Das Johannesevangelium 9783666516382, 9783525516386


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German Pages [795] Year 2015

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Das Johannesevangelium
 9783666516382, 9783525516386

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Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament Begründet von Heinrich August Wilhelm Meyer herausgegeben von Dietrich-Alex Koch

Band 2 Das Johannesevangelium

Vandenhoeck & Ruprecht

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Das Johannesevangelium

übersetzt und erklärt von Jean Zumstein

1. Auflage dieser Auslegung

Vandenhoeck & Ruprecht

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Der Theologischen Fakultät der Universität Zürich als Zeichen der Dankbarkeit (1990–2010)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-51638-2

Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de

© 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, 37073 Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co KG, Lemförde

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Vorwort zur deutschen Ausgabe Das 1941 erschienene Werk meines Vorgängers in der Reihe, Rudolf Bultmann, setzte sich als der bedeutendste Johanneskommentar des 20. Jahrhunderts durch und ist zu einem Klassiker der neutestamentlichen Wissenschaft geworden. Dieses exegetische Meisterwerk verband auf einzigartige Weise hermeneutische Reflexion, theologische Arbeit und historisch-kritisches Wissen. Auch wenn die exegetischen Hypothesen von Bultmann in Bezug auf die primitive Ordnung des Textes, die Quellenlage und die religionsgeschichtliche Einordnung nicht mehr aktuell sind, bleibt sein Kommentar ein verbindliches Beispiel für jeden Ausleger des vierten Evangeliums. Die deutsche Fassung des von Charles Kingsley Barrett abgefassten Kommentars, der 1990 als Sonderband der Reihe veröffentlicht wurde, zeichnet sich seinerseits durch seine philologische Gelehrsamkeit, seine sorgfältige historisch-kritische Arbeit sowie durch eine neue Bewertung des Verhältnisses zwischen Johannes und den Synoptikern und der religionsgeschichtlichen Parallelen aus. Diese neue Auslegung des vierten Evangeliums hat keineswegs den Anspruch, die Werke der hoch angesehenen Vorgänger zu ersetzen, sondern der heutigen forschungsgeschichtlichen Situation Rechnung zu tragen. Einerseits stellen sich die klassischen Probleme der johanneischen Forschung (Textkritik, Literarkritik, Religionsgeschichte, Geschichte des Judentums und des Urchristentums) auf eine neue und andere Weise. Anderseits ist auch die hermeneutische Frage durch den Aufschwung der Literaturwissenschaft und die neuere Entwicklung der Geschichtswissenschaft neu zu bedenken. Diesen neuen kulturellen und wissenschaftlichen Kontext möchte unsere Arbeit berücksichtigen. Die erste Fassung des Kommentars wurde auf Französisch abgefasst. Sie enthielt am Ende jedes Abschnittes theologische Zusammenfassungen, die in der deutschen Fassung aus Platzgründen nicht wiederaufgenommen worden sind. In der bersetzung des Johannestextes signalisiert das Zeichen (), dass die in Klammern gesetzten Wörter textkritisch unsicher sind, während das Zeichen [ ] Wörter bezeichnet, die aus Klarheitsgründen hinzugefügt worden sind. Der Kreis derer, denen ich zu danken habe, ist grofl. Zuerst hat der schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung mein Projekt „Das Johannesevangelium als literarisches Kunstwerk“ groflzügig unterstützt und auf diese Weise zur Entstehung des Kommentars entscheidend beigetragen. Mein Dank gilt dann dem Herausgeber der Reihe, Prof. D.-A. Koch, der mir die Kommentierung des vierten Evangeliums übertragen hat. Er hat dann den Entwurf sorgfältig gelesen und mir viele wertvolle Ratschläge gegeben. Zu danken habe ich ferner dem Verlag, sowohl Herrn Jörg Persch als auch Frau Elke Liebig für die freundliche Betreuung des Bandes. Ich verdanke sehr viel Frau Katharina VollmerMateus, die mit Talent die französische Fassung meines Kommentars ins Deutsche

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Vorwort zur deutschen Augabe

übersetzt hat. Herr Benjamin Wildberger hat die verschiedenen Entwürfe des Kommentars mit Sorgfalt und Akribie überprüft. Die theologische Fakultät der Universität Zürich, wo ich zwischen 1990 und 2010 einen Lehrstuhl für neutestamentliche Wissenschaft innehatte, stellte mir Zeit und Mittel für meine „johanneische“ Forschungsarbeit zur Verfügung. Auch die Freundschaft der Kolleginnen und Kollegen, die Mitarbeit der Assistierenden, der Dialog mit den Studierenden waren eine geschätzte Unterstützung. Ihr sei daher dieser Kommentar gewidmet. Zürich, im Oktober 2015

Jean Zumstein

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Inhalt

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Textausgaben und Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Kommentare zum Johannesevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Monographien, Sammelbände und Aufsätze . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung 1. Die Gestalt der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Originalität des vierten Evangeliums . . . . . . . . . b) Die Struktur des vierten Evangeliums . . . . . . . . . . c) Der geographische und zeitliche Rahmen der Erzählung d) Geschichte und Fiktion in der johanneischen Erzählung .

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2. Die Entstehungsgeschichte des Textes . . . . . . . . . a) Die Frage nach der literarischen Einheit . . . . . . b) Drei Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Über das klassische Modelle der Literarkritik hinaus

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38 38 40 42

3. Johannes und die Synoptiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Die johanneische Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Der religiöse Hintergrund des Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Das Entstehungsmilieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die johanneische Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abfassungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entstehungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Verfasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Die Zuschreibung des vierten Evangeliums an Johannes den Zebedaiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die pragmatische Funktion des Evangeliums . . . . . . . . . . . . .

53 53 54 54 55 55 56

7. Skizze der Theologie des Evangeliums a) Die Christologie der Inkarnation . . b) Die Christologie des Gesandten . . c) Der christologische Monotheismus . d) Soteriologie und Ekklesiologie . . .

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57 57 58 60 60

8. Die Rezeption des vierten Evangeliums in der Alten Kirche . . . . . . .

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Inhalt

Auslegung I. 1,1–18 Der Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) 1,1–5 Der Prolog im Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 1,6–13 Vom Wirken des Täufers bis zum Empfang des Logos durch die Gläubigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) 1,14–18 Von der Inkarnation des Logos bis zum Bekenntnis des Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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63 73

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II. 1,19–12,50 Die Offenbarung Jesu vor der Welt . . . . . . . . . . . . . .

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A. 1, 19–51 Die Einleitung des Evangeliums . . . . . . . . . . . . 1. 1,19–34 Das Zeugnis des Täufers . . . . . . . . . . . . . . a) 1,19–28 „Der erste Tag“: Das Zeugnis des Täufers vor der Jerusalemer Gesandtschaft. . . . . . . . . . . . Exkurs: Die „Juden“ im Johannesevangelium . . . . . b) 1,29–34 „Der zweite Tag“: Das Zeugnis für Israel . . . . 2. 1,35–51 Die ersten Jünger . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) 1,35–42 „Der dritte Tag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . ) 1,35–39 Das Zeugnis des Johannes und die Begegnung der beiden ersten Jünger mit Jesus . . . . . . . . . . ) 1,40–42 Die Berufung des Simon . . . . . . . . . . . b) 1,43–51 „Der vierte Tag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . ) 1,43–44 Die Berufung des Philippus . . . . . . . . . . ) 1,45–51 Die Berufung des Nathanael . . . . . . . . .

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89 92 96 103 106

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106 108 110 110 110

B. 2,1–22 Der Beginn der Selbstoffenbarung Jesu . . . . . . . . . . . . . 1. 2,1–12 Die Hochzeit von Kana . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 2,13–22 Der Vorfall im Tempel . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114 114 123

C. 2,23–3,36 Das Gespräch mit Nikodemus und das Zeugnis des Täufers . 1. 2,23–3,21 Das Gespräch mit Nikodemus . . . . . . . . . . . . . a) 2,23–25 Das Summarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 3,1–12 Das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus . . . . . c) 3,13–21 Der Monolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Der Titel Menschensohn . . . . . . . . . . . . . . 2. 3,22–36 Johannes der Täufer und der Gesandte Gottes . . . . . . a) 3,22–24 Die Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 3,25–30 Das Gespräch zwischen Johannes und seinen Jüngern c) 3,31–36 Der Monolog des Johannes . . . . . . . . . . . . . . . 3. 4,1–3 Postskriptum zur Taufe Jesu und zur Taufe des Johannes . .

131 131 136 137 143 143 151 155 156 158 162

D. 4,4–42 Die Offenbarung Jesu in Samarien . . . . . . . . . . . . . . 1. 4,4–6 Die Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 4,7–15 Das lebendige Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163 171 173

9

Inhalt

3. 4. 5. 6. 7.

4,16–19 Die Ehemänner . . . . . . . . . . . . . . . 4,20–26 Die wahre Anbetung . . . . . . . . . . . . 4,27–30 Ankunft der Jünger und Aufbruch der Frau . 4,31–38 Das Gespräch Jesu mit seinen Jüngern . . . . 4,39–42 Das Gespräch Jesu mit den Leuten der Stadt

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178 180 186 188 192

E. 4,43–45 Die Rückkehr nach Galiläa . . . . . . . . . . . . . . . . .

195

F. 4,46–54 Das zweite Zeichen von Kana . . . . . . . . . . . . . . . .

198

G. 5,1–47 Die eschatologische Vollmacht Jesu . . . . . . . . . . . . 1. 5,1–18 Die Heilung des Gelähmten an einem Sabbat . . . . . a) 5,1–9b Die Wundergeschichte . . . . . . . . . . . . . . . b) 5,9c–18 Das Streitgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 5,19–30 Die Offenbarungsrede des eschatologischen Richters a) 5,19–23 Die eschatologische Macht des Sohnes . . . . . . b) 5,24–30 Das eschatologische Gericht zwischen Gegenwart und Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 5,31–47 Die Zeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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204 209 211 214 219 221

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225 231

H. 6,1–71 Das Brot des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung zu Kap. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 6,1–15 Das Brotwunder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 6,16–21 Der Gang auf dem Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . 4. 6,22–59 Das Gespräch Jesu über das Brot des Lebens . . . . . . a) 6,22–24 Die Rückkehr der Menge nach Kapharnaum . . . . . b) 6,25–29 Erster Gesprächsgang . . . . . . . . . . . . . . . . . c) 6,20–33 Zweiter Gesprächsgang . . . . . . . . . . . . . . . . d) 6,34–40 Dritter Gesprächsgang . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Die Ich-bin-Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . e) 6,41–51 Vierter Gesprächsgang . . . . . . . . . . . . . . . . f) 6,52–59 Fünfter Gesprächsgang: Der eucharistische Abschnitt 5. 6,60–71 Die Wirkung der Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240 240 241 249 253 255 256 258 260 262 267 270 276

I. 7,1–52 Das Laubhüttenfest . . . . . . . . . . . . . . . 1. Literarische Analyse von Kapitel 7 . . . . . . . . . 2. 7,1–9 Vor dem Fest – Jesus und seine Brüder . . . . 3. 7,10–13 Auf dem Fest . . . . . . . . . . . . . . . . 4. 7,14–36 Die Mitte des Festes . . . . . . . . . . . . a) 7,14–24 Jesu Lehren im Tempel . . . . . . . . . b) 7,25–30 Die Messianität Jesu und die Frage seiner Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) 7, 31–36 Die Messianität und die Frage seiner künftigen Abwesenheit . . . . . . . . . . 5. 7,37–52 Der letzte Tag des Festes . . . . . . . . . . a) 7,37–39 Jesus, Quelle des Lebens . . . . . . . .

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283 284 286 291 293 293

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299

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302 306 307

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Inhalt

b) 7,40–44 Die Reaktion der Volksmenge . . . . . . . . . . . . . c) 7,45–52 Die Spaltung innerhalb der Autoritäten . . . . . . . .

310 312

[7,53–8,11: Die Ehebrecherin] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

315

J. 8,12–59 Die große Kontroverse: Jesus, Abraham und Gott . . . . . . . 1. 8,12–20 Die Gültigkeit des Zeugnisses Jesu . . . . . . . . . . . . 2. 8,21–30 Die göttliche Bestimmung Jesu . . . . . . . . . . . . . . 3. 8,31–59 Die befreiende Wahrheit und die Nachkommen Abrahams a) 8,31–36 Wahrheit und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 8,37–47 Sohn Abrahams, Sohn Gottes . . . . . . . . . . . . . c) 8,48–59 Jesus und Abraham . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321 322 328 332 337 341 347

K. 9,1–41 Die Heilung des Blindgeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 9,1–7 Erster Teil: die Wundergeschichte . . . . . . . . . . . . . 2. 9,8–34 Zweiter Teil: der Interpretationskonflikt . . . . . . . . . . a) 9,8–12 Erste Szene: Die Nachbarn des geheilten Blinden mit der Heilung konfrontiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 9,13–17 Zweite Szene: erste Anhörung des geheilten Blinden vor den Pharisäern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) 9,18–23 Dritte Szene: Anhörung der Eltern . . . . . . . . . . d) 9,24–34 Vierte Szene: Zweite Anhörung des geheilten Blinden vor der jüdischen Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 9,35–41 Dritter Teil: theologischer Schluss . . . . . . . . . . . . a) 9,35–38 Das Glaubensbekenntnis des geheilten Blinden . . . . b) 9,39–41 Streitgespräch Jesu mit den Pharisäern . . . . . . . .

354 362 365

372 376 376 379

L. 10,1–21 Der gute Hirte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 10,1–56 Die Gleichnisrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 10,7–21 Der zweite Teil der Rede . . . . . . . . . . . . . . . . .

381 387 390

M. 10,22–42 Am Tempelweihfest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 10,22–31 Die Messiasfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 10,32–39 Die Frage der Gotteslästerung . . . . . . . . . . . . . 3. 10,40–42 Jesus zieht sich auf die andere Seite des Jordans zurück

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397 400 404 408

N. 11,1–54 Lazarus kehrt ins Leben zurück . . . . . . . . . . . 1. 11,1–16 Der Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) 11,1–5 Exposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 11,6–16 Die Reise nach Bethanien . . . . . . . . . . 2. 11,17–44 Der Hauptteil: Jesus, Auferstehung und Leben a) 11,17–27 Jesus und Martha . . . . . . . . . . . . . . b) 11,28–37 Die Begegnung mit Maria . . . . . . . . . . c) 11,38–44 Lazarus kehrt ins Leben zurück . . . . . . 3. 11,45–53 Der Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) 11,45–46 Die zweifache Wirkung des Wunders . . .

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409 417 417 420 424 424 429 431 434 434

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365 367 369

11

Inhalt

b) 11,47–53 Der Beschluss, Jesus sterben zu lassen . . . . . . . . c) 11,54 Jesus zieht sich zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . O. 11,55–12,50 Das Ende des öffentlichen Wirkens Jesu in Jerusalem und dessen Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 11,55–57 Vor dem Passahfest . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 12,1–11 Die Salbung in Bethanien . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 12,12–19 Der Einzug in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . . . . 4. 12,20–36 Das Kommen der Stunde . . . . . . . . . . . . . . . a) 12, 20–28 Die Bitte der Griechen und die Antwort Jesu . . . b) 12,29–33 Die Bedeutung der himmlischen Erscheinungen . . c) 12,24–36 Gegenwart oder Erhöhung des Messias? . . . . . 5. 12,37–50 Der Abschluss des ersten Teils des Evangeliums . . . a) 12,27–43 Rückblick auf das Wirken Jesu . . . . . . . . . . . b) 12,44–50 Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

434 437

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438 438 439 445 449 452 459 462 464 464 470

III. 13,1–20,31 Die Offenbarung der Herrlichkeit Jesu vor den Seinen . . . .

474

A. 13,1–20 Die Fußwaschung und ihre Deutung . . . . . . . . . . . 1. 13,1–3 Der Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 13,4–5 Die Fußwaschungsszene . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 13,6–11 Erste Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. 13,12–17 Zweite Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . 5. 13,18–20 Erneute Ankündigung des Verrats durch Judas und Aufruf zum Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

475 482 486 487 491

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493

B. 13,21–30 Die Entlarvung des Verräters . . . . . . . . . . . . . . . .

496

C. 13,31–14,31. Die erste Abschiedsrede . . . . . . . . . . . Exkurs: Die Gattung der Abschiedsrede und ihre johanneische Rezeption . . . . . . . . . . . . Exkurs: Der Aufbau der ersten Abschiedsrede . . . . 1. 13,31–38 Einleitung der Rede . . . . . . . . . . . . 2. 14,1–3 Das Thema der Rede . . . . . . . . . . . . 3. 14,4–17 Der Weggang Jesu und seine Konsequenzen a) 14,1–11 Der Weg zum Vater . . . . . . . . . . . b) 14,12–17 Die nachösterliche Zeit . . . . . . . . . Exkurs: Der Paraklet . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. 14,18–26 Das nachösterliche Kommen Christi . . . 5. 14,27–31 Abschluss der Rede . . . . . . . . . . . . 6. Das Problem von 14,31c . . . . . . . . . . . . . .

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502

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502 505 506 519 525 525 531 537 539 546 550

D. 15,1–16,33 Die zweite Abschiedsrede . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Der Prozess der Relecture in der zweiten Abschiedsrede . 1. 15,1–17 Erster Teil: Grundlegung und Norm der christlichen Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

552 553

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556

12

Inhalt

a) 15,1–8 Die Rede vom Weinstock . . . . . . . . . . . . . . . . b) 15,9–11 In der Liebe Jesu bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . c) 15,12–17 Das Liebesgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 15,18–16,4a: Zweiter Teil: Der Hass der Welt . . . . . . . . . . . a) 15,18–21 Der gegen die Jünger gerichtete Hass der Welt . . . . b) 15,22–25 Der gegen Jesus gerichtete Hass der Welt . . . . . . . c) 15,22–26 Das Zeugnis der Parakleten . . . . . . . . . . . . . . d) 16,1 Die pragmatische Funktion der Rede . . . . . . . . . . . e) 16,2–4a Die konkrete Gestalt des Hasses der Welt . . . . . . . 3. 16,4b–33 Dritter Teil: Der schöpferische Abschied . . . . . . . . a) 16,4b–15 Die nachösterliche Gemeinde und der Paraklet . . . ) 16,4b–7 Der Weggang Jesu und das Kommen des Parakleten ) 16,8–11 Der vierte Parakletspruch: die verwirrte Welt . . . . ) 16,12–15 Der fünfte Parakletspruch: die Zukunft der nachösterlichen Gemeinde . . . . . . . . . b) 16,16–33 Die Situation des nachösterlichen Jüngers . . . . . . ) 16,16–24 Von der Trauer zur Freude . . . . . . . . . . . . ) 16,25–33 Verstehen und Glauben . . . . . . . . . . . . . . E. 17,1–26 Das Abschiedsgebet Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 16,1a Die Situationsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. 17,1b–8 Bitte um Verherrlichung und Erinnerung an das vollbrachte Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) 17,1b–5 Die Bitte um Verherrlichung . . . . . . . . . . . . . b) 17,6–8 Erinnerung an das vollendete Werk . . . . . . . . . . 3. 17,9–19 Das Gebet für die in der Welt zurückbleibenden Jünger a) 17, 9–16 Die Bitte um den Schutz Gottes . . . . . . . . . . . b) 17,17–19 Die Bitte um Heiligung . . . . . . . . . . . . . . . 4. 17,20–26 Das Gebet für die Jünger zweiter Hand und die eschatologische Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) 17,20–23 Das Gebet für die Jünger zweiter Hand . . . . . . b) 17,24–26 Die eschatologische Erfüllung . . . . . . . . . . . F. 18,1–19,42 Die Passionsgeschichte . . . . . . . . . . . . . 1. 18,1–11 Das Sich-Ausliefern Jesu . . . . . . . . . . . . Exkurs: Intertextuelle Bezüge zu Joh 10 . . . . . . . . 2. 18,12–27 Die Vorführung vor Hannas. Die Verleugnung des Petrus . . . . . . . . . . . . . . 3. 18,28–19,16a Jesus vor Pilatus . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Die literarische Struktur von Joh 18,28–19,16a a) 18,28 Einleitung: Jesus wird zu Pilatus gebracht . . b) 18,29–32 Draußen fordern „die Juden“ von Pilatus die Verurteilung Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . c) 18,33–38a Erstes Verhör Jesu durch Pilatus . . . . . ) 18,33–34 Die Anklage gegen Jesus . . . . . . . .

557 568 570 576 579 582 586 588 589 591 592 592 596 601 606 607 615

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625 630

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631 631 637 640 640 646

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650 650 655

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659 663 672

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674 684 688 690

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691 694 694

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13

Inhalt

) 18,35–36 Negative Beschreibung des Königtums Jesu . . . . ) 18, 37–38a Positive Beschreibung des Königtums Jesu . . . d) 18,38b–40 Jesus und Barabbas . . . . . . . . . . . . . . . . . e) 19,1–3 Geißelung und Verspottung . . . . . . . . . . . . . . f) 19,4–7 Ecce homo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) 19,8–12 Zweites Verhör Jesu durch Pilatus . . . . . . . . . . . h) 19,13–16a Die Verurteilung Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . 4. 19,16b–37 Der Weg zum Kreuz, Kreuzigung und Tod Jesu . . . . Exkurs: Die Funktion des symbolischen Codes in Joh 19,16b–37 . a) 19,16b–22 Die Kreuzigung auf Golgatha und die Kreuzinschrift b) 19,23–24 Die Verteilung der Kleider Jesu . . . . . . . . . . . c) 19,25–27 Maria und der Lieblingsjünger . . . . . . . . . . . . d) 19,28–30 Der Tod Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) 19,31–37 Lanzenstich und Todesdeutung . . . . . . . . . . . f) 19,38–42 Die Grablegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. 20,1–29 Der Osterzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 20,1–10 Die Entdeckung des leeren Grabes . . . . . . . . . . . 2. 20,11–18 Die Erscheinung des Auferstandenen vor Maria von Magdala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 20,19–23 Die Erscheinung des Auferstandenen vor den Jüngern 4. 20,14–29 Die Erscheinung des Auferstandenen vor Thomas . .

696 698 700 703 704 707 710 712 713 715 718 720 725 728 735

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738 742

. . .

748 755 761

H. 20,30–31 Abschluss des Evangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . .

768

IV. 21,1–25 Der Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 21,1–14 Die Erscheinung Jesu am See von Tiberias 2. 21,15–24 Jesus, Petrus und der Lieblingsjünger . . 2. 21,25 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . .

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773 777 785 792

V. Der Titel des Evangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

794

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Literaturverzeichnis

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Monographien, Sammelbände und Aufsätze

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Abkürzungen und Zitierweise

Abkürzungen und Zitierweise Abkürzungen Allgemeines, Altes und Neues Testament, außerkanonische Literatur und Apostolische Väter, rabbinisches Schrifttum, Schriften aus Nag Hammadi nach Betz, H.D., u. a. (Hg.): Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1, 1998, XXf.XII–XXVIII. Qumranschriften nach Maier, Qumran-Essener (Literaturverzeichnis unter I). Sonstige antike Literatur: Autorennamen werden – bis auf Beinamen – in latinisierter Form ausgeschrieben. Werke nach Cancik, H./Schneider, H. (Hg.): Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Stuttgart/Weimar I, 1996, XXXIX–XLVII, erweitert 3, 1997, XXXVI– XLIV. Philo und Josephus nach Schwertner, S.: Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, Berlin 21994. Zeitschriften, Reihen, Lexika nach Schwertner, S.: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin 21992. Zusätzlich werden verwendet. Bauer-Aland, Wb (s. Literaturverzeichnis unter I) BDR = Blass/Debrunner/Rehkopf, Grammatik (s. Literaturverzeichnis unter I) BIS = Biblical Interpretation Series, Leiden GNT = Aland/Black/Metzger/Wikgren, Testament (s. Literaturverzeichnis unter I) HS = Hoffmann/Siebenthal, Grammatik (s. Literaturverzeichnis unter I) LS = Liddell/Scott, Lexikon (s. Literaturverzeichnis unter I) TANZ = Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter, Tübingen/Basel ZNT = Zeitschrift für Neues Testament, Tübingen

Zitierweise Im Literaturverzeichnis genannte Titel werden im Kommentar und in den Spezialverzeichnissen nur mit Verfassernamen und Titelstichwort angeführt. In den Spezialverzeichnissen vor den einzelnen Abschnitten genannte Literatur wird im betreffenden Abschnitt nur mit Verfassernamen aufgeführt. Kommentare zu einer biblischen Schrift werden mit Verfassernamen und der Abkürzung der biblischen Schrift zitiert.

Die Gestalt der Schrift

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Einleitung1 Attridge, H., Art. Johannesevangelium, RGG4 4, 552–562; Barrett, Joh, 21–174; Beasley-Murray, Joh, XXXII–LCII; Becker, Joh I, 27–76; Ders., Johanneisches Christentum; Brown, Joh I, XXI–CLXVI; Ders., An Introduction to the Gospel of John, The Anchor Bible Reference Library, New York 2003; Bultmann, R., Art. Johannesevangelium, RGG3 3, Tübingen 1959, 840–850; Frey, J., Das vierte Evangelium auf dem Hintergrund der älteren Evangelientradition. Zum Problem: Johannes und die Synoptiker, in: Ders., Herrlichkeit, 239–294; Haenchen, Joh, 1–109; Keener, Joh I, 1–330; Schnackenburg, Joh I, 2–196; Schnelle, Joh, 1–33; Ders., Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, Göttingen 31999, 480–521; Theobald, Joh, 13–99; Thyen, H., Art. Johannesevangelium, TRE 17, 200–225; Vielhauer, P., Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin/New York 1975, 410–460; Zumstein, J., L’évangile selon Jean, in: Marguerat, Introduction 367–394; Ders., Interpréter le Quatrième Évangile aujourd’hui. Question de méthode, RHPR 92, 2012, 241–258; Ders., ‚Und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist‘, in: Ebel/Vollenweider, Wahrheit und Geschichte. 35–54.

Innerhalb der neutestamentlichen Literatur ist das Evangelium nach Johannes (Joh) Teil einer Schriftensammlung, zu der auch die drei sogenannten Johannesbriefe und die Apokalypse des Johannes gehören. In der altkirchlichen Tradition (besonders bei Irenäus von Lyon) werden diese fünf als „Corpus Johanneum“ bezeichneten Dokumente dem Apostel Johannes, dem Zebedaiden, zugesprochen. Wie auch immer diese Zuweisung historisch zu bewerten ist, als ein solches Korpus werden diese fünf Texte in der christlichen Bibel ab dem 2. Jh. miteinander verbunden.

1. Die Gestalt der Schrift a) Die Originalität des vierten Evangeliums Ein kurzer Vergleich mit den synoptischen Evangelien (Mt, Mk, Lk) zeigt, dass sich das Evangelium nach Joh innerhalb des Neuen Testaments durch seine literarische und theologische Originalität auszeichnet. Unter den zahlreichen gemeinsamen Punkten, die das vierte Evangelium mit den drei ersten gemeinsam hat, ist zunächst die Verwendung der gemeinsamen literarischen Gattung zu nennen. Analog zu den Synoptikern legt Joh zur Tradierung des Glaubens eine Erzählung vor, die mit dem Zeugnis des Täufers beginnt, mit der Darstellung der Predigt und der Wunder Jesu fortfährt und mit der Erin1 Diese Einleitung nimmt im Wesentlichen unsere Analyse in Zumstein, L’évangile selon Jean, in: D. Marguerat (Hg.), Introduction au Nouveau Testament, MOB 45, Genf, 32004, 367–394, auf.

