Gott als Vater der Jünger im Johannesevangelium 3161522621, 9783161522628

In der johanneischen Theologie tritt die Rede von Gott als "dem Vater" im Gegenüber zu "dem Sohn" be

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German Pages 249 [250] Year 2012

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Geleitwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Das Thema im Kontext der Forschungsdiskussion
1.1 Ausgangsüberlegungen: Joh 20,17 als Wendepunkt der Rede von Gott als Vater im Johannesevangelium
1.2 Der Stand der Forschung
1.3 Die Fragestellung der Untersuchung vor dem Hintergrund der Forschungsdiskussion
2. Die verwendete Methode
Kapitel 1: Das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott Vater in Joh 13,31–14,31
1. Joh 13,31–14,31 im literarischen Kontext des Johannesevangeliums, Abgrenzung und Aufbau des Textes
2. Das Ausgangsproblem: Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern? (Joh 13,31–38)
2.1 Die Trennung Jesu von den Jüngern als Thema von Joh 13,31–38
2.2 Die Bedeutung der Ankündigungen Jesu in Joh 13,33 und 36 vor dem Hintergrund von Joh 1,35–39 und 7,33f. und 8,21
2.2.1 Die Ansagen in Joh 13,33.36 vor dem Hintergrund von Joh 1,35–39
2.2.2 Die Ansagen in Joh 13,33.36 vor dem Hintergrund von Joh 7,33f.; 8,21
2.3 Ergebnis: Das Ausgangsproblem von Joh 13,31–14,31
3. Der Rahmen: Aufruf zum Nicht-Erschrecken und zum Glauben (Joh 14,1)
3.1 Der Aufruf zum Nicht-Erschrecken (Joh 14,1a)
3.2 Der Aufruf zum Glauben (Joh 14,1b)
4. Die erste Antwort Jesu auf das Ausgangsproblem: Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft (Joh 14,2f.)
4.1 Der Gewinn des Weggangs Jesu für die Jünger (Joh 14,2)
4.1.1 Das Ziel des Weggangs Jesu
4.1.2 Der Platz im Haus des Vaters Jesu
4.2 Der Zugang zum Vater durch die Aufnahme in sein Haus (Joh 14,3)
4.3 Das Wiederkommen Jesu als Voraussetzung für die Aufnahme der Jünger (Joh 14,3)
5. Die zweite Antwort Jesu auf das Ausgangsproblem: Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart (Joh 14,4–11)
5.1 Das Wissen der Jünger um den Weg Jesu zum Vater (Joh 14,4f.)
5.2 Jesus als der Weg zum Vater (Joh 14,6)
5.3 Die Beziehung zum Vater durch die Erkenntnis Jesu (Joh 14,7–11)
5.3.1 Joh 14,7
5.3.2 Joh 14,7–11
5.4 Fazit
6. Abschließendes Wort Jesu: Die Einbeziehung der Jünger in das Wirken Jesu für den Vater (Joh 14,12–14)
6.1 Die Ankündigung der „größeren Werke“ (V. 12)
6.2 Die Verheißung der Gebetserhörung (V.13f.)
6.3 Die Einbeziehung der Jünger in das Wirken Jesu für den Vater
7. Die Reaktion der Jünger: Ihre gegenwärtige Distanz zu Jesus und zum Vater (Joh 14,5.8)
8. Die Verheißung Jesu: Die Nähe des Vaters durch die Gabe des Geistes und das erneute Kommen Jesu (Joh 14,15–26)
8.1 Die Nähe des Vaters zu den Jüngern im Geist (Joh 14,16f.)
8.2 Das neue Gottesverhältnis der Jünger nach dem erneuten Kommen Jesu (Joh 14,18–20)
8.2.1 Die Aufhebung der Trennung von Jesus durch das erneute Kommen Jeus (Joh 14,18–20)
8.2.2 Die Bedeutung des erneuten Kommens Jesu und des des Sehens der Jünger
8.2.3 Die Beziehung der Jünger zum Vater Jesu durch die die Erkenntnis „an jenem Tag“ (Joh 14,20)
8.3 Die Verheißung der Liebe des Vaters Jesu (Joh 14,21–24)
8.3.1 Die Liebe zu Jesus als Voraussetzung für die Liebe des Vaters Jesu (V.21a)
8.3.2 Kennzeichen der verheißenden Liebe des Vaters Jesu (V.21b–24)
8.3.2.1 Die Liebe Jesu und sein Sich-Offenbaren (V.21b–c)
8.3.2.2 Die Zwischenfrage des Judas (V.22)
8.3.2.3 Das Kommen und Einziehen von Vater und Sohn (V.23f.)
8.4 Abschließendes Wort Jesu: Die Bedeutung des Geistes für das Gottesverhältnis der Jünger (Joh 14,25f.)
9. Rahmen und Abschluss der ersten Abschiedsrede (Joh 14,27–31)
10. Ergebnis
Kapitel 2: Das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott Vater in Joh 16,4b–33
1. Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 13,31–16,33
1.1 Joh 15–16 im literarischen Zusammenhang der Abschiedsreden
1.2 Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 15,1–16,33, Abgenzung und Aufbau
2. Das Ausgangsproblem: Die Trauer der Jünger und ihr Unverständnis im Blick auf den Sinn des Weggangs Jesu (Joh 16,4b–7)
3. Die Verheißung Jesu: Die Beziehung zwischen den Jüngern und dem Vater durch das Wirken des Geistes (Joh 16,12–15)
4. Die gegenwärtige Situation: Die Unsichtbarkeit Jesu für die Jünger und ihr Unverständnis (Joh 16,16–19)
4.1 Die Ankündigung Jesu (Joh 16,16)
4.2 Das Unverständnis der Jünger (Joh 16,17–19)
5. Die Verheißung Jesu: Die Nähe zwischen Gott Vater und den Jüngern nach dem großen Wandel (Joh 16,20–24)
5.1 Die Verheißung des Wandels: Bleibende Freude und Verstehen der Jünger (Joh 16,20–23a)
5.2 Voraussetzung für den Wandel: πάλιν δὲ ὄψομαι ὑμᾶς (Joh 16,22)
5.3 Konsequenzen des Wandels: Die Nähe zwischen dem Vater und den Jüngern in Gebet und Gebetserhörung (Joh 16,23b–24)
6. Die Verheißung Jesu: Die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater (Joh 16,25–28)
6.1 Ankündigung der offenen Verkündigung über den Vater (Joh 16,25)
6.2 Das Gebet der Jünger zum Vater und die Liebe des Vaters zu den Jüngern (Joh 16,16f.)
6.3 Die Liebe der Jünger zu Jesus und ihr Glaube an seine Herkunft als Kennzeichen ihrer Gotteskindschaft
7. Die Reaktion der Jünger und ihre Deutung durch Jesus: Die gegenwärtige Distanz der Jünger zum Vater (Joh 16,29–33)
8. Ergebnis
Kapitel 3: Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18
1. Das Ausgangsproblem: Das Unverständnis der Maria angesichts der Abwesenheit Jesu (Joh 20,11–13)
2. Das Erscheinen Jesu und die partielle Überwindung der Krise (Joh 20,14–16)
3. Die Deutung der Beziehung des Vaters zu den Jüngern durch Jesus und die Reaktion der Maria (Joh 20,17f.)
3.1 Die Ankündigung des Aufstiegs Jesu zum Vater
3.2 Die Botschaft von Gott als dem Vater der Jünger
4. Ergebnis
Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater (Joh 20,19–29)
1. Die Christusvision der Jünger und ihre Geistbegabung (Joh 20,19–23)
1.1 Das Kommen Jesu und das Sehen der Jünger (Joh 20,19f.)
1.2 Die Sendung der Jünger und ihre Geistbegabung (Joh 20,21–23)
2. Die Christuserkenntnis des Thomas (Joh 20,24–28)
2.1 Das Ausgangsproblem: Der Zweifel des Thomas angesichts der Botschaft der Jünger (Joh 20,24f.)
2.2 Das Erscheinen Jesu als Voraussetzung zur Überwindung des Unglaubens (Joh 20,26f.)
2.3 Das Bekenntnis des Thomas (Joh 20,28)
3. Der Glaube der μὴ ἰδόντες (Joh 20,29)
4. Ergebnis
Schluss
Literaturverzeichnis
1. Textausgaben und Übersetzungen
1.1 Bibel
1.2 Jüdisch-hellenistische Quellen
1.3 Rabbinische Quellen
1.4 Frühchristliche Quellen
1.5 Griechisch-römische Quellen
1.6 Sammlungen
2. Wörterbücher, Konkordanzen und Grammatiken
3. Kommentare
4. Monographien, Sammelbände, Aufsätze, Lexikonartikel etc.
Stellenregister
1. Bibel
1.1 Altes Testament
1.2 Neues Testament
2. Frühjüdische Literatur
3. Rabbinische Literatur
4. Griechische und römische Autoren
5. Frühchristliche Schriften
Register der Autorinnen und Autoren
Sachregister
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Gott als Vater der Jünger im Johannesevangelium
 3161522621, 9783161522628

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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Friedrich Avemarie (Marburg) Markus Bockmuehl (Oxford) James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL)

336

Frances Back

Gott als Vater der Jünger im Johannesevangelium

Mohr Siebeck

Frances Back (1967–2012); 2002 Dr. theol. (Tübingen); 2008 Habilitation (Göttingen); war Privatdozentin für Neues Testament an der Universität Göttingen und Pfarrerin der Badischen Landeskirche.

e-ISBN 978-3-16-152287-1 ISBN 978-3-16-152262-8 ISSN 0340-9570 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Nehren auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Geleitwort Die vorliegende Studie ist die überarbeitete Fassung der Habilitationsschrift von Privatdozentin Dr. Frances Back (7. 10. 1965 – 26. 5. 2012). Trotz der Belastung durch eine schwere Krebserkrankung hat sie das Manuskript noch fertiggestellt und mir als Herausgeber der WUNT kurz vor Ostern 2012 zur Durchsicht zugesandt. Kurz darauf war klar, dass sie das Buch nicht mehr selbst fertigstellen könnte. Einen Tag vor Pfingsten hatte ihr Kampf gegen ein heimtückisches Leiden ein Ende. Frances Back war mir selbst noch als Studien- und Doktorandenkollegin aus Tübingen bekannt. Sie hatte zunächst in Padua Klassische Philologie und in Tübingen, Jerusalem und Heidelberg Evangelische Theologie studiert. Nach dem Vikariat und dem ersten pfarramtlichen Dienst hat sie zunächst in Tübingen als Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes und als Mitarbeiterin des Emeritus Prof. Dr. Martin Hengel gearbeitet, dort wurde sie dann auch im Jahr 2002 mit einer Arbeit zur Verwandlungsmetaphorik in 2 Kor 2,14–4,6 promoviert, die ebenfalls in dieser Reihe erschienen ist (Verwandlung durch Offenbarung bei Paulus. Eine religionsgeschichtlich-exegetische Untersuchung zu 2 Kor 2,14–4,6, WUNT II/153, Tübingen 2002). Von 1998–2003 war sie Assistentin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Reinhard Feldmeier an der Universität Bayreuth, dann von 2003–2007 Inspektorin am Evangelischen Stift in Göttingen, bevor sie schließlich wieder in den pfarramtlichen Dienst zurückkehrte, den sie zuletzt in Mückenloch und Dilsberg versah. 2009 wurde sie mit der vorliegenden Arbeit an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen habilitiert, wo sie seitdem als Privatdozentin Neues Testament lehrte. Das Buch zur Gotteskindschaft der Glaubenden noch abzuschließen, war ihr letztes wissenschaftliches Anliegen. Frances Back war nicht nur eine kompetente Neutestamentlerin und geschätzte Pfarrerin, sondern vor allem auch eine herzliche, unkomplizierte und lebensfreudige Kollegin und Freundin. Ihr war abzuspüren, dass sie selbst von den Texten und der Botschaft des Neuen Testaments bewegt und getragen war. Frances Back hätte gewiss vielen Weggefährten Dank sagen wollen, darunter sicher an prominenter Stelle Reinhard Feldmeier (Göttingen), ihrem langjährigen Mentor. Ihr Manuskript hatte sie noch zur kritischen Lektüre an die Freunde Jan Dochhorn (Aarhus) und Rainer Hirsch-Luipold (Bern) geschickt, deren Beobachtungen sie jedoch nicht mehr aufnehmen konnte. Karin Finsterbusch (Landau) hat sich dann im Benehmen mit mir darum

VI

Geleitwort

gekümmert, dass die Arbeiten von anderen weitergeführt wurden. Sie hat auch zusammen mit Jan Dochhorn die Korrekturen gelesen. Dass das Buch nun doch zügig im Druck erscheinen kann, ist vor allem meiner Mitarbeiterin Kathrin Hager zu verdanken, die mit großer Kompetenz und Zuverlässigkeit die Druckvorlage und die Register erstellt hat. Möge das Werk zur Geltung bringen, was Frances Back wissenschaftlich und persönlich wichtig war, nicht zuletzt die Aussage des Verses, auf den die Auslegungen dieses Buches zulaufen: Joh 20,17b. Zürich, im Juli 2012

(für die Herausgeber) Jörg Frey

Inhaltsverzeichnis Einleitung ....................................................................................................... 1 1. Das Thema im Kontext der Forschungsdiskussion .............................. 1 1.1 Ausgangsüberlegungen: Joh 20,17 als Wendepunkt der Rede von Gott als Vater im Johannesevangelium ................................... 1 1.2 Der Stand der Forschung ................................................................ 7 1.3 Die Fragestellung der Untersuchung vor dem Hintergrund der Forschungsdiskussion ................................................................... 19 2. Die verwendete Methode .................................................................... 20

Kapitel 1: Das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott Vater in Joh 13,31–14,31 ....................................................... 25 1. Joh 13,31–14,31 im literarischen Kontext des Johannesevangeliums, Abgrenzung und Aufbau des Textes ....... 25 2. Das Ausgangsproblem: Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern? (Joh 13,31–38) ....................................................... 28 2.1 Die Trennung Jesu von den Jüngern als Thema von Joh 13,31–38.......................................................................... 28 2.2 Die Bedeutung der Ankündigungen Jesu in Joh 13,33 und 36 vor dem Hintergrund von Joh 1,35–39 und 7,33f. und 8,21......... 31 2.2.1 Die Ansagen in Joh 13,33.36 vor dem Hintergrund von Joh 1,35–39......................................................................... 31 2.2.2 Die Ansagen in Joh 13,33.36 vor dem Hintergrund von Joh 7,33f.; 8,21 ................................................................... 33 2.3 Ergebnis: Das Ausgangsproblem von Joh 13,31–14,31 ............... 37 3. Der Rahmen: Aufruf zum Nicht-Erschrecken und zum Glauben (Joh 14,1) ............................................................................................ 41 3.1 Der Aufruf zum Nicht-Erschrecken (Joh 14,1a) ......................... 42 3.2 Der Aufruf zum Glauben (Joh 14,1b).......................................... 44 4. Die erste Antwort Jesu auf das Ausgangsproblem: Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft (Joh 14,2f.) .............................. 45 4.1 Der Gewinn des Weggangs Jesu für die Jünger (Joh 14,2) .......... 45 4.1.1 Das Ziel des Weggangs Jesu .............................................. 45 4.1.2 Der Platz im Haus des Vaters Jesu ..................................... 47 4.2 Der Zugang zum Vater durch die Aufnahme in sein Haus (Joh 14,3) ...................................................................................... 50

VIII

5.

6.

7. 8.

Inhaltsverzeichnis

4.3 Das Wiederkommen Jesu als Voraussetzung für die Aufnahme der Jünger (Joh 14,3) .................................................. 53 Die zweite Antwort Jesu auf das Ausgangsproblem: Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart (Joh 14,4–11) ... 56 5.1 Das Wissen der Jünger um den Weg Jesu zum Vater (Joh 14,4f.) .................................................................. 57 5.2 Jesus als der Weg zum Vater (Joh 14,6) ....................................... 59 5.3 Die Beziehung zum Vater durch die Erkenntnis Jesu (Joh 14,7–11) ...................................................... 61 5.3.1 Joh 14,7............................................................................... 61 5.3.2 Joh 14,7–11......................................................................... 63 5.4 Fazit .............................................................................................. 67 Abschließendes Wort Jesu: Die Einbeziehung der Jünger in das Wirken Jesu für den Vater (Joh 14,12–14) ......................................... 68 6.1 Die Ankündigung der „größeren Werke“ (V. 12) ........................ 68 6.2 Die Verheißung der Gebetserhörung (V.13f.) .............................. 69 6.3 Die Einbeziehung der Jünger in das Wirken Jesu für den Vater .. 70 Die Reaktion der Jünger: Ihre gegenwärtige Distanz zu Jesus und zum Vater (Joh 14,5.8) ................................................................ 71 Die Verheißung Jesu: Die Nähe des Vaters durch die Gabe des Geistes und das erneute Kommen Jesu (Joh 14,15–26) ............... 72 8.1 Die Nähe des Vaters zu den Jüngern im Geist (Joh 14,16f.) ........ 72 8.2 Das neue Gottesverhältnis der Jünger nach dem erneuten Kommen Jesu (Joh 14,18–20) ....................................... 76 8.2.1 Die Aufhebung der Trennung von Jesus durch das erneute Kommen Jeus (Joh 14,18–20)................................ 76 8.2.2 Die Bedeutung des erneuten Kommens Jesu und des des Sehens der Jünger ......................................................... 78 8.2.3 Die Beziehung der Jünger zum Vater Jesu durch die die Erkenntnis „an jenem Tag“ (Joh 14,20) ....................... 84 8.3 Die Verheißung der Liebe des Vaters Jesu (Joh 14,21–24) ......... 87 8.3.1 Die Liebe zu Jesus als Voraussetzung für die Liebe des Vaters Jesu (V.21a)............................................................. 88 8.3.2 Kennzeichen der verheißenden Liebe des Vaters Jesu (V.21b–24) ........................................................................... 90 8.3.2.1 Die Liebe Jesu und sein Sich-Offenbaren (V.21b–c) ............................................................... 90 8.3.2.2 Die Zwischenfrage des Judas (V.22) ..................... 92 8.3.2.3 Das Kommen und Einziehen von Vater und Sohn (V.23f.) ......................................................... 94 8.4 Abschließendes Wort Jesu: Die Bedeutung des Geistes für das Gottesverhältnis der Jünger (Joh 14,25f.) ..................................... 97

Inhaltsverzeichnis

IX

9. Rahmen und Abschluss der ersten Abschiedsrede (Joh 14,27–31) ... 98 10. Ergebnis ............................................................................................ 101

Kapitel 2: Das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott Vater in Joh 16,4b–33 ................................................... 105 1. Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 13,31–16,33 ............................... 105 1.1 Joh 15–16 im literarischen Zusammenhang der Abschiedsreden..................................................................... 105 1.2 Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 15,1–16,33, Abgenzung und Aufbau .............................................................. 108 2. Das Ausgangsproblem: Die Trauer der Jünger und ihr Unverständnis im Blick auf den Sinn des Weggangs Jesu (Joh 16,4b–7) .................................................................................... 112 3. Die Verheißung Jesu: Die Beziehung zwischen den Jüngern und dem Vater durch das Wirken des Geistes (Joh 16,12–15) ......... 115 4. Die gegenwärtige Situation: Die Unsichtbarkeit Jesu für die Jünger und ihr Unverständnis (Joh 16,16–19) .................................. 120 4.1 Die Ankündigung Jesu (Joh 16,16) ............................................ 121 4.2 Das Unverständnis der Jünger (Joh 16,17–19) ........................... 125 5. Die Verheißung Jesu: Die Nähe zwischen Gott Vater und den Jüngern nach dem großen Wandel (Joh 16,20–24) ............. 127 5.1 Die Verheißung des Wandels: Bleibende Freude und Verstehen der Jünger (Joh 16,20–23a) ....................................... 127 5.2 Voraussetzung für den Wandel: pavlin de; o[yomai uJma`" (Joh 16,22) .................................................................................. 131 5.3 Konsequenzen des Wandels: Die Nähe zwischen dem Vater und den Jüngern in Gebet und Gebetserhörung (Joh 16,23b–24) .......................................................................... 134 6. Die Verheißung Jesu: Die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater (Joh 16,25–28) ............................... 140 6.1 Ankündigung der offenen Verkündigung über den Vater (Joh 16,25) .................................................................................. 140 6.2 Das Gebet der Jünger zum Vater und die Liebe des Vaters zu den Jüngern (Joh 16,16f.) ...................................................... 145 6.3 Die Liebe der Jünger zu Jesus und ihr Glaube an seine Herkunft als Kennzeichen ihrer Gotteskindschaft ...................... 147 7. Die Reaktion der Jünger und ihre Deutung durch Jesus: Die gegenwärtige Distanz der Jünger zum Vater (Joh 16,29–33) ........... 149 8. Ergebnis ............................................................................................ 153

X

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 3: Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18 ................................................................................ 156 1. Das Ausgangsproblem: Das Unverständnis der Maria angesichts der Abwesenheit Jesu (Joh 20,11–13)............................. 156 2. Das Erscheinen Jesu und die partielle Überwindung der Krise (Joh 20,14–16) .................................................................................. 159 3. Die Deutung der Beziehung des Vaters zu den Jüngern durch Jesus und die Reaktion der Maria (Joh 20,17f.) ..................... 162 3.1 Die Ankündigung des Aufstiegs Jesu zum Vater ....................... 162 3.2 Die Botschaft von Gott als dem Vater der Jünger ...................... 166 4. Ergebnis ............................................................................................ 170

Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater (Joh 20,19–29) .............................................................. 172 1. Die Christusvision der Jünger und ihre Geistbegabung (Joh 20,19–23) ........................................... 172 1.1 Das Kommen Jesu und das Sehen der Jünger (Joh 20,19f.) ....... 172 1.2 Die Sendung der Jünger und ihre Geistbegabung (Joh 20,21–23) ................................................... 177 2. Die Christuserkenntnis des Thomas (Joh 20,24–28) ........................ 181 2.1 Das Ausgangsproblem: Der Zweifel des Thomas angesichts der Botschaft der Jünger (Joh 20,24f.) ....................................... 181 2.2 Das Erscheinen Jesu als Voraussetzung zur Überwindung des Unglaubens (Joh 20,26f.)............................................................ 183 2.3 Das Bekenntnis des Thomas (Joh 20,28).................................... 185 3. Der Glaube der mh; ijdovnte" (Joh 20,29) .......................................... 189 4. Ergebnis ............................................................................................ 192

Schluss .......................................................................................... 195 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 201 Stellenregister ............................................................................................... 219 Register der Autorinnen und Autoren .......................................................... 233 Sachregister .................................................................................................. 237

Einleitung 1. Das Thema im Kontext der Forschungsdiskussion 1. Das Thema im Kontext der Forschungsdiskussion

1.1 Ausgangsüberlegungen: Joh 20,17 als Wendepunkt der Rede von Gott als Vater im Johannesevangelium Im vierten Evangelium wird Gott auffallend häufig als „Vater“ bezeichnet. Keines der anderen kanonischen Evangelien verwendet den Vaternamen für Gott so oft wie das Johannesevangelium: Im Markusevangelium gibt es mit Mk 8,38; 11,25; 13,32 und 14,36 nur vier Belege für Gott als pathvr. Im Lukasevangelium erscheint der Vatername für Gott siebzehnmal1 und im Matthäusevangelium sechsundvierzigmal.2 Im Johannesevangelium wird Gott mit weit mehr als einhundert Belegen pathvr genannt.3 In den synoptischen Evangelien erscheinen neben „Vater“ auch andere Bezeichnungen für Gott wie zum Beispiel „Herr“ (kuvrio")4, „König“ (basileuv")5, „Herrscher“ (despovth")6, „der Mächtige“ (oJ dunatov")7, „die Macht“ (hJ duvnami")8, „der Schöpfer“ (oJ ktivsa")9, „der Höchste“ (oJ u{yisto"; oJ qeo;" oJ u{yisto")10, oder „der lebendige Gott“ (oJ qeo;" oJ zw`n).11 Im Jo1

Lk 2,49; 6,36; 9,26; 10,21 (bis); 10,22 (bis); 11,2.13; 12,30.32; 22,29.42; 23,34.46; 24,49. 2 Mt 5,16.45.48; 6,1.4.6 (bis); 6,8.9.14.15.18 (bis); 6,26.32; 7,11.21; 10,20.29.32.33; 11,25.26.27 (ter); 12,50; 13,43; 15,13; 16,17.27; 18,10.14.19.35; 20,23; 21,31; 23,9 (bis); 24,36; 25,34; 26,29.39.42.53; 28,19. 3 Die Anzahl der Belege für „pathvr“ als Gottesbezeichnung pro Kapitel ist jeweils in Klammern angegeben: Joh 1,14.18 (2); Joh 2,16 (1); Joh 3,35 (1); Joh 4,21.23 (bis) (3); Joh 5,17.18.19.20.21.22.23 (bis).26.36 (bis).37.43.45 (14); Joh 6,27.32.37.40.44.45.46 (bis).57 (bis).65 (11); Joh 8,16.18.19 (ter).27.28.38.41.42.49.54 (12); Joh 10,15 (bis). 17.18.25.29 (bis).30.32.36.37.38 (bis) (13); Joh 11.41 (1); Joh 12,26.27.28.49.50 (5); Joh 13,1.3 (2); Joh 14,2.6.7.8.9 (bis).10 (ter).11 (bis).12.13.16.20.21.23.24.26.28 (bis).31 (bis) (23); Joh 15,1.8.9.10.15.16.23.24.26 (bis) (10); Joh 16,3.10.15.17.23.25. 26.27.28 (bis).32 (11); Joh 17,1.5.11.21.24.25 (6); Joh 18,11 (1); Joh 20,17 (ter).21 (4). 4 Siehe z.B. Mk 12,30 parr. Mt 22,37; Lk 10,27 (Zitat aus Dtn 6,4f.); Mt 4,7.10 par. Lk 4,8.12 (Zitat aus Dtn 6,13.16); Mk 1,3 parr. Mt 3,3; Lk 3,4 (Zitat aus Jes 40,3). 5 Vgl. z.B. Mt 5,35. 6 Lk 2,29. 7 Lk 1,49. 8 Mk 14,62; Mt 26,64; siehe Lk 22,69. 9 Mt 19,4. 10 Lk 1,32.35.76; 6,35; Mk 5,7 par. Lk 8,28.

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Einleitung

hannesevangelium ist hingegen „Vater“ die dominierende Gottesbezeichnung.12 Im Munde des Erzählers gibt es im Johannesevangelium mit Joh 1,14.18; 5,18; 8,27; 13,1.3 sechs Belege über den Vater. Unter den Gestalten der Erzählung benutzen einmal Johannes der Täufer (Joh 3,35),13 einmal die Pharisäer (Joh 8,19), einmal die „gläubiggewordenen Juden“ (Joh 8,41) und einmal Philippus (Joh 14,8) den Vaternamen für Gott. Alle weiteren Äußerungen über Gott als Vater im Johannesevangelium und damit die weitaus größte Zahl an Belegen finden sich im Munde Jesu. Befragt man die johanneischen Aussagen über Gott als Vater daraufhin, als wessen Vater Gott jeweils dargestellt wird, ergibt sich ein interessanter Befund: Gott wird im Johannesevangelium zum erstenmal in Joh 1,14 als pathvr bezeichnet. Der Vatername fällt nach Joh 1,12, wo davon die Rede ist, dass der lovgo" denen, die ihn aufgenommen haben, die Vollmacht gab, Kinder Gottes (tevkna qeou`) zu werden. In Joh 1,13 wird die Rede von der Gotteskindschaft vertieft, indem die Glaubenden als Menschen charakterisiert werden, die „aus Gott geboren“ wurden (ejk qeou` ejgennhvqhsan). Mit der in Joh 1,12f. angesprochenen Thematik der Gotteskindschaft sind die Voraussetzungen für die Rede von Gott als Vater gegeben. Umso mehr fällt auf, dass Gott in den auf Joh 1,12f. folgenden Versen im Prolog jedoch 11

Mt 16,16; 26,63. Vgl. zu den genannten Gottesbezeichnungen in den synoptischen Evangelien ZIMMERMANN, Namen, 212–225 (Herr); 283f. (König); 304–306 (Herrscher); 330–333 (die Macht); 336f. (der Mächtige); 373 (der Schöpfer); 413–415 (der lebendige Gott); 587–596 (der Höchste). 12 Neben qeov" (einschließlich oJ movno" qeov" [Joh 5,44]; o movno" ajlhqino;" qeov" [Joh 17,3]) spielt im Johannesevangelium sonst die – allerdings auch oft auf pathvr bezogene – Umschreibung oJ pevmya" me (Joh 4,34; 5,24.30; 6,38.39; 7,16.28.33; 8,26.29; 9,4; 12,44; 13,20; 15,21; 16,5) als Gottesbezeichnung eine Rolle. Kuvrio" ist im Johannesevangelium in der Regel auf Jesus bezogen, vgl. z.B. Joh 9,38; 11,2; 13,13; 20,28. Als Gottesbezeichnung erscheint kuvrio" zwar in den alttestamentlichen Zitaten in Joh 1,23; 12,13.38, aber auch hier sind die jeweiligen Aussagen christologisch akzentuiert, siehe ZIMMERMANN, Namen, 224f. 13 Die Sprache von Joh 3,31–36 legt eigentlich den johanneischen Christus als Sprecher der Passage nahe. Die sprachliche Nähe von V.31–36 zu Äußerungen Jesu in Joh 3,1–21 ist deutlich (siehe die Auflistung der parallelen Wendungen bei T HEOBALD, Johannes (1–12), 289). Nach B ULTMANN, Johannes, 116 Anm. 1 gehörte Joh 3,31–36 ursprünglich zu 3,1–21; nach SCHNACKENBURG, Johannes I, 393f. hatte Joh 3,31–36 seinen ursprünglichen literarischen Ort im Anschluss an Joh 3,12. Beide halten Jesus für den Sprecher von Joh 3,35. Da im literarischen Zusammenhang von Joh 3,22–36 aber keine Anzeichen für einen Sprecherwechsel zu entdecken sind, wird hier Johannes (der Täufer) als Sprecher von Joh 3,35 angesehen, der gemäß seiner Funktion im Johannesevangelium als Zeuge für Christus seine Rede in Joh 3,27–30 mit einem Bekenntnis zum Sohn Gottes abschließt. Vgl. z.B. auch T HYEN, Johannesevangelium, 231f.; T HEOBALD, Johannes (1–12), 289–291; zur Diskussion dazu siehe auch B ROWN, John I, 159f.

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nicht als der Vater der Glaubenden, sondern als Vater Jesu geschildert wird. Nach Joh 1,14.18 steht Gott Vater in Beziehung zum „Einziggeborenen“, das heißt, zum Sohn, dessen Glanz vom Vater herkommt (dovxan wJ" monogenou`" para; patrov"), und welcher aus der Nähe zum Vater lebt (oJ w]n eij" to;n kovlpon tou` patrov" ). Die in Joh 1,14.18 begründete Rede von dem einzigartigen Verhältnis zwischen Gott als Vater und Jesus als Sohn wird in der mit Joh 1,19 einsetzenden johanneischen Erzählung fortgesetzt. Charakteristisch für die in ihr berichteten Äußerungen Jesu über Gott als Vater ist eine auffallende Konzentration auf Gott als seinen Vater. Dies zeigt besonders das ausschließlich in Jesu Munde belegte, signifikante pathvr mou.14 Auch wendet sich nur Jesus im vierten Evangelium im Gebet an Gott als „Vater“.15 Nie schließt er sich im Johannesevangelium wie etwa in Mt 6,9 mit den Jüngern zusammen und nennt Gott „unseren Vater“. Während er die Jünger im Matthäus- und im Lukasevangelium zu Gott als Vater beten lehrt, gibt es im vierten Evangelium kein „Vaterunser“. Vielmehr betet Jesus in Joh 17 zu seinem Vater für die Jünger. Die anderen Personen der Erzählung, die den Vaternamen Gottes verwenden, bringen hingegen außer den „gläubiggewordenen Juden“ (Joh 8,41) kein persönliches Verhältnis zum Vater zum Ausdruck. Johannes der Täufer verwendet in Joh 3,35 zwar den Vaternamen für Gott, nennt Gott aber nicht seinen Vater, sondern beschreibt vielmehr dessen enge Beziehung zum Sohn (oJ path;r ajgapa`/ to;n uJio;n kai; pavnta devdwken ejn th/` ceiri; aujtou`). Auch Philippus bezeichnet Gott in seiner Äußerung über „den Vater“ in Joh 14,8 nicht als seinen Vater.16 Das gilt auch für die Pharisäer, die in Joh 8,19 nach dem Vater Jesu fragen (pou` ejstin oJ pathvr sou).17 Den Anspruch der „gläubiggewordenen Juden“ auf Gott als ihren Vater (e{na patevra e[comen to;n qeovn, Joh 8,41) weist Jesus signifikanterweise sogleich als illegitim zurück. Seine im Irrealis formulierte Erwi14

Zu pathvr mou im Munde Jesu siehe Joh 2,16; 5,17.43; 6,32.40; 8,19 (bis).49.54; 10,18.25.29.37; 14,2.7.20.21.23; 15,1.8.10.15.23.24; 20,17. Von path;r uJmw`n spricht der johanneische Jesus zweimal (Joh 8,42; 20,17); im positiven Sinne zum ersten und einzigen Mal in Joh 20,17. In allen anderen Belegen von Gott Vater im Munde Jesu findet sich das absolute oJ pathvr. 15 Den Vokativ pavter verwendet Jesus neunmal im Johannesevangelium in der Gebetsanrede (Joh 11,41; Joh 12,27 und 28; Joh 17,1.5.11.21.24.25). 16 Philippus bittet Jesus in Joh 14,8, ihm und den anderen Jüngern „den Vater“ zu zeigen. Dabei handelt es sich um eine Reaktion auf das Rätselwort Jesu, dass die Jünger seinen Vater von jetzt an erkennen und ihn gesehen haben (Joh 14,7b); der Kontrast zwischen dem pathvr mou Jesu in V.7 und dem distanzierten oJ pathvr des Philippus in V.8 unterstreicht den Unterschied zwischen dem Gottesverhältnis Jesu und dem des Philippus. 17 Dabei ist auch fraglich, ob die Pharisäer aus der Sicht des Evangelisten bei pathvr sou überhaupt an die Gottesbezeichnung denken.

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derung in Joh 8,42 zeigt (eij oJ qeo;" path;r uJmw`n h\n hjgapa`te a[n ejmev...), dass Gott nach seiner Auffassung nicht ihr Vater ist. Außer Jesus und den „gläubig gewordenen Juden“ in Joh 8,41, welche dies aus der Perspektive des johanneischen Jesus zu Unrecht tun, nennt im Johannesevangelium niemand Gott seinen Vater.18 Andere Personen als Jesus bezeichnen in der Regel Gott Vater als „Gott“. So spricht Nikodemus Jesus in Joh 3,2 als „von Gott gekommenen Lehrer“ an (ajpo; qeou` ejlhvluqa" didavskalo"), dessen Fähigkeit zum Wundertun zeige, dass „Gott“ mit ihm sei (oujdei;" ga;r duvnatai tau`ta ta; shmei`a poiei`n a} su; poiei`", eja;n mh; h/\ oJ qeo;" met≠ aujtou`). In Joh 6,28 fragen die Gesprächspartner Jesu, was sie tun sollen, um die Werke „Gottes“ (ta; e[rga tou` qeou`) zu bewirken. In Joh 9,16 stellen einige der Pharisäer im Anschluss an die Heilung des Blinden durch Jesus fest, dass „dieser Mensch nicht von Gott sein kann, weil er den Sabbat nicht hält“ (oujk e[stin ou|to" para; qeou` oJ a[nqrwpo", o{ti to; savbbaton ouj threi`). Auch fällt in dem anschließenden Dialog zwischen dem Geheilten und den jüdischen Gegnern Jesu ausschließlich die Bezeichnung qeov" für Gott: Die Pharisäer fordern den Geheilten auf, „Gott“ die Ehre zu geben (Joh 9,24), und verweisen darauf, dass Gott mit Mose geredet habe, sie aber nicht wüssten, woher „dieser“ [sc. Jesus] sei (Joh 9,29). Der Geheilte wendet darauf ein, dass „Gott“ die Sünder nicht hört (Joh 9,31), aber Jesus, wenn er nicht „von Gott“ wäre, nichts hätte tun können (Joh 9,33). Aufschlussreich sind in dieser Hinsicht schließlich auch Joh 11,22 und 41: Während Jesus Gott als Vater anredet (Joh 11,41), spricht Martha nicht vom Vater, sondern von „Gott“, von dem sie weiß, dass er Jesus alles geben wird, worum auch immer er ihn bittet (kai; nu`n oi\da o{ti o{sa a]n aijthvsh/ to;n qeo;n dwvsei soi oJ qeov" , Joh 11,22). Der betonten Rede Jesu von Gott als seinem Vater korrespondiert der Vorwurf der Gegner Jesu, dass er Gott seinen „eigenen Vater“ nenne und sich damit Gott in blasphemischer Weise gleichstelle. Entsprechend äußert sich der Evangelist in einem Kommentar in Joh 5,18 (patevra i[dion e[legen to;n qeo;n i[son eJauto;n poiw`n tw`/ qew`/ ). Es ist das besondere Gottesverhältnis des johanneischen Jesus, welches als scharfe Provokation empfunden wird: Es wird als eine Anmaßung göttlicher Autorität verstanden, denn wer Gott seinen eigenen Vater nennt, macht sich selbst zum Gott.19 Zugleich macht Johannes mit seiner Umschreibung der Rede Jesu

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Zu Joh 8,41 und 42 vgl. T OLMIE, God, 67f.: „The only exception is the Jews who speak of God as their Father in Jn 8.41, but in the following verses it is made clear that God is not their Father since they reject Jesus.“ 19 Siehe zu Joh 5,18 auch 10,33; 19,7.

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von Gott als seinem path;r i[dio" in Joh 5,18 auch deutlich, dass Gott für Jesus in einem exklusiven Sinn Vater ist.20 Trotz der Konzentration auf Gott als seinen Vater thematisiert der johanneische Jesus gelegentlich auch das Verhältnis zwischen Gott Vater und anderen Personen. In der ersten Hälfte des Evangeliums ist dies etwa in Joh 4,23b der Fall (der Vater sucht solche, die ihn anbeten), in Joh 5,21 (der Vater erweckt die Toten und macht sie lebendig); Joh 6,32 (der Vater Jesu gibt dem Volk das wahrhaftige Brot vom Himmel)21; Joh 6,37 (der Vater „gibt“ Jesus Menschen),22 Joh 6,44 (er „zieht“ sie)23 und Joh 12,26 (er „ehrt“ sie).24 In diesen Äußerungen ist vorausgesetzt, dass Gott als Vater in einer Beziehung zu den Menschen steht, auch wenn er in diesen Texten nie ausdrücklich als ihr Vater bezeichnet wird oder sie als seine Kinder. Dazu kommen Joh 4,23; 5,23 und Joh 6,45, wo Jesus von einer Relation anderer zum Vater weiß.25 Diese Hinweise auf eine Beziehung zwischen Gott als Vater und anderen steigern sich noch in den Äußerungen Jesu über Gott als Vater in den Abschiedsreden, auf die unten ausführlich eingegangen wird.26 In keinem dieser Texte bezeichnet Jesus Gott allerdings jemals explizit als den Vater anderer.27 Dies ändert sich erst in Joh 20,17. Dort erteilt der Auferstandene Maria Magdalena, nachdem er sich ihr zu erkennen gegeben und sie ihn wieder20

Dass Johannes i[dio" hier lediglich unbetont „im abgeschliffenen Sinne der Koine“ verwendet (siehe die Überlegungen dazu bei B ULTMANN, Johannes, 183 Anm. 2), ist deshalb nicht wahrscheinlich. 21 Adressat der Worte Jesu in Joh 6,32 ist das Volk (oJ o[clo", Joh 6,22.24f.). 22 „Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen, und den, der zu mir kommt, werde ich nicht hinauswerfen...“ (pa`n o} divdwsivn moi oJ path;r pro;" ejme; h{xei), vgl. auch Joh 10,29 (oJ pathvr mou o} devdwkevn moi...). 23 „Niemand kann zu mir kommen, wenn ihn nicht der Vater, der mich gesandt hat, zieht...“ (oujdei;" duvnatai ejlqei`n prov" me eja;n mh; oJ path;r oJ pevmya" me eJlkuvsh/ aujtovn), vgl. auch Joh 6,65 „…niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist“ (oujdei;" duvnatai ejlqei`n prov" me eja;n mh; h/\ dedomevnon aujtw/` ejk tou` patrov"). 24 „Wenn einer mir dient, wird ihn der Vater ehren“ (ejavn ti" ejmoi; diakonh`/ timhvsei aujto;n oJ pathvr). 25 Siehe Joh 4,23 (e[rcetai w{ra kai; nu`n ejstin, o{te oiJ ajlhqinoi; proskunhtai; proskunhvsousin tw/` patri; ejn pneuvmati kai; ajlhqeiva/); Joh 5,23 (i{na pavnte" timw`si to;n uiJo;n kaqw;" timw`si to;n patevra); Joh 6,45 (pa`" oJ ajkouvsa" para; tou` patro;" kai; maqw;n e[rcetai pro;" ejmev). 26 Siehe unten Kapitel 1 und 2. 27 In Joh 11,52 spricht der Erzähler in einem deutenden Kommentar zur KaiphasProphetie von den „Kindern Gottes“, die durch den Tod Jesu „in eins“ zusammengeführt werden sollen. Darin spiegelt sich das überlegene Wissen des Erzählers, der im Unterschied zu den Gestalten der Erzählung schon um die Existenz von Gotteskindern weiß, ohne diese Bezeichnung allerdings in diesem Stadium der Erzählung auf irgendeine Person anzuwenden. Vgl. dazu auch T OLMIE, God, 70 Anm. 40.

