseins geworden. Das „Einund Ausgehen“ (eijsevrcomai; exevrcomai vgl. 10,2.9) kommt jedoch zunächst dem Lieblingsjünger zu (suneish'lqen V.15; ejxh'lqen V.16), womit er zwischen dem Bild des Hirten (10,2) und dem der durch die Tür einund ausgehenden Schafe (10,9) changiert. Über seine Verbindung mit der Türhüterin (vgl. 10,3) findet sich nochmals ein Anklang an das Hirtenbild; konkret wird er analog zu 21,20–22 zum Vermittler der Nachfolge, indem Petrus der Eintritt durch die Tür ermöglicht wird. Doch durch die nachfolgende Frage der qurwrov" wird der Status der Nachfolge, d.h. das Jüngersein des Petrus hinterfragt. Die szenische Darstellung setzt hier um, was die Personenkonstellationen aussagen: Wie Judas V.5 steht200 Petrus V.18 metÆ aujtw'n, d.h. bei denjenigen, die in den oiJ dou'loi kai; oiJ uJphrevtai Jesus nachstellen und tut das gleiche (qermainovmeno"), was sie tun (ejqermaivnonto ebenfalls V.18). Etwas spekulativ, aber im Rahmen johanneischer Darstellungsweise möglich, wäre die Annahme einer beab-
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Vgl. DROGE, Peter 310f. Petrus kommt allerdings weder die Rolle eines (dann jedoch gescheiterten) Hirten zu, obwohl diesem 10,3 der Türhüter öffnet, noch die eines misqwtov", wie STIBBE, John 184 schlussfolgert. Denn Petrus flieht nicht, indem er Schafe alleine lässt, (die ohnehin bereits geflohen sind), sondern er verleugnet Jesus. S.u. dazu auch den Exkurs unter 7.2.2. 200 Auffällig ist hier auch die häufige Wiederholung von ijvsthmi, das ebenso V.5 auf Judas, V.18 aber (s.a. die Wiederaufnahme V.25) und auch V.16 jeweils auf Petrus bezogen ist, wodurch in dieser Zuordnung jeweils ein Kontrast zu Jesus geschärft wird. 199
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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sichtigten Kontrastierung zwischen dem Feuer, an dem sich Petrus wärmt, und Jesus als dem Licht der Welt201. In der Zusammenschau der drei Verleugnungen zeigt sich sowohl eine Steigerung in Bezug auf die Fragesteller als auch auf die Antworten des Petrus: Ist das Gegenüber des Petrus V.17 zunächst nur die Magd, so folgt darauf eine nicht näher definierte Gruppe (vgl. V.25 der Plural ei\pon), die vom Sinnzusammenhang her wohl mit den oiJ dou'loi kai; oiJ uJphrevtai V.18 identisch sein dürfte. V.26 aber tritt ein Augenzeuge der Gethsemane-Szene auf, der zudem ein Verwandter des durch Petrus verletzten Malchus ist: Die Bedrohung, aber auch die Identifizierung des Petrus als Jünger scheint unausweichlich. In entsprechender Weise wird seine Art der Verleugnung in jeweils gesteigerter Weise geschildert. Antwortet Petrus V.18 trotz der vorherigen Vermittlung des Lieblingsjüngers auf die Frage nach seinem Jüngersein mit oujk eijmiv, so wird das folgende oujk eijmiv V.25 zusätzlich mit dem Erzählerkommentar hjrnhvsato (in Entsprechung zu 13,38) expliziert. V.27 verleugnet er schließlich als Höhepunkt jede Beziehung zum Gethsemane-Geschehen und damit nicht nur seinen Schwertstreich, sondern überhaupt in der Nähe Jesu gewesen zu sein, was in der Konsequenz eine wörtliche Erfüllung der Ankündigung Jesu 13,38 bedeutet. Doch nicht nur in der Erfüllung der angekündigten Ereignisse zeigt sich Jesus noch in den Passionsereignissen als souverän: Auch die Befragung Jesu V.19–23 dient weniger dazu, Anklagepunkte vorzubringen als vielmehr auf sein öffentliches (parrhsiva/ V.20) Zeugnis zu verweisen202 und V.21 auch die Adressaten dazu aufzufordern: denn diese „wissen“ (oi\da wie auch 4,42; 14,4; 19,35; 21,24), was er gesagt hat. Auch ein Schlag ins Gesicht lässt Jesus im wahrsten Sinne des Wortes das Gesicht nicht verlieren, sondern setzt vielmehr argumentativ den Angreifer und damit die von diesem verteidigte Position des Hohepriesters ins Unrecht. Damit zeigen die parallel gesetzten Petrus- und Jesus-Szenen ein deutlich unterschiedliches Bild, noch einmal unterstrichen durch die Worte des Petrus: Dessen zweimaliges oujk eijmiv 18,17.25 steht in scharfem Kontrast zum zweimaligen ejgwv eijmi Jesu 18,5.8 (verstärkt durch den auktorialen Erzähler-Kommentar V.6). Damit legt sich folgender Vergleich nahe: dem sich zu seinen Jüngern und seiner Lehre bekennenden Jesus steht der seine Zugehörigkeit zu Jesus verleugnende Petrus gegenüber. Während Jesus 201
So u.a. ELLIS, John 250. Für eine derart symbolträchtige Beschreibung hätte sich allerdings das markinische fw'" in seiner Doppeldeutigkeit besser geeignet. STIBBE, John 185 lässt dem Feuer zwar auch eine symbolische Bedeutung zukommen, aber in dem Sinne, dass es für den Bedarf an Wärme und Licht steht inmitten einer Stimmung, gekennzeichnet von „darkness, of evil, of tragedy. It is also one of coldness, of death“. 202 Wahres oder falsches Zeugnis kann als das eigentliche Thema des Verhörs benannt werden, s.a. martuvrhson V.23.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
aufgrund seines Bekenntnisses sein Leben verliert, versucht Petrus im Zuge der Verleugnung sein Leben zu schützen203. In dem Moment, in dem Jesus seine Jünger als Zeugen seiner Worte darstellt, wird Petrus als Zeuge befragt – und verleugnet sein Jüngersein. Dazu steht Petrus noch im Kontrast zum Täufer204, der 1,20 explizit nicht verleugnet (ajrnevomai findet sich nur 1,20 und an den Petrus betreffenden Stellen 13,38; 18,25.27). c) Rolle und Funktion der Petrusfigur im Rahmen johanneischer Theologie Wie die Rolle des Judas so steht auch die des Petrus in der Funktion, die Identität Jesu und seinen gottgewollten, freiwillig und aktiv auf sich genommenen heilvollen Tod narrativ darzustellen (s.o. a)): Dies zeigte sich beispielsweise in seinem Einsatz für die Jünger als Guter Hirte V.8f. und wird bekräftigt durch den Auftrag des Vaters V.11, wozu der Schwertstreich des Petrus szenisch gesehen den Anlass bot. In Entsprechung zu Joh 13 stellt sich hier in der Verhaftungsszene, die zur Theophanie wird, Jesu Göttlichkeit in Niedrigkeit dar: sein Dienst an den Seinen im Weg in die Passion eij" tevlo" d.h. bis zum Ende und als erfüllende Liebe. Die Funktion der Petrusfigur in Joh 18 stellt sich in stringentem Anschluss an Joh 6 und 13 dar: Wieder sind es christologisch-soteriologische und ekklesiologische Themen, die auf diese Weise zum Ausdruck kommen. Als personifiziertes Jüngerunverständnis205 werden infolge des Schwertstreiches besonders die Notwendigkeit des Todes und konsequenterweise die Unmöglichkeit vorösterlicher Nachfolge herausgestellt (s.o. 18,10 in Verbindung mit 18,36f.). Letzteres ist dann als Thema besonders präsent in V.15–27 (analog zu Joh 13,36–38): Dies zeigt die achtmalige Erwähnung von maqhthv" in V.15–25, ajkolouqevw (nach 13,37 wieder 18,15) sowie das im Setting gegebene, mit Joh 10 verbundene Bildfeld. Durch i[de ou|toi oi[dasin a} ei\pon ejgwv V.21 und die Wiederholung seiner Verleugnung V.25 gerät Petrus jedoch nicht nur in Kontrast zu Jesus, son203
Damit steht das Verhalten des Petrus in ironischem Kontrast zu einer von ihm beanspruchten Hirtenfunktion 13,37, die von Jesus 13,38 entsprechend in Frage gestellt wird, vgl. auch TOLMIE, Shepherd 366. 204 Vgl. auch SABBE, Denial 238. 205 Des Öfteren wird Petrus eine „Übereifrigkeit“ attestiert, so z.B. RESSEGUIE, Gospel 153f. („eagerness“), B LAINE („overeager disciple“: DERS., Peter 89) oder VORSTER (DERS., Characterization 64.67f.), auch TOLMIE („impulsiveness“: DERS., Farewell 137.195.202 u.ö., vgl. auch ältere Publikationen wie STRATHMANN, Stellung [1943] 267f.: „Impulsivität“), was hierbei genauso wenig als relevanter (und darin zumindest partiell positiver) Charakterzug gesehen werden kann wie dessen Bereitschaft, im Schwertstreich sein Leben hinzugeben (so neben den Genannten noch S IMON, Petrus 146f., auch HARTENSTEIN, Charakterisierung 166). Stattdessen ist der Schwertstreich mit D IETZFELBINGER, Abschied 93 als „Symbol verfehlter Nachfolge“ zu bezeichnen.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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dern zusätzlich in Opposition zu den V.19 als Jünger gekennzeichneten und letztendlich zu den (idealen) Adressaten, die stattdessen das Wort Jesu bewahren und davon zeugen. Dazu betreffen die Fragen an Petrus V.17.25.26 ausdrücklich dessen Status als Jünger Jesu, was folglich auch für seine Verleugnungen gilt. Über die szenische Darstellung ergibt sich eine Judas analoge Personenkonstellation: Petrus positioniert sich im Hof, aber eben auch in seinen Antworten quasi auf der Seite der Gegner Jesu206. Parallel dazu steht die Befragung Jesu über seine Jünger V.19 als Kontrastfolie zum Verhalten des Petrus; daraus ergibt sich folglich: „[I]t is a story of discipleship denied“207. Insgesamt werden mit den Figuren des Judas, des Lieblingsjüngers und des Petrus verschiedene Formen des Jüngerseins vor Augen gestellt, wodurch sich eine Joh 13 analoge Konstellation ergib: Judas repräsentiert als vorheriger Jünger (s.a. 6,66) die Nicht-Jüngerschaft, Petrus die „nicht wahre“ Jüngerschaft und der Lieblingsjünger die ideale Jüngerschaft208, die so zum Maßstab wird. Mit dem Verschwinden des Petrus für den weiteren Verlauf der Passion verschwinden zugleich alle Jünger bis Kapitel 20 von der Bildfläche (mit Ausnahme des Lieblingsjüngers 19,25–27.35). Dies zeigt ein weiteres Mal, dass Petrus für das ambivalente Gesamtbild der maqhtaiv steht, die allerdings angesichts der Passion versagen (16,32). In pragmatischer Hinsicht kann dieser Aspekt des Jüngerbildes Trost angesichts der Versagenssituationen von Gläubigen bedeuten. Diese gehören wohl ebenso zur Gemeinderealität, wie die Erfahrung, dass selbst in innersten Kreisen Verrat 209 bzw. Abfall zur Realität gehören. Doch wenn Jesus V.21 nach der abgeschlossenen Offenbarung an die Welt von sich auf die Jünger weist, dann gelten den Jüngern, und in ihnen nun der johanneischen Gemeinde die Worte Jesu, die im Johannesevangelium gegeben sind. So zeigt sich darin ein weiteres Mal ein sehr selbstbewusstes offenbarungstheologisches Selbstverständnis, für das grundsätzlich die Person des Lieblingsjüngers210 steht. Dieser wird hier im Kontrast mit der Petrusfigur profiliert, indem er als Medium der Nachfolge erscheint, die jedoch vorösterlich scheitert. Im intertextuellen Spiel mit 206
Dies gilt in Form des Verrats natürlich von Judas nochmal in zugespitzter, und mit Petrus darin nicht zu vergleichender Weise. 207 MOLONEY, View 233. 208 S.o. 4.1.3.1 zu TOLMIEs semiotischen Viereck. Petrus wird von Judas zudem noch anhand der parallelen, doch letztendlich konträren Entwicklung abgehoben, indem er sich von Jesus überzeugen lässt, Judas aber unter dem Einfluss des Satans steht vgl. TOLMIE, Farewell 195. So bleibt Petrus in Rahmen des Zuspruchs 13,10 kai; uJmei'" kaqaroiv ejste. 209 S.u. 4.1.2.1 und s.u. 6.1.3 zu Judas. 210 Nicht nachvollzogen werden kann daher die Bemerkung von BROWN: „Certainly the disciple plays no role of theological significance in the scene“ (B ROWN, John II 841).
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Joh 10 wird er zudem in die Nähe des Türhüters gerückt, d.h. ihm kommt die Rolle zu, den Einlass durch die Tür und damit s. 10,9 zum Heil zu vermitteln. Dies deckt sich mit dem in 20,31 programmatisch formulierten Ziel des Johannesevangeliums selbst. Wie schon beobachtet vollzieht sich der Auftritt des Lieblingsjüngers 18,15f. entsprechend der Szene Joh 13,23–26 wie auch noch 20,2–11 ohne Worte, d.h. (noch) ohne direkte Kommunikation zwischen dem Lieblingsjünger und anderen Jüngern. Diese wohl bewusst in Kauf genommene „Undeutlichkeit“, in der die Gestalt des Lieblingsjüngers gezeichnet ist, ist dem doppelten Darstellungsinteresse des Johannesevangeliums geschuldet: Im Rahmen der vorösterlich geschehenen Ereignisse wird das – johanneisch gedacht nur nachösterlich mögliche – Verständnis der Heilsereignisse wie das damit verbundene ekklesiologische und offenbarungstheologische Selbstverständnis eingezeichnet. Nachfolge ist nur als nachösterliche und nur vermittelt durch das Zeugnis des Johannesevangeliums selbst möglich, das den Jüngern gegeben ist (18,21). Dafür steht hier in Joh 18 die gerade im Scheitern deutliche Angewiesenheit des Petrus auf den Lieblingsjünger, der das Joh 10 analoge Nachfolge-Verständnis repräsentiert. 4.1.4.2 Diachrone Analyse von Joh 18,1–14.15–27 Wesentliche zentrale Aspekte johanneischer Theologie, die im Rahmen der synchronen Analyse aufgezeigt wurden, erweisen sich im Vergleich zu den synoptischen Darstellungen als johanneische Spezifika: Anstelle der der Gefangennahme Jesu unmittelbar vorangehenden Gethsemane-Perikope hat Johannes in 12,27f. eine kritische Reminiszenz da211 rauf als hermeneutischem Schlüssel der gesamten Passion vorangestellt. Auf diese Weise interpretiert er die Passionsereignisse als freiwillig auf sich genommenes Geschehen gemäß dem Willen und der Sendung des Vaters, als „Stunde“ der Verherrlichung. Dies findet seine narrative Umsetzung in Joh 18,1–11.12–14.15–27, und zwar größtenteils in deutlichem Kontrast zu den Synoptikern. Jedoch zeigen auch partielle Übereinstimmungen, dass und wo Johannes an Details oder auch theologischen Tendenzen anknüpfen und diese in seinem Sinne weiterentwickeln konnte: Die explizite Erwähnung der Jünger und die Gewohnheit Jesu an diesen Ort zu gehen (V.1f.) findet sich bereits in Lk 22,39, wird hier jedoch auf Judas212 hin und dessen Darstellung als Jünger und Verräter aus dem engsten Kreis heraus zugespitzt. Die Verse 3–8 zeichnen ein ins Unwirkliche gesteigertes Szenario, das gegenüber den 211
Vgl. FREY, Evangelium 89f. und s.o. S. 110 zu Joh 13,21. ÆIouvda" oJ paradidouv~ V.2.5 wird hierbei das auch bei Matthäus redaktionelle Element Mt 26,25 aufgreifen, vgl. auch DAUER, Passionsgeschichte 50. 212
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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Synoptikern die militärischen Ausmaße der Verhaftung betont, die jedoch über Jesu „Ich-Bin“-Worte zur Theophanie geführt wird. Die römische spei'ra V.3.12, die Mk 15,16/Mt 27,27 erst im Rahmen der Verspottung auftritt, wird hier wohl bewusst vorverlegt: Damit wird die Proskynese aus ihrem „‚uneigentlichen Zusammenhang‘“ in der markinischen Verspottung gelöst, „während sie im JohEv als gültiger Ausdruck auf das hoheitliche ejgwv eijmi verstanden wird und daher in ihrem ‚eigentlichen‘ Zusammenhang erscheint“213. Die Hinzufügung von meta; fanw'n kai; lampavdwn kai; o{plwn (18,3) könnte schlicht die (wirkungslose) Bewaffnung verstärken, doch angesichts der letztgenannten o{plwn anstelle der macairw'n kai; xuvlwn Mk 14,43.48/Mt 26,47.55, und der im Johannesevangelium an vielen Stellen symbolisch gemeinten Hinweise dieser Art214 könnte durchaus ein Gegensatz zum Licht der Welt gemeint sein215. Dadurch erscheint die Requisite des Schwertes (mavcaira V.10f.) allein in den Händen des Petrus, der so allerdings trotz seiner Bewaffnung von dem Verhaftungstrupp unterschieden wird216. In den folgenden Versen geht die johanneische Darstellung u.a. im Fehlen des Judaskusses über die synoptische Darstellung hinaus bzw. setzt die bereits bei Lukas angedeutete Entwicklung fort217. Diese christologischen Aspekte führen hierbei das Verhalten des Petrus noch mehr ad absurdum, umgekehrt setzt das absurde Verhalten des Petrus die soteriologische Rolle Jesu noch deutlicher ins Licht. Der Aspekt der Erfüllung der Schrift, der bei Markus und Matthäus erst im Kontext des Schwertstreiches vorkommt (Mk 14,49; Mt 26,54), wird hier bereits V.9 an die Theophanie-Szene angeschlossen und unterstreicht die Einheit mit dem Vater und dessen Sendung Jesu. Plhrwqh'/ oJ lovgo" bezieht sich hierbei jedoch nicht auf die alttestamentlichen Schriften (so im Fall von Markus und Matthäus), sondern auf oJ lovgo" des Johannesevangeliums218, was den bereits beobachteten offenbarungstheologischen Anspruch im Vergleich zu den Synoptikern 213
LANG, Johannes 68. So nur h\n de; nuvx 13,30, vermutlich auch nuktov" 3,2. 215 Vgl. B ROWN, John II 817; zumindest aber zeigen diese „Beleuchtungsutensilien“ die Sphäre der Nacht an, der auch Judas angehört. 216 Gegen BRODIE, John 527, der Petrus „in literary continuity not with Jesus but with the final focal detail in the description of the assembled forces of darkness – their ‚weapons‘ (v 3)“ sieht. 217 Bei Lukas fällt bereits die Erwähnung des Kusses weg, stattdessen liegt die Initiative mit der Frage Iouvda, filhvmati to;n uiJo;n tou' ajnqrwvpou paradivdw"É (Lk 22,48) auf der Seite Jesu. 218 Strittig, aber für den Tatbestand als solchem nicht relevant ist hierbei, welche Stellen konkret im Hintergrund stehen (s.o. 4.1.4.1). Gleiches geschieht im Grunde V.11, indem neben den Bezügen zum synoptischen Kelchwort (s.u.) 12,27 als direktester Bezug, d.h. „Schrift“ gilt. 214
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
noch schärft. 18,10f. schließt sich nun wieder enger an die synoptischen Parallelen an, identifiziert jedoch den synoptischen Unbekannten mit Petrus, der durch sein Handeln im Gesamtduktus ein weiteres Mal zum Repräsentanten des Jüngerunverständnisses wird. Dass im Gegenzug auch der Knecht benannt wird, dient zum einen der Dramatisierung, und zum anderen in der proleptischen Funktion im Hinblick auf V.26 der Steigerung der Verleugnung. To;n tou' ajrcierevw" dou'lon (18,10) entspricht mit geringer Umstellung allen Synoptikern, speziell der lukanischen Darstellung folgt das Detail des rechten Ohres (Lk 22,50), während wjtavrion und auch e[paisen auf Mk 14,47 zurückgreifen werden. Eine Joh 18,11 (bavle th;n mavcairan eij" th;n qhvkhn) adäquate Reaktion Jesu kommt Mt 26,52f. (gegen Mk 14,48) nahe und unterstreicht die schon bei Matthäus angelegte Freiwilligkeit des Leidens (v.a. Mt 26,53). Die sprachlichen Parallelen werden hierbei unterschiedlich beurteilt, sowohl in ihrem Ausmaß als auch in den daraus zu ziehenden Konsequenzen, d.h. ob mit einer den Synoptikern nahestehenden vorjohanneischen Quelle zu rechnen ist (so prominent D AUER219) oder ob ein direkter Bezug auf die Synoptiker vorliegt220. Das johanneische Kelchwort 18,11 lässt in jedem Fall mit plausiblen Gründen die Bezeichnung Jesu als Räuber Mk 14,48/Lk 22,52 weg, stattdessen zeigt sich auch hierbei eine besondere Nähe zu Matthäus: Zusätzlich zum bei allen synoptischen Kelchworten vorkommenden pothvrion könnte in ouj mh; pivw aujtovÉ (18,11) ein Bezug zu eja;n mh; aujto; pivw Mt 26,42 gegeben sein221. Zwar kann der literarische Zusammenhang dadurch nicht ausreichend gestützt werden, doch ist in jedem Fall festzuhalten, dass Mt 26,42 im Vergleich zu Markus ein verstärktes Einverständnis dem Kelch gegenüber darstellt, das so bereits in die Richtung des 18,11 ausdrücklich dokumentierten Einklangs mit diesem Weg weist. Bezieht man sich allein auf das pothvrionMotiv, könnte jedoch ebenso eine – korrigierende – Modifikation von Mk 14,36 vorliegen. Die den Kontrast Jesus – Petrus verstärkende und das Thema der Jüngerschaft fokussierende Szenenfolge V.15–18.19–24.25–27 hat in dieser Form zwar als johanneisches Spezifikum zu gelten, fraglich ist jedoch, ob 219
DAUER, Passionsgeschichte 60. S.a. KLAUCK, Rezension C.K. Barrett 271f. und NEIRYNCK, Synoptics 32f., der eine Korrektur auf vorjohanneischer Ebene für nicht erklärlicher hält als johanneische Redaktion, s.a. SABBE, Arrest, zusammenfassend 234. Dagegen aber LANG, Johannes 81f., der hier von redaktioneller Bearbeitung johanneischer Tradition und weniger von einer direkten Abhängigkeit von Matthäus ausgeht. 221 Dies ist wohl als matthäische Redaktion zu kennzeichnen (vgl. DAUER, Passionsgeschichte 53, der dennoch, und wohl zu Recht, aufgrund der geringfügigen sprachlichen Übereinstimmungen eine Übernahme aus Matthäus ausschließt, ebd. 48). Einen Bezug zu Mt 26,52 sieht dagegen SABBE, Arrest 230. 220
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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diese formalen (wie auch die insbesondere mit V.19–24 verbundenen inhaltlichen) Unterschiede für eine relative Unabhängigkeit von den Synoptikern sprechen müssen222. Vielmehr findet die Teilung der Verleugnungsszenen bereits in Mk 14,54/66–72 statt223, jedoch ohne die erste Verleugnung vor die Prozess-Szene vorzuziehen224. Die eigentliche Ausgestaltung des johanneischen „sandwiching“ fand daher in Markus nur ihren Anstoß. Die Eliminierung der Pause zwischen erster und zweiter Verleugnung (so in Lk 22,59; Mt 26,73) dient ebenfalls der sich dann bei Johannes ergebenden Gleichzeitigkeit von Verleugnung und Verhör. V.15 schließt sich zwar einerseits sprachlich in einigen Details eng an die Synoptiker an (so z.B. das hjkolouvqei vgl. Mt 26,58; Lk 22,54, Mk 14,54 hat hjkolouvqhsen), setzt aber gerade anhand von Parallelen deutlich andere Akzente: so entspricht zwar das folgende
eij" th;n auvlh;n tou' ajrcierevw~
Mk 14,54
eij" th;n auvlh;n tou' ajrcierevw~
bzw. weitgehend Mt 26,58
e{w" th'" aujlh'" tou' ajrcierevw~
jedoch ist bei Markus und Matthäus Petrus, bei Johannes aber der Lieblingsjünger gemeint! Dessen Einführung zu Beginn der Verleugnungsszenen geht signifikant über die synoptische Darstellung hinaus und erfüllt eine besondere theologische Funktion (s.o. c), dient also sicher nicht nur der Erklärung dafür, wie Petrus in den Hof kam 225. Konsequentermaßen lässt Johannes das Folgen ajpo; makrovqen aus Mk 14,54 weg, denn es geht um direkte Nachfolge in der Beziehungsstruktur mit dem Lieblingsjünger226. Gemäß der Setting-Analyse (s.o. 4.1.4.1 a)) wird Jüngersein im Anklang an Joh 10,1 als ein durch die Tür in die aujlhv Gehen bestimmt. Dieser Akt Joh 18,15f. lässt die darum mit der synoptischen paidivskh identifizierte qurwrov" Petrus erkennen, und nicht qua äußerem Anblick wie Mk 14,67. Diese Innen-Außen-Struktur hat hierbei Anhalt an Mt 26,69, findet jedoch wiederum hier (und als Gestaltungselement ebenso 18,28; 19,4 etc.) eine formal wie inhaltlich spezifische Ausformung: 222
Dafür plädiert etwa DAUER, Passionsgeschichte 78, der dies für eine eigenständige Konstruktion des Evangelisten hält. 223 Darauf weist auch SCHNELLE, Synoptiker 1807 und Anm. 40. 224 NEIRYNCK ist daher Recht zu geben: „the (Markan) interweaving of the stories is one thing, the transposition of the first denial within the Peter story (diff. Mk) is another“ (NEIRYNCK, ‚Other Disciple‘ 131). 225 So bei BROWN, John II 841 im Anschluss an B ULTMANN. 226 Gegen KRAGERUD, Lieblingsjünger 26 ist so aufgrund dieser Modifikation der synoptischen Vorlage auch nicht von einer „Substitution“ des Petrus durch den Lieblingsjünger zu reden.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Joh 18,16
oJ de; Pevtro" eiJsthvkei pro;" th'/ quvra/ e[xw
Mt 26,69
oJ de; Pevtro~ ejkavqhto e[xw ejn th/' aujlh/'
Während das Motiv des „Draußenseins“ bei Matthäus bereits mit der ersten Verleugnung verbunden ist, finden bei Johannes alle Verleugnungen bereits „drinnen“ statt, im vom Lieblingsjünger eröffneten Bereich der Nachfolge. In pragmatischer Hinsicht zeigt sich hier ein Joh 6; 13 und 18,1–11 mit Judas verbundener Aspekt: Petrus entspricht derjenigen Figur, die Verrat im Inneren vertritt. Auch die Fragen an Petrus zeigen, wie im Johannesevangelium das Thema der Jüngerschaft als besonderer Fokus der Gestaltung gelten kann. So sind zwar einige Ähnlichkeiten in der Struktur festzustellen: Joh 18,17(25)227 Mt 26,73/Lk 22,58
mh; kai; su; ejk tw'n maqhtw'n ei\ kai; su; ejx
aujtw'n
ei\
Doch geht es, wie es die johanneische Modifikation zeigt, konkret um das Jüngersein des Petrus, und nicht nur darum, Jesus nicht zu kennen (Lk 22,57; Mt 26,72) oder einer von ihnen zu sein (Lk 22,58–60; Mt 26,96f.). In der Konsequenz von Joh 18,17 und 25 geht es stattdessen darum, konkret Jüngersein zu verleugnen. Das oujk eijmiv Joh 18,17 aus Lk 22,58 wird so konkretisiert und damit geschärft; in der Wiederholung 18,25 ergibt sich der bereits beobachtete Kontrast zum zweimaligem ejgwv eijmi Jesu (s.o. 4.1.4.1 b). Das Prinzip von Analogie und Kontrast zeigt sich auch in V.18 im Verhältnis zu Mk 14,54(67): aus kai; h\n sugkaqhvmeno" meta; tw'n uJphretw'n kai; qermainovmeno" wird kai; ejqermaivnonto: h\n de; kai; oJ Pevtro" metÆ aujtw'n eJstw;" kai; qermainovmeno": Petrus tut wortwörtlich, was die Diener tun (in der parallelen Formulierung kai; evqermaivnonto – kai; qermainovmeno~), was dessen Zuordnung zu ihnen und den Kontrast zu Jesus verstärkt (s.o. 4.1.4.1 b und c). Weiteres Gewicht erhält metÆ aujtw'n, indem es hier nach der ersten Verleugnung gesetzt wird und nicht wie bei Markus vorher, was das oben beobachtete Vorziehen dieser Verleugnung zusätzlich zur Synchronisierung von Verleugnung und Prozess erklären würde. Ein positiver Zug zeigt die Charakterisierung des Petrus allerdings zum Schluss, da Joh 18,27 mit Lk 22,60 und gegen Mk 14,71/Mt 26,74 die Flü-
227
Die wortwörtliche Wiederholung stellt nicht nur nach dem Einschub des Verhörs eine Wiederaufnahme dar, sondern verstärkt noch einmal die Gleichzeitigkeit der drei Szenen (Verleugnung I – Verhör – Verleugnung II).
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
139
che und Schwüre weglässt228, so wie auch das Weinen (Mk 14,72; Mt 26,75; Lk 22,62)229. Doch der größte inhaltliche Unterschied ergibt sich im Vergleich des johanneischen Verhörs vor Hannas zum Prozess, insbesondere bei Markus und Matthäus: Zunächst ist schlicht festzustellen, dass bei Markus kein Prozess im eigentlichen Sinne stattfindet und die wesentlichen Inhalte bei Markus an andere Stellen platziert wurden230: Das Thema des falschen Zeugnisses findet sich z.B. Joh 8,13 im Vorwurf an Jesus, an diese Stelle tritt hier in Joh 18,19–24 das Zeugnis der Jünger. Der Inhalt des markinischen falschen Zeugnisses, das Tempelwort, ist bekanntlich auf Joh 2,13–22 vorverlegt und zeigt den von Anfang an sich durchziehenden Antagonismus Jesu und der jüdischen Autoritäten an, und das Todesurteil Mk 14,64 schließt sich 11,53 an die Lazarus-Perikope an. Die Frage des Messias-Bekenntnisses durchzieht von Joh 1 das ganze Johannesevangelium, zunächst mit der Abwehr des Täufers und den 1,40 beginnenden Bekenntnissen des Andreas, der Samaritanerin usw.231. Analoges gilt für das „Ich-Bin“-Wort Mk 14,62, das zuletzt Joh 18,5.8. seine Entsprechung fand, jedoch als Theophanie und nicht im Rahmen einer Prozess-Anklage. Eine Parallelität zeigt sich im Geschlagenwerden Jesu (Joh 18,22f. vgl. Mk 14,65232; Mt 26,67f.), jedoch geschieht dies bei Johannes als Reaktion auf Jesu selbstbewusste Antwort, die ihn V.23 als Unschuldigen darstellt und eher den fragenden Richter als den antwortenden Angeklagten bloßstellt. Indem nur ein Diener schlägt, wird hier zudem die kollektive Demütigung ersetzt, was sich zur Joh 18 durchziehenden souveränen Rolle Jesu fügt. 228
Darum ist es insgesamt schwierig, die Verleugnung im Vergleich zu den Synoptikern als „eher noch dramatisch gesteigert“ zu bezeichnen (so S ÖDING, Erscheinung 219), trotzdem wiederum die letzte Verleugnungsaussage als Distanzierung von allen Ereignissen in Gethsemane tatsächlich eine gewisse Steigerung darstellt. Doch dient diese – im Zusammenspiel mit der johanneischen Einfügung des Malchus-Motivs – der Kontrastierung des Zeugnisses Jesu (bzw. potentiell der Adressaten s. 18,21) zum Verhalten des Petrus: Während sich Petrus hier vor der Augenzeugenschaft fürchtet (18,25), verweist Jesus auf die Ohrenzeugenschaft seiner Jünger. 229 Ein Reflex darauf könnte in ejluphvqh Joh 21,17 vorliegen, in jedem Fall wird der Bezug zur Verleugnungsansage anders als bei den Synoptikern erst hier wieder hergestellt. 230 Abzulehnen ist daher die Folgerung z.B. bei FORTNA, Jesus 375f., dass Johannes die markinische Form nicht kannte. 231 Eine Art „Prozess“, in jedem Fall eine Anklage wegen des „Christus“-Titels sieht SABBE, Denial 220 Anm. 4 auch in 10,22–39, wofür die Parallelen in diesem Fall mit Lukas (Lk 22,67f.71) sprechen. 232 SCHNELLE, Synoptiker 1807 sieht darin zu Recht den Erweis dafür, dass Johannes den markinischen Prozessbericht kannte.
140
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
4.1.4.3 Zusammenfassende Aspekte der Analyse von Joh 18,1–14.15–27 Im Rahmen der synchronen Analyse hatte sich gezeigt, dass der Fokus darauf gerichtet ist, das Scheitern des Petrus an der Nachfolge und am Jüngersein darzustellen (vgl. 18,10; 18,15–27 im Kontrast zum Lieblingsjünger, v.a. aber im Kontrast zu Jesus). Indem hier eine dunkle Folie zu Jesus gezeichnet wird, werden mittels dieses Petrusbildes christologischsoteriologische Akzente verstärkt. Ebenso verdeutlicht das Scheitern des Petrus am Jüngersein dessen Angewiesenheit auf den Lieblingsjünger, der Nachfolge vermittelt (18,15f.). Indem Petrus im Zuge der Verleugnung zudem im Kontrast zu den 18,21 erwähnten Jüngern erscheint, stellt sich an dieser Stelle auch die Angewiesenheit auf die Worte Jesu dar, die den Adressaten im Johannesevangelium zugänglich sind. Zwar knüpft Johannes insgesamt u.a. an gestalterischen Details bei den Synoptikern an oder führt etwa die Parallelisierung der Verhör- mit der Verleugnungsszene fort. Inhaltlich setzt er jedoch deutlich neue Akzente. Die sich von den Synoptikern daher deutlich unterscheidende Darstellungsweise wird vermutlich nicht auf Unabhängigkeit, sondern vielmehr auf selektive Aufnahme der Synoptiker und gleichzeitige Korrektur in johanneischem Interesse233 schließen lassen. Denn gerade im Vergleich mit den synoptischen Darstellungen wird johanneische Theologie geschärft, und zwar in erster Linie in Bezug auf die benannten christologischen Aspekte (so besonders die souveräne, Willen und Sendung des Vaters entsprechende Rolle Jesu in der Passion). Ferner wird das Thema des Jüngerseins und das offenbarungstheologische bzw. hermeneutische Selbstbewusstsein des Johannesevangeliums selbst profiliert. 4.1.5 Analyse von Joh 20,1–10 4.1.5.1 Synchrone Analyse von Joh 20,1–10 a) Struktur und Kontext des Abschnitts In Joh 20 werden wiederum verschiedene Szenen miteinander verbunden. Von den wechselnden Personenkonstellationen her (V.3 nur Petrus und der Lieblingsjünger, V.11 wieder Maria Magdalena, V.19 die Jünger und V.24–29 Thomas) sowie den Ortswechseln (V.3.10 auf 11.19) bzw. Erzähler-Kommentaren V.10.18.30f. ergeben sich folgende Abschnitte:
233
So ist sich hier SABBE, Denial 220–224, besonders 221 anzuschließen: „Can one imagine a more typical Johannine Christology, or a more Johannine redaction?“.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
A1:
V.1–2: Einleitung (für B und C)
B:
V.3–10
C:
V.11–18
D:
V.19–23
E:
V.24–29
A2:
V.30–31: Schluss
141
Mit der Zeitangabe th'/ de; mia'/ tw'n sabbavtwn und Maria Magdalena als handelnder Person zeigt sich 20,1 als Neueinsatz. Der Gang der Maria Magdalena zum Grab und ihr Bericht an Petrus und den Lieblingsjünger V.1f. (hier klar identifiziert mit dem a[llo" maqhthv" aus 18,15234) dient hierbei nicht nur als Einleitung für V.3–10, sondern auch für V.11–18 (s.a. die parallelen Verse 2b und 13). Über mnhmei`on als 20,1–10 dominierende Ortsangabe (V.1.2.3.4.6.8.) findet jedoch auch ein direkter Anschluss an 19,42 statt (s.a. ojqovnia 20,5–7 aus 19,40). Darüber hinaus verbindet mnhmei'on Joh 19.20 mit der Lazarus-Perikope, da sich (mit Ausnahme von 5,28) alle übrigen Belege in Joh 11 finden. Weitere Verknüpfungen mit Joh 11 bestehen über livqo" 20,1 vgl. 11,38 (allerdings nicht in der Grablegung Jesu Joh 19), sowie soudavrion 20,7 und 11,44. Von besonderem Interesse sind auch diejenigen Motive und Themen, die eine Inclusio mit Joh 1 bilden, so v.a. die paradigmatischen Verben der Nachfolge: kommen (e[rcomai 1,39.46 vgl. 20,1.2.3.4.6.8), sehen (blevpw 1,29 vgl. 20,1.5, synonym gebraucht235 mit qewrevw 20,6.12.14 und v.a. oJravw 1,39.46–48–50f. vgl. 20,8.18.20.25.27.29), glauben (pisteuvw 1,7.12.50 vgl. 20,8.25.29.31) und nachfolgen (ajkolouqevw 1,37.38.40.43 vgl. 20,6). Dies wird noch näher zu erläutern sein, wenn das Verhältnis von Joh 1–20 zu Joh 21 eigens thematisiert wird (s.u. 4.2). b) Charakterisierung Bereits die erste Nennung von Petrus in Verbindung mit dem Lieblingsjünger V.2 wird im Hinblick auf die Position des Petrus sehr unterschiedlich bewertet. Tatsächlich fällt auf, dass Maria Magdalena sich explizit an die beiden wendet. Dies ist sicherlich nicht damit zu erklären, dass die anderen Jünger geflohen seien236 (wogegen deren Anwesenheit und Rolle als Ansprechpartner für Maria Magdalena 20,18 spricht). Ferner ist zu disku234
Dazu s.o. 4.1.1.1 der Exkurs „Der Lieblingsjünger in Joh 1,35–40“. Den synonymen Gebrauch im Rahmen des Johannesevangeliums betont auch u.a. LANG, Johannes 260. 236 So BROWN, John II 983. 235
142
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
tieren, inwieweit sich von der Nennung an erster Stelle eine wie auch immer geartete Vorzugsrolle des Petrus ableiten lässt. Dahingehend ist das johanneische Darstellungsinteresse in umfassenderer Weise zu überprüfen: Tatsächlich spielen beide Figuren in einigen Szenen eine exklusive (18,15f.) oder zumindest hervorgehobene Rolle (13,23–26 s.u. 21,7.15– 22). Dabei wird 13,23 und 21,7 zuerst der Lieblingsjünger genannt, 18,15 entspricht die Formulierung in etwa derjenigen in 20,3. Eine inhaltliche Priorität ließe sich daher wohl nur anhand der jeweiligen Rolle im gesamten betreffenden Abschnitt festmachen, doch trifft diese 18,15 gerade nicht zu (s.o. 4.1.4.1). Auch hier wird narrativ in durchaus ambivalenter Weise ein „zuvor“ der jeweiligen Person dargestellt: Zunächst werden sie einander gleichberechtigt zugeordnet (h[rconto, e[trecon de; oiJ duvo oJmou' V.3f.), jedoch kommt der Lieblingsjünger zuerst an (V.4 proevdamen und prw'to~, zusätzlich nachgeholt in V.8)237. Beide werden auch jeweils durch eijsevrcomai beschrieben: Lieblingsjünger
ouj mevntoi eijsh'lqen
V.5
Petrus
eijsh'lqen
V.6
Lieblingsjünger
tovte ou\n eijsh'lqen
V.8
Dadurch, dass die gesamte Szene keine verbale Kommunikation beinhaltet, ist sie rein durch die vom Erzähler berichteten jeweiligen Handlungen geprägt, die – zusammen mit dem Erzählerkommentar V.10 – für die Charakterisierung wesentlich sind. Anhand der benannten Konstellation stellt sich natürlich die Frage, warum der Lieblingsjünger nicht zuerst das Grab betritt, also Petrus den Vorzug gibt, obwohl er zuerst dort war und bereits die ta; ojqovnia, also mehr als Maria V.1, sieht. Der ihm folgende Petrus sieht noch mehr, nämlich das Joh 11,44 erwähnte Leichentuch (soudavrion), das gegenüber den Leinentüchern betont an einem spezifischen Ort liegt. Im intertextuellen Spiel mit der Lazarus-Perikope signalisiert dies den Adressaten, dass hier ein Geschehen stattgefunden haben muss, das die vorläufige Auferweckung übersteigt: denn Lazarus hatte noch mit dem soudavrion umwickelt das Grab verlassen. Damit befinden sich die Adressaten gegenüber Petrus in einer privilegierten Rolle, sie können im Gegensatz zu ihm und bestätigt durch den Lieblingsjünger, V.8 bereits sehen und glauben. Das Sehen und Glauben V.8 geschieht allerdings ohne Schilderung eines Objekts, doch in die entstehende Leerstelle hinein tritt die genannte Inter237
Vgl. den m.E. auch hier zutreffenden Begriff der „zeitlichen Priorität“ bei KRAGERUD, Lieblingsjünger, 20 s.u. Kap. 4 Anm. 50, der jedoch wie Joh 1,35–42 keine Herabsetzung des Petrus zum Ziel hat, sondern einen speziellen Aspekt johanneischer Theologie narrativ umsetzt, siehe dazu die folgenden Ausführungen zur hermeneutischen Funktion des Lieblingsjüngers.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
143
pretation der mit 11,44 vertrauten Adressaten238. In eben der gleichen privilegierten Position befinden sich die Adressaten V.9: Wie 2,22 etc. können sie im Gegensatz zum hier genannten Plural h[/deisan, der die vorösterlichen Jünger kennzeichnet, die Schrift239 bereits kennen und das Geschehen in der angemessenen nachösterlichen Weise deuten – und zwar ohne direkte Augenzeugen der Gegenstände im leeren Grab sein zu müssen. Daraus erklärt sich auch die auf der Textebene entstehende Spannung zwischen V.8, also dem Glauben des Lieblingsjüngers und dem Plural h[/deisan V.9240. Wie Leerstellen dienen gerade Spannungen auf der Textebene dazu, die Adressaten zu irritieren und letztlich deren Reflexion zu provozieren. Eine ähnliche Funktion erfüllt der Joh 13,23–26 entsprechende Tatbestand, dass der Glaube des Lieblingsjüngers (vor 21,7 noch) nicht kommuniziert wird. Chronologisch gesehen betritt zwar zuerst Petrus das Grab, ohne nachösterliche Erkenntnis aber zeigt sich das verstehende Zuvor des Lieblingsjüngers. Indem Petrus zwar sieht, was zum Verstehen führt, aber noch nicht glaubt, zeigt sich darin die Angewiesenheit auf das nachösterliche Erkenntnis vermittelnde Johannesevangelium. Indem der Zielpunkt der Szene auf V.8 (im Kontrast zu V.7) liegt, muss Petrus also zuerst – nämlich immer noch im Status des vorösterlichen Jüngers! – das Grab betreten. Davon abzuleiten, er handle durch diese Grabinspektion
238
THYEN, Johannesevangelium 761f. weist von 21,24 her darauf hin, dass der Lieblingsjünger darauf gar nicht angewiesen sei; doch abgesehen von der Frage, ob Joh 1–20 allein von Joh 21 her interpretiert werden kann und muss scheint im Kontext von Joh 20,3–10 erst einmal die Leserlenkung wesentlich: die Adressaten sollen primär dazu gebracht werden, im intertextuellen Bezug zu 11,44 die johanneische Erzählung als Schlüssel des Verstehens zu begreifen. 239 Mit grafhv ist im neutestamentlichen Sprachgebrauch naturgemäß zunächst „alttestamentliche Schrift“ gemeint, was u.a. an dieser Stelle eine Gleichordnung des Johannesevangeliums mit dem Alten Testament selbst erkennen lässt, und wiederum ein Selbstverständnis als „Schrift“ impliziert s.o. 7.1.2. Gängige Interpretationen sehen darin beispielsweise einen Anklang an Apg 2,25–28 als Zitat von Ps 16,8–11 (so u.a. HAENCHEN, Johannesevangelium 569). 240 Abgewiesen werden müssen Versuche, entweder den Lieblingsjünger in den fehlenden Glauben V.10 einzubeziehen (z.B. B USSE, Johannesevangelium 252.300) oder gar umgekehrt Petrus dem festgestellten Glauben zuzuordnen (vgl. MINEAR, We don’t know 127f.). Schwierig ist es jedoch auch, wie bei LANG, Johannes 269 allgemein zwischen nachösterlichem Glauben und der Interpretation im Licht des Alten Testaments zu unterscheiden (s.a. LANG selbst ebd. 269f. Anm. 810 bzw. 322–328 zum johanneischen Erfüllungsmotiv). Außerdem zeigt sich hier ein bewusster Kontrast von V.8 gegenüber V.9, dessen Funktion in eben dieser adressatenorientierten Sichtweise einer Überlegenheit über die der vorösterlichen Sphäre verhafteten Jüngergruppe liegen wird. Anzumerken bleibt ferner, dass es sowohl in 20,8 als auch 21,7 im Grunde „neutestamentliche Exegese“ ist, die Erkenntnis auslöst: 20,8 der Bezug auf Joh 11,44 und 21,7 der auf Lk 5,1–10 (s.u. 7.1.2.2).
144
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
„gleichsam in amtlicher Funktion“241, die ihm der Lieblingsjünger zugestehe, ließe die zahlreichen Signale unterbelichtet, die den Lieblingsjünger voraus sein lassen (s.o. S. 142). c) Die Funktion der Petrusfigur im Rahmen johanneischer Theologie Das ganze Kapitel Joh 20 steht unter dem Thema des „Sehens und Glaubens“, was in mehreren aneinander gereihten Episoden mit den jeweiligen Protagonisten durchgespielt wird: V.1:
Maria sieht den fehlenden Stein vor dem Grab
V.2–10:
der Lieblingsjünger sieht die Leinentücher (V.5) Petrus sieht zusätzlich das Schweißtuch (V.6f.) der Lieblingsjünger sieht und glaubt (V.9)
V.11–18:
Maria sieht den Engel und Auferstandenen (V.14 noch ohne Erkennen)
V.19–23:
die Jünger sehen Seite und Hände des Auferstandenen
V.24–29:
Thomas sieht die Wundmale Jesu: sehen und glauben (V.29)
Kontrastperson zu den V.29 selig gepriesenen Adressaten, die nicht Augenzeugen des Lebens Jesu und damit der Heilsereignisse sein konnten, ist Thomas V.24–29 (s.a. die Gegenüberstellung mit V.30a). Dies zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass Thomas das Zeugnis der anderen Jünger ablehnt (V.25), wodurch Thomas zum Antitypen der auf das Zeugnis anderer (s. 1,40–42.45f.) angewiesenen Adressaten242 wird. Die Verkörperung von „Sehen“ und „Glauben“ (in dieser Kombination nur 20,8 und 20,29) ist dagegen der Lieblingsjünger, dessen Glauben in direktem Zusammenhang mit dem Johannesevangelium in Gestalt der Lazarus-Perikope steht und so Vorbildfunktion für die Adressaten hat. Während die Darstellung des Lieblingsjüngers in V.8 ihren Zielpunkt erreicht hat, geschieht dies im bewussten Kontrast zu V.9, wo das noch 241
So z.B. DSCHULNIGG, Jesus 66f., in ähnlicher Weise sieht MOLONEY, John 522 darin den Erweis besonderer „authority“. SÖDING, Erscheinung 215 spricht gar von einem „Primat“ – jedoch zunächst von Söding selbst mit Anführungszeichen versehen; im Folgenden heißt es jedoch: „Jetzt wird der Primat Petri, der vorher nicht ohne freundliche Ironie konzediert worden war, zur Herzenssache der Johanneschule…“ ebd. 216 s.a. zusammenfassend und zugespitzt die angebliche Anerkennung des „Primats Petri“ durch die johanneische Gemeinde 231. Mit WUCHERPFENNIG, Petrusamt 77 lässt sich bezweifeln, dass Joh 20,3–10 überhaupt „Amtsfragen“ tangiert sind; davon unbenommen sieht Wucherpfennig Joh 21 die biblischen Grundlagen für einen „Primat“ (ebd. 74.100). 242 Vgl. auch DE J ONGE, Jesus 6.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
145
fehlende nachösterliche Verständnis wie in Joh 13 und 18,9 durch Petrus repräsentiert wird. Im Wettlauf an das Grab wird narrativ umgesetzt, wie der durch den Lieblingsjünger repräsentierte nachösterliche Glaube des Johannesevangeliums das fehlende Verständnis der vorösterlichen Jünger überflügelt; im intertextuellen Spiel mit Joh 11,44 zeigt sich einmal mehr die Angewiesenheit auf die im Johannesevangelium zum Ausdruck kommende Erkenntnis des Lieblingsjüngers, die den Adressaten bereits gegeben ist243. Die auf der Ebene der Szene unterschiedlichen Reaktionen auf die Gegenstände im leeren Grab fokussieren den Unterschied zwischen vorösterlich noch fehlendem Glauben (Petrus) und nachösterlichem Verstehen (Lieblingsjünger), wobei hier zugleich zwei Arten der nachösterlichen Erkenntnis aufgezeigt und so parallelisiert werden: zum einen anhand der alttestamentlichen „Schrift“ (V.9) und zum anderen auf der Basis intratextueller Exegese innerhalb des Johannesevangeliums selbst (V.8 aufgrund von 11,44). Daraus ist wie in den vorangegangenen Petrus-Szenen die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Darstellung der Petrusfigur allein der narrativen Umsetzung johanneischen Glaubens- und Selbstverständnisses geschuldet ist. Wie Joh 13,23–26 verbindet sich 20,7–9 ein zentraler offenbarungstheologischer Aspekt mit den Joh 6, 13 und 18 durchziehenden ekklesiologischen Aspekten: sehen und glauben, d.h. Nachfolge nach dem Joh 1 dargestellten Paradigma ist an den Lieblingsjünger (20,5 vgl. 18,15) und die im Johannesevangelium zum Ausdruck kommende nachösterliche Erkenntnis (20,9 vgl. 13,36–38) gebunden. Dass Petrus hier sozusagen als personifizierte Form nachösterlichen Vorbehalts zu gelten hat, bestätigt sich zudem im Vergleich zur nachfolgenden Erzählung der Erscheinung des Auferstandenen vor Maria Magdalena: Ihr und nicht Petrus wird die Selbstoffenbarung des Auferstandenen zuteil, und auch 21,7 bedarf es wiederum der Vermittlung des Lieblingsjüngers (s.u. 4.1.6.1 zu Joh 21). 4.1.5.2 Diachrone Analyse von Joh 20,1–10 Das Verhältnis von Joh 20 zu seinen synoptischen Parallelstellen nimmt im Rahmen der Diskussionen um das Verhältnis von Johannes zu den Synoptikern einen besonderen Stellenwert ein. Insbesondere am Verhältnis des für unsere Belange relevanten Textbereiches Joh 20,3–10 zu Lk 24,12244 scheiden sich die Geister und lassen sich einige der in der Forschung vertretenen grundsätzlichen Positionen aufzeigen. Aufgrund der in diesem 243
Darin liegt der Zielpunkt des Glaubensweges, den die Adressaten narrativ geführt werden: „The Beloved Disciple has come to faith without seeing Jesus, but he must leave the scene to allow room for other ‚disciples‘ to follow him in a journey of faith“ (M OLONEY, John 521). 244 NEIRYNCK, Synoptics 42 spricht zutreffend von „the most impressive test case“.
146
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Fall deutlichen sprachlichen und inhaltlichen Parallelen245 scheidet nur die Unabhängigkeitsthese von vornherein aus. Möglich wäre aber, dass: (1) Joh 20,3–10 (oder eine vorjohanneische Tradition)246 abhängig von Lk 24,12 ist247 (2) umgekehrt Lk 24,12 eine spätere Interpolation aufgrund von Joh 20,3– 10 ist248 (3) beiden eine gemeinsame Tradition249 zugrundeliegt. Die dritte Option scheint besonders auch dann attraktiv, wenn die Argumente für die ersten beiden Optionen als nicht ausreichend evident erscheinen, zeugt also in gewisser Weise von wissenschaftlicher Selbstbescheidung250. Ohne die intensiven Diskussionen auf dem Feld der Abhängigkeitsthesen, d.h. in Gestalt der Option 1) und 2), hier ausführlich wiederholen zu wollen, soll zunächst aufgrund der erwiesenen Hinzufügung des Lieblingsjüngers durch Johannes251 und des üblichen Verfahrens einer johanneischen Komposition aus synoptischen Einzellogien252 davon ausgegangen werden, dass Lk 24,12 vorgelegen hat. Grundlage muss natürlich zu allererst ein sorgfältiger Textvergleich sein, aufgrund dessen plausibel gemacht werden muss, welcher Text mit welcher Intention aufgenommen und modifiziert wurde. Bereits 20,1f. zeugen mit der Gestalt der Maria Magdalena anstelle der Frauen Lk 24,11 bzw. Mk 16,1–8253 von einer Reduktion auf einzelne Fi245
Vgl. SCHNELLE, Synoptiker 1812 oder auch die Übersicht bei GREGORY, Third Gospel 115. 246 So beispielsweise W ILCKENS, Johannes 305, SCHNELLE, Johannes 301. 247 U.a. T HYEN, Johannesevangelium 759f., SCHNELLE, Johannes 324 oder LANG, Johannes 263–270. 248 So u.a. M AHONEY, Disciples 303; SHELLARD, Relationship 275–278 und ganz grundlegend DAUER, Johannes 38.216. Eine Übersicht der vorgebrachten Argumente findet sich bei DAUER, Authentizität 294–318. Dagegen aber die anschließende Gegenthese von NEIRYNCK, Once More. Zu dieser Debatte auch GREGORY, Third Gospel, der aufgrund der vorgebrachten Argumente in dieser schwierigen Frage der Abhängigkeit eine sichere Entscheidung als nicht möglich ansieht. 249 BROWN, John II 1000f.; MYLLYKOSKI, Material, zusammenfassend 151; SÖDING, Fragen 232 Anm. 80. 250 So bei CRAIG, Inspection 614–619. Die bereits erwähnten sprachlichen Parallelen (s.o. Kap. 4 Anm. 245), die sich mit kompositorischen Analogien verbinden, sprechen allerdings gegen eine nur gemeinsam vorliegende Tradition. 251 Auch Thomas wird den synoptischen Darstellungen gegenüber hinzugefügt und erhält eine wichtige, repräsentative Funktion. 252 SCHNELLE, Synoptiker 1808 mit Bezug auf das Pilatusverhör, s.a. T HYEN, Entwicklungen 289. 253 Der Plural oi[damen Joh 20,2 wird auf dem Hintergrund dieser älteren Traditionen zu verstehen sein.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
147
guren als Handlungsträger 254. Indem Maria Magdalena V.2 zu Petrus und dem hier mit dem Lieblingsjünger identifizierten „anderen Jünger“ geht, treten diese an die Stelle der ajpostovlou" Lk 24,10, als Voraussetzung für den nachfolgenden Lauf an das Grab. Fraglich ist, ob Lk 24,24 (tine" tw'n su;n hJmi'n) hierbei den Anlass bot, den Lieblingsjünger einzufügen, zeigt doch die Einführung des Lieblingsjüngers an den weiteren Stellen im Johannesevangelium (1,35–39; 13,23–26; 18,15f.; 19,35 und 21,7.20–22), dass die Vorlage von Lk 24,24 keine notwendige Voraussetzung darstellt, sondern ein eigenständiger theologischer und sich auf kreative Weise äußernder Gestaltungswille verantwortlich ist. Bezieht man noch jüdisches Recht mit ein, demzufolge mindestens zwei (männliche) Zeugen notwendig sind, so bekommt die Zeugen-Rolle des Lieblingsjüngers zusätzliches Gewicht (und Joh 20,3–10 kommt die wichtige Funktion einer Bestätigung von 20,1f. zu). In Übereinstimmung mit Lk 24,12 gehen (evjrcomai) sowohl Petrus als auch der Lieblingsjünger eij"//ejpi; to; mnhmei'on. Das Lk 24,12 auf Petrus bezogene trevcw verwendete Johannes bereits 20,1 für Maria Magdalena, erst V.4 dann für beide Jünger255 und im Anschluss daran in variierter Form für den Lieblingsjünger (proevdramen ebenfalls V.4). V.5 wird dann vom Lieblingsjünger ausgesagt, was Lk 24,12 von Petrus gilt: parakuvya" blevpei256 (…) ta; ojqovnia, wobei movna wegfällt. Gerade an diesem Punkt ist strittig, ob und inwieweit movna ohne den Hintergrund der johanneischen Unterscheidung von ojqovnia und to; soudavrion V.7 sinnvoll wäre257. Doch im Hinblick auf aujto;n de; oujk ei\don im auf V.12 rekurrierenden V.24 bzw. der folgenden Emmaus-Perikope, die in der Erscheinung des Auferstandenen gipfelt, scheint keine weitere Erklärung geschweige denn der johanneische Hintergrund notwendig. Stattdessen ist umgekehrt plausibel zu machen, dass Johannes an movna anknüpfend das zusätzliche, im Rahmen johanneischer Intratextualität bedeutsame soudavrion (s.o. 4.1.5.1) hinzufügen konnte. Gerade die Kombination der ojqovnia aus Lk 24,12 mit dem soudavrion aus der Lazarusperikope „ermuntert (…) so 258 zum Textvergleich“ und vertieft das über Lk 24,12 hinausgehende nachösterliche Verstehen. Wenn in der Emmausperikope in Lk 24,13–32(.44– 46) erst nachösterliche, durch Schrift vermittelte Erkenntnis zum österlichen Glauben führt, so wird anhand von Joh 11,44 für den Lieblingsjünger 254
S.a. LANG, Johannes 260. Den Begegnungen Jesu mit Individuen kommt im Johannesevangelium besonderes Gewicht zu s.u. Kapitel 6.1.3. 255 Man könnte also von einer „Demokratisierung“ sprechen, bzw. von einem Verfahren, Handlungen, die wie im Fall des Christus-Bekenntnisses traditionell Petrus zukommen, hier auf mehrere Osterzeugen zu verteilen. 256 Zum für Johannes ebenso typischen Verfahren, Subjekte gegenüber der Vorlage auszutauschen vgl. LANG, Johannes 265. 257 Dazu ausführlich NEIRYNCK, Once more. 258 FREY, „Ich habe den Herrn gesehen“ 275.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
bereits hier vorweggenommen, was erst Joh 21259 für die Jünger Wirklichkeit werden kann. Genau dafür steht der rätselhafte V.9, der Lk 24,44–46 (dei' V.44, ta;" grafav" V.45 vgl. th;n grafhvn Joh 20,9, ajnasth'nai ejk nekrw'n V.46) aufnimmt, jedoch mit der johanneisch üblichen Verwendung von oi\da260. Wie Lk 24,12 qaumavzw stellvertretend auf Petrus bezogen war (analog zu Lk 24,41), so entspricht der fehlenden Reaktion des Petrus Joh 20,7 die auf alle Jünger bezogene Feststellung V.9, wodurch inhaltlich der Duktus von Lk 24,41–46 aufgenommen wird: Petrus repräsentiert die Jünger, denen der Auferstandene selbst erst das nachösterliche Verständnis eröffnen kann261. Für den abschließenden V.10 (ajph'lqon ... pro;" aujtouv") wird ebenso wieder Lk 24,12 (ajph'lqen pro;" eJautovn) vorgelegen haben262. Vergleicht man die Abfolge von Lk 24 insgesamt mit der von Joh 20, so werden der österliche Glaube und die Verkündigung der Frauen Lk 24,6–9 in Joh 20,1f. zunächst durch die Orientierungslosigkeit der Maria Magdalena angesichts des leeren Grabes ersetzt. Der erste Osterglaube wird stattdessen Joh 20,8 vom Lieblingsjünger ausgesagt. Die Lk 24,12 adäquate Rolle des Petrus wird Joh 20,3–10 aufgenommen, bildet aber einen Kontrast zum Lieblingsjünger, was dessen Bedeutung profiliert. 4.1.5.3 Synchrone und diachrone Analyse von Joh 20,1–10 Somit zeigt sich in Joh 20,3–10, dass der intertextuelle Vergleich mit Lk 24,12 im Kontext von Lk 24 die Ergebnisse der synchronen Analyse und damit das johanneische Profil bestätigt bzw. verstärkt. In der Kontrastierung der Petrusfigur, die an dieser Stelle noch einem vorösterlichen Glauben verhaftet bleibt, mit der eingefügten Figur des Lieblingsjüngers zeigt sich die Angewiesenheit auf die nachösterliche Hermeneutik des Johannesevangeliums in Gestalt des Lieblingsjüngers. Schriftbezug als Intratextualität (zu Joh 11,44) wird zur Voraussetzung des „Sehens und Glaubens“ (Joh 20,8) und tritt damit im intertextuellen Vergleich mit Lk 24 an die Stelle der Worte Jesu (Lk 24,6f.) und des Bezuges zu ta;" grafav~ 263 (Lk 24,27.45 ).
259
Zu den Verbindungen zu Lk 24 ausführlich s.u. 4.1.6.2. Die Beziehung von 20,9 zu Lk 24,6.8 kann gegen LANG, Johannes 268 nur in einem sehr weiten inhaltlichen Sinne gesehen werden, der eine Abhängigkeit in ein hypothetisches Licht setzt. 261 Das durch Schrift vermittelte Verstehen wird dann durch die intertextuelle Dichte, d.h. Schriftauslegung in Joh 21 in Gestalt des Lieblingsjüngers 21,7 narrativ umgesetzt (s.u. 4.1.6.1. a)). 262 LANG, Johannes 270. 263 Vgl. die Umsetzung in Joh 21 s.u. 4.1.6.2. 260
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
149
4.1.6 Analyse von Joh 21,1–14.15–23 Unabhängig davon, ob Joh 21 als Epilog264 oder Nachtragskapitel265 angesehen wird (s.u. 4.2), werden hier unstrittig verschiedene Linien zusammengeführt. Dies lässt sich nicht nur auf die Aufnahme synoptischer Traditionen zurückführen, sondern v.a. auch auf vielfältige Bezüge zu johanneischen Texten. Inter- und intratextuelles Spiel wird gewissermaßen in besonderer Weise verdichtet und soll in synchronen wie diachronen Analyseschritten dementsprechende Beachtung finden. 4.1.6.1 Synchrone Analyse von Joh 21,1–14.15–23 a) Struktur und Setting: Innerhalb von Joh 21 sind deutliche strukturelle Unterschiede zwischen V.1–14 und V.15–22 zu beobachten: V.1–14 liegt der Akzent auf narrativen Elementen wie die Handlung voranbringende Jesus-Rede und Erzählerkommentaren. Ab V.15 sind Dialoge sowie die Fokussierung auf die Personen Jesus – Petrus bzw. Jesus – Lieblingsjünger bestimmend. So ist nach dem auch formal zusammenfassenden und abschließenden V.14 eine Zäsur zu setzen. ÓOte ou\n hjrivsthsan V.15 zeigt jedoch eine bewusste Rückbindung der folgenden Verse an V.1–14 an, weswegen auch eine Interpretation beispielsweise der Weideaufträge V.15–17 nicht davon losgelöst werden kann. V.24 schließt zwar an das Herren-Wort vom Bleiben des Lieblingsjüngers an und erklärt es als dessen Bleiben im Zeugnis des Johannesevangeliums selbst, doch übernimmt dieses in der 1. Person Plural formulierte Bekenntnis zum Buch zusammen mit 21,25 (wie bereits 20,30) eine insgesamt abschließende (und V.24 eine legitimierende) Funktion. Daraus ergibt sich folgende Struktur von Joh 21: A: V.1–14
Fischfang
B: V.15–23
Die Rolle des Petrus und des Lieblingsjüngers
C: V.24–25
(doppelter) Buchschluss
Johanneischer Erzählkunst entspricht es, in der Regel mit wenigen, aber dafür umso bedeutsameren Details auszukommen. Im Vergleich dazu kann
264
So die Bezeichnung z.B. bei T HYEN, Johannesevangelium 771(ff.) und s.u. 4.2 zum Verhältnis von Joh 1–20 und 21. 265 So die Mehrheit der Positionen bis heute, vgl. die Übersicht bei HECKEL, Evangelium, insbesondere 106ff. und 129–137.
150
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
man in Joh 21,1–14 eine Fülle an narrativen Elementen feststellen, die mit einer inhaltlichen Dichte korrespondiert: Der Wechsel Nacht266 (V.3) – früher Morgen (V.4) wird in johanneischer Doppeldeutigkeit zugleich den Wechsel vom Unglauben zum Glauben anzeigen. Die Angabe e[sth ÆIhsou'" eij" to;n aijgialovn V.4 rückt Jesus zunächst in eine Distanz, die mit dem noch nicht erfolgten Erkennen korrespondiert, nach V.7 aber bereits V.8 durch den Hinweis ouj ga;r h\san makra;n ajpo; th'" gh'" minimiert wird und V.9 von den Jüngern überwunden wird267. Zentrale Bedeutung kommt natürlich dem mit 153 Fischen gefüllten Netz zu (dazu s.u. e) wie auch den aus Joh 6 stammenden Elementen Fisch und Brot V.9. Vielfältige Interpretationsmöglichkeiten wurden angesichts von to;n ejpenduvthn diezwvsato, h\n ga;r gumnov" V.7 erwogen268, doch in Anbetracht des ausschließlich Joh 21,7 und 13,4f. vorkommenden diazwvnnumi scheint der Bezug auf Joh 13 am nächsten zu liegen269. So wie 21,15–17 das Versagen des Petrus in der Verleugnung aufgegriffen und ihm die Beauftragung entgegengestellt wird, so ist Petrus nun 21,7 bereit zu dem Joh 13 präfigurierten Dienst an den Jüngern (s.u. c). b) Kontext Die besondere Dichte an intertextuellen Bezügen innerhalb von Joh 21 ist bereits als auffälliges Merkmal hervorgehoben worden. Als johanneische Kon-Texte von Joh 21 sind so nicht nur einzelne Stellen zu nennen, sondern letztlich der gesamte Komplex Joh 1–20 in seinen theologischen Linien (s.u. d): Bezüge zu Joh 1, die dementsprechend eine Inclusio zum Beginn des Johannesevangeliums bilden, ergeben sich aus fanerovw 21,1.14 und 1,31 u.ö. wie aus dem Jüngernamen Petrus (mit dem Zusatz „Sohn des Johannes“ 21,15–17 vgl. 1,42), den zwei anonymen Jüngern 21,2 vgl. 1,37 und Nathanael 21,2 vgl. 1,45–51. Dessen über Joh 1 hinaus benannte Herkunft aus Kana weist auf die Joh 2 beginnenden Zeichen als Selbstoffenbarung (2,11) hin. Thematisch verbindet Joh 21 mit Joh 1 ferner die Fokussierung der Nachfolge (ajkolouqevw 21,19–22 vgl. 1,37–43, aber auch 10,4f.27, 266
Vgl. 3,2, wohl schon aufgrund der Betonung 19,39, in jedem Fall in symbolischer Bedeutung 9,4; 11,10; 13,30. 267 Vgl. auch RESSEGUIE, Gospel 7.96ff. 106f. 268 Zur Übersicht etwa HARTMAN, Attempt 80 oder B USSE, Johannesevangelium 287– 289. Der vielfach angenommene Bezug zu Gen 3,10f. (u.a. S TIBBE, John 211) wäre angesichts des betont nachgeholten h\n ga;r gumnov" denkbar, doch scheint der Bezug zu Joh 13,4f. im Kontext johanneischer Theologie und der nachösterlichen Rolle des Petrus naheliegender. 269 S.u. b) Kontext und vgl. auch B USSE, Johannesevangelium 265.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
151
12,26, 13,36f.), insbesondere das Bleiben (21,22f. mit 1,38f.) und das Zeugnis (21,24 mit 1,6–8.15.19–34; speziell das Zeugnis des Lieblingsjüngers mit 19,34b). Da Joh 1,35–51 vorösterliche Jesus-Nachfolge mit nachösterlicher Mission gleichgesetzt wird (s.o. 4.1.1.), stellt auch die 21,1–14 geschilderte Missionssituation eine Inclusio zu Joh 1,35–51 dar und setzt 20,21f. fort. Dabei greift e{lkw V.6.11 das „Ziehen“ des Vaters 6,44 bzw. Jesu 12,32 auf und bezieht es auf die durch Petrus angeführte nachösterliche Mission. Eine Parallele wird auch häufig zwischen 21,20 (ejpistrafeiv") und 1,38 (strafeiv")270 gesehen, doch läge von den Personenkonstellationen her eine Analogie von 1,38 zu Maria Magdalena 271 20,14.18 näher . Auch aufgrund der im Rahmen des Johannesevangeliums singulären Verwendung von ejpistrevfw scheint inhaltlich ein Bezug von 21,20 zu Lk 22,32 am wahrscheinlichsten, da dies als Prolepse gestaltet die Person des Petrus im Kontext der Verleugnung272 und im Rahmen eines pastoralen Auftrages betrifft (s.u. 4.1.6.2.). Die Lokalisation ejpi; th'" qalavssh" th'" Tiberiavdo" 21,1 weist neben sehr vielen weiteren Verbindungen auf den Mahlkontext der Brotrede Joh 6273; ein besonders deutliches Echo auf 6,11 stellt hierbei 21,13 dar274. Denkbar wäre durch die Verwendung von e{{lkw 21,6.11 auch eine Verbindungslinie zu 6,44 (eJlkuvsh/); allerdings wäre hier genauso 12,32 (eJlkuvsw) heranzuziehen, weshalb von keiner klaren Verweisfunktion auf den speziellen Kontext von Joh 6 auszugehen ist275. Die wohl deutlichste und theologisch nicht minder zentrale Verbindung wird durch das Hirtenbild zu Joh 10 gezogen: Terminologisch fallen hier allerdings bovskw276, poimaivnw277 und ajrnivon (sonst nur in der Offb) auf, 270
So die Diskussion u.a. bei NEIRYNCK, Anonymous Disciple 640–648, der allerdings aufgrund des Personenwechsels daraus nicht die Identität des Lieblingsjüngers ableitet vgl. DERS., John 21, 332. 271 Vgl. auch die Bedenken gegen eine Parallelisierung von 21,20 und 1,38 bei NEIRYNCK, Anonymous Disciple 643–46. 272 Zwar ist W OLTER, Lukasevangelium 716 skeptisch gegenüber der gängigen Lk 17,4 Apg 3,19; 9,35; 11,21; 14,15; 15,19; 26,18.20; 28,27 entsprechenden Wiedergabe mit „bekehren“, sieht aber ebenso klar den Bezug zur Verleugnung. Und Joh 21,15–22 entspricht hervorragend die Feststellung (ebd.): „Das Partizip spricht dann von einem Petrus, der nicht mehr leugnet, Jesus zu kennen.“ Dazu auch K LEIN, Lukasevangelium 675, der zu Recht das proleptisch auf den nachösterlichen Kontext hinweisende potev betont, gemeint ist also eine „Abkehr von der Verleugnung“ (ebd.). 273 Dazu die ausführliche Gegenüberstellung bei HASITSCHKA, „Zeichen“ 93f.98–100, CULPEPPER, Designs 376. 274 Übereinstimmend verwendet wird lambavnw, ojyavrion (vgl. auch 21,9f.) und a[rto" (vgl. auch 21,9). Dazu kommt nur in 21,3.6 und 6,17.19.21f. ploi'on vor (bzw. ploiavrion 21,8 vgl. 6,22–24). 275 Gegen SPENCER, Narrative Echoes 59. 276 Weitere Stellen finden sich nur bei Mk 5,11.14parr. und Lk 15,15.
152
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
während provbaton 15 mal in Joh 10 vorkommt. Die mit dem Martyrium verbundene Hirtenaufgabe des Petrus 21,15–17.18f. löst nicht nur die Ansage Jesu 13,37 ein, sondern erinnert auch an 10,11. Joh 13 wird ferner durch die Zitatenverbindung aus V.2.21.23.25 in 21,20 eingespielt, wodurch die besondere Nähe des Lieblingsjüngers zu Jesus hervorgehoben wird. Das wunderbare Vorherwissen Jesu 21,6 erscheint stimmig zum Vorherwissen des Verrats 13,11.18.21 sowie 18,4278. Möglicherweise zeigt die Verwendung von diazwvnnumi 21,7 einen Bezug zu den einzigen weiteren neutestamentlichen Belegstellen 13,4 (und V.5 in betonter Weise nachgeholt s.u. b) Setting und d) Personenkonstellation). Weitere Reminiszenzen zu Petrus-Szenen finden sich in 21,9 durch ajnqrakiavn s. 18,18 (= neutestamentliches Hapaxlegomenon), wodurch 21,15–17 vorbereitet wird; dort liegt im dreimaligen Fragen Jesu eine klare Analogie zur dreimaligen Verleugnung 18,25–27 vor. Der im Netz 21,11 zum Ausdruck kommende Gedanke der Einheit (s.u. d) und e) gehört zu prominenten johanneischen Themen besonders in Kapitel 17, aber auch in 10,16. Auch zu Joh 20 als dem unmittelbaren Kontext schließt Joh 21 trotz des vorherigen Buchschlusses 20,30f. formal und inhaltlich an: meta; tau'ta V.1 hat einerseits abgrenzende, aber auch verbindende Funktion (vgl. 5,14 und v.a. 13,7 als Hinweis auf den nachösterlichen Kontext, der besonders anhand der Inclusio V.1 und 14 diese Selbstoffenbarung als dritte an vorherige Selbstoffenbarungen anschließt279). Dem Hinweis auf den Auferstandenen durch den Lieblingsjünger 21,7 entspricht seine von Passion (13,23–25), Tod (19,35) und Auferstehung (20,8) zeugende und somit hermeneutische Funktion. Sein Bekenntnis zum kuvrio" (als Erkenntnis der Jünger V.12 bestätigt) variiert hierbei das Bekenntnis des Thomas 20,28; wie 20,8 setzt es allerdings nicht die bei Thomas gesteigerte physische Nähe des Sehens und Glaubens (s.o. 4.1.5.1 c) voraus, sondern intertextuelle Bezüge (hier zu Lk 5), d.h. Schriftexegese, und damit die Situation der Adressaten. Es wird daher auch nicht zufällig sein, dass Thomas und Nathanael als in gewisser Weise prototypische Zweifler (vgl. 1,46 und 20,25), welche die Begegnung mit Jesus zum Bekennen führt (1,49; 20,28), in der Jüngerliste 21,2 direkt im Anschluss an Petrus genannt werden. 277
Sonst nur Mt 2,6; Lk 17,7; 1Kor 9,7; Jud 12 und in der Offb; zu Apg 20,28 und 1Petr 5,2 s.u. 4.1.6.2. 278 Zwar wird das Motiv des Netzeauswerfens 21,6 aus dem Zusammenhang Lk 5,4f. stammen, hier wird dieses Motiv jedoch verstärkt durch die zusätzliche Angabe eij" ta; dexia; mevrh tou' ploivou. 279 Dabei ist anzunehmen, dass die Erscheinungen des Auferstandenen vor den Jüngern V.19–23 und vor Thomas V.24–29, aber nicht die vor Maria Magdalena gezählt wird.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
153
c) Charakterisierung Eröffnet wird die Szene V.1–14 nach ihrer Einordnung als Selbstoffenbarung Jesu V.1 durch die sieben Jünger umfassende Liste V.2: Angeführt von Petrus folgen weitere, besonders Joh 20 (Thomas) und Joh 1 (Nathanael) hervortretende Jünger und nach den Zebedäussöhnen die Joh 1,35.37 genannten zwei unbekannten Jünger, die so wiederum eine Leerstelle bilden. Die zentrale, alle Szenen durchziehende Figur ist jedoch Jesus, dessen Redeanteile überwiegen und in V.5f.10 Handlungen auslösen, zuerst diejenige der Jünger insgesamt V.6, dann stellvertretend für alle Jünger (an die sich Jesus V.10 gewandt hatte) diejenige des Petrus V.11. Diese parallel280 gestalteten Handlungen V.6.11 werden nicht selten als Doppelung und demzufolge Anlass für literarkritische Operationen empfundenen281. Im jetzigen Textzusammenhang erscheint der Akt des Petrus jedoch gerade in seiner Parallelität zum Tun der Jünger als ein prototypisches Handeln, welches durch das nicht reißende Netz und die Anzahl der Fische im Sinne des Einheitsgedankens neu akzentuiert wird. Wie 6,68f., 13,8.24.37; 18,10; 20,3.6 handelt Petrus V.3 zwar als Erster der Jünger, löst entgegen V.6 jedoch eine Handlung aus, die – losgelöst von der Präsenz des Auferstandenen – erfolglos bleibt. Davon unbenommen zeigt sich in ejrcovmeqa kai; hJmei'" su;n soiv V.3 wie auch der Voranstellung V.2 eine Führungsrolle des Petrus. Dem entspricht, dass Petrus nach Jesus am häufigsten genannt wird, d.h. auch noch vor dem Lieblingsjünger. Dagegen spielt dieser V.7 formal im Zentrum von V.1–14 stehend und inhaltlich anhand seiner Funktion eine im wahrsten Sinne des Wortes „zentrale“ Rolle. Hier ist er es, der ausdrücklich Petrus anspricht und so dessen Handlung und damit die Beziehungsaufnahme Petrus – Jesus auslöst. Während Petrus Joh 13,6–11 dem Liebesdienst Jesu noch mit Unverständnis begegnete, vermittelt der Lieblingsjünger nun nachösterliches Verstehen. Als Konsequenz tut Petrus, was sein Herr tat: Er umgürtet sich (diazwvnnumi vgl. 13,4f. s.o. 4.1.3.1 a und b) und zeigt damit seine Dienstbereitschaft282. Eher psychologisierende Interpretationen sehen an dieser Stelle einen Vergleich mit der Initiative des Schwertstreichs 18,10f. gegeben283, doch zeigt die jeweilige Initiative 280
Dafür steht in beiden Fällen e{lkw, dazu s.u. e). U.a. BULTMANN, Johannes 544 und viele weitere, sich in seinen literarkritischen Fußspuren bewegende Exegeten. 282 Vgl. auch BUSSE, Johannesevangelium 287–289. Zu den gängigen Interpretationsvorschlägen s.a. B LAINE, Peter 151. Insbesondere eine ejzwvnnue" 21,18 vorbereitende Funktion ist ebenfalls zu erwägen (so u.a. auch HAENCHEN, Johannesevangelium 586, W ILCKENS, Johannes 326). 283 So beispielsweise die Bezeichnung als „enthusiastic“ bei AGOURIDES, Purpose 128 und BENNEMA, Encountering 57; s.a. „Peter’s enthusiasm“ bei B LAINE, Peter 149 oder 281
154
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
unter den grundlegend veränderten Voraussetzungen weniger eine konstante Charaktereigenschaft als das nun gegebene nachösterliche Verstehen auf. Ab V.15 verdichtet sich die Beziehung Petrus – Jesus, der Dialog wird wie die Handlungen innerhalb V.1–14 ausgelöst durch Jesu Worte. Szenisch bleibt dieser Abschnitt zwar in das Mahl mit allen Jüngern eingebunden, diese erscheinen aber nicht mehr, dafür kommt ab V.23 die Gemeinde in den Blick. Im Anklang an die dreimalige Verleugnung spricht Jesus Petrus dreimal direkt an284: Mit der Frage nach dessen Liebe spricht er ihn konkret auf sein Jüngersein (14,21) an, mit der Infragestellung spricht er ihn jedoch gleichzeitig auf sein Versagen an, und spricht ihm seine (Weide-)aufträge zu. Die erste Frage bezieht sich noch auf das Verhältnis zu den anderen Jüngern285, die beiden folgenden dagegen thematisieren die (durch die Verleugnung problematisch gewordene) Beziehung Jesus – Petrus, was zur emotionalen Reaktion des Petrus (ejluphvqh V.17) – aber auch der Feststellung der Allwissenheit Jesu (pavnta su; oi\da") – führt. Die von Liebe zu Jesus geprägte Beziehung wird zur Voraussetzung der Hirten-Funktion, in die V.18f. die Märtyrerrolle eingeschlossen ist und damit das „Leben zu geben“ (vgl. 13,37f. in Bezug auf 10,11.15.17f.). Durch die abschließende Aufforderung ajkolouvqei moi werden Hirten- und Märtyrerrolle als eine spezielle Form der Nachfolge dargestellt. Die figurale, und so mit höchster Autorität versehene Rede Jesu wird ergänzt durch den Erzählerkommentar V.19, der die Märtyrerrolle des Petrus noch einmal unterstreicht (zur Wertung s.u. e). Abschließend wiederholt sich ein weiteres Mal die Dreierkonstellation Jesus – Petrus – Lieblingsjünger, thematisch an das Stichwort der Nachfolge (V.19) anschließend. Eingeschlossen von den beiden Aufforderungen Jesu ajkolouvqei moi V.19 bzw. suv moi ajkolouvqei V.22 ist der Blick auf den bereits nachfolgenden Lieblingsjünger V.20286 gerichtet; wie 18,15f. „impetuous character“ bei CHENNATTU, Discipleship 170; BROWN/DONFRIED/REUMAN, Petrus 124 nennen Petrus „stürmisch“ etc. 284 Und zwar mit seinem vollen Namen wie Joh 1,42. 285 S.u. die diachrone Analyse unter 4.1.6.2. Wie 13,28 und 20,9 stellt sich hier die Frage, ob der Lieblingsjünger als darin inbegriffen gedacht ist, doch scheint seine Gestalt im Vergleich zu den Jüngern wenig greifbar und dieser Gruppe enthoben, vgl. auch NEIRYNCK, John 21, 334, BONSACK zitierend: „Der Jünger, der dabei war, ohne dabeigewesen zu sein“. Zudem legt sich in diachroner Hinsicht nahe, dass sich dieser Passus als Nachholung des Joh 13,36–38 weggelassenen Vergleichs aus Mk 14,29 verstehen lässt. 286 Obwohl BROWN, John II 1109 gegen diese Konstellation einwendet: „There is no play on the idea, that both Peter and the Beloved Disciple were following; the contrast is that Peter is to follow Jesus while the Beloved Disciple is to remain“ kann dieser Gegensatz nicht nachvollzogen werden, da ajkolouqevw zunächst als Ausdruck der Nachfolge zu gelten hat (vgl. 1,39; 6,56 u.ö.). Als weitere, sich aufgrund von 21,24 ergebende Sinnlinie vollzieht sich das Bleiben im Johannesevangelium selbst, auf das u.a. als Zeugnis idealer
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
155
und 20,1–8 gilt hier also wieder das „Zuvor“ des Lieblingsjüngers (s.o. zu Joh 1,35–39; 18,15f.; 20,3–10)287. Der ebenfalls V.20 eingeschobene, Joh 13,23 aufgreifende Erzählerkommentar betont noch einmal in besonderer Weise die Nähe des Lieblingsjüngers zu Jesus bzw. dessen hermeneutische Funktion, die Passion und nachösterliche Situation umschließt und die mit seinem Bleiben im Johannesevangelium (V.22–24) auf dieses selbst übergeht. Somit zeigt die Personenkonstellation in den erzählenden Abschnitten V.1–14.15–22 zwischen Petrus und dem Lieblingsjünger einen zweifachen Chiasmus, in dessen Zentrum jeweils der Lieblingsjünger in hermeneutischer Funktion steht: V.3–6
Petrus (und Jünger)
V.7
Lieblingsjünger und Petrus
V.8–14
Petrus (und Jünger)
V.15–19
Petrus
V.20f.
Lieblingsjünger und Petrus
V.22
Petrus
Jesu Bemerkung tiv pro;" se (V.21) wird dabei weder im Sinne einer negativen Wertung des Petrus zu verstehen sein, noch umgekehrt nur als Frage nach der Bedeutung für Petrus zu lesen sein288, sondern in den Rahmen einer umfassenden „Kompetenzabgrenzung“ einzuordnen sein: Jedem ist seine eigene Rolle beschieden, weder kann an dieser Stelle ein Konkurrenz- noch ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis konstatiert werden. Ein qualitativer „Vorsprung“ kann einzig anhand der bereits benannten zentralen hermeneutischen Funktion des Lieblingsjüngers in Verbindung mit dem „Bleiben“ des Lieblingsjüngers im Johannesevangelium konstatiert werden. Eine nähere Beschreibung der jeweiligen Rolle und Funktion Jüngerschaft in johanneischen Sinne die Gläubigen an Petrus als ihrem Prototypen verwiesen werden. Ebenso wenig kann das Argument von SCHNACKENBURG (DERS., Johannesevangelium III 439), literale (21,20) und figurale (21,19.22) Bedeutung von ajkolouqevw zu unterscheiden im Blick auf typisch johanneische Doppeldeutigkeit gelten gelassen werden. Dagegen auch RUCKSTUHL, Aussage 347 Anm. 28 mit Verweis auf BROWN. 287 ÆEpistrafeiv" V.20 kann hier keineswegs als Beleg dafür gelten, dass Petrus bereits nachfolgt (gegen B LAINE, Peter 176: „The fact that Peter must ‚turn around‘ [ejpistrevfw] to look back at BD in v.21 reveals that he is walking ahead of him, possibly in step with Jesus“), was sich auch am wiederholten Aufruf zur Nachfolge V.22 zeigt. Zur Deutung von ejpistrafeiv" im Bezug auf Lk 22,32 s.u. 4.1.6.2. 288 So HARTENSTEIN, Charakterisierung 170.