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Einleitung

nerung an seine Passion, seinen Tod und seine Auferstehung ihren Abschluss findet. Zu dieser Ähnlichkeit in der Gestaltung der Erzählung kommen einige gemeinsame narrative Einheiten. In den Kapiteln 1–12 sind dabei zu nennen: 1,29–34 (die Begegnung Jesu mit dem Täufer); der Vorfall im Tempel (2,14–22); der Hauptmann von Kapernaum/der königliche Beamte (4,46–54); die Worte an den Gelähmten (5,8–9); das Brotwunder (6,1–15), gefolgt vom Seewandel (6,16–21), der Überquerung des Sees (6,22–25) und der Zeichenforderung (6,26); das Petrusbekenntnis (6,66–71); die Salbung in Bethanien (12,1–8) und der Einzug in Jerusalem (12,12–19). In der Passionserzählung (18–19) sind neben der Tatsache, dass sich die mk Erzählstruktur bei Joh wiederfindet, folgende gemeinsame Elemente zu erwähnen: die Festnahme Jesu (18,3–12), die Verleugnung des Petrus (18,25–27), die Passahamnestie (18,39–40), die Auspeitschung Jesu und seine Verspottung (19,1–3), die Kreuzigung (19,16b–19), die Zeugen unter dem Kreuz (19,24b–27) und die Grablegung (19,38–42).2

Bei der Formulierung der Botschaft Jesu sind einige Logien zu nennen, die auch bei den Synoptikern erscheinen. Die eindeutigsten Beispiele sind: 1,27.33b.43.51; 2,19; 3,35; 4,44; 6,42; 12,25; 13,16.20; 16,32. Diesen Gemeinsamkeiten stehen allerdings substantielle Unterschiede gegenüber. Der erste betrifft den Aufbau des Evangeliums. Die bei Mk vorliegende Ereignisabfolge (auf der die Darstellung des Mt und des Lk basieren) kann folgendermaßen zusammengefasst werden: Das öffentliche Wirken des Jesus von Nazareth dauert ein Jahr. Es spielt sich im Wesentlichen in Galiläa ab und endet mit einer einzigen Reise nach Jerusalem; Jesus hält sich eine Woche in der Heiligen Stadt auf, bevor er festgenommen, verurteilt und hingerichtet wird; die Erzählung schließt mit der Entdeckung des leeren Grabes. Der Aufbau des Joh folgt einem anderen chronologischen und geographischen Plan. Das öffentliche Wirken Jesu erstreckt sich nicht mehr über ein, sondern über drei Jahre (es werden drei aufeinanderfolgende Passahfeste erwähnt: 2,13; 6,4; 11,55). Das Zentrum seiner Wirksamkeit ist nicht mehr Galiläa, sondern Jerusalem (der joh Jesus reist mehrmals nach Jerusalem). Im Übrigen berichtet Joh weniger Ereignisse aus dem Leben Jesu und erzählt sie in einer anderen Reihenfolge (klassisches Beispiel: Der Vorfall im Tempel eröffnet das öffentliche Wirken Jesu und nicht wie bei den Synoptikern die Passion). Zu dieser unterschiedlichen Gesamtkonzeption kommt eine beachtliche Anzahl von Erzählungen, die bei den Synoptikern keine Entsprechung haben. Zum joh Sondergut gehören die Hochzeit zu Kana (2,1–12), das Gespräch mit Nikodemus (3,1–21) und das mit der Samariterin (4,4–42), der Gelähmte am Teich von Bethesda (5), Jesus und seine Brüder (7,1–10), der Blindgeborene (9), die Auferweckung des Lazarus (11), Jesus und die Griechen (12,20–23), die Fußwaschung (13,4–17. Die Passionserzählung ist vollkommen umgearbeitet (vgl. besonders die große Szene der Vorführung vor Pilatus oder jene vom Tod Jesu). Dasselbe gilt für

2

Vgl. die Auflistung bei Frey, 261f; Schnelle, Einleitung, 506f; Schnackenburg, Joh IV/1, 15–26.

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den Osterzyklus (20; vgl. die Erscheinung vor Maria von Magdala und die Thomas-Episode). Auch der Epilog (21) hat keine synoptische Parallele (mit Ausnahme des wunderbaren Fischzugs). Berücksichtigt man, auf welche Art und Weise der joh Jesus seine Botschaft formuliert, so ist unübersehbar, dass der hauptsächliche Stoff der Kapitel 1–17 in Form großer Reden gestaltet ist. Diese Reden sind grundsätzlich verschieden von denen des „synoptischen Jesus“. In den drei ersten Evangelien äußert sich der irdische Jesus in kurzen Sentenzen, Gleichnissen und Apophthegmata. Im vierten Evangelium hält er lange Reden mit sehr einheitlichem Inhalt. Ein darin ständig wiederkehrendes Thema ist die Sendung Jesu durch den Vater; eng damit verbunden ist die Aussage: Wer an ihn glaubt, hat das ewige Leben. Es handelt sich um christologische Reden, die in den sieben berühmten Ich-bin-Worten (  ) gipfeln, deren Ziel es ist, die Bedeutung zu formulieren, die das In-die-Welt-kommen des Offenbarers hat. Zu diesen großen Reden, die bei den Synoptikern keine Entsprechung haben, gehören die Rede von der eschatologischen Vollmacht des Sohnes (5), die Rede vom Lebensbrot (6), die große Auseinandersetzung in den Kapiteln 7–8 und schließlich die Abschiedsreden und das Abschiedsgebet (14–17). Auch die in der Erzählung vorherrschenden Themen sind verschieden. Den Synoptikern zufolge wendet sich der irdische Jesus vor allem an die Armen und Ausgeschlossenen Israels, um sie zu befreien. Diese Befreiung gewinnt Gestalt in der Ankündigung des nahen Reiches Gottes und den damit verbundenen Wundern sowie in der neuen Auslegung der Thora. Bei Joh dagegen werden die Themen des Reiches Gottes und der Neuinterpretation der Thora nur am Rande erwähnt. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich voll und ganz auf die Offenbarung der Herrlichkeit des Sohnes. b) Die Struktur des vierten Evangeliums Die Makrostruktur des vierten Evangeliums lässt sich leicht erkennen. Die Erzählung vom Leben des joh Jesus (1,19–20,31) wird vom Prolog (1,1–18) und vom Epilog (21) umrahmt. Der Schluss in 12,37–50, in dem die Bilanz des öffentlichen Wirkens des joh Jesus gezogen wird, und die anschließende feierliche Erwähnung der Eröffnung der Passion in 13,1 zeigen, dass der Korpus des Evangeliums (1,19–20,31) aus zwei großen Teilen besteht: 1,19–12,50 schildert die Offenbarung Jesu vor der Welt und 13,1–20,31 handelt von der Offenbarung Jesu vor den Seinen. Der Prolog (1,1–18) unterscheidet sich vom Korpus der Schrift. Er leitet das Evangelium ein, ohne jedoch selbst Teil der Erzählung zu sein. Er hat die hermeneutische Funktion, den Rahmen festzulegen, in dem die mit 1,19 beginnende Darstellung zu verstehen ist. Genauer gesagt, bestimmt die im Prolog formulierte christologische These, unter welcher Perspektive die erzählte Geschichte betrachtet werden muss, um sie angemessen auszulegen: Die historische Gestalt Jesu ist kein anderer als der präexistente Logos. Oder andersherum: Der göttliche Logos, der bei Gott war und alle Dinge geschaffen hat, hat sich in der Per-

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Einleitung

son Jesu von Nazareth inkarniert (1,18). Durch ihn empfängt der Mensch das Leben in Fülle. Der erste Teil (1,19–12,50) lässt sich nur schwer strukturieren, da der „Plot“ nicht dramatischer Natur ist (was sich daran zeigt, dass die Identität des joh Jesus durch die fortschreitende Handlung nicht verändert wird), sondern thematisch orientiert ist. Das Ziel des Evangelisten ist es nicht, eine historische oder psychologische Entwicklung des Lebens Jesu darzustellen, sondern anhand einer Reihe von Episoden einerseits zu zeigen, wie sich die christologische Offenbarung der Welt zu erkennen gibt und zum Glauben ruft, und andererseits, welche Vielfalt an Antworten sie erfährt.3 Die Identität Jesu wird zunächst durch das Zeugnis Johannes des Täufers (1,19–34) und dann durch das Zeugnis der ersten Jünger (1,35–51) festgestellt und entfaltet. Sodann ergreift Jesus die Initiative und stellt sich durch zwei programmatische Handlungen vor. Die erste Tat anlässlich der Hochzeit von Kana (2,1–12) offenbart auf positive Art und Weise die „Herrlichkeit“ Jesu, während die zweite Tat mit dem Vorfall im Tempel (2,13–22) auf polemische Weise zeigt, dass die Gegenwart Gottes von nun an nicht mehr in einem menschengemachten Heiligtum zu finden ist, sondern in einer Person, nämlich in Jesus. Darauf folgen drei Episoden, die den Inhalt der Offenbarung des joh Jesus darstellen und präzisieren, was es heißt, zu glauben. Im Gespräch mit Nikodemus (3,1–21) geht es anhand der Metapher der „neuen Geburt“ um die Frage des Heils. In der Begegnung mit der Samaritanerin (4,4–26) wird dieselbe Thematik aufgenommen und nun durch die Symbolsprache des „lebendigen Wassers“ und der „wahren Anbetung“ erläutert. Diese Unterredung erweist sich als fruchtbar, da ganz Samarien für die Botschaft des joh Jesus gewonnen wird (4,27–42). Und zuletzt gibt die Heilung des Sohnes des königlichen Beamten (4,43–54) dem Leser die Möglichkeit zu erkennen, was wahrer Glaube ist. Mit Kapitel 5 wird eine neue Phase eröffnet, die durch den sich steigernden Konflikt mit den jüdischen Behörden gekennzeichnet ist. Durch die Heilung eines Gelähmten an einem Sabbat in Jerusalem (5,1–9) wird eine heftige Auseinandersetzung provoziert (5,10–18), in deren Verlauf Jesus durch eine Offenbarungsrede (5,19–47) darlegen kann, dass er von Gott sogar die Vollmacht über alles Leben hat. Das Kapitel 6 spielt in Galiläa und hat das „Brot des Lebens“ zum Thema.

3 Vgl. Culpepper, Anatomy, 97. Zwei Elemente bringen aber in den Kapiteln 1–12 doch eine dramatische Entwicklung voran. Zum einen beschreiben die sieben „Zeichen“ (der joh Ausdruck zur Bezeichnung der Wunderberichte) eine aufsteigende Linie und gipfeln in der Rückkehr des Lazarus ins Leben (11). Diese „Auferstehung“ ist das Wunder schlechthin, da sie die Gabe des (ewigen) Lebens symbolisiert. Zum andern wird ab Kapitel 5 der Konflikt zwischen dem joh Jesus und den jüdischen Behörden zunehmend schärfer und führt schließlich zur Entscheidung des Synedriums, Jesus sterben zu lassen (11,45–54). Diese zunehmende Härte in der Auseinandersetzung zwischen dem Offenbarer und den „Juden“ hat zur Folge, dass in den Kapitel 11–12 der inzwischen beschlossene Tod Jesu zum zentralen Thema wird. Sein Handeln ist gescheitert (12,37–50).

Die Gestalt der Schrift

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Diese Einheit wird durch das „Zeichen“ (  )4 des Brotes in Fülle eröffnet (6,1–15) und über das „Zeichen“ des Seewandels (6,16–21) erreicht sie ihren Höhepunkt in einem langen Dialog (6,22–59), in dem alle Facetten der Brotmetapher ausgelotet werden. Diese Episode stellt nicht nur die Menge, sondern auch die Jünger vor die Glaubensentscheidung (6,60–71). Die Sequenz, die sich in Joh 7–10 im Rahmen des Laubhüttenfestes abspielt, zeugt von einer stufenweisen Entwicklung des Konflikts. Die aufeinander folgenden christologischen Streitgespräche im Tempel von Joh 7 werden in Joh 8 fortgeführt und gipfeln in der Auseinandersetzung über das alttestamentliche Erbe. Am Ende dieses Streits, der kurz durch die Geschichte der Ehebrecherin (7,53–8,11) unterbrochen wird, ist der Bruch vollzogen. Die Heilung des Blindgeborenen (Kapitel 9) lässt das Ausmaß des Grabens ermessen, der diejenigen, die den Glauben an Jesus entdecken, von nun an von den Behörden der Synagoge trennt. Mit Bezug auf diese Krise legt die berühmte Rede vom guten Hirten (Kapitel 10) offen, wer die falschen Hirten sind, die das Volk in die Irre führen, und wer der gute Hirte ist, der sein Leben für die Schafe gibt. Anlässlich des Tempelweihfestes (10,22–42) werden Stoffe neu gestaltet, die bei den Synoptikern im Rahmen des Prozesses Jesu vor dem Synedrium behandelt wurden. Diese Szene bildet den Schlusspunkt des Konflikts. Das letzte „Zeichen“ des joh Jesus, die Auferweckung des Lazarus (Joh 11), eröffnet die Passion: Der Weg des einen in den Tod (Jesus) ermöglicht es dem anderen (Lazarus), ins Leben zurückzukommen. Am Ende dieser Szene, in der Martha, Maria, Lazarus und Jesus auftreten, entscheidet Kaiphas, umgeben vom Synedrium, Jesus sterben zu lassen. Durch die Episoden der Salbung in Bethanien (12,1–11), des triumphalen Einzugs in Jerusalem (12,12–19) und das sog. „joh Gethsemane“ (12,20–36) wird im ersten Teil des Kapitels 12 diesem nahen Tod Sinn verliehen. Der letzte Teil von Kapitel 12 zieht die Bilanz des öffentlichen Wirkens Jesu: Es ist die Feststellung eines Scheiterns (12,37–43), was den Erzähler nicht daran hindert, ein letztes Mal die Botschaft Jesu zusammenzufassen (12,44–50). Der zweite Teil des Evangeliums (13,1–20,31) schildert die Offenbarung Jesu vor den Seinen. Das letzte Mahl bildet den Rahmen für die erste Sequenz (Kapitel 13–17). Im Unterschied zu den Synoptikern enthüllt Jesus bei dieser Gelegenheit den Sinn des nahen Kreuzes nicht dadurch, dass er das Abendmahl einsetzt, sondern indem er die Füße seiner Jünger wäscht (13,1–20). Nach der Ankündigung des Verrats des Judas (13,21–30) hält er zwei große Reden (13,31–14,31; 15–16) und spricht ein Abschiedsgebet (17). Diese drei Ansprachen haben zum Ziel, die Bilanz der Offenbarung zu ziehen und vom produktiven Sinn des Todes am Kreuz und der Zeit nach diesem Tod zu sprechen. Der von nun an Abwesende lässt die Seinen nicht 4 Bei Joh bezeichnet der Begriff   auf exklusive Weise Handlungen Jesu, bzw. bestimmte von Jesus durchgeführte wunderhafte Vorgänge ( «). Das „Zeichen“ gehört zum Gebiet des    (2,11.23; 3,2.54; 6,2.14.30; 7,31; 9,16; 10,41; 11,47; 12,18.37; 20,30) und der deixis ( , cf. 2,18). Im Unterschied dazu wird nie ein Wort des johanneischen Jesus als „Zeichen“ bezeichnet.

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Einleitung

im Stich, sondern durch die Sendung des Parakleten (= des Heiligen Geistes) vereint er sich erneut mit ihnen. Der Passionsbericht im eigentlichen Sinn umfasst die Kapitel 18–19. Der Prozess Jesu vor den jüdischen Behörden wird auf ein Mindestmaß reduziert; die Vorführung vor Pilatus (18,28–19,16) dagegen wird für einen souveränen und hoheitsvollen Jesus zum Rahmen, um zum letzten Mal vom Sinn seines Kommens zu sprechen. In der Szene der Kreuzigung (19,17–37) erscheint kein gedemütigter, leidender Christus, sondern ein siegender Jesus. Das Kreuz ist zu einem Thron geworden, von dem herab Jesus sein letztes Wort spricht: „Es ist vollbracht!“ (19,30). Sein Begräbnis (19,38–42) ist das eines Königs. Der Osterzyklus (Kapitel 20) dient dazu, durch vier aufeinander folgende Szenen die Beziehung zwischen Sehen und Glauben darzulegen: Die Entdeckung des leeren Grabes durch Maria von Magdala, dann durch Petrus und den Lieblingsjünger (20,1–10), die Erscheinung vor Maria von Magdala (20,11–18), dann vor den Jüngern (20,19–23) und schließlich vor Thomas (20,24–29). Die Erzählung wird durch den Schluss 20,30–31 beendet, der auf einer metatextuellen Ebene das theologische Ziel des Evangeliums und seine pragmatische Funktion formuliert: die Glaubenden zum Glauben zu rufen. Auf den Korpus der Erzählung folgt ein Epilog (Kapitel 21), der absichtlich dem Schluss von 20,30–31 nachgestellt wurde. Wie jeder Epilog hat auch dieser die Funktion darzulegen, in welcher Hinsicht die erzählte Geschichte auch nach ihrem Abschluss noch von Bedeutung ist. In dieser Beziehung vollzieht er den Übergang von der Zeit Jesu zur Zeit der Kirche. Der wunderbare Fischfang (21,1–14) und das Gespräch Jesu mit Petrus (21,15–24), in dem die Funktion des Anführers der Zwölf sowie die des Lieblingsjüngers während der Abwesenheit des Gekreuzigt-Erhöhten präzisiert werden, zeigen, wie es den ersten Gemeinden möglich sein wird, mit ihrem Herrn in Beziehung zu bleiben. Ein zweiter Schluss (21,25) beendet das Evangelium. c) Der geographische und zeitliche Rahmen der Erzählung Das Wirken des joh Jesus spielt sich hauptsächlich in Judäa und Jerusalem ab. Bei einem ersten Aufenthalt in Jerusalem (2,13–4,3) „reinigt“ Jesus den Tempel und vollbringt zahlreiche Wunder, bevor er dem Inhaber der höchsten theologischen Autorität, Nikodemus, begegnet. Im Anschluss tauft er im Land Judäa (3,22). Bei einem zweiten Aufenthalt (5) heilt er einen Gelähmten am Teich von Bethesda, trifft ihn im Tempel wieder und hält daraufhin eine große Rede, die an die jüdischen Behörden gerichtet ist. Der dritte Aufenthalt (7,10–10,39) steht im Zeichen des Streites und führt Jesus in den Tempel der Heiligen Stadt. Dort, im Zentrum des jüdischen Glaubens, legt er gegenüber seinen Gegnern seine Identität und seine Beziehung zu Gott dar. In Kapitel 11 sieht man ihn anlässlich des Todes des Lazarus nach Judäa, und zwar nach Bethanien, zurückkommen. Nachdem er dem „auferweckten“ Lazarus im selben Dorf einen Besuch abgestattet hat, zieht er im

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Triumphzug nach Jerusalem ein – dies ist sein vierter Aufenthalt (12,12–36) –, bevor er dann mit den Jüngern und mit der Menge über seinen nahen Tod spricht. Der zweite Teil des Evangeliums (13–20), in dem es um seine Passion und seine Auferstehung geht, stellt seinen fünften Aufenthalt in Jerusalem dar.5 Die fünf Aufenthalte in Jerusalem sind von zunehmend schärfer werdenden Konflikten, speziell mit den Autoritäten, geprägt. Die Todesdrohungen, die wie ein Leitmotiv im ersten Teil des Evangeliums ständig wiederkehren, bis sie in die Entscheidung münden, Jesus zu töten (11,53), machen aus Judäa und der Heiligen Stadt einen gefährlichen Ort, in dem Jesus aber zugleich mit seinen Opponenten über den Kern seiner Offenbarung diskutiert. Dem Leser wird im Übrigen nicht entgehen, dass der Tempel sowohl der Ort des ersten (2,14) als auch des letzten öffentlichen Auftretens Jesu (10,23) ist. Diese Nähe zum Tempel (besonders deutlich in den Kapiteln 7–8) zeigt symbolisch, was mit dem Kommen des joh Jesus auf dem Spiel steht, nämlich die Frage nach dem wahren Ort der Gegenwart Gottes. Diese besondere Bedeutung von Judäa und Jerusalem wird durch Aufenthalte in Galiläa und Kapernaum gerahmt und mehrmals unterbrochen. Das Evangelium beginnt mit Johannes dem Täufer jenseits des Jordan, im Grenzgebiet Israels (1,28); noch bevor Jesus auftritt, wird er dort als Christus erkannt und designiert. Dieser Erkenntnisprozess der Jünger setzt sich in Galiläa fort (1,43). In Kana, Galiläa (2,1), vollbringt der joh Jesus sein erstes grundlegendes „Zeichen“, bevor er sich nach Kapernaum begibt. So wird also Galiläa mit seinen Grenzgebieten zum Ort, an dem die Identität Jesu durch den Täufer, durch die ersten Jünger und durch ihn selbst enthüllt wird, bevor er zum ersten Mal nach Jerusalem hinaufzieht. Zwischen dem ersten und dem zweiten Aufenthalt in Jerusalem begibt sich Jesus nach Samarien (4,4) und anschließend nach Kana in Galiläa (4,43.45.46.54). Samarien, heterodoxes Gebiet par excellence, und der am Hof von Tiberias angestellte Beamte sind Zeichen für die Überschreitung religiöser Grenzen und eine Vorwegnahme der universalen Dimension der christologischen Offenbarung. Auch das große Kapitel über das „Brot des Lebens“ (6), das zwischen der Episode am Teich von Bethesda und dem Weg nach Jerusalem zum Laubhüttenfest steht, spielt sich im Grenzgebiet Israels ab, auf der anderen Seite des Sees von Tiberias (6,1). Das „Brot des Lebens“ wird hier, an der Grenze zwischen der jüdischen und der heidnischen Welt gegeben; doch spielt sich die Dialogsequenz, die den Sinn dazu liefert, in der Synagoge von Kapernaum ab (6,17 und 59). Das Seeufer ist der Ort, an dem das Leben in Fülle geschenkt wird. Die Polemik darüber entzündet sich aber in der Synagoge. Galiläa kann also nicht einfach als Ort des Glaubens im Gegensatz zu Judäa betrachtet werden. Allerdings ist hervorzuheben, dass der auferstandene Jesus in Kapitel 21 den Seinen am See von Tiberias begegnet (21,1), eben gerade an dem Ort, an dem Jesus das Brot des Lebens geschenkt hatte. Damit markiert dieser Ort in aufschlussreicher Weise die Kontinuität zwischen voröster5 Wenn man von 10,40 absieht, kann man die Zahl der Jerusalemaufenthalte Jesu auf vier reduzieren. In diesem Fall bilden 7,10–20,29 eine Jerusalemer Abfolge; vgl. Holladay, C.R., A Critical Introduction to the New Testament. Interpreting the Message and the Meaning of Jesus Christ, Nashville 2005, 218 f.

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licher und nachösterlicher Zeit. Und schließlich endet die öffentliche Wirksamkeit Jesu, eine bezeichnende Inklusion bildend, genau da, wo sie begonnen hatte: jenseits des Jordan (10,40). Diese Skizze wäre aber unvollständig, wenn nicht erwähnt würde, dass sich der joh Jesus wiederholt den Seinen entzieht, sich zurückzieht und sich sogar verbirgt (6,15; 8,59; 11,54; 12,20). Für den joh Jesus gibt es keinen Ort in der Welt, der von Bedrohung und Missverständnis frei wäre. Die besondere Bedeutung des Tempels und Jerusalems auf dem Weg des joh Jesus erklärt, warum die wichtigsten Zeitangaben, welche die joh Erzählung kennzeichnen, Angaben zu den Festen sind, speziell zu denjenigen, die mit einer Pilgerfahrt in die Heilige Stadt verbunden sind. Sowohl der Beginn der öffentlichen Wirksamkeit Jesu (2,13) als auch das Ende (11,55; 12,1; 13,1; 18,18) sind mit einem Passahfest verbunden (2,13; 11,55; 13,1; 18,28.39; 19,14). Das auf die Opferung des Passahlammes ausgerichtete symbolische Potential dieser Feier bildet das zum Verständnis des Todes Jesu nötige hermeneutische Reservoir. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass das zweite Passah (6,4) während der Wirksamkeit des joh Jesus mit dem großen Kapitel über das Brot des Lebens assoziiert ist, da seine Gabe untrennbar mit dem Tod Jesu (6,51) und mit dessen Anamnese in der Eucharistie (6,52–58) verbunden ist. Das zweite bedeutende Pilgerfest, das Laubhüttenfest (7,2), gibt der großen Sequenz 7,1–10,21 ihren Zusammenhalt. In Kapitel 7 werden sogar die verschiedenen Fest-Etappen angegeben (7,11.14.37). Auch hier nimmt der joh Jesus die mit dieser Feier verbundenen Hauptsymbole des Wassers und des Lichts auf, um seine Botschaft zu entfalten (vgl. bes. 7,37–38 und 8,12). Das Tempelweihfest schließlich (10,22), an dem die Wiedereinweihung des Tempels gefeiert wird, bildet den Hintergrund der scharfen Auseinandersetzung Jesu mit seinen Gegnern über die Frage nach dem Ort der Gegenwart Gottes. In eben diesem Rahmen, im Tempel, bekräftigt der joh Jesus seine Einheit mit Gott (10,30.38). Diese traditionelle Strukturierung der Zeit im Anschluss an die jüdischen Feste wird aber durch die entscheidende Chronologie der „Stunde“ überlagert. Die Verbindung dieser kommenden „Stunde“ (vgl. 2,4; 7,30; 8,20) mit der „Verherrlichung“ (12,23; 13,1; 17,1) zeigt, dass es sich dabei um die Stunde des Kreuzes handelt. Von daher ist die joh Darstellung insgesamt auf das Kreuz als dem entscheidenden Moment der Vollendung der Offenbarung ausgerichtet (19,30). d) Geschichte und Fiktion in der joh Erzählung Der Unterschied zwischen der joh Darstellung des Lebens Jesu und jener der Synoptiker wirft die Frage nach dem Verhältnis zwischen Geschichte und Fiktion6 in der joh Erzählung auf. Der Begriff Fiktion kann allerdings leicht missverstanden 6 Dazu vgl. auch Luz, U., Geschichte und Wahrheit im Matthäusevangelium. Das Problem der narrativen Fiktion, EvTh 39, 2009, 194–208.