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erkannt hat, den Auftrag, seinen ajdelfoiv auszurichten: „Ich steige auf zu meinem Vater und euerm Vater, zu meinem Gott und euerm Gott“ (ajnabaivnw pro;" to;n patevra mou kai; patevra uJmw`n kai; qeovn mou kai; qeo;n uJmw`n). Dass Gott jetzt nicht mehr ausschließlich als Vater (und Gott) Jesu, sondern ausdrücklich auch als der Vater (und Gott) anderer bezeichnet wird, ist nach dem bisherigen Verlauf der johanneischen Erzählung etwas Besonderes; ebenso, dass Jesus die Jünger hier seine Geschwister (ajdelfoiv) nennt. Trotz der Einbeziehung der Jünger in das Verhältnis zu Gott als Vater und zu ihm selbst als Bruder hält Jesus allerdings auch in Joh 20,17 nach wie vor an seiner besonderen Vaterbeziehung fest, wie die auffallende Differenzierung zwischen „meinem Vater“ und „euerm Vater“ zeigt.28 Mit der signifikanten Rede von Gott als dem Vater der Jünger erhält Joh 20,17 eine exponierte Stellung und eine herausragende Bedeutung innerhalb des Evangeliums.29 In Joh 20,17 wird an das angeknüpft, was im Prolog an zentraler Stelle in Joh 1,12 zum Ausdruck gebracht wurde, nämlich dass der lovgo" denen, die ihn aufgenommen haben, die Vollmacht gegeben hat, Kinder Gottes zu werden. Zusammen mit Joh 1,12 bildet Joh 20,17 einen „Rahmen“ um die Erzählung von Joh 1–20.30 Dabei ist in der Forschung jedoch noch nicht ausreichend

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Die bleibende Differenz zwischen dem Gottesverhältnis Jesu und dem der Jünger hebt bereits Augustin hervor: „Non ait: Patrem nostrum; aliter ergo meum, aliter vestrum; natura meum, gratia vestrum.“ (Augustinus, In Ioh. 121,3 zu Joh 20,17 [CCSL 36, 666]). Im Anschluss an Augustins Deutung betont in neuerer Zeit LIGHTFOOT, John, 333: „the disciples must never forget that, whereas His Sonship to the Father is by nature and right, theirs is only by adoption and grace, in and through Him; and therefore He speaks of ‘my Father and your Father’, not of ‘our Father’.“ Ähnlich urteilt HOSKYNS, Gospel, 543. Zur Bedeutung des Unterschieds zwischen dem Gottesverhältnis der Jünger und dem Jesu in Joh 20,17 siehe auch M ORRIS, John, 842; B ARRETT, Johannes, 543. Zur Unterschiedenheit des Gottesverhältnis Jesu von dem seiner Nachfolger auch in den synoptischen Evangelien siehe FELDMEIER, SPIECKERMANN, Gott, 66f. Andere sehen hingegen in Joh 20,17 die Differenz im Gottesverhältnis Jesu und der Jünger durch die Bezeichnung Gottes als Vater der Jünger gerade aufgehoben, vgl. z.B. HAENCHEN, Johannesevangelium, 571, GNILKA, Johannesevangelium, 152, oder relativiert, vgl. RIDDERBOS, John, 640. Aber hier sollte man keine falsche Alternative aufstellen. Jesus bezieht die Jünger in Joh 20,17 in das Verhältnis zu Gott als Vater ein, ohne die Differenz zwischen seiner Beziehung zu Gott und dem Gottesverhältnis der Jünger in Frage zu stellen, siehe dazu unten 166–170. 29 M ICHAELS, John, 1002 spricht von einem „Meilenstein“ im Johannesevangelium: „This is a milestone in the Gospel, for it is the first and only instance… in which God is explicitly identified as ‘Father’ of anyone except Jesus himself.“ 30 GRUNDMANN, Vater, 215 spricht davon, dass Joh 20,17 einen Spannungsbogen vollendet, der vom Prolog ausgeht, siehe unten 10. SCHOLTISSEK, In ihm sein, 179–184 bezeichnet Joh 1,11–13 mit einem von M UßNER, Achse, geprägten Ausdruck als die „semantische Achse“ des Johannesevangeliums.

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geklärt, inwiefern die Rede von Gott als dem Vater der Jünger prägend für die Komposition und Theologie des Johannesevangeliums ist. 1.2 Der Stand der Forschung Die lange vernachlässigte Frage nach der Rede von Gott im vierten Evangelium ist in der Johannesforschung in den letzten Jahren verstärkt bearbeitet worden. Vor allem seit Mitte der neunziger Jahre sind mehrere Untersuchungen entstanden, deren Schwerpunkt auf der Rede von Gott als Vater im Johannesevangelium liegt.31 Angesichts des skizzierten Textbefundes zu den johanneischen Aussagen über Gott als „Vater“ ist es nicht überraschend, dass viele dieser Publikationen der Beziehung zwischen Vater und Sohn besondere Aufmerksamkeit schenken und sich vor allem mit Gott als dem Vater Jesu befassen. So legt etwa Meyer in seinem Artikel über „‚The Father‘: The Presentation of God in the Fourth Gospel“ einen besonderen Akzent auf die Texte, in welchen die Vater-Sohn-Beziehung im Vordergrund steht.32 Er kommt zu dem Ergebnis, dass Gott als Vater im Johannesevangelium der Garant für Jesu Worte, seine Taten und sein Leben sei und als der dargestellt werde, der Jesus ins Recht setzt und autorisiert.33 Auch Thompson sieht die Bedeutung der Vaterbezeichnung für Gott im Johannesevangelium eng an die Aussagen zum Verhältnis zwischen Gott Vater und dem Sohn gebunden. Gottes Identität als Vater verleiht sich selbst in der spezifischen Beziehung zum Sohn Ausdruck, für den Gott, der Vater, die Quelle des Lebens ist und dem der Sohn sein Sein verdankt.34 In vielen dieser Forschungsbeiträge wird außerdem festgehalten, dass Joh 20,17 mit der ausdrücklichen Ausweitung von Gottes Vatersein auf die Jünger ein Höhepunkt der johanneischen Aussagen über Gott als Vater ist.35 Über der Konzentration auf die christologische Vater-Sohn-Relation 31

Siehe MEYER, Father (1996); T OLMIE, God (1998) und die in Semeia 85 (1999) gesammelten Aufsätze besonders von REINHARTZ, O’DAY, THOMPSON, ANDERSON und D’ANGELO. Siehe außerdem T HOMPSON, Father (2000), 133–154 („The Living Father“), ZINGG, Vater (2006) und STIBBE, Story (2006); LEE, Suspicion (1995). Zur Theologie im Johannesevangelium: In den achtziger Jahren erschienen etwa B ARRETT, Christocentric or Theocentric (1982); DERS., Father (1982). In neuerer Zeit siehe T HEOBALD, Gott (1992), 41–87; T HOMPSON, God (2001), KELLY, MOLONEY, God (2003); LATAIRE, God (1999); SADANANDA, Exegesis (2004); LARSSON, God (2001); B IERINGER, Father (2008). 32 Vgl. MEYER, Father, 260–265. 33 Vgl. MEYER, Father, 265. 34 Vgl. THOMPSON, Living Father, 29. 35 Vgl. z.B. STIBBE, Story, 183f.: „In a Gospel in which Jesus never taught his disciples to say ʻour fatherʼ [...], these words to Mary Magdalene carry momentous significance. With no references to the Father in chapter 21, John 20:17 forms the fitting and moving conclusion to the Fatherʼs story.“ Auch ZINGG, Vater, 49 betont, dass in Joh 20,17 einen Höhepunkt erreicht, was im Prolog im Blick auf die Charakterisierung

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tritt jedoch die Frage nach Joh 20,17 und dem Verhältnis zwischen Gott als Vater und den Jüngern im Johannesevangelium vielfach in den Hintergrund. Dies gilt auch für die Forschungsliteratur zur Gotteskindschaft in den johanneischen Schriften. Am Beispiel von Texten zur Gotteskindschaft aus dem vierten Evangelium und den Johannesbriefen wird hier etwa das Verhältnis von „Kindsein“ und „Kindwerden“ erörtert36; zum Teil erfolgt dies im Zusammenhang mit der Debatte über den johanneischen Determinismus.37 Auch werden die johanneischen Texte zur Gotteskindschaft auf das Selbstverständnis der johanneischen Gemeinde befragt, sei es in Auseinandersetzung mit der jüdischen Umwelt,38 sei es im Vergleich zwischen dem Johannesevangelium und dem ersten Johannesbrief.39 Diskutiert wird schließlich auch das Problem, wer zu dem Kreis der „Kinder Gottes“ aus johanneischer Sicht gehört und wie die Gotteskindschaft zustandekommt, Gottes als „Vater“ anklinge und in der fortlaufenden Lektüre des Johannesevangeliums zunehmend präzisiert werde. 36 Vgl. z.B. VELLANICKAL, Sonship. Vellanickal konzentriert sich auf die johanneischen Texte, in denen sich die Wendungen tevkna (tou`) qeou`, ei\nai ejk tou` qeou` und der Begriff genna`sqai finden: Joh 1,12f.; Joh 3,3–10; Joh 11,47–53; Joh 8,31–47; 1 Joh 2,29–3,10; 1 Joh 5,18–20; 1 Joh 3,10–12 und 4,7f.; 1 Joh 5,1–4; 1 Joh 3,1f. Er gelangt dabei zu dem Schluss, dass die Gotteskindschaft der Glaubenden in den johanneischen Schriften als Ergebnis einer Mitteilung göttlichen Lebens „dynamisch“ zu denken und auf Entwicklung, Wachstum und Reifung angelegt sei (102f., 160f.). Während der Sohn „aus Gott ist“, sei es Bestimmung der Glaubenden, Kinder Gottes zu werden. Diese Kindschaft muss im Unterschied zur Sohnschaft Jesu durch den Glauben und die Liebe bewahrt werden, bis sie in der eschatologischen Zukunft endgültig eingelöst wird (1 Joh 3,1f.), siehe 353–358. 37 Nach KÜGLER, Gotteskinder, 170–172 ist für die johanneische Konzeption der Gotteskindschaft eine „eigenartige Spannung zwischen dem von Gott vorbestimmten KindGottes-Sein und dem von der menschlichen Glaubensentscheidung bestimmten KindGottes-Werden“ (171), also „eine Spannung zwischen dem vorgängigen Handeln Gottes und dem Handeln des Menschen“ (172) kennzeichnend. In Joh 1,12f. sieht Kügler zum Ausdruck gebracht, dass diejenigen, die den Logos aufnehmen, schon Kinder Gottes sind. „Wer im Glauben zu Jesus kommt, der wird zum Kind Gottes, aber er wird damit nichts, was er nicht schon immer war.“ Die prädestinatianische Prämisse beim Thema der Gotteskindschaft im Johannesevangelium hebt auch B ERGMEIER, Glaube, 216–220 hervor. Für ihn verbindet sich damit der Gedanke der völligen Angewiesenheit auf Gott und der „Geschenk- und Gnadencharakter des unverfügbaren Eintritts in die eschatologische Existenz.“ (216). TRUMBOWER, Born, 4.143 spricht von einer proto-gnostischen Anthropologie des Johannes, nach welcher die Menschen (und ihr Glaube bzw. Unglaube) nach ihren jeweiligen Ursprüngen festgelegt sind. 38 Diesen Aspekt hebt CULPEPPER, Pivot hervor, der außer auf Joh 1,12 vor allem auf Joh 8,31–47 eingeht. Das Prädikat der Kinder Gottes ist nach CULPEPPER , Pivot, 26–31 von zentraler Bedeutung für das Selbstverständnis der johanneischen Gemeinde. So erklärt sich nach Culpeppers Auffassung die fokussierte Stellung von Joh 1,12b im Prolog. 39 Vgl. dazu KLEIN, Gemeinschaft.

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die der Erzähler in seinem Kommentar zur Kaiphas-Prophetie in Joh 11,52 erwähnt,40 oder die Frage nach der soziologischen Funktion dieser ekklesiologischen Metapher innerhalb und für die johanneischen Gemeinden.41 Die Frage, wie die im Johannesevangelium singuläre, explizite Aussage Jesu über Gott als Vater der Jünger in Joh 20,17 in den theologischen Gesamtkontext des vierten Evangeliums einzuordnen und zu bewerten ist, spielt in diesen Forschungsbeiträgen keine oder keine zentrale Rolle. Sie wird bisher nur in einigen wenigen Beiträgen der Johannesforschung intensiver erörtert, auf deren Ergebnisse im Folgenden knapp eingegangen wird. 1. Walter Grundmann hebt in einem 1961 erschienenen, für die hier behandelte Thematik immer noch wichtigen Artikel42 die besondere Bedeutung von Joh 20,17 für das Johannesevangelium hervor: Im Anschluss an Schrenks Ausführungen im Artikel pathvr im ThWNT stellt er fest, dass Joh 20,17 seine spezifische Bedeutung dadurch erhält, dass Gott, den der johanneische Jesus sonst „den Vater“ oder „meinen Vater“ nennt, jetzt zum ersten und einzigen Mal „mein Vater und euer Vater, mein Gott und euer Gott“ heißt.43 Die Rede von den Jüngern als Brüdern Jesu und von Gott als dem Vater der Jünger ist, so Schrenk, deshalb signifikant, weil sie nur 40

Vgl. P ANCARO, People, 126–129; DELLING, Söhne, 630; FREY, Gotteskinder; DENIsrael. Nach Freys Deutung erhält der Tod Jesu in der Prophetie des Kaiphas den Sinn, dass dadurch das neue und wahre Gottesvolk aus Heiden- und Judenchristen zu einer Einheit der Gotteskinder zusammengeführt wird (vgl. FREY, Gotteskinder, 245– 249). Anders DENNIS, Israel, 341–349 (Der Tod Jesu bewirkt nach Dennis bei Johannes die Wiederherstellung des wahren Israel aus Juden aus dem Mutterland und der Diaspora. Nur die aus Israel, die an Jesus glauben, werden als Kinder Gottes neu geboren und als das wahre Israel wiederhergestellt.). 41 Rusam untersucht die Thematik der Gotteskindschaft vor allem am Beispiel der Johannesbriefe. Nach seiner Deutung besteht die Funktion dieser „ekklesiologischen Leitmetapher“ im ersten Johannesbrief darin, Menschen, die durch ihr Christusbekenntnis ihr bisheriges soziales Gefüge verloren haben, in einen neuen Familienverband zu integrieren (vgl. RUSAM, Kinder, 159–162). Zur Gotteskindschaft als zentralem ekklesiologischem Deutungsmuster der johanneischen Christen siehe auch SCHOLTISSEK, Kinder Gottes, 184–211 (208–211). V AN DER W ATT, Family nähert sich der Thematik der Gotteskindschaft über die im Johannesevangelium breit bezeugte „Familiensprache“ (161f.). Er zeigt in seiner Arbeit, dass der Evangelist ein verbreitetes, allgemein bekanntes und akzeptiertes Wissen aus dem Familienleben verwendet und auf der Basis der gesellschaftlichen Wirklichkeit des Familienlebens ein „metaphorisches Netzwerk“ etabliert, um damit soteriologische und ethische Aussagen im spirituellen Bereich zu machen (162). 42 GRUNDMANN, W., Zur Rede Jesu vom Vater im Johannes-Evangelium. Eine redaktions- und bekenntnisgeschichtliche Untersuchung zu Joh 20,17 und seiner Vorbereitung, ZNW 52, 1961, 213–230. Diesem Artikel ging Grundmanns 1938 erschienene Arbeit „Die Gotteskindschaft in der Geschichte Jesu und ihre religionsgeschichtlichen Voraussetzungen“ voraus. 1965 folgte ihm sein in NTS 12, 42–49 veröffentlichter Aufsatz „Matth. XI.27 und die johanneischen ‚Der Vater – Der Sohn‘ – Stellen“. 43 Vgl. GRUNDMANN, Vater, 213. NIS,

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einmal im Evangelium vorkommt, und zwar als Wort des Auferstandenen. In Joh 20,17 wird die „neue Stufe der Jüngerstellung nach Jesu Auferstehung“ angezeigt. Erst mit der Auferstehung mache Jesus „seinen Vater und Gott im Vollsinn zu dem ihrigen“.44 Dabei greift Joh 20,17, so Grundmann, auf die Ankündigung des Prologs zurück, nach der die Glaubenden Gottes Kinder werden sollen, und bildet zusammen mit Joh 1,12 einen Spannungsbogen, der „vom Prolog ausgeht und das Ganze des Evangeliums umschließt.“45 Die zentrale Frage des Artikels, ob die Aussage über Gott als Vater der Jünger im Evangelium vorbereitet ist, und wenn ja, wie, beantwortet Grundmann mit dem Hinweis auf die Abschiedsreden: Aus seiner Sicht wird den Jüngern bereits in den Abschiedsreden das Recht der Gotteskindschaft zugesprochen. Er arbeitet detailliert heraus, welche Bedeutung die Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater in Joh 13,31–14,31 hat: Die Jünger kommen mit der Öffnung des Vaterhauses in die Nähe des Vaters (Joh 14,2f.), Jesus schafft ihnen den Zugang zum Vaterhaus (14,6), in ihm ist der Vater zu erkennen und zu sehen (14,7.9). Das Wiedersehen „an jenem Tag“ bringt den Jüngern die Erkenntnis, dass Jesus in seinem Vater und sie in ihm und er in ihnen ist (14,20). Von dem, der Jesus liebt, gilt, dass er vom Vater geliebt werden wird (14,21.23);46 „… in der Gemeinschaft Jesu mit den Jüngern im Geist ist die Gemeinschaft mit dem Vater einbeschlossen; mit dem Sohn kommt der Vater zu den Jüngern, und sie sind die vom Vater Geliebten.“47 Zu dem gleichen Ergebnis führt, so Grundmann, auch der Redeteil Joh 15 und 16. 48 Wesentlich ist dabei vor allem der Schlussabschnitt in Joh 16: Den Jüngern wird das Gebet zu Gott als Vater möglich (Joh 16,23), sie haben einen unmittelbaren Zugang zu Gott, denn der Vater liebt sie (Joh 16,26f.).49 Diese Texte sind, so Grundmann, die Vorbereitung auf die Aussage des Auferstandenen in Joh 20,17, und Joh 20,17 ist „Bestätigung“ dessen, was den Jüngern in den Abschiedsreden angekündigt wurde.50

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SCHRENK, „pathvr“, ThWNT V, 996 (Z.38) und 1001 (Z.27), siehe dazu GRUNDVater, 214. Vgl. auch SPARKS, Doctrine, 241–262 (255–258). 45 GRUNDMANN, Vater, 215. 46 Vgl. GRUNDMANN, Vater, 219f. 47 GRUNDMANN, Vater, 220. 48 Vgl. GRUNDMANN, Vater, 220. 49 Vgl. GRUNDMANN, Vater, 221–222. Dabei ist allerdings festzuhalten, dass Gott auch in den Abschiedsreden im Unterschied zu Joh 20,17 nie explizit als Vater der Jünger bezeichnet wird. Grundmanns Zusammenfassung zu den Vateraussagen über Gott in den johanneischen Abschiedsreden in DERS., Vater, 221, ist missverständlich: „Jesu Vater ist ihr Vater geworden, und sie sind seine Brüder.“ 50 Vgl. GRUNDMANN, Vater, 222. MANN,

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Methodisch gilt Grundmanns Interesse der redaktionellen Tätigkeit des Evangelisten. Die Frage nach den Adressaten der johanneischen Texte spielt in seinem Beitrag keine Rolle; ebenso wenig die Frage nach der Wirkabsicht der Texte gegenüber den Adressaten, die später in der Johannesforschung eine große Bedeutung gewinnt.51 Im Folgenden wird deutlich werden, dass sich Grundmanns These, dass die Aussagen über Gott als Vater in den Abschiedsreden die Vorbereitung auf Joh 20,17 seien und Joh 20,17 „Bestätigung“ dessen, was in den Abschiedsreden angekündigt wurde, nicht halten lässt, wenn man auch diese textpragmatische Dimension bei der Analyse der johanneischen Texte berücksichtigt.52 Nach wie vor zentral ist aber sowohl Grundmanns Frage nach der „Bedeutung von Joh 20,17 für das Ganze des Evangeliums“53 als auch vor allem seine – damit in Zusammenhang stehende – Erkenntnis, dass die Aussagen der Abschiedsreden über Gott als Vater für die johanneische Rede von Gott als dem Vater der Jünger besonders relevant sind. 2. Einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,17 steuert auch Raymond E. Brown im zweiten Band seines Johanneskommentars (1970) bei. Brown bemerkt dort mit Recht, dass in der Forschung viel Energie auf die Frage der Übersetzung und der Bedeutung der abwehrenden Anrede Jesu an Maria „mhv 51

Vgl. etwa CULPEPPER , Anatomy; ONUKI, Gemeinde und Welt; HOEGEN-ROHLS, Johannes; FREY, Eschatologie II und III und viele andere. 52 Siehe unten 199. 53 GRUNDMANN, Vater, 214. Dass Joh 20,17 eine Relevanz für das Johannesevangelium insgesamt hat, wird z.B. von R ICHTER, Vater (1977) vehement bestritten. Aus der durch die Einmaligkeit der Bezeichnung Gottes als Vater der Jünger gegebenen besonderen Stellung von Joh 20,17 im Johannesevangelium zieht er andere Schlüsse als Grundmann: In der Nachfolge von Wellhausen setzt er eine Hypothese zur literarischen Entstehung des Johannesevangeliums voraus, nach der dem Evangelium eine nicht vom Evangelisten selbst verfasste Grundschrift als Quelle zugrunde lag (vgl. W ELLHAUSEN, Das Evangelium Johannis, Berlin 1908, 6f.; siehe RICHTER, Vater, 266f.). Diese „Grundschrift“ sei durch eine typisch judenchristliche Christologie geprägt. Ihr ordnet Richter mit Wellhausen und anderen die Wendung in Joh 20,17c zu (vgl. RICHTER, Vater, 268 Anm. 18). Speziell hinter dem Ausdruck „euer Vater“, der sich, so Richter, weder beim Evangelisten noch in der Grundschrift (zur Bezeichnung des Verhältnisses Gottes zu den Jüngern bzw. den Glaubenden) findet, sieht Richter ein Wissen um eine – auch der Grundschrift vorausliegende – alte Tradition, „daß Jesus Gott als ‚euren (= der Jünger, der Glaubenden) Vater‘ verkündet hat“ (R ICHTER, Vater, 273). Aufgrund seiner literarkritischen und traditionsgeschichtlichen Prämissen zur Genese des Johannesevangeliums steht die Rede von Gott als dem Vater der Jünger aus Joh 20,17c für Richter im Widerspruch zur Sohn-Christologie des Evangelisten, nach der Gott exklusiv der Vater Jesu sei. Für Johannes sei die Vaterschaft Gottes Jesus allein vorbehalten (vgl. RICHTER, Vater, 269). Daraus folgert er, dass Joh 20,17c keine besondere Bedeutung innerhalb des vierten Evangeliums beizumessen sei. Die Rede von Gott als Vater der Jünger ist nach seiner Interpretation nicht aussagekräftig für die Theologie des Evangelisten.

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mou a{ptou“ (traditionell: „noli me tangere“) verwendet wurde, während der zweite Teil des Verses, auf dem der eigentliche Akzent liege, zu wenig beachtet worden sei. Hier wird, so Brown, die soteriologische Dimension des Aufstiegs Jesu entfaltet: „... Jesus is going to his Father with a salvific purpose“.54 Darin sieht Brown die theologische Pointe des johanneischen Berichts von der Erscheinung Jesu vor Maria. Das besondere Profil von Joh 20,17c arbeitet er im Vergleich mit den synoptischen Berichten über die Ostererscheinungen heraus. Für ihn liegt die Besonderheit der Botschaft Jesu an Maria im Vergleich zu den Osterberichten der synoptischen Evangelien darin, dass Jesus auf den Zugang der Jünger zu Gott als ihrem Vater hinweist und diese zugleich in ein neues Verhältnis zu sich selbst stellt, indem er sie als seine Brüder bezeichnet.55 Die Rede von Gott als dem Vater der Jünger verdankt sich also nach Browns Auffassung dem theologischen Gestaltungswillen des Evangelisten: Ziel des Aufstiegs Jesu zum Vater ist, so Browns Deutung der theologischen Intention des Johannes, die Errichtung einer neuen Beziehung zwischen Gott, den Jüngern und Jesus. Ein zentraler Gedanke in Browns Interpretation ist dabei, dass dieses neue Beziehungsgefüge für Johannes durch die Gabe des Geistes zustande kommt. Jesus lenke mit der Rede von seinem Aufstieg in Joh 20,17 die Aufmerksamkeit nicht primär auf seine eigene Verherrlichung, sondern auf die Frage, was seine Verherrlichung für die Menschen bedeuten wird, nämlich dass ihnen der Geist gegeben wird, der sie zu Gottes Kindern macht.56 Im Blick auf die ihm wichtige Einordnung der Aussage über Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,17 in den Kontext der johanneischen Theologie insgesamt verweist Brown auf die Verbindung des Gedankens vom Aufstieg des Menschensohns mit der Gabe des Geistes in Joh 6,62 und auf das unmittelbar auf den Tod Jesu folgende Kommen des Geistes nach Joh 16,7.57 Dies zeigt, so Brown, die enge Verbindung von Auferweckung, Aufstieg und Gabe des Geistes im Johannesevangelium, die mit 54

BROWN, John II, 1011. Brown bemerkt: „In the parallel appearance of Jesus to the women in Matt xxviii 10, he instructs Magdalene and her companion to go and tell the disciples that he will appear to them in Galilee. Instead of such a statement concerning the fact of the resurrection and the sequence and locus of appearances, John has Jesus make a statement to Magdalene about the meaning of the resurrection“, BROWN, John II, 1015. 56 Ähnlich sieht dies Dodd: „… it is not the resurrection as Christ’s resumption of heavenly glory that needs to be emphasized, but the resurrection as the renewal of personal relations with the disciples“, DODD, Interpretation, 442. In den synoptischen Versionen wird dagegen das Lebendigsein des Auferstandenen hervorgehoben: Mt 28,10 betont, dass die Jünger Jesus sehen würden, Lk 24,6f., dass Jesus auferweckt wurde, und der sekundäre Markusschluss das neue Leben, das Jesus durch seine Auferweckung erlangt (Mk 16,11). 57 Vgl. BROWN, John II, 1015. 55

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Joh 20,17 und 22 bestätigt werde.58 Offen bleibt in den wegweisenden Ausführungen Browns allerdings die Frage nach dem Verhältnis von Joh 20,17 zu anderen Äußerungen Jesu über die Beziehung zwischen dem Vater und den Jüngern im Johannesevangelium, besonders in den Abschiedsreden. 3. Ein kleinerer Beitrag zur Bedeutung der johanneischen Rede von Gott als dem Vater der Jünger findet sich in einem 1992 publizierten Artikel von Gerhard Schneider.59 Wie bereits der Titel „Auf Gott bezogenes ‚mein Vater‘ und ‚euer Vater‘ in den Jesus-Worten der Evangelien“ deutlich macht, geht es Schneider dabei nicht primär um das „mein Vater“ und „euer Vater“ in Joh 20,17; ein größeres Gewicht liegt in seinem Aufsatz auf Jesusworten der synoptischen Evangelien, in welchen von Gott als „meinem“ oder „euerm Vater“ die Rede ist. Wie Brown arbeitet auch Schneider in dem Abschnitt über Joh 20,17c das besondere Profil dieser Aussage vor allem über den Vergleich zu den synoptischen Berichten über die Ostererscheinungen heraus. Dabei fragt er nach der Entstehungsgeschichte der Formulierung in Joh 20,17c. Mit Neirynck setzt er für Joh 20,17c ausdrücklich eine Abhängigkeit von Mt 28,9f. voraus.60 Er stellt fest, dass das jesuanische „euer Vater“ – abgesehen von Joh 20,17c und dem Sonderfall Joh 8,42, wo es bestritten wird, – im Johannesevangelium ignoriert wird, während „mein Vater“ gegenüber den Synoptikern gehäuft vorkommt. Die große Anzahl an johanneischen Belegen für „mein Vater“ und das absolute „der Vater“ bei gleichzeitigem fast völligem Fehlen von „euer Vater“ in den Äußerungen des johanneischen Jesus deutet er als ein Indiz dafür, dass Johannes für die „Neubildungen“ verantwortlich ist.61 Das gilt nach Schneiders Einschätzung auch für die Formulierung in Joh 20,17c. Er rechnet dabei mit einer bewußten theologischen Korrektur der tradierten Redeweise Jesu von „euerm Vater“, welches in den alten Überlieferungsschichten Mk 11,25 und der Logienquelle (Lk 6,36; 12,30.32; Mt 5,45; 10,29) bestens bezeugt sei, durch Johannes: Für den Evangelisten unterscheidet sich der irdische Jesus, so Schneider, vom Auferstandenen gerade dadurch, dass er nicht vom Vater der Jünger redet (also auch die Jünger kein Vaterunser lehrt). „Erst der österliche Jesus sagt: ‚euer Vater‘.“62 Damit betont Schneider allerdings nur, was bereits Schrenk

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Vgl. BROWN, John II, 1015f. SCHNEIDER, G., Auf Gott bezogenes „mein Vater“ und „euer Vater“ in den JesusWorten der Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Problem Johannes und die Synoptiker, in: The Four Gospels 1992, FS F.Neirynck, hg. v. F. van Segbroeck, C.M.Tuckett et alii, Bd.3, BEThL, Leuven 1992, 1751–1781. 60 Vgl. SCHNEIDER, Vater, 1779f., vgl. NEIRYNCK, John and the Synoptics: The Empty Tomb Stories, NTS 30, 1984, 161–187 (bes. 166–171). 61 Vgl. SCHNEIDER, Vater, 1776f. 62 SCHNEIDER, Vater, 1780. 59

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und Grundmann als johanneische Besonderheit festgestellt haben.63 Offen bleibt, was den auferstandenen vom irdischen Jesus in johanneischer Perspektive unterscheidet, so dass er erst als Auferstandener Gott als Vater der Jünger bezeichnet. Auch bleibt ungeklärt, welche Intention hinter der auffallenden Konzentration des Vaterseins Gottes auf Jesus bis zu der Ostererscheinung vor Maria in Joh 20 steckt und welche Konsequenzen sich aus der Einmaligkeit der Aussage in Joh 20,17 für die Interpretation des Johannesevangeliums ergeben. 4. Wesentliche neue Aspekte zur Thematik steuert D. François Tolmie in seinem Beitrag über die Darstellung Gottes im Gesamtzusammenhang der johanneischen Erzählung (1998) bei.64 Anders als Grundmann, Brown und Schneider arbeitet er methodisch ausschließlich auf der synchronen Textebene. Dabei verwendet er das Instrumentarium der narrativen Analyse, wie es von Chatman und anderen an narrativen Texten entwickelt65 und etwa von Culpepper und Staley auf johanneische Texte angewendet wurde.66 Im Unterschied zu den bisher dargestellten Beiträgen legt Tolmie daher einen besonderen Akzent auf die Textpragmatik und die Frage nach der kommunikativen Absicht des impliziten Autors gegenüber dem impliziten Leser. Darin liegt ein entscheidender Fortschritt gegenüber Grundmanns Beitrag, der die Aussage über Gott als Vater der Jünger in Joh 20,17 zwar auch schon im Kontext des ganzen Johannesevangeliums betrachtet hatte, aber über der Konzentration auf das kompositorisch-redaktionelle Verfahren des Evangelisten die Frage nach den Adressaten des Evangeliums und der Aussageintention der Texte gegenüber den Adressaten ausgeblendet hatte. Dabei beobachtet Tolmie ähnlich wie schon Grundmann, dass sich in der johanneischen Darstellung von Gott und seiner Beziehung zu den Jüngern im Laufe der Erzählung, insbesondere ab Joh 13, eine Veränderung abzeichnet. Die Rede von Gott als Vater erfährt im Johannesevangelium, so Tolmie, eine Entwicklung: Gottes Vatersein wird im Verlauf der Erzählung von Jesus auf die Glaubenden ausgeweitet. Dabei folgt Johannes nach Tolmies Deutung einem klar nachvollziehbaren Muster: Im Prolog beschreibe der Evangelist die beiden Weisen, auf 63

Siehe SCHRENK, „pathvr“, ThWNT V, 996 (Z.38) und 1001 (Z.23–27) und GRUNDVater, 213–230. 64 T OLMIE, D.F., The Characterization of God in the Fourth Gospel, JSNT 69, 1998, 57–75. Dieser Artikel ist im Zusammenhang mit Tolmies anderen Arbeiten zum Johannesevangelium in narratologischer Perspektive zu sehen, besonders seiner Monographie über die Abschiedsreden (Jesus’ Farewell to the Disciples. John 13:1–17:26 in Narratological Perspective, Biblical Interpretation Series 12, Leiden, New York, Köln 1995). 65 Siehe dazu T OLMIE, God, 58 mit Anm. 4. Er bezieht sich auf CHATMAN, Story, 147 und KAHRMANN, REISS, SCHLUCHTER, Erzähltextanalyse, 60–126. 66 Siehe T OLMIE, God, 58 Anm. 5f. (mit dem Hinweis auf CULPEPPER, Anatomy und STALEY, Kiss). MANN,

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die Gott im Folgenden charakterisiert werden wird; Gott sei zum einen durch seine Beziehung zum Logos „definiert“, die ab Joh 1,14.18 näher als Beziehung zwischen Vater und Sohn bestimmt werde. Zum anderen lenke der Prolog die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Möglichkeit, durch Aufnahme des Logos Kinder Gottes zu werden (Joh 1,12f.). Der implizite Leser erfahre also im Prolog, dass die Beziehung zu Gott als Vater etwas Außergewöhnliches darstellt, weil sie an die Aufnahme des Logos gebunden ist. Dieses Konzept wird nach Tolmie anschließend im Evangelium auf eine interessante Art und Weise entfaltet:67 In Joh 1,19–12,50 wird, so Tolmie, immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass Gott der Vater Jesu und Jesus der Sohn Gottes ist. Dieser Punkt ist für Tolmie entscheidend; Gott wird hier aus seiner Sicht ausschließlich als der Vater Jesu charakterisiert und nicht als der Vater anderer Figuren der Erzählung.68 In einigen wenigen Fällen ist zwar, so Tolmie, von einem Verhältnis zwischen Gott und anderen Menschen die Rede. 69 Wenn von einer solchen Beziehung die Rede ist, dann aber, so Tolmie, in der Regel nur unter dem Aspekt, dass sie möglich werden kann und unter welchen Voraussetzungen dies gilt: „In the few instances in 1.19–12.50 when he [sc. God] is characterized in terms of the relationship to human beings, what is usually emphasized is the fact that he makes it possible for humankind to experience a positive relationship with him. […]. None of the human characters are called children of God and none of them is portrayed as legitimately calling God their Father.“70 Bis Joh 13 wird die Gotteskindschaft nach Tolmis Interpretation allenfalls in Form von allgemeinen Feststellungen über die Möglichkeit, Kind Gottes zu werden, thematisiert, oder es werden die Bedingungen erörtert, die dafür gelten. Gott wird in den Kapiteln bis Joh 13, so Tolmie, ausschließlich als der Vater Jesu dargestellt.71

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Vgl. TOLMIE, God, 61–63. Vgl. TOLMIE, God, 67. 69 Tolmie nennt die Geburt von oben (Joh 3,3–5); die Liebe Gottes zur Welt (Joh 3,16–21); Gottes Zorn (Joh 3,36), und das „Ziehen“ des Vaters (Joh 6,43–46), vgl. TOLMIE, God, 68f. 70 T OLMIE, God, 69f. Dies gilt nach Tolmie auch für die Kaiphas-Prophetie in Joh 11,52, wo von der Sammlung der verstreuten Kinder Gottes die Rede ist („... i{na kai; ta; tevkna tou` qeou` ta; dieskorpismevna sunagavgh/ eij" e{n “). Dazu bemerkt er: „In 11.52 the narrator uses the expression ‚children of God‘ in a narrative pause, but it is not yet applied to any characters in the narrative at this stage, since it is meant as a proleptic statement – thus reinforcing the expectation created in the prologue“, TOLMIE, God, 70 Anm. 40. 71 „God is portrayed as the Father of Jesus and he is the only one who legitimately calls God his Father“, TOLMIE, God, 70. 68

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Diese Darstellung Gottes im Johannesevangelium ändert sich, so Tolmie, mit dem Bericht über die Ereignisse in der „Stunde“ der Verherrlichung (Joh 12,23) in der Situation des Abschieds Jesu von seinen Jüngern: In Bezug auf sein Verhältnis zu Jesus bleiben die Wesenszüge Gottes in Joh 13,1–17,26 dieselben, anders verhält es sich jedoch im Blick auf die Jünger, zu denen er sich jetzt nach Tolmies Deutung explizit in Beziehung setzt. Was in Joh 1,1–12,50 lediglich in Form von allgemeinen Aussagen über die Möglichkeit und die Bedingungen der Gotteskindschaft zur Sprache kam, wird jetzt auf die Gruppe der Jünger hin konkretisiert und zugespitzt: „What actually happens is that being a child of God, an expectation that is created in the prologue and that is depicted as a possibility in 1.19–12.50, becomes a reality in 13.1– 17.26. Without the disciples ever being called ‚children of God‘, and without any one of them actually calling God ‚my Father‘, the implied reader is presented with such an intimate situation between Jesus, God and the disciples that it is clear that these human char72 acters already share in the unique relationship with God.“

Joh 20,17 gewinnt in Tolmies Interpretation eine zentrale Bedeutung innerhalb des Johannesevangeliums, da hier zum erstenmal in der erzählten Welt Gott auch explizit als der Vater anderer bezeichnet wird. Damit wird jetzt eingelöst, worauf der implizite Leser seit Joh 1,12f. wartet: Dass Gott zum Vater derer wird, die den Sohn annehmen und an ihn glauben.73 Tolmie zeichnet den Spannungsbogen von Joh 1,12 bis 20,17 nach und arbeitet überzeugend heraus, dass die Abschiedsreden in Bezug auf die Darstellung Gottes als Vater einen neuen Akzent gegenüber Joh 1,19– 12,50 setzen: Mit der Liebe des Vaters zu den Jüngern und deren Gebet und der Erhörung ihrer Gebete durch den Vater finden sich in den Abschiedsreden Aussagen, die zuvor nur über das Verhältnis zwischen dem Vater und Jesus gemacht wurden. Sie lassen deutlich erkennen, dass eine Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater besteht, ohne dass Gott – so Tolmie – in ihnen jemals als „Vater“ der Jünger bezeichnet wird.74 In dieser Erkenntnis der Relevanz der Abschiedsreden für die Interpretation von Joh 20,17, zu der allerdings vor ihm bereits Grundmann in seinem oben besprochenen Artikel gelangt ist, liegt die Bedeutung von Tolmies Beitrag. Dennoch wirft seine Auslegung in einem wesentlichen 72