156
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
der beiden Figuren Petrus und Lieblingsjünger im Rahmen johanneischer Theologie wird unter 6.2 und 7.1 erörtert. d) Einordnung in die johanneische Theologie und Funktion der Petrusfigur Mit den Abschlussversen 21,24f. kommt das Johannesevangelium in der Selbstempfehlung als Zeugnis des Lieblingsjüngers (s.a. 19,35) gewissermaßen zu sich selbst. Zwar wäre es angesichts der bereits erwähnten thematischen Dichte zu kurz gegriffen, darin die einzige Funktion von Joh 21 zu sehen, doch bildet die christologisch begründete Offenbarungstheologie in jedem Fall den Rahmen für alle weiteren Themen. Bereits die Rahmenverse VV.1.14 weisen auf den hinter Joh 21,1–14 stehenden theologischen Fokus, der die für spätere nachösterliche Generationen weitergehende Offenbarung festhält289. Der Bezug zu Joh 6, durch das Setting gleich zu Beginn eingeblendet, schließt nicht nur den Mahlkontext, sondern auch die Selbstoffenbarung Joh 6,16–21, v.a. im ejgwv eijmi V.20 mit ein, der als spiegelbildliche Antwort das oJ kuvriov" ejstin des Lieblingsjüngers 21,7 entspricht. Insgesamt bildet das Thema des Wissens Jesu, das bereits in besonderer Weise Joh 13 und 18 geprägt hatte, in stetiger Verbindung mit dem Erkennen des Auferstandenen durch die Jünger V.4./6./7.12./15–17./18f.22./24 ein deutlich strukturierendes Element von Joh 21: V.4 die Jünger erkennen Jesus nicht V.6 Jesus weiß, wie sie die Netze auswerfen müssen V.7.12 1. Lieblingsjünger 2. Petrus 3. Jünger erkennen Jesus290 V.15–17 Jesus weiß, dass Petrus ihn lieb hat V.20 der Lieblingsjünger kannte den Verräter V.18f.22 Jesus kennt das Schicksal des Petrus und des Lieblingsjüngers V.24 die Gemeinde weiß, dass das Zeugnis des Lieblingsjüngers wahr ist Beide Linien, das Wissen Jesu und die Erkenntnis der entscheidenden Heilsereignisse (V.20 Passion – zu ergänzen wären 19,35 Tod und 20,8 Auferstehung Jesu – und V.7 das Bekenntnis zur fortwährenden Präsenz des Auferstandenen) werden im Zeugnis des Lieblingsjüngers zusammengeführt. Die Funktion des Lieblingsjüngers V.7, die im Bekenntnis zum 289
P FITZNER, They Knew 73 sieht einen Hinweis „at the ongoing revelation“ gar als unverzichtbaren Bestandteil des Evangeliums an. 290 Mit BRODIE, John 580 kann man hier von einer „chain reaction“ sprechen.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
157
kuvrio" Kontrastierung und Überbietung des Thomas aus Joh 20 fortsetzt, könnte man hierbei als personifizierte nachösterliche Hermeneutik des Johannesevangeliums bezeichnen, die sein besonderes Selbstverständnis darstellt. Wie bereits im Rahmen der Personenkonstellation (s.o. d) beobachtet, zeigt sich diese hermeneutische Funktion V.7.20 jeweils formal und inhaltlich als Mitte der Erzählabschnitte V.1–14.15–22291. Daran anschließend löst Petrus gemäß seiner üblichen Funktion über seine Frage V.21 anhand des Stichworts des Bleibens V.22f. die Jesus-Rede über Verbleib und bleibende Funktion des Lieblingsjüngers aus, worin zusammen mit V.24 als Kulminationspunkt eine Brücke zu den Adressaten geschlagen wird292. Durch den Tod des Lieblingsjüngers (und die Probleme einer späteren Generation an Christen) erschüttert, werden diese sowohl des Bleibens des Lieblingsjüngers als auch der andauernden Präsenz des Auferstandenen vergewissert. Dies wird in verschiedenen, ekklesiologisch relevanten Themen293 variiert: Die durch das Zeugnis des Lieblingsjüngers hermeneutisch vermittelte Präsenz des kuvrio" kommt in Mission a) und Mahl (b) zum Tragen. Die Funktion der Gemeindeleitung (c), deren Voraussetzung die Liebe zu Jesus als Zeichen der Jüngerschaft ist, wird demgemäß eingebettet in die Nachfolge Jesu (d) und beides an das Zeugnis des Lieblingsjüngers als Maßstab verwiesen294. (a) Mission Im Auftrag des Auferstandenen zu „finden“ (eujrivskw V.6 vgl. 1,41.43.45 u.ö.), d.h. in der Mission (e{lkw V.6.11) vollzieht sich das „Ziehen“ Jesu (12,32 bzw. des Vaters 6,44); demzufolge wird auf diese Weise das Wirken des Auferstandenen selbst erkannt (V.7)295. Zugleich demonstriert der Kontrast zwischen erfolglosem Fischfang und Abwesenheit Jesu einerseits 291
Vgl. auch die detaillierte Darstellung der Konzentrik bei BRECK, Appendix 42f. S.a. GAVENTA, Problem 244: mit 21,24 „shifts the focus from the community of the past and its experience of Jesus to the community of the present“. 293 Wenn KOWALSKI, Hirtenrede 271 Joh 21 als „ekklesiologische Summe der Theologie des Joh“ bezeichnet, so legt sich der Verdacht nahe, dass sie damit dem zitierten M INEAR und seiner angenommenen ursprünglichen Einheit von Joh 1–21 folgt. Jedoch sollten Unterschiede und ggf. auch Verschiebungen gegenüber Joh 1–20 bzw. in diesem Fall von Joh 10 zu Joh 21,15–17 nicht unbeachtet bleiben s.u. 4.2. zum Verhältnis von Joh 1–20 zu 21. Darum wäre m.E. eine in Joh 21 festzustellende „ekklesiologische Dichte“ zutreffender formuliert. 294 Dies hat SÖDING, Erscheinung 231 zutreffend formuliert: „Joh 21,20–23 ist mit 21,15–19 zusammenzusehen. Der petrinische Hirtendienst (…) bedarf des johanneischen Zeugnisses“. 295 Anhand der 12,32 eindeutig gegebenen nachösterlichen Konnotation scheint es gegen RUCKSTUHL, Aussage 333 ganz und gar nicht „abwegig zu sein“, dass dadurch „dem Vorzugsjünger das Erkennen des Auferstandenen leichter gemacht werden“ sollte. 292
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
und überreichem Fang in Verbindung mit der Erscheinung des Auferstandenen andererseits die 15,5 zum Ausdruck gebrachte Angewiesenheit der Jünger auf Jesus (o{ti cwri;" ejmou' ouj duvnasqe poiei'n oujdevn)296. Gegenüber dem Sendungskonzept Joh 20,21 kommt zum einen der Aspekt der Selbstoffenbarung Jesu als Basis des missionarischen Handelns stärker zum Tragen297. Zum anderen wird der Missionskontext ganz stark mit dem Thema der Einheit verknüpft: Denn qua Mission realisiert sich die in der Gemeinschaft Jesu mit dem Vater gründende Einheit (17,11 in Entsprechung zu 17,21, wo der Glaube dia; tou' lovgou aujtw'n, d.h. durch das missionarische Wort vermittelt wird). Diese Einheit kommt zum einen im nicht reißenden Netz298 zum Ausdruck, was sich im Zusammenhang mit der 10,16; 17,20f. u.ö. aufgeworfenen Frage nach der Einheit der Kirche bzw. des Schismas in Joh 6 an der Verwendung von scivzw299 21,11 zeigt. Als Symbol der Einheit hat zum anderen die Vollzahl der 153300 Fische zu gelten, wobei Fische grundsätzlich symbolhaft für das Eschaton stehen301. Wie anhand von 10,16 zu sehen ist, verbindet hier das Thema der Einheit unter christologischem Aspekt sowohl den Kontext der Mission als auch einer Hirten-Funktion. In Joh 21 werden zwar beide, d.h. Missionarsund Hirtenfunktion in der Person des Petrus zusammen- bzw. enggeführt302, aber letztere entgegen ihrer christologischen Vorlage (Joh 10) nicht explizit unter dem Aspekt der Einheit ekklesiologisch ausgeführt. Wohl bezeichnen ta; ajrniva/provbatav mou implizit eine übergeordnete Grö296
S.a. ELLIS, Authenticity 18; SÖDING, Erscheinung 218. Vgl. auch SÖDING, Erscheinung 218. 298 Die scheint sich insbesondere durch die Verbindung mit dem Nichtzerreißen des im Gegensatz zu Lk 5 nur einen Netzes nahe zu legen (in Mt 13,47 ein Zeichen für die basileiva tw'n oujranw'n vgl. CULPEPPER, Designs 374). 299 Als Gegenbild zu 21,11 kann die durch das Substantiv scivsma ausgedrückte Spaltung aufgrund von Jesu Worten 7,43; 9,16; 10,19 gelten. 300 Zu den seit der Alten Kirche unternommenen zahlreichen Interpretationsansätzen u.a. BROWN, John II 1076, CULPEPPER, Designs 384–395, B LAINE, Peter 156f. Die meisten Vorschläge implizieren jedoch letztlich ein Verständnis der 153 als Vollzahl; dieser Interpretation wird sich hier angeschlossen. Ein erwägenswerter Vorschlag ist es auch, der zunächst von 5 (1,35–51) auf 12 (6,66–71 s.a. 20,24) angewachsenen, dann aber auf 7 reduzierten (21,2) Jüngerzahl mit der Zahl 153 die Potenzierung von 5 + 12 = 17 entgegenzustellen, vgl. CLAUSSEN, Role. Dem steht jedoch im Grunde entgegen, dass die Zwölf einerseits ebenso für eine „Reduzierung“ auf den innersten Kern im Rahmen des Schismas stehen (s.o. 4.1.2.1.) und andererseits – sowohl in 6,70f. als auch 20,24 – eher mit kritischen Untertönen dargestellt werden. Von daher scheint es mir nicht so plausibel, dass diese Größe als Baustein einer idealen Größe dient. Ideale Qualität könnte – trotz der wohl auch historisch anzunehmenden Reduzierung angesichts der christologischen Streitigkeiten – stattdessen der Zahl 7 in 21,2 zukommen. 301 Vgl. CULPEPPER, Designs 380ff. 302 Daraus ergibt sich auch eine Bestimmung der „Schafe“, die eindeutig im Missionskontext anzusiedeln sind s.u. zu V.15–17. 297
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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ße, doch wird diese nicht näher bestimmt oder bildhaft akzentuiert, so wie das 21,11 geschieht. Dadurch bleibt unterschieden, was verbunden wurde, weswegen es schwierig scheint, ausgehend von der Rolle als Missionar 21,11 Petrus als Hirten der „Gesamtkirche“303 zu deklarieren (b) Mahl Das Mahl Jesu mit seinen Jüngern führt das durch den Kontrast von Nacht und Tag und das Bekenntnis V.7 akzentuierte Thema der Ab- bzw. Anwesenheit Jesu fort und wird zum „Ort der heilvollen Gegenwart des Inkarnierten, Gekreuzigten und Verherrlichten“304. Die Eigenständigkeit des Mahl-Themas zeigt sich nicht nur anhand des intratextuell eingespielten Kontextes von Joh 6 (s.o. a), sondern auch an der Unterscheidung des Fisches auf dem Feuer (ojyavrion V.9.13) und der gefangenen Fische (V.6.8.11 ijcquv~; im Anschluss an V.9 in V.10 zunächst weitergeführt als ojyavrion). Der Singular V.13 weist hierbei daraufhin, dass trotz der Aufforderung Jesu V.10 nicht die gefangenen Fische der Jünger, sondern to; ojyavrion aus V.9 für das Mahl bestimmt ist. Die nur selten bestrittene Mahl-Tradition305 lässt sich auch durch die inschriftlich bezeugte Eucharistie mit Wein, Brot und Fisch verifizieren, literarisch durch die alttestamentlich-jüdische Verbindung von Fisch, Mahl und (Wasser-)Quell306. Fisch und Wasser gelten als Sinnbilder des Lebens wie auch der Fisch allein als Symbol von Fruchtbarkeit, Leben und Unsterblichkeit; im Kontext des Urchristentums steht der Fisch für Gläubige, für Christus selbst und das Abendmahl307. Aufgrund dessen erscheint auch die Verbindung von Mission und Mahl im Symbol des Fisches (schon rein begrifflich dann in V.10) schlüssig.
303
So u.a. GLOMBITZA, Petrus 279; SCHNACKENBURG Johannesevangelium III 436; MUßNER, Petrus und Paulus 45.49; GNILKA, Petrusdienst 20; SÖDING, Erscheinung 224; DSCHULNIGG, Petrus 136f. und PERKINS, Peter 184. Otto KARRER argumentiert dabei aufgrund eines anachronistischen Vergleichs mit rabbinischen Texten, in denen das Motiv von Lämmern und Schafen die ganze Herde meint (DERS., Nachfolge 191f.). RUCKSTUHL, Aussage 344 sieht dies als Besonderheit von Joh 21,15–17 im Vergleich zu anderen neutestamentlichen Belegstellen einer Hirtenmetaphorik an. Doch haben sich der gesamtkirchlichen Interpretation auch evangelische Theologen angeschlossen, so z.B. KÜHN, Papstamt 220f., W ILCKENS, Grundtext oder auch HECKEL, Evangelium 165, der hier die „alle Gläubigen umfassende Gemeinschaft der Gläubigen“ ausgedrückt sieht. 304 SCHNELLE, Ekklesiologie 46. 305 DIETZFELBINGER, Johannes II 360 dagegen deutet Joh 21,13 lediglich als übliche Mahlgesten des Hausherrn. 306 Zum Folgenden R ISSI, Fische 82–84, Belege für Inschriften finden sich ebd., 82f. Anm. 42. 307 CULPEPPER, Designs 396.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
(c) Weideaufträge In formaler Hinsicht weisen die Verse 15–17 eine klare dreiteilige Struktur mit vielen wörtlichen Übereinstimmungen auf; diese Struktur wird vom Erzähler dezidiert hervorgehoben (pavlin deuvteron V.16, to; trivton V.17) und blendet – vorbereitet durch ajnqrakiva (nur 21,9 und 18,18) – die Verleugnungsszene ein308. Gerade anhand dieser formal einander zugeordneten Elemente treten Unterschiede zwischen den einzelnen Versen deutlicher hervor: so der Vergleich mit den anderen Jüngern plevon touvtwnÉ309 V.15, den weder Petrus noch Jesus in den folgenden Fragen aufgreift, wodurch ein Vorrang des Petrus an dieser Stelle implizit verneint wird. Auffällig ist ebenso der V.17 eingeschobene, in ähnlicher Weise einzuordnende Hinweis ejluphvqh oJ Pevtro" o{ti ei\pen aujtw'/ to; trivton: filei'" meÉ310, der den Anlass bietet, die Allwissenheit Jesu zu betonten. Die Variation der Verben ajgapavw und filevw entspricht johanneischer Erzählweise311 und zeichnet verschiedene zentrale Beziehungsstrukturen aus: ajgapavw
filevw
Vater – Sohn
3,16; 3,35; 10,17; 15,9; 17,23–26 5,20
Vater – Jünger
14,23;17,23
Jesus – Vater
14,31
16,27
Jesus – Jünger (Lazarus etc.)11,5; 13,1
11,3.36
Jesus – Lieblingsjünger
13,23; 19,26; 21,7; 21,20
20,2
Jünger untereinander
13,34f.; 15,12.17
Jünger – Jesus
14,15–28
16,27
Da ajgapavw und filevw zugleich zentrale Verben von Jüngerschaft sind, zeigt sich an dieser Stelle eine weitere Verbindung des Weideauftrags mit dem allgemeinen Thema der Nachfolge312.
308
Von diesem inszenierten Kontext her wird inhaltlich der Fokus auf dem Bezug zur Verleugnung liegen, gegen GAECHTER, Weide 341, der aufgrund religionsgeschichtlicher Parallelen vorrangig die Bedeutung einer „rechtschaffenden Fornel“ vorliegen sieht; zu Gaechter aber die Argumente bei SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 435. 309 In diachroner Betrachtungsweise wird es sich hierbei um den Joh 13,37 wie Lk 22,33 weggelassenen Vergleich aus Mk 14,29/Mt 26,33 handeln s.u. 4.1.6.2. 310 Auch hier wird wohl wiederum als Anklang der Kontext der Verleugnung eingespielt (s.u. 4.1.6.2. zu Mk 14,72; Mt 26,75; Lk 22,62). 311 Für eine synonyme Bedeutung plädiert u.a. HECKEL, Hirtenamt 142 Anm. 587 (vgl. auch die dort genannten Verweise). 312 Vgl. dazu auch SPENCER, Narrative Echoes 61.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
161
V.17 fasst als Mischform (bovske aus V.15 und provbata aus V.16v) die vorigen Aussagen zusammen und zeigt, dass auch die Objekte (ajrniva V.15 und provbata V.16.17v) als Synonyme aufzufassen sind313. Einzig in Bezug auf bovskw (Nahrung darbieten) und pomaivnw (Herrschergewalt ausüben) könnte ggf. ein Bedeutungsunterschied anzunehmen sein, der in der dargebotenen Form jedoch die Herrschergewalt (V.16) von der Fürsorge (V.15.17) eingeschlossen und demzufolge von daher bestimmt sein ließe314. Weitere inhaltliche Bestimmungen ergeben sich aus dem näheren Kontext von Joh 21 selbst sowie dem Johannesevangelium insgesamt, und zwar an dieser Stelle insbesondere durch Joh 10 (s.o. a). Darauf weist schon ajrniva bzw. provbata mou, und der sicherlich bewusst an diese Stelle platzierte Hinweis auf den Märtyrertod; die Betonung der Unfreiwilligkeit unterstreicht den Unterschied in soteriologischer Hinsicht zwischen der Lebenshingabe des Guten Hirten (11,15.17) und der Nachfolge des Petrus in den Tod (21,18f.). Zusammen mit den im dreimaligen Fragen Jesu gegebenen Anklängen an die Verleugnung kommen hier also durchaus kritische Untertöne zum Tragen – wenn auch nicht mit der gleichen Zielrichtung wie Joh 10: Das Versagen des Petrus betraf in der Gefahrensituation nicht sein Verhalten gegenüber anderen Jüngern (d.h. den 10,12 erwähnten Schafen), sondern gegenüber Jesus selbst; demzufolge zielen die Fragen Jesu V.15–17 auf die Beziehung zu ihm. Der Bezug zu Joh 10 und den darin kritisierten Arten und Weisen, Hirte zu sein, zeigt nicht zuletzt, dass kein neues „Amt“ kreiert, sondern wie dort ein bestehendes christologisch reinterpretiert wird315. Ließ sich die Verbindung von Missions- und Weideaufträgen 316 in Joh 21 auf dem Hintergrund des Joh 10,16 formulierten Einheitsgedankens erhellen, so zeigt dies auch, in welcher Hinsicht die im nicht reißenden Netz bzw. den 153 Fischen zum Ausdruck kommende Einheit zu verstehen ist: als Einheit zwischen Juden- und Heidenchristen317. D.h. die Verantwortung des Petrus ist klar auf den Missionskontext bezogen und meint kein 313
Dies gilt auch, wenn man in textkritischer Hinsicht noch probavtion mit einbeziehen würde, so etwa B ROWN, John II 1105f. Sehr phantasievoll, aber mehr dem zugrundeliegenden Ansatz BRODIEs als dem Textbefund geschuldet ist die Deutung auf verschiedene Lebensphasen, B RODIE, John 591f. 314 Vgl. HECKEL, Hirtenamt 143 mit Verweis auf Philo, Det. 25, womit eine auch in Joh 21 bleibende Herrschaftskritik einhergeht. Für ein synonymes Verständnis plädiert dagegen QUAST, Peter 147 im Anschluss an OSBORNE. 315 Vgl. auch QUAST, Peter 149. 316 In dieser Verbindung kommt zugleich eine Würdigung der Rolle des historischen Petrus zum Tragen, wie sie besonders in der Apostelgeschichte in der Darstellung als Missionar und Gemeindeleiter gekennzeichnet wird (s. aber auch Gal 2,9 die Bezeichnung als einer der „Säulen“ der Urgemeinde). 317 S.a. HECKEL, Hirtenamt 123 u.ö.
162
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Leitungsamt im Sinne einer allgemeinen Superiorität318. Dass in Joh 21,15–17 gerade nicht von der einen Herde die Rede ist, sondern von 320 Schafen im Plural319 spricht gegen eine gesamtkirchliche Verantwortung 321 bzw. gar einen „Primat“ des Petrus (zu weiteren Argumenten in diesem Zusammenhang s.u. 4.1.6.2 und 7.2). Stattdessen fungiert die Petrusfigur im Anschluss an Ulrich HECKEL als „Prototyp eines örtlichen Gemeindeleiters“322, der in seiner Hirtentätigkeit an den Guten Hirten von Joh 10 verwiesen wird. Dass die „Weideaufträge“ jeweils eingeleitet werden mit einer Frage nach der Liebe des Petrus zu Jesus, stellt das in ajgapavw bzw. filevw zum Ausdruck kommende Ideal der Jüngerschaft323 (14,15–23 u.ö.) als notwendige Voraussetzung der Hirtentätigkeit dar. Darin wird auch inhaltlich – in Entsprechung der formalen Struktur der drei Fragen – ein Gegenbild zur Verleugnung gestaltet: ist Petrus vorösterlich noch (wie die Jesus allein lassenden Jünger) an seinem Jüngersein gescheitert, wird er nun auch als Jünger „rehabilitiert“324; in diesen Rahmen ist dann seine Hirten-Funktion einzuordnen325. Dies zeigt die Verbindung von 21,15–17 mit dem Nachfolgethema V.18–23 an326, aber auch bereits die Rolle der Jünger in V.1–14. Bezieht man zusätzlich noch 13,36–38 mit ein, so zeigt sich bereits dort die Verbindung von Hirtenrolle und Nachfolge: Nachfolge, 318
Vgl. auch BROWN, John II 1116: „The sheep mentioned in 15–17 are undoubtedly the Christian believers brought into the fold by the missionary efforts symbolized by the catch of fish“. 319 Vgl. auch HECKEL, Hirtenamt 152. 320 S.o. Kap. 4 Anm. 303. 321 S.o. Kap. 4 Anm. 241 zu SÖDING; vgl. auch MUßNER, Petrus und Paulus 43, der von GLOMBITZA, Petrus 278 die Formulierung einer „Primatsstellung des Petrus“ aufnimmt. 322 HECKEL, Hirtenamt 171 u.ö. 323 Für SEGOVIA, Final Farewell 181f. sind die Jünger in diesem Dialog mit eingeschlossen, der Glaube „entails a love for Jesus on the part of those who believe in him which demands a very specific role in the world – a role involving an active mission to the world and a ‚shepherding‘ of the disciples of Jesus to the point of death if necessary“. Demzufolge hätte sogar 21,18f. paradigmatische Bedeutung, wie Segovia (ebd. 187) betont; dies ist nicht auszuschließen, da das Verhalten gemeindeleitender Personen in späteren Verfolgungssituationen sicherlich ein Thema geworden ist, doch ist hier m.E. primär eine Reminiszenz an den historische Martyriumstod zu sehen (vgl. auch analog 1,42 seine Namengebung). 324 Ebenso betont BROWN, John II 1111 „Peter’s rehabilitation to discipleship“ – und zwar nach eben seinem Versagen als Jünger. 325 In diesem Sinne unterscheiden sich die Weideaufträge nicht vom Ruf an alle Jünger vgl. CULPEPPER, Gospel 249 s.a. TOMIE, Shepherd 367: „He can only ‚shepherd‘ Jesus’ sheep by doing himself what is expected of the sheep of the Good Shepherd: following the Good Shepherd!“ (kursiv F.T.). 326 Zum Nachfolge-Thema als Kulminationspunkt V.19–23 vgl. auch B USSE, Johannesevangelium 269. und nachfolgend d), s.a. 7.2.2.3.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
163
und zwar in den Tod, wird als erst nachösterlich mögliche herausgestellt (u{steron V.36) und eine Hirtenfunktion im vorösterlichen Rahmen wird zugleich in ironischer Weise ad absurdum geführt. (d) Nachfolge Trotz der Erstnennung des Petrus 21,2 bleibt er doch eingebunden in eine Jüngergruppe, die mit ihrer Siebenerzahl vermutlich an die Stelle einer den Zwölf entsprechenden Größe tritt327. Die außer Petrus an dieser Stelle namentlich und in Joh 1–20328 als Charaktere hervorgetretenen Figuren des Thomas und Nathanael stehen hierbei für die Jünger-Erfahrung, aus Zweifeln (1,46; 20,25 s.o. a) durch die Selbstoffenbarung Jesu zum Bekenntnis an ihn gekommen zu sein. Diese in der Selbstoffenbarung gegebene Präsenz des Auferstandenen (s.o. in Mission und Mahl) gehört zur zentralen Botschaft von Joh 21, die in den Jüngern an die johanneische Gemeinde selbst gerichtet ist. Das Thema der Jüngerschaft und Nachfolge ist V.15–22(23) in vielerlei Hinsicht über Bezüge zu Joh 1,35–51 präsent: Dies zeigt sich bereits an der Anrede des Petrus als Sivmwn ÆIwavnnou 21,15, was einer abgekürzten Form von Sivmwn oJ uiJo;" ÆIwavnnou 1,42 entspricht. Mit dem Versagen des Petrus wird V.15–17 zugleich das Versagen aller „ersten Zeugen“329 überwunden. Des Weiteren sind Verbindungen anhand der mit Petrus und dem Lieblingsjünger verknüpften Verben festzustellen: Ein zentrales Stichwort stellt hier ajkolouqevw 21,19.22 dar, das 1,37f. zunächst von Andreas und dem Lieblingsjünger, 1,40 dann von Andreas und 1,43 (ebenfalls im Imperativ) auf Philippus bezogen ist. Die Szene 21,20 entspricht hierbei 1,37–42: Der Lieblingsjünger folgt bereits – d.h. vor Petrus – nach; indem die Nachfolgerufe Jesu an Petrus V.19 und 22 den Blick auf den Lieblingsjünger V.20f. rahmen, wird Petrus also auch hier bzgl. der eigenen, mit dem Märtyrertod verbundenen330 Nachfolge auf die des Lieblingsjüngers verwiesen. 327
STIBBE, John 212 bezeichnet 21,2 als „creation of a new community“. Die symbolische Dimension legt sich von den sieben Zeichen sowie „Ich-Bin“-Worten her nahe. C. CLAUSSEN interpretiert die Siebenzahl im Sinne eines idealen, reduzierten Restes; DERS., Role. In jedem Fall deuten die drei über die Zwölf hinausgehenden Namen auf die missionierende nachösterliche Gemeinde vgl. auch RUCKSTUHL, Aussage 331. 328 Auffällig ist an dieser Stelle die Nennung der Zebedäussöhne, was auf einen Bezug zu Lk 5,10 rückschließen lässt s.u. 4.1.6.2. 329 SÖDING, Erscheinung 232; ebenso SPENCER, Narrative Echoes 65: „Though Peter’s characterization transcends that of the disciples as a group in ch. 21, he simultaneously functions as a type for the rest of the disciples“. 330 Weideauftrag und Martyriumstod erscheinen als „Spezialfall“ von Nachfolge, die szenische Darstellung in der Konstellation mit dem Lieblingsjünger zeigt jedoch „wie das
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Im Rahmen der Analyse von 1,35–51 (s.o. 4.1.1.1) fiel auf, dass sich von Petrus an dieser Stelle weder ein Nachfolgeruf noch eine Aussage des Nachfolgens findet, d.h. in der jetzigen Konstellation erscheint das doppelte ajkolouvqei moi gegenüber Joh 1 als nachgeholt331. Zu diskutieren ist an dieser Stelle, ob diese „fullness of Peter’s call“332 eine ursprünglich beabsichtigte333 oder nachträglich konstruierte334 Inclusio darstellt. In jedem Fall unterstreicht der Nachfolgeruf an dieser Stelle die erst unter nachösterlichen Bedingungen und in der Verwiesenheit auf den Lieblingsjünger mögliche Nachfolge. In anderer Weise hatte dies bereits die unter nachösterlichen Bedingungen dargestellte Missionssituation 1,40–42 vor Augen gestellt, wenn auch in diesem Fall Andreas als Vermittler fungierte. Weiteres im Kontext der Jüngerschaft zentrales Verb ist oJravw 21,20 (vgl. 1,39; 1,46–48), das hier den Lieblingsjünger zum Objekt hat. Diesem wird neben ajkolouqevw (21,20.22 s. 1,37f.) mevnw 21,22f. (s.a. 1,39) zugeordnet, jedoch im Zusammenhang mit V.24 reinterpretiert als das Bleiben in seinem Zeugnis. Dieses zentrale offenbarungstheologische Motiv (s.o. a) und die als dem Willen Jesu entsprechend dargestellten Aussagen über die Rollen von Petrus und dem Lieblingsjünger werden szenisch veranlasst durch die Frage des Petrus kuvrie, ou|to" de; tivÉ V.21. Diese Frage stellt er stellvertretend für die vom Tod des Lieblingsjüngers verunsicherte johanneische Gemeinde, die Joh 21 des „Bleibens“ ihres Gemeindegründers im Zeugnis des Johannesevangeliums vergewissert wird. Aufgrund von dessen hermeneutischer Kompetenz bleibt darin die nachösterliche Erkenntnis des Auferstandenen (21,7)335 bewahrt, die auf seine Präsenz in Mission und Abendmahl weist. Auch die durch Petrus repräsentierte Gemeindeleitung Martyrium keineswegs den Begriff des Nachfolgens ausfüllt“, so zutreffend SCHWEIZER, Erniedrigung 132. 331 Gemäß CHENNATTU, Discipleship 173 stellt Joh 21,19.22 keinen „second call“ dar. Doch wird gerade am Beispiel des „leader“ gezeigt, dass Nachfolge erst nachösterlich und gemäß spezifisch johanneischer Kriterien möglich ist. Tatsächlich handelt es sich 21,19.22 nicht um einen zweiten Ruf, sondern um den nachgeholten ersten aus 1,40–42 s.a. der in 13,36 ausgedrückte Vorbehalt, der auf ein „später“ weist. 332 FRANZMANN/KLINGER, Call Stories 14. 333 So KLINGERs Votum ebd. 15, der im Anschluss an 21,24 in Joh 21 die Handschrift des Autors auch von Joh 1 sieht. Problematisch daran ist, aus dem Anspruch von 21,24 die Gleichsetzung des Evangelisten mit dem Lieblingsjünger zu folgern. 334 FRANZMANN (ebd. 14) geht dagegen von der Absicht aus, die Position des Petrus – jedoch nicht auf Kosten des Lieblingsjüngers – zu stärken. 335 Eindeutig positiv zu beantworten sind daher die als Ausblick des Aufsatzes von B LASKOVIC formulierten rhetorischen Fragen bzgl. der Vermittlung des Lieblingsjüngers V.7: „Ist damit vielleicht das JohEv – als Schrift – gemeint? Und kommt hier vielleicht eine poetologische Komponente mit ins Spiel, nach der die Schrift des JohEv, verkörpert in der Person des geliebten Jüngers, die Begegnung mit dem Auferstandenen vermittelt?“, so B LASKOVIC, Erzählung 119 s. dazu auch 7.1.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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wird in den Rahmen der alle Jünger betreffenden Nachfolge eingeordnet und – basierend auf der Liebe zu Jesus (21,15–17) – auf das Vorbild des Lieblingsjüngers verwiesen (21,20). In der Figur des Petrus wird so zusammenfassend die Angewiesenheit der Jünger auf die im Zeugnis des Lieblingsjüngers „bleibende“ nachösterliche Erkenntnis dargestellt, die sich konkret auf die Präsenz des Auferstandenen in Mission und Mahl sowie die Maßstäbe für Jüngerschaft und Gemeindeleitung336 bezieht. Auf den Lieblingsjünger und sein Zeugnis gewiesen entspricht Petrus so auch dem Paradigma der nach Joh 8,31 in Jesu Wort bleibenden Jünger (s.u. 6.2.2 und 7.1). 4.1.6.2 Diachrone Analyse von Joh 21,1–14.15–23 Die zahlreichen Bezüge zu anderen johanneischen Textpartien (s.o. 4.1.6.1. a) sowie die (teils auch daraus resultierende) vergleichsweise besonders hohe thematische Dichte ist bereits als Ergebnis der synchronen, rein intratextuellen Analyse aufgefallen. Begriffliche Unterscheidungen (etwa ijcquv" V.6.8.11 und ojyavrion V.9.10.13 vgl. auch Joh 6) zeigten beispielsweise die Eigenständigkeit des Mahl-Themas gegenüber der Fischfang-Geschichte. So fehlt es nicht an redaktionsgeschichtlichen Modellen, um die Entstehung der jetzigen Textfassung von Joh 21 zu rekonstruieren. Dabei geht man entweder im Anschluss an Rudolf BULTMANN von einem durch „kirchliche Redaktion“ redigierten Grundbericht oder einer redaktionellen Verbindung verschiedener Erzähltraditionen (so z.B. in prominenter Weise der frühe RUDOLF PESCH337) aus. Doch entbehren diese Rekonstruktionen trotz diffiziler Analysen nicht eines unvermeidbaren hypothetischen Charakters und können längst nicht alle auffälligen Phänomene erklären: So zählt PESCH beispielsweise V.8 zum Erscheinungsbericht, womit auch in dieser Fassung eine Verbindung zu einer Fischfangerzählung (und damit zusammenhängenden verschiedenen Bezeichnungen von „Fisch“) gegeben ist338. Auch bei einem Wegfall von V.10 als gemäß Pesch sekundärer Verbindung der beiden Traditionen stellt sich im Rahmen seines rekonstruierten Erscheinungsberichts die Frage nach Sinn und Verbleib des V.8 berichteten Fangs. Zumal ist es angesichts des freien und souveränen Umgangs des Johannesevangeliums mit seinen zugrundeliegenden Traditionen wenig plausibel, dass „Spannungen“ aufgrund ungeschickter Kompilierung verschiedener Quellen oder Traditionen zustande kamen. Im Fall der von Pesch 336
Mit dem Mahl wird Petrus hier nicht verknüpft, gleichwohl gehört dies in Joh 21 zum übergreifenden christologischen Fokus der Präsenz des Auferstandenen. 337 PESCH, Fischfang, besonders 85–107. 338 Ebd. 105.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
benannten Spannung zwischen gefangenem Fisch (V.6.8, der V.10 geholt werden soll) und schon bereitliegendem Fisch V.9.13339 scheint es inhaltlich sogar notwendig, die von den Jüngern gefangenen Fische als „Ergebnis“ der Missionshandlung von Fisch und Brot als Zeichen für das Mahl aus Joh 6 zu unterscheiden. Darüber hinaus können sich aus scheinbaren Spannungen neue – womöglich beabsichtigte – Sinnlinien ergeben: So betont etwa der V.9 bereitliegende Fisch das Zuvor der Gabe Jesu (s.o. S. 159). Methodisch bleibt an dieser Stelle ganz grundsätzlich nach dem Ertrag einer Scheidung in Tradition und Redaktion zu fragen und das Vorgehen im Blick auf hypothetisch anzunehmende Vorlagen zu hinterfragen.340 341 Aufgrund einer üblicherweise starken johanneischen Bearbeitung stellt sich die Frage der weiterhin möglichen Erkennbarkeit von vorliegender Tradition. Grundsätzlich werden im Blick auf Lk 5,1–11 als möglichen Bezugstext zwei der üblichen Modelle im Verhältnis Johannes – Synoptiker342 diskutiert: Entweder wurde unabhängig voneinander die gleiche Quelle benutzt343 oder Lk 5 gilt als Quelle für Joh 21344. Geht man nun von einer Kenntnis der lukanischen Texte (insbesondere 5,1–11, 22,31f. und Lk 24) durch Johannes aus, so müssten im Hinblick auf die johanneischen Modifikationen theologische Intentionen plausibel zu machen sein. Signifikant sind zunächst nicht nur grundlegende Gemeinsamkeiten in Struktur und Inhalt von Lk 5,1–11 und Joh 21,1–14.15–23345, die eine Kenntnis von Lk 5 zumindest nahelegen. Dazu lässt sich – naturgemäß mit dem Wortfeld „fischen“ verbundenes – gemeinsam verwendetes Vokabular nennen: divktuon Joh 21,6.8.11 – Lk 5,2.4.6. und ploi'on Joh 21,3.6. – Lk 5,2f.7.11 (jeweils bei Lukas im Plural); ijcquv" Lk 5,6.9. – Joh 21,6.8.11; als zumindest eng verwandt können ajliei'~ Lk 5,2 und 339
Ebd. 99 u.ö. Dies tut beispielsweise überzeugend NEIRYNCK, John 21, 602f. im Blick auf die u.a. von PESCH rekonstruierte Erscheinungsgeschichte oder ebd. 605 bzgl. der die Fischfanggeschichte enthaltenen Quelle. 341 Hier u.a. deutlich an der an Joh 6 angelehnten Lokalisierung ejpi; th'" qalavssh" th'" Tiberiavdo" statt Lk 5,1 para; th;n livmnhn Gennhsarevt oder der Jüngerliste V.2 sowie zahlreichen Stilmerkmalen; zu letzteren s.u. 4.2 zum Verhältnis Joh 1–20 und 21. 342 S.o. 4.1.5.2. zu Joh 20,3–10 und Lk 24,12. 343 BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 102f. v.a. Anm. 256. 344 So u.a. THYEN, Entwicklungen 1977, bes. 263 bzw. T HYEN, Johannesevangelium 779, der Joh 21 „als eine Art von Palimpsest über Lk 5,1–11 und 24“ ansieht und mit NEIRYNCK als die „einzig überlieferte und überprüfbare ‚Quelle‘ – oder vielleicht besser: das einzig überlieferte Modell“. 345 Vgl. die Übersicht bei BROWN, John II 1090: so u.a. vergeblicher nächtlicher Fischfang – Aufforderung Jesu und Umsetzung – festgestellter Fangerfolg – Reaktion des Petrus – Nachfolge-Thema am Schluss, analog auch STUDENOVSKÝ, Weg 554. 340
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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ajlieuvw Joh 21,3 gesehen werden. Einige wenige sprachliche Wendungen könnten mögliche Varianten346 darstellen: So wird mit Sicherheit die bei Johannes nur 21,2 vorkommende Nennung der Zebedaiden347 oiJ tou' Zebedaivou eine 1,42 mit 21,15–17 analoge Abkürzung von ÆIavkwbon kai; ÆIwavnnhn uiJou;" Zebedaivou Lk 5,10 sein; die Verwendung vergleichbaren Vokabulars zeigen ejmba;" de; eij" e}n tw'n ploivwn Lk 5,3 und ejnevbhsan eij" to; ploi'on Joh 21,3. Dazu kommen als ähnliche Formulierungen kai; aujto;" h\n eJstw;" para; th;n livmnhn Gennhsarevt Lk 5,1 mit e[sth ÆIhsou'" eij" to;n aijgialovn Joh 21,4, diÆ o{lh" nuktov" Lk 5,5 mit ejn ejkeivnh/ th'/ nuktiv Joh 21,3 sowie lh'qo" ijcquvwn poluv Lk 5,6 mit ajpo; tou' plhvqou" tw'n ijcquvwn Joh 21,6. Die grundsätzlich gleiche Lokalisation wird vermutlich aufgrund von Joh 6,1 von para; th;n livmnhn Gennhsarevt Lk 5,1 in ejpi; th'" qalavssh" th'" Tiberiavdo" Joh 21,1 geändert worden sein. Doch als sprachliche Kriterien für sich genommen, können Anzahl und Charakter dieser Berührungen alleine eine Abhängigkeitsthese noch nicht zwingend erweisen. Zwar wird die Konstellation von Petrus und den Zebedaiden auf den redaktionellen Vers Lk 5,10a zurückgehen, was für 348 eine Kenntnis des Lukasevangeliums spricht . Um jedoch eine häufig angenommene gemeinsam vorliegende Tradition als ausreichenden Hintergrund vollends auszuschließen, soll zusätzlich nach inhaltlich-theologischen Argumenten für eine gegenüber Lk 5,1–11 bewusst veränderte Gestaltung von Joh 21 gefragt werden. So werden in einem nächsten Schritt eine Sichtung und Deutung der Unterschiede zwischen Lk 5,1–11 (und weiteren lukanischen Texten) als angenommenen Prätexten und Joh 21,1–14.15–23 vorgenommen. Sollten sich besagte Differenzen als in plausibler Weise theologisch motiviert herausstellen, könnte dies die Annahme einer Kenntnis des lukanischen Textes erhärten. So wäre bereits der gegenüber Lk 5,10 erweiterte Kreis an Jüngern mit den johanneischen Figuren des Thomas und Nathanael und den Joh 1,35– 39 entsprechenden beiden anonymen Jüngern zur Siebenerzahl als bewusste theologische Gestaltung erklärbar (s.o. 4.1.6.1.). Gleiches gilt für den Kontrast Nacht – Tag Joh 21,3f., während bei Lukas das nächtliche vergebliche Fischen erst im Rückblick des Petrus V.5 nachgeholt wird. Die im Rahmen der synchronen Analyse (s.o. 4.1.6.1. b) beobachtete Distanz zwischen den Jüngern im Boot und Jesus am Ufer und das erst später erfolgende Erkennen Jesu entspricht dem Unterschied zwischen nachösterlicher Erscheinung und vorösterlicher Berufungsgeschichte. Demzufolge erklären 346
Vgl. BROWN, John II 1090, NEIRYNCK, Joh 21, 606f. NEIRYNCK, Joh 21, 607 weist in zutreffender Weise zusätzlich auf das Lk 5 entsprechende – im Hinblick auf Joh 1,35ff. aber erstaunliche – Fehlen des Andreas hin. 348 Darauf stützt sich u.a. auch Theo HECKEL in seiner Argumentation vgl. HECKEL, Evangelium 162f. 347
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
sich die johanneischen Spezifika als plausible, dem theologischen Darstellungsinteresse von Joh 21 geschuldete Modifikationen des gegenüber Lk 5,3 geschilderten Settings. Analog dazu lässt die Auslassung von Lk 5,5 die Entsprechung von Wort Jesu und wunderbarem Geschehen Joh 21,6, die das Erkennen Jesu 21,7 auslöst, deutlicher hervortreten. Der Bezug von Mission und Einheit der Gläubigen (vgl. Joh 10,16) wird Joh 21 in Verbindung mit der Vollzahl 153 durch das eine Netz V.11, das im Gegensatz zu Lk 5,4–6 explizit nicht reißt349, fokussiert. Dass sich sowohl die Frage V.5 als auch die Imperative Jesu V.6.10.12 anders als Lk 5,4.10 nie an Petrus persönlich, sondern an die Jünger im Plural richten, stellt ihn in Fortführung von 6,68; 13,6–9 als Repräsentanten der Jünger insgesamt dar. Dieser Fokus auf die Gruppe der Jünger wird dadurch verstärkt, dass die Einleitung Lk 5,1–3 zugunsten der gemeinsamen Aktion von Petrus und den Jüngern 21,3f. wegfällt. Der persönliche Auftrag an Petrus Lk 5,10 findet sich nicht im Rahmen von 21,1–14, sondern im Nachfolgethema V.15–23 als Kulminationspunkt von Joh 21350. An dieser Stelle wird Petrus im Rahmen einer von den anderen Jüngern abgesetzten Interaktion zwischen ihm und Jesus in den Mittelpunkt gestellt351. Demgemäß findet sich das Schuldbewusstsein des Petrus Lk 5,8 auch – allerdings in deutlich abgeschwächter Form – in 21,17352 (ejluphvqh oJ Pevtro" o{ti ei\pen aujtw'/ to; trivton). Ob dies zugleich in einem aus Scham motivierten Bekleiden des nackten Petrus zu suchen ist, scheint zwar nicht ausgeschlossen, aber insgesamt zu ungesichert353. Neben bereits genannten Differenzen führt FITZMYER im Anschluss an PLUMMER die Anwesenheit des Lieblingsjüngers zusammen mit Petrus im Boot an sowie den Versuch des Petrus, sofort zu Jesus zu gelangen anstelle der mit e[xelqe ajpÆ ejmou' Lk 5,8 gewollten Distanz354. Während es sich bezüglich letzterem um die (gattungstypische) Reaktion auf eine Theophanie und nicht eine Reaktion auf die Erkenntnis des Lieblingsjüngers han349
B LAINE, Peter 155.157 sieht hier wohl zu Recht einen Bezug auf Joh 17,12. Problematisch ist es allerdings, diese Differenz in der Darstellung allein bereits als ausreichendes Indiz für eine Abhängigkeit zu werten, zur Kritik auch LABAHN/LANG, Synoptiker 502. 350 S.o. 4.1.6.1. e). und s.u. 7.2. 351 Dies mindert selbstverständlich nicht Geschehen und Bedeutung von V.11; doch ein Dialog zwischen Jesus und Petrus findet tatsächlich erst V.15–22 statt. 352 Doch erfüllt der 21,15–17 allzudeutliche Hinweis auf die Verleugnung ebenso seinen (johanneischen) Zweck im Rahmen der an die Stelle von Lk 5,10 tretenden johanneischen Beauftragung, gegen FORTNA, John 21, 390. 353 So die etwas schwierige Deutung von AGOURIDES, Purpose 128. Dagegen aber beispielsweise STUDENOVSKÝ, Weg 556f. u.a. mit dem Hinweis auf Mk 14,51f. und Offb 3,17. 354 FITZMYER, Luke 560f.
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delt, braucht die grundsätzliche Funktion der Anwesenheit des Lieblingsjüngers nicht mehr eigens erläutert werden. Schlussendlich ist es im Rahmen johanneischer Theologie355 mehr als verständlich, warum eine lukanisch vorösterlich platzierte Berufungsgeschichte nun im Rahmen einer Erscheinung des Auferstandenen zu stehen kommt. Dass Lk 5,1–11 somit trotz der wahrzunehmenden Differenzen356 als das ganze Kapitel Joh 21 bestimmendes Strukturmoment zu gelten hat, spricht an dieser Stelle deutlich für eine Kenntnis der lukanischen Fassung und Umgestaltung gemäß eigener theologischer Prämissen anstelle der Verwendung einer gemeinsamen Vorlage. Über die Frage nach der von Liebe bestimmten Beziehung zu Jesus wird sowohl der Weideauftrag im engeren Sinne an den Lieblingsjünger als Prototyp verwiesen als auch die den Rahmen des Weideauftrags darstellende Nachfolge insgesamt (s.o. 4.1.6.1.). Mit dem Bildfeld des Weidens, das an Joh 10 und damit das Zeugnis des Lieblingsjüngers verwiesen bleibt, findet gegenüber Lk 5 jedoch ein Wechsel im Bildfeld statt, der einen Lk 22,32 (sthvrison tou;" ajdelfouv" sou) analogen pastoralen Akzent aufweist357. Für den Vergleich mit Lk 22 sprechen auch weitere thematische Verbindungen wie Mahl (Lk 22,14–23 – Joh 21,9.13), Verleugnung (Lk 22,34 – Joh 21,15–17 bzw. 18,18–25) sowie Nachfolge (Lk 22,24–30.35–38 – Joh 21,18f.20–22). Durch die vorangestellte Diskussion über das Verhältnis unter den Jüngern Lk 22,23–30 (vgl. Joh 21,15 bzw. das Verhältnis zum Lieblingsjünger V.20–22) erhält Lk 22 einen ebenso herrschaftskritischen Akzent wie die an der Liebe zu Jesus und dessen Vorbild in Joh 10 orientierten Weideaufträge Joh 21,15–17. Aufgrund dieser Beobachtungen scheint m.E. auch ein Bezug zwischen ejpistrevya" 21,20 und ejpistrevya" Lk 22,32 als möglich zu erachten sein (s.o. S. 151)358. 355
Vgl. 12,32 u.ö. und die Notwendigkeit des erst nachösterlich gegebenen Geistes. Als Gegenprobe können die von P FITZNER, They Knew 68f. genannten Unterschiede nicht überzeugend gegen einen Bezug zu Lk 5 sprechen: (ad 1.) die Siebenzahl der Jünger ist als theologisch motivierte Modifikation bereits erwiesen, ebenso das nicht reißende Netz (ad 2.) und das Bekenntnis des Lieblingsjüngers im Gegensatz zu Petrus (ad 3. und 4.); das Motiv der zunächst fehlenden Erkenntnis der Person Jesu forciert die hermeneutische Kompetenz des Lieblingsjüngers und das Schwimmen des Petrus zu Jesus wurde auf dem Hintergrund von Joh 13,4–6 als (Leiden einschließende) Bereitschaft zum Dienen erkannt. 357 Dabei ist jedoch der unstrittige Bezug zu Joh 10 und insbesondere 10,16 nicht gegen das intertextuelle Spiel mit Lk 5 auszuspielen, gegen FORTNA, John 21, 390. 358 THYEN, Johannesevangelium 791 sieht den Konnex eher zwischen dem Umwenden Jesu Joh 1,38 (strafeiv" ) und dem des Petrus 21,20, was durch den gemeinsamen Nachfolgehintergrund bzw. den Blick auf die beiden nachfolgenden Jünger aus Joh 1,35ff. ebenso möglich ist, allerdings verschiedene Personen (Joh 1 Jesus, Joh 21 dann Petrus) betrifft. In jedem Fall ist es vorstellbar, dass innerjohanneische Verbindungslinien und intertextuelle Bezüge – insbesondere durch die erwiesene Verwandtschaft von Lk 22 mit 356
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Eine bedeutsame theologische Nähe – in gleichzeitiger, signifikanter Differenz – besteht auch zu Teilen von Lk 24. Thematisch legt sich dies im Rahmen einer österlichen Erscheinung ohnehin nahe359. So ist Joh 21,5 paidiva, mhv ti prosfavgion e[cete als freie Wiedergabe von Lk 24,41 e[cetev ti brwvsimon ejnqavdeÉ zu erkennen. Das Erkennen Jesu verbindet sich jedoch gegen Lk 24,31 nicht mit dem Mahl360 oder ist wie V.41 bereits vorausgesetzt, sondern steht Joh 21,5 noch aus. Erst der wunderbare Fischfang gemäß Jesu Wort V.6 und die daraufhin erfolgende Reaktion des Lieblingsjüngers V.7 lösen das Erkennen der Jünger aus (V.12 ist dazu als Rückbezug zu sehen361). Dies ergibt analog zur Rolle des Lieblingsjüngers in Joh 20,8 (theologischen) Sinn: Wurde dort der intratextuelle Bezug auf Joh 11,44 zur Voraussetzung des „Sehens und Glaubens“, gilt dies 21,7 für die auf intratextuellen (euJrivskw 21,6 s.a. 1,41–45362) und intertextuellen Bezügen zu Lk 5 und 24 fußende hermeneutische Kompetenz des Lieblingsjüngers. Im Vergleich zu Lk 5,8 ersetzt bzw. ergänzt die Reaktion des Lieblingsjüngers zugleich die des Petrus als notwendige Voraussetzung für jene. Auch erklärt sich von Lk 24,42 her Joh 21,9 besser als durch die Vorlage einer Mahlgeschichte: Anders als bei Lukas reichen nicht die Jünger Jesus den Fisch, sondern Jesus erwartet sie bereits damit, er ist damit Geber (und Gabe) wie in Joh 6. Ist mit den Bezügen zu Lk 5, 22 und 24 damit ein dichtes intertextuelles Netz mit dem Lukasevangelium gegeben, so stellt sich diese Frage nun auch im Hinblick auf das Matthäusevangelium. Im Forschungsüberblick (s.o. 3.4.3) ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Mehrzahl der Exegeten ein im Johannesevangelium erkennbare Benutzung des Matthäusevangeliums ausschließt oder zumindest nicht für erwiesen hält. Dies soll nun anhand der diskutierten Textbereiche Mt 14,28–31, aber in besonderer Weise natürlich anhand von Mt 16,17–19 überprüft werden. Mt 14,28–31 verbindet mit Joh 21,7, dass sich die Jünger ohne Jesus im Boot auf dem See befinden, und ihn zunächst nicht erkennen. Auf das Erkennen hin reagiert Petrus als Erster und verlässt das Boot, um Jesus entgegen zu kommen. Dem kuvrie-Ruf Mt 14,28 könnte möglicherweise der Hinweis des Lieblingsjüngers oJ kuvriov~ evstin Joh 21,7 entsprechen, jedoch johanneischer Tradition – sich gegenseitig nicht aus-, sondern einschließen, und zwar nicht nur allgemein, sondern auch an diesem konkreten Beispiel. 359 S.u. S. 173 die Frage von Parallelen zu Mt 28. Zum Verhältnis Johannesevangelium – Matthäusevangelium aber die Überlegungen im Folgenden und s.o. 3.4.3. 360 Das Erkennen des Lieblingsjüngers und im Anschluss daran des Petrus V.12 ist daher nicht zu trennen vom Erkennen der Jünger V.12, gegen B LASKOVIC, Fischfang 110f. 361 Als Dublette zum Erkennen des Lieblingsjüngers ist oujdei;" de; ejtovlma tw'n maqhtw'n ejxetavsai aujtovn weder inhaltlich noch durch die sprachlich deutlich johanneische Gestaltung zu sehen. 362 Darauf weist B USSE, Johannesevangelium 264.
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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wird sowohl diese Bezeichnung als auch Anrede Jesu in beiden Evangelien häufig verwendet, so dass ein Zusammenhang schwerlich zu stützen ist. Wichtige Unterschiede bestehen ferner darin, dass es sich bei Joh 21,1–14 um eine mit Elementen einer Erscheinungsgeschichte verbundene Fischfang-Erzählung handelt, während Mt 14,23–32 die Theophanie Jesu und den Zweifel des Petrus ins Zentrum stellen. Ferner befindet sich Jesus bei Matthäus bereits auf dem Wasser, Joh 21,4 aber am Ufer. Dementsprechend geht Petrus einmal über das Wasser, während er sich im anderen Fall im Wasser befindet (eij" th;n qavlassan Joh 21,7). Entscheidendes johanneisches Spezifikum ist, dass in Joh 21,7 der Lieblingsjünger das Erkennen Jesu letztlich auf intratextuellen Bezug zu Lk 5 hin „vermittelt“, und ferner, dass Petrus hier nicht (mehr) scheitert363. Wären diese beiden letzten Aspekte wie auch der matthäische Fokus auf der Kleingläubigkeit des Petrus (vgl. Mt 6,30; 16,8) durchaus im Rahmen der johanneischen Darstellungsabsicht als bewusste Änderungen einer möglichen Vorlage denkbar, so fallen insgesamt die Parallelen im Vergleich zu den Unterschieden zu gering aus, um ein intertextuelles Spiel erweisen zu können364. Nicht weniger schwierig, aber von bedeutender interpretatorischer Relevanz ist die Frage einer Beziehung von Joh 21,15–17 zu Mt 16,17–19, wobei textliche Parallelen m.E. ohnehin auf V.18 einzuschränken wären365. Eine eigentliche Beauftragung des Petrus, die parallel zu dem dreifachen Weideauftrag zu sehen wäre, findet sich nur dort, die Namensgebung Mt 16,17 wird jedoch bereits Joh 1,42366 geschildert. Das Wort vom Binden und Lösen Mt 16,19 wird wie 18,18 in Joh 20,21 auf die Gesamtheit der Jünger bezogen. Sowohl Mt 16 als auch Joh 21 geht es tatsächlich um eine grundlegende ekklesiologische Funktion des Petrus, mou th;n 363
Diesen auf einer angenommenen intertextuellen Beziehung beruhenden interpretatorischen Gewinn betont T HYEN, Johannesevangelium 784 im Anschluss an STEIGER. 364 Genauso müssen auch umgekehrt Überlegungen einer vormatthäischen nachösterlichen Stellung von Mt 14,28 dem Bereich unbeweisbarer Hypothesen zugewiesen werden, s.a. im Vergleich von Mt 14,28–31 mit Joh 21,7f. BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 73. Gleiches gilt für die Vermutung B ULTMANNS, Joh 21,15–17 stelle eine ältere Variante von Mt 16,17–19 dar (DERS., Johannes 551f.) siehe nachfolgend zu Mt 16,17– 19. 365 Der ganze Abschnitt Mt 16,16–19 wäre wiederum mit einzubeziehen, wenn man Analogien nicht auf die Person des Petrus einschränkt, sondern wie Ulrich LUZ den johanneischen Lieblingsjünger als Parallelfigur zum matthäischen Petrus auffasst (LUZ, Matthäus II 469). Doch bezüglich dieses Modells von Luz wäre zu klären, ob der Lieblingsjünger tatsächlich in seiner Funktion als „Typus des Jüngers“ (so Luz) an die Stelle des Petrus tritt und wie das Verhältnis Lieblingsjünger – Petrus im Rahmen johanneischer Theologie letztlich zu deuten ist (s.u. Kapitel 6 und 7). 366 So weiß auch HECKEL, Evangelium 164 von der Möglichkeit, dass „Mt hier einen Traditionssplitter aufgenommen hat“, wofür gerade die aramäische Form Bariwna' spricht, so auch 4.1.1.1 die Analyse zu Joh 1,42.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
ejkklhsivan bei Matthäus entspräche ta; ajrniva bzw. ta; provbatav mou Joh 21,15–17. Anhand beider Stellen wird darum auch vielfach eine gesamtkirchliche Leitung367 postuliert, was jedoch im Blick auf die weiteren neutestamentlichen Parallelen der Weide-Metaphorik gerade zu hinterfra368 gen ist , dann aber eine Re-Interpretation von Mt 16,18 im johanneischen – und gemäß Joh 10 herrschaftskritischen – Sinne369 gerade als plausibel erscheinen ließe. Doch auch hier gilt das Gleiche wie bezüglich Mt 14,28– 31: was letztlich nicht auszuschließen ist, ist allerdings ebenso wenig zu erweisen. Ein vermutlich gemeinsamer Traditionshintergrund im Blick auf die Anrede des Petrus durch Jesus und eine – doch sehr verschieden formulierte – ekklesiologische Funktion alleine können die Beweislast dafür nicht tragen, dass Mt 16,18 als Vorlage für Joh 21,15–17 zu gelten hat. Gerade die Beobachtung, dass sich verschiedene in Mt 16,16–19 enthaltene Aspekte an ganz unterschiedlichen Stellen im Johannesevangelium finden370, spricht nicht unbedingt dafür, dass diese bewusst „verteilt“ wurden, sondern für eine unabhängige Kenntnis und Verwendung der Traditionen und Motive. Da es sich Mt 16 um vorösterlichen Kontext in Verbindung mit dem Christusbekenntnis handelt, Joh 21 aber um eine nachösterliche Erscheinungsgeschichte im Kontext der Mission, kann auch kaum die Rede davon sein, die Passagen seien „szenisch ähnlich angelegt“ 371. Synchron und diachron erklärt sich die Stellung der Weideaufträge naheliegender aus anderen Textbezügen heraus: Joh 10,16 werden Mission und Hirtenfunktion unter dem Aspekt des Einheitsgedankens miteinander verbunden, und dass Joh 21,15–17 an Joh 10 als kritischem Maßstab orientiert ist, wird nicht zu bezweifeln sein (vgl. nur ta; ajrniva/provbatav mou). Ferner ist an dem Punkt der inhaltlich stärksten Verbindung in der gemeinsam gegebenen ekklesiologischen Relevanz eine weitaus größere Nähe zum pastoral und herrschaftskritisch akzentuierten Auftrag Lk 22,32 bzw. in der Weidemetaphorik zu 1Petr 5,2–4(2,25) und Apg 20,17.28–30 gegeben372. Insbesondere in 1Petr 5,2–4 stellt sich in der Bezugnahme auf 1Petr 2,25 ein Joh 21 und 10 vergleichbares Verhältnis dar: Der eine und eigentliche Hirte bleibt Jesus, so 1Petr 2,25 (s.a. poivmnion tou' qeou' 5,2; Apg 20,28 bleibt Gott der Eigentümer der Herde). Auch im Johannesevangelium bleibt diese Bezeichnung 10,2–28 in exklusiver Weise auf Jesus bezogen. Eine Verbindung zur Märtyrerrolle Joh 13,36/21,18f. ergibt sich aufgrund von 367
S.o. Kap. 4 Anm. 303. S.u. zu 1Petr 5/Apg 28 etc., dazu auch 7.2.2. 369 S.u. 7.2. 370 Dazu u.a. die Auflistung bei BROWN, John I 302. 371 Gegen HECKEL, Evangelium 166. 372 Dazu und zu weiteren Aspekten des neutestamentlichen Hirtenbildes umfassend HECKEL, Hirtenamt 43–107 und s.u. 7.2.2.4. 368
4.1 Analyse der Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums
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1Petr 5,1. Ist dieser Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief als mögliche Vorlage und Interpretationshintergrund für Joh 21 zu denken373, so würden einige Aspekte für ein Petrusbild sprechen, das als Prototyp des örtlichen Gemeindeleiters fungiert374: so etwa die Einbindung des Petrus in ein Kollegium von Presbytern (sumpresbuvtero" 5,1; vorausgesetzt auch in Apg 20) oder auch die erwähnte gesamtkirchliche Herde ejn uJmi'n, d.h. vor Ort. Auch anhand der mit Mk 14,28; 16,7 in Zusammenhang stehenden Lokalisierung der abschließenden Erscheinung in Galiläa ergibt sich offensichtlich wie in Joh 21 insgesamt ein „cluster“ an synoptischen Prätexten, die sich im Rahmen johanneischer Darstellungsabsichten verarbeitet wurden: Galiläa als Ort der Begegnung mit dem Auferstandenen375 wird verbunden mit der Präsenz eben jenes Auferstandenen in der von ihm bewirkten Mission (Lk 5) und v.a. im Mahl (Joh 6). Dass dazu noch alle synoptischen Berufungsgeschichten dort lokalisiert sind376, unterstreicht die bereits durch intratextuelle Bezüge zu Joh 1 erreichte Einordnung von Joh 21 in den Kontext der Nachfolge als Kulminationspunkt und in das 20,30f. formulierte Ziel des gesamten Johannesevangeliums. Zugleich bleibt über die Passionsbezüge 21,15–17.20 Jerusalem als Fokus der johanneischen Darstellung präsent377. Von den Themen und Motiven her, d.h. der abschließenden Erscheinung vor den Jüngern, der bleibenden Präsenz des Auferstandenen wie auch der Mission, ergibt sich zugleich eine Parallele zu Mt 28,17–20378 – jedoch unter Ersetzung des für Matthäus zentralen Berges mit dem See-Setting von Joh 6. Eine direkte Abhängigkeit von Mt 28 kann aus diesen thematischen Analogien heraus jedoch nicht geschlossen werden, insbesondere die 373
Ohne hier eine literarische Abhängigkeit erweisen zu wollen, wird der 1Petr im Einklang mit den meisten Kommentatoren in die Zeit bis etwa 90 n.Chr., d.h. (nicht lange) vor dem Johannesevangelium zu datieren sein. 374 Vgl. HECKEL, Einheit 635ff. s.a. DERS., Hirtenamt u.a. 153 und T HYEN, Art. Johannesevangelium 214f.; dazu auch s.u. 7.2. 375 Als weiterer markinischer Bezugstext wird die Kreuzesnachfolge Mk 8,34ff. (vgl. Joh 12,24–26) angesehen, so beispielsweise STUDENOVSKÝ, Weg 549. Vor dem Hintergrund dieser Texte wird eine Einordnung der Martyriums-Reminiszenz in den Nachfolgeabschnitt einmal mehr verständlich, doch versteht sich dies vom Thema her von selbst; Impuls für die Einfügung scheint mir jedoch mehr die historische Reminszenz an das Martyrium als Grundlage des Vergleichs Petrus – Lieblingsjünger zu sein, desweiteren müssten die kritischen Untertöne (oi[sei o{pou ouj qevlei" 21,18) genügende Beachtung finden. 376 Vgl. auch STUDENOVSKÝ, Weg 556. 377 So der zutreffende Hinweis bei STUDENOVSKÝ, ebd. 556f. 378 Mit B ROWN, John II 1098 ist Joh 21,1–14 somit als späteres Äquivalent von Mt 28,19f. zu bezeichnen, eine direkte Abhängigkeit ergibt sich daraus jedoch nicht zwingend.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
bleibende Präsenz zeigt sich innerjohanneisch in den Abschiedsreden u.a. mit Verweis auf den Parakleten als durchgängiges Thema, während der Missionsfokus auf die Aufnahme von Lk 5 zurückzuführen ist (s.o.). 4.1.6.3 Der Zusammenhang synchroner und diachroner Analyse in Joh 21 Um Redundanzen zu vermeiden, wird in diesem Abschnitt auf eine inhaltliche Bündelung der Ergebnisse der synchronen und diachronen Analyse verzichtet. Im Hinblick auf den Ertrag für das Petrusbild wird nicht nur auf 4.1.6.1 d) und 4.1.6.2 verwiesen, sondern auch auf das abschließende Kapitel 7. Hier werden mit der Bezogenheit auf den Lieblingsjünger und den Weideaufträgen zwei zentrale Aspekte der Petrus-Darstellung in Joh 21 bzw. im Zusammenhang von Joh 1 bis 21 herausgegriffen und deren theologische Intention dargestellt. Die Notwendigkeit eines Zusammenspiels synchroner und diachroner Analyseschritte ist zu Beginn dieser Untersuchung in methodischer Hin379 sicht bereits festgestellt worden . Die vorausgesetzte gängige Forschungsposition, Joh 21 erweise sich anhand der Einfügung synoptischer bzw. „petrinischer“ Traditionen als sekundärer Nachtrag einer Redaktion, 380 die den Ausgleich mit der „Großkirche“ und ihren Traditionen sucht , geht jedoch in zu einseitiger Weise von diachronen Aspekten aus. Zunächst einmal gilt es darauf hinzuweisen, dass sich Joh 21 nur in der Dichte, nicht aber in dem grundsätzlich vorhandenen intertextuellen Verhältnis zu synoptischen Prätexten von Joh 1–20 unterscheidet (vgl. die jeweiligen diachronen Schritte 4.1.1.2. bis 4.1.5.2). Es ist m.E. für das gesamte Johannesevangelium eine Kenntnis zumindest des Markus- und des Lukasevangeliums anzunehmen, einzig ein Bezug zum Matthäusevangelium kann weder erwiesen noch ausgeschlossen werden 381. Zentral ist aber in erster Linie die folgende Feststellung: Die historischen Schlussfolgerungen aus der Annahme einer vorrangig Joh 21 auszeichnenden synoptischen Prägung gehen an den synchron zu gewinnenden Aussageabsichten spezifisch johanneischer Theologie vorbei. Geht man umgekehrt von jenen als hermeneutischem Schlüssel aus, so zeigt sich eine teils äußerst selektive382 und modifizierende, d.h. freie Verwendung, die nicht als Einfügung mit integrativer Intention zu sehen ist. Vielmehr geht es um die klare Unterordnung der vorhandenen Traditionen unter johanneische Darstellungs- und Aussageabsichten (vgl. nur das gegenüber Lk 5,1–10 veränderte Motiv des einen nicht zerreißenden Netzes, die Plat379
S.o. Kapitel 3. S.o. unter 2.1.1 und 2.1.3. 381 S.o. 3.4.3. zum Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern. 382 LABAHN/LANG, Synoptiker 506 übertragen die Art der Verarbeitung des Alten Testaments in „Kontinuität und Freiheit“ zutreffender Weise auf diejenige der Synoptiker. 380
4.2 Zum Vergleich von Joh 1–20 und 21
175
zierung im nachösterlichen Kontext oder das gegenüber Lk 24 nachgeholte, weil mit dem Lieblingsjünger verbundene Erkennen Jesu s.o. 4.1.6.2.). Insgesamt lassen sich anhand der synchron zu erhebenden theologischen Prämissen Unterschiede zur synoptischen Darstellung als bewusste Modifikationen plausibilisieren. In Kategorien des Intertextualitätsmodells von Gérard GENETTE gesprochen erinnert dieses Phänomen an eine „Transposition“: Zu den Merkmalen dieser Form der Transformation von vorausgesetzten Texten gehört es, dass aus ideologischem Anspruch heraus Textbezüge „verschleiert oder überlagert“ werden können383 (so besonders in Joh 1–20). Möglich ist aber u.a. auch eine „pragmatische Transformation“, die gegenüber dem Hypotext eine explizit korrigierende Funktion erfüllen kann (so Joh 1–21!). Gerade dieser letzte Aspekt wird noch in kanontheologischer Hinsicht entfaltet werden müssen (s.u. Kapitel 7.1.2.5).
4.2 Zum Vergleich von Joh 1–20 und 21 Gehörte bereits das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den synoptischen Evangelien zu den großen Themen der Johannes-Forschung, so gilt dies in wohl noch erheblicherem Maße von der Beziehung des abschließenden Kapitels384 21 zu den vorherigen Kapiteln 1–20. Im Rahmen dieser Untersuchung kann es wiederum nicht darum gehen, dieses umfassende und komplexe Feld in erschöpfender Weise behandeln zu können, um zu einer abschließenden Klärung dieser Generationen von Exegeten bewegenden Frage zu gelangen. Allein in exemplarischer Darstellung und Diskussion einiger Argumente soll zunächst aufgezeigt werden, dass dem Eindruck einer oftmals postulierten Eindeutigkeit zu widersprechen ist, und die hermeneutischen Voraussetzungen wie Konsequenzen eines jeden Ansatzes zu bedenken sind. Das Hauptgewicht wird jedoch auf einem Vergleich der die Petrusfigur betreffenden Textpassagen innerhalb von Joh 1– 20 und Joh 21 liegen, um aus diesem Blickwinkel her einen Beitrag zur übergreifenden Diskussion zu leisten.
383
GENETTE, Palimpseste 287, zur Intertextualität s.o. Kap. 3 Anm. 74. Die Kategorie der „Transposition“ stellt hierbei eine Unterkategorie der „Hypertextualität“ in Form der „Transformation“ dar, worunter Genette die Ableitung eines Textes von einem anderen versteht (ebd. 18). 384 In bewusst neutral gewählter Terminologie sollen an dieser Stelle übliche Bezeichnungen wie „Nachtragskapitel“, „Anhang“ oder auch „Epilog“ im Gegensatz zum „Korpus des Evangeliums“ etc. vorerst vermieden werden, da sich hiermit eine Einschätzung im Sinne einschlägiger Positionen und damit Vorentscheidungen verbinden.
176
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
4.2.1 Das Verhältnis von Joh 21 zu Joh 1–20: Hauptlinien einer umfassenden Diskussion Widmete Rudolf BULTMANN im Joh 21 geltenden Abschnitt seines Kommentars gleich zu Beginn sprachlich-stilistischen Kriterien einige Aufmerksamkeit385, so trat u.a. Eugen RUCKSTUHL in seiner Dissertation386 und folgenden Veröffentlichungen387 einen beachtenswerten Gegenbeweis an. Die Infragestellung eines lange angenommenen relativen Konsenses geht mittlerweile in der Hauptsache von Vertretern der „most contemporary narrative approaches“388 aus, die sich dem Aufweis sprachlich-stilistischer Einheit des Johannesevangeliums anschließen389, oder beispielsweise angesichts eines kontextabhängigen Vorkommens der hapax legomena in Joh 21 zur Vorsicht mahnen390. Zu typisch johanneischem „Stil“ gehört dagegen konkret die Verwendung von Synonymen 21,15–17391, der ajmh;n ajmhvn-Worte und die Art der Erzähler-Kommentare392. Neben sprachlich-stilistischen Kriterien werden Analysen der Struktur und Komposition des Johannesevangeliums herangezogen, um die Einheit von Joh 1– 21 zu erweisen: Insbesondere konzentrische Strukturen sollen nicht nur einzelne Erzählabschnitte, sondern übergreifend der gesamten johanneischen Komposition zugrunde liegen, und dabei Joh 21 als integralen Bestandteil des Evangeliums erweisen393. Dabei führt die Beobachtung von parallel verwandtem Vokabular (z.B. e{lkw in 21,11 und 12,32) nicht selten zum Schluss „Whoever wrote the one also wrote the other“394. Doch muss gefragt werden, inwieweit diese Entsprechungen als Erweis eines ursprünglichen kohärenten Strukturkonzeptes395 oder vielmehr als gezielter Rückgriff auf vorliegende Texte zu bewerten sind. 385
B ULTMANN, Johannes 542f. RUCKSTUHL, Einheit (1951) und dann in der späteren Neuauflage insbesondere durch die angehängte Liste der Stilmerkmale (RUCKSTUHL, Einheit [1987] 291–303) wie einem neubearbeiteten Aufsatz mit dem Titel „Sprache und Stil im johanneischen Schrifttum. Die Frage ihrer Einheit und Einheitlichkeit“ (ebd., 304–331). 387 RUCKSTUHL/DSCHULNIGG, Stilkritik, zusammenfassend 251. 388 MOLONEY, Glory 184. 389 So z.B. STIBBE, Storyteller 16. 390 Dazu u.a. BRECK, Appendix 36; P FITZNER, They Knew 65. 391 Dazu 4.1.6.1. 392 STIBBE, John 207 im Anschluss an P FITZNER, They Knew 68. 393 So entspreche nach ELLIS, John 13–15.310–312 der Abschnitt 20,19–21,25 dem ersten Kapitel und speziell die Namensgebung 1,42 dem Weideauftrag und der Nachfolgeankündigung 21,16–19. Einen etwas anders gelagerten, vom Prolog ausgehenden Vorschlag einer konzentrischen Struktur des gesamten Johannesevangeliums bietet STALEY, Print 50–73 (bzw. die tabellenartige Übersicht 72f.). 394 ELLIS, John 301. 395 Neben ELLIS auch KORTING, Struktur. Zur Fragwürdigkeit der Beweiskraft derartiger Ansätze aber u.a. FREY, Eschatologie I 448. 386
4.2 Zum Vergleich von Joh 1–20 und 21
177
Ein Schwergewicht der Diskussionen um den Status von Joh 21 liegt klar auf der Bewertung der abschließenden Verse 20,30f., die entweder als Buchschluss oder in formaler396 und inhaltlicher Ergänzung in Verbindung mit 21,24f. als Teil-Schluss397 angesehen werden. In der Hauptsache wird vorgebracht, dass 20,30f. nur auf Kapitel 20 bezogen sei398 bzw. Kap 21 als Epilog erweise399 und beide Schlüsse unterschiedliche400, sich ergänzende401 Funktionen erfüllten. Versuche, beide Schlüsse dabei auch sprachlich einer Hand zuzuweisen402 können nicht überzeugen. Der Einwand, 396
Nach SEGOVIA, Final Farewell findet sich hier eine A B B A – Struktur, doch kann diese ebenso auch eine nachträgliche Konstruktion darstellen. 397 Zur Technik eines doppelten Schlusses B ARRETT, John 588, (trotz der Annahme eines Nachtrages) und SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 448, der jedoch aus sprachlichen Gründen einen unterschiedlichen Ursprung von V.24 und 25 postuliert. Dagegen als Argument für die Ursprünglichkeit von Joh 21 STIMPFLE, Blinde 252 und BRECK, Appendix 28f. Für eine 12,36b.37.38–50 analoge Aufeinanderfolge von Zielangabe und späterem Schluss plädieren TALBERT, John 258 und E LLIS, Authenticity 20f. Doch ist mit MOLONEY, Glory 188 zu fragen, ob die angeführten Parallelen die Beweislast tragen können. 398 So u.a. MINEAR, Functions 87–90.98; E LLIS, Authenticity 21; BRECK, Appendix 29; VORSTER, Growth 212; STIMPFLE, Blinde 249 und THYEN, Entwicklungen 260. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass mit den shmei'a 20,30 ein im Grunde eindeutiger Rückbezug auf das ganze Johannesevangelium und nicht auf Joh 20 allein gegeben ist. 399 T HYEN, Entwicklungen 260 vgl. DERS., Johannesevangelium 4f.773; Thyen weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass nur 21,24 und 19,35 die Adressaten angesprochen werden. Für einen Epilogcharakter sprechen sich auch WELCK, Zeichen 293ff.342ff.; SCHENKE, Johanneskommentar 207 und STIMPFLE, Blinde 251 aus. 400 21,24 stelle im Gegensatz zu 20,30f. ein offenes Ende dar, vgl. SCHNEIDERS, John 21:1–14 75; G AVENTA, Problem 249 bezeichnet Joh 21 als „anti-closure“ und „archive of excess“. THYEN argumentiert, dass 20,30f. als Abschluss der Thomasperikope fungiere und in antidoketischer Stoßrichtung „ein sehr spezifisches (johanneisches) Problem verhandelt wird“ (T HYEN, Entwicklungen 260 im Anschluss an NEUGEBAUER). 401 Für W ELCK, Zeichen 342 stellt 20,30f. den Abschluss der „Erzählung von Jesus als dem eschatologischen Heilsbringer (nicht: das Ende des Buches!)“ (kursiv Chr.W.) dar. Joh 21 folge schließlich als „ätiologische Legende“, da der Lieblingsjünger als Autor des Buches nicht nur das Tun der Wunder berichtet, „sondern auch einen Blick für dessen christologische Signifikanz hatte“ (kursiv Chr.W.). Für BRODIE, John 574f., demgemäß 19,35–37 – 20,30f. – 21,24f. zusammen zu sehen sind, ergänzen sich in sinnvoller Weise die Zielbestimmung (20,30f.) mit der Aussage über Ursprung und Zuverlässigkeit des Evangeliums (21,24f.); da in Joh 21 zudem keine Verben des Sehens vorkommen, sieht er anders als die Befürworter des sekundären Charakters keinen Widerspruch zu 20,29; davon unbenommen aber bleibt s.o. eine nochmalige Erscheinung des Auferstandenen als nicht konsequente Fortsetzung der Seligpreisung 20,29. 402 Gegen MINEAR, Functions 97 sind die sprachlichen Berührungen gering: kai; a[lla ejpoivhsen oJ ÆIhsou'" a} oujk e[stin gegrammevna ejn tw'/ biblivw/ touvtw/ kai; a[lla a} ejpoivhsen oJ ÆIhsou'", a[tina eja;n gravfhtai kaqÆ e{n und sprechen eher für eine bewusste Aufnahme in steigernder Absicht (s. dann oujdÆ aujto;n oi\mai to;n kovsmon cwrh'sai ta; grafovmena bibliva 21,25).
178
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Joh 21 hätte genauso vor 20,30 eingefügt werden können403, löst ebenso wenig die Aporie, dass dann eine erneute (wenn auch andersartige) Erscheinung auf die Seligpreisung 20,29 folgen würde404. Zudem hätte sich ein derartiger Redaktor mehr Probleme eingehandelt als in der jetzigen Abfolge, da insbesondere ejnwvpion tw'n maqhtw'n 20,30 auf Joh 20 bezogen ist und nicht auf 21,23 oder gar V.24 bzw. 25 hätte folgen können. So ergibt sich an dieser Stelle tatsächlich eine inhaltliche Spannung, die m.E. nicht mit plausiblen Argumenten gelöst werden kann. Unbenommen der vielfach konstatierten inhaltliche Brüche zwischen Joh 20 und 21 dürfte jedoch anhand vielfältiger Motive die Kontinuität und Verwobenheit von Joh 21 mit Joh 1–20 unbestritten sein405. In jedem Fall wird der mit meta; tau`ta 21,1 eingeleitete Erzählabschnitt vom Adressaten als integraler Teil des Evangeliums wahrgenommen406, unterstützt durch die folgende Nennung der aus Joh 1 (Petrus, Nathanael aus Kana, zwei unbekannte Jünger) bzw. Joh 20 (Qwma'" oJ legovmeno" Divdumo"407) bekannten Jünger. Der Kontrast Nacht-Tag/Morgen V.3f. findet sich ebenso in 3,2–21; 9,4; 11,10; 13,30408 und verbindet sich mit dem Kontrast erfolgloser/erfolgreicher Fischzug, was als narrative Entfaltung 15,5 „erläutert“409. Das Zögern der Jünger, Jesus zu fragen, erinnert deutlich an 4,27410, die Frage an Petrus ajgapa'/" meÉ jeweils 21,15–17 kann als Erfüllung von 14,21 verstanden werden411. Eine Klammer insbesondere zwischen Joh 1 und 21 wird nicht nur im Rahmen konzentrisch angelegter Strukturmodelle (s.o.) festgehalten412, sondern legt sich allein vom Thema der Offenbarung her (1,31–21,1.14) deutlich nahe413. Doch bleibt davon unbenommen die sich 403
THYEN, Entwicklungen 260 s.a. B ARRETT, John 577; FREY, Eschatologie I 448. So auch zu Recht BRECK, Appendix 32. Einen detaillierten Überblick über mögliche Verbindungslinien und Kontraste gibt u.a. SPENCER, Narrative Echoes 57–64. 406 VORSTER, Growth 213; HARTMANN, Attempt 70. Auch für STIBBE, John 206f. weist dies auf Joh 20 zurück, doch kommt meta; tau'ta gerade auch die Funktion eines Neueinstiegs zu vgl. 3,22; 5,1 u.ö. 407 Auf die spezifische Form der Beinamen von Thomas und (allerdings in leicht modifizierter Form) von Petrus weisen auch P FITZNER, They Knew 68; STIBBE, John 207. 408 MINEAR, Functions 96. 409 ELLIS, Authenticity 18; SÖDING, Erscheinung 218 s.o. Kap. 4 Anm. 296. 410 STIBBE, John 207 im Anschluss an P FITZNER, They Knew 68. 411 MINEAR, Functions 92 und s.o. 4.1.6.1. 412 So neben ELLIS, Authenticity 18f. u.a. FRANZMANN/KLINGER, Call Stories 7–14 oder bzgl. 20,30–21,25 BRECK, Appendix 40. 413 GAVENTA, Problem 242f. Dass 21,14 nicht auf die Erscheinungen in Joh 20 insgesamt, sondern insbesondere auch auf 20,9 (ejk nekrw'n ajnasth'nai) verweist (so KORTING, Struktur 426), ist m.E. nicht sehr plausibel, da 20,9 ja gerade nicht im Kontext einer Erscheinung steht, sondern nur den folgenden Erscheinungen vorangeht. Ebenso wenig lässt sich eine aussagekräftige Inclusio zwischen Joh 1 und 21 anhand der Begeg404 405
4.2 Zum Vergleich von Joh 1–20 und 21
179
von Joh 1–20 her ergebende Inclusio des teleologischen Schlusses i{na pisteuj[s]hte 20,30 zu 1,7.12 (und über das Stichwort zwhv zugleich zu 1,4) zu beachten. Dies würde dann in gleicher Weise für ein ursprüngliches Ende des johanneischen Textes mit Joh 20 sprechen wie dies für Joh 21 geltend gemacht wird. Doch ist eben in ganz grundsätzlicher Weise abzuwägen, ob eine Inclusio zwingend für eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit sprechen muss oder (im Fall von Joh 21) nicht vielmehr auch für eine spätere – bewusst gestaltete – Aufnahme der bereits vorliegenden Texte sprechen kann. Ein postulierter „sense of circularity“ 414 kann mit dem Ziel einer geschlossen wirkenden Darstellung auch kreiert, d.h. konstruiert sein. Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich sowohl unter der Voraussetzung des Textbestandes von Joh 1–20 als auch von Joh 1–21 ein theologisch, d.h. johanneisch adäquater Schluss ergibt und stringente Entwicklungslinien415 zu ziehen sind. Jeweils abhängig vom vorausgesetzten Textbereich stellt sich entweder Joh 20 (insbesondere VV.28–31) oder auch 21 (und darin besonders VV.7.15–17.24f.) als Klimax dar416. Hermeneutisch gesehen setzt man also genau die Texte voraus, deren Ursprünglichkeit es zu erweisen gilt. Des Öfteren wird auch vorgebracht, Joh 21 „resolves some of the minor conflicts“417 bezüglich der Beziehung des Petrus zum Lieblingsjünger und zu Jesus, was jedoch wie bei Alan CULPEPPER selbst nicht gegen eine sekundäre Entstehung spricht. Fraglich ist so auch, ob exemplarisch die Sammlung der vielen nicht aus Israel Stammenden (10,16; 11,52; 12,20–22) als eines der „unaufgearbeitete[n] Motive“418 zu nungen zwischen Jesus und Petrus konstruieren (so W UCHERPFENNING, Petrusamt 96), da hier Petrus im Rahmen von Joh 1,35–51 eine prominentere Position zugedacht wird, als ihm tatsächlich zukommt. Eher entsprechen die Gesamtheit der 21,2 genannten Jüngernamen als repräsentativer Größe den Jüngerberufungen in Joh 21 insgesamt. 414 STIBBE, John 207. 415 Nach SEGOVIA, Final Farewell 173f. 20,1–21,25 als „final narrative section also reveals a linear and progressive development (...) the third scene [d.h. 20,30–21,25] provides a further development of the proper and correct role of the disciples in the world by focusing on the need for mission and on their relationship with regard to one another, especially those under their guidance or authority“. 416 Für TOLMIE, Farewell 45 „the resolution of the plot is mainly concerned with the climax of the revelation of Jesus’ identity“, woraus folgt, dass 21,7 als Klimax angesehen wird; doch träfe das ebenso für das Thomas-Bekenntnis 20,28 zu, das zudem eine Inclusio zu 1,1c.3 bildet. 417 CULPEPPER, Anatomy 96, der deshalb auch von einem „neccessary ending of the Gospel“ spricht. Auch für KOWALSKI, Hirtenrede 272f. „‚löst‘ es die theologische Spannung, die zwischen Petrus und dem Vorzugsjünger aufgebaut wird“. 418 B USSE, Johannesevangelium 262 s.a. DERS., „Hellenen“ im Anschluss an KOWALSKI, Hirtenrede 271. Analog werten manche die Fischfangepisode als „need for clear indications of the mission of the Christian community“ (MOLONEY, Glory 188, der
180
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
bezeichnen ist, da der Missionshorizont im Modus der Ankündigung (10,16) bzw. Weissagung (11,52) wie auch als mit dem Leben Jesu verschmolzener Realisierung (12,20–22) bereits in aller Deutlichkeit vorgezeichnet ist. Joh 21 ist in jedem Fall angemessen als „Fortschreibung“419 zu bezeichnen, denn es führt narrativ die erst nachösterlich gegebene Möglichkeit420 der Jünger zur Mission (vgl. bereits 20,21) aus. Eine Notwendigkeit dazu wäre jedoch nicht gegeben, genauso wenig wie sich daraus eine inhaltliche Spannung ergibt. Denn umgekehrt scheinen hier seitens der Vertreter eines sekundären Schlusskapitels einige Probleme künstlich an das Johannesevangelium herangetragen zu sein: so etwa der wiederholte Hinweis darauf, dass die Jünger nach den Erscheinungen in Jerusalem wieder ihrem alten Beruf nachgehen. Gerade wenn das Bild des Fischens (s.o. 4.1.6.1 d) den Kontext der Mission aufzeigt, könnte die Episode in 21,1–14 nach der Aussendung der Jünger 20,21 nicht besser passen und muss zu dieser auch nicht notwendig in Konkurrenz stehen. Noch weniger plausibel klingen Argumente von Rudolf BULTMANN, der in 21,11 eine dem Johannesevangelium fremde Allegorese erkennen will421, oder mit dem Zirkelschluss, dass der sonst eine symbolische Figur darstellende Lieblingsjünger nun als historische Gestalt erscheint, den sekundären Charakter von Joh 21 erweisen will. In eine ähnliche Richtung gehen Überlegungen, anhand einer mit dem Mahlkontext aufweisbaren „Sakramententheologie“ (s.o. 2.1.1), Joh 21 wie Joh 6 einer „kirchlichen Redaktion“ zuzuschreiben. Was mittlerweile manche Befürworter eines ursprünglichen wie sekundären Charakters von Joh 21 eint, ist die Feststellung, Joh 21 „is of a piece, theologically, with the rest of John“422. Zu klären bleibt allerdings, ob die Übertragung des Hirten-„Amtes“ in 21,15–17 an Petrus in Spannung zur allen Jüngern übertragenen Vollmacht 20,21–23 steht (oder diese vielmehr den Interpretationsschlüssel für 21,15–17 darstellt? 423), bzw. ob Joh 21
selbst aufgrund des Abschlusses in 20,30f. Joh 21 für eine Ergänzung – wenn auch möglicherweise des gleichen Autors – hält vgl. ebd. 191f.). 419 SÖDING, Erscheinung 214. 420 Ebd. 217. 421 B ULTMANN, Johannes 543, was im Kontext des stark bildhaften johanneischen Denkens nicht sehr überzeugend klingt. 422 P FITZNER, They Knew 74, ähnlich aber auch T RUDINGER, Joh 21 Revisited 145, der Joh 21 einem späterem Stadium zuordnet, oder – die Frage letztlich offenhaltend SCHNEIDERS, Joh 21:1–14, 71: „[R]egardless of who actually penned the chapter (...) chapter 21 is an integral part of the Gospel in fundamental theological continuity with chapters 1–20“. 423 S.u. 7.2.
4.2 Zum Vergleich von Joh 1–20 und 21
181
eine gegenüber 1–20 unvergleichliche ekklesiologische424 Dichte zukommt (s.u. 4.2.2). Tatsächlich sprechen hierfür das Motiv der sieben Jünger (V.2), das den Missionskontext beschreibende Fischfang-Motiv (V.3–11 s.a. e{lkw V.6.11 vgl. 12,32), insbesondere das mit 153 Fischen gefüllte Netz sowie der Joh 6 aufgreifende Mahl-Kontext (V.[5.]9.12f.) und das Hirtenbild V.15–17. Wie bereits beschrieben wird mit dem dominierenden Horizont der Mission zunächst lediglich fortgeführt, was das Johannesevangelium in diversen Motiven durchzieht425 sowie den nachösterlichen Darstellungen Lk 24 (hier auch in Verbindung mit dem Mahlkontext) und Mt 28 entspricht. Ob das in gewissem Maße gesteigerte Phänomen der Intertextualität mit synoptischen Texten (wie bei BULTMANN) für eine sekundäre Entstehung anzuführen ist, kann m.E. allein daraus nicht bestätigt werden. Doch hängt dies selbstverständlich ab von der grundsätzlichen Einschätzung der Beziehung von Johannes zu den Synoptikern, in diesem Fall insbesondere zu Lukas. Unbenommen davon erfolgt jedoch eine deutliche Akzentverlagerung von vorher dominierenden christologischen zu dann vorherrschenden ekklesiologischen Aspekten, selbst im Vergleich zu Joh 20. In diesem Zusammenhang wird sich insbesondere dem „innerjohanneischen“ Verhältnis von Joh 10 zu 21,15–17 im Rahmen des Petrusbildes (s.u. 4.2.2 und 7.2.2) noch gesondert zugewandt werden. Ein weiteres Sonderproblem stellen die Lieblingsjünger-Texte dar: Unbestritten ist im Rahmen der jetzigen Form des Johannesevangeliums 21,24 als eine Klimax zu sehen, die vorherige Linien der Bezeugungs-Funktion des Lieblingsjüngers zusammenführt426. Doch fungieren die vorangehenden Stellen auch hier wieder nur dann zur „Vorbereitung und Plausibilisierung“ von 21,24f.427, wenn man eben dieses Gesamtgefüge voraussetzt. Andernfalls bleibt der Lieblingsjünger der Zeuge von Wirken (1,37–39), Leiden (13,21–30; 18,15), Tod (19,34f.) und Auferstehung (20,8) Jesu. Mit Blick auf die abschließende Stelle 20,8 stellt er sich auch bereits als personifizierte, auf das Johannesevangelium als Schrift bezogene Hermeneutik
424
Vgl. etwa die Bezeichnung „Kirchenkapitel“ bei KRAGERUD, Lieblingsjünger 16 – selbst vor dem Hintergrund einer angenommenen Einheitlichkeit. Gleiches gilt für GAVENTA, Problem 247, der feststellt, dass Joh 20 deutlicher Jesus im Vordergrund stehe, Joh 21 aber die Jünger „and their responses and responsibilitys“. Zumstein sieht jedoch gerade hier wesentliche Indizien für eine Rekontextualisierung im Rahmen seines Relecture-Modells: ZUMSTEIN, Endredaktion 305–313; s.o. Kap. 4 Anm. 293 zu K OWALSKI. 425 S.o. S. 186. Zu diskutieren ist allerdings das Verhältnis der Sendung der Jünger 20,21–23 zu 21. 426 So zu Recht T HYEN, Johannesevangelium 599 bzw. T HYEN, Entwicklungen 266; STIMPFLE, Blinde 256 u.ö. 427 W ELCK, Zeichen 323–313.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
dar428, nur noch nicht aus der Perspektive der Herausgeber als Garant der Schrift429 selbst (so 21,24430). Mit Blick auf die prominente Rolle von Lieblingsjünger und Petrus ist Joh 21, insbesondere mit dem Hinweis auf beider Rolle und Funktion V.15–24, in der Tat als adäquates Ende der das Johannesevangelium durchziehenden Verhältnisbestimmung anzusehen431, doch bleibt dahingestellt, ob es sich im Kontext von Joh 1–20 auch um ein notwendiges432 Ende handelt. So impliziert das noch fehlende Schriftverständnis der Jünger, das Petrus 20,6f.9 repräsentiert, ein zukünftiges Verstehen433, das jedoch im Vorbild des Lieblingsjüngers 20,8, mit dem sich die Adressaten des dann vorliegenden Johannesevangeliums identifizieren können, bereits gegenwärtig geworden ist. Zugleich sind diejenigen Aspekte, die in Joh 21 neu hinzukommen, zu beachten: die durch den Lieblingsjünger gegebene christologische Erkenntnis V.7 und eine Nachfolge (V.19 und 22), die an sein durch Augenzeugenschaft autorisiertes Zeugnis (V.24) gewiesen ist. Diese Aspekte setzen bereits angelegte Linien fort, ergänzen diese aber auch: und zwar primär im Hinblick auf eine Rekontextualisierung unter ekklesiologischem Vorzeichen434. Hierzu ist u.a. das Thema der Nachfolge 21,18f.20–22 zu erwähnen sowie eine Buchwerdung der zuvor dargestellten johanneischen Theologie (21,24f.). Eine Re-Kontextualisierung impliziert daher eine spätere Entstehung von Joh 21 aus Anlass einer veränderten Situation, die sich insbesondere aus dem Tod des Lieblingsjüngers ergibt. Ob es sich dabei um eine andere Verfasserschaft handelt, ist damit noch nicht beantwortet. Im Rahmen des 428
S.o. 4.1.4.1. Darum wäre 20,8 als letzte Erwähnung des Lieblingsjüngers durchaus denkbar – gegen E LLIS, John 303; DERS., Authenticity 19; BRECK, Appendix 49. M INEAR, Functions 95 meint v.a. von 21,24 her „that this we would not allow this disciple to leave the stage on returning home after visiting the empty tomb (20:10)“, doch dieser Zirkelschluss setzt etwas voraus, was es zu beweisen gilt, nämlich dass Kapitel 21 und mit ihm 21,24 nicht sekundär sind. 429 Tatsächlich wird nicht erst 21,24 der „Anspruch einer vertieften Einsicht des Glaubens“ legitimiert (so SÖDING, Erscheinung 214), sondern die Augenzeugenschaft durch die ganzen Lieblingsjünger-Texte hindurch betont. Legitimiert wird darüber hinausgehend an dieser Stelle das im Johannesevangelium „bleibende“ Zeugnis darüber. 430 Dass das „wir“ in 21,24 demjenigen in 1,14–18 entspricht, darin ist M INEAR, Functions 95 zuzustimmen, doch kann dies – wie im Fall aller aufgezeigten und insgesamt aufzuzeigenden Verbindungslinien zu Joh 1–20 – keinen ursprünglich gegebenen Zusammenhang beweisen. 431 U.a. MINEAR, Functions 91–93; BRECK, Appendix 49. 432 Mit dieser Annahme geht u.a. einher, im Verschwinden des Petrus und des Lieblingsjüngers nach 20,10 ein inadäqutes Ende zu sehen, vgl. M OLONEY, Glory 188 und die unter Anm. 13 aufgeführte Bibliographie. 433 Ähnlich M INEAR, Functions 91; BRECK, Appendix 46. 434 S.o. Kap. 4 Anm. 424 zum Begriff der „Rekontextualisierung“ bei Zumstein. Als adäquater Ausdruck des Verhältnisses von Joh 1–20 und 21 ist auch die von Söding gewählte Bezeichnung „Fortschreibung“ zu sehen vgl. SÖDING, Erscheinung 214.