Die Gestalt der Schrift

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werden. „Fiktion“ bedeutet nicht, dass Joh Elemente aus dem Leben und der Botschaft Jesu völlig frei erfunden hätte. Die joh Schule arbeitete mit diversem traditionellem Material, das ihr vorlag.7 Unter Fiktion ist vielmehr die Art und Weise zu verstehen, in der der Erzähler sein Material auswählt und es in Erzählform bringt, indem er es an einen bestimmten Platz in der erzählten Geschichte stellt, indem er es hervorhebt, entfaltet, umformuliert oder interpretiert. Eine historische Darstellung, die immer ein Konstrukt ist, kommt nicht umhin, Geschichte und Fiktion miteinander zu verflechten. Im Gebiet der Geschichtsschreibung entstammt die Fiktion also nicht primär der Phantasie, sondern gehört in den Bereich der Interpretation. Das joh Verständnis von Geschichte erklärt, wie mit dem narrativen Material umgegangen wird. Dazu sind zwei Punkte zu erwähnen. Zunächst erzählt Joh nicht einfach das Leben Jesu wie z. B. Josephus in seiner Autobiographie sein eigenes Leben erzählt. Bei Joh werden drei Geschichten in einer Erzählung kombiniert und miteinander verschmolzen.8 Die erste Geschichte berichtet vom Leben des Jesus von Nazareth. Man kennt seinen Vater (1,45; 6,42; 7,41–42) und seine Mutter (2,1; 19,25); er lebte in Galiläa, wurde in Jerusalem gekreuzigt (19,17–30) und dort begraben (19,42). Diese erste Geschichte wird aber durch eine zweite, mythisch geformte Geschichte aufgenommen und bekommt dadurch eine neue Perspektive: Der Sohn des Josef ist kein anderer als der präexistente Logos, der seit aller Ewigkeit beim Vater war und sich inkarniert hat. Sein ordnungsgemäß festgestellter Tod ist in Wirklichkeit die Rückkehr des Sohnes zum Vater. Der Gekreuzigte ist der Lebendige, der zu den Seinen zurückkehren wird (14,18–21; 16,16–22; 20,19.26). Das Schicksal des Mannes aus Nazareth und die Inkarnation des präexistenten Logos werden zu ein und derselben Geschichte. In diese Geschichte des joh Jesus wird als dritte Geschichte die der Adressaten des Evangeliums integriert. Rückblickend wird die Geschichte der Trennung zwischen Synagoge und joh Gemeinden in die Erzählung des Lebens Jesu projiziert und dadurch entschlüsselt. Das Phänomen der indirekten Transparenz ist unbestreitbar: Indem der Erzähler das Leben Jesu erzählt, spricht er in indirekter Weise von der Geschichte der joh Gemeinden. Es vollzieht sich eine Verschmelzung der Zeithorizonte zwischen vorösterlicher und nachösterlicher Zeit. Ausgehend von dieser Beobachtung kann der zweite Aspekt der joh Auffassung der Jesusgeschichte dargestellt werden: Das Leben Jesu als Gegenstand nachösterlicher Anamnese. Dies zeigt sich in dreifacher Hinsicht:9 Zunächst bedeutet das letzte Wort des joh Jesus („Es ist vollbracht!“, 19,30), dass das Kreuz nicht nur das zeitliche Ende des Lebens Jesu ist, sondern auch der Ort, an dem die Offenbarung ihre Vollendung erreicht. Dieser Zeitpunkt des Todes hat somit eine qualitative Dimension, die besagt, dass die Offenbarung nur nach der S.u. 40–48. Diese These wird in der Monographie von Reinhartz, Word in the World, vertreten. 9 Zu dieser Frage siehe Zumstein, J., Erinnerung und Oster-Relecture im Johannesevangelium, in: Ders., Kreative Erinnerung, 47–63. 7 8

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Beendigung des Lebens Jesu ihren wahren und endgültigen Sinn erlangen kann. Solange ein historischer Prozess nicht abgeschlossen ist, bleibt seine Interpretation offen. Nur seine Beendigung ermöglicht es, seinen wahren Sinn zu erfassen. Wie alle geschichtlichen Ereignisse kann auch die christologische Offenbarung ihr wahres Sinnpotential nur im Rückblick entfalten. Indem der implizite Autor drei Prolepsen (2,22; 12,16; 20,9) formuliert, hebt er die entscheidende Funktion der Erinnerung für die Darstellung des Lebens Jesu hervor. Das bedeutet: Das Leben des joh Jesus kann nur im Modus der Anamnese erfasst werden. Die erzählte Vergangenheit hat ihren Sinn nicht in sich selbst, sondern erhält ihn erst durch die rückblickende Betrachtung. Diese Anamnese erfolgt ihrerseits nicht beliebig, sondern hat die österliche Wende zur Voraussetzung. Für die joh Schule ist es nur von Ostern her möglich, die gesammelten Traditionen über Jesus zu lesen und ihren Zusammenhang und ihre wahre Bedeutung zu verstehen. Und schließlich erwähnt die joh Erzählung zwei Personen, die in seiner Darstellung selber die Akteure dieses österlichen Rückblicks sind. Es handelt sich zum einen um den Parakleten (14,16–17; 14,25–26), der zugleich als Erinnerungsträger und Interpret der Geschichte des Lebens Jesu fungiert, und durch den diese in eine Begründungsgeschichte für die Zukunft umgewandelt wird, die sich jetzt auftut. Parallel dazu ist der Lieblingsjünger zu erwähnen, der zugleich der Zeuge par excellence (er findet sich an allen zentralen Orten des urchristlichen Kerygmas: beim letzten Mahl, am Kreuz und am leeren Grab) und der unübertreffliche Interpret des joh Jesus ist. In 19,26 wird er zum Stellvertreter des Gekreuzigten bei den Seinen, und in 21,24 wird sein Zeugnis im Evangelium objektiviert und zur normativen Schrift für alle Gläubigen.

2. Die Entstehungsgeschichte des Textes a) Die Frage der literarischen Einheit Sowohl die Textkritik als auch die Literarkritik zeigen, dass das Evangelium in seiner kanonischen Form kein einheitlicher Text, sondern das Ergebnis eines langen und komplexen Prozesses ist. Die Textkritik lässt erkennen, dass es sich bei 5,3b–4 und 7,53–8,11 (der Episode von der Ehebrecherin) um Abschnitte handelt, die nachträglich zum Text des Joh hinzugekommen sind. Diese beiden Sequenzen gehören also nicht zum Werk in seiner ursprünglichen Form, sondern sind Teil seiner Rezeptionsgeschichte. Viele Exegeten10 sind der Ansicht, dass in mindestens einem Fall, und zwar in der Sequenz der Kapitel 5–7, die Reihenfolge der Erzählung durcheinander gekommen ist. Die Ortsangabe in 6,1 („Danach ging Jesus fort an das andere Ufer des Meers von Galiläa, des von Tiberias“) sei im Kontext unpassend, da sich das ge-

10

In jüngerer Zeit noch Theobald, Joh, 71.

Die Entstehungsgeschichte des Textes

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samte Kapitel 5 in Jerusalem abspielt. Wenn man aber die Reihenfolge der Kapitel 5 und 6 vertauschen würde, wäre der geographische Rahmen wieder stimmig. Ausserdem würde die Rede des joh Jesus am Laubhüttenfest in 7,15–24 auf die Szene in 5,1–18 Bezug nehmen und die logische Folge zu 5,19–47 bilden: In dieser Rede wird erwähnt, dass die „Juden“ die Absicht haben, Jesus zu töten, der angeklagt wird, das Sabbatgebot gebrochen zu haben. Wenn man diese beiden Beobachtungen miteinander kombiniert, kommt man zur folgenden Rekonstruktion der ursprünglichen Reihenfolge dieser Kapitel: 4.6.5.7,19–24.1–14.25 ff. Diese Annahme ist aber nicht zwingend,11 da sie der zeitlichen und topographischen Kohärenz ein grösseres Recht einräumt als der Art und Weise, in der der joh Erzähler seinen Plot aufbaut, nämlich als Offenbarungsplot. Die Theorie, nach der der Text des Evangeliums in seiner kanonischen Form aus unerfindlichen Gründen verändert worden wäre und dessen ursprüngliche Reihenfolge es wieder herzustellen gelte, ist unhaltbar. Als Konsequenz daraus wird im vorliegenden Kommentar als zu interpretierender Text nicht eine fiktive Rekonstruktion des Evangeliums, sondern der bei den ältesten Zeugen dokumentierte Text zugrunde gelegt. Allerdings scheint das Evangelium nicht in einem Zug komponiert worden zu sein, sondern im Laufe mehrerer Redaktionen. Diese Annahme wird durch drei Beobachtungen gestützt. Zum einen hat das Evangelium nicht einen, sondern zwei Schlüsse: Der erste in 20,30–31 bildet den ursprünglichen Schluss des Werkes und der zweite in 21,25 stellt das letzte Wort des Epilogs (Kapitel 21) dar. Die in 21,24 erklingende Stimme unterscheidet sich explizit vom Autor des Evangeliums selbst („Dies ist der Jünger, der von diesen Dingen Zeugnis ablegt und der dies aufgeschrieben hat und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist“). Die beiden Schlüsse können also nicht aus derselben Feder stammen und bestätigen zweifelsfrei die Annahme einer zweifachen Redaktion. Im Übrigen scheint Kapitel 21 insgesamt ein besonders schönes Beispiel der Endredaktion des Joh zu sein. Zum zweiten untermauert das Vorhandensein von Glossen die Annahme einer doppelten Redaktion. Manche erhellen ein Detail (z. B. 4,2), andere geben einen theologischen Kommentar zum Erzählten (so z. B. 4,44; 7,39b; 12,16). Und zuletzt ist zu beobachten, dass am Ende einiger Sequenzen Stücke sekundär hinzugefügt wurden; sie unterbrechen oder verzögern den Lauf der Erzählung. So hat am Ende des Kapitels 3 der Herausgeberkreis des Werkes ein kleines christologisches Stück (3,31–36) eingefügt. Auch am Ende des Kapitels 12 wurde der Schluss des ersten Teils (12,37–43) durch einen kleinen christologischen Abschnitt (12,44–50) vervollständigt. Die Erzählung von der Fußwaschung enthält zwei Interpretationen (13,6–11.12–20). Und schließlich endet die erste Abschiedsrede in 14,31 mit der berühmten Anweisung: „Steht auf, lasst uns von hier fortgehen“! Dieser Befehl wird aber erst in 18,1 ausgeführt und zwar als Beginn der Passionsgeschichte. Die Kapitel 15–17 scheinen also sekundär zwischen 14,31 und 18,1 gestellt

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Dazu vgl. im Einzelnen die Auslegung von Kapitel 5 und 6.

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worden zu sein. In all diesen Beispielen hat die joh Schule offenbar eine ursprüngliche Version des Werkes durch die Hinzufügung kleiner, typisch joh Stücke erweitert und vervollständigt. Wie ist das Ganze dieser Phänomene zu erklären? Kann man die Entstehungsgeschichte des vierten Evangeliums rekonstruieren – und wenn ja, auf welche Art und Weise? b) Drei Modelle12 Seit dem 19. Jh. bis heute wurde in der exegetischen Forschung anhand dreier großer Modelle versucht, die Entstehung des vierten Evangeliums zu erklären. Das erste Modell – das Modell der literarischen Einheit – beruht auf der Annahme, dass das Evangelium als Ganzes das Werk eines einzigen Verfassers sei. Dazu wird stilistisch argumentiert (E. Ruckstuhl, E. Schweizer).13 Die terminologische Statistik zeigt nämlich, dass dieselbe Sprache die joh Darstellung von Anfang bis Ende durchzieht. Für die Vertreter dieser These erklären sich die eventuellen Spannungen im Verlauf des Werkes durch die zusätzliche Annahme, dass derselbe Verfasser seinen ursprünglichen Text mehrmals bearbeitet habe (B. Lindars, W. Wilkens).14 Dieses Modell hält aber aus zwei Gründen der Kritik nicht stand. Zum einen verweist die stilistische Einheit nicht unbedingt auf eine individuelle Gestalt, sondern kann sehr gut auch das Erkennungsmerkmal eines homogenen und strukturierten soziologischen Milieus wie z. B. einer Schule sein, die sich durch den Gebrauch eines Soziolektes15 auszeichnete. Zum anderen ist es nur schwer vorstellbar, dass ein Verfasser, der sein Werk überarbeitet, solche literarische und theologische Spannungen schafft. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass dieses Modell der literarischen Einheit gegenwärtig unter einem ganz anderen Gesichtspunkt, nämlich von der synchronen Analyse her, verteidigt wird (vgl. T. Brodie, G. O’Day, F.J. Moloney, M.W.G. Stibbe, L. Schenke, H. Thyen).16 Das Evangelium wird dann als ein literarisches Meisterwerk betrachtet, das ein kohärentes Bedeutungssystem bildet. Das Postulat der synchronen Analyse kommt allerdings da an seine Grenze, wo der Text des Evangeliums noch die Spuren seiner Entstehung zeigt. 12 Problemgeschichte bei Brown, Introduction, 46–58; Frey, Eschatologie I, 51–71.119–129. 273–297.381–387.429–445. 13 Vgl. Ruckstuhl, literarische Einheit; Schweizer, Ego Eimi, 82–112. 14 Vgl. Lindars, B., Behind the Gospel, London 1971, 27–42; Wilkens, W., Die Entstehungsgeschichte des vierten Evangeliums, Zollikon 1958. 15 Unter Soziolekt ist die Redeweise einer sozialen Gruppe (bes. einer sich durch eine spezifische Kultur unterscheidenden Gruppe), wie z. B. die joh Schule, zu verstehen. Der Idiolekt bezeichnet die Redeweise eines einzelnen Individuums, z. B. des Evangelisten. 16 Brodie, Joh, 3–10; O’Day, Joh, 509–511; Moloney, Joh, 13–20; Stibbe, Joh, 9–19; Schenke, Joh, 5; Thyen, Joh, 1–5.

Die Entstehungsgeschichte des Textes

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Das zweite Modell, das von einem sogenannten Grundevangelium ausgeht, war besonders um 1900 en vogue (J. Wellhausen)17 und wurde in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wieder aufgenommen und weiterentwickelt (z. B. R.E. Brown, W. Langbrandtner, G. Richter).18 Der Hauptgedanke dieses Modells besteht darin, von der Existenz eines Grundevangeliums als Beginn der Entstehung des Joh auszugehen, das dann stufenweise Neuinterpretationen und Erweiterungen erfahren habe. Die Stärke dieser Hypothese liegt in der Tatsache, dass sie die Entstehungsgeschichte des vierten Evangeliums als dynamischen theologischen und literarischen Prozess versteht, in dessen Verlauf die joh Erzählung erweitert und vertieft wurde. Sie hat aber zwei Schwachpunkte: Zum einen gibt es keinerlei Konsens in Bezug auf die Abgrenzung des Grundevangeliums, und zum anderen ist für die Annahme eines Grundevangeliums, d. h. einer Erzählung vom Leben und Sterben Jesu, zumindest vorauszusetzen, dass die Wunderberichte und die Passionsgeschichte im literarischen Prozess von Anfang an eine Einheit gebildet haben. Die aufmerksame Lektüre des Evangeliums spricht aber nicht für eine solche Annahme. Viel eher scheint es, dass es der Evangelist war, der diese beiden sehr unterschiedlichen traditionellen Textbereiche miteinander verbunden hat.19 Das dritte Modell geht von drei Quellen aus. Diese Theorie wurde programmatisch von R. Bultmann20 formuliert, erfreut sich auch heute noch breiter Zustimmung (z. B. J. Becker, R. Schnackenburg, M. Theobald)21 und beruht auf zwei einander sich ergänzenden Annahmen: Zum einen verfügte der Evangelist bei der Komposition seines Evangeliums über eine Passionsgeschichte, einer Sammlung von Wundergeschichten und Logien, die er insbesondere in seinen großen Reden verarbeitet hat. Zum anderen wurde das vom Evangelisten erstellte Werk von der joh Schule aufgenommen, erweitert und vertieft (Endredaktion). So formuliert nimmt diese Hypothese den Grundgedanken von Bultmann auf und korrigiert ihn zugleich in mehrfacher Hinsicht. Die Existenz einer Passionsgeschichte, die dem Evangelisten vorlag und von ihm bearbeitet wurde, wird kaum in Frage gestellt, auch wenn ihre Herkunft umstritten ist: Handelt es sich um eine vorjoh Überlieferung oder um ein intertextuelles Verhältnis zu Mk bzw. Lk? Die Forschung stimmt auch weitgehend darin überein, dass der Evangelist in seine Erzählung eine Reihe vorgegebener, zum Teil dem joh Milieu entstammender Wundergeschichten integriert hat. Die Meinungen gehen aber darüber auseinander, ob diese Wundergeschichten eine literarisch und theologisch zusammenhängende Quelle gebildet haben, die man dann Zeichen- oder „Semeia“-Quelle nennt (so R. Bultmann, gefolgt z. B. von J. Becker, R. Schnackenburg und M. Theobald)22

Vgl. Wellhausen, J., Erweiterungen und Änderungen im vierten Evangelium, Berlin 1907. Vgl. Brown, Joh XXXIV–XXXIX; Langbrandtner, Weltferner Gott, 1–121; Richter, Studien. 19 Vgl. Köster, H., Einführung in das Neue Testament, Berlin/New York 1980, 622–624. 20 Vgl. Bultmann, 842–844. 21 Cf. Becker, Joh I, 36–41; Schnackenburg, Joh I, 32–60; Theobald, Joh, 30–44. 22 Vgl. zuletzt Theobald, Joh, 32–42. 17 18

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oder ob eher an Wunderberichte verschiedener Herkunft zu denken ist (z. B. J. Frey, D. Marguerat, U. Schnelle).23 Die Forschung hat allerdings allgemein die Hypothese einer Offenbarungsredenquelle vorchristlichen oder gnostischen Ursprungs (Bultmanns „Offenbarungsreden“) aufgegeben und geht eher von der Existenz einer Sammlung christlicher Logien aus, die im joh Milieu weitergegeben wurden. Sie hätten das Material gebildet, das dann in den Reden weiter verarbeitet worden sei (z. B.: die Ich-bin-Worte oder die Parakletsprüche).24 Die Annahme einer Endredaktion des Evangeliums ist breit akzeptiert. Sein Verfasser habe (in einem Zug oder in mehreren Etappen?) an den abschließenden Stellen der einzelnen Teile jeweils einen Nachtrag eingefügt: den Epilog (Kapitel 21) nach dem ursprünglichen Schluss des Evangeliums (20,30–31); die zweite Abschiedsrede (15–16) und das Abschiedsgebet (17) nach der ersten Abschiedsrede; 12,44–50 nach dem Schluss des ersten Teils des Evangeliums (12,27–43); 3,31–36 nach dem Nikodemus-Zyklus zur Vervollständigung der Sequenz über den Täufer. Zu diesen substantiellen Zusätzen sind die Glossen hinzuzufügen, die hin und wieder in eine Erzählung oder eine Rede eingefügt wurden (1,29b; 5,28–29; 6,51c–58). Diese schlichte Aufzählung zeigt, dass die wesentlicheren Veränderungen sich in diesem Fall auf den zweiten Teil des Evangeliums beziehen. Die genaue Tragweite der Endredaktion ist umstritten: Während die klassische Literarkritik in der Endredaktion eine kohärente und profilierte theologische Arbeit sah, der allerdings eine gewisse Diskrepanz oder auch ein Bruch im Verhältnis zur Position des Evangelisten25 zuzusprechen war, gehen wir davon aus, dass es sich vielmehr um ein Vorgehen der Relecture handelt, und zwar mit dem Ziel, die Position des Evangelisten zu vertiefen und zu aktualisieren.26 c) Über das klassische Modell der Literarkritik hinaus Drei Voraussetzungen sind für die Auslegungsarbeit im vorliegenden Kommentar leitend. Die erste Voraussetzung besteht darin, Synchronie und Diachronie nicht als einander ausschließende Zugangsweisen zu verstehen. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. bis heute streiten die Kommentatoren, ob für eine angemessene Auslegung des vierten Evangeliums einem synchronen oder einem diachronen Zugang der Vorzug zu geben sei. Diese Frage ist unserer Meinung nach falsch gestellt. Zum einen ist der Text in seinem Endzustand, also das Evangelium in seiner kanoni23 Frey, 256; Marguerat, D., La source des signes existe-t-elle? Réception des récits de miracle dans l’évangile de Jean, in: Kaestli, Communauté, 69–93; Schnelle, Antidoketische Christologie, 168–180; van Belle, G., The Signs Source in the Fourth Gospel. Survey and Critic and Evaluation of the Semeia Hypothesis, BETL 116, Leuven 1994. 24 Vgl. Theobald, Herrenworte, 60–523. 25 Z.B. Bultmann, 841; Becker, Johanneisches Christentum, 190–207. 26 Vgl. Zumstein, J., Der Prozess der Relecture in der johanneischen Literatur, in: Ders., Kreative Erinnerung, 15–30.

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schen Form, zu interpretieren, weil es eine vollkommen kohärente Bedeutungseinheit bildet. Unter dem Text in seiner kanonischen Form verstehen wir den aufgrund der neuesten Erkenntnisse aus der Erforschung der Papyri und Handschriften von der Textkritik erstellten Text. Bei der Exegese ist der vorliegende und bezeugte Text jeglicher hypothetischen Rekonstruktion vorzuziehen. Zum andern hat aber die kritische Untersuchung des Evangeliums gezeigt, dass dieses noch die Spuren seiner Entstehung trägt.27 Wenn man sie stillschweigend übergehen würde, würde man sich eines methodologischen Fehlers schuldig machen, da dies einer Nichtbeachtung der Architektur der uns überkommenen Erzählung gleichkäme. Mit anderen Worten: Eine angemessene Auslegung des vierten Evangeliums muss das Evangelium sowohl in seiner Endgestalt als auch in seinem Werden betrachten. Wenn man die in der Komposition des Evangeliums erkennbare Dynamik des Interpretationsprozesses unbeachtet lässt, unterschlägt man eine wesentliche Seite der theologischen und literarischen Arbeit der joh Schule. Die zweite Voraussetzung betrifft die Verfahrensweise der Literarkritik. Nach mehr als einem Jahrhundert der Forschungsgeschichte gibt es immer noch keinen Konsens, weder in Bezug auf den Gesamtumfang der Quellen noch hinsichtlich der Detailanalyse. Dies zeigt, dass diese Unternehmung gescheitert ist. Dieser Misserfolg hat eine doppelte Ursache. Zum einen hat die Stilkritik gezeigt, dass das vierte Evangelium in dieser Hinsicht eine nicht zu bestreitende Einheitlichkeit aufweist, so dass es nicht sachgemäß ist, eine Unterscheidung von literarischen Schichten aufgrund rein stilistischer Kriterien vornehmen zu wollen. Zum anderen hat die Literaturwissenschaft die gängigen Kriterien der klassischen Literarkritik in Frage gestellt. Spannungen, narrative Brüche oder Wiederholungen28 können zwar auf den Gebrauch von Quellen hinweisen, sie können aber ebenso gut vom Erzähler als Technik verwendet werden, um seine Erzählung zu gestalten. Diese unstrittigen Beobachtungen zeigen, dass eine genaue Bestimmung und eine detaillierte Rekonstruktion der im vierten Evangelium verwendeten Quellen unmöglich ist, und zwar nicht aufgrund inkompetenter Forschung, sondern aufgrund des Charakters des zu interpretierenden Textes selbst.29 Auch wenn eine vollständige Trennung zwischen Tradition und Redaktion methodologisch unmöglich ist, so kann man doch von Fall zu Fall versuchen, die Spur einer Überlieferung nachzuzeichnen. Will man die Quellenanalyse ernsthaft betreiben, bleibt sie notwendigerweise fragmentarisch und lückenhaft. Jede Systematisierung in diesem Bereich würde das überschreiten, was der zu analysierende Text erlaubt. Wir werden also mit einer Minimal-Hypothese arbeiten, die davon ausgeht, dass der joh Schule eine Reihe von Wundergeschichten, von Worten Jesu und eine Passionsge27 Als Beispiele genügt es, die beiden Schlussformeln des Evangeliums (20,30–31; 21,35) und den Übergang von der ersten zur zweiten Abschiedsrede (14,31c) zu nennen. 28 Schnelle, Antidoketische Christologie, 13–36. 29 Vgl. Frey, 256; Haldimann, K./Weder, H., Aus der Literatur zum Johannesevangelium 1985–1994, ThR 67, 2002, 455.

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schichte vorlag, dass es aber nicht im Bereich des Möglichen liegt, diese Quellen genau, vollständig und detailliert zu rekonstruieren. Wenn nun also die klassische Literarkritik an ihre Grenzen geraten ist, stellt sich die Frage, ob man der Diachronie auf einem anderen Weg gerecht werden kann. Die Theorie der Intertextualität bietet ein heuristisch interessantes Werkzeug, das uns mit Andreas Dettwiler30 dazu geführt hat, das Modell der Relecture zu entwickeln. Und hier liegt unsere dritte Voraussetzung. Das Instrument der Intertextualität ermöglicht es, den Bezug zwischen Quellentext und Rezeptionstext zu erforschen, da die Entstehung des letzteren durch die Existenz des ersten bestimmt wurde. Mithilfe des Konzepts der Intertextualität kann, wie noch im Einzelnen darzustellen ist, zunächst der Bezug zwischen dem vierten Evangelium und der jüdischen Bibel (z.B. in Form von Zitaten, Anspielungen und Verweisen) herausgearbeitet werden. Auch das Verhältnis zwischen Joh und den Synoptikern kann auf diesem Weg in den Blick genommen werden (dazu s. gleich).31 Sodann liefert die Intertextualität den notwendigen theoretischen Rahmen, um dem Interpretationsprozess innerhalb des Evangeliums selbst gerecht zu werden. In diesem Fall spricht man von Intratextualität. Der Leser nimmt wahr, dass Erzählungen und Reden unter einem neuen Blickwinkel wieder aufgenommen und vertieft werden. So erfahren sowohl der Vorfall im Tempel als auch die Fußwaschung eine doppelte Interpretation.32 Im Bereich der Reden sind sowohl die eucharistische Sequenz in der Lebensbrotrede als auch die zweite Abschiedsrede, in der die erste Abschiedsrede erneut aufgegriffen wird, charakteristische Beispiele für diesen Prozess der Relecture.

3. Johannes und die Synoptiker33 Zur Frage nach den von Joh verwendeten Quellen gehört notwendigerweise auch das Verhältnis des 4. Evangeliums zu den synoptischen Evangelien. Zwei Thesen stehen einander gegenüber. Die schon sehr alte These der literarischen Abhängigkeit erfreut sich gegenwärtig in der Forschung erneuter Beliebtheit (vgl. C.K. Barrett, F. Neyrinck und die Schule von Leuven; U. Schnelle).34 Sie geht davon aus, dass Joh eines oder mehrere 30 Dettwiler, A., Le phénomène de relecture dans la tradition johannique: une proposition de typologie, in: D. Marguerat/A. Curtis (Hg.), Intertextualités. La Bible en échos, MoBi 40, Genf 2000, 185–200; Zumstein, J., Processus de relecture et réception de l’Écriture dans le quatrième évangile, Estudios Biblicos LXX, 2012, 37–54. 31 Eine der wichtigsten Grundannahmen des Kommentars von Thyen ist, dass das vierte Evangelium ein intertextuelles Spiel mit den Synoptikern darstellt. 32 S.u. 123–130 (zu 2,13–22) und 475–493 (zu 13,1–20). 33 Zu diesem Thema siehe Labahn, M./ Lang, M., Positionen und Impulse seit 1990, in: Frey, Kontexte, 442–515; Frey, 239–294. 34 Barrett, Joh, 59–71; Denaux, John and the Synoptics; Schnelle, U., Johannes und die Synoptiker, in: van Segbroeck, Joh III, 1799–1814.

Johannes und die Synoptiker

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synoptische Evangelien gekannt und als Quelle verwendet hat. Dadurch wollte er die synoptischen Evangelien vervollständigen, übertreffen oder gar ersetzen (H. Windisch).35 Folgende Argumente wurden zugunsten dieser These angeführt: Zum Ersten bedient sich Joh derselben literarischen Gattung des Evangeliums wie die Synoptiker, um den Glauben an Jesus Christus (20,30–31) zu verkünden. Nach dem Vorbild der Synoptiker verfasst er eine Erzählung, die mit dem Zeugnis des Täufers beginnt, mit der Darstellung der Predigt und der Wunder Jesu fortgeführt wird und mit seiner Passion, seinem Tod und seiner Auferstehung endet. Zum Zweiten stellt man fest, dass es bei Joh narrative Sequenzen gibt, in denen die Episoden in derselben Reihenfolge wie bei Mk dargestellt werden (z. B. Joh 6; Joh 18–19). Zum Dritten schliesslich sind einige wörtliche Übereinstimmungen zwischen Joh und den Synoptikern festzustellen.36 Die These der literarischen Unabhängigkeit des Joh von den Synoptikern (P. Gardner-Smith)37 wurde von Bultmann und Dodd vertreten38 und hat ebenfalls breite Zustimmung gefunden. Sie geht davon aus, dass Joh die Synoptiker in ihrer literarischen Form weder gekannt noch verwendet hat. Vielmehr habe sich Joh sowohl aus einem vorjoh als auch einem vorsynoptischen Traditionsfundus bedient (klassische Beispiele: die Wundergeschichten, die Passionserzählung). Es besteht also keine literarische Abhängigleit, sondern ein traditionsgeschichtlicher Zusammenhang. Man geht dann sogar davon aus, dass Joh völlig unabhängig von den Synoptikern die literarische Gattung des Evangeliums ein zweites Mal erfunden habe. Folgende Argumente sprechen für diese These: 1) die Art der Intertextualität, die zwischen den Synoptikern herrscht (z. B. die Art und Weise, in der Mk bei Mt aufgenommen wird) findet sich bei Joh nicht; 2) die wörtlichen Übereinstimmungen in den narrativen Sequenzen, die ein entscheidendes Argument im Bereich der literarischen Abhängigkeit darstellen, sind faktisch nicht existent; 3) dagegen sind die Unterschiede in der Darstellung des Stoffes beachtlich; so erscheint bei Joh nichts aus den Kindheitsgeschichten, den Gleichnissen, den Kontroversen und den in der Quelle Q zusammengestellten Logien, nichts aus der synoptischen Apokalypse oder der Reich-Gottes-Predigt Jesu; 4) wenn auch gemeinsame Elemente vorhanden sind, so bestehen doch zugleich erhebliche Unterschiede (vgl. jeweils bei Joh und den Synoptikern: das Zeugnis des Täufers, die unterschiedlichen Wundergeschichten, die Formulierung des Liebesgebots, die Leidensankündigungen). Es ist unserer Meinung nach aber nicht mehr möglich, diese Frage in Form einer schlichten Alternative zwischen den beiden genannten Hypothesen zu behandeln. Vielmehr ist anzunehmen, dass die joh Schule das Evangelium des Mk kannte, eventuell auch das des Lk, aber vermutlich nicht das des Mt. Ihre Beziehung zu

35 36 37 38

So Windisch, H., Johannes und die Synoptiker, Leipzig 1926. Vgl. die Aufstellung bei Schnelle, Einleitung, 506–508. Gardner-Smith, P., St. John and the Synoptic Gospels, Cambridge 1938. Bultmann, 841–842; Dodd, Historical Tradition, 423–432.