T OLMIE, God, 72f. Vgl. TOLMIE, God, 74. Zur Auferstehung Jesu als dem Ausgangspunkt für die Entstehung der neuen „Gottesfamilie“ vgl. auch VAN DER WATT, Family, 425–432, bes. 427 („birth of the new family of God“). 74 Dies wird durch van der Watts Beobachtung bestärkt, dass in der zweiten Hälfte des Johannesevangeliums eine gesteigerte Aufmerksamkeit auf den Glaubenden und deren Rolle innerhalb der im Johannesevangelium entfalteten Familienmetaphorik liegt (vgl. VAN DER W ATT, Family, 425). 73

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Punkt Fragen auf, und zwar im Blick auf die Deutung, nach der in der ersten Hälfte des Johannesevangeliums (Joh 1,19–12,50) lediglich von der Möglichkeit einer Beziehung zwischen Gott und anderen (als Jesus) gesprochen wird, während die zweite Hälfte (Joh 13,1–21,25) die Wirklichkeit dieser Beziehung thematisiert. Dagegen spricht zum einen, dass auch in der ersten Hälfte des Evangeliums von einer bestehenden Beziehung zwischen Gott als dem Vater und den Menschen explizit gesprochen werden kann: In Joh 4,23 kommt das Verhältnis der „wahren Anbeter“ zu Gott als Vater nicht nur als Möglichkeit, sondern auch als Wirklichkeit in den Blick. Schon jetzt beten die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit an. Auch für Joh 5,23 und 6,45 lässt sich ein bestehendes Verhältnis anderer zum Vater nicht ausschließen: In Joh 5,23 ist von Personen die Rede, die den Vater ehren, und in Joh 6,45 spricht Jesus von „jedem, der vom Vater gehört und gelernt hat“. Nach Joh 4,23b; 5,21; 6,32.37.44.65; 10,29 und 12,26 bezieht sich Gott Vater auf andere Personen als Jesus; dies spricht dafür, dass in diesen Versen auch ein bestehendes Verhältnis des Vaters zu anderen vorausgesetzt wird.75 Deshalb ist Tolmies These, nach der erst in der zweiten Hälfte des Johannesevangeliums die Wirklichkeit einer Beziehung zu Gott als Vater ins Auge gefasst wird, fraglich. Offen bleibt in Tolmies Ausführungen auch, weshalb sich die Art der Darstellung Gottes gerade in den Abschiedsreden ändert. Zwar weist Tolmie auf die Verherrlichung Jesu in der „Stunde“ hin (Joh 12,23), welche die notwendige Voraussetzung dafür darstelle, dass das neue Verhältnis zwischen Gott und den Jüngern möglich wird.76 Aber er lässt offen, was sich hinter der Verherrlichung Jesu verbirgt, das die besondere Beziehung Gottes zu den Jüngern in den Abschiedsreden erklärt.77 5. Christiane Zimmermann untersucht in ihrer Schrift über die „Namen des Vaters“ (2005) neben den Gottesbezeichnungen „der Herr und der Herrscher“, „der Schöpfer“, „der lebendige, lebendigmachende Gott und Gott, der Jesus von den Toten auferweckt hat“, „der einzige Gott“ und „der höchste Gott“ auch die Bezeichnung Gottes als Vater. Nach einem breit angelegten Überblick über die Belege in der alttestamentlichen, frühjüdischen und paganen griechischen und römischen Literatur werden die neutestamentlichen Texte über Gott als Vater behandelt, darunter auch die Bezeichnung Gottes als Vater im Johannesevangelium. Die Bedeutung der Gottesbezeichnung pathvr ermittelt Zimmermann durch die „Analyse der 75

Siehe Näheres dazu oben 5. Vgl. TOLMIE, God, 71. 77 Deshalb bleibt bei seiner Auslegung auch unklar, weshalb die Jünger z.B. nach Joh 14,7 auf eine bestehende Beziehung zum Vater zurückblicken und der johanneische Jesus hier erklärt, dass die Jünger den Vater sehen und bereits gesehen haben, vgl. dazu auch Joh 14,9. 76

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konkreten Kontexte“; sofern sie sich aus den Kontexten nicht ergibt, erschließt sie diese auch mit Hilfe des Blicks auf die „Sprachkonvention, die den Lexemen unterschiedliche Konnotationen zuwachsen lässt, d.h. auf ihren ,diachronen Kontext‘.“78 Vor dem Hintergrund alttestamentlicher, frühjüdischer, griechisch-römischer Texte sowie der Aussagen der synoptischen Evangelien über Gott als Vater79 spricht sie hinsichtlich der Vaterbezeichnung für Gott im Johannesevangelium treffend von einem „Paradigmenwechsel“: „Der Vater lässt sich nur noch über den Sohn erkennen (14,6f.9). Der Vater übergibt seine Funktionen dem Sohn und macht den Sohn dadurch zum ausschließlichen Repräsentanten auf Erden. Das jüdische Gott-Vater-Bild ist insofern neu zu definieren als nur noch diejenigen Gott zum Vater haben, die den Gottessohn anerkennen.“80 Mit der Beobachtung, dass das Vatersein Gottes im Johannesevangelium an eine Erkenntnis Jesu gebunden ist, wie sie etwa in Joh 14,20; 15,16; 16,23f. zum Ausdruck gebracht wird, und erst nach der Auferstehung Jesu möglich ist,81 trägt sie auch zur Klärung der Frage bei, die sich oben im Anschluss an Schneiders Ausführungen zu Joh 20,17 stellte, nämlich was den auferstandenen vom irdischen Jesus in johanneischer Perspektive unterscheidet, so dass ausschließlich der Auferstandene Gott als Vater der Jünger bezeichnet. Die zentrale Frage der hier vorliegenden Arbeit, welche Bedeutung der Rede von Gott als Vater der Jünger in der Komposition und Theologie des Johannesevangeliums insgesamt zukommt, ist kein Anliegen Zimmermanns und wird in ihrem Buch über die „Namen des Vaters“ nicht behandelt. 6. In jüngster Zeit hat sich Reimund Bieringer (2008) zur Bedeutung des Aufstiegs Jesu „zu meinem Vater und euerm Vater, meinem Gott und euerm Gott“ in Joh 20,17 geäußert.82 Mit Neirynck, Schneider, Thyen und anderen geht er von der Hypothese aus, dass der Evangelist in Joh 20,17 auf Mt 28,9f. zurückgegriffen habe.83 Sein wichtigster redaktioneller Eingriff sei dabei die Einführung des Aufstiegs Jesu zum Vater. Bieringer deutet diesen in Analogie und als Gegengewicht zum Aufstieg Jesu nach 78

ZIMMERMANN, Namen, 26f. Vgl. ZIMMERMANN, Namen, 48–114. 80 ZIMMERMANN, Namen, 123, vgl. auch SCHOLTISSEK, In ihm sein, 371 zu Joh 1,11– 13: Nicht die physische Abstammung, sondern die Ablehnung bzw. die Aufnahme Jesu entscheiden über die Zugehörigkeit zur familia Dei. 81 Vgl. ZIMMERMANN, Namen, 121. 82 B IERINGER, R., I am ascending to my Father and your Father, to my God and your God (John 20:17): Resurrection and Ascension in the Gospel of John, in: The Resurrection in the Gospel of John, ed. by C.R. Koester and R. Bieringer, WUNT 222, Tübingen 2008, 209–235. 83 Vgl. B IERINGER, Father, 209.220–232. Zu Neirynck und Schneider siehe oben Anm. 60; zu Thyen vgl. DERS., Johannesevangelium, 764. 79

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Jerusalem (Joh 2,13; 5,1; 7,1–18; 11,55), speziell zum Jerusalemer Tempel (Joh 7,14)84: Mit dem in Joh 20,17 erwähnten Aufstieg zum Vater eröffne Jesus den Jüngern einen Zugang zu Gott, wie er ihn in den Abschiedsreden verheißen hatte (Joh 14,2f.)85 und ermögliche ihnen damit die Verehrung des Vaters im Geist und in der Wahrheit (Joh 4,23).86 Der für die vorliegende Untersuchung entscheidende Punkt, dass Gott in Joh 20,17 als Vater der Jünger bezeichnet wird, spielt für Bieringers Interpretation allerdings keine zentrale Rolle. Er hebt nur hervor, dass Johannes der Auferstehung Jesu in Joh 20,17 eine theozentrische Zielrichtung gibt. In Joh 20,17 lenkt der johanneische Jesus, so Bieringer, die Aufmerksamkeit weg von sich selbst und hin in zwei Richtungen, zu Gott Vater und den Brüdern.87 1.3 Die Fragestellung der Untersuchung vor dem Hintergrund der Forschungsdiskussion Dass die Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,17 eine wesentliche Bedeutung für die Komposition und Theologie des Johannesevangeliums insgesamt hat, wird, wie die oben skizzierten Forschungsbeiträge gezeigt haben, schon seit langem immer wieder vermutet. Grund für diese Einschätzung ist zum einen, dass Jesus in Joh 20,17 zum ersten und einzigen Mal im vierten Evangelium Gott ausdrücklich als Vater der Jünger bezeichnet, zum anderen die Tatsache, dass Joh 20,17 auf Joh 1,12 zurückgreift und mit der dort thematisierten Gotteskindschaft einen Spannungsbogen um das ganze Evangelium bildet.88 Weiterhin wurde in der bisherigen Forschung die wichtige Erkenntnis gewonnen, dass die Abschiedsreden eine zentrale Rolle für die Interpretation von Joh 20,17 spielen, weil sie die Beziehung zwischen Gott als Vater und den Jüngern eigens zur Sprache bringen, auch wenn sie Gott niemals explizit als Vater der Jünger bezeichnen.89 An diesem Punkt wird im Folgenden eingesetzt. Vor dem Hintergrund der Forschungsdiskussion stellt sich die Frage nach den Gründen dafür, 84

Vgl. B IERINGER, Father, 224f. Vgl. B IERINGER, Father, 232. Siehe dazu SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 377 („Der Auferstandene löst das Wort ein, das er scheidend den Jüngern als Verheißung gab. Jetzt ist die Stunde des Aufstiegs Jesu zum Vater, und das bedeutet für seine ‚Brüder‘, daß er auch ihnen einen Platz beim Vater bereitet, daß er ihnen jene Gemeinschaft mit Gott vermittelt, die er ihnen als Frucht seines Weggangs vorhergesagt hatte [vgl. 14,21.23.28].“). 86 Vgl. B IERINGER, Father, 225 („With his own ajnabaivnein to his Father and his God, the Johannine Jesus opens the possibility of worshiping the Father neither on Mount Gerizim nor in Jerusalem, but ejn pneuvmati kai; ajlhqeiva/“) und 233f. 87 B IERINGER, Father, 233f. 88 Siehe oben 6. 89 Siehe oben 10. 85

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weshalb das Verhältnis zwischen Gott als Vater und den Jüngern im Johannesevangelium gerade in der Situation des Abschieds zur Sprache gebracht wird, ohne dass Gott in den Abschiedsreden ausdrücklich als Vater der Jünger bezeichnet wird. Was ändert sich in der Situation des Abschieds, so dass jetzt etwa mit der Liebe des Vaters (Joh 14,21.23; 16,27), dem Gebet der Jünger zum Vater und der Zusicherung der Gebetserhörung durch ihn (Joh 15,16; 16,23f., vgl. V.26) die Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater eine Qualität erreicht, die so zuvor nur von dem Verhältnis zwischen Jesus und Gott als Vater ausgesagt wurde? 90 Worin besteht der Einschnitt, der mit der in Joh 13,1 eingeleiteten Abschiedsszene erfolgt? Was sind die Voraussetzungen dafür, dass die in den Abschiedsreden geschilderte Beziehung zwischen Gott als Vater und den Jüngern aus johanneischer Perspektive Wirklichkeit werden kann? In den Kapiteln 1 und 2 werden die Aussagen über das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott als Vater in den Textpassagen behandelt, welche die Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater im Horizont des Ganges Jesu zum Vater thematisieren (Joh 13,31–14,31 und Joh 16,4b–33). In Kapitel 3 wird mit Joh 20,11–18 der inhaltliche Kontext untersucht, in den die Rede Jesu von Gott als dem Vater der Jünger aus Joh 20,17 eingebettet ist, und nach der Bedeutung der Ankündigung Jesu in Joh 20,17 gefragt. In Kapitel 4 werden schließlich die auf Joh 20,17f. folgenden Ostererzählungen in Joh 20,19–29 auf ihre Aussagen über die Jünger und deren Verhältnis zum auferstandenen Jesus und zu Gott als Vater hin befragt. Auf der Grundlage der in Kapitel 1–4 gewonnenen Einsichten wird es möglich sein, die Relevanz der johanneischen Rede von Gott als dem Vater der Jünger für die Komposition und Theologie des Johannesevangeliums insgesamt zu bestimmen. Dann kann auch beantwortet werden, welche Rolle die Äußerungen Jesu in den Abschiedsreden zur Beziehung zwischen Gott als Vater und den Jüngern in der literarischen und theologischen Gesamtkonzeption spielen, deren Eckpunkte Joh 1,12 und 20,17 bilden.

2. Die verwendete Methode 2. Die verwendete Methode

1. Mit der Frage, welche Bedeutung die im Johannesevangelium singuläre Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,17 für die Theologie und Komposition des vierten Evangeliums hat, konzentriert sich die vorliegen90

Zur Liebe des Vaters zum Sohn siehe Joh 3,35; 5,20; 10,17; vgl. dazu auch Joh 15,9; 17,23.24.26. Das Gebet zum Vater wird vor den Abschiedsreden nur von Jesus berichtet, siehe Joh 11,41; 12,27f.; 17,1.5.11.21.24.25. Zur Erhörung des Gebets Jesu durch den Vater siehe Joh 11,41.

Einleitung

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de Untersuchung auf die theologische und literarische Gestaltung des Johannesevangeliums und nicht auf dessen historischen Gehalt oder auf Fragen seiner Entstehungsgeschichte. Methodisch liegt der Schwerpunkt daher im Folgenden auf der synchronen Textanalyse. Die johanneischen Texte werden bei den Exegesen in den Kapiteln 1 bis 4 jeweils zunächst auf der Ebene der Erzählung betrachtet. Gefragt wird nach dem theologischen Standpunkt des Autors und der erzählerischen Strategie, die er verfolgt, wenn er in den Abschiedsreden die Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater thematisiert, Gott aber erst in Joh 20,17 im Munde Jesu explizit als Vater der Jünger bezeichnet.91 Der zweite, zentrale Aspekt ist bei den folgenden Textanalysen die pragmatische Dimension der Texte. Untersucht wird die Wirkabsicht der johanneischen Texte gegenüber den Lesern. Dazu ist eine kurze Erläuterung notwendig: Wenn im Folgenden von „Lesern“ gesprochen wird, sind nicht die „empirischen“ bzw. „realen“ Leser gemeint; das historische Profil der Leser, die Johannes im Blick gehabt hat, wird hier nicht behandelt. Vielmehr geht es um das Bild, welches der Evangelist in seinem Evangelium von den Lesern entwirft, um die für sie im Text selbst vorgesehene Rezeptionsrolle. Mit den „Lesern“ ist im Folgenden deshalb der „implizite“ Leser gemeint. Letzterer ist wie der „implizite“ Autor keine reale, historische Person, sondern als Leserrolle, die der „implizite“ Autor im Sinne hat und aus dessen Darstellung erschlossen werden kann, ein aus dem Text ermitteltes literarisches Konstrukt: „This reader is shaped by the desires of the author and emerges as the text unfolds … Critics speak of a literary construct within the narrative itself, whose responses are totally controlled by the implied author.“92 Die johanneischen Texte werden daher in der vorliegenden Untersuchung auf der doppelten Folie zweier Ebenen gelesen – als Texte, die sich über die Jünger Jesu und ihr Verhältnis zum Vater äußern (Ebene der Erzählung), und als Texte, die sich an die Leser des Evangeli91

Bei dem „Autor“ ist nicht an den realen Verfasser des Evangeliums gedacht, sondern an die literarische Gestalt, als die sich der Verfasser im Text präsentiert, also an den sogenannten „impliziten“ Autor, vgl. dazu M OLONEY, John, 15f.; T HATCHER, Anatomies, 23f.; CULPEPPER, Anatomy, 15f. und seine Definition des „impliziten“ Autors als „not the real flesh and blood author, but the literary artist or creative intellect at work in the narrative“ (ebd., 16). Der „implizite“ Autor wird im Folgenden als „Johannes“, „der Evangelist“ oder „der Autor des Evangeliums“ bezeichnet. In den seltenen Fällen, wo mit „Johannes“, dem „Evangelisten“ und dem „Autor des Evangeliums“ davon abweichend der historische Verfasser des Evangeliums gemeint ist, wird darauf hingewiesen. 92 MOLONEY, John, 16. Vgl. dazu auch FREY, Impliziter Leser, 273: „Es ist jene Struktur, die die Auffassung des Textes bei beliebigen Lesern, intendierten wie nichtintendierten, zeitgenössischen und späteren, zu steuern vermag: die Leserrolle, die sich erst aus dem Zusammenspiel aller Perspektiven des Textes ergibt und sich in dem vom Text gesteuerten, zeitlichen Ablauf der Lektüre entfaltet.“ Frey bezieht sich hier auf ISER, Akt des Lesens, 61f.

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Einleitung

ums wenden und deren Gottesverhältnis bedenken (textpragmatische Ebene). Entscheidend ist, dass zwischen den Jüngern der Erzählung und den Lesern des Evangeliums sowohl ein Verhältnis der Nähe als auch der Distanz besteht. Die Leser, an die der Evangelist denkt, befinden sich nicht nur in zeitlicher und räumlicher Hinsicht in Distanz zu den Jüngern, von denen sein Evangelium erzählt; auch durch die Art der johanneischen Darstellung, unter anderem den deutenden und kommentierenden Textpassagen, verfügen sie über ein Wissen, welches die Figuren der Erzählung nicht haben. So sind sie etwa in der Lage, die johanneischen Erzählungen mit Hilfe der Kommentare zu deuten, und Missverständnisse, Ironie und symbolische Sprache zu verstehen, wozu die Jünger vor dem Weggang und dem österlichen Kommen Jesu nicht in der Lage sind.93 Zugleich stellen die Jünger der Erzählung aber auch Identifikationsfiguren für die Leser dar. 94 Deshalb wird bei den folgenden Textauslegungen in jedem einzelnen Fall neu darüber reflektiert, wie sich die Jünger und die Leser jeweils zueinander verhalten. 2. Das Johannesevangelium ist nicht isoliert, sondern im historischen Kontext der jüdischen und griechisch-römischen Welt des ersten Jahrhunderts n. Chr. entstanden. Alle johanneischen Texte, die im Folgenden analysiert werden, sind ein Teil der Geschichte und Kultur der damaligen Zeit. Sowohl der Autor des Evangeliums als auch die Leser, die er im Sinne hat, verfügen über ein sprachliches, kulturelles, soziales, wirtschaftliches, politisches und religiöses Wissen, das in den Texten präsent ist und als bekannt vorausgesetzt wird. Ohne eine Rückfrage nach diesem in den Texten vorausgesetzten kulturellen Wissen der damaligen Zeit würden viele Textphänomene im Vollzug der Textanalyse den modernen Leserinnen und Lesern des Johannesevangeliums unverständlich bleiben, da diese in einer anderen Zeit und in einem anderen sprachlichen und kulturellen Raum le93

Vgl. dazu KIEFFER, Implied Reader, 54–65. HARTENSTEIN, Dialog, 42–44 und 303– 305 betont die Distanz der Leser und Leserinnen gegenüber den Jüngern und Jüngerinnen, die durch deren überlegenes Wissen zustande komme. Siehe auch B AUCKHAM, Audience, 109. 94 Wie CULPEPPER, Anatomy, 115 bemerkt, sind die Jünger als Gruppe und als Einzelne im Johannesevangelium Repräsentanten, mit welchen sich die Leser identifizieren können und sollen. Sie zeichnen sich besonders durch ihre Anerkennung Jesu und ihren Glauben an seinen Anspruch aus, ohne Beispiele eines vollkommenen Glaubens zu sein. In den Abschiedsreden stehen sie für die johanneische Gemeinde und die Leser des Evangeliums und stellen häufig Fragen, die sich die Leser stellen. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 233–237 nennt drei Aspekte der „Öffnung“ der Jünger für die „Zeit der Gemeinde“: Die Jünger repräsentieren „die Glaubenden, die Jesus durch sein Wort und seine Zeichen gewinnt“, „die spätere Gemeinde im Gegenüber zur ungläubigen Judenschaft“ und „die späteren Gläubigen auch in ihrer Angefochtenheit und unzulänglichen Glaubenshaltung“ (234f.).

Einleitung

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ben und ihnen die zum Verstehen notwendige Enzyklopädie nicht von vornherein geläufig ist.95 Positiv formuliert: Erst durch eine Rekonstruktion dieses Wissens können zahlreiche Facetten der Texte zur Geltung kommen, die den Leserinnen und Lesern des 21. Jahrhunderts bei einer Lektüre der Texte ausschließlich auf der synchronen Ebene verborgen blieben. Aus diesem Grund werden bei den folgenden Textanalysen neben innerjohanneischen Parallelen auch alttestamentliche Bezüge besprochen, zumal der johanneische Autor alttestamentliche Texte zuweilen explizit zitiert oder auf sie anspielt und deren Kenntnis bei den Lesern voraussetzt. Aber auch Texte aus anderen Bereichen des Neuen Testaments, deren Kenntnis bzw. Verwendung im Johannesevangelium nicht vorausgesetzt werden kann, oder, wie im Falle der synoptischen Evangelien, umstritten ist96, werden bei den folgenden Auslegungen der johanneischen Texte herangezogen, da sie den heutigen Leserinnen und Lesern Aufschluss über die Enzyklopädie des Wissens der Welt bieten, in der das Johannesevangelium entstanden ist, und damit Informationen über ein kulturelles Wissen geben, welches potentiell auch in den johanneischen Texten vorausgesetzt wird. Auch Texte aus der zeitgenössischen jüdischen und griechisch-römischen Literatur werden, wo sie Informationen über die Voraussetzungen zum Verständnis der johanneischen Texte (einschließlich der in ihnen verwendeten Begriffe und sprachlichen Wendungen) bereitstellen, bei der Interpretation jeweils herangezogen, ohne dass postuliert wird, dass sie im Johannesevangelium benutzt werden oder ihre Kenntnis bei den Lesern vorausgesetzt wird. Entscheidend ist, dass die Frage nach dem vorausgesetzten kulturellen Wissen bei den folgenden Textinterpretationen jeweils methodisch in das Verfahren der synchronen Textauslegung integriert wird.97 3. Zwar tendiert eine Auslegung auf der synchronen Ebene schon von ihrem Ansatz her dazu, den zu interpretierenden Text als einheitliche, ko95

Vgl. dazu die Überlegungen von SCHRÖTER in DERS., Stand, 267–274 (bes. 273). Ob das Johannesevangelium unabhängig von den synoptischen Evangelien verfasst wurde (so z.B. B ECKER, Johannes I, 45; BROWN, MOLONEY, Introduction, 94–104) oder in ihm eines oder mehrere der synoptischen Evangelien rezipiert werden (so z.B. Beiträge in DENAUX (Hg.), John and the Synoptics; B ARRETT, Johannes, 33–36; SCHNELLE, Johannes, 16f.; ZUMSTEIN, Intratextuality, 129f. und andere), ist bis in die Gegenwart hinein strittig. Ein Forschungsüberblick findet sich bei FREY, Evangelientradition, 60–118 (bes. 61–76). Zur neueren Diskussion über die Problematik vgl. z.B. T HEOBALD, „Johannes“ im Gespräch. 97 Zur Einbettung dieser Fragestellung und in Verbindung damit auch traditions-, religions-, zeit- und sozialgeschichtlicher Fragen in das synchrone Auslegungsverfahren siehe REICHERT, Offene Fragen, 998f. Zur Bedeutung des religionsgeschichtlichen Vergleichs für die Interpretation der Texte auf synchroner Ebene siehe KÜGLER, Methode; B ACK, Religionsgeschichtliche Methode. 96

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Einleitung

härente Größe zu begreifen und seine Bedeutung allein aus dem Zusammenspiel der Elemente im Text zu erheben.98 Die primär synchron orientierte Exegese soll im Folgenden aber nicht den Blick für mögliche Inkohärenzen im Text verstellen, die auf eine literarische Vor- und Entstehungsgeschichte und Eingriffe in den Text durch Überarbeitungen und Fortschreibungen („relecture“) hinweisen.99 Wo die Textpassagen, die im Folgenden besprochen werden, solche Inkohärenzen aufweisen und ohne die Rückfrage nach der Textentstehung unverständlich bleiben, werden deshalb bei der Analyse auch Fragen der Textgenese thematisiert.

98

11.

99

Siehe dazu z.B. Culpeppers methodologische Reflexionen in DERS., Anatomie, 3–

Das vor allem von Dettwiler und Zumstein an den johanneischen Abschiedsreden durchgeführte Relecturemodell sieht literarische Zusätze im Unterschied zu weiten Teilen der klassischen Literarkritik nicht primär in einem inhaltlichen Gegensatz zu einer literarisch früheren Stufe, sondern als Rezeption, das heißt, als theologische Reflexion und Weiterentwicklung eines Referenztextes; vgl. ZUMSTEIN, Intratextuality, 126 (mit Anm. 5); DETTWILER, Gegenwart, 41–44 und 44–52.

Kapitel 1

Das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott Vater in Joh 13,31–14,31 Im Folgenden werden die Aussagen Jesu in der ersten Abschiedsrede (Joh 13,31–14,31) über das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott Vater untersucht und als Antworten auf das in der Einleitung der Rede (Joh 13,31–38) skizzierte Ausgangsproblem des Weggangs Jesu und der Trennung der Jünger von ihm gedeutet. Mit der von der Seite der Jünger nicht aufhebbaren Trennung von Jesus steht für die Jünger die Präsenz Gottes in der Welt in Frage. Kommt es als Konsequenz des Weggangs Jesu zur Distanz zwischen den Jüngern und Gott? Führt der Weggang Jesu eine Situation der Gottesferne für sie herbei? Die Antworten, die Jesus in der ersten Abschiedsrede gibt, zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Nach seinem Weggang wird vielmehr eine neue Beziehung zwischen den Jüngern und ihm selbst möglich werden. Die Folge dieses neuen Verhältnisses wird in einer Intensivierung und Steigerung der Beziehung zwischen den Jüngern und Gott Vater bestehen; nach dem Weggang Jesu werden die Jünger die Nähe Gottes des Vaters erfahren.

1. Joh 13,31–14,31 im literarischen Kontext des Johannesevangeliums, Abgrenzung und Aufbau des Textes 1.1 Joh 13,31–14,31 im literarischen Kontext des Johannesevangeliums

Joh 13,1 leitet gegenüber den vorangegangenen Kapiteln des Evangeliums ein neues Stadium in der Erzählung ein: Mit der Rede von der „Stunde“ wird an Joh 12,23 angeknüpft. Dort spricht Jesus davon, dass die „Stunde“ seines Todes angebrochen sei, den er als Verherrlichung deutet (ejlhvluqen hJ w{ra i{na doxasqh/` oJ uiJo;" tou` ajnqrwvpou).1 In Joh 13,1 kennzeichnet der Erzähler nun diese „Stunde“ Jesu (aujtou` hJ w{ra) als Gang Jesu aus dieser Welt zum Vater (i{na metabh`/ ejk tou` kovsmou touvtou pro;" to;n

1

Dass mit der „Stunde“ in Joh 12,23 der Tod Jesu verbunden wird, zeigt der literarische Zusammenhang in Joh 12,24.27f.32f. Auch in Joh 2,4; 7,30; 8,20 wird wie in Joh 13,1 die „Stunde“ Jesu erwähnt, aber immer mit dem Zusatz, dass sie noch nicht gekommen sei.

26

Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

patevra).2 Damit werden der Weggang Jesu aus dieser Welt und sein Gang zum Vater zum zentralen Thema. Es bestimmt den ganzen Abschnitt Joh 13–17, dessen Kern die Redestücke in Joh 13,31–16,33 bilden, die sich von der erzählenden Passage in Joh 13,1–30 und dem Abschiedsgebet in Joh 17,1–26 abheben.3 Innerhalb von Joh 13,31–16,33 markiert vor allem Joh 14,31 einen klaren formalen und inhaltlichen Einschnitt im Textaufbau. Mit der Aufforderung zum Aufbruch (ejgeivresqe, a[gwmen ejnqeu`qen) wird die vorangehende Rede beendet und von dem Folgenden deutlich abgegrenzt.4 Schwieriger ist es, den Beginn der Rede festzustellen, die in Joh 14,31 zu Ende geführt wird. Eine deutliche Zäsur ist durch Joh 13,30 gegeben: Mit der Bemerkung über den Weggang des Judas und dem Kommentar h\n de; nuvx wird die vorangegangene Szene abgeschlossen und ein Szenenwechsel angekündigt.5 Mit Joh 13,31 beginnt daher ein neuer Abschnitt, der zunächst bis 13,38 reicht. Umstritten ist allerdings, ob Joh 13,31–38 als Übergang zu der Rede zu verstehen ist, die dann erst mit Joh 14,1 beginnt6 oder – so die meisten Interpreten – zur ersten Rede zu rechnen ist und ihre Einleitung bildet.7 Für die zweite Lösung spricht nicht nur der markante Einschnitt zwischen Joh 13,30 und 31, sondern auch, dass Joh 13,33 und 36 mit dem bevorstehenden Weggang Jesu (uJpavgein) und der damit verbundenen Trennung von den Seinen, wie gezeigt werden wird, ein zentrales Thema der Rede berühren.8 Joh 13,31–38 wird daher im Folgenden zur ersten Abschiedsrede hinzugerechnet und als ihre Eröffnung behandelt. In Joh 14,1a (mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva ) und 14,27c (mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva mhde; deiliavtw) liegen zwei auffallende Inklusionen vor, die 2

Vgl. Joh 13,3. Dort spricht er vom Weggang Jesu zu Gott (pro;" to;n qeo;n uJpavgei). Joh 13,31–16,33 konzentriert sich im Unterschied zu den Rahmenszenen des Mahles und des Gebetes auf die Gesprächssituation zwischen Jesus und den Jüngern; dazu und zur weiteren Begründung der Abgrenzung der Texteinheit von dem Kontext in Joh 13,1– 17,26 siehe HOEGEN-ROHLS, Johannes, 90–92. 4 Der Redeschluss in Joh 14,31 und der harte Übergang zu Joh 15,1ff. spielen eine zentrale Rolle in der Diskussion über die literarische Entstehungsgeschichte der Abschiedsreden. Siehe unten 105–107. 5 Vgl. B ULTMANN, Johannes, 368; BECKER, Johannes II, 523; FREY, Eschatologie III, 110f. 6 Barrett bezeichnet Joh 13,31–38 als Übergang zu den Abschiedsreden, vgl. DERS., Johannes, 440–444. Nach Moloney gehören Joh 13,1–38 zusammen ( DERS., John, 370– 391) und 14,1–31 (391–416); so auch T HYEN, Johannesevangelium, 603 und 616. 7 Vgl. BROWN, John II, 608f.; BECKER, Johannes II, 523; D IETZFELBINGER, Abschied, 16f.; DETTWILER, Gegenwart, 53–55.111–126; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 44; TOLMIE , Farewell, 105f.; FREY, Eschatologie III, 110f.; W EIDEMANN, Tod, 68f.79–85; SCHOLTISSEK, In ihm sein, 211. 8 Vgl. dazu DETTWILER, Gegenwart, 54f. 3

1.1 Joh 13,31–14,31 im literarischen Kontext des Johannesevangeliums

27

Joh 14,2–26 rahmen und diesen Text als Kernstück der Rede von Joh 13,31–38 und Joh 14,28–31 abgrenzen. Der Hauptteil der Rede in Joh 14,1–27 fällt, abgesehen von dem Rahmen in Joh 14,1 und 27, mit Joh 14,2–14 und 15–26 in zwei Abschnitte: Vers 2–14 werden thematisch durch das Stichwort pisteuvein (in V.10.11.12), Vers 15–26 inhaltlich durch das Leitwort ajgapa`n (in V.15.21.23.24) und formal durch die Inklusionen in Vers 15; 21 und 23f. zusammengehalten. Joh 14,28–31 bildet den Schluss der Rede.9 Die folgende Skizze des Aufbaus von Joh 13,31–14,31 soll thesenhaft einen ersten Überblick über die Interpretation der ersten Abschiedsrede verschaffen, die in der vorliegenden Untersuchung gegeben wird: Aufbau von Joh 13,31–14,31 Einleitung (Joh 13,31–38) I. II.

Prolog: Der Tod Jesu als Verherrlichung (Joh 13,31f.) Das Ausgangsproblem: Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern? (Joh 13,33–38)

Hauptteil (Joh 14,1–27) I.

Rahmen: Aufforderung zum Nichterschrecken und zum Glauben (Joh 14,1)

II.

Antworten Jesu auf das Ausgangsproblem und die Reaktion der Jünger (Joh 14,2–14)

9

Zu dieser Grobgliederung der ersten Abschiedsrede vgl. auch W EIDEMANN, Tod, 79f. Mit Weidemann wird Vers 27 hier wegen der Entsprechung mit Vers 1a zum Hauptteil gerechnet – im Unterschied zu den meisten Kommentatoren, die V.27 zum Schluss der Rede zählen (vgl. B AUER, Johannesevangelium, 181; STRATHMANN, Johannes, 205; B ECKER, Johannes II, 568f.; W ILCKENS, Johannes, 233; D IETZFELBINGER, Abschied, 66– 69 und 70f. und viele andere). SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 94–100 und MOLONEY, John, 409–415 fassen Joh 14,25–31 als abschließenden Abschnitt der ersten Rede zusammen. FREY, Eschatologie III, 121f. gliedert in Joh 13,31–38 (Einleitung); Joh 14,1–29 (Hauptteil) und Joh 14,30f. (Schluss). Dass Joh 14,28–31 den Schluss der Rede bilden, kann jedoch mit dem Neueinsatz in V.28 begründet werden (hjkouvsate o{ti ejgw; ei\pon uJmi`n): Die Perspektive wechselt; jetzt wird auf die vorausgegangene Rede zurückgeblickt. Außerdem erscheinen in V.28–31 mit uJpavgein, e[rcesqai, ajgapa`n, poreuvesqai und pisteuvein die wichtigen Verben der Rede noch einmal (siehe W EIDEMANN, Tod, 80).

28

Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

1. Die erste Antwort Jesu auf das Ausgangsproblem: Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft (Joh 14,2f.) 2. Die zweite Antwort Jesu auf das Ausgangsproblem: Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart (Joh 14,4–11) 3. Abschließendes Wort Jesu: Die Einbeziehung der Jünger in das Wirken Jesu mit dem Vater (Joh 14,12–14) III.

Die Verheißung Jesu: Die Nähe des Vaters durch die Gabe des Geistes und das erneute Kommen Jesu (Joh 14,15–26) 1. Die Nähe des Vaters zu den Jüngern im Geist (Joh 14,16f.) 2. Das neue Gottesverhältnis der Jünger nach dem erneuten Kommen Jesu (Joh 14,18–20) 3. Die Verheißung der Liebe des Vaters (Joh 14,21–24) 4. Abschließendes Wort Jesu: Die Bedeutung des Geistes für das Gottesverhältnis der Jünger (Joh 14,25f.)

IV.

Rahmen: Die Zusage des Friedens und Aufforderung zum Nichterschrecken (Joh 14,27)

Schluss (Joh 14,28–31) I. II. III.

Zusammenfassung des Inhalts der Rede (Joh 14,28) Das textpragmatische Ziel der Rede (Joh 14,29) Überleitung zur Passion (Joh 14,30f.)

2. Das Ausgangsproblem: Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern? (Joh 13,31–38) 1.2 Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern?

2.1 Die Trennung Jesu von den Jüngern als Thema von Joh 13,31–38 Die Einleitung der ersten Abschiedsrede in Joh 13,31–38 lässt sich in vier Abschnitte unterteilen, die syntaktisch unverbunden nebeneinander stehen: V.31f.; V.33; V.34f. und V.36–38. Die Eröffnung in V.31f. hat den Charakter eines Prologs: Mit nu`n ejdoxavsqh oJ uiJo;" tou` ajnqrwvpou kai; oJ qeo;" ejdoxavsqh ejn aujtw`/ (V.31) wird der Zeitpunkt innerhalb der Erzählung qualifiziert, indem Bezug auf Joh 12,23 genommen wird. Dort hatte Jesus von der „Stunde“ seines Todes

1.2 Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern?

29

gesprochen, der als Verherrlichung gedeutet wird.10 V.31 ist vom Standpunkt der Erfüllung aus formuliert. Die Verherrlichung des Menschensohnes und Gottes erscheint durch den Aorist als bereits realisiert. Zugleich wird mit den beiden Aoristen die Gewissheit und die dauernde Gültigkeit der Verherrlichung für alle künftigen Zeiten hervorgehoben.11 In V.32 wird dieselbe Verherrlichung des Menschensohnes12 demgegenüber als unmittelbar bevorstehend charakterisiert (kai; oJ qeo;" doxavsei aujto;n ejn aujtw/`, kai; eujqu;" doxavsei aujtovn). Mit dem Futur ändert sich die Perspektive; jetzt wird zum Ausdruck gebracht, dass ihre Verwirklichung auf der Ebene der Erzählung noch aussteht. Im Textzusammenhang hat V.31f. daher die Funktion einer Überschrift, die ins Auge fasst, was im Folgenden geschildert und reflektiert wird.13 In Joh 13,33 wird mit dem Wechsel der Person und der Anrede der Jünger (tekniva) neu eingesetzt. Jesus kündigt den Jüngern seinen Weggang an und nennt das Problem, das dadurch für sie entsteht: tekniva, e[ti mikro;n meq≠ uJmw`n eijmiœ zhthvsetev me, kai; kaqw;" ei\pon toi`" ≠Ioudaivoi" o{ti o{pou ejgw; uJpavgw uJmei`" ouj duvnasqe ejlqei`n, kai; uJmi`n levgw a[rti.

Kinder, noch kurz bin ich mit euch [zusammen]. Ihr werdet mich suchen, und wie ich den Juden gesagt habe: „Wohin ich weggehe, [dorthin] könnt ihr nicht kommen“, so sage ich [es] jetzt auch euch. (Joh 13,33).

Das irdische Zusammensein Jesu mit den Jüngern ist zeitlich begrenzt. Mit seinem Weggang steht den Jüngern eine Trennung von Jesus bevor, die sie

10

Siehe auch Joh 12,27f. Zum Bezug auf Joh 12,23 (und 27f.) in 13,31f. vgl. B ARRETT, Johannes, 440f.; BROWN, John II, 609f.; S CHNACKENBURG, Johannes III, 55–57; FREY, Eschatologie III, 123; FREY, ...dass sie meine Herrlichkeit schauen, 388f.; DETTWILER , Gegenwart, 130. 11

Zum gnomischen und futurischen Aorist siehe BDR §333; zu dieser Deutung der Aoriste in Joh 13,31 vgl. z.B. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 46.51. 12 Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 133; FREY, Eschatologie III, 123f.; DERS., ...dass sie meine Herrlichkeit schauen, 383; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 51. Anders deutet W EIDEMANN, Tod, 110f.: Für ihn ist in V.31 und 32 nicht „stereoskopisch“ von demselben Vorgang die Rede, sondern von zwei Vorgängen, die voneinander abgehoben werden. 13 In der Forschungsliteratur wird unterschiedlich bestimmt, worauf V.31f. vorausblicken: Nicht nur auf das in Joh 13,33–14,31 Berichtete, sondern darüber hinaus auf Joh 13–17? Darauf weist auch die Wiederaufnahme des Verherrlichungsgedankens in Joh 17,1–26 hin, vgl. D ETTWILER, Gegenwart, 128. FREY, ...dass sie meine Herrlichkeit schauen, 383 bezeichnet mit SCHWINDT, Gesichte, 358 Joh 13,31f. und 17,1–5 als die „semantische Achse“ der Abschiedsreden; ähnlich KLAUCK, Weggang, 241 (V.31f. sei der „Nukleus für Joh 17“). Nach W EIDEMANN, Tod 111, steht auch der Passions- und der Osterbericht unter der Überschrift des kai; oJ qeo;" doxavsei aujto;n ejn aujtw`/ kai; eujqu;" doxavsei aujtovn aus Joh 13,32.