4.2 Zum Vergleich von Joh 1–20 und 21
183
Modells einer johanneischen „Schule“ ließe sich Joh 21 als „interne“ Fortschreibung im Sinne der feststellten Kontinuität wie Diskontinuität plausibel machen. Inwieweit sich die Rolle der Petrusfigur in Joh 21 in diejenige des Textbereiches 1–20 einfügen lässt oder ebenso in Einzelaspekten darüber hinausweist, wird in einem nächsten Schritt untersucht. 4.2.2 Rolle und Funktion von Petrus in Joh 1–20 und 21 Um das Petrusbild in Joh 1–20 in seinem Verhältnis zur Darstellung der Petrusfigur in Joh 21 untersuchen zu können, werden zunächst Joh 1–20 für sich betrachtet, um anschließend nach Aspekten zu fragen, die dazu in Joh 21 in Kontinuität und Diskontinuität stehen: Wie unter 4.1. gezeigt werden konnte, dient die Petrusfigur in allen Szenen, und zwar sowohl in synchroner wie in diachroner Perspektive, johanneischen Darstellungsabsichten435. Oder anders, in narratologischer Terminologie ausgedrückt: Wie alle johanneischen Charaktere ist die Petrusfigur dem Plot untergeordnet bzw. eine Funktion desselben, jedoch kommt ihr anhand eines äußerst dichten und zugleich differenzierten Bildes im Durchgang des gesamten Evangeliums eine vergleichsweise hervorgehobene Bedeutung zu. Daher können im Gegensatz zu den unter 2.2.1. dargestellten Positionen weder pro- noch antipetrinische Tendenzen festgestellt werden, sondern – bewusst intendierte – Ambivalenzen (so selbst noch innerhalb von 21,15–17), denen wie z.B. 6,60–71; 18,1–11.17– 27 im Blick auf das Jüngerdasein eine paränetische Funktion zukommt. In diesem Sinne fungiert Petrus im Rahmen der Jüngerberufungen Joh 1,35–51 in ekklesiologischer Hinsicht als Prototyp des missionierten Jüngers, wobei er als primär passives „Objekt“ des Vorherwissens Jesu und des Zuspruches seines Namens zugleich christologische Aspekte zum Ausdruck bringt. Die nicht weiter ausgeführte Bedeutung seines Namens erzeugt eine Spannung, die nach der weiteren Rolle dieses Jüngers fragen lässt. Diese wird im Rahmen des Joh 6 geschilderten christologischen Schismas in zentraler Weise zum Ausdruck gebracht: Im Kontrast zu schismatischen Jüngern wie Judas spricht Petrus Joh 6,68f. als paradigmatische Jüngergestalt das stellvertretende Bekenntnis der johanneischen Gemeinde in Aufnahme vorher dargestellter Christologie. Gleichzeitig wird er im Rahmen seiner Sprecher-Funktion aber auch zum Repräsentanten der vom Abfall bedrohten Zwölf, was einen Appell darstellt, auf der Textebene bei Jesus, d.h. letztlich der Gemeinde zu bleiben. 435
Gegen GRÄßER, Grundlagen 37, der nur in den Texten, in denen auch der Lieblingsjünger auftritt, eine johanneische Tendenz erkennen will.
184
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
13,6–10 erscheint Petrus wie Joh 1 zunächst als passives „Objekt“, diesmal des Liebeserweises Jesu. Seine aktive, aber Widerstand leistende Reaktion dient in gleicher Weise der Demonstration der soteriologischen Bedeutung von Jesu Tod und der darin gründenden christologischen Ekklesiologie (13,8). Hier wie auch 13,24 in der Frage nach dem Verräter und 13,36–38 wie 18,10f. bezüglich des Weges, insbesondere der Passion Jesu, tritt er als personifiziertes Jüngerunverständnis auf. Dies wird unterstrichen durch die Hinweise Jesu auf ein späteres Verstehen (13,7) und eine später, d.h. erst nachösterlich mögliche Nachfolge (13,36). Die 18,15f. vom Lieblingsjünger vermittelte Nachfolge scheitert demgemäß noch, in scharfem Kontrast dazu wird Petrus stattdessen zum Prototypen der Jesus in der Passion verlassenden Jünger (vgl. 16,32). In diesem Sinne wird die Verleugnung zum Ernstfall einer erst nachösterlich möglichen Nachfolge. Dieser nachösterliche Vorbehalt zieht sich bis zur letzten Petrus-Szene 20,3–10, in der im Wettlauf von Petrus und Lieblingsjünger die Angewiesenheit des Petrus auf die im Lieblingsjünger symbolisierte nachösterliche Hermeneutik des Johannesevangeliums narrativ umgesetzt wird. Auch ohne die Kenntnis von Joh 21 kommt Petrus daher ein narrativ entfaltetes Paradigma der erst nachösterlich möglichen Nachfolge zu436. Der besseren Übersicht willen werden zentrale Aspekte des Petrusbildes in Joh 1–20 und Joh 21 zunächst tabellarisch gegenüber gestellt, und im Anschluss daran entfaltet und diskutiert. Joh 1–20
Joh 21
1,40–42: In 21,3–11 Petrus ist Prototyp des missionierten ist Petrus dagegen Prototyp eines Missionars. Jüngers (an 3. Stelle genannt) und „Objekt“ des Vorherwissens Jesu; ihm wird Der 1,42 verliehene Name stimmt 21,15–17 ein zukünftiger Namen verheißen. nicht mit seiner Funktion überein. Ein Nachfolgeruf erfolgt noch nicht an 21,19.22 dann erfolgt ein Ruf in die Nachfolge Petrus, jedoch 1,43 an Philippus. (ajkolouvqei moi). 6,68f.: Durch ein stellvertretendes Bekenntnis in Dem entspricht 21,3–11 (vgl. 13,24.36; 20,3– Aufnahme johanneischer Christologie 10ff.): Petrus kommt als Sprecher eine führende wird Petrus zur Kontrastfigur zu schis- Rolle zu, er ergreift die Initiative. Die christomatischen Jüngern und Judas, aber auch logische Erkenntnis des Lieblingsjüngers bildet zum Repräsentanten der vom Abfall hierbei die Voraussetzung (in Entsprechung zu bedrohten Zwölf. den Worten des Johannesevangeliums 6,68f.).
436
S.u. Kapitel 6 und 7.
4.2 Zum Vergleich von Joh 1–20 und 21
185
13,6–10: An Petrus erfolgt eine Demonstration der Der 13,8 ausgedrückte nachösterliche Vorbehalt soteriologischen Bedeutung von Jesu wird 21,7 aufgelöst: Petrus gewinnt christologiTod und der darin gründenden christolo- sche Erkenntnis durch den Lieblingsjünger. gisch fundierten Ekklesiologie (13,8); dem Unverständnis wird späteres Verstehen entgegen gestellt. 13,24: Petrus ist der Vertreter des Entsprechend erkennt Petrus 21,7 wie die andeJüngerunverständnisses (Frage nach ren Jünger Jesus nicht und benötigt die hermeVerräter) und benötigt die hermeneuti- neutische Kompetenz des Lieblingsjüngers. sche Kompetenz des Lieblingsjüngers. 13,36–38: Petrus ist der Vertreter des Stellvertretend – letztlich für die Gemeinde – Jüngerunverständnisses (bzgl. Weg Jesu stellt Petrus 21,21 die Frage nach der Zukunft V.36; Passion V.37) und Prototyp der des Lieblingsjüngers (vgl. auch das Missvererst nachösterlich möglichen (Kreuzes-) ständnis V.23). Nachfolge (V.36.38 mit Verleugnungs- Der Martyriumsansage 13,36b entspricht ansage). 21,18f. Aus beidem folgt: Kreuzesnachfolge ist erst nachösterlich möglich; allerdings: anstelle des Motivs der Lebenshingabe heißt es: o{pou ouj qevlei". 18,10f.: Petrus ist wiederum der Vertreter des (Als Passionsthema ist keine Entsprechung in Jüngerunverständnisses (Passion) mit Joh 21 zu erwarten.) dem Ziel der Darstellung der gottgewollten Passion. 18,15f.: Dem entspricht 21,19–22: Die Nachfolge des Petrus wird zunächst Hier erfolgt die Aufforderung zur Nachfolge im über den Lieblingsjünger vermittelt. Blick auf den Lieblingsjünger. 18,17–25: Dem entspricht 21,15–17.18–22: Das Unverständnis über die Passion zeigt In der Begegnung mit dem Auferstandenen wird sich in der Verleugnung; diese wird zum eine von Liebe zu Jesus geprägte Beziehung Ernstfall einer erst nachösterlich mögli- Basis der Nachfolge und der Weideaufträge. chen Nachfolge. 20,3–10: Petrus ist wiederum Prototyp einer erst Dem entspricht die durch den Lieblingsjünger nachösterlich gegebenen christologivermittelte christologische Erkenntnis 21,7 s.o. schen Erkenntnis und bleibt angewiesen auf die Hermeneutik des Lieblingsjüngers.
186
Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
Gerade im Hinblick auf die für die Petrusfigur relevanten Texte lassen sich einige signifikante Verbindungslinien zwischen Joh 1–20 und 21 ziehen. Joh 21 steht daher zu den zusammenfassend genannten Aspekten an vielen Punkten in Kontinuität, an einigen Stellen aber auch in Diskontinuität: So bleibt Petrus 21,3–11 zwar die Sprecher- und Repräsentantenfunktion erhalten, die bereits zuvor seine Darstellung durchzogen hat, doch wird aus dem Prototypen des missionierten Jüngers derjenige des Missionars. Zwar liegt dies in gewissem Sinne in der Logik von 1,35–51, da auch dort bereits nachfolgende Jünger (Andreas, Philippus) wiederum zu Missionaren werden, doch fällt auf, dass Petrus diese Rolle erst Joh 21 zukommt. Damit unterstreicht das Joh 21 gezeichnete Petrusbild den zuvor hervorgehobenen nachösterlichen Vorbehalt seiner Nachfolge. Schlüssig ist es von daher, dass der Imperativ ajkolouvqei moi erst in 21,19.22, aber noch nicht in 1,42 an Petrus erfolgt. Ein Erweis für eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Joh 1 und 21 lässt sich aufgrund dieser thematischen Linien jedoch nicht erbringen. Denn nur aus der von 21,19.22 herkommenden Perspektive kann gesagt werden, dass „the fullness of Peter≠s call“ in 1,40–42 so unvollständig wäre437. Zudem lässt sich 1,42 auch als eine Leerstelle deuten, die grundsätzlich auf eine zukünftige Bedeutung dieses Jüngers weist, welche bereits Joh 6,68f. zukommen wird. Signifikant ist besonders, dass die 21,15–17 dargestellte Hirtenfunktion an Joh 10438, nicht aber an die Namensgebung Joh 1,42 anknüpft439, wodurch das Weide-Bild völlig unverbunden neben der (nicht explizierten) FelsMetaphorik steht. Basis dieser Beauftragungen ist vielmehr die von Liebe geprägte Beziehung zu Jesus, wobei das dreifache Frage-Antwort-Schema dasjenige der Verleugnung ablöst. So wird am Joh 18 geschilderten Versagen als Jünger angeknüpft und der dort noch gegebene vorösterliche Vorbehalt seiner Nachfolge deutlicher aufgelöst als dies Joh 20,3–10 der Fall war: Dort macht sich zwar Petrus zusammen mit dem Lieblingsjünger als erster der Jünger insgesamt zum Grab auf. Der Auferstehungsglaube bleibt aber als zukünftiger angedeutet (20,8), eine Begegnung mit dem Auferstandenen findet hier nicht statt. Dies geschieht dann 21,7, wobei in dem 437
FRANZMANN/KLINGER, Call Stories 14 (s.o. Kap. 4 Anm. 332), analog auch BRECK, Appendix 45f. 438 Dies zeigt sich in erster Linie an der Aufnahme von provbata ta; ejmav 10,26f. in ajrniva/provbatav mou 21,15–17; dazu s.o. 4.1.6.1. 439 Für ELLIS, John 306 21,15–17 „fulfills the expectations“ aus 1,42. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass konkrete Erwartungen in erster Linie auf intertextuellem Zusammenhang mit Mt 16,16–19 beruhen würden, doch selbst unter der Voraussetzung dieses Prätextes die dadurch geweckte Erwartung mit einem Bildwechsel durchbrochen würde. Davon abgesehen bestehen intertextuelle Verbindungen, v.a. anhand der Anrede s.o. 4.1.1.1 und s.u. 7.2.2. c).
4.2 Zum Vergleich von Joh 1–20 und 21
187
Hinweis des Lieblingsjüngers auf den Auferstandenen die Angewiesenheit des Petrus und in ihm aller Jünger auf die nachösterliche Erkenntnis des Johannesevangeliums erzählerisch umgesetzt wird. Dieser Vorgang variiert das Geschehen in Joh 6,68f., wo sich die christologische Erkenntnis des Petrus im Aufnehmen von Jesu Worten vollzieht. Diese sind letztlich nur im Johannesevangelium zugänglich, zu dessen Urheber 21,24 der Lieblingsjünger erklärt wird. Daran schließt sich die 21,18–22 dann mögliche (Kreuzes-)Nachfolge des Petrus an, indem die Martyriumsansage 13,36b (o{pou uJpavgw ouj duvnasaiv moi nu'n ajkolouqh'sai, ajkolouqhvsei" de; u{steron) 21,18f. aufzunehmen scheint440. Doch gilt hier, was bereits im Hinblick auf 1,42 festgehalten wurde: Als (dezent angedeutete) Martyriumsansage in der Form und Funktion einer Leerstelle wäre 13,36 bereits in sich verständlich. Zudem wird das Martyrium in 21,18f. in deutlicher soteriologischer Diskontinuität zur Lebenshingabe Jesu dargestellt, da dieses Motiv analog zum absurden Ansinnen des Petrus 13,37 nicht aufgenommen wird und stattdessen im o{pou ouj qevlei" als Weg „wider Willen“ gekennzeichnet wird. Zum anderen wird Petrus im abschließenden Blick auf den Lieblingsjünger 21,19–22 nochmals an dessen Funktion verwiesen. Von der Konstellation Petrus – Lieblingsjünger her werden also wesentliche Aspekte fortgesetzt: neben der exponierten Rolle beider primär die (außer Joh 6) zum Ausdruck kommende Angewiesenheit des Petrus auf die nachösterliche hermeneutische Funktion des Lieblingsjüngers, die Joh 18,21 auch zur Voraussetzung gelingender Nachfolge wird. Allerdings können all diese festgestellten Entsprechungen nicht als notwendige Fortsetzung von Joh 1–20 erwiesen werden, sondern wären ebenso als nachträgliche Korrelation denkbar (s.o. 4.2.1.). 21,15–17 beispielsweise lässt sich zwar als Antwort auf die Verleugnung verstehen, doch wäre das Scheitern vorösterlicher Nachfolge Joh 18 auch für sich genommen schlüssig. Eine ursprünglich intendierte Beziehung zwischen dem Nachfolgethema Joh 1 und 21 konnte ebenso wenig erwiesen werden. Die wohl deutlichste Verschiebung ist diejenige vom Prototypen des missionierten Jüngers zu demjenigen des Missionars, was sich allerdings nicht nur im Rahmen des festgestellten nachösterlichen Vorbehalts interpretieren lässt: Insgesamt wird das Missionsthema in Joh 21 gegenüber Joh 20 reformuliert unter dem Aspekt des Einheitsgedankens (vgl. 10,16) und unter dem Zeichen der Präsenz Jesu, die zur entscheidenden Voraussetzung sowohl des missionarischen Erfolges als auch der Erkenntnis des Auferstandenen wird. Dies, wie auch die veränderte Rolle des inzwischen verstorbenen Lieblingsjüngers sind m.E. tatsächlich als Hinweise auf eine spätere Gemeinde- und Entstehungssituation von Joh 21 gegenüber Joh 20 zu deuten. Indem 21,20f. Jesus mit Petrus über den Lieblingsjünger 440
Für REIM, Anhang 392 weist 13,36–38 ganz klar auf Joh 21,18f. hin.
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Kapitel 4: Die Petrus-Gestalt in der johanneischen Erzählung
spricht, tritt dies an die Stelle vorheriger direkter Kommunikation zwischen ihm und Jesus 13,24441 – ob verbal oder nonverbal – bzw. an die Stelle eines direkten Kontaktes mit Petrus 18,16 und 20,8 (und noch 21,7) und unterstreicht die nun notwendige Kommunikation vermittelt über das Johannesevangelium als Zeugnis des Lieblingsjüngers. Stellen Joh 1–20 die Angewiesenheit des Petrus auf die hermeneutische Funktion des Lieblingsjüngers heraus, und die Petrusfigur letztlich als narrative Explikation der nachösterlichen Sicht des Johannesevangeliums, so werden von Joh 21,24 her gesehen die Jünger in persona des Petrus nun dezidiert auf das Johannesevangelium als Buch verwiesen (s.u. 7.1).
441
Vgl. auch FREY, Eschatologie I 448 Anm. 133. Jedoch fällt andererseits auf, dass vom Lieblingsjünger nie wörtliche Rede berichtet wird, er so gesehen immer „stumm“ bleibt, was zu seiner schwierig greifbaren Darstellung beiträgt, aber gerade darin auch seine Sonderrolle unterstreicht.
Kapitel 5
Das johanneische Petrusbild im Horizont der synoptischen Darstellungen Im vorangegangenen Kapitel 4 wurden im Rahmen der diachronen Analyse die johanneischen Petrus-Szenen im Vergleich zu jeweils narrativ vergleichbaren oder thematisch und motivlich zu korrelierenden synoptischen Texten untersucht. Im Folgenden sollen nun die synoptischen Petrusbilder im Ganzen betrachtet werden, um mögliche analoge Funktionen der Petrus-Darstellungen zu erheben, aber gerade auch das besondere Profil des johanneischen Petrusbildes abheben zu können. Um dieses konkreten Ziels willen werden an dieser Stelle auch nur die Petrusbilder, d.h. die jeweiligen synoptischen Darstellungen der Petrusfigur in überwiegend synchroner Betrachtungsweise Gegenstand der Analyse sein. Daran im Normalfall anzuschließende Fragestellungen in diachroner Perspektive werden dagegen bewusst ausgeklammert. Im Wesentlichen nicht berücksichtigt werden daher historische Fragestellungen wie Überlegungen zur Namensgebung 1 (Sivmwn – Pevtro~) , oder im Falle des Markusevangeliums seiner „Petrinität“, d.h. seiner später postulierten Rückführung auf den Apostel. Auch übergreifende Aspekte zu den synoptischen Evangelien, etwa zu ihrer Struktur wie ihrer Theologie, können im Rahmen dieser Untersuchung nur insoweit Berücksichtigung finden, wie sie in einem erkennbaren direkten Zusammenhang mit der Petrus-Darstellung stehen.
5.1 Das Petrusbild im Markusevangelium 5.1.1 Allgemeine Beobachtungen Dass das Markusevangelium ein spezifisches Petrusbild zeichnet, zeigt sich bereits daran, dass die Figur des Simon bzw. Petrus im Vergleich zu 1
Dazu nur die Beobachtung auf der Erzählebene, dass Petrus von Jesus mit Ausnahme von Mt 16,16 (vgl. aber zunächst 16,17!) immer mit Sivmwn angeredet wird (Mk 14,37; Mt 16,17; 17,25; Lk 22,31 s.a. in der vermutlich alten Tradition 24,34 in der Rede). Daran anschließend wäre überlegenswert, ob dies für eine vorösterlich noch auf Simon beschränkte Namensgebung sprechen könnte. Dagegen aber jetzt B OCKMUEHL, Peter 155f., der einen bereits vorösterlichen Gebrauch des Pevtro~-Namens für möglich erachtet.
190
Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
anderen Jünger-Figuren mit Abstand am häufigsten genannt wird (26), gefolgt von Jakobus (11) und Johannes (10)2. Durch Anzahl und teilweise inhaltliche Bedeutung der Szenen, in denen Markus Petrus auftreten lässt, wird eine vergleichsweise große Dichte und Kontinuität der Portraitierung hergestellt3. Sivmwn wird er hierbei 1,16 (2mal); 1,29; 1,30; 1,36; 3,16 und 14,37 genannt; in 3,16 findet sich bereits der ab dieser Stelle konsequent verwandte Beiname Pevtro", was die noch einmal 14,37 erfolgende einzige persönliche Anrede Sivmwn hervorhebt. Im Rahmen der weiteren Pevtro"Nennungen (nach 3,16 ferner 5,37; 8,29.32.33; 9,2; 9,5; 10,28; 11,21; 13,3; 14,29.33.37; 14,54.66.67.70.72 und 16,7) tritt Petrus 5,37, 9,2 und 14,33 zusammen mit den Zebedaiden als Teil einer Dreiergruppe auf, die 13,3 mit dem bereits 1,16.29 und 3,18 Petrus zugeordneten Bruder Andreas erweitert wird. Im Folgenden werden die einzelnen Petrus-Szenen näher erläutert und abschließend wird erörtert, zu welchem Gesamtbild diese Beobachtungen führen. 5.1.2 Mk 1,16–18 Die erste Szene im Markusevangelium, in der die Petrusfigur auftritt, ist eng mit dem Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu V.14f. verknüpft: Jesus als Subjekt in V.16 wird nicht mehr explizit genannt, sondern ist aus V.14f. zu schließen. Dazu wird die Predigt Jesu in Galiläa durch die Orts4 angabe para; th;n qavlassan th'~ Galilaiva~ mit der nachfolgenden Berufung verbunden. Somit entsprechen sich Jesu Predigt und durch Jesus 5 initiierte Nachfolge der Jünger, unter denen wiederum Simon als erstes konkretes, persönliches Gegenüber und Objekt der Wahrnehmung Jesu (ei\den V.16) genannt wird. Der an zweiter Stelle folgende Andreas wird als to;n ajdelfo;n Sivmwno" vorgestellt: Seine Identität wird also von Simon her definiert, was auf einen größeren Bekanntheitsgrad und eine damit verbundene Bedeutung des Simon schließen lässt. Beide zusammen erhalten durch die allein von Jesus V.17 gesprochenen Worte den Auftrag „Menschenfischer“ (aJliei'" ajnqrwvpwn) zu werden, werden also mit Missions-
2
Vgl. dazu DSCHULNIGG, Petrus 26. B ECKER, Simon Petrus 77 sieht Petrus im Gegensatz zu den anderen Jüngern „als eine Figur, die mit Unterbrechungen, aber immerhin auch kontinuierlich begegnet und zudem nicht ganz wenige Szenen maßgeblich mit Inhalt füllt“. 4 Eine besondere Betonung der Ortsangabe durch den Evangelisten sieht auch P ESCH, Berufung 26f. gegeben. 5 Zur betonten Initiative Jesu 1,16–20 und dann u.a. auch 3,13 und dem damit verbundenen christologischen Fokus MOLONEY, Mark 52f.77. 3
5.1 Das Petrusbild im Markusevangelium
191
aufgaben6 betraut, was vom Zielpunkt hjkolouvqhsan aujtw/' V.17b her als Akt der Nachfolge dargestellt wird. Dem entspricht die Position der Szene 1,16–20 zwischen 1,1–15 und 1,21–3,12: „[T]he initial call to discipleship 7 functions to align the first disciples with JesusÆ own mission“ . Bei den Zebedaiden als nächstfolgendem Paar wird Jesu Auftrag nicht mehr explizit genannt, jedoch analog zu V.18 eine sofortige Nachfolge V.20 berichtet. Diese jeweils paarweise Berufung lässt dem ersten Paar eine paradigmatische Funktion zukommen, sprachlich unterstrichen durch ei\den V.16 und V.19 (s.a. 2,14) sowie eujquv" V.18. s.a. V.20. 5.1.3 Mk 1,29f. Im Anschluss an Predigt und Exorzismus in der Synagoge von Kapernaum erfolgt die erste Heilungshandlung Jesu im Hause des Petrus und Andreas, genauer an seiner Schwiegermutter. Darin drückt sich zum einen die Zugehörigkeit des Petrus zum Jüngerkreis und zum anderen eine gewisse persönliche Nähe Jesu zur Familie des Petrus8 aus, da sonst von keiner Jüngergestalt erzählt wird, dass Jesus in deren Haus zu Gast ist. Zu vermuten ist aufgrund der Abfolge Predigt – Aufenthalt in diesem Haus auch, dass es als Stützpunkt für Jesu Verkündigung9 dargestellt wird. Der abschließende Hinweis über die Reaktion der Geheilten kai; dihkovnei ajutoi'~ wird sie mit Blick auf die Verbindung von ajkoluqevw und diakonevw Mk 15,41 als vorbildiche Jüngerin qualifizieren (s.a. das Verständnis von 10 Nachfolge als Dienen 10,42–45) . 5.1.4 Mk 1,35–38 Formal und inhaltlich bildet der Abschnitt Mk 1,35–38 eine Kontrastszene zum Summarium V.32–34: Den Heilungen und Exorzismen durch Jesus am Abend vor der Kulisse einer ganzen Stadt (V.33) steht der morgendli-
6
Markus und Matthäus „lui conservent l’aspect délibérément missionnaire que lui avait conféré la tradition en le faisant culminier dans le logion relatif aux pêcheurs d’homes“ GRAPPE, Images 115. 7 HENDERSON, Christology 48. 8 Im Kontext der Familie als äußerst eng zusammengehörige Größe kann man mit Erich GRÄßER auch davon sprechen, dass Petrus durch die Heilung seiner Schwiegermutter zum „Empfänger besonderer Fürsorge“ wird, DERS., Grundlagen 36. 9 CASSIDY, Four Times 22; DSCHULNIGG, Petrus 10; GNILKA, Markus I 84f. misst dieser Darstellung ebenso historischen Wert zu. 10 Dazu s.a. FANDER, Stellung 33.369–374. Deutlicher noch zeigt sich der Hinweis auf die Nachfolge Mt 8,15, wo nach Mk 15,41/Mt 27,55 zu kai; dihkovnoun aujtw/ angeglichen wird s.u. 5.3.3.
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen 11
che Rückzug Jesu zum Gebet an einem einsamen Ort entgegen (V.35) , dem sich weiteres, summarisch beschriebenes Wirken Jesu anschließt (V.39, angekündigt durch V.38). Damit ergibt sich eine chiastische Struktur in der Form A – B – A’, in deren Zentrum V.35–38 (B) steht, eingerahmt durch die Summarien V.32–34 (A) und V.39 (A’). Diese Struktur 12 unterstreicht in formaler Hinsicht die zentrale und paradigmatische Bedeutung des Gebets Jesu. Ihm als durchgehendem Protagonisten stehen V.35–37 nicht nur die pavnta~ aus V.32 entgegen, die in der wörtlichen Rede V.37 aufgegriffen und damit neu „eingespielt“ werden, sondern ganz deutlich auch Sivmwn kai; oiJ metÆ aujtou'. Diese Formulierung lässt Petrus zwar durch die eigene Nennung (wie auch toi'" maqhtai'" aujtou' kai; tw'/ Pevtrw/ 16,7 s.u. 5.1.12) eine im Jüngerkreis hervorgehobene Position bzw. Führungsrolle zukommen. Dass er hierbei als Repräsentant der Jünger insgesamt erscheint, zeigt sich an den pluralisch formulierten Verben katedivwxen, e|uron und levgousin V.36f. Aufgrund von katedivwxen V.36 13 und zhtou'sin V.37 erscheint das Verhalten der Jünger jedoch in negativem Licht14. Bezieht man die eingangs im Markusevangelium betonte Nähe Jesu zu Gott im Zusammenhang seiner Verkündigung des nahen Gottesreiches mit ein (Mk 1,9–11.14f.), die im Gebet Jesu zum Ausdruck 11
Verstärkt wird der Ortswechsel durch die gehäuften Aktionsverben im Aorist (ajnasta;~, ejxh'lqen und ajph'lqen), dazu ausführlicher KIRCHSCHLÄGER, Gebetsverhalten 304. 12 K IRCHSCHLÄGER, Gebetsverhalten 306 spricht daher von einer Gattung der „katechetischen paradigmatischen Notizen“. Bestätigung findet diese Einschätzung aufgrund der Parallelität der Szene zu Mk 14,35–39, und darin eingeschlossen die Aufforderung an die Jünger V.38, die wie Mk 1,35–38 auf die Ausrichtung auf Gottes Willen im Gebet zielt. 13 Gegen SCHMIDT, Wege 102, der Mk 13,35–39 als Mk 16,7 fortsetzende Erscheinungsgeschichte liest. Dagegen steht die markinische Verwendung des zhtevw 3,32; 8,11f.; 11,18; 12,12; 14,1.11.55. Auch 16,6 steht es unter einem „negativen“, weil im wahrsten Sinne des Wortes nicht „aussichtsreichen“ Vorzeichen: die Frauen sollen den Gekreuzigten gerade nicht im Grab suchen, sondern gemäß seines Verheißungswortes. 14 Vgl. u.a. CASSIDY, Four Times 22, SMITH, Controversies 164; FANDER, Stellung 34.371f. weist dazu auf die Kontrastierung zur dienenden Nachfolge der Schwiegermutter des Petrus 1,31. Dafür spricht auch die Verwendung von katadiwvkw in der LXX in einem überwiegend negativen Sinne. Dies zeigt nach GNILKA, Markus I 88 an, dass „ihr Verhalten nicht akzeptiert werden kann und ein unerleuchtetes ist“. W IARDA, Peter 72 versucht hier eine Ambivalenz geltend zu machen, indem er Petrus zugleich als „enthuasiastic about Jesus“ und „insensitive to Jesus’ priorities“ beschreibt. Doch lässt sich die Situation angesichts dessen, dass Jesus die Einsamkeit sucht, kaum sehr positiv beurteilen, und zwar unbenommen der vorigen positiven Einordnung aufgrund der Erstberufung und dem Besuch seines Hauses. SCHMIDT, Wege 102 beruft sich dagegen auf Ps 38,21, wo katadiwvkw im Sinne von „der Gerechtigkeit nachjagen“ verwendet wird; dazu sieht er katadiwvkw als gesteigerte Form von ajkolouqevw, wofür es m.E. keinen Anhaltspunkt gibt.
5.1 Das Petrusbild im Markusevangelium
193
kommt, so kann man im Blick auf die Jünger daraus schließen: „[T]hey do 15 not appreciate Jesus’ orientation towards God“ . Dennoch wird gerade dieses Verhalten zum Auslöser für die Äußerung Jesu V.38, die eine grenzüberschreitende Mission als Jesu Aufgabe herausstellt. So dient die Petrusfigur also dazu, einen wichtigen Aspekt markinischer Theologie zu profilieren. 5.1.5 Mk 3,13–19 Wie 1,16–18 wird Petrus hier im Rahmen der Jünger als Erster genannt, auch wird die Konstituierung des Zwölferkreises explizit in einen missionarischen Kontext gestellt (V.14). Im Auftrag zu Predigt und Exorzismen (V.14f.) sollen sich wiederum das Wirken Jesu und das seiner Jünger ent16 sprechen, wobei i{na w\sin metÆ aujtou' V.14 die enge Verbindung von Jesus und den Zwölf anzeigt. Der an dieser Stelle eingeführte Beiname Pevtro~ lässt Petrus eine besondere Bedeutung zukommen, verbindet ihn jedoch mit den Zebedaiden, mit denen zusammen er häufig eine Sondergruppe17 bildet: So werden sie 5,37 Zeugen des Wunders, 9,2 der Verklärung, 13,3 einer Offenbarungsrede aufgrund ihrer Frage an Jesus und 14,33 werden sie in Gethsemane zu besonderen Begleitern Jesu bestimmt (s.u.). 5.1.6 Mk 8,27–30.31–33 Diese beiden Szenen, die Petrus jeweils in extrem positiver wie negativer Weise charakterisieren, sind nicht zufällig in der Mitte des Evangeliums, und mit Cäsarea-Philippi am Wendepunkt von Jesu Wirken zu lokalisieren. Parallel angelegt werden V.27–29 zwei Fragen gestellt, und zwar zunächst diejenige nach der Identität Jesu gemäß der Meinung der (außenstehenden) Leute V.27 (tivna me levgousin oiJ a[nqrwpoi ei\naiÉ), worauf die Jünger V.28 Auskunft geben. Die danach an die Jünger selbst gerichtete Frage (betontes uJmei'" V.29) beantwortet Petrus stellvertretend mit dem Bekenntnis des für Markus wichtigen cristov"-Titels (1,1; 14,61; 15,32; 9,41 werden die Jünger als zu Christus Gehörige bezeichnet, vgl. auch die durch Jesus aufgeworfene Frage nach dem Christus 12,35–37)18. Petrus erscheint 15
MOLONEY, Mark 57, der in Anm. 50 darauf verweist, dass die Jünger interessanterweise auch an weiteren Stellen versagen, an welchen von Jesu Gebet berichtet wird. 16 Zu dieser Wendung auch MOLONEY, Mark 77. 17 Durchaus plausibel ist die Erklärung bei STEGEMANN, Rolle 374, dass sich die Zuordnung dieser Jünger aus ihrem Martyrium heraus, das der Gemeinde bekannt war, erklären lässt. Damit in Zusammenhang steht wohl auch, dass der bei der Berufung 1,16 Simon noch beigeordnete Andreas bereits 3,17 und auch 13,3 an die vierte Stelle gerückt ist. 18 Die u.a. bei BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 58 geäußerte Vermutung, es handle sich um ein unzulängliches Bekenntnis, kann so grundsätzlich nicht bestätigt werden,
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
so als erster Jünger, der (nach dem Dämon 1,24) dieses zentrale Bekenntnis ausspricht; mit ihm können sich die Adressaten identifizieren, die bereits von Beginn des Markusevangeliums an wissen, dass Jesus der Christus ist. Der anschließende V.30 zeigt dann, dass die Petrusfigur der Darstellung der markinischen Geheimnistheorie und damit einem wichtigen Bestandteil markinischer Christologie dient. Eine analoge Funktion ergibt sich aus der folgenden Szene V.31–33, die in deutlich scharfem Kontrast zur vorange19 henden steht. Auf die Darstellung eines leidenden Christus hin, die als Teil der Missionspredigt erscheint (to;n lovgon V.32 s.a. 2,2 u.ö.), erhebt Petrus Protest: ejpitimavw V.32 wird im Markusevangelium sonst von Jesus ausgehend meist gegen Dämonen verwendet (1,25; 3,12 bzw. zu den im Meer vorgestellten Dämonen 4,39; 9,25) und konsequenterweise auch 8,33 gegen den satana'" genannten Petrus selbst. 8,30 erscheint ejpitimavw auch bezüglich des Schweigegebotes an die Jünger, d.h. für die Stelle V.31–33, dass sich Petrus hier eine Jesus zukommende Rolle anmaßt, die wie 10,13.48 eine von den Jüngern oder der Menge ausgehende, Jesu Heils20 handeln wehrende Handlung darstellt . Petrus steht hier also in seinem Widerstand gegen die Passion, mit einem göttlichen dei' begründet, für das Widergöttliche selbst: Er übernimmt die Rolle des Versuchers wie in Mk 1,13 bzw. steht Gottes Heilsplan entgehen wie in 4,15. Sein Bekenntnis zum Christus, zum Messias, bedarf der Reinterpretation unter dem Aspekt von Passion und Kreuz, um der markinischen Christologie angemessen zu sein. Der folgende Befehl Jesu u{page oJpivsw V.33 deutet an, dass stattdessen der Platz des Nachfolgers (vgl. 1,17 und direkt anschließend 8,34) der für Petrus bestimmte Platz ist21, indem auch Selbstverleugnung anstelle von Verleugnung tritt (ajparnevomai nach findet sich 8,34 nur noch 14,30f.72!). Im Bekennen wie im Protest repräsentiert Petrus dabei die Jünger, denn der Tadel Jesu geschieht im buchstäblichen Sinne im Blick auf die Jünger: kai; ijdw;n tou;" maqhta;" aujtou' V.33, was eine Bestätigung in ihrem Unverständnis nach den weiteren Leidensankündigungen 9,32 und den Diskussi-
so dann aber auch selbst ebd. 64. Miteinzubeziehen sind jedoch die weiteren Bemerkungen zu V.31–33 als Korrektur eines dann tatsächlich unzulänglichen Messias-Verständnisses s.u. und Anm. 23. 19 Zur Reinterpretation des Messias-/Christus-Titels durch die MenschensohnChristologie HAHN, Hoheitstitel 174f.; ACHTEMEIER, Mark 46f. 20 Analoges trifft zu, wenn ejp itimavw nicht von Jesus, sondern den Jüngern ausgesagt wird, die den Kindern wehren (10,13) oder der Menge, die 10,48 Bartimäus vom Rufen abhalten will: Von Jesus ausgesagt wird Heilshandeln angezeigt, von anderen die Anmaßung, gerade diesem Heilshandeln zu wehren. 21 W IARDA, Peter 76f. s.a. SMITH, Controversies 168.
5.1 Das Petrusbild im Markusevangelium
195
onen 10,35–45 erfährt22. Die in diesem Abschnitt dargestellte Ambivalenz zwischen Verstehen und Missverstehen23 korrespondiert nicht nur mit dem Übergang zwischen Teil I und Teil II, also mit dem Mittelteil des Markusevangeliums24, sondern entspricht einem bislang erhobenen Bild, das von Simon bzw. Petrus gezeichnet wird. Anhand der nochmals dreigeteilten Struktur des Mittelteiles Mk 8,31–9,29, 9,30–10,31 und 10,32–52 entspricht die Zurechtweisung des Petrus durch Jesus den folgenden Belehrungen der Menge und der Jünger (8,43–9,1) und der Zwölf (9,35–50; 10,42–45) bzw. der Zurechtweisung der Zebedaiden (10,38–40): „Die Eliten werden an die in der Gemeinschaft Jesu geltende Hierarchie der Niedrigkeit erinnert (…). Petrus macht es falsch vor und alle anderen machen 25 es falsch nach.“ 5.1.7 Mk 9,2–9(10–12) (vgl. 5,37; 13,3) Wurden Petrus und die Zebedaiden Mk 5,37 als von Jesus privilegierter Gruppe Augenzeuge einer Totenauferweckung, so werden sie an dieser 26 Stelle (wie auch 13,3) alleinige Offenbarungsempfänger , in diesem Fall Zeugen der das Markusevangelium durchziehenden Sohnes-Christologie (V.7 s.a. 1,1.11; 15,39)27. Infolgedessen sind die Adressaten des Markusevangeliums der Gruppe von Jüngern an dieser Stelle in ihrem christologi28 schen Wissen überlegen bzw. werden in diesem bestärkt . Über die Zeitangabe V.2 mit 8,27–9,1 verbunden erfolgt 9,7 eine Präzisierung des 29 vorangegangenen Christus-Bekenntnisses . Petrus spricht V.5f. wiederum stellvertretend für die Gruppe: V.5 anhand der 1. Person Plural (hJma'" w|de ei\nai), V.6 findet sich ein auffälliger Numeruswechsel vom Singular (h[/dei), zu dem der Plural ejgevnonto in Entsprechung gesetzt wurde; Zudem entspricht ouj ga;r h[/dei tiv ajpokriqh'/ 9,6 der Antwort der gleichen Gruppe 14,40 (kai; oujk h[/deisan tiv ajpokriqw'sin
22
Vgl. auch CASSIDY, Four Times 19. S.a. W IARDA, Peter 75. Nach MOLONEY, Mark 168 vollziehen die Jünger „a movement from blindness to full sight“. 24 So CASSIDY, Four Times 33. 25 So SCHMIDT, Wege 45, zur Struktur des Mittelteiles 40–45; s.a. ACHTEMEIER, Mark 36 u.a. 26 Unterstrichen wird dies durch die Anweisung V.9 vgl. auch DU T OIT, Herr 42. 27 S.a. DSCHULNIGG, Petrus 18f. Insbesondere die Stimme Gottes stellt einen Konnex von 9,7 zu 1,11 her. 28 MOLONEY, Mark 178 beschreibt dies zutreffend als „narrative strategy“, derzufolge sich die Frage stellt: „How will the disciples respond to this crucial information?“, wobei das folgende Jüngerunverständnis V.5f.10f. die Adressaten wiederum in eine privilegierte Position rückt. 29 Dazu ausführlich DU T OIT, Herr 346f. 23
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
aujtw'/)30. V.6 (und nachfolgend V.10f.) machen deutlich, dass – trotz Mk 8,31! – fehlendes christologisches Verständnis des leidenden Christus vorliegt, was letztlich auf die erneute Feststellung der Notwendigkeit des Leidens V.12 zielt. Dies wird verstärkt durch die Verwendung der Anrede Jesu als rJabbiv V.5, die im Rahmen des Markusevangeliums nur Petrus 31 (neben 9,5 noch 11,21) und Judas in Gethsemane (14,45) verwendet . 5.1.8 Mk 10,28 Wie der namenlose Fragende V.17 reagieren auch die Jünger V.24 mit negativen Gefühlen auf die postulierte radikale, weil besitzlose Nachfolge. Petrus setzt nun V.28 den V.23 begonnenen Dialog zwischen Jesus und seinen Jüngern fort. Im Rückgriff auf die paradigmatische Nachfolge in 1,16–18 veranlasst Petrus so eine erneute Jesus-Rede (V.29–31) über den Lohn der Nachfolge, verbunden mit dem Zuspruch des ewigen Lebens (V.30). Dabei werden Petrus und mit ihm die Jünger anhand des emphatischen hJmei'" V.28 in einen Kontrast zu dem wohlhabenden Mann gesetzt: Sie sind in letzter Konsequenz nachgefolgt. Die Frage nach denjenigen, die gerettet werden (V.26) können sie also positiv beantworten. Jesus erweitert jedoch nach Petrus’ Aussage den Personenkreis (V.29f.32), wodurch ebenso mögliche Adressaten miteingeschlossen werden. 5.1.9 Mk 11,21 An dieser Stelle sind zwei wesentliche Funktionen der Petrusfigur zu beobachten: Zum einen wird den Jüngern und implizit den Adressaten die Erfüllung des Wortes Jesu über den Feigenbaum in Erinnerung gerufen. Zum anderen gibt diese Äußerung des Petrus den Impuls zu einer JesusRede über die Kraft des Glaubens. 14,72 wird Petrus ein weiteres Mal ein Wort Jesu „erinnern“ (ajnamimnh/vskw), was die bereits aufgezeigten ambivalenten Züge fortsetzt: Einerseits nimmt er ein an alle Jünger ergangenes Wort Jesu auf (h[kouon oiJ maqhtai; aujtou' V.14). Andererseits wird er in der folgenden Szene – trotz seiner Bekundung einer die anderen Jünger übertreffenden Loyalität (s.u. 14,29) – im Zuge der Verleugnung scheitern. Einen Schatten auf die kommenden Ereignisse im Sinne von Unverständnis und Scheitern wirft 33 bereits die Anrede Jesu als rJabbiv .
30
Zu diesem Bezug s.a. SMITH , Controversies 174 und s.u. zu Mk 14,37. Zur Anrede Jesu als rJabbiv SCHMIDT, Wege 48f. 32 CASSIDY, Four Times 28. 33 S.o. S. 196 und Kap. 5 Anm. 31 zu 9,5.
31
5.1 Das Petrusbild im Markusevangelium
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5.1.10 Mk 14,29–31 Nach der Ankündigung von Passion und damit verbundener Jüngerflucht und Auferweckung (V.27.28) scheint Petrus die Notwendigkeit des Leidens Jesu dann doch anzunehmen, indem er auch für sich die Bereitschaft zum Martyrium zeigt (sunapoqanei'n soi V.31). Jedoch übergeht er damit nicht nur die angekündigte Auferweckung V.28, sondern auch die Verleugnungsansage Jesu. Damit äußert er dezidiert Widerspruch gegen das Wort Jesu34 (dagegen noch s.o. 11,21). 35 In der Entsprechung des skandalivzw (V.27 auf die Jünger und V.29 auf Petrus bezogen) erscheinen die Worte des Petrus als Konkretion der angesagten Jüngerflucht. Bestätigung findet dies durch wJsauvtw" de; kai; pavnte" e[legon V.31: Das Scheitern des Petrus wird in den Kontext des Scheiterns aller Jünger (s.a. V.50!) gestellt und exemplifiziert es im Grunde nur auf eine besonders dramatische Weise. 5.1.11 Mk 14,32–41 Noch einmal kommt der Dreiergruppe, also Petrus und den Zebedaiden eine besondere Funktion zu: Als ausgewählte Begleiter Jesu werden sie Zeugen des Gebetes Jesu, und damit der bevorstehenden w{ra (V.35) und der gottgewollten Passion (V.36). Jedoch verbindet diese drei Jünger ebenfalls, dass ihr Versagen der angekündigten Leidensbereitschaft (10,38f. vgl. 14,31) entgegensteht36. Allein Petrus wird V.37 in der 2. Person Sin37 gular persönlich und mit seinem ursprünglichen „Jünger-Namen“ Sivmwn angesprochen. Dies unterstreicht vermutlich auf der Erzählebene, die zwischen Sivmwn und Pevtro~ unterscheidet, sein Versagen38, das angesichts seiner kurz zuvor geäußerten Beteuerung V.31 noch schwerer wiegt. Diese „technique of individualization“39 wird jedoch über den durch den Erzähler ansatzweise entschuldigten Schlaf aller V.40 (ga;r aujtw'n oiJ ojfqalmoi; katabarunovmenoi) und die ironische Äußerung Jesu kaqeuvdete to; loipo;n kai; ajnapauvesqe V.41 in ein Jüngerbild überführt, das sowohl die Person des Petrus als auch die Größe der Dreiergruppe transzendiert. Die 9,6 ent34
DSCHULNIGG, Petrus 22 spricht in diesem Zusammenhang von „maßloser Selbstüberschätzung“. 35 Zu skandalivzw DU T OIT, Herr 143–149.254f.259. 36 Vgl. SMITH, Controversies 173f. 37 S.o. Kap. 5 Anm. 1. 38 CASSIDY, Four Times 21 s.a. SMITH, Controversies 177; VORSTER, Characterization 68. Indem die Bezeichnung als „Petrus“ des Erzählers mit der Anrede Jesu als „Simon“ in umgekehrter Reihenfolge zu Mk 3,16 zusammentrifft, ist folgende Frage wohl zu bejahen: „Ist damit angedeutet, dass Petrus in sein altes Dasein vor der Berufung zum Zwölferkreis zurückgefallen ist.“ (SCHMIDT, Wege 70). 39 W IARDA, Peter 82 im Anschluss an BURNETT.
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
sprechende Formulierung kai; oujk h[/deisan tiv ajpokriqw'sin aujtw/' V.40 erinnert dabei an das Unverständnis im Rahmen der Verklärungsperikope, 40 das Petrus dort stellvertretend für die Jünger geäußert hatte . 5.1.12 Mk 14,54.66–72 Die Erwähnung des Petrus V.54, woran V.66–72 mit dem gleichen Setting41 wieder angeknüpft wird, setzt in dieser „sandwich-Struktur“ das Verhör Jesu parallel zur Verleugnung durch Petrus42. Doch wird die zunächst positiv vermerkte Nachfolge des Petrus (hjkolouvqhsen aujtw/' V.54) 43 nicht nur durch das ajpo; makrovqen als „Sicherheitsabstand“ eingeschränkt, sondern auch durch das weitere Setting: mit seiner Positionierung auf der Seite der Diener des Hohepriesters (sugkaqhvmeno~ V.54), der Jesus daraufhin verhören wird (V.55–65), verhält sich Petrus im Gegensatz zu seinem Versprechen, mit Jesus zu sterben (sunapoqanei'n V.31), anstelle seines Bekenntnisses 8,29 steht das folgende Selbstzeugnis Jesu V.55– 44 65 . Durch seine Verleugnung V.66–72 steht Petrus nochmals verstärkt im Kontrast zu Jesus, der durch falsches Zeugnis bedroht im ejgwv eijmi sich als Christus bekennt. Indem Petrus versucht, sein Leben zu „retten“, verhält er sich gegenteilig zu der 8,35 postulierten Nachfolge. Die kunstvoll gesteigerten Verleugnungsaussagen, (zunächst versteht Petrus nicht, was die Magd sagt, danach behauptet er, keiner der Jünger zu sein und schließlich Jesus nicht zu kennen), erfahren in der Selbstverfluchung und dem Schwören des Petrus einen dramatischen Höhepunkt. Durch das Krähen des Hahnes bewirkt führt die Erinnerung an das Wort Jesu (s.o. zu 11,21) nun zur einzigen Schilderung von Emotionen eines Jüngers. Damit werden auch weder Petrus noch die Jünger ein weiteres Mal im Kontext der Passion erwähnt, erst die Erfüllung eines weiteren Jesus-Wortes (14,28 in 16,7) dokumentiert die wiederhergestellte Beziehung der Jünger zu Jesus. 5.1.13 Mk 16,7 Im Anschluss an die letzte Erwähnung des Petrus 14,72 erscheint die Erfüllung der 14,28 angekündigten Erscheinung in Galiläa in 16,7 zunächst 40
S.o. S. 195f. zu 9,6. Vgl. qermainovmeno" pro;" to; fw'" V.54 und das nachgeholte ijdou'sa to;n Pevtron qermainovmenon V.67. 42 Dazu auch P ESCH, Markusevangelium II 452; DSCHULNIGG, Sprache 712 Anm. 463. Unterstrichen wird die Parallelisierung des Verhörs Jesu mit der Verleugnung des Petrus durch die nur 14,54.64 vorkommenden uJphrevtai s.a. SMITH, Controversies 179, der zudem auf die Bezüge zu 15,16 weist. 43 So die zutreffende Formulierung bei SCHMIDT, Wege 79. 44 Vgl. SCHMIDT, Wege 80. 41
5.1 Das Petrusbild im Markusevangelium
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als ein starker Kontrast. Gedachte Petrus 14,72 des Wortes Jesus im Sinne der Verleugnungsankündigung, so wird er hier in den Kreis der Jünger reintegriert und zusammen mit ihnen auf das Wort des Auferstandenen verwiesen. Die Formulierung ei[pate toi'" maqhtai'" aujtou' kai; tw`/ Pevtrw/ hebt Petrus heraus45 und stellt ihn als eine Führungsgestalt dar, allerdings eng verbunden mit den Jüngern. Zugleich zeigt sich aber von 14,28 und 14,72 her eine wichtige Linie, und zwar das 14,27–29 wie 14,66–72 verbindende Thema einer gefährdeten Nachfolge, wie sie 16,8 zum Ausdruck kommt und die Zeit der Abwe46 senheit Jesu kennzeichnet . Mit 16,7 verbinden sich daher wichtige Aspekte markinischer Nachfolge. Dazu gehört auch das aus 14,28 aufgenommene betonte proavgein Jesu, das in Verbindung mit 10,32 auf die 47 Leidensnachfolge weist. Zudem gilt für Petrus und die Jünger gleichermaßen, dass sie im Rahmen dieser schlicht gehaltenen Szenerie, die auf die Schilderung einer Erscheinung des Auferstandenen selbst verzichtet, einzig 48 auf die Worte Jesu verwiesen sind . Damit schließt sich der Kreis zum Beginn des Evangeliums, wo die paradigmatische Nachfolge der ersten Jünger als Folge der Predigt Jesu in Galiläa geschildert wird (s.o. 5.1.2). Dies trifft sich wiederum mit der Situation der Adressaten des Markusevangeliums, deren Identifikation mit Petrus, dem Jünger, der versagt hatte und dem nun mit allen Jüngern diese Verheißung gilt, durch die Offenheit 49 dieser Szene sicherlich erleichtert wird . 5.1.14 Das markinische Petrusbild – zusammenfassende Thesen 1. Der Figur des Petrus kommt im Rahmen der Komposition des Markusevangeliums in unstrittiger Weise eine zentrale Bedeutung zu: Abgesehen von den vergleichsweise häufigen50 und bezogen auf das Jüngerbild insge-
45
Gegen E VANS, Mark 537 im Anschluss an TAYLOR kann die Verleugnung allerdings nicht als Begründung für diese exponierte Stellung des Petrus angesehen werden. Vielmehr ist diese auf einer Linie mit der Funktion des Wortführers zu sehen s.u. 5.1.13 die zusammenfassenden Züge des markinischen Petrus-Bildes. 46 Zu diesen Zusammenhängen DU T OIT, Herr 254–263. 47 Nach PESCH, Berufung 30 entsprechen sich so proavgein Jesu und ajkoluqei'n der Jünger. Auch wenn ajkoluqei'n nur 10,28 explizit genannt ist, ist sinngemäß 14,28 und 16,7 die nachösterliche Nachfolge im Blick. 48 Vgl. DU TOIT, Herr 407: „Um Jesus zu begegnen, müssen sie sich auf Jesu Worte verlassen, dass er auferweckt (bzw. der Menschensohn binnen drei Tagen auferstehen) werde sowie ihnen nach Galiläa vorangehen werde.“ Gemäß der These von DU TOIT geht es hier um die Bewältigung der Abwesenheit des Auferstandenen bis zu Parusie. 49 So auch VORSTER, Characterization 74. 50 S.o. 5.1.1.
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
samt thematisch breit gestreuten51 Nennungen spricht dafür ihr Auftreten an strukturell bedeutsamen Stellen: so zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu in Galiläa (1,16–18 direkt im Anschluss an die programmatischen 52 Verse 1,14f. ), an dem Wendepunkt in Cäsarea Philippi sowie dem unmittelbaren Ende mit der Erfüllung der bedeutsamen Prolepse 14,28 in 16,7 mit nun ausdrücklicher Erwähnung des Petrus. Damit lässt sich sagen: „Petrus ist von Anfang an dabei, ihm entgeht keine der Taten Jesu, keines 53 seiner Worte“ : Er wird zum Augenzeugen schlechthin. Neben kleineren Szenen (z.B. 10,28; 11,21) sind in drei Fällen, und zwar wiederum am Anfang, in der Mitte und im Fall der Passion am relativen Ende des Evangeliums, Petrus-Szenen jeweils zu Trilogien zusammengestellt: 1,16–39, 8,27– 9,8 und 14,26–7254. In allen Szenen, in denen Petrus eine Rolle spielt, ist er der erste und meist auch der einzige Jünger, dessen Name zu Beginn der Szene genannt wird, so in 1,16.36; 3,16; 8,29; 9,2; 10,28; 11,21; 14,29.33.37.54.66; 16,7. 2. Simon bzw. Petrus wird im Rahmen der Jünger von Jesus in besonderer Weise direkt angesprochen55: Mit Ausnahme von einer Stelle (9,38) findet sich nur von ihm selbst wörtliche Rede (8,29.32; 9,5; 10,28; 11,21) und die Schilderung von Emotionen (14,72). D.h. man kann sich dem Eindruck anschließen, den bereits S TRAHTMANN vor jeglichen narratologisch begründeten Methoden zur Charakterisierung äußerte: „Jedenfalls schildert das Evangelium Petrus zwar wohl als führende Persönlichkeit – abgesehen vom Verräter als einzige, die lebendig charakterisiert ist“56. 3. Davon ausgehend ist schließlich zu fragen, welche Intention des Evangelisten57 dieser Darstellungsweise zugrunde liegt: In erster Linie
51
Folgt man beispielsweise der systematischen Beschreibung der Jünger im Verhältnis zur Jesusfigur (beispielsweise bei KLAUCK, Rolle 1–26 bzw. in der tabellarischen Übersicht 14f.), so wird jedes Thema meist anhand mehrerer Petrus-Stellen expliziert. 52 SCHMIDT, Wege 23–26 setzt hier nach dem Prolog 1,1–15 den ersten Hauptteil des Markusevangeliums an, wodurch die prominente Rolle des erstgenannten Jüngers an zentralen Stellen des Evangeliums unterstrichen wird. 53 SCHMIDT, Wege 37. 54 DSCHULNIGG, Petrus 24. 55 1,17 erfolgt der Auftrag jedoch noch an Petrus und Andreas, dagegen aber die nachfolgenden Szenen s.o. z.St. 56 STRATHMANN, Stellung 227. 57 Vorausgesetzt ist hier ein redaktionsgeschichtlichen Ansätzen vergleichbares Bild der Evangelisten, die zwar selbstverständlich auf die ihnen vorgegebene Tradition zurückgreifen und diese in wesentlichen Teilen bewahren wollen, deren Rolle jedoch die eines konservativen „Sammlers und Jägers“ bei weitem übersteigt. Nicht nur drücken sich in Auswahl und Anordnung des Materials spezifische theologische Intentionen aus, auch die Funktion redaktioneller Bemerkungen und gestalteter Abschnitte ist nicht zu gering zu veranschlagen.
5.1 Das Petrusbild im Markusevangelium
201
erfüllt die Petrusfigur eine repräsentative bzw. stellvertretende Funktion58, die insbesondere in der Sprecherrolle ihren Ausdruck findet. Die damit initiierten Dialoge, innerhalb derer abgesehen vom Christus-Bekenntnis des Petrus Mk 8,29 den Worten Jesu eine zentrale Bedeutung zukommt, dienen hierbei der Profilierung markinischer Theologie, und zwar (a) der Mission (1,16–18; 1,38; 3,14), 59 (b) der Christologie (8,27–30; 8,31–33; 9,2–12 s.a. die Erfüllung der Worte Jesu 11,21) und (c) des Themas der Nachfolge: so bereits die Schilderung der paradigmatischen Nachfolge 1,16–18 in Entsprechung zu Jesu Verkündigung 1,14f. und dann besonders die Leidensnachfolge 8,34–38 im Anschluss an die Zurechtweisung des Petrus. In 10,28 wird die radikale, besitzlose Nachfolge nach 1,16–18 konkretisiert. Ab 14,29 schließt die Nachfolge des Petrus dann anhand der Verleugnungsansage, dem fehlenden Wachen in Gethsemane und der nachfolgenden Verleugnung dezidiert Versagen mit ein; dabei entsprechen sich das Versagen des Petrus und das der Jünger insgesamt60, und in pragmatischer Hinsicht fungiert Petrus als Identitätsfigur. In 16,7 schließlich werden die negativen Züge von einem erneuten Nachfolge-Paradigma abgelöst: Nachfolge unter nachösterlichen Bedingungen wird als ein Verlassen auf die Worte Jesu fokussiert (so bereits die Nachfolge 1,16–18 in Entsprechung zu 1,14f.!), wobei die ausdrückliche Nennung des Petrus diesem als Repräsentanten der Jüngergruppe eine exponierte Position zuweist. Von markinischen Akzenten zeugen ferner (d) paränetische Abschnitte wie 11,21 über den Glauben der Jünger. Die Petrusfigur wird hierbei als ein in besonderer Weise akzentuierter Teil 61 eines Bildes der markinischen Jünger gezeichnet, denen ebenso die Auf62 gabe der Mission zukommt und die Adressaten der christologisch relevanten Abschnitte sind (vgl. die Frage 8,29, das Schweigegebot 8,30 und ijdw;n tou;" maqhta;" aujtou' 8,33; 9,2–9 ist dagegen als Teil der Geheimnistheorie einzuordnen). Analog ist es die Reaktion der Jünger 10,24 bzgl. der Frage nach der Nachfolge, die zum weiteren Dialog und der Äußerung des Petrus 10,28 führt und die damit eine angemessene Behandlung erfährt. 58
So u.a. BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 58 oder SCHMIDT, Wege 37: „An Petrus wird nur erzählt, was alle Jünger betrifft”. 59 Vgl. die rhetorische Frage bei ACHTEMEIER, Mark 92: „Could it be that in fact the treatment of the disciples provides us an key to an understanding to the purpose and point of the Gospel?“, die zu bejahen ist. S.a. HENDERSON, Christologie 50 u.ö., zusammenfassend 245ff. 60 DSCHULNIGG, Petrus 28 s.a. DERS., Sprache 388–410. 706 Anm. 389 s.a. P ESCH, Berufung 28f. 61 So u.a. ACHTEMEIER, Mark 95–97. 62 S.o. die Ausweitung des 1,17 erteilten Auftrages in 3,14.
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
Ebenso werden Jüngerflucht und Verleugnung des Petrus in einem Zusammenhang geschildert (14,27–30), was besagt, dass alle angesichts des Kreuzes versagen (14,50). Ebenso betrifft u.a. das Unverständnis über den Leidensweg 8,33 alle Jünger (9,32; 10,35–41), woraus zu schließen ist: „[I]f Peter typifies the positive characteristics of the disciples in Mark, he also embodies their incomprehension and failure“63. Mit dieser Repräsentantenrolle, die ja auch im Rahmen einer Viererbzw. Dreiergruppe in hervorgehobener Weise ausgeübt wird, ist allerdings nicht ausgeschlossen, sondern gerade vorausgesetzt, dass der hinter dieser Darstellung stehenden historischen Gestalt des Simon Petrus eine nicht 64 unwesentliche Bedeutung zugesprochen wurde . Die führende Position im Rahmen der Jerusalemer Gemeinde sowie die Rolle als Missionar prädestinierte Petrus gerade dazu, besondere Beachtung innerhalb der Evangelien zu finden und als literarische Figur die geschilderten Funktionen zu erfüllen. Eine Alternative zwischen historischer Einzelgestalt und Repräsentantenrolle stellt sich daher nicht, wohl aber die Frage, welche theologische Bedeutung diesem Petrusbild im Blick auf aktuelle Fragen zukommt65.
5.2 Das Petrusbild im Lukasevangelium 5.2.1 Allgemeine Beobachtungen Gegenüber dem Markusevangelium ist bei Lukas die Anzahl der PetrusSzenen von 15 auf 14 reduziert, d.h. gemessen an der größeren Gesamtlänge des Textes ist ein durchschnittlich geringeres Vorkommen zu verzeichnen. Damit geht allerdings keine geringere Bedeutung der Petrusfigur im Rahmen lukanischer Theologie einher, wie sich anhand der Analyse der Einzelszenen (s.u.) zeigen wird. Fehlen bei Lukas Petrus-Szenen aus dem Markusevangelium, ist dies zum einen auf allgemeine kompositorische Gründe zurückzuführen: So fällt beispielsweise eine einzelne Stelle wie Mk 11,21 mit dem gesamten Abschnitt 11,20–25 weg oder es erklärt sich die Auslassung von 16,7 aufgrund der lukanischen Konzentration auf Jeru-
63
B LACK, Disciples 44. Dazu auch SCHMIDT, Wege 37: „Die Funktion der Figur innerhalb der Geschichte und die erzählerische Funktion der narrativen Figur greifen eng ineinander. Es geht um Individualität und Allgemeinheit.“ 65 Vgl. die von DSCHULNIGG, Petrus 29 aufgeworfenen Fragen, das Postulat einer „kollegialen Leitfigur“ und die ökumenischen Dialoge zum Amt, insbesondere dem Petrusdienst. Zu einer Fokussierung von theologischen Implikationen des johanneischen Petrus-Bildes s.u. Kapitel 7. 64
5.2 Das Petrusbild im Lukasevangelium
203
salem66. Zum anderen kann das Aussparen von (anderen) Stellen sogar zu einem positiveren Bild führen: In diesem Sinne könnte das Fehlen von Mk 1,3667 zusammen mit Mk 14,33.37 als eine bewusste „Schonung“ des Petrus wie der Jünger insgesamt zu deuten sein, denn beider Versagen in Gethsemane wird mit der Bemerkung ajpo; th'" luvph" (22,45) entschuldigt. Mk 13,3 ersetzt Lukas in 21,7 mit einer pluralisch formulierten Frage, die so den Adressatenkreis auf der Erzählebene erweitert und infolgedessen auch die intendierten Leser in ganz allgemeiner Weise anspricht. Im Gegenzug erfüllt die Einfügung der Petrusfigur in Lk 8,45 gegenüber Mk 5,31 eine ähnlich aufwertende Funktion von Jüngern und Petrus. Ebenso unterstreicht die Erweiterung der Szene Lk 5,1–11 (gegenüber Mk 1,16–18) und Lk 22,7– 12 mit der Rolle von Petrus und Johannes sowie das zusätzliche Vorkommen des Petrus auch im lukanischen Sondergut (12,41) die von Lukas zugedachte führende Rolle. Anders als Markus verwendet Lukas nicht nur vor der expliziten Namensnennung 6,14 (d.h. 4,38; 5,3–5.10), sondern auch 7,40.43.44; 22,31 jeweils in wörtlicher Rede Jesu den Namen Sivmwn. Eine durch vorliegende Tradition zu erklärende weitere Ausnahme bildet 24,34, wo ebenso Sivmwn und nicht Pevtro" genannt wird. Dies könnte als Hinweis darauf verstanden werden, dass sich der Pevtro"-Name auf die urchristliche Rolle des Petrus bezieht, was eine Bestätigung in der Darstellung der Apostelgeschichte findet: Dort dominiert eindeutig die Bezeichnung als Pevtro" (oder in der Verbindung beider: 10,5.18.32; 11,13), auch in der Anrede (Ausnahme: Sumewvn 15,14). Von der Verteilung der PetrusSzenen im Ganzen des Lukasevangeliums her fällt eine Konzentration im Abschnitt 4,14–9,50, d.h. dem Wirken Jesu in Galiläa68, sowie im Rahmen der Passionsereignisse auf. Petrus wird damit zum Augenzeugen der Ereignisse von Beginn an bis zum „Ausgang in Jerusalem“ (9,31), auch wenn gerade sein Unverständnis diesbezüglich die Darstellung zu weiten Teilen prägt. 5.2.2 Lk 4,38f. Durch die Umstellung der erst 5,1–11 geschilderten Jüngerberufung ergibt sich in der Abfolge des Lukasevangeliums die Inkohärenz, dass Simon bereits als bekannt und eine Beziehung Jesus – Simon vorausgesetzt
66
Vgl. u.a. FITZMYER, Luke I 64. Die erst 5,1–11 erfolgende Berufung kann hierfür nicht als Argument herangezogen werden (so BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 97), da auch 4,38 im Rahmen der lukanischen Abfolge eine Inkonsequenz in Kauf genommen wird. 68 Vgl. auch DSCHULNIGG, Petrus 83. 67
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
wird69. In Bezug auf die Personenkonstellationen fallen V.38 gegenüber Mk 1,29 die Zebedaiden als Begleiter weg, was eine Konzentration auf die Jesus-Gestalt bewirkt. Jesus geht nur eij" th;n oijkivan Sivmwno", nicht auch kai; ÆAndrevou, was wiederum Simon deutlicher hervorhebt. Ferner wurde die anschließende Szene von Mk 1,35–39 ausgelassen, was sowohl das Petrus- als auch das Jüngerbild in ein positiveres Licht setzt (s.o. 5.2.1). 5.2.3 Lk 5,1–11 Diese Szene ist gegenüber Mk 1,16–18 narrativ auf verschiedene Weise ausgestaltet worden und zwar vorwiegend auf die Petrusfigur hin: Wie 4,38 wird auf eine Erwähnung von Andreas verzichtet70; die Zebedaiden werden V.10 zwar genannt, ihre in Mk 1,19f. der Berufung von Simon und Andreas 1,16–18 analoge Rolle aber deutlich abgeschwächt (zum Missionsauftrag s.u.). Lk 5,4 wird Simon persönlich angesprochen, der Wechsel der singularischen Anrede ejpanavgage zur pluralischen calavsate weist ihm eine Repräsentanten- und Führungsrolle zu. V.5 erfährt in seinen beiden Teilen eine durchaus ambivalente Auslegung: Zum einen wird hervorgehoben, dass Petrus Jesu Wort vertraut71 72 (ejpi; de; twó rJhvmativ sou), was einem wichtigen lukanischen Akzent und an dieser Stelle dem expliziten Missionskontext entspricht. Andererseits wird der Fokus auf den ersten Teil des Verses (ejpistavta, diÆ o{lh" nukto;" kopiavsante" oujde;n ejlavbomen) gelegt und daraus gar die „Haltung eines aus Berufserfahrung Besserwissenden“73 oder zumindest eine Zweifelsäußerung74 abgeleitet. Letztlich zeigt sich gerade in der Zusammensetzung beider Versteile ein ambivalentes Bild: einerseits eine Unterstreichung der Vertrauensaussage und andererseits doch auch eine Korrekturbedürftigkeit, 69
WOLTER, Lukasevangelium 203; DIETRICH, Petrus-Bild 19f.22. Umgekehrt die Heilung der Schwiegermutter als Vorbereitung der Berufung zu sehen (so W IEFEL, Matthäus 110), erfordert ebenso, Petrus als bekannt vorauszusetzen, da er hier nicht explizit eingeführt wird. Doch scheint mir diese „Inkohärenz“ durch das von GEWALT, „Petrus-Bild“ 11f. genannte Augenzeugenprinzip (Lk 1,2; Apg 1,21f. s.a. die ausgelassene Jüngerflucht) als durchaus stichhaltig erklärt. Zur Rolle des Petrus und der Zwölf als „Träger verlässlicher Augenzeugenschaft für das Wirken und das Geschick Jesu“ s.a. BECKER, Simon Petrus 7. 70 Andreas, der im Johannesevangelium eine vergleichsweise prominente Rolle einnimmt, wird bei Lukas überhaupt nur 6,14 genannt. 71 Z.B. bei PESCH, Simon-Petrus 145, der V.5 als Wagnis dargestellt, für DSCHULNIGG, Petrus 70 wird ebenso der Glaube unterstrichen. 72 Vgl. 1,37f. und die wohl analoge Verwendung von rJh'ma qeou' u.a. 3,2 mit lovgo~ qeou' 5,1 und die Betonung der Autorität des Wortes Jesu 4,32.36; 7,7 u.ö. 73 DIETRICH, Petrus-Bild 78. 74 U.a. W IARDA, Peter 100 stellt „a measure of doubt concerning Jesus“ (kursiv T.W.) bzw. „uncertainty“ (ebd. 169) fest.
5.2 Das Petrusbild im Lukasevangelium
205
die sich an der Verwendung des Titels ejpistavta (der V.8 zur kuvrieAnrede wechselt) zeigt75. Im Sündenbekenntnis V.8 dann „empfiehlt er sich als würdiger Empfänger der Botschaft Jesu (vgl. 7,36–50; 15,1–10; 18,10–14; 19,1–10)“76 respektive als prominenter Vertreter lukanischer Theologie77. Im näheren Kontext von Lk 5 verstärkt die Identifizierung mit Petrus die Positionierung in den Konfliktgesprächen mit den Pharisäern 78 5,21–24.30–32 . Seitens des Erzählers erfährt V.8 zusätzlich durch die bei Lukas singuläre Bezeichnung mit dem Doppelnamen Sivmwn Pevtro" eine Betonung79, durch kai; pavnta" tou;" su;n aujtw'/ V.9 ist er endgültig zum Zentrum der Gruppe geworden. Als Empfänger des für Lukas und eine Theophanie (gattungs-)typischen80 Zuspruchs mh; fobou' V.10 (vgl. 1,13.30; 8,50; 12,32; Apg 18,9; 27,24) wird hier ein Heilshandeln Gottes81 und in der Gestalt Jesu ein christologischer Fokus zur Darstellung gebracht. Wie Apg 18,9 verbindet sich damit ein missionarischer Auftrag, der im Gegensatz zu Mk 1,17 einzig an Simon ergeht, womit seine Rolle als Missionar in der Apostelgeschichte vorbereitet wird82. Jedoch ist diese Szene nicht allein zur Petrus-Geschichte zu erklären, im Gegenteil: V.11 als Zielpunkt spricht von einer verschiedenste Personen83 betreffenden Nachfolge, was gegenüber dem Mk 1,18 genannten Brüderpaar Simon und Andreas (vgl. allerdings auch 1,20 die Zebedaiden) eine Erweiterung darstellt84.
75
Vgl. auch die Einschätzung von ejpistavta als „term of respect, but one that signifies a lack of understanding of Jesus’ person and mission“ bei GREEN, Luke 383 zur Verwendung in Lk 9,33. Darauf weisen sämtliche weitere Belegstellen im Mund des Petrus (neben 5,5 und 9,33 auch 8,45), der Jünger (8,24), des Johannes (9,49) und der in der Hauptsache nicht zurückkehrenden Aussätzigen (17,13), gegen eine rein positive Zuordnung zu Jüngern und Nachfolgenden bei F ITZMYER, Luke I 566 und SCHNEIDER, Lukas I 124 im Anschluss an G LOMBITZA. Zudem ist der signifikante Wechsel der Anrede Jesu zu kuvrie V.8 ernstzunehmen, vgl. auch D IETRICH, Petrus-Bild 48f.78. 76 GEWALT, „Petrus-Bild“ 14. 77 W IARDA, Peter 169, der V.8 zutreffend in die lukanisch bevorzugte Darstellung von Sündern, Außenseitern etc. einordnet, bezeichnet dies als „portrayal of grace“. 78 Zur Vorbereitung auf diese Szenen durch 5,8 s.a. GREEN, Luke 228. 79 DIETRICH, Petrus-Bild 44f. 80 Dazu vgl. nur B OVON, Lukas I 234 oder W OLTER, Lukasevangelium 214. 81 DIETRICH, Petrus-Bild 47 spricht von „Willen und Handeln Gottes“. 82 So auch u.a. BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 104. 83 Wer hier konkret gemeint ist, bleibt womöglich bewusst unklar, von den V.9 und 10 genannten Subjekten her wird es sich um alle beim Fischfang Beteiligten unter Einschluss der Zebedaiden handeln. 84 Der Fokus in Lk 5,1–11 „liegt nicht auf der Berufung, sondern auf der Nachfolge (V.11)“ (ERNST, Lukas 143). Nachfolge hier als ein „allgemeines Phänomen“ (so DIETRICH, Petrus-Bild 81) zu bezeichnen, geht vermutlich etwas zu weit, eine Tendenz zur Erweiterung des Personenkreises ist jedoch in jedem Fall festzustellen.
206
Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
Daraus ergibt sich insgesamt ein ambivalentes Bild, bestehend einerseits aus einer Fokussierung der Petrusfigur und ihrer damit einhergehenden führenden Rolle, insbesondere als Missionar85 und in der Anerkennung Jesu als göttliche Gestalt (vgl. die Theophanie-Elemente im Verhalten des Petrus und auch der Jünger 8,2586), andererseits aber aus der Äußerung von Zweifel und Sündhaftigkeit87. 5.2.4 Lk 6,13–16 Zwar stimmt die lukanische Liste der Jüngernamen an dieser Stelle nicht mit der Apg 1,13 aufgeführten überein, gemeinsam ist beiden jedoch die Position des Petrus an erster88 und die des Judas an letzter Stelle. Als gemeinsamer Hintergrund ist an dieser Stelle auch das lukanische Konzept des Apostolats (vgl. Apg 1,21–26) zu berücksichtigen: den Aposteln, unter denen Petrus als Erster genannt wird, kommt die Funktion als Augenzeu89 gen vom Beginn des Wirkens Jesu bis zur Auferstehung zu . Im unmittel90 baren Kontext von Lk 6 bedeutet dies eine „apostolic guarantee“ für die folgenden Heilungen V.17–19 und insbesondere die sich ab V.20 anschließende Tradition im Rahmen der lukanischen Bergpredigt. Wie bei Markus wird Andreas in der Apostelliste nach seinem Bruder Simon definiert, anders als die markinische Darstellung verzichtet Lukas auf den Beinamen der Zebedaiden. Demzufolge erhält Simon, ausgedrückt durch ojnomavzw, als einziger einen weiteren Namen91, während die anderen Jüngernamen lediglich aufgezählt werden. Da auch die Mk 3,14 genannten Aufgaben der Apostel wegfallen (vgl. 9,2!), bleibt zu diesem Zeitpunkt Petrus der einzige, der bereits Lk 5,10 mit einem Missionsauftrag betraut worden ist.
85
Unbeantwortet kann an dieser Stelle die Frage bleiben, ob es sich hierbei um eine „sekundär-lukanische Formung“ (ebd. 38) oder eher die Herkunft aus lukanischem Sondergut handelt. 86 W IARDA, Peter 100–102. 87 Ebd. 170 bezeichnet W IARDA Simon (Petrus) als „spiritually needy disciple“. 88 In D ist – sicherlich in Harmonisierung mit Mt 10,2 – prw'ton hinzugefügt worden. 89 Zum Augenzeugenprinzip s.o. Kap. 5 Anm. 69 zu 4,38f. Dadurch erklärt sich auch, dass bei Lukas von Anfang an der Petrus-Name eingeführt wird. 90 T ALBERT, Luke 68. 91 DIETRICH, Petrus-Bild 93 sieht zudem einen Kontrast zwischen dem auf Petrus bezogenen wjnovmasen V.14 und dem nachfolgenden, auf den zweiten Simon bezogenen kalouvmenon (zhlwthvn) V.15. Deutlicher hingegen ist m.E. die Analogie (und in der Namensgebung Differenz) zwischen ou}" kai; ajpostovlou" wjnovmasen V.13 und o}n kai; wjnovmasen Pevtron V.14.
5.2 Das Petrusbild im Lukasevangelium
207
5.2.5 Lk 8,45f. Wie eingangs erläutert, fügt Lukas die Petrusfigur an manchen Stellen auch zusätzlich ein: So werden hier die aufgrund ihres Unverständnisses über Jesu Frage negativ geschilderten Jünger aus Mk 5,31 durch eine zunächst neutral klingende Bemerkung des Petrus ersetzt, die dann noch eine dezente Richtigstellung92 (V.46) durch Jesus erfährt. Der Petrusfigur kommt anhand der lukanischen Modifikation eine nicht unwichtige narrative Funktion für die Schilderung der Wundererzählung zu, da sein Missverständnis der Situation zugunsten der Rolle Jesu als Wundertäter aufgelöst wird. Anders als Petrus und die Jünger wissen die intendierten Leser bereits vom tatsächlich geschehenen Wunder93, das so noch einmal herausgestellt wird. 5.2.6 Lk 9,18–22 Grundsätzlich kommt Petrus in der lukanischen Fassung des ChristusBekenntnisses eine ähnliche Rolle wie im Abschnitt Mk 8,27–29 zu: Petrus antwortet stellvertretend auf die Frage Jesu nach seiner Identität an die Jünger V.20. In der Antwort des Petrus bewirkt der Wegfall des su; ei\ eine noch größere Konzentration auf den Titel, die Ergänzung tou' qeou' gibt einen typisch lukanischen Akzent auf der heilsgeschichtlichen Funktion der Passion Jesu als von Gott bestimmt wieder94. Wie in Mk 8,29 stellt Lk 9,20 das erste explizite Christus-Bekenntnis im Mund eines Jüngers dar. Während jedoch im Markusevangelium einzig durch 1,1 die ChristusBezeichnung für die Adressaten im Raum steht, ist diese im Lukasevangelium kontinuierlicher präsent (2,11 den Hirten; 2,26 und 4,41 jeweils über den Erzähler). So spricht Petrus aus, was den Adressaten des Evangeliums auf der Rezeptionsebene, nicht aber den Jüngern auf der Erzählebene bereits bekannt ist (s.o. zu 8,45!). Doch als ein weitaus signifikanterer Unterschied zur markinischen Darstellung ist der direkte Anschluss der Kreuzesnachfolge 9,23–27 an die Leidensankündigung 9,22 unter Auslassung des Protestes des Petrus aus Mk 8,32f. zu nennen: Das Bekenntnis zur Messianität Jesu schließt hier Leiden nicht aus. Erst nach der zweiten und dritten Leidensankündigung wird 9,45 und 18,34 ein Jünger(!)-Unverständnis geschildert, was im engen Zusammenhang mit der folgenden Szene der Verklärung steht (s.u. 5.2.7.).
92
Zu ejpistavta s.o. 5.2.3. So auch W OLTER, Lukasevangelium 326, der die narrative Funktion allerdings darin sieht, die Besonderheit der Berührung der Frau festzustellen. 94 Zum bereits in den markinischen Leidensankündigungen betonten göttlichen dei' s.a. Lk 2,49; 4,43; 13,16.33; 17,25; 19,5; 21,9; 22,37; 24,7.26.46. 93
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
5.2.7 Lk 9,28–36 Gemäß der markinischen Parallele (Mk 9,2–13) und Lk 8,51 kommt wiederum der exponierten Dreiergruppe aus Petrus und den Zebedaiden eine besondere Rolle zu. Wie der Zusammenhang mit dem nachfolgenden Jüngerunverständnis zeigen wird, repräsentieren sie hierbei die Größe der Jünger insgesamt95. In Modifikation von Markus legt Lukas hier V.31 einen besonderen christologischen Fokus auf th;n e[xodon aujtou', h}n h[mellen plhrou'n ejn ÆIerousalhvm. Doch gerade diese wesentliche Offenbarung bleibt den drei Jüngern aufgrund ihres Schlafens verborgen96, das darauffolgende Sehen allein (V.32) führt noch nicht zur Erkenntnis. Damit sind die Adressaten aufgrund der Worte des Markusevangeliums in der privilegierten Situation, die Szene entsprechend deuten zu können. Sie können dies so noch vor den bei Markus priviligierten Offenbarungsempfängern Petrus, Johannes und Jakobus: Wenn ihnen bei Lukas als Apostel primär die Funktion als Augenzeugen zukommt (s.o.), müssen diese erst noch hören (V.35f.). So werden sie zunächst zu Repräsentanten des Jüngerunverständnisses, was auch die folgenden Reaktionen auf die Leidensankündigungen 9,45 und 18,34 (wie die zuvor fehlende aus Mk 8,31–33 s.o.) erklärt. Wie Mk 9,5 wird Petrus Lk 9,33 im Zuge der pluralischen Aufforderung poihvswmen skhna;" trei'" als Sprecher der Jünger und ihres Unverständnisses97 dargestellt. Die Streichung des markinischen Furchtmotivs (e[kfoboi ga;r ejgevnonto Mk 9,6) scheint zwar Petrus und die Zebedaiden zu belasten98, doch tritt an seine Stelle der Schlaf als – eher entlastendere – Erklärung. 5.2.8 Lk 12,35–48 In der Funktion als Jüngersprecher stellt Petrus als Reaktion auf das von Jesus erzählte Gleichnis über die Wachsamkeit angesichts der Parusie eine klärende Nachfrage (dagegen aber Mt 24,45!). Diese auf einen Unterschied zwischen Jüngern und anderen Personen(gruppen) zielende Frage wird 95
W OLTER, Lukasevangelium 352. So neben W OLTER (ebd. 351.353) und DIETRICH, Petrus-Bild 118, der den Gegensatz zu e[mprosqen aujtw'n Mk 9,2 herausstellt. 97 An dieser Stelle kann nicht auf die vielfältigen Deutungen der Verklärungsvision und die damit zusammenhängenden Interpretationen des sich V.33 zeigenden fehlenden christologischen Verständnisses eingegangen werden. Angesichts dessen, dass an der Stelle der Diskussion Mk 9,10–12 nun Lk 9,45 folgt, scheint es mir mit Blick auf den Zusammenhang von 9,43–45 in Verbindung mit 9,31 klar, dass es sich ebenso um das fehlende Verständnis über Jesu bevorstehendes Leiden handelt. Zur Anrede Jesu mit ejpistavta im Kontext korrekturbedürftiger Äußerungen s.o. 5.2.3. 98 W IEFEL, Matthäus 181 meint, das Unverständnis sei hier „schroffer“ ausgedrückt, ähnlich auch DIETRICH, Petrus-Bild 114f. 96
5.2 Das Petrusbild im Lukasevangelium
209
jedoch von Jesus V.42–48 gerade nicht in eindeutiger Weise beantwortet, eine spezielle Paränese für Amtsträger kann daher nicht abgeleitet wer100 den99. Klar ist lediglich, dass auf der Erzählebene die Jünger insgesamt als Adressaten zu gelten haben (vgl. V.32 und pro;" hJma'" V.41), weswegen es gänzlich abwegig scheint, den oijkonovmo" V.42 speziell auf Petrus zu beziehen101, der lediglich als Sprecher und Repräsentant der Jünger auftritt. Darin kommt ihm jedoch eine bedeutsame Funktion im Blick auf die Adressaten des Lukasevangeliums zu, da die Alternative pro;~ hJma'~ h[ kai; 102 pro;~ pavnta~ zu einer eigenen Standortbestimmung herausfordert . 5.2.9 Lk 18,28–30 Im Vergleich mit der markinischen Parallele Mk 10,28 ergeben sich für das Petrusbild keine wesentlichen Unterschiede103. Die Aussage des Petrus gilt „als ein konkreter Beweis, daß das Programm Jesu, so anspruchsvoll es auch ist, realisierbar ist“104. Über Markus hinausgehend profilieren Petrus und die Jünger an dieser Stelle einen Kontrast zu dem a[rcwn V.18ff. (vgl. u.a. die Hinzufügung in 23,35 gegenüber Mk 15,31). Der Einwurf des Petrus gibt zugleich den Anstoß für das wiederum im Blick auf einen größeren Adressatenkreis geäußerte Schlusswort Jesu105, das in der Verheißung des ewigen Lebens gipfelt. 5.2.10 Lk 22,8–13 Die zwei namenlosen Jünger aus Mk 14,13 werden nun mit Petrus und Johannes benannt, die beide eine besondere Bedeutung für Lukas innehaben 99
Mit W OLTER, Lukasevangelium 463 gegen GRUNDMANN, Lukas 266, SCHNEIDER, Lukas II 290f., E RNST, Lukas 305 und DSCHULNIGG, Petrus 77, ein Gegenüber von Aposteln und Gemeinde sieht auch W IEFEL, Matthäus 245. Zutreffend weist B OVON, Lukas II 333 zwar auf den Wechsel von dou'loi 12,37 zu oijkonovmo" V.42 hin, doch erscheint Letzterer V.43(45) wiederum im Austausch mit dou'lo~ (zur Unterscheidung in V.47f. als letztendlicher Antwort auf die Frage des Petrus nach unterschiedlichen Gruppen V.42 W OLTER, Lukasevangelium 463.466). Ebenso zielte oijkonovmo" 16,1ff. auf einen nicht eingegrenzten Adressatenkreis der Jünger insgesamt. Zudem bezog sich die Petrus-Frage auf einen oijkodespovth~ V.39, mit dem die V.40 angeredeten Jünger gleichgesetzt werden. 100 Gegen SCHNEIDER, Lukas II 290f. ist die Größe der Jünger nicht mit derjenigen der Apostel gleichzusetzen (vgl. ajpÆ aujtw'n 6,13!). 101 So P ESCH, Simon-Petrus 145 s.a. MUSSNER, Petrus und Paulus 24. 102 Dazu und zur theologischen Intention des Abschnittes im Ganzen u.a. G REEN, Luke 503. 103 Die Ersetzung von pavnta aus Mk 10,28 mit ta; ijdiva ergibt m.E. keinen deutlichen Bedeutungsunterschied, zumal wenn man Lk 14,33 mit einbezieht. 104 B OVON, Lukas III 237. 105 W OLTER, Lukasevangelium 602.