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diesen Schriften wurde von Distanz und Freiheit geprägt. Diese Annahme wird durch verschiedene Beobachtungen gestützt. Zunächst hat die jüngere Forschung39 gezeigt, dass der zwischen den Synoptikern vorherrschende Typ der Intertextualität (vgl. die Zwei-Quellen-Theorie) im Fall des Joh nicht vorliegt. Das entscheidende Argument lautet: Bei parallelen Überlieferungen (Joh 4,46–54 und 6,1–21) enthält die joh Version nie redaktionelle Elemente, die für die parallelen synoptischen Versionen charakteristisch sind; dieses Fehlen zeigt mit Bestimmtheit, dass es im Verhältnis zwischen Joh und den Synoptikern keine literarische Abhängigkeit in dem Sinne gibt, in dem z. B. Mt von Mk abhängig ist. Dieses Argument schließt also eine literarische Abhängigkeit nach „synoptischem Typus“ aus. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Joh die Synoptiker nicht gekannt habe. Er hat sie lediglich auf eine völlig andere Art und Weise verwendet. Es ist also legitim, zwischen Joh und den Synoptikern einen anderen Typus der Intertextualität anzunehmen, der mit Genette als „Hypertextualität“40 zu bezeichnen ist. Zum Zweiten ist es historisch recht plausibel, dass Joh Kenntnis von Mk und vielleicht von Lk (vgl. die Passionsgeschichte) hatte. Wenn man Joh als jüngstes der kanonischen Evangelien41 einstufen und sein Entstehungsmilieu in Syrien oder Ephesus lokalisieren kann, dann scheint es kaum wahrscheinlich, dass die joh Schule keine Kenntnis von der Existenz der Evangelien hatte, die in den ersten christlichen Gemeinden dieser Regionen zirkulierten und dass sie die literarische Gattung des Evangeliums ein zweites Mal erfunden hätte.42 39 Landis, S., Das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern, BZNW 74, Berlin 1992; Riniker, C., Jean 6,1–21 et les évangiles synoptiques, in: Kaestli, Communauté, 41–52. 40 Vgl. Genette, G., Palimpseste, 11 f. Hypertextualität bezeichnet „toute relation unissant un texte B (que j’appellerai hypertexte) à un texte antérieur A (que j’appellerai bien sûr hypotexte) sur lequel il se greffe d’une manière qui n’est pas celle du commentaire“ (ebd.). Hypertextualität meint damit eine abgeleitete Beziehung, die den Gedanken der Veränderung mit dem eines Perspektivenwechsels verbindet. Sie zeugt von einem distanzierten und freien Umgang mit dem Hypotext. 41 Frey, 288. 42 Die Überschrift „Evangelium nach Johannes“ (   #I , vgl. P 66 und P 75) bezeugt, dass dieser Titel dem Joh sehr früh zugesprochen wurde. Sie ermöglichte seine Aufnahme in die Sammlung der kanonischen Evangelien und bestimmte damit auch seine literarische Gattung. Damit ist das Joh Teil der atl.-jüdischen und der urchristlichen Literatur. Es ist aber legitim, auch die hellenistische Literatur, insbesondere die Gattungen der Historiographie und der antiken Biographie, daraufhin zu untersuchen, ob eventuelle Analogien mit dem vierten Evangelium zu finden sind (vgl. Bauckham, R., Historiographical Characteristics of the Gospel of John, NTS 53, 2007, 17–36; Schmeller, T. [Hg.], Historiographie und Biographie im Neuen Testament und seiner Umwelt, NTOA 69, Göttingen 2001). Wie Ebner, M., Von gefährlichen Viten und biographisch orientierten Geschichtswerken, in: Schmeller, Historiographie, 34–61 (hier 43–44), dargelegt hat – und wenn man sich außerdem daran erinnert, dass es Ziel der historia ist, die politische Situation einer bestimmten Epoche ans Licht zu bringen, während es in der vita darauf ankommt, das Portrait einer Person zu zeichnen –, so besteht die plausibelste Hypothese darin, von einer gemischten Gattung auszugehen, d. h. von einer vita mit historiographischen Elementen. Für diese Annahme sprechen folgende Argumente: (a) Der Aufbau der joh Erzählung entspricht der Struktur eines Lebens (Herkunft – Ausbildung – Worte und Taten – Tod). (b) Der Gattung der vita entsprechend wird die Hauptperson in enkomiastischer Weise (encomium) geschildert. (c) Der christozentrische Charakter der joh Erzählung entspricht dem Ziel der antiken vita,

Die johanneische Sprache

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Zum Dritten scheint der implizite Autor des Evangeliums bei seinem impliziten Leser zumindest die Kenntnis des Mk-Evangeliums vorauszusetzen. So sind die Darstellung des Täufers, die Verschiebung des Vorfalls im Tempel an den Anfang des Evangeliums oder das ‚joh Gethsemane‘ (12,20–36) Beispiele, die es nahelegen, mit einem intertextuellen Spiel zwischen Joh und Mk zu rechnen. Insgesamt lässt das Verhältnis zwischen Joh und den Synoptikern besonders gut erkennen, in welcher Art und Weise die joh Schule die Rezeption traditionellen Materials und die eigene Kreativität miteinander verbunden hat – ob es sich nun um synoptische Tradition, um joh Sondergut oder Bezugnahmen auf das AT handelt. Der Evangelist hat eine beachtliche Freiheit bewiesen, indem er das gesamte Material, das ihm zur Verfügung stand, neu konfiguriert und in seine eigene Erzählstruktur und seine theologische Auffassung integriert hat.43

4. Die johanneische Sprache Der Vergleich des Joh mit den synoptischen Evangelien lässt auch die Besonderheit der joh Sprache erkennen. Im Evangelium nach Joh, aber auch in den joh Briefen wird ein Vokabular gebraucht, das sich von dem der synoptischen Evangelien unterscheidet. Die Statistik zeigt, dass die bei Joh häufigen Begriffe (z. B. lieben, die Wahrheit, kennen, das Leben, die Juden, die Welt, richten, bezeugen/Zeugnis ablegen, der Vater, senden, bewahren, offenbaren, das Licht, bleiben u. a.) bei den Synoptikern selten sind; umgekehrt sind die bei den Synoptikern häufigen Begriffe (Taufe, Gottesreich, Dämon, sich erbarmen, reinigen, verkündigen, Evangelium, sich bekehren, Gleichnis, Gebet, Zöllner u. a.) bei Joh nur ausnahmsweise anzutreffen.44 Der zugleich einfache und feierliche Stil des Joh, zeichnet sich durch Besonderheiten aus, die schon oft beschrieben wurden (E. Schweizer, E. Ruckstuhl): 1) Während sich das Griechisch im Allgemeinen durch seine komplexe Satzkonstruktion auszeichnet, hat Joh eine deutliche Vorliebe für die Parataxe: kurze Sätze, die lediglich durch die Konjunktion  miteinander verbunden sind. 2) Gerne verwendet er das Asyndeton (zwei Sätze, die nicht durch Konjunktion miteinander verbunden sind). 3) Festzuhalten ist auch die Tatsache, dass er etwa 300 Mal die Partikel σ als einfach anreihende Verbindung ohne spezifische Bedeutung verwendet. 4) Die Konjunktionen  und Ρ haben häufig explikative Bedeutung. 5) Auch die Konstruktion  κ … $ tritt häufig auf. Sie erscheint nämlich dem Leser ein Modell vor Augen zu führen. (d) In diese Erzählung sind jedoch diverse historiographische Elemente eingefügt (Topographie, Chronologie, selektiver Charakter der Darstellung, explizite Kommentare, hermeneutische Funktion der Reden, Motiv des Augenzeugen). (e) Und schließlich ist das vierte Evangelium nach Ebner der Gattung der „gefährliche Viten“ anzunähern, die zur Flavierzeit (Epoche der Redaktion des Joh) in Gebrauch war. Diese Gattung inszeniert ein „Kontrastprogramm“, d. h. das Handeln des Helden steht im Widerspruch zu den anerkannten sozialen Werten und führt ihn in den Tod. 43 Vgl. Smith, D.M., Johannine Christianity, Columbia 1984, 95–172; Frey, 290 f. 44 Vgl. die Statistik bei Barrett, Joh, 23–26.

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Einleitung

75 Mal. 6) Zu diesen syntaktischen Elementen kommen einige für den joh Stil typischen Wendungen hinzu: So wird das Demonstrativpronomen  « 44 Mal gebraucht, aber nur 21 Mal im Rest des NT; Joh bedient sich gerne des Possessivpronomens  "« (39 Mal, d. h. häufiger als im ganzen Rest des NT, das eher die Form  verwendet). Der Ausdruck $φ’ &'/$’  ' erscheint 13 Mal bei Joh (aber nur 3 Mal im Rest des NT); auch die Präposition  wird im vierten Evangelium häufig gebraucht (42 Mal).

Drei literarische Verfahren werden im vierten Evangelium häufig eingesetzt, um – natürlich indirekt – mit der Erzählung zugleich einen impliziten Kommentar zu geben.45 Zum Ersten sind hier die Missverständnisse zu nennen (z. B.: 3,3–5). Dieses literarische „pattern“ spielt mit der Ambivalenz, die für eine Reihe von Äusserungen des joh Jesus typisch ist. Die dramatische Spannkraft besteht darin, dass der Gesprächspartner den Sinn eines Wortes Jesu missversteht, weil er es auf der Basis der in der Welt vorherrschenden Gewissheiten interpretiert. Dieses Missverstehen ermöglicht es dann dem joh Jesus, die Bedeutung der Offenbarung, die er bringt, neu und präziser zu formulieren. Zum Zweiten ist auf die Symbolsprache hinzuweisen (z. B. die Ich-bin-Worte, der Gebrauch von Begriffen wie „lebendiges Wasser“, „Brot“, „Licht“, „Weinstock/Rebe“, „Tür“ etc.). Durch die Erschliessung der diesem Sprachtyp inhärenten Doppelbedeutung (der wörtliche Sinn verweist auf einen zweiten Sinn), liefert die symbolische Sprache das nötige semantische Reservoir, um die Offenbarung zum Ausdruck zu bringen. Und schliesslich macht sich die Ironie (z. B. in 11,47–50 und in der Passionsgeschichte) die Diskrepanz zunutze, die zwischen dem offensichtlichen Sinn eines Ereignisses und seinem verborgenen, seinem eigentlichen Sinn besteht. Darüber hinaus sind die antithetischen Begriffspaare (z. B. Licht/Finsternis, Wahrheit/Lüge, von oben/von unten, Freiheit/Knechschaft, Leben/Tod, etc.) ein theologisch grundlegend wichtiges Element der joh Sprache. Anhand dieser Begriffspaare kann der Dualismus, der das gesamte vierte Evangelium bestimmt, konsequent entfaltet werden.

5. Der religiöse Hintergrund des Johannes46 Die eigentümliche Sprache des Joh führt zur Frage nach ihrer Herkunft. Handelt es sich um eine in der religiösen Welt der Antike des Nahen Ostens analogielose Sprache? Oder lassen sich doch Verbindungen oder Parallelen zu anderen uns bekannten religiösen Milieus ausmachen? Man sollte sich davor hüten, ein einziges, monokausales Erklärungsmodell zu entwickeln. Das Evangelium nach Joh befindet sich an einer Schnittstelle, an der sich verschiedene religiöse Welten begegnen, die Träger von jeweils spezifischen Culpepper, Anatomy, 149–202. Zu dieser Frage, siehe Brown, Introduction, 115–150; Frey, J., Auf der Suche nach dem Kontext des vierten Evangeliums. Zur religions- und traditionsgeschichtlichen Einordnung, in: Ders., Herrlichkeit, 45–87. 45 46

Der religiöse Hintergrund des Johannes

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Sprachen und Vorstellungen sind. Um diese komplexe Umwelt zu analysieren, ist auf eine genealogische Untersuchung zu verzichten, die versuchen würde, direkte Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Joh und einem einzigen47 oder mehreren bestimmten Milieus herzustellen. Vielmehr ist nach den Analogien zu fragen, die zwischen dem joh Milieu und den vielfältigen Milieus seines Umfelds in Bezug auf inhaltliche Motive und Vorstellungen festzustellen sind.48 Auf diese Art und Weise wird man eine vielgestaltige religiöse Welt entdecken, in der das vierte Evangelium zuhause war. An erster Stelle ist zunächst auf das frühe Christentum selbst als dem Milieu zu verweisen, auf das sich Sprache und Vorstellungswelt des Joh stützen. Der überwiegende Teil der narrativen Stoffe (Wunderberichte und Passionsgeschichte), die in Dialoge und Reden integrierten Logien (z. B. die Ich-bin-Worte), die christologischen Titel oder der Logoshymnus (1,1–18) stellen Traditionen dar, die im frühen Christentum Gestalt gewonnen haben, bevor sie ins Evangelium integriert wurden. Ist diese vorrangige Verwurzelung festgestellt, dann – und erst dann – kann nach Analogien zwischen Joh und anderen Milieus ausserhalb des entstehenden Christentums gefragt werden. Im Joh spiegelt sich sodann der Konflikt des joh Christentums mit der Synagoge wider (9,22; 12,42; 16,2). Die Schärfe der Auseinandersetzung hat ihre Spuren im Evangelium hinterlassen und verweist auf eine enge, inwzwischen aber der Vergangenheit angehörende Verbindung zum palästinischen Judentum. Einige Stellen im Evangelium zeugen von einer erstaunlich guten Kenntnis der Geographie Palästinas: 4,5 (Sychar); 5,2 (Bethesda); 18,1 (Bach Kedron). Die jüdischen Feste und Pilgerreisen strukturieren die joh Erzählung (2,13; 6,4; 7,2.8.37; 10,22; 18,28; 19,31.42). Zu den als bekannt vorausgesetzten Überzeugungen gehören die Vorschriften der Thora, besonders die Einhaltung des Sabbats (5,9–10; 7,22–24; 9,14.16), und die jüdische Messiaserwartung (z. B. 1,20ff; 7,27.42). Und schliesslich wird regelmässig die jüdische Bibel, das spätere Alte Testament der Christen, zitiert,49 um die Argumentation des Evangelisten zu stützen, der eine besondere Vorliebe für die Psalmen und den Propheten Jesaja zeigt. So unbestreitbar der Einfluss des palästinischen Judentums auf Joh auch ist, so ist es doch notwendig, dies an vier Punkten zu differenzieren. Zum Ersten ist das palästinische Judentum konstitutiver Bestandteil jeder Jesustradition. Sodann gehört die Beziehung zum palästinischen Judentum nicht zur Gegenwart, sondern zur Vergangenheit der joh Gemeinden. So stehen auch drittens die Hauptprobleme des palästinischen Judentums (z. B. das Gesetz oder der Tempel und seine Opferpraxis) nicht mehr im Zentrum der joh Theologie. Und schließlich war, wie

47 So Wengst in seinem Kommentar und seinem Essay Bedrängte Gemeinde, der eine ausschließliche Verbindung zur Synagoge der Pharisäer herstellt und nur rabbinische Parallelen zitiert. 48 Zu diesem Paradigmenwechsel, der die Fragestellung nicht mehr auf genealogische Verbindungen, sondern auf die Suche nach Parallelen konzentriert, vgl. Frey, Kontext, in: Ders., Herrlichkeit, 76–78. 49 Vgl. die vollständige Auflistung der atl. Zitate im vierten Evangelium bei Barrett, Joh, 45–47.

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Einleitung

Martin Hengel gezeigt hat,50 das palästinische Judentum zur Zeit Jesu schon weitgehend hellenisiert. Eine scharfe Gegenüberstellung von palästinischem Judentum und hellenistischem Judentum steht somit nicht mehr zur Debatte. Daraus folgt, dass die aus dem hellenistischen Judentum stammenden Texte genauso zu berücksichtigen sind, wie die pharisäisch-rabbinischen, die fester Bestandteil des palästinischen Judentums sind. Durch die Entdeckung der Qumran-Handschriften im Jahre 1947 wurde es möglich, die Verbindungen zwichen Joh und dem palästinischen Judentum in einem neuen Licht zu betrachten.51 Diese Bibliothek (mehr als 900 Handschriften, davon 200 mit biblischen Texten) beschränkt sich nicht auf die Schriften der essenischen Gemeinde, sondern umfasst zahlreiche weitere Texte der ausserordentlich vielfältigen literarischen Produktion Palästinas zwischen dem 3. Jh. v. Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. (z. B. das Buch Henoch oder das Jubiläenbuch). Die Schriften aus Qumran geben also Zugang zum palästinischen Judentum der Antike in seiner ganzen Vielfalt. In der Anfangszeit hatte sich die Forschung allerdings auf die direkte Verbindung zwischen den Schriften der „Sekte“ der Essener und dem vierten Evangelium konzentriert. Es wurde herausgestellt, dass die für die joh Literatur so charakteristische dualistische Sprache in der Literatur dieser Gruppe bereits stark vertreten war (z. B. die Gegensätze Licht/Finsternis, Wahrheit/Lüge). Doch auch wenn sich die semantischen Felder gleichen, so ist deshalb nicht auf einen beherrschenden Einfluss der Qumran-Gemeinde auf Joh zu schliessen. Denn während der Lebensnerv des Qumran-Dualismus in der Gesetzesfrage liegt (es ist der ethische Gehorsam gegenüber der Thora, der die Menschen in zwei Lager teilt), basiert der joh Dualismus auf der Christologie (es ist der Glaube an den Christus, das Licht der Welt, der zur Trennung zwischen den Menschen führt). Umgekehrt steht der Qumran-Dualismus nie mit einer Messiaserwartung in Verbindung. Aus dieser Beobachtung ist eine doppelte Schlussfolgerung zu ziehen: Einerseits bieten die spezifisch essenischen Texte nicht den religiösen Hintergrund, der es erlauben würde, die joh Literatur schlicht und einfach dieser Bewegung zuzuordnen. Andererseits steht Joh durch seine typische dualistische Sprache dem Randjudentum deutlich näher als dem nach 70 n. Chr. vorherrschenden pharisäisch-rabbinischen Judentum. Diese Einschätzung wird durch die Art und Weise bestätigt, in der Joh zu einer weiteren Randbewegung des 1. Jh. n. Chr. Stellung bezieht, nämlich zu Johannes dem Täufer und seinen Jüngern. Der Anfang des Joh bewahrt noch die Erinnerung an eine erbarmungslose Auseinandersetzung mit diesen Täuferkreisen. Von Anfang an und immer wieder bemüht sich der Verfasser des Joh, das Verhältnis zwischen Johannes dem Täufer und Jesus zu präzisieren: Der Täufer ist nur der Vorläufer des joh Jesus (1,6–8); seine einzige Rolle besteht darin, der Zeuge zu sein, der in der Person Jesu das Lamm Hengel, Johanneische Frage, 284–287. Dazu siehe Frey, J., Neutestamentliche Wissenschaft und antikes Judentum. Probleme – Wahrnehmungen – Perspektiven, ZThK 109, 2012, 445–471 (hier 453f). 50 51

Der religiöse Hintergrund des Johannes

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und den Sohn Gottes designiert (1,19–36); gegenüber der absolut zweifelsfreien Überlegenheit Jesu muss sich der Täufer völlig zurücknehmen (3,30; 5,36; 10,41). Diese Klärung war umso notwendiger, als – nach Joh – die ersten Jünger Jesu aus Täuferkreisen stammten (1,35–40). Diese Erinnerungsarbeit des Verfassers des Evangeliums verdient aus drei Gründen unsere Aufmerksamkeit. Zunächst ist das jüdische Milieu, aus dem Jesus stammte, unbestreitbar die Täuferbewegung (vgl. die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer). Sodann ist dieses Täufermilieu, das in den Augen des Joh so wichtig ist, weil Jesus und seine ersten Jünger daraus hervorgingen, integraler Bestandteil des Randjudentums. Schließlich handelt es sich, wie es die Geschichte der mandäischen Gnosis zeigt, bei den Täuferkreisen um einen der Ursprungsbereiche der Gnosis. Im Übrigen ist bei dieser Auflistung der Bewegungen am Rande des offiziellen Judentums ebenso das samaritanische Judentum zu berücksichtigen, dass in Joh 4 eine beachtliche Rolle spielt. Allerdings schließt das Verhältnis zum in sich durchaus facettenreichen palästinischen Judentum nicht die zahlreichen Analogien zum hellenistischen Judentum aus. Die bei Joh erkennbaren weisheitlichen Traditionen (vor allem der Weisheitsmythos im Prolog 1,1–18) zeigen dies hinreichend deutlich. So identifiziert Philo von Alexandrien die Weisheit mit dem Logos. Daraus ergibt sich, dass die deuterokanonischen Bücher, die Pseudepigraphen oder intertestamentarischen Schriften (neben den Schriften von Qumran, der Targumim und den rabbinischen Traditionen) ausserordentlich wertvoll sind, um eine Enzyklopädie der bei Joh gebrauchten Sprache und Vorstellungen zu erstellen. In der Forschung des 20. Jahrhunderts drehte sich die zentrale Debatte über die religionsgeschichtliche Verwurzelung des vierten Evangeliums allerdings um die Frage nach dem Verhältnis von Joh zur Gnosis. Für eine derartige Sicht sprachen sowohl der Dualismus, der die joh Darstellung durchzieht, als auch die auf die Gestalt des himmlischen Gesandten ausgerichtete Christologie. Besonders Rudolf Bultmann war es, der in der Gestalt des präexistenten Sohnes, der den in Finsternis gestürzten Menschen das Heil offenbart, bevor er zum himmlischen Vater zurückkehrt, eine kritische Wiederaufnahme des gnostischen Erlösermythos sehen wollte. Ist Joh also grundlegend abhängig von der gnostischen Gedankenwelt, die es fundamental uminterpretiert hätte (R. Bultmann),52 der es erlegen wäre (E. Käsemann, L. Schottroff)53 oder mit der es in enger Verbindung stehen würde (J. Becker)?54 Aus drei Gründen ist es schwierig, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Zunächst ist es schon problematisch zu definieren, was unter dem Begriff „gnostischer Einfluss“ zu verstehen ist. Die Identifizierung eines Konzeptes oder einer Bultmann, 846 f. Käsemann, letzter Wille; Schottroff, L., Der Glaubende und die feindliche Welt. Beobachtungen zum gnostischen Dualismus und seiner Bedeutung für Paulus und das Johannesevangelium, WMANT 37, Neukirchen-Vluyn 1970. 54 Vgl. Becker, Joh I, 66–70. 52 53

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Einleitung

Vorstellung im Evangelium, die dann später in gnostischen Systemen erscheint, genügt nicht, um daraus auf ein Zugehörigkeitsverhältnis zu schließen. Um ein solches Urteil zu rechtfertigen, muss sich das jeweilige Konzept bzw. die jeweilige Vorstellung in eine explizit identifizierbare gnostische Gesamtkonzeption einfügen. Zum Zweiten ist eine Definition des Begriffs „Gnosis“ ausgesprochen schwierig. Handelt es sich um ein profiliertes Existenzverständnis, das im antiken Synkretismus belegt ist, und das mehrere religiöse Weltanschauungen prägt (H. Jonas)?55 Oder ist eher an strukturierte Systeme zu denken, die in verschiedenen heute zugänglichen Dokumenten vorliegen (J.M. Sevrin)56? Wenn dies der Fall ist, und dies ist der dritte Punkt, dann muss festgehalten werden, dass die ältesten literarischen Dokumente der Gnosis, die uns vorliegen, aus dem 2. Jh. n. Chr. stammen (der Erlösermythos z. B. gehört erst in eine spätere Phase des Gnostizismus und sicher nicht zu dessen Ursprüngen). Dies gilt auch für Joh. Die ältesten Traditionen aus den gnostischen Texten, die sich mit dem Joh in Verbindung bringen lassen, finden sich in Schriften des 2.Jh. n. Chr.57 (Apokryphon des Johannes [BG 2; NHC III,1; NHC II,1, IV,1] und die dreigestaltige Protennoia [NHC XIII,1]), also nach der Abfassung des Evangeliums. Was ist aus diesem knappen Überblick zu schließen? Auf die Frage nach dem Verhältnis zur Gnosis ist nur eine differenzierte Antwort möglich. Einerseits gibt es im Evangelium nach Joh keine explizite Auseinandersetzung zwischen Gnosis und christlichem Glauben. Die Elemente der großen gnostischen Systeme des 2. Jh. (besonders die Kosmologie) sind bei Joh nicht zu erkennen. Mehr noch, das vierte Evangelium ist a-gnostisch, wie sich am Begriff der Schöpfung (vgl. der Prolog) oder auch in der erste Abschiedsrede (vgl. z. B. 14,23) zeigt (H. Köster).58 Andererseits zeigt die Rezeptionsgeschichte, dass Joh sich für eine gnostische Lesart geradezu anbietet (vgl. z. B. den für die valentinianische Gnosis typische Kommentar von Herakleon und die Schriften von Nag Hammadi [Evangelium Veritatis, das Evangelium nach Philippus, Epistola Jacobi apocrypha]). Diese Verständnismöglichkeiten erklären sich aus der Tatsache, dass das religiöse Gebiet, in dem Joh seinen Ursprung hatte, also Syrien oder Kleinasien, zugleich zu den Gebieten gehörte, in denen sich dann auch die Gnosis entwickelte. Auch wenn der Ausdruck „prä-gnostisch“ nicht unumstritten ist, so beschreibt er doch gut das religiöse Umfeld, in dem die joh Schule ihre Überlegungen entwickelt hat.

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Jonas, H., Gnosis und spätantiker Geist, FRLANT 51, Teil I, Göttingen 31964; Teil II/1, Göttingen

21966. 56 Sevrin, J.-M., Le quatrième évangile et le gnosticisme: questions de méthode, in: Kaestli, Communauté, 251–268. 57 Die Dokumente von Nag Hammadi stellen die umfangreichste und wichtigste uns bekannte gnostische Bibliothek dar. Sie stammen aus dem 4. Jh. n. Chr., enthalten aber auch deutlich ältere Traditionen, die vermutlich bis ins 2. Jh. n. Chr. zurückreichen. 58 Köster, H., Les discours d’adieu de l’évangile de Jean: leur trajectoire au premier et au deuxième siècle, in: Kaestli, Communauté, 269–280.