30

Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

von sich aus nicht überwinden können.14 In V.34f. wird zwar mit der Erwähnung des neuen Gebotes der Liebe, das Jesus den auf der Erde zurückbleibenden Jüngern gibt, und welches sie in der Zeit nach seinem Weggang als seine Jünger kenntlich machen wird, ein neues Thema zur Sprache gebracht. Nach dieser Äußerung, die oft als Ergänzung angesehen wird, 15 aber semantisch in den Abschiedskontext passt,16 wird aber mit der Frage des Petrus in V.36 der in V.33 geknüpfte Faden wieder aufgenommen: Levgei aujtw/` Sivmwn Pevtro": kuvrie, pou` uJpavgei";

Simon Petrus sprach zu ihm: „Herr, wohin gehst du fort?“ (Joh 13,36).

In seiner Reaktion kehrt Jesus zu dem in V.33 aufgeworfenen Thema der mit seinem Weggang (uJpavgein) verbundenen Folgen für die Jünger zurück. Anstatt die Frage des Petrus zu beantworten, schärft Jesus ihm in Joh 13,36 – wie bereits den Jüngern in Joh 13,33 – ein, was sein „uJpavgein“ für ihn bedeutet. Die Trennung steht bevor; die Nachfolge wird jetzt nicht möglich sein: ≠Apekrivqh ≠Ihsou`": o{pou uJpavgw Jesus antwortete: „Wohin ich wegouj duvnasaiv moi nu`n ajkolouqhvsai, gehe, kannst du mir jetzt nicht folajkolouqhvsei" de; u{steron. gen, du wirst aber später folgen.“ (Joh 13,36). Durch die wiederholte Ankündigung o{pou ejgw; uJpavgw uJmei`" ouj duvnasqe ejlqei`n (V.33c) und o{pou uJpavgw ouj duvnasaiv moi nu`n ajkolouqh`sai (V.36d) bilden V.33 und 36 in Joh 13,33–38 eine „Achse“, die den Abschnitt thematisch zusammenhält. Die fast wörtliche Wiederholung zeigt, dass in der Einleitung der ersten Abschiedsrede ein besonderes Gewicht auf der Vorhersage Jesu liegt, dass die Jünger nicht an den Ort kommen können, an den er geht. Um dem Ausgangsproblem der ersten Abschiedsrede auf die Spur zu kommen, muss deshalb der Frage nach dem Sinn dieser Ankündigung Jesu besondere Beachtung geschenkt werden. Dabei ist 14

Der Kontrast zwischen meq≠ uJmw`n eijmi und uJpavgw zeigt, dass der Akzent bei uJpavgw in V.33 auf der Trennung liegt; bei uJpavgw ist daher an ein „Weggehen“ gedacht. 15 Vgl. z.B. B ECKER, Johannesevangelium II, 536f.; DIETZFELBINGER, Abschied, 26f. Gründe dafür sind vor allem die Unterbrechung des Zusammenhangs in V.33 und 36 und die verwandten Texte in Joh 15,9–17; 17,26 und im ersten Johannesbrief, vgl. dazu SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 59. 16 Siehe z.B. die Auslegungen von B ROWN, John II, 612–614 oder von FREY, Eschatologie III, 128–130 (mit dem Hinweis auf AUGENSTEIN, Liebesgebot, 38: V. 36 greift mit der Frage pou` uJpavgei" auf V. 33 zurück, „ohne V. 34f. zu überspringen.“). Das Liebesgebot begegnet häufig in der Abschiedsrede des Sterbenden, siehe z.B. Jub 20,2; 36,8 und die Belege in den TestPatr (z.B. TestSim 4,7; TestIss 5,2; TestDan 5,3; TestGad 6,1). Zum Sinn des Liebesgebotes im Kontext des uJpavgein (Joh 13,33.36) vgl. DETTWILER, Gegenwart, 79: Mit der neuen, in der nachösterlichen Zeit möglichen Liebe der Jünger untereinander kann die Gemeinschaft mit Jesus erhalten bleiben.

1.2 Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern?

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vor allem auch zu klären, was an dem Nicht-Folgen-Können für die Jünger aus der johanneischen Perspektive problematisch ist. Ein Schlüssel für die Interpretation der Ankündigungen Jesu in Joh 13,33c.36d sind die intertextuellen Bezüge zu Joh 1,35–39; Joh 7,33f. und 8,21. 2.2 Die Bedeutung der Ankündigungen Jesu in Joh 13,33 und 36 vor dem Hintergrund von Joh 1,35–39 und 7,33f. und 8,21 2.2.1 Die Ansagen in Joh 13,33.36 vor dem Hintergrund von Joh 1,35–39 Die Bedeutung der Ankündigungen Jesu in Joh 13,33 und 36 lässt sich im Vergleich mit der in Joh 1,35–39 geschilderten Jüngernachfolge schärfer profilieren. Diese Szene am Anfang des Johannesevangeliums bildet nämlich eine Art Kontrapunkt zur Ansage der Trennung Jesu von den Jüngern in der Einleitung der Abschiedsreden: 35 Th`/ ejpauvrion pavlin eiJsthvkei oJ ≠Iwavnnh" kai; ejk tw`n maqhtw`n aujtou` duvo 36 kai; ejmblevya" tw`/ ≠Ihsou` peripatou`nti levgei: i[de oJ ajmno;" tou` qeou`. 37 kai; h[kousan oiJ duvo maqhtai; aujtou` lalou`nto" kai; hjkolouvqhsan tw`/ ≠Ihsou`. 38 strafei;" de; oJ ≠Ihsou`" kai; qeasavmeno" aujtou;" ajkolouqou`nta" levgei aujtoi`": ti; zhtei`te; oiJ de; ei\pan aujtw`/: rJabbiv, o} levgetai meqermhneuovmenon didavskale, pou` mevnei"; 39 levgei aujtoi`": e[rcesqe kai; o[yesqe. h\lqan ou\n kai; ei\dan pou` mevnei kai; par≠ aujtw`/ e[meinan th;n hJmevran ejkeivnhn.

35 Am nächsten Morgen stand Johannes wieder da mit zwei von seinen Jüngern. 36 Und als er seinen Blick auf Jesus warf, der vorüberging, sprach er: „Siehe, das Lamm Gottes.“ 37 Und seine beiden Jünger hörten ihn sprechen und folgten Jesus. 38 Jesus aber wandte sich um, und als er sie folgen sah, sprach er zu ihnen: „Was sucht ihr?“ Sie aber sagten zu ihm: „Rabbi“, das heißt übersetzt, Lehrer, „wo wohnst du?“ 39 Er erwiderte ihnen: „Kommt und ihr werdet sehen.“ Sie kamen nun und sahen, wo er wohnte und blieben jenen Tag bei ihm. (Joh 1,35–39).

Der Abschnitt beginnt mit einer knappen Skizze der Situation: Johannes steht wie am Tag zuvor wieder an der Taufstelle in Bethanien am anderen Ufer des Jordan (so die Lokalisierung in Joh 1,28). Die beiden Johannesjünger, die dabei sind, hören seinen Ruf i[de oJ ajmno;" tou` qeou` als Aufforderung, Jesus nachzufolgen. Die Frage, mit der sie auf das ti; zhtei`te Jesu reagieren (rJabbiv, […] pou` mevnei"), enthält wohl implizit den Wunsch, sich ihm als Lehrer anzuschließen.17 Wesentlich ist nun, dass Je17

Vgl. W ILCKENS, Johannes, 47. Mit dem Verb ajkolouqei`n wird angedeutet, dass es sich um den Anfang einer festen Jüngerschaft handelt, vgl. auch T HEOBALD, Johannes

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

sus auf ihre Frage, wo er wohne bzw. seine Bleibe habe (pou` mevnei"), in Joh 1,39 mit der Aufforderung und Verheißung reagiert: e[rcesqe kai; o[yesqe. Daraufhin kommen die beiden ihm nachfolgenden Jünger, sehen, wo er wohnt, und bleiben bei ihm (h\lqan ou\n kai; ei\dan pou` mevnei kai; par≠ aujtw/` e[meinan...). Die in Joh 1,35–39 geschilderte vorösterliche Nachfolge der Jünger schließt also ihre Kenntnis der Bleibe Jesu ein, ebenso wie die Möglichkeit für sie, dorthin zu gelangen und bei Jesus zu bleiben, das heißt, in Gemeinschaft mit ihm zu sein.18 Genau dies aber fehlt bei den beiden Ankündigungen Jesu in der Einleitung der Abschiedsreden in Joh 13,33.36: Aus der Vorhersage zhthvsetev me (Joh 13,33) geht hervor, dass die Jünger nicht wissen werden, wo Jesus hingeht.19 Entsprechend erhält Petrus auf seine Frage kuvrie, pou` uJpavgei" in Joh 13,36 im Unterschied zu den Jüngern in Joh 1,39 keine Antwort, die ihn befähigt, Jesus zu folgen. Vielmehr beantwortet Jesus ihm seine Frage nicht. Stattdessen hält er ausdrücklich fest, dass Petrus und die Jünger insgesamt an den Ort, an den er nach seinem Abschied geht, „jetzt“ (V.33 a[rti; V.36 nu`n) nicht kommen können. Vor dem Hintergrund der Szene in Joh 1,35–39 tritt der Sinn der Ankündigungen Jesu in Joh 13,33.36 daher schärfer hervor: Sie dienen dazu, den Jüngern und mit ihnen den Lesern des Evangeliums vor Augen zu stellen, dass eine Nachfolge wie die in Joh 1,35–39 beschriebene mit dem jetzt (nu`n) bevorstehenden Weggang Jesu nicht mehr möglich ist. Hier wird deutlich, dass die vorösterliche Beziehung der Jünger zu Jesus nicht bruchlos fortgesetzt werden kann, sondern die Zeit der „Unmittelbarkeit“ mit dem Abschied des irdischen Jesus zu Ende geht.20 Aber was an dem Weggang Jesu und der Unmöglichkeit, an den Ort seines Weggangs zu gelangen, für die Jünger problematisch ist, kann noch genauer bestimmt werden. (1–12), 179; SCHNELLE, Johannes, 53. Schnackenburg spricht von „Glaubensanschluss“ und verweist auf entsprechende Belege u.a. in Joh 8,12; 10,4.27 ( DERS., Johannesevangelium I, 308). 18 Scholtissek hebt hervor, dass die Einladung Jesu e[rcesqe kai; o[yesqe als Antwort auf die Frage der Jünger „Leitwortcharakter“ habe. Die Aufforderung, zu Jesus zu kommen, sei im Johannesevangelium komplementär zur Aussage des Kommens Jesu in die Welt (z.B. Joh 1,9.11; 3,31; 5,43; 9,39; 10,10; 11,27 etc.) und seines erneuten Kommens (Joh 14,18.23.28; 20,19.24.26). Zu Jesus kommen ist, wie Scholtissek festhält, im Johannesevangelium ein Synonym für glauben bzw. zum Glauben kommen. Ähnliches gilt für das Sehen: Gemeint ist ein „Erkennen, das zum Glauben und zum Zeugnis führt.“ ( DERS., Mitten unter euch, 115). Zum „Kommen und Sehen“ als Umschreibung des Glaubens vgl. auch BROWN, John I, 79. 19 Zur Entsprechung zwischen der Suche der Johannesjünger zu Beginn des Evangeliums (Joh 1,38) und der von Jesus vorausgesagten postmortalen Suche nach ihm (vgl. Joh 13,33) siehe SCHOLTISSEK, Mitten unter euch, 114. 20 Zum Ende der Nachfolge im Zeichen der Unmittelbarkeit zum irdischen Jesus vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 54.

1.2 Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern?

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2.2.2 Die Ansagen in Joh 13,33.36 vor dem Hintergrund von Joh 7,33f.; 8,21 Der Weggang Jesu und seine Trennung von den Jüngern wird in Joh 13,33 nicht unvorbereitet thematisiert. Mit der Bemerkung „wie ich den Juden gesagt habe ...“ (kaqw;" ei\pon toi`" ≠Ioudaivoi") weist der johanneische Jesus die Jünger in Joh 13,33 auf vorangegangene Äußerungen gegenüber „den Juden“ in Joh 7,33f. und 8,21 hin. Beide Texte sind als Referenzstellen dieses Selbstzitats Jesu aufschlussreich für die Deutung der Vorhersage Jesu in Joh 13,33: (1) In Joh 7,33f. sind „oiJ ≠Ioudai`oi“ Hörer der Worte Jesu (Joh 7,35). Vielleicht ist dabei auch an die „Diener“ der Hohepriester und der Pharisäer gedacht, die in Joh 7,32 erwähnt werden: 33 Ei\pen ou\n oJ ≠Ihsou`": e[ti crovnon mikro;n meq≠ uJmw`n eijmi kai; uJpavgw pro;" to;n pevmyantav me. 34 zhthvsetev me kai; oujc euJrhvsetev [me], kai; o{pou eijmi; ejgw; uJmei`" ouj duvnasqe ejlqei`n.

33 Jesus aber sprach: „Noch kurze Zeit bin ich mit euch [zusammen], dann gehe ich weg zu dem, der mich gesandt hat. 34 Ihr werdet mich suchen, und ihr werdet [mich] nicht finden, und wo ich bin, [dorthin] könnt ihr nicht kommen.“ (Joh 7,33f.).

Das auffallende „mikrovn“ erscheint in Joh 7,33 zum erstenmal im Evangelium. Jesus kündigt auf dem Laubhüttenfest in Jerusalem den umstehenden Juden (vgl. Joh 7,35; 13,33) an, dass er „noch eine kurze Zeit“ (e[ti crovnon mikrovn) mit ihnen [zusammen] sei und sie ihn dann suchen und nicht finden würden (V.33f.). Das „mikrovn“ bezeichnet dabei die kurze Zeitspanne, die Jesus noch bis zu seinem Weggang unter seinen Hörern ist.21 Wie in Joh 13,33 gegenüber den Jüngern kündigt der johanneische Jesus in Joh 7,33 „den Juden“ seinen Weggang an (uJpavgein), und in Joh 7,34 äußert Jesus gegenüber „den Juden“, worauf er in seiner Rede an die Jünger in Joh 13,33 Bezug nimmt: dass sie ihn vergeblich suchen werden und nicht dorthin kommen können, wo er ist. Die Ankündigung des Suchens in Joh 7,34 (zhthvsetev me) weist darauf hin, dass „die Juden“ nicht wissen, wohin Jesus weggeht. Obwohl Jesus in Joh 7,33 mit uJpavgw pro;" to;n pevmyantav me das Ziel seines Weggangs 21

Vgl. außerhalb der Abschiedsreden auch Joh 12,35 – hier macht Jesus das Volk darauf aufmerksam, dass das Licht „noch kurze Zeit“ (e[ti mikro;n crovnon) bei ihnen sei. Auch dort bezeichnet mikrovn die kurze Zeitspanne bis zur Periode der Abwesenheit Jesu. In den Abschiedsreden siehe zum mikrovn außer Joh 13,33 auch 14,19 und 16,16–19. Siehe unten 77f. und 122f. In der alttestamentlichen Gerichtsrede kann der Gedanke von der kurzen Zeit drohenden oder verheißenden Charakter haben (siehe z.B. Jes 29,17; Hos 1,4), vgl. T HEOBALD, Johannes (1–12), 531.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

nennt, fragen „die Juden“ in Joh 7,35 nach dem Ziel seines Weggangs. An der Ansage Jesu entzündet sich ihr Missverständnis, er wolle in die Diaspora gehen und die Griechen belehren (V.35). Dabei handelt es sich um eine ironische Bemerkung des Evangelisten, der „den Juden“ damit eine prophetische Ankündigung in den Mund legt, deren doppelsinnige Bedeutung sie im Unterschied zu den späteren Lesern des Evangeliums nicht verstehen. Ohne es zu wissen, sprechen sie mit ihrer Frage aus, was den Weggang Jesu und seine Bedeutung charakterisiert: Er eröffnet eine neue Perspektive auf die Zeit nach der Rückkehr Jesu zum Vater, in der seine Lehre allen, auch den Griechen gebracht werden wird.22 Der in Joh 7,34 zum Ausdruck gebrachte Gedanke vom Suchen (zhthvsetev me) und Nichtfinden (oujc euJrhvsetev [me]) steht in der Tradition weisheitlicher Texte über den Rückzug der Weisheit aus der Welt (äth Hen 42,2), wo sie angesichts der Ungerechtigkeit (äth Hen 42,3) keine Wohnung fand.23 Signifikant für das Motiv vom Suchen und Nichtfinden der Weisheit ist etwa Prov 1,28 (zhthvsousivn me kakoi; kai; oujc euJrhvsousin, LXX24). Dabei handelt es sich um einen weit verbreiteten Topos, der z.B. auch in der prophetischen Gerichtsrede belegt ist25 oder in der Endzeitschilderung.26 Wenn sich die Weisheit zurückzieht und sich „auf der Erde“ Ungerechtigkeit ausbreitet, ist der Ort, an den die Weisheit kehrt, der Himmel.27 Entscheidend für die Interpretation des johanneischen Logions Joh 7,33f. ist aber vor allem die Konsequenz, die der Rückzug der Weisheit aufgrund der Tatsache, dass sie verachtet wird, für die Menschen hat: Wer die Weisheit verachtet, wird verderben (Prov 1,32), oder: Wer sie verfehlt, zerstört sein Leben (Prov 8,36). Und entsprechend gilt: Wer die 22

Vgl. W ILCKENS, Johannes, 132; THYEN, Johannesevangelium, 399; FREY, Gotteskinder, 251f. 23 „Die Weisheit ging aus, um unter den Menschenkindern zu wohnen, und sie fand keine Wohnung; die Weisheit kehrte an ihren Ort zurück und nahm ihren Sitz unter den Engeln. Und die Ungerechtigkeit kam hervor aus ihren Kammern: die sie nicht suchte, fand sie, und wohnte unter ihnen, wie der Regen in der Wüste und wie der Tau auf dem durstigen Land“; Übersetzung von UHLIG, JSHRZ V/6, 584. 24 Der hebräische Text (ohne hebräisches Äquivalent für „kakoiv“ aus der LXX) steht Joh 7,34 noch näher: „Dann werden sie nach mir rufen, aber ich werde nicht antworten; sie werden mich suchen und nicht finden.“ 25 Siehe Hos 5,6 [... poreuvsontai tou` ejkzhth`sai to;n kuvrion kai; ouj mh; eu{rwsin aujtovn]; Am 8,11f. [... peridramou`ntai zhtou`nte" to;n lovgon kurivou kai; ouj mh; eu{rwsin]. 26 Siehe 4 Esr 5,9f.: „… Freunde bekämpfen einander plötzlich; dann wird sich die Weisheit verbergen, und die Einsicht sich in ihre Kammer zurückziehen. Sie wird von vielen gesucht, aber nicht gefunden. Ungerechtigkeit und Zuchtlosigkeit werden sich auf der Erde vervielfachen“; Übersetzung von SCHREINER, JSHRZ V/4, 325. Zur vergeblichen Suche der Weisheit vgl. auch Hiob 28,12f.; Bar 3,15–38. 27 Vgl. THEOBALD, Johannes (1–12), 531.

1.2 Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern?

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Weisheit findet, der findet das Leben (Prov 8,35). Vor diesem Hintergrund erhält das Wort von der vergeblichen Suche Jesu in Joh 7,33f. seinen Sinn – das Nichtfinden Jesu bedeutet – wie das Nichtfinden der Weisheit – den Verlust von Heil und Leben.28 (2) In Joh 8,21 spricht Jesus „die Juden“ an (Joh 8,22). Wie in Joh 7,33f. betont er seinen Weggang und hebt die bevorstehende Trennung „der Juden“ von ihm hervor, indem er bekräftigt, dass sie ihn suchen werden und nicht dorthin gelangen können, wo er hingeht: Ei\pen ou\n pavlin aujtoi`": ejgw; uJpavgw kai; zhthvsetev me, kai; ejn th`/ aJmartiva/ uJmw`n ajpoqanei`sqe: o{pou ejgw; uJpavgw uJmei`" ouj duvnasqe ejlqei`n.

Er sprach nun wiederum zu ihnen: „Ich gehe weg und ihr werdet mich suchen, und ihr werdet in eurer Sünde sterben. Wohin ich weggehe, [dorthin] könnt ihr nicht kommen.“ (Joh 8,21).

Auch hier zeigt die Ankündigung zhthvsetev me, dass „die Juden“ nicht wissen, wohin Jesus weggeht, was Jesus bereits in 8,14 betont hatte (uJmei`" de; oujk oi[date povqen e[rcomai h] pou` uJpavgw). In Joh 8,22 wird dieses Nichtwissen durch die von johanneischer Ironie geprägte Annahme „der Juden“ unterstrichen, Jesus wolle sich selbst das Leben nehmen. Den Lesern des Evangeliums wird später mit der Äußerung Jesu in Joh 10,17f., dass ihm keiner sein Leben nehmen, sondern er es vielmehr selbst freiwillig geben wird, ein Hinweis auf die Doppeldeutigkeit von Joh 8,22 gegeben. Neu gegenüber Joh 7,33f. ist in Joh 8,21 die Ansage, dass die Angesprochenen in ihrer Sünde sterben werden (ejn th`/ aJmartiva/ uJmw`n ajpoqanei`sqe). Die Ankündigung der vergeblichen Suche aus Joh 7,33f. ist zur Gerichtsansage geworden. Jesus nicht finden zu können, von ihm getrennt zu sein, nicht dorthin kommen zu können, wo er ist, bedeutet, in der eigenen Sünde zu sterben.29 Ohne Jesus gehen die Angeredeten aus der Sicht des Evangelisten dem Tod entgegen; sie verlieren die Hoffnung auf das ewige Leben bei Gott.30 Damit wird zugespitzt, was in den oben genannten Texten über das Weggehen der Weisheit und das Suchen und Nichtfinden der Weisheit vorausgesetzt ist: Dass die Konsequenz des Weggangs Jesu und der Trennung von ihm das Sterben in der Sünde ist, 28

Zur religionsgeschichtlichen Verortung des in Joh 7,33f.; 8,21 und 13,33 überlieferten Wortes über die Unmöglichkeit, an den Ort des Weggangs Jesu zu gelangen, im weisheitlichen Kontext vgl. vor allem T HEOBALD, Herrenworte, 432–438; T HEOBALD, Johannes (1–12), 530–532; LEROY, Rätsel, 56f.; DETTWILER, Gegenwart, 134f. Zur Bedeutung der Rolle Jesu als göttlicher Weisheit in Joh 7,25–36 siehe auch BROWN, John I, 318. 29 Vgl. THEOBALD, Herrenworte, 426. 30 Vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium II, 250.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

also im Verlust von Heil und Leben und damit letztlich in der Trennung von Gott besteht.31 (3) Dass in Joh 13,33 auf Joh 7,33f. und 8,21 Bezug genommen wird, ist signifikant. Entscheidend ist dabei, dass sich der Rückverweis kaqw;" ei\pon toi`" ≠Ioudaivoi" (Joh 13,33) auf o{pou ejgw; uJpavgw uJmei`" ouj duvnasqe ejlqei`n bezieht, welches sich – mit einer kleinen Variation in Joh 8,21 – in allen drei Texten findet. Der Akzent der Ankündigung Jesu gegenüber den Jüngern in Joh 13,33 liegt also auf dem Ende seiner Ansage, das heißt, auf dem Gedanken, dass die Jünger die Trennung von sich aus nicht überwinden können (o{pou ejgw; uJpavgw uJmei`" ouj duvnasqe ejlqei`n).32 Mit der Ankündigung, dass er weggeht und die Jünger ihm nicht an den Ort folgen können, an den er geht, versetzt Jesus die Jünger somit zunächst in dieselbe Lage wie „die Juden“. Die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen liegt darin, dass ihnen eine Trennung von Jesus bevorsteht, die sie von sich aus nicht wieder aufheben können. Die Situation der Jünger gleicht derjenigen „der Juden“ darin, dass sie Jesus in Kürze suchen werden, aber die Verbindung zu ihm selbst nicht wieder herstellen können.33 Dies wird noch dadurch verschärft, dass sie – wie „die Juden“ in Joh 7,33f.; 8,14.21 – nicht wissen, wohin Jesus weggeht. Die für Joh 7,33f.; 8,21 schon herausgearbeiteten traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge verraten zugleich, was das für die Jünger bedeutet: Mit der Trennung von Jesus steht für die Jünger die Gottesbeziehung auf dem Spiel. Da sie nach dem in Joh 13,33 angekündigten Weggang nicht mehr zu Jesus kommen und die Verbindung zu ihm von sich aus nicht herstellen können, droht ihnen – wie die zitierten Parallelen aus der weisheitlichen Literatur zeigen – aus johanneischer Sicht der Verlust von Heil und Leben. Mit dieser Trennung von Jesus ist ihr Heil in Frage gestellt; ihnen droht damit die Trennung von Gott. Dies stellt die zentrale Herausforderung dar, mit der die Jünger durch den Weggang Jesu konfrontiert werden. An dieser Stelle ist nun auf der anderen Seite aber auch die fundamentale Differenz zwischen den Jüngern in Joh 13,33 und „den Juden“ in Joh 7,33f.; 8,21 hervorzuheben: Im Unterschied zu „den Juden“ gibt es für die Jünger insgesamt (Joh 13,33) und für Petrus (Joh 13,36) über die jetzt drohende Trennung von Jesus hinaus eine Perspektive. Bereits in Joh 13,33 wird die Ankündigung der Trennung gegenüber den an „die Juden“ gerichteten Worten Jesu in Joh 7,34 und 8,21 leicht entschärft: So fehlen in Joh 13,33 die Hinweise auf die Vergeblichkeit der Suche aus Joh 7,34 (zhthvsetev me kai; oujc euJrhvsetev [me]) und auf das Sterben in Sünde aus 31

Siehe z.B. Prov 1,32; 8,36; Bar 3,15–38, besonders 3,28. Zu dieser Deutung vgl. auch T HEOBALD, Herrenworte, 427f. Vgl. dazu auch die Beobachtungen zu Joh 13,33c und 36d als „Achse“ von V.33–38, siehe oben 30. 33 Vgl. WEIDEMANN, Tod, 135. 32

1.2 Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern?

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Joh 8,21 (zhthvsetev me, kai; ejn th`/ aJmartiva/ uJmw`n ajpoqanei`sqe). Dass beide Bemerkungen in Joh 13,33 nicht vorkommen, ist ein impliziter Hinweis darauf, dass die Trennung der Jünger von Jesus nicht endgültig sein wird.34 Den Lesern des Johannesevangeliums wird damit signalisiert, dass beides – die Vergeblichkeit der Suche Jesu und das Sterben in Sünde – nicht für die Jünger Jesu gilt.35 Dies wird am Beispiel des Petrus in Joh 13,36 bestätigt. Durch die temporalen Differenzierungen in der Andeutung Jesu, dass Petrus ihm nicht „jetzt“ (nu`n), aber „später“ (u{steron) nachfolgen wird, bedeutet Johannes den Lesern des Evangeliums, dass die Nachfolge für Petrus zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein wird (ajpekrivqh ≠Ihsou`": o{pou uJpavgw ouj duvnasaiv moi nu`n ajkolouqh`sai, ajkolouqhvsei" de; u{steron).36 2.3 Ergebnis: Das Ausgangsproblem von Joh 13,31–14,31 Bei der Bestimmung des Ausgangsproblems von Joh 13,31–14,31 spielen in der Johannesforschung Joh 13,33 und der dort erwähnte Weggang Jesu eine zentrale Rolle. Im Folgenden werden zunächst zwei Forschungspositionen skizziert, welche die gegenwärtige Diskussion maßgeblich bestimmen, und anschließend vor diesem Hintergrund die hier vertretene dargelegt. 1. Zu den forschungsgeschichtlich einflussreichen Thesen, die Käsemann in seiner Schrift „Jesu letzter Wille nach Joh 17“ vertrat, gehört, dass das uJpavgein Jesu die für das Johannesevangelium charakteristische Beschreibung seines Todes sei.37 Auch in vielen neueren Johanneskommentaren und in jüngeren Veröffentlichungen zu den johanneischen Abschieds34

W EIDEMANN, Eschatology, 290 sieht die Entschärfung der Ankündigung an die Jünger in der Betonung des „Jetzt“ (kai; uJmi`n levgw a[rti). 35 Die Thematik der Suche und die Frage, wo Jesus ist, wird – jeweils mit verschiedener Zielrichtung des Suchens! – im Blick auf die „Diener der Hohenpriester und Pharisäer“ (vgl. Joh 7,32) im Passionsbericht (Joh 18,4.7) und im Blick auf die Jünger in den Ostergeschichten wieder aufgenommen (Joh 20,2.13.15); zu Letzterem siehe RUSCHMANN, Maria, 176–180 und 195–197. 36 Entweder ist sein späteres Martyrium gemeint (siehe 1Clem 5,4; vielleicht auch AscIsa 4,3 [CCSA 7,66f.: „e persequiterà la pianta che piantarono i dodici apostoli del Diletto; uno dei dodici sarà dato in mano sua“]; Euseb, Hist. Eccl. II,25; so S CHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 62 [mit Hinweis auf Joh 12,26 und 21,18f.]; W EIDEMANN, Tod, 138 und viele andere) oder die Nachfolge, die erst später möglich sein wird, bezieht sich auf „den Weg, ... der jedem, der glaubt, die Begegnung mit dem erhöhten Jesus schenken wird“, T HEOBALD, Herrenworte, 454; ähnlich, mit etwas anderem Akzent ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 54: „Le Christ joh veut alors dire que la suivance du disciple n’est pas d’abord un phénomène propre au temps pré-pascal, mais au contraire au temps post-pascal. La suivance authentique n’advient et n’est possible qu’avec le départ du Maȋtre et grȃce à ce départ.“ 37 Vgl. KÄSEMANN, Letzter Wille, 37.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

reden wird das in Joh 13,33.36 angesagte uJpavgein als Interpretament des Todes Jesu verstanden,38 wenn auch mit anderen Konsequenzen, als Käsemann sie zog.39 So erklärt Weidemann: „Die Abschiedsrede nimmt ihren Ausgang von Jesu uJpavgein (13,33) und ist damit – zumindest für die Leser – eindeutig auf den folgenden Bericht vom Tod Jesu bezogen ... Jesu Tod wird im Proömium der Abschiedsrede als das entscheidende Ereignis, als die grundlegende Zäsur aufgefaßt, nach der die Situation der Jünger eine grundlegend andere ist“.40 Für den Bezug von uJpavgein auf den Tod Jesu spricht z.B. die von Petrus in Joh 13,37 geäußerte Bereitschaft, für Jesus sein Leben zu geben (th;n yuchvn mou uJpe;r sou` qhvsw). Sie zeigt, dass Petrus die Ankündigung des uJpavgein Jesu in Joh 13,33 als Vorhersage des Todes Jesu versteht. Blickt man über den unmittelbaren Textzusammenhang von Joh 13,31–38, in den Joh 13,33 und 36 eingebettet sind, hinaus, liegt der Bezug des Weggangs auf den Tod Jesu auch durch die Missverständnisse in Joh 7,33f. und 8,21 nahe, die deutlich machen, dass uJpavgein als Todesankündigung verstanden wird, sowie durch die Stellung von Joh 13–17 vor dem Passionsbericht. Fraglich ist allerdings, ob die Bewältigung des Todes Jesu mit Weidemann und Theobald der Skopus der ersten Abschiedsrede ist. Nach Weidemanns Auffassung geht es dem Evangelisten in der ersten Abschiedsrede „um die Begründung dieser nachösterlichen Realität der Gemeinde im Tod Jesu als dem entscheidenden Heilsereignis“. Das Defizit der Leser sieht er im fehlenden Wissen der Gemeinde über die wahre Bedeutung des Todes Jesu. Die Analogie zwischen den Lesern und den Erzählfiguren bestehe „in der Unkenntnis über die eigentliche Bedeutung des Todes Jesu als des Ereignisses, das diesen nachösterlichen Stand erst be-

38

Zum uJpavgein Jesu als Metapher für seinen Tod (wie ajpevrcesqai, poreuvesqai, ajfievnai, metabaivnein) siehe RUCKSTUHL, DSCHULNIGG, Stilkritik 147f., DETTWILER, Gegenwart, 133f. (134: uJpavgein als „Interpretament des Todes Jesu“), THEOBALD, Herrenworte, 431, W EIDEMANN, Tod, 139–141, HOLLOWAY, Left Behind, 1–33; LÉONDUFOUR, Jean III, 79; ZUMSTEIN, Interpretation, 230; DIETZFELBINGER, Johannes I, 220 (zu Joh 7,33f.) und viele andere. Anders interpretiert De Boer den Weggang Jesu: Aus seiner Sicht bezieht sich das johanneische uJpavgein nicht auf den Tod Jesu, sondern auf dessen Auferweckung bzw. den Aufstieg Jesu zum Vater, der in Joh 20,17 erwähnt wird (vgl. DE B OER, Departure, 2.4.13–15.17). 39 Für Käsemann schließt das Verb „weggehen“ Jesu „Erhöhung und Verherrlichung in sich, sofern es die Trennung von der Welt und die Rückkehr zum Vater meint ...“ (K ÄSEMANN, Letzter Wille, 37). Die Passion und der Tod Jesu haben im Johannesevangelium aus Käsemanns Sicht eine ganz andere Bedeutung als in der „gängigen kirchlichen Tradition“: „Sie markieren nicht eine Veränderung Christi nach seinem Wesen, sondern als ‚Kommen und Gehen‘, ‚Hinabsteigen und Auffahren‘ den Wechsel des Raumes und damit der Reichweite seiner Manifestation.“ (KÄSEMANN, a.a.O., 41). 40 WEIDEMANN, Tod, 139.

1.2 Gottesferne durch die Trennung Jesu von den Jüngern?

39

gründet.“41 Ähnlich bestimmt Theobald – ausgehend von Joh 13,33 – das Ausgangsproblem von Joh 13,31–14,31: Johannes antwortet in der ersten Abschiedsrede auf die Frage, weshalb der Abschied Jesu im Tod notwendig ist und ob er einen Sinn hat, wenn ein neues Finden Jesu im Glauben später doch wieder in Aussicht gestellt wird. Die Jünger werden Jesus an Ostern im Glauben wiederfinden: „Kann man dem Tod Jesu überhaupt einen Sinn zusprechen?“42 Die Schwierigkeit dieser beiden Interpretationen liegt darin, dass sie sich auf die Ankündigung des uJpavgein Jesu konzentrieren, während die Bedeutung des Suchens und Nicht-Folgen-Könnens der Jünger für die Bestimmung des Ausgangsproblems der Rede zu kurz kommt. Warum wird, wenn das Defizit der Leser in ihrem mangelnden Wissen über den Sinn des Todes Jesu besteht, in Joh 13,33 das Suchen der Jünger thematisiert und in Joh 13,33 und 36 zweimal betont und in V.33 zusätzlich durch den Hinweis „kaqw;" ei\pon toi`" ≠Ioudaivoi"“ hervorgehoben, dass sie nicht dorthin kommen können, wohin Jesus weggeht? 2. Dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt kommt stärker zum Tragen in der Interpretation von Frey. Anders als Theobald und Weidemann stehen die Jünger und mit ihnen die nachösterliche Jüngergemeinde in Freys Deutung von Joh 13,33 vor dem Problem, „wie sie mit dem ‚Entzogensein‘ Jesu und ihrem scheinbaren ‚Verwaistsein‘ in der Welt [...] zurechtkommen“ sollen.43 Die Stärke dieser Auslegung ist, dass sie das in Joh 13,33 formulierte Ausgangsproblem der Rede nicht nur in der Ankündigung des Weggangs Jesu sieht, sondern auch – in Entsprechung zu dem hier festgestellten Schwerpunkt auf V.33c!44 – darin, dass die Jünger die bevorstehende Trennung von Jesus von sich aus nicht überwinden können. Dennoch stellt auch Freys Erklärung als Deutung des Ausgangsproblems der Rede nicht zufrieden. Frey verweist auf die Fremdheit der Gemeinde in der Welt und die Konfrontation mit dem Hass der Welt als Grund dafür, weshalb die Abwesenheit Jesu für die Jünger problematisch ist und bei ihnen das Gefühl der Schutzlosigkeit hervorrufe. 45 Die Bedrückungen der Jünger durch die Welt werden aber weder in Joh 13,31–38 noch in der ersten Abschiedsrede insgesamt als Grund dafür erwähnt, dass das Entzogensein Jesu für die Jünger schwierig ist.46 41

WEIDEMANN, Tod, 141. Vgl. THEOBALD, Herrenworte, 453 (auch dort kursiv). 43 FREY, Eschatologie III, 126. Aus seiner Sicht wird in Joh 13,33 das Ausgangsproblem der Abschiedsreden insgesamt formuliert; es geht dabei nicht nur um das Grundproblem der ersten Rede. 44 Siehe oben 36. 45 Vgl. FREY, Eschatologie III, 131. 46 Siehe auch unten zu Joh 14,1, 42. 42

40

Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

3. Um das Ausgangsproblem der ersten Abschiedsrede genauer bestimmen zu können, werden deshalb hier die im Vorangehenden ausgeführten traditionsgeschichtlichen Beobachtungen zu Joh 13,33; 7,33f. und 8,21 herangezogen. Wie gesehen, wird in Joh 13,33, wo auf Joh 7,33f. und 8,21 explizit Bezug genommen wird, der im weisheitlichen Kontext verbreitete Gedanke vom Suchen und Nichtfinden der Weisheit vorausgesetzt. Nach Texten wie Prov 1,32; 8,36; Bar 3,28 ist mit der vergeblichen Suche der Weisheit der Verlust von Heil und Leben verbunden. Entsprechendes kündigt Jesus „den Juden“ in Joh 8,21 mit zhthvsetev me, kai; ejn th/` aJmartiva/ uJmw`n ajpoqanei`sqe auch explizit an. Das bedeutet: Die Abwesenheit Jesu und die Trennung von ihm ist in Joh 13,33.36 nicht aufgrund äußerer Faktoren wie der Bedrückung durch die Welt, sondern aus einem theologischen Grund problematisch für die Jünger: Das Grundproblem besteht darin, dass den Jüngern mit der Trennung von Jesus, die sie von ihrer Seite aus nicht aufheben können, der Verlust von Heil und Leben droht und damit ihre Beziehung zu Gott auf dem Spiel steht. Dies kann durch eine weitere Überlegung untermauert werden: Der tiefere Grund für den Schluss, dass das Heil der Jünger mit der Trennung von Jesus bedroht ist, liegt in dem johanneischen Christusverständnis. In diese Richtung weist Dettwilers Interpretation der Hauptthematik der ersten Abschiedsrede: Wenn Jesus als der Gesandte Gottes exklusiv göttliche Offenbarung vermittelt und die „vollgültige und umfassende Manifestation und Inkarnation göttlicher Wahrheit und göttlichen Lebens“ ist, wie es beispielsweise die Ich-bin-Worte zum Ausdruck bringen, dann scheint mit seinem Weggang und dem Verlust seiner irdischen Gegenwart auch die Möglichkeit weiteren Heilsempfangs auf dem Spiel zu stehen. Mit der Trennung vom Offenbarer stellt sich daher das Problem der „Kontinuität von Heilserfahrung“.47 Dies gilt umso mehr, als Gott in der Darstellung des Johannesevangeliums so gut wie ausschließlich über Jesus in der Welt handelt: Der Vater übergibt seine Funktionen an den Sohn; die Handlungseinheit, in der Vater und Sohn stehen, geht exemplarisch aus Joh 5,19–23 hervor;48 dadurch macht der Vater den Sohn zu seinem ausschließlichen Repräsentanten auf Erden.49 Auch wird außer von Jesus lediglich von Johannes dem Täufer im Zusammenhang der Erzählung von seiner Tauftätigkeit am Jordan und sei47

DETTWILER, Gegenwart, 122. Siehe Joh 5,19 (der Sohn vermag nichts von sich aus zu tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was jener auch immer tut, das tut auch der Sohn in gleicher Weise); 5,21 (denn wie der Vater die Toten erweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, wen er will); 5,22 (denn der Vater richtet auch niemanden, sondern er hat das ganze Gericht dem Sohn übergeben). 49 Vgl. ZIMMERMANN, Namen, 123. 48

1.3 Aufruf zum Nicht-Erschrecken und zum Glauben

41

ner Begegnung mit Jesus in Joh 1,29–34 berichtet, dass „der, der ihn gesandt hat“, mit ihm direkt gesprochen und ihm eröffnet habe, woran er den, der mit dem heiligen Geist taufen werde, erkennen könne (Joh 1,33). Das einzige Mal, wo sich Gott direkt und ohne Vermittlung in der Welt vernehmen lässt (Joh 12,28), wird er vom Volk nicht verstanden bzw. seine Rede von den einen als Donner, von den anderen als Stimme eines Engels missdeutet (Joh 12,29).50 Damit stellt sich die Frage, ob und wie Gott bei den Jüngern gegenwärtig ist, wenn Jesus als derjenige, der mit dem Vater eins ist (Joh 10,30) und „in ihm ist“ wie der Vater „in ihm“ (siehe z.B. Joh 10,38; 14,10f.; 17,21), und dem der Vater „alles in die Hände gegeben hat“ (Joh 13,3),51 aus der Welt gegangen und den Jüngern nicht mehr in der Weise wie zuvor zugänglich sein wird. Nach dem Bild, das im Johannesevangelium von der Rolle und der Funktion Jesu und seinem Verhältnis zu Gott gezeichnet wird, liegt der Schluss nahe, dass nach dem Weggang des Offenbarers eine Periode der Gottesferne für die Jünger anbrechen müsste. Mit dem Weggang Jesu wäre also auch ein Rückzug Gottes aus der Welt zu erwarten. In der Ankündigung in Joh 13,33.36 spiegelt sich daher das Problem wider, das für die Jünger mit der Trennung von Jesus verbunden ist: Mit der Trennung von Jesus wird der Kontakt zu Gott selbst fraglich, der den Jüngern bis zum Abschied Jesu über die unmittelbare Begegnung mit dem irdischen Jesus vermittelt wurde, wie die gerade für das Johannesevangelium charakteristischen Äußerungen über die Einheit Jesu mit dem Vater hervorheben. Mit der Trennung von Jesus droht auch die Trennung von Gott. Dieses Problem wird vor allem dadurch verschärft, dass die Jünger die Trennung von sich aus nicht überwinden können. Die Frage ist also, ob trotzdem eine Verbindung zu Gott möglich ist – und wie diese gestaltet und inhaltlich gefüllt ist.