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
(vgl. ihre Apg 3,1–11; 4,13–21; 8,14 geschilderte Funktion in der Jerusalemer Gemeinde). Deren Frage V.9 dient hierbei als „Sprungbrett“106 für die weitere Erzählung. Im Zusammenhang mit 22,26 kann in diesem Passus durchaus die narrative Umsetzung einer dienenden Funktion der Führungsgestalten107 gesehen werden. 5.2.11 Lk 22,31–34 In jedem Fall ist der Kontext von 22,24–30 mit seinem Fokus auf der Dienstbereitschaft für diesen unmittelbar folgenden Abschnitt 22,31–34, insbesondere den Auftrag an Petrus V.32, als Konkretion eines solchen Dienstes einzubeziehen. Die Wiederholung des Namens in der Anrede Sivmwn Sivmwn charakterisiert das Gegenüber Jesu jedoch zunächst als korrekturbedürftig (vgl. 10,41; 13,34; Apg 9,4 und die Parallelen 22,7; 26,14)108. Eingerahmt von dieser persönlichen Anrede und der durch peri; sou'/su V.22 betonten persönlichen Beziehung zwischen Jesus und Petrus findet sich der Verweis auf die Versuchung der Jünger insgesamt (uJma'" V.21), auf die wiederum der Auftrag an Petrus V.32 zielt. Dadurch wird deutlich, dass im Thema der bedrohten Jüngerschaft ganz buchstäblich „Mitte“ und Zielpunkt der Darstellung des Petrus liegen. Dies zeigt sich auch daran, dass das Satansmotiv V.21 an die Stelle der markinischen Jüngerflucht109 einerseits und des Satanswortes Mk 8,33 andererseits tritt. Anstelle der Versucher-Rolle Satans bei Markus wird Petrus so bei Lukas angesichts der Ereignisse der Passion (vgl. 22,3) zu einem selbst durch Satan versuchten Hiob stilisiert, für dessen Glauben Jesus fürbittend eintritt110. Demzufolge wird aus dem Unverständnis über die Notwendigkeit des Leidens Jesu bei Petrus, dem die Jüngerflucht korrespondiert, auf der narrativen Ebene die Bedrohung des Glaubens aller Jünger 111 und damit 106
B OVON, Lukas IV 222. DSCHULNIGG, Petrus 78, einen Bezug zu 22,26 sieht auch W OLTER, Lukasevangelium 696. 108 W IARDA, Peter 135 sieht darin Sorge ausgedrückt, ähnlich auch CASSIDY, Four Times 51. Laut FITZMYER, Luke II 894 „The repeated name gently chides“. Als unzutreffend erscheint allerdings die positive Interpretation bei B OVON, Lukas IV 271, die Wiederholung des Namens drücke „Achtung und Zuneigung aus“. 109 Als weiterer Gegensatz zur Jüngerflucht zeigt sich V.28. 110 Ein Vergleich zu Mt 14,28–31 legt sich hingegen nicht nahe, da dort das rettende Eingreifen Jesu auf den Hilferuf des Petrus hin geschieht. Das Motiv des bedrohten Glaubens aus Lukas ist hier nicht ganz deckungsgleich mit dem der Kleingläubigkeit bei Matthäus. 111 Dies impliziert jedoch gegen B ROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 108f. nicht, dass bereits im narrativen Kontext von Lk 22,32 ein über die Jünger hinausgehender Kreis gemeint ist, eine Tendenz zur Ausweitung im Zuge der Rezeption (s.a. 8,21 etc.), bis hin zum Gebrauch in der Apostelgeschichte, ist dagegen unverkennbar. 107
5.2 Das Petrusbild im Lukasevangelium
211
auf der Rezeptionsebene letztlich aller Glaubenden, wofür Petrus prototypische Funktion übernimmt. Bezüglich seiner pastoralen Rolle (sthrivzw vgl. Paulus in Röm 1,11) scheint dagegen eine Zuspitzung auf die Einzelgestalt Petrus festzustellen sein. Die analoge Verwendung von ejpisthrivzw Apg 14,22; 15,32.41; 18,23 verweist aber diesen Auftrag in den Kontext der Missionstätigkeit112, die auch andere Personen betrifft und Petrus wiederum eine prototypische – wohl aber zugleich führende – Funktion (s.a. Lk 5,1–11) zukommen lässt. Die abschließende Verleugnungsansage V.34 zeigt eine große Ähnlichkeit zu Joh 13,36–38113 (gegen Mk 14,29–31/Mt 26,33–35): Der Vergleich mit den anderen Jüngern fällt hier zugunsten der Bereitschaft für Jesus zu leiden und zu sterben ebenso weg (und fokussiert wiederum den persönlichen Bezug Petrus – Jesus114) wie der Widerspruch gegen die Verleugnungsansage. Auch wird 22,34 (me ajparnhvsh/ eijdevnai) gegenüber Mk 14,30 (me ajparnhvsh/) deutlich abgemildert, was sich ebenso in der Darstellung der Verleugnung (s.u. 5.2.12) widerspiegeln wird. Doch unbenommen dieser das Petrus- und Jüngerbild in ein positiveres Licht rückenden Züge bleibt ein Kontrast zwischen Auftrag und Versagen bestehen 115 (s.o. 5.2.3. zu Lk 5 zwischen V.8 und V.10 ). 5.2.12 Lk 22,54–62 Die bei Markus beobachtete „Sandwich“-Technik einer Verklammerung von Verhör Jesu mit der Verleugnung des Petrus mit der damit verbundenen Parallelisierung bzw. Kontrastierung findet sich bei Lukas nicht. Dennoch werden die beiden Figuren – nicht weniger wirkungsvoll – auf dem dramatischen Höhepunkt der letzten Verleugnung in Beziehung zueinander gesetzt (s.u. zu 22,61). Die Ergänzung von ejkavqhto oJ Pevtro" mevso" aujtw'n V.55 ordnet Petrus dem Verhaftungstrupp116 (und nach V.53 der ejxousiva tou' skovtou") zu. Die erste Verleugnung zeigt sich als exakte Realisierung von Jesu Wort (me ajparnhvshó eijdevnai V.34), während die zweite zu einer Selbstverleugnung gesteigert wird (vgl. Joh 18,17.25 oujk eijmiv). Die dritte Verleugnung schließlich nimmt die bei Markus und Matthäus an erster Stelle erfolgende Formulierung oujk oi\da o} levgei" auf, und damit eine Aussage, die Jesus als Person nicht direkt verleugnet, was Petrus zu112
Vgl. auch BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 109. Mit BROWN/DONFRIED/REUMANN 110 ist diese Nähe auch zu Joh 21,15–17 im Vergleich zu Mt 16,16–19 zu sehen. 114 S.a. die Betonung dieser Beziehung durch peri; sou' V.32 – meta; sou' V.33 und der Blick Jesu 22,61 im Rahmen der Verleugnung s.u. 5.2.12 z.St. 115 Vgl. auch SCHNEIDER, Lukas I 129, der hier eine Entsprechung zwischen 22,31f. und 5,8 sieht. 116 In analoger Funktion steht Joh 18,18 metÆ aujtw'n. 113
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
sammen mit dem ausgelassenen Fluchen und Schwören in deutlicher Weise schonender darstellt. Andererseits setzt Lukas eigene Akzente durch die Anrede, die sich in den Evangelien sonst nur bei Lk 5,20 und 12,14 in Jesu Mund findet und im Kontext der Verleugnung als Anmaßung erscheint. Dazu wird Petrus durch die Zeitangabe kai; diastavsh~ wJsei; w{ra~ V.59 (vgl. meta; mikrovn Mk 14,70 s.a. Mt 26,73) belastet, „allowing Peter opportunity to reconsider his position and to reflect on Jesus’ earlier teach117 ing“ . Der am dramatischen Höhepunkt geschilderte Blick Jesu V.61 forciert zum einen wie 22,31–34 eine persönliche, und auch jetzt nicht abgebrochene Beziehung und unterstreicht zum anderen – in Verbindung mit dem Erzählerkommentar kai; uJpemnhvsqh oJ Pevtro" tou' rJhvmato" tou' kurivou – das Eintreffen von Jesu Worten. Die abschließend geäußerte emotionale Reaktion des Petrus wird (wie Mt 26,75) gegenüber Mk 14,72 in gesteigerter Form ausgedrückt: ejxelqw;n e[xw e[klausen pikrw'". 5.2.13 Lk 24,12 Auch angesichts der Auferstehung zeigt sich nochmals eine ambivalente Rolle der Petrus-Gestalt: Einerseits stellt ihn sein Lauf zum Grab in einen positiven Kontrast gegenüber den anderen Aposteln (V.11!), indem Petrus die zugedachte wichtige Zeugenfunktion erfüllt (s.o. zu 4,38f.; 6,13–16). Andererseits dokumentiert seine Reaktion noch keinen eindeutigen Auferstehungsglauben (vgl. die Verwendung von qaumavzw s.a. 24,41 und 1,21.63; 2,18.33; 4,22; 8,25; 9,43; 11,14.38; 20,26). Ein symbolisches Ver118 ständnis des ajnastav~ als Bezug auf die Auferstehung scheint daher unwahrscheinlich. 5.2.14 Lk 24,34 An der Formulierung dieser Tradition119 fallen zunächst die Gottes Tat demonstrierenden passiva divina auf, auch o[ntw" wird nur noch 23,47 mit Bezug auf Gott gebraucht120 (s.o. 9,20 das Christus-Bekenntnis zum cristo;n tou' qeou').
117
GREEN, Luke 788. So B OECKMUEHL, Peter 205; eine Erfüllung von 22,32 ist so wohl erst in 24,34 gegeben: sowohl das ejpistrevya~ als auch das sthvrion tou;~ ajdelfouv~ ereignen sich wie Joh 21,15–20 in der Begegnung mit dem Auferstandenen, von der 24,34 zeugt. Davon unbenommen zeigt sich hierin eine Kongruenz zur wirkungsgeschichtlich dokumentierten Verbindung von „Bekehrung“ des Petrus mit Jesu Tod und Auferstehung (ebd.196–204). 119 Dass es sich hierbei um eine von Lukas eingefügte Tradition handelt, zeigt sich u.a. auch daran, dass sie nicht so recht in den narrativen Zusammenhang passen will, da zu den bekennenden Elf Petrus ebenso dazu gehört. 120 DIETRICH, Petrus-Bild 160. 118
5.2 Das Petrusbild im Lukasevangelium
213
Der im Bereich der Evangelien nur an dieser Stelle erzählten Protophanie vor Simon kommt im Kontext der Emmaus-Perikope die Funktion zu, die dort erzählte Begegnung mit dem Auferstandenen zu bestätigen. Ebenso bestätigt sich damit in gewisser Weise 22,32: „Peter’s ‚return‘ to the fullness of discipleship has been accomplished by the sovereign initiative of his risen Lord“121. 5.2.15 Ertrag für das lukanische Petrusbild Lukas übernimmt das markinische Petrusbild in wesentlichen Punkten: In vergleichbarer Weise stellt er ihn als Wortführer der Jünger und Mitglied exponierter kleinerer Gruppen dar (zusammen mit den Zebedaiden oder wie 22,8 zusammen mit Johannes). Dies findet seine Fortsetzung im ersten Teil der Apostelgeschichte, wo Petrus teils in längeren Reden, und zwar Apg 1–5 in besonderer Konzentration der Einzelszenen122 und Apg 9–11.15 in breit angelegten Kompositionen123 als Sprecher der Urgemeinde bzw. der Apostel fungiert. Hier erscheint er zwar oft, aber nicht durchwegs als alleiniger Akteur124, und dann auch in einem Atemzug mit den Aposteln (5,29 Pevtro" kai; oiJ ajpovstoloi ei\pan) oder besonders häufig zusammen mit Johannes (3,1–10.11–23; 4,13.19; 8,14–17, wobei dieser jedoch „silent partner“125 bleibt).
Über Markus hinausgehend wird Lk 5,1–11 die Berufung des Petrus deutlich ausgebaut bzw. auf ihn fokussiert und damit ein klarer Akzent auf der späteren Missionstätigkeit und gemeindeleitenden Funktion, wie sie in der Apostelgeschichte breiten Raum einnehmen werden, gelegt: Im Anschluss an sein Wirken als Missionar in Samarien Apg 8,14–17 (hier zusammen mit Johannes, in Fortsetzung der Mission des Philippus) avanciert Petrus zum Begründer der gesetzesfreien Heidenmission: In diesem Rahmen wird er zum Protagonisten der längsten Einzelerzählung der Apg (10,1–11,18) wie auch zum ersten Redner 15,7–11 im Rahmen der Apostelversammlung, mit Bezug auf die Geistausgießung 10,44f. im Kontext der vorherigen Cornelius-Episode. Insgesamt wird so mit Petrus die Umsetzung der 1,8 verheißenen geistgewirkten Bezeugung des Evangeliums verbunden, „zeichnet sich eine Dreigipfligkeit im Petrusbild der Apostelgeschichte ab. ‚Juden-, Samaritaner- und Heiden-Pfingsten‘ sind die Hauptstationen der vita Petri nach der lukanischen Darstel-
121
CASSIDY, Four Times 54. 1,15–22; 2,14–36.38–40; 3,12; 4,8–12; 5,3f.8f.29–32. 123 11,2–17 (als Teil des Gesamtkomplex 10,1–11,18) und 15,7–11; in der Rolle als Missionar tritt Petrus bereits 8,20–23 als einziger der Apostel auf. 124 Vgl. besonders 10,5–48, als Wundertäter 9,34f.36–42 bzw. Gegenüber zu jüdischen Autoritäten 4,8–12. 125 So treffend FITZMYER, Acts 214. 122
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
lung“126. Als Judenchrist wird er so zum Vorbild in der Ausrichtung auf die geistgewirkte Glaubensgemeinschaft mit den Heiden127.
Insgesamt wird die Rolle des Petrus im Lukasevangelium an einigen Stellen signifikant hervorgehoben, und zwar neben Lk 5,1–11 u.a. anhand der wirkungsvoll eingefügten Protophanie, wodurch Petrus zu Beginn und am Ende der Wirkungszeit Jesu als Augenzeuge hervorgehoben wird128 (vgl. auch Apg 1,21f.; 2,32 bzw. im Zuge der gesamten Pfingstpredigt). Im Gegenzug werden negative Züge ausgelassen oder abgemildert: Sowohl im Kontext der Berufung als auch der Verleugnungsansage und der Schilderung der Verleugnung selbst werden Aspekte einer persönlichen Beziehung zwischen Jesus und Petrus betont. Doch zeigt dies nicht nur ein gesteigertes Interesse des Lukas an Petrus als Einzelgestalt, sondern verstärkt auch die prototypische Funktion dieser Jüngergestalt als „model of the relationship between Jesus and a disciple“129. Dies zeigt sich u.a. daran, dass nicht nur das Petrusbild, sondern auch das Jüngerbild im Gesamten wesentlich positivere Züge erhält: Entsprechend fällt 22,45 nicht nur der Vorwurf an Petrus weg, sondern die Jünger werden „kollektiv“ aufgrund ihrer Trauer entschuldigt. Ebenso korrespondiert das Mitsein der Jünger anstelle der Jüngerflucht (22,28) dem fortwährenden Gebet Jesu für Petrus angesichts der Versuchung durch Satan (22,32) und ihrer Begegnung selbst noch im Augenblick der Verleugnung (22,61). Sogar der speziell auf die Petrus-Gestalt bezogene pastorale Auftrag Jesu (22,32) wird – wie die Apostelgeschichte130 zeigen wird – nicht auf eine Person (oder gar ein „Amt“) beschränkt bleiben. Doch auch darüber hinaus weist die narrative Darstellung des Petrus an einigen Stellen weitere Aspekte spezifisch lukanischer Theologie auf: so besonders in Worten (5,5.8; 9,20; 12,41 u.a.) aber auch in geschilderten Taten (z.B. 22,13 in Entsprechung der vorangegangenen Worte Jesu; vgl. auch die Reden in der Apostelgeschichte). 126
DIETRICH, Petrus-Bild 295 vgl. auch 331. Vgl. dazu auch FITZMYER, Acts 470: „No one should try to thwart the work of God’s Spirit, for one cannot stopp God who can bring even cooperation out of human opposition. So Peter has learned from this encounter with the Roman Cornelius, and so have Jerusalem Christians learned from Peter“. 128 Vgl. GEWALT, Petrus 49 und s.o. Kap. 5 Anm. 69 zum Augenzeugenprinzip. 129 W IARDA, Peter 170. Eine Angleichung an den Petrus der Apostelgeschichte (so u.a. B ECKER, Simon Petrus 113) greift als einzige Begründung für dieses positivere Bild zu kurz. 130 Nicht ganz zu Unrecht wird die Initiative des Petrus zur Nachwahl des Matthias als Umsetzung von 22,32f gesehen (beispielsweise durch DIETRICH, Petrus-Bild 194), doch erscheint Petrus als Repräsentant der Apostel oder im Zusammenspiel mit ihnen und wird nach Apg 15 von Paulus abgelöst; von einem an Lk 22,32f. anknüpfenden Amt kann erst Recht keine Rede sein. 127
5.3 Das Petrusbild im Matthäusevangelium
215
5.3 Das Petrusbild im Matthäusevangelium 5.3.1 Allgemeine Beobachtungen Auch im Matthäusevangelium ist die Petrusfigur von allen Jüngergestalten am breitesten charakterisiert und gilt daher als wichtigster Charakter nach Jesus131. Grundsätzlich wird vom Erzähler von 4,18 an durchgängig die Bezeichnung Pevtro" verwendet, Sivmwn als ursprünglicher Name findet sich 4,18 und 10,2. Davon hebt sich der Doppelname Sivmwn Pevtro~ 16,16 sowie die Anrede Jesu mit Sivmwn Bariwna' (16,17) bzw. Sivmwn (17,25) ab (s.o. 5.1.11 zu Mk 14,37par.). Abgesehen von der Namensgebung su; ei\ Pevtro~ 16,16 wird Petrus also bei Matthäus wie bei den beiden anderen Synoptikern von Jesus persönlich immer mit Sivmwn angesprochen132. Im Vergleich zu Markus fällt zunächst die Auslassung einiger Szenen auf: Im Fall von Mk 1,36 zusammen mit 1,35–38 deutet dies auf einen 4,23– 25133 über Galiläa hinausgehenden Wirkungskreis Jesu und nicht auf einen sich von Markus unterscheidenden Zug in seinem Petrusbild. Auch der Wegfall der aus Petrus und den Zebedaiden bestehenden Gruppe Mk 5,37 wird aus kompositorischen Gründen eine Straffung des Abschnittes134 zur Ursache haben und nicht in erster Linie eine Minimierung der Bedeutung dieser Figuren intendieren (vgl. dagegen der Auftritt der Mutter der Zebedäus-Söhne 20,20; 27,56). Die Ersetzung dieser Mk 13,3 genannten Gruppe durch die Jünger, die nun Mt 24,3 die Frage nach dem Zeitpunkt der Endzeit stellen, könnte allerdings tatsächlich auf eine „Demokratisie135 rungs-Tendenz“ schließen lassen. Deutlicher scheint dies Mt 21,19f., wo gegenüber Mk 11,20f. die Jünger anstelle von Petrus auftreten. Zwar ist nicht auszuschließen, dass auch hier wieder vorrangig kompositorische Gründe ausschlaggebend sind, da Matthäus diese Szene gestrafft hat, was ein Erinnern an eine vorangegangene Situation verunmöglicht136. Doch hätte die Äußerung des Zweifels V.20 dennoch in gleicher Weise wie bei 131
Vgl. SYREENI, Peter 106. Zur direkten Anrede Jesu mit Sivmwn s.o. Kap. 5 Anm. 1. So auch der Hinweis bei GEWALT, Petrus 31. 134 Zur matthäischen Szenengestaltung s.a. GRUNDMANN, Matthäus 255; FIEDLER, Matthäusevangelium 205. 135 Dazu dann im Überblick über alle Szenen s.u. 5.3.16. 136 So der Vorschlag von SCHNACKENBURG, Petrus 114. Völlig unplausibel ist dagegen die Vermutung bei P ESCH, Simon-Petrus 141, dafür sei die anschließende an alle gerichtete Antwort verantwortlich, da dies nicht nur Mk 10,29 (levgw uJmi'n), sondern an vielen weiteren Stellen zu finden ist, die Petrus dadurch gerade als Sprecher der Jünger kennzeichnen. 132 133
216
Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
Markus Petrus in den Mund gelegt werden können. Bezieht man zudem noch die Auslassung von Mk 14,37b (persönliche Anrede an Simon) in Mt 24,40 sowie von Mk 16,7 in Mt 28,7137 mit ein, so könnte sich darin eine Entwicklung zeigen, die Petrus-Gestalt auf die Jünger hin transparent zu machen138. Da Petrus im Gegenzug dafür auch im Kontext matthäischen Sondergutes vorkommt (Mt 14,28–31; 17,24–27; 18,21f.) und insgesamt häufiger genannt wird als bei Markus139, ist daraus in jedem Fall nicht auf eine Abwertung zu schließen, zumal die tatsächliche Bedeutung in theologischer Hinsicht eine genauere inhaltliche Betrachtung erfordert. So zeigt dies etwa, dass ein besonders häufiges Vorkommen in Mt 13,53–18,35140, einem Abschnitt mit einer besonders starken Konzentration ekklesiologischer Themen, festzustellen ist. 5.3.2 Mt 4,18–20 Analog zu Mk 1,16–18 gehört auch hier der Erstgenannte Petrus zusammen mit Andreas zum zuerst berufenen Brüderpaar, das dem Aufruf und Auftrag Jesu V.19 unverzüglich folgt (eujqevw" Mt 4,20 entspricht im Wesentlichen eujquv" Mk 1,18). Auffallend ist jedoch das vorangestellte duvo ajdelfouv" V.18, das in Zusammenhang stehen könnte mit der insbesondere Mt 5.7 und 18 stehenden Bruder-Ethik141. Die eingangs festgestellte beinahe durchgängige Verwendung von Pevtro" stimmt dazu, dass sich bereits hier wie später Mt 10,2 to;n legovmenon Pevtron findet (dagegen aber erst Mk 3,16). Demgemäß erscheint Mt 16,18 nicht als eine eigentliche Namensgebung, sondern eine Deutung des Namens. U.a. die V.20.22 und 25 (und an weiteren Stellen im Verlauf des Matthäus) parallel erscheinende Formulierung hjkolouvqhsan aujtw/` weist daraufhin, dass die einzelnen Nachfolge-Szenen stärker aneinander angeglichen wurden142 und folglich der ersten Petrus und Andreas betreffenden Szene ein paradigmatischer 137
Mt 28,7 läuft auf die Beauftragung der Jünger 28,16–20 zu und setzt konsequent die Aussendungsrede Mt 10 fort. 138 Vgl. auch SCHWEIZER, Matthäus 13. 139 Vgl. PESCH, Simon-Petrus 140; zwar erscheint dieses Argument angesichts einer weitaus größeren Kapitelanzahl als nicht sehr ausschlaggebend, doch gilt dies für rein quantitativ begründete Bewertungen insgesamt. 140 Vgl. auch BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 71.75; GRAPPE, Images 156. NAU, Peter 62 weist darauf hin, dass keine der aus Markus ausgelassenen Passagen innerhalb von Mt 14–18 platziert worden wären. 141 Dazu u.a. KINGSBURY, Figure 77ff., NAU, Peter 146 und GNILKA, Matthäus I 102.356. Die von Gnilka besonders hervorgehobene Stelle Mt 12,50 zeigt allerdings keinen über Mk 3,35 hinausgehenden Akzent. Inwieweit sich mit ajdelfoivv gemeindegründende oder -leitende Aspekte verbinden lassen (vgl. SYREENI, Peter 122: „one of the founding brothers“) lässt sich m.E. nicht sicher entscheiden. 142 S.a. SCHWEIZER, Matthäus 42.
5.3 Das Petrusbild im Matthäusevangelium
217
Charakter zukommt. Im Rahmen der Gesamtkomposition des Matthäus schließt 4,18 nicht nur an den Beginn von Jesu Wirken 4,17 an, sondern rahmen Berufungsszene und Aussendungsrede Mt 10 (mit dem Übergang ab 9,35) das messianische Wirken Jesu, womit sich die Markus vergleichbare Tendenz zeigt, Jesu Wirken und Jüngerschaft „als von Anfang an zu143 gehörig“ darzustellen. 5.3.3 Mt 8,14f. Anders als Mk 1,29 (vgl. aber Lk 4,38 s.o. 5.2.2) wird nur noch das Haus des Petrus erwähnt, sein Bruder Andreas aber gestrichen. Da ebenso die Zebedaiden als Begleiter Jesu weggelassen werden, zeigt sich hier eine 144 Fokussierung auf Petrus als einzigem Jüngernamen . Eine besondere Nähe zwischen Petrus bzw. dessen Familie zu Jesus drückt sich nicht nur dadurch aus, dass sich die Heilung im Hause des Petrus vollzieht und die Geheilte zu seiner Familie gehört, sondern auch durch deren Reaktion kai; dihkovnei aujtw/' V.15: Anders als Mk 1,30 dient die Schwiegermutter Jesu also Jesus persönlich und rückt auf dem Hintergrund von Mt 27,55 (a}tine~ hjkolouvqhsan tw/' ÆIhsou' ajpo; th'~ Galilaiva~ diakonou'sai aujtw'/) an die Stelle einer Jüngerin. 5.3.4 Mt 10,2 In der Entsprechung von 10,1 und 9,35 (vgl. auch 10,5–42) werden das Wirken Jesu und die Beauftragung der Jünger einander zugeordnet, so wie insgesamt Berufungsszene und Aussendungsrede das messianische Wirken Jesu rahmen (s.o. zu 5.3.2). Gemäß 9,37f. werden die Aussendung der Jünger und in deren Rahmen die hervorgehobene Nennung des Petrus an dieser Stelle in einen missionarischen Kontext gestellt. Die Einführung von oJ legovmeno" Pevtro" 10,2 erscheint hier aufgrund von to;n legovmenon Pevtron 4,18 als Wiederholung und der Petrus-Name als bereits vorausgesetzt. Das vorangestellte prw'to" betont die bereits Mk 3,14 vorhandene Erstnennung, die als einzige mit einem Beinamen versehen ist, und hebt ihn dadurch unter den Aposteln deutlich hervor. In Zusammenhang mit Mt 19,30 und 20,27 könnte dort jedoch eine Relativierung dieser Voranstellung vorliegen145. 143
HOFFMANN, Petrus-Primat 109. Gemäß NAU, Peter 73 ist hier im Zusammenhang mit dem Ersatz der individuellen Namen der Zebedaiden aus Mk 14,33 durch tou;~ duvo uiJou;~ Zebedaivou Mt 26,37 und der Änderung in die 1. Person Singular poihvsw 17,4 statt der die Zebedaiden einschließenden 1. Person Plural poihvswmen Mk 9,5 eine Fokussierung des Petrus durch die Reduzierung anderer Personen festzustellen. 145 NAU, Peter 76; SCHNACKENBURG, Petrus 110 sieht darum „keine äußerlich dominierende Stellung gegenüber den anderen Jüngern“ gegeben. 144
218
Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
5.3.5 Mt 14,28–31 146
In dieser ersten, dem matthäischen Sondergut zuzuordnenden Szene kommt Petrus zwar ebenso eine exponierte Rolle zu, die allerdings im Blick auf seine grundsätzliche Funktion zu sehen ist. Analog zu Mt 8,24– 147 27 gestaltet ist auch Mt 14,28–31 in den Nachfolge-Kontext zu stellen und kommt Petrus eine die Jünger repräsentierende bzw. exemplifizierende 148 Funktion zu . V.28 nimmt er den Zuspruch Jesu an die Jünger V.27 auf, das konditionale Satzgefüge eij su; ei\… lässt aber einen Rest von Zweifel an der Identität Jesu erkennen. Anhand von prov" se wird ein persönliches Element einbezogen, das den Bezug zur Person Jesu weiter thematisiert. Das Motiv des Windes und der Hilfeschrei kuvrie, sw'sovn me149 verbindet diese Szene mit Mt 8,25f., die Bezeichnung als ojligovpiste" zeigt sich als matthäisch forciertes, sonst auf die Jünger im Gesamten bezogenes Motiv vgl. 6,30, 16,8 und 17,20. Ebenso findet sich das Phänomen des Zweifelns 150 (distavzw V.31) 28,17 auf alle Jünger übertragen . Im anfänglichen Vertrauen auf Jesu Wort und im Versagen wie gleichermaßen in seiner Rettung durch Jesus151 ist Petrus hier „der typische Jünger“152. V.33 mündet die Szene über Mt 8,26f. hinausgehend (und im Gegensatz zum JüngerUnverständnis Mk 6,52) in ein Bekenntnis der Jünger, das in variierter Wortstellung in 16,16b eine Parallele hat (qeou' uiJov" – oJ uiJo;" tou' qeou')153 (s.u. zu 16,16).
146
Die Petrus-Episode V.28–31 stellt eine bedeutsame Erweiterung gegenüber Mk 6,45–52 dar, worin sich folglich spezifisch matthäische Interesse zeigen. 147 So entspricht beispielsweise kuvrie( sw'sovn me (14,30) kuvrie( sw'sovn( avpolluvmeqa (8,24). 148 Vgl. auch W ILKINS, Concept 180: Mt 14,28–31 „functions as a sort of paradigm for this discipleship context.“ 149 LUZ, Matthäus II 409 deutet dies als Bezug auf den Passions-Psalm 69,2f., was im Hinblick auf die Adressaten bedeutet: sie beten dies mit und „erkennen in Petrus sich selbst...“. Vgl. auch schon GRUNDMANN, Matthäus 368f.; SAND, Matthäus 308; FIEDLER, Matthäusevangelium 276 u.a. 150 Vgl. dazu auch die Übersicht bei KINGSBURY, Figure 73, s.a. ausführlicher NAU, Peter 102f. 151 Die darin gegebene Ambivalenz unterstreicht auch W ILKINS, Concept 182f. Hier kommt es darauf an, ob der Akzent auf das Handeln Jesu oder dasjenige des Petrus gelegt wird; wichtig für das Petrus-Bild und seine paradigmatische Funktion sind jedoch beide Aspekte. Fraglich ist m.E. aber gegen BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 74f., inwieweit an dieser Stelle ein Bezug zur Felsen-Funktion gegeben ist; dagegen spricht nicht nur die narrative Abfolge des Matthäusevangeliums, sondern v.a. das Petrus-Bild an dieser Stelle. 152 DSCHULNIGG, Petrus 38 s.a. DERS., Gestalt 165. Insgesamt ist mit GEWALT, Petrus 31 festzustellen, dass „der Nachfolgegedanke stärker ins Typische erhoben“ wird. 153 Vgl. auch BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 74.
5.3 Das Petrusbild im Matthäusevangelium
219
5.3.6 Mt 15,15 Die Bitte des Petrus um Deutung eines Gleichnisses154 weist hier wieder auf seine Rolle als stellvertretender Sprecher der Jünger. Dies zeigt sich auch daran, dass als Adressaten sowohl vorher (V.12 oiJ maqhtaiv, V.14 a[fete) als auch nachher (uJmei'" ajsuvnetoiv ejste V.16) die Jünger zu gelten haben, was eine Nähe zur Jüngerfrage Mk 7,17 aufweist. So sind an dieser Stelle wie 16,18 und 17,23–27 halachische Fragen angesprochen, was Petrus in diesem Bereich eine gewisse Autorität als Tradent und Garant155 zukommen lässt; doch ist dies im Gesamtbild auf für die matthäische Gemeinde generell bedeutsame Bereiche zu erweitern. 5.3.7 Mt 16,13–19 Der Vergleich mit Mk 8,29 zeigt, dass im Rahmen der Komposition156 von Mt 16,16–19 einige auch für das Petrusbild relevante Aspekte ergänzt sind. Durch die Bezeichnung mit seinem Doppelnamen wird zunächst ein Rückbezug zu 4,18 (Sivmona to;n legovmenon Pevtron) und 10,2 (Sivmon oJ legovmeno~ Pevtro~) hergestellt, wodurch Petrus nicht nur hervorgehoben wird (s.o. 5.3.1.), sondern was ihn zugleich als ersten der Jünger sprechen 157 lässt . Gegenüber Markus erfolgt zunächst eine Erweiterung des Christus-Bekenntnisses mit oJ uiJo;" tou'' qeou' tou' zw'nto"158 (V.16). Die Bezeichnung als cristov" ist hierbei anders als bei Markus nicht nur Mt 1,1, sondern im Rahmen von Erzählerhinweisen bereits an weiteren Stellen des Matthäusevangeliums präsent (so auch 1,16f.; 2,4; 11,2). Ein explizites Christus-Bekenntnis ist vorher nicht zu finden, wohl aber das zum qeou' uiJov" 14,33 im Mund der Jünger. Ferner ist von Interesse die V.17 folgende Seligpreisung aufgrund einer besonderen Offenbarung des Vaters: Einerseits kommt hier aufgrund der persönlichen Anrede und der nachfolgenden Verheißungen ein sehr persönlicher, individueller Charakter zum Ausdruck. Andererseits entspricht die Anrede su; ei\ Pevtro~ V.18 su; ei oJ 154
Worauf sich die Frage des Petrus genau bezieht, wird hier nicht deutlich, es fällt jedoch auf, dass die Antwort Jesu thematisch nicht auf den unmittelbar vorangegangenen Vers 14, sondern auf V.11 bezogen ist. 155 Vgl. auch GRAPPE, Images 156. Für SYREENI, Peter 128f. repräsentiert Petrus hier Werte, die einen (Groß?)Teil der Gemeinde betreffen, in Voraussetzung ihres DreiWelten-Modells ordnet sie Petrus daher als einen Vertreter der 2. symbolischen Welt ein (zu ihrem Modell s.o. 3.4.1 und Kap. 3 Anm. 110). 156 Auf eine detaillierte Analyse unter redaktionsgeschichtlicher Perspektive, d.h. auch eine Unterscheidung von Tradition und Redaktion wird im Rahmen dieser Analyse verzichtet (s.o. meine Vorbemerkungen zu Kapitel 5). 157 HOFFMANN, Petrus-Primat 109. 158 Hierbei findet sich oJ uiJo;" tou' qeou' auch Mt 26,63, jedoch nicht in direkter Verbindung mit dem vorangehenden tou' qeou' tou' zw'nto".
220
Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
cristov~ V.16, weist so also zurück auf das stellvertretende Bekenntnis des Petrus. Dazu spielen Seligpreisungen im Rahmen des Matthäusevangeliums insgesamt eine nicht unbedeutende Rolle159 und ist V.17 vermutlich nach 11,25–27 gestaltet160. Wie insbesondere 11,25 und auch 13,16 zeigen, wird Petrus hier also als ein exemplarischer Offenbarungsempfänger in Entsprechung zum Jüngerkreis gepriesen, worauf sich auch die folgenden Verheißungen und Funktionen gründen: so die mit dem Petrus-Namen verbundene Felsen-Funktion161 (V.18), das Schlüsselwort und das Wort vom Binden und Lösen (V.19). In traditionsgeschichtlicher Hinsicht besteht hier keine letzte Klarheit162, doch wird in jedem Fall eine Verbindungslinie zu Mt 7,24f.163 zu ziehen sein: Wenn auf Fels gegründet ist, wer Jesu Worte hört und tut, dann erfüllt Petrus als Zeuge und Tradent von Jesu Worten eben diese Felsen-Funktion. Sachlich steht dies in engem Zusammenhang mit der Eph 2,20 erwähnten, im wahrsten Sinne des Wortes „grundlegenden“ Funktion der Apostel, aus deren Kreis heraus im Matthäusevangelium Petrus in besonderer Weise, doch zugleich in exemplarischer Funktion als 164 Erster der Jünger , hervorgehoben wird. Ferner verweist die Schlüssel-Funktion (V.19 vgl. Jes 22,22)165 auf die Position eines Verwalters der Worte Jesu, wodurch im Gegensatz zu Pharisäern und Schriftgelehrten (23,13) der Zugang zum Himmelreich eröffnet wird166. Von 28,20 her wird das Bewahren der Worte Jesu, und damit die
159
S.o. zu 4.1.1.2. Vgl. auch u.a. GRUNDMANN, Matthäus 386; GNILKA, Matthäus II 54; DAVIES/ ALLISION, Matthew II 621. In jedem Fall stehen 11,25–27 und 16,17 auf der Ebene des vorhandenen Matthäusevangeliums im Zusammenhang und sind von daher zu interpretieren; eine Analogie zwischen diesen Stellen zieht auch B LANK, Petrus-Typologie 177. 161 In Entsprechung zu den Bemerkungen zu Joh 1,42 ist hier von einer „Funktion“ zu sprechen, nicht aber von einer Charaktereigenschaft. Diese Unterscheidung ist terminologisch wichtig, da Letztere nicht mit dem englischen (im literaturwissenschaftlichen Kontext gebrachten) Begriff „character“ deckungsgleich ist. Bezüglich Mt 16,18 hatte bereits Schlatter die funktionale Bedeutung klar hervorgehoben, vgl. SCHLATTER, Matthäus 507. 162 Als möglicher Hintergrund könnte Jes 51,1f. gelten, so u.a. B ENEDETTI/ORTH, Petrus 115; DSCHULNIGG, Gestalt 168 und DAVIES/ALLISION, Matthew II 624.642, dazu aber kritisch B OCKMUEHL, Peter 152–154. GNILKA, Matthäus II 62f. schlägt auch 1QH 6,24– 28 vor. 163 ALBRIGHT/M ANN, Matthew 195; B LANK, Petrus-Typologie 177 s.a. DERS., PetrusAmt 85; CASSIDY, Four Portrayals 74. 164 Zur Verklammerung von 4,18, 10,2 und 16,16 HOFFMANN s.o. Kap. 5 Anm. 157. 165 Vgl. u.a. ALBRIGHT/MANN, Matthew 197; CULLMANN, Petrus 227; GRAPPE, Images 156 und DSCHULNIGG, Gestalt 168. 166 So u.a. DAVIES/ALLISON, Matthew II 639; GRAPPE, Images 157, s.a. ausführlich KONRADT, Israel 201–205. 160
5.3 Das Petrusbild im Matthäusevangelium
221
Schlüsselgewalt auf alle Jünger übertragen167. Dem entspricht, dass die Jünger u.a. 12,49f., 13,18.51, 14,33 und 16,12 als diejenigen dargestellt 168 werden, die Jesu Worte und Wirken verstehen . Das Wort vom Binden und Lösen (ebenfalls V.19), womit die u.a. 15,15; 17,24–27 zum Ausdruck kommende halachische Kompetenz gemeint ist, findet sich 18,18 ebenfalls übertragen auf die Gemeinde169. Davon unbenommen kommt der Petrusfigur hier eine im repräsentativen Sinne ekklesiologische Bedeutung170 und im Bild gesprochen gemeindegründende Funktion zu. 5.3.8 Mt 16,21–23 Das Verhältnis der direkt aufeinanderfolgenden Petrus-Szenen V.13– 20.21–23 ist einerseits formal durch eine deutliche Zäsur zu Beginn von V.21 bestimmt (vgl. ajpo; tovte171), andererseits ist formal und thematisch eine chiastische Zuordnung von Mt 16,13–20 und 21–28 zu erkennen172:
167
Vgl. auch GNILKA, Matthäus II 79: Insgesamt ergibt sich daraus eine „Auslegungslinie (...), die von 16,18 zu 18,18 und 28,19f. führt, d.h. vom einzelnen zur Gruppe, zur Kirche“. Petrus sei derjenige, der „die Kirche auf den Glauben an Jesus, den Christus und Gottessohn, verpflichtet, der die Treue zur Überlieferung und Weisung Jesu gewährleistet“. Gemäß B LANK, Petrus-Typologie 177 ist jedoch zwischen Felsen- und Schlüsselfunktion bzw. Binden und Lösen zu unterscheiden und bzgl. des Letzteren ist ihm zuzustimmen, dass man es als „mt Interpretation von Mt 16,19 ansehen muss“ und es sich somit um eine Übertragung dieser Vollmacht auf die Gemeinde handelt. 168 Vgl. auch KONRADT, Israel 371: „In 11,2–16,20 treten die Jünger als die hervor, die das Wirken Jesu verstehen und seinen Willen tun. Dass Petrus die Schlüssel des Himmelreiches übergeben werden, fügt sich hier ein.“ Eine Ausnahme bildet nur 15,15, wo Matthäus im Wesentlichen Mk 7,18 übernimmt, der Zusatz ajkmhvn aber ein Bild der Jünger als eigentlich bereits Verstehende impliziert. Gegen NAU, Peter 106f. muss ajkmhvn im Zusammenhang mit den genannten Verweisen auf das besondere Verstehen der Jünger interpretiert werden. Nau ist jedoch zuzustimmen, dass – allein mit der Übernahme des ajsuvnetoiv aus Markus – die ambivalenten Züge in Verbindung mit Petrus beibehalten werden; dazu s.u. 5.3.16. 169 Mit der Rückführung letztlich auf Petrus wird somit eine Gemeindepraxis in die apostolische Zeit rückgeführt, vgl. auch B LANK, Petrus-Typologie 177. TRILLING, Petrusamt 119 dagegen sieht aufgrund der Reihenfolge Mt 16,19 als hermeneutischen Schlüssel für Mt 18,18 an und fragt so: „Ist es die Petrusvollmacht selbst, die gleichsam in den Entscheidungen der Gemeinde weiterwirkt?“. 170 Gemäß W IEFEL, Matthäus 300 wird die Basileia-Botschaft „verdichtet zur Proklamation einer eschatologischen Heilsgemeinde, deren konkrete Gestalt durch die Gründung auf die Person des Petrus kenntlich wird“. 171 Wie im Fall von Mt 4,17 handelt es sich hier um eine deutliche Strukturierung verschiedener Abschnitte des Matthäusevangeliums. 172 Im Folgenden siehe auch LUZ, Matthäus II 453.
222
Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
V.13–15
Dialog Jesus – Jünger
V.24–28
V.16–19
Dialog Jesus – Petrus
V.22–23
(darin V.17/23 Gegensatz göttlich ↔ menschlich) V.20
Anrede Jesus an die Jünger
V.21
Aufgrund der äußerst negativen Züge, mit denen Petrus hier charakterisiert wird, ergibt sich in der Abfolge der beiden Szenen eine starke Ambivalenz des Gesamtbildes173, zumal in der chiastischen Zuordnung von V.16–19 und 22f. Dabei weist die matthäische Darstellung gegenüber Mk 8,33 eine Ausweitung der schon dort beobachteten negativen Tendenz auf: Nicht nur wird der Einspruch des Petrus durch eine wörtliche Rede (V.22) verstärkt, sondern auch die scharfe Entgegnung Jesu; indem ijdw;n tou;" maqhta;" aujtou' aus Mk 8,33 wegfällt, ist der Bezug konkret auf Petrus und weniger auf die Jünger gegeben, was durch die Einfügung von skavndalon ei\ ejmou' 174 noch wirkungsvoll unterstrichen wird . Die Bezeichnung als skavndalon ist vermutlich auf dem Hintergrund des von Matthäus oft gebrauchten Verbes skandalivzw zu verstehen, und zwar im Sinne von „Anlass zur Sünde geben“ (5,29f.; 18,6 u.ö.) und damit auch „in den Gegensatz zu Jesus treten“ (11,6; 13,57; 15,12 u.ö.) 175. Dies legt nahe, „… daß in Petrus – trotz der individuellen Anrede – die bleibende Gefährdung der Jüngerschaft 176 dargestellt wird“ . In diesem Sinne ist der folgende Aufruf Jesu ojpivsw mou hierbei als Aufruf in die Nachfolge (vgl. 4,19), genauer in die Kreuzesnachfolge (16,24) zu verstehen177. Die verstärkt kritische Darstellung des Petrus entspricht dabei den Tendenzen des matthäischen Jüngerbildes von 16,21–20,28, das an vielen Stellen vom Unverständnis der Jünger bzw. 178 einem „ideological conflict with Jesus“ gekennzeichnet ist.
173
Gegen CASSIDY, Four Portrayals 78 stellt die vorherige Rolle des Petrus in 16,22f. daher kein „temporary phenomenon“ dar, sondern eine Seite des ambivalenten Bildes, das verschiedene Züge einer Jüngerexistenz vereint. 174 Dazu wird skavndalon ei\ ejmou im scharfen Kontrast zu makavrio~ ei\ V.17 stehen, dazu auch NAU, Peter 110. 175 Ein vielfach diskutierter Bezug auf Jes 28,16 ist dagegen wenig wahrscheinlich s.a. SCHNACKENBURG, Petrus 110f., der auf die ansonsten christologische Auswertung hinweist (Mk 12,10f.parr.; Apg 4,11; Röm 9,32f.; 1Petr 2,4.6–8). 176 HOFFMANN, Petrus-Primat 107, kursiv P.H. 177 Vgl. auch SYREENI, Peter 133 s.o. 5.1.6 zu Mk 8,34. 178 B ROWN, Disciples 91; vgl. die von ihr besprochenen Abschnitte 17,14–20; 18,1– 20; 19,1–12.13–15.16–26; 20,20–28 in Entsprechung zu den Petrus-Szenen 16,21–23; 17,1–13.24–27 und 18,21ff.
5.3 Das Petrusbild im Matthäusevangelium
223
5.3.9 Mt 17,1–8(13) Im Vergleich mit der markinischen Darstellung der Verklärung werden sowohl Petrus als auch seine Begleiter deutlich entlastet: Gegenüber Mk 9,5 spricht Petrus Mt 17,4 Jesus wieder stellvertretend mit kuvrie anstelle von rJabbiv an, auch ergänzt Matthäus beim Vorschlag des Petrus eij qevlei". Die Furcht der Jünger wird nicht mehr auf das Missverstehen seitens des Petrus (ouj ga;r h[/dei tiv ajpokriqh'/ vgl. Mk 9,6) bezogen, sondern mit einer Anbetungs-Geste verbunden (V.6) und von Jesus mit dem Aufruf zur Furchtlosigkeit (ejgevrqhte kai; mh; fobei'sqe V.7) beantwortet. Doch wird nicht nur der Aspekt fehlenden Verstehens eliminiert, sondern V.13 in Ergänzung von Markus sogar ihr Verstehen der Rolle des Täufers angefügt. Wie Mt 14,28 (und 16,16f.) wird auch ein persönlicher Bezug zwischen Petrus und Jesus verstärkt, indem der Vorschlag des Petrus, Hütten zu bauen, V.4 mit poihvsw formuliert wird. 5.3.10 Mt 17,24–27 Zunächst fällt auf, dass Petrus hier als Ansprechpartner für Außenstehende (oiJ ta; divdracma lambavnonte" V.24) fungiert, was ihm eine über den Kreis der Jünger bzw. der Gemeinde hinausgehende „offizielle“ Autorität zuspricht. Doch bleibt zu beachten, dass Jesus ihn V.26 zumindest teilweise korrigiert und die Zahlung nur um der Vermeidung öffentlichen Ärgernisses willen in ironischer Weise gutheißt (V.27). Wie bereits eingangs bemerkt (s.o. 5.3.1.), wird Petrus im Rahmen persönlicher Anrede durch Jesus mit Sivmwn angesprochen und nicht mit dem Petrus-Namen, der zuvor 16,18 mit der Felsen-Funktion in Verbindung gebracht worden ist. Darin wird ein kritischer Aspekt zu sehen sein, der jedoch wiederum in den Kontext einer Repräsentationsfunktion einzuorden ist; dafür spricht auch die Wendung tiv soi dokei' V.25, der die Anrede an die Jünger (tiv [de;] uJmi'n 179 dokei'É) 18,12; 21,28 entspricht. 5.3.11 Mt 18,21f. Das ambivalente Bild setzt sich auch an dieser Stelle fort: Zunächst tritt Petrus wieder in seiner Sprecherrolle auf und sein Vorschlag, sieben Mal zu vergeben, scheint von einem gemäß Lk 17,4 adäquaten Verständnis von (vollkommener) Vergebung zu zeugen. Andererseits wird gerade dieses Verständnis von Jesus korrigiert, indem selbst diese Vollkommenheit re-
179
Vgl. die Hinweise bei DAVIES/ALLISON, Matthew II 744. Mt 22,17.42 findet sich diese Wendung auch als Frage der Pharisäer bzw. des Hohepriesters Mk 14,64/ Mt 26,66.
224
Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen 180
präsentierende Zahl von Jesus noch im Sinne einer Grenzenlosigkeit gesteigert wird. Hier wird ein Charakter gezeichnet, der in der Situation von Lehrfragen selbst als Lernender auftritt181, und dessen narrative Darstellung der Vermittlung matthäischer Akzente dient – hier besonderns im Vergleich mit Lk 17,4. 5.3.12 Mt 19,27f.
Wenn die Petrusfigur an vielen Stellen den Impuls für weitere Jesus-Rede setzt, so fungiert die gegenüber Mk 10,28 mit tiv a[ra e[stai hJmi'n erweiterte Äußerung des Petrus V.27 nicht nur als Auslöser für V.28–30, sondern auch als Vorbereitung des Gleichnisses 20,1–16. Zu fragen bleibt, ob Petrus hierbei eine „elite group“182 repräsentiert, die in besonders radikaler Weise die Nachfolge praktiziert. In der von V.26 an im Raum stehenden Frage der Jünger nach der Realisierbarkeit dieses Nachfolge-Ethos bestätigt Petrus nach V.27 die gottgegebene Möglichkeit und hat demgemäß die Funktion als Sprecher der Jünger und damit auf der Ebene der Adressaten der matthäischen Gemeinde183 inne184. 5.3.13 Mt 26,33–35 Mit Markus vergleichbar verdunkelt sich das Bild des Petrus merklich im Bereich der Passionserzählungen. Noch über Mk 14,29 hinausgehend wird Mt 26,33 der Vergleich mit den anderen Jüngern – und damit eine gewisse Überheblichkeit und Selbstüberschätzung angesichts der Verleugnungsansage – durch oujdevpote verstärkt. In 26,35 ergänzt Matthäus gegenüber Mk 14,31 den Namen Pevtro", verdeutlicht also sein konkretes Charakterbild. Zugleich wird die Petrusfigur jedoch transparenter auf die Gruppe der Jünger hin gestaltet: Dies zeigt sich daran, dass Matthäus in V.35 pavnte" aus Mk 14,33 mit oiJ maqhtaiv ergänzt. So wird Petrus explizit zum „Sprecher der Jünger“185, allerdings hier im Negativen. Wie 14,28; 16,16(–19) und 17,4 beobachtet, wird auch 26,33 durch die Ergänzung des ejn soiv
180
Siehe auch DAVIES/ALLISION, Matthew II 79; W ILKINS, Concept 199; NAU, Peter 44f. u.a. 181 SCHWEIZER, Matthäus 245. 182 SYREENI, Peter 143f. 183 Gemeint ist dabei allerdings das Bild der vom Evangelisten intendierten matthäischen Gemeinde, inwieweit sich dies wiederum mit historischer Wirklichkeit deckte, muss offen bleiben; zu vermuten ist eher eine Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die diese Postulate auch erst notwendig macht. 184 Vgl. auch LUZ, Matthäus III 128. 185 PESCH, Simon-Petrus 140, kursiv R.P.
5.3 Das Petrusbild im Matthäusevangelium
225
(vgl. auch ejn ejmoiv V.31 gegenüber Mk 14,27) das persönliche Element verstärkt. 5.3.14 Mt 26,36–46 Diese Tendenz, einen persönlichen Bezug zwischen Jesus und Petrus bzw. den Jüngern deutlicher zum Ausdruck zu bringen, zeigt sich auch durch die Ergänzung von metÆ ejmou' V.38/40186. V.40 wird Petrus nicht mehr in persönlicher Anrede angesprochen (jedoch bleibt kai; levgei tw'/ Pevtrw/), der Vorwurf richtet sich aber explizit an die Jünger (vgl. die Ergänzung von tou;" maqhtav" ebenfalls V.40, aber auch abschließend V.45 gegenüber Mk 14,41). Andererseits weren die Jünger auch durch den alleinigen Hin187 weis auf ihre Müdigkeit in einem positiveren Licht dargestellt , denn Matthäus streicht V.43 kai; oujk h[/deisan tiv ajpokriqw'sin aujtw/' aus Mk 14,40. Von der Situation her bleibt etwas unklar, wer nun konkret mit tou;" maqhtav" gemeint ist: Von V.37 her sind es eigentlich Petrus und die Zebedaiden, doch eignet sich der so vielfach eingefügte Begriff der Jünger für eine Ausweitung der Gruppe und verstärkt die prototypische Funktion, nicht nur des Petrus für die Dreiergruppe, sondern auch der Dreiergruppe für die Gesamtheit aller Jünger. Dies zeigt sich auch in der Zusammenschau der Szenen, in denen Petrus und die Zebedaiden eine Rolle spielen, nämlich im Rahmen der Berufung 4,18–22 und der Verklärung 17,1–13 188 (vgl. auch die Zebedaiden allein 20,20–28) : Rechtverstandene Nachfolge orientiert sich am Dienst Jesu am Kreuz (17,12; 20,27f.). 5.3.15 Mt 26,58.69–74 Matthäus übernimmt von Markus die „sandwich“-Technik, die PetrusSzene V.58 beginnen und erst nach dem Verhör Jesu V.69 fortsetzen zu lassen. Trotz der negativen Rolle des Petrus im Rahmen der Verleugnungsthematik im Ganzen wird Petrus V.58 durch den Zusatz ijdei'n to; tevlo~ (vgl. 10,22; 24,13) dennoch zunächst als vorbildlicher Jünger gezeich189 net , auch wenn er dann genau daran scheitern wird. V.69 wird vom Setting her durch dev und e[xw (dann auch als Höhepunkt V.75!) der Kontrast zu Jesus noch verstärkt190. Gleich die erste Frage der Magd spielt auf das „Mit-Jesus-Sein“ an, das bereits 26,38.40.51 Versagen mit sich brachte, 186
Vgl. auch LUZ, Matthäus IV 214; SCHWEIZER, Matthäus 322; WAIRDA, Peter 96. Dies geschieht analog zu Petrus, indem ouj ga;r h[/dei tiv ajpokriqh/' aus Mk 9,6 in Mt 17,6 weggelassen wird, dazu N AU, Peter 79 und s.u. 5.4.16. 188 S.a. DAVIES/ALLISON, Matthew III 495. 189 Gegen NAU, Peter 88 spricht dieser Zusatz als Vorsatz zunächst gerade für und nicht gegen Petrus, unterstreicht vom Ausgang der Verleugnungsszene her betrachtet jedoch sein Scheitern als Jünger. 190 S.o. 4.1.4 zu Joh 18,16. 187
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
eine weitere Betonung der Verleugnung erfolgt durch die Ergänzung e[mprosqen pavntwn V.70. Bezüglich des Schwörens V.72 könnte ein Kontrast zu 26,63f. oder 5,33–37191 intendiert sein, was bedeuten würde, dass Petrus auch gerade durch seine negativen Züge matthäische Theologie profiliert. Ob Nazwraivou V.71 aufgrund von Mt 2,23 auf einen messianischen Klang weist und damit explizit eine Verleugnung der (16,16 bekannten!) Messianität192 meint oder mit der Bezeichnung für Jesus-Anhänger in Verbindung zu bringen ist (vgl. Apg 24,5)193, muss hier nicht entschieden werden: In beiden Fällen werden die negativen Züge verstärkt. Das gleiche gilt für die Schilderung der Emotionen des Petrus (e[klausen pikrw'" V.75) und damit eine deutlichere, auf Identifizierung angelegte Charakterisierung 194 der Petrusfigur . 5.3.16 Zusammenfassende Thesen im Hinblick auf ein matthäisches Petrusbild 1. Wie auch insgesamt knüpft Matthäus zunächst deutlich an Markus an und verstärkt dabei in Entsprechung zum matthäischen Jüngerbild insge196 samt195 die sowohl bei Markus als auch Lukas bemerkten ambivalenten Züge: Zur deutlich positiven und exponierten Darstellung gehört zum einen die bereits vorgegebene Rolle als Missionar (4,19), wenn auch bemerkenswert ist, dass das Matthäusevangelium in einen an alle Jünger gerichteten Missionsauftrag mündet (28,20). Zum anderen baut Matthäus die 197 Sprecherrolle (stellvertretend für die Jünger ) noch aus (15,15; 16,16; 17,24–27; 18,21; 19,27), indem Petrus an einigen Stellen zum Sprecher einer judenchristlich geprägten Gemeinde und damit zum Tradenten und Garanten von Gemeinde-Halacha und „Doktrinen“ (16,16) wird198, jedoch genauso Jüngerunverständnis repräsentiert (z.B. 18,21). An einigen Stellen werden negative Züge verstärkt (z.B. 26,33 im Rahmen der Passion), was 16,21–23 in Verbindung mit 16,13–19 in besonders konzentrierter kon191
So auch u.a. SCHWEIZER, Matthäus 372, GEWALT, Petrus 32 und NAU, Peter 90. SCHNACKENBURG, Petrus 112. 193 PESCH, Apostelgeschichte II 436. 194 Auch für DSCHULNIGG, Gestalt 178 gilt: „Das persönliche Scheitern des Petrus ist aber zugleich so gezeichnet, daß es transparent wird für das typische Jüngerversagen.“ 195 STRECKER, Weg 193f. 196 Dies lässt Petrus in der Terminologie Forsters verstärkt als „round character“ erscheinen, so auch der zutreffende Hinweis bei P OPLUTZ, Welt 76. 197 Die stellvertretende Sprecherrolle findet sich 14,28; 15,15; 16,16; 17,4; 18,21; 19,27; 26,33.35, indem Petrus nach einer Frage an die Jünger allgemein antwortet, s.a. die Hinweise bei DAVIES/ALLISON, Matthew II 507. 198 Als Kontrapunkt dazu ist die Rolle des Lieblingsjüngers im Johannesevangelium zu sehen s.a. GRAPPE, Images 158; LUZ, Matthäus II 469 bezeichnet den Lieblingsjünger als „Parallelfigur“ zum matthäischen Petrus. 192
5.3 Das Petrusbild im Matthäusevangelium
227
trastreicher Weise zum Ausdruck kommt. Ebenso lässt die Streichung von ouj ga;r h[/dei tiv ajpokriqh/' aus Mk 9,6 in Mt 17,6 Petrus in einem positiveren Licht erscheinen, was analog zu Mt 26,43 (vgl. Mk 14,40) für die Jünger gilt. Selbst die Hervorhebung des ersten Apostels (10,2!) bekommt in der Relativierung 20,27 ein deutliches Gegengewicht und im matthäischen Sondergut 14,28–31 verbinden sich die Protagonistenrolle mit dem Scheitern (dazu s.u. 3. zur paradigmatischen Funktion). Negative wie positive 199 Züge entsprechen insgesamt dem matthäischen Jüngerbild im Ganzen und dienen der Identifizierung und Distanzierung des Impliziten Lesers zur Verdeutlichung von Aussagen zur Christologie und dem matthäischen Bild 200 von Nachfolge und Jüngerschaft . 2. Entsprechend dazu ist im Vergleich zur markinischen Darstellung an einigen Stellen eine Demokratisierungstendenz201 zu beobachten: Darauf deuten die Weglassung von Mk 11,21 in Mt 21,20, der Jüngerfrage anstelle von Petrus und den Zebedaiden Mt 24,3 (cf. Mk 13,3), und v.a. von Mk 16,7 in Mt 28,7202. Wenn im Rahmen der Verklärungsperikope eine „Abmilderung“ des noch Mk 9,6 geäußerten Unverständnisses erfolgt, so betrifft dies nicht nur die Petrusfigur als solche, sondern auch die Jünger, die im Anschluss sogar dezidiertes christologisches Verstehen dokumentiert bekommen (Mt 17,12)203. Ebenso kann die Verstärkung negativer Züge beide betreffen: So entspricht z.B. dem deutlicher zum Ausdruck kommenden Versagen des Petrus 26,33 der Vorwurf an die Jünger 26,40. Das Scheitern des Petrus am „Mit-Jesus-Sein“ betrifft nicht nur Petrus im 199
BROWN, Disciples, zusammenfassend 145–150 s.a. die Übersicht zu den Petrus und Jünger verbindenden Motiven im Rahmen von Matthäus und Markus/Q bei N AU, Peter 132; vgl. auch W ILKINS, Concept 214–216 in der Betonung der exemplarischen Funktion von Petrus, allerdings neben der Einzigartigkeit seiner Person (vgl. auch W EHR, Petrus und Paulus 256f.). Zum Verhältnis von historischer Person und typologischer Funktion s.u. Ulrich LUZ und Kap. 5 Anm. 207. 200 Dabei zeigt sich bei Matthäus schon in der häufigen Verwendung von maqhthv~ „ein besonderes Interesse an den Jüngern bzw. am Jüngersein“ (POPLUTZ, Welt 110). 201 Vgl. auch SAND, Matthäus 331: „Dabei ist zunächst wieder auffallend, daß Mt, was er von Petrus sagt, in gleicher Weise auch von allen (oder einigen) anderen Jüngern sagt.“ 202 In entsprechender Weise kommt den Jüngern dann wenige Verse später in 28,17 die gleiche ambivalente Chrakterisierung zu wie Petrus in Mt 14,28–31: Glaube vollzieht sich zwischen den Polen von Zweifel und Anbetung. So auch SYREENI, Peter 147 und SCHNACKENBURG, Petrus 117: „Anbetung und Zweifel sind beides Möglichkeiten im Jüngerverhalten“ (s.a. 125: darin „wird er zum Lehrbeispiel für alles Jüngertum, das aus Gnade und Kraft Gottes lebt“). 203 So verstanden ist DSCHULNIGG, Gestalt 178 zuzustimmen „Das MtEv hellt die dunklen Seiten im Bild des Petrus, wie sie sich schon im MkEv finden, nicht durch Auslassungen oder übermalende Retuschen auf“, sondern hat teilweise ein positiveres Petrusund Jüngerbild (so etwa in Mt 17,12) und verstärkt teilweise aber auch wieder negative Aspekte (so den der „Kleingläubigkeit“ 14,31 vgl. auch 6,30; 8,26; 16,8 oder die Anrede des Petrus als skavndalon 16,23).
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Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
Kontext der Verleugnung (vgl. 26,69f.), sondern 26,38.40.51 ebenso die Jünger. In vergleichbarer Weise wird beispielsweise der Verrat des Judas 26,14–16 um das Motiv der Silberlinge erweitert, was ebenso eine verstärkt negative Charakterisierung impliziert. Doch selbst in besonderer Weise mit der Petrusfigur verbundene Funktionen 16,18f. werden 28,20 (Felsenfunktion) und 18,18 (Schlüsselfunktion) auf die Jünger insgesamt, d.h. auf die Gemeinde übertragen. 3. Dazu stimmt, dass Petrus in vielen Szenen eine deutlich paradigmatische Funktion zukommt, so in den Berufungsszenen 4,18–22, bzgl. des Motivs der Kleingläubigkeit (14,28–31), anhand seiner Seligpreisung 16,17, durch den Aufruf in die (Kreuzes-)Nachfolge 16,23 (vgl. 16,24–28) und bei seinem Versagen in Gethsemane (vgl. der Personenwechsel in 20,40b.) Auch die Verstärkung des persönlichen Elements in der Beziehung Petrus – Jesus bei Lukas (besonders s.o. 5.2.12) ermöglicht eine stärkere Identifizierung in der Frage einer persönlichen Loyalität der Gläubigen. Dass Petrus einerseits in besonderer Weise gewürdigt (vgl. nur 16,16–19), aber andererseits heftig gescholten (16,23) wird, verstärkt die Ambivalenz nicht nur seiner Charakterisierung, sondern verdeutlicht in paränetischer Absicht Aspekte seiner paradigmatischen Funktionen204. Von einem „verwirrenden Mangel an Folgerichtigkeit im Bild des Petrus“ kann daher keine Rede sein205. Selbst die deutlich exponierte Stellung z.B. in Mt 10,2 (s.o. 1.) ist in paradigmatischer Weise zu interpretieren: „Der von Jesus zuerst berufene Petrus ist für Matthäus besonders wichtig, weil er in exemplarischer Weise zeigen kann, daß Jüngersein grundsätzlich nichts anderes bedeutet als dies, an der damaligen und einmaligen Geschichte Jesu mit seinen Jüngern zu partizipieren“206. Dabei schließen sich die Perspektive einer Funktion als Typos und einer dahinter stehenden historischen, d.h. einmaligen Person nicht gegenseitig aus 207, sondern schließen vielmehr aneinander an: Gerade eine zentrale Gestalt des Urchristentums
204
So spricht KARRER, Petrus 229 von der „Ausgestaltung des Petrus-Bildes zum Paradigma des ‚widerspruchsvolle(n) Sein(s) des Christen‘“, so auch STRECKER, Weg 202.204–206, ebenso wird nach P ESCH, Simon-Petrus 143f. die „Gefahr der Gemeinde (…) in der Gestalt des Petrus typisiert“. 205 BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 95. 206 LUZ, Matthäus II 86 im Anschluss an 10,2. 207 So stellen beispielsweise STRECKER, Weg 205 oder KINGSBURY, Matthew 14.76 u.ö. in erster Linie die typologische Bedeutung heraus, dagegen aber T RILLING, Petrusamt 120f. LUZ, Matthäus II 468 schließt aus gerade dieser Verbindung von historischer und typologischer Ebene „theologische Implikationen: Petrus wird zum lebendigen Ausdruck dafür, daß die Kirche dauernd an ihren geschichtlichen Anfang zurückverwiesen ist“.
5.4 Das johanneische Petrusbild und die synoptischen Petrusbilder
229
eignet sich im wahrsten Sinne des Wortes in hervorragender Weise dafür, 208 eine paradigmatische Funktion zu erfüllen . 4. Dem entspricht in theologischer Hinsicht, dass die Petrusfigur im Matthäusevangelium insbesondere mit ekklesiologischen, d.h. gemeinderelevanten Themen verbunden ist. So dient bereits bei der Berufung, d.h. dem ersten Auftreten des Petrus (zusammen mit Andreas), die Schilderung des Brüderpaars der Verdeutlichung matthäischer Bruderethik (s.o. 5.1.3.2). Strukturell wird dieser thematische Fokus daran deutlich, dass eine besondere Konzentration im ekklesiologischen Teil209 offensichtlich ist (s.o. 5.3.1), wozu u.a. seine Sprecherrolle in halachischen Fragen (s.o. 1.) und besonders die Felsen- und Schlüsselfunktion (s.o. 2.) gehört. All dies verbindet, dass die Rückbindung an Jesu Worte, d.h. JesusÜberlieferung in persona des Petrus, als (apostolisches) Fundament von Kirche angesehen wurde und Petrus damit „zur apostolischen Grundgestalt der nachapostolischen Zeit wurde.“210
5.4 Das johanneische Petrusbild im Verhältnis zu den synoptischen Petrusbildern Zusammenfassend ergibt ein Vergleich der synoptischen Petrusbilder zum einen signifikante Parallelen und Analogien zu den Ergebnissen der Analyse johanneischer Petrus-Szenen (s.o. Kapitel 4): Grundsätzlich ist zu bemerken, dass Petrus in allen Evangelien als zentrale Jüngergestalt und insbesondere als Wortführer zu gelten hat211. Damit verbindet sich eine sich fortlaufend verstärkende exemplarische und paradigmatische Funktion, die schließlich im Matthäusevangelium – entsprechend seinem besonderen ekklesiologischen Schwerpunkt – ihre deutlichste Ausprägung gefunden hat und darin dem Johannesevangelium entspricht. Dieser Befund könnte für eine vorausgesetzte Kenntnis auch des Matthäusevangeliums sprechen, was jedoch nicht zwingend ist, da angesichts vergleichbarer Voraussetzungen ebenso von Parallelentwicklun208
Selbst wenn sich eine Nähe des Matthäus zum Gesetzesverständnis des historischen Petrus erweisen ließe (so die etwas hypothetische Annahme bei Lothar W EHR, Petrus und Paulus u.a. 378), so hätte als Ausgangspunkt doch das matthäische Anliegen zu gelten, sich auf einen Apostel als Traditionsgaraten im Sinne eines Zeugen und Tradenten von Jesu Worten zu berufen. 209 Vgl. dazu FELDMEIER, Darstellung 269: „Bei Matthäus ist so Petrus – aus der Sicht der dritten Generation und über Markus hinausgehend – zum Mann der Kirche geworden.“ 210 LUZ, Matthäus II 470. 211 Eine Ausnahme dazu stellt Joh 1,40–42 dar, wo (gegen GRÄßER, Grundlagen 37) „die von den Synoptikern eingeräumte Vorrangstellung“ gerade nicht bestätigt wird.
230
Kapitel 5: Johanneisches Petrus-Bild und synoptische Darstellungen
gen ausgegangen werden kann: Denn zum einen kommt dem Jüngerbild in allen Evangelien eine paradigmatische Funktion für die Nachfolge zu. Zum anderen schließen die Petrus-Darstellungen an dessen prominenter Rolle im Urchristentum an. Aufgrund dieser Voraussetzungen legt sich in allen Evangelien eine hervorgehobene Rolle des Petrus im Rahmen des jeweiligen Jüngerbildes sehr nahe. So ist, wenn auch in jeweils unterschiedlich akzentuierter Weise, eine deutliche Korrespondenz des jeweiligen Petrusbildes mit dem Jüngerbild insgesamt zu nennen. Gerade dieser, für die theologische Deutung des johanneischen Petrusbildes nicht unerhebliche Aspekt soll im nun folgenden Kapitel 6 näher untersucht werden. Im Rahmen dieses also grundsätzlich in allen Evangelien auf die Jünger hin transparenten Petrusbildes erscheinen die bereits bei Markus angelegten ambivalenten Züge bei Lukas teils positiv abgeschwächt, bei Matthäus aber in einer mit Johannes vergleichbaren Weise verstärkt. Die Funktion dieser Ambivalenzen genauer zu betrachten, gehörte zum eingangs benannten Erkenntnisinteresse dieser Untersuchung (s.o. Kapitel 1). Wiederum im Unterschied zur matthäischen Konzeption, die auf die Verleugnungsszene kein weiteres Auftreten der Petrusfigur folgen lässt und damit ein „Aufgehen“ im Jüngerkreis nahe legt, findet sich in Joh 21 eine Mk 16,7 entsprechende Reintegration des Petrus als Jünger, was auf diese Weise seine Zuordnung zum Jüngerbild unterstreicht. Alle Evangelisten verbindet, dass die Petrus-Gestalt als narrative Umsetzung ihrer jeweiligen Theologie fungiert212, was den Ergebnissen der Analyse zur johanneischen Petrusfigur entspricht (s.o. Kapitel 4). Speziell im Fall von Markus dient Petrus der Profilierung insbesondere ekklesiologischer Aspekte (und zwar konkret aufzuzeigen anhand von Mission, Nachfolge, und insbesondere der Frage des Glaubens der Jünger). Im Rahmen des noch weitergehenden ekklesiologischen Schwerpunktes im Matthäusevangelium kommt der Petrusfigur innerhalb dessen in analoger Weise eine besondere Rolle zu, und zwar als paradigmatischer Jünger und insbesondere in seiner apostolischen Funktion der Rückbindung an die Worte des (vorösterlichen) Jesus. Im Vergleich dazu erfolgt die Rückbindung des Petrus-Bekenntnisses Joh 6,69f. an die vorangegangenen Worte Jesu 6,63 (s.o. 4.1.2.1), wie sie der geistgeleiteten nachösterlichen Per213 spektive des Johannesevangeliums entsprechen . 212
In narratologischer Terminologie ausgedrückt würde das bedeuten: die Charaktere werden dem „plot“, aber übergreifend auch dem „point of view“ untergeordnet. 213 D IETZFELBINGER, Abschied 93–96 (s.a. DERS., Johannesevangelium 88–91) sieht anhand der dezidiert nachösterlichen Perspektive (z.B. anhand des betonten u{steron 13,36) eine anti-matthäische Polemik gegen die Berufung auf Petrus als Garant vorösterlicher Traditionen. Ob die johanneische Perspektive als Reaktion auf das Matthäusevan-
5.4 Das johanneische Petrusbild und die synoptischen Petrusbilder
231
Im Anschluss an die diachronen Analysen der johanneischen PetrusSzenen, die bereits eine große Nähe zum Lukasevangelium ergeben haben, zeigte sich nun auch im Vergleich mit dem lukanischen Petrusbild im Ganzen eine beiderseitige Betonung der Rolle als Missionar und Gemeindeleiter (im Johannesevangelium jedoch erst für Joh 21). Die Rolle des Augenzeugen kommt im Johannesevangelium allerdings gerade nicht Petrus, sondern dem Lieblingsjünger zu. So weist die johanneische Darstellung insgesamt deutliche Unterschiede zu den synoptischen Petrusbildern auf. Am deutlichsten zeigt sich dies daran, dass Petrus im Johannesevangelium in Gestalt des Lieblingsjüngers eine weitere paradigmatische Größe im Blick auf christologische Erkenntnis sowie Jüngerschaft und Nachfolge an die Seite gestellt wird. Die theologische Bedeutung dieser Figurenkonstellation wird im Folgenden (s. u. Kapitel 6 und 7) weiter erörtert werden. Ferner zeigt sich die Petrusdarstellung in Joh 1,40–42, 6,68–71 und 21,20–22 als transparent auf die johanneische Gemeindesituation hin, was sich ebenso als „johanneisches Proprium“ erweist: Die Rolle des Petrus als Prototyp des missionierten Jüngers (1,40–42) gibt einen Einblick in Selbstverständnis und Missionspraxis, Joh 6,60–71 scheint die insgesamt schwierige Situation des Schismas der Gemeinde deutlich durch und Joh 21,20– 23 kommt im Ausblick der Tod des Lieblingsjüngers zur Sprache. So ist die Funktion des johanneischen Petrusbildes auch im Rahmen dieser vorausgesetzten historischen Konstellation zu beachten: Es verbleibt daher zu klären, welche Bedeutung die Darstellung des Petrus als Jünger und Gemeindeleiter auf dem Hintergrund von virulenten Fragen nach Traditionskontinuität und Gemeindeorganisation gewinnt. Gerade zur Frage der Traditionskontinuität geht das Johannesevangelium wie beschrieben in seinem Petrusbild und insbesondere anhand des Verhältnisses zum Lieblingsjünger andere Wege. Diese zu beschreiben, wird das Anliegen der folgenden Kapitel 6 und 7 sein.
gelium zu werten ist, muss an dieser Stelle wohl offen bleiben. Unbestritten ist jedoch das im wahrsten Sinne des Wortes „grund“-legend andere Konzeption bei Johannes und Matthäus, in deren Dienst die jeweilige Petrus-Darstellung steht.
Kapitel 6
Das Petrusbild im Johannesevangelium im Kontext des johanneischen Jüngerbildes 6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes 6.1.1 Exkurs: Das johanneische Jüngerbild im Rahmen der Forschung Bereits 1979 hat Raymond BROWN treffend festgestellt: „Discipleship is the primary Christian category for John“1. Dennoch hatte das johanneische Jüngerbild in der Forschung lange Zeit kaum Beachtung gefunden 2, was sich inzwischen grundlegend geändert hat. Bereits Rudolf SCHNACKENBURG bot in seinem Kommentar einen Exkurs3, worin das johanneische Jüngerbild ansatzweise skizziert wird. Dabei wies er u.a. auf die Ausweitung hin, die der Jüngerbegriff vom engen Kreis um Jesus auf alle Glaubenden hin erfahren hat. An diese Transparenz der dargestellten Jünger hin auf die Situation der Gemeinde knüpft Udo SCHNELLE4 an und stellt darüber hinaus die christologisch begründete johanneische Ekklesiologie5 heraus.
1
BROWN, Community 191. In älterer Forschung sind die Beiträge speziell zum johanneischen Jüngerbild wenig ertragreich (etwa bei RENGSTORF, Einheit 6–9, SCHWEIZER, Erniedrigung und DERS., Kirchenbegriff) bzw. wurde entweder zwischen neutestamentlichen Ekklesiologien (!) nicht hinreichend differenziert (beispielsweise bei RENGSTORF, Art. manqavnw ktl.) oder aber man verblieb im Schatten von B ULTMANN (so BETZ, Nachfolge 36–40, der die johanneischen Nachfolge-Texte v.a. als Umformung gnostischen Gedankenguts interpretiert) und v.a. KÄSEMANN (vgl. ROLOFF, Gemeinschaft, der wie schon KÄSEMANN, Wille 65f. eine explizite Ekklesiologie im Johannesevangelium verneint und – analog zum Käsemann’schen „Konventikel“-Begriff – von einer „kleinen Gruppe von wahrhaft Glaubenden“ [ROLOFF, Gemeinschaft 309] spricht). Diesem damaligen Forschungstrend entgegen stand jedoch Raymond E. BROWN, der in seinem ersten Kommentarband (DERS., John CV–CXI.) die Reihe der „Crucial Questions in Johannine Theology“ sogar mit „A. Ecclesiology“ anführt und mit Recht das methodisch vielfach vorgebrachte argumentum e silentio bezüglich ekklesiologischer Termini in Frage stellt. Ausführungen konkret über das Jüngerbild finden sich allerdings auch hier nicht. 3 SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 231–245. 4 SCHNELLE, Ekklesiologie, hier besonders 44–46. 5 Ebd. 50 vgl. auch 38: „Nicht eine extensive Literarkritik oder religionsgeschichtliche Raster wie ‚judenchristlich‘ oder ‚gnostisch‘ ermöglichen einen sachgemäßen Zu2
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
233
Auch Johan FERREIRA ist diesem Grundansatz zuzurechnen6, anders als es der übergreifende Titel „Johannine Ecclesiology“ vermuten ließe, sind seine Untersuchungen jedoch auf Joh 177 eingeschränkt. Im Anschluss an ONUKI8 kommt Ferreira zu dem Ergebnis: „[E]cclesiology underlies the purpose of the Gospel“9. Dies impliziert eine Verortung ekklesiologischer Aspekte primär im (internen) Kontext der Gemeinde und – gegen Brown – nicht der verschiedenen Gemeinden bzw. „Kirchen“10. Insgesamt von großem Einfluss wirkt wohl immer noch die auf Kontext und Rekonstruktion der johanneischen Gemeinde ausgerichtete Forschungsrichtung nach (so besonders J. Louis MARTYN11 und Wayne A. M EEKS12, aber auch KLAUCK13 u.a.). Hinsichtlich
gang zum johanneischen Denken, sondern allein der das Selbstverständnis der Gemeinde bestimmende Glaube an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus“. 6 FERREIRA, Ecclesiology, zusammenfassend 201–204. Als äußest problematisch ist jedoch sein Terminus „Christus prolongatus“ (202 u.ö.) anzusehen, der bereits in seiner Verwendung im Rahmen genuin römisch-katholischer Dogmatik auf eine Identifikation Christus – Kirche zielt, was vom johanneischen Sendungsgedanken nicht einzuholen ist: Das Verhältnis zwischen Jesu Sendung durch den Vater und der Sendung der Jünger ist auch beispielsweise in 17,18 (vgl. 20,21) als Analogie und nicht als Identität zu bezeichnen. Zwar ist zutreffend, dass im zentralen Missionsauftrag eine soteriologische Zielsetzung der Gemeinde enthalten ist, Formulierungen wie „both he [d.h. Jesus T.S.] and they are sent to save the world. Jesus gave (…) the task of saving the world, to the community“ (202) oder „Christology and ecclesiology overlap“ setzen Christologie und Ekklesiologie auf eine Weise ineins, die die johanneisch postulierte Einheit als differenzierte aufhebt. 7 In manchem vergleichbar mit Ferreira ist auch der christologische, auf 17,18 (und dazu 20,21) beruhende Ansatz von VAN MERVE (vgl. DERS., Johannine Discipleship), der Jüngerschaft relational versteht, und zwar nach dem Modell der Beziehung von Vater und Sohn, was im Hinblick auf die einschlägigen johanneischen Stellen wie 20,21 (und zahlreich in den Abschiedsreden) in jedem Fall zu bekräftigen ist. Die Gesandtentheologie bzw. -christologie bildet so den Rahmen für die Ekklesiologie, d.h. die Sendung der Jünger. Im Hinblick auf ein differenziertes Jüngerbild und seine Funktion lässt sich VAN MERVEs Beitrag jedoch wenig auswerten. 8 ONUKI, Gemeinde 218, dessen These zusammenfassend die pragmatische Funktion des Johannesevangeliums in der Mission der johanneischen Gemeinde als Sitz im Leben verortet: „Hier versichert sie sich erneut der Identität der Offenbarung Gottes und damit auch der Identität ihrer eigenen Verkündigung“. Um vom Bild der Jünger auf der Textebene Rückschlüsse auf die Situation der johanneischen Gemeinde ziehen zu können, wird hier die hermeneutische Kategorie der „Horizontverschmelzung“ (s.o. Kap. 3 Anm. 63) vorausgesetzt, zum Verhältnis von Jüngern und Gemeinde ONUKI, Gemeinde 12f. 9 FERREIRA, Ecclesiology 203. Der benannte Grundsatz lässt sich hierbei über den von Ferreira fokussierten Missionskontext hinaus für ekklesiologische Aspekte geltend machen. 10 Zu BROWN s.o. 2.1.1. 11 MARTYN sieht Joh 9 als ein parallel auf der Ebene der Zeit Jesu und der johanneischen Gemeinde spielendes Drama an, vgl. M ARTYN, History 62. 12 Nach MEEKS, Funktion 279.281 (bzw. DERS., Man 70f.) korrespondiert die Fremdheit des vom Himmel herabkommenden Jesus in der Welt der Entfremdungserfahrung der johanneischen Gemeinde und erklärt diese. 13 KLAUCK, Gemeinde.
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
des Petrusbildes ist das an Martyn anschließende Modell von Raymond E. BROWN14 mit einzubeziehen: Dieser zeichnet die johanneischen Texte und deren Entstehungsgeschichte in eine Entwicklungsgeschichte der Gemeinde ein15. Verschiedene Gruppen bzw. Personen repräsentieren hierin als „outsiders“16 qualifizierte historische Gruppierungen, mit denen sich die johanneische Gemeinde auseinanderzusetzen hatte. Nach Brown entsprechen Petrus und die Zwölf dabei den „Apostolic Churches“17, von deren Theologie sich johanneische Christologie und Ekklesiologie18 absetze. Dem postulierten besonderen Profil johanneischer Theologie kann hierbei zugestimmt werden, problematisch ist an diesem Modell hingegen, dass der dwvdeka-Begriff nur 6,70f. im Zusammenhang mit Petrus erscheint19, wie auch das vorausgesetzte Kontrast-Verhältnis Petrus – Lieblingsjünger20. Dem johanneischen Jüngerbild kommt eine gewisse Bedeutung im Rahmen von Arbeiten zu, die sich speziell der Lieblingsjünger-Thematik widmen, worin diese Figur in der Regel als Ideal johanneischer Jüngerschaft charakterisiert wird 21. Abgesehen von kurzen Exkursen innerhalb von Kommentaren (s.o.) und Aufsätzen22 bzw. Unterabschnitten darin23 scheint spezielle Literatur zu diesem Thema noch nicht sehr breit gestreut zu sein. Unter diesen wenigen Beiträgen ist Jeffrey S. SIKERG IESELER24 zu nennen, der eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen innerem Kreis der Jesus folgenden Jünger („inner circle“) und weiteren Personen („wider group“, z.B. 6,60; 8,33) trifft25, die im Folgenden anhand der Charakterisierungen zu diskutieren sein wird.
14
BROWN, Community (s.o. 2.1.1). Methodische Voraussetzung dazu ist es, das Johannesevangelium zumindest zu einem Teil als Autobiographie der johanneischen Gemeinde zu lesen, so B ROWN, Community 69, zur methodischen Grundlegung 17–21. Dagegen aber T REBILCO, Christians 240, der im Anschluss an B AUCKHAM (s.a. KLINK, Sheep of the Fold) keinen bestimmten Gemeindekreis als Adressat des Johannesevangeliums auszumachen meint. 16 BROWN, Community 59(– 88). 17 Ebd. 81–88. 18 Ebd. 84–88. 19 Mit einzubeziehen wäre hier die an beiden vorkommenden Stellen ambivalente Funktion des dwvdeka-Begriffs: Joh 6,68–71 markiert er den Kontrast zu den schismatischen Jüngern V.60–66 und zugleich die Gefährdung des Glaubens, in analoger Weise wird er dann 20,24–29 Thomas zugeordnet s.o. zu Joh 6,60–71 und 20,3–10 4.1.2.1. und 4.1.5.1. 20 BROWN, Community 82. 21 So beispielsweise bei O’GRADY, Role 60 als „ideal follower, the epitome of what it means to be a believer“; dagegen aber B AUCKHAM, Beloved Disciple, der seine Rolle auf die des Autors des Johannesevangeliums beschränkt. 22 So die im Folgenden vorgestellten Publikationen. 23 SCHOLTISSEK, Kinder Gottes. 24 So z.B. SIKER-G IESELER, Disciples. 25 Diese Unterscheidung scheint mir allerdings an einigen Stellen künstlich, was sich u.a. an der Zuordnung des Judas Iskarioth 12,4 zur „wider group“ (dagegen aber ausdrücklich 6,70f.!) zeigt und anhand der Analogie im Fall der Bekenntnisse zwischen „inner circle“ und anonymen Charakteren nach der Zuordnung Letzterer fragen lässt (zur in den Bekenntnissen liegenden Gemeinsamkeit vgl. SIKER-GIESELER selbst ebd. 210). 15
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
235
DE J ONGE bezeichnet das Johannesevangelium dezidiert als „Book of the Disciples“26. Unter der hermeneutischen Maßgabe des erst mit der nachösterlichen Geistgabe ermöglichten Verstehens sieht de Jonge die Jünger sowohl in ihren positiven Zügen (Annahme Jesu) als auch in ihren Missverständnissen als Modelle der Glaubenden27. Fernando F. SEGOVIA28 entnimmt der johanneischen Jüngerdarstellung einen scharfen Kontrast zwischen Jüngern und Nichtjüngern und konstruiert seitens der Jünger eine Glaubensentwicklung in vier Stufen. Dabei weist er zutreffend auf eine Ambivalenz von Missverständnissen einerseits und „a process of counterbalancing“29 in Form von Verheißungen, positiven Zügen andererseits, die sich im Laufe der Entwicklung steigert. Problematisch ist jedoch zweierlei: Zunächst ist hier die vollständige Zuordnung dieses Befundes zur Auseinandersetzung mit dem Judentum30 als Sitz im Leben zu nennen. Dazu sind als sekundär klassifizierte Texte ausgeklammert worden (neben Joh 21 auch Joh 13,1b–3.12–20; 13,31–14,31 sowie 15–17). Die Jünger als wichtige Charaktere im Rahmen des Johannesevangeliums sind dezidiert Gegenstand in narratologisch orientierten Ansätzen, wie z.B. Alan R. CULPEPPER31, dessen Charakterisierungen die repräsentative Funktion, v.a. der individuellen Figuren, herausstellt. Daran anschließend sieht Raymond F. COLLINS – bezogen auf Joh 20,30f. als Interpretationsschlüssel – die „representative figures“ als Typen an, die den dort formulierten Glauben oder auch das Fehlen desselben darstellen32. In seiner Veröffentlichung speziell zum Thema johanneischer Jüngerschaft33 behandelt er ausgehend von 1,35–39 als Schlüsseltext die narrative und symbolische Ebene34 der Verben ajkolouqevw, oJravw/qeavomai, zhtevw35 und mevnw36. D. F. TOLMIE 37 blendet in methodischer Hinsicht zwar eine diachrone Sicht nicht grundsätzlich aus, konzentriert sich jedoch in dezidiert synchroner, narratologisch orientierter Perspektive auf die Abschiedsreden Joh 13–17. Im „Kanon“ der einschlägigen Analysekriterien, die schlussendlich in eine Beschreibung der Interaktion zwischen Implizitem Autor und Implizitem Leser münden, werden neben „time“ und „focalisation“ ausführlich Aspekte der „characterisation“ behandelt, was in Joh 13–17 naturgemäß die Jünger – einschließlich einzelner Jüngergestalten wie Petrus und Judas – einschließt. Von besonderem Interesse ist hierbei das zur Beschreibung der Tiefenstruktur des Textes herangezogene semiotische Viereck, bestehend aus den Oppositionen Jüngerschaft ↔ 26
DE J ONGE, Jesus 1–27. Ebd. 15. 28 SEGOVIA, Peace. 29 So ebd. u.a. 86, zur Sache 82–89. 30 Ebd. 92ff. 31 CULPEPPER, Anatomy s.o. Kapitel 3 und s.u. 6.1.3. 32 COLLINS, Figures 30f. 33 COLLINS, Discipleship 46–55. 34 Vgl. auch die Unterscheidung zwischen „level of event“ und „level of Johannine meaning“ (COLLINS, Search 32). 35 Zu zhtevw s.a. COLLINS, Search, der u.a. den prophetischen und weisheitlichen Hintergrund erhellt. 36 Auf die Bedeutung der Dynamik dieser Verben für den Prozess der Nachfolge ist bereits hingewiesen worden (s.o. 4.1.1.1, besonders Kap. 4 Anm. 8), vgl. auch VELLANICKAL, ‚Discipleship‘ 135–139 u.a. 37 TOLMIE, Farewell. 27
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
Teil der Welt bzw. Nicht-Teil der Welt ↔ Nicht-Jüngerschaft, bzw. in Bezug auf Joh 13,1–30 wahre Jüngerschaft ↔ falsche Jüngerschaft bzw. nicht-wahre Jüngerschaft ↔ nicht-falsche Jüngerschaft38. Eine Herangehensweise aus narratologischer Perspektive zeigt sich auch im Beitrag von Jan A. DU RAND39: Dies wird etwa deutlich an der als „ideological viewpoint“ bezeichneten nachösterlichen Perspektive, die auf eine Identifikation zwischen Leser und Jüngerbild zielt. Diesem grundsätzlichen Hinweis kommt hierbei größere Relevanz zu als weiteren Ergebnissen, die u.a. von der eingeschränkten Textauswahl der Abschiedsreden, vornehmlich der zweiten Abschiedsrede, her bestimmt sind. Vom Einfluss postmoderner bzw. dekonstruktivistischer Konzepte zeugt die Analyse von Colleen M. CONWAY 40. Durchaus wegweisend stellt sie die Ambivalenzen innerhalb der Charakterisierung heraus. Noch unterbestimmt bleibt jedoch m.E. die Funktion dieser Ambivalenzen, die über die Beschreibung eines „complex life of faith“41 (so Conway) hinausgeht (s.u. 6.2). Adressatenorientierte Aspekte berücksichtigt David R. BECK in seiner Studie über das „Discipleship Paradigm“42: Anonyme Charaktere ermöglichen es den Lesern, sich mit dem dargestellten Paradigma zu identifizieren, da die „Barriere“ einer Benennung fehlt. Dies trifft natürlich in besonderer Weise auf den Lieblingsjünger zu, der das Paradigma wahrer Jüngerschaft darstellt. Zu schematisch (und im Ganzen verzerrt) scheint die aus dieser These folgende negative Bewertung aller Charaktere mit Namen im Kontrast zu den anonymen Charakteren. Hier wird eine differenziertere Charakterisierung beider Gruppen vonnöten sein (s.u. 6.1.3). Besonders problematisch wird dann die Einordnung und Bewertung der Mutter Jesu als anonymer Charakter43. Auch sind neben der Anonymität weitere Aspekte von Charakterisierungstechniken in ihrer Wirkung auf die Adressaten einzubeziehen wie das jeweilige Verhältnis von Individualisierung und Typisierung44. Der Aufsatz von W. Hullit GLOER45 stellt im Wesentlichen eine Zusammenfassung des relevanten Textbefundes wie der vorangegangenen Ansätze (v.a. Culpepper, Segovia, Siker-Gieseler und Collins) dar. Dabei wird jeweils die repräsentative Funktion der dargestellten Jünger im Hinblick auf die Adressaten46 sowohl als Gruppe als auch das ganze Spektrum der individuellen Figuren beleuchtet. Als wichtigste Kriterien benennt Gloer das Hören auf das Wort Jesu, Gehorsam gegenüber seinen Geboten, ein fortschreitendes christologisches Verstehen und die Bezeugung des Glaubens an Jesus47. 38
TOLMIE, Farewell 70, was bereits eine differenzierte Beschreibung der Rolle des Petrus im Unterschied zu der des Judas unterstützte (s.o. 4.1.3.1 und 4.1.4.1). 39 DU RAND, Perspectives 311–325. 40 CONWAY, Speaking 324–341. 41 CONWAY, Speaking 340. 42 BECK, Discipleship Paradigm. 43 Weiteres dazu s.u. 6.1.3. 44 Vgl. NICKLAS, Ablösung 399–401. Eine Identifikation (oder wie im Fall der „Juden“ Distanz) hervorrufende Typisierung ist hierbei nicht zwangsläufig an Anonymität gebunden. 45 GLOER, Come. 46 „In other words, the disciples function in the narrative in such a way as to allow the Evangelist to address and challenge the reader“ GLOER, Come 277, vgl. auch den Ansatz bei CULPEPPER s.u. S. 244ff. 47 GLOER, Come 301.