Das Entstehungsmilieu

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6. Das Entstehungsmilieu Im Vergleich mit den synoptischen Evangelien zeigt sich das spezifische Profil des Joh besonders deutlich. Trotz einiger Ähnlichkeiten (literarische Gattung, Passionsgeschichte, einige gemeinsame Erzählungen und Logien), besticht Joh durch seine Originalität (Aufbau, Hauptthemen, den Synoptikern unbekannte Erzählungen, christologische Reden). Diese Originalität bedeutet, dass Joh innerhalb der ntl. Literatur keine sekundäre Erscheinung ist, sondern eine eigenständige Entwicklungslinie in der Geschichte des Urchristentums darstellt. Wie kann man unter dieser Voraussetzung das Entstehungsmilieu beschreiben, in dem das Evangelium seine Ursprünge hat? a) Die johanneische Schule Die literarische und theologische Arbeit, die zur Abfassung des Joh geführt hat, erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte und setzt die Existenz eines stabilen Milieus voraus, in dem die den johanneischen Gemeinden eigenen Traditionen gesammelt, zusammengestellt, uminterpretiert und weitergegeben wurden; ein Milieu, in dem diese theologische und literarische Arbeit zur schrittweisen Abfassung des Evangeliums und dann der Briefe geführt hat. Es kann also mit Fug und Recht davon ausgegangen werden, dass diese Aufgabe von einem theologischen Kreis, der johanneischen Schule, ausgeführt wurde, deren Gründungsfigur wahrscheinlich der Lieblingsjünger war (13,23–25; 19,26–27; 20,1–10; 21,2–8.20–24; vgl. auch 18,15–16; 19,34b–35). Und wer ist innerhalb der joh Schule der Verfasser des vierten Evangeliums? Auch wenn der Lieblingsjünger der Gründer der joh Schule sein sollte, so ist es doch wenig wahrscheinlich, dass er der Verfasser des Evangeliums ist. Es ist an einen von ihm unterschiedenen, eine Generation jüngeren Redaktor zu denken, den man für gewöhnlich den Evangelisten nennt. Der entscheidende Beitrag des Evangelisten war es, die joh Traditionen in Erzählform zu bringen und insbesondere eine Jesusgeschichte zu entwerfen, die auf das Kreuz ausgerichtet ist. Die redaktionellen Motive der „Stunde“, der „Erhöhung“ und der „Verherrlichung“, die die gesamte Darstellung in Bezug zum Kreuz bringen, stützen diese Einschätzung. Die Abschiedsreden, in denen die Frage nach der Bedeutung des Weggangs Jesu gestellt wird, gehen in dieselbe Richtung. Allerdings ist davon auszugehen, dass das Evangelium in seiner kanonischen Form nicht das Werk des Evangelisten, sondern des Endredaktors ist, wobei man fragen kann, ob hier an eine einzelne Person oder eher an eine Personengruppe zu denken ist. ‚Der‘ Endredaktor hat letzte Hand angelegt, indem er dem Evangelium insbesondere das Kapitel 21 angefügt und diverse Glossen in den Text eingefügt hat (s. o.). Die Gründe für diese letzte Relecture sind darin zu suchen, dass sich die Situation der joh Gemeinden durch ihren vermutlichen Ortswechsel von Syrien nach Kleinasien erheblich verändert hatte und sie jetzt bestrebt waren, sich in die Großkirche zu integrieren.

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Einleitung

b) Abfassungszeit Ist es möglich, eine präzise Angabe darüber zu machen, wann der Evangelist sein Werk komponiert hat? Der einzige historische Kontext, der in Joh explizit erwähnt wird, ist die Auseinandersetzung der Jünger mit dem damaligen Judentum und speziell ihr Ausschluss aus der Synagoge (9,22; 12,42; 16,2). Dieser Ausschluss hat, in welcher Form auch immer, in den Jahren 80–90 n. Chr. stattgefunden und die betroffenen Judenchristen in eine religiös und sozial außerordentlich prekäre Situation gebracht. Es ist also nicht übertrieben anzunehmen, dass dieser Bruch in einer Identitätskrise kulminierte. Die Verwirrung, die Mutlosigkeit und das Scheitern stellten den Glauben der joh Christen auf eine harte Probe. Das Evangelium ist Teil dieser Situation und versucht, dem geschwächten Glauben der joh Gemeinden wieder Halt zu geben. Die Wahrnehmung des polemischen Kontextes ermöglicht es, das Evangelium zu datieren. Joh wurde nach dem Bruch mit der Synagoge, d. h. nach 85 n. Chr. verfasst. Diese Hypothese wird dadurch erhärtet, dass das Evangelium das Martyrium des Petrus (13,36–37; 21,18) und die Zerstörung des Tempels (11,47–48) kennt. Des Weiteren ist sich die Tradition der Alten Kirche darin einig, Joh als das späteste der kanonischen Evangelien zu betrachten.59 Ein 1935 in Ägypten gefundener Papyrus, der P52, der einige Verse von Kapitel 18 enthält, ermöglicht es übrigens, den terminus ante quem festzulegen. Dieser Papyrus stammt etwa aus dem Jahr 125 n. Chr. und zeigt, dass das vierte Evangelium zu diesem Zeitpunkt in Ägypten bekannt war. Daher kann man mit guten Gründen das Ende des ersten Jahrhunderts als Abfassungsdatum des Evangeliums annehmen. c) Entstehungsort Für die Bestimmung des Ortes, an dem das Evangelium wahrscheinlich abgefasst wurde, sind sechs Faktoren zu berücksichtigen. Es muss ein Ort sein, 1) an dem die Synagoge eine wichtige Rolle spielte und sie die Macht hatte, Disziplinarmaßnahmen einzuleiten; 2) an dem das Randjudentum noch lebendig war; 3) an dem die Jünger des Johannes des Täufers ihren verstorbenen Meister verehrten; 4) an dem sich später die Gnosis entfalten konnte; 5) an dem Griechisch im Gebrauch war; 6) an dem die Gestalten des Petrus und des Thomas eine kirchliche Hauptrolle spielten. Ein Ort, an dem diese sechs Bedingungen vereint waren, ist Syrien, ohne aber Kleinasien, speziell Ephesus ausschließen zu können. Außerdem ist hinzuzufügen, dass sich Syrien als möglicher Entstehungsort des Evangeliums nur auf die Arbeit des Evangelisten beziehen könnte. Die Endredaktion des Evangeliums und die Abfassung der Johannesbriefe sind vermutlich in Kleinasien anzusiedeln.

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Vgl. Frey, 288, nach Hengel, Johanneische Frage, 15–18.

Das Entstehungsmilieu

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d) Der Verfasser Nach Aussage von Kapitel 21 ist als Verfasser des vierten Evangeliums der Lieblingsjünger anzusehen (21,24). Zu dieser erst im Epilog vollzogenen Identifizierung sind zwei Hinweise erforderlich: a) Wenn man berücksichtigt, dass bei Joh eine gewisse Rivalität zwischen Petrus und dem Lieblingsjünger besteht und dass außerdem der Tod des Lieblingsjüngers anscheinend ein Problem für die joh Kreise gewesen ist (21,22–23), dann folgt daraus, dass der Lieblingsjünger nicht als rein symbolische Gestalt ohne historischen Gehalt zu betrachten ist; es handelt sich vielmehr um eine den joh Kreisen bekannte Person und man kann in ihm den Gründer der joh Tradition und der joh Schule sehen. b) Außerdem gilt, dass der Verfasser des Evangeliums im Unterschied zum Lieblingsjünger wahrscheinlich der zweiten oder dritten Generation angehört. Er schreibt im Namen des Lieblingsjüngers und versucht, die vom Lieblingsjünger entworfene Interpretation des christlichen Glaubens in Form eines Evangeliums darzulegen. Das Evangelium ist also nicht das Werk eines Augenzeugen. Exkurs: Die Zuschreibung des vierten Evangeliums an Johannes den Zebedaiden In der modernen Forschungsgeschichte (19. Jh. und erste Hälfte des 20. Jh.) war die Frage nach dem Verfasser des vierten Evangeliums die eigentliche „joh Frage“.60 Man glaubte, dass die theologische Autorität und Glaubwürdigkeit dieser Schrift vom Ausgang dieser leidenschaftlich geführten Debatte abhängen würde. Der Beweis seiner Zuschreibung an den Apostel Johannes würde ihm Glaubwürdigkeit verleihen, die Infragestellung dieser Zuschreibung sie ihm dagegen entziehen. Gegenwärtig hat diese Fragestellung ihre frühere Bedeutung verloren, da das Kriterium der Apostolizität für die Bewertung der theologischen Autorität einer ntl. Schrift nicht mehr ausschlaggebend ist. Zunächst ist zu fragen, wann die Identifikation des Lieblingsjüngers mit dem Zebedaiden, die im Evangelium noch nicht vorliegt, erfolgte. Diese Zuordnung erscheint erstmalig in der handschriftlichen Tradition des Evangeliums nach Joh. Die inscriptio des Papyrus P66, der eventuell aus der zweiten Hälfte des 2. Jh. stammt, belegt, dass das vierte Evangelium schon zu dieser Zeit dem Zebedaiden Johannes zugeschrieben wurde. Irenäus von Lyon (um 180) ist der erste sichere Zeuge der Alten Kirche für die Gleichsetzung des Lieblingsjüngers mit dem Jünger Johannes als Verfasser des Joh (haer. III 1,1, aufgenommen von Euseb, h.e. V 8,4). Zur Begründung verweist Irenäus auf das Zeugnis der Presbyter Kleinasiens, die Johannes kannten (haer. II 22,5), auch Papias von Hierapolis und Polykarp von Smyrna hätten noch Johannes kennengelernt. Aber selbst wenn Papias den Apostel Johannes und den Presbyter Johannes gekannt haben sollte (so jedenfalls Irenäus, haer. V 33,4, anders Euseb, h.e.III, 39,2), so behauptet er doch nirgends, dass einer der beiden das vierte Evangelium geschrieben habe. In Bezug auf Polykarp, der im Jahr 155 n. Chr. im Alter von 86 Jahren als Märtyrer gestorben ist, behauptet Irenäus, er habe ihn sogar persönlich über seine lebendige Beziehung zum Apostel sprechen hören (haer. III, 3,4; vgl. auch Euseb, h.e. IV 14,3–6; V 20,6). Doch ist zum einen festzustellen, dass Irenäus bei 60 Vgl. Rengstorf, K.H. (Hg.), Johannes und sein Evangelium, WdF 82, Darmstadt 1973, IX– XXVIII.

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Einleitung

der Erwähnung der Beziehung zwischen Polykarp und Johannes keine konkrete Angabe über die Abfassung des Joh macht; zum anderen schweigen die Schriften des Polykarp in Bezug auf seine angebliche Bekanntschaft mit dem Zebedaiden. Daraus ist eindeutig zu folgern, dass das Zeugnis des Irenäus wohl auf einer Tradition beruht, dass es aber nicht möglich ist, diese Tradition zu rekonstruieren oder gar zu verifizieren. Gegen die altkirchliche Tradition werden durchgehend zwei Argumente angeführt, die dagegen sprechen, den Zebedaiden Johannes – und überhaupt einen Augenzeugen – als Verfasser des vierten Evangeliums anzunehmen. Zum Ersten sei der Zebedaide Johannes nach Mk 10,35–40 (vaticinium ex eventu?) den frühzeitigen Märtyrertod gestorben und nicht als ehrwürdiger Greis in Ephesus unter der Herrschaft von Trajan (so Irenäus, haer. II, 22,5). Die Annahme eines gemeinsamen Martyriums mit seinem Bruder Jakobus (Apg 12,2) unter der Herrschaft von Agrippa I. ist allerdings nicht beweisbar. Nach dem Apostelkonzil (Gal 2,9) verliert sich seine Spur. Zwischen Johannes dem Zebedaiden, einem Angehörigen der ersten Generation, und dem Verfasser des Evangeliums gegen Ende des 1. Jh. liegt ein zeitlicher Graben, der unüberbrückbar bleibt. Zum Zweiten zeigt der Vergleich mit den synoptischen Evangelien, dass Sprache und Theologie des vierten Evangeliums nicht mehr in unmittelbarer Verbindung mit der Welt des historischen Jesus und seinen ersten Jüngern stehen. Eine längere Traditionsgeschichte trennt das Leben und die Lehre Jesu von ihrer Wiedergabe im vierten Evangelium. Da man das vierte Evangelium nicht dem Zebedaiden zusprechen kann, haben manche (z. B. M. Hengel)61 den von Papias erwähnten Presbyter Johannes (vgl. Euseb, h.e. III 39,4: ² ( (« #I «) als Verfasser des Evangeliums und der drei Briefe betrachtet (2Joh und 3Joh stellen sich ausdrücklich als Briefe des „Ältesten“ [² ( («] vor). Diese einfallsreiche Hypothese, in der verstreute Angaben miteinander kombiniert werden, wird weder durch das vierte Evangelium noch durch irgendein Zeugnis der altkirchlichen Tradition gestützt und ist deshalb nicht haltbar.

Es ist also an der Zeit, die „joh Frage“ im klassischen Sinn zu verabschieden. Die historische Identifikation des angeblichen Verfassers des Evangeliums ist ein der altkirchlichen Tradition inhärentes Problem. Aus hermeneutischer Sicht spielt sie keine entscheidende Rolle für die Textauslegung. Die Interpretationsarbeit ist nicht an der intentio auctoris, sondern an der intentio operis62 auszurichten. Vielmehr ist umgekehrt darauf zu achten, wie der Text selbst dem Lieblingsjünger ein Denkmal errichtet. Dadurch lässt sich erkennen, welche Züge das Evangelium dem Evangelisten verleiht.63 e) Die pragmatische Funktion des Evangeliums Aus kommunikationspragmatischer Sicht hat das Evangelium nach Joh das Ziel, den Glauben der Adressaten neu zu strukturieren. Es bemüht sich, sie von einem

Hengel, Johanneische Frage, 86–95.264–274. Vgl. Eco, U., Les limites de l’interprétation, Paris 1992, 29–32. Die Suche nach der intentio auctoris führt in eine Sackgasse, wenn der Exeget wie im Falle des Joh nicht mehr mit einer, sondern mit mehreren Verfassern und ihren Intentionen zu tun hat: An der Niederschrift des vierten Evangeliums waren mehr als nur eine einzige Feder beteiligt. 63 Vgl. Overbeck, Das Johannesevangelium, 434–455. 61

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Skizze der Theologie des Evangeliums

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geschwächten und verunsicherten zu einem gestärkten und klar formulierten Glauben zu führen. Diese Neustrukturierung des Glaubens geschieht, indem das Evangelium in jedem Teil eine „Stufenhermeneutik“64 ins Werk setzt: Die Glaubenden werden in ihrem elementaren, geschwächten Glauben abgeholt und zu einem vollkommeneren Verständnis geleitet.

7. Skizze der Theologie des Evangeliums Einzusetzen ist bei den Abschiedsreden (Kapitel 14–16). Hier präzisiert das vierte Evangelium, von welchem theologischen Ort aus die Geschichte Jesu erzählt wird. Dieser anamnetische Akt wird vom österlichen Glauben her unternommen (2,17.22; 12,16; 13,7; 20,9). Der Handelnde in dieser Erinnerungsarbeit ist der Paraklet (= der Heilige Geist). Allein der Paraklet (14,16–17.26; 15,26; 16,7–11.13–15) ist verlässlicher Zeuge und befähigter Hermeneut des Lebens und des Werks des joh Jesus. Allein im geistgeleiteten österlichen Rückblick kann der Sinn der Inkarnation, des irdischen Wirkens, der Passion und der Erhöhung des Sohnes vollständig erkannt werden. Das Evangelium ist also Zeugnis par excellence für den inkarnierten Christus in der Kraft des Geistes, das die Erinnerung an den irdischen Jesus bewahrt und zugleich seine Relevanz für das Heute des Glaubens formuliert. Diese Beschreibung des Wirkens des Parakleten lässt von vorneherein ahnen, dass das joh Evangelium im Grunde eine christologische Erzählung ist: Hauptthema des Evangeliums ist die Person Jesu, seine Geschichte und seine Bedeutung. Dabei wird der joh Jesus, das ist die Grundauffassung des vierten Evangeliums, zentral als Offenbarer Gottes in der Welt dargestellt. Diese offenbarende Funktion wird auf zweifache Art und Weise entfaltet. a) Die Christologie der Inkarnation. Der hermeneutische Rahmen, in dem das im Evangelium dargestellte Leben des irdischen Jesus zu verstehen ist, wird im Prolog (1,1–18) vorgegeben. Seine grundlegende These besteht in einer Christologie der Inkarnation. Was ist darunter zu verstehen? Die konstitutive Bewegung, die dem Logoshymnus zugrunde liegt, ist das Kommen Gottes zu den Seinen, die Zuwendung Gottes für die Seinen, d. h. für alle Menschen. Der Logos, genauer gesagt der präexistente Sohn, der in Einheit mit dem Vater lebt und der Schöpfungsmittler ist, nimmt Fleisch an (1,14). Er hat einen Namen – Jesus von Nazareth, und er hat eine Geschichte, nämlich die, die im Evangelium erzählt werden wird. In der Person Jesu wird Gott zur liebenden Nähe und Gegenwart inmitten der Schöpfung und der Menschheit. Jesus ist das fleisch-

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Vgl. Theissen, Religion, 257–262.

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Einleitung

gewordene Wort Gottes. Die gesamte Geschichte des Menschen Jesus, seine Worte, seine Taten, sein Leben und sein Sterben sind von dieser Grundaussage her zu verstehen. b) Die Christologie des Gesandten. Im Korpus des Evangeliums wird eine Christologie des Gesandten entwickelt. Diese Sendungschristologie steht nicht in Spannung oder Diskrepanz zur Inkarnationschristologie, sondern ist deren Entfaltung und Erläuterung in einer anderen Sprachform. Gerade weil Jesus der fleischgewordene präexistente Sohn ist, kann sein historisches Geschick als ein Kommen, als eine Sendung dargestellt werden. Die Semantik der Sendung ist im Rahmen des Botenverkehrs im Alten Orient zu verstehen. Ein Gesandter war ein ordnungsgemäß legitimierter Bote, der an einem fremden Hof seinen Herrscher repräsentierte. Das der Gestalt des Gesandten zugrundeliegende Prinzip war das der Vertretung; es bediente sich der Dialektik zwischen Einheit und Unterschiedenheit: Der Botschafter repräsentierte seinen König voll und ganz, und doch war er von ihm unterschieden. Das Sinnpotential dieser Vorstellung im Hinblick auf die Christologie liegt vor Augen: Als Gesandter des Vaters repräsentiert Jesus ihn in der Welt. Er spricht nicht seine eigenen Worte, sondern die Worte seines Vaters (3,34; 14,10; 17,8.14); er vollbringt nicht seine eigenen Werke, sondern die seines Vaters (4,34; 5,17.19 ff.30.36; 8,28; 14,10; 15,24; 17,4). Er tut nicht seinen eigenen Willen, sondern den seines Vaters (4,34; 5,30; 6,38; 10,25.37). Er will nichts anderes sein als die Stimme und die Hand Gottes unter den Menschen. In der joh Denkweise ist Jesus wahrhaftig Gott, insofern er sein Gesandter ist – ganz und gar eins mit Ihm und doch zugleich von Ihm unterschieden. Diese Aussage ist von entscheidender Bedeutung, da niemand Gott jemals gesehen hat (1,18). Welche Bedeutung hat nun die Sendung? Die Sendung des Sohnes ist als Liebe Gottes in actu (3,16) zu verstehen. Indem der Mensch den joh Jesus empfängt, kommt ihm diese Liebe zu. Diese offenbarte Liebe ist nicht irgendein Ereignis unter anderen; es ist einmalig und entscheidend. Einerseits stellt es die Erfüllung der alttestamentlichen Verheissung dar. Andererseits realisiert sich in ihm das Gericht über dieWelt (3,18–19; 5,24–25; 9,39). Indem Joh behauptet, dass sich das Gericht im Kommen des Sohnes ereignet, distanziert er sich von der apokalyptischen Gerichtsvorstellung. Die Eschatologie wird historisiert: Das Gericht ist nicht mehr ein Gericht nach den Werken am Ende der Zeit, sondern vollzieht sich in der Begegnung mit dem Sohn. Die Trennung zwischen Glaubenden und Ungläubigen vollzieht sich angesichts des Sohnes, im empfangenen oder abgelehnten Glauben. Man spricht daher m.R. von präsentischer Eschatologie. Die Betonung der präsentischen Eschatologie bedeutet aber nicht, dass die traditionelle Eschatologie nicht mehr vorhanden wäre (vgl. 5,28–29; 6,39.40.44.54; 12,48; 14,3). Diese spielt eine doppelte Rolle. Sie betont einerseits, dass das Leben im Glauben auch weiterhin im Zeichen der Geschichtlichkeit steht, auch wenn das

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Heil hier und jetzt empfangen wird. Andererseits wird die Funktion des letzten Gerichts neu definiert: Es wird den Graben zwischen Glauben und Unglauben vollständig an den Tag bringen. Die Sendung des Sohnes in die Welt führt zu einer dualistischen Weltsicht. Die Christologie ist also keine Funktion der Eschatologie, sondern im Gegenteil, die Eschatologie ist eine Funktion der Christologie. Durch das Kommen des Offenbarers wird die Finsternis sichtbar, in der die Menschen leben. Die Offenbarung zeichnet sich durch Licht, Wahrheit, Geist, Freiheit und Leben aus. Die Sphäre der Welt zeigt sich als Ort der Finsternis, der Lüge, des Fleisches, der Knechtschaft und des Todes. Dieser Dualismus ist nicht ontologisch, sondern geschichtlich: Er entsteht durch das Kommen des Sohnes. Wie geschieht konkret die Sendung des Sohnes, von deren letztgültiger Bedeutung zuvor die Rede war? Der Weg des Gesandten kann in drei Etappen eingeteilt werden: Die erste Etappe der Sendung besteht aus der Präexistenz und Inkarnation (= Katabasis). Beide Begriffe sind nicht objektivierend zu deuten. Sie zeichnen Jesus als den Offenbarer des Vaters aus. Sein wahrer Ursprung liegt bei Gott. Der zweite Schritt ist die Erfüllung seines Auftrags. Der joh Jesus führt seinen Auftrag zunächst dadurch aus, dass er Wunder vollbringt. Für Joh sind die sieben großen Wunder, die er erzählt, als „Zeichen“ (  ) zu verstehen, d. h. als Taten, die über sich hinausweisen, und zwar auf die entscheidende Wirklichkeit, die Jesus offenbart: einen schöpferischen Gott, der Leben in Überfülle schenkt. Sodann übt der joh Jesus seine Aufgabe als Offenbarer durch seine Reden aus. Im Unterschied zu den Synoptikern haben seine Reden rein christologischen Inhalt (vgl. die Ich-bin-Worte). Als Gesandter des Vaters antwortet Jesus auf die grundlegendsten Bedürfnisse jeder menschlichen Existenz, indem er sie erfüllt. Der dritte Schritt auf dem Weg des Gesandten ist die Rückkehr (= Anabasis). Diese Rückkehr vollzieht sich am Kreuz, das im vierten Evangelium als Ort der Erhöhung gedeutet wird (3,14; 8,28; 12,32.34). Erhöht am Kreuz ist der joh Jesus zugleich erhöht hin zu Gott. Sein Tod ist also kein Scheitern, sondern bringt die Offenbarung zu ihrer Vollendung (19,30). Dieser Tod am Kreuz ist auch als Zeitpunkt der Verherrlichung (7,39; 12,16.23; 13,31, etc.), d. h. als Ort der Gottesgegenwart zu verstehen. Die Königsthematik, die vor allem in der Passion erscheint, unterstreicht dies nachdrücklich: Das Königtum Jesu (vgl. 18,33–19,18a) wird durch seinen Prozess und seine Hinrichtung nicht dementiert, sondern kommt in diesen entscheidenden Ereignissen erst angemessen zum Ausdruck. Der Titel Menschensohn nimmt im Evangelium eine Schlüsselstellung ein und ist im Rahmen der Sendungschristologie zu verstehen. Er ist nicht mehr im apokalyptischen Sinne zu verstehen, sondern wird jenem zugesprochen, der den Weg des Gesandten vollzieht (vgl. die Aussagen zur Katabasis, zur Anabasis und zur Erhöhung des Menschensohns; vgl. 3,13–14; 6,33.38.41.51.62; 8,28; 12,32.34; 20,17).

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Einleitung

c) Der christologische Monotheismus Das Thema der Gottheit Jesu (1,1–2; 20,28; vgl. auch 5,17–30) und das seiner Einheit mit dem Vater (10,30.38; 14,10–11.20; 17,21.23) werden falsch verstanden, wenn dies nicht im Rahmen der Sendungschristologie geschieht. Aus joh Sicht ist Jesus „Gott“, insofern er seinen Vater vollkommen und abschließend bei den Menschen repräsentiert. Aber – und die „Zeichen“, die er vollbringt, und die Worte, die er spricht, zeigen dies sehr deutlich – er tut dies in vollkommenem Gehorsam gegenüber dem, der ihn gesandt hat, denn „der Vater ist grösser als ich“ (14,28). Anders gesagt ist der joh Jesus das Angesicht Gottes inmitten der Welt. An seinem Anspruch entzündet sich allerdings eine weitreichende Debatte über das wahre Verständnis des Monotheismus. In der Rede vom Lebensbrot (Kapitel 6) oder dem großen Streitgespräch der Kapitel 7–8 verkündigt der joh Jesus, dass sich die entscheidende Offenbarung der Gestalt Gottes nicht mehr in einer ehrwürdigen Vergangenheit zu finden ist, sei sie auch mit Mose, mit der Gabe des Gesetzes oder mit der Erwählung Abrahams verbunden. Das Zentrum der Heilsgeschichte hat sich verschoben: Es ist von nun an mit der christologischen Offenbarung verknüpft. Die Schrift wird deshalb nicht in Frage gestellt, doch gilt es, sie richtig zu verstehen, nämlich als ein Zeugnis, das zum Erkennen des Christus führt (5,46–47). Joh bringt also eine grundlegend neue Interpretation des Monotheismus ins Spiel: Der Leser wird aufgefordert, sich vom atl.-jüdischen Monotheismus zum christologischen Monotheismus zu bewegen. d) Soteriologie und Ekklesiologie Während das Anliegen des Evangeliums rein christologisch ist, betont sein Schluss (20,30–31), dass Christologie und Soteriologie untrennbar zusammengehören. Das Bekenntnis zum Gesandten des Vaters in der Person des Menschen Jesu gibt Zugang zum „ewigen Leben“, d. h. zum gottgeschenkten Leben in Fülle. Die Gabe des Sohnes und die Gabe des Lebens sind ein und dasselbe Geschehen: Sie sind der Inhalt des Evangeliums, das zum Glauben ruft. Das „ewige Leben“ wird als „neue Geburt von oben“ (3,3) dargestellt. Diese bedingungslose Gabe offenbart die Asymmetrie des Heils, ein typisches Merkmal der Botschaft des joh Jesus: Das Angebot des Lebens geht dem drohenden Gericht immer voraus und ist ihm überlegen. Die „neue Geburt von oben“ konkretisiert sich in der Herstellung einer neuen Beziehung zu Gott. Für die Dauer der Inkarnation ist es der joh Jesus, der dem Menschen diese Möglichkeit eröffnet. Nach seiner Rückkehr zum Vater wird seine Rolle vom Parakleten übernommen, der unter den nachösterlichen Jüngern Wohnung nimmt (14,18–26). Dieser neuen Beziehung zu Gott entspricht die Überwindung des eschatologischen Gerichts: Der Jünger des joh Jesus kommt nicht mehr ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben geschritten (3,18; 5,24). Die im Evangelium gebrauchte metaphorische Sprache beschreibt dieses neue Dasein als Übergang aus der Fins-

Die Rezeption des vierten Evangeliums in der Alten Kirche

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ternis ins Licht, aus dem Tod ins Leben, aus der Knechtschaft in die Freiheit. Anders gesagt führt der Glaube zu einer vollständigen Umwertung der in der Welt gültigen Werte: Das Leben und der Tod, die Wahrheit, die Erwählung und die Freiheit bekommen eine neue Bedeutung, die nicht mehr von „weltlichen“ Gewissheiten, sondern allein von Gott abhängt. Dieser Zugang zum „ewigen Leben“ enthebt den Glaubenden aber nicht seiner konkreten Verantwortung; die empfangene Erwählung ist im Gehorsam durch die Einhaltung des Liebesgebots (13,34–35) zu verwirklichen. Indem der joh Jünger zum christologischen Glauben kommt, wird er Teil einer neuen Gemeinschaft, die unter dem Kreuz ihren Ausgang nimmt (11,51–53; 19,26–27). Die „Kirche“ im joh Sinn zeichnet sich durch ihren Universalismus aus: Sie versammelt die „Schafe aus verschiedenen Ställen“ (10,16), deren Einheit in ihrem gemeinsamen christologischen Glauben begründet ist. Der joh Gläubige wird in seiner Individualität respektiert (der Hirte ruft ihn bei seinem Namen [10,3]) und zugleich steht er vor der Herausforderung, seinen Glauben inmitten der Gemeinschaft der Brüder und Schwestern zu leben. Die Berufung dieser Gemeinschaft ist es, in Christus zu bleiben (15,1–10); dieses „bleiben“ ist zugleich Gabe und Aufgabe. Ihr gemeinsamer Nenner ist die Liebe.