3. Der Rahmen: Aufruf zum Nicht-Erschrecken und zum Glauben (Joh 14,1) 1.3 Aufruf zum Nicht-Erschrecken und zum Glauben

Der Hauptteil der ersten johanneischen Abschiedsrede Joh 14,1–27 wird durch den Aufruf Jesu an die Jünger eingeleitet: „Euer Herz erschrecke 50

Vgl. THOMPSON, Voice, 178 und ihren Hinweis auf CULPEPPER, Anatomy, 113 („It is difficult to describe the characterization of God in the gospel because God never appears and the only words He speaks are ‘and I have glorified it, and I will glorify it again’ (12:28)“). Siehe auch T HOMPSON, Voice, 190: „the character of God remains only indirectly accessible to the reader, and accessible only through the words of Jesus or, less often, the narrator.“ Ähnlich MEYER, Father, 255. 51 Vgl. auch Joh 3,35.

42

Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

nicht. Glaubt an Gott und glaubt an mich.“ (Joh 14,1). Gegenüber dem Vorangehenden liegt hier ein klarer Neueinsatz vor; Jesus wendet sich jetzt wieder an alle Jünger. 3.1 Der Aufruf zum Nicht-Erschrecken (Joh 14,1a) Jesus setzt in Joh 14,1a neu ein mit der Aufforderung an die Jünger mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva. Zusammen mit Joh 14,27c bildet dieser Aufruf einen Rahmen um den ganzen Hauptteil der Rede. In der Forschung sieht man in dem Aufruf mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva gelegentlich einen Hinweis auf die Situation der Leser des Evangeliums und das Ausgangsproblem der Abschiedsreden. So deutet Schnelle mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva als Indiz dafür, dass die Jünger ebenso wie die Leser des Evangeliums in einer Krise aufgrund ihres Verlassenseins von Jesus sind. Der „Verlust der Unmittelbarkeit der Jesusbeziehung“ führt, so Schnelle, bei den Jüngern zu einer Krise; „die Jünger befinden sich wie die Glaubenden späterer Zeiten in der Situation des Verlassenseins. Johannes antwortet darauf mit dem wiederholten Verweis auf den Glauben ...“52 In dieselbe Richtung weist die Auslegung der Rahmenverse der ersten Abschiedsrede von Frey.53 Er bemerkt, dass die Worte im Rahmen der ersten Abschiedsrede als Äußerungen, die zugleich transparent für die Situation der Zeitgenossen des Johannes sind, an die Krise der Gemeinde in der nachösterlichen Zeit denken lassen, vor allem an die Frage ihrer weiteren Existenzmöglichkeiten angesichts der Abwesenheit Jesu sowie an ihre Fremdheit in der Welt und die Konfrontation mit deren „Hass“. So sieht er den Sinn der Worte Joh 14,1 und 27 darin, dass die Adressatengemeinde „als Jüngergemeinde in der Welt in ihrem ‚Verwaistsein‘ (14,18) und in ihrer Angst (14,1.27) getröstet werden soll.“54 Wie bereits gesagt, werden jedoch die Bedrückungen durch die Welt in Joh 13,31–14,31 nicht explizit thematisiert. Allenfalls die Waisenmetaphorik in Joh 14,18 könnte mit Frey in diesem Sinne gedeutet werden und die Anspielungen auf „die Welt“ in Joh 14,17.22. In beiden Fällen würde es sich aber jedenfalls nur um sehr zurückhaltende Andeutungen handeln. Erst in Joh 15,18–16,4a werden die Anfeindungen durch die Welt ausdrücklich zum Thema, und zwar in einem Kontext, in dem – im Unterschied zu Joh 13,31–14,31 und 16,4b–33 – signifikanterweise nicht vom Weggang Jesu gesprochen wird. Aus diesem Grund ist es weniger wahrscheinlich, dass in Joh 14,1 mit Schnelle und Frey primär an die Verlassenheit und Schutzlosigkeit der Gemeinde angesichts des Weggangs Jesu 52

Vgl. SCHNELLE, Johannes, 227 zu Joh 14,1. Vgl. FREY, Eschatologie III, 131–134 zu Joh 14,1.27.29. 54 Vgl. FREY, Eschatologie III, 131. 53

1.3 Aufruf zum Nicht-Erschrecken und zum Glauben

43

gedacht ist und hinter dem Aufruf zum Nicht-Erschrecken die Konfrontation mit der „Feindschaft der Welt“ steht. Worauf der Aufruf mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva anspielt, erschließt sich vielmehr durch einen Blick auf die anderen johanneischen Belege von taravssesqai in Joh 11,33; 12,27 und 13,21. Hier ist taravssesqai jeweils auf Jesus bezogen: In Joh 11,33 ist Jesus erschüttert angesichts des Todes des Lazarus und der Trauer der Maria und der „Juden“, die sich bei ihr versammelt haben (wJ" ei\den aujth;n klaivousan kai; tou;" sunelqovnta" aujth`/ ≠Ioudaivou" klaivonta", ejnebrimhvsato tw`/ pneuvmati kai; ejtavraxen eJauto;n). In Joh 12,27 bringt er mit nu`n hJ yuchv mou tetavraktai sein Erschrecken nach dem Anbruch der „Stunde“ (Joh 12,23) zum Ausdruck; das Erschrecken Jesu bezieht sich hier auf den bevorstehenden eigenen Tod. In Joh 13,21 ist Jesus erschüttert im Zusammenhang mit seiner Ansage, dass einer der Jünger ihn verraten und damit dem Tod ausliefern wird (ejtaravcqh tw`/ pneuvmati). Taravssesqai bezeichnet in allen drei Belegen also immer das Erschrecken angesichts der Macht und der Auswirkungen des Todes.55 Die Annahme liegt nahe, dass es sich in Joh 14,1a entsprechend verhält und bei mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva an die Erschütterung der Jünger angesichts der Macht und der Auswirkungen des Todes Jesu gedacht ist. Die Interpretation von Joh 13,33.36 im vorangegangenen Kapitel ergab, dass das Ausgangsproblem für die Jünger im drohenden Verlust der Gottesnähe, und in Verbindung damit, im drohenden Verlust von Heil und Leben besteht.56 Vor diesem Hintergrund bezieht sich der Aufruf mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva in Joh 14,1a wohl nicht nur auf das Erschrecken der Jünger bzw. der Leser des Evangeliums angesichts des Todes Jesu, sondern auch auf ihre Erschütterung angesichts der Auswirkungen ihrer Trennung von Jesus für sie selbst. Mit Recht sieht Dettwiler deshalb einen Bezug zwischen dem Aufruf zum Nicht-Erschrecken in V.1a und zum Glauben in V.1b: „Die Erschütterung des Herzens ist eine Erschütterung ihrer Glaubensidentität. Die Glaubenden sehen sich ange-

55

Siehe dazu W EIDEMANN, Tod, 145; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 59 Anm. 15. Auch in Ps 54,5 (LXX) bringt taravssein mit kardiva das Erschrecken angesichts des Todes zum Ausdruck (deiliva qanavtou, siehe dazu mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva mhde; deiliavtw in Joh 14,27c); dasselbe gilt für Ps 142,3f. Taravssein in Verbindung mit yuchv im Kontext der Todesgefahr findet sich in Ps 6,4f.; zur Todesgefahr siehe Ps 6,6. Nach BEUTLER, Angst, 25–29 klingen in Joh 14,1a vor allem auch Ps 41,6.7.12; 42,5 LXX an. Weitere Belege aus der LXX zu taravssein in Verbindung mit kardiva bei DETTWILER, Gegenwart, 142 Anm. 106. 56 Siehe oben 41.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

sichts des Entzogenseins ihres Herrn und des Zurückgeworfenseins auf ihre Situation der Verlassenheit in ihrem Glauben radikal infragegestellt.“ 57 3.2 Der Aufruf zum Glauben (Joh 14,1b) Die zweite Hälfte von Joh 14,1 ist positiv formuliert: pisteuvete eij" to;n qeo;n kai; eij" ejme; pisteuvete (Joh 14,1b). Bei dem doppelten pisteuvete handelt es sich wohl nicht um einen (oder zwei) Indikativ(e), sondern um zwei Imperative, welche die mit mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva zum Ausdruck gebrachte Ermahnung weiterführen. Dass die Glaubenden zum Glauben aufgerufen werden, ist nicht nur mit Joh 14,11 im unmittelbaren Kontext belegt;58 es ist auch im Johannesevangelium insgesamt nicht ungewöhnlich.59 Aber vom Glauben an Gott ist im Johannesevangelium nur in Joh 14,1 ausdrücklich die Rede. Vor allem fällt die durch die chiastische Struktur hervorgehobene Differenzierung zwischen dem Glauben an Gott und dem Glauben an Jesus auf. Dazu ist festzuhalten: Einerseits kann der Glaube an Gott vom Glauben an Jesus in johanneischer Perspektive nicht getrennt werden; wie Zumstein zu Recht bemerkt, handelt sich in Joh 14,1 nicht um zwei unterschiedliche Aufrufe, sondern um ein- und dieselbe „Einladung“.60 Auf der anderen Seite steht mit der Trennung von Jesus die Beziehung der Jünger zu Gott auf dem Spiel. Anders formuliert: Angesichts des Weggangs Jesu wird die im Johannesevangelium immer wieder hervorgehobene Einheit zwischen Jesus und Gott Vater für die Jünger problematisch. In der Situation des bevorstehenden Todes Jesu ist deshalb die Differenzierung zwischen Jesus als dem Sohn und Gott als dem Vater notwendig, ohne dass damit die Einheit von Vater und Sohn in Frage gestellt wird. Die Besonderheit des doppelten Aufrufs pisteuvete eij" to;n qeo;n kai; eij" ejme; pisteuvete erklärt sich daher vor dem Hintergrund des in der Einleitung Joh 13,31–38 thematisierten Ausgangsproblems der ersten Rede: Der Sinn dieser Aufforderung besteht darin, sich angesichts der Trennung vom irdischen Jesus auf Gott zu verlassen, der die einzige Wirklichkeit ist, auf die sich die Jünger von jetzt an stützen können.61 Die 57

DETTWILER, Gegenwart, 142; siehe auch ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 59. DU TOIT, Der abwesende Herr, 5f. erörtert dieses Problem im Blick auf das Markusevangelium: „Je mehr die heilvolle Gegenwart des Irdischen [...] betont wird, desto näher liegt es, in der Entzogenheit bzw. Flüchtigkeit einer nachösterlichen Präsenz Jesu ein Defizit gegenüber der Realpräsenz der Vergangenheit zu erkennen.“ 58 Der Glaube ist in Joh 14,2–14 ein zentrales Thema. Das Stichwort pisteuvein erscheint in Joh 14,10.11 (zweimal) und 12. 59 Siehe z.B. Joh 20,30f.; dazu D ETTWILER, Gegenwart, 142. 60 Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 60. 61 Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 60 Anm. 17.

1.4 Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft

45

Trennung von Jesus ist eine Erprobung des Jüngerglaubens: „... angesichts der menschlich-irdischen Trennung seiner Jünger von ihm sollen sie an Gott glauben [...] und im Glauben an Gott an dem Glauben an ihn [sc. Jesus, F.B.] festhalten und diesen so neu und end-gültig gewinnen.“62

4. Die erste Antwort Jesu auf das Ausgangsproblem: Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft (Joh 14,2f.) 1.4 Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft

In Joh 14,2f. wird eine erste Antwort auf das in Joh 13,33 und 36 thematisierte Problem des Weggangs Jesu und den damit für die Jünger verbundenen Konsequenzen gegeben. In diesen Versen werden drei positive Aspekte der Trennung der Jünger von Jesus reflektiert, auf die im Folgenden näher eingegangen wird: Zum einen macht der johanneische Jesus in Joh 14,2f. deutlich, dass sein Weggang für die Jünger ein Gewinn ist. Er besteht für sie darin, dass Jesus ihnen einen Platz im Haus seines Vaters schafft. Auch wird die Trennung von Jesus, welche die Jünger von sich aus nicht aufheben können, nicht von Dauer sein. Vielmehr wird Jesus wiederkommen und die Trennung aufheben. Schließlich wird den Jüngern durch das Wiederkommen Jesu der Zugang zum Vater Jesu geöffnet werden, indem sie in sein Haus aufgenommen werden. 4.1 Der Gewinn des Weggangs Jesu für die Jünger (Joh 14,2) 4.1.1 Das Ziel des Weggangs Jesu ejn th/` oijkiva/ tou` patrov" mou monai; pollaiv eijsin: eij de; mhv, ei\pon a]n uJmi`n: o{ti poreuvomai eJtoimavsai tovpon uJmi`n.

Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich [es] euch gesagt. Denn ich gehe, um euch einen Platz zu bereiten. (Joh 14,2).

Die hier vertretene Interpunktion und Übersetzung von Joh 14,2 ist umstritten. Häufiger wird o{ti explikativ aufgefasst63 und Joh 14,2 folgendermaßen übersetzt: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch gesagt, dass ich gehe, um euch einen Platz zu bereiten?“64 Die Schwierigkeit dieser Übersetzung besteht allerdings darin, 62

W ILCKENS, Johannes, 222. Zum explikativen Sinn von o{ti in Joh 14,2 vgl. B ULTMANN, Johannes, 464 Anm. 3; FREY, Eschatologie III, 135f. Nach T HEOBALD, Herrenworte, 33 liegt in Joh 14,2 eine „Selbstzitationsformel“ vor, die mit einem o{ti-rezitativum verbunden ist. 64 Vgl. STRATHMANN, Johannes, 195; B ECKER, Johannes II, 544; THYEN, Johannesevangelium, 619; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 57.61; W ILCKENS, Johannes, 219 (mit Begründung auf S. 223); LÉON-DUFOUR, Jean III, 91; KEENER, John, 937; B ULTMANN, 63

46

Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

dass Jesus dann in Joh 14,2b auf etwas hinweist, das er bereits zu den Jüngern gesagt hat, ohne dass der Bezugspunkt im johanneischen Kontext dafür klar ist. Wenig wahrscheinlich ist die Annahme, dass mit ei\pon a]n uJmi`n an Joh 12,26 (eja;n ejmoiv ti" diakonh/`, ejmoi; ajkolouqeivtw, kai; o{pou eijmi; ejgw; ejkei` kai; oJ diavkono" oJ ejmo;" e[stai)65 oder an Joh 12,26 und 32 (kajgw; eja;n uJywqw` ejk th`" gh`", pavnta" eJlkuvsw pro;" ejmautovn )66 erinnert wird, da Joh 12,26 und 32 allenfalls Joh 14,3b und c nahestehen (paralhvmyomai uJma`" pro;" ejmautovn, i{na o{pou eijmi; ejgw; kai; uJmei`" h\te), aber nicht Joh 14,2 (poreuvomai ejtoimavsai tovpon uJmi`n). Gelegentlich wird auch die Rede vom Weggang in Joh 13,33 als möglicher Bezugspunkt für ei\pon a]n uJmi`n: o{ti poreuvomai ejtoimavsai tovpon uJmi`n in Joh 14,2 in Betracht gezogen.67 Dagegen sprechen jedoch folgende Gründe: In Joh 13,33 ist nicht vom poreuvesqai, sondern vom uJpavgein Jesu die Rede. Diese Differenzierung hat eine Bedeutung: Bei der Rede Jesu von seinem uJpavgein liegt in V.33 der Akzent auf dem Fortgehen mit der Folge der Trennung. Das geht vor allem daraus hervor, dass sein uJpavgein in Joh 13,33 seinem Zusammensein mit den Jüngern (meq≠ uJmw`n eijmi) kontrastierend gegenübergestellt ist.68 Der Aspekt der Trennung wird auch durch die Bemerkung Jesu hervorgehoben, dass die Jünger ihm nicht folgen können.69 In seinen Äußerungen über sein poreuvesqai spielt der Gesichtspunkt der Trennung von Jesus dagegen keine konstitutive Rolle.70 Das spricht dafür, dass Jesus mit o{ti Johannes, 464 (Joh 14,2b ist am ehesten als Bemerkung zu verstehen, mit der die Gewissheit des Gesagten betont werden soll) und andere. Seltener wird Joh 14,2c als Aussage gedeutet, so z.B. ZAHN, Johannes, 553: Jesus sei fest davon überzeugt, „daß in seinem Vaterhaus, in das er jetzt zurückkehrt, Wohnungen genug [...] vorhanden [...] sind.“ Zahn paraphrasiert Joh 14,2 folgendermaßen: „Wenn nicht [...] viele Wohnungen [...] vorhanden wären, würde er den Jüngern sagen: ich gehe hin, eine Stätte euch zu bereiten.“ Gegen diese Deutung spricht jedoch, dass Jesus dies in V.3 ausdrücklich versichert. 65 Vgl. B AUER, Johannesevangelium, 178. Ähnlich STRATHMANN, Johannes, 198; LÉON-DUFOUR, Jean III, 91f. und andere. 66 Vgl. z.B. W ILCKENS, Johannes, 223; T HYEN, Johannesevangelium, 619. 67 Vgl. SCHNACKENBURG, Johannes III, 66; FREY, Eschatologie III, 145f. Frey denkt an die in Joh 13,33 u.ö. vorausgegangene Rede vom Weggang, auch sei ein textexterner Bezug auf das in der Gemeindetradition bekannte Wort denkbar (ebd.), ähnlich K LAUCK, Haus, 22 Anm. 62. 68 Dieses Gegenüber von meq≠ uJmw`n eijmi und uJpavgw findet sich z.B. auch in Joh 7,33. 69 Vgl. auch Joh 7,34; 8,21f.; 13,36. In Joh 16,10 wird die Trennung durch den Gedanken des Nicht-Mehr-Sehens zum Ausdruck gebracht (oujkevti qewrei`tev me). Dass in Joh 16,7 ajpevrcesqai als Synonym zu uJpavgein (Joh 16,5) gebraucht wird, zeigt, dass auch in Joh 16,5 bei uJpavgein an ein Fortgehen mit der Folge der Trennung gedacht ist. 70 In Joh 10,4 wird mit poreuvesqai sogar explizit der Gedanke des Nachfolgens verbunden.

1.4 Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft

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poreuvomai eJtoimavsai tovpon uJmi`n in Joh 14,2 nicht etwas bereits in Joh 13,33 Gesagtes wiederholt, sondern einen neuen Gedanken zum Ausdruck bringt: Der Weggang hat ein Ziel; Jesus geht, um den Jüngern einen Platz im „Haus seines Vaters“ vorzubereiten. Es handelt sich dabei um eine erste Antwort auf das in Joh 13,33.36 formulierte Ausgangsproblem, das in dem Weggang Jesu und der damit verbundenen Trennung von den Jüngern besteht. Eij de; mhv, ei\pon a]n uJmi`n wird deshalb hier auf ejn th/` oijkiva/ tou` patrov" mou monai; pollaiv eijsin bezogen71 und als Parenthese gedeutet. Das Gewicht der Äußerung Jesu in Joh 14,2 liegt auf o{ti poreuvomai eJtoimavsai tovpon uJmi`n. Durch das Ziel der Vorbereitung des Platzes für die Jünger im Haus des Vaters gewinnt der Weggang Jesu eine heilvolle Bedeutung für die Jünger: Er wird jetzt nicht mehr wie in Joh 13,33.36 in erster Linie negativ unter dem Gesichtspunkt der Aufhebung der bisherigen Beziehung der Jünger zu Jesus und ihrer Gemeinschaft mit ihm thematisiert („wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht kommen“). Auch wird er nicht mehr unter dem Aspekt der Trennung von Gott zur Sprache gebracht, und damit verbunden, des Verlusts von Heil und Leben. Vielmehr wird der Weggang Jesu in Joh 14,2 konstruktiv gedeutet: Er kommt den Jüngern zugute und erhält damit einen positiven Sinn.72 4.1.2 Der Platz im Haus des Vaters Jesu Mit tovpo", monhv und oijkiva konzentrieren sich in Joh 14,2 auffallend viele Orts- und Raumbegriffe. Der Ausdruck oijkiva tou` patrov" ist im Neuen Testament singulär, ebenso wie die Wendung eJtoimavzein tovpon oder die nur hier belegte Rede von den monai; pollaiv.73 In der Johannesforschung wird daraus vielfach der Schluss gezogen, dass der Evangelist in Joh 14,2f. ein älteres, seiner Gemeindeüberlieferung entstammendes Verheißungs-

71

Vgl. WEISS, Johannes-Evangelium, 397. BROWN, John II, 617 lässt o{ti aus: „There are many dwelling places in my Father’s house; otherwise I would have warned you. I am going off to prepare a place for you“. Zur Begründung siehe BROWN, John II, 619f. 72 Mit der Deutung von Joh 14,2f. als Antwort auf das in Joh 13,33.36 formulierte Ausgangsproblem der Trennung der Jünger von Jesus und der damit verbundenen Folge grenzen wir uns auch von Beckers forschungsgeschichtlich einflussreicher These ab, derzufolge sich die Thematik zwischen Joh 13,31–38 und 14,1 verschiebt: Mit Joh 14,1 verändert sich, so Becker, die Perspektive, da nun der Heilssinn des Todes Jesu mit Hilfe einer „neuen Grundaussage“ in Joh 14,2f. entfaltet würde, deren Sinn anschließend ausgelegt werde. In Joh 14,2f. geht es, so Becker, nicht mehr wie noch in Joh 13,31–38 um das Fortgehen Jesu und das Nicht-Folgen-Können der Jünger, sondern um den Weggang und das Wiederkommen Jesu, vgl. BECKER, Johannes II, 532f. und 546. 73 Siehe FREY, Eschatologie III, 137; DETTWILER, Gegenwart, 146; T HEOBALD, Herrenworte, 508–511.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

wort aufnimmt.74 Eine sichere Unterscheidung zwischen johanneischen und nicht- oder vorjohanneischen Elementen in Joh 14,2 fällt jedoch schwer, denn in Joh 2,16 begegnet der mit der oijkiva tou` patrov" verwandte Ausdruck oJ oi\ko" tou` patrov" mou. Ferner findet sich in Joh 8,35, wie vor allem Schnackenburg eingewandt hat, das mit Joh 14,2f. terminologisch und sachlich verwandte Bildwort, in dem vom „Bleiben“ des Sohnes im „Haus“ gesprochen wird, und in Joh 14,23 ist wieder von den monaiv die Rede.75 Was ist mit dem Haus des Vaters Jesu gemeint, in dem viele Wohnungen sind? Aufschlussreich ist hier ein Blick auf frühjüdische Texte zum Haus Gottes und den himmlischen Wohnungen der Gerechten. In äthHen 14,8–23 wird beschrieben, wie Henoch im Himmel das Haus Gottes betritt und in einer Vision ein anderes, größeres Haus sieht, in dem sich der Thron Gottes befindet: „Und ich […] näherte mich einem großen Haus, das aus Hagelsteinen erbaut war, und die Wand jenes Hauses (war) wie eine Mosaikfläche aus Hagelsteinen, und sein Boden (war von) Hagel, seine Decke wie die Bahn der Sterne und (wie) Blitze, und dazwischen (waren) feurige Kerubim, und sein Himmel (war von) Wasser, und flammendes Feuer umgab die Wand, und seine Tür flammte von Feuer. […] Und siehe (da war) ein anderes Haus, größer als jenes, und die Tür war völlig offen vor mir, und es war aus Feuerzungen erbaut […]. Und ich blickte hin und sah darin einen hohen Thron […]“ (äthHen 14,10–12.14f.18).76 Die himmlischen Wohnungen der Gerechten werden z.B. in äthHen 39,3–14, bes. 4– 8 erwähnt: Henoch sieht in einer Vision die Wohnungen der Heiligen und die Ruheorte der Gerechten. „Und ich sah dort eine andere Vision: die Wohnungen der Heiligen und die Ruheorte der Gerechten […]. Und ich sah ihre Wohnung unter den Fittichen des Herrn der Geister [...]. Dort wünschte ich zu wohnen [...].“ (äthHen 39,4.7f.)77 74

Vgl. schon MICHEL, Art.: oi\ko", oijkiva etc., ThWNT V, 122–161 (135); B ECKER, Johannes II, 549f.; DETTWILER, Gegenwart, 146f.; FREY, Eschatologie III, 137. Zur literarischen und traditionsgeschichtlichen Vorgeschichte von Joh 14,2f. vgl. ausführlich THEOBALD, Herrenworte, 506–521. 75 SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 69–71 hält aus diesen Gründen den johanneischen Charakter von Joh 14,2f. für wahrscheinlicher. Paralambavnein in Joh 14,3 erklärt er einleuchtend damit, dass zuvor das Bild vom Haus verwendet wurde und das Verb auch die Bedeutung „in ein Haus aufnehmen“ haben kann (vgl. Joh 1,11 [mit lambavnein]; und Joh 19,27 [lambavnein eij" ta; i[dia]). 76 UHLIG, JSHRZ V/6, 539–541. Gedacht ist in äthHen 14,8–23 an den himmlischen Tempel, in dessen Allerheiligstem Gottes Thron steht, vgl. FREY, Eschatologie III, 142. Zum Haus Gottes siehe z.B. auch äthHen 71,5–9; ApkAbr 17,16. 77 UHLIG, JSHRZ V/6, 578f. Zu den Wohnungen der Gerechten siehe auch äthHen 41,2; 48,1; slHen 61,2f; 4Esr 7,121; LibAnt 19,12. Weitere frühjüdische Texte zum Haus Gottes und den Wohnungen der Gerechten bei FREY, Eschatologie III, 141f.; DETTWILER, Gegenwart, 150f.; F ISCHER, Wohnungen, 137–192 (rabbinische Texte 192–220); B IE-

1.4 Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft

49

Vergleicht man Joh 14,2 mit diesen Texten, fällt die Knappheit des johanneischen Spruchs auf: Johannes macht keine näheren Ausführungen zu den Wohnungen Gottes selbst – weder dazu, wo sie zu lokalisieren sind, noch dazu, wie sie aussehen oder ob Engel oder Heilige bereits dort sind oder nicht. Die Wohnstätte Gottes als solche steht in Joh 14,2 nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Worauf der Akzent in Joh 14,2 liegt, zeigt der Gebrauch des Begriffs oijkiva im vierten Evangelium: Abgesehen von Joh 11,31 und 12,3, wo oijkiva lediglich das Gebäude bezeichnet, wird der Terminus im vierten Evangelium sonst zur Umschreibung der Familie und der Hausgemeinschaft verwendet. Signifikant ist neben Joh 4,53 („er wurde gläubig mit seinem ganzen Haus“) vor allem das Bildwort in Joh 8,35:78 oJ dou`lo" ouj mevnei ejn th/` oijkiva/ eij" to;n aijw`na, oJ uiJo;" mevnei eij" to;n aijw`na.

Der Knecht bleibt nicht in Ewigkeit im Haus, der Sohn aber bleibt in Ewigkeit. (Joh 8,35).

Hier wird zwischen dem Sohn, der im Haus bleibt, und dem Sklaven, der es wieder verlassen muss, unterschieden – bemerkenswerterweise zu Beginn der Auseinandersetzung Jesu mit „den Juden“ über die Kriterien für die Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes und die Frage, ob Gott als der Vater der Gesprächspartner Jesu gelten kann oder nicht. Hier hat oijkiva die Bedeutung von „Hausgemeinschaft“, „Familie“. Zugleich illustriert das Bildwort, worum es in der folgenden Auseinandersetzung zwischen Jesus und „den Juden“ geht: um die Frage, wer zur „Familie“ und der „Hausgemeinschaft“ Gottes gehört und Gott als seinen Vater bezeichnen kann, und für wen dies nicht gilt. Die Beobachtungen zur johanneischen Verwendung von oijkiva sprechen dafür, dass diese Metapher in Joh 14,2 vom Gedanken der Hausgemeinschaft inspiriert ist. Wenn Jesus geht, um den Jüngern einen Platz im Haus seines Vaters vorzubereiten, bedeutet das daher für die Jünger, dass durch den Weggang Jesu ihre Aufnahme in eine familiäre Gemeinschaft mit Jesus und seinem Vater etabliert wird; sie also künftig an Gottesnähe gewinnen werden.

TENHARD, Himmlische Welt, 173–177. Klauck stellt die Frage nach der Berührung dieser Traditionen mit hellenistischem Gedankengut etwa bei Philo, vgl. KLAUCK, Haus, 22f. mit Anm. 65 (Hinweise auf philonische Texte). Zu den himmlischen Wohnungen in griechischen Grabinschriften siehe z.B. PEEK, Grabgedichte, 22 (dovmo" eujsebewvn ); 207 (eujsebevwn dovmo"); 351 (dovmoi ajqavnatoi); 391 (qew`n makavrwn dovmo", oujranivoi dovmoi); 465 (dwvmat≠ ejpouravnia, ta; me;n oijkiva tw`n ejn ≠Oluvmpw/), vgl. dazu ausführlich PERES, Grabinschriften, 141–155 zu Joh 14,2f. Peres sieht die hellenistische Vorstellung der himmlischen Wohnungen im Hintergrund von Joh 14,2 (vgl. ebd., 151–155). 78 Es wird häufig bei der Interpretation von Joh 14,2f. herangezogen, vgl. SCHAEFER, Wohnungen, 210–217 (212f.).

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

4.2 Der Zugang der Jünger zum Vater durch die Aufnahme in sein Haus (Joh 14,3) (1) Dass bei der Vorbereitung des Platzes für die Jünger im Haus des Vaters Jesu an ihre Integration in die „himmlische Hausgemeinschaft“ gedacht ist, legt auch der Hinweis auf ihre „Aufnahme“ in der Fortsetzung des Gedankens in Joh 14,3 nahe: kai; eja;n poreuqw` kai; eJtoimavsw tovpon uJmi`n, pavlin e[rcomai kai; paralhvmyomai uJma`" pro;" ejmautovn, i{na o{pou eijmi; ejgw; kai; uJmei`" h\te.

Und wenn ich gehe und euch einen Platz bereite, komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin. (Joh 14,3).

Signifikant für die Deutung der „Aufnahme“ (paralhvmyomai uJma`") ist wiederum eine johanneische Parallele. Auch in Joh 19,27 ist von einer Aufnahme in die Familie die Rede (lambavnein eij" ta; i[dia). Jesus stiftet unmittelbar vor seinem Tod eine neue familiäre Beziehung zwischen seiner Mutter und dem geliebten Jünger. Indem der geliebte Jünger die Mutter Jesu zu sich nimmt, vollzieht er, was Jesus mit den Worten an Maria „siehe, dein Sohn“ und an ihn „siehe, deine Mutter“ ausgesprochen hatte. Der geliebte Jünger wird auf die testamentarische Verfügung Jesu hin zum Sohn der Maria. Er wird gewissermaßen zum Stellvertreter des Sohnes ernannt.79 Wie in Joh 19,27 dient auch in Joh 14,2f. die Terminologie von der Aufnahme dazu, die Stiftung einer familiären Beziehung zum Ausdruck zu bringen.80 Mit van der Watt ist festzuhalten: „The description in 14:3b of the personal intimacy of Jesus and the believers suggests the close relations within the house or familiy in which the believers will find themselves.“81 (2) Wesentlich für das Verständnis der in Joh 14,3 angekündigten, künftigen Aufnahme der Jünger in das Haus Gottes ist, dass dabei an eine dauerhafte Bleibe gedacht ist. Auf ein endgültiges Bleiben weist das Ziel hin, 79

Vgl. ZUMSTEIN, Johannes 19,25–27, 139. Die auf den geliebten Jünger und Maria bezogene Szene in Joh 19,25–27 ist jedoch m.E. nicht mit Scholtissek als Fokussierung und Bündelung des in Joh 13,1–17,26 geschilderten Abschieds Jesu von den Jüngern zu deuten (SCHOLTISSEK, In ihm sein, 237– 239). Der geliebte Jünger ist als der Zeuge Jesu nicht Repräsentant der Jünger, sondern steht ihnen eher gegenüber. Vgl. dazu K ÜGLER, Jünger, 254f. und 257: Der geliebte Jünger wird zum Stellvertreter Jesu gemacht; seine ihm hier zugewiesene Rolle ist die eines Stellvertreters bzw. Nachfolgers Jesu. Der geliebte Jünger ist nicht Symbol für die Repräsentanten der i[dioi Jesu. 81 VAN DER W ATT, Family, 347, zu Joh 14,2f. insgesamt 344–350. Zur Bedeutung der „Familienmetaphorik“ für das Johannesevangelium siehe auch SCHOLTISSEK, In ihm sein, 162–165.222–247.249.267.273; DERS., Kinder Gottes. 80

1.4 Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft

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auf das die Bewegung Jesu von seinem Vater zu den Jüngern und wieder zurück zu seinem Vater ausgerichtet ist: „damit auch ihr seid, wo ich bin.“ Zum anderen verspricht aber auch der Begriff monhv mehr als nur einen vorübergehenden Aufenthalt beim Vater Jesu. Er lässt das im Johannesevangelium häufige, etymologisch verwandte mevnein anklingen, das ein dauerhaftes Bleiben zum Ausdruck bringt und mit dem Johannes seine Theologie der Immanenz formuliert.82 Die monaiv in Joh 14,2f. sind daher die Orte, an denen, wie Klauck bemerkt, dieses „Bleiben“ auf Dauer an sein Ziel gelangt.83 Diese Beobachtung ist aufschlussreich zur Kennzeichnung der neuen Beziehung der Jünger zu Gott, die Jesus durch seinen Weggang ermöglicht: Zwar zeigt Joh 8,35 („der Knecht bleibt nicht in Ewigkeit im Haus, der Sohn aber bleibt in Ewigkeit“), dass nach johanneischem Verständnis zu einer Hausgemeinschaft nicht nur die Kinder, sondern auch Knechte und Mägde gehören. Entscheidend für den hier diskutierten Zusammenhang ist aber der Gedanke, dass nur dem Sohn ein bleibender Platz im Haus des Vaters zusteht, während die Knechte lediglich zeitweise mit in der Hausgemeinschaft leben. Dies zeigt die Pointe des bereits zitierten Verses Joh 8,35: Die unfreien Knechte sind nur vorübergehend im Haus, während der Sohn einen bleibenden Platz im Haus des Vaters hat. Wenn den Jüngern in Joh 14,2f. die endgültige Aufnahme in das Haus des Vaters Jesu in Aussicht gestellt wird, lässt dies vermuten, dass ihnen damit für die Zukunft ein Status verheißen wird, der dem von Kindern entspricht. (3) Der in Joh 14,2f. für die Zeit nach dem Weggang Jesu ins Auge gefasste neue Status der Jünger wird abschließend noch einmal in Joh 14,3b und c zum Ausdruck gebracht, wo die künftige Gemeinschaft zwischen Jesus und den Jüngern im Haus des Vaters Jesu hervorgehoben wird (paralhvmyomai uJma`" pro;" ejmautovn, i{na o{pou eijmi; ejgw; kai; uJmei`" h\te). Der Sinn dieses Höhepunktes am Ende des Verheißungswortes erschließt sich deutlicher durch einen Vergleich mit 1Thess 4,17. Damit soll nicht postuliert werden, dass der Verfasser des vierten Evangeliums 1Thess 4,17 kannte. Dennoch ist ein Blick auf diesen Text aufschlussreich für die Interpretation von Joh 14,3: 1Thess 4,17 bietet Informationen über die zeitgenössische Semantik vom Wiederkommen Jesu, die möglicherweise auch dem Verfasser des Johannesevangeliums geläufig war, und deren Kenntnis dieser auch bei seinen Lesern voraussetzen könnte.