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
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Tobias NICKLAS48 lässt sich bei seiner Untersuchung der Jüngergestalten im Gegenüber zu den „Juden“ methodisch von Kategorien leiten, die dem Bereich narrativer Analyse entnommen sind: Dazu gehören insbesondere die Charakterisierung sowie die Rolle des Impliziten Lesers unter Einbeziehung des sogenannten „point of view“. Dabei zeigt Nicklas sehr überzeugend auf, wie die Darstellung der Figuren die Adressaten in die johanneische Perspektive „verstrickt“49. Zu den in den letzten Jahren erschienenen Monographien zählt auch der Band von 50 Rekha M. CHENNATTU . Sie interpretiert, v.a. auf Basis von Joh 1,35–51; 13–17 und 20– 21 johanneische Jüngerschaft auf dem Hintergrund alttestamentlicher Bundestheologie51. Dabei partizipieren die Jünger an der Beziehung vom Vater zum Sohn, werden also in diese hineingenommen. Unter Zuhilfenahme soziologischer Kategorien sieht Chennattu darin die Funktion einer Definition und Affirmation der Identität der johanneischen Gemeinde auf der Basis ihres jüdischen Erbes als Antwort auf die Krise, die durch das schwierige Verhältnis zum Judentum ausgelöst wurde52. Ferner ist auf die Untersuchung von Nicolas FARELLY über das johanneische 53 Jüngerbild hinzuweisen . Weiterführend ist insbesondere seine Schlussfolgerung, das Jüngerbild sei in Entsprechung zu den Impliziten Lesern gezeichnet und lade zur Identifikation ein. Die zutreffend festgestellten Ambivalenzen im Jüngerbild ordnet Farelly positiv dargestelltem „Believing“ einerseits und noch fehlendem „Understanding“ andererseits zu. Diese ambivalente Darstellung intendiere daher, über „attraction and repul54 sion“ , d.h. Identifizierung und Distanzierung zu vertieftem Glauben und Verstehen zu 55 führen .
6.1.2 Grundlegende Aspekte des johanneischen Jüngerbildes Zunächst fällt auf, dass der Begriff maqhthv~ im Johannesevangelium öfter verwendet wird als in allen anderen Evangelien. Mit 78 Nennungen übertrifft es sogar das längere und mit deutlich ekklesiologischer Akzentsetzung versehene Matthäusevangelium, das gerade 73 Stellen aufweist. 48
Dies veranschaulicht bereits der detailliert beschreibende Untertitel bei NICKLAS, Ablösung: Ablösung und Verstrickung. „Juden“ und Jüngergestalten als Charaktere der erzählten Welt des Johannesevangeliums und ihre Wirkung auf den impliziten Leser. 49 So das von NICKLAS äußerst anschaulich verwendete Bild, vgl. ebd. 401–405. Analog werden die Adressaten nach GNIESMER gemäß seinem treffenden Titel „In den Prozeß verwickelt“ (vgl. GNIESMER, Prozeß). 50 CHENNATTU, Discipleship. 51 Zu den Motiven zählen u.a. „election, intimate abiding relationship, indwelling presence, keeping God’s commandments, and mutual knowledge“ ebd. 139. 52 Ebd. 210. 53 FARELLY, Disciples. 54 Ebd. 194. 55 So zusammenfassend 228. Hier führt Farelly partiell zusammen, was er vorher unterscheidet: bereits bestehender Glaube der Jünger und zu vertiefendes Verstehen. Beides bleibt m.E. im johanneischen Sinne auch immer aufeinander bezogen, da Glaube an Jesus hier ganz pointiert aus der Perspektive nachösterlichen christologischen Verstehens postuliert wird. Kritisch zu hinterfragen bleibt daher die auch an dieser Stelle noch angefügte These „Faith, not understanding, is what is necessary to be made a partaker of eternal life“.
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
Dabei zeigt die Verteilung, dass dies nicht auf Partien mit synoptischen Parallelen beschränkt ist, sondern ebenso auf spezifisch johanneisch gestaltete Abschnitte zutrifft: So findet sich maqhthv~ 6mal in Joh 4, jeweils 4mal in Joh 9.11, und mit 11 Stellen ist eine besondere Konzentration in der Ausgestaltung von Joh 20, ähnlich auch Joh 21 (10mal) festzustellen. Dies zeigt, dass dem Thema der Jüngerschaft im Rahmen des Johannesevangeliums eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt, der in der Forschung mittlerweile mehr Rechnung getragen wird (s.o. 6.1). Dabei können mit dem „Jünger“-Begriff Einzelpersonen (s.u. 2.3.) oder unterschiedlich charakterisierte Gruppen bezeichnet werden: 4,1 wird das maqhta;" poiei'n mit der Taufe in Verbindung gebracht, doch zentral sind v.a. zwei Kennzeichen: Zum einen ist hier das Bleiben56 im Wort (mevnw + ejn tw'/ lovgw/ 8,3157) zu nennen; gemäß 18,21 (vgl. 18,19) sind diejenigen Jünger, die Jesu Worte gehört haben. Als zweites Kriterium ist die untereinander geübte Liebe (13,35) im Kontext der Fußwaschung als uJpovdeigma (13,15) zu nennen. In 6,66 trifft die Bezeichnung maqhtaiv allerdings ebenso für viele „nicht mehr mit Jesus Gehende“, d.h. aus der Sicht des Johannesevangeliums schismatische Jünger zu. Neben Jesusjüngern werden auch zwei zu Jesusjüngern werdende Täuferjünger (1,37–39) bezeichnet und 9,28 werden kontrastierend als Selbstbezeichnung Mosejünger genannt. Dies zeigt, dass mit dem Begriff maqhthv~ ein weites Spektrum an Bedeutungen verbunden ist. Dazu muss noch in Betracht gezogen werden, dass in Bereichen, in denen das Thema der Jüngerschaft entfaltet wird (wie z.B. in Joh 1,35–51), statt des Jünger-Begriffs Jüngernamen eine bedeutende Rolle spielen. Gegenüber den Synoptikern erscheinen im Johannesevangelium neben Petrus einige Jünger, die vorher im Zwölferkreis keine Rolle spielen (Andreas, Philippus, Thomas) und v.a. über den Zwölferkreis hinausgehende Personen (Nathanael58, Lazarus, Maria und Martha und die bedeutende Gruppe an anonymen Charakteren s.u. 6.1.3). In Joh 21,2 findet sich – wohl anstelle der Zwölf – eine Siebenzahl an Jüngern, die repräsentativen Charakter haben dürfte59. In Bezug auf den Zwölferkreis selbst ist von einem doppelten Negativbefund zu sprechen. Während eine Aufzählung der Namen in Form von Jüngerlisten komplett unter-
56
Von 15,7 her ist dies identisch zu sehen mit „in Jesus bleiben“ 14,10; 15,4f. etc. vgl. auch die figurative Verwendung für die Nachfolge 1,39. 57 8,31(ff.) zeigt sich wie auch 6,61–71 die Bedrohung des Jüngerglaubens. 58 Zu den Versuchen, Nathanael mit einem Mitglied der Zwölf zu identifizieren vgl. B ARRETT, John 183f.; THYEN, Johannesevangelium 140. Gegen Thyen kann ich allerdings keine mit 21,2 zu begründende Notwendigkeit darin sehen s.a. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 313. 59 S.o. 4.1.6.1.
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
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bleibt60, werden die Zwölf begrifflich nur an zwei Stellen, und darin tendenziell in nega61 tiver oder zumindest ambivalenter Weise erwähnt (s.o. 4.1.2.1.): Im Abschnitt 6,67–71, durch die dwvdeka gerahmt, repräsentiert Petrus als Sprecher der Zwölf zwar denjenigen Gemeindeteil, der durch das Schisma hindurch bei Jesus bleibt, auf dessen Bekenntnis antwortet Jesus jedoch im Blick auf die Gefährdung auch des johanneischen Glaubens mit dem doppelten Hinweis auf den aus dem Zwölferkreis kommenden Verräter (V.70.71). In Joh 20,24 wird Thomas in ebenso betonter Weise wie Judas den Zwölfen zugeordnet und muss zunächst – dem Lieblingsjünger nachstehend – physisch sehen, um glauben zu können. Das nachfolgende Bekenntnis wiederum (oJ kuvriov" mou kai; oJ qeov" mou). weist ihm eine hohe christologische Erkenntnis zu. Die festgestellte Ambivalenz betrifft also sowohl die Bandbreite an vertretenen Charakteren – von johanneischen Glauben Bekennende bis hin zum Verräter Judas – als auch die dargestellten Glaubensweisen innerhalb eines Charakters (so hier Thomas und auch Petrus). Ein weiterer Negativbefund lässt sich anhand des Apostel-Begriffes feststellen, der nur Joh 13,16, aber in anderer Bedeutung vorkommt. Die weitgehende Vermeidung von Begriffen, die auf bestimmte urchristliche Gruppen eingeschränkt sind und entsprechende ekklesiologische Tragweite besitzen, verhält sich spiegelbildlich zur sonstigen Ausweitung des JüngerModells (s.o. über den bei den Synoptikern bekannten engen Kreis hinausgehende Gruppen wie Einzelpersonen).
Für das Thema der johanneischen Jüngerschaft ist in zentraler Weise der Abschnitt der Abschiedsreden mit einzubeziehen. Hier findet sich gattungsgemäß seltener die Bezeichnung maqhthv~ als vielmehr die Anredeform, eine Anrede, die in überaus deutlicher Weise auf die johanneische Gemeinde zielt. Ihr Selbstverständnis spiegelt sich wider in Begriffen wie oiJ i[dioi 13,1 (s.a. ta; ejmav in 10,14 u.ö.), oiJ fivloi 15,13–15, tevkna qeou` 13,33 (s.a. 11,52; 1,12), oder dann auch in 20,17 ajdelfoiv (vgl. 21,23). An tevkna qeou' zeigt sich, dass die Beziehung der Jünger zu Jesus derjenigen zum Vater entsprechen soll (10,15 u.ö.)62, für die Aufnahme in die Familie Gottes steht nach 19,25–27 der Lieblingsjünger als Idealfigur. Ebenso verkörpert er idealiter die johanneischen Kriterien von Jüngerschaft: Glaube an Jesus (1,12) als Bleiben in seinem Wort (8,31 vgl. 21,22.24) und in seiner Liebe (13,34f.). Doch nicht nur in den Abschiedsreden als hermeneutischem Schlüssel des Johannesevangeliums63, sondern auch in anderen Textbereichen wird 60
Vgl. an dieser Stelle die Synopse der Jüngerlisten bei HENGEL, Frage 81 (zum Thema 80–86). 61 Diese deutlich kritischen Züge wie auch die besondere Funktion der Zwölf im Rahmen von Joh 6 (s.o. 4.1.2.1) sprechen dagegen, dass die dwvdeka dem johanneischen Jünger-Bild im Ganzen entsprechen, so BENEMMA, Jesus 119: „Thus, the Twelve are representative of discipleship in general.“ (kursiv C.B.). 62 SIKER-G IESELER, 211, EDANAD, Theology 137–140 mit Hinweis auf die korrespondierende Bezeichnung der Jünger als ajdelfoiv 20,17; ebenso betont SCHOLTISSEK, Kinder Gottes 196 die sachliche Vorordnung der Verbundenheit mit dem Vater. 63 So der programmatische Untertitel der Monographie von Christina HOEGEN-ROHLS (DIES., Johannes).
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
die im Vergleich zu den Synoptikern noch deutlichere Transparenz der dargestellten Jünger auf die Situation der Glaubenden, d.h. der Adressaten, hin deutlich. Dies lässt sich z.B. festmachen an der Entsprechung von Jüngerberufung und Missionskontext Joh 1,35–51 (s.o. 4.1.1.1. vgl. auch Joh 12,20–22 etc.). Aber auch der Konflikt mit der Synagoge ist zu nennen, der in besonders dramatischer Form anhand des zum maqhthv" gewordenen Blindgeborenen (9,27f.64) vor Augen gestellt wird. Auch wenn die mit den berüchtigten ajposunavgwgo~-Aussagen verbundenen Erfahrungen vermutlich schon einige Zeit zurückliegen, dürfte davon unbenommen eine theologische Verarbeitung dieser folgenreichen Entwicklungen weiterhin nötig gewesen sein65. Diese Transparenz wird durch die oben beobachtete, vergleichsweise dichte Verwendung von maqhthv~, das weitgehende Fehlen der „Zwölf“ oder des Begriffs der „Apostel“ sowie das verstärkte Auftreten individueller Personen wesentlich erleichtert. Die Jünger erscheinen folglich auf der Textebene allgemein gesprochen als Glaubende66 in ihrem facettenreichen Spektrum, deren Darstellung nach 20,31 mit dem Ziel des Johannesevangeliums in Relation zu bringen ist: i{na pisteuvhte o{ti ÆIhsou'" ejstin oJ cristov" … Dieser auf die Adressaten zielende Glaube spiegelt sich nicht nur in der Vielfalt (und Kontrastierung) der beschriebenen Subjekte wider (s.u.), sondern wesentlich auch in den verwendeten Verben: In besonderer Konzentration und mit paradigmatischer Bedeutung sind das im Abschnitt über die Jüngerberufungen 1,35– 51 ajkouvw, ajkolouqevw, e[rcomai, oJravw, mevnw und euJrivskw67, die den Prozess der Jüngerschaft insgesamt vorwegnehmen68. Indirekt angesprochen in 1,39 (e[rcesqe kai; o[yesqe) werden die Adressaten in diese Dynamik hineingezogen. Anhand von ajkolouqevw ist hier auf einen zentralen Aspekt des johanneischen Jüngerbildes und damit eine Funktion der Petrusfigur zu verweisen: Auffallenderweise entsprechen die meisten Textbereiche, in denen ajkolouqevw vorkommt, exakt den PetrusSzenen, nämlich 1,35–51, Joh 6; 13; 18,15–27; 20,1–10 und 21. Jedoch 64
Vgl. auch SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 235. Zwar kann die sogenannte „hohe Christologie“ sicher nicht als reines Produkt der Ablösungspozesse gelten, sondern muss ebenso als Auslöser für jene angesehen werden, eine theologische Aufarbeitung dieser Entwicklungen bleibt freilich dennoch notwendig vgl. SCHOLTISSEK, Ich und der Vater 324. 66 B ARRETT, John 93 beschreibt anhand der 2,2.11 erstmals als Gruppe in Erscheinung tretenden Größe der Jünger „The disciples are primarily believers (2,11)“. 67 Zu der durch diese Verben angezeigten mystagogischen Leserlenkung MEYER, Kommt s.o. 4.1.1.1. 68 Zutreffend spricht so VELLANICKAL, ‚Discipleship‘ 141 von „discipleship in its process of development“, s.a. CHENNATTU, Discipleship 42: „The evangelist presents discipleship as a process of becoming, a process of growth“. 65
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
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sind es in Joh 1,37f. Andreas zusammen mit dem Lieblingsjünger, in Joh 1,40 Andreas und in Joh 6,2 eine Volksmenge, die nachfolgen. In Joh 13,36–38 wird der vorösterlich missverstandene Nachfolge-Wille des Petrus ad absurdum geführt (zur Funktion dieser Verse als hermeneutischem Schlüssel zu den folgenden Kapiteln der Abschiedsreden s.o. 4.1.3.1.). In Joh 18,15–27 und 20,1–10 führt die bereits auf den Lieblingsjünger verwiesene Nachfolge trotzdem zum vorhergesagten Scheitern in der Verleugnung und am leeren Grab noch nicht zum Glauben. Wie auch die Verbindung mit dem vorangestellten Abschnitt über die Hellenen 12,20–22 zeigt: Erst als Frucht des Todes (Joh 12,24–26), also nachösterlich, ist Nachfolge möglich69. Konsequenterweise ist Nachfolge an den weiteren Stellen im „Ich-Bin“-Wort 8,12 mit Jesus als Heilsbringer und Heilsgabe verbunden bzw. in Joh 10 Teil der Bildrede vom sich hingebenden Guten Hirten. Dies lässt sich anhand der gegenüber den Synoptikern veränderten nachösterlichen Position der Jünger-Aussendung70 in Joh 20,21–23, die wesentlich an die Gabe des Geistes gebunden wird, in den Gesamtkontext johanneischer Theologie einordnen. Daher kann das Ziel des Johannesevangeliums, dass also die Jünger zum Glauben kommen, in den Jüngerberufungen Joh 1,35–51 und nach dem Kana-Wunder 2,11 noch nicht vollständig realisiert sein. Infolgedessen ist mit Christian WELCK der Aorist ejpivsteusan in Joh 2,11 als ingressiver Aorist im Sinne von „sie fassten Glauben an“71 zu verstehen. So folgen in den darauffolgenden Kapiteln Beispiele von explizitem Jüngerunverständnis (z.B. Joh 6,7–9; 11,11–16; 13,7) und lenken den Blick auf das, worum es ganz wesentlich geht: den durch (geistgeleite) Schriftexegese vermittelten nachösterlichen Glauben (Joh 2,22; 20,9). Das „doppelte Darstellungsinteresse“72 des Johannesevangeliums, das die Zeit nach der Verstehen vermittelnden Geistgabe mit der Zeit davor verbindet, zeigt sich auch in der Charakterisierung der verschiedenen Jünger-Gruppen bzw. Individuen. Zu unterscheiden sind hierbei die meist in separaten Szenen auftretenden individuellen Charaktere von denjenigen der Jesus-Jünger und die Funktion der jeweiligen Darstellung. 6.1.3 Charakterisierung individueller Jüngergestalten Es entspricht langer Tradition, dass von der Alten Kirche angefangen einzelne Figuren des Johannesevangeliums, insbesondere der Lieblingsjünger 69
ONUKI, Gemeinde 66–70. In Anbetracht von Lk 24,46–49 und Mt 28,16–20 stellt eine nachösterliche Sendung an sich zwar kein singuläres Phänomen dar, doch auffallend ist das Fehlen von Mk 3,14; 6,7–12; Lk 9,1–6; Mt 10,1ff. usw. 71 W ELCK, Zeichen 87.133. 72 Ebd. 131f. 70
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und die Mutter Jesu, als Typen, also Repräsentanten gelten. Wirkungsvoll bis in unsere Zeit hinein war besonders die Zuordnung BULTMANNs (s.o. 2.1.1), der in Petrus das Judenchristentum und im Lieblingsjünger das Heidenchristentum vertreten sah. In dieser Tradition steht – wenngleich in modifizierter Form – Eva KRAFFT in ihrem Beitrag über die Personen des Johannesevangeliums (1956)73. Als neuere Ansätze für die Charakterisierung individueller Jüngergestalten wären u.a. die von Raymond COLLINS74 oder R. Alan CULPEPPER75 zu nennen. Nach Culpepper ist im Johannesevangelium Individualität wesentlich geprägt von der jeweiligen Begegnung mit Jesus; demzufolge bestimmt er zwei wesentliche Funktionen der johanneischen Charaktere: (1) Die Darstellung von Aspekten des Charakters Jesu in Interaktion mit ihm und (2) die Darstellung verschiedener Reaktionen auf Jesus. Diese sollen wiederum den Leser zu seiner eigenen Antwort herausfordern: „The characters represent a continuum of responses to Jesus which exemplify misunderstandings the reader may share and responses one might make (…) The characters are, therefore, particular sorts of choosers“76. Dieses Kontinuum erscheint in sieben möglichen Reaktionen: 1. rejection of the hostile world 2. acceptance without open commitment 3. acceptance of Jesus as a worker of signs 4. belief in Jesus words 5. commitment in spite of misunderstandings 6. paradigmatic discipleship 7. defection
73
KRAFFT, Personen 19 stellt zwar zu Recht Bultmann in Frage, der sowohl Petrus als auch die Mutter Jesu als Repräsentanten des Judenchristentums ansah. Sie modifiziert Bultmanns Modell jedoch nur geringfügig, indem die Mutter Jesu nun „als Symbol für das Judenchristentum zu verstehen“ sei und den von ihr als „Personen“ bezeichneten Charakteren grundsätzlich eine typisierende, repräsentative Funktion zukommt. 74 COLLINS, Figures 1–45. Zu Collins s.u. S. 237. 75 CULPEPPER, Anatomy. 76 CULPEPPER, Anatomy 104. Dem folgt u.a. auch D SCHULNIGG, Jesus 1, der programmatisch betont, die Personen im Johannesevangelium würden „in typisierender Absicht gezeichnet, um an ihnen unterschiedliche Reaktionen auf Jesus darzustellen und diese den LeserInnen vor Augen zu führen, damit sie sich orientieren und ihre eigene Antwort auf Jesus finden und realisieren können.“ Wie bei Culpepper finden bei Dschulnigg die wichtige Funktionen erfüllenden Ambivalenzen innerhalb der dargestellten Reaktion eines Charakters zu wenig Beachtung. Dschulnigg sieht eine überwiegend positive Darstellung gegeben, „die negativen Aspekte gewinnen nicht die Oberhand und werden letztlich überwunden“ (ebd. 2). Dazu aber s.u. 6.1.3.
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Ungeteilt zugestimmt werden kann Culpepper darin, dass der Lieblingsjünger ein „paradigm of discipleship“ (Kategorie 6) verkörpert. Es bleibt jedoch zu klären, wie sich das Verhältnis des Lieblingsjüngers, der sich durch christologische Einsicht und hermeneutische Kompetenz auszeich77 net, zu Petrus und den übrigen Jüngern gestaltet. Grundsätzlich problematisch an diesen Kategorien ist, dass in ihnen – abgesehen von der fünften – weder die Ambivalenzen innerhalb eines Cha78 rakters im Zusammenspiel noch deren Funktion an der jeweiligen Stelle erfasst werden können. Konsequentermaßen müssen einzelne Gestalten in mehrere Kategorien eingeordnet werden. Dies tut Culpepper auch teilweise (allerdings nicht durchgängig): Petrus gelte so als Vertreter der fünften, aber auch der sechsten Kategorie, d.h. „paradigmatischer Jüngerschaft“, wozu gehöre, dass Missverständnisse bewältigt werden und damit kein Anlass zur Kritik mehr gegeben sei. Dies ist freilich vom Ende, also von Joh 21 her gedacht und bezieht nicht die teilweise innerhalb weniger Verse auftretende positive und negative Darstellung mit ein (Joh 6,68–71; bzgl. Thomas s.o. 20,24–28 u.a.). Wenn Culpepper grundsätzlich feststellt, dass die Jünger zwar keine Beispiele perfekten Glaubens seien, nichtsdestotrotz aber als Identifikationsangebot an die Leser zu gelten haben, müsste genauer untersucht werden, wann Identifikation aufgebaut wird, an welchen Stellen sie bewusst unterbrochen wird und warum (etwa 1,42 durch die Namensgebung des Petrus s.o.). Denn vielfach unterbrochen wird die Identifikation durch das Unverständnis bzw. durch das weiter zu entwickelnde Verständnis von Jüngern über die Person und Rolle Jesu. Dies entspricht einer korrigierenden und so letztlich explizierenden Funktion. In der Auseinandersetzung mit dem Ansatz von David BECK (s.o. S. 236) sollen zunächst a) die mit Namen benannten Figuren und im Anschluss b) die anonymen Figuren charakterisiert werden, auch wenn diese teilweise nicht explizit als Jünger erscheinen. a) Charakterisierung der namentlich genannten Figuren Andreas Auf dem Hintergrund der Darstellung der Synoptiker79 kommt Andreas eine vergleichsweise prominente Rolle zu: So wird er nicht nur zu Beginn 77
S.u. 6.2. Dazu auch der berechtigte Einwand bei B ENNEMA, Encountering 3. 79 Mk 1,16–18 gehört er zwar ebenso zum erstberufenen Paar und tritt nicht nur in Verbindung mit Petrus, sondern einmal auch als Teil der Vierergruppe zusammen mit den Zebedaiden in einer Sprecher-Funktion auf (13,3), bei Lukas wird er jedoch an einigen Stellen eliminiert (so Lk 4,38 gegenüber Mk 1,29 und v.a. in der auf Mk 1,16–18 basierenden, aber wesentlich auf Petrus hin ausgebauten Erzählung 5,1–11). Auch bei Matthä78
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seiner Nachfolge, sondern auch später anhand von Worten und Handlungen charakterisiert. Er wird mit dem Lieblingsjünger als Erster berufen (und demzufolge auch als erster Jünger überhaupt mit Namen benannt); ferner wird Andreas alleine, d.h. ohne seinen Bruder Simon (Petrus) zum Prototypen des Missionars, der wiederum Simon zu Jesus führt. Damit verbunden ist auch das erste Christus-Bekenntnis in der narrativen Abfolge des Johannesevangeliums (1,41), das die Adressaten mitsprechen lässt (euJrhvkamen!), die anhand von 1,17 die Leerstelle füllen können, die durch die Negativaussage des Täufers (ejgw; oujk eijmi; oJ cristov~) 1,20 eröffnet worden ist. Im Rahmen der Brotvermehrung, wiederum eingeführt als Bruder des Simon Petrus, zeigt allerdings sein Hinweis auf die geringe Menge vorhandenen Essens (Joh 6,9) mangelndes Vertrauen an. Damit wird er zusammen mit Philippus zur Kontrastfigur zu Jesus, über den die Adressaten wissen: aujto;" ga;r h[/dei tiv e[mellen poiei'n (6,6), wodurch letztendlich die Wundermacht Jesu verdeutlicht wird80. 12,22 übernimmt Andreas zusammen mit Philippus eine vermittelnde und damit missionarische Funktion (s.a. 1,41!). Philippus Philippus kommt eine Andreas in manchem vergleichbare Rolle zu, die ebenfalls gegenüber den Synoptikern81 deutlich hervorgehoben ist: und zwar als Missionar82 (Joh 1,45; 12,22) und als eine Figur, die an Jesu Wundermacht zweifelt (6,7) und die von diesem ausdrücklich geprüft83 wird (6,6). Darüber hinaus wird er direkt von Jesus berufen (euJrivskw 1,43 geht hier von Jesus selbst aus s.a. ajkolouvqei moi dann 21,19 auf Petrus bezo-
us tritt er abgesehen von der Berufungserzählung 4,18 und der Liste der Zwölf 10,2 (hier über seinen Bruder definiert) nicht in Erscheinung. 80 Darauf liegt auch nach DSCHULNIGG, Jesus 43 der Fokus, doch bezeichnet er die Aussage des Andreas lediglich als „Hinweis“ ohne den im Unverständnis gegebenen Kontrast zu Jesus mit einzubeziehen. 81 Wie Andreas tritt Philippus im Rahmen der synoptischen Darstellungen nicht als eigenständig handelnde oder sprechende Person hervor, sondern wird nur in den entsprechenden Jüngerlisten genannt. In Joh 6,7 dagegen übernimmt Philippus leicht variiert eine Aussage der Jünger in Mk 6,37. 82 Der Plural euJrhvkamen (V.41 Andreas V.45 Philippus) ist hier wohl nicht als „lie“ zu bezeichnen (so MOLONEY, John 55, der darauf insistiert, Philippus „was found“ [kursiv F.M.]), sondern weist auf ein Bekenntnis der Gemeinde. 83 DSCHULNIGG, Jesus 42 entspricht auch an dieser Stelle seiner Tendenz, die Jünger in einem positivem Licht zu zeichnen, indem er die Betonung der Allwissenheit Jesu an die Stelle eines „Mangels des Philippus“ rücken lässt. Tatsächlich bedingt sich aber beides: Das hier durch Philippus demonstrierte Jüngerunverständnis dient der Unterstreichung christologischer Aspekte.
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gen), bekennt Jesus V.45 als Messias84, Sohn Josefs aus Nazareth85 und ruft so Nathanael mit paradigmatischen Verben in die Nachfolge: e[rcou kai; i[de (1,46 analog zu Jesus86 1,39.50). Seine auf Jesu Aussage 14,7 reagierende Nachfrage 14,8 zeugt von fehlendem Verständnis für die Einheit zwischen Vater und Sohn und löst so eine weitere – dieses Verständnis entfaltende – Jesus-Rede aus (14,9–21). Dabei zeigt der unmittelbare Wechsel von der 2. Person Singular (V.9f.) zur 2. Person Plural (V.11), dass Philippus hier eine stellvertretende Sprecherrolle zukommt. Nathanael Nathanael wird im Zuge der Jüngerberufungen 1,36–51 von V.45 bis V.51 die ausführlichste Darstellung einer Jünger-Figur eingeräumt. Im Rahmen des Dialogs mit Philippus (V.45f.) und Jesus (V.47–51) vollzieht er eine Entwicklung vom Zweifel (V.46) über ein in jüdischer Tradition87 stehendes Bekenntnis zum Messias (V.49), dem als johanneischer hermeneutischer Schlüssel oJ uiJo;" tou' qeou'88 vorangestellt wird. So wird ihm von Jesus nicht widersprochen89, sondern sein Glaube konstatiert (pisteuvei" 84
Zu o}n e[grayen Mwu>sh'" ejn tw'/ novmw/ kai; oiJ profh'tai euJrhvkamen V.45 vgl. B ARJohn 184. COLLINS, Figures 34 weist auf die V.41.45 und 49 gegebene Dichte, d.h. eine „fullness of Jesus’s Messiahship“. 85 NICKLAS, Ablösung 403 weist daraufhin, dass aufgrund dieser Aspekte, die eine menschliche Geburt betonen, im Verhältnis zur bisherigen Aussage, Jesus komme ejk qeou' (1,13), interpretativ ein Widerspruch zu lösen ist. 86 In der Abfolge der Einzelszenen imitiert Philippus mit euJrivskei V.45 sowohl Jesus (V.43) als auch Andreas (V.41). 87 Dies stimmt zu seiner Charakterisierung als Jakob positiv übertreffender ajlhqw'" ÆIsrahlivth" ejn w|/ dovlo" oujk e[stin V.47 (gegen Gen 27,35 in Verbindung mit der Namensnennung als „Israel“ 32,29 und 35,10). Für diese Interpretation spricht ebenso das dann V.51 präsente Jakobs-Motiv, wohingegen die Rolle Jakobs als Patriarch in 4,5.12 dem ebenso wenig wie in den Genesis-Texten widerspricht, zudem wird Jakob sowohl 4,12 als auch 1,51 „übertroffen“ (gegen SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 320, CHENNATTU, Discipleship 37 Anm. 185). Möglicherweise ist die Angabe o[nta uJpo; th;n sukh'n V.48 als Hinweis auf Schriftstudium zu werten (vgl. die bei HAHN, Jüngerberufung 517 angegebenen Interpretationsmöglichkeiten s.a. bereits BULTMANN, Johannes 73 Anm. 8; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 315; THYEN, Johannesevangelium 141f.; CHENNATTU, Discipleship 38). Dann würde Nathanael eine Kontrastfolie zu den 5,39 genannten Juden darstellen, deren Schriftenstudium sie nicht zu christologischer Erkenntnis und einem Bekenntnis zu Jesus bringen. Ist der Feigenbaum dagegen als Zeichen der messianischen Zeit zu sehen (vgl. Mi 4,4; Sach 3,10), würde dies die Verbindung des Nathanael zum als Messias bekannten Jesus (V.49) unterstreichen. 88 Analog findet sich diese dann allerdings nachgestellte Ergänzung im Bekenntnis der Marta 11,27 vgl. auch SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 417. 89 COLLINS, Figures 35 und THYEN, Johannesevangelium 144 widersprechen im Anschluss an B ULTMANN, Johannes 74 einer vielfach angenommenen, einen ZeichenGlauben korrigierenden Intention (s.a. die uneingeschränkt positive Würdigung von RETT,
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V.50). Doch wird dieser auf einem Zeichen beruhende Glaube von tieferer christologischer Einsicht transzendiert werden (V.50f.). Die Verheißung Jesu meivzw touvtwn o[yh/ fingiert hierbei als Signal an die Adressaten und zwar im engeren Kontext als Leseanweisung für das erste Zeichen seiner Herrlichkeit in Kana (2,1–11). Die narrative Funktion der Nathanael-Figur ist es so, nicht nur Repräsentant eines an Jesus glaubenden Israel zu sein, sondern gleich zu Beginn exemplarisch den Prozesscharakter des johanneischen Glaubens zu demonstrieren. Zudem wird nach dem Monolog Jesu in der Petrus-Szene bis V.42, nun im Dialog Jesus – Nathanael, das sich durchziehende christologische Motiv des Vorherwissens Jesu zum Ausdruck gebracht90. Dieses Motiv stellt eine narrative Entfaltung von 10,1491 (ginwvskw ta; ejmav) dar, die anhand der Figur des Nathanael zur Darstellung gebracht wird. Von nicht geringer Bedeutung ist schließlich die Nennung des Nathanael im Kreis der sieben Jünger als ekklesiologischer Größe, die 21,7 durch den Lieblingsjünger vermittelt, Jesus im Fischfangwunder erkennen. Mutter Jesu (2,2–5; 19,15–27) Analog zu Petrus wird die Rolle der Mutter Jesu aufgrund eines jeweiligen konfessionellen Hintergrundes teilweise noch verschieden beurteilt oder zumindest akzentuiert92. Die Bandbreite der Sichtweisen kann hierbei an je verschiedenen Aspekten des Textes Anhalt finden: So wird bereits die Anrede der Mutter mit guvnai (V.4) einerseits als durchaus übliche Form (vgl. 4,21; 8,10; 20,15; 19,26 Mt 15,28; Lk 13,12)93 und andererseits als Abwer-
Nathanels Bekenntnis bei FARELLY, Disciples 26). Eine zumindest relativierende Stoßrichtung wird man jedoch mit dem Hinweis auf das „Größere“, d.h. eine zukünftige Entwicklung sehen müssen. Bezüglich der im Bekenntnis geäußerten traditionellen Vorstellung eines königlichen Messias für sich genommen ist 6,15 einzubeziehen, auch 18,33–37 werden diese durch Pilatus zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen modifiziert und ironischerweise auch von jüdischer Seite zurückgewiesen (19,14f.;19–21). 90 Dass – unabhängig von der Deutung des o[nta uJpo; th;n sukh'n – darauf der Fokus von V.48 liegt, darin ist W ILCKENS, Johannes 51 Recht zu geben. 91 So u.a. auch SCHNELLE, Johannes 66. 92 So widmete sich die ähnlich besetzte ökumenische Arbeitsgruppe aus den USA nicht von ungefähr nach dem „Petrus der Bibel“ (vgl. B ROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus [1973 bzw. dt. 1976]) auch „Maria im Neuen Testament (so die Gemeinschaftsstudie B ROWN, Maria [1981]). Als ein deutliches Beispiel mag die Frage nach einer mit der Anrede guvnai verbundenen Einführung des „Eva“-Motivs „mit einem glücklicheren Ausgang“ gelten, vgl. die Darstellung bei BROWN, Maria 151.171, jedoch schließt die Arbeitsgruppe mehrheitlich diese Art des Symbolismus aus. 93 BROWN, John I 99, BROWN, Maria 150. Jedoch stellt dies zumindest im Rahmen des Dialogs mit Maria Magdalena 20,15–17 eine Art Vorstufe der Relation beider dar, worauf die persönliche Anrede Mariavm V.16 als Steigerung folgt.
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tung gesehen94. Tatsächlich folgt aus dieser – anderen Frauen vergleichbaren – Anrede eine gewisse Relativierung der persönlichen Mutter-SohnBeziehung95 (vgl. aber s.u. zu Joh 19,25–27). Aus dieser (textinternen) Figurenkonstellation jedoch auf die historische Maria rückschließen zu wollen und aus konfessioneller Perspektive deren Bedeutung für spätere christliche Frömmigkeit entweder verteidigen oder minimieren zu wollen, greift methodisch zu kurz. Stattdessen ist hier – wie analog bei der Petrusfigur – zunächst nach der Funktion der Darstellung der johanneischen Figur zu fragen. Die Position der Szenen, in denen die Figur der Mutter Jesu (fast!) zu Beginn und am Ende des Johannesevangeliums eine Rolle spielt, unterstreicht deren paradigmatische Rolle – die allerdings insbesondere den 1,37–51 geschilderten Jüngern in gleicher Weise zukommt. In negativer Weise erscheint ihre Charakterisierung v.a. aufgrund der Wendung tiv ejmoi; kai; soiv, die im Sinne von „das ist nicht meine Angelegenheit“ (vgl. 2Kön 3,13) zu verstehen ist. Grund dieser Distanzierung ist wohl weniger Kritik an einem Wunderglauben (dazu wäre die Aussage der Mutter Jesu oi\non oujk e[cousin V.3 auch zu schwach, da nicht einmal explizit die Bitte um ein Wunder ausgesprochen wird), sondern die noch ausstehende Stunde Jesu. Für diese Deutung spricht zudem, dass Jesus das Wunder schließlich wirkt96. Genauer geht es wie so oft im Johannesevangelium um den Kontrast zweier Verstehensebenen: Das vordergründige Verständnis eines erzählten Ereignisses (d.h. das Fehlen von Wein) wird zugunsten einer christologisch-soteriologischen Erkenntnis transzendiert. Der Hinweis auf die noch nicht gekommene Stunde relativiert zugleich, wie die distanzierte Anrede zuvor, die leiblich-familiäre Beziehungsebene97 zugunsten der Familie der Glaubenden, die 19,25–27 symbolhaft98 94
So schon KRAFFT, Personen 18. Vgl. auch BROWN, Maria 150 und SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 333: „Eine gewisse Distanzierung bleibt aber unüberhörbar“ bzw. B ARRETT, John, 191: „But tiv ejmoi; kai; soiv is (a LXX rendering of Àlv il hm) is abrupt and draws a sharp line between Jesus and his mother“; ebenso spricht DSCHULNIGG, Jesus von „einer gewissen Distanz“ gegenüber der Mutter Jesu an dieser Stelle. 96 Trotz Jesu Zurechtweisung „Mary’s intervention becomes the occasion of the first of Jesus’ signs“ (BROWN I 102 s.a. 109 „it can be seen that Mary’s request, whether by her intention or not, would lead to Jesus’ performing a sign“). Eine analoge Konstellation, dass ein an Jesus herangetragenes Ansinnen zunächst abgelehnt, dann ihm aber entsprochen wird, findet sich 7,2ff. im Zusammenhang mit den Brüdern Jesu (vgl. auch W ILCKENS, Johannes 56). 97 Damit wird ein synoptisch vorgegebenes Motiv (Mk 3,33–35parr.; Lk 2,49) fortgeführt. 98 Das durch B ULTMANN ins Spiel gebrachte Modell, Maria stehe im Gegenüber zu dem das Heidenchristentum repräsentierenden Lieblingsjünger für das Judenchristentum, ist als unhaltbar zurückzuweisen, vgl. DERS., Johannes 369f., in variierender Weise meint auch SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 324: „Neben den Vertretern des ungläu95
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durch die Mutter Jesu und den Lieblingsjünger konstituiert wird. Als paradigmatisch hat jedoch bereits der Hinweis o{ ti a]n levgh/ uJmi'n poihvsate 2,5 zu gelten, da hier ein Kennzeichen der Jüngerschaft eingefordert wird (vgl. 13,15.17; 15,14 u.ö.). So lässt sich im Bild der Mutter Jesu eine gewisse Ambivalenz feststellen: Einerseits wird ihre Bemerkung in Joh 2,3 zum Anlass für eine Zurückweisung durch Jesus, die jedoch letztlich zur Verdeutlichung des vorösterlichen Vorbehalts der noch ausstehenden „Stunde“, also der Explikation johanneischer Theologie dient. Andererseits wird ihre Haltung, die in Joh 2,5 Jüngerschaft repräsentiert, Anstoß für das erste Wunder, das Herrlichkeit offenbart. Ihre Anwesenheit unter dem Kreuz wird schließlich bei ihrer zweiten Nennung Joh 19,25–27 zum Signal für die nun gekommene „Stunde“99. Der vorösterliche Vorbehalt wird so aufgelöst zugunsten ihrer Repräsentation aller Glaubenden im Rahmen der „Gründungslegende der joh. Theologie und der joh. Gemeinde“100. Nikodemus (3,1–21; 7,50f.; 19,39) Eingeführt als Pharisäer und Mitglied des Synhedrion101 (3,1 und später 3,10 didavskalo" tou' ÆIsrahvl) erscheint Nikodemus als ein Vertreter der jüdischen Führungsgestalten (wie sich 7,50f. und 19,39 zeigen wird, aber nicht als der alleinige Vertreter). Zum Repräsentanten eines noch nicht vollendeten Zeichen-Glaubens102 wird er zugleich über den Hinweis auf
bigen Judentums repräsentiert dann die Mutter Jesu den für den ‚König Israels‘ aufgeschlossenen Teil des Volkes“. Diese Rolle kommt jedoch viel deutlicher Nathanael zu (s.o. S. 245), während die Mutter Jesu in keinster Weise besonders signifikant mit dem Judentum in Verbindung gebracht wird (vgl. auch CULPEPPER, Anatomy 134). Bereits mit 2,5 und schließlich dann 19,25–27 erscheint die Mutter Jesu als „Mutter“, d.h. Paradigma der Glaubenden insgesamt (so spricht auch wenige Zeilen später SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 324 von der Interpretation „die Maria als Repräsentantin aller das wahre Heil Suchenden versteht“, die der Lieblingsjünger verstärke. Zur typologischen Auslegung, die Maria als Bild für die Kirche auffasst, SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 324f.). 99 Da die Mutter Jesu nach 2,3–4 nur noch in der Szene unter dem Kreuz vorkommt, sind diese beiden Szenen in enger Verbindung zu sehen. 100 SCHNELLE, Johannes 313f. 101 Zu pauschalisierend sind alle auf das Judentum im Ganzen bezogenen Deutungen im Sinne eines „dialogue of church and synagogue“, so BARRETT, John 202. 102 So auch BROWN, John I 137, W ILCKENS, Johannes 64; TALBERT, John 98; STIBBE, John 34; T HYEN, Johannesevangelium 183; CULPEPPER, Anatomy 135; FREY, Eschatologie III 255 u.a. Zu 2,23–25 als hermeneutischem Schlüssel für Joh 3 vgl. GLOER, Come 281 s.a. die Hinweise bei NICKLAS, Ablösung 227 Anm. 852. Für B ARRETT, John 231 ist Nikodemus „a representative of the half-believing Jews“, was trotz der einschränkenden Bemerkung 2,24 sowohl der auch positiven Funktion der Zeichen und als auch dem insgesamt offenen Bild des Nikodemus m.E. nicht ganz gerecht wird. TALBERT, John 100
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Jesu shmei'a V.2, die Bezeichnung a[nqrwpo" V.1 (vgl. zweifach in 2,25, da 2,23–25 als Einleitung zu 3,1–21 fungiert) und das pluralische oi[damen. Der Offenheit des 2,23 geschilderten Glaubens entspricht das zunächst positiv konnotierte „Kommen zu Jesus“ 3,2, dem vom johanneischen Sprachgebrauch her ein zum Glauben Kommen entspricht103. Das 3,2 ausgedrückte Glaubens-Wissen (oi[damen) greift der johanneische Jesus 3,3 jedoch nur motivlich auf (ouj duvnatai V.3 vgl. oujdei;~ ... duvnatai V.2), um inhaltlich darüber hinauszuführen und in johanneische Theologie einzuführen: wie VV.3–21 zeigen, ist das eigentlich wichtige Thema ein soteriolo104 gisches, nämlich die Partizipation am Heil . Im Rahmen dieses ProzessCharakters – wenngleich ohne erkennbares Resultat eines fortschreitenden Glaubens – ist ebenso die vielgedeutete Angabe h\lqen pro;" aujto;n nuktov" 3,2 zu sehen: Reiner Spekulation ist geschuldet, Nikodemus wolle wie 19,39 unerkannt bleiben105. Wahrscheinlicher ist, dass ihn der Hinweis auf nächtliches Torastudium analog zu o[nta uJpo; th;n sukh'n 1,48 wiederum als Schriftkundigen charakterisiert106. Plausibel im Kontext der Perikope selbst ist eine Antithese zu 3,20, d.h. eine Bewegung vom Dunkel des Unglaubens107 zum Licht des Glaubens und damit ein Gegenbild zu Judas108. Unterstützt wird diese Annahme von der Tatsache, dass sich die statischen Aussagen (V.2) hin zu Fragen (V.4.9)109 entwickeln, die trotz oder gerade angesichts ihrer Missverständnisse „in das Zentrum joh. Theologie“110 füh-
sieht einen Zusammenhang zwischen den 2,18–20 geschilderten Missverständnissen der Juden, dem Zeichenglauben der polloi; 2,23–25 und Nikodemus 3,1–12. 103 S.a. e[rcomai + pro;~ 3,20f u.ö. 104 Zur Umkehrung und Weiterführung von V.2 in V.3 FREY, Eschatologie III 255f. 105 So u.a. W ILCKENS, Johannes 65, SCHNELLE, Johannes 79, T HYEN, Johannesevangelium 185 und STIBBE John 34. Wie 7,50 handelt es sich 19,39 um einen reinen Rückbezug auf 3,1 ohne jede Wertung. Auch ist fraglich, ob die Aussage über Josef von Arimathäa 19,38, der dia; to;n fovbon tw'n ÆIoudaivwn gehandelt hat, auf Nikodemus zu übertragen ist (so DE J ONGE, Jesus 30). NICKLAS, Ablösung 245f. stellt dem m.E. zu Recht nicht nur die Antithese zu 3,20, sondern auch das selbstbewusste oi[damen V.2 entgegen. 106 SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 380. 107 Vgl. u.a. BEASLEY-MURRAY 47; ähnlich SCHNELLE, Johannes 80, der ihn „noch vom Bereich des Lichtes und der Erkenntnis getrennt“ sieht, bzw. die berechtigte Frage bei NICKLAS, Ablösung 229 ob er „als Gestalt auf dem Weg zum Licht“ zu verstehen ist. Die von Nicklas genannte Alternative, dass sich Nikodemus noch „in der Sphäre der Dunkelheit befindet“ ist m.E. von der bereits 3,2 dargestellten Bewegung her zu verneinen. 108 So auch GLOER, Come 297. 109 Vgl. das Fazit bei NICKLAS, Ablösung 232: „Aus dem, der zu wissen vorgibt, wird ein In-Frage-Stellender und schließlich ein Fragender“. 110 SCHNELLE, Johannes 79.
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ren111. Der Dialog geht hierbei in eine monologartige Darstellung über, die zu initiieren112 seine Funktion ist. Durch die Ironie Jesu (besonders V.10) können sich die Adressaten Nikodemus überlegen fühlen, wenn sie sich auf die dargelegte johanneische Sichtweise einlassen113, doch müssen auch sie sich hinterfragen lassen114 (s.a. die Anrede in der 2. Person Plural V.12 bzw. die Rede in der unpersönlichen 3. Person Singular V.13–21). Offen bleibt bis zum Schluss115, wohin dieser (Glaubens-)Prozess führt: Zwar wird Nikodemus 7,50f. aufgrund seiner Intervention zugunsten von Jesus in Opposition zur Gruppe der Pharisäer gerückt, ob durch ihn die Frage mhv ti" ejk tw'n ajrcovntwn ejpivsteusen eij~ aujto;n h] ejk tw'n FarisaivwnÉ V.48 letztlich doch positiv zu beantworten wäre, kann nicht entschieden werden. Eine in nachösterlichen johanneischen Glauben kulminierende Entwicklung wie bei den Jüngern wird so nicht dokumentiert. Stattdessen wird zu einer Annahme der in der Jesus-Rede dargestellten Theologie herausgefordert, und damit letztlich dazu, die Frage von 7,48 zumindest für sich positiv zu beantworten. Gleichwohl zeichnet der letzte Hinweis 19,39 Nikodemus weiterhin als Anhänger Jesu, der wie Josef von Arimathäa Jesus die eines Königs würdige Bestattung zukommen lässt (dagegen aber 19,2–22!), während ihn die Jünger verlassen haben (vgl. 16,32). Doch verbleibt er trotz dieser Verehrung Jesu mit diesem letzten Auftreten im Rah-
111
Angesichts der beschriebenen Dynamik, die in erster Linie der Entfaltung johanneischer Theologie und weniger der Abwehr einer konkret fassbaren anderen Theologie dient, wäre es zu kurz gegriffen, Nikodemus zum Repräsentanten einer Gemeinschaft mit defizitärer Christologie zu erklären, wie dies STIMPFLE, Blinde 40f. tut. Welches „Wir“ dabei hinter oi[damen 3,2 steht, muss mit Ausnahme des Hinweises auf den ZeichenGlauben, d.h. die 2,23 genannte Gruppe offen bleiben. 112 S.a. BROWN, John I 144f.: „[L]ike so many of the characters in the Johannine Discourses he has served as a foil whose misunderstanding or failure to understand causes Jesus to expound his revelation in detail“, analog auch CULPEPPER, Anatomy 135. 113 Vgl. auch NICKLAS, Ablösung 247. 114 So auch FREY, Eschatologie III 247: „Nikodemus ist nicht nur Repräsentant einer theologisch bekämpften Gruppe oder einer zu korrigierenden Tradition, in seinen Fragen wird das Glaubens-‚Wissen‘ der Leser selbst zur Disposition gestellt“. 115 So auch DSCHULNIGG, Jesus 112, der im Rückblick auf die Nikodemus-Szenen insgesamt dann sogar eine positive Entwicklung für möglich hält (ebd. 116). Tatsächlich ist der Ausgang des Prozesses weder positiv noch eindeutig negativ zu beantworten (gegen DE J ONGE, Jesus 42: „In fact, he reacts as an outsider; he does not belong to the children of God“ s.a. COLLINS, Conversation 58, der Nikodemus „as a representative figure to describe a type of belief that is insufficient for salvation“ bzw „representative of inadequate faith“ einstuft). Tatsächlich, so meine ich, lassen sich in der narrativen Darstellung (Art seiner Fragen bzw. Missverständnisse, Jesu Ironie) und Funktion einige Parallelen zu anderen Charakteren ziehen – Petrus eingeschlossen.
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men des Johannesevangeliums der vorösterlichen Sphäre verhaftet116, eine weitere, den Jüngern analoge Entwicklung bleibt offen. Thomas Das Spektrum an positiven und negativen Bewertungen der Figur des Thomas ist ähnlich dem anderer Figuren – insbesondere des Petrus! – breit gefächert. Dies wird wohl hauptsächlich auf die ebenso offene und ambivalente Darstellung zurückzuführen sein. Joh 11,16 tritt er zuerst aus dem Jüngerkreis hervor und fordert die Jünger auf, mit Jesus nach Bethanien in Judäa zu gehen, um mit ihm zu sterben. Dies wird in einem gewissen Spannungsfeld zwischen Unverständnis117 und Treue zu Jesus gesehen118. Da Analoges auch für Mk 14,31 gilt, wo Petrus das Motiv des Mitsterbens stellvertretend für alle Jünger vorbringt (wJsauvtw" de; kai; pavnte" e[legon vgl. die Jünger als Gegenüber Jesu Joh 11,7–16), scheint hier auf Thomas übertragen ein weiteres Beispiel für die johanneische Erweiterung des Jüngerkreises vorzuliegen. Mit a[gwmen bezieht sich Thomas 11,16 zwar zurück auch auf die Aufforderung Jesu am Ende von V.15, v.a. aber auf den Einwand der Jünger V.8; somit werden sowohl die Verheißung Jesu V.9f. als auch das Lazarus betreffende Missverständnis, das Jesus V.14f. aufgeklärt hat, ignoriert. Diese stark an 13,37 erinnernde Bereitschaft ist so weniger positiv hervorzuheben119 als vielmehr als Verkennung der christologisch-soteriologischen Implikationen V.9f.11.14f., die das Vorhaben Jesu demonstriert. Anders als Petrus missversteht Thomas – wie auch in 20,24f. – nicht die Dimension des Leidens, sondern die Dimension der 11,4 angekündigten dovxa120 im Zeichen der Auferweckung des Lazarus (V.11). Diese wird ihrerseits von der Auferstehung Jesu übertroffen werden (vgl. das selbst abgelegte soudavrion 20,7 im Gegensatz zu 11,44). So wie Thomas 11,16 immer noch den Weg Jesu verkennt, greift er 14,5 stellvertretend für die Jünger das Stichwort oJdov~ von V.4 auf und dient in sei116
DSCHULNIGG, Jesus 120 geht eindeutig zu weit zu sagen, Nikodemus habe „zwar die christologischen Aussagen über die Heilsbedeutung des Kreuzes in 3,14–16 noch nicht verstanden, er holt sie aber im existenziellen Vollzug der Verehrung des Gekreuzigten ein, den er in Kapitel 19 ehrenvoll bestattet“. 117 Die Ankündigung der Auferweckung des Lazarus V.11 bleibt augenscheinlich ohne Wirkung s.a. FREY, Eschatologie III 430 und W ELCK, Zeichen 209. 118 Vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 411. 119 So B ULTMANN Johannes 305 und T HYEN, Johannesevangelium 520. Auch muss der Hinweis von B ARRETT, John 392, dass hier „Thomas (…) is made to speak an unconscious truth“ dahingehend modifiziert werden, dass nur der Tod Jesu, nicht aber derjenige der Jünger sich bewahrheiten wird, sondern vielmehr das, was in 16,32 allen Jüngern einschließlich Petrus vorzuwerfen sein wird. Vgl. STIBBE, John 125: „His comments manifest naivite at best, insincerity at worst“. 120 Vgl. auch CULPEPPER, Anatomy: „He is the model of the Disciple who understands Jesus’ flesh but not his glory“.
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
nem aus vorösterlicher Sicht nachzuvollziehenden Missverständnis der Darstellung der johanneischen nachösterlichen Sichtweise, d.h. auf der narrativen Ebene der Vorbereitung des „Ich-Bin“-Wortes V.6 und der V.7 zum Ausdruck kommenden Erkenntnis des Vaters in der Person Jesu. Auch 20,24–29 stellt Thomas dann – wie bereits im Kontext der Zwölf121 bemerkt – trotz seines an 1,1.3 anknüpfenden Bekenntnisses in 20,28, das in christologischer Hinsicht als Höhepunkt des Johannesevangeliums zu gelten hat, als „Typus der Glaubenden zur Zeit des Irdischen“122 den GegenTypos zum Lieblingsjünger und damit der nachösterlichen Gemeinde selbst dar. In Auseinandersetzung mit diesem Gegen-Modell werden die Adressaten dazu geführt – oder darin bestärkt – ihren Glauben auf das im Johannesevangelium festgehaltene Zeugnis der Jünger (eJwravkamen123 to;n kuvrion 20,25) gründen zu können und nicht auf die leibhafte Begegnung mit dem Auferstandenen angewiesen zu sein. Indem Thomas allerdings im Kreis der sieben Jünger 21,2 noch einmal Erwähnung findet, wird nicht nur die Überwindung seines Zweifels dokumentiert, sondern – repräsentiert durch Petrus – wird abschließend nochmals die Verwiesenheit der Jünger auf den Lieblingsjünger und dessen Zeugnis hervorgehoben. Marta Wenn Marta V.20 Jesus entgegen geht, so ergreift sie damit zunächst die Initiative, um die Begegnung mit Jesus herbei zu führen124. Doch wird sich ihr – wenngleich vertrauensvolles – Bekenntnis V.21f. zu ihm als fürbittender Wundertäter125 im Rahmen des Dank- statt Bittgebets Jesu V.41f.126 als Ausdruck eines weiterzuführenden, zu überbietenden Glaubens erweisen. Anders als für die durch V.11 informierten Adressaten bleibt auf der Ebene der Erzählung für Marta offen, auf welchen Zeitpunkt der Auferstehung sich Jesus im folgenden V.23 bezieht. Ihr Bekenntnis einer futurischen Eschatologie V.24 ist daher eine legitime und von Jesus auch nicht korrigierte, allerdings modifizierte Option. Die wird für sich genommen aufgrund von V.11 und dann V.25 als Missverständnis127 ge121
Der Bezug auf die Zwölf (ei|" ejk tw'n dwvdeka) verbindet Thomas hier mit Judas (vgl. 6,71) s.o. S. 241, woraus mit COLLINS, Twelve 86 zu schließen ist: „Judas and Thomas graphically represent the inadequacy of the twelve before the death and resurrection of Jesus.“ 122 W ELCK, Zeichen 211f. 123 S.a. 3,11; 1Joh 1,1–3, parallel zu ejqeasavmeqa Joh 1,1 und Joh 1,14. 124 Zum Vergleich mit ihrer im Haus bleibenden Schwester s.u. S. 256. 125 Dazu WELCK, Zeichen 214–220; FREY, Eschatologie III 433; HOFIUS, Auferweckung 25. 126 FREY, Eschatologie III 441f.; W ELCK, Zeichen 215f. 127 Wenn sich T HYEN, Johannesevangelium 523 dagegen wendet, dass Martas Antwort V.24 als ein Missverständnis zu bezeichnen ist, so liegt hier augenscheinlich ein Missver-
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kennzeichnet: Im ejgwv eijmi Jesu kommt neben der futurischen (ka]n ajpoqavnh/ zhvsetai V.25; ouj mh; ajpoqavnh/ V.26) die präsentische Dimension sowie Jesus als handelnde Person zum Ausdruck 128. Um insbesondere letzteren Aspekt, und damit eine spezifisch johanneische Christologie129 narrativ zur Darstellung zu bringen, erscheint hier Jesus als präsentisch Agierender, was jedoch in dieser Weise nicht (mehr) für die Zeit der johanneischen Gemeinde gilt130. Dieser gilt in paränetischer Absicht das pisteuvei" tou'toÉ V.26, die so hinterfragt auch in das Bekenntnis der Marta V.27131 einstimmen kann132. Nur scheinbar im Widerspruch dazu scheint ständnis über die Funktion johanneischer Missverständnisse vor: denn es geht beileibe nicht darum, die diese Missverständnisse aussprechenden Figuren abzuwerten (in der Tat: Marta „ist ja nicht Zeugin all dessen gewesen, was der Leser seit Joh 5,19ff. weiß“ ebd., ebenso wenig war V.11 an sie gerichtet), sondern die spezifisch johanneische Perspektive zu demonstrieren. Dabei werden die Adressaten durch die Äußerungen der Figuren herausgefordert, sich je nach deren Darstellung über geäußerte Vorstellungen hinausführen zu lassen (so V.24) oder aber sich einem Bekenntnis anzuschließen (so V.27). 128 FREY, Eschatologie III 454–57, der zu Recht die V.25f. eingeschlossenen futurischen Implikationen betont, gegen HOFIUS, Auferweckung 28 oder auch die Annahme bei SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 414, der jüdische Auferstehungsglaube sei die „dunkle Folie, von der sich das folgende Offenbarungswort Jesu heller abhebt“. Dem damit konstatierten Gegensatz zwischen futurischer und präsentischer Eschatologie steht ebenso entgegen, dass Lazarus erneut in seine irdische, d.h. sterbliche Existenz hinein auferweckt wird (SCHNELLE, Johannes 213 vgl. auch FREY, Eschatologie III 416.458). 129 Aus deren Perspektive dann stellt V.24 eine „christologisch unzureichende“ Sichweise dar, FREY, Eschatologie III 431 s.a. 435: die Korrektur gilt der „für den Evangelisten insuffizienten Christologie“. 130 SCHNELLE, Johannes 213. 131 Die aufgeführten christologischen Titel stellen eine Zusammenführung vorheriger Bekenntnisse dar: cristov" (1,41; 20,31), uiJo;" tou' qeou' (1,49; 20,31) und ejrcovmeno" (6,14; vgl. auch ejrcovmenon eij" to;n kovsmon 1,9; oJ a[nwqen ejrcovmeno~ 3,31; oJ ejrcovmeno~ ejn ojnovmati kurivou 12,13) s.a. FREY, Eschatologie III 436 gegen MOLONEY, John 328, der die vorherigen Bekenntnisse korrigiert sieht. Allerdings ist Andreas gerade nicht korrigiert worden, sondern nur Nathanael, und zwar aufgrund eines sich nur auf Jesu Vorherwissen gründenden Glaubens und nicht wegen seines Bekenntnisses zum uiJo;" tou' qeou', das ja bewusst dem traditionellen Messias-Glauben vorangestellt wurde, zu Nathanael s.o. S. 245; zu 4,25.29 s.u. S. 263–266). Zudem ist noch anzuführen, dass su; ei\ V.27 (s.a. 1,49; 6,69!) ejgwv eijmi V.25 korrespondiert. 132 Analog gilt dies für das Petrus-Bekenntnis, das ebenfalls mit pisteuvw im Perfekt und einem emphatischen hJmei'" (vgl. hier ejgwv) ausgedrückt wird (vgl. DE J ONGE, Jesus 3.17, gegen W ELCK, Zeichen 218 das Perfekt zeige die Kontinuität ihres Verhältnisses statt neuer Erkenntnis, ebenso bezieht MOLONEY, John 339 die perfektische Verwendung zurück auf Martas V.25f. vorangehende Äußerungen. Für Petrus 6,68f. wie für Marta 11,27 gilt, dass es sich um ein „Messiasbekenntnis im vollen christlichen Sinn“ handelt, so SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 416. Vgl. auch K OET, Image 63: „[T]here is nothing in the reminder of v. 27, where she enlarges on her answer with the most comprehensive confessional statement in the entire Gospel, to suggest that she has not grasped it“.
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
Martas Hinweis auf die eingesetzte Verwesung des Leichnams in V.39 zu stehen, doch steht dieser in der gleichen Funktion wie vorher Missverständnis und Bekenntnis: und zwar der Explikation der johanneischen Christologie, in dem Fall der Betonung des göttlichen Charakters Jesu, da gemäß jüdischem Verständnis nur Gott (nach vier Tagen tatsächlich) Toten Leben geben kann133. In V.39f. muss Marta wie die Jünger in 11,16 (trotz der Ankündigung Jesu 11,4) Jesu dovxa noch erkennen, was die seit 1,14 informierten Adressaten in eine überlegene Position versetzt und der Feststellung der dovxa noch näher bringt. Diese Ambivalenz bzw. Gebrochenheit von Glaubensäußerungen einerseits und (noch) fehlendem johanneischen Glauben andererseits führt zunächst zu einer Irritation beim Leser; doch wird dadurch ein immer weiterführender Reflexionsprozess in Gang gesetzt, der die Erkenntnis eines von spezifisch johanneischer Theologie geprägten Glaubens zum Ziel hat. Maria Vergleicht man die Darstellung der beiden Schwestern, deren Ort der Begegnung mit Jesus V.30 als der gleiche betont wird, so zeigt sich, dass beide korreliert werden134: Marta und Maria werden getröstet
Maria wird getröstet
(paramuqhvswntai V.19)
(paramuqouvmenoi V.30f.)
Marta geht Jesus entgegen (V.20)
Maria geht zu ihm (V.29.32)
Wörtliche Rede (V.21f.)
Wörtliche Rede (V.32)
kuvrie, eij h\" w|de oujk a]n
kuvrie, eij h\" w|de oujk a[n
ajpevqanen oJ ajdelfov" mou
mou ajpevqanen oJ ajdelfov~
Dialog (V.23–27)
Dialog/Handlungen (V.34–44)
Doch gerade im Spiel von Analogie und Differenz sind auch auffällige Unterschiede zwischen den Schwestern festzustellen: Zunächst geht Marta Jesus selbst entgegen, während die Bewegung Marias zu Jesus hin durch Martas – quasi missionarische Botschaft – vermittelt wird (V.28). Die Formulierung fwnei' se zeigt im Rückbezug zu 10,3135, dass im nachösterlichen Rufen anderer Jesus selbst ruft (vgl. ejfwvnhsen – fwnei'). Anstelle 133
B ARRETT, John 401; FREY, Eschatologie III 453. TALBERT, John 172f. spricht von einem „Martha Cycle“ und einem „Maria Cycle“. 135 Dieser Bezug legt sich auch bei MOLONEY, John 329 nahe. 134
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von Martas vertrauensvoller Aussage V.22, die jedoch Jesus als fürbittenden Wunderheiler charakterisiert und entsprechend im „Ich-Bin“-Wort Jesu modifiziert wird136, gibt Marias Klage137 V.33 den Anlass für die Wundertat als solche138. Damit wird letztlich die Vorstellung von beiden korrigiert, Jesus könne nur Kranke heilen (V.21.32), aber nicht Tote erwecken (wie V.11 bereits angekündigt). Zugleich wird ihnen das Bild des in der Einheit mit Gott handelnden Sohnes vor Augen gestellt (V.41–44). In 11,5 wird der Eindruck erweckt, Maria werde über ihre Schwester definiert (kai; th;n ajdelfh;n aujth'") und ihr so nachgeordnet. Durch die gegenteilige Vorordnung von Maria V.1 und ihre V.2 angedeutete spätere Rolle (vgl. 12,3–8) erweist sich dies jedoch als irrig. So findet der über Marta hinausgehende besondere Zug der Verehrung in V.32 seine Fortsetzung139 in der Salbung in Bethanien, in der Maria mit einer außergewöhnlich großen Menge an kostbarem Öl proleptisch auf die Ehrung Gestorbener (vgl. 19,39f.), d.h. das bevorstehende Kreuzesgeschehen hinweist. Die im Kontext ungewöhnliche Betonung der Füße stellt zugleich einen proleptischen Bezug zur Fußwaschung140 her: Der Liebeserweis Marias korrespondiert dem Dienst Jesu an den „Seinen“, die er eij" tevlo" liebt (13,1). In diesem
136
So betont FREY, Eschatologie III 417, dass Jesus mit Marta – anders als mit Maria vgl. V.33 – allein spricht und der Fokus des Dialoges so auf dem „Ich-Bin“-Wort liegt. 137 Unklar bleibt, ob im Rahmen der Parallelisierung der Klage Marias mit der Klage der Juden (klaivw V.33) nicht anhand von dovxante" o{ti uJpavgei eij~ to; mnhmei'on V.31 auch ein Moment der Differenzierung impliziert ist: Denn Maria geht zu Jesus (V.29!), während die Juden meinen, sie ginge zum Grab, so auch B ULTMANN, Johannes 309. Möglicherweise wird der Kontrast zwischen Maria und den Juden verstärkt durch den Hinweis in V.30, dass sich Jesus vorerst nur an dem Wohnort der Schwestern befindet, so SCHNELLE, Johannes 213; doch scheint mir V.30 in erster Linie der Parallelisierung der Schwestern zu dienen. 138 Wenig weiterführend sind Versuche, eine der Schwestern über die andere als überlegen einzuordnen: Weder wird V.22 die „erste Stufe des Glaubens dargestellt über die sich ihre Schwester erhob“ (so B ULTMANN, Johannes 306), indem sie die Vorstellung von Jesus als fürbittendem Wunderheiler nicht übernimmt (dies merkt beispielsweise MOLONEY, John 330 an), noch wird Marta als Adressatin des „Ich-Bin“-Wortes in besonderer Weise hervorgehoben, und Maria als vorwiegend Klagende abgewertet (so etwa bei SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 418: „So erweckt Maria nur den Eindruck einer Klagenden“). Vielmehr geben Martas Worte (V.22.24.39) und Marias Klagen (V.33) je für sich Anlass für eine narrative Christologie in der Verbindung von Wort (V.25f.40.41f.) und Tat (V.43f., wobei auch hier Jesu vollmächtiges Wort im Vordergrund steht). 139 Diese beiden Erzählungen werden nicht nur proleptisch (11,2), sondern auch analeptisch (12,1 bzw. 12,2 über den Namen des Lazarus) miteinander verbunden. 140 Dies wird deutlich an 11,2, wo die bevorstehende Salbung ausdrücklich mit dem Trocknen der Füße verbunden wird; zum Bezug auf die Fußwaschung vgl. auch SCHNELLE , Johannes 222; S TIBBE , John 132.
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
Sinne dient das Auftreten der Maria hier der Akzentuierung johanneischer Christologie und christologisch bestimmter Ekklesiologie. Lazarus Wenn gemäß Alan R. CULPEPPER die johanneischen Charaktere zwei Funktionen erfüllen, nämlich zum einen Jesus selbst als „main character“ zu charakterisieren und zum anderen angemessenen Glauben als Reaktion auf ihn zu provozieren, so kann Lazarus nur die erste dieser Funktionen141, allerdings in besonders dichter Weise, erfüllen: In 11,3 hervorgehoben und 11,5 zusammen mit den Schwestern (vgl. 11,11 oJ fivlo" hJmw'n) erscheint er als jemand, den Jesus liebt142, d.h. der exemplarisch Jesu Liebe (13,1 u.ö.) zum Ausdruck bringt. Doch gemäß 11,4 als hermeneutischem Schlüssel für die folgende Auferweckung liegt der Fokus der Darstellung auf christologisch-soteriologischen Aspekten, insbesondere der narrativen Umsetzung des „Ich-Bin“-Wortes in 11,25f., und zwar im übergreifenden Sinne der Offenbarung von Jesu dovxa. Im intratextuellen Spiel mit der Auferstehung Jesu bricht auch hier Jesus nach zwei Tagen, d.h. am 3. Tag auf (11,6)143, und wird sein Tod heftig beweint (klaivw V.11.13.15 vgl. 11,31.33). Doch der Analogie korrespondiert die christologisch-soteriologische Differenz: Anders als in 20,5–7 geschildert bleibt Lazarus umwickelt, d.h. letztlich „gebunden“ in den Grabtüchern und dem soudavrion144 als Zeichen seiner fortwährenden irdischen Existenz; dem Gestank seines Todes (11,39) wird der Wohlgeruch des auf Jesu Tod verweisenden Öles145 entgegengesetzt. In christologischer Perspektive betont das der Auferweckung vorangehende Dankgebet die Einheit Jesu mit Vater146, die ja auch in der Offenbarung der dovxa zum Ausdruck kommt, die die von Marta und Maria (s.o.!) geteil141
Tatsächlich wird von Lazarus weder ein Bekenntnis noch sonst eine Glaubensäußerung berichtet vgl. aber im Folgenden die Darstellung seines Verhältnisses zu Jesus. Ihn als „Dead Man With No Faith“ zu bezeichnen, wie das B ECK, Discipleship Paradigm 96 überschriftartig tut, greift jedoch zu kurz. 142 U.a. aufgrund dieser Übereinstimmung mit der Bezeichnung des Lieblingsjüngers erfolgten nicht wenige Versuche dahingehend, ihn mit diesem zu identifizieren vgl. CHARLESWORTH, Disciple besonders Ch. 4 „Fresh Insights Suggesting that Thomas Is the Beloved Disciple“ 225–287 s.a. 414–432. Auch der Hinweis Lavzaro" ei|" h\n ejk tw'n ajnakeimevnwn su;n aujtw' 12,2 kann anhand von ajnavkeimai mit 13,23 in Verbindung gebracht werden, bezieht sich allerdings 6,11 und 13,28 genauso auf andere Personen. Stattdessen ist über 11,11 (fivlo~) mit Lazarus eher das Wortfeld „Freundschaft“ in engen Zusammenhang zu bringen (s.a. 15,13!). 143 FREY, Eschatologie III 414. 144 S.o. 4.1.5.1. 145 S.a. SCHNELLE, Johannes 222; M OLONEY, John 349. 146 Das Gebet Jesu stellt teilweise eine Prolepse zu Joh 17 dar, so in der Anrede pavter 11,41 s.a. 17,1.5.11.21.24.25 (vgl. aber auch 12,27f.!) und in o{ti suv me ajpevsteila~ 11,42 vgl. 17,3.8.18.21.23.25 so auch FREY, Eschatologie III 441.
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ten Erwartungen eines Wunderheilers zugunsten göttlicher Vollmacht (s.a. fwnh'/ megavlh/ 11,43 und 5,25.28) transzendiert. Der Hinweis Martas auf die bereits eingetretene Verwesung verstärkt nicht nur das Wunder als solches, sondern betont ebenso die leibliche Dimension der Auferstehung. In Verbindung mit der Vorwegnahme der Salbung V.2, der in V.8–10 geschilderten Todesgefahr (die jedoch durch das Bildwort reinterpretiert wird als Zeit des Tages, die es zu nutzen gilt) und schließlich anhand des folgenden Tötungsbeschlusses, in dessen Kontext V.50–53 sogar aus dem Mund des Hohepriesters johanneische Soteriologie verkündet wird, zeigt sich: Herrlichkeit und Kreuz sind christologisch-soteriologisch untrennbar verbunden147, doch die Offenbarung dieses Heilsgeschehens führt im Rahmen johanneischer Darstellung an diesem Höhepunkt des vorösterlichen Wirkens Jesu zu einer Scheidung zwischen Glaube an Jesus (V.45) einerseits und Gegnerschaft Jesu (V.46–53) andererseits. Maria Magdalena Zu Beginn bleibt Maria Magdalena noch dem Status verhaftet, den sie 19,25 innehatte: eine Jüngerin unter dem Kreuz. So geht sie zunächst aus 148 von der Annahme, man habe Jesu Leichnam gestohlen (20,2.13 ). In der Umformung der 1. Person Plural (oi[damen) V.2 in die 1. Person Singular (oi\da) V.13 erweist sie sich so noch als Repräsentantin der V.2 noch im vorösterlichen Status verhafteten Jüngern. Auf diese bleiben die Verse 3– 10 daher noch ohne Rückwirkung. Im Gegensatz dazu sind die Impliziten Leser durch ihren Wissensvorsprung, vermittelt durch den Lieblingsjünger, überlegen. Dazu signalisieren die Engel149 V.13 den Adressaten die Annahme der Maria als Missverständnis. Auch Jesus selbst erkennt Maria nicht150 (V.14), und meint, es sei der Gärtner (V.15). Wie die Engel stellt 147
Ob außerdem noch die Lokalisation am Jordan und die damit verbundene Botschaft des Täufers 10,40 auf 11,1ff. zu beziehen ist, wo ja nun von Bethanien die Rede ist, scheint mir gegen HOFIUS, Auferweckung 19f. nicht plausibel, den anderen von ihm genannten, auf das Kreuz hinweisenden Aspekten ist jedoch wie dargestellt zuzustimmen. 148 V.13 h\ran to;n kuvriovn mou, kai; oujk oi\da pou' e[qhkan aujtovn nimmt wörtlich Bezug auf V.2 h\ran to;n kuvriovn (…) kai; oujk oi[damen pou' e[qhkan. In der Umformung der 1. Person Plural in die 1. Person Singular erweist sich die Figur der Maria Magdalena zunächst als Repräsentantin der V.2 noch im vorösterlichen Status verhafteten Jüngern; auf diese bleiben V.3–10 daher auf der Ebene der Erzählung noch ohne Rückwirkung. Im Gegensatz dazu sind die Impliziten Leser also durch ihren Wissensvorsprung, vermittelt durch den Lieblingsjünger, überlegen. 149 Die weißen Gewänder legen einen Bezug zu Mk 16,5 bzw. der Plural der zwei Engel zu Lk 24,4.23 nahe. 150 Zu diesem typisch johanneinischen Missverständnis bemerkt B ARRETT, John 564: „[I]ndeed this is the supreme example of the device, for it is not a metaphor but Jesus himself who is mistaken“.
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Jesus an sie die Frage tiv klaivei"É und darüber hinausgehend: tivna zhtei'"É Dies stellt in Fortführung von tiv zhtei'te 1,38 die Dimension christologisch fokussierter151 Nachfolge dar, ebenso wie die persönliche Anrede Jesu an Maria V.16152, die ihn als guten Hirten aus 10,3.27153 kennzeichnet und zugleich Maria Magdalena als paradigmatische Jüngerin im Blick auf die – wie sie – hörende Gemeinde. Aufgrund der Selbstoffenbarung Jesu erkennt Maria ihn schließlich bei ihrem zweiten Umwenden (strevfw V.14.16) und spricht ihn mit „Rabbuni“154 an. Erkannte sie ihn zunächst nicht, so muss sie nun daran erinnert werden, dass sie Jesu Gang zum Vater nicht aufhalten kann (V.17), dabei wird sie stellvertretend für die Adressaten jedoch vergewissert: Der Vater Jesu ist auch ihr Vater und Gott155. Im Kontrast zu h\ran to;n kuvrion ejk tou' mnhmeivou V.2 wird sie V.18 schließlich zur ersten Verkünderin der Osterbotschaft: eJwvraka to;n kuvrion. Damit zeigt sie die auch für die Adressaten angemessene Reaktion auf die Selbstoffenbarung des Auferstandenen, der sich (s.o.) zugleich als der Gute Hirte erweist. Josef von Arimathäa Obgleich eine Randfigur ist der einmaligen Erwähnung des Josef von Arimathäa 19,38–41 doch Beachtung zu schenken, da er ausdrücklich als Jünger (w]n maqhthv~ V.38) gekennzeichnet wird. Die direkt anschließende Einordnung als „geheimer Jünger“ wird mit dem Motiv dia; to;n fovbon tw'n ’Ioudaivwn begründet, was sowohl 7,12f. mit einer bezüglich der Bedeu156 tung Jesu in sich uneinen Volksmenge als auch 20,19 mit dem Jüngerkreis verbunden wird. Der damit gegebenen Doppeldeutigkeit entspricht die Zuordnung zur ebenso ambivalenten Gestalt des Nikodemus (s.o.) V.39–42, dessen Charakterisierung auch an dieser Stelle durch das Kommen zu Jesus einerseits und den Zusatz nuktov~ anderseits „einge151
Der Wechsel von tiv 1,38 zu tivna vollzog sich bereits 18,4.7 in der Funktion einer christologischen Fokussierung. 152 So wechselt die Anrede von guvnai V.15 zu Mariavm. V.16. 153 SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 374f.; B ARRETT, John 564; W ILCKENS, Johannes 308; T HYEN, Johannesevangelium 762. 154 Mit dieser Steigerungsform von rJabbi verbindet sich Bekenntnischarakter vgl. SCHNELLE, Johannes 328. Damit wird wie durch die Frage tivna zhtei'"É ein Bezug zur ersten Anrede Jesu als rJabbiv 1,38 hergestellt, darauf verweist auch MOLONEY, John 526. 155 Für diese Identifizierung auf dem Hintergrund von Rut 1,16 plädieren auch BROWN, John II 1016, T HYEN, Johannesevangelium 764; s.a. schon B ULTMANN, Johannes 533f.: „[B]etont ist nicht die Differenz in der Gotteskindschaft – sie sind ja seine ‚Brüder‘ –, sondern die Gleichheit“; dagegen aber B ARRETT John 565f., der diese schwierige Formel als Ausweis der besonderen Beziehung Jesu zum Vater ansieht. 156 Dem entspricht auch die Formulierung ejfobou'nto tou;~ ’Ioudaivou~ 9,22, die mit der Darstellung der Eltern des Blindgeborenen verbunden ist, die selbst kein öffentliches Bekenntnis ablegen.
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spielt“ wird. Sowohl die Frage an Pilatus als auch die kostspielige Bestattung Jesu in einem neuen Grab zeugen von einer großen Ehrerbietung durch Nikodemus und Josef, die der Salbung Jesu durch Maria 12,1–8 nahekommt bzw. durch wJ~ livtra~ eJkatovn 19,39 überboten und vollendet 158 wird . Mit der damit signalisierten königlichen Würde werden Josef und Nikodemus von deren Bestreitung durch die ’Ioudai'oi, zuletzt 19,21f., abgerückt. Gleichwohl finden sowohl Josef als auch Nikodemus im weiteren Verlauf des Johannesevangeliums keine Erwähnung mehr. Insgesamt entstehen so wie bei Nikodemus eine spannungsvolle Offenheit in der Beurteilung dieser Figur und eine Leerstelle im Wechselspiel von Identifizierung mit ihr bzw. Distanzierung von ihr. Über das starke Signal des Motivs dia; to;n fovbon tw'n ’Ioudaivwn und den darin liegenden Verweis auf die Situation in 20,19 könnte jedoch eine Auflösung dieser Offenheit im Sinne einer Entwicklung hin zum Glauben intendiert sein. Judas Die Charakterisierung des Judas erfolgt erst an dieser Stelle und nicht gemäß dem chronologischen Auftreten der Jüngergestalten im Ablauf des Johannesevangeliums, da Judas dem Gesamt der Jünger zugleich zugeordnet wie entgegen gestellt wird. So wird er durchgängig einerseits als Teil des Jüngerkreises und andererseits als Gegner Jesu und damit als massivstes Gegenmodell von Jüngerschaft gekennzeichnet. Dabei weist die Art und Weise seiner Erwähnungen darauf, wie sehr Judas zur Chiffre für den Verrat Jesu wird: Bereits der erste Verweis auf ihn in 6,64 erfolgt ohne ausdrückliche Namensnennung, sondern nur mit einem stereotypen Bezug auf den Verrat. Gesteigert wird dies noch dadurch, dass auch die zweite Erwähnung 6,70 keinen Namen, sondern eine Identifizierung mit dem diavbolo~ bietet. Dem schließt sich erst V.71 die erste Namensnennung an, und zwar verbunden mit dem erneuten Hinweis auf den Verrat. Bereits im Rahmen des Abschnitts 6,60–66 hat sich Judas in der Gleichsetzung mit den schismatischen Jüngern V.64 als ihr Repräsentant erwiesen. Joh 6,69– 71 stellen dann den Schlusspunkt einer Entwicklung hin zum Glauben einerseits (6,69f.) und zum Unglauben bzw. Verrat andererseits (6,70f.) dar, 157
Zu überlegen ist, ob der Status eines „geheimen“ Jüngers durch die Frage an Pilatus bereits überwunden ist, so etwa SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III 346 und BROWN, John II 959, der Josef und Nikodemus als Vorbilder sieht: „John may be hinting, that crypto-believers in the Synagoge of his own time shoud follow the example of Joseph and Nicodemus“. Indem die Beschreibung als geheimer Jünger jedoch direkt mit der Anfrage an Pilatus verbunden ist, entsteht eine Spannung, die m.E. gerade nicht aufgelöst wird, sondern als offene Frage an die Adressaten stehen bleibt. 158 Zur Verbindung der beiden Szenen auch T HYEN, Johannesevangelium 753f.
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was sich bis hinein in die innersten Kreise der Jünger vollzieht . Unterstrichen wird dies auch durch die ausdrückliche Zuordnung des Judas zum Kreis der Jünger (ejx uJmw'n ei|~ V.70, bestätigt durch den ErzählerKommentar ei|~ ejk tw'n dwvdeka V.71). In diesem Sinne stehen sich hier Judas in Entsprechung zu den schismatischen Jüngern auf der einen Seite und Petrus als Sprecher der bei Jesus bleibenden, bekennenden Jünger auf der anderen Seite entgegen. Auch bei der folgenden Erwähnung des Judas 12,4 fungiert dieser wie160 derum als Kontrastfigur, und zwar zu Maria , der in der Salbung Jesu die entsprechende christologische Erkenntnis seines bevorstehenden Todes zukommt. Von der hervorgehobenen positiven Darstellung der Maria bereits in 11,2–5 hebt sich die negative Charakterisierung des Judas als klevpth~ 12,6 umso schärfer ab, womit Judas nach 10,1.8.10 wiederum als 161 Gegner Jesu gekennzeichnet wird . In 13,2 wird Judas anhand des diavbolo~ als Auftraggeber wiederum in die größtmögliche Distanz zu Jesus gerückt, der im Folgenden (13,23–25) die größtmögliche Nähe des Lieblingsjüngers zu Jesus entgegensteht. Als Teilnehmer an Fußwaschung und Mahl (13,2.10.18.21–30) und insbesondere durch die Verhältnisbestimmung V.11.18 wird die Herkunft des Judas aus dem Jüngerkreis unterstrichen und damit die bereits Joh 6 deutlich gewordene Intention, das Phänomen von Unglaube bzw. Verrat bis in die innersten Kreise (hier der Abendmahlsgemeinschaft!) hinein darzustellen. Die szenische Angabe h\n de; nuvx 13,30 wird eine Kontrastierung zu Jesus 162 als dem Licht der Welt und das Phänomen des Unglaubens unterstreichen; dem entspricht in räumlichen Dimensionen das „Hinausgehen“ des Judas (ejxevrcomai, betont aufgenommen in V.31). Trotz dieser nun räumlichen Trennung vom Kreis der Jünger wird selbst noch bei seinem letzten namentlichen Auftreten 18,2 seine Herkunft aus dem Kreis der Jünger betont und zugleich eine klare Zuordnung zu den Gegnern Jesu und damit zur 163 „Gesamtheit des feindlichen Kosmos“ vorgenommen, nochmals ver-
159
S.o. 4.1.2.1 c) und d) sowie 4.1.4.1 c). Dies entspricht einem breiten Konsens vgl. VOGLER, Judas 98 und die angegebene Literatur Anm. 690, s.a. FARELLY, Disciples 109, DSCHULNIGG, Jesus 164. 161 So u.a. auch DSCHULNIGG, Jesus 166. Vom Kontext in Joh 9f. her bezieht sich klevpth~ zwar auf die Pharisäer, doch zum einen wird ihnen Judas spätestens 18,3 zugeordnet und zum anderen ist die darin zum Ausdruck kommende Gegnerschaft des Judas zu Jesus in jedem Fall zutreffend. 162 Zur symbolischen Interpretation s.o. Kap. 4 Anm. 153. Das gleiche könnte durch die Angabe meta; fanw'n kai; lampavdwn 18,3 intendiert sein; dies sieht KLAUCK, Judas 89f. zumindest als möglich an, für FARELLY, Disciples 115 zeigen sich darin zumindest „co-representatives of ‚darkness‘“. 163 KLAUCK, Judas 89. 160
261
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes 164
stärkt durch metÆ aujtw'n im Rahmen seiner letzten Erwähnung . Durch das Erfüllungszitat V.9 wird zugleich ein Rückverweis auf 17,12 gegeben, 165 wodurch Judas als uiJo;~ th'~ ajpwleiva~ identifiziert wird. Die bereits angemerkte Funktion der Judas-Figur als Chiffre lässt sich auch an der Art und Weise ihrer jeweiligen namentlichen Einführung zeigen: standen der ersten namentlichen Erwähnung 6,71 der Verweis auf den Verrat (6,64) und die Bezeichnung als diavbolo~ voran, (vgl. auch den Verweis auf den Verrat 13,21 vor der Namensnennung 13,26), wurde der Name in den weiteren Nennungen jeweils mit dem Verrat oder dem diavbolo~ als Auftrag166 geber verknüpft (12,4; 13,3 ), 13,11.18 genügten Umschreibung des Verrats ohne ausdrückliche Namensnennung. In der letzten Szene, in der Judas namentlich auftritt, wird auf den Beinamen ÆIskariwvth~ oder den Zusatz Sivmwno~ verzichtet; in Joh 18,2.5 verschmilzt der Judas-Name allein mit seinem Verrat. Als Endpunkt dieser Entwicklung ist in 21,20 der Rückverweis auf 13,21.25 ohne jede namentliche Erwähnung des Judas zu sehen, der hier noch einmal im scharfen Kontrast zum Lieblingsjünger erscheint. Weiter profiliert wird diese Chiffre bzw. das gesamte Konzept eines Gegenmodells an Jüngerschaft dadurch, dass das Tun des Gegners Jesu durch das Vorherwissen Jesu (6,64; 13,11.18f.21.26f.; 18,4) und sein 167 souveränes Handeln (13,26f.; 18,4–11) in die Rolle eines „Statisten“ überführt wird. Zusammenfassend zeigt sich in der Betrachtung der namentlich hervortretenden Jünger-Figuren eine ambivalente Darstellung: Einerseits kommt ihnen als Prototypen nachösterlicher Mission (Andreas 1,41; 12,22; Philippus 1,45f.; 12,22; Marta 11,28; Maria Magdalena 20,18; Petrus 21,3–14) sowie als Beispiele paradigmatischer Jüngerschaft Vorbildcharakter zu. Andererseits zeigen die literarischen Mittel insbesondere des Missverständnisses und der Ironie, dass bestehende Vorstellungen über Jesus und die Nachfolge, d.h. Jüngerschaft teilweise modifiziert und transzendiert werden. Darum wäre wohl die Feststellung DE JONGEs, der sich Culpepper anschließt, zu differenzieren: „…the disciples, both in their acceptance and 164
DSCHULNIGG, Jesus 177 weist darauf hin, dass diese Zuordnung des Judas an der Stelle steht, welcher im zweiten Redegang Jesu V.7–9 der Verweis auf die Jünger entspricht, womit die Rolle des Judas als Gegenmodell noch einmal abschließend unterstrichen wird. 165 Zur apokalyptischen Konnotierung als Antichrist VOGLER, Judas 108f. und DSCHULNIGG, Jesus 178. 166 Eine Ausnahme bildet nur 13,29, wo der Judas-Name allein zu stehen kommt, jedoch gefolgt von der Umsetzung der Verratsankündigung Jesu V.26, angezeigt durch die Wiederaufnahme von ywmivon von V.26f. 167 VOGLER, Judas 112.