8. Die Rezeption des vierten Evangeliums in der Alten Kirche Die Rezeption des Joh im frühen Christentum enthält eine Überraschung. Die frühesten Zeugnisse dafür, dass das Evangelium nach Joh gelesen und benutzt wurde, stammen aus gnostischen Kreisen des 2. Jh., speziell aus der valentinianischen Gnosis. Das Evangelium Veritatis (140–150) und das Philippus-Evangelium kennen Joh, und Herakleon kommentiert es. Im Bereich der Alten Kirche muss man das Ende des 2. Jh. abwarten, um bei Theophilus von Antiochien und Irenäus von Lyon die ersten unzweifelhaften Zitate aus Joh zu finden. Der Papyrus Egerton 2 bestätigt die kirchliche Rezeption des vierten Evangeliums.65 Der Text des Joh ist genauso gut erhalten wie der der synoptischen Evangelien. Er erscheint nicht nur in den großen Unzialen des 4. und 5. Jh. (Sinaiticus, Vaticanus, Kodex Bezae), sondern wird schon vorher durch Papyri überliefert.66 P52, der älteste ntl. Papyrus (= Joh 18,31–33.37–38) belegt, dass Joh um 125 in Ägypten in Gebrauch war.67 Aus dem 2. Jh. stammen auch P90 (= Joh 18,36–19,1; 19,2–7) und der Papyrus P66 (= Joh 1–14; Bruchstücke aus den Kapiteln 15; 16; 19; 20,25–21,9; Ende

Vgl. dazu Porter, S.E., Der Papyrus Egerton 2, AcA I/1, 2012, 360–365. Die Papyri sind durchweg nur lückenhaft erhalten. Das gilt auch dann, wenn größere zusammenhängende Textabschnitte vorliegen. Zum genauen Textbestand vgl. Nestle-Aland28, Novum Testamentum Graece, 792–797. 67 So Aland, K./Aland, B., Text, 97. Diese Datierung um 125 wird in Frage gestellt von Nongbri, B., The Use and Abuse of P 52: Papyrological Pitfalls in the Dating of The Fourth Gospel, HThR 98, 2005, 23–48, der das gesamte 2. Jh. ohne genauere Bestimmung angibt. 65 66

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Einleitung

des 2. Jh.). Neben diesen drei Papyri ist Papyrus Egerton 2 zu nennen, der belegt, dass das Evangelium zu jener Zeit in Ägypten verbreitet war. Aus dem 3. Jh. stammen sieben Papyri mit Texten aus dem Joh: P5 (Bruchstücke aus Joh 1; 16; 20), P28 (Joh 6,8–12.17–22), P39 (Joh 8,14–22), P45 (Bruchstücke aus Joh 4–5 und 10–11), P75 (= Joh 1–12; Bruchstücke aus Kapitel 13; 14; 15), P80 (Joh 3,34) und P95 (Joh 5,26–19.36–38). Seit dem Kanon Muratori (um 200) bis zum Festbrief von Athanasius (367), über Origenes, Euseb von Cäsarea und Cyrill von Jerusalem, wobei auch die Synoden von Laodicäa (364?) und von Karthago (397) nicht zu vergessen sind, ist Joh durchgehend und unumstritten in den großen frühen kanonischen Listen aufgenommen.68 Die inscriptio (   #I ) zu Beginn des P66 zeigt, dass Joh seit dem Ende des 2. Jh. als ein Evangelium verstanden und als solches in Beziehung mit den Synoptikern gesehen wurde. Mit der Zuschreibung an Johannes sollte sein apostolischer Ursprung und die damit verbundene Autorität abgesichert werden.

68 Vgl. Markschies, C., Haupteinleitung. 7.1. Separat überlieferte Kanonenlisten und Kanonverzeichnisse, AcA I/1, 2012, 115–146.

1,1–18 Der Prolog

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Auslegung I. 1,1–18 Der Prolog (1) Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei1 Gott, und der Logos war Gott.2 (2) Dieser war im Anfang bei Gott. (3) Alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn wurde auch nicht eines von dem, was geworden ist. (4) In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.3 (5) Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.4 (6) Es trat ein Mensch auf, von Gott gesandt, sein Name (war) Johannes. (7) Dieser kam zum Zeugnis, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle 1 In der Koine wird ("« mit Akk. häufig anstelle von  bzw. (   verwendet und bedeutet „bei“ (Schnelle, Joh, 38). Vgl. BDR § 239. 2 In V.1c ()μ« * ² "«) fehlt der Artikel vor )"«. Dies bedeutet, dass ² "« Subjekt ist, und )"« das Prädikat; so auch Barrett, Joh, 183t: „)"« ohne Artikel ist prädikativ und bezeichnet die Natur des Wortes“. Schnelle, Joh, 38, geht noch weiter: „In V.1c kommt dem Logos das Prädikat )"« zu. Weder ist der Logos einfach mit Gott identisch, noch gibt es neben dem höchsten Gott einen zweiten Gott, sondern der Logos ist vom Wesen Gottes“. Unter Berufung auf Philo (Som. I 229–230; Belegstellen im Detail bei Schnelle, Joh, 38f) wird z. T. auch eine andere Unterscheidung zwischen )"« und ² )"« vorgenommen. Die Übersetzung lautet dann: „und ein Gott war der Logos“. Zur Begründung vgl. Becker, Joh I, 88: „Im Verhältnis zu dem einzigen, wahren Gott steht der Logos auf untergeordneter Stufe. Ihm gebührt das Prädikat Gott, also ist er auch göttlicher Art, aber sein Sein bei Gott macht ihn noch nicht ‚dem‘ Gott gleichrangig“. 3 Die Zeichensetzung zwischen V.3 und V.4 fehlt in den ältesten Handschriften (P 66.75* X * A B). In der Rezeptionsgeschichte des Textes ist sie umstritten. Zwei Möglichkeiten werden vorgeschlagen: Entweder wird der Punkt vor χ  gesetzt, oder er steht erst nach diesem Relativsatz. Im ersten Fall lautet die Übersetzung: „(3) Alles wurde durch ihn und ohne ihn wurde auch nicht eines. (4) Was geworden ist, in ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“. Diese Lesart wird von Tertullian, Clemens, Origenes und der gnostischen Exegese bezeugt; sie ist allerdings mit großen syntaktischen und semantischen Schwierigkeiten belastet (diese Zeichensetzung wird z. B. von Aland, K., Eine Untersuchung zu Joh 1,3.4. Über die Bedeutung eines Punktes, ZNW 59, 1968, 174–209; Bauer, Joh, 12f; Becker, Joh I, 88f; Bultmann, Joh, 21f; Léon-Dufour, Joh I, 36; Theobald, Joh, 112, vertreten). Zur anderen Möglichkeit, die seit dem 4. Jh. bezeugt ist und die hier vorausgesetzt wird, vgl. Schnackenburg, Joh I, 215–217; Barrett, Joh, 184; Haenchen, Joh, 121f; Hofius, 6; Schnelle, Joh, 42; Thyen, Joh, 68–72; Weder, Ursprung, 41. Diskussion im Detail bei Metzger, Textual Commentary, 195f; Theobald, Im Anfang, 19f; Weder, Ursprung, 39–41. 4 Das Verb   kann entweder „erfassen, verstehen“ oder „ergreifen, in Besitz nehmen, überwältigen“ bedeuten (vgl. Bauer-Aland, Wb., 838f; Léon-Dufour, Joh I, 86). Bultmann, Joh, 28 (Anm. 2), verweist auf die Parallelen  , in V.10 und  ( in V.11 und entscheidet sich für die Bedeutungsnuance „ergreifen“ im Sinne von „sich zu eigen machen“ (gefolgt von BauerAland, Wb., 839). Léon-Dufour, Joh I, 86, dagegen bezieht sich auf Joh 12,35 und zieht die feindliche Bedeutung vor.

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1,1–18 Der Prolog

durch ihn zum Glauben kämen. (8) Jener war nicht das Licht, sondern er sollte Zeugnis ablegen von dem Licht. (9) Er war das wahre Licht, das, in die Welt kommend,5 jeden Menschen erleuchtet. (10) Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt erkannte ihn nicht. (11) Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an; (12) wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er die Vollmacht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben; (13) die nicht aus Blut, auch nicht aus Fleischeswillen, noch aus Manneswillen, sondern aus Gott gezeugt sind. (14) Und der Logos wurde Fleisch und wohnte6 unter uns, und wir schauten seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, wie (sie dem) Einziggeborenen vom Vater (zukommt), voll Gnade und Wahrheit. (15) Johannes legt Zeugnis ab von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich sagte: Der nach mir kommt, ist vor mir geworden, denn er war eher als ich. (16) Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade. (17) Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit wurden durch Jesus Christus. (18) Niemand hat Gott je gesehen; (der) Einziggeborene, Gott,7 der an der Brust des Vaters ist, er hat Kunde gebracht. Alter/ Kermode, Encyclopédie, 540–549; Barrett, C.K., The Prologue of St John’s Gospel, in: Ders., New Testament Essays, London 1972, 27–48; Borgen, P., Logos was the True Light: Contributions to the Interpretation of the Prologue of John, in: Ders., Logos was the True Light, Relief 9, Trondheim 1983, 95–119; Culpepper, R.A., The Pivot of John’s Prologue, NTS 27, 1981, 1–31; Dettwiler, A., Le prologue johannique (Jean 1,1–18), in: Kaestli/Poffet/Zumstein, Communauté, 185–203; Eltester, W., Der Logos und sein Prophet. Fragen zur heutigen Erklärung des johanneischen Prolog, in: W. Eltester/F.H. Kettler (Hg.), Apophoreta (FS E. Haenchen), BZNW 30, 1964, 109–134; Frey, J., How Could Mark and John Do without Infancy Stories?, in: C. Clivaz et al. (Hg.), Infancy Gospels, WUNT 281, Tübingen 2011, 189–215; Haenchen, E., Probleme des johanneischen ‚Prologs‘, in: Ders., Gott und Mensch, Tübingen 1965, 114–143; Harnack, A. von, Über das Verhältnis des vierten Evangeliums zum gesamten Werk, ZThK 2, 1892, 189–231; Hofius, O., Struktur und Gedankengang des Logos-Hymnus in Joh 1,1–18, in: Ders./Kammler, Johannesstudien, 1–23; Käsemann, E., Aufbau und Anliegen des johanneischen Prologs, in: Ders., Exegetische Versuche und Besinnungen II, Göttingen 21965, 155–180; Küchler, M., „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen“. Joh 1,6a als literarisches Pendant zum antiken Bildmotiv des überfließenden Füllhorns, in: Dettwiler/Poplutz, Studien, 5 Man kann die partizipiale Formulierung (-"  « μ "  entweder auf μ φ.« oder auf  Ν)( beziehen; dazu s. u. 81. 6 Das Verb  " bedeutet wörtlich „wohnen“ (so Bauer-Aland, Wb., 1509), „sein Zelt aufstellen“ (vgl. Bühner, J.A., Art.  ", EWNT III, 603–604) im kultischen Sinn (während der Wüstenwanderung der Hebräer ist das Zelt der Wohnort Gottes, der Ort der Schekinah). 7 Die Textüberlieferung ist nicht einheitlich. Es gibt drei Hauptvarianten: (a) κ« )"« (P 66 X * B C* L); (b) ² κ« )"« (P 75 X 1 33); (c) ² κ« ¹"« (A C 3 0 1). Die äußere Bezeugung (vgl. bes. P 66.75) spricht für die Lesart (²) κ« )"«. Die Lesart ² κ« ¹"« ist wahrscheinlich Ergebnis einer späteren Angleichung an Joh 3,16.18; 1Joh 4,9. 0"« ohne Artikel scheint ebenfalls älter zu sein, da es keinen Grund gibt, der eine bewusste Auslassung des Artikels erklären würde.

1,1–18 Der Prolog

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135–155; Lausberg, H., Der Johannes-Prolog. Rhetorische Befunde zu Form und Sinn des Textes, NAWG.PH 1984/85, Göttingen 1984; Painter, J., Christology and History in the Prologue, in: Ders., Quest, 107–128; Potterie, I. de la, Structure du Prologue de Saint Jean, NTS 30, 1984, 354–381; Richter, G., Die Fleischwerdung des Logos im Johannesevangelium, in: Ders., Studien, 149–198; Ridderbos, H., The Structure and Scope of the Prologue to the Gospel of John, NT 8, 1966, 180–201; Schlier, H., Im Anfang war das Wort – Zum Prolog des Johannesevangeliums, in: Ders., Die Zeit der Kirche, Freiburg 1985, 274–287; Schnackenburg, R., Logos-Hymnus und johanneischer Prolog, BZ 1, 1957, 69–109; Theobald, M., Im Anfang war das Wort, SBS 106, Stuttgart 1983; Ders., Fleischwerdung; Vollenweider, S., Hymnus, Enkomion oder Psalm? Schattengefechte in der neutestamentlichen Wissenschaft, NTS 56, 2010, 208–231; Weder, H., Der Mythos vom Logos, in: Ders., Einblicke ins Evangelium, 401–434; Ders., Die Weisheit in menschlicher Gestalt, in: S. Pedersen (Hg.), New Directions in Biblical Theology, NT.S 76, Leiden 1994, 143–179; Ders., Ursprung im Unvordenklichen, BThSt 70, Neukirchen 2008; Zumstein, J., Der Prolog, Schwelle zum vierten Evangelium, in: Ders, Kreative Erinnerung, 105–126; Ders., „Niemand hat Gott je gesehen“. Das johanneische Gottesverständnis am Beispiel des Prologs, in: U. Körtner (Hg.), Gott und die Götter. Die Gottesfrage in Theologie und Religionswissenschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 51–70.

Die literarische Gattung:8 Joh 1,1–18 wird fast immer und zu Recht mit dem Begriff „Prolog“ bezeichnet. Dieser Begriff ist sowohl aus der antiken Literatur bekannt als auch in der modernen Literaturwissenschaft9 geläufig. In der griechischen und lateinischen Literatur der Antike stellt die „Vorrede“ ein klassisches Element zur Einleitung eines Werkes dar.10 Sowohl im Theater als auch in der Rhetorik hat der Prolog am Anfang einer Tragödie, einer Komödie oder einer Rede die Aufgabe, die Hörer über das Ziel des Werkes zu informieren und ihnen das Rüstzeug zu Verfügung zu stellen, das zum Verständnis des Themas und seiner Entfaltung nötig ist. In der modernen Literaturwissenschaft findet man eine entsprechende Sicht: „Die Vgl. Zumstein, Prolog, 105–126. Aus Sicht der modernen Literaturwissenschaft gehört der Prolog zum Paratext des Evangeliums. Hallyn, F./ Jacques, G., Aspects du paratexte, in: Delcroix/Hallyn, Introduction,202, definieren den Paratext folgendermaßen: „Le paratexte comprend un ensemble hybride de signes qui présentent, encadrent, isolent, introduisent, interrompent ou clôturent un texte donné […] Le paratexte exerce généralement une fonction d’accompagnement ou d’encadrement par rapport à un autre texte“. Als Begleittext kommt im Paratext immer eine Stellungnahme in Bezug auf einen ersten Text zum Ausdruck; er formuliert einen Prozess der Relecture. Vgl. Zumstein, J., Der Prozess der Relecture in der johanneischen Literatur, in: Ders., Kreative Erinnerung, 21–24. 10 Die literarische Gattung des „Prologs“ (("«) ist in der griechischen und lateinischen Literatur der Antike umfassend belegt und kann verschiedene Formen aufweisen. Er stammt aus dem antiken Theater (Komödie und Tragödie), wo er einen Monolog bezeichnet, der die Funktion hat, das Werk, das gespielt werden soll, zu eröffnen. In der Rhetorik kann damit aber auch das Proömium (( ) einer Rede oder eines epischen Berichts bezeichnet werden (Aristoteles, Rhetorik III, 14,12–19, 22–25; vgl. Gärtner, H.A., Art. Prooimion, DNP, 409–412). Ein Proömium hatte die drei Aufgaben, beim Leser Wohlwollen, Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit zu erwecken (benevolum, attentum, docilem; vgl. Quintilian, Inst. Or. IV 1,5). Er sollte einen Weg zum Verständnis des Lesers bereiten (² «; Aristoteles, Rhetorik III, 14, 19–20). Vgl. Smith, D.E., Narrative Beginnings in Ancient Literature and Theory, Semeia 52, 1990, 33 und 41; Klauck, H.J., Vorspiel im Himmel. Erzähltechnik und Theologie im Markusprolog, BThS 32, Neukirchen-Vluyn 1997, 36–39. 8 9

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1,1–18 Der Prolog

Vorrede ist ein Kontrollinstrument der Dekodierung. Sie leitet die Lektüre, sichert den Text gegen Unverständnis oder Fehlinterpretation“.11 Wenn man den joh Prolog unter Berücksichtigung seiner literarischen Gattung liest und interpretiert, ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Zum Ersten ist der Prolog nicht die erste mythische Episode in der Geschichte Jesu Christi oder, in anderen Worten, die erste Episode der Vita Christi vor dem Auftreten des Täufers.12 Eine solche Lesart wird dem metareflexiven13 Charakter des Prologs, der in Diskontinuität zum nachfolgenden Bericht steht, nicht gerecht. Dieser Unterschied der verschiedenen Ebenen von Prolog und Korpus des Evangeliums – der auf den metareflexiven Charakter des Prologs verweist – zeigt sich sowohl auf literarischer als auch auf theologischer Ebene. Zunächst auf literarischer Ebene. Während das Evangelium ab 1,19 mit der Erwähnung der Gestalt und des Zeugnisses von Johannes dem Täufer (1,19–36) den Weg des historischen Berichts einschlägt, stellt sich der Prolog seinen Lesern als ein Hymnus dar, der in der Sprache des Mythos das In-die-Welt-Kommen des präexistenten Sohnes feiert.14 Auch auf der Ebene der Theologie zeigt sich eine Diskrepanz. Die großen Themen, die im Prolog angeschnitten werden – der Weg aus der Präexistenz in die Inkarnation, die Rolle des Logos als Vermittler bei der Schöpfung, die radikale Formulierung der Inkarnation – werden im Erzählkorpus nicht, jedenfalls nicht in direkter Weise aufgenommen. Das gilt in besonderem Masse für den christologischen Titel ‚Logos‘, der für den Prolog schlechterdings zentral ist. Aber auch wenn sich der Prolog deutlich als ein eigenständiges Stück darstellt, so existieren doch bewusst geschaffene Verbindungen zur folgenden Darstellung: 1,1 und 20,28, wo auf unterschiedliche Weise jeweils die Göttlichkeit des Sohnes ausgesagt wird, bilden eine Inklusion. Das im Prolog zweimal erwähnte Zeugnis des Täufers eröffnet die Erzählung. Und zuletzt ist unschwer zu erkennen, dass zahlreiche im Prolog angekündigte Begriffe dann in im weiteren Verlauf aufgenommen und entfaltet werden.

Zum Zweiten ist der Prolog auch keine „Eröffnung“, in der die verschiedenen Motive programmatisch vorgestellt würden, um sie danach in der Erzählung zu entwickeln. In den V.1–18 erscheinen zwar viele Motive, die in der folgenden Darstellung dann detailliert wieder auftauchen; aber mehrere wichtige Begriffe des Prologs werden in der im weiteren Verlauf des Evangeliums nicht wieder aufgenommen (z. B. der christologische Titel ‚Logos‘, der Begriff der Gnade oder der des Pleroma).15 Zum Dritten ist der Prolog auch keine Art Resümee der folgenden Geschichte. Dagegen spricht vor allem folgende Beobachtung: Während die Darstellung des Lebens Jesus auf das Kreuz hin ausgerichtet ist, werden seine Passion und sein Tod im Prolog nicht explizit erwähnt.

11 Hallyn, F./ Jacques, G., Aspects du paratexte, in: Delcroix/Hallyn, Introduction, 210–211 (vgl. Anm. 9). 12 Zur Frage der Heilsgeschichte im Prolog, vgl. Frey, J., Heil und Geschichte im Johannesevangelium, in: Ders., Herrlichkeit, 585–637 (hier 617–634). 13 Der metareflexive Charakter wird von Theobald, Fleischwerdung, 296–399. 438–493, hervorgehoben. 14 Zum mythologischen Charakter des Prologs und seiner Auslegung, vgl. Weder, H., Der Mythos vom Logos (Johannes 1), in: Ders., Einblicke ins Evangelium, 401–434. 15 Auflistung bei Zumstein, Prolog, 106 f.

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Wenn man davon ausgeht, dass der Prolog ein urchristlicher Hymnus ist, gilt es aber auch festzuhalten, dass er sich von anderen bekannten Hymnen in einem wesentlichen Punkt unterscheidet. Während das gewöhnliche Muster aus zwei Teilen besteht (sowohl das Herabsteigen des Präexistenten als auch das Hinaufsteigen des Auferstandenen werden gefeiert), ist im joh Prolog nur vom ersten Teil, von der Katabasis, die Rede. Diese Entscheidung des Autors ist von großer Bedeutung. Sie zeigt, dass einzig und allein die Bewegung der Inkarnation in den Blick genommen wird.

Kurz gesagt, der Prolog ist auf metalinguistischer Ebene einzuordnen. Er äußert sich zu der Geschichte, die erzählt werden soll, genauer gesagt, er stellt den hermeneutischen Rahmen her, in dem diese Geschichte zu lesen ist. Noch bevor sich die Erzählung entwickelt, enthüllt der Prolog dank des im Mythos enthaltenen Sinnüberschusses die Tragweite und die Bedeutung der folgenden Geschichte. Der Prolog setzt den Logos mit dem absoluten und grundlegenden Beginn in Bezug und zeichnet die aus der Präexistenz in die Inkarnation führende Bewegung nach, um dem Leser zu zeigen, dass der Mensch Jesus, der im Mittelpunkt des folgenden Berichts stehen wird, die Gestalt Gottes inmitten der Welt ist. Der Prolog: ein vorjoh Hymnus? In der neueren Forschung gehen zahlreiche Exegeten davon aus, dass der Evangelist eine Quelle verwendet hat, um den Prolog zu verfassen. Diese Quelle sei ein vorjoh Hymnus, der den Logos feiert und der in den joh Gemeinden vor allem im Gottesdienst in Gebrauch war. Verschiedene Hinweise scheinen die These von der Aufnahme und Neuinterpretation einer vorjoh Tradition zu stützen. (1) Der Stil ist nicht einheitlich; die poetische Form des Prologs wird durch Aussagen in Prosa unterbrochen (V.6–8.13.15). (2) Die Reihenfolge der Gedanken ist nicht harmonisch, sondern weist Sprünge auf (Übergang von V.5 zu V.6 oder von V.14 zu V.15). (3) Auch die Sprache ist nicht homogen. Während in manchen Versen typisch joh Wendungen erscheinen (V.6–8.12c.18), wird in anderen Versen eine dem Joh fremde Vorstellungswelt und Sprache gebraucht (so begegnen der christologische Titel „Logos“, der Begriff der „Gnade“ oder des „Pleroma“ nur im Prolog). (4) Und schließlich lässt die Verwendung von explikativen Kommentaren (vgl. V.12c und V.13; V.14d) vermuten, dass ein übernommener Text aufgenommen wird. Vorausgesetzt, dass die joh Schule bzw. der Evangelist eine Quelle bearbeitet hat, ist es noch möglich, zwischen Tradition und Redaktion zu unterscheiden? (1) Die beiden Abschnitte zu Johannes dem Täufer (V.6–8.15) scheinen redaktionelle Zufügungen zu sein.16 Sowohl der Prosastil als auch die Unterbrechung im Gedankenverlauf untermauern dieses Urteil.17 (2) Zahlreiche Exegeten betrachten V.12c und V.13 als redaktionelle Kommentare (in diesem Fall ist V.12c ein Kommen16 So Bultmann, Joh, 3–5.29–31; Becker, Joh I, 82f; Schnackenburg, Joh I, 226–229; Schnelle, Joh, 44; Theobald, Im Anfang, 75 f. 17 Vollenweider, 218–228, macht jedoch zu Recht darauf aufmerksam, dass weder die stilistische Plastizität der ntl. Hymnen noch die klassische Unterscheidung zwischen Poesie und Prosa notwendigerweise als Argumente herangezogen werden können, um literarische Schichten zu unterscheiden. Man kann sogar behaupten, der Prolog zeugt von einer stilistischen Einheit. Vgl. auch Eltester, 118; Ruckstuhl, literarische Einheit, 63–97; Theobald, Im Anfang, 26 f.

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tar zu V.12a und V.13 ist eine Glosse zu V.12b).18 Der Prosastil, die unterbrochene Syntax, die typisch joh Terminologie (   «,  )2 ) sprechen dafür. (3) Auch die V.17–1819 werden von einem wesentlichen Teil der Forschung als redaktionelle Zufügungen betrachtet. Dafür werden sechs Argumente angeführt. (a) Der bekenntnishafte Stil in V.14 und V.16 wird aufgegeben und macht einer präzisen theologischen Reflexion Platz. (b) Die Erwähnung einer menschlichen Gestalt – Mose – ist im ganzen Hymnus einzigartig. (c) Zum ersten Mal wird der Name Jesus Christus erwähnt (V.17), der mit dem Logos identifiziert wird. (d) Die Wiederaufnahme des Subjekts des Satzes durch  « (V.18) ist typisch joh. (e) Die Feststellung „ Niemand hat Gott je geschaut“ (V.18a) ist charakteristisch für die Auffassung des Evangelisten (vgl. 5,37; 6,46). (f) Der Inhalt von V.18 – die Ausschließlichkeit der christologischen Offenbarung – antizipiert eine Hauptthese der joh Christologie. Im Übrigen bezweifeln zahlreiche Forscher die Zugehörigkeit von V.220.9. (10)21 und der Apposition von V.14d ("3 ³« '« ( ("«) zum Hymnus. Ein Forschungskonsens über die Abgrenzung des „ursprünglichen Hymnus“ ist damit nicht in Sicht. Und schließlich gibt auch die Inkarnationsaussage von V.14, die von grundlegender Bedeutung für die Auslegung des Hymnus ist, Anlass zur Auseinandersetzung. Drei Meinungen stehen sich gegenüber. Entweder handelt es sich um eine vorjoh Aussage22 oder um eine redaktionelle23 oder sie stammt von der Endredaktion.24 Drei Gründe machen es jedoch wenig wahrscheinlich, dass V.14 der redaktionellen Arbeit des Evangelisten oder der Endredaktion zuzuweisen ist: (a) Die Wiederholung des Begriffs Logos bildet eine Inklusion zwischen V.1 und V.14. (b) Die sehr spezifische Terminologie von V.14 und V.16 erscheint im Rest des Evangeliums nicht mehr. (c) Der Stilwechsel (Deklaration in den V.1–13 [3. Pers. Sg.]; Konfession in den V.14.16 [1. Pers. Pl.]) ist schon in den atl. Psalmen bezeugt (Ps 19; 18 In Bezug auf den Charakter dieser redaktionellen Glossen besteht ein weitgehender Konsens, vgl. Bultmann, Joh, 37f; Becker, Joh I, 85; Brown, Joh I, 10–12; Schnackenburg, Joh I, 238f; Schnelle, Joh, 46f; Theobald, Im Anfang, 76. 19 V.17 wird als redaktionelle Zufügung betrachtet von: Bultmann, Joh, 53; Schnackenburg, Joh I, 252; Hofius, 3; Schnelle, Joh, 53; als Tradition: Haenchen, 132f; Theobald, Joh, 106 und 134. Zu V.18 als redaktionelle Zufügung: Bultmann, Joh, 53–57; Schnackenburg, Joh I, 253; Becker, Joh I, 86.102–104; Haenchen, Joh, 131; Schnelle, Joh, 53f; Theobald, Joh, 135. 20 Schnackenburg, Joh I, 200.203.212, betrachtet V.2 als eine vom Evangelisten eingeführte Wiederholung, um die Bedeutung von V.1b zu betonen. 21 Während Bultmann, Joh, 31f; Schnackenburg, Joh I, 231 (ohne V.9c), oder Haenchen, Joh, 126f, den V.9 als Teil der Quelle betrachten, sehen Brown, Joh I, 9f; Käsemann, 167; Becker, Joh I, 84; Schnelle, Joh, 45; Theobald, Im Anfang, 23, darin eine Überleitungsformel aus der Feder des Evangelisten, um von der Notiz über den Täufer wieder zum Text des Hymnus zurückzukommen. Zu V.10: Becker, Joh I, 84f, und Theobald, Im Anfang, 86.88, sehen auch in V.10 eine Zufügung der Redaktion (Wiederholung von V.5[.3]). 22 So Bultmann, Joh, 3f; Schnackenburg, Joh I, 202f; Hofius, 21; Becker, Joh I, 86f und 92f (vorredaktioneller Zuwachs). 23 So Käsemann, 168; Schulz, Joh, 16. 24 So Richter, 169.