82

Zu monhv in Joh 14,2 und 23 (die einzigen ntl. Belege) siehe HEISE, Bleiben, 93– 103, zu monhv als bleibendem Aufenthaltsort in Joh 14,2 93. Auch in dem einzigen Beleg von monhv in der LXX in 1Makk 7,38 geht es um ein dauerhaftes Bleiben, das „ihnen“ (d.h. Nikanor und seinem Heer) versagt werden soll, vgl. auch B ARRETT, Johannes, 447. 83 Vgl. KLAUCK, Haus, 24.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

In 1Thess 4,17 wird von einem Herabsteigen Christi vom Himmel gesprochen, das zu einer „Begegnung“ (ajpavnthsi") der Glaubenden mit dem Herrn führt, deren Ziel die eschatologische Gemeinschaft zwischen ihnen ist. In Joh 14,3 entspricht dem die Gemeinschaft der Jünger mit Jesus als Ziel seines Wiederkommens.84 Ein wichtiger inhaltlicher Unterschied in der Formulierung zwischen den beiden Texten verrät aber auch, worauf in Joh 14,3 der Akzent liegt: Während Paulus das für die Glaubenden bei der Parusie erwartete eschatologische Heil in die Worte fasst: „und so werden wir immer mit dem Herrn (zusammen)sein“ (1Thess 4,17 „kai; ou{tw" pavntote su;n kurivw/ ejsovmeqa“, vgl. 1Thess 5,10 „a{ma su;n aujtw`/ zhvswmen“), betont Johannes neben der Gemeinschaft der Jünger mit Jesus vor allem die lokale Dimension. Das Wiederkommen Jesu hat hier das Ziel, die Jünger an den Ort zu führen, wo Jesus ist. Nicht umsonst wird dieser lokale Aspekt auch in den beiden weiteren johanneischen Parallelen zu Joh 14,3 – in Joh 12,26 und Joh 17,24 – hervorgehoben.85 Die Bedeutung der lokalen Dimension in der Einleitung der ersten Abschiedsrede und in den ersten Versen ihres Hauptteils zeigt sich darin, dass allein in Joh 13,33.36 dreimal das Stichwort pou` bzw. o{pou fällt und sich in Joh 14,3.4f. drei weitere Belege von pou` bzw. o{pou finden. Durch diese Betonung des Ortes wird in Joh 14,2f. ein klarer Bezug zu dem in Joh 13,33.36 formulierten Ausgangsproblem hergestellt, dass Jesus fortgeht, wohin die Jünger nicht kommen können – und auf die damit verbundene Problematik eingegangen, dass mit dem Weggang des Offenbarers aus der irdischen Welt auch die Gegenwart Gottes bei den Jüngern selbst in Frage zu stehen scheint. Für die Jünger der Erzählung stellt sich das Problem dadurch in verschärftem Maße, dass sie, wie aus Joh 13,33.36 hervorgeht, nicht einmal das Ziel des angekündigten Weggangs Jesu kennen, um das außer dem johanneischen Erzähler (vgl. Joh 13,1) und Jesus selbst (nur) die Leser dank ihres nachösterlichen Standpunktes wissen. Nach Joh 14,3 ist nun die mit dem Weggang verbundene Trennung von Jesus – und damit auch von Gott selbst – nicht endgültig: Die Trennung wird nicht von Dauer sein, da die Jünger eine zukünftige Aufnahme in das Haus Gottes erwartet, wohin sie am Ende von Jesus geholt werden.86 Dass die Zukunft der Jünger in Joh 14,2f. als Gemeinschaft zwischen Vater, Sohn und Jüngern an demselben Ort – nämlich im Haus Gottes – gezeichnet wird, zeigt, dass sich durch den Weggang nicht nur die Beziehung der Jünger zu Jesus qualitativ ändert, sondern auch eine neue Beziehung zu Gott möglich wird, die Jo-

84

Vgl. dazu SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 70. „Wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein“ (Joh 12,26); „wo ich bin, seien auch jene bei mir“ (Joh 17,24). 86 Vgl. SCHOLTISSEK, In ihm sein, 249. 85

1.4 Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft

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hannes mit dem Ausblick auf die künftige Aufnahme der Jünger in das Haus des Vaters Jesu zum Ausdruck bringt. In der erzählten Situation vor dem Abschied Jesu ist die Vorbereitung des Platzes für die Jünger im Haus seines Vaters noch nicht Realität, sondern liegt in der Zukunft. Die Leser des Johannesevangeliums schauen hingegen im Unterschied zu den Jüngern der Erzählung darauf zurück. Der bereits vollzogene Weggang Jesu ist ein wesentlicher Faktor, der ihre gegenwärtige Situation qualifiziert und von der vorösterlichen Lage der Jünger Jesu abhebt. Für sie wird in Joh 14,2f. daher nicht nur zum Ausdruck gebracht, dass der Weggang Jesu eine heilvolle Bedeutung für sie hat, weil sie dadurch ein neues Verhältnis zu Gott erhalten, sondern vor allem auch, dass dieser Platz beim Vater Jesu für sie jetzt schon vorbereitet ist. Dadurch wird ihre nachösterliche Gegenwart, die durch das Entzogensein Jesu problematisch geworden zu sein scheint, positiv qualifiziert.87 Mit der Ankündigung in Joh 14,2f. antwortet Johannes somit auf das Problem des Weggangs Jesu und der Trennung von ihm als Herausforderung für den Glauben der Leser des Evangeliums. Ihrer Trennung von Jesus steht die Verheißung einer heilvollen Zukunft gegenüber, die in ihrer Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn im Haus des Vaters Jesu besteht. 4.3 Das Wiederkommen Jesu als Voraussetzung für die Aufnahme der Jünger (Joh 14,3) Die zukünftige Aufnahme der Jünger in das Haus des Vaters und ihre damit verbundene Beziehung zu Gott als Vater wird möglich durch das Wiederkommen Jesu (pavlin e[rcomai). Durch die Erwähnung von pavlin unterscheidet sich die Verheißung des Wiederkommens Jesu in Joh 14,3 von allen folgenden Ankündigungen seines Kommens in der ersten Abschiedsrede (Joh 14,18.23.28). Pavlin hat hier die Bedeutung von „wieder“; „erneut“; „abermals“ im Sinne der Wiederholung einer Tätigkeit und nimmt daher auf ein vorausgegangenes Kommen Jesu Bezug,88 ohne dass aus pavlin e[rcomai alleine schon hervorginge, an welches frühere Kommen dabei gedacht ist – das Kommen Jesu in die Welt oder sein österliches Kommen.89 87

Zum „Nutzen“, den die Jünger von dem Weggang Jesu haben, vgl. z.B. explizit auch Joh 16,7, siehe unten 114. 88 Siehe B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. pavlin, Sp. 1227 (2), vgl. dazu B ECKER, Johannes II, 549 („wiederum“; „abermals“); BROWN, John II, 620 (er spricht von einem zweiten Kommen Jesu in Joh 14,3). Anders Frey, der pavlin e[rcomai in Joh 14,3 mit „zurückkommen“ übersetzt, siehe DERS., Eschatologie III, 147 mit Anm. 126. 89 Im zweiten Fall (aber nur dann) lässt sich pavlin e[rcomai in Joh 14,3 auf die Parusie beziehen, siehe dazu unten 55.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

Signifikant ist, dass Johannes im Präsens vom Wiederkommen Jesu spricht (pavlin e[rcomai). Häufig wird das Präsens an dieser Stelle im futurischen Sinn verstanden. Dafür, dass in Joh 14,3 ein zukünftiger Zeitpunkt im Blick ist, spricht die Kombination von e[rcomai mit dem Futur paralhvmyomai. In BDR §323 wird darauf hingewiesen, dass bei Versicherungen „in volkstümlicher Redeweise“ das „lebhaft vergegenwärtigende Präsens“ für das Futur eintreten kann. Diese Besonderheit findet sich z.B. in Prophezeiungen, besonders bei e[rcomai.90 Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass e[rcomai den gegenwärtigen Charakter des Kommens zum Ausdruck bringt. Die Klärung hängt davon ab, worauf sich das Wiederkommen Jesu im Erzählzusammenhang bezieht. Dies ist jedoch nicht klar. Die Ostererfahrung wird in Joh 14,3 wohl nicht gemeint sein, da in den johanneischen Ostergeschichten zwar vom Kommen Jesu zu den Jüngern (Joh 20,19–29) und seinem Aufstieg zum Vater (Joh 20,17), aber nicht von der Aufnahme der Jünger in die Wohnungen des Vaters Jesu die Rede ist. Auch kehrt Jesus in den Erzählungen von den Ostererscheinungen vor Maria (Joh 20,14–17) und den Jüngern (Joh 20,19–29) aus dem Grab auf die Erde zurück, während er nach Joh 14,3 aus dem Bereich seines Vaters zu den Jüngern kommt – es sei denn, man postuliert zwischen der Erscheinung Jesu vor Maria in Joh 20,14–17 und seinem Kommen zu den Jüngern in Joh 20,19–29 seinen Aufstieg zum Vater mit anschließender Rückkehr zur Erde.91 Aber auch bei einer solchen, exegetisch unsicheren Konstruktion steht einer Deutung von Joh 14,3 auf das österliche Kommen immer noch das Argument entgegen, dass in Joh 20 von keiner Mitnahme der Jünger zum Vater berichtet wird. Schwierigkeiten bereitet auch der Versuch, Joh 14,3 auf das Kommen Jesu im Geistparakleten zu beziehen. Aus der Sicht von Kammler führt die Aussage pavlin e[rcomai kai; paralhvmyomai uJma`" pro;" ejmautovn weiter, was bereits in Joh 12,32 (pavnta" eJlkuvsw pro;" ejmautovn) formuliert wurde, und bringt zum Ausdruck, dass „der erhöhte Jesus Christus im Geistparakleten wieder zu den Seinen kommen wird, um ihnen dadurch Gemeinschaft mit sich selbst zu eröffnen, daß er ihnen das in seinem Kreuzestod für sie vollbrachte Heil zueignet“.92 Dagegen spricht aber der in Joh 14,3 angedeutete Wechsel des Raumes von der unteren, irdischen Region in den oberen Bereich des Vaters; die Jünger bleiben nach ihrer Be90

Siehe außer Joh 14,3 z.B. Mt 17,11; Lk 12,54f.; 1 Kor 16,5f. [dievrcesqai]; ohne den Sinn der Prophezeiung mit e{w" z.B. Joh 21,22 und 23. Zum futurischen Sinn von e[rcomai an dieser Stelle siehe auch BULTMANN, Johannes, 463 Anm. 3; B ARRETT, Johannes, 447; T HYEN, Johannesevangelium, 620 und viele andere. 91 Siehe unten 175. 92 KAMMLER, Geistparaklet, 104. Die Wendung paralhvmyomai uJma`" pro;" ejmautovn entspricht, so Kammler, der Aussage aus Joh 12,32b (pavnta" eJlkuvsw pro;" ejmautovn).

1.4 Der Zugang der Jünger zum Vater in der Zukunft

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gabung mit dem Geist immer noch „in der Welt“, in die sie gesandt werden (Joh 20,21–23, siehe auch 14,12–14), während sie nach Joh 14,3 vom wiederkommenden Jesus in den Bereich des Vaters mitgenommen werden und keine Funktionen in der Welt mehr wahrzunehmen scheinen.93 In Joh 14,3 liegt daher wohl eine externe Prolepse vor. Dafür spricht, dass es im Verlauf der weiteren Erzählung innerhalb des Evangeliums keine Anzeichen dafür gibt, dass das Verheißene realisiert wird und in Erfüllung geht, wie Brown mit Recht feststellt: „Yet it is not apparent that Jesus ever did return to take his disciples along with him ...“.94 Das angekündigte Kommen Jesu und das Abholen der Jünger tritt vermutlich nicht im Laufe der Erzählung ein, sondern bezieht sich auf Dinge, die außerhalb des Zeitraums des erzählten Geschehens liegen und deren Erfüllung auch für die Leser des Johannesevangeliums noch aussteht.95 Auf welche Art von Zukunft sich Joh 14,3 als Ankündigung an die Leser beziehen könnte, ist damit noch offen. Während die einen in Joh 14,3 eine individuell-eschatologische Aussage über das Kommen Jesu zum einzelnen in der Todesstunde sehen96, beziehen andere den Text auf die Parusie.97 Eine dritte Gruppe deutet Joh 14,3 als eine neuartige, spezifisch johanneische Aussage über ein zukünftig-eschatologisches Kommen Jesu, das sich nicht in der traditionellen Parusievorstellung erschöpfe, da dafür konstitutive Elemente wie z.B. das sichtbare Erscheinen vor der Welt fehlten. Sie kulminiert nach Ansicht dieser Interpreten in der Vorstellung einer unzerstörbaren und endgültigen Gemeinschaft zwischen Jesus und den Jüngern.98 Zumindest soviel steht fest, dass die Reichweite dessen, was in Joh 14,3 mit dem Wiederkommen Jesu und der Aufnahme der Jünger in die Wohnungen seines Vaters verheißen wird, weit über das in Joh 16,16.22 ange93

Zur Darstellung und Auseinandersetzung mit diesem und den vielfältigen anderen Deutungsversuchen siehe FREY, Eschatologie III, 148–153. 94 BROWN, John II, 625. 95 Ähnlich verhält es sich z.B. in Joh 5,28f.; 6,39f. 96 Vgl. z.B. B ULTMANN, Johannes, 465 Anm. 1. Ähnlich BROWN, John II, 626f., der annimmt, dass Johannes den sich ursprünglich auf die Parusie beziehenden Vers auf die späteren Christen und Jesu Kommen in ihrer Todesstunde anwende. 97 Vgl. ZAHN, Johannes, 555; OVERBECK, Johannes, 389.465.474; SCHLATTER, Evangelist, 293; B ECKER, Johannes II, 549; WEIDEMANN, Eschatology, 291; FREY, Eschatologie III, 148–153 (mit Hinweis auf Joh 21,22f. [e{w" e[rcomai] und Joh 17,24, das durch das gemeinsame o{pou eijmi; ejgwv mit Joh 14,2f. den Abschiedsredenkomplex rahmt). Weitere Vertreter der Parusiethese nennt FREY, Eschatologie III, 148 Anm. 131. 98 Vgl. z.B. THYEN, Johannesevangelium, 620f. mit Hinweis auf B ARRETT, Johannes, 447 oder auch ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 61. Siehe auch DODD, Interpretation 405: „... it is surely clear that the ‚return‘ of Christ is to be understood in a sense different from that of popular Christian eschatology. It means that after the death of Jesus, and because of it, His followers will enter into a union with Him as their living Lord, and through Him with the Father, and so enter into eternal life.“

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

sagte gegenseitige Sehen der Jünger und Jesu („o[yesqe me“ und „o[yomai uJma"`“) hinausgeht.99 Zum Verständnis der ersten Abschiedsrede ist dies zentral. Es spricht dafür, dass die johanneische Rede vom Wiederkommen Jesu in Joh 14,3 von den Verheißungen seines Kommens in Joh 14,18 und 23 zu unterscheiden ist – zwischen Joh 14,2f. und 14,18.23 besteht eine kaum zu bestreitende Spannung, die auf ein entscheidendes Problem hinweist: Die in Joh 14,2f. versprochene Beziehung der Jünger zu Gott als Vater ist sowohl auf der Ebene der Erzählung als auch in textpragmatischer Hinsicht in der Zukunft angesiedelt. Zwar will Jesus durch seinen Weggang den Jüngern einen Platz im Haus seines Vaters vorbereiten, die Aufnahme der Jünger erfolgt aber erst nach dem Wiederkommen Jesu zu einem Zeitpunkt, der auch für die Leserinnen und Leser des Johannesevangeliums noch aussteht. Joh 14,2f. ist ein Beispiel für eine lebendige Zukunftserwartung im vierten Evangelium. Die Leser des Evangeliums stehen nach dem bisher Ausgeführten aber vor der Frage, ob in ihrer gegenwärtigen Situation, die durch die Abwesenheit des Offenbarers geprägt ist, Kontakt zu Gott möglich ist, und falls ja, wie. Was ist mit der Gegenwart, die gekennzeichnet ist durch die Abwesenheit Jesu? Ist sie eine reine „Wartezeit“ auf eine heilvolle Zukunft?

5. Die zweite Antwort Jesu auf das Ausgangsproblem: Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart (Joh 14,4–11) 1.5 Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart

Am Ende des vorangegangenen Abschnitts war die Frage offengeblieben, wie es um die Beziehung der Jünger zu Gott in der Zeit nach dem Weggang Jesu, der in Joh 13,33.36 angekündigt wird, und vor dem in Joh 14,2f. ins Auge gefassten Wiederkommen Jesu bestellt ist. Auf der textpragmatischen Ebene steht damit die Gegenwart der Leser des vierten Evangeliums zur Debatte und die Frage nach den Möglichkeiten und der Gestalt ihres Gottesverhältnisses in dieser Zeit, die durch die in Joh 13,33.36 vorhergesagte Abwesenheit Jesu geprägt ist. Ist in der gegenwärtigen Situation Kontakt zu Gott möglich, und falls ja, wie und aufgrund welcher Voraussetzungen? Beides wird in Joh 14,4–11 thematisiert, wo, wie in der ganzen ersten Abschiedsrede, neben der Gegenwart der Jünger vor dem Weggang Jesu über die Zeit nach dem Abschied Jesu reflektiert wird.

99

Vgl. B ULTMANN, Johannes, 464f.

1.5 Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart

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5.1 Das Wissen der Jünger um den Weg Jesu zum Vater (Joh 14,4f.) In Joh 14,4 wird eine erste Antwort auf die Frage nach der Verbindung der Jünger zu Gott in der Gegenwart gegeben. Anders als in Joh 14,2f. weist Jesus in Joh 14,4 nicht auf einen für die Jünger im Haus des Vaters vorbereiteten Platz und ihre künftige Aufnahme beim Vater hin, sondern auf seinen Weg zum Vater, den sie aus seiner Sicht bereits kennen. Implizit knüpft das Wegmotiv an Joh 14,2f. an, wo vom „Gehen“ und „Wiederkommen“ Jesu die Rede ist.100 Aber während in Joh 14,2f. Jesus das handelnde Subjekt darstellt, der mit dem Bereiten des Platzes für die Jünger im Haus seines Vaters und dem Abholen der Jünger alle wesentlichen Handlungen, die in den beiden Versen beschrieben werden, selbst durchführt, wird in Joh 14,4 der Blick auf die Jünger und ihr Wissen gelenkt: Kai; o{pou uJpavgw oi[date th;n oJdovn.

Und wohin ich weggehe, ihr kennt den Weg. (Joh 14,4).

Das Verständnis dieses Kommentars, mit dem Jesus seine Ankündigung aus Joh 14,2f. abschließt, bereitet Schwierigkeiten: Signalisiert Jesus den Jüngern hier zwei Dinge auf einmal? In jedem Fall teilt er ihnen mit, dass sie nach seiner Überzeugung den Weg zum Haus des Vaters kennen. Nicht ganz eindeutig entscheidbar ist die Frage, ob er ihnen mit dieser Bemerkung außerdem auch zu verstehen gibt, dass sie wissen, dass er in das Haus seines Vaters geht. Aber das kann zunächst zurückgestellt werden.101 Die Äußerung Jesu o{pou uJpavgw oi[date th;n oJdovn klingt jedenfalls provozierend – entsprechend bemerkt Bultmann zu Joh 14,4: „der Glaubende wird auf das hin angesprochen, was er schon wissen müßte und doch noch nicht weiß“.102 Charakteristisch ist der Widerspruch des Thomas in Joh 14,5. In seiner Reaktion werden beide Aspekte aus Joh 14,4, die Frage nach dem Ziel des 100

Vgl. THEOBALD, Herrenworte, 305; DETTWILER, Gegenwart, 159. Bei der auch bezeugten Lesart kai; o{pou uJpavgw oi[date kai; th;n oJdo;n oi[date (P 66, A, C3, D, Q, Y, f 1.13, M, lat, sy, sa, ac2) handelt es sich um eine textkritisch sekundäre Variante, die Eindeutigkeit herzustellen und Joh 14,4 an die in Joh 14,5 folgende Reaktion des Thomas anzugleichen versucht. Vgl. T HYEN, Johannesevangelium, 622; BROWN, John II, 620 („scribal improvement“). 102 B ULTMANN, Johannes, 466. Auch ist damit die viel diskutierte Frage nach dem Verhältnis von Joh 14,4–11 zu der Zukunftsverheißung in Joh 14,3 gestellt. B ECKER, Johannes II, 551f. sprach von einer „entschiedenen Uminterpretation“ von Vers 2f. durch die Abschnitte V.4ff. und 18ff.: „Das Heilsziel, in der Zukunft einmal beim Vater sein zu können (V.2f.), wird […] präsentisch überboten: Wer glaubt, daß Jesus Weg, Wahrheit und Leben ist, sieht den Vater […]. Damit ist der Heilsstand schon jetzt erreicht, denn wer den Vater hat, hat ewiges Leben. Die Zukunft ist im annehmenden Glauben schon gegenwärtig.“ 101

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Weges (o{pou) und die nach dem Mittel, das heißt, dem Weg Jesu (oJdov") und wie man ihn kennen kann, aufgenommen: Kuvrie, oujk oi[damen pou` uJpavgei": Herr, wir wissen nicht, wohin du pw`" dunavmeqa th;n oJdo;n eijdevnai; weggehst. Wie können wir den Weg kennen? (Joh 14,5). Weder wissen die Jünger, dass Jesus zum Vater geht, noch kennen sie – so Thomas – den Weg Jesu. Mit seiner Ratlosigkeit, wohin Jesus geht und wie sie den Weg kennen können, stellt Thomas die Möglichkeiten der Jünger, den Weg zum Vater zu erkennen, in Frage. Dass gerade Thomas diesen Einwand erhebt, ist signifikant. Seine Ratlosigkeit im Blick auf die Frage, wohin Jesus weggeht, zeigte sich bereits in Joh 11,16, wo er die anderen Jünger aufforderte, mitzukommen, um gemeinsam mit Jesus zu sterben (a[gwmen kai; hJmei`" i{na ajpoqavnwmen met≠ aujtou`). Den Tod Jesu kann Thomas nicht als Gang Jesu zum Vater mit heilvoller Bedeutung für die Jünger, sondern lediglich als Sterben deuten, das die Existenz Jesu beendet.103 Wie die Wahl des Wortes ajpoqnhvskein an dieser Stelle zeigt, ist hier nicht an einen „Gang zum Vater“, sondern an den Tod als Ende des Lebens gedacht. Erst nach der österlichen Selbsterschließung Jesu vor ihm in Joh 20,26f. und dem Zeigen der Wundmale ist Thomas in der Lage zu erkennen, wer Jesus ist, und den auferstandenen Gekreuzigten mit oJ kuvriov" mou kai; qeov" mou zu bekennen. Dass Thomas nicht weiß, wohin Jesus weggeht, wie er in Joh 14,5 für sich wie für die anderen Jünger erklärt, ist daher ein Zustand, der erst in Joh 20,28 mit seinem Bekenntnis zu Jesus als „seinem Herrn und seinem Gott“ aufgehoben wird. Die Leser des Johannesevangeliums haben in dieser Hinsicht ihm gegenüber einen Deutungsvorsprung. Gegenüber den Jüngern genießen sie den Vorteil des nachösterlichen Standpunkts, der sie zu einem Verstehen der Ereignisse im Rückblick befähigt. Durch die kommentierenden Worte des Erzählers in Joh 13,1.3 wissen sie, wohin Jesus geht.104 Sie können sehen, dass in Joh 13,33 im Vergleich zu den entsprechenden Äußerungen, die Jesus gegenüber „den Juden“ in Joh 7,33f. und 8,21 gemacht hat, die Ankündigung fehlt, dass sie Jesus nicht finden werden und in ihren Sünden sterben werden. Auch können sie z.B. Joh 13,36–38 als Hinweis auf die

103

Vgl. zu dieser Deutung von Joh 14,5, nach der Thomas das bevorstehende Ereignis des Todes Jesu nicht versteht, DETTWILER, Gegenwart, 163. Durch die Situierung nach V.2f., wo Jesus bereits eine erste Antwort auf das Ausgangsproblem der ersten Abschiedsrede gegeben hatte, ist das in V.5 geäußerte Unverständnis gegenüber dem des Petrus in Joh 13,36 noch gesteigert. 104 Siehe auch Joh 7,33 (uJpavgw pro;" to;n pevmyantav me).

1.5 Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart

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spätere Nachfolge deuten.105 Insofern sind die Leser des Evangeliums mit Bauckham „in a better position than any of the characters in the story“. 106 Mit seiner Ratlosigkeit in der Frage nach dem Weg und der Möglichkeit seiner Erkenntnis („wie können wir den Weg kennen“) stellt Thomas aber auch eine Identifikationsfigur für sie dar. Diese Frage ist auch für die nach Ostern lebenden Christen ungelöst, wenn auch in anderer Weise als für Thomas: Während Thomas nach dem Weg Jesu und der Möglichkeit seiner Erkenntnis fragt, ist für die Leser des Evangeliums der Weg zum Vater fraglich ‒ wie sollen sie den Weg zum Vater kennen, wenn der Offenbarer, der „eins mit dem Vater ist“ (vgl. Joh 10,30), nicht mehr anwesend ist? Erschwerend kommt für sie dazu, dass sie Jesus auch zur Zeit seines irdischen Wirkens nicht gekannt und gesehen haben. Insofern sind die nach Ostern lebenden Leser des Johannes als die eigentlichen Adressaten der Rede, was die Frage nach dem Weg zum Vater und seiner Erkenntnis betrifft, in einer vergleichbar schwierigen Situation wie Thomas, wenn auch aus anderen Gründen: Sie stehen vor dem Problem, wie sie angesichts der Abwesenheit des Offenbarers den Weg zum Vater kennen können, der nach dem bisherigen Verlauf der johanneischen Erzählung ausschließlich über Jesus mit der Welt in Kontakt tritt. Der Einwand des Thomas in Joh 14,5 dient also nicht nur dazu, sein vorösterliches Unverständnis zu illustrieren, sondern ist auch für die Leser des Evangeliums ein Signal. Er weist sie darauf hin, dass die Frage nach den Bedingungen für das Sehen und Erkennen des Vaters, die in den folgenden Versen erörtert wird, relevant für sie selbst und die Deutung ihrer eigenen Situation ist. Die Feststellung aus Joh 14,4 – „ihr kennt den Weg“ – muss deshalb näher erläutert werden. 5.2 Jesus als der Weg zum Vater (Joh 14,6) Mit seiner Erwiderung in Joh 14,6 scheint Jesus nicht auf die Frage des Thomas in Joh 14,5 einzugehen: Levgei aujtw`/ ≠Ihsou`": ejgwv eijmi hJ oJdo;" kai; hJ ajlhvqeia kai; hJ zwhv: oujdei;" e[rcetai pro;" to;n patevra eij mh; di≠ ejmou`. 105

Jesus sprach zu ihm [sc. Thomas]: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Keiner kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh 14,6).

Petrus wird nach Joh 13,36 erst „später“ (u{steron), das heißt, im „neuen nachösterlichen Rahmen […] zum wirklichen Verstehen Jesu und also zum Vollzug echter Nachfolge fähig werden“ (DIETZFELBINGER, Werke, 41). Nachfolge ist daher ein nachösterliches Phänomen; sie ist gerade zu der Zeit möglich, die durch die Entzogenheit Jesu von den Jüngern gekennzeichnet ist, vgl. DETTWILER, Gegenwart, 137; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 54.56; zu Joh 13,36, siehe oben 37. 106 B AUCKHAM, Audience, 109.

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Diese Reaktion Jesu zeigt, dass es Johannes bei dem Wortwechsel primär um den Weg und das Heil der Jünger geht. Das Thema ist jetzt nicht mehr der Weg Jesu, sondern der Weg der Jünger zum Vater. Auf die christologisch akzentuierte Äußerung des Thomas gibt Jesus in Joh 14,6 eine soteriologisch ausgerichtete „Antwort“: Zusammen mit Thomas werden die Leser des Johannesevangeliums mit der Reaktion Jesu in Joh 14,6 indirekt darauf hingewiesen, dass mit der von Thomas aufgeworfenen Frage nach dem Weg und dem Ziel Jesu aus der Sicht des johanneischen Jesus ein Problem zur Diskussion steht, das sie selbst betrifft. Sie werden darauf aufmerksam gemacht, dass es im Kern um ihren eigenen Weg zum Vater geht und die Frage, wie sie selbst zu ihm gelangen können. Dieses Problem stellt sich besonders angesichts des ihnen in Joh 13,33.36 angekündigten Weggangs Jesu.107 Nach der Auffassung des johanneischen Jesus kennen die Jünger nun aber ihren Weg zum Vater bereits, da er in der Person Jesu unmittelbar vor ihnen steht und mit ihnen redet. Joh 14,6 enthält zwei inhaltliche Schwerpunkte: Da Joh 14,6b im Unterschied zu den anderen Ich-bin-Worten als Negation formuliert und mit dem exklusiven eij mh; di≠ ejmou` kombiniert ist, erhält die zweite Hälfte des Verses ein besonderes Gewicht. Auch wenn Joh 14,6 zu Thomas gesagt wird, legt doch die allgemein gehaltene Formulierung oujdei;" e[rcetai pro;" to;n patevra eij mh; di≠ ejmou` die Interpretation von V.6 als christologische Aussage nahe, die Anspruch auf universale Gültigkeit über Jesus als den einzigen Weg zum Vater erhebt, neben dem es aus der Perspektive des vierten Evangeliums keine anderen Wege und Heilsmittler zum Vater gibt. So stellt etwa Schnackenburg fest, dass Joh 14,6 einen „Höhepunkt“ johanneischer Theologie darstellt und als „klassische Zusammenfassung der johanneischen, ganz auf Jesus Christus begründeten Heilslehre“ gelten kann.108 Über diesem zentralen christologischen Aspekt, der noch ausführlich zur Sprache kommen wird, ist jedoch nicht der andere, theologische Akzent zu übersehen, den Joh 14,6 auch enthält und auf den es hier ankommt: Positiv gewendet besagt der Vers nichts anderes, als dass der Zugang zum Vater geöffnet ist und es prinzipiell möglich ist, zu ihm zu gelangen.109 107

Zur Verschiebung vom Weg Jesu zum Weg der Jünger zum Vater in Joh 14,6 siehe auch ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 65: „la véritable question posée par le départ de Jésus concerne les disciples et leur relation à Dieu. Comment les disciples peuvent-ils encore avoir accès à Dieu, dès lors que le Révélateur s’en va?“ 108 SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 73; vgl. dazu auch ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 66. Ähnlich BROWN, John II, 630f.; MICHAELIS, Art.: oJdov", ThWNT V, 82f. („die Geltung ist […] nicht auf den Kreis der […] Jünger beschränkt: es steht nicht oujdei;" ejx uJmw`n, sondern oujdeiv" da“); THEOBALD, Herrenworte, 308 und andere. 109 Zur theologischen Pointe von Joh 14,6 vgl. KOESTER, Way, 117–133. Dass in Joh 14,6 im Unterschied zu Joh 14,2f. nun nicht mehr vom Zugang zum „Haus“ des Va-

1.5 Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart

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Von den drei Begriffen Weg, Wahrheit und Leben ist oJdov" der zentrale des Verses, zumal Jesus damit das Leitwort aus Joh 14,4f. aufnimmt, und das Gewicht in Joh 14,6b (oujdei;" e[rcetai pro;" to;n patevra eij mh; di≠ ejmou`) ganz auf der Wegmetaphorik liegt. Die Gottesprädikate Wahrheit und Leben dienen daher in Joh 14,6 zur Erläuterung und Verdeutlichung der Aussage, dass Jesus der Weg zum Vater ist: Indem Jesus die Wahrheit und das Leben offenbart und vermittelt, wird er für jeden, der zu diesem Ziel gelangen will, Weg zum Vater.110 Mit Joh 14,6 macht Jesus also Thomas und mit ihm die Leser des Evangeliums auf sich selbst als ihren Weg zum Vater aufmerksam. Der Weg zum Vater, von dem Thomas sagte, dass die Jünger ihn nicht kennen, ist Jesus selbst – durch ihn (und nur durch ihn) ist es möglich, zum Vater zu gelangen. Vor dem Hintergrund des Ausgangsproblems der ersten Abschiedsrede, dass Jesus weggeht und die Jünger ihm von sich aus nicht folgen können, ist dieser Hinweis aber auch erklärungsbedürftig: Wie kann Jesus für die Jünger der Weg zum Vater sein, wenn sie nicht dorthin kommen können, wohin er geht (Joh 13,33)? Wenn ausschließlich er, wie bei der Analyse von Joh 14,6 gesehen, der Weg zum Vater ist, droht dann nicht gerade mit seinem Weggang Gottesferne für die Jünger? Auf dieses Problem bietet Joh 14,7–11 eine Antwort. 5.3 Die Beziehung zum Vater durch die Erkenntnis Jesu (Joh 14,7–11) 5.3.1 Joh 14,7 In Joh 14,7 wird der Gedanke aus Joh 14,6 vertieft. Dieser Vers steht inhaltlich wie auch stilistisch in engem Bezug zu Joh 14,6: Eij ejgnwvkatev me, kai; to;n patevra mou gnwvsesqe.

Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen.111 (Joh 14,7a-b).

ters, sondern vom Kommen zum Vater selbst die Rede ist, muss nicht als Korrektur des zuvor Gesagten aufgefasst werden (so DIETZFELBINGER, Abschied, 38), sondern kann auch eine Zuspitzung und Präzisierung dessen darstellen, was in Joh 14,2f. mit der Hausund Wohnungsmetaphorik bereits angedeutet wurde. 110 Siehe dazu T HEOBALD, Herrenworte 321f.: Johannes hat das Bildwort vom Weg mit Hilfe der beiden Abstrakta „Wahrheit“ und „Leben“ kommentiert; „Wahrheit“ und „Leben“ erklären, was die Prädikation Jesu als des Weges meint. Jesus ist der Weg zum Vater, insofern in ihm die Wahrheit und das Leben Gottes präsent sind. Siehe dazu auch DE LA P OTTERIE, Vérité I, 252f. (241–278); vgl. auch SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 72f. Das erste kaiv ist dann ein epexegetisches kaiv, vgl. BDR §442 (6a), so BROWN, John II, 621 und viele andere. 111 Diese bei Nestle-Aland27 gebotene Lesart wird hier mit B AUER, Johannesevangelium, 180; B ULTMANN, Johannes, 469; T HYEN, Johannesevangelium, 626; SCHNACKENBURG, Johannes III, 75f.; W EIDEMANN, Tod, 154 Anm. 67 und vielen anderen für

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

Sprachlich spiegelt sich die Verbindung zwischen Joh 14,6 und 7 in dem Chiasmus der Konditionalsätze wider: Der in Joh 14,6d.7a angegebene Weg zum Vater über Jesus bildet den Kern (eij mh; di≠ ejmou` [V. 6d] und eij ejgnwvkatev me [V. 7a]). Er wird in Joh 14,6c.7b von einem Rahmen umgeben, in dem das Ziel genannt wird, das nach V.6c im Kommen zum Vater (oujdei;" e[rcetai pro;" to;n patevra) und nach V.7b im Erkennen des Vaters besteht (kai; to;n patevra mou gnwvsesqe). Joh 14,7a.b schließt daher an Joh 14,6 an. Auf die Frage, wie Jesus trotz seines Weggangs für die Jünger Weg zum Vater sein kann, antwortet Jesus mit dem Hinweis auf die Erkenntnis seiner Person: Wenn die Jünger Jesus als den erkannt haben, der er ist – der Weg zum Vater (V.6) –, werden sie auch seinen Vater erkennen.112 In Joh 14,7c wird dieser Gedanke fortgeführt: Der johanneische Jesus erklärt die Erkenntnis des Vaters durch die Jünger als realisiert – und zwar: „ajp≠ ar[ti“. Außerdem ergänzt er mit eJwravkate aujtovn noch den Aspekt des Sehens: kai; ajp≠ a[rti ginwvskete aujto;n kai; eJwravkate aujtovn.

Und schon jetzt113 erkennt ihr ihn und habt ihn gesehen. (Joh 14,7c).

Die Beziehung zum Vater, welche die Jünger in Form der Erkenntnis des Vaters „schon jetzt“ haben, erhalten sie also nach Joh 14,7 über die Erkenntnis Jesu. Der Wechsel von den räumlichen Kategorien zur Terminologie der Erkenntnis zeigt, dass die Beziehung zu Gott jetzt als Erkenntnisakt bestimmt wird.114 Die Feststellung Jesu in Joh 14,7 wirft allerdings viele Fragen auf: Was bedeutet das Erkennen Jesu und das Erkennen des Vaters? Worauf ist es bezogen? Was heißt ajp≠ a[rti, was rechtfertigt die Übersetzung dieser Wendung mit „schon jetzt“ und inwiefern erkennen die Jünger den Vater ajp≠ a[rti? Worauf ist eJwravkate aujtovn bezogen und was bedeutet es neben ginwvskete aujtovn? Der folgende Dialog mit Philippus spielt eine wichtige Rolle für die Klärung dieser Fragen.

ursprünglich gehalten. Eine Reihe von gewichtigen Textzeugen liest hier allerdings einen irrealen Bedingungssatz (eij ejgnwvkeitev me kai; to;n patevra mou a]n h[/deite mit Variationen bei den einzelnen Textzeugen, siehe dazu die Darstellung bei SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 75). Aber die Fortsetzung „und schon jetzt erkennt ihr ihn und habt ihn gesehen“ erfordert einen vorausgehenden Realis in V.7a–b, es sei denn, man übersetzt ajp≠ a[rti mit „von jetzt an“. Dagegen sprechen jedoch mehrere Gründe, siehe dazu unten 66. 112 Wie die Fortsetzung „kai; ajp≠ a[rti ginwvskete aujto;n kai; eJwravkate aujtovn “ zeigt, ist gnwvsesqe logisches Futur; vgl. T HYEN, Johannesevangelium, 626. 113 Zur Begründung dieser Übersetzung von „ajp≠ a[rti“ siehe unten 66. 114 Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 66.

1.5 Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart

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5.3.2 Joh 14,7–11 (1) Aus der Bitte des Philippus um eine Präsentation des Vaters in Joh 14,8 – „Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns“ – geht hervor, dass er den Sinn der Äußerung Jesu in Joh 14,7 nicht verstanden hat. Sein Wunsch, dass Jesus ihm den Vater „zeigen“ möge, setzt den Gedanken voraus, dass der Vater außerhalb von Jesus zu finden sei, da das Zeigen ein Wegweisen von sich selbst impliziert. Philippus scheint also an einen direkten Zugang zum Vater zu denken.115 In seiner darauf folgenden Reaktion macht Jesus deutlich, dass diese Bitte unangemessen ist. Er weist die Bitte des Philippus zurück, indem er auf sich selbst als den Ort aufmerksam macht, an dem der Vater zu sehen ist: Levgei aujtw/` oJ ≠Ihsou`": tosouvtw/ crovnw/ meq≠ uJmw`n eijmi kai; oujk e[gnwkav" me, Fivlippe; oJ eJwrakw;" ejme; eJwvraken to;n patevra: pw`" su; levgei": dei`xon hJmi`n to;n patevra;

Jesus sagte zu ihm: „Während so langer Zeit bin ich mit euch [zusammen] und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeige uns den Vater?“ (Joh 14,9).