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their misunderstandings of Jesus’ words are portrayed as models for future generations of believers“168. Zwar dient die Darstellung der Jünger dazu, das angemessene Verstehen der Glaubenden „zukünftiger Generationen“ zu fördern, jedoch fungieren die Jünger darin eben teilweise gerade nicht als Modelle, sondern als Gegen-Modelle, die Irritation erzeugen und Identifikation unterbrechen, um sich dann stattdessen mit der johanneischen Perspektive zu identifizieren: „The characters are therefore not presented as examples for the reader; instead the narrative anticipates that the reader will do more or other than the characters, including the disciples, do“169 (kursiv G.R.D.). Die Judas-Figur in ihrer Kennzeichnung als Jünger und Gegner Jesu zugleich dient hier als massivstes Gegenmodell, wodurch eine entsprechende Positionierung hervorgerufen werden soll. Ebenso findet eine darauf zielende Adressatenlenkung anhand von Leerstellen und einem „open end“ statt, was sowohl den Jesus zunächst ablehnenden Jünger Nathanael betrifft als auch Nikodemus, bei dem der Glaubensprozess bis zum Schluss offen bleibt170 und nur von den Adressaten selbst zu vollenden ist. Darin wird auf diese Weise Jesu eschatologisches Heilshandeln profiliert und zugleich intendierter Glaube als Reaktion der Adressaten gefördert, was also den beiden von Culpepper propagierten Funktionen der johanneischen Charaktere entspricht. Im Folgenden soll nun – insbesondere in der Auseinandersetzung mit der These von David BECK – untersucht werden, inwieweit sich bezüglich Darstellungsweise und Funktion der anonymen Figuren Differenzen feststellen lassen. b) Charakterisierung der anonymen Figuren Lieblingsjünger Nicht zufällig erscheint die Figur des Lieblingsjüngers gleich zu Beginn der Jesus-Nachfolge: Auf das Täuferzeugnis hin folgen zunächst zwei unbekannte Jünger Jesus nach, deren Suchen (tiv zhtei'teÉ171 1,37) sich auf die Person Jesu fokussiert (V.38). Seitens Jesus erfolgt an sie die auch anderen geltende Einladung e[rcesqe kai; o[yesqe (V.39 vgl. V.46 und V.50f. als hermeneutischer Schlüssel für die kommende Offenbarung von Jesu dovxa). Wird die Rolle des Andreas als Missionar fortgeführt, so wird der Lieblingsjünger dagegen in der Anonymität belassen; beide stellen auf diese
168
DE J ONGE, Jesus 15. O’DAY, Revelation 90. 170 So auch NICKLAS, Ablösung 396 und s.o. S. 248ff. zu Nikodemus. 171 Vgl. 4,27. Kontrastierend dazu wird auch das Nachstellen Jesu durch die ÆIoudai'oi (5,18; 7,1.11.19f.25.30; 8,37.40; 10,39) oder die Suche nach Irdischem (6,24) mit zhtevw bezeichnet. 169
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
263
Weise je für sich ein sehr offenes Identifikationsangebot paradigmatischer Nachfolge dar. Zu Beginn der Abschiedsreden, die nach 13,1 den konsequenten Weg der Liebe Jesu zu den „Seinen“ einleiten, wird der Geliebte Jünger, nun namentlich, eingeführt. Die mit dem Bezug zur kovlpo~-Aussage von 1,18 angezeigte unvergleichliche Nähe, die 13,23 auch szenisch umgesetzt wird, steht im Zusammenhang mit der entsprechenden Funktion: Wie dort Christus den Vater „exegesiert“ (ejxhghvsato 1,18), so übernimmt der Lieblingsjünger eine vermittelnde, hermeneutische Funktion (vgl. auch 20,8; 21,7). Wie dann auch 21,7 ist dieser Dialog Petrus – Lieblingsjünger szenisch vor den anderen Jüngern verborgen, der Lieblingsjünger tritt als OffenbarungsMittler auf. Angesichts dessen, dass auf der Ebene der geschilderten Handlung scheinbar weder die Jünger noch womöglich Petrus etwas von dem Wort Jesu erfahren (bzw. nicht verstehen?), besteht die Rolle der Vermittlung aber desto deutlicher auf der Ebene der Adressaten. In 18,15f. dann vermittelt er Petrus die Nachfolge172 Jesu, an der dieser jedoch vorösterlich scheitern muss. In Maria werden 19,25–27 alle Glaubenden an den Lieblingsjünger als „Stellvertreter“ in der Rolle des Sohnes verwiesen, in der Nachfolge (21,20–22) angewiesen auf sein Zeugnis des wahren Todes (19,34f.) und der Auferstehung (20,8; 21,7), das im Johannesevangelium „bleibt“ (21,24). Samaritanerin Dieser längere Erzählabschnitt – zusammen mit Joh 9 der längste, der einer einzelnen Figur gewidmet wird – ist wie folgt zu unterteilen: V.1–6:
Exposition
V.7–10:
Jesus als Geber lebendigen Wassers
V.11–15: Lebendiges Wasser führt zu ewigem Leben V.16–19: Jesu Vorherwissen V.20–26: Die Selbstoffenbarung Jesu als der gekommene Messias V.27–42: Urchristliche Mission, darin: V.27–30: Rückkehr der Jünger, Mission der Samaritanerin V.31–38: Dialog mit Jüngern V.39–42: Der Glaube der Samaritaner 172
Gemäß NEIRYNCK, John 21, 336 wird der Lieblingsjünger „in the story of the Gospel at the dark moments of discipleship“ eingeführt, woraus m.E. folgt, dass daraus die Angewiesenheit auf ihn und sein Zeugnis zum Ausdruck gebracht werden soll.
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Zu V.7–10: In diesem sich an die Exposition anschließenden Dialogteil ereignet sich im Zuge eines Erkenntnisprozesses, der auf die wahre Identität Jesu zielt, das erste, durch Jesu Wort und Handlung provozierte Missverständnis: Jesus präsentiert sich – und wird zunächst auch so wahrgenommen – als durstiger jüdischer Reisender (vgl. die Bezeichnung Jesu als ÆIoudai'o" V.9). Dementsprechend grenzt sich die Samaritanerin V.9 von ihm in ethnischer Perspektive ab (vgl. auch umgekehrt die Abgrenzung von Jesus V.20–22, was zugleich eine Distanzierung der Adressaten von ihr zur Folge hat173). Doch V.10 lenkt dann zur Identität Jesu, die in einem Rollentausch zu entdecken ist: Jesus ist nicht derjenige, der normalen Wassers bedarf, sondern der lebendiges Wasser gibt. Die Formulierung eij h[/dei" V.10 steht so im Gegensatz zum christologischen Wissen der Adressaten, die wissen, dass Jesus eschatologische Gabe und eschatologischer Geber in persona ist. Zu V.11–15: Wie die respektvolle Anrede als kuvrie174 V.11 zeigt, verändert sich die Sichtweise auf Jesus, wenngleich seine Rede von V.10 noch unverstanden bleibt. Ohne die wahre Bedeutung ihrer Frage V.11f. selbst zu verstehen, stellt die samaritanische Frau das „Woher“, d.h. den Ursprung Jesu175 als christologische Dimension in den Raum176. Da die Frau ihre samaritanische Tradition als Verstehensschlüssel und u{dwr to; zw'n auf fließendes Wasser bezieht (V.11f.), bleibt ihr letztlich auch Jesu Identität weiterhin verborgen. Und – wie ihre Antwort in V.15 zeigt – bleibt sie „earthbound in her understanding“177, trotzdem sie von dem nochmals mit kuvrie Angeredeten nun das lebendige Wasser erwartet. Dies kennzeichnet den Beginn einer in christologische Erkenntnis kulminierenden Entwicklung.
173
Dazu s.a. O’DAY, Revelation 58f. Auf der narrativen Ebene, d.h. der Ebene der erzählten Begegnung zwischen Jesus und der Samaritanerin sind an dieser Stelle keine christologischen Implikationen zu erwarten, die zum Hintergrund der Adressaten gehören. Durch die Doppeldeutigkeit des kuvrie-Begriffs wird hier eine Spannung generiert, die die Adressaten der erzählten Figur voraus sein lassen. 175 S.a. 7,27f.; 8,14; 9,29–33; 19,9 u.ö. 176 Vgl. auch O’DAY, Revelation 61. 177 TALBERT, John 113. Wenn SCHENKE, Johanneskommentar 86f. mehr einen Prozesscharakter des erlangten Verständnisses betont, so spricht dafür zwar der erste Teil von V.15, mhde; dievrcwmai ejnqavde ajntlei'n aber zeugt davon, dass die Sameritanerin sich immer noch auf der Ebene des Brunnenwassers befindet, d.h. Jesu Verheißung falsch bezieht. Zu dieser Diskussion auch T HYEN, Johannesevangelium 252f. 174
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
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Zu V.16–19: In geschickter Rückfrage nach dem Familienstand der Frau zeigt sich Jesu Vorherwissen über eine Person (s.a. Nathanael 1,47f.), doch: „Das christologische Bekenntnis, nicht das Schuldbekenntnis ist Ziel“178. In Erinnerung an 1,19 sind die Adressaten jedoch in jedem Fall auch in ihrer christologischen Erkenntnis dem Bekenntnis der Samaritanerin überlegen: Jesus ist mehr ein Prophet, Jesus ist im Rahmen der Brautwerbungsszene am Brunnen der Bräutigam, den sie V.16 holen soll. Zu V.20–26: Die in V.19 hervorgerufene Distanz zur Erkenntnis der Samaritanerin wird in den Versen 20–24 fortgeführt durch Jesu abgrenzenden Kontrast zwischen „Ihr“ und „Wir“. Mit der in V.25 formulierten Erwartung eines kommenden Messias179, die das zuvor betonte kai; nu`n ejstin V.23 nicht aufnimmt, identifiziert sich Jesus so V.26 auch nicht, sondern löst mit ejgwv eijmi, oJ lalw'n soi V.26b eij h[/dei" (th;n dwrea;n tou' qeou') kai; tiv" ejstin oJ levgwn soi V.10 ein180 und damit die am Ende des ersten Abschnittes aufgebaute Spannung auf. Nur die in der Tradition von Ex 3,14 stehende Selbstoffenbarung181 Jesu führt zu wahrer Erkenntnis und modifiziert so die Messias-Erwartung von V.25. Zu V.27–42: Hier zeigen sich Ambivalenzen im Bild der Samaritanerin auf dem engstem Raum weniger Verse: Das Stehenlassen ihres Wasserkruges zeugt zunächst noch von der gegenüber V.7–15 gewonnenen Erkenntnis, statt182 dessen Wasser lebendigen Lebens getrunken zu haben . Doch auch als paradigmatische Missionarin (deu'te i[dete V.29 vgl. e[rcou kai; i[de des Philippus 1,46), deren Frage nach Jesu Messianität183 auf der narrativen 178
BECKER, Johannes I 205. oi\da o{ti entspricht hier dem oi\da o{ti der Marta 11,24 und ihrer futurisch ausgerichteten Messias-Erwartung. Auf die im nachfolgenden „Ich-Bin“-Wort und der missionarischen Tätigkeit bestehenden weiteren Vergleichspunkte weist auch FREY, Eschatologie III 412 hin. 180 Zu dieser Inclusio u.a. T HYEN, Johannesevangelium 266. 181 Dieser Fokus zeigt sich auch s.u. in V.42, letztlich zur Erkenntnis führende Selbstoffenbarung ereignet sich jedoch auch angestoßen durch missionarische Tätigkeit. 182 Vgl. die Beobachtung bei BENNEMA, Encountering 90.92. 183 Damit ist trotz der missionarischen Tätigkeit festzustellen: „Like Nicodemus she has arrived at a partial, conditioned belief in Jesus“ (MOLONEY, John 131), doch kommt dieser in beiden Fällen auf ihre Weise bleibenden Offenheit und Ambivalenz die gleiche Funktion zu: die Rezepienten aufzufordern, diese Lücken zu schließen, d.h. konkret: Jesus als Christus zu erkennen (Samaritanerin) und zu bekennen (Nikodemus). Zu ver179
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Ebene die Samaritaner und auf der Rezeptionsebene die Adressaten zu einer positiven Antwort herausfordern soll, bleibt die Samaritanerin teilweise noch auf dem Erkenntnisstand von V.19: Jesu Vorherwissen über ihre Person ist für sie in V.29, was Jesu Identität ausmacht, wobei sie mit pavnta o{sa ejpoivhsa ironischerweise noch hinter ihrem Bekenntnis in V.25 (ajnaggelei` hJmi'n a{panta) zurückbleibt184. An ihrer Stelle werden nun die ab V.27 bereits wieder auf die Bühne getretenen Jünger 185 in den Prozess christologischer (und ekklesiologischer) Erkenntnis hineingezogen: Als zunächst stumm bleibende Beispiele des Jüngerunverständnisses V.32 werden sie im Anschluss an ihre Aufforderung an Jesus, die mitgebrachte Speise zu essen, über den doppeldeutigen Begriff brw'si" auf eine neue Reflexionsebene gehoben werden, bleiben jedoch in V.33 noch der physischen Bedeutungsebene verhaftet. Doch in V.34 können sie dann Jesus als Gesandten Gottes, der in Einheit mit ihm wirkt, erkennen, eine christologische Erkenntnis, die diejenige der Samaritanerin V.29 übersteigt. Parallel zum vorangegangenen Zeugnis der Samaritanerin werden die Jünger nun auch mit dem Missionshorizont verbunden, und ihre Sendung186 (V.38) in Entsprechung zur Sendung des Sohnes (V.34) gestellt. So kann sich mit dem fortschreitenden Erkenntnisprozess auch eine wachsende Identifizierung, erst mit der inzwischen erfolgreich missionierenden Samaritanerin und nach dem Jüngerunverständnis dann auch mit den Jüngern vollziehen. Diese Identifikation kulminiert dann im Bekenntnis der Samaritaner zum 187 universalen swth;r tou' kovsmou in V.42, in deren Bekenntnis ajkhkovamen kai; oi[damen auch die Adressaten einstimmen kann. Königlicher Beamter Der königliche Beamte – anders als in Mt 8,5–13/Lk 7,1–10 nun am Hof von Herodes Antipas – erscheint hier also nicht als Repräsentant eines zum Glauben kommenden Heiden, sondern der V.48 angesprochenen Galiläer188, die Jesus positiv aufnahmen (V.45). Seiner Bitte an Jesus, den kranken Sohn zu heilen, entgegnet Jesus zunächst mit einer kritischen Äubindenden Elementen, insbesondere der Rolle der Missverständnisse, zwischen der Darstellung des Nikodemus und der Samaritanerin vgl. auch COLLINS, Figures 37f. 184 Zum Vergleich von V.25 und 29 s.a. O’D AY, Revelation 76. 185 Über V.8 und 28 werden die beiden Szenen, in denen erst die Samaritanerin und dann die Jünger mit im Vordergrund stehen, verzahnt und ermöglichen so eine Parallelisierung (und teils auch Kontrastierung) der Figuren(-gruppen). Geschickt stehen sich hierbei auch die Themen „Wasser“ bzw. „trinken“ und „Speise“ bzw. „essen“ gegenüber; zur Struktur der Perikope s.a. OLSSON, Structure 147. 186 Im ingressiven Aorist ajpevsteila zeigt sich die Verschränkung der vor- und nachösterlicher Ebene. 187 Vgl. auch 1,29; 3,16f. 188 So auch u.a. BROWN, John I 191, T HYEN, Johannesevangelium 291.
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ßerung, die sowohl an die synoptischen Zeichenforderungen189 als auch die zunächst erfolgende Abweisung der Mutter Jesu erinnert und so der Verdeutlichung christologischer Erkenntnis dienen wird; daneben ist ebenso ein Zusammenhang mit dem kritisch festgestellten Status Jesu in Galiläa (V.44) nicht auszuschließen. Versuche, diese Kritik in eine ansonsten positive Darstellung des Beamten einzubinden, stützen sich auf den Hinweis, V.48 richte sich gegen die Galiläer allgemein190, was im Hinblick darauf, dass der Mann als Repräsentant der Galiläer zu gelten hat, nicht hilfreich ist. Stattdessen zielt die Anrede in der 2. Person Plural in paränetischer Absicht letztlich auch auf die Adressaten191, die in 20,31 zwar aufgrund von shmei`a glauben sollen, diese Zeichen aber nicht fordern sollen, ja fordern können, da sie ihnen nur noch in Form der johanneischen Berichte vorliegen. Dazu stimmt die nun sehr allgemeine Bezeichnung oJ a[nqrwpo" in V.50, die diesen Menschen als Paradigma darstellt: Wie die Adressaten kann er Wunder nicht mehr sehen, sondern sie sind ihm nur über das „Wort“ Jesu zugänglich. Im Verhältnis von V.50 zu V.53 ist nun nicht die Art des Glaubens eine andere192, sondern die Intention von V.50–53: Zum einen wird die über synoptische Berichte hinausgehende Qualität des Wunders als Fernheilung und damit die christologische Qualifikation Jesu als Lebensspender hervorgehoben, zum anderen wird der Fokus auf der „Stunde“193 liegen. Im Unterschied zu V.50 werden zudem noch andere Konsequenzen der nun von und vor den Angestellten des Beamten bestätigten Fernheilung beschrieben: Ein missionarischer Akt hat sich vollzogen, da der Beamter und „sein ganzes Haus“ (kai; hJ oijkiva aujtou' o{lh) Christen wurden.
189
SCHNELLE, Johannes 111 s.a. NICKLAS, Zeichen 99: Man werde daran erinnert, „dass der johanneische Jesus nicht als ‚Wundermann‘ missverstanden werden darf, der einfach auf konkrete Notsituationen hin reagiert“. 190 STIBBE, John 72; W ILCKENS, Johannes 90. 191 B ARRETT, John 247; B ECK, Discipleship Paradigm 80. 192 So bezeichnet SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 499 den V.53 beschriebenen Glauben als „messianischen Vollglauben“, die „Endstufe der Glaubensentwicklung“; s.a. B ULTMANN, Johannesevangelium 153, der davon spricht, sein „Glauben im Vollsinn“ sei erst V.53 erreicht. Dagegen verbindet CULPEPPER, Anatomy 137 m.E. zu Recht beide Aspekte: „The official therefore exemplifies those who believe because of the signs but show themselves ready to believe the words of Jesus“. 193 Auch N ICKLAS, Zeichen 103 sieht einen Bezug auf 19,14 als möglich an. Dies verbindet dieses zweite Zeichen, worauf explizit V.46.54 verweisen wird, mit der Darstellung der Mutter Jesu, vgl. auch BROWN, John I 194. Daraus ergibt sich eine doppelte Funktion des Wunders: „Faith is here portrayed as a process, with miracle functioning in different ways within it: both as a catalyst for faith and as a confirmation of it“ (TALBERT, John 120).
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
Gelähmter Analog zur vorangegangenen Wundergeschichte 4,46–53 – und zu anderen Begegnungen Jesu mit Personen des Johannesevangeliums – ist ein deutlicher christologischer Fokus zu erkennen: Bereits in V.6 wird klar, dass die mit 38 Jahren betont lange Zeit der Krankheit nicht nur das Wunder an sich, sondern auch das Vorherwissen Jesu hervorhebt. Abgesehen von dieser konkreten Angabe fehlen weitere Beschreibungen der Krankheit und des von ihr Betroffenen194, was eine paradigmatische Funktion unterstützt. Der genannte christologische Fokus zeigt sich von der Darstellung her auch daran, dass die wesentlichen Handlungen von Jesus ausgehen, sogar die Initiative zur Heilung selbst, die in synoptischen Wundern und auch Joh 4,47.49 von Kranken oder deren Angehörigen ausgeht, kommt von Jesus: So spricht er den Kranken in V.6 an, befiehlt ihm aufzustehen (V.8) und „findet“ ihn V.14, wobei diese zweite Begegnung Anlass der Erkenntnis der Person Jesu wird. Demgemäß lässt sich eine Steigerung feststellen 195 von der höflichen Anrede mit kuvrie V.7 über oJ poihvsa" me uJgih' V.11 bis hin zum Nennen des Namens Jesus – jedoch nur den Juden gegenüber. Aufgrund dieser weitgehend passiven Reaktion196 Jesus gegenüber und des Fehlens von den Adressaten zugänglicher, wahrhaft christologischer Erkenntnis sogar noch am Ende des Erkenntnisprozesses werden diese in Distanz zu der Figur des Geheilten gebracht – und weitgehend belassen. Identifikation ist zunächst nur aufzubauen anhand des in V.10 gegen ihn erhobenen Vorwurfs, die Sabbatruhe verletzt zu haben, was wohl teilweise der Situation der Glaubenden der johanneischen Gemeinde entsprach, aber v.a. auch der V.16 unterstrichenen, bei Johannes von Anfang an betonten Gegnerschaft gegen Jesus. Da der Gelähmte jedoch die Verantwortung für das Wunder und den damit verbundenen Sabbatbruch von sich weist und Jesus überträgt (V.11), der folgerichtig statt des Geheilten verfolgt wird (diwvkw V.16 vgl. aber auch die Adressaten betreffend 15,20!), ergibt sich ein Kontrast zu den Adressaten und Identifikationsabbruch. So dient die narrative Darstellung des Gelähmten zwar der Profilierung christologischer Aspekte und der Darstellung der durch die Sabbatfrage evozierten Konflikte, doch eine glaubensvolle Antwort auf Jesu Heilung seitens des Geheilten bleibt definitiv aus197. Die Art des genauen Verhältnisses zu Jesus, d.h. ob 194
Vgl. auch NICKLAS, Ablösung 296. Dass es sich um einen Gelähmten handelt, ist nur aus e[geire a\ron to;n kravbattovn sou kai; peripavtei V.8 und den damit in Verbindung stehenden synoptischen Parallelen Mk 2,1–12parr. zu erschließen. 195 Zur Anrede mit kuvrie an dieser Stelle s.o. Kap. 6 Anm. 174 zu Joh 4,11.15. 196 Eine Ausnahme bildet der sich in wortwörtlicher Entsprechung von 5,8 (a\ron to;n kravbattovn sou kai; peripavtei) und 5,9 (h\ren to;n kravbatton aujtou' kai; periepavtei) ausdrückende Gehorsam gegenüber Jesu Wort. 197 Gegen B ECK, Discipleship Paradigm 88, der anhand von V.9 konstatiert: „The man responds in faith to Jesus’ word“; zwar tut er, was Jesus ihm gesagt hat, doch von glau-
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
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der Geheilte sich in V.15 zu ihm bekennt198 oder die Nennung des JesusNamens als Denunziation zu betrachten ist199, bleibt also offen. Dies provoziert aber gerade auf diese Weise eine im Gegensatz zum Geheilten stehende eindeutige Positionierung zu Jesus. Blindgeborener Diese längere, kunstvoll aufgebaute Perikope lässt sich in eine erzählerische Einleitung und die Schilderung der Heilung sowie sechs Dialoge gliedern: V.9,1–7:
Exposition und Heilung
V.8–12:
Dialog I (Nachbarn – Geheilter)
V.13–17: Dialog II (Pharisäer bzw. Juden200 – Geheilter) V.18–23: Dialog III (Juden – Nachbarn) V.24–34: Dialog IV = Fortsetzung von II (Juden – Geheilter) V.35–38: Dialog V (Jesus – Geheilter) V.39–41: Dialog VI (Jesus – Pharisäer) Inhaltlich zeigt sich an vielen Stellen ein differenzierter Zusammenhang mit der Heilung des Gelähmten in Joh 5: Beide spielen an einem mit Heilkräften verbundenen Teich, bei beiden erfolgt eine nachträgliche Information, dass es sich um einen Sabbat handelt (9,14 vgl. 5,9) und es wird von einer erneuten Begegnung mit Jesus sowie von Konflikten mit den
ben ist – anders als sonst – keine Rede. Noch erstaunlicher erscheint Becks Feststellung (ebd. 88f.): „The man fits the paradigm of one who believes and responds to the word of Jesus without needing a sign prior to belief“, denn seine Heilung ist ja Zeichen genug. Stattdessen ist CULPEPPER, Anatomy 138 zuzustimmen: der Geheilte „represents those whom even the signs cannot lead to authentic faith“. 198 Die weitere Verwendung von ajnaggevlw bei Johannes deutet eher auf einen positiven Kontext (vgl. 4,25; 16,13–15). Eine gewisse Mehrdeutigkeit des Verses bleibt in jedem Fall bestehen, im Vergleich zum Blindgeborenen wird diese Offenheit jedoch in Richtung einer negativen Tendenz aufzulösen sein (gegen D SCHULNIGG, Jesus 186f., der augenscheinlich die johanneische Vorliebe für Kontrastierungen nicht einbezieht, dazu s.u. S. 272 zu Kontrastpaaren unter den johanneischen Figuren). 199 Zu der u.a. von SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II 124 gestellte Frage „Wie kann er seinen Wohltäter denunzieren?“, die aber nicht im Blickwinkel von Johannes zu liegen scheint, u.a. NICKLAS, Ablösung 303. 200 V.18 werden die Pharisäer mit oiJ ÆIoudai'oi gleichgesetzt, was aber gegen THYEN, Johannesevangelium 465 kein reines Spiel mit Synomyen, sondern eine Spannungssteigerung darstellt (zu dieser bei Johannes üblichen Verfahrensweise s.a. SCHNELLE, Johannes 188 z.St.).
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
ÆIoudai'oi bzw. jüdischen Autoritäten berichtet201. Umso deutlicher treten daher die unterschiedlichen Akzente in der narrativen Darstellung und so auch in der Charakterisierung hervor. So wird der 5,14 noch unproblematisierte Zusammenhang zwischen Sünde und Ergehen 9,2f. als Missverständnis der Jünger verworfen. Analog zu den anderen geschilderten Begegnungen Jesu mit einzelnen Charakteren (Joh 3,1–21; 4,5–42; 20,11– 18) und Wundern (2,1–12; 4,46–53; 5,1–15; 11,17–44) steht die christologische Intention deutlich im Vordergrund: Zentral ist dabei die Selbstprädikation Jesu als Licht der Welt (9,5 in Fortsetzung von 8,12), aber auch die Wirkeinheit mit dem Vater (ajllÆ i{na fanerwqh'/ ta; e[rga tou' qeou' ejn aujtw/' V.3b) und die in der Bedeutung des Teiches zum Ausdruck kommende Gesandtenchristologie (9,7 als Rückbezug auf 9,4) 202, die den von Gott Gesandten als wahre Ursache der Heilung hervortreten lässt. Wie 5,6 geht die Initiative der Heilung von Jesus aus, doch bleibt der Kranke hier zunächst ganz passiv, da er nicht einmal nach seinem Wunsch gefragt wird und auch bei der zweiten Begegnung mit Jesus als Jünger „gefunden“ wird (euJrwvn V.35 vgl. 5,14, aber auch 1.41.43.45). Stattdessen erfolgen intensive Befragungen seitens der Gegner, im Zuge derer der Geheilte – in deutlichem Kontrast zu 5,15 sogar selbst zum (In-)Fragesteller wird (V.27.30– 34). Mit dieser johanneischen Perspektive, die sich im Verlauf eines Erkenntnisprozesses entwickelt, sollen sich die Adressaten Schritt für Schritt identifizieren: Dies kann bereits in V.1 in der Formulierung ei\den a[nqrwpon geschehen, jedoch wird die Identifikation durch den das Wunder steigernden Zusatz tuflo;n ejk geneth'" wieder unterbrochen (s.a. V.24, anders aber die absolute Verwendung von oJ a[nqrwpo" V.30!) und die Adressaten werden wieder zu Zuschauern. Als vorbildhaft zeigt sich der in V.9 (wie 5,8f.) in Entsprechung von Jesu Befehl und dessen Ausführung dargestellte Gehorsam gegenüber Jesu Wort. Dem folgt ein stetiger Fortschritt in der christologischen Erkenntnis des Geheilten: In V.11 kennt er bereits oJ a[nqrwpo" oJ legovmeno" ÆIhsou'" (im Gegensatz zum Geheilten 5,13, demzufolge er 9,12 nur nicht weiß, wo er ist, wohl aber wer er ist). Dem stehen die Aussagen der Pharisäer V.16 entgegen: oujk e[stin ou|to" para; qeou' sowie a[nqrwpo" aJmartwlov", V.17 sprechen sie sogar weiterhin tw'/ tuflw'/, was ihre eigene Blindheit aufzeigt. Im Gegensatz dazu spricht der Geheilte in V.17 von Jesus als Prophet203 und halten ihn die Eltern in 201
Zum Vergleich dieser Perikopen s.a. THYEN, Johannesevangelium 303; COLLINS, Figures 41f. und in einer detaillierten Gegenüberstellung CULPEPPER , Anatomy 139f., B ECK, Discipleship 86 sowie BENNEMA, Encountering 107. Zu diesem Zusammenhang aber bereits B ULTMANN, Johannes 329 und auch M ARTYN, History 68–71. 202 Zu den messianischen Implikationen u.a. B ARRETT, John, 358f., T HYEN, Johannesevangelium 459–461. 203 DSCHULNIGG, Jesus 189 weist zu Recht auf die betont finale Stellung des o{ti profhvth" ejstivn am Ende des Verses (und Dialog-Abschnittes).
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
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V.22f. indirekt bereits für den Christus, trotzdem ihr öffentliches Bekenntnis aus Furcht vor dem Synagogenausschluss ausbleibt204. Wiederum im Kontrast dazu bezeichnen die Pharisäer Jesus in V.24 (s.o. V.16) als aJmartwlov" bzw. meinen V.29 oujk oi[damen povqen ejstivn. Dem widerspricht der Geheilte explizit in seiner Belehrung in V.30–33, die V.33 in der Aussage kulminiert, Jesus sei para; qeou'205: Damit zeigt er sich wohl am deutlichsten als Sprachrohr johanneischer Christologie (1,6 u.ö.), womit sich die Adressaten vollends identifizieren sollen und können. Eine weitere Steigerung erfährt dieser Prozess noch im Abschnitt V.35–38, worin die offene Frage Jesu in V.35 den Protagonisten wie die Adressaten offen macht für den Glauben an den Menschensohn, der Jesus anhand der folgenden Selbstidentifikation und damit Selbstoffenbarung (s.a. 4,26!) in persona ist. V.38 dann kann die Anrede als kuvrie im Rahmen der folgenden Anbetung als christologischer Hoheitstitel gelesen werden und stellt den Abschluss eines im Vergleich zu anderen Figuren wie der Samaritanerin206 oder dem Geheilten aus Joh 5207 weiter fortgeschrittenen Erkenntnisprozesses dar. Bereits in der ironischen Frage in V.27 nach der Jüngerschaft der Verhörenden zeigte sich, dass der Geheilte schon ein Jünger Jesu geworden ist. In der Abgrenzung von den „Mosejüngern“ V.28 (und abschließend den 9,39–41 als „blind“ Erklärten) werden auf diese Weise die Adressaten ihrer eigenen Identität bestärkt. Darin, wie auch in dem 9,34 und 9,22 beschriebenen Geschick, v.a. aber in seiner christologischen Erkenntnis fungiert der Geheilte hier als „paradigmatic Christian“208: Denn zu seinem „Sehen“ sollen auch andere Christen geführt werden. Bezieht man jedoch andererseits seine beispielhafte Glaubensentwicklung mit ein, so zeigt sich, dass die Möglichkeiten der CharakterisierungsKategorien nach FORSTER hier begrenzt sind: Auf den Blindgeborenen träfe hier aufgrund der stereotypen Rolle einerseits ein „flat“, im Blick auf seine Entwicklung aber zugleich auch ein „round character“ zu209.
204
Im folgenden Verhör des Geheilten wird dessen offenes Bekenntnis durchaus auch im Kontrast zu seinen Eltern profiliert. 205 Damit widerspricht der Geheilte ebenso s.o. V.16 oujk e[stin ou|to" para; qeou'. THYEN, Johannesevangelium 470 ist zuzustimmen, dass der Blindgeborene hier in seinem öffentlichen Bekenntnis über die Feststellung des Nikodemus 3,2 hinausgeht. 206 Der Analogie der Selbstidentifikation und -offenbarung Jesu 4,26 und 9,37 entspricht die Differenz, der im Anschluss an 4,26 ausbleibenden Reaktion, die die Adressaten alleine vollziehen können (und sollen). Analog gilt dies für das Niederfallen Marias 11,32, das jedoch in Verbindung mit ihrer Vorstellung eines blosen Wunderheilers steht. 207 So auch NICKLAS, Ablösung 400: Der Geheilte aus Joh 5 ist derjenige, der im Kontrast zum Blindgeborenen „auf dem halben Weg stehen bleibt“. 208 STIBBE, John 106 209 Vgl. ebd. 107.
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
Vergleicht man nun die Darstellung der anonymen Charaktere mit denen der namentlich benannten Jünger bzw. in der Begegnung mit Jesus Geschilderten, so zeigen sich eine Reihe von Gemeinsamkeiten, jedoch auch ein wesentlicher Unterschied: Vertreter beider Gruppen fungieren als Prototypen nachösterlicher Mission, bringen paradigmatische Züge der Nachfolge zum Ausdruck. Für beide ergibt sich insgesamt ein ambivalentes Bild210, da sie sowohl christologische Erkenntnis demonstrieren als auch anhand ihrer Missverständnisse eben jene Erkenntnis hervorgerufen werden soll. Demgemäß fungieren sie hierbei nicht nur als Modelle, sondern ebenso als Gegenmodelle für johanneisch verstandenen Glauben, zu dem die Adressaten gerade auf diese Weise geführt werden sollen. Gegen den eingangs vorgestellten Ansatz von David R. BECK ist daher einzuwenden, dass die individuellen anonymen und mit Namen bezeichneten Figuren nicht in der Weise voneinander zu trennen sind wie dies Beck vorschlägt. Das zeigt bereits die Darstellung der ersten beiden Jünger 1,35–39, die beide (d.h. nicht nur den Lieblingsjünger) zunächst in der Anonymität einführt, den Lieblingsjünger jedoch über 1,40 hinaus211 darin belässt. Der grundsätzliche Ansatz von Beck, dass Anonymität Identifikation erleichtere212, wird dadurch freilich bestätigt. Doch ist es keinesfalls möglich, einen Kontrast zu postulieren, der auf einer nur anonymen Charakteren zukommenden positiven Bewertung beruht. Dieser trifft ebenso wenig auf die einander in parallel geschalteten Szenen zugeordneten Jün210
Die durchweg positive Darstellung der anonymen Charaktere bei BECK ist daher wohl mehr seinem Ansatz als differenzierter Interpretation geschuldet und wirkt reichlich konstruiert. So erscheinen manche Stellen, wie z.B. 2,4 die Antwort Jesu auf das Ansinnen seiner Mutter (tiv ejmoi; kai; soiv, guvnaiÉ ou[pw h{kei hJ w{ra mou) in einem – wie auch zugegeben – gängiger Interpretation zuwiderlaufenden äußerst positiven Beck’schen Licht. Dass zugleich die Anonymität der Mutter Jesu zu bezweifeln ist, ist bereits erwähnt worden, und fällt als Motiv für diesen spezifisch johanneischen Ausdruck daher weg. Für dessen Wahl sind verschiedenste Intentionen denkbar (und stellt etwa 2,3f. eine Relation der biologischen Familie Jesu gegenüber der Familie der Glaubenden dar), Anonymität gewährleistet er aber sicherlich nicht. 211 NICKLAS, Ablösung 204 weist daraufhin, dass bereits V.39 die nachgeholte Zeitangabe zu einer Distanzierung des Lesers führt. Anders als Nicklas würde ich die vorherige Notiz h\lqan ou\n kai; ei\dan pou' mevnei kai; parÆ aujtw'/ e[meinan th;n hJmevran ejkeivnhn noch nicht vollständig aus dem Prozess einer möglichen Identifizierung ausschließen, denn in der Begegnung Jesu mittels des Johannesevangeliums selbst kann sich die narrative Darstellung „verwirklichen“, wofür m.E. besonders das später in den Abschiedsreden pragmatisch bedeutsame mevnein spricht, wohin die Adressaten ja gerade geführt werden sollen. 212 Dieses Phänomen findet sich sehr treffend ausgedrückt bei COLLINS, Discpleship 55: „[T]he anonymous is the reader himself, for the story of the first encounter is the story of anyone who is truly a disciple of Jesus“.
6.1 Aspekte des johanneischen Jüngerbildes
273
ger und die Samaritanerin zu, da bei beiden – analog zu weiteren Figurengruppen – Ironie und Missverständnisse213 als Darstellungsmittel angewandt wurden214. Kontrastpaare ergeben sich nicht grundsätzlich aufgrund von Anonymität oder Onymität, sondern im Verlauf des Johannesevangeliums, d.h. wenn Nathanael auf Philippus folgt, die Samaritanerin auf Nikodemus oder der Blindgeborene auf den Gelähmten. Damit zusammenhängend müssten stattdessen die Unterschiede innerhalb der anonymen wie der namentlich bezeichneten Figuren größere Beachtung finden, wie etwa im Fall der deutlichen Kontrastierung des letztgenannten Paares oder auch des mit dezidiertem Glauben auf Jesu Heilung reagierenden königlichen Beamten und des direkt folgenden Kranken aus Joh 5, der völlig passiv bleibt. In gleicher Weise fungiert Joh 12,4–7 Judas als Gegenbild zu Maria aus Bethanien, die gemäß des Beck’schen Modells an dieser Stelle wie bei den Synoptikern (Mk 14,3–9; Mt 26,6–13; Lk 7,36–50) als unbekannte Frau hätte dargestellt werden können. Nicht das Gegeneinander von anonymen Figuren und Jüngernamen, sondern gerade auch das Miteinander, das Zusammenspiel beider im Gesamt des Johannesevangeliums fördert Identifikation, zieht – wie bereits 1,37–39.40–42 – in das Geschehen hinein und zeigt die Verschmelzung der vor- und nachösterlichen Ebenen. Wie allerdings schon festgestellt, wird diese Identifikation tatsächlich wieder unterbrochen: so bei Petrus durch die Verheißung des zukünftigen Namens 1,42 oder durch den Zweifel Nathanaels in 1,46. Ähnlich fördert die Feststellung vom beginnenden Glauben der Jünger 2,11 zunächst die Identifikation, welche aber bereits 2,22 wieder zugunsten der nachösterlich erkennenden Jünger unterbrochen wird. So dienen die Charakterisierungen der anonymen wie der mit Namen versehenen Jünger je auf ihre Weise – über Identifikation und bewusst un215 terbrochene Identifikation – beide den von CULPEPPER festgestellten Funktionen: Sie profilieren johanneischen Glauben und fordern eine dementsprechende Reaktion der Adressaten heraus. 213
So vergleicht etwa B ULTMANN, Johannes 132 zu Recht die aufgrund doppeldeutiger Äußerungen Jesu entstehenden Missverständnisse bei der Samaritanerin 4,11f. und Nikodemus 3,4, doch ließe sich die Reihe beliebig fortführen. Dass, wie des Öfteren betont, jene Missverständnisse zum Verstehen führen sollen und nicht der Abgrenzung z.B. gegenüber dem Judentum dienen, ist gegen LEROY, Rätsel, beispielsweise 62 festzuhalten. Bezieht man insbesondere die Darstellung der Samaritanerin ein, zeigt sich die Unsinnigkeit eines derartigen Ansatzes. 214 Da hierzu ebenso missverstehende Nachfragen der Figuren wie auch ironisches Hinterfragen Jesu gehört, kann dies bei SIKER-GIESLER, Disciples 208 auch nicht als Unterscheidungskriterium zwischen den als „inner circle“ bezeichneten Jüngern und dem „wider circle“, zu dem auch die anonymen Figuren gehören, gelten. 215 FARELLY bezeichnet ein derartiges Verfahren als „attraction and repulsion“ vgl. DERS., Disciples 194 und s.o. S. 239.
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
Unterbrechung von Identifikation, Infragestellung des Glaubens der Jesus-Jünger gehen hierbei einher mit der Erweiterung des Jüngerbegriffs und dem Hinweis auf Glauben auch außerhalb, z.B. in 4,39–42; 10,42; 11,45 und beispielhaft anhand der anonymen Charaktere. Daher lassen sich tatsächlich zwei verschiedene Linien erkennen: zum einen die sich über eine Perikope, Joh 4,5–42 und 9,1–41 in einem für sich stehenden kleinen Drama, vollziehende beispielhafte Glaubensentwicklung216 der anonymen Charaktere. An ihnen vollzieht sich so über anfängliches Missverstehen und wachsende Erkenntnis auf relativ engem Text-„Raum“ eine dynamische Entwicklung, die sozusagen ein kompaktes Kerygma darstellt. Parallel und im gezielten Kontrast dazu wird anhand zahlreicher Beispiele des Jüngerunverständnisses ein sich bis Joh 20 bzw. 21 erstreckender Spannungsbogen aufgebaut, der die Jünger zum nachösterlichen Glauben führt. Dabei zeigt sich wie bereits erwähnt der vorösterliche Vorbehalt insbesondere an der Rolle des Petrus. Eine stellvertretende Sprecherrolle bzw. Repräsentation der Glaubenden als Kollektiv gilt konsequentermaßen auch nicht für die anonymen Charaktere, sondern nur für die namentlich benannten Jünger-Figuren. Doch selbst nachösterlich noch fungiert der auf dem Sehen basierende Glaube des Thomas als Gegenmodell zu demjenigen des Lieblingsjüngers, der bereits 20,8 auf Schriftexegese beruht. Gegenüber beiden Gruppen217, den namentlich benannten wie den anonymen Figuren, fällt daher die Sonderstellung des Lieblingsjüngers auf, der keine Entwicklung vollzieht, sondern von Anfang an als Paradigma johanneischer Nachfolge fungiert218, an die stellvertretend Petrus verwiesen wird (21,20.22).
6.2 Die Petrusfigur im Rahmen des johanneischen Jüngerbildes 6.2.1 Petrus als exemplarischer Jünger Nun sollen die Kapitel 4 vorgestellten Analysen der Rolle und Funktion der Petrusfigur im Kontext des johanneischen Jüngerbildes, d.h. der Charakterisierung der Jüngergruppe und individueller Figuren interpretiert werden: 216
Dazu auch WELCK, Zeichen 263. Diese Entwicklung entgeht FARELLY, Disciples 11, was ihn neben der Begrenzung des Jüngerbegriffs auf Begleiter des irdischen Jesus dazu führt, die genannten, nur einer Perikope dargestellten Figuren nicht in seine Analyse einzubeziehen. 217 Gegen STIMPFLE, Blinde 255, der stellvertretend für viele Modelle allein Petrus und den Lieblingsjünger zum „Opponentenpaar“ erklärt. 218 So auch u.a. SIKER-G IESELER, Disciples 222: „The Beloved Disciple is thereby shown to function as discipleship among the disciples“.
6.2 Die Petrusfigur im Rahmen des johanneischen Jüngerbildes
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Die insgesamt ambivalente, und abgesehen von Joh 6 auf den Lieblingsjünger bezogene Darstellung des Petrus trifft sich Joh 1–20 an wichtigen 219 Punkten mit derjenigen der Jünger in der Begleitung Jesu . Diese nehmen in der Regel eine Statistenrolle ein (2,2.12; 3,22; 6,3.22; 11,54; 13,5), werden aber vielfach durch einzelne Jünger-Figuren repräsentiert (6,5– 7.8f.67–69220; 11,16; 13,6–9.24; 14,5–7.8–21.22–31). In Joh 6,20; 18,1– 9.19–21; 20,19–23; 21,1–14 und insbesondere im Rahmen der Abschiedsreden erscheinen sie als Adressaten von Jesu Selbstoffenbarung, seinen Verheißungen und in deren Licht dem Wesen der Nachfolge221 unter nachösterlichen Bedingungen. Aussagen über ihren Glauben finden sich 2,11 als Reaktion auf die Offenbarung von Jesu dovxa sowie 16,29f., wo sie Jesu Ausgang vom Vater bekennen (vgl. aber bereits der Blindgeborene 9,33!). Die anschließende Infragestellung Jesu allerdings (16,31f.) verweist auf ihr Versagen im vorösterlichen Kontext. In Entsprechung dazu illustrieren Beispiele des Jüngerunverständnisses (4,27.31–33; [9,2]; 11,8–13; 13,22– 29; 16,17f.) bzw. nachösterliche Reminiszenzen (2,17.22; 12,16) den vorösterlichen Vorbehalt des Johannesevangeliums. Die von Petrus in hervorgehobener Weise vertretene Sprecherrolle deckt sich daher mit anderen Personen aus dem Jüngerkreis: So gilt dies in 6,9 in gleicher Weise von Andreas, in 11,16 von Thomas, in 14,5–11.22 in besonderer Dichte von Thomas, Philippus und Judas (nicht Iskarioth). In 12,21 schließlich fungiert Philippus als Ansprechpartner der Griechen. Im Fall von 11,16 auf dem Hintergrund von Mk 14,31 überträgt Johannes dabei ursprünglich mit Petrus verbundene Motive und im Ganzen die Funktion seiner Darstellung auf einen anderen Jünger, dem auch in Joh 20,24– 29 noch einmal eine prominente Rolle zukommt. Ebenso steht hinter Joh 14,22 womöglich Apg 10,40f. als Teil der Petrus-Rede – hier allerdings auf Judas übertragen.
219
FARELLY, Disciples 16 bezeichnet diese als „inner circle“. Davon zu unterscheiden ist etwa die Gruppe der maqhtaiv von 6,60–66, deren Rolle Joh 6 mit derjenigen des Judas korrespondiert s.o. S. 98 und 260. Damit bezieht sich die festgestellte Ambivalenz sowohl auf den weiten Jünger-Begriff als auch die Gruppe der Jesus-Begleiter, als deren Teilbereich die Zwölf zu denken sind. 220 In die Charakterisierung der Jünger bezieht so B ARRETT auch explizit das PetrusBekenntnis mit ein: „The disciples are primarily believers (2.11), men who have found that Christ has words of eternal life (6.68f.)“ (B ARRETT, John 93). Vgl. dazu auch die Ergebnisse unter 4.1.2. 221 Dazu und insbesondere zu den Kriterien johanneischer Nachfolge s.o. 6.1.2. 6,20 und in den Abschiedsreden dient Jesu Selbstoffenbarung der Überwindung der Furcht der Jünger angesichts von diversen Bedrängnissen.
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
Bei all diesen Dialogen liegen die größeren Sprechanteile eindeutig bei Jesus, die Jünger werden zudem häufig angesprochen222. Die jeweils JesusRede auslösenden Fragen bzw. Äußerungen dienen hierbei der Explikation christologischer/soteriologischer Einsichten (u.a. 13,9 vgl. 11,12; 16,17f. auf die Gruppe der Jesusjünger allgemein bezogen) und dokumentieren eine Ambivalenz zwischen Bekenntnis einerseits und Unverständnis bzw. einem weiterzuentwickelndem Glauben andererseits223: so das Bekenntnis des Andreas in 1,40, dagegen aber das Missverständnis in 6,9, analog Philippus in 1,45 im Gegensatz zu 14,8f. und Thomas in 20,28 im Kontrast zu 11,16 und auch 20,25. Dem entspricht die in sich ambivalente Darstellung des Petrus in 6,68–71, dessen Bekenntnis jedoch eine zentrale Rolle einnimmt. In Joh 13–20 dagegen wird sein Unverständnis der Passion Jesu gegenüber (13,6–9.36–38 s.a. 18,10f.) von völligem Übergangenwerden (14–17), Versagen (18,17.25.27) und noch fehlender österlicher Erkenntnis abgelöst. Daraus folgt ein der Jüngergruppe und den individuellen Jüngerfiguren unter Einschluss von Petrus entsprechender Grad an Komplexität und eine erst nachösterlich gegebene Entwicklung224, die an Petrus in exemplarischer Weise narrativ entfaltet wird (13,6–9.36–38; 18,17f.25– 27; 20,3–9). Darin zeigt sich die spezifische – den Adressaten aber im Johannesevangelium bereits gegebene – johanneische Sichtweise. Ohne diese als notwendige Grundlage muss folglich auch vorösterliche Nachfolge scheitern: Im Gegensatz zum Lieblingsjünger fehlen daher die Jünger mitsamt Petrus unter dem Kreuz (16,32 vgl. aber 19,25). Nach seinem dramatischen Scheitern als Jünger im Hof des Hohepriesters kann Petrus erst in Joh 21 dem Nachfolgeparadigma und der Ankündigung von 13,36 entsprechen. Konsequenterweise bleibt die Rolle des Petrus im Textbereichen, die eine dezidiert nachösterliche Perspektive widerspiegeln, entweder blass bzw. als Leerstelle auf die Zukunft verwiesen (1,40–42), die des Prototypen des Jüngerunverständnisses, oder sie bleibt gar, wie im Fall von 222
Vgl. auch der zutreffende Hinweis bei SILKER-G IESELER, Disciples 210, was sich mit den bisherigen Beobachtungen zur Petrus-Figur deckt s.o. die Analysen in Kapitel 4, v.a. zu Joh 1, auch 6,67; 18,17.25.27. Philippus und Andreas reagieren auf Jesu Frage in 6,5, Thomas in 11,16 v.a. auf das Jesus-Wort in 11,7f. und in 14,5 auf das Stichwort oJdov~ V.4. 223 Raymond COLLINS geht daher zu weit, wenn er im Gegensatz zu allen anderen Charakteren konstatiert: „Peter alone appears as a man of contradictions and ambivalence. He is the only ‚round‘ character in the entire narrative (…)“ (DERS., Beloved Disciple 207). Ambivalente Züge zeichnen dagegen das Jüngerbild insgesamt aus und analog weitere einzelne Jüngergestalten wie Andreas (1,40f. und 6,9), Philippus (1,45 und 6,5) usw. (s.o. 6.1.3). 224 Die alle betreffende Ambivalenz spricht daher gegen das Bild, das TOLMIE, Farewell 142 zeichnet und das Thomas und Philippus nur einen „single trait“ zuweist. Komplexität und Entwicklung weisen als zwei wesentliche Aspekte der Figurenkonzeption nach E WEN (s.o. 3.4.2 (4)) auf eine vergleichsweise intensive Charakterisierung hin.
6.2 Die Petrusfigur im Rahmen des johanneischen Jüngerbildes
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Joh 14–17, ganz aus. Diesem zentralen theologischen Konzept also ist schließlich das vieldiskutierte Verhältnis zwischen Petrus und dem Lieblingsjünger geschuldet und dabei ebenso die in Joh 21 gegenüber 1–20 beobachtete – positivere – Wertung der Petrusfigur. Ohne damit umgekehrt einen ursprünglichen Zusammenhang von Joh 1–21 erweisen zu wollen, kann mit einem neuen Status des Petrus in nachösterlichem Licht schwerlich eine sekundäre Entstehung begründet werden. Gelöst wurde lediglich die Spannung zwischen dem zunächst vorösterlichen Ist-Zustand und der angekündigten zukünftig bedeutsamen bzw. positiven Entwicklung (1,42; 13,36; vgl. auch die häufig innerhalb ihres Kontextes als „Brüche“ wahrgenommenen Hinweise 13,28 und 20,9 im Gegensatz zur Erkenntnis des Lieblingsjüngers 13,26f.; 20,8, welche hierbei die Unterscheidung der vorund nachösterlichen Ebenen und darin auch die Profilierung der Adressaten fördern). Allerdings: trotzdem sich die johanneische Gemeinde ihres durch den Lieblingsjünger dokumentierten Vorsprungs gewiss sein kann, steht Petrus – in einer ähnlich spannungsvollen Ambivalenz – für die bei Jesus bleibende Gruppe (6,66–71). Diese weist zugleich auf eine Gefährdung des Glaubens bis in die innersten Kreise hinein225 und fordert ebenso wie die Beispiele des Jüngerunverständnisses eine klare Positionierung heraus. In diese übergreifende Intention lassen sich die ebenfalls beobachteten positiven Züge der Jünger wie die fehlende „fullness of Christian perception“226 einordnen. Die ambivalente Darstellung der johanneischen Petrusfigur in Entsprechung zum Jüngerbild insgesamt, d.h. in der Funktion als exemplarischem Jünger, lässt sich so als literarische Strategie erkennen, die die Adressaten mittels Identifizierung und gleichzeitiger Distanzierung zur Erkenntnis von verschiedenen Aspekten johanneischer Theologie führt. 6.2.2 Das Gegenüber von Petrus und dem Lieblingsjünger und seine Funktion im Rahmen der johanneischen Darstellung Die adressatenleitende Strategie der Darstellung der Petrusfigur als exemplarischem Jünger auf der Textebene, die eine Profilierung johanneischer Theologie und letztlich eine Positionierung der angesprochenen Adressaten innerhalb der johanneischen Gemeinde intendiert, konnte so herausgestellt werden. Zu klären bleibt in diesem Rahmen die Funktion der Figurenkonstellation von Petrus- und Lieblingsjünger-Figur. Deren Gegenüber muss, wie bereits dargelegt, im Hinblick auf das johanneische Jüngerbild erweitert werden in ein Gegenüber von Lieblingsjünger einerseits und Jün225
16,31ff. folgt in ähnlicher Weise wie Joh 6,68–71 auf das zutreffende Bekenntnis über den Ausgang Jesu aus dem Vater eine Infragestellung dieses Glaubens durch Jesus. 226 S.a. BROWN, Community 84 (zur Sache 83f.).
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Kapitel 6: Petrus im Kontext des johanneischen Jüngerbildes
ger inklusive des sie repräsentierenden Petrus227 andererseits. Letztere sind auf diese Weise als eine Größe insgesamt auf das Nachfolgeparadigma des Lieblingsjüngers als Personifizierung johanneischer Theologie bezogen. Das Modell, Petrus stehe für eine bestimmte Gruppe, sei es das Judenchristentum wie bei BULTMANN oder das petrinische Christentum der „Großkirche“ außerhalb der johanneischen Gemeinde, kann so nicht bestätigt werden. Letztere Position basiert in der Regel auf einem postulierten Kontrast zwischen dem Lieblingsjünger und Petrus: „But how do we know that Peter and the Twelve do not stand for all Christians (…), rather than for a group of Christians distinct from the Johannine community? The key to that question is the consistent and deliberate contrast between Peter and the Beloved Disciple, the hero of the Johannine community“ 228. Dieser „Kontrast“ dient jedoch nicht der Profilierung des Verhältnisses verschiedener urchristlicher Gruppierungen geschweige denn unterschiedlicher „Kirchen“, sondern der Profilierung johanneischer Theologie als Christologie und Ekklesiologie. Da der Lieblingsjünger nicht nur Petrus, sondern dem johanneischen Jüngerbild insgesamt gegenübergestellt wird, sollte man statt von einem Kontrast wohl angemessener von einem einander zugeordneten Gegenüber sprechen, das adressatenorientiert dem Ziel des Johannesevangeliums (20,31) dient: nämlich der Hinführung zum johanneischen Kerygma und der Bewahrung des Glaubens daran. Der vielfältig dokumentierten Angewiesenheit der Petrusfigur auf den Lieblingsjünger entspricht die Angewiesenheit der Glaubenden auf die nachösterliche Erkenntnis des zentralen Christus-Zeugen: Die zunächst noch in der Anonymität belassene Identität des zweiten Jüngers (Joh 1,35–39) wird im charakteristischen Zusammenspiel mit der Petrusfigur, spätestens aber anhand der Identifizierung in 20,2 mit dem „anderen“ Jünger aufgeklärt. Vom Beginn des Wirkens Jesu an setzt dieser Jünger das Christuszeugnis des Täufers fort, wodurch Nachfolge ermöglicht wird, zu der zuerst Petrus geführt wird (1,40–42). Das Unverständnis des Petrus über Jesu Passion (13,6–11.36–38; 18,10f.) einerseits wie die noch ausstehende notwendige hermeneutische Vermittlung des Lieblingsjüngers (13,23–25; 20,8) als Grundlage einer so erst nachösterlich möglichen Nachfolge (18,15–17.25.27) andererseits verweisen letztlich alle
227
Die Zuordnung des Petrus zu den Jüngern insgesamt im Gegenüber zum Lieblingsjünger findet sich auch bei PERKINS, Peter 96: „The contrast between Peter and the Beloved Disciple highlights the irony with which the Fourth Evangelist treats Jesus’ disciples.“ Vgl. auch die die Schlussfolgerung aus der Betrachtung von Joh 13,21–26 bei KRAGERUD, Lieblingsjünger 23: „Doch ist der Eindruck unvermeidlich, daß P gleichsam an der Seite der Jünger steht, L dagegen an der Seite Jesu.“ 228 BROWN, Community 82.
6.2 Die Petrusfigur im Rahmen des johanneischen Jüngerbildes
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Glaubenden in ihrer Nachfolge an den Lieblingsjünger und dessen Christuszeugnis. Diese Linie wird in Joh 21 nochmals zugespitzt: Auf der Basis christologischer Erkenntnis, die der Lieblingsjünger ermöglicht (21,7), wird der anfangs selbst missionierte Jünger Petrus nun zum Prototypen für die missionarischen Aktivitäten der Gemeinde (Joh 21,1–14) und zum Vorbild für Gemeindeleiter229 der späteren Zeit. Beide hervorgehobenen Rollen werden in den größeren Zusammenhang der Nachfolge eingeordnet (s.o. 4.1.6.1 d) und stehen damit im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Situation der Adressaten. Petrus wird Joh 21 in persönlicher Nachfolge wie ekklesiologischer Funktion auf den Lieblingsjünger und sein Christuszeugnis verwiesen, um darin die Kriterien des Jüngerseins zu erfüllen: Der an Joh 10 orientierte Hirtendienst geschieht auf der Basis der für alle Jünger im wahrsten Sinne des Wortes grundlegenden Christusliebe (14,15.21–24), die sich als Bleiben im Wort äußert. Darin entspricht Petrus letztendlich den johanneischen Kriterien von Jüngerschaft, die der Lieblingsjünger in sei230 nem Namen und seiner dargestellten Funktion idealiter verkörpert : die 231 Nachfolge als Bleiben in Jesu Wort (8,31 vgl. 21,22.24 ) und in seiner Liebe (13,34f.). In persona des Petrus wird so Jüngernachfolge, d.h. die Nachfolge der Adressaten, am Lieblingsjünger, und gemäß Joh 21,24 am Zeugnis des Johannesevangeliums selbst orientiert. Dieser zentrale theologische Aspekt, der die Funktion der Darstellung der Petrusfigur erhellt, wird im nachfolgenden Kapitel 7 nochmals vertieft beleuchtet werden. Dabei wird zunächst grundsätzlich Petrus als exemplarischer Jünger im Verhältnis zum Lieblingsjünger und seiner Schrift thematisiert (7.1.) und im Anschluss daran die spezielle Frage der Weideaufträge erörtert (7.2).
229
Dazu s.u. Kapitel 7.2. S.o. 6.1.2. 231 Zum Zusammenhang von Wort(en) Jesu und der Schrift des Johannesevangeliums s.u. 7.1. 230
Kapitel 7
Theologische Perspektiven 7.1 Die Nachfolge des exemplarischen Jüngers Petrus und die Schrift gewordene Glaubenserkenntnis des Lieblingsjüngers 7.1.1 Die Petrusfigur im Rahmen johanneischer Erzählstrategie Anhand der Analyse des johanneischen Petrusbildes (Kapitel 4) auf dem Hintergrund der synoptischen Petrusbilder (Kapitel 5) und des johanneischen Jüngerbildes (Kapitel 6) lässt sich zusammenfassend feststellen: Petrus kommt im Blick auf den Jüngerkreis in der Begleitung Jesu eine exemplarische Bedeutung zu. Zugleich verbindet sich mit seiner Darstellung in pragmatischer Hinsicht eine adressatenlenkende Strategie: Analog zu den synoptischen Evangelien korrespondiert das Petrusbild dem Bild der Jesus umgebenden Jünger. Dies gilt zunächst einmal für die beide betreffende ambivalente Darstellung, die genannte positive Äußerungen des Glaubens einerseits und des Jüngerunverständnisses andererseits zusammenbindet. Innerhalb einer Figur zeigt sich diese Ambivalenz am deutlichsten bei Petrus ausgeprägt, womit eine schon bei den synoptischen Darstellungen aufgewiesene Tendenz verstärkt wird1. Die Spannung dieser Ambivalenz bewirkt, dass sich die Adressaten sowohl mit den positiven Glaubensäußerungen identifizieren als auch vom Jüngerunverständnis o.ä. distanzieren können. Ferner muss die in Kapitel 6 festgestellte Differenzierung in verschiedene Jünger-Gruppen mit einbezogen werden: Einzelne, anonyme Figuren vollziehen hierbei eine Glaubensentwicklung in einem Spannungsbogen, der innerhalb eines Kapitels gespannt ist. In ihrem Entwicklungsprozess hin zu nachösterlichem Glauben sind diese Figuren so jeweils Petrus und den Jüngern um Jesus voraus. Dies lässt sich in der gleichen Weise wohl von der Mehrzahl der intendierten Adressaten des Johannesevangeliums sagen, die anhand von der johanneischen nachösterlichen Sichtweise entweder schon „voraus“ sind oder ggf. dorthin geführt werden sollen. Alle Figuren hat der Lieblingsjünger in seinem Glauben bereits überflügelt und gilt somit als der ideale Jünger schlechthin. In der Spannung zwischen ihrer und seiner christologischen Einsicht und letztlich in der 1
S.o. 5.3.16 und 5.4.
7.1 Die Nachfolge des Petrus und die Glaubenserkenntnis des Lieblingsjüngers
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Angewiesenheit auf letztere und die hermeneutische Kompetenz des Lieblingsjüngers werden in Petrus und den anderen Figuren die intendierten Adressaten an diesen und damit an johanneische Theologie verwiesen. In deren Dienst steht die narrative Darstellung der Petrusfigur wie der Figurendarstellungen insgesamt, und zwar speziell in der Darlegung johanneischer Christologie und Ekklesiologie. Bei den mehrheitlich antipetrinischen Sichtweisen auf die johanneische Petrusfigur ist dabei die positive, weil prototypische Funktion unterbelichtet (dazu die ausführlichen, v.a. synchronen Analysen in Kapitel 4). Diese kommt Petrus in 1,40–42 als missioniertem Jünger, d.h. faktisch als Glaubendem der johanneischen Gemeinde zu. Von 10,3 her repräsentiert die Beziehung des Petrus zu Jesus anhand der Namensnennung 1,42 die Beziehung des Guten Hirten zu seinen Schafen. In 6,66–69 fungiert Petrus als Repräsentant all derjenigen, die durch das Schisma hindurch bei Jesus blieben. Damit bestätigt er zugleich johanneische Christologie bzw. in der Aufnahme der Brotrede auch bereits das schriftgewordene Johannesevangelium. Zentrale christologische bzw. soteriologische Aspekte kommen 13,6–9 wie 18,10f. zum Tragen, 13,36–38, 18,15–27 und 20,8 explizieren narrativ den vorösterlichen Vorbehalt des Johannesevangeliums. Die hermeneutische Funktion des Lieblingsjüngers bzw. des von ihm autorisierten Johannesevangeliums zeigt sich anhand der johanneischen PetrusDarstellung 13,23–25, 20,8f. sowie 21,7. In 21,15–17 schließlich avanciert Petrus zum Prototypen eines in johanneischem Sinne agierenden Gemeindeleiters (dazu s.u. 7.2): Die Weideaufträge binden johanneische Ekklesiologie an die Christologie (insbesondere Joh 10) zurück und stehen in 21,1–22 insgesamt im Kontext der allgemeinen Jünger-Nachfolge. Daraus resultiert, dass die Petrusfigur als Teil einer Strategie zu sehen ist, welche die Adressaten zum Glauben in johanneischer Perspektive führen will und zwar: (a) anhand einer ambivalenten Darstellung: Positive Züge stellen hierbei eine Identifizierung der Adressaten mit der Petrusfigur her, während negative auf die zu erreichende (oder bereits erreichte) Perspektive weisen. Dies wird (b) unterstrichen durch die Spannung zu anderen anonymen Figuren, die bereits eine Entwicklung zu einem nachösterlichen johanneisch geprägten Glauben vollzogen haben, und insbesondere durch die Bezogenheit auf den Lieblingsjünger, der Christus-Erkenntnis und Christus-Nachfolge vermittelt (13,23–25; 18,15f.; 20,3–10; 21,7.20–22). Damit verbindet sich ein sehr hoher Anspruch johanneischer Theologie, die im buchgewordenen Johannesevangelium greifbar wird. Diesem Aspekt wird sich der folgende Abschnitt (7.1.2) widmen.
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
7.1.2 Das Johannesevangelium und sein Selbstverständnis als (heilige) Schrift 7.1.2.1 Theologie des Wortes a) Der Logos und sein Wort Dass sich das Johannesevangelium durch eine ausgeprägte Theologie des Wortes auszeichnet, zeigt sich bereits eindrucksvoll am vorangestellten Prolog, dem die Funktion eines hermeneutischen Schlüssels zukommt. Den im weiteren Verlauf des Evangeliums bedeutsamen Worten Jesu kommt göttliche Autorität zu, indem derjenige, der sie spricht, selbst fleischgewordener göttlicher lovgo" ist2. Ferner stehen aufgrund der Willens- und Wirkeinheit mit dem Vater Jesu Worte in Entsprechung zu Gottes Wort (17,14; 1Joh 1,10): Jesu Wort entspricht Gottes Wort. Die hervorgehobene Bedeutung von Jesu Worten wird durch weitere formale Aspekte unterstrichen: beispielsweise durch das doppelte ajmh;n ajmhvn (25mal!), Selbstzitate3, die Wiederaufnahme durch den Erzähler (teils mit Zitationsformel4) oder durch weitere Figuren, auch durch Jesus selbst (!)5 sowie die exponierte Position und strukturelle Funktion von Herrenworten im Rahmen der johanneischen Reden6. Indem Jesus-Worte zitiert oder wiederaufgenommen werden, vollzieht sich ein Prozess der Relecture und Anamnese, der johanneischer Hermeneutik im Gesamten entspricht. Mit der Autorität der Worte Jesu verbindet sich daher letztlich der (hohe) Anspruch des Johannesevangeliums selbst. Ein Beispiel dieser Aufnahme eines Herrenwortes zeigt sich im Zusammenhang von 8,31–33, wobei 8,32b aufgenommen wird. 8,31b (eja;n uJmei'" meivnhte ejn tw'/ lovgw/ tw'/ ejmw'/, ajlhqw'" maqhtaiv mouv ejste) ist als Kriterium johanneischer Jüngerschaft bereits thematisiert worden7. Die Bedeutsamkeit des Wort-Motivs zeigt sich auch an Negativformulierungen wie 5,38 („denn sein Wort [= des Vaters] habt ihr nicht bleibend in Euch“), in 8,37 ausgedrückt mit Hilfe einer Raummetaphorik („sondern ihr sucht mich zu töten, weil mein Wort keinen Raum in Euch findet“8). Der mit 2
Mit THEOBALD, Herrenworte 22 ist hier die Logos-Christologie des Prologs von der Boten-Christologie des Korpus zu unterscheiden. Gleichwohl muss primär der theologische Sinn ihrer Bezogenheit Beachtung finden. 3 Vgl. T HEOBALD, Herrenworte 23–26 im Vergleich mit den Synoptikern. 4 Dies impliziert eine Analogie des Johannesevangeliums s.u. 7.1.2.2. 5 Vgl. die systematische Darstellung und Diskussion bei THEOBALD, Herrenworte 26– 41. 6 Dazu SCHOLTISSEK, Buch 215f. im Anschluss an T HEOBALD. 7 S.o. 6.1.2. 8 In diesem Sinne versteht SCHNELLE, Johannes 174 auch die Wendung Joh 8,31, die zeige „daß Johannes das Wort Jesu als einen Lebensraum betrachtet, in dem der Mensch sich dauernd aufhalten darf“.
7.1 Die Nachfolge des Petrus und die Glaubenserkenntnis des Lieblingsjüngers
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dem Wort und darin mit dem Evangelium verbundene Heilscharakter zeigt sich an zahlreichen positiv formulierten Stellen, so etwa 8,32, wo es zu Wahrheit und ewigem Leben führt, woraus wiederum deutlich wird, dass das Wort Jesu seiner Person entspricht. Diese Korrespondenz von Wort und Präsenz Jesu (und des Vaters) zeigt auch beispielsweise 14,23: „[W]enn mich jemand liebt, wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“, weswegen Aussagen wie 15,4 („bleibt in mir und ich in Euch“) als bedeutungsgleich mit dem Bleiben des Wortes anzusehen sind. b) Das Wort und die Gemeinde Narrativ entfaltet zeigt sich diese Korrespondenz von Jesu Wort und Person in der Perikope von der Heilung des Sohnes des königlichen Beamten 4,46–53, der zugleich paradigmatische Funktion erfüllt: Zunächst glaubt dieser V.50 „dem Wort, das Jesus zu ihm sagte“; wie die Adressaten kann er das Wunder der Fernheilung nicht sehen, beiden sind Wunder nur (noch) über das „Wort“ Jesu zugänglich. Diese Angewiesenheit auf die Vermittlung durch das „Wort“ findet sich dann analog beim Wort von Missionaren bzw. Zeugen, so 4,39 das der Samaritanerin an die Dorfbewohner (das parallel mit Jesu Wort 4,41 steht) oder 17,20, wo Jesus für diejenigen bittet, tw'n pisteuovntwn dia; tou' lovgou aujtw'n eij" ejmev. Damit ist bereits eine Entwicklung vorgezeichnet, die Joh 20 in der Entgegensetzung von Thomas und dem Lieblingsjünger ihren Höhepunkt findet: Zwar ist Thomas zunächst 20,25 davon überzeugt, ohne die leibliche Begegnung und Berührung des Auferstandenen nicht glauben zu können; doch ist es letztlich dann das Wort Jesu V.27, das ihn zum Bekenntnis V.28 bewegt, denn interessanterweise wird nichts davon berichtet, dass Thomas Jesus tatsächlich berührt. Vom Lieblingsjünger dagegen wird bereits 20,8 als erster Figur überhaupt ausgesagt, dass er „sah und glaubte“. Dies geschah jedoch auf innerjohanneische Exegese hin, durch welche die Bedeutung des soudavrion 20,7 auf dem Hintergrund von 11,44, also dem auferweckten Lazarus, klar wird. Dieser nachösterliche Glaube ist den Adressaten über den Bericht des auktorialen Erzählers so bereits zu Beginn von Joh 20 vertraut, was noch einmal bestätigt wird durch den Bericht der Erscheinung vor Maria Magdalena und das Bekenntnis der Jünger eJwravkamen to;n kuvrion 20,25. Indem Thomas aber auch das erst nicht genügt, wird er darin zunächst zum Gegenmodell der Glaubenden zur Zeit der johanneischen Gemeinde, denen dieses vielfältige Zeugnis des Auferstandenen im Johannesevangelium vorliegt. Doch der auf dem Wort Jesu basierende Glaube an Jesus als Gott 20,28 weist schließlich auch anhand von Thomas auf den „Weg vom sicht-
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
baren Zeichen zum Wort“9, zu den im Johannesevangelium zugänglichen Worten des Auferstandenen und der Bekenntnisse des Glaubens an ihn. In besonderer Dichte wie Relevanz für die Gemeinde finden sich JesusWorte natürlich im Bereich der Abschiedsreden. Indem diese inhaltlich mit der Perspektive des Erzählers korrespondieren10, wird nicht nur die Glaubwürdigkeit und Autorität des Erzählers gestärkt, sondern zugleich auch die seiner Erzählung, d.h. des Johannesevangeliums selbst. Mit der Darstellung der Worte Jesu verbindet sich daher letztlich wieder ein hoher Selbstanspruch des Johannesevangeliums als Schrift, was sich bereits in der (s.o. a) Wiederaufnahme von Herrenworten gezeigt hat (s.o. a). 7.1.2.2 Das Verhältnis zu alttestamentlichen Schriften in ihrem Selbstanspruch als (Heilige) „Schrift“ a) Analoge Dignität und Funktionen Ein weiteres Stadium an Autorität und Dignität kommt einem Wort Jesu Joh 2,22 zu, indem es „der Schrift“ (grafhv11), nämlich dem Zitat von Ps 69,10 = Ps 68,10LXX in Joh 2,17, autoritativ gleichgeordnet12 wird. Der Erinnerung der Jünger an das alttestamentliche Zitat 2,17 wird nun nachösterlich das Wort Jesu 2,19 als hermeneutischem Schlüssel im Grunde sogar vorgeordnet: Der Eifer um den Tempel wird als Tod und Auferstehung seines Leibes reinterpretiert und verstanden. Dieses Verfahren entspricht johanneischer Schrifttheologie insgesamt: Christus, der fleischgewordene Logos, der (nach der Übersetzung von Walter Bauer) 1,18 „von Gott Kunde gebracht hat“, wird als Erfüllung der Schrift, d.h. alttestamentlicher Schriften (2,22; 5,39; 7,38; 10,35; 13,18; 17,12; 19,24.36.37) dargestellt. Jedoch: dies gilt dann in übertragener Weise ebenso für Worte Jesu, die – wie beispielsweise in 18,9 (s.o. 7.1.2.1) – mit der Zitationsformel versehen werden (i{na plhrwqh'/ oJ lovgo" o}n ei\pen). Analog zu alttestamentlicher Tradition wird auch der Umgang mit Jesu Worten postuliert: ajkouvw (z.B. 5,24) wird hier emw entsprechen13. Als nächster – in gewissem Sinne kühner! – Schritt ist festzustellen, dass diese Parallelität von Worten Jesu und alttestamentlichen Worten auch für das Johannesevangelium selbst, d.h. als vorliegende Schrift gilt. 9
HECKEL, Evangelium 148, zum Thema insgesamt 144–157. Vgl. dazu auch SCHOLTISSEK, Johannes auslegen I 63. 11 Zum Wortfeld grafhv vgl. OBERMANN, Erfüllung 48–43, s.a. ZUMSTEIN, Entstehung 323f. oder SCHOLTISSEK, Buch 220. 12 Vgl. auch ZUMSTEIN, Entstehung 324 mit Verweis auf 2,22: „An einigen Textstellen wird das joh Zeugnis von Christus auf das Niveau der jüdischen Schrift gehoben“. In der Funktion als hermeneutischer Schlüssel kommt dem Jesus-Wort im Grunde die Priorität über das alttestamentliche Wort zu, s.a. THEOBALD, Herrenworte 43f. 13 Dazu s.a. T HEOBALD, Herrenworte 46. 10
7.1 Die Nachfolge des Petrus und die Glaubenserkenntnis des Lieblingsjüngers
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Dazu ist auf die synchrone und diachrone Analyse der Petrus-Szene Joh 20,1–10 verweisen: Wie bereits erwähnt, gründet der Glaube des Lieblingsjüngers 20,8 („und er sah und glaubte“) auf der intratextuellen Verbindung mit Joh 11,44, die anhand des soudavrion aus 20,7 den „christologischen Mehrwert“ der Auferstehung Jesu gegenüber der Auferweckung des Lazarus erkennt. Vergleicht man dies mit Lk 24 als Prätext, so tritt die innerjohanneische Exegese an die Stelle der Worte Jesu einerseits (Lk 24,6f.) und des Bezuges zu ta;" grafav~ (Lk 24,27.[45]) andererseits. Auch Joh 21,7 ist es faktisch „neutestamentliche Exegese“ als intra- und intertextueller Bezug, die zur christologischen Erkenntnis des Lieblingsjüngers führt: Zum einen verbindet in der Jesusrede 21,6 euJrivskw mit dem analogen Missionskontext 1,41–4514, des Weiteren geht es hier natürlich um den Bezug auf Lk 5,1–10, der im Wunder des Fischfangs das Wirken Jesu erkennen lässt. Diese Parallelen drängen folglich geradezu die Frage nach dem Verhältnis von Johannes- und Lukasevangelium bzw. den Synoptikern insgesamt auf, dazu s.u. 4). b) Der Anfang als Testfall Dass der Anfang des Prologs und damit des Johannesevangeliums mit ejn ajrch/' auf Gen 1,1(LXX) anspielt, dürfte relativ unstrittig sein15, doch im Blick auf daraus resultierende Schlussfolgerungen für johanneisches Selbstverständnis als Schrift bleiben die Kommentatoren doch eher zurückhaltend. Dabei fällt Folgendes auf: Anders als Gen 1,1 wird hier nicht auf den Beginn der Schöpfung rekurriert (vgl. erst V.3), sondern auf den Beginn noch vor der Schöpfung, so dass eine Überbietung sowohl des Beginns der Tora als auch des ältesten Evangelisten vorliegt. Denn unabhängig von der Frage, ob sich anhand des Stichwortes ajrchv16 hier Verbindungslinien ziehen lassen, deuten Analogie und Differenz in der Komposition bzw. Struktur der Evangelienanfänge wie auch darüber hinaus auf eine Überbietung: Beide beginnen ihr Evangelium mit dichten intertextuellen Bezügen zum Alten Testament und stellen es so in den 14
Darauf weist B USSE, Johannesevangelium 264. So u.a. bei B ROWN, John I 4; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium I 209; BECKER , Johannes I 87f.; W ILCKENS, Johannes 27; S CHENKE , Johanneskommentar 19; SCHNELLE, Johannes 31; T HYEN, Johannesevangelium 65 vgl. auch SCHLATTER, Johannes 1, STRATHMANN, Johannes 30. 16 Obwohl der eindeutige Bezug von Joh 1,1 auf Gen 1,1LXX einen gleichzeitigen Anklang an Mk 1,1 inhaltlich nicht benötigt und dieser auch formal anhand der grammatikalisch unterschiedlichen Konstruktion nicht erwiesen werden kann, kann umgekehrt auch nicht ausgeschlossen werden, dass über die Stichwortverknüpfung der Beginn des Markusevangeliums an dieser Stelle ebenso im Blick war. Doch ist den nachfolgend dargelegten Kompositions- und Strukturanalogien in jedem Fall größeres Gewicht in der Argumentation beizumessen. 15
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
Kontext der Heilsgeschichte Israels bzw. in Kontinuität zu ihr, beide beginnen die eigentliche Erzählung mit dem Täufer17. Doch berichtet Markus im Anschluss an ajrch; tou' eujaggelivou ÆIhsou' Cristou' Mk 1,1 vom Beginn des irdischen Wirkens Jesu an, während der Johannesprolog nicht nur Präexistenzchristologie entfaltet, sondern zudem eine „relecture der Tora“18 bietet, die in V.14 bis zur Sinaioffenbarung reicht. Im Logos Gottes – angekündigt vom Täufer, auf den in 1,23 nun Jes 40,3 persönlich bezogen wird – führt Johannes die markinische Stimme Gottes (Mk 1,11; 9,7; 16,7) überbietend fort (3,29; 5,28 parallel zu 5,25; 10,3–5.16.27; 11,43; 18,37). Doch sind – einem Hinweis von Jean ZUMSTEIN in Anschluss an Paul RICOER folgend – nicht nur die kanontheologischen Implikationen des ejn ajrch'/, sondern auch der lovgo"-Terminologie mit einzubeziehen: Mit dem Prolog wird nicht nur die johanneische Christologie, sondern auch das Johannesevangelium als Schrift im präexistenten Logos Gottes verankert. Denn wie auch alttestamentliche Schrift versteht es sich als „Verschriftlichung eines empfangenen Wortes, das von woanders kommt“19. 7.1.2.3 Die Schlüsse Joh 20,30f./Joh 21,24f. und der Lukasprolog Terminologisch explizit präsentiert sich das Johannesevangelium in den beiden Schlüssen Joh 20,30f. und 21,24f. als Buch. Dies macht sich 20,30f. zunächst an der Form (a) gevgraptai wie (b) dem Begriff biblivon fest: (a) Neben der Verwendung als Zitationsformel bzw. allgemein dem Bezug auf alttestamentliche Zitate verweist S CHOLTISSEK20 im Rahmen der zahlreichen Vorkommen von gevgraptai in der Offb insbesondere auf 1,11 und die Seligpreisungen 1,3; 22,7. Auf dem Hintergrund von Dtn 28,58–61 und 30,10 wird die Schrift der Johannesoffenbarung an diesen Stellen analog zur Tora als Ausdruck von Gottes Willen deklariert (s.a. die Dtn 4,2 entsprechende Kanonisierungsformel Offb 22,18f. u.ö.). Im Anschluss an die Beobachtungen unter 7.1.2.2 ist im Bereich des Johannesevangeliums von einem analogen Selbstverständnis im Verhältnis zum Alten Testament auszugehen. (b) Daneben spricht Joh in 20,30 von Zeichen, „die nicht in diesem Buch (ejn tw'/ biblivw/ touvtw/) geschrieben sind“, d.h. das Johannesevangeli17
WUCHERPFENNIG, Markus 1,1–3, 240 verweist zudem noch formal auf das asyndetische ejgevneto Mk 1,4 wie Joh 1,6. 18 W UCHERPFENNIG, Markus 1,1–3, 238, zum Thema insgesamt 235–238. Dabei ergeben sich bis zur Krönung der Sinaioffenbarung folgende Bezüge: Gen 1,1 in Joh 1,1; Gen 1,3–5 in Joh 1,4f.7–9; Gen 2–11 in Joh 1,10f.; Gen 12–22 in Joh 1,12f. Weitere Aspekte werden auch im Verlauf des Johannesevangeliums aufgegriffen, bis hin zum Abschluss der Schöpfung Gen 2,2 (sunetevlesen) in Joh 19,30 (tetevlestai). 19 ZUMSTEIN, Entstehung 326. 20 SCHOLTISSEK, Buch 221f.
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um rekurriert mit der Bezeichnung biblivon auf sich selbst ausdrücklich als „Schrift“. Dabei meint biblivon wie grafhv zunächst alttestamentliche Schriften (Lk 4,17.20 vgl. 1Ch 27,24LXX; Nah 1,1LXX u.ö.) bzw. die Tora (Gal 3,10; Hebr 9,19 vgl. Dtn 28,58LXX u.ö.); analog gilt dies für bivblo" (Mk 12,26; Lk 3,4; 20,42; Apg 1,20; 7,42). Beide können jedoch auch Teil der Wendung „Buch des Lebens“ sein (Phil 3,4; Offb 3,5 u.ö.) und werden dann Mt 1,1 als Evangelienschrift wie Offb 1,11 als Schrift der Johannesoffenbarung verwendet. Einen Selbstbezug auf sich als Schrift bietet in manchem vergleichbar auch der Lukasprolog21 (ajnatavxasqai dihvghsin/uJphrevtai genovmenoi tou' lovgou 1,1f.), der Lk 1,4 wie Joh 20,30 die Zweckangabe der Schrift als glaubensgründendes Buch angibt. Der Hinweis in Joh 20,30 darauf, dass nicht alle Zeichen verzeichnet sind, stellt eine auch in Buchschlüssen zum Tragen kommende rhetorische Figur (pauca e multis) dar22, diese „selektive Konzentration“23 kennzeichnet hierbei wie im Lukasprolog redaktionelle Tätigkeit. Der Bezug zu weiteren Büchern in Form der Hyperbel 21,25 steigert dieses Motiv in ironischer Weise noch. Denn die vorgenommene Selektion impliziert ein qualitatives Urteil über aufgenommene und nicht aufgenommene Stoffe wie die gesamte Art der Darstellung, wodurch letztlich die „Suffizienz“24 des Johannesevangeliums unterstrichen wird. Diese gründet qualitativ ganz wesentlich darin, dass in Petrus 21,19.22.24 alle Gläubigen auf den Lieblingsjünger verwiesen werden, der in seinem Zeugnis (marturiva) bleibt. Dabei lässt sich in der Variation von 19,35 in 21,24 die Entwicklung zum Buch aufzeigen, die sich hier nach 20,30f. noch einmal in gesteigerter Form vollzieht: 19,35 kai; oJ eJwrakw;" memartuvrhken kai; avlhqinh; auvtou' evstin hJ marturiva, kai; evkei'no~ oi\den o[ti ajlhqh' levgei i[na kai; uJmei'~ pisteuvhte
21
21,24 Ou|tov" ejstin oJ maqhth;" oJ marturw'n peri; touvtwn kai; oJ gravya~ tau`ta kai; oi[damen o[ti ajlhqh;" aujtou' hJ marturiva ejstivn
SÖDING, Schrift 344 sieht die vergleichbare theologiegeschichtliche Bedeutung beider Abschnitte darin: Sie „formulieren einen Glaubens- und Wahrheitsanspruch, der im Neuen Testament seinesgleichen sucht; sie stimmen darin überein, daß sie das theologische Gewicht des geschriebenen Wortes hervorheben“. 22 SÖDING, Schrift 349. 23 PEDERSEN, Kanonfrage 95. 24 W INDISCH, Synoptiker 122f.
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
Die fast wörtlich gleiche Formulierung ajlhqinh; aujtou' ejstin hJ marturiva bzw. ajlhqh;" aujtou' hJ marturiva ejstivn folgt 19,35 auf den Augenzeugenbericht (o{ti […] levgei) desjenigen, der den Tod Jesu gesehen hat (oJ eJwrakwv"), während in 21,24 Dritte auf den verweisen, der zeugt (oJ marturw'n vgl. memartuvrhken 19,35). Auch ist es jener 19,35, der weiß (oi\den), wohingegen 21,24 die 1. Person Plural (oi[damen) auf eine hinter der Schrift stehende Gruppe, vermutlich die Herausgeber, verweist. Damit wird das Motiv der Augenzeugenschaft weitergeführt und legitimierend25 wie autorisierend für das Johannesevangelium als Schrift herangezogen. 7.1.2.4 Der Zeuge als Hermeneut des Christusgeschehens Vom Auftreten Jesu und der ersten Jünger Joh 1,35 an tritt eine geheimnisvolle Figur mit auf den Plan, die das Christusgeschehen so von Anfang an begleitet: das aus Mk 1,16–18par. bekannte Jüngerpaar wird anonym eingeführt, der eine der beiden Jünger V.40 schließlich mit Andreas identifiziert, während der andere in der Anonymität belassen bleibt26. Im Kontext der Passion dann, genauer der Frage nach dem Verräter 13,21–29, taucht wiederum eine exponierte Gestalt auf: bezeichnet als o}n hjgavpa oJ ÆIhsou'" wird dieser Jünger anhand des kovlpo~-Motivs27 in eine große Nähe zu Jesus gerückt und entspricht so der Funktion Jesu als „Exeget“ (vgl. ejxhgevmai 1,18) und Hermeneut Gottes. 18,15f. ist dann von einem „anderen Jünger“ die Rede, der Petrus den Zugang zum gefangenen Jesus und damit die Nachfolge ermöglicht, an der dieser in der Verleugnung zunächst noch scheitert. 19,34f. schließlich wird eine nicht näher benannte, und vorher auch nicht eingeführte Person zum Zeugen (memartuvrhken vgl. ejmartuvrhsen Offb 1,2) des wahrhaftigen Todes Jesu, den er gesehen hat (ejwrakwv~). Erst 20,2 lässt die zweifelsfreie Identifizierung des „anderen Jünger“ (s.a. 18,15) mit dem Lieblingsjünger zu: 20,8 wird dieser dann zum Paradigma österlichen Glaubens, und erkennt in Kenntnis von 11,44 die über die Auferweckung des Lazarus hinausführende Auferstehung Jesu, wie auch 21,7 den Auferstandenen aufgrund des als „Finden“ (vgl. 1,41–45) angekündigten wunderbaren Fischfangs (s.o. 4.1.6.1). Daraus ergibt sich eine schillernde Funktion zwischen einem, der vordergründig vorgibt, Augenzeuge zu sein, und einem Exegeten bzw. Hermeneuten des Christusgeschehens. Der bereits bei Papias dokumentierte Anspruch der 25
Zur legitimierenden Funktion des ganzen Kapitels 21 vgl. ZUMSTEIN, Strategie 34f. oder DERS., Endredaktion 313–315, allerdings in Verbindung mit der These einer Anerkennung des Johannesevangeliums durch die „universale Kirche“ (ebd. 314). 26 S.o. 4.1.1.1. 27 Dass sowohl 13,25 wie 21,20 sth'qo" anstelle von kovlpo" 1,18 steht, entspricht johanneischer Variation von Begriffen, spricht jedoch nicht gegen einen Bezug auf das kovlpo"-Motiv.