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33,4–19 und 20–22; 36,6–9 und 10) und führt zu einer Strukturierung der Gedankenentwicklung.25 V.14 scheint also ein konstitutiver Bestandteil des Hymnus zu sein. Auf dieser Grundlage ließe sich der Umfang des vorjoh Hymnus auf V.1–5(9).10–12b.14.16 eingrenzen. Die Arbeit der Redaktion wäre in den V.6–8.12c.13.15.17.18 erkennbar, während der Status der V.(2).9.14d unsicher bliebe.26 Zu dieser Hypothese ist jedoch Folgendes zu sagen: Der Leser hier wird mit einer Aporie konfrontiert. Einerseits scheint es naheliegend, dass der Evangelist eine Tradition umgearbeitet hat, die im joh Milieu im Gebrauch war. Andererseits aber ist die Literarkritik nicht in der Lage, den übernommenen Text unstrittig zu definieren und beim Versuch der Rekonstruktion des vorjoh Hymnus kommt zwar manchen Urteilen eine hohe Plausibilität zu, doch bleiben andere rein hypothetisch.27 Auch wenn man davon ausgeht, dass der Logoshymnus schon vor der Redaktion des Evangeliums existiert hat, so ist doch seine genaue Formulierung für immer verloren. Daraus folgt, dass die in 1,1–18 vorliegende Formulierung des Prologs die einzige sachgemäße Grundlage für dessen Auslegung ist.28 Aus den dargelegten Gründen scheint es methodisch nicht begründbar, eine Exegese des vorjoh Hymnus vorzunehmen, um danach seine Uminterpretation durch den Evangelisten darzustellen.29 Außerdem kann man nicht ausschließen, dass der Prolog niemals als unabhängiger Hymnus mit kultischer Verwendung existiert hat, sondern von Anfang an als Einleitung zur joh Darstellung des Lebens Jesu komponiert worden ist.30 Das Buch Jesus Sirach stellt in dieser Hinsicht einen wichtigen Vorläufer in der biblischen Literatur dar. Der Stil und die Struktur: Die Stilanalyse führt zu folgenden Ergebnissen: (1) Es dominiert die Parataxe. Der Hymnus ist aus kurzen Sätzen gebildet, die untereinander durch die Konjunktion  verbunden sind. (2) Die Sätze zu Beginn des Hymnus folgen auf charakteristische Art und Weise aufeinander: Das letzte Wort eines Satzes wird durch das erste Wort des folgenden Satzes wiederholt (V.1: Logos – Logos – Gott – Gott – Logos; V.4–5: Leben – Leben – Licht – Licht – Finsternis – Finsternis). Im weiteren Verlauf des Hymnus wird diese Technik der Aneinanderreihung durch die freie Anbindung an andere Begriffe ersetzt oder erweitert. (3) Der Übergang vom beschreibenden Stil der Deklaration (3. Pers. Sg.) zum Bekenntnisstil (1. Pers. Pl.) ist ein wesentliches Strukturelement, das den Hofius, 14. Mit Weder, Ursprung, 22; für Schnackenburg, Joh I, 202, umfasst der vorjoh Hymnus die V.1.3.4.9–11.14.16, für Theobald, Joh, 106, die V.1–4.11–12b.14.16–17. Vollständige Aufstellung der diversen Möglichkeiten, den ursprünglichen Hymnus zu rekonstruieren (von Bernard bis Theobald) bei Léon-Dufour, Joh I, 41. 27 Diese unterschiedliche Plausibilität wird besonders hervorgehoben von Weder, Ursprung, 18. 28 Mit Frey, 208 (Anm. 66); Léon-Dufour, Joh I, 42. 29 So z. B. Becker, Joh I, 86; Painter, 117–126; Theobald, Im Anfang, 65–115 und 117–130; Weder, Ursprung, 29–124 und 125–148. 30 Vgl. Barrett, Joh, 179; Borgen, 96–97; Eltester, 109–134; Ruckstuhl, literarische Einheit, 63–97; Vollenweider, 228; Thyen, Joh, 64; anders Theobald, Joh, 105. 25 26

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1,1–18 Der Prolog

Hymnus in zwei Abschnitte unterteilt: V.1–13 und V.14–18. (4) Im ersten Teil ist der Stil einfach und nüchtern. Ab V.12 ändert er sich und wird plerophorisch (eine Reihe neuer Begriffe wird eingeführt: 3 ,  )', (3,  ', 4( «, -( «, $4) , …). Unterschiedlichste Hypothesen wurden entwickelt, um die Struktur des Prologs zu ermitteln (konzentrische, parallele, spiralförmige, zweiteilige, dreiteilige oder sogar auf der griechischen Prosodie beruhende Struktur). Unserer Meinung nach lässt sich durch die Stilanalyse ein einfacher und nachprüfbarer Vorschlag formulieren. Zwei Beobachtungen lassen zwischen den V.1–13 und 14–18 eine Zäsur feststellen. Zum ersten: Während die V.1–13 in deklarativem Stil formuliert sind (3. Pers. Sg.), bedienen sich die V.14–18 der Sprache des Bekenntnisses (1. Pers. Pl.); zum Zweiten zeichnet sich V.14 durch den wiederholt auftretenden Titel „Logos“ aus (λ ² "«), der eine Inklusion mit V.1 bildet und so den Beginn einer neuen Entwicklung signalisiert. Sodann erscheint innerhalb der V.1–13, zwischen V.5 und V.6, eine zweite Zäsur, die durch den Wechsel vom hymnischen Stil zur Prosa gekennzeichnet ist. Der Prolog besteht also aus zwei großen Abschnitten. Der erste (V.1–13) beschreibt den transzendenten Ursprung des Logos und die universale Bedeutung31 seines In-die-Welt-Kommens. Der zweite (V.14–18) formuliert die Antwort der Glaubenden auf dieses Kommen. Der erste Abschnitt ist wiederum zweigeteilt. Der erste Teil (V.1–5) berichtet vom Ursprung des Logos bei Gott und von seiner Offenbarungsfunktion in der Schöpfung, die sein Werk ist. Der zweite (V.6–13) setzt den historischen Rahmen für das Kommen des Logos in Szene; außerdem vollziehen die V.12–13 die Überleitung vom ersten zum zweiten Abschnitt, indem sie die Glaubenden einführen. Die drei so definierten Stücke (V.1–5 [„der Prolog im Prolog“], V.6–13 [„der historische Rahmen des Handeln Jesu“], V.14–18 [„das Bekenntnis derer, die an seinen Namen glauben“])32 weisen ein und dieselbe Perspektive auf, nämlich die des nachösterlichen Glaubens. Um die Identität des joh Jesus darzustellen, erwähnen sie drei unterschiedliche „Anfänge“: das Präludium im Himmel, den historischen Beginn mit Johannes dem Täufer und die Inkarnation als Ausgangspunkt des Glaubens. Der Prolog ist also weder nach einem linearen Schema aufgebaut, das verschiedene Epochen des Lebens des Logos nachzeichnen würde, noch schildert er aufeinander folgende Etappen der Heilsgeschichte. Jedes einzelne Stück beschreibt auf einer anderen Ebene die umfassende Bedeutung der christologischen Offenbarung.33 31 In den V.1–3 kommt diese universale Dimension durch  in V.3 und durch die Wendung φ.« . $)( in V.4 zum Ausdruck. Auch die Antithese „Licht – Finsternis“ (vgl. V.5) betrifft die Welt in ihrer Gesamtheit. 32 So Schnackenburg, Joh I, 203. Von Theobald, Joh, 104f, und Frey, 208–211, aufgenommener und entfalteter Vorschlag. Die Betitelung der drei Stücke ist entlehnt von Theobald, Joh, 104. 33 In der Exegese wurde häufig eine Unterscheidung zwischen jenen Stücken vorgenommen, in denen der Logos asarkos (nicht inkarniert), und denen, in denen er ensarkos (inkarniert) sei; unter diesem Gesichtspunkt stellen die V.1–5 den präexistenten Logos dar, die V.6–13 den Logos, der der Welt sein Licht

1,1–18 Der Prolog

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Der religionsgeschichtliche Hintergrund: In der neueren Forschung wird der Logoshymnus – ob er nun vorjoh oder das Werk des Evangelisten ist – als ein urchristlicher Hymnus betrachtet. Zwei Thesen weichen von dieser Position ab und gehen von einem vorchristlichen Ursprung aus. Nach Bultmann34 habe es sich um einen ursprünglich gnostischen Hymnus gehandelt, der in den Gemeinden in Gebrauch gewesen sei, die den Täufer verehrten (Argument: Die V.6–8.15 legen den Akzent auf den Täufer). Diese These hat sich nicht durchgesetzt. Nach Becker und Painter35 sei von einem jüdisch-hellenistischen Hymnus auszugehen. Diese These steht und fällt mit der Frage, ob V.14 zum ursprünglichen Hymnus36 gehört oder nicht, da die Aussage der Inkarnation ausschließlich in einem christlichen Kontext denkbar ist. Geht man jedoch von der Zugehörigkeit von V.14 zum Hymnus aus (dazu s. u.), entfällt auch diese Hypothese. Welchen religionsgeschichtlichen Hintergrund hat dieser Hymnus? Aus methodologischer Sicht reicht es nicht aus, nur mit der Kategorie des Logos zu arbeiten. Es sind die Parallelen einzubeziehen, die der Bewegung des Hymnus insgesamt entsprechen. Aus dieser Sicht sind zwei Forschungshypothesen wichtig.37 Die erste geht von der Gnosis als Bezugssystem aus. Bei dieser seinerzeit von Bultmann vertretenen These dienten die mandäischen Texte als Vergleichsmaterial;38 mit der Entdeckung der Bibliothek von Nag Hammadi39 hat sie neuen Aufwind bekommen. So interessant sie auch sein mögen, so kommen die Parallelen, auf die dazu verwiesen wird, aus chronologischen Gründen nicht in Betracht.40 Aus der Zeit nach dem ersten Jahrhundert stammend gehören sie eher zur Rezeptionsgeschichte des vierten Evangeliums als zu seiner Entstehungsgeschichte. Außerdem

offenbart, und die V.14–18 schließlich den inkarnierten Logos. Unserer Meinung nach geht diese Diskussion am Text vorbei, da der Prolog nicht von einem Werden des Logos berichtet, sondern rückblickend von seiner gegenwärtigen Bedeutung. 34 Vgl. Bultmann, Joh, 5. 35 Vgl. Becker, Joh I, 87; Painter, 115–117. 36 Nach Becker, Joh I, 85–87, sei V.14 in einem vorjoh, aber urchristlichen Stadium hinzugefügt worden und gehörte ursprünglich nicht zum Hymnus; siehe auch Painter, 115. 37 Das AT bietet keine ausreichenden Bezugsrahmen, da bis zum 1. Jh. nirgends in der Thora das Wort YHWHs als Hypostase begegnet (vgl. Weder, Ursprung, 24–25). Eine Ableitung aus der griechischen, speziell stoischen Philosophie ist auch nicht naheliegend, da der Logos hier als ein der Welt immanentes, göttliches Prinzip dargestellt wird (vgl. Weder, Ursprung, 26–27), was mit der judenchristlichen Tradition nicht vereinbar ist, die von einer Transzendenz Gottes und des Logos gegenüber der Welt ausgeht. 38 Vgl. Bultmann, R., Der religionsgeschichtliche Hintergrund des Prologs zum Johannesevangelium, in: Ders., Exegetica (E. Dinkler, Hg.), Tübingen 1967, 10–35. Die Spätdatierung der mandäischen Dokumente nimmt dieser Hypothese jegliche historische Grundlage. 39 In dieser gnostischen Bibliothek hat man frappierende Parallelen zwischen dem joh Prolog einerseits und dem Hymnus der Pronoia im Apokryphon des Johannes (NH II,1 [4,32–5,11]), dem Brief des Petrus an Philippus (NH VIII,2) und der dreigestaltigen Protennoia (NH XIII,1) andererseits entdeckt. Vgl. Kaestli, J.D., Remarques sur le rapport du quatrième évangile avec la gnose et sa réception au IIe siècle, in: Kaestli/Poffet/Zumstein, Communauté, 350–356; Koschorke, K., Eine gnostische Paraphrase des johanneischen Prologs: Zur Interpretation von Epistula Petri ad Philippum (NHCVIII 2), 136,16–137,4, VigChr 33, 1979, 383–392. 40 Vgl. Klauck, Umwelt II, 155.

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1,1–18 Der Prolog

unterscheidet sich der joh Logoshymnus in grundlegenden Punkten von der gnostischen Weltanschauung. Zunächst vertreten der Prolog und die Gnosis eine unterschiedliche Auffassung von dem Begriff „Welt“: Für Joh (1,3b.10b.11a) ist die Welt die Schöpfung des Logos und bleibt dies auch ungeachtet der Existenz der Finsternis. Zweitens ist die Inkarnationsaussage in 1,14 ein Widerspruch zur gnostischen Anschauung. Zudem lassen sich die meisten Motive aus der Weisheitstheologie erklären, die ihren Ursprung im hellenistischen Judentum hat. Nimmt man hinzu, dass die Gnosis in entscheidender Weise von der weisheitlichen Literatur beeinflusst worden ist, ist es problematisch, direkte Abhängigkeiten zwischen Gnosis und joh Prolog zu konstruieren. Die zweite Hypothese geht davon aus, dass die jüdisch-hellenistische Literatur den Bezugsrahmen des Logoshymnus bildet und zwar speziell die Spekulationen über die Weisheit ( φ), aus deren Repertoire der Autor des Prologs sich bedient.41 Alle im Hymnus erscheinenden Motive (insbesondere in den V.1–14)42 haben Parallelen in der weisheitlichen Literatur. Mehr noch, der Weg der hypostasierten Weisheit, der in dieser Literatur gezeichnet wird (Spr 8; Hi 28; Sir 24; SapSal 7–9; Bar 3,9–4,4) ist eine Präfiguration des Weges des Logos, wie er im Prolog dargestellt wird43 (Präexistenz bei Gott, Teilnahme am Schöpfungswerk, Indie-Welt-Kommen, Ablehnung und Rückkehr zu Gott).44 Ein Problem bleibt. Der joh Prolog inszeniert nicht die Figur der Weisheit, sondern die des Logos. Wie ist dieser Unterschied zu erklären? Die Welt wurde zwar durch das Wort (Logos) Gottes geschaffen (Ps 33,6; 4Esr 6,38.43; 7,38–40; 2Bar 14,17), so dass der intertextuelle Bezug von V.1 zu Gen 1,1 als Erklärung dienen könnte. Es ist aber festzustellen, dass „Wort“ und „Weisheit“ in der weisheitlichen Literatur als Synonyme gebraucht werden können, um die bei der Schöpfung wirkende Vermittlung zu bezeichnen (SapSal 9,1–2). Diese mögliche Austauschbarkeit könnte also die im Prolog getroffene Entscheidung erklären. Daher wird häufig das alexandrinische jüdische Milieu herangezogen, um die Erscheinung des Begriffs des Logos im joh Prolog zu erklären, denn diese Philosophie nimmt den Übergang von „Weisheit“ zu „Logos“ vor. Eine direkte Abhängigkeit von Philo scheint aber zugleich aus historischen und philosophischen Gründen ausgeschlossen.45 41 In den neueren Arbeiten übernehmen die meisten Exegeten diese These: vgl. Becker, Joh I, 87; Léon-Dufour, Joh I, 57–62; Schnackenburg, Joh I, 205–207; Theobald, Joh, 107, und Ders., Im Anfang, 98–109; Wengst, Joh I, 37–39. 42 Vgl. die Zusammenstellung bei Painter, 116. 43 Fünf Gemeinsamkeiten von Weisheit und Logos sind anzuführen. (1) Die Weisheit kommt in die Welt und bringt Licht und Leben (Joh 1,4.5.9). (2) Sie ist durch ihre Präexistenz charakterisiert (Joh 1,1.3). (3) Bei der Schöpfung hat sie die Funktion der Mittlerschaft (Joh 1,4). (4) Ihre Nachkommenschaft spielt eine wichtige Rolle (Joh 1,9.10.11.14). (5) Sie wird von den Menschen abgewiesen (1,5.10.11). 44 Zur weisheitlichen Literatur siehe: Spr 1,1–26; 8,1–11.22–31; Sir 1,10.15; 24,3–12.23–34; SapSal 6,12; 7,10.21–22.25–29; 8,1.5–6; 9,1–2.9–10; 13,1. Vgl. auch 1Hen 42,1–2. Zur rabbinischen Literatur siehe Bill. I, 213; II, 353; II, 353–357. Zu den hellenistischen Parallelen (bes. Kleanthes und Cicero) siehe NW I/2, 1–15. 45 Vgl. Bultmann, Hintergrund, 21f; Schnackenburg, Joh I, 262f; Weder, Ursprung, 28.

1,1–5 Der Prolog im Prolog

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Kurz gesagt handelt es sich beim Prolog aller Wahrscheinlichkeit nach um einen urchristlichen Hymnus, der seinen Ursprung vermutlich im joh Milieu hat. Man kann nicht ausschließen, dass er das Werk des Evangelisten ist. Die hellenistischjüdische Weisheitstheologie bildet seinen religionshistorischen Hintergrund. Auch wenn die hellenistisch-jüdische Theologie der Weisheit das Repertoire darstellt, von dem aus der Logoshymnus gestaltet wurde, sollte die Kreativität seines christlichen Verfassers nicht allzu gering veranschlagt werden. Sowohl der Übergang des Begriffs der „Weisheit“ zu dem des „Logos“ als auch das Thema der Inkarnation (1,14) können eine Frucht der theologischen Arbeit der joh Schule sein.46 a) 1,1–5 Der Prolog im Prolog Der Prolog als Ganzer wird von zwei entscheidenden Bewegungen beherrscht: die Bewegung in Richtung auf den „Anfang“ und die Bewegung der Inkarnation. Die erste Bewegung kommt in den V.1–2 zur Sprache. Der Leser wird an den Ursprung aller Dinge verwiesen, um die Identität Jesu entdecken zu können. Die Präexistenz des Logos (V.1–2): Hierzu sind drei Bemerkungen wichtig: a) Das Motiv des „Anfangs“: Die V.1–2 versuchen darzulegen, was „am Anfang war“ ( $(-9 2). Für jeden Bibelleser – und dies gilt auch für die joh Gemeinden – enthält diese Formulierung ein intertextuelles Signal, das auf Gen 1,1 verweist (LXX:  $(-9 2). Die Person Jesu wird somit von vorneherein mit dem Gott der jüdischen Bibel, dem Schöpfer und Grund des Lebens in Verbindung gebracht. Mit der Erwähnung Jesu als Logos verweist der implizite Autor also im gleichen Atemzug auf die Wirklichkeit Gottes. Aber zugleich gilt es auch, auf einen Unterschied hinzuweisen. Während der Bericht von Gen 1 davon erzählt, wie Welt und Geschichte von Gott erschaffen wurden, spricht V.1 vom Anfang vor dem Anfang. Nicht die Beziehung zwischen Gott und der Welt und den Menschen steht im Mittelpunkt, sondern die Beziehung zwischen Gott und dem Logos in einem der Schöpfung vorausgehenden Anfang. Wie ist dieser Anfang vor dem Anfang zu verstehen? Mit dieser kühnen Formulierung wird ein unerreichbarer, unfassbarer, unzugänglicher und unergründlicher Ursprung benannt. Es handelt sich um die Wirklichkeit, die sich dem Denken und Handeln des Menschen entzieht. Es ist die Rede von der göttlichen Wirklichkeit, von der Transzendenz. Der Leser wird damit aufgefordert, zu erkennen, dass das, was in der Person Jesu Christi erschienen ist, mit dem Beginn im absoluten Sinn und mit dem Grund der Wirklichkeit, in anderen Worten mit der Wirklichkeit Gottes in Beziehung zu setzen ist, die sich in radikaler Art und Weise von der Welt unterscheidet. Das, was in der Person Jesu Christi offenbart worden ist, ist Gott selbst. Der Ursprung Jesu ist nicht in der immanenten, vorstellbaren und zur Verfügung stehenden Welt zu suchen. Das Motiv des „Anfangs“, das später durch das Motiv der Präexistenz wieder aufgenommen wird, bringt also den göttlichen Ursprung Jesu zum Ausdruck.

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Vgl. Léon-Dufour, Joh I, 60–62; Weder, Ursprung, 28.

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1,1–18 Der Prolog

b) Das Motiv des Logos: Nach V.1a wird die erste Person, die in Verbindung mit diesem unvordenklichen Anfang ( $(-9 2) erscheint, „Logos“ (² "«) genannt. Sie gehört dauerhaft (vgl. das Imperfekt * [„war“]) dieser transzendenten Wirklichkeit zu. Bevor wir zu den religionsgeschichtlichen Parallelen kommen, gilt es, die grundlegende Bedeutung dieses Begriffes zu entschlüsseln. Einerseits ist dieser Begriff „Logos“ sowohl aus der atl.-jüdischen Tradition als auch aus der hellenistischen Welt bekannt und bezeichnet in diesem komplexen Umfeld eine der Offenbarungsweisen Gottes. Andererseits, diesmal im engen Rahmen des vierten Evangeliums gesehen, wird dieser Begriff nur im Prolog als christologischer Titel47 gebraucht. Wenn der Prolog den hermeneutischen Rahmen des Evangeliums festlegt, bedeutet dies, dass Jesus Christus, genauer gesagt, seine Geschichte, wie sie im Evangelium berichtet wird, als Ausdruck des Wortes Gottes verstanden werden muss. Wenn man aus religionsgeschichtlicher Sicht nach dem Begriff des Logos fragt, muss man sich davor hüten, nur eine einzige Erklärung für die Herkunft des Begriffs geben zu wollen; vielmehr ist ein Miteinander verschiedener Milieus ins Auge zu fassen.48 Der Begriff spielt in mehreren religiösen und philosophischen Traditionen der Antike eine entscheidende Rolle. Sowohl in der atl. Schöpfungstheologie,49 als auch in der Weisheitstradition (vgl. den Mythos der Weisheit),50 im Werk Philos,51 in der griechischen Philosophie (vgl. Heraklit von Ephesos),52 der Stoa53 und der Gnosis54 bezeichnet der Begriff „Logos“ immer eine entscheidende Wirklichkeit, die in Verbindung mit der Gottheit steht und eine Beziehung der Gottheit zur Welt ausdrückt. Allerdings gibt es keine genaue Entsprechung zum joh Begriff. Wenn man davon ausgeht, dass der Evangelist einen Hymnus umgearbeitet hat, ist zu berücksichtigen, dass der Begriff des Logos schon zum urchristlichen Repertoire gehörte, das in der joh Schule gepflegt wurde, und dass dieses Repertoire in entscheidender Weise von der jüdisch-hellenistischen Weisheitsliteratur beeinflusst war. 47 Der Begriff „Wort“ ("«) erscheint noch 35 Mal im Korpus des Evangeliums, aber nicht mehr als christologischer Titel. 48 So Schnelle, Joh, 39; Schnackenburg, Joh I, 257–269. 49 Die Textstellen Jes 11,4 LXX; 55,11; Hab 3,5–6 LXX; Dtn 8,3; Ps 33,6; 46,6; Ex 20,1 (siehe auch 4Esr 6,38–59) illustrieren die Wirkung des Wortes Gottes bei der Schöpfung der Welt und im Lauf der Geschichte (Bestandsaufnahme von Schnelle, Joh, 39). 50 Das Handeln der Weisheit bei der Schöpfung und in der Welt wird z. B. in Jer 10,12; Sir 1,4; 24,3–22; SapSal 7,22–30; Jes 10,13; Spr 3,19 bezeugt. Ausführlicher Vergleich zwischen dem Prolog und der Weisheit bei Dodd, Interpretation, 273–275. Es ist anzumerken, dass im hellenistischen Judentum Weisheit und Logos gleichgesetzt werden können: SapSal 9,1.2. Im Übrigen nimmt der Logos in SapSal ab Kapitel 18 (V.15) den Platz der Weisheit ein. 51 Bei Philo erscheint der Logos häufig anstelle der Weisheit; er ist am Anfang (Op. 54), er erscheint als Licht (Som. I 75); er ist göttlich, aber nicht Gott (Som. I 229–230); er steigt zu den Menschen hinab (Som. I 75.85.86). Ausführlicher Vergleich zwischen dem Prolog und Philo bei Dodd, Interpretation, 276–278; Theobald, Joh, 118 f. 52 Vgl. z. B. das Fragment von Heraklit (Sextus Empiricus, adversus mathematicos, VII 132), in dem von der Präexistenz und der Ewigkeit des Logos, von seiner Rolle bei der Schöpfung und seiner Ablehnung die Rede ist. 53 In der Stoa ist der Logos ein weltimmanentes und rationelles göttliches Prinzip, das den Kosmos strukturiert. Vgl. Zenon von Elea, Fragment, 155. Zur Auffassung vom Logos in der Stoa, siehe Bultmann, R., Das Urchristentum in Rahmen der antiken Religionen, Zürich (1949) 1969, 151–155; Keener, Joh I, 341–343; Gordon, R., Art. Logos, DNP 7, 403 f. 54 Vgl. Schnackenburg, Joh I, 265–269; Keener, Joh I, 339–341.