Wie Bultmann dazu treffend bemerkt, ist Jesus nicht in dem Sinne der Weg, dass er „den Zugang vermittelte, um dann entbehrlich zu werden ...“116 Durch seine Rückfrage offenbart Philippus, dass er Jesus, so V.9, nicht erkannt hat. Mit seiner Feststellung oJ eJwvrakw;" ejme; eJwvraken to;n patevra macht Jesus gleichwohl deutlich, dass Philippus ihn – und damit auch den Vater – gesehen hat. Sehen und Erkennen sind also in Joh 14,7 und 9 zu unterscheiden. Philippus hat nach Joh 14,9 Jesus und damit auch den Vater gesehen, ohne dadurch zur Erkenntnis Jesu zu gelangen. Welche Bedeutung hat vor diesem Hintergrund die Äußerung Jesu in V.9 oJ eJwrakw;" ejme; eJwvraken to;n patevra? Und warum betont Jesus in V.7 gegenüber den Jüngern: eJwravkate aujtovn? Für die Interpretation von eJwravkate aujtovn (V.7) und oJ eJwrakw;" ejme; eJwvraken to;n patevra (V.9) ist der Hinweis auf die lange, gemeinsam verbrachte Zeit in V.9 signifikant, der auf das irdische Wirken Jesu Bezug nimmt.117 Er zeigt, dass Johannes bei eJwravkate aujtovn (V.7) an das Sehen Jesu durch die Jünger während seines irdischen Wirkens denkt, das er als Ort der Manifestation des Vaters begreift, und das in den vorangegangenen Kapiteln des Evangeliums geschildert wurde. Der Gedanke oJ eJwrakw;" ejme; eJwvraken to;n patevra, der ähnlich etwa auch in Joh 12,45 oJ qewrw`n ejme; qewrei` to;n pevmyantav me zum Ausdruck gebracht wird, erklärt sich 115

Vgl. W ILCKENS, Johannes, 225. B ULTMANN, Johannes, 467f. 117 Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 169f. 116

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

nach der johanneischen Logik vor dem Hintergrund der Idee von der Einheit zwischen Jesus und dem Vater, wie sie etwa in Joh 10,30 formuliert wird, ebenso wie mit der reziproken Immanenz zwischen dem Vater und dem Sohn. Damit wird der in Joh 14,7 und 9 postulierte Zusammenhang zwischen dem Sehen Jesu und dem Sehen des Vaters („wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“) auch in den folgenden Versen 10 und 11 näher erläutert und begründet. Die beiden reziproken Immanenzformeln in Joh 14,10a und 11a (ejgw; ejn tw/` patri; kai; oJ path;r ejn ejmoiv) sind ein sprachliches Ausdrucksmittel, mit dem Johannes seine Sicht auf das besondere Verhältnis zwischen Vater und Sohn beschreibt:118 Jesus ist „nichts aus sich und für sich“;119 in Jesus ist der Vater offenbar und zugleich offenbart nur Jesus Gott Vater. Das wechselseitige In-Sein von Vater und Sohn signalisiert, dass der Sohn ganz durch den Vater bestimmt ist, wie der Vater durch den Sohn.120 Der Sohn ist Offenbarung des Vaters, ohne dass die Unterschiedenheit beider Personen dadurch aufgehoben wird. 121 Deshalb ist der Vater nicht, wie Philippus meint, außerhalb der Person Jesu zu finden. Vielmehr kann er nur in Jesus gesehen und erkannt werden.122 (2) Die Bitte des Philippus um eine sichtbare Präsentation des Vaters in Joh 14,8 ist zugleich auch ein Signal, das die Leser des Johannesevangeliums auf einen zentralen Punkt aufmerksam macht. Auf der einen Seite sind sie Philippus gegenüber im „Vorteil“, da sie in der Position der nachösterlich „Wissenden“ sind. Auf der anderen Seite stellt sich das Problem des Philippus für die johanneischen Christen in einer anderen Hinsicht in noch massiverer Form als für die Jünger zur Zeit Jesu. Dies geht aus der Reak118

Vgl. außerdem Joh 10,38; 14,20; 17,21.23; zur reziproken Immanenz von Vater und Sohn in Joh 14,10f. siehe SCHOLTISSEK, In ihm sein, 254–256; aus der älteren Literatur zu den johanneischen Einheits- und Reziprozitätsaussagen über Vater und Sohn siehe auch APPOLD, Oneness, 18–34. 119 B ULTMANN, Johannes, 470f. 120 Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 172. Er spricht von einem gegenseitigen Bestimmtsein von Jesus und Gott: „Wie Jesus sich ganz … durch Gott bestimmt weiss, so ist auch Gott ganz durch Jesus bestimmt …“. 121 Zutreffend bemerkt SCHOLTISSEK, In ihm sein, 256, dass es sich bei den reziproken Formeln nicht um „Identitätsaussagen“ handelt. Zur bleibenden Differenz zwischen Vater und Sohn als Voraussetzung ihrer Einheit in den johanneischen Aussagen über die Einheit und die wechselseitige Immanenz von Vater und Sohn, siehe S ÖDING, Ich und der Vater, 197–199. SCHOLTISSEK, Ich und der Vater, 325–328 zeigt am Beispiel von Joh 5,17–19 (und 10,33–38), wie der Einwand, dass die johanneische Christologie mit dem ersten Gebot bricht, im Johannesevangelium selbst thematisiert und entkräftet wird. 122 MICHAELS, John, 777 schlägt passend den Bogen zu Joh 1,18: „… the bad news that ‚No one has seen God, ever,‘ has been balanced against the good news that ‚It was God the One and Only, the One who is right beside the Father, who told about him’ (1:18). To say, ‘the person who has seen me has seen the Father,’ is simply to say that the son reveals the Father.“

1.5 Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart

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tion Jesu in Joh 14,9 hervor, mit der er Philippus auf die lange Zeit aufmerksam macht, die er mit den Jüngern zusammen ist und die Philippus zur Erkenntnis Jesu hätte führen müssen. Was Jesus hier gegenüber Philippus sagt, trifft ja für die Leser des Evangeliums scheinbar nicht zu – sie waren nicht unter den Jüngern zu Lebzeiten Jesu und haben ihn nicht gesehen – weder an Ostern noch davor. Wie kann die Äußerung „tosouvtw/ crovnw/ meq≠ uJmw`n eijmi“ für sie gelten? Dennoch werden auch sie hier in den Blick genommen. Dies ist deutlich an dem Wechsel von der Anrede an Philippus in den Partizipialstil (oJ eJwrakw;" ejme; eJwvraken to;n patevra) in V.9, welcher der These des johanneischen Jesus „wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“, den Charakter einer allgemeingültigen Aussage verleiht.123 Wie die Gestalten der Erzählung haben also auch die Leser des Johannesevangeliums Jesus nach seinen eigenen Worten „gesehen“. Damit sind sie nach Joh 14,9 wie die Jünger in der Lage, den Vater zu sehen, auch ohne Zeugen der Wirksamkeit Jesu zu seinen Lebzeiten gewesen zu sein. Wie das in nachösterlicher Zeit möglich ist, zeigt der Hinweis auf die lange gemeinsam verbrachte zurückliegende Zeit in Joh 14,9. Für die Leser kann damit nur die im Johannesevangelium Schrift gewordene Geschichte Jesu gemeint sein. Während Philippus und die anderen Jünger Jesus zur Zeit seines irdischen Wirkens gesehen haben, „sehen“ sie Jesus in der im Johannesevangelium erzählten Geschichte. Wenn Jesus Philippus auf seine Bitte, den Jüngern den Vater zu zeigen, in Joh 14,9 oJ eJwrakw;" ejme; eJwvraken to;n patevra antwortet, verweist er ihn also an das Johannesevangelium: eJwravkate in Joh 14,9 ist ein selbstreferentieller Hinweis auf das Evangelium selbst.124 Die Relevanz der im Johannesevangelium beschriebenen Jesusgeschichte für die nachösterliche Zeit ist deshalb nicht zu unterschätzen: Die vergangene Geschichte des irdischen Jesus ist auch für die Leser des Evangeliums der ihre Gegenwart als Glaubende „bestimmende Verständnishorizont“.125 Durch die Lektüre des Johannesevangeliums sind die johanneischen Christen wie die Jünger in der Lage, Jesus und in ihm den Vater zu „sehen“. Was aus dem Blickwinkel der Thomasgeschichte in Joh 20,24f. zunächst als Manko des Zu-SpätGekommenen erscheinen mag, der Jesus nicht selbst gesehen hat, sondern auf das sekundäre Zeugnis des Johannesevangeliums angewiesen ist, wird hier ins Positive gewendet: Die Leser des Johannesevangeliums „sehen“ 123

Ähnlich allgemein gehalten ist z.B. auch die Formulierung in Joh 14,6b (oujdei;" e[rcetai pro;" to;n patevra eij mh; di≠ ejmou`). 124 Vgl. WEIDEMANN, Tod, 156–162 (nicht die Geschichte des irdischen Jesus im historischen Sinne, sondern die im Evangelium berichtete irdische Wirksamkeit Jesu ist anvisiert). 125 Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 169.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

Jesus im Evangelium, und wer Jesus im Evangelium „gesehen“ hat, hat den Vater gesehen (V.9). (3) So erklärt sich auch die Zeitangabe ajp≠ a[rti in Joh 14,7: Wenn, wie gezeigt, eJwravkate aujtovn in V.7 auf die Zeit der irdischen Wirksamkeit Jesu anspielt, ist die Wendung ajp≠ a[rti in V.7 (ajp≠ a[rti ginwvskete aujto;n kai; eJwravkate aujtovn) mit „schon jetzt“ und nicht mit „von jetzt an“ zu übersetzen126 und auf der Ebene der Erzählung auf den Zeitpunkt des irdischen Zusammenseins Jesu mit den Jüngern zu beziehen.127 Auf der textpragmatischen Ebene signalisiert dann ajp≠ a[rti, dass die Leser des Evangeliums Jesus und den Vater schon jetzt, das heißt, bei der Lektüre des Johannesevangeliums, im Evangelium „sehen“. So sind sie, ohne Jesus zu seinen Lebzeiten gesehen zu haben, zu der Erkenntnis Jesu in der Lage, welche Voraussetzung für die Erkenntnis des Vaters ist (Joh 14,7.9).128 Das Erkennen Jesu und des Vaters bedeutet also, die unlösliche Verbindung zwischen dem „Sehen“ Jesu und dem des Vaters zu begreifen; zu erfassen, dass wer Jesus „gesehen“ hat, den Vater „gesehen“ hat.129 Durch die Wahl des Perfekts ejgnwvkate in V.7 ist deutlich, dass es dabei um eine bereits vollzogene Erkenntnis geht. Mit dem Perfekt wird bekanntermaßen das Ergebnis eines in der Vergangenheit begonnenen Geschehens, hier also des Erkennens Jesu, zum Ausdruck gebracht, wobei die vollendete Handlung zugleich als in ihren Wirkungen und Folgen noch fortbestehende verstanden wird.130 Wilckens spricht treffend von der „Zukunft vollendeter 126

Dafür spricht außerdem, dass in Joh 13,19, dem einzigen weiteren Beleg dieser Wendung im Johannesevangelium, die Übersetzung „von jetzt an“ nicht möglich ist, sondern ajp≠ a[rti ebenfalls mit „schon jetzt“ wiederzugeben ist. Zur Erläuterung siehe B ULTMANN, Johannes, 365 Anm. 3; SCHNACKENBURG, Johannes III, 31 Anm. 77 und andere. 127 Anders deutet etwa B ROWN, John II, 621: Er bezieht ajp≠ a[rti in Joh 14,7 auf „the supreme ‚hour‘ of revelation that runs from the passion to the ascension“ und nennt den Hinweis auf die „Stunde“ in Joh 16,25 als Parallele. Die „Stunde“ des Weggangs Jesu aus dieser Welt zum Vater sei gemeint (Joh 13,1), welche in Joh 12,23 als Stunde der Verherrlichung des Sohnes gedeutet worden war und nach Joh 13,31 „jetzt“ (nu`n) angebrochen ist. 128 Sachlich entspricht dem die Seligpreisung in Joh 20,29 (makavrioi oiJ mh; ijdovnte" kai; pisteuvsante"). 129 Wie Parallelen im Johannesevangelium zeigen, die von der Erkenntnis Jesu bzw. der des Vaters sprechen (Joh 8,55; 10,14f.; 16,3; 17,3.25), ist ginwvskein hier ein Anerkennen. B ROWN, John II, 631 spricht von einem „convenantal language“, welcher im Alten Testament für Israels Anerkennung JHWHs als des einzigen Gottes verwendet wurde (siehe z.B. Hos 13,14; Jer 24,7; 31,34). 130 Siehe KÜHNER, GERTH II/1, 146f. (§384). Vgl. auch BDR §340 (Ausdruck der Dauer des Vollendeten). Siehe FREY, Eschatologie II, 108f. zum Perfekt von oJra`n in der johanneischen Literatur: „Entsprechend dem continuativen Aspekt bei durativen Lexemen kommt im Perfekt die Auswirkung bzw. die fortgesetzte Gegenwärtigkeit und Be-

1.5 Die Beziehung der Jünger zum Vater in der Gegenwart

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Erkenntnis des Vaters“, die „jetzt“ beginnt: „Wenn Jesu Jünger im Gekreuzigten den Lebenden erkennen werden, wie sie im Irdischen den Sohn Gottes erkannt haben, dann werden sie auch endgültig erkennen, daß er mit Gott eins ist“.131 5.4 Fazit Auf die Ausgangsproblematik der ersten Rede, nach der mit dem Weggang Jesu die Beziehung zu Gott in Frage gestellt ist (Joh 13,33.36), wird nach dem Ausblick auf die zukünftige Gemeinschaft mit Jesus im Haus des Vaters (Joh 14,3) der Blick auf die Gegenwart der Jünger und der johanneischen Christen gelenkt (Joh 14,4–11). Nach der Zukunftsverheißung, dass Jesus wiederkommen und die Jünger mit sich zum Vater nehmen wird, werden die Leser des Evangeliums jetzt darauf hingewiesen, dass sie den Weg zum Vater kennen (Joh 14,4). Diese Aussage wird im folgenden Vers zunächst durch Thomas in Frage gestellt (V.5), um anschließend durch Jesus begründet zu werden: Jesus ist der Weg zum Vater – nur durch ihn ist es möglich, zum Vater zu gelangen (V.6). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Jünger mit dem Weggang Jesu die Beziehung zu Gott verlieren. Vielmehr realisiert sich ihre Beziehung zu Gott in der Gegenwart, die vom Abschied Jesu gekennzeichnet ist, im Sehen und Erkennen Jesu als dem Ort, an dem der Vater gesehen und erkannt wird (V.9). Während Jesus die Jünger der Erzählung dafür an sein Zusammensein mit ihnen zu seinen Lebzeiten verweist, „sehen“ die johanneischen Christen Jesus und in ihm den Vater im Johannesevangelium und sind so, ohne Jesus gesehen zu haben, fähig zu der Erkenntnis Jesu, welche Basis für die Erkenntnis des Vaters ist. Die durch den Weggang Jesu geprägte Gegenwart ist daher aus der Sicht Jesu keine trostlose Zeit, die durch die Trennung vom Offenbarer und damit durch eine Gottesferne charakterisiert ist, welche erst durch das Wiederkommen Jesu in ferner Zukunft aufgehoben werden wird.132

deutung dieser Wahrnehmung zum Ausdruck, z. B. als Erkenntnis, im Zeugnis oder im Glauben.“ (ebd. 109). 131 W ILCKENS, Johannes, 225. 132 Zugleich wird die Zukunftsverheißung, die in Joh 14,3 formuliert wurde, mit Joh 14,4–11 weder zurückgenommen noch kritisch in Frage gestellt oder überflüssig, vgl. FREY, Eschatologie III, 155f. Anders DETTWILER, Gegenwart, 159f. (er sieht hier logische Brüche, die auf johanneische Reinterpretationsprozesse hinweisen; Joh 14,4–6 bildet die erste Stufe der Reinterpretation der traditionellen Aussage von Joh 14,2f.); W EIDEMANN, Tod, 150 (in Joh 14,6 wird die lokale Vorstellung aus Joh 14,2f. in Frage gestellt) und aus der älteren Forschung vor allem B ECKER, Johannes II, 551 (aus seiner Sicht wird in Joh 14,4–11 (wie in V.12–17 und 18–24) die futurische Eschatologie aus Joh 14,3 kritisiert und neu gedeutet).

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

6. Abschließendes Wort Jesu: Die Einbeziehung der Jünger in das Wirken Jesu für den Vater (Joh 14,12–14) 1.6 Die Einbeziehung der Jünger in das Wirken Jesu für den Vater

Joh 14,12–14 bilden den Abschluss der ersten Hälfte des Hauptteils von Joh 13,31–14,31 (Joh 14,2–14). Mit ajmh;n ajmh;n levgw uJmi`n leitet Jesus das Wort in Joh 14,12–14 ein, mit dem er den Jüngern für die Zeit nach seinem Weggang das Vollbringen von Werken und die Erfüllung von Bitten ankündigt. Mit pro;" to;n patevra poreuvomai in V.12 ist eine klare Verbindung zum vorhergehenden Kontext gegeben (V.2f.); ebenso durch die Stichworte e[rga (V.10f.) und pisteuvein (V.1.10f.). 6.1 Die Ankündigung der „größeren Werke“ (V.12) Nach der Anrede des Philippus bzw. der Jünger in der zweiten Person (Joh 14,7–11) wird mit oJ pisteuvwn eij" ejme (V.12) wieder – wie schon in V.9b – in den Partizipialstil gewechselt: ajmh;n ajmh;n levgw uJmi`n, oJ pisteuvwn eij" ejme; ta; e[rga a} ejgw; poiw` kajkei`no" poihvsei, o{ti ejgw; pro;" to;n patevra poreuvomai:

Amen, amen, ich sage euch: Wer an mich glaubt, auch jener wird die Werke tun, die ich tue, und er wird größere als diese tun, denn ich gehe zum Vater. (Joh 14,12).

Jetzt wird eine Aussage mit generellerem Charakter gemacht; es wird über die Jünger hinaus ein größerer Personenkreis in den Blick genommen. Dies zeigt, dass in Joh 14,12 die Zeit nach dem Abschied Jesu bedacht wird. Bei oJ pisteuvwn ist an die Leser des Evangeliums gedacht, die sich bereits in der Situation befinden, die in Joh 14,12 angekündigt wird. Über sie macht Johannes die erstaunliche Aussage, dass sie die Werke tun werden, die Jesus tut, und sogar größere als diese vollbringen werden. Welche Bewandtnis es mit diesen Werken hat, erschließt sich, wenn man den vorangehenden Vers 11 hinzuzieht, wo bereits von den e[rga Jesu die Rede ist. Dort wird zum Glauben an das Sein des Sohnes im Vater und des Vaters im Sohn aufgerufen: pisteuvetev moi o{ti ejgw; ejn tw`/ patri; kai; o; path;r ejn ejmoiv: eij de; mhv, dia; ta; e[rga aujta; pisteuvete. Die Werke, die Jesus tut, weisen also nach Joh 14,11 auf ihn und den in ihm wirkenden Vater hin.133 Entsprechendes gilt für die „Werke“ der Christen nach dem Weggang Jesu: Sie bezeugen das Sein Jesu im Vater ebenso wie das Sein des Vaters in ihm. Der Inhalt der in Joh 14,12 für die Zeit nach dem Abschied Jesu angekündigten Werke der Jünger ist daher nichts anderes als Jesus selbst. Die Sendung der Jünger bezieht sich auf Jesus, der „im Vater ist und in dem 133

Die Werke zeugen für Jesus, vgl. Joh 5,36; 10,25.

1.6 Die Einbeziehung der Jünger in das Wirken Jesu für den Vater

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der Vater ist.“ Indem die an Jesus Glaubenden nach seinem Weggang die „Werke“ tun, die er tut, setzen sie seine Sendung in der Welt fort. So vermittelt Joh 14,12 einen Einblick in das Bild des Johannes von dem Auftrag der Adressaten seines Evangeliums, der darin besteht, Jesus zu bezeugen. Dies erklärt auch, weshalb im Johannesevangelium von keiner ersten Aussendung während der irdischen Wirksamkeit Jesu berichtet wird, sondern die Jünger ihre missionarische Tätigkeit erst nach dem Gang Jesu zum Vater beginnen.134 Auf der Ebene der Erzählung wird die Ankündigung aus Joh 14,12 in Joh 20,21–23 eingelöst: Dort wird berichtet, dass Jesus die Jünger sendet, sie mit dem Geist ausstattet und ihnen die Fähigkeit zum Sündenvergeben bzw. -behalten zuspricht. Diese österliche Beauftragung der Jünger durch Jesus erfolgt charakteristischerweise ohne räumliche und zeitliche Beschränkung – das in Joh 14,12 thematisierte Wirken der Jünger reicht in eine weder zeitlich noch räumlich begrenzte Zukunft.135 Die erstaunliche Aussage, dass die Werke der Christusgläubigen „größer“ als die Werke Jesu sein werden, begründet der johanneische Jesus in Joh 14,12 mit seinem Gang zum Vater (o{ti ejgw; pro;" to;n patevra poreuvomai). Dies zeigt, dass in V.12 nicht daran gedacht ist, dass die Glaubenden größere Wunder als Jesus vollbringen werden. 136 Vielmehr ist Jesu Gang zum Vater die Voraussetzung dafür, dass die Jünger das Entzogensein Jesu in ihre Botschaft aufnehmen können.137 Der Evangelist bringt damit auf eindrückliche Weise die Einsicht zum Ausdruck, dass die Sendung Jesu erst nach ihrem Abschluss zu ihrem vollständigen Sinn gelangt.138 6.2 Die Verheißung der Gebetserhörung (V.13f.) An die Verheißung der „größeren Werke“ schließt sich in V.13f. die Zusage der Gebetserhörung an: 13 kai; o{ ti a]n aijthvshte ejn tw/` ojnovmativ mou tou`to poihvsw, i{na 134

13 Und worum auch immer ihr bittet in meinem Namen, das werde

Joh 20,21. SCHNACKENBURG, Johannes I, 485 macht im Zusammenhang seiner Exegese von Joh 4,38 (ejgw; ajpevsteila uJma`" qerivzein o} oujc uJmei`" kekopiavkate) darauf aufmerksam, dass der Aorist ajpevsteila ernst zu nehmen ist: „Jesus versetzt sich im Geiste in die Zukunft, da er die Jünger bereits ausgesandt hat. Das Joh-Ev berichtet von keiner ersten Aussendung während der irdischen Wirksamkeit Jesu […].“ Entsprechend verhält es sich mit dem Aorist in Joh 17,18; in der Rede von der Aussendung der Jünger in die Welt artikuliert sich die nachösterliche Perspektive; vgl. dazu ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 179 Anm. 138 und 139. 135 Vgl. DIETZFELBINGER, Abschied 48; THEOBALD, Herrenworte, 164. 136 Mit BULTMANN, Johannes, 471 und vielen anderen. 137 Darauf macht SCHLERITT, Passionsbericht, 312 zu Recht aufmerksam. 138 Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 71.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

doxasqh//` oJ path;r ejn tw/` uiJw/`. 14 ejavn ti aijthvshtev me ejn tw/` ojnovmativ mou ejgw; poihvsw.

ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht werde. 14 Worum auch immer ihr mich bittet in meinem Namen, ich werde es tun.

Im Vergleich zu den johanneischen Parallelen in Joh 15,16; 16,23f. fällt auf, dass Jesus in V.14 Adressat der Bitten ist. 139 Diese Besonderheit erklärt sich möglicherweise durch die Verbindung mit V.12 und den in diesem Vers vorausgesetzten Sendungsgedanken: Die „Werke“ der Jünger werden dadurch möglich, dass Jesus sie sendet, wie es später dann in Joh 20,21–23 berichtet wird. Dies könnte ein Grund dafür sein, weshalb Jesus gebeten wird und nicht, wie in Joh 15,16; 16,23f., der Vater.140 Der Bezug auf V.12 legt zudem nahe, dass in Joh 14,13f. nicht allen möglichen Bitten Erhörung zugesichert wird, sondern speziell an Aufgaben und Schwierigkeiten der nachösterlichen Mission gedacht ist.141 Jedenfalls bleibt Jesus nach V.13f. auch nach seinem Gang zum Vater der eigentlich Wirkende: Er erhört nicht nur die Gebete; er ist auch der Urheber der Werke. Er stellt die treibende Kraft hinter dem Wirken der Jünger in der Welt dar; er wird nach seinem Abschied für die Jünger nicht entbehrlich, er ist vielmehr derjenige, der nach seinem Weggang in ihnen handeln wird.142 6.3 Die Einbeziehung der Jünger in das Wirken Jesu für den Vater Mit dem Vorangegangenen ist umrissen, worauf Joh 14,12–14 zusteuern: Die Jünger werden nach dem Gang Jesu zum Vater in ein Verhältnis zu Jesus eintreten, welches auf einer anderen Ebene angesiedelt ist als ihre Beziehung zum irdischen Jesus. Zwar können sie nach seinem Weggang nicht dorthin kommen, wohin er geht (Joh 13,33 vgl. V.36); mit seinem Abschied ist Jesus aber nicht unerreichbar für die Jünger; sie sind auf eine neue Weise mit ihm verbunden durch den Glauben an ihn (oJ pisteuvwn eij" ejmev) und das Gebet in seinem Namen (o{ ti a]n aijthvshte ejn tw`/ ojnovmativ mou ...) bzw. das Gebet zu ihm in seinem Namen (ejavn ti aijthvshtev me ejn tw`/ ojnovmativ mou …). Vor allem aber treten die Jünger nach dem Weggang Jesu in Beziehung zu Gott als Vater. Das geht aus dem theo-logischen Ziel des Wirkens Jesu in ihnen hervor, das mit i{na doxasqh`/ oJ path;r ejn tw`/ uiJw`/ zum Ausdruck gebracht wird. Die auffal139

In Joh 15,16; 16,23f.26 wird der Vater gebeten. In Joh 15,7 bleibt offen, ob Jesus oder der Vater Adressat der Bitten ist. 140 T HEOBALD, Herrenworte, 166 sieht den Grund für diese „christologische Zuspitzung“ im Gedanken der Werke. In den „größeren Werken“ der johanneischen Gemeinde zeichne sich schon die „neue Weise der österlichen Anwesenheit des Erhöhten ab.“ 141 Vgl. SCHNACKENBURG, Johannes III, 82; T HEOBALD, Herrenworte, 167. 142 Vgl. Joh 15,5: cwri;" ejmou` ouj duvnasqe poiei`n oujdevn.

1.7 Die gegenwärtige Distanz der Jünger zu Jesus und zum Vater

71

lende Differenzierung zwischen „Vater“ und „Sohn“ zeigt dabei, dass nach dem Abschied Jesu von Gottesferne keine Rede sein kann: Vielmehr werden die Jünger durch ihre Beteiligung am Wirken Jesu für den Vater in eine besondere Nähe zu Gott als Vater gerückt. Joh 14,12 nennt als den Grund für dieses Verhältnis zu Gott als Vater den Gang Jesu zum Vater – er ermöglicht die Werke der Christusgläubigen mit der Konsequenz, dass sie in Jesu Wirken zur Verherrlichung des Vaters einbezogen werden.

7. Die Reaktion der Jünger: Ihre gegenwärtige Distanz zu Jesus und zum Vater (Joh 14,5.8) 1.7 Die gegenwärtige Distanz der Jünger zu Jesus und zum Vater

In Joh 14,2f. und in 14,4–11 antwortet der johanneische Jesus auf das in Joh 13,33.36 formulierte Ausgangsproblem seines Weggangs und der mit der Trennung von Jesus verbundenen Problematik: Sein Abschied wird bei den Jüngern nicht zu einer Situation der Gottesferne führen. In der Zukunft werden die Jünger nach seinem Wiederkommen in das Haus seines Vaters aufgenommen werden und in den Genuss einer bleibenden Gemeinschaft mit seinem Vater und ihm selbst kommen. Aber auch die Gegenwart ist für die Jünger aus der Sicht Jesu trotz seines Weggangs keine Zeit der Gottesferne. Vielmehr haben sie bereits jetzt (ajp≠ a[rti) eine Beziehung zum Vater: Sie besitzen, so der johanneische Jesus in V.4, das Wissen um den Weg zum Vater: Jesus ist der Weg zum Vater (V.6); er ist der Ort, an dem der Vater zu sehen und zu erkennen ist (V.7.9), und durch die Erkenntnis Jesu stehen die Jünger in Verbindung mit dem Vater. Dieser Beschreibung der Wirklichkeit durch Jesus steht allerdings das in Joh 14,5 und 8 geäußerte Nichtverstehen des Thomas und des Philippus gegenüber. Aus deren Reaktionen auf die Worte Jesu geht deutlich hervor, dass weder das Wissen um den Weg zum Vater (Joh 14,4) noch das Erkennen und Sehen des Vaters (Joh 14,7.9) für die Jünger der Erzählung oder die Leser des Evangeliums einfach auf der Hand liegt. Obwohl die Jünger der Erzählung Jesus zu seinen Lebzeiten gesehen haben und ihn in der Situation der Abschiedsrede sehen, gelingt es ihnen zu diesem Zeitpunkt vor dem Weggang Jesu nicht, in Jesus den Vater zu erkennen und zu glauben, dass Jesus „im Vater ist“ wie auch „der Vater in ihm“ (Joh 14,10f.), wozu Jesus sie in Joh 14,11 auffordert. Auf der textpragmatischen Ebene ist das Problem etwas anders gelagert, weil der Abschied Jesu in der nachösterlichen Situation der Leser des Johannesevangeliums bereits vollzogen ist. Dennoch treten die strukturellen Parallelen der Situation der Leser zur Lage der Jünger der Erzählung klar zutage. Vor allem durch das Perfekt (Joh 14,7.9) und den verallgemeinernden Partizipialstil (Joh 14,9) wird deutlich markiert, dass die Leser aus

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johanneischer Sicht zur Erkenntnis und zum Sehen des Vaters in der Lage sein müssten (und es aus der Sicht Jesu auch sind!), zumal sie Jesus im Evangelium „sehen“ können. Dennoch zeigen die Fragen des Thomas und des Philippus, dass dies nicht der Fall ist. Die Jünger hören die Rede Jesu, aber sie verstehen sie nicht. Dies entspricht auch der Lage der Leser des Evangeliums: Diese sind in Unruhe, Verwirrung und Furcht und müssen – von Zweifel bedroht – zum Glauben aufgerufen und motiviert werden (Joh 14,1.29). Deshalb stellt sich die Frage, wie es für die Jünger, die Jesus in den Begegnungen mit ihm zu seinen Lebzeiten gesehen haben, und die nach Ostern lebenden Leser, die ihn in der Lektüre des Johannesevangeliums „sehen“, möglich sein wird, Jesus zu erkennen – das heißt, aus johanneischer Sicht, Jesus als den zu erkennen, in welchem der Vater präsent, erkennbar und sichtbar ist und der ihren eigenen Weg zum Vater darstellt.

8. Die Verheißung Jesu: Die Nähe des Vaters durch die Gabe des Geistes und das erneute Kommen Jesu (Joh 14,15–26) 1.8 Die Nähe des Vaters durch den Geist und das Kommen Jesu

Bei der vorangehenden Analyse von Joh 14,2–14 wurde deutlich, dass zwischen der von Jesus beschriebenen Wirklichkeit und ihrer Wahrnehmung durch die Jünger eine Diskrepanz besteht: Während die Jünger aus der Sicht Jesu um den Weg zum Vater wissen (Joh 14,4) und den Vater schon jetzt erkennen und gesehen haben (Joh 14,7), offenbaren die Jünger selbst mit ihrer Reaktion ihr Nichtverstehen und so ihre gegenwärtige Distanz zu Jesus und zum Vater (Joh 14,5.8). Wie und wann wird es für die Jünger möglich, Jesus als den zu erkennen, in dem der Vater präsent ist, und so trotz des Weggangs Jesu ihre gegenwärtige Distanz zu ihm und zum Vater zu überwinden? In der folgenden Textpassage Joh 14,15–26 wird mit der Verheißung der Gabe des Geistes (V.16f.), des erneuten Kommens Jesu (V.18–20) und des Kommens von Vater und Sohn (V.21–23) darauf geantwortet, ebenso wie mit dem Hinweis auf die Liebe zu Jesus und das Halten seiner Gebote bzw. seines Wortes (V.15.21a.23a.24), welcher den Abschnitt Joh 14,15–26 zusammenhält und die Verheißungen in V.16f.18– 20.21b und 23b rahmt. 8.1 Die Nähe des Vaters zu den Jüngern im Geist (Joh 14,16f.) In Joh 14,16f. zeigt Jesus den Jüngern eine für sie positive Konsequenz seines Weggangs auf: Sein Fortgang ist die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass der Geist der Wahrheit kommt. Auf die Bitte Jesu hin wird der Vater den Jüngern einen „anderen Beistand“ geben:

1.8 Die Nähe des Vaters durch den Geist und das Kommen Jesu

16 kajgw; ejrwthvsw to;n patevra kai; a[llon paravklhton dwvsei uJmi`n, i{na meq≠ uJmw`n eij" to;n aijw`na h\/, 17 to; pneu`ma th`" ajlhqei;a", o} oJ kovsmo" ouj duvnatai labei`n, o{ti ouj qewrei` aujto; oujde; ginwvskei: uJmei`" ginwvskete aujtov, o{ti par≠ uJmi`n mevnei kai; ejn uJmi`n e[stai.

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16 Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, damit er bis in Ewigkeit mit euch sei, 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht erkennt. Ihr erkennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. (Joh 14,16f.).

Die Wiedergabe von paravklhto"143 mit „Beistand“ ist in der Verwandtschaft von paravklhto" mit dem Verb parakalei`sqai begründet; das Verbaladjektiv paravklhto" bezeichnet einen als Beistand oder Zeugen zur Unterstützung Herbeigerufenen.144 Aufschluss darüber, in welcher Hinsicht der Geist in der ersten Abschiedsrede als Beistand gesehen wird, bieten die Hinweise in Joh 14,16f. und Joh 14,26 zur Bedeutung und Funktion des Geistes. Im Folgenden wird V.16f. betrachtet; die Äußerungen des johanneischen Jesus in V.26 über die Tätigkeit des Geistes, mit der dieser den Jüngern bzw. der nachösterlichen Gemeinde die Worte Jesu erschließt und präsent hält, werden später besprochen.145 In V.16 fällt zunächst die Rede von einem a[llo" paravklhto" ins Auge. Die Frage, ob paravklhto" an dieser Stelle titular gebraucht wird146

143

Paravklhto" ist im Neuen Testament nur in den Abschiedsreden des Johannesevangeliums (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7) und in 1Joh 2,1 belegt. In der paganen griechischen Literatur findet sich paravklhto" in der Bedeutung „Helfer, Beistand vor Gericht“ vgl. die Belege bei BEHM, paravklhto", ThWNT V, 799. In der rabbinischen Literatur ist paravklhto" ein geläufiges Lehnwort; dort bezeichnet es im Gegensatz zu einem Ankläger den Fürsprecher vor Gott, siehe die Belege bei B EHM, paravklhto", ThWNT V, 800. 144 Vgl. B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. paravklhto", Sp.1249f. Helfer oder Fürsprecher ist, so Bauer, Aland, bei allen johanneischen Belegen treffend (siehe B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. paravklhto", Sp.1250). 145 Siehe unten 97f. Die in der Forschung breit diskutierte Frage nach den religionsgeschichtlichen Wurzeln von paravklhto" ist hier nicht zu erörtern, siehe dazu z.B. DETTWILER , Gegenwart, 183–188; S CHNACKENBURG, Johannesevangelium II, 563–568 (Exkurs 16 Der Paraklet); MÜLLER, Parakletenvorstellung, 31–77; DIETZFELBINGER, Abschied, 202–208; P ASTORELLI, Paraclet, 5–20. Weitere Literaturangaben finden sich bei T HYEN, Geist, 663f. 146 Dann ist a[llon paravklhton dwvsei uJmi`n mit „er wird euch einen anderen Parakleten geben“ zu übersetzen; a[llo" wäre folglich attributives Adjektiv zu paravklhto", siehe DETTWILER, Gegenwart, 190. Schnackenburg setzt voraus, dass der heilige Geist in der johanneischen Schule schon früh den „Titel“ des Parakleten erhalten hat; paravklhto" sei demnach eine dem Evangelisten bekannte Größe gewesen (S CHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 168).

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oder eine Eigenschaft des Geistes ist147, muss hier nicht geklärt werden. Unabhängig davon, ob paravklhto" in Joh 14,16 als Titel verwendet wird oder eine spezielle Funktion des Geistes bezeichnet, ist für uns vor allem wesentlich, dass die Verheißung eines a[llo" paravklhto" im gegebenen literarischen Zusammenhang voraussetzt, dass Jesus sich selbst als Paraklet für die Jünger betrachtet. Durch den Hinweis auf einen a[llon paravklhton, den der Vater auf seine Bitte hin den Jüngern geben wird, rückt der johanneische Jesus den Geist also deutlich in die Nähe zu sich selbst.148 Dem entspricht, dass der Geist in V.16f. Züge trägt, die ihn mit Jesus verbinden. Dies betrifft zum einen seine Prädikation als „Geist der Wahrheit“ (siehe auch Joh 15,26; 16,13).149 Vor allem aber betrifft es die Ankündigung seines „Mitseins“ mit den Jüngern (i{na meq≠ uJmw`n ... hó\). Mit eben dieser Wendung hatte Jesus im vorangehenden Textzusammenhang sein eigenes Zusammensein mit den Jüngern charakterisiert, wie es für die Zeit vor seinem Weggang charakteristisch war (z.B. Joh 3,22; 6,3; 11,54; 13,33; 14,9).150 Auch in Joh 16,4 wird er darauf wieder mit derselben Wendung Bezug nehmen (tau`ta de; uJmi`n ejx ajrch`" oujk ei\pon, o{ti meq≠ uJmw`n h[mhn). Wesentlich ist dabei, dass metav mit Genetiv im Johannesevangelium das Sein in einer Gruppe bezeichnet,151 also der Aspekt des Verbundenseins betont ist. Aus der rückblickenden Deutung des „Mitseins“ Jesu mit den Jüngern in Joh 17,12 geht darüber hinaus hervor, dass mit dem „Mitsein“ nicht nur der Gedanke der Gemeinschaft assoziiert ist, 147

„Er wird euch einen anderen als Parakleten geben“; a[llo" wäre nach diesem Verständnis das Substantiv und paravklhto" prädikativ gebraucht, so z.B. T HYEN, Johannesevangelium, 615.631. 148 Vgl. BROWN, John II, 1140 („If the Paraclete is ‚another Paraclete‘, this implies that Jesus was the first Paraclete …“); P ORSCH, Pneuma, 242; T HYEN, Geist, 668f.; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 72 und viele andere. Die mit a[llo" paravklhto" signalisierte indirekte Parallelisierung des Geistes mit Jesus legt nahe, dass der Geist in Joh 14,16f. als vom Vater bevollmächtigter Stellvertreter Jesu in nachösterlicher Zeit dargestellt werden soll. 149 In Joh 14,6 hatte sich Jesus selbst als „den Weg, die Wahrheit und das Leben“ bezeichnet; siehe oben 61. 150 Die indirekte Bezeichnung Jesu als Paraklet in Joh 14,16 dürfte deshalb an Jesu Wirken als Beistand für die Jünger auf der Erde erinnern (so SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 84; BROWN, John II, 644 und andere). In Joh 16,17 wird meq≠ uJmw`n (V.16) ergänzt durch par≠ uJmi`n mevnei kai; ejn uJmi`n e[stai. Wie bei meq≠ uJmw`n h\ó ist bei par≠ uJmi`n mevnei kai; ejn uJmi`n e[stai nicht an ein Sein des Geistes in jedem einzelnen Glaubenden gedacht; parav mit Dat. Pl. heißt sonst im Johannesevangelium nicht in und ejn mit Dat. Pl. kann zwar in heißen, aber auch unter oder mit, siehe Joh 9,16; 10,19; 11,54; 15,24; 17,10. Dieser Sinn von ejn uJmi`n liegt auch in Joh 12,35 vor, das darin eine Parallele zu Joh 14,17 darstellt, siehe B ORING, Paraclete, 114, Anm. 1. 151 Siehe auch Joh 3,22; 6,3; 7,33; 11,54; 12,8; 13,33; 14,9.30; 16,4; 17,12; 18,2.5.18; 20,24.26, vgl. dazu B ORING, Paraclete, 114 Anm. 1.