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Augenzeugenschaft28 kristallisierte sich im Laufe der Alten Kirche immer mehr als Kriterium kanonischer Schriften heraus und entspricht im Stadium der Entstehung des Johannesevangeliums dem Autoritätsanspruch als wahres Zeugnis des Christusgeschehens (19,35 s.a. 21,24!), d.h. aus urchristlicher Sicht dem Status einer „heiligen Schrift“ und in diesem Sinne einer „kanonischen“29 Schrift. Doch steht Johannes damit nicht am absoluten Anfang dieser Entwicklung, vielmehr hat er sich in einen Prozess eingegliedert, der schon anhand des Matthäusevangeliums deutlich hervortritt: Wurde Petrus als hinter dem Markusevangelium stehende Autorität erst bei Papias sekundär an dieses herangetragen, so werden mit den Augenzeugen und Verkündigern Lk 1,2 „älteste Traditionsträger als die primären Garanten für die christliche Tradition“30 angeführt und die Apostel als Augenzeugen stilisiert. Bei Matthäus wird die Identifizierung des berufenen Zöllners aus Mk 2,14 mit Matthäus als einem der Zwölf Mt 9,9 zur Vorordnung des Matthäusevangeliums (mit) beigetragen haben31. All das vermag Johannes zu überbieten, indem sein zum Augenzeugen stilisierter Lieblingsjünger nicht nur zum ersten Jüngerpaar gehört (und zwar anstelle von Petrus Mk 1,16–18par. bzw. der ausführlichen Berufung Lk 5,1–11), sondern auch Zeuge von Kreuz und Auferstehung wird (19,35; 20,8; 21,7). Theo HECKEL sieht dagegen anhand der an Petrus adressierten Worte Jesu 21,22 dezidiert „petrinische Überlieferung“32 gegeben, die Joh 21 mit johanneischer verbunden wird. Als Konsequenz verliere der Lieblingsjünger nun seine exklusive Rolle. Doch sieht Heckel an anderer Stelle selbst eines der Probleme, die sich mit dieser Theorie verbinden: „Es ist nicht zu sagen, für welche Schriften ‚Petrus‘ stehen soll“, dennoch hält er daran fest: „In Joh 21 verbürgen zwei verschiedene Jünger Jesu verschiedene Jesusüberlieferungen“ 33. Da das Wort Jesu V.22 angesichts des Todes des Lieblingsjüngers auf ein in der johanneischen Gemeinde virulentes Problem antwortet und in Verbindung mit V.24 auf das Bleiben des Lieblingsjüngers in seinem Zeugnis zielt, erscheint es nicht ersichtlich, warum der Fokus auf Petrus und damit zudem noch einer anderen als der johanneischen Tradition liegen soll.
Standen 21,15–19 die Funktion und der Märtyrertod des Petrus im Mittelpunkt, so fällt 21,20–24 zusammen mit Petrus (blevpei!) der Blick der Adressaten noch einmal auf den Lieblingsjünger und seine bleibende 28
Euseb, h.e. III,39,3–4. Im Sinne des späteren Verständnisses von „kanonischer Schrift“ wäre dies jedoch ein anachronistischer Gebrauch des Begriffes, weswegen er hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt wurde. 30 PEDERSEN, Kanonfrage 93. 31 TROBISCH, Endredaktion 127. 32 HECKEL, Evangelium 177.188. Heckel geht davon aus, in Joh 21 baue der Verfasser eine „Brücke für petrinische Überlieferungen“ (ebd. 204) und „öffnet (…) mit der Person des Petrus für außerjohanneische Überlieferungen“, was „als ersten Schritt auf dem Weg zur Vierevangeliensammlung“ gelten könnte (ebd. 206). 33 HECKEL, Evangelium 190. 29
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Funktion als Zeuge und damit als Garant des Johannesevangeliums selbst. Zugleich verbindet sich V.20 mit dem dezidierten Rückbezug auf 13,23 der Anspruch der bereits erwähnten ausgezeichneten hermeneutischen Kompetenz. Bei näherem Hinsehen lässt sich auch erkennen, dass darin letztlich die eigentliche Rolle dieser Figur liegt: Ihr „Sehen“ (19,35), das zu einer tieferen Einsicht in die Bedeutung des Christusgeschehens führt, setzt in der gleichen Verbindung von sehen und zeugen (eJwrakw;~ memartuvrhken vgl. ejwvraka kai; memartuvrhka 1,34) bei der Funktion des Christuszeugnisses des Täufers an und setzt fort, wozu die Jünger in paradigmatischer Weise 1,39.46.50 aufgerufen werden. Das Ziel des Glaubens der Adressaten (iJvna kai; pisteuvhte 19,35 s.a. 11,15) deckt sich 20,31 mit dem des Johannesevangeliums selbst. Daraus und aus 20,8 folgt, dass mit diesem Sehen des Lieblingsjüngers die spezifisch johanneische – nachösterliche – Sichtweise gemeint ist, was die Fiktion des Augenzeugen letztlich entlarvt und zu seiner eigentlichen – hermeneutischen – Funktion zurückführt. Das subtile Doppelspiel, das diese Figur einerseits in die (ausgezeichnete!) Nähe Jesu rückt, zugleich aber auch der Darstellung der vorösterlichen Jünger entrückt und der nachösterlichen Sphäre zuordnet, zeigt sich im Grunde in jeder der LieblingsjüngerSzenen: 1,35–39 wird ihm noch keine eigenständige und im Gegensatz zu Andreas 1,40 auch keine aktive Rolle zugedacht, dem Jüngerpaar jedoch wird als erstem die Fortsetzung des Christuszeugnisses des Täufers zugedacht. Weder 13,23–25 noch 20,8 werden augenscheinlich die Jünger bzw. Petrus Adressaten der Erkenntnis des Lieblingsjüngers, sondern in beiden Fällen wird vielmehr ihr noch ausstehender nachösterlicher Glaube festgestellt (so 13,28: „Keiner von den zu Tisch Liegenden verstand, wozu er ihm dies sagte“ wie 20,9 „Denn sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er aus den Toten auferstehen musste“). Daraus folgend wurde diese hermeneutische Funktion des Lieblingsjüngers öfter bestritten34. Doch besteht diese eben gerade nicht im Hinblick auf die Jünger, die wie Petrus den nachösterlichen Vorbehalt demonstrieren, sondern im Blick auf die Adressaten, und entfaltet narrativ die Angewiesenheit auf das Johannesevangelium zur Gewinnung christologischer Erkenntnis einerseits und die Überlegenheit aufgrund desselben – insbesondere im Kontrast zum Jüngerunverständnis – andererseits. Diese Angewiesenheit der Adressaten wird dann analog in 21,7 fortgesetzt, wiederum in Gestalt des Petrus dargestellt, der vermittels des Lieblingsjüngers den Auferstandenen erkennt und zu ihm kommt. Auch hier wird diese Figur wie 1,35–39 nicht eigens eingeführt, sondern kann nur nachträglich als einer der ajvlloi ejk tw'n 34
So z.B. MOLONEY, John 384, der den Lieblingsjünger in das Unverständnis der Jünger 13,28 mit einschließt vgl. auch B USSE, Johannesevangelium 252.297.300 im Hinblick auf 13,28 und 20,9, dazu s.o. 4.1.3.1 und 4.1.5.1.
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maqhtw'n aujtou' duvo 21,2 identifiziert werden und erscheint 21,7 wie auch 19,35 szenisch sozusagen „aus dem Nichts“. Auf einer die narrative Ebene übersteigenden Metaebene stellt sich die Erkenntnis des Lieblingsjüngers, wie bereits erwähnt, in 20,8 im Bezug auf Joh 11,44 und 21,7 auf Lk 5, als intertextuelle neutestamentliche Exegese dar. Auch ist das Rätsel Jesu über den Verräter 13,23–25 nicht nur auf dem Hintergrund der synoptischen Tradition auf Judas hin zu lösen (vgl. paradivdwmi in Mk 14,10f. 41–45parr.), sondern ist anhand des auktorialen Erzählers den johanneischen Adressaten bereits bekannt (Joh 6,64.71; 12,4; 13,2.11). Damit gehen die Botschaft des Johannesevangeliums und die spezifisch johanneische „Perspektive des Anderen“35 (a[llo" maqhthv" 18,15; 20,2), des Lieblingsjüngers in eins. Dies zeugt letztlich – von 21,24 her gesehen – vom besonderen Selbstbewusstsein der Träger des Evangeliums selbst – als Schrift des Hermeneuten Jesu, eines (Augen-)zeugen, dessen „Sehen“ mit nachösterlichen Augen zum wahren Verständnis des 36 Christusgeschehens führt . Wenn der Blick des Petrus Joh 21,20f. narrativ auf den Lieblingsjünger gelenkt wird, werden in ihm die Adressaten auf das Johannesevangelium verwiesen, soll ihr „sehen“ wie das des Petrus auf 37 die johanneische Sehweise bezogen werden . 7.1.2.5 Das Johannesevangelium und die synoptischen Evangelienschriften Mit dem Postulat einer im Johannesevangelium erfolgenden „innerneutestamentlichen Exegese“, die schwerpunktmäßig lukanische Prätexte (insbesondere Lk 5,1–10 wie Teile aus Lk 24) und wohl ebenso das 35
SÖDING, Perspektive 261. Hinweise darauf finden sich u.a. auch bei SCHENK, Lexikon 416.422: Schenk bezieht hier die besondere Bedeutung des Bildfeldes vom „Sehen“, auch in Bezug auf Jesus als Licht der Welt 8,12, auf die „autoreferentielle Ausrichtung des Buchkonzeptes: ‚wer mich sieht‘ meint (…)‚ wer mich liest‘“ ebd. 416 vgl. auch 422: „Sehen meint hier immer (textpragmatisch auf die primäre Kommunikationsebene Autor/Leser zielend): ‚lesen‘“. Zwar ist qewrevw 12,45 zunächst einmal parallel mit 12,46 zu verstehen, „sehen“ entspricht hier wie auch grundsätzlich „glauben“ im Sinne christologischer Erkenntnis; dazu u.a. ZIMMERMANN, Christologie 45ff., der zu Recht darauf hinweist, „dass sich das Christusverständnis gerade im Sehen vollzieht“ (46). Auch kann die primäre Kommunikationsebene wohl nicht im Besonderen auf „Leser“ zugespitzt werden, da historisch gesehen zunächst primär an Hörer als Adressaten gedacht werden muss. Davon unbenommen ist Schenks Schlussfolgerung als Resultat für sich gesehen zutreffend, und zwar im Blick auf den besonderen hermeneutischen Anspruch, der mit der johanneischen Christologie und letztlich mit dem Johannesevangelium selbst verbunden wird. 37 blevpw wie oJravw 21,20f. kommen im Rahmen des Bildfeldes vom Sehen im Johannesevangelium besondere Bedeutung zu und werden überwiegend im Sinne zu gewinnender christologischer Erkenntnis verwendet: so bereits programmatisch und in auffallender Dichte in Joh 1 (V.29,33f.39.46.50f. s.a. qeavomai V.32, ejmblevpw V.36). 36
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Markusevangelium voraussetzt, wird angenommen, dass dem Evangelisten bzw. in Joh 21 ggf. den Herausgebern diese Prätexte vorlagen38. Die damit gegebene Verarbeitung von vorgegebenen Traditionen entlarvt zugleich in historischer Perspektive den Anspruch der Augenzeugenschaft, die 21,24 für den Autor des Johannesevangeliums in Anspruch genommen wird (s.o. 7.1.5.). Zu klären ist nun, welche theologische Intention sich anhand des intertextuellen Spiels erkennen lässt: (a) ob damit ggf. eine Art Synthese der Evangelien geschaffen werden soll oder (b) Johannes synoptische Evangelien ergänzend überbieten oder aber (c) sie korrigieren will. Darüber hinausgehend wird vereinzelt vermutet (d), Johannes komme im Prozess der Kanonbildung eine gewichtige Rolle zu, ja sei bereits mit einer Vierevangeliensammlung in Verbindung zu bringen (so insbesondere David TROBISCH, Theo HECKEL s.u.). a) Evangelien-Synthese? Sehr weit geht die These von Thomas L. B RODIE39, Johannes habe als „encyclopedic“ eine Synthese aus Evangelien, Altem Testament, Epheserbrief und auch nichtkanonischem Material schaffen wollen, weswegen dies nur vereinzelt Anhänger gefunden hat. Brodie räumt dabei selbst ein, dass hierfür nur quantitativ die Benutzung dieses relativ breitgestreuten Materials, nicht aber qualitativ die erschöpfende Aufnahme von Themen spricht. Zu fragen ist ferner, ob nicht redaktionelle Arbeit als Aufnahme von Quellen in sich bereits synthetischen Charakter trägt und der Unterschied zu anderen neutestamentlichen Schriften lediglich darin liegt, dass Johannes bereits mehr Texte vorlagen. Und angesichts der äußerst prägenden eigenständigen johanneischen Konzeption als hermeneutischem Schlüssel, deren Besonderheit sich ja auch in der äußerst selektiven Aufnahme vorgegebenen Materials auszeichnet, erscheint mir eine Syntheseleistung im Sinne einer bewussten Intention und eines übergreifenden, bestimmenden Ziels als unwahrscheinlich. Im Anschluss an BULTMANN entspricht es jedoch gängiger Meinung, die festgestellte Intertextualität sei ein Kennzeichen speziell von Joh 21, woraus die Absicht einer Annäherung an synoptische oder gar petrinische Tradition abgeleitet wird (s.o. Kapitel 2.1).
38
Damit zusammenhängend ist natürlich die Frage zu klären, ob es sich um die Endgestalt beispielsweise des Lukasevangeliums handelt oder in ihm verarbeitete Traditionen. Zur Diskussion über das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern s.o. 3.4.3. 39 BRODIE, Quest 30–33.
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Problematisch an diesen Positionen ist, dass in historischer Sicht kaum plausibel zu machen ist, warum nicht zwischen den Gemeinden, d.h. auch bereits auf der Ebene des Evangelisten ein Austausch der Evangelien stattgefunden haben soll40. Literarisch, d.h. vom Textbefund her, lässt sich das Phänomen der Intertextualität zudem nicht erst an Joh 21 festmachen41. b) Ergänzung, Ersetzung oder Überbietung synoptischer Evangelien? Die sogenannte „Ergänzungshypothese“ war von CLEMENS42, EUSEB43 und HIERONYMUS44 an lange Zeit vorherrschend und ist u.a. mit Theodor ZAHN45 noch bis ins 20. Jahrhundert hinein vertreten worden, seit der vehementen Entgegnung durch Hans W INDISCH46 in der Form jedoch nicht 47 mehr relevant. Tatsächlich ist seit Windisch auf die Souveränität zu verweisen, mit der sich Johannes über synoptische Konzepte hinwegsetzt48 oder auf die selektive Aufnahme synoptischen Materials, das in eine johanneische Gesamtperspektive eingeordnet wird (s.o. Kapitel 4). Ganz grundsätzlich muss man fragen, inwieweit die synoptischen Evangelien sowohl beim Evangelisten als auch bei den Adressaten in Gänze vorauszusetzen sind49, denn nur diese könnten sinnvollerweise ergänzt werden. Als Alternative vertrat Windisch die These, Johannes wolle mit einem absoluten, d.h. losgelösten eujaggevlion kainovn50 die vorigen Evangelien ersetzen bzw. durch sein Ignorieren überbieten, was im Sinne einer „Verwerfung“51 zu verstehen sei. Von Ignorieren kann jedoch angesichts der zahlreichen Beispiele an intertextuellen Bezügen keine Rede sein, die auch nur dann Sinn machen, wenn zumindest einige Prätexte vorausgesetzt und 40
S.o. 3.4.3, Kap. 3 Anm. 130. In diesem Zusammenhang sei nur verwiesen auf die vielfältigen Berührungen im Rahmen der Passion oder in Joh 20 s.o. 4.1.4.2. und 4.1.5.2. 42 Bei Euseb, h.e. VI,14,7. 43 Euseb, h.e. III 24,7–13. 44 Hieronymus, vir.ill. 9. 45 Zu ZAHN und weiteren Vertretern seiner Zeit u.a. B LINZLER, Synoptiker 62f. 46 W INDISCH, Synoptiker, der mit seinem Untertitel als rhetorische Frage „Wollte der vierte Evangelist die älteren Evangelien ergänzen oder ersetzen?“ das Ergebnis seiner Untersuchung bereits vorwegnimmt. 47 Mit dieser setze sich Johannes über synoptische Konzepte hinweg (ebd. 83), ebenso verweist W INDISCH auf die selektive Aufnahme synoptischen Materials, die „ausreichend“ sei, „um das zu erreichen, was das Evgl. bezweckt: Stärkung und Sicherung des Glaubens gegenüber den antichristlichen Gegenbewegungen“ (ebd. 106 bzw. das gesamte Teilkapitel 106–120). 48 Ebd. 83. 49 S.o. 3.4.3., insbesondere Kap. 3 Anm. 149. 50 W INDISCH, Synoptiker 126f. Als Motiv dafür gibt Windisch die bessere Rezeption in „syrisch-hellenistischen Milieu“ (ebd. 127) an. 51 W INDISCH, Synoptiker 129. 41
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nicht ersetzt werden52. Stattdessen vollzieht sich an vielen Stellen eine Indienstnahme vorhandener Traditionen für die eigene Darstellungsabsicht und damit eine Integration in das spezifische theologische Konzept. Nach Windisch äußern sich spätere Exegeten teils im Sinne einer deutlichen Überlegenheit53, d.h. Überbietung, ohne jedoch in eine derartige Verdammungsterminologie (s.o. „Verwerfung“ wie bei Windisch) zu verfallen. Als Variante dessen wird die johanneische Theologie im Vergleich zum synoptischen Zeugnis auch als theologische Vertiefung54 oder Vervollkommnung55 bzw. etwas neutraler als Klimax56 bezeichnet. Diese Form der qualitativen Verhältnisbestimmung von Johannesevangelium und synoptischen Evangelien führt zugleich hinein in kanontheologische Überlegungen (s.u. d). Historisch legt sich ein Vergleich mit späteren gnostischen Schriften nahe: die teils verwandten biblischen Texte werden in neue theologische Systeme eingliedert, erfahren dadurch eine Umdeutung, ohne jedoch ignoriert oder völlig abgeschafft zu werden. Die darin zum Tragen kommende kritische Stoßrichtung nehmen andere Ansätze explizit auf: c) Korrektur synoptischer Evangelien? Die zahlreichen im Vergleich mit den Synoptikern festzustellenden Unterschiede sowohl in Struktur, theologischen Konzepten wie weiteren inhaltlichen Details können natürlich auch als „Gegendarstellungen“57, d.h. als eine ausdrückliche Korrektur gedeutet werden. Dies unternimmt beispiels52
Vgl. auch FREY, Evangelium 114. So beispielsweise STUDENOVSKÝ, Weg 557: „Das vierte Evangelium ist dabei viel mehr als nur eine schriftliche Neufassung der Jesusüberlieferung (…), zumal auch das Zeugnis des Lieblingsjüngers (Joh 21,24) ihnen weit überlegen ist“ (kursiv T.S.). Ähnlich auch HENGEL, Frage 314, der anhand von 11,16; 14,5.22 und 21,2 feststellt, „mit welcher Selbstverständlichkeit das Evangelium die synoptischen Erzähltraditionen voraussetzt, um sich gleichzeitig souverän darüber hinwegzusetzen“. 54 So SCHOLTISSEK, Buch 211, der Johannes als „vertiefende Auslotung und Deutung des Evangeliums, der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus (kreative Fortschreibung; geistgewirkte Memoria der Worte und Taten Jesu)“ ansieht, vgl. auch B AUCKHAM, John 169: „John provides readers/hearers who already know Mark with a fuller and more developed christological and soteriological interpretation“. Vgl. auch K AMMLER, Jesus Christus 152. 55 So bezeichnet B LINZLER, Synoptiker 71 das Johannesevangelium im Anschluss an Kümmel und Vögtle als „selbständige Darstellung Jesu, die dem christlichen Glauben an Jesus, den Messias und Gottessohn, vollkommenen Ausdruck verleihen will“ (kursiv T.S.). Analog geht KÜMMEL, Einleitung 198 davon aus, dass das vierte Evangelium „unter stillschweigender Voraussetzung der Bekanntschaft mit schon vorhandenen Evv. seinerseits diejenige Darstellung Jesu geben will, die in vollendeter Weise erkennen läßt, daß Jesus der Gesalbte, der Sohn Gottes ist (20,31)“ (kursiv W.G.K.). 56 FREY, Theologie. 57 SCHENKE, Johanneskommentar 434. 53
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weise Ethelbert STAUFFER58 im Blick auf die johanneische Chronologie und die sog. „Messias-Eschatologie“59. Dazu sieht er die Szene mit Petrus und dem Lieblingsjünger Joh 18,15f. als eine Korrektur der Jüngerflucht Mk 14,50–52 an. Dem steht jedoch entgegen, dass Johannes in 16,32 das Motiv der Jüngerflucht übernimmt. So zeigen sich gerade daran recht gut johanneische Spezifika, die nicht unbedingt im Kontrast, sondern vielmehr in theologischer Eigenständigkeit entwickelt scheinen: Dazu zählt die 18,15f. zum Ausdruck kommende Rolle und Funktion des Lieblingsjüngers, der allein (und erst nachösterlich in gelingender Weise) Nachfolge vermitteln kann60. In gleicher Weise sind manche Argumente bei Werner VOGLER weniger als Korrektur aufgrund historisch zutreffenderer Überlieferung61 denn als Teil eines ganz eigenen Konzeptes zu sehen, so etwa die Umstellung der Tempelreinigung, die in ein weiteres Schriftzitat (2,17) und die so von Anbeginn an nachösterliche Perspektive (2,21f.) mündet62. Verdienstvoll an der Position einer bewussten Korrektur durch Johannes ist es, Unterschiede nicht harmonisierend als Ergänzung nebeneinander zu stellen, sondern in ihrer Spannung zueinander festzuhalten (beispielsweise im Fall des Täuferbildes), ebenso ist die johanneische Christologie selbstverständlich deutlich abzuheben63. In diesem Rahmen gewinnt insbesondere die Darstellung der Passion Bedeutung, wobei an einigen Stellen sehr deutliche Korrekturen vorgenommen werden64. Nicht nur im Rahmen der Passion, aber schwerpunktmäßig ab Joh 13 wies die diachrone Analyse der die Petrusfigur betreffenden Abschnitte (s.o. Kapitel 4) auf deutliche Veränderungen der synoptischen Vorlagen hin, die mit Ausnahme von Joh 6,68f. immer auch die Einbeziehung der Lieblingsjünger-Gestalt betreffen. Allerdings lassen sich diese Veränderungen nicht so sehr auf das Verhältnis Petrus – Lieblingsjünger zuspitzen, wie dies Ludger S CHENKE tut65. Denn auf die eigenständige johanneische Christologie und Ekklesiologie, der die Darstellung dieser Figuren geschuldet ist, sind in gleicher Weise 58
STAUFFER, Agnostos Christos 286: „Der Vierte Evangelist korrigiert die Synoptiker mit dem Anspruch des Augenzeugen, der Jesus und seine Geschichte besser kennt als die älteren Evangelisten, die aus zweiter Hand schöpfen mussten.“ 59 Ebd. 286. 60 S.o. 4.1.4.1. 61 Dieses Motiv findet sich zusammenfassend bei VOGLER, Kritiker 56, aber z.B. auch bei DIETZFELBINGER I 12. 62 Gegen VOGLER, Kritiker 44f. 63 Zu weitgehend hierbei aber DOWELL, John 453–457, da trotz aller „Hoheitschristologie“ Elemente des „niedrigen“ Menschseins Jesu keineswegs völlig eliminiert sind (so z.B. emotionale Äußerungen wie 11,33; 12,27 oder 13,21 bis hin zum Tod des wahren Menschen 19,34f.). 64 S.o. 3.4.3. 65 Vgl. SCHENKE, Johannesevangelium 434.
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Modifikationen in anderen Abschnitten zurückzuführen, was bereits an Schenkes eigener Auflistung von „Gegendarstellungen“, die sich noch erweitern ließe, deutlich wird. Nichtsdestotrotz muss im Rahmen dieser Untersuchung der spezifisch johanneischen Konstellation der beiden Figuren und deren theologischer Relevanz besondere Bedeutung zukommen (s.u. 7.1.3). d) Johannes als Anfang der Kanonbildung? War noch WINDISCH davon überzeugt, Johannes habe wie Marcion die Absicht gehabt „das Ein-Evgl.-System zu konservieren oder wiederherzustellen“66, und ein Vierevangelienkanon stehe „in vollem Widerspruch zu der eigenen Tendenz des 4. Evglstn.67, so lässt sich dies daraus ableiten, dass Windisch dem Johannesevangelium anhand von 20,30f. und 21,25 das (Selbst)bewusstsein von „Suffizienz und (…) Autonomie“ bescheinigte und davon überzeugt war, Johannes sei bis zum Schluss „seiner exklusiven Haltung gegenüber anderen Schriften treugeblieben“68, um stattdessen selbst „ein normatives, fast kann man sagen ‚kanonisches‘ Buch zu schreiben“69. Die Vorsicht, mit der Windisch den Begriff „kanonisch“ verwendet, ist nur allzu berechtigt: denn auf die Entstehungszeit des Johannesevangeliums bezogen, würde es sich im Sinne des heute überwiegenden Verständnisses einer normativen Schriftensammlung natürlich um einen Anachronismus handeln, den Windisch aufgrund seines für Johannes angenommenen Exklusivismus ohnehin dezidiert ausgeschlossen hatte. Im Sinne eines grundsätzlich „normativen“ Anspruchs, der dem Selbstverständnis des Johannesevangeliums als Schrift innewohnt, ist ihm aber Recht zu geben. Eine äußerst selbstbewusste Hermeneutik beansprucht explizit, zur wahren Bedeutung des Christusgeschehens (19,35; 21,24; vgl. auch 15,26 und 16,7.1370) zu führen. Synoptische Tradition wird dabei in ein Gesamtkonzept johanneischer Theologie als hermeneutischem Schlüssel eingefügt und damit dieser untergeordnet. In diesem Sinne ist auch bereits darauf 71 hingewiesen worden , dass die 21,25 genannte selektive Auswahl im Verhältnis zu anderen grafovmena bibliva ein qualitatives Urteil, d.h. zumindest den Anspruch der Suffizienz impliziert. Eine Verdrängungsabsicht
66
W INDISCH, Synoptiker 130. Ebd. 135. 68 Ebd. 122f. 69 Ebd. 149. 70 ZUMSTEIN, Entstehung 320f. weist auf die analoge Terminologie, mit der sowohl die Textentstehung des Johannesevangeliums als auch die hermeneutische Funktion des Parakleten beschrieben und so auf eine – autoritative – Stufe gestellt wird. 71 S.o. 7.1.2.3. 67
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lässt sich daraus jedoch noch nicht ableiten72 (s.o. zu b). So stellt sich weiter die Frage, wie das Verhältnis zu anderen Schriften, genauer den zumindest vom Autor vorausgesetzten Prätexten zu verstehen ist. Eine klare Richtung gibt hier ein dezidiert intertextueller Ansatz, wie ihn Hartwig THYEN vertritt, vor. Thyen zieht aus der festgestellten Intertextualität für Johannes sogar den weitreichenden Schluss, „daß er tendenziell als Schöpfer des Vier-Evangelien-Kanons gelten könnte“ 73. Dies steht im Einklang mit Theo HECKEL, der aus der erwiesenen Verarbeitung von Lk 5,1–10 und der angenommenen von Mt 16,17f. in Joh 21,1–14.15–17 eine Perspektive schließt, die „als Beginn der Nebeneinanderstellung von Evangelien“ und damit den „ersten Schritt auf dem Weg zur Vierevangeliensammlung zu deuten“74 sei. Problematisch daran ist nicht nur, dass matthäischer Einfluss nicht sicher erwiesen werden kann75, sondern auch, dass von einer – gleichberechtigten – Nebeneinanderstellung keine Rede sein kann. Hier gilt das Gleiche, was der Ergänzungstheorie entgegengestellt werden musste: Anstelle eines Nebeneinanders gibt es ohne Zweifel eine theologische Vorordnung, werden synoptische Traditionen in eine spezifisch johanneische Perspektive eingeordnet. Am Beispiel von Lk 5 und Joh 21 lässt sich dies an den zahlreichen Veränderungen der lukanischen Vorlage festmachen (wie der Ausweitung der Jüngergruppe, dem nichtreißenden einen Netz etc.), die sich weder per se einer Korrektur noch einer Nebeneinanderstellung verdanken. Die „ökumenische“ Perspektive in Joh 21 ist eine rein johanneische – und zwar, indem das veränderte Motiv des Netzes mit dem neuen Motiv der 153 Fische verbunden wird. Gleichwohl ist der Ansatz Heckels dahingehend zu prüfen, inwieweit das Joh 21 (und anderswo) zum Ausdruck kommende Verhältnis der Evangelien zueinander nicht doch einen Impuls unter vielen für eine spätere Sammlung dieser Schriften gegeben haben könnte. Einer harmonischen Perspektive76 oder gar gezielten Intention des Johannesevangeliums wird es aber nicht entsprochen haben. Dazu ist H ENGELs Argument in historischer Hinsicht zu bedenken, dass im 2. Jh. keine Gruppierung die für eine Vierevangeliensammlung nötige Autorität besessen hat, eine Durchsetzung der Schriften vielmehr über den gottesdienstlichen Gebrauch erfolgte77. 72
Eine „Desavouierung älterer Aufzeichnungen“, lässt sich jedoch gegen W INDISCH, Synoptiker 123 nicht erweisen. 73 THYEN, Synoptiker 97f. 74 HECKEL, Evangelium 206. 75 S.o. die diachronen Analysen unter 4.1., insbesondere 4.1.1.2. und 4.1.6.2. 76 HENGEL, Evangelien 96, besonders Anm. 282 ist ferner darauf hinzuweisen, dass ohnehin nicht alle drei Evangelien erwiesenermaßen vorausgesetzt werden können. 77 Vgl. das ganze Kapitel bei HENGEL, ebd. 95–103.
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Zu schwach gestützt scheint mir die über Heckel noch hinausgehende These von TROBISCH78, der Personenwechsel von Joh 21,24 zu 21,25 weise auf einen anderen Autor, der nicht nur mit dem Herausgeber des Johannesevangeliums, sondern auch dem Herausgeber der Evangelien-Sammlung identisch sei79. Die Ähnlichkeit zwischen polla; a} ejpoivhsen oJ ÆIhsou'" 21,25 und w|n h[rxato oJ ÆIhsou'" poiei'n Apg 1,1 ist zwar bemerkenswert, doch kann daraus grundsätzlich keine Abhängigkeit konstruiert werden oder gar ein Herausgeber der Evangeliensammlung identifiziert werden. Ist daher keine historisch unmittelbare, direkte Verbindung zwischen Endgestalt des Johannesevangeliums und dem Vierevangelienkanon zu ziehen, so lassen sich möglicherweise dennoch theologische Linien von Johannes zu einer (gesamt-)kanonischen Perspektive ziehen: So vereint johanneische Christologie deutliche göttliche Aspekte, bis hin zum Thomas-Bekenntnis 20,28, mit ebenso bedeutsamer antidoketischer Betonung seines Menschseins80 zu einer Synthese81, und weist so über sich hinaus, bis hin zur chalzedonensischen Fassung altkirchlicher Christologie. Analog haben zentrale Aspekte johanneischer Theologie ihren Beitrag zur weiteren Entwicklung des Gottesbildes82, der Pneumatologie und insbesondere der trinitarischen Struktur83 geleistet. Einen Spezialfall stellt die Frage der Amtstheologie dar, die im Gegensatz zu früheren Schriften (z.B. des Matthäusevangeliums) „demokratischere“ Züge84 trägt. Die spezifische Situa78
TROBISCH, Endredaktion 149–154. Den Kontrast zwischen oi[damen V.24 und oi\mai V.25 hebt auch HENGEL, Frage 225 hervor, der jedoch nicht so weitreichende Schlüsse daraus zieht wie T ROBISCH, sondern dahinter einen mit rhetorischen Konventionen vertrauten und im Dienste johanneischer Ironie stehenden Schreiber vermutet (vgl. auch HENGEL, Frage 272 Anm. 195). 80 Dazu auch FREY, Theologie 461–466. Mit SÖDING, Perspektive 282 ist zu betonen, dass Johannes über die Präexistenz- und Inkarnationschristologie das Menschsein Jesu theologisch fundiert; so „sichert er endgültig den kanonischen Rang aller Evangelien (…) durch den sachlichen Aufweis aus dem Grund des Christusgeschehens“. Insgesamt führt das Johannesevangelium zu einer „Kulmination neutestamentlicher Christologie“ (so das Teilkapitel bei SÖDING, Perspektive 291–297). Etwas zurückhaltender drückt sich FREY, Evangelium 118 aus: In der Aufrechterhaltung der Dialektik von Doxa und Sarx biete das Johannesevangelium „auch einen Rahmen, in dem das Zeugnis der Synoptiker und mit ihm der irdisch-geschichtliche Jesus seinen bleibenden Wert behält.“ Zur zentralen Bedeutung der johanneischen Inkarnations-Christologie u.a. H AHN, Theologie 400–402. 81 In der faktischen theologischen Syntheseleistung des Johannesevangeliums liegt so durchaus ein Wahrheitsmoment der These von BRODIE (s.o. a), als leitendes Darstellungsinteresse ist dies jedoch nicht haltbar. 82 FREY, Theologie 466–471. 83 FREY, Theologie 471–475. Dazu auch H AHN, Theologie 270–274.301–305. 84 Vgl. nur Joh 20,21f.23; zu beachten sind allerdings auch die beobachteten „demokratischen“ Züge im Matthäusevangelium s.o. 5.3.16. Traditionskontinuität wird johanneisch nicht etwa durch „Ämter“ abgesichert, sondern durch die geistgeleitete Anamnese des Christusgeschehens, wie sie der hermeneutischen Kompetenz des Lieblingsjüngers 79
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tion der johanneischen Gemeinde hat hier eine spätere, bzw. mit Joh 21,15–17 erst angedeutete Entwicklung im Rahmen der Ämter nach sich gezogen (s.u. Kapitel 7.2). 7.1.3 Zusammenfassung: Petrus, der Lieblingsjünger und der Anspruch (s)einer Schrift Nach dieser gewaltigen Perspektive des neutestamentlichen Kanons gilt es nun den Blick zurückzuwenden zur Figuren-Konstellation von Petrus und dem Lieblingsjünger, deren theologische Funktion untersucht werden soll. Joh 21 wird ein großer Spannungsbogen (nebst weiteren kleineren Bögen) aufgelöst: Der exemplarische Jünger Petrus wird im Blick auf seine erst nachösterlich ermöglichte Nachfolge verwiesen auf die christologische Erkenntnis des Lieblingsjüngers und seine Schrift, das Johannesevangelium (21,7.20–22.24): Missverständnisse und Scheitern im vorösterlichen Kontext einerseits wie die nachösterliche Rolle als Missionar (21,1–14) und die (prototypische) Beauftragung zu gemeindeleitender Funktion (21,15–17) andererseits sind im Sinne von 13,36 als narrative Entfaltung eines nachösterlichen Vorbehalts zu verstehen, der die Angewiesenheit auf diese konsequent nachösterliche Perspektive des Johannesevangeliums unterstreicht. Wie diese Angewiesenheit auf das Johannesevangelium als Schrift dezidiert gegenüber den Adressaten des Evangeliums geltend gemacht wird, zeigt sich auch anhand der Worttheologie, die in eine Schrifttheologie übergeht: Die vielfach unterstrichene Autorität der Worte Jesu (d.h. des fleischgewordenen Wortes Gottes) wird vom Johannesevangelium selbst in Anspruch genommen. Als Schrift macht es diese Worte zugänglich und erinnert sie gemäß dem Wirken des Parakleten. Die auch narrativ entfaltete Angewiesenheit der Gemeinde auf das Wort bzw. die Worte Jesu (Joh 4,50–53), die an die Stelle der Heilsgegenwart der Person Jesu selbst treten, wird faktisch auf das Johannesevangelium übertragen, das diese 85 Worte – und damit die Heilsgegenwart zugänglich macht und Glaube ermöglicht (s.a. 20,27f.). Eine funktionale Vorordnung des Lieblingsjüngers bzw. seiner Schrift zeigt sich deutlich dann im zweiten Abschnitt von und damit des Johannesevangeliums selbst entspricht. Dazu auch FREY, Apostelbegriff 156–165. 85 Gilt für das Markusevangelium „In der Zeit der Abwesenheit Jesu dient sein Evangelium an seiner Statt als heilsentscheidende Instanz“ (DU TOIT, Herr 440, s.o. 5.1.12 zur Bedeutung der im Markusevangelium bewahrten Worte Jesu unter nachösterlichen Bedingungen), so findet sich im Vergleich dazu im Johannesevangelium eine Doppelstrategie: In den Abschiedsreden kommt zunächst dem Parakleten die hermeneutische Funktion zu, die Worte Jesu zu erinnern, doch wird diese spezifisch nachösterliche Hermeneutik dann greifbar in der Funktion des Lieblingsjüngers und letztlich im Johannesevangelium als seiner Schrift.
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Joh 21: Der exemplarische Petrus wird in seiner Nachfolge (V.15–17.18f.) verwiesen auf den Lieblingsjünger, der in seiner Schrift bleibt. Als Augenzeuge und Hermeneut von Worten und Wirken, Tod und Auferstehung Jesu autorisiert der Lieblingsjünger dieses sein Zeugnis, das sich analog zu alttestamentlichen Schriften, aber auch synoptischen Evangelien (vgl. der Lukas-Prolog) als Schrift versteht. Seine besondere „Sehweise“ (vgl. 20,8) entspricht der Gesamtperspektive johanneischer Theologie, der hermeneutischen Brille für ein Konzept, das darin durchgehend auch andere Traditionen und Schriften integriert und in seinem Sinne modifiziert. Der vielerorts angenommene Versuch, sich auf diese Weise einer – ohnehin noch nicht existenten – „Großkirche“ und ihrer synoptischen Evangelien zu empfehlen, kann daher nicht nachvollzogen werden. Obwohl sich das Werden des Kanons historisch gesehen erst weiter entfernt am Horizont abzeichnet, hat sich darin die Schrift des Lieblingsjüngers gleichwohl mit seinem auf vielfache Weise entfalteten normativen Anspruch seiner Theologie und damit zugleich seiner Schrift als wahre Interpretation des Christuszeugnisses einen Platz gesichert und mit seinem differenzierten theologischen Bild dabei gesamtneutestamentliche Konturen skizziert.
7.2 Die Weideaufträge (Joh 21,15–17) an Petrus: Akzente johanneischer Pastoraltheologie Einen weiteren Aspekt des johanneischen Petrusbildes gilt es herauszustellen und in einen übergreifenden theologischen Horizont einzuordnen. Stand bisher der (exemplarische) Jünger Petrus im Vordergrund – eine im Blick auf den johanneischen Textbefund vorrangige Rolle – so soll an dieser Stelle die spezielle Funktion des Petrus beleuchtet werden, die sich in den Weideaufträgen Joh 21,15–17 widerspiegelt. Die in der Literatur verwendeten unterschiedlichen Bezeichnungen dieser Funktion, so etwa „Gemeindeamt“86, „Hirtenamt“87 oder „Petrusamt“88 weisen auf eine bis heute ökumenisch brisante Auslegungs- und Wirkungsgeschichte (s.u. 7.2.5) hin. Sinnvoll, weil johanneisch folgerichtig ist es, dabei an das vorangegangene Kapitel (7.1) anzuschließen. Denn es wird sich weisen, dass das Selbstverständnis johanneischer Theologie im schriftgewordenen Evangelium den 86
KRAGERUD, Lieblingsjünger 59–63. So beispielsweise – jedoch unterschiedlich gefüllt – bei MUßNER, Petrus 42ff.; vgl. auch den Titel bei HECKEL, Hirtenamt. 88 So u.a. bei KARRER, Nachfolge 193. In anderer Weise wird der Begriff bei T RILLING verwendet: Hier handelt es sich nach Maßgabe des Autors um ein „Amt der Gemeindeleitung“ (so DERS., Petrusamt 133). 87
7.2 Die Weideaufträge: Akzente johanneischer Pastoraltheologie
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hermeneutischen Schlüssel und Maßstab auch für die Aussagen von Joh 21,15–17 darstellt. 7.2.1 Petrus und Jesus in Joh 21,15–17: Charakterisierung und theologische Fokussierung Die an anderer Stelle im Detail erfolgte synchrone Analyse von Joh 21 (s.o. 4.1.6.1) wird hier nicht im Einzelnen wiederholt werden, es werden aber für den Textbereich der Weideaufträge wesentliche Aspekte der Charakterisierung und damit thematischen Fokussierung herausgestellt. Auffallend ist für diese Verse die völlige Konzentration auf die Beziehung der beiden Figuren Petrus und Jesus. Szenisch erfolgt eine Ausblendung aller weiteren Figuren, auch der Vergleich mit den anderen Jüngern (plevon touvtwnÉ V.15 s.u. 7.2.2) wird in der Antwort des Petrus nicht aufgenommen und dient auf der Basis intertextuellen Vorwissens (Mk 14,29 par.) einer ironischen Infragestellung des Petrus. Die im näheren Kontext singuläre Anrede des Petrus als Sivmwn ÆIwavnnou überrascht nach der durchgängigen Bezeichnung als Sivmwn Pevtro" (21,2f.7.11), der Name des Vaters als Zusatz hebt die Wichtigkeit der folgenden Fragen hervor und stellt eine Verbindung zu Joh 1,42 her89. Da in der Regel Gefühlsäußerungen von Figuren äußerst selten beschrieben werden90, setzt die emotionale Reaktion des Petrus auf die dritte Frage Jesu (ejluphvqh V.17) ein deutliches Signal91. Mit dieser narrativ vermittelten Intimität in der Beziehung der Figuren geht eine christologische Zuspitzung einher: Die Antworten des Petrus V.15 und 16 (su; oi\da"), gesteigert in V.17 (pavnta su; oi\da", su; ginwvskei" o{ti), akzentuieren das Vorherwissen Jesu. Die Jesus-Rede stellt jeweils in den Fragen an Petrus die Liebesbeziehung zu Jesus wie die primär christologisch qualifizierte Beziehung zu den Glaubenden (ta; ajrniva/provbatav mou) heraus. Aus dieser narrativ entfalteten Christologie heraus wird das Bildfeld des Weidens in sprachlicher Variation92 entfaltet, die Ekklesiologie bleibt also strikt christologisch bestimmt. Die Bezeichnung der Glaubenden als Schafe rekurriert hierbei auf das Joh 10 dargelegte metaphorische Netz (s.u. 7.2.2 a). 7.2.2 Intra- und intertextuelle Bezüge zu Joh 21,15–17 Im Rahmen der Analyse von Joh 21 ist in einem weiteren Schritt bereits eine ausführliche Einordnung in den Kontext des gesamten Johannesevan89
Dazu s.u. 7.2.2.3. Zu den Ausnahmen zählen beispielsweise 11,33.38; 12,27. 91 Zur hier eingespielten Szene der Verleugnung s.u. 7.2.2.2. 92 Zu den verwendeten Verben bovskw und poimaivnw wie der unterschiedlichen Bezeichnung der Schafe s.o. 4.1.6.1. 90
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
geliums vorgenommen worden. An dieser Stelle werden lediglich in komprimierter Form die für die Interpretation bedeutsamen intra- und intertextuellen Bezüge zu Joh 21,15–17 im Sinne synchroner und diachroner Analyse herausgegriffen und theologisch auf die Funktion der Petrusfigur zugespitzt. 7.2.2.1 Rückbezug zu Joh 10,1–18 Obwohl sich sprachliche Parallelen auf die Verwendung von provbaton 93 (21,16f. vgl. 10,1–4.7f.11–13.15f.26) beschränken, besteht anhand der gesamten, nur an diesen Stellen vorkommenden Weidemetaphorik ein klarer Bezug zur Hirtenrede Joh 10,1–1894. In Joh 21,15 überrascht dieser Bildwechsel zudem nach der vorangegangenen Rolle des Petrus als Missionar, die vom Bildfeld des Fischens bestimmt ist. Dies führt dazu, dass aus der Blickrichtung der Adressaten in diesen Versen mehrere vorangegangene Szenen bzw. Abschnitte in die Erzählung mit „eingespielt“ werden (s.u. zu b + c). Was Joh 21 mit Joh 10 verbindet, sind ganz grundsätzlich der christologische Rahmen und eine paränetische Zielsetzung, die auf gemeindeleitende Funktionen, d.h. den ekklesiologischen Bereich bezogen sind. Dabei vollzieht sich von Joh 10 zu Joh 21 eine Akzentverschiebung von der Christologie zur Ekklesiologie, wobei die beiden Textbereiche in einem komplementären Verhältnis95 zueinander stehen bzw. Joh 21 eine Rekontextualisierung96 darstellt. Joh 10 wird ganz bestimmt von den zentralen ejgwv eijmi-Worten (10,7.9.11.14), deren christologischer Gehalt und Anspruch in die Einheitsaussage 10,29f. mündet. Die Christus-Prädikationen als Tür und v.a. als Guter Hirte bilden den Ausgangspunkt und zugleich den Maßstab für alle weiteren Aussagen, ihnen werden die Kontrastfiguren des ajllovtrio~ (V5), des klevpth" (V.1.8.10) und lh/sthv" (V.1.8), luvko" und misqwtov" (V.12) zugeordnet. Dabei verdient insbesondere der misqwtov" im Hinblick auf Joh 21,15–17 Beachtung, da hier eine gemeindeinterne Funktion im Hintergrund stehen dürfte. Die ausdrückliche Gegenüberstellung oJ misqwto;" kai; oujk w]n poimhvn beinhaltet eine deutlich kritische Stoßrichtung, die einen aktuellen Anlass vermuten lässt97. 93
Zur textkritischen Diskussion s.o. Kap. 4 Anm. 313. Gegen Jürgen BECKER, der einen Zusammenhang von Joh 10 und 21 in Zweifel zieht (DERS., Simon Petrus 136–138). 95 Zu dieser treffenden Bezeichnung vgl. HECKEL, Hirtenamt 146. 96 S.o. 4.2.1 und Kap. 4 Anm. 424 s.a. Kap. 4 Anm. 434. 97 Während V.10a in Verbindung mit V.8 auf bereits eingetretene Ereignisse und somit Erfahrungen der Gemeinde bezogen ist, weisen die Präsens-Formen V.12 (qewrei', ajfivhsin und feuvgei) eindeutig auf einen aktuellen Bezug, dazu auch H ECKEL, Hirtenamt 117. 94
7.2 Die Weideaufträge: Akzente johanneischer Pastoraltheologie
303
An dieser Stelle ist ausgehend von der narrativen Ebene die Petrusfigur mit dem misqwtov" aus V.12 in Verbindung gebracht worden98. Dies könnte sich von daher nahelegen, da Joh 13,37 eine Hirtenrolle des Petrus durch Jesus explizit zurückgewiesen worden ist. Im Rahmen des Joh 10 teils analogen Setting Joh 18 (s.o. 4.1.4.1) könnte man die Verleugnung als eine Art „Flucht“ vor dem Status des Jüngers deuten. Doch spricht ungleich mehr gegen diese Interpretation: 1.) Zunächst entspricht die Rolle des Petrus Joh 18 nicht derjenigen eines Mietlings: Petrus hat hier als Jünger (im Bild gesprochen: als Schaf) und nicht als Hirte versagt, seine Flucht entspricht der Jüngerflucht (vgl. 16,32). 2.) 13,36–38 liegt der Fokus auf dem Kontrast einer vorösterlich unmöglichen, aber nachösterlich möglichen Nachfolge. Die Zurückweisung einer Hirtenrolle des Petrus 13,38 stellt in der Linie von Joh 10 eine christologisch-soteriologische Akzentsetzung dar: Der einzige Gute Hirte, der sein Leben für seine Schafe lässt, ist Jesus. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass Petrus vorösterlich zum Mietling mutiert. 3.) Die 10,12 beschriebene Situation einer Bedrohung durch „Irrlehren“ findet eine Entsprechung im christologischen Schisma Joh 6,60–71, wo Petrus gerade eine positive Rolle im Kontrast zu den schismatischen Jüngern zukommt. 4.) Schließlich wird 21,15–17 durch ta; ajrniva/provbatav mou tatsächlich betont, dass diese Schafe nicht die des Petrus sind99. Die dreimalige Frage nach der Liebe zu Jesus stellt in der Konsequenz von Joh 10 einen christologischen Rückbezug im Sinne einer „Begrenzung“ dar, doch trifft auch dies nicht die spezifische Rolle eines Mietlings.
Davon unbenommen ist sowohl dem Verhältnis von Joh 21,15–17 zu Joh 10 grundsätzlich wie der darin impliziten Kritik im Besonderen ein großer Stellenwert zuzumessen. Zeigt sich doch in diesem Rückbezug auf Joh 10 wie auch auf das 14,15–23 u.ö. beschriebene Ideal der Jüngerschaft ein Rückbezug zum Johannesevangelium selbst, das dadurch zum Maßstab wird (s.o. 7.2). Ferner konkretisiert sich dadurch, was zum Hirtendienst gehört: Von 10,16 her wird deutlich, dass sowohl Mission (von Juden- und Heidenchristen) im Zentrum steht wie Verkündigung im Rahmen der Gemeinde, wodurch das Hören auf die Stimme des Guten Hirten ermöglicht wird (s.a. 10,3–5.8). Angesichts von Irrlehren (10,12 im Bild des Wolfs ausgedrückt), ist es wichtig, bei den Schafen zu bleiben, wozu das Bekenntnis des Petrus 6,69f. als stimmige narrative Umsetzung gesehen werden könnte. Joh 10 und 21,15–17 analog bleibt zudem eine interne100 Gemeindekrise festzustellen, die ein entsprechendes Verhalten seitens der Gemeindeleitung verlangt101, das Joh 10 ausführlich dargelegt wird. Joh 21,21–23 weist
98
So P AINTER, Tradition 63f. und ÖHLER „Mietling“. ÖHLER, „Mietling“ 249.251 s.a. STIBBE, John 213. 100 S.a. KOWALSKI, Hirtenrede 275, die jedoch (Anm. 328) die „äußere Krise der Gemeinde“ im Anschluss an RUCKSTUHL als „Anschluß an petrinische Gemeinden“ versteht“. 101 Davon zu unterscheiden ist daher ein externer Konflikt, wenn beispielsweise PAINTER, Tradition 63.73 von „leadership struggle“ spricht. Denn hier geht es aufgrund 99
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
auf die drängende Frage nach einer Deutung des Todes des Lieblingsjüngers, die Petrus V.21 stellvertretend ausspricht. Der ebenfalls bereits verstorbene Petrus (V.18f.), dessen gemeindeleitende Rolle in der Urgemeinde bekannt war, fungiert in dieser Situation auf der Ebene der Erzählung als Prototyp für Gemeindeleitung allgemein (s.u. zusammenfassend 7.2.3 und 7.2.4). Von Joh 10 her wird so sowohl der christologische Fokus übernommen – dies belegen die Betonung des Vorherwissens Jesu, der Beziehung zum Auferstandenen wie der Zuordnung der Glaubenden zu ihm (s.o. 7.2.1) – als auch der damit verbundene kritische „amtstheologische“ Impetus. Dies wird dramatisch unterstrichen durch die nur selten102 bestrittene Beziehung des dreiteiligen Redegangs zur dreimaligen Verleugnung Joh 18,17.25.27. 7.2.2.2 Die Anklänge an die Verleugnung Joh 13,38/18,17–27 Neben der strukturellen Parallele des dreifachen Rede-Antwort-Schemas zeigt sich die johanneische Erzählkunst in der Einblendung des ajnqrakiva 21,9 vgl. 18,18. Mit sparsamen Setting-Angaben, werden hier in feinen Strichen gleichwohl deutliche Verbindungslinien gezeichnet. Durch die Nennung dieses Details, das eine Rückblende zur Verleugnung des Petrus herstellt, wird eine Spannung aufgebaut, die erst V.15 einer Auflösung zugeführt wird. Der Joh 13,36–38 entgegen Mk 14,29par. weggelassene Vergleich des Petrus mit seinen Mitjüngern wird nun in der Frage Jesu ajgapa'/" me plevon touvtwnÉ (V.15) eingeführt und stellt einen weiteren dezenten Rückbezug zur Verleugnung bzw. deren Ankündigung durch Jesus dar. Unterstützt wird dies durch die bereits benannte emotionale Reaktion des Petrus V.17 (s.o. 7.2.1). Zugleich wird 21,15–22 ein weiterer Spannungsbogen gelöst: Obwohl Petrus 18,17–27 als Jünger versagt hat, wird er „rehabilitiert“ und sogar mit einem Dienst an den Jüngern betraut. Notwendige Voraussetzung dazu ist eine von Liebe zu Jesus geprägte Beziehung, die Kennzeichen von Jüngerschaft ist (vgl. Joh 14,21–23). Dem Hintergrund der Verleugnungs-Episode kommen Joh 10 vergleichbare Funktionen zu: nämlich die kritische Relativierung einer „AmtsTheologie“ und zugleich eine christologische Zuspitzung. Nicht nur grundsätzlich der Bezug besonders zu Joh 10, sondern die darin beschriebene Beziehung zum Auferstandenen, die Nachfolge des Petrus erweist sich als Basis und Kriterium jeder Hirtenaufgabe.
von Verleugnung/Rehabilitation des Petrus um „struggle with Petrine Christianity“ (ebd. 74). 102 Eine prominente Ausnahme findet sich bei Bultmann, der diesen Zusammenhang in Frage stellt (vgl. B ULTMANN, Johannes 551).
7.2 Die Weideaufträge: Akzente johanneischer Pastoraltheologie
305
7.2.2.3 Der Nachfolgekontext Wie in beiden vorangegangenen Abschnitten 7.2.2.1 und 7.2.2.2 bereits dargelegt, lassen sich verschiedene Verbindungslinien zum Kontext der Nachfolge ziehen. So wird Joh 21 an einigen Stellen komplementär zu Joh 13 entwickelt: Bereits 21,7 deutet sich anhand des diazwvnnumi (vgl. 13,4f.) an, dass Petrus nun bereit ist zur Nachfolge und zum Dienen im Sinne Jesu (s.o. 4.1.2.1 und 4.1.6.1). Der Rückbezug auf die Verleugnungsansage 13,36–38 impliziert sowohl eine grundsätzlich erst nachösterlich mögliche Nachfolge des Petrus als auch konkret die Form des angekündigten Martyriums, das 21,18f. erwähnt wird. Nach Joh 12,25f.103 erweist sich Petrus damit als diavkono" in der Nachfolge Jesu. Dieser in Joh 21,18f. (und 21,15–17 im Rückbezug zu Joh 13,36–38 wie 18,17–27 indirekt) gegebene Nachfolgekontext wird unterstrichen durch die dreimalige Anrede als Sivmwn ÆIwavnnou 21,15–17. Diese stellt eine verkürzte Form von Sivmwn oJ uiJo;" ÆIwavnnou 1,42 dar und rekurriert somit auf die Berufung des Jüngers Petrus im Rahmen der Berufungsszenen 1,36–51. Der Rückbezug auf diese Erstbegegnung wird verstärkt durch das in beiden Szenen betonte Vorherwissen Jesu. Anders als dort verbleibt Petrus nun nicht in der Passivität; stattdessen werden ihm der Jesus-Rede entsprechende eigene und v.a. theologisch zentrale Rede-Anteile zugeordnet, die wiederum zur Voraussetzung der folgenden Aufträge werden. Die in Joh 1,40–42 noch rein von Jesus her bestimmte Beziehung des berufenen Jüngers zu ihm steht nun in Form eines Dialogs im Zentrum, woran sich konsequent der Hinweis auf die Nachfolge als Märtyrer anschließt (21,18f.). Resultiert aus der primären Charakterisierung des Petrus als Jünger also ein „nicht-amtlicher Charakter“104 der Weideaufträge? Diese Beurteilung könnte noch weiter gestützt werden durch die vorangehende Sendung aller Jünger 20,21. Das Verhältnis zwischen 20,21 und 21,15–17 wird exegetisch äußerst unterschiedlich beschrieben: Ist (a) 21,15–17 älter als 20,21105 oder hat (b) 20,21 als hermeneutischer Schlüssel für 21,15– 17106 zu gelten? Hier stößt man nicht selten auf Vergleiche mit der theologisch kaum weniger brisanten Verhältnisbestimmung zwischen Mt 16,19 und Mt 18,18. Auf diese Diskussion kann an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingegangen werden, zumal der Vergleich zu Joh 20,21 und 21,15–17 nur bedingt zutrifft. In beiden Fällen geht es um eine Beauftragung durch den Auferstandenen. Ein in einer Weise eingeschränktes Apostolat lässt 103
Dazu auch W ILCKENS, Grundtext 327.332. HECKEL, Hirtenamt 142f. 105 So noch B ULTMANN, Johannes 552. 106 Jürgen BECKER beispielsweise nennt Joh 20,21–23 zusammen mit 13,16.20 als „innerjohanneische Interpretationshilfen“ (B ECKER, Simon Petrus 138). 104
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
sich von Joh 20,21 her zwar kaum begründen. Doch geht es hier um unterschiedliche Ziele der Aufträge: Werden 20,21 die Jünger, d.h. die Glaubenden insgesamt gesandt (vgl. Joh 17,18), so geht es 21,15–17 um einen Dienst an den Glaubenden. Dies deckt sich in historischer Hinsicht mit der Rolle des Petrus in der Urgemeinde als Missionar (21,1–14) und Gemeindeleiter (21,15–17). 7.2.2.4 Die Weideaufträge auf dem Hintergrund intertextueller Bezüge Vom literarischen Befund her wurde bereits auf die in anderen neutestamentlichen Schriften belegte Weidemetaphorik107 hingewiesen (s.o. 4.1.6). So werden etwa im Rahmen der Ämterliste Eph 4,11 Hirten als Amtsträger genannt. Apg 20,28–30 und 1Petr 5,1–4 findet sich das Motiv der Herde (poivmnion Apg 20,28f.;1Petr 5,2f.). Apg 20,29 wird wie Joh 10,12 im Bild des luvko~ die Bedrohung durch Irrlehren und damit die Aufgabe der Gemeindeleiter zum Ausdruck gebracht. Theologisch zentral ist die allen drei Texten gemeinsame christologische Zuspitzung bzw. Exklusivität: Jesus bleibt Hirte (Joh 10 und 21,15– 17 vgl. auch der christologische Hoheitstitel Hebr 13,20) bzw. Oberhirte (1Petr 5,4), durch ihn ist die Herde Gottes erworben (Apg 20,28). Die aufgrund dieser christologischen Zuspitzung festgestellte „amtskritische“ Tendenz in Joh 21,15–17 findet eine bemerkenswerte Parallele nicht nur im thematisch verwandten Textbereich Lk 22,23–34 (s.o. 4.1.6.2), sondern besonders auch in 1Petr 5,2f. Apg und 1Petr verbindet dazu, dass das „Amt“ der Gemeindeleitung auf ein Kollektiv, die Presbyter, bezogen wird (Apg 20,17; 1Petr 5,1). Allerdings: Petrus wird zwar als sumpresbuvtero" dargestellt, zu beachten ist jedoch, dass er zum Urheber einer amtstheologischen Paränese stilisiert wird. Dies setzt voraus, dass die historische Rolle als ein Gemeindeleiter der Urgemeinde bereits zum Anknüpfungspunkt für eine prototypische Funktion von Gemeindeleitung allgemein geworden ist108. Eine derartige Entwicklung ist als Deutehorizont von Joh 21,15–17 heranzuziehen, zumal in Anbetracht der wirkungsgeschichtlich äußerst relevanten, unterschiedlichen Interpretationen dieser Verse (s.u. Kapitel 7.3).
107
Zum neutestamentlichen Hirtenbild im Überblick und seiner Verwendung in altkirchlichen Schriften HECKEL, Hirtenamt 43–107. 108 Zwar wird zu bezweifeln sein, ob der Autoritätsanspruch, wie er sich 1Petr 1,1 in den genannten Gebieten widerspiegelt, der Wirklichkeit entspricht oder vielmehr zunächst in Anspruch genommene petrinische Autorität bleibt, die der Durchsetzung erst noch bedarf. Davon unbenommen bietet sich die Petrus-Figur augenscheinlich zur Durchsetzung derartiger Ansprüche an.
7.2 Die Weideaufträge: Akzente johanneischer Pastoraltheologie
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7.2.3 Zwischenbilanz: Funktionen der Petrusfigur aufgrund des exegetischen Befunds Werden die Weideaufträge in ihrem johanneischen Kontext sowie auf dem Hintergrund intertextueller Verbindungslinien betrachtet, ergibt sich im Hinblick auf die Petrusfigur folgendes Bild: Die Joh 21,15 überraschend eingeführte Weidemetaphorik greift auf die primär christologisch bestimmte Hirtenrede Joh 10 zurück. Im Bild ausgedrückt werden dort zugleich deutliche Bedrohungen der Gemeinde, die insbesondere 10,12 einen aktuellen Bezug in der Kritik am Fehlverhalten von gemeindeleitenden Personen herstellen. Daher legt es sich nahe, dass in Joh 21,15–17 in analoger Weise eine interne, krisenhafte Situation der Gemeinde im Hintergrund steht. Dies erfährt weitere Plausibilität durch die Hinweise auf den Tod des Lieblingsjüngers 21,21–23, eine in jedem Fall krisenhafte Situation mit dauerhafter Wirkung109, auf die Joh 21 zuläuft. Die Wahl der Petrusfigur als Adressat der Weideaufträge legt sich zum einen von seiner hervorgehobenen Rolle im gesamten Johannesevangelium her nahe. Zum anderen zeigt sich anhand der historischen Reminiszenzen an seinen Namen (1,42) und sein Martyrium (21,18f.) eine Erinnerung an dessen historische Rolle als Missionar und Gemeindeleiter. Auf diese Funktion wird in einer durch den Tod des Lieblingsjüngers hervorgerufenen Zeit des krisenhaften Umbruchs zurückgegriffen. Von Joh 10 her wird zugleich die christologische Zuspitzung übernommen und fortgeführt, womit sich eine deutliche Relativierung einer „Amts“-Theologie verbindet. Diese Tendenzen finden sich in gleicher Weise im Rahmen der Weidemetaphorik 1Petr 5,2f., Apg 20,28 wie auch im thematisch eng mit Joh 21,15–17 verbundenen Abschnitt Lk 22,23–34. Eine dezidierte Amtskritik verbindet 1Petr 5,2f. mit dem Johannesevangelium: so Joh 10,12 und dann aber auch Joh 21,15–17, insbesondere durch den Rückbezug auf die Verleugnung des Petrus (s.a. Lk 22,32–34). In die „Rehabilitation“ des Petrus nach der Verleugnung eingeschlossen bleibt so das mögliche Versagen eines Amtsträgers. Notwendige Voraussetzung und Grundlage eines derartigen Dienstes ist die von Liebe geprägte Beziehung zu Jesus, die ebenso Kriterium von Jüngerschaft allgemein ist (Joh 14,21– 23). In komplementärer Ergänzung zu Joh 13 wird nach 21,7 (vgl. 13,4f.)110 auch 21,15–17 der 13,36–38 formulierte vorösterlicher Vorbehalt aufgelöst und die Nachfolge wie der besondere Dienst des Petrus im nach109
Gegen HECKEL, Hirtenamt 147, der keine Anzeichen für eine veränderte Situation der Gemeinde sieht. Tatsächlich wird es sich nicht um eine akute Krise im Sinne eines punktuellen Phänomens handeln, sondern um die grundsätzliche Frage, wie sich die johanneische Gemeinde nach dem Tod ihrer überragenden Autoritätsgestalt neu formiert. 110 Wie unter 4.1.3.1 dargelegt, signalisiert diazwvnnumi 21,7, dass Petrus nun bereit ist zum Dienst, den Jesu 13,4f. vollzieht (dievzwsen V.4 und diezwsmevno" V.5).
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österlichen Kontext in den Mittelpunkt gerückt. Die Petrusfigur dient damit der narrativen Explikation zentraler Aspekte der johanneischen Theologie (s.o. Kapitel 4), insbesondere anhand seiner paradigmatischen Funktion als Jünger, dessen Nachfolge unter nachösterlichem Vorbehalt steht (Kap 5 und 6). Der Rückgriff auf Joh 10 und 14,21–23 als Maßstab von Nachfolge und Weide-Dienst lässt die Schrift des Johannesevangeliums selbst zum Maßstab für Glaubende im Allgemeinen wie Gemeindeleiter im Speziellen werden. Doch analog zu den Diskussionen über die Funktion der matthäischen Petrus-Gestalt (s.o. 5.3.16) ist eine paradigmatische Funktion im Sinne eines Typus (für Gemeindeleitung) nicht gegen die historische Rolle des Petrus auszuspielen. Dass an letztere weitreichende Erinnerungen bestehen, zeigen die Reminiszenen an die Namensgebung (1,40–42) wie v.a. das Martyrium (21,18f.). Vielmehr bedingt sich beides gegenseitig: Die paradigmatische Funktion nicht nur als exemplarischer Jünger, sondern gerade auch als Typos eines Gemeindeleiters bietet sich aufgrund der urchristlich bekannten historischen Rolle im Rahmen der Jerusalemer Urgemeinde an. Zu kurz gegriffen wäre es aber andererseits, Petrus primär zum „Typus des Amtsträgers“111 zu erklären, da hier Joh 21,15–17 zum hermeneutischen Schlüssel für ein gesamtjohanneisches Petrusbild erhoben wird112. Genauso wenig sollte man der Gefahr erliegen, diesen Aspekt und seine paränetische Funktion mit Hinweis auf Joh 21 als „Nachtragskapitel“ als sekundär und somit theologisch weniger bedeutsam zu erachten. Stattdessen gilt es nicht nur mit Blick auf das ökumenische Gespräch zum Thema Primat, den Weideaufträgen besondere Beachtung zu schenken. Auch um der Bedeutung der aus Joh 21,15–17 resultierenden pastoraltheologischen Konsequenzen113 willen, die für jede Konfession relevant sein dürften, lohnt es sich, diese johanneischen „Akzente“ zu betrachten. Doch werden an dieser Stelle primär diejenigen Interpretationsfragen behandelt, die im Rahmen der Primatsfrage relevant wie strittig sind. 7.2.4 Die Weideaufträge an Petrus: Interpretation und Rezeption Während frühere, klassisch historisch-kritische Methoden darauf abzielten, einen „ursprünglichen“, vom Autor intendierten Sinn des Textes zu erheben, stellte sich im Gegenzug durch den New Criticism114 die Forderung nach einer Autonomie des Textes: und zwar sowohl gegenüber dem Autor 111
So P ESCH, Grundlagen 25. S.o. Kapitel 2 die Ansätze bei T HYEN, KRAGERUD und CASSIDY. 113 Lohnend daher beispielsweise die entsprechenden Überlegungen bei HECKEL, Hirtenamt 196–201. 114 Zum New Criticism s.o. Kapitel 3.1, insbesondere Kap. 3 Anm. 6. 112
7.2 Die Weideaufträge: Akzente johanneischer Pastoraltheologie
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als auch gegenüber dem Leser. Die Überwindung dieser Einseitigkeiten und damit Vervollständigung des hermeneutischen Dreiecks115 Autor – Text – Leser ist der Rezeptionsforschung, insbesondere der Rezeptionsgeschichte und Rezeptionsästhetik zu verdanken: Erst im „Akt des Lesens“116 bzw. im Zuge der Rezeption wird Sinn konstituiert. Dazu tragen sowohl textinterne Strategien (Rezeptionsästhetik) als auch textexternes literarisches wie lebensweltliches Wissen (Rezeptionsgeschichte) bei. Interpretation und Rezeption sind dabei als untrennbare Größen aufeinander bezogen, denn jede Interpretation stellt bereits einen Rezeptionsvorgang dar. Zu unterscheiden sind im Laufe der Entwicklung lediglich unterschiedliche Rezeptionsstufen: Angefangen von möglicher redaktioneller Bearbeitung eines Textes über die ersten Adressaten des dann vorliegenden Gesamttextes bis hin zu heutiger Auslegung. Auslegungs- und Wirkungsgeschichte eines Textes, die zum Wissen eines repräsentativen Teiles der Adressaten gehören, wirken dann wiederum zurück auf jede weitere Interpretation. Daraus folgend ist mit GADAMER eine voraussetzungslose Exegese als „Fiktion einer unerreichbaren Insel“117 zu bezeichnen. Stattdessen fordert dieser, dass sich jeder Interpret (und so auch Exeget) „selber richtig verstehen lerne und anerkenne, daß in allem Verstehen, ob man sich dessen ausdrücklich bewusst ist oder nicht, die Wirkung dieser Wirkungsgeschichte am Werke ist“118. Im Bewusstsein der jeweiligen Rezeptionsbedingungen und möglicher hermeneutischer Zirkel bleibt aus einem historischen Blickwinkel heraus dennoch die Aufgabe, die Schriften des Neuen Testamentes zunächst einmal ernst zu nehmen als „Dokumente, die Glaube und Umwelt der Urchristen widerspiegeln“119. Die allgegenwärtige Gefahr des Anachronismus besteht darin, gegenwärtige Probleme in Schriften des 1. und 2. Jahrhunderts hineinzulesen. In diesem Fall hieße das, spätere Formen eines Amtes, so den Primat des Bischofs von Rom, bereits in neutestamentlichen Texten wie Joh 21,15–17 erkennen zu wollen. Die Bezeichnung als Primatstext120 wird einem derartigen Verständnis zumindest Vorschub leisten. Umgekehrt bleibt es theologisch geboten, biblische Schriften als Ausgangspunkt, impulsgebende Quelle für heutige Fragestellungen zu sehen121. Im Rahmen dieser exegetischen Studie wird 115
Vgl. dazu UTZSCHNEIDER, Text. Vgl. ISER, Akt. 117 GADAMER, Wahrheit 287. 118 Ebd. 285. 119 BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 18. 120 Diese Bezeichnung findet sich noch in aktueller Literatur prominent bei P ESCH, Grundlagen 43, wo Joh 21,15–17 als „der dritte der ‚klassischen‘ Primatstexte“ klassifiziert wird. 121 Diese Gratwanderung beschrieb bereits Oscar CULLMANN in seinem Petrus-Buch bezüglich der ökumenisch brisanten Stelle Mt 16,16–19, die er als jesuanisch ansieht: 116
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
es darum gehen, interpretatorisch strittige Punkte zu benennen, die Ansatzpunkte für unterschiedliche Rezeption bieten. Diese werden im Kontext johanneischer Theologie und intertextueller Vergleichstexte wie auch historischer Fragestellungen diskutiert. Im Ausblick (Kapitel 7.3) werden schließlich exemplarisch spätere Rezeptionsweisen herausgegriffen, die wirkungsgeschichtlich – so besonders im Kontext der Primatsentwicklung – von Bedeutung waren. In der Diskussion um Joh 21,15–17 stehen zwei zentrale Fragebereiche im Vordergrund: (1) Geht man davon aus, dass die Weideaufträge eine „amtstheologische“ Paränese darstellen, so stellt sich die Frage, an welche Person(en) diese gerichtet ist. (2) Damit zusammenhängend ist zu klären, auf welche Art von „Amt“ der johanneische122 Text bezogen wurde. In Analogie zu klassisch kontroverstheologischen Positionen zum Primat ist insbesondere von Interesse, an welchen Wirkungskreis man zu denken hat: Ist dieses Amt auf Gemeindeebene anzusiedeln oder steht bereits die Gesamtkirche vor Augen? Zu (1): Das Johannesevangelium weiß nicht nur um den Märtyrertod des Petrus, es verweist direkt im Anschluss an die Weideaufträge auf ihn (21,18f.). In Ergänzung der „amtskritischen“ Züge innerhalb von 21,15–17 (s.o. 7.2.2) wird hier die christologisch-soteriologische Differenz festgehalten zwischen dem Guten Hirten aus Joh 10,11.15.17, der freiwillig und aktiv sein Leben für seine Schafe gibt (vgl. u.a. 15,13; narrativ umgesetzt Joh 18,1–11) und Petrus, dessen Märtyrertod unfreiwillig geschieht (o{pou ouj qevlei" V.18 vgl. auch ironische Infragestellung 13,37 im Rahmen der einerseits hätten wir „das Recht und die Pflicht, auch Worte Jesu, die unmittelbar eine einmalige Situation und bestimmte Personen seiner Zeit zum Gegenstand haben, nachträglich auf spätere Generationen, auf unsere Situation, anzuwenden.“ Er fügt jedoch hinzu, „daß diese Anwendung wirklich in der Verlängerung des in dem Wort enthaltenen Grundgedankens liegen muß, d.h. daß sie mit der Exegese im Einklang stehen und im Gesamtzeugnis des Neuen Testaments begründet sein muß.“ (CULLMANN, Petrus 237). 122 Ökumenisch ausgerichtete Untersuchungen über die neutestamentliche PetrusGestalt betonen zu Recht, dass ein Gesamtbild aus allen Schriften erhoben werden muss (so u.a. der Verweis auf das „Gesamtzeugnis“ bei KLAUSNITZER, Primat 512), was – wie zumeist geschehen – den Blick auf die Unterschiede der einzelnen Schriften einschließen muss (vgl. Klausnitzer selbst, ebd. 113 oder BROWN/DONFRIED/REUMANN, Petrus 26). So kann es im Rahmen dieser Untersuchung zunächst einmal nur um den Beitrag des Johannesevangeliums zu diesem Thema gehen, d.h. eine Interpretation im Rahmen johanneischer Theologie. Darin eingeschlossen sind zwar intratextuelle Verbindungen, aber nur insoweit sie deutliche Parallelen zum johanneischen Text aufweisen. Das markinische, matthäische, lukanische oder auch paulinische Petrus-Bild kann im Vergleich zwar spezifisch johanneische Akzente deutlich machen, einen hermeneutischen Schlüssel (wie oft im Fall von Mt 16,16–19 geschehen), kann es jedoch nicht darstellen.
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Verleugnungsankündigung). Ist aber Petrus bereits gestorben, und wird das Interesse des Johannesevangeliums an dieser Stelle sicherlich über die Erwähnung einer historischen Reminiszenz hinausgehen, bleibt Folgendes zu fragen: Warum wurden die Weideaufträge auf der narrativen Ebene an Petrus adressiert und v.a. an wen sind sie in pragmatischer Hinsicht gerichtet? Die Wahl der Petrusfigur legt sich sowohl aus literarischen wie historischen Gründen nahe, die sich gegenseitig bedingen: Nicht erst in Joh 21, sondern bereits in Joh 1–20 hat Petrus als der prominenteste der Jünger zu gelten, die eine stellvertretende Sprecherrolle ausüben. Zwar kommt diese gerade im Johannesevangelium auch anderen Figuren zu (s.o. Kapitel 6), doch ist hier auf Stellen mit insgesamt zentraler Bedeutung wie Joh 6,68f.; 13,6–9.24.36–38 und v.a. 20,3–10 zu verweisen. Zudem liegt es nahe, an die historische Rolle des Petrus als Missionar und Gemeindeleiter (Joh 21,1–4.15–17) anzuknüpfen. Dazu sind weitere theologische Argumente hinzuzufügen: Zum einen vermag die literarische Strategie des Johannesevangeliums gerade an der Petrusfigur die erst nachösterlich mögliche Nachfolge zu exemplifizieren, deren eindrücklichster Erweis die Rehabilitation und Beauftragung des Petrus nach der Verleugnung ist. Da hinein fügt sich – trotz der betonten Unfreiwilligkeit – die Einlösung von Jesu Ankündigung 13,36 (ajkolouqhvsei" de; u{steron): nun sogar in dem Sinne, dass Petrus im Bekenntnis zu Jesus sein Leben für ihn lässt (dagegen noch die ironische Infragestellung th;n yuchvn sou uJpe;r ejmou' qhvsei"É 13,38). Zum anderen dokumentiert sich hier das erwähnte Entsprechungsverhältnis von Joh 10 und 21: Hier wie dort wird sowohl das Versagen von „Amts“Trägern deutlich als auch die hervorgehobene Beziehung Jesu zu Petrus123, die die intendierte christologische Zuspitzung u.a. aus Joh 10 narrativ umsetzt. Erklärt sich so die Wahl der Petrusfigur aus plausiblen Gründen, so bleibt zu klären, an wen sich die Weideaufträge zur Zeit der Niederschrift von Joh 21 wenden. Eine Sukzession aus heutigem Verständnis würde zwar einen klassischen Anachronismus darstellen 124, doch ergibt sich aus dem Tod des Petrus tatsächlich die Notwendigkeit weiterer Adressaten. Mit dieser strittigen Frage, über die das Johannesevangelium keine explizit
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Diese im Kreise der Jünger um Jesus hervorgehobene – weil exemplarische – Beziehung zieht sich im Grunde durch das ganze Johannesevangelium, einzig Joh 1,40–42 bleibt Petrus noch sehr im Hintergrund, was wie 18,17–27 und 20,6–9 den vorösterlichen Vorbehalt und die nachfolgende nachösterliche Entwicklung unterstreicht. 124 Dies sehen mit Ausnahme von Rudolf PESCH, der in seiner Monographie von 2001 nun eine Anlehnung an Sippenrituale erkennen will (D ERS., Grundlagen 44; grundsätzlich zur Sukzession 60.210f.) auch römisch-katholische Exegeten so, vgl. noch PESCH selbst in früheren Pubikationen (DERS., Stellung 243); SCHNACKENBURG, Stellung 188 oder GNILKA, Petrusdienst 22.
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
formulierte Antwort gibt, verbindet sich zugleich die folgende nach dem Charakter des Amtes: 2.) Zu unterscheiden sind hier vorrangig die Positionen, die entweder einen gemeindeleitenden Dienst im Bereich der örtlichen, d.h. hier der johanneischen Gemeinde angesprochen sehen125, oder die für einen gesamtkirchlichen Dienst plädieren126. Als zentrales Argument für einen gesamtkirchlichen Dienst gilt der Verweis auf das Einheitsmotiv (21,11) in Verbindung mit einem angenommenen universalen Horizont auch von Joh 10, hier besonders von V.16127. In diesem Sinne wird ajrniva/provbatav mou 21,15–17 als Gesamtheit aller Glaubenden aufgefasst, worauf sich der dreifache Auftrag an Petrus bezieht. Doch meint die Einheit nach Joh 10,16 diejenige von Juden- und Heidenchristen, und zwar nach 21,11 im Rahmen der Mission der johanneischen Gemeinde128. Im Vordergrund steht in Joh 21 also zunächst eine vor Ort gegebene bzw. lokal begrenzte Einheit, die primär in Gottesdienst und Verkündigung (s.o. 7.2.2 a) gegeben sein wird129. Darüber hinaus weist die eine Herde (miva poivmnh 10,16) zwar auf einen universalen MissionsHorizont, doch ist die terminologische Differenz zu ajrniva/provbatav mou zu beachten130. Historisch gesehen stellt die Vorstellung einer „Großkirche“, die Voraussetzung für ein gesamtkirchliches Amt anstelle von eigenständig bestimmten und agierenden Ortskirchen ist, einen Anachronismus dar131. 125
So ausführlich dargelegt in der Monographie von Ulrich HECKEL (DERS., Hirtenamt); in der Verbindung mit Joh 14,23f. bezieht bereits Martin LUTHER die Liebe zu Christus und damit die Weideaufträge unter deren Voraussetzung auf das Wortgeschehen und kommt zu dem Schluss: „Es muß hie gantz und auffs best odder nichts geliebt sein, und die meynung Christi ist, das ehr in sanct Peters person alle prediger unterweyßet, wie sie sollen geschickt sein, als solt er sagen ‚Sihe, Peter, soltu predigen mein wort und damit meine schaff weyden…‛ (WA 6, 320 Z.6–9). Doch auch katholische Exegeten vertreten aktuell diese Interpretation, vgl. B LANK, Petrus 100.102. 126 S.o. 4.1.6.1 Kap. 4 Anm. 303. So auch das Dokument der Bilateralen Arbeitsgruppe der DBK und der Kirchenleitung der VELKD, Communio Sanctorum: In CS 163 wird im Anschluss an die Darlegung des neutestamentlichen Befundes der Schluss gezogen: „Die frühe Kirche hat mit der Gestalt des Petrus Funktionen eines Lehr- und Hirtendienstes verbunden, die sich auf die Gesamtheit der Gemeinden beziehen und in besonderem Maße ihrer Einheit dienen“. 127 W ILCKENS, Grundtext 326. Dagegen aber KÜGLER, Jünger 399f.; HECKEL, Hirtenamt 151f.180. 128 Gegen SÖDING, Erscheinung 224, wonach Petrus aufgrund von Joh 21,11 „nicht als Leiter einer Ortsgemeinde, sondern der ganzen Kirche agieren soll“. 129 Zum Sitz im Leben der Gemeinde HECKEL, Hirtenamt 172–174. 130 Dies betont besonders HECKEL, Hirtenamt 152, der den Fokus hier zu Recht auf der Beziehung zum Auferstandenen liegen sieht und nicht auf dem Einheitsmotiv. Dieses erscheint dagegen im Missionskontext 21,11 s.o. 4.1.6.1. 131 Vgl. dazu TREBILCO, Christians (zusammenfassend 712–717 bzw. ausführlich zu Ignatius, dessen Wunsch nach Einheit unter einem Bischof eben noch diese Realität vo-
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Wie Untersuchungen zur Situation in Ephesus zeigen, ist hier Ende des ersten und Anfang des zweiten Jahrhunderts von einer Vielfalt an Hausgemeinden auszugehen, die nicht einmal auf dem Gebiet dieser Stadt, geschweige denn darüber hinaus als größerer „Verband“ in Erscheinung traten. Daraus erklärt sich das Anliegen des Ignatius, in seinem Epheserbrief – parallel zum neutestamentlichen Epheserbrief132! – das Thema der Einheit133 zu forcieren. In diesem Zusammenhang misst er dem Bischofsamt eine große Bedeutung zu: Einheit vollzieht sich seiner Vorstellung nach in der Anerkennung des Bischofs134, der im Kollegium mit den Presbytern und Diakonen135 die Gemeinde leitet, und in der Teilnahme an den Gottesdiensten unter seiner Leitung. Dass dies gerade nicht Realität war, zeigt, dass der Anspruch des Monepiskopates wie eines geeinten Gemeindeverbandes selbst größerer Metropolen zu diesem Zeitpunkt erst noch durchgesetzt werden musste136. Dass Widerstand gegen den Monepiskopat speziell seitens der johanneischen Gemeinde erwuchs, ist im Hinblick auf das Modell einer geistgeleiteten Gemeinde zwar eine plausible, aber letztlich nicht zu beweisende These137. Der Polemik gegen Diotrephes 3Joh 9f. ist lediglich zu entnehmen, dass dieser eine gemeindeleitende Position anstrebte (oJ filoprwteuvwn aujtw'n V.9), wogegen der presbuvtero" augenscheinlich machtlos zu sein scheint. Ferner muss offen bleiben, inwieweit diese Situation in Joh 21 noch in gleicher Weise im Hintergrund steht. Sollte dies jedoch der Fall sein, wäre noch deutlicher, warum 21,15–17 unter den besprochenen kritischen Vorzeichen zu lesen ist (s.o. 7.2.2 und 7.2.3). Eine gemeindeleitende Funktion im Bereich der johanneischen
raussetzt 628–711), s.a. Werner T HIESSEN für die Situation bis zum Ende des ersten Jahrhunderts (DERS., Christen). Anders urteilt dagegen Matthäus GÜNTHER, der kein Nebeneinander verschiedener christlicher Traditionen in Ephesus annimmt, sondern einen Abbruch des primär durch Apollonius geprägten Christentums und eine nachfolgende johanneische Neugründung, vgl. DERS., Frühgeschichte zusammenfassend 209. Abgesehen davon, dass ein vorheriger völliger Abbruch christlichen Lebens von Günther zu schwach gestützt scheint, ließe sich so nicht erklären, warum Ignatius einige Jahrzehnte später so sehr um eine Einheit der Christen in Ephesus ringt. 132 Zu den erstaunlichen Parallelen bereits im Präskript die Gegenüberstellung bei SCHOEDEL, Ignatius 37. 133 Dieses Thema tritt IgnEph 4,1–2 deutlich hervor. Die Aussagen über eine bereits bestehenden Einheit sind hier im Rahmen seiner Rhetorik als „fulfillment-in advance“ (so treffend TREBILCO, Christians 635f. s.a. 637–39.679.688) zu bezeichnen. Ebenso widerspricht Henning PAULSEN der These, „Ignatius spiegle mit solcher Aussage die konkreten gemeindlichen Verhältnisse“, stattdessen „dürften wir an diesem Punkt seiner theologischen Hoffnung begegnen“, D ERS., Ignatius 44. 134 IgnEph 5,1–3. Hier lässt sich anhand der eigentlichen Problemstellung 5,2–3 gut erkennen, dass der Lobpreis einer bestehenden Einheit (5,1) rhetorische Strategie ist, und eine Gottesdienstgemeinschaft unter dem Vorsitz des Bischofs nicht besteht. Auch 1,3 zeigt sich – in Ignatius’ Augen – die Repräsentanz der „ganzen“ Gemeinde in der Person des Onesimus. 135 IgnEph 2,2; 4,1; 20,2. Dazu auch T REBILCO, Christians 642f. 136 Diese Problematik findet sich auch in IgnMagn 4,1, zur Übergangsphase in diese Form der Ämterstruktur vgl. TREBILCO, Christians 658–659. 137 So zu finden bei TREBILCO, Christians 669f. Gegen welche Gruppierung sich IgnEph 5,2–3 konkret richtet, wird man nicht mit letzter Sicherheit klären können, eine Opposition in Gestalt johanneischer Christen ist nur eine – allerdings recht plausible – Möglichkeit.
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
Gemeinde wird zwar nicht abgelehnt, jedoch deutlich relativiert und rückgebunden an das Zeugnis des Lieblingsjüngers.
Daraus folgt, dass den Weideaufträgen Joh 21,15–17 ursprünglich Leitungsstrukturen auf lokaler Gemeindeebene entsprechen. Dazu stimmt, dass die neutestamentlich greifbare Weidemetaphorik (s.o. 4.1.6.2), die Eph 4,11 bereits zum Hirten-Amt verdichtet ist, ebenfalls Gemeindeleitung auf lokaler Ebene betrifft138. Wenn 1Petr 1,1 ein Autoritätsanspruch über weitreichende Gebiete, auch des paulinischen Missionsgebietes, erhoben wird, so werden hier Anspruch und Wirklichkeit nicht gleich zu setzen sein139. Eine „zentrale Lehrautorität“140 in petrinischer Tradition ist für diese Zeit sicherlich nicht anzunehmen. Ebenso gilt vom Johannesevangelium, dass es nicht ursprünglich „Gospel for all Christians“141 war. Stattdessen scheinen in den Abschiedsreden wie eben auch Joh 21,22f. durch den Tod des Lieblingsjüngers aktuelle Fragen im Rahmen einer krisenhaften Gemeindesituation durch. Aufgrund dessen steht die johanneische Gemeinde vor der Aufgabe, sich neu zu orientieren und insbesondere ihre Leitung neu zu strukturieren142 – und zwar nach Maßgabe ihrer christologisch fokussierten Ekklesiologie 143. 7.2.5 Ausblick: Wirkungsgeschichtliche und ökumenische Perspektiven Die Kapitel 4 und 6 dargelegte Ambivalenz im Rahmen der Darstellung der johanneischen Petrusfigur ist in ihrer Funktion als adressatenlenkende Strategie des Johannesevangeliums erläutert worden. Zugleich stellt diese Ambivalenz eine zentrale Voraussetzung von äußerst unterschiedlichen Auslegungsmodellen dar (s.o. Kapitel 2.1). Dabei konnte aufgewiesen werden, dass sich ambivalente, d.h. negative bzw. kritische wie positive Züge von Joh 1 an bis Joh 21 durchziehen. Dem johanneischen Petrus kommt also nicht nur Joh 21 eine hervorragende Rolle zu und an dieser 138
Dazu ausführlich HECKEL, Hirtenamt, resümierend 171–174. Selbst W ILCKENS, Grundtext 332 stellt selbst fest, dass hier ein Bild für das episkopale ortsgebundene Hirtenamt verwendet, dann aber – ohne historische Plausibilität – hin zu einem universalen Horizont geweitet wird. 139 S.o. Kap. 7 Anm. 108. 140 W ILCKENS, Johannes 328. 141 So der programmatische Titel von B AUCKHAM, Gospels. 142 HECKEL, Hirtenamt 184 formuliert dies so: „Durch das hohe Alter des Presbyters bzw. des Lieblingsjüngers stehen die johanneischen Gemeinden noch vor dem direkten Sprung von der Gründerzeit zu den Erfordernissen der dritten Generation.“ (vgl. auch die historische Einordnung im Ganzen bei HECKEL, Hirtenamt 175–187). 143 Zur christologisch fokussierten Ekklesiologie, die das gesamte Johannesevangelium durchzieht, s.o. jeweils die Analysen in Kapitel 4.1. sowie Kapitel 6, insbesondere 6.1.1 und 6.1.2.