1,1–5 Der Prolog im Prolog

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Neben den intertextuellen Verbindungen im Bereich der Religionsgeschichte ist das Eigentliche nicht aus den Augen zu verlieren, dass nämlich im Prolog das Angesicht Gottes für die Welt mit dem Begriff Logos zur Sprache gebracht wird. Gott ist von „Anfang“ an durch seinen Bezug zum Logos definiert. Wenn etwas von Gott wahrnehmbar sein soll, dann seine Dimension des Wortes. Daraus ergeben sich drei Konsequenzen. Zunächst ist der Gott des Prologs ein Gott, der sich mitteilt. Sodann ist festzuhalten, dass er sich in einer strukturierten Sprache mitteilt. Von „Anfang“ an wird Gott als Logos erkannt, d. h. als Rede, als Anrede, als Zuspruch von Sinn (und nicht als Kraft, als Macht, als Geheimnis etc.). Und schließlich identifiziert sich dieses göttliche Wort mit der Person des Jesus von Nazareth. c) Identität und Unterschied zwischen Gott und dem Logos: V.1bc stellt zwei Personen vor: den Logos und Gott. Es ist wichtig zu beachten, dass keinerlei Erklärung zum Ursprung des Logos gegeben wird. Es wird keine genealogische Verbindung zwischen Gott und dem Logos hergestellt, die aus dem Logos z.B. ein göttliches, doch von Gott geschaffenes Wesen machen würde. Gott und der Logos erscheinen einfach gemeinsam und zugleich „am Anfang“. Dies bedeutet, dass Gott für den Prolog nicht ohne den Logos und umgekehrt der Logos nicht ohne Gott gedacht werden kann. In welcher Beziehung stehen also diese beiden Personen? Im Verlauf des V.1bc stößt der Leser auf eine Schwierigkeit, nämlich auf zwei Aussagen, die sich gegenseitig auszuschließen scheinen. Während V.1b eine klare Unterscheidung zwischen dem Logos und Gott vollzieht (² "« * (μ« μ )"), behauptet V.1c ihre Identität (λ )μ« * ² "«). Dieser augenscheinliche Widerspruch löst sich auf, sobald man die beiden Sätze nicht in spekulativer Art und Weise betrachtet, sondern ausgehend vom Begriff der Offenbarung. In dieser Perspektive ist der Logos zugleich von Gott unterschieden und doch ihm gleich. In anderen Worten: Das Angesicht Gottes für die Menschen offenbart sich durch die Vermittlung des Logos, d. h. in der Person des Jesus von Nazareth. In diesem Sinn ist der Logos Gott: Es gibt kein anderes Angesicht Gottes für den Menschen als jenes des Jesus von Nazareth. Doch es ist sofort hinzuzufügen, dass der Logos nicht einfach mit Gott gleichzusetzen ist. Der Logos ist das Angesicht Gottes für die Welt, aber Gott erschöpft sich nicht darin, noch lässt er sich hierauf reduzieren. Er bleibt der Transzendente und Unverfügbare. Im Verlauf der Darstellung (1,19–20,31) wird diese dialektische Perspektive dann konsequent durch die Sendungschristologie entfaltet. Das Charakteristikum des Gesandten ist es, dass er den, der ihn gesandt hat, voll und ganz repräsentiert, doch immer auch von ihm unterschieden ist (der joh Jesus spricht nicht seine eigenen Worte, sondern die seines Vaters. Er vollbringt nicht seine eigenen Werke, sondern die seines Vaters).55 Mit anderen Worten geht es in V.1bc um die Bestimmung der Identität des Offenbarers.56

55 Zur Sendungschristologie siehe Becker, Joh I, 484–494, und Ders., Johanneisches Christentum, 135–140. 56 In diesem Sinne auch Bultmann, Joh, 18, und Blank, Joh Ia, 83.

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1,1–18 Der Prolog

V.2 nimmt zwei grundlegende Aussagen über den Logos57 aus V.1 auf. Das Charakteristische des Logos ist es, dass er seit dem unvordenklichen Anfang ( $(-9 2) bei Gott war ((μ« μ )"). Das Imperfekt * betont noch einmal, dass diese Stellung des Logos keine vorübergehende Situation ist, sondern Dauer und Bestand hat. V.2 präzisiert so die grundlegende Identität Jesu, indem er betont, dass sich sein „Ursprung“ nicht in der immanenten Welt, sondern in seiner einzigartigen Beziehung mit Gott befindet. Und genau aus diesem Grund wird das Angesicht Gottes selbst präzisiert als ein Gott-in-Beziehung: eine Beziehung, die im Wort zum Ereignis wird. Der Logos als Schöpfungsmittler: Mit V.3 wird ein entscheidender Schritt im Argumentationsverlauf getan. Er bringt die Beziehung des Logos zur Welt zum Ausdruck. Durch seine Vermittlung ist die Welt geworden und ist die Beziehung zwischen Gott und der Welt konstituiert. Das Imperfekt „war“ (*) wird durch den „historischen“ Aorist ()58 abgelöst: Der Prolog verlässt die Sphäre des „Unvordenklichen“ und dringt in die Sphäre der geschichtlichen Welt ein. Das Verb   verweist auf einen dynamischen Prozess. Der Logos übernimmt im Namen Gottes die Rolle des Schöpfers, und die Welt wird Schöpfung. Die ganze Wirklichkeit (), nicht nur die Menschen, wird zum Ausdruck des Willens und der Schöpferkraft Gottes. V.3b verstärkt diese Aussage: Es gibt kein Element der Welt, das nicht auch das Werk des Logos wäre. Das vermittelnde Handeln des Logos bei der Schöpfung ist ein sowohl im AT (Gen 1,1) als auch im hellenistischen Judentum,59 in der urchristlichen Tradition (1Kor 8,6; Röm 11,36; Kol 1,15–17; Hebr 1,2), in der heidnischen Antike60 und der Gnosis61 bekanntes Motiv. Die Originalität der ntl. Tradition und speziell des Joh ist es, diese Vorstellung zu „christologisieren“. Diese Aussage, die aus dem Logos den Schöpfungsmittler macht, drückt eine profilierte Wirklichkeitswahrnehmung aus. Der literarischen Gattung des Hymnus entsprechend geht es hier nicht um ein objektivierendes Konzept zur Erklärung der Genese der Welt. Die Beziehung des Logos zum Kosmos wird nicht auf der Ebene der Kosmogonie oder Kosmologie bestimmt, sondern auf der des Bekenntnisses, d. h. des Glaubens. Demzufolge ist jegliche bekannte Wirklichkeit ausnahmslos der Autorität des Logos unterstellt. Die Welt ist das Werk des göttlichen Logos und entspricht seinem Willen. Theologisch formuliert ist sie Schöpfung Gottes. Der Leser wird aufgefordert, das Ganze der Welt, in der er lebt, auf diese Art und Weise zu verstehen.

Das Demonstrativpronomen 6« zu Beginn von V.2 nimmt das Subjekt aus V.1 auf: ² "«. Zur Bedeutung des abwechselnden Gebrauchs von Ipf. und Aor., vgl. Frey, Eschatologie II, 73f und 91–93. 59 Vgl. Spr 3,19; 8,22–31; SapSal 7,12; 8,6; 9,1.9; Hi 28,27; Philo, All. III 96.175; Sacr. 8,65; Cher. 125.127; Op. 20–21.24–25. 60 Vgl. Plato, Ti. 30a.b; Diogenes Laert. VII 147; den Zeushymnus des Aelius Aristides (Text in NW I/2, 1132); weitere Texte bei NW I/2, 15–27. 61 Vgl. NHC XIII, 12–13. 57 58

1,1–5 Der Prolog im Prolog

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Der Logos als Leben und Licht der Welt (V.4): Anhand zweier Metaphern wird die Bedeutung der schöpferischen Tätigkeit des Logos für die Welt entfaltet: das Leben und das Licht. Die göttliche Gegenwart in der Welt zeichnet sich also durch ihre positive Eigenschaft aus. Das Leben (74) ist das höchste Gut, nach dem der Mensch strebt (vgl. 20,31). Das Leben in Fülle ist der vollkommene Ausdruck eines glücklichen Lebens, das Zukunft in sich trägt und dem Tod nicht ausgeliefert ist. Tod, Krankheit, Armut und Einsamkeit bedrohen das Leben. Deshalb lautet die wichtigste Frage des Menschen, wo er das Leben finden kann. Auf diese Frage antwortet der Prolog mit der Aussage, dass sich das Leben im Logos findet (V.4a). Das Imperfekt „war“ (*) betont, dass sich das Leben nicht vorübergehend, sondern dauerhaft im Logos befindet. Gleichzeitig bedeutet dies, dass das Leben kein Gut ist, das sich der Mensch durch seine Arbeit oder seine Verdienste erwerben könnte. Das Leben ist das Eigentum Gottes. Es kann und darf nur als Geschenk Gottes bzw. des Logos empfangen werden. Umgekehrt ist der Logos nur in dem Masse Logos, in dem er den Menschen Leben gibt.62 Die erste Eigenschaft, die der Text dem Logos zuspricht, ist soteriologischer Natur. Während die Aussage von V.3 lautete, dass der Logos Autorität über die gesamte Wirklichkeit hat, so heißt es in V.4 ausdrücklich, dass es sich um eine positive, schöpferische Autorität im Dienst des Lebens handelt. Die Bedeutung des Lebens, das dem Logos innewohnt, wird durch die Metapher des Lichts erläutert (φ.«; V.4b).63 Auf elementare Weise ermöglicht das Licht dem Menschen zu sehen, seinen Weg zu finden und die Welt wahrzunehmen. Ohne Licht ist er der Dunkelheit ausgeliefert, von Grund auf verloren, ohne Möglichkeit, sich zu orientieren. Indem der Prolog die Metapher des Lebens mit der des Lichts verbindet, zeigt er, dass die Frage nach dem Leben grundlegend mit der Frage nach seinem Sinn, nach seiner Orientierung verbunden ist. Die Gabe des Lebens ist also untrennbar mit der Gabe des Lebenssinns verknüpft. Mehr noch: Die Frage nach dem Sinn des Lebens kann nicht unabhängig vom göttlichen Logos erfasst werden. Das Kommen des Logos ist also Gabe des Lebens, indem es auf die Sinnsuche des Menschen antwortet. Die christologische Offenbarung erfüllt diesen Auftrag und befriedigt dieses Bedürfnis. Die Benutzung des Begriffs „Mensch“ im Plural (. $)() betont, dass dieses Licht nicht einem kleinen Kreis der Auserwählten vorbehalten ist, sondern allen angeboten wird. Das Licht scheint in der Finsternis: Während V.4 den Auftrag des Logos in der Welt definiert hatte und damit schon in den Bereich der Inkarnation gehörte, kommt V.5 in den Bereich der gelebten Gegenwart des Lesers: „Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst“. Das Wort „Licht“ ist im christologischen Sinn (vgl. V.4) zu verstehen. Wie ist dieses Leuchten des Lichtes in der Finsternis zu verstehen?

62 63

Der Logos übernimmt hier die Rolle der Weisheit, vgl. Spr 8,35–36. Vgl. Ps 36, 10; Blank, Joh Ia, 87 f.

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1,1–18 Der Prolog

In der Auslegungsgeschichte ist die Bedeutung des Präsens φ umstritten.64 Handelt es sich um ein zeitloses Präsens? In diesem Fall würde sich dieses Präsens auf den Logos asarkos (vor der Inkarnation) beziehen und das Licht des Lebens bezeichnen, das seit der Schöpfung in der Welt ist.65 Oder ist φ ein historisches Präsens (vgl. in V.15 das Präsens (( )? Dann würde der Text auf den Logos ensarkos (den inkarnierten Logos) anspielen. Man kann kaum bezweifeln, dass es sich um den Logos ensarkos66 handelt. Das Licht, das in der Finsternis scheint, symbolisiert die Präsenz Jesu von Nazareth, des Offenbarers, in der Geschichte. Aus nachösterlicher Sicht, wie es für die joh Gemeinden der Fall war, kann die Tatsache, dass „das Licht scheint“, nicht von der Inkarnation getrennt werden.67 V.5b zeigt, wie dieses Licht von der Welt aufgenommen wurde. Das Unvorstellbare ist geschehen: Die Menschen haben sich nicht angeeignet, wonach sie sich von Grund auf sehnten: das Leben in Fülle. Während das Verb in V.5a im Präsens stand (φ ), steht das Verb in V.5b im Aorist  ). Wie ist diese Asymmetrie zu verstehen? Das Präsens „das Licht scheint“ beschreibt die gelebte Gegenwart der joh Gemeinde, der Aorist („und die Finsternis hat es nicht erfasst“) verweist auf die durch das In-die-Welt-Kommen des Logos ausgelöste Krise. „Die Finsternis“ (π ), als wirkende Kraft der Ablehnung des Logos, ist keine kosmologische Größe, der die Welt seit Anbeginn angehören würde. Die gesamte Welt ist Schöpfung Gottes (vgl. V.3). Das Kommen des Lichtes, und nur dies, löst aus, dass sich Finsternis bildet. Ohne Licht keine Finsternis. Der joh Dualismus ist eine Funktion der Christologie und nicht umgekehrt.68 Das In-die-Welt-Kommen des Logos führt also dazu, die menschliche Welt als eine Welt ohne Gott, eine Welt in Auflehnung gegen Gott zu offenbaren. Es ist der Unglaube, der die Welt in Finsternis stürzt. Die Welt wird Finsternis, weil sie sich dem Licht, d. h. der göttlichen Offenbarung, verschließt. Für diese Ablehnung wird keine Erklärung gegeben. Die Sünde bleibt ein Geheimnis. Doch was genau bedeutet das Verb  , das diese Ablehnung ausdrückt? „Erfassen“ im Sinne von „in Besitz nehmen“ und „überwältigen“ (so z. B. Origenes)?69 Oder „erfassen“ im Sinne von „begreifen, verstehen“?70 Die Mehr-

64 Zum Stand der Diskussion vgl. Conzelmann, H., Grundriss der Theologie des Neuen Testaments (bearbeitet von A. Lindemann), UTB 1146, Tübingen 61997, 375. 65 So z. B. Léon-Dufour, Joh I, 88. Schnelle, Joh, 43, nimmt eine Differenzierung vor: Während der vorjoh Hymnus vom Logos asarkos (vgl. SapSal 7,29) sprach, denkt der Evangelist an den Logos ensarkos. 66 Vgl. Bultmann, Joh, 26; ähnlich auch Becker, Joh I, 97; Blank, Joh I, 88; Schnackenburg, Joh I, 221. Käsemann, 161; Ridderbos, Function, 191; Theobald, Joh, 115f, und Ders., Im Anfang, 50 f. 67 In 3,19; 8,12, 9,5; 12,35.46 ist der Begriff „Licht“ unbestreitbar mit dem inkarnierten Jesus in Verbindung gebracht. 68 Mit Onuki, Gemeinde, 41. Im gleichen Sinn: Frey, J., Zu Hintergrund und Funktion des johanneischen Dualismus, in: Ders., Herrlichkeit, 481; Schnelle, Joh, 43 f. Die gegenteilige Sicht vertritt Becker, Joh I, 149, und Ders., Johanneisches Christentum, 140–147. 69 So Brown, Joh I, 9 (mit Stand der Diskussion). 70 So Bultmann, Joh, 26; Bauer-Aland, Wb., 839.

1,6–13 Vom Wirken des Täufers bis zum Empfang des Logos durch die Gläubigen

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deutigkeit des Verbs ist nicht voreilig aufzugeben.71 Es ist zwar richtig zu sagen, dass eine Entscheidung für die Finsternis auf fehlender Einsicht beruht, aber es ist genauso wichtig wahrzunehmen, dass die Ablehnung des Lichts das Licht nicht zum Verlöschen bringt. Das Licht scheint weiterhin. Daraus entsteht eine Asymmetrie zwischen Licht und Finsternis; anders gesagt, das letzte Wort über die Schöpfung gehört dem Licht. Dieses Licht ist keine weltimmanente Dimension über die der Mensch einfach so verfügen könnte. Es ist nicht in seinem Besitz, es lässt sich nicht unterwerfen. b) 1,6–13 Vom Wirken des Täufers bis zum Empfang des Logos durch die Gläubigen Der Logos und der Täufer72 (V.6–8): Nach der ersten Bewegung, in der es um den „unvordenklichen Anfang“ ging und die in der Inkarnationsaussage ihren Höhepunkt fand, präsentiert der Prolog eine zweite Bewegung. Er setzt mit dem geschichtlichen Anfang ein, der mit dem Auftreten des Täufers gegeben ist, und beschreibt dann die Inkarnation und die Antwort, die die Menschen darauf geben. In beiden Fällen wendet sich Gott durch das Kommen des Logos der Welt zu, um ihr ein entscheidendes Geschenk zu machen. Diese zweite Bewegung wird durch die Erinnerung an das Zeugnis des Täufers eröffnet (V.6–8). Der Stil ändert sich merklich. Der Hymnus verlässt die mythische Sprache, in der in den V.1–5 die Präexistenz und das In-die-Welt-Kommen des Logos geschildert wurden zugunsten des Stils erzählender Prosa.73 Die Aoristformen in V.6 ( Ν)(« $  «) und V.7 (6« *)) zeigen, dass es der Leser von nun an mit einer erzählten Geschichte zu tun hat. Die Inkarnation ist an einen bestimmten Zeitpunkt und Ort gebunden. Sie hat sich unter bekannten geschichtlichen Personen abgespielt. Das Auftreten Johannes des Täufers signalisiert, dass der Rahmen der Inkarnation des Logos die Geschichte Israels ist. Der Beitrag des Täufers, der ersten geschichtlichen Person, die im joh Evangelium mit dem Logos in Verbindung gebracht wird, dient der Interpretation.74 Diese Interpretation vollzieht sich in zwei Schritten (V.6–8 und V.15), in denen das Verständnis des Logos vertieft wird.75 Während in V.6–8 der inkarnierten Logos mithilfe des in allgemeinen Attributs „das Licht“ beschreiben wird, vollzieht sich in

So Barrett, Joh, 185 f. Zwar wird im Joh im Unterschied zu den Synoptikern (z. B. Mt 3,1: #I « ²  4«) Johannes nie als der „Täufer“ bezeichnet, dennoch wird diese geläufige Bezeichnung hier verwendet, um jedes Missverständnis auszuschließen. 73 Der hier verwendete Stil hat atl. Wurzeln: vgl. 1Sam 1,1 LXX (Ν)(« * … λ :  ) .). Vgl. Schnelle, Joh, 44. 74 Die beiden Abschnitte über den Täufer erfüllen eine dreifache Aufgabe. Zunächst eine historische: Der Logosmythos wird an eine konkrete Geschichte angebunden. Sodann eine theologische Aufgabe: Die Identität des Logos wird im Vergleich mit einer anderen Gestalt spezifiziert. Und schließlich eine literarische Aufgabe: Durch die Vermittlung des Täufers wird der Prolog mit der folgenden Erzählung in Beziehung gebracht. 75 Vgl. Theissen, Religion, 260. 71

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1,1–18 Der Prolog

V.15 der Übergang zur der spezifisch joh Christologie, indem jetzt die Themen Präexistenz und Inkarnation zur Sprache kommen. Das erste Erscheinen des Täufers (V.6–8) wird mit einer ausführlichen Vorstellung seiner Person eröffnet. Nicht nur sein Name – „Johannes“ – wird hervorgehoben, sondern auch seine Rolle wird präzisiert (V.6): Er wird als der Gesandte Gottes (Ν)(« $  « ( )') vorgestellt. Die Vorstellung der Sendung76 lässt hier erkennen, dass der Täufer Teil des göttlichen Plans ist und dass sein Auftrag darin besteht, die Bedeutung der kommenden entscheidenden Ereignisse anzukündigen, genauer gesagt, das Auftreten Jesu als Kommen des göttlichen Logos zu entfalten. Diese Ankündigung und Entschlüsselung der kommenden Ereignisse (V.7a) werden unter dem Begriff des Zeugnisses ( ((, (( ) zusammengefasst. Dieser Begriff gehört in die juristische Prozess-Sprache und zeigt von vornherein an, dass das Kommen des Logos einen Interpretationskonflikt auslösen wird. Die erste Interpretation, die der Täufer leistet (V.7bc–8), umfasst zwei Argumente. Zunächst wird das in V.4 und V.5 angeführte φ.« klar identifiziert. Im Rahmen der urchristlichen Tradition kann es, dem Täufer in den Mund gelegt, nur Jesus bezeichnen.77 Diese Ankündigung hat zunächst eine soteriologische Bedeutung: Die schöpferische und heilbringende Gegenwart Gottes in der Welt – das Scheinen des Lichtes – findet sich in der Person Jesu. Diese christologische Aussage wird aber – und dies ist der zweite Aspekt – in Gestalt eines Zeugnisses formuliert ( (( – (( ), das zum Glauben ruft ( «    ). Dies bedeutet, dass die Beziehung zum Licht, d. h. zur heilvollen Gegenwart Gottes, nur im Glauben Ereignis wird. Dass Jesus das „Licht“ ist, hat keinerlei Evidenzcharakter. Das Zeugnis fordert eine Entscheidung. Das Licht kann nur im Glauben erkannt werden. Dieser ist aber nicht das Privileg einer Elite. „Alle“ («) sind zum Glauben gerufen. Das Licht ist Gnade. Und schließlich (V.8) trägt diese Identifikation einen polemischen und zugleich exklusiven Akzent. Der Gebrauch des bestimmten Artikels lässt es ahnen: Das Licht ist Jesus und kein anderer (vgl. schon V.4 und V.5: μ φ.«). Von daher ist die Aufgabe des Täufers klar umrissen: Er hat keine spezifisch soteriologische Rolle. Sein einziger, aber wichtiger Auftrag ist die Zeugenschaft.78 Diese Thematik wird in detaillierter Form in den V.19–28 wieder aufgenommen werden. 76 Die Sendungsvorstellung spielt im vierten Evangelium eine zentrale Rolle. Zutreffend Blank, Joh Ia, 89: „Der Begriff der ‚Sendung‘ hat einen breiten kultur- und religionsgeschichtlichen Hintergrund, wobei die Momente des Auftrags und der Repräsentation sowie die Erledigung dieses Auftrags eine wichtige Rolle spielen“. 77 V.7 und V.8 identifizieren implizit das „Licht“ mit dem Logos ensarkos und bestätigen die Deutung von V.5 als Inkarnationsaussage. 78 Dieses joh Bild des Täufers steht in Zusammenhang mit den historischen Umständen der Entstehung der joh Gemeinde. Die Rivalität zwischen den Jüngern des Täufers und den Jüngern Jesu in Bezug auf die eschatologische Bedeutung ihres jeweiligen Meisters und die Herkunft der ersten Jünger Jesu aus Täuferkreisen (1,37) gehörten zur Vergangenheit der joh Gemeinden, erforderten aber Erinnerungsarbeit.

1,6–13 Vom Wirken des Täufers bis zum Empfang des Logos durch die Gläubigen

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Die Erleuchtung des Menschen (V.9):79 Nach dem Prosateil über den Täufer, nimmt der implizite Autor den Faden des Hymnus wieder auf. Die erneute Verwendung der Lichtsymbolik ermöglicht eine Vertiefung der soteriologischen Funktion des Logos. Interessanterweise wird diese Symbolik in der atl.-jüdischen Tradition nie dazu verwendet, um von Gott zu sprechen. So auch bei Joh: Der Begriff „Licht“ beschreibt nicht Gott, sondern den Logos in seiner Beziehung zur Welt. Die Symbolik ist anthropologisch und soteriologisch ausgerichtet. Sie verweist auf „die erhellte, sinnvolle und glückliche Existenz des Menschen“.80 Diese Existenz in Fülle ist eine Gabe Gottes. Dazu drei Bemerkungen. Zunächst ist der Logos das wahre ($ ) ") Licht. Dieses Adjektiv hat eine polemische Nuance: Es lässt vermuten, dass das im Logos offenbarte Licht das einzig wahre Licht ist und von daher alle anderen Lichter disqualifiziert. Zum Zweiten besteht der Auftrag des Lichts darin, zu erleuchten. Das Verb φ7  bezeichnet die positive Auswirkung des Lichts.81 Diese Wirkung ist universal ( Ν)(). Dies bedeutet, dass das Licht, d.h. die Gabe eines glücklichen, sinnerfüllten Lebens, nicht das Privileg einiger weniger Erwählter ist, sondern eine Möglichkeit, die jedem Menschen angeboten wird. Die Würde des Menschen liegt in der Entscheidung, dieses Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Zum Dritten ist der Ausdruck (-"  « μ " , der die Frage nach dem Zeitpunkt dieser Erleuchtung stellt, schwierig zu deuten: Ist sie auf das „Licht“ oder auf „jeden Menschen“ zu beziehen? Beide Möglichkeiten haben gute Argumente für sich. Aus drei Gründen ist der christologischen Auslegung der Vorzug zu geben: (1) Der ganze Gedankenverlauf des Prologs wird durch das In-dieWelt-Kommen des Logos beherrscht; (2) der Höhepunkt des Prologs ist die Inkarnation des Logos; (3) im Ganzen des Evangeliums bezeichnet der Ausdruck „in die Welt kommen“ das Kommen des Offenbarers.82 Daher geschieht die Erleuchtung aller Menschen durch das In-die-Welt-Kommen des Logos (das Imperfekt * erwähnt eine in der abgeschlossenen Vergangenheit eingetretene, aber feststehende und dauerhafte Präsenz). Dieses Ereignis hat eschatologische Bedeutung: Es betrifft nicht nur die Vergangenheit. Die in der Geschichte eingetretene Inkarnation behält ihre Bedeutung auch für die Gegenwart (φ7 im Präsens!). 79 Die Auslegung von V.9 hängt davon ab, welche Lösung für die zwei hier bestehenden Probleme gefunden wird. a) Die Bestimmung des Subjekts von V.9a ist umstritten (φ.« oder "«). b) Der Ausdruck (-"  « μ "  kann aus syntaktischer Sicht sowohl mit μ φ.« μ $ ) " (in diesem Fall handelt es sich um einen Verweis auf die Inkarnation; so Barrett, Joh, 187; Brown, Joh I, 9f; Schnackenburg, Joh I, 230f) als auch mit  Ν)( (Bultmann, Joh, 32; Becker, Joh I, 99) verbunden werden. Vgl. Theobald, Im Anfang, 51. 80 Blank, Joh Ia, 92. 81 Vgl. Winter, M., Art. φ7, EWNT III, 1076–1078: „Die ‚Erleuchtung jedes Menschen‘ bedeutet noch keinen Glauben, sondern die von Gott gegebene Möglichkeit, die zum Glauben führen kann, wenn der Mensch sich der göttlichen Anrede öffnet“ (1077). 82 In Verbindung mit dem Licht 3,19; 12,46; zur Beschreibung der Inkarnation: 6,14; 9,39; 10,36 (= Sendung); 11,27; 16,28; 18,37. Der einzige Abschnitt, der das „In-die-Welt-Kommen“ mit dem Dasein des Menschen in Verbindung bringt, findet sich im Gleichnis von der gebärenden Frau (16,21).

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1,1–18 Der Prolog

Die Offenbarung des Lichtes des Logos in der Welt führt den Menschen in eine Entscheidungssituation. Um diesen Aspekt geht es in den V.10–13. Die Ablehnung der Welt (V.10–11): Ein neuer, am Ende von V.9 gebrauchter Begriff, beherrscht den V.10: Es geht um die Vorstellung der „Welt“ (" «).83 Dieses Konzept hat nicht die klassische Bedeutung, die es für gewöhnlich in der griechisch-hellenistischen Welt hat: Es bezeichnet nicht das Universum, sondern in einem engeren Sinn die menschliche Welt. Das Ende von V.9 hatte die Welt zum Raum der Offenbarung erklärt. V.10 entfaltet das Sinnpotential dieses Begriffes: Die „Welt“ ist der Schauplatz, auf dem sich die Offenbarung ereignet (V.10a) und zugleich die durch ihren Unglauben (V.10c) gekennzeichnete Schöpfung (V.10b). Um der Auflehnung der Welt Rechnung zu tragen, setzt V.10 Schöpfung (V.10b: ² " «  ’ ' ) und Offenbarung miteinander in Beziehung (V.10a:  ) . " )  *; wiederum bezeichnet das Imperfekt eine vergangene, aber durch Dauer gekennzeichnete Präsenz). Die Welt, in der die Offenbarung eingetreten ist, ist keine fremde Welt, sondern eine durch den Logos erschaffene Welt, die ihm gehört und in der er seine Autorität ausübt. Der entscheidende Punkt besteht darin, dass der Logos sein Werk nicht sich selbst überlässt, sondern kommt, um „es zu erleuchten“. Die Liebe und die Schöpferkraft, die sich in und durch das Werk der Schöpfung offenbaren, setzen sich auf eine andere Art und Weise fort. Und doch geschieht das Unvorstellbare: Die Welt verweigert ihm84 jegliche Anerkennung (² " « μ  ,). Die geschichtliche Offenbarung des Logos wird von denen, denen sie zugedacht war, zurückgewiesen. In dieser Verweigerung verbinden sich sowohl die noetische als auch die existentielle Dimension der (Er-)kenntis (   ). V.11 nimmt dieselbe Thematik auf, bedient sich aber einer anderen Terminologie. Die „Welt“ wird durch den Ausdruck „die Seinen“ (