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Stelle ist auch jene nicht frei von (amts-)kritischen Aspekten (s.o. 7.1). Welche Akzente eines Petrusbildes rezipiert werden, hängt wiederum von historischen Rahmenbedingungen ab, so etwa von sich verändernden Kirchenstrukturen und damit verbundenen theologischen Interessen. So war es im zweiten Jahrhundert, d.h. in einer Zeit, in der die verschiedenen Ortskirchen mit Vorrang der Patriarchate gemäß einer Communio-Ekklesiologie verbunden waren, möglich, dass sich Vertreter östlicher Kirchen im Osterfeststreit gegen den römischen Bischof Viktor durchsetzten. Selbstbewusst nahm hier Bischof Polykarp das apostolische Erbe des Lieblingsjüngers in Anspruch (h.e. V,24,3.16 vgl. auch III,31,3), während umgekehrt von einer Berufung auf den johanneischen Petrus hier (noch) nicht die Rede ist. Im Zuge des sich entwickelnden Primatsanspruchs der römischen Bischöfe rückten dann jedoch neutestamentliche Motive in den Vordergrund, die den Vorrang der Petrus-Gestalt dokumentieren. Hier wurden zunächst der Anspruch und später die Realisierung des Primates anhand von ein144 schlägigen Stellen belegt . Dabei gewannen neben Joh 1,42 besonders Joh 21,15–17 eine bedeutende Rolle, wenngleich nicht in so starkem Maße wie Mt 16,16–19 oder Lk 22,32 oder nicht selten in Verbindung mit diesen Stellen. Die Verbindung dieser einschlägigen Stellen findet sich bereits bei Cyprian von Karthago in dessen Schrift „De ecclesiae catholicae unitate“145. Diese steht im Kontext einiger Konflikte um den Bischofsstuhl in Rom und Karthago, denn wie Cornelius in Rom musste sich Cyprian selbst gegen Konkurrenten erwehren. Daher stellt er die Einheit der Kirche zunächst als eine vor Ort gegebene Einheit in dem einen Bischof (De unit. 4–5.8146) dar. De unit. 4 äußert sich Cyprian dann in der längeren Version im Anschluss an ein Zitat aus den Weideaufträgen („Pasce oues meas“) speziell zum römischen Bischof. So geht er von der allen Bischöfen zugehörigen gleichen Vollmacht aus, und hebt in diesem argumentativen Zusammenhang zugleich den einen Bischofsstuhl („unam cathedram constituit“) als Ursprung der Einheit („unitatis originem“) hervor. Hier spricht er ebenfalls von einem dem Petrus gegebenen Primat („sed primatus Petro daretur“). Zentrale Frage ist, ob mit dem Begriff „primatus“ eine chronologische Vorordnung 144
Zum Einspruch von Exegeten beiderlei Konfessionen heute s.u. Kap. 7 Anm. 176. CChr.SL 3, 252, in der längeren Ausgabe von Kapitel 4. Stellvertretend für eine lange Zeit vorherrschende Meinung sprach Hugo KOCH diese Cyprian noch ab (DERS., Cyprian). Mittlerweile geht die Forschung davon aus, dass die längere wie die kürzere Cyprian zuzuschreiben sind, wenn auch in verschiedenen Kontexten; zu den vertretenen Positionen vgl. den Überblick bei DUNN, Cyprian 72ff. 146 Dazu s.a. B ÉVENOT, Art. Cyprian von Karthago 248. Zum Zusammenhang einer universalen Einheit der Kirche und der Einheit der lokalen Kirche ADOLPH, Theologie, besonders 25–28. 145
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
oder eine qualitative Überordnung über die anderen Bischöfe gemeint ist. Letzteres ist jedoch, selbst vor dem Konflikt mit Cyprian, im Kontext der episkopalen und kollegialen Theologie Cyprians schlechterdings nicht denkbar147. Symbolisiert Petrus somit die im (jeweiligen) Bischofsamt gegebene Einheit der Kirche, so bezieht Cyprian Joh 21,15–17 hier letztlich nach wie vor auf das lokale Bischofsamt, das jedoch in der ganzen Kirche gegeben ist148. Die (rhetorische) Frage, ob sich jemand, der den Bischofsstuhl des Petrus, über dem die Kirche gegründet ist, verlässt („Qui cathedram Petri, super quem fundata ecclesia est, desideret…“), sicher sei, dass er in der Kirche ist, ist folglich auf jede Art von Schisma zu beziehen149. Dass bei Papst Gregor dem Großen die Weideaufträge Joh 21,15–17 in analoger Weise auf Bischöfe bzw. das „Führungspersonal“ seiner Zeit150 im Allgemeinen bezogen wurden151, hat für seine Zeit bereits als Ausnahme zu gelten und ist auf dem Hintergrund von dessen klösterlich geprägtem Leitungsmodell zu verstehen152. Folglich ist die Pastoralregel im einleitenden Satz an einen Johannes als „Mitbischof“ (ioanni coepiscopo)153 adressiert und wurde in den folgenden Jahrhunderten Bischöfen zum Studium anempfohlen154. Damit verblieb Gregors Rezeption noch weitestgehend im Rahmen des johanneischen Modells von örtlicher Gemeindeleitung (s.o. 7.4) wie es sich Joh 21,15–17 zeigt, während eine univer-
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Vgl. auch DUNN, Cyprian 75 im Anschluss an B ÉVENOT. Zu widersprechenden Positionen ADOLPH, Theologie 35–37.44–47. 148 Vgl. DUNN, Cyprian 75: „Every legitimate bishop was a successor of Peter because the whole church was entrusted to Peter “. Ähnlich KLAUSNITZER, Primat 172: „In der Sicht Cyprians ist der Bischof von Rom als Bischof dieser Stadt Sprachrohr des Glaubens der (Gesamt-)Kirche, in derselben Weise, wie der Bischof von Karthago als Bischof seiner Gemeinde der authentische Sprecher des Glaubens der (Gesamt-)Kirche ist.“ (kursiv W.K.). 149 S.a. DUNN, Cyprian 87. 150 MÜLLER, Führung 123–144. Aufgrund der meist sehr allgemeinen Beschreibungen des Herrschens zählte die Regula faktisch auch weltliche Herrscher zu ihrem Adressatenkreis, primär wendet sie sich jedoch an Führungspersonen im kirchlichen Bereich (ebd. 124). 151 In Greg.M.past. I 5 (SC 381, 446) dient Gregor die in den Weideaufträgen vorausgesetzte Liebe zu Jesus als Begründung dafür, dass Seelsorgern Gottesliebe fehle, wenn sie sich ihrer Aufgabe entzögen. 152 Dazu FLORYSZCZAK, ‚Regula Pastoralis‘, zusammenfassend 400. 153 Greg.M.past. Praef. (SC 381,124). Offen bleibt, ob es sich hierbei um den Patriarchen Johannes IV. von Konstantinopel handelt (so eine verbreitete spätere Deutung bei Isidor von Sevilla und Ildefons von Toledo, übernommen u.a. bei J ENAL, Gregor I. 84) oder, wie in älteren Quellen, um Bischof Johannes von Ravenna (vgl. F LORYSZCZAK, ‚Regula Pastoralis‘ 71 und MÜLLER, Führung 121). 154 Zur Wirkungsgeschichte der Regula in karolingischer Zeit, insbesondere mit kirchenreformerischer Intention FLORYSZCZAK, ‚Regula Pastoralis‘ 277–352.
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salkirchliche Interpretation der Weideaufträge den wachsenden Primatsanspruch belegen sollte. Dieser wachsende Primatsanspruch wird bereits in exponierter Weise bei Papst Leo dem Großen greifbar, der im Kontext politischer und kirchlicher Umbrüche155 durch sein aktives Eingreifen in Konflikten und sein theologisches Denken, besonders im Rahmen der christologischen Streitigkeiten um Chalzedon, entscheidend zur Entwicklung des Primatsgedankens beigetragen hat. Die im Übergang vom 4. zum 5. Jahrhundert begonnene Christianisierung Roms hat Leo weiter vorangetrieben und von der wichtigen Rolle profitiert, die den römischen Bischöfen in der einstigen Reichshauptstadt zukam, indem sie unbehelligt von politischen Herrschern waren, die andernorts residierten156. Gefördert wurde dies vom Petruskult, der die ursprünglich weltliche Bedeutung der Stadt Rom ablöste157, den Leo – nunmehr als „Vikar Petri“ und damit zugleich „Vikar Christi“ – für sich zu nutzen verstand158. Leo bezieht zwar in seinen Sermones das biblische Hirtenbild zunächst auf eine Mehrzahl an Personen, hebt aber im gleichen Zusammenhang die Bedeutung des Petrus für die Kirche hervor (Sermo II,2 vgl. auch IV,2.4159), als dessen Erbe160 Leo auftritt, was sowohl durch Lk 22,32 als auch Joh 21,15–17 untermauert wird. Mit Gregor VII. manifestiert sich ein Bewusstsein, nicht nur mit der Leitung der Kirche161 betraut zu sein, sondern in der Ausübung der obersten geistlichen Gewalt dazu noch über weltlichen Herrschern zu stehen. So dienen diesem Papst die Weideaufträge in der Auseinandersetzung mit Kaiser Heinrich IV. als Legitimation, diesen exkommunizieren zu können, da er zu den „Schafen“ zählt und somit dem Papst als „Hirten“ untersteht162. Diesen Anspruch, dass päpstliche Autorität über königlicher Macht stehe, verkörperte Innozenz III. in vergleichbarer Weise163. Der Jurisdiktions155
Dazu u.a. die Darstellung bei STOCKMEIER, Leo I. 56–70. SCHIMMELPFENNING, Papsttum 16f. 157 Ebd. 27–29.55 vgl. Leo, Sermo III–V (CChr.SL 138, 10–25) und Sermo LXXXII– LXXXIII (CChr.SL 138A, 508–522). 158 SCHIMMELPFENNIG, Papsttum 29. 159 Zur bleibende heilgeschichtliche Rolle des Petrus in seiner Fürsorge nach Joh 21,15–17 Sermo IV,4 (CChr.SL 138, 21) s.a. LXXXIII,3 (CChr.SL 138A, 521). 160 So etwa in Sermo IV,4: „Illi ergo hunc seruitutis nostrae natalicium diem, illi ascibamus hoc festum, cuius patrocinio sedis ipsius meruimus esse consortes“ (CChr.SL 138, 21) ; vgl. auch FROHNHOFEN, Erstapostel 218. 161 Reg. I,15 (Caspar I 23–25, hier 24f.). 162 Reg. III,10 (Caspar I 263–267, hier 264f.) und Reg. IV,2 (Caspar I 293–297, hier 294f.). 163 Bildlich findet dies seinen Ausdruck in dem Gleichnis von Sonne und Mond, das zeige, dass weltliche Macht von der geistlichen abhänge, wie das Licht des Mondes von 156
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primat wurde zwar primär auf der Basis des kanonischen Rechts und weniger biblisch begründet, weswegen sich die päpstliche „plenitudo potestatis“ ganz grundsätzlich von der bischöflichen Jurisdiktion164 unterscheide. Doch dient daneben Joh 1,42 in Verbindung mit Joh 21,(15–)17 165 (u.a. neben Mt 16,18f., Lk 22,32) als Beleg für den päpstlichen Primat . 166 In seiner Bulle „Unam sanctam“ von 1302 beanspruchte Bonifaz VIII. im Zuge der Weiterentwicklung der Zwei-Schwerter-Lehre nicht nur die Überordnung päpstlicher Autorität über weltliche Herrschaft für sich – zu seiner Zeit besonders im Konflikt mit dem französischen König –, sondern bezog im Bild der Weideaufträge in die „Schafe“ auch explizit die „Griechen“ mit ein und formulierte so einen Primat der Westkirche über die Ostkirche. Hier wie an vielen weiteren Stellen 167 diente Joh 21,15–17 in Verbindung mit Mt 16,16–19 der Durchsetzung papalistischer Interessen. So ist es auch wenig überraschend, dass diese Argumentationsmuster im Zuge der Definition des Jurisdiktionsprimats auf dem I. Vaticanum wiederkehren. Dies findet seinen Niederschlag in der Dogmatischen Konstitution „Pastor Aeternus“168, und zwar in Kongruenz zur Theologie von Pius IX., d.h. im Einklang mit seinen Zielen und vorangetrieben durch ultramontane Bestrebungen, insbesondere einzelner Kardinäle169. Stellt Kapitel 1 (DH 3053) eine einzigartige Rolle des biblischen Simon (Petrus) heraus und begründet dies mit Joh 1,42 in Verbindung mit Mt 16,16–19, so wird in Kapitel 3 (DH 3059) der universale Jurisdiktionsprimat auf Joh 21,15–17170 zurückgeführt. In Kapitel 4 werden im Rahmen der Unfehlbarkeit zwar explizit nur Mt 16,18 und Lk 22,32 zitiert, doch beriefen sich die Infallibilisten im Vorfeld ebenso auf Joh 21,15–17171.
der Sonne, vgl. den Brief „Sicut universitatis“ an den Konsul Acerbus von Florenz (DH 767). 164 KEMPF, Innozenz III. 297f; PENNINGTON, Pope 43. 165 Innozenz, Sermo VII (Pl 217,482) und Sermo XX–XXI (Pl 217,543–556). Zur weiteren Verwendung von Joh 21,15–17 und zum Verhältnis von Mt 16,19 zu Joh 21,15–17 in dieser Argumentation vgl. auch CANNING, Power. 166 DH 870–75. 167 Als ein weiteres Beispiel kann man die Bulle „Exsecrabilis“ von 1460 (DH 1375) nennen, in der Pius II. mit Blick auf Joh 21,15–17 und Mt 16,16–19 als „Iesu Christi vicario“ den Konziliarismus verwirft. 168 DH 3050–3075. 169 Dazu u.a. SCHATZ, Pius IX. 196–199. Der Persönlichkeit des Papstes misst August HASLER einen größeren Stellenwert zu, so DERS., Pius IX. 170 Auch bei der Formulierung von „et ipsi in beato Petro pascendi, regendi ac gubernandi universalem ecclesiam a Domino Iesu Christo plenam potestatem traditam esse“ (DH 3059 vgl. auch DH 3068, zurückgehend auf die Bulle „Laetentur caeli“ des Florenzer Konzils DH 1307) dürfte Joh 21,15–17 im Hintergrund stehen. 171 HASLER, Pius IX. 200f., zu den Gegenargumenten s.a. 214–16.
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Das II. Vaticanum hat die Lehre von Jurisdiktionsprimat und päpstlicher Unfehlbarkeit des I. Vaticanums grundsätzlich bestätigt172. Bei dem Versuch, zentralistisch und kollegial ausgerichtete Ekklesiologien zu vereinen – letztlich jedoch unter dem „Primat“ des zentralistischen und papalistischen Modells! – findet Joh 21 im Kontext verschiedener Tendenzen Verwendung: So wird die Leitung der Kirche durch Petrus und die Apostel in Lumen Gentium I,8 anhand von Joh 21,17 und Mt 28,20 zum Ausdruck gebracht. Im 3. Kapitel von „Lumen Gentium“ dient Joh 21,15–17 wiederum mehrfach dazu, einen Vorrang des Petrus und damit wiederum den päpstlichen Primat zu dokumentieren173. Auch in neueren Veröffentlichungen aus Rom (so z.B. die Enzyklika „Ut unum sint“ von 1995) oder weiteren kirchenleitenden Kreisen174 wird Joh 21,15–17 als Beleg für die exponierte Position des Petrus und ein davon abgeleitetes universales Amt nach Christi Willen herangezogen. Interessanterweise dienen die johanneischen Weideaufträge wie auch die lukanische Verheißung Lk 22,32 in der Enzyklika dazu, gleichzeitig die Schwäche des Petrus hervorzuheben, weswegen die Vollmacht dieses Amtes auf die Barmherzigkeit Gottes zurückgeführt wird (US 91–94). Hier werden augenscheinlich Differenzierungen rezipiert, wie sie nicht nur in der Tradition, sondern v.a. auch in neuerer Exegese zu finden sind175. Einer Ableitung des Primates von Joh 21,15–17 steht man im exegetischen Bereich meist auch von römisch-katholischer Seite her kritisch gegenüber176. Stattdessen sind darum Modelle in der Diskussion, die etwa mit dem Begriff des „Petrusdienstes“177 von demjenigen des „Primates“ oder des „Papsttums“ abgesetzt wurden178. 172
In LG I,18 (DH 4142) wird ausdrücklich betont: „Diese Lehre über Einsetzung, Fortdauer, Bedeutung und Beschaffenheit des heiligen Primates des Römischen Bischofs und über sein unfehlbares Lehramt legt das Heilige Konzil abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor…“. 173 LG III,19 (DH 4143); III,22 (DH 4146) wird Joh 21 im Hintergrund der Formulierung „totius ecclesiae pastoris“ stehen und wird im Folgenden noch explizit genannt als Beleg für den Primat des Papstes vor den Bischöfen. 174 Hier wäre der soeben erschienene Sammelband von Bischof Gerhard Ludwig MÜLLER zur Primatsfrage zu nennen: DERS. (Hg.), Primat. 175 So wird fast durchgängig die Verbindung zwischen den drei Fragen Jesu zur Verleugnung des Petrus festgehalten und für das Petrus-Bild einbezogen. Vgl. Kap. 7 Anm. 102. 176 Dazu u.a. katholischerseits B LANK, Petrus 99; P ERKINS, Peter 101–103 und stellvertretend für die unisono klingenden evangelischen Stimmen GRÄSSER, Grundlagen 42 u.ö. 177 So bereits in Publikationen nicht lange nach dem Zweiten Vatikanum und den ersten bilateralen Dialogen, z.B. bei STIRNIMANN, Papsttum (1975) (vgl. dazu LEIPOLD, Art. Papsttum II 683f.), oder vermehrt im Anschluss an die Enzyklika „Ut unum sint“ von 1995 (z.B. GNILKA, Petrusdienst; KÜHN, Papstamt; HÜNERMANN, Papstamt; im Dialog-
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Kapitel 7: Theologische Perspektiven
Inwiefern die Rezeption der Weideaufträge im Kontext eines universalen Amtes in Verbindung mit dem Bischof von Rom als „legitim“ oder gar 179 „schriftgemäß“ betrachtet werden kann, muss nicht nur exegetischen, sondern auch historischen und besonders fundamentaltheologischen Überlegungen anheimgestellt werden. Als eine exegetische Stimme kann hier – trotz eines dezidiert ökumenischen Interesses – nur kritisch angefragt werden, inwieweit die johanneischen Weideaufträge in ihrer theologischen Würdigung auf dieses spezielle Amt eingeengt werden sollten. Von ihrer grundsätzlichen pastoraltheologischen Bedeutung her ist es natürlich ausdrücklich zu begrüßen, wenn johanneische Akzente in jedweder Form von Amtstheologie Berücksichtigung finden. Die „ökumenische“ Dimension der Petrusfigur liegt vom Johannesevangelium her gesehen also nicht zwingend in einem Hirtenamt, das der universalen Einheit der Christen dient, sondern wurde anhand von Joh 21,15– 17 als „Primatstext“ auf dem Hintergrund von Anspruch und späterer Wirklichkeit eines Primatsbewusstseins reinterpretiert. Gleichwohl kommt der Petrusfigur sowohl als paradigmatischer Jüngergestalt wie als prototypischer Gemeindeleitung auch und gerade nach johanneischem Verständnis eine „ökumenische“ Bedeutung zu: Mit Petrus als paradigmatischem Jünger und Gläubigen verbindet uns mit allen Christen seit dem Tod der letzten noch lebenden Zeugen des Christusgeschehens, dass wir auf das Christuszeugnis der neutestamentlichen Schriften verwiesen sind180. In Gestalt des Lieblingsjüngers erhebt das Johannesevangelium nicht nur einen hohen Anspruch seiner Theologie, sondern auch einen Zuspruch an die Christen der dritten Generation. In einer Zeit eines krisenhaften Umbruchs, Dokument „Communio Sanctorum“ der Bilateralen Arbeitsgruppe der DBK und der VELKD (CS 153–200); W ILCKENS, Grundtext; WEß , Papstamt; RADLBECK-OSSMANN, Papstamt. Zum Problem eines unterschiedlichen Gebrauchs des Begriffs „Petrusdienst“ jedoch LEIPOLD, Art. Papsttum II 684. 178 So ausdrücklich CS 199, STIRNIMANN, Papsttum 13.23; RADLBECK-OSSMANN, Papstamt 20 stellt dazu fest: „Die veränderte Begrifflichkeit fungiert dabei in gewisser Weise als Spiegel des erkannten Reformbedarfs“. Selbst setzt Radlbeck-Ossmann dies um, indem sie von einem „petrinischen Profil“ als Maßstab für den Dienst von Päpsten ausgeht, ebd. 416 u.ö., besonders 437–449. 179 Diese Frage stellt sich WEß, Papstamt explizit im Untertitel seiner Monographie: „Ökumenische Suche nach einem bibelgemäßen Petrusdienst“ (kursiv T.S.). „Die biblische Lösung“ (ebd. 23–26) bezieht sich allerdings in seinen Ausführungen einzig auf Mt 16,19 und 18,18, womit begründet wird, dass aus biblischer Sicht Papst und Bischofskollegium von ihrer Autorität her auf einer Ebene stünden. 180 Bildlich umgesetzt hat dies im Grunde Albrecht DÜRER in seiner monumentalen Darstellung der „Vier Apostel“, worin „das dem Petrus vorgehaltene Bibelbuch“ den Apostel verpflichtet, so die treffende Formulierung bei Gunther W ENZ in seinem Artikel über die „Ökumenische Verpflichtung“ in diesem Dürer-Werk, so DERS., Verpflichtung 254–258.
7.2 Die Weideaufträge: Akzente johanneischer Pastoraltheologie
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der durch den Tod der vermutlich in hohem Alter verstorbenen Führungsgestalt der johanneischen Gemeinde hervorgerufen wurde, tat sich in mindestens zwei Bereichen ein Vakuum auf: 1.) musste nun im Bereich der Gemeindeleitung ein neues Modell gefunden werden und 2.) hatte diese Führungsgestalt als Zeuge des Christusgeschehens, d.h. Traditionsgarant fungiert. Joh 21,15–17 zeugen davon, wie das erstgenannte Thema angegangen wurde (s.o. 7.2) und die Verse 20–24, wie die zweite, in der johanneischen Gemeinde äußerst virulente Frage beantwortet wurde: Im exemplarischen Jünger Petrus werden die Glaubenden – letztlich aller Zeiten – an das schriftgewordene Christuszeugnis des Johannesevangeliums verwiesen (s.o. 7.1). Dessen Theologie kam wiederum wirkungsgeschichtlich gesehen gesamtkanonische, und damit auch auf dieser Ebene in der weltweiten Christenheit wirksame Bedeutung zu (s.o. 7.1.2. d).
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Stellenregister 1. Bibel 1.1 Altes Testament Die Anordnung der Schriften folgt der Septuaginta. Kursiv gesetzte Seitenzahlen verweisen auf Fundstellen allein in den Fußnoten. Genesis 1,1 2,23 3,10f. 17,5 17,15 27,35 32,29 35,10 48,6 Exodus 3,14
285 94 150 94 94 245 94, 245 94, 245 94
265
Deuteronomium 4,2 25,10 28,58–61 28,58 30,10
286 94 286 287 286
Rut 1,16
258
1Könige 17,18 (LXX)
105
2Könige 3,13
247
1Chronik 27,24
287
1Esra 3,7 4,42
94 94
Psalm 16,8–11 38,21 69,10 105,16 (LXX)
143 192 284 105
Oden 9,76
94
Sirach 45,6
105
Hosea 2,1
94
Micha 4,4
245
Nahum 1,1
287
Sacharja 3,10 8,3
245 94
Jesaja 1,26 19,18 22,22 28,16 40,3 48,8 51,1f. 56,7 58,12 60,14
94 94 220 222 286 94 220 94 94 94
350
Stellenregister
(Fortsetzung Jesaja) 60,18 94 61,3 94 61,6 94 62,4 94 62,12 94
Jeremia 19,6
94
Baruch 5,4
94
Ezechiel 39,11
94
1.2 Neues Testament Matthäus 1,1 1,16f. 2,4 2,6 2,23 4,17 4,18–22 4,18–20 4,18 4,19 4,20 4,21 4,23–25 5 5,29f. 5,33–37 6,30 6,45–52 6,52 7 7,24f. 8,5–13 8,14f. 8,15 8,24–27 8,25f. 8,26 8,33 9,9 9,35 9,37f. 10 10,1 10,2 10,3 10,5–42 10,22 10,24
219 219 219 152 226 217, 221 225, 228 216f. 92, 215, 217, 219 222, 226 216 92 215 216 222 226 171, 218, 227 218 218 216 220 266 217 191, 217 218 218 227 218 77, 289 217 217 216, 217 217 90, 206, 215, 217, 219, 227f. 77, 85 217 225 123
11,2–16,20 11,2 11,6 11,25–27 11,25 12,49f. 12,50 13,16 13,18 13,47 13,51 13,53–18,35 13,57 14,23–32 14,24–32 14,27 14,28–31 14,28 14,31 14,33 15,12 15,14 15,15 15,16 15,28 16 16,8 16,12 16,13–20 16,13–19 16,13–15 16,13f. 16,16–19
16,16–18 16,16
221 219 222 220 220 221 216 220 221 158 221 216 222 171 2 218 20, 170, 171, 172, 210, 216, 218, 226, 227f. 170, 218, 224 227 219, 221 219, 222 219 31, 219, 221, 226 219 246 109, 171f. 171, 218, 227 221 221 219–221, 226 222 108 2, 4, 20, 25f., 109, 172, 211, 219, 222, 224, 228, 315, 318 77, 107, 109 93, 108, 189, 215, 218– 220, 226
Stellenregister (Fortsetzung Matthäus) 16,17–19 20, 170f. 16,17f. 93f., 297 16,17 21, 94, 95, 108, 171, 189, 215, 219f., 222, 228 16,18f. 228, 318 16,18 95, 108, 172, 216, 219f., 221 16,19 31, 108f., 171, 220f., 305, 320 16,20 216, 222 16,21–20,28 222 16,21–28 221 16,21–23 221f., 226 16,21 221f. 16,22f. 222 16,22 216 16,23 227, 228 16,24–28 222 16,24 222 16,25 216 17,1–13 225 17,1–8 223 17,4 217, 223f., 226 17,6 223, 227 17,7 223 17,12 227 17,13 223 17,20 218 17,23–27 219 17,24–27 216, 221, 223, 226 17,24 223 17,25 189, 215, 223 17,26 223 17,27 223 18 216 18,6 222 18,12 223 18,18 108, 171, 221, 228, 305, 320 18,21f. 216, 223f. 18,21 226 19,27f. 224 19,27 226 19,30 217 20,1–16 227 20,20–28 225 20,20 215 20,27f. 225
20,27 20,40 21,19f. 21,20 21,28 22,17 22,42 22,66 23,13 24,3 24,13 24,40 24,45 26,6–13 26,14–16 26,25 26,27 26,28–30 26,31 26,33–35 26,33 26,35 26,36–46 26,37 26,38 26,40 26,42 26,43 26,45 26,47 26,51 26,52f. 26,53 26,54 26,55 26,58 26,63f. 26,63 26,67f. 26,69–74 26,69f. 26,69 26,70 26,71 26,72 26,73 26,74 26,75 27,27 27,55
351 217, 227 228 215 227 223 223 223 223 220 215, 227 225 216 208 273 228 134 224 224 225 211, 224 124, 160, 224, 226f. 125, 224, 226 225 217, 225 225, 228 225, 227f. 136 225, 227 225 135 225, 228 136 136 135 135 137, 225 226 219 139 225 137, 228 138, 225 138, 226 226 138, 226 137f., 212 138 139, 160, 212, 225f. 135 217
352
Stellenregister
(Fortsetzung Matthäus) 27,56 215 28 181 28,7 216, 227 28,16–20 216, 241 28,17–20 77, 173 28,17 218, 227 28,19f. 221 28,20 220, 226, 228, 319 Markus 1,1–15 1,1 1,7f. 1,9–11 1,11 1,13 1,14f. 1,14 1,16–39 1,16–20 1,16–18
1,16 1,17 1,18 1,19f. 1,19 1,20 1,21–3,12 1,21–28 1,21 1,24 1,25 1,29–31 1,29f. 1,29 1,30 1,31 1,32–34 1,32 1,33 1,35–39 1,35–38 1,35–37 1,35 1,36f. 1,36 1,37
191 193, 195, 207, 285, 286 76 192 195, 286 194, 205 190, 192, 200f. 78 200 191 24, 190f., 193, 196, 200f., 203f., 216, 243, 288f. 83, 92, 190f., 200 190f., 194, 201, 205 191, 205, 216 204 191, 216 191 191 104 106 104–106, 107, 109 194 196 191 204, 217, 243 21, 205, 217 192 191f. 192 191 204 191–193 192 192 192 192, 200, 203, 215 192
1,38 1,39 2,1–12 2,2 2,14 3,12 3,13–19 3,14f. 3,14 3,16–19 3,16 3,18 3,32 3,33–35 3,35 4,15 4,39 5,11 5,14 5,31 5,37 6 6,7–12 6,30–54 6,32–44 6,37 6,45–52 7,17 7,18 8 8,11–13 8,11f. 8,26f. 8,27–9,8 8,27–9,1 8,27–34 8,27–33 8,27–30 8,27–29 8,27f. 8,27 8,28f. 8,28 8,29 8,30 8,31–9,29 8,31–33 8,31 8,32f. 8,32
192f., 201 192 268 194 289 194 193 193 193, 201, 206, 217, 241 93 83, 200, 216 77 192 247 216 194 194 151 151 203, 206 193, 195f., 215 74 241 103 75 244 75 219 221 74, 104 75 192 218 200 195 32 103 92, 193–195, 201 193, 207 75, 103, 108 193 103 75, 103, 193 75, 193, 198, 200f., 207, 219 194, 201 195 193–195, 201, 208 196 124, 207 104, 107, 194, 200
Stellenregister (Fortsetzung Markus) 8,33 123, 194, 201f., 210, 222 8,34–38 103, 201 8,34 194, 222 8,35 198 8,43–9,1 195 8,50 205 9,2–13 208 9,2–12 201 9,2–9 195f., 201 9,2 193, 195, 200, 208 9,5f. 195 9,5 196, 200, 208, 217, 223 9,6 195–197, 208, 223, 225, 227 9,7 195, 286 9,10–12 195f., 208 9,10f. 196 9,12 196 9,25 194 9,30–10,31 195 9,32 194, 202 9,35–50 195 9,37 123 9,38 200 9,41 193 10,13 194 10,17 196 10,23 196 10,24 196, 201 10,26 196 10,28 196, 200f., 209, 224 10,29f. 196 10,29 215 10,30 196 10,32–52 195 10,32 199 10,35–45 195 10,35–41 202 10,38–40 195 10,38f. 197 10,42–45 191, 195 10,48 194 11,14 196 11,18 192 11,20–25 202 11,20f. 215 11,21 196, 200–202, 227 12,10f. 222 12,12 192 12,26 287
12,32 12,35–37 13,3 13,35–39 14,1 14,3–9 14,10f. 14,11 14,13 14,19 14,26–72 14,27–30 14,27–29 14,29–31 14,27 14,28 14,29 14,30f. 14,30 14,31 14,32–41 14,33 14,34f. 14,35–39 14,36 14,37 14,40 14,41–45 14,41 14,43 14,45 14,47 14,48 14,49 14,50–52 14,50 14,54 14,55–65 14,55 14,61 14,62 14,64 14,65 14,66–72 14,66 14,67 14,70 14,71
353 205 193 193, 195f., 203, 215, 227 192 192 273 291 192 209 124 200 202 199 197, 211 197, 225 173, 197–200, 223 124, 154, 160, 197, 200f., 224, 301, 304 194 211 125, 197f., 224, 251, 275 197f. 193, 200, 203, 217, 224 78 192 136, 197 189, 197, 200, 203, 216 195, 197, 225, 227 291 197, 225 135 196 136 135f. 135 295 201 137f., 198, 200 198 192 193 139 139, 223 139 137, 198f. 200 137f. 212 138
354
Stellenregister
(Fortsetzung Markus) 14,72 139, 160, 194, 196, 198–200, 212 15,16 135 15,31 209 15,32 193 15,39 195 15,41 191 16,1–8 146 16,5 257 16,6 192 16,7 173, 192, 198–202, 216, 227, 230, 286 16,8 199 16,16f. 223 16,18 223 Lukas (ganze Schrift) 1,1f. 1,2 1,4 1,21 1,37f. 1,42 1,63 2,11 2,18 2,26 2,33 2,49 3,2 3,4 4,2f. 4,14–9,50 4,17 4,20 4,22 4,32 4,36 4,38f. 4,38 4,43 4,41 5 5,1–11
5,1–10 5,1–3 5,1
29 287 204, 289 287 212 204 220 212 207 212 207 212 207, 247 204 287 123 203 287 287 212 204 204 203f., 206, 212 203f., 217, 243 207 207 152, 158, 166, 169–171, 173, 205, 291 20f., 24, 31, 76, 92, 166f., 169, 203–206, 211, 213f., 243, 289 143, 174, 285, 291, 297 168 167
5,2f. 5,2 5,3–5 5,3 5,4–6 5,4f. 5,4 5,5 5,6 5,7 5,8 5,9 5,10 5,11 5,20 5,21–24 5,22 5,24 5,30–32 6 6,13–16 6,13 6,14 6,15 6,17–19 6,20 7,1–10 7,7 7,36–50 7,40 7,43 7,44 8,24 8,25 8,45f. 8,45 8,46 8,51 9,1–6 9,2 9,18–22 9,20 9,22 9,23–27 9,28–36 9,31 9,32 9,33 9,35f. 9,43 9,45 9,49
166 76, 166 203 167f. 76, 168 152 166, 168, 204 167f., 204 166f. 76, 166 93, 168, 205, 211 166, 205 167f., 203–206, 211 77, 166 212 205 170 170 205 206 206, 212 209 203, 204 77 206 206 266 204 205, 273 203 203 203 205 206, 212 207 203 206 208 241 206 207 207, 212, 214 207 207 208 203, 208 208 205, 208 208 212 207f. 205
Stellenregister (Fortsetzung Lukas) 10,5 203 10,18 203 10,32 203 10,41 210 11,13 203 11,14 212 11,38 212 12,14 212 12,32 209 12,35–48 208f. 12,37 209 12,41 203, 209, 214 12,42–48 209 12,42 209 12,47 209 13,12 246 13,16 207 13,33 207 13,34 210 14,33 209 15,1–10 205 15,14 203 15,15 151 17,4 151, 223 17,7 152 17,13 205 17,25 207 18,10–14 205 18,28–30 209 18,34 207f. 19,1–10 205 19,5 207 20,26 212 20,42 287 21,7 203 21,9 207 22 76, 169 22,3 123, 210 22,7–12 203 22,8–13 209f. 22,8 213 22,9 210 22,13 214 22,14–23 76, 169 22,21 203, 210 22,22 210 22,23–34 306f. 22,23–30 169 22,24–30 169, 210 22,24–26 76 22,26 210
22,28 22,31–34 22,31f. 22,31 22,32f. 22,32 22,33 22,34 22,35–38 22,35–37 22,37 22,39 22,45 22,46–49 22,48 22,50 22,52 22,53 22,54–62 22,54 22,55 22,57 22,58–60 22,58 22,59 22,60 22,61 22,62 22,67f. 22,71 23,35 23,47 24 24,4 24,6–9 24,6f. 24,6 24,7 24,8 24,11 24,12 24,13–32 24,23 24,24 24,26 24,27 24,31 24,34 24,41–46
355 214 21, 210–212 20, 26, 31, 166 189 20, 214 33, 151, 169, 172, 210, 212, 213f., 315, 317f. 124f., 160 76, 125, 169, 211 169 76 207 134 203, 214 241 135 136 136 211 211f. 137 211 138 138 138 137, 212 138 211f., 214 139, 160 139 139 209 212 148, 166, 170, 175, 181, 291 257 148 148, 285 148 207 148 146, 212 145–148, 212 147 257 147 207 148, 285 170 21, 203, 212 148
356
Stellenregister
(Fortsetzung Lukas) 24,41 148, 170, 212 24,44–46 147f. 24,45 148, 285 24,46 207 Johannes (ganze Schrift) 9, 157, 175, 179, 277 1–20 3, 17, 22, 31, 35, 41– 43, 45f., 74, 78, 141, 150, 157, 163, 174– 188, 275, 277, 311 1 4, 95, 139, 141, 143, 145, 150, 153, 164, 173, 178, 291 1,1–34 90 1,1–18 80f. 1,1 252 1,3 252 1,4 99, 179 1,6–8 151 1,6 271 1,7 84f., 141, 179 1,9 253 1,12 81, 141, 179, 239 1,13 9, 108, 245 1,14 85, 100, 120, 252, 254, 286 1,15–30 92 1,15 151 1,16 100, 190 1,17 244 1,18 115, 121, 263, 284, 288 1,19–51 80f. 1,19–39 81 1,19–34 80f., 151 1,19–28 81 1,19 84, 265 1,20f. 81 1,20 88, 101, 131, 244 1,22–24 10 1,23 286 1,24 84 1,26f. 10 1,28 82 1,29–34 81 1,29 76, 81, 120, 141, 190, 266 1,30 190 1,31–21,1 178
1,31–33 1,31 1,32f. 1,34 1,35–51
1,35–42 1,35–40 1,35–39
1,35–37 1,35f. 1,35 1,36–51 1,36 1,37–43 1,37–42 1,37–40 1,37–39 1,37f. 1,37 1,38f. 1,38 1,39
1,40–42
1,40f. 1,40 1,41–45 1,41 1,42
1,43–51 1,43–45 1,43f.
10 150 83 81, 290 4, 13, 80–96, 151, 158, 163f., 179, 183, 186, 237f., 240f., 247 81, 142 82f. 81, 84–86, 95, 147, 155, 167, 235, 272f., 278, 290 88 86 81, 83f., 88, 153, 288 245, 305 76, 81, 89, 120, 190 150 82, 163 52, 82 3, 5, 81, 83, 86, 181, 238 163f., 241 83, 141, 150, 153, 262 86f., 151 81, 84, 89, 127, 141, 151, 169, 258, 262 81f., 83, 88, 89, 141, 154, 164, 239, 240, 245, 262, 290 4, 24, 81, 84–87, 92, 95, 116, 144, 164, 184, 186, 229, 231, 273, 276, 278, 281, 305, 308 81 81, 87, 91, 139, 141, 163, 241, 272, 276, 290 170, 285, 288 81, 85–88, 107f., 157, 244, 253, 261, 270 12, 21, 52, 77, 81, 84, 85, 87f., 92f., 94f., 108, 117, 150, 154, 162, 163, 167, 171, 184, 186f., 243, 246, 273, 277, 281, 301, 305, 307, 315, 318 81 81 81, 84, 85f., 95
357
Stellenregister (Fortsetzung Johannes) 1,43 82, 84–86, 88, 92, 141, 157, 163, 184, 244, 270 1,44 82, 85 1,45–51 81, 85f., 95, 150 1,45f. 144, 245, 261 1,45 81f., 85–87, 92, 157, 244f., 270, 276 1,46–50 87 1,46–48 131, 164 1,46 141, 152, 163, 245, 262, 265, 273, 290 1,47–51 86, 245 1,47f. 90, 265 1,47 84 1,48–51f. 141 1,49 81, 87, 152, 245, 253 1,50f. 245, 262 1,50 82, 141, 245f., 290 1,51 81f., 112, 245 2 150 2,1–12 270 2,1–11 246 2,1 82 2,2 275 2,2–5 246 2,3f. 272 2,3 247f. 2,4 110, 246, 272 2,5 19, 248 2,9 56 2,11 82, 85, 150, 241, 273 2,12 275 2,13–22 139 2,17 56, 275, 284, 295 2,18–20 249 2,19 284 2,20 114 2,21f. 295 2,21 56 2,22 114, 143, 241, 273, 284 2,23–25 249 2,23 249, 250 2,24 56, 100 2,25 249 3,1–21 248f., 270 3,1 248f. 3,2 150, 249, 250, 271 3,3–21 178, 249 3,3 53, 249 3,4 249, 273
3,5 3,6 3,9 3,10 3,11 3,12 3,13–21 3,15f. 3,16f. 3,16 3,18 3,20 3,22 3,24 3,26 3,29 3,31–36 3,31 3,35 4 4,1–42 4,1–6 4,1 4,2 4,3 4,5–42 4,6 4,7–15 4,7–10 4,7 4,8 4,9 4,10 4,11–15 4,11f. 4,11 4,14 4,15 4,16–19 4,16 4,18 4,19 4,20–26 4,20–24 4,20–22 4,21 4,22 4,23 4,25 4,26
10 9 249 114, 248, 250 252 250 250 99 266 110, 160, 190 190 249 10, 275 10, 78 52 286 11, 30 253 160 105, 238 112 263 10, 52, 238 52 85 270, 274 268 265 263f. 268 268 264 264f., 268 263 264, 273 264, 268 268 264, 269 263, 265 265, 268 244 105, 265f. 263, 265 265 264 246 10 265 107, 265f., 269 265, 271
358 (Fortsetzung Johannes) 4,27–42 263, 265 4,27–30 263 4,27 178, 262, 266, 275 4,29 107, 265f. 4,31–38 263 4,31–33 275 4,32 266 4,33 266 4,34 266 4,35–38 89 4,38 266 4,39–42 263, 274 4,39 283 4,41 283 4,42 131, 266 4,43 85 4,44 267 4,45–47 85 4,45 266 4,46–53 268, 270, 283 4,47 268 4,48 266f. 4,49 268 4,50–53 267, 299 4,50 267, 283 4,53 100, 267 4,54 85 5 101, 269, 271, 273 5,1–15 270 5,3f. 11 5,6 270 5,8f. 270 5,8 268 5,9 268, 269 5,13 270 5,14 152, 270 5,15 270 5,18 96, 262 5,20 150 5,22 106 5,24 284 5,25–29 10 5,25 110, 257, 286 5,27–29 12 5,28 110, 141, 257, 286 5,30 106 5,37 190, 282 5,38 83, 89, 282 5,39 245, 284
Stellenregister 5,40 6
6,1–15 6,1–13 6,1–4 6,1f. 6,1 6,2 6,3–13 6,3 6,5–9 6,5–7 6,5f. 6,5 6,6 6,7–9 6,7 6,8f. 6,8 6,9 6,11 6,13 6,14f. 6,14 6,15 6,16–21 6,17 6,19f. 6,19 6,20 6,21f. 6,22–71 6,22–59 6,22–40 6,22–25 6,22–24 6,22 6,24 6,26 6,27 6,29 6,33 6,35 6,37–40 6,37 6,39f. 6,39
87 4, 20, 74, 96, 98, 101, 103f., 108f., 112, 113, 118, 122, 128, 132, 138, 145, 150f., 156, 158f., 165f., 170, 173, 180f., 183, 187, 240, 260, 275 96, 98 75 96 96 85, 167 241 96, 98 275 98, 102 275 97 97 97, 115, 244 102, 241 98, 244 275 92, 98 97f., 244, 275f. 151, 256 98 96, 105 75, 97, 103, 253 97, 108, 246 75, 96, 156 151 97 151 75, 101, 156, 275 151 106 96 97 96 151 98, 275 262 75, 127 89, 97 97, 102 97 75, 87, 97, 101 101 87, 97 10 12, 126
Stellenregister (Fortsetzung Johannes) 6,40 12, 97 6,41–49 97 6,41 97, 101 6,42–46 101 6,42 75, 103 6,43 97 6,44 10, 12, 151, 157 6,45 87, 97, 106 6,47 97 6,48 75, 97, 101 6,54 10, 12 6,51–58 10, 12, 30 6,51 127 6,53 97 6,54 97 6,56 83, 97, 154 6,57 89 6,59 97, 106 6,60–71 4, 35, 97, 183, 231, 234, 303 6,60–68 14 6,60–67 98 6,60–66 13, 96–98, 102, 234, 259, 275 6,60 101, 234 6,61–71 238 6,61 97 6,63 97, 102, 108, 230 6,64 98f., 111, 116, 259, 261, 291 6,65 97 6,66–71 158, 277 6,66–69 281 6,66 97–99, 116, 120, 125, 132, 238 6,67–71 95–110, 239 6,67–69 275 6,67 4, 97–100 6,68–71 5, 37, 89, 93, 231, 234, 243, 176 6,68f. 4f., 13, 37, 75, 97f., 100, 107f., 153, 183f., 187, 295 6,68 12, 97–99, 102, 115, 168, 311 6,69–71 106, 259 6,69f. 230, 259, 303 6,69 100f., 105, 107, 253
6,70f. 6,70 6,71 7,1 7,9 7,11 7,12 7,19f. 7,19 7,25 7,27f. 7,29 7,30 7,35 7,37 7,38 7,41 7,43 7,48 7,50f. 7,52 7,53–8,11 8,10 8,12 8,13 8,14 8,16 8,20 8,21f. 8,22 8,24 8,29 8,31–33 8,31 8,32 8,33 8,34 8,37 8,40 8,44 8,53 8,58 9 9,1–41 9,1 9,1–7
359 97, 99, 101, 106, 110, 115, 129, 158, 234, 259 98, 107, 111, 123, 239, 259f. 111, 128, 239, 252, 259–261, 291 85, 262 85 262 258 262 127 262 264 96 110, 262 116 87 10, 284 85 158 250 248, 250 85 11, 17f. 246 241, 270, 291 139 117, 264 106 110 117 116 100 190 282 83, 89, 100, 165, 238f., 279, 282 190, 282f. 190, 234 112 127, 262 127, 262 123 92 112 105, 112, 238, 263 274 270 269
360
Stellenregister
(Fortsetzung Johannes) 9,2f. 270 9,2 190 9,3 270 9,4 150, 178, 270 9,5 190, 270 9,7 270 9,8–12 269 9,9 270 9,11 270 9,12 270 9,13–17 269 9,14 269 9,16 158, 270 9,17 105, 270 9,18–23 269 9,22f. 271 9,22 13, 258, 271 9,24–34 269 9,24 270f. 9,27f. 240 9,27 270f. 9,28 238, 271 9,29–33 264 9,29 271 9,30–34 270 9,30–33 270 9,30 270 9,33 271, 275 9,34 271 9,35–38 269, 271 9,35 270f. 9,37 271 9,38 271 9,39–41 269, 271 10 100, 102, 108, 117, 128, 130, 132, 134, 151f., 157, 158, 161f., 169, 172, 181, 186, 241, 281, 303f., 308, 311f. 10,1–21 128 10,1–18 30, 302 10,1–4 302 10,1f. 128, 130 10,1 112, 128–130, 137, 260, 302 10,2–28 172 10,2 95, 130, 244 10,3–5 130, 286, 303
10,3f. 10,3 10,4f. 10,5 10,6 10,7 10,8 10,9 10,10 10,11–13 10,11 10,12 10,14 10,15–17 10,15f. 10,15 10,16
10,17f. 10,17 10,18 10,19 10,22–39 10,26 10,27 10,28 10,29f. 10,35 10,36 10,38 10,39 10,40 10,42 11 11,1 11,2–5 11,2 11,3 11,4 11,5 11,6 11,7–16 11,7 11,8–13 11,8–11 11,8
110 90, 128, 130, 254, 258, 281 130, 150 302 128 112, 128, 130 128, 260, 302f. 128, 130, 134 126, 128, 260, 302 302 117, 125–128, 152, 154, 310 110, 161, 302f., 306f. 120, 128, 239, 246 161 302 117, 125–127, 154, 239, 310 10, 128, 152, 158, 161, 168, 169, 172, 179f., 187, 286, 312 117, 125f., 154 127, 160, 310 129 158 139 302 130, 150, 258, 286 127, 190 302 284 100, 105 100 262 257 274 141, 238 255 260 255, 257 160, 256 251, 254, 256 160, 255f. 252, 256 251 252 275 257 251
Stellenregister (Fortsetzung Johannes) 11,9f. 251 11,10 150, 178 11,11–16 241 11,11 251f., 255f. 11,12 276 11,13 256 11,14f. 251 11,15 161, 251, 256, 290 11,16 117, 120, 251, 254, 275f. 11,17–44 270 11,17 161 11,19 254 11,20 252, 254 11,21f. 252, 254 11,21 190, 255 11,23–27 254 11,23 252 11,24 252, 265 11,25f. 256 11,25 252f., 255 11,26 253 11,27 100, 107f., 110, 245, 253 11,28 254, 261 11,29 254 11,30f. 254 11,30 254 11,31 256 11,32 254f., 271 11,33 56, 112, 118, 255f., 295 11,34–44 254 11,36 160 11,38 141 11,39f. 254 11,39 254, 256 11,41–44 255 11,41f. 252 11,42 100, 256 11,43 257, 286 11,44 141–143, 145, 148, 170, 251, 283, 285, 288, 291 11,45 257, 274 11,46–53 257 11,49–52 129 11,50–53 257 11,50f. 127 11,52 179f., 239 11,53 139
11,54 12,1–8 12,1 12,2 12,3–8 12,4–7 12,4 12,6 12,13 12,16 12,20–22 12,21 12,22 12,24–26 12,25 12,26–50 12,26 12,27f. 12,27 12,32 12,44–50 12,45 12,46 12,48 13–21 13–20 13–17 13
13,1–38 13,1–30 13,1–11 13,1–5 13,1–3 13,1
13,2–5 13,2f. 13,2
13,3 13,3–5 13,4–10
361 275 259 255 255f. 255 273 128, 234, 260f., 291 128, 260 253 114, 275 89, 179f., 240f. 85, 275 92, 244, 261 173, 241 305 177 151 134 78, 110, 111, 118, 126f., 135, 295 151, 157, 169, 176, 181 30 291 291 10, 12 33 5, 176 235, 237 4, 38, 78, 89, 90, 110f., 118, 120–122, 125, 127f., 132f., 138, 145, 150, 152, 156, 240, 295, 307 111, 113 52, 113, 236 110–126, 129 112, 122 52, 110–112, 114, 118, 120, 235 14, 110, 113, 120, 123, 125–127, 160, 239, 255f., 263 112 120 103, 110f., 114, 115, 123, 128, 129, 152, 260, 291 110f., 117, 126, 190, 243, 261 112 16
362
Stellenregister
(Fortsetzung Johannes) 13,4–6 169 13,4f. 123, 150, 305, 307 13,4 127, 152 13,5 114f., 152, 275 13,6–11 4, 111–113, 122–125, 153, 278 13,6–10 184f. 13,6–9 114, 120, 125, 168, 275f., 281, 311 13,6 111, 114, 119f. 13,7f. 115 13,7 114, 121–124, 127, 152, 184, 241 13,8 114, 118, 120, 130, 153, 184f. 13,9f. 125 13,9 114, 119, 276 13,10f. 110, 114, 115f., 127 13,10 115, 129, 260 13,11 52, 111, 115, 118, 152, 260f., 291 13,12–20 112, 122f., 235 13,12–17 112, 122f. 13,12 111–113, 123f. 13,13–38 125 13,13f. 119 13,13 123 13,15 111–113, 124, 127, 238, 248 13,16f. 112 13,16 239 13,17 108, 124, 248 13,18–20 112 13,18f. 110, 127, 129, 261 13,18 101, 103, 110–112, 114, 115f., 127, 129, 152, 260f., 284 13,19 112, 127 13,20 112 13,21–30 11, 103, 110–127, 129, 181, 260 13,21–29 288 13,21–26 110 13,21 5, 111–113, 115, 118, 152, 261, 295 13,22–29 275 13,22 5, 115, 119 13,23–28 125
13,23–26 13,23–25 13,23 13,24 13,25 13,26f. 13,26 13,27 13,28–30 13,28f. 13,28 13,29 13,30 13,31–14,31 13,31–38 13,31–35 13,31f. 13,31 13,32 13,33–35 13,33 13,34f. 13,34 13,35 13,36–14,4 13,36–38
13,36f. 13,36
13,37f. 13,37
13,38
14–17 14
4f., 112, 124f., 134, 142f., 145, 147 83, 152, 260, 278, 281, 290f. 3, 52, 114, 121, 142, 152, 160, 256, 263, 290 44, 46, 119, 124, 153, 184f., 188, 275, 311 114, 115, 124, 152, 261 111, 121, 261, 277 115, 128, 261 118, 123, 129 114 119 115, 120f., 125, 154, 256, 277, 290 128, 261 112, 115f., 125, 135, 150, 178, 260 235 113 112, 122 113, 122 113, 117, 260 155 122 110, 111, 112, 116f., 120, 125f., 239 121, 127, 160, 239, 279 35, 113 238 121 34, 37, 91, 103, 110– 126, 132, 145, 154, 162, 184f., 211, 241, 276, 278, 281, 303– 305, 307, 311 5, 114, 151 5, 31, 32, 94, 110f., 114, 117, 120f., 164, 172, 184f., 187, 230, 276f. 154 117, 119f., 125, 127, 129, 132, 152f., 160, 185, 187, 251, 303, 310 5, 112, 113, 114, 118, 121, 125, 127, 129, 131f., 185, 304 113, 276f. 121
Stellenregister (Fortsetzung Johannes) 14,1 118 14,2–6 120, 126 14,2–4 118 14,4f. 121 14,4 131 14,5–11 275 14,5 113f., 251 14,7 245 14,8f. 276 14,8 113, 245 14,9–21 245 14,9f. 245 14,10 83, 89, 100, 238 14,11 245 14,12 110 14,15–28 160 14,15–23 162, 303 14,15 279 14,17 83, 89 14,20f. 101 14,21–24 279 14,21–23 304, 307f. 14,21 154, 178 14,22–31 275 14,22 275 14,23 160, 283 14,25 89 14,28 110, 121 14,29 190 14,31 160 14,33 190 14,37 190 14,54 190 14,66 190 14,67 190 14,70 190 14,72 190 15–17 11, 30, 235 15,4–16 89 15,4–7 83 15,4f. 238 15,5 158, 178 15,7 83, 238 15,9 160 15,10 83 15,12 160 15,13–15 239 15,13 127, 256, 310 15,14 248
15,16 15,17 15,19 15,20 15,26 16,1 16,2 16,7 16,10 16,13–15 16,13 16,17f. 16,17 16,20 16,27 16,28 16,29f. 16,30 16,31f. 16,32
16,33 17 17,1–26 17,1 17,3 17,5 17,6–8 17,7 17,8 17,11 17,12 17,14 17,17 17,18 17,19 17,20 17,21 17,23–26 17,23 17,24–27 17,24 17,25 17,26 18
18,1–27 18,1–14
363 88, 101 160 101 268 296 126 13 190, 296 110 269 296 275f. 110 112 100, 160 110 275 100 275 110, 115, 117, 126, 133, 184, 250, 251, 276, 295, 303 126 100, 102, 152 126 126, 256 256 256 100 100 256 100, 158, 256 126, 168, 261, 284 282 100 233, 256, 306 100, 105, 127 283 126, 158, 256 160 160, 256 31 256 256 126f. 90, 111, 127, 129, 132, 134, 139, 145, 156, 186, 303 126 126–140
364
Stellenregister
(Fortsetzung Johannes) 18,1–11 126–130, 134, 138, 183, 310 18,1–9 275 18,1f. 134 18,1 126, 128 18,2 128f., 134, 260f. 18,3–8 134 18,3 135, 260 18,4–11 261 18,4f. 129 18,4 127, 129, 152, 258, 261 18,5 127, 129–131, 134, 139, 261 18,6 128f., 131 18,7f. 129 18,7 258 18,8f. 129, 132 18,8 127–129, 131, 139 18,9 126f., 135, 145, 261, 284 18,10f. 115, 136, 153, 184f., 276, 278, 281 18,10 4, 33, 37, 117, 127f., 130, 132, 133, 140, 153 18,11 127, 129, 132, 134, 136 18,12–14 126f., 134 18,12 127, 128, 135 18,13f. 129 18,15–27 117, 126–140, 240f., 281 18,15–25 132 18,15–18 5, 126–128, 136 18,15–17 278 18,15f. 3, 5, 82f., 89, 128, 134, 137, 140, 142, 147, 154f., 184f., 263, 281, 288, 295 18,15 5, 118, 128, 130, 132, 137, 141f., 145, 181, 288, 291 18,16 128, 130, 138, 188 18,17–27 183, 304f. 18,17–21 185 18,17f. 276 18,17 115, 127, 131, 133, 138, 211, 276, 304 18,18–25 169 18,18 128, 130f., 138, 152, 160, 304
18,19–24 18,19–23 18,19–21 18,19 18,20 18,21 18,22f. 18,22 18,23 18,24 18,25–27 18,25
18,26 18,27 18,28 18,32 18,33–37 18,36f. 18,37 19–21 19 19,2–22 19,4 19,9 19,14f. 19,14 19,15–27 19,21f. 19,24 19,25–27 19,25 19,26 19,27 19,30 19,31–35 19,33 19,34f. 19,34 19,35
19,36 19,37
127, 136f., 139 126f., 129, 131 275 133 104, 131 131–134, 139, 140, 187, 238 139 128 131, 139 126f. 126–128, 136, 152, 276 5, 115, 127f., 130–133, 138, 139, 211, 276, 278, 304 128, 131, 132, 136 115, 127, 131f., 138, 276, 278, 304 137 129 246 132 130, 286 246 141 250 137 264 246 120, 267 246 259 284 3, 5, 11, 108, 127, 133, 239, 247f., 263 257, 276 160 110 110 110 120 3, 10, 181, 263, 288, 295 151 33, 37, 55f., 83, 110, 121, 131, 133, 147, 152, 156, 177, 287– 291, 296 120, 130, 284 284
Stellenregister (Fortsetzung Johannes) 19,38–41 258 19,38 258 19,39–42 258 19,39f. 255 19,39 150, 248–250, 259 19,40 141 19,42 141 20f. 237 20 121, 133, 140, 144f., 152f., 157, 177–181, 187, 238, 243, 274, 283 20,1–10 78, 140–148, 240f., 285 20,1–9 16 20,1–8 4, 155 20,1f. 3, 141, 146–148 20,1 141f., 144, 147 20,2–11 134 20,2–10 11, 144 20,2 3, 5, 82f., 141, 146, 147, 160, 257f., 278, 288, 291 20,3–10 141, 143f., 145–148, 155, 184–186, 234, 257, 281, 311 20,3–9 276 20,3f. 142 20,3 3, 140–142, 153 20,4 3, 141f., 147 20,5–7 141, 256 20,5 82, 141f., 144f., 147, 246 20,6f. 144, 182 20,6 82, 141f., 153 20,7–9 145 20,7 141, 143, 147f., 251, 283, 285 20,8f. 281 20,8 3, 82f., 115, 121, 141, 143–145, 148, 152, 156, 170, 181, 186, 188, 263, 274, 277f., 281, 283, 285, 288– 291, 300 20,9 10, 120, 143–145, 148, 154, 182, 241, 277, 290 20,10 140, 142, 148 20,11–18 3, 141, 144, 270 20,11 140 20,12 141, 147
20,13 20,14 20,15–17 20,16 20,17 20,18 20,19–29 20,19–23 20,19 20,20 20,21–23 20,21f. 20,21 20,23 20,24–29 20,24–28 20,24f. 20,24 20,25 20,27f. 20,27 20,28–31 20,28 20,29 20,30f. 20,30 20,31 21
21,1–21 21,1–14
21,1 21,2f.
365 141, 257 141, 144, 151, 257f. 246 258 239 140f., 151, 261 10 141, 144, 275 140, 258f. 141 180, 241 151 158, 171, 180, 233, 305f. 34, 108f. 140f., 234, 252 243 251 83, 102, 104, 147, 158, 239 141, 144, 152, 163, 252, 276, 283 299 141, 283 179 152, 252, 276, 283, 298 100, 108, 141, 144, 178 10, 88f., 140f., 152, 173, 177, 235, 286, 296 18, 144, 149, 178f., 286f. 100f., 134, 141, 240, 253, 267, 278, 290 3, 4, 10f., 13, 14, 16– 18, 20–23, 30f., 33, 38, 41, 43, 74, 76, 78, 88f., 109, 141, 143f., 145, 148–150, 152, 156, 157, 158, 161, 163– 169, 171–188, 230f., 235, 238, 240, 274, 276f., 292f., 297, 299, 301, 305, 311 281 5, 76, 89, 149–175, 180, 275, 279, 297, 299, 306, 311 150–153, 156, 167, 178 301
366
Stellenregister
(Fortsetzung Johannes) 21,2 85, 92, 150, 152f., 158, 163, 167, 179, 181, 238, 252, 291 21,3–14 261 21,3–11 181, 184, 186 21,3–6 155 21,3f. 167f. 21,3 150, 151, 153, 166f. 21,4 150, 156, 167, 171 21,5f. 153 21,5 166–168, 170, 181 21,6 151–153, 156f., 159, 165–168, 170, 181, 285 21,7f. 171 21,7 3, 5, 83, 121, 128, 142f., 145, 147, 148, 150, 152f., 155–157, 159f., 164, 167f., 170f., 179, 182, 185f., 188, 246, 263, 279, 281, 285, 288–291, 299, 301, 305, 307 21,8–14 155 21,8 150, 151, 159, 165f. 21,9f. 151 21,9 10, 76, 150, 151, 152, 159f., 165f., 169f., 181, 304 21,10 152f., 159, 165f., 168 21,11 4f., 151–153, 157–159, 165f., 168, 176, 181, 301, 312 21,12f. 181 21,12 151, 156, 168, 170, 303 21,13 10, 76, 151, 159, 165f., 169 21,14 149f., 152, 156, 178 21,15–24 182 21,15–23 149–175 21,15–22 142, 151, 157, 163, 304 21,15–20 212 21,15–19 31, 44, 155, 289 21,15–17 5, 11, 13f., 21, 26f., 29, 31, 34, 44, 46, 76, 90, 125, 149f., 152, 156, 157–159, 160, 162, 165, 167, 169, 171– 173, 176, 178–181, 183–185, 187, 211,
21,15
21,16f. 21,16 21,17 21,18–23 21,18–22 21,18f.
21,18 21,19–23 21,19–22 21,19
21,20–24 21,20–23 21,20–22 21,20f. 21,20
21,21–24 21,21–23 21,21 21,22–24 21,22f. 21,22
21,23 21,24–29 21,24f. 21,24
21,25
281, 297, 299–303, 305–321 76, 94, 125, 149, 154, 160f., 163, 169, 296, 301f., 307 302 160f., 301 139, 154, 160f., 168, 301, 319 11, 24, 162 76, 185, 187 5, 31f., 117f., 152, 154, 156, 161, 162, 169, 172, 182, 185, 187, 300, 304f., 307f., 310 94, 110, 153 152, 162 150, 185, 187 37, 88, 154, 155, 163, 164, 182, 184, 186, 244, 287 289, 321 231 5, 130, 147, 169, 182, 231, 263, 281, 299 155, 163, 187, 291 3, 33, 151f., 154–157, 160, 163–165, 169, 173, 261, 274, 289 3 303, 307 155, 157, 185, 304 155 151, 157, 314 34, 88, 89, 154–156, 163f., 182, 184, 186, 239, 274, 279, 287, 289 154, 163, 178, 185, 239 152 149, 156, 177, 179, 181f., 286 3, 55f., 69, 83, 100, 115, 131, 143, 149, 151, 154, 156f., 164, 178, 181f., 187f., 239, 263, 279, 287–289, 291f., 296, 298f. 149, 177, 178, 287, 296, 298
367
Stellenregister Apostelgeschichte (ganze Schrift) 29 1–5 213 1,1 298 1,8 213 1,13 206 1,20 287 1,21–26 206 1,21f. 21, 204, 214 2,25–28 143 2,32 214 3,1–11 210 3,1–10 213 3,19 151 4,11 222 4,13–21 210 4,13 213 4,19 213 5,29 213 7,42 287 8,14–17 213 8,14 210 9–11 213 9,4 210 9,35 151 10,1–11 213 10,18 213 10,40f. 275 10,44f. 213 11,21 151 14,15 151 14,22 211 15 213 15,7–11 213 15,19 151 15,32 211 15,41 211 18,9 205 18,32 211 20 173 20,17 172, 306 20,28–30 172, 306 20,28f. 306 20,28 152, 172, 306f. 20,29 306 22,7 210 24,5 226 26,14 210 26,18 151 26,20 151
27,24 28,27
205 151
Römerbrief 1,11 9,32f.
211 222
1. Korintherbrief (ganze Schrift) 29 1,12 93 3,22 93 9,5 21, 93 9,7 152 15,5 93 Galaterbrief (ganze Schrift) 1,18 2,9 2,11 3,10
29 93 93, 161 93 287
Epheserbrief 2,20 4,11
220 306, 314
Philipperbrief 3,4
287
Hebräerbrief 9,19 13,20
287 306
1. Petrusbrief (ganze Schrift) 1,1 2,4 2,6–8 2,25 5,1–4 5,1 5,2–4 5,2f. 5,2 5,4
31 314 222 222 172 306 173, 306 172 306f. 152, 172 306
2. Petrusbrief (ganze Schrift) 31
368
Stellenregister
1. Johannesbrief (ganze Schrift) 9 1,1–3 252 1,10 282 1,11 287 2,18f. 14, 99 2,20 100 3,5 287 4,16 100
6 9f. Judasbrief 12 Apokalypse 1,2 1,3 1,11 22,7 22,18f.
3. Johannesbrief (ganze Schrift) 14
10 10, 313
152 288 286 286 286 286
2. Literatur des antiken Judentums 2.1 Schriften aus Qumran Hodajot 1QH 6,24-28
220
2.2 Philo von Alexandrien Quod deterius potiori insidiari soleat (ganze Schrift) 161
3. Christliche Autoren und Schriften der Antike 1. Clemensbrief (ganze Schrift) 29 Petrusevangelium (ganze Schrift) 31, 32 Petrus-Apokalypse (ganze Schrift) 31, 32 Ignatius von Antiochien Epheserbrief 2,2 313 4,1f. 313 5,1–3 313 5,2f. 313 20,2 313
Magnesierbrief 4,1 313 Eusebius von Caesarea Historia ecclesiastica III,31,3 315 V,24,3 315 V,24.16 315 Cyprian von Karthago De ecclesiae catholicae unitate 4f. 315 8 315
Register der Autorinnen und Autoren Achtemeier, J. P. 1, 194f., 201 Adolph, A. 315f. Agourides, S. 34, 42, 153, 168 Albright, W. F. 220 Alkier, S. 53, 62 Allison, D. C. 220, 223, 225 Anderson, P. N. 101, 106, 107, 108f. Bachorz, S. 66, 70f. Backhaus, K. 56f., 82f., 91 Ball, D. M. 54, 106 Barrett, C. K. 107, 111, 120, 136, 177f., 238, 240, 245, 247f., 251, 254, 257f., 267, 270, 275 Bauckham, R.J. 1, 60, 234, 294, 314 Beasley-Murray, G. R. 249 Beck, D. R. 87, 236, 243, 256, 262, 267–270, 272f. Becker, J. 20, 29f., 36, 43, 45, 84, 90, 96, 123, 190, 204, 214, 265, 285, 302, 305 Benedetti, M. 220 Bennema, C. 28, 39–41, 46, 56, 59, 72, 100, 153, 243, 265, 270 Berger, K. 53 Berglar, P. 7 Betz, H. D. 232 Beutler, J. 115, 123f. Bévenot, M. 315f. Black, C. C. 202 Blaine, B. B. 6, 8, 45, 90, 113, 118, 121, 132, 153, 155, 158, 168 Blank, J. 220f., 312, 319 Blaskovic, G. 164, 170 Blinzler, J. 293f. Bockmuehl, M. 20, 32, 86, 189, 220 Boer, M.C. de 49, 64f. Böttrich, C. 20, 28, 44 Bovon, F. 205, 209f. Breck, J. 157, 166–168, 182, 184 Brodie, T. L. 77, 135, 156, 161, 177, 292, 298
Brown, J. 222, 227 Brown, R. E. 6, 13–15, 16f., 22, 24, 27, 35f., 37, 43, 45, 47, 53, 61, 88, 107, 108, 133, 135, 137, 141, 146, 154f., 158, 161f., 166f., 171–173, 193, 201f., 205, 211f., 216, 218, 228, 232–234, 246–248, 250, 258f., 266f., 277f., 285, 309f. Brownson, J. V. 129 Bruckner, R. 53 Bultmann, R. 8–11, 16, 30, 33, 41, 45f., 53, 74, 78, 94, 96, 118, 123, 137, 153, 165, 171, 176, 180f., 232, 242, 245, 247, 250, 255, 258, 267, 270, 272, 278, 292, 304f. Burnett, F. W. 67f., 197 Busse, U. 59, 76, 120, 126, 143, 150, 153, 162, 170, 179, 285, 290 Bockmuehl, M. 20, 32, 86, 189, 220 Canning, J. 318 Cassidy, R. J. 30f., 41, 42, 44f., 191f., 195–197, 210, 213, 220, 222, 308 Charlesworth, J. H. 256 Chatman, S. 50, 66, 67, 68 Chennattu, R. M. 83f., 90, 154, 164, 237, 240, 245 Claussen, C. 44, 158, 163 Collins, R. F. 86, 100, 235f., 242, 245, 250, 252, 266, 270, 272, 276 Conway, C. M. 236 Cornils, A. 53, 70 Craig, W. L. 146 Cullmann, O. 20, 22, 26, 43, 92, 220, 309f. Culpepper, R. A. 15, 38, 48, 52–54, 57–60, 66, 68, 69, 119, 151, 158f., 162, 179, 235f., 242f., 248, 250f., 256, 261f., 267, 269f., 273 Dauer, A. 74, 76, 134, 136, 137, 146 Davies, W. D. 220, 223, 225f.
370
Autorenregister
de Boer, M. C. 49, 64f. de Jonge, M. 50, 55, 144, 235, 249f., 253, 261, 262 Dettwiler, A. 99, 123 Diefenbach, M. 7 Dietrich, W. 204–206, 208, 212, 214 Dietzfelbinger, Ch. 74, 99, 121, 132, 159, 230, 295 Dodd, C. H. 86, 88f., 94, 104, 123 Doering, L. 28 Domeris, W. R. 100, 105, 106 Donfried, K. P. 22, 43, 154, 166, 171, 193, 201, 203, 205, 210f., 216, 218, 228, 246, 309f. Dowell, T. M. 295 Droge, A. J. 107, 130 Dschnulnigg, P. 3, 7, 27, 36, 38, 41, 44, 116, 124, 144, 159, 176, 190f., 194, 197f., 200–204, 209f., 218, 220, 226f., 242, 244, 247, 250f., 260f., 269f. Dunderberg, I. 78, 91, 95, 100, 107, 109 Dunn J. D. 315f. du Rand, J. A. 120, 236 du Toit, D. S. 53, 195, 197, 199, 299 Ebner, M. 53, 63, 66, 70 Egger, W. 53, 70 Eisen, U. 58–50, 53, 65f. Elliott, J. H. 1 Ellis, P. F. 81, 131, 158, 176–178, 182, 186 Ernst, J. 205, 209 Evans, C. A. 199 Fander, M. 191f. Feldmeier, R. 229 Ferrara, F. 67 Ferreira, J. 88, 233 Farelly, N. 54, 116, 237, 246, 260, 273–275 Fiedler, P. 215, 218 Finnern, S. 48f., 52–54, 56, 58f., 61, 63, 65f., 68, 71, 119 Fitzmyer, J. A. 168, 203, 205, 210, 213f. Floryszczak, S. 316 Fowler, D. 55 Fortna, R. T. 124, 139, 168f.
Frey, J. 8f., 11, 18, 50f., 58–61, 73–78, 82, 97, 99, 110, 116, 118, 134, 147, 176, 178, 188, 248–256, 265, 294, 298f. Franzmann, M. 164, 178, 186 Frohnhofen, H. 317 Frye, R. M. 18 Gadamer, H.-G. 60, 309 Gaechter, P. 160 Gaventa, B. R. 157, 177f., 181 Genette, G. 50, 62, 63, 175 Gewalt, D. 20–23, 204f., 214f., 218, 226 Gillmayr-Bucher, S. 62 Gloer, W. H. 236, 248f. Glombitza, O. 159, 162, 205 Gniesmer, D.F. 53, 57, 59, 237 Gnilka, J. 21, 26, 36, 44, 159, 191f., 216, 220f., 311, 319 Gräßer, E. 183, 191, 229 Grappe, C. 20, 31, 32, 42, 191, 216, 219f., 226 Green, J. B. 205, 209, 212 Gregory, A. 146 Greimas, A. J. 70, 71, 119 Grundmann, W. 209, 215, 218, 220 Günther, M. 313 Haenchen, E. 9, 143, 153 Häfner, D. 56f. Hahn, F. 22, 81, 85, 88, 91, 92, 94, 105, 194, 198, 245, 298 Haldimann, K. 19, 61 Harnack, A. v. 34 Harrison, S. J. 55 Hartenstein, J. 39, 41–43, 56, 132, 155 Hartman, L. 150, 178 Harvey, W. J. 72 Hasler, A. B. 318 Hasitschka, M. 151 Heckel, Th. K. 78, 149, 159, 167, 171f., 284, 289, 292, 297f. Heckel, U. 29, 36, 160f., 162, 173, 300, 302, 305–308, 312, 314 Heininger, B. 53, 63, 66, 70 Henderson, S. W. 191, 201 Hengel, M. 7, 9, 20, 28, 74, 77, 105, 239, 294, 297f. Herzer, J. 1
Autorenregister Hoegen-Rohls, Ch. 59f., 239 Hoffmann, P. 217, 219f., 222 Hofius, O. 252f., 257 Horrell, D.G. 1 Hose, M. 56 Hünermann, P. 319 Iser, W. 51, 56f., 309 Jannidis, F. 66, 68 Jenal, G. 316 Käsemann, E. 16, 35, 232 Kammler, H.-C. 294 Karrer, M. 228 Karrer. O. 159, 300 Kempf, F. 318 Kieffer, R. 74 Kingsbury, J. D. 216, 218, 228 Kirchschläger, W. 192 Klauck, H.-J. 36, 116, 136, 200, 233, 260 Klein, H. 151 Klinger, M. 164, 178, 186 Klink, E. W. 60, 234 Knoch, O. 1 Koch, H. 315 Koet, B. H. 253 Kohler, H. 114, 124 Konradt, M. 220f. Korting, G. 176, 178 Kowalski, B. 35, 157, 179, 181, 303 Krafft, E. 98, 242, 247 Kragerud, A. 33, 34, 36, 41, 42, 44, 92, 128, 137, 142, 181, 178, 300, 308 Kristeva, J. 62 Kügler, J. 55f., 78, 111, 114, 116, 312 Kühn, U. 159, 319 Kümmel, W. E. 294 Labahn, M. 73f., 96, 98, 103, 168, 174 Landwehr, J. 55, 60 Lang, M. 19, 73, 94, 135f., 141, 143, 146–148, 168, 174 Lapham, F. 31f., 41 Leipold, H. 319f. Link, H. 51 Lorenzen, T. 83 Ludwig, H.-W. 66f., 70–72 Luther, M. 312
371
Luz, U. 25, 171, 218, 221, 224–229 Mann, C. S. 220 Mahoney, R. 93, 146 Martyn, J. L. 57, 233f., 270 Maynard, A. H. 34f., 37, 43, 47 McDonald, D. R. 77 Meeks, W.A. 35, 233 Meyer, A. 50, 83–85, 87, 89, 240 Minear, P. S. 143, 157, 177f., 181 Mlakuzhyil, G. 99 Moloney, F. J. 15f., 41, 49, 53, 61, 83f., 100, 112f., 116, 133, 144f., 176f., 179, 182, 190, 193, 195, 244, 253– 256, 258, 265, 293 Moore, S. 49, 58 Moyise. S. 62 Mußner, F. 1, 99, 159, 162, 300 Müller, B. 315 Müller, C. 53 Müller, G.L. 319 Myllykoski, M. 146 Nau, A. J. 216–218, 221f., 224–227 Neirynck, F. 77, 82, 136f., 145–147, 151, 154, 166f., 263 Nicklas, T. 53, 58, 71, 84, 87f., 236, 237, 245, 248–250, 262, 267–269, 271f. Nünning, A. 55 Obermann, A. 284 O’Day, G. R. 262, 264, 266 O’Grady. J. F. 234 Öhler, M. 117, 303 Onuki, T. 60, 121–124, 233, 241 Olsson, B. 266 Orth, B. 220 Painter, J. 303 Paulsen, H. 313 Pedersen, S. 287, 289 Pennington, K. 318 Perkins, P. 26f., 44, 159, 278, 319 Pesch, R. 7, 23–26, 29, 44, 45, 165, 166, 190, 198f., 201, 203, 209, 215f., 224, 226, 228, 308f., 311 Petersen, M. P. 92 Pfister, M. 66f., 71f.
372
Autorenregister
Pfitzner, V.C. 50, 156, 169, 176, 178, 180 Popkes, E. E. 35 Poplutz, U. 53f., 226f. Popp, Th. 50, 53, 96–98, 100–103, 106 Porter, S. E. 77 Quast, K. 6, 35–37, 44–47, 90, 161 Radlbeck-Ossmann 320 Reim, G. 187 Reinhartz, A. 63 Rengstorf, K. H. 232 Resseguie, J. L. 128, 132, 150 Reumann, J. 22, 166, 171, 193, 201, 203, 205, 210f., 216, 218, 228, 246, 309f. Rimmon-Kenan, Sh. 39, 50, 67f., 71, 72 Rissi, M. 159 Roloff, J. 25, 35, 232 Roose, H. 62 Ruckstuhl, E. 35, 155, 157, 159, 163, 176, 303 Sabbe, M. 76f., 124, 132, 136, 139f. Sand, A. 218, 227 Sanders, W. 92 Schatz, K. 318 Schenke, L. 78, 99f., 102f., 121, 177, 264, 285, 294, 295f. Schimmelpfenning, B. 317 Schlatter, A. 220, 285 Schmidt, D. H. 1 Schmidt, K.M. 192, 195–198, 200–202 Schmitz, T. 55, 62 Schnackenburg, R. 11f., 13, 43, 47, 90, 94, 99, 105, 107, 123f., 126, 129, 155, 159f., 177, 215, 217, 221, 226f., 232, 238, 240, 245, 247–249, 251, 253, 255, 258f., 267, 269, 285, 311 Schneider, G. 205, 209, 211 Schneiders, S. 177, 180 Schnelle, U. 50, 60, 74, 76, 88, 102, 122f., 137, 139, 146, 159, 232, 246, 248f., 253, 255f., 258, 267, 269, 282, 285 Schoedel, W. R. 313 Scholtissek, K. 48, 50, 62–64, 73, 234, 239f., 282, 284, 286, 294
Schweizer, E. 163, 216, 224–226, 232 Segovia, F.F. 49f., 54, 162, 177, 179, 235, 238 Shellard, B. 146 Siker-Gnieseler, J. 234, 236, 239, 273f. Simon, L. 36f., 44, 47, 132 Smith, D. M. 9 Smith, T. V. 9f., 31, 43, 104, 192, 194, 196–198 Snyder, G. F. 31, 34, 35, 43, 107, 115 Söding, Th. 36, 139, 144, 146, 157– 159, 162f., 178, 180, 182, 287, 291, 298, 312 Sohm, R. 34 Spencer, P. E. 151, 160, 163, 178 Staley, J. L. 51f., 84, 176 Stare, M. 99 Stauffer, E. 295 Stegemann, E. 193 Stibbe, M. W. G. 15, 19, 57, 59, 97, 128, 130f., 150, 163, 176, 178f., 248f., 251, 255, 267, 271, 303 Stimpfle, A. 37, 43, 47, 53, 177, 181, 250, 274 Stirnimann, H. 319f. Stockmeier, P. 317 Strahtmann, H. 200 Strecker, G. 226, 228 Studenovský, Z. 166, 168, 173, 294 Syreeni, K. 68, 215f., 219, 222, 224, 227 Talbert, C. H. 113, 177, 206, 248, 254, 264, 267 Theobald, M. 64, 99, 129, 282, 284 Thiessen, W. 313 Thomas, J. C. 110, 115, 124 Thyen, H. 9, 15–19, 33, 41, 44, 45, 49– 52, 58f., 60f., 64, 76–78, 89, 106, 113, 116, 121, 143, 146, 149, 166, 169, 171, 173, 177f., 181, 238, 245, 248f., 251f., 258f., 264–266, 269– 271, 275, 297, 308 Tolmie, D.F. 48, 68, 111, 115, 117, 119, 132f., 179, 235f., 276 Tovey, D. 57 Trebilco, P. 234, 312f. Trilling, W. 221, 228, 300 Trobisch, D. 289, 292, 298 Trudinger, P. 180
Autorenregister Utzschneider, H. 65, 309 van Aarde, A. G. 55 van Merve, D. G. 233 Vellanickal, M. 235, 240 Vogler, W. 260f., 295 Vögtle, A. 1, 294 Vorster, W. S. 132, 177f., 197, 199 Vouga, F. 74f. Weder, H. 49, 65 Wehr, L. 227, 229 Welck, C. 177, 181, 241, 251–253, 274 Wengst, K. 35, 93, 100, 107 Wenz, G. 320
373
Wenzel, P. 48 Weß, P. 323 Wiarda, T. 28, 41, 46, 59, 61, 63, 192, 194f., 197, 204–206, 210, 214 Wiefel, W. 204, 208f., 221 Wilckens, U. 29, 85, 146, 153, 159, 246–249, 258, 267, 285, 305, 311, 314, 320 Wilkins, M. J. 218, 224, 227 Windisch, H. 287, 293f., 296, 297 Wolter, M. 151, 204f., 207–210 Wucherpfennig, A. 144, 286 Zumstein, J. 62f., 69, 89, 181f., 184, 286, 288, 296
Sach- und Personenregister Adressaten – des MtEv 224 – des MkEv 199, 208 – des JohEv 78, 83f., 89, 100, 102f. 117, 121, 123, 125, 131–133, 140, 142–145, 152, 157, 182, 240, 244, 266, 276f., 291 Adressatenlenkung 64, 72, 83f., 87, 91, 100, 102, 117, 120, 123, 131–133, 142–145, 244, 246, 266, 277 s.a. Leerstelle Amt 7, 24–27, 34, 36, 38, 161, 307 – als Gemeindeleitung 29, 157, 162, 164f., 173, 302–304, 306–308, 312– 314, 316, 320 – Petrusamt/Petrusdienst 24, 202, 300, 319 – Sukzession 26, 29, 311 s. a. Primat(sanspruch) Andreas 3f., 21, 24, 81, 84–90, 92, 96, 98, 107f., 139, 163f., 167, 186, 190f., 193, 204, 206, 216f., 229, 238, 241, 243f., 253, 261f., 275f., 288 Blindgeborener 269–271, 273, 275 Charakterisierung 38–40, 54, 66–79 Christologie – im MtEv 219 – im MkEv 190, 193–196, 201– 205, 207f. – im JohEv s. Johannesevangelium: Themen – christologische Ekklesiologie 88, 92, 95, 121f., 232, 256, 258, 301 – christologische Hoheitstitel 81, 88, 95, 100f., 105–107, 205, 218f., 271 Diachronie s. Synchronie und Diachronie
Einheit s. Johannesevangelium Themen: Einheit der Glaubenden und Einheit von Vater und Sohn Exegese – und Ökumene 7, 14, 20, 22 Fiktionalität 55–58, 63, 68f. Gelähmter 268f., 273 Gemeindeleitung s. Amt Glaube 88f., 97, 100, 104, 107, 144, 150, 235, 245f., 249, 252, 256, 259, 262, 275f. Gregor der Große 316 Gregor VII 317 Gregor VIII 318 historisch-kritische Methoden s.a. narrative Analyse Horizontverschmelzung 60, 92f., 95, 233, 273 Impliziter Autor 49, 51f., 58f., 78, 227, 235 Impliziter Leser 49, 51f., 58f., 78, 227, 235, 237, 257 Innozenz III 317f. Intertextualität 19, 62 Johanneische Gemeinde 13f., 31, 35, 43, 89, 95, 104, 109, 116, 133, 163f., 233f., 237, 268, 277, 283f., 303f., 307, 314 – Verhältnis zur „Großkirche“ 12, 14, 23, 35–37, 43f., 47, 78f., 234, 277 Johannes der Täufer 81, 83, 86, 91f. Johannesevangelium – Einheitlichkeit 16–18, 176f. – hermeneutischer Anspruch 115, 121, 140, 143, 145, 148, 157, 184, 288– 291, 296, 299 – Literarkritik 8–12, 16f.
376
Sach- und Personenregister
– Redaktion 9–12, 16f., 30, 41, 165f. – Themen – Christologie 69, 76, 91, 99, 106, 109, 120–122, 125f., 140, 158, 253, 255–257, 264, 267f., 270f., 295, 298 – Einheit der Glaubenden 152, 158, 161 – Einheit von Vater und Sohn 100f., 106, 109, 135, 255f., 270, 282 – Ekklesiologie s. Christologie: christologische Ekklesiologie – Mission s. Mission – offenbarungstheologischer Anspruch 121, 124, 133–135, 140, 145, 156 – Selbstverständnis als Schrift 282– 300 – Vorherwissen Jesu 52, 90, 94, 97, 99, 104, 111, 116, 119, 123, 127, 129, 152, 183f., 246, 253, 261, 263, 265f., 268, 301 304f. – Verhältnis zu den Synoptikern 10, 19, 36, 39, 41, 43, 73–78, 91–95, 103– 109, 122–125, 134–140, 145–148, 166–175, 285–287, 289, 291–299 Josef von Arimathäa 249, 250, 258f. Judas 2–4, 98f., 102–104, 106f., 109, 111–116, 118–123, 125, 127–130, 132–135, 138, 183f., 198, 206, 228, 234, 235f., 239, 249, 252, 259–262, 273, 275, 291 Juden 13, 71, 75, 96f., 103f., 236f., 245, 248f., 255, 262, 269f. Jünger(schaft)/Nachfolge – im MtEv 216–218, 222, 224–228 – im MkEv 190f., 194–196, 198f., 201 – im LkEv 205, 210, 213 – im JohEv 82, 90, 93, 97–99, 101, 110, 117–120, 127, 130–134, 136– 138, 140, 145, 150f., 154, 157, 163– 165, 182–188, 190f., 232–274, 282, 303–305, 308 s.a. Zwölferkreis Jüngerunverständnis 4f., 83, 113f., 116–119, 121, 125, 132, 136, 184f., 194–196, 198, 202, 207f., 218, 222, 226f., 241, 243, 224, 251, 266, 270, 274–277, 280, 290 königlicher Beamter 266f., 273, 283
Lazarus 3, 56, 142, 160, 238, 253, 256f. Leerstelle 51, 72, 81, 84, 90, 118, 153, 186, 262, 276 Leserlenkung s. Adressatenlenkung Leo der Große 317 Lieblingsjünger 12, 82f., 90, 121, 125, 128, 133f., 138, 147, 155–157, 181f., 187, 234, 236, 239, 243, 247, 252, 262f., 272, 279–281, 283, 285, 287– 291, 295, 299f., 315 s.a. Petrus-Figur: Verhältnis zum Lieblingsjünger Literarkritik 65 s.a. Johannesevangelium Literary Criticism 49 Maria (aus Bethanien) 3, 254–257, 260, 273 Maria Magdalena 3, 39, 140f., 144– 148, 238, 257f., 261 Maria (Mutter Jesu) 11, 39, 236, 242, 246–248, 263 Marta 3, 4, 107, 238, 252–254, 256f., 261 Mission – im MtEv 217, 226 – im MkEv 190–193, 201 – im LkEv 204–206, 208f., 211, 213f. – im JohEv 85, 89f., 93, 95, 157, 261, 265 narrative Analyse/Narratologie 15f., 30, 39–41, 48–79, 237 – Verhältnis zu historisch-kritischen Methoden 15, 28, 40, 48–79 Nathanael 3, 81, 82, 84–87, 150, 152f., 163, 178, 238, 245f., 248, 253, 262, 273 New Criticism 49, 58, 63, 308 Nikodemus 248–251, 258f., 262, 265, 273 Ökumene – und Exegese s. Exegese Petrusamt/Petrusdienst s. Amt Petrus-Figur 130 – als exemplarischer Jünger 2, 21, 27, 228, 274–277, 280f.
Sach- und Personenregister – als Sprecher/Repräsentant der Jünger 229 – im MtEv 218–220, 222–228 – im MkEv 193, 195–198, 201f. – im LkEv 203–205, 207–209, 213 – im JohEv 4f., 12f., 20, 98f., 102, 114f., 136, 153, 183, 275 – Verhältnis zum Lieblingsjünger 4–7, 12f., 16, 21, 23f., 27–29, 42–45, 92, 114–116, 119, 120, 121, 124, 128, 130, 133f., 140–145, 148, 155, 163– 165, 169, 187, 231, 234, 274–279, 281, 295, 299f. – Wirkungsgeschichte 1f., 33 s.a. Primat petrinische Theologie 29, 32 Petrus und Paulus 1, 29, 33, 211, 214 Philippus 82, 84f., 87, 89, 92, 96, 98, 163, 186, 238, 244f., 261, 273, 275f. Pius II 318 Pius IX 318 Plot 30, 38, 54, 67, 69f., 183 Primat(sanspruch) 1, 7, 24–27, 38, 42, 309f., 315–320 Realer Autor 58 Redaktion s. Johannesevangelium
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Rezeptionsforschung/Reader-ResponseCriticism 51, 72 – Rezeptionsästhetik 51, 309 – Rezeptionsgeschichte 51, 309 Samaritanerin 40, 107, 263–266, 271, 273, 283 Synchronie 15, 18, 30, 38 – Synchronie und Diachronie 19, 45– 53, 59, 61–66, 72–79, 174, 235 Sukzession s. Amt Textwelt 57–60, 68 Thomas 3, 39, 114, 144, 146, 152f., 163, 178, 238f., 251f., 256, 274– 276, 283f. Vaticanum I 318 Vaticanum II 319 Vorherwissen Jesu s. Johannesevangelium: Themen Wirkungsgeschichte s. Petrus-Figur Zwölferkreis – im MkEv 193, 195 – im LkEv 204 – im JohEv 97–99, 101–104, 106, 158, 183, 234, 238–240, 252, 275
Register griechischer Begriffe ajgapavw 160, 162 aJgiavzw 105 ajkolouqevw 83, 87, 117, 130, 132, 141, 150, 154, 163f., 186, 198, 216, 235, 240 ajkouvw 87, 240, 284
kalevw 94 Khfa'~ 4, 20, 33, 86, 93f. kovlpo" 115, 263, 288 kuvrio" 114, 170, 205, 223, 264, 268, 271 lovgo" 135, 286
biblivon 286f. bivblo" 287 bovskw 161
maqhthv" 102, 132, 237, 239f. mevnw 83, 87, 164, 235, 238, 240
gogguvzw 97 grafhv 143, 284, 287 gravfw 286f.
nuvx 116
dei' 194 diavbolo" 98, 101, 104, 111, 124, 259– 261 diazwvnnumi 150, 151, 153, 305 dwvdeka 234, 239
Pevtro~ 4, 33, 93, 190, 193, 197, 203, 215–217, 224 pomaivnw 161 prw'ton 86, 206 prw'to~ 95, 217
e{lkw 151, 153, 157 ejpistavta 205 ejpitimavw 194 e[rcomai 87, 240 euJrivskw 87, 240, 285
rJabbiv 196
zhtevw 235 zwhv 99
oJravw 87, 164, 235, 240
satana'~ 103, 124, 194 Sivmwn 33, 94, 189f., 197, 203, 210, 215, 223 soudavrion 141f., 147, 251, 256, 283, 285 filevw 160, 162
qeavomai 235 cristov" 101 ÆIoudai'oi 96f., 99, 116