1.8 Die Nähe des Vaters durch den Geist und das Kommen Jesu

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sondern auch der der Bewahrung und des Schutzes, der verhindern soll, dass einer der Jünger verlorengeht.152 In der Bitte um die Gabe eines „anderen Beistands“ für die Jünger wird die Bitte Jesu an den Vater in Joh 17,11f. vorweggenommen, die Jünger in der Welt zu bewahren, wie er selbst [sc. Jesus] sie bewahrt hat.153 Vor dem Hintergrund des „Mitseins“ Gottes mit seinem Volk (z.B. Ex 34,9; Dtn 2,7; 31,6.8; Ps 46,8.12) oder einzelnen prophetischen Gestalten wie Mose (Ex 3,12), Josua (Dtn 31,8) oder Jeremia (Jer 1,8) konkretisiert sich im „Mitsein“ Jesu mit seinen Jüngern die Heilsgegenwart Gottes.154 Diese Funktion, die bisher Jesus gegenüber den Jüngern auf der Erde ausgefüllt hatte, wird nach seinem Abschied der Geist durch sein „Mitsein“ (ei\nai metav) mit den Jüngern übernehmen (V.16), indem er in Gemeinschaft mit ihnen sein wird, ihnen Schutz gewährt und sie vor dem Heilsverlust (ajpovllumi, siehe Joh 17,12) bewahrt. Zugleich wird mit der Bemerkung, dass der Geist gegeben wird, um in Ewigkeit (eij" to;n aijw`na) bei den Jüngern zu sein (V.16), den Leserinnen und Lesern aber auch die Differenz zwischen dem Geist und dem irdischen Jesus eingeschärft; während der irdische Jesus nur bis zu seinem Weggang bei den Jüngern bleiben wird (Joh 12,8.35; 13,33), wird der Geist im Unterschied dazu dauerhaft bei ihnen sein. Für die Frage nach der Gottesbeziehung der Jünger in der Zeit nach dem Weggang Jesu ist die Beobachtung wichtig, dass es nach Joh 14,16 der Vater ist, der den Jüngern den Geist schicken wird. Die damit ausgesprochene Unterscheidung des Vaters vom Sohn ist angesichts der bevorstehenden Trennung der Jünger von Jesus signifikant: Nach dem Abschied Jesu wird, so der johanneische Jesus, der Vater in Beziehung zu den Jüngern treten, indem er ihnen auf Jesu Bitte hin den Geist geben wird. Mit der Geistverheißung antwortet Jesus deshalb auch auf die Frage der Gottesbeziehung der Jünger nach seinem Weggang: Während der Fortgang Jesu für die „Welt“, die den Geist nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht erkennt (V.17), aus johanneischer Perspektive die Trennung von Gott bedeutet, bricht mit der Abwesenheit Jesu für die Jünger nicht notwendigerweise eine Zeit der Gottesferne an. Auf die zeitlich befristete und räumlich begrenzte Gegenwart Gottes bei den Jüngern im irdischen Jesus folgt nämlich das zeitlich und räumlich unbegrenzte „Mitsein“ Gottes mit den Jüngern durch den Geist.155 152

In Joh 17,12 sagt Jesus: o{te h[mhn met≠ aujtw`n ejgw; ejthvroun aujtou;" ejn twó` ojnovmativ sou wó| devdwkav" moi, kai; ejfuvlaxa, kai; oujdei;" ejx aujtw`n ajpwvleto […]. Vgl. dazu im Blick auf Jesus selbst das „Mitsein“ des Vaters, der Jesus nicht allein lässt (Joh 8,29 und 16,32). 153 Auf diesen Textbezug macht W ILCKENS, Johannes, 227 aufmerksam. 154 Zu diesen biblischen Bezügen siehe W ILCKENS, Johannes, 227. 155 Diesen Punkt hebt ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 72 mit Recht in seiner Analyse von V.16 hervor.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

8.2 Das neue Gottesverhältnis der Jünger nach dem erneuten Kommen Jesu (Joh 14,18–20) Mit der Geistverheißung in Joh 14,16f. hatte Jesus die Frage der Gottesbeziehung der Jünger nach seinem Weggang positiv beantwortet. Offen geblieben war allerdings dabei noch, wie und wann die Jünger Jesus als den erkennen werden, in dem der Vater gegenwärtig ist, und ihre jetzige Distanz zu Jesus und zum Vater überwinden können. Auf dieses Problem geht der johanneische Jesus in Joh 14,18–20 ein: In Joh 14,18f. sagt er den Jüngern zu, dass er zu ihnen kommt und sie ihn sehen. Damit ist die Verheißung einer Erkenntnis verbunden, durch die sie ihre jetzige Distanz zu ihm und zum Vater überwinden werden (Joh 14,20). 8.2.1 Die Aufhebung der Trennung von Jesus durch das erneute Kommen Jesu und das Sehen der Jünger (Joh 14,18f.) Nach der Geistverheißung in V.16f. setzt V.18 neu ein mit der Versicherung Jesu, dass er die Jünger nicht als „Waisen“ zurücklassen werde: 18 Oujk ajfhvsw uJma`" ojrfanouv", e[rcomai pro;" uJma`".

18 Ich lasse euch nicht als Waisen zurück, ich komme zu euch.

Zu dem Gedanken, dass die Jünger nicht verwaist zurückbleiben sollen, gibt es Entsprechungen in Texten aus dem weiteren und dem näheren religionsgeschichtlichen Kontext des Johannesevangeliums, welche die Verlassenheit von Schülern nach dem Tod des Lehrers mit der Waisenmetaphorik zum Ausdruck bringen: In Platons Phaidon erscheint den Zuhörern des Sokrates dessen bevorstehender Tod, als würden sie ihres Vaters beraubt und müssten von nun an als Waisen leben (hJgouvmenoi w{sper patro;" sterhqevnte" diavxein ojrfanoi; to;n e[peita bivon).156 In Lukians „De morte Peregrini“ rühmt der Kyniker Theagenes Peregrinus Proteus, der mit seiner Selbstverbrennung zu den Göttern zurückkehren und seine Anhänger als Waisen zurücklassen werde (ojrfanou;" hJma`" katalipovn).157 In den Aboth de Rabbi Nathan erklärt Rabbi Akiba seinen Lehrer Rabbi Eliezer ben Hyrkanos bei dessen Tod zum Vater, der das ganze Zeitalter verwaist zurücklässt,158 und Rabbi Jehoschua preist in der Mekhilta de Rabbi Jischmael Rabbi Elasar ben Azarja, indem er zum Ausdruck bringt, dass die Generation, in deren Mitte er wohne, nicht

156

Platon, Phaidon 116a. Siehe Lukian, De morte Peregrini 6. 158 ARN (A) 25 [Schechter 41a], siehe STRACK, B ILLERBECK II, 562.

157

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verwaist sei.159 Die Waisenmetaphorik bezieht sich in diesen Texten auf die Schüler und kennzeichnet ihr Verhältnis zu ihrem Lehrer, darum hat ihr „Verwaistsein“ wie das „Verwaistsein“ der Jünger in Joh 14,18 einen bildlichen Charakter.160 Auch die Anrede der Jünger durch Jesus als tekniva in Joh 13,33 kann man als einen Hinweis darauf sehen, dass mit oujk ajfhvsw uJma`" ojrfanouv" in Joh 14,18 auf die Beziehung Jesu zu den Jüngern angespielt wird.161 Allerdings erscheint Jesus weder in den Abschiedsreden noch im engeren Kontext von Joh 14,18f. als „Vater“ der Jünger. Dennoch ist der Gedanke des Verwaistseins der Jünger angesichts des bevorstehenden Weggangs Jesu (Joh 13,33.36) in diesem Kontext plausibel, und zwar unabhängig davon, ob Jesus hier in einer Vaterrolle gesehen wird oder nicht: Mit der Trennung von Jesus ist ja, wie gezeigt, die Gottesbeziehung der Jünger in Frage gestellt. Die Befürchtung liegt daher nahe, dass die Jünger mit dem Abschied Jesu verwaisen, da für sie mit dem Weggang Jesu die Verbindung zu Gott auf dem Spiel steht. Die Waisenmetaphorik würde sich dann auf das Verhältnis der Jünger zu Gott Vater beziehen.162 Dem tritt Jesus in Joh 14,18f. entgegen mit der Verheißung seines Kommens und der Ankündigung, dass die Jünger ihn in Kürze sehen: 19 e[ti mikro;n kai; oJ kovsmo" me oujkevti qewrei`, uJmei`" de; qewrei`tev me, o{ti ejgw; zw` kai; uJmei`" zhvsete.

19 Noch kurz, und die Welt sieht mich nicht mehr, ihr aber seht mich, weil ich lebe, und ihr werdet leben.

Mit der Formulierung e[ti mikro;n kai; oJ kovsmo" me oujkevti qewrei` wird in Joh 14,19 an die vorausgegangenen Belege zu mikrovn in Joh 7,33; 12,35 und 13,33 angeknüpft. In allen drei Textbelegen bezeichnet mikrovn die kurze Zeitspanne bis zur Trennung von Jesus. Indem der Evangelist mit e[ti mikrovn in Joh 14,19 wieder dieselbe einleitende Zeitbestimmung wie schon in Joh 7,33; 12,35 und 13,33 gebraucht, lenkt er die Aufmerksamkeit 159

Mekh Ex 13,2 (23a), siehe STRACK, B ILLERBECK II, 562. Hinweise auf weitere religionsgeschichtliche Parallelen zur Waisenmetaphorik in Joh 14,18 finden sich z.B. bei B AUER, Johannesevangelium, 184. 160 Wenn Hiob in TestHiob 53 als „Vater der Waisen“ bezeichnet wird, ist hingegen an echte Waisen gedacht, für die Hiob zu seinen Lebzeiten gesorgt hat, vgl. dazu z.B. Hiob 29,12; 31,17. Die Vaterbezeichnung kennzeichnet hier die Fürsorge Hiobs, welche die Waisen mit seinem Tod verloren haben. 161 Entsprechend interpretiert W EIDEMANN, Tod, 178 die Wendung. Vgl. auch KEENER , John, 973. 162 Auch in Epiktet, Diss. III,24,14–16 wird die Waisenmetaphorik zur Beschreibung des Verhältnisses des Menschen zu Gott (Zeus) verwendet; Epiktet schreibt Herakles hier die philosophische Einsicht zu, dass kein Mensch verwaist ist, weil alle Zeus als ihren Vater haben, der für sie sorgt.

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der Leserinnen und Leser auf den inhaltlichen Zusammenhang zwischen diesen Textstellen. Wie in den vorangegangenen Textbelegen führt e[ti mikrovn auch in Joh 14,19a eine Aussage über die bevorstehende Trennung von Jesus ein. Entscheidend ist dabei aber, dass sie sich hier nur auf die Welt bezieht: Die Welt sieht Jesus in kurzer Zeit nicht mehr; für sie wird Jesus mit seinem Weggang unerreichbar sein (e[ti mikro;n kai; oJ kovsmo" me oujkevti qewrei`). Ganz anders stellt sich die Situation für die Jünger dar: Ihnen wird in Joh 14,19b verheißen, dass sie Jesus sehen (uJmei`" de; qewrei`tev me).163 Durch diese Differenz zu den vorangegangenen Texten, in welchen e[ti mikrovn auf eine Aussage über den Weggang Jesu und die Trennung von ihm vorbereitet hatte, erhält die Verheißung uJmei`" de; qewrei`tev me in V.19b ein besonderes Gewicht. Wenn die Jünger nicht an den Ort und das Ziel des Weggangs Jesu kommen können (Joh 13,33.36), heißt dies also nicht, dass sie verwaist, das heißt, von Gott verlassen, auf dieser Erde zurückbleiben. Vielmehr wird die Situation der Trennung von Jesus für die Jünger – im Unterschied zur „Welt“ – durch die Zusage aufgebrochen, dass Jesus zu ihnen kommt (e[rcomai pro;" uJma`") und sie ihn in Kürze sehen (uJmei`" de; qewrei`tev me). 8.2.2 Die Bedeutung des erneuten Kommens Jesu und des Sehens der Jünger Worauf sich das in Joh 14,18f. angesagte Kommen Jesu und Sehen der Jünger bezieht, ist in der exegetischen Diskussion strittig. Wir beginnen mit der Ankündigung Jesu in V.18 e[rcomai pro;" uJma`". Bevor ein Vorschlag zur Lösung des Problems gemacht wird (3), werden zunächst die grundlegenden Deutungsmodelle aus der Forschung knapp skizziert (1) und (2): (1) Gelegentlich wird die Zusage des Kommens Jesu in Joh 14,18 auf die Parusie bezogen.164 Mit dem Kommen Jesu wäre dann eine dauerhafte Aufhebung des Verwaistseins gemeint, die auch das Verlassensein der Adressaten des Johannesevangeliums beträfe.165 Dass dies nicht möglich sei, 163

Vgl. dazu DETTWILER, Gegenwart, 193: „Bezog sich das e[ti mikrovn in 13,33 ausschließlich auf Jesu Tod als seines radikalen Entzogenseins für Juden und Jünger, so umfasst das e[ti mikrovn von 14,19 offenbar den Tod und die Auferstehung Jesu als einen Ereigniskomplex.“ Die Wendung e[ti mikrovn ist in Joh 14,19 also etwas anders als in Joh 7,33; 12,35 und 13,33 akzentuiert, siehe dazu auch W EIDEMANN, Tod, 178. 164 Vgl. ZAHN, Johannes, 568; SCHNELLE, Johannes, 232f.; DERS., Abschiedsreden, 68f. 165 Vgl. dazu SCHNELLE, Abschiedsreden, 68f.; DERS., Johannes, 231. Frey meint, dass in V.18 ein traditionelles Logion aufgenommen sei, welches „im Rahmen der Gemeindetradition“ die Parusieerwartung zum Ausdruck gebracht habe. Er interpretiert e[rcomai pro;" uJma`" als futurum instans und beruft sich auf Joh 21,22f. (e{w" e[rcomai) und

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weil es der präsentischen Eschatologie des Evangeliums widerspreche, 166 lässt sich so nicht sagen, da die futurisch-eschatologischen Aussagen neben den präsentisch akzentuierten für die johanneische Theologie durchaus von Bedeutung sind;167 dennoch ist die Parusiehypothese für Joh 14,18 aus mehreren Gründen nicht wahrscheinlich: Zum einen steht die Wiederkunft Christi zur Zeit der Abfassung des vierten Evangeliums noch aus. Jesus hätte dann entgegen seiner Verheißung in V.18 eine ganze Generation von Christen verwaist zurückgelassen.168 Gegen die Deutung des „Kommens“ Jesu als externe, auf die Parusie am Ende der Zeit bezogene Prolepse spricht aber auch die Fortsetzung in Joh 14,19. Dieser Vers führt den Gedanken aus Joh 14,18 weiter und bezieht sich mit dem Thema der Nichtsichtbarkeit Jesu für die Welt bei gleichzeitigem, dauerhaftem „Sehen“ Jesu durch die Jünger nicht auf das Erscheinen Jesu am Ende der Zeit, sondern auf einen Vorgang, der auf der narrativen Ebene für die unmittelbar bevorstehende Zukunft zu erwarten ist169 und auf der textpragmatischen Ebene die Gegenwart meint, in der die johanneischen Christen leben. Dafür spricht unter anderem, dass V.19 parallel zu V.17 konstruiert ist, wo wie in V.19 vom Gegensatz zwischen dem Nichtsehen und Nichterkennen der Welt und dem Erkennen der Jünger die Rede ist.170 Der Dualismus zwischen dem Nichtsehen der Welt und dem Sehen der Jünger ergibt sich in V.19 nicht aus einem Erscheinen Jesu am Ende der Zeit, sondern aus dem bereits vorausgesetzten Kommen des Offenbarers und der schon vollzogenen bzw. sich gegenwärtig vollziehenden Konfrontation der Welt mit der Offenbarung.171 (2) Plausibler als die Parusiehypothese ist die Interpretation des Kommens Jesu in Joh 14,18 als Hinweis auf das österliche Kommen des Auferstandenen, welches in den Erzählungen von den Ostererscheinungen in Joh 20 berichtet wird.172 Für sie spricht vor allem die Verbindung der Rede

Joh 14,3 (pavlin e[rcomai) als Parallelen, die zeigten, dass den Lesern des Johannesevangeliums eine solche Ausdrucksweise vertraut war (vgl. FREY, Eschatologie III, 164– 166). 166 Vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 90 Anm. 98. 167 Vgl. FREY, Eschatologie II-III bes. III, 463–488. 168 Vgl. THYEN, Johannesevangelium, 632. 169 Siehe dazu unten 82f. Wegen der Zeitbestimmung e[ti mikrovn hat das Nichtsehen der Welt und das Sehen der Jünger in V.19 eine futurische Bedeutung (BDR §323, vgl. Anm. 1). 170 Diese strukturelle Parallelität von V.17 und 19 hebt auch HOEGEN-ROHLS, Johannes, 108 in ihrer Auslegung von Joh 14,19 besonders hervor. 171 Vgl. ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 123 Anm. 17 und 18. 172 Vgl. W ELLHAUSEN, Johannis, 67; LAGRANGE, Jean, 385; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 88–90; BECKER, Johannes II, 557f.; LINDARS, John, 480f.; BEASLEYMURRAY, John, 258f.; SMITH, John, 275; LÉON-DUFOUR, Jean III, 123; ZUMSTEIN, Oster-

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vom Kommen Jesu mit der Verheißung in V.19, dass die Jünger Jesus in Kürze sehen. Weiterhin wird das „Sehen“ der Jünger in V.19 damit begründet, dass Jesus lebt (uJmei`" de; qewrei`tev me, o{ti ejgw; zw`).173 Zwar handelt es sich dabei nicht um eine spezifisch österliche Aussage. Auch in Joh 6,57 ist vom „Leben“ Jesu die Rede, und zwar ohne einen österlichen Bezug.174 In Verbindung mit Motiven wie dem Kommen Jesu und dem Sehen der Jünger, die in den Erzählungen von den Ostervisionen in Joh 20 wieder erscheinen175, ist es aber doch wahrscheinlich, dass in der Wendung „ich lebe“ in Joh 14,19 die Lebendigkeit Jesu anklingt, die in Joh 20 zwar nicht eigens erwähnt, aber selbstverständlich vorausgesetzt wird.176 Bei Joh 14,18f. bzw., wie später deutlich werden wird, Joh 14,18–24 handelt es sich daher wohl mit Dietzfelbinger, Theobald, Zumstein und anderen um einen Kommentartext, der die Ostererzählungen in Joh 20 vorweg reflektiert und deutet: Joh 14,18f. ist das diskursive Gegenstück zu der narrativen Sequenz in Joh 20, in welchem der theologische Gehalt des österlichen Kommens Jesu interpretiert wird. Umgekehrt sollen, so die Intention des Evangelisten, die Erscheinungsberichte in Joh 20 im Licht der theologischen Deutung in Joh 14,18f. gelesen werden.177 erfahrung, 121–129; DIETZFELBINGER, Abschied, 53–57; T HEOBALD, Osterglaube, 93–99 und viele andere. 173 Kai; uJmei`" zhvsete kann man mit W EIDEMANN, Tod, 179 als eigenständigen Satz begreifen: Auf ejgw; zw` folgt der „… konsekutiv … zu interpretierende futurische Nachsatz kai; uJmei`" zhvsete“. Das Versprechen von „Leben“ ist mit dem Sehen verbunden, das den Jüngern gewährt wird, siehe auch ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 125. Anders z.B. Schnackenburg, der kai; uJmei`" zhvsete als Teil des o{ti-Satzes begreift, vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 86 und 89: Sie sehen Jesus, weil er lebt und sie leben werden. So auch B ULTMANN, Johannes, 478f. Anm. 7; SCHLERITT, Passionsbericht, 318. 174 Die Aussage in Joh 6,57 entspricht dem johanneischen Grundgedanken, dass Jesus Träger des Lebens ist, siehe dazu Joh 1,4; 5,26. In Joh 5,25f. und 11,25 ist er verbunden mit der Vorstellung von der Vermittlung des Lebens an die Glaubenden (siehe auch Joh 14,6). 175 Zum Kommen Jesu siehe Joh 20,19.24.26; zum (erkennenden) Sehen des Auferstandenen siehe Joh 20,18.20.25.29. 176 Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 193, der „ich lebe“ als knappsten Ausdruck für die urchristliche Ostererfahrung bezeichnet und auf Mk 16,11; Lk 24,5.23; Apg 1,3; Röm 14,9; Apk 1,18 hinweist. Auf Ostern beziehen Joh 14,18–20 BULTMANN, Johannes, 478f.; D IETZFELBINGER, Osterglaube, 51–79 (Joh 14,18–24); ZUMSTEIN, Logien Jesu, 184f.; DERS., Narratologische Lektüre, 284; DERS., Ostererfahrung, 117–129; T HEOBALD, Osterglaube, 94–99 (Joh 14,18–24); RUSCHMANN, Maria, 165f.; WEIDEMANN, Tod, 178f. und viele andere. 177 Siehe D IETZFELBINGER, Osterglaube, 51–79; DERS., Abschied, 55–63; T HEOBALD, Osterglaube, 93–123 (bes. 93–99.123); ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 119–129.139f. Bei ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 122f. finden sich weitere Argumente für den Bezug von V.18f. auf das österliche Kommen Jesu und Sehen der Jünger.

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Die Erklärung von Joh 14,18 allein vor dem Hintergrund der in Joh 20 geschilderten Ostererfahrungen lässt allerdings auch einige Probleme offen: So macht Brown mit Recht darauf aufmerksam, dass es in Joh 14,18f. um eine dauerhaftere Gegenwart Jesu gehen muss als bei den Ostererscheinungen. Sonst ergäben die Worte Jesu, dass er die Jünger nicht als Waisen zurücklasse, wenig Sinn.178 Dazu kommt die Beobachtung, dass die Zusage des Kommens Jesu auffällig unvermittelt auf die der Sendung des Geistes folgt und die Texte Joh 14,16f. und 18–20 zugleich bemerkenswerte strukturelle Parallelen aufweisen. Beide Texte beginnen mit der Verheißung einer Sendung bzw. des Kommens, darauf folgt eine Äußerung, dass die Welt den Geist bzw. Jesus nicht sieht, die Jünger hingegen den Geist erkennen und Jesus sehen, und der Geist bzw. Jesus schließlich in den Jüngern sein wird (V.17) bzw. ist (V.20).179 Dies führt viele Ausleger zu der Auffassung, dass Joh 14,18–20 in enger Beziehung zu Joh 14,16f. steht. Sie interpretieren Joh 14,18 – häufig in Kombination mit der Deutung von V.18 als Hinweis auf Jesu österliches Kommen – als Verheißung des nachösterlichen Kommens Jesu im Geist.180 Entsprechend legt auch Brown den Text aus, wenn ihm zufolge in Joh 14,18f. nicht nur die vorübergehenden Ostererscheinungen reflektiert werden, sondern die dauerhafte Gegenwart Jesu nach Ostern, die mit der Präsenz des Geistes verbunden ist. Angesichts der strukturellen Parallelen zwischen Joh 14,16f. und V.18–20 zieht er den Schluss: „Such parallelism is John’s way of telling the reader that the presence of Jesus after his return to the Father is accomplished in and through the Paraclete. Not two presences but the same presence is involved.“181 Eine Schwierigkeit der Deutung von Joh 14,18 auf das nachösterliche Kommen Jesu im Parakleten liegt allerdings darin, dass Johannes klar zwischen Jesus und dem Geist differenziert. Die Verheißung des Kommens Jesu ist zwar eng mit der Ankündigung der Sendung des Geistes verbunden, aber zugleich doch deutlich von ihr unterschieden: Die Rede vom „Bitten“ und „Geben“ in Joh 14,16 setzt voraus, dass Jesus selbst in der Zeit der Sendung des Geistes beim Vater ist, wo ihn auch die Gebete der Jünger erreichen (Joh 14,13f.), während der Geist die Jünger in der Abwesenheit Jesu dauerhaft auf der Erde begleitet. Auch ist von einem Kommen Jesu im Geist im Johannesevangelium sonst nicht die Rede.182 Eine Identi178

Vgl. BROWN, John II, 645f. Vgl. z.B. BROWN, John II, 644f.; DETTWILER, Gegenwart, 191f. So z.B. B ULTMANN, Johannes, 477; B ECKER, Johannes II, 561 („Der gesandte Geist ist die neue Modalität des gesandten Sohnes, der […] sich im Parakleten weiter offenbart […]“); DETTWILER , Gegenwart, 191; RICCA, Eschatologie, 158. 181 BROWN, John II, 645. 182 Vgl. FREY, Eschatologie III, 165–168 (bes. 165f.). 179

180

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fikation des Kommens Jesu in Joh 14,18 mit dem Kommen des Geistes ist daher wohl nicht intendiert. Die zweifellos vorhandene Verbindung zwischen der Verheißung des Kommens Jesu und der Gabe des Geistes in V.16f. spricht aber dafür, dass die Gegenwart des Geistes die Voraussetzung für Jesu nachösterliches Kommen schafft.183 (3) Zur Klärung der Frage, worauf sich das in V.18 angekündigte Kommen Jesu bezieht, ist an dieser Stelle ein Vergleich zwischen Joh 14,19b und den Erzählungen von den Ostererscheinungen in Joh 20 im Blick auf die Terminologie des Sehens aufschlussreich. Das Sehen der Jünger wird in Joh 14,19b mit dem Verb qewrei`n zum Ausdruck gebracht (uJmei`" de; qewrei`tev me). Auch in Joh 20 wird qewrei`n verwendet: Simon Petrus sieht nach Joh 20,6 die Leinenbinden im Grab liegen (qewrei` ta; ojqovnia keivmena), Maria sieht nach Joh 20,12 im Grab zwei Engel in weißen Gewändern sitzen (qewrei` duvo ajggevlou" ejn leukoi`" kaqezomevnou"). Nach Joh 20,14 sieht Maria schließlich Jesus, den sie aber nicht erkennt (qewrei` to;n ≠Ihsou`n eJstw`ta kai; oujk h[/dei o{ti ≠Ihsou`" ejstin).184 Signifikanterweise wird das erkennende Sehen des Auferstandenen in Joh 20 demgegenüber ausschließlich als oJra`n bezeichnet (V.18.20.25.29):185 Sowohl der Bericht von der Erscheinung Jesu vor Maria (Joh 20,14–18) als auch der von seiner Offenbarung vor den Jüngern (Joh 20,19–23) münden in den Ruf kuvrion eJwvraka (Joh 20,18.25). Das „Sehen“ des Thomas wird durch Jesus selbst in Vers 29 bestätigt und ausdrücklich als oJra`n gekennzeichnet (o{ti eJwvrakav" me pepivsteuka"). Das Verb qewrei`n markiert in Joh 14,19b daher auch eine Differenz zum in Joh 20 erwähnten Sehen der Osterzeugen: Einerseits weist das Sehen Jesu aufgrund von seiner Lebendigkeit hier auf die Erscheinungsberichte in Joh 20 voraus und reflektiert die Ostererfahrung; zugleich warnt die Wahl des anderen Verbs aber auch davor, dieses Sehen einfach mit dem der Osterzeugen zu identifizieren. Dass es sich nicht um denselben Vorgang handelt, legt auch das in V.19b gewählte Präsens nahe. Die Zeitbestimmung e[ti mikrovn („in kurzer Zeit“) verweist auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt186; sie zeigt, dass uJmei`" de; qewrei`tev me einen 183

Nach HOEGEN-ROHLS, Johannes, 109 ist Jesu nachösterliches Kommen begründet in der Gegenwart des Geistes. 184 Qewrei`n kann im Johannesevangelium sowohl ein äußeres Sehen bezeichnen (z.B. Joh 2,23; 6,2; 7,3) als auch das glaubende Sehen (Joh 6,40; 12,45); siehe B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. qewrevw, Sp.731; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 89, Anm. 95; HERGENRÖDER, Herrlichkeit, 66–94 (93f.). 185 Joh 20,8 (ei\den kai; ejpivsteusen) ist nicht eindeutig, da hier das Objekt des Sehens anders als in Joh 20,18.20.25 (to;n kuvrion) und 20,29 (eJwvrakav" me = Jesus) nicht genannt wird. 186 Vgl. BDR §323 Anm. 1.

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futurischen Sinn hat. Zugleich weist das Präsens aber klar darauf hin, dass in V.19b ein dauerhafter Vorgang im Blick ist, welcher mehr als das einmalige Sehen der Osterzeugen umfasst.187 Dazu kommt eine weitere Beobachtung zu V.19: Joh 14,19c enthält mit der Verheißung, dass die Jünger „leben“ werden (kai; uJmei`" zhvsete), ein Element, das deutlich über das in Joh 20,14–18 und Joh 20,19–29 Geschilderte hinausgeht. Dieses Thema wird in den Berichten über die Erscheinungen des Auferstandenen in Joh 20 nicht – oder wenigstens nicht explizit – ausgeführt. So klingt in Joh 14,18f. zwar die in Joh 20 thematisierte Ostererfahrung der Jünger an; mit der Aussage, dass die Jünger leben, transzendiert Joh 14,19c aber das in Joh 20 Berichtete. Das gilt vor allem auch für die Verheißung in Joh 14,20, nach der die Jünger ihre Partizipation an der wechselseitigen Immanenz zwischen Jesus und seinem Vater erkennen werden.188 Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass in Joh 14,18f. nicht nur an die einmalige Selbsterschließung Jesu vor den Jüngern am Ostertag gedacht ist, sondern bewusst offen und transparent für die aktuelle Situation der späteren Leser des Johannesevangeliums formuliert wird. Mit dem Kommen Jesu, dem Sehen der Jünger und ihrer Erkenntnis „an jenem Tag“ ist also nicht Ostern als einmaliges, „historisches“ Ereignis im Blick, welches nur die Jünger Jesu am Ostertag erlebt haben. Joh 14,18f. ist keine ausschließlich interne Prolepse, die sich mit den Ostererzählungen auf ein einmaliges Ereignis bezieht, das innerhalb der Erzählung erfüllt wird, aber keine weitere Bedeutung für die Leser mehr hat. Die Beobachtungen zur Terminologie des Sehens, zum Gebrauch des Präsens und zu den Elementen, die inhaltlich über das in Joh 20 Berichtete hinausreichen, sprechen vielmehr dafür, dass in V.18f. an ein Kommen Jesu und Sehen der Jünger gedacht ist, welches die in Joh 20 geschilderte österliche Erfahrung der Jünger umfasst, darüber hinaus aber auch den Gedanken an eine analoge Erfahrung der späteren Christen mit einschließt.189 Dass die Situation der nach Ostern lebenden Christen in Joh 14,19 deutlich im Blick ist, zeigt 187

Zur durativen Aktionsart im Präsensstamm vgl. BDR §318 (2). Dazu siehe unten 85f. 189 Zur Frage, worin diese bestehen könnte, siehe unten 87–97 (zu V.21–24). Wie der „Weggang“ Jesu nicht mit dem „Tod“ Jesu gleichgesetzt werden kann, wiewohl er den Gedanken an den Tod Jesu enthält, so kann auch das „Kommen“ Jesu, das in Joh 14,18 thematisiert wird, nicht durch „Ostern“ substituiert werden, auch wenn das Osterereignis in der Rede vom erneuten Kommen Jesu anklingt, vgl. dazu RICCA, Eschatologie, 155: „Joh ist zur Synthese geneigt. Seine ‚Schau‘ ist eine einheitliche Schau. Man muß sich deshalb davor hüten, das, was Joh geeint hat, zu trennen. Beim Versuch, die Begriffe zu klären, indem man sie isoliert, läuft man Gefahr, ihre charakteristische joh. Prägung zu entstellen.“ HERGENRÖDER, Herrlichkeit, 587–597 (589) spricht im Blick auf Joh 14,19 von einem „pneumatischen Sehen“. 188

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auch Jesu Wort „o{ti ejgw; zw`“ – aus dieser Formulierung geht hervor, dass Jesus trotz der erzählerischen Situierung des Wortes vor seinem Abschied schon als der Auferstandene zu den Jüngern spricht.190 Von den im Johannesevangelium anzutreffenden unterschiedlichen Arten von Prolepsen liegt in Joh 14,18f. daher ein „Mischtyp“ vor. 191 Die Ostererzählungen in Joh 20 berichten von der Erfüllung dessen, was in Joh 14,18f. angedeutet wird. Zugleich weist Joh 14,18f. über das Kommen Jesu an Ostern und die Visionen der Osterzeugen hinaus auf etwas hin, das auch für die Leser des vierten Evangeliums und ihre Gegenwart von Bedeutung ist. Das österliche Kommen Jesu und das Sehen der Jünger erhält damit eine paradigmatische Bedeutung.192 Die Äußerungen über das e[rcesqai Jesu und das Sehen der Jünger behalten dabei für die nach Ostern lebende Lesergemeinde durchaus ihren verheißenden Charakter193 – wobei in textpragmatischer Hinsicht an ein Kommen Jesu und ein Sehen der Jünger zu denken ist, das bereits in der nachösterlichen Gegenwart der johanneischen Christen möglich ist. 8.2.3 Die Beziehung der Jünger zum Vater Jesu durch die Erkenntnis „an jenem Tag“ (Joh 14,20) Die Ankündigung, dass die Jünger erkennen werden, dass Jesus „in seinem Vater ist“ und sie „in Jesus“ und dieser „in ihnen“, bildet den Schluss des Wortes Jesu an die Jünger in Joh 14,18–20: 20 ejn ejkeivnh/ th/` hJmevra/ gnwvsesqe uJmei`" o{ti ejgw; ejn tw/` patriv mou kai; uJmei`" ejn ejmoi; kajgw; ejn uJmi`n.

20 An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch.

Diese Erkenntnis der Jünger ist die Konsequenz des angekündigten Kommens Jesu und ihres Sehens (V.18f.). Die vorangegangene Interpretation von V.18f. weist den Weg für die Deutung von V.20. Auch hier ist die Beobachtung entscheidend, dass Joh 14,20 eine Aussage enthält, die deutlich über das in den Ostererzählungen Berichtete hinausgeht. Weder ist in Joh 20 von einem ginwvskein der Maria oder der Jünger die Rede noch von dem in Joh 14,20 erwähnten Inhalt dieser Erkenntnis (o{ti ejgw; ejn tw/` patriv mou kai; uJmei`" ejn ejmoi; kajgw; ejn uJmi`n ). Daraus – und aus den Ausführungen zur Bedeutung des Sehens der Jünger in V.19b194 – lässt sich mit Zumstein der Schluss ziehen, dass in V.20 mit dem Erkennen eine Ka190

Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 194. Zu den internen und externen johanneischen Prolepsen sowie dem Mischtyp siehe FREY, Eschatologie II, 269f. 192 Vgl. dazu DETTWILER, Gegenwart, 199. 193 Darauf macht FREY, Eschatologie III, 176 aufmerksam. 194 Siehe oben 79. 191

1.8 Die Nähe des Vaters durch den Geist und das Kommen Jesu

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tegorie eingeführt wird, „die einen breiteren Zugang zur Ostererfahrung erlaubt“.195 Die Beziehung zum lebendigen Christus ist daher nicht ein Privileg, welches auf einen klar definierten Kreis beschränkt bleibt, sondern eine Möglichkeit, die jedem Glaubenden der nachösterlichen Zeit offen steht.196 Aus diesem Grund ist es auch nicht wahrscheinlich, dass sich die Zeitangabe ejn ejkeivnh/ th/` hJmevra/ (ausschließlich) auf den Ostertag bezieht. Zwar mag die Wendung auf den Ostertag anspielen, der in Joh 20,19 als „jener Tag, der erste Tag der Woche“ näher bestimmt wird, aber sie erscheint im Johannesevangelium nicht nur im Zusammenhang der Osteroffenbarungen.197 Wie Theobald treffend beobachtet, bricht der „Tag“ im vierten Evangelium da an, wo Menschen zum Glauben an Jesus finden: 198 Dass Menschen zu Jesus finden, ist auch in Joh 1,39 und 8,56 mit der Rede vom „Tag“ verbunden. In diesem Sinne ist „jener Tag“ wohl auch in Joh 14,20 zu verstehen; „jener Tag“ ist auf der textpragmatischen Ebene nicht einmalig und punktuell gemeint; vielmehr bricht er immer dann an, wenn Jesus kommt und die Jünger ihn im Evangelium „sehen“. Der Inhalt der Erkenntnis, zu der die Jünger nach Joh 14,18–20 durch die Selbsterschließung des lebendigen Jesus „an jenem Tag“ in der Lage sein werden (o{ti ejgw; ejn tw/` patriv mou kai; uJmei`" ejn ejmoi; kajgw; ejn uJmi`n), bedarf noch einer genaueren Erläuterung. Dabei handelt es sich um eine etwas variierte Wiederaufnahme von Joh 14,10f. In Joh 14,10 und 11 erfüllen die reziproken Immanenzformeln ejgw; ejn tw/` patri; kai; oJ path;r ejn ejmoiv u.a. die Funktion, den in Joh 14,7–9 behaupteten kausalen Zusammenhang zwischen dem Sehen Jesu und dem Sehen und Erkennen des Vaters näher zu erläutern und zu begründen. Dass die Vorstellung von der reziproken Immanenz zwischen Vater und Sohn, die Johannes mit der Formel umschreibt, dass „Jesus im Vater ist und der Vater in ihm“, im Argumentationsgang von Joh 14,4–11 den tieferen Grund für die Berechtigung der These angibt, dass derjenige, der Jesus gesehen hat, auch den Vater erkennt und sieht (Joh 14,7.9), wurde bereits festgestellt.199 In Joh 14,4–11 wird daher nicht nur festgehalten, dass die Leser des Johan195

Vgl. ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 125f. Siehe D IETZFELBINGER, Osterglaube, 66–70; DERS., Abschied, 76–78; ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 125f.127f. 197 Dass sich die etwa aus Am 5,18–20; Zeph 1,14–18 oder Joel 1,15; 2,1f.11; 3,4; 4,14 u.a. bekannte Rede von „jenem Tag“ in Joh 14,20 auf den Tag der Parusie bezieht (vgl. SCHNELLE, Johannes, 232; FREY, Eschatologie III, 169), ist angesichts des johanneischen Befundes fraglich, zumal das Johannesevangelium für den Tag der Parusie hJ ejscavth hJmevra als terminus technicus verwendet (Joh 6,39f.44.54; 11,24; 12,48), vgl. dazu ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 123. 198 Vgl. THEOBALD, Heilige Orte, 400. 199 Siehe oben 64. 196

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nesevangeliums den Vater schon sehen und erkennen; Jesus wird auch als der Ort bestimmt, an dem sich der Vater manifestiert. Einleuchtend interpretiert Dettwiler deshalb Joh 14,6–11 als „Rekapitulation und Summe der in Joh 1–12 erarbeiteten und entfalteten Sohn-Christologie“, die sich nur dadurch von dem in Joh 1–12 Berichteten unterscheidet, dass diese christologische „Summe“ jetzt im Rahmen des Abschieds Jesu, das heißt, im Kontext der die ganze Rede bestimmenden christologischen Kontinuitätsproblematik nach dem Weggang Jesu zur Sprache gebracht wird.200 Dieser Zusammenhang wird nun in Joh 14,20 wieder aufgerufen, wenn Jesus den Jüngern verspricht, dass sie erkennen werden, dass er „in seinem Vater ist“. Zugleich bleibt Joh 14,20 aber nicht bei dem in Joh 14,10f. bereits Geäußerten stehen. Der gedankliche Fortschritt der Verheißung Jesu an die Jünger in Joh 14,20 gegenüber Joh 14,10f. lässt sich an zwei signifikanten Unterschieden zwischen den beiden Textstellen ablesen: (1) Zum einen wird in Joh 14,20 das, was in Joh 14,11 in Form des Imperativs (pisteuvete) von den Jüngern wie von den Lesern eingefordert wurde, als eine im Indikativ Futur formulierte Verheißung zugesagt – nämlich die Erkenntnis, dass Jesus „in seinem Vater ist“. Jetzt wird nicht mehr wie in Joh 14,11 zum Glauben aufgefordert, sondern versprochen, dass die Jünger erkennen werden. Die Erkenntnis, zu der Thomas und Philippus gegenwärtig nicht in der Lage sind, wie ihre Fragen in Joh 14,5 und 8 dokumentieren, wird den Jüngern insgesamt hier als Gabe zugesagt. (2) Zum zweiten führt der Evangelist in Joh 14,20 die Aussage von Joh 14,10f. weiter, indem er ihr mit der Verheißung Jesu, dass die Jünger „in ihm“ sein werden und er „in ihnen“, einen gegenüber Joh 14,10f. entscheidenden neuen, auf die Jünger bezogenen Aspekt hinzufügt. Die Aussage der Immanenz wird gegenüber Joh 14,10f. erweitert und auf die Jünger ausgedehnt, die in dieses spezifische Verhältnis zwischen Jesus und seinem Vater hineingenommen werden. Sie werden nicht nur die Immanenz Jesu in seinem Vater erkennen, sondern auch ihr eigenes Sein in Jesus und sein Sein in ihnen (ejn ejkeivnh/ th/` hJmevra/ gnwvsesqe uJmei`" o{ti [...] kai; uJmei`" ejn ejmoi; kajgw; ejn uJmi`n). Sie werden damit erkennen, was nach Joh 14,12–14 Kennzeichen der Existenz der Jünger nach dem Weggang Jesu ist: Dass die Jünger in das Wirken Jesu mit dem Vater einbezogen sind.201 Diese Erkenntnis der Jünger ist eine Konsequenz des erneuten Kommens Jesu und seiner Selbsterschließung, von denen in Joh 14,18f. die Rede ist. Mit dem Kommen Jesu und dem Sehen der Jünger wird daher der Kontakt der Jünger zu Jesus wieder hergestellt, der durch die in der Abschieds200

Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 117. Zur Ausweitung des Einheitsgedankens auf die Jünger in V.20 vgl. DIETZFELBINGER , Osterglaube, 56; D ETTWILER , Gegenwart 195. 201

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rede ins Auge gefasste Periode der Trennung von ihm aufgehoben worden war. Darüber hinaus geschieht aber noch mehr: Das in Joh 14,18f. zugesagte Kommen Jesu und Sehen der Jünger führt die Jünger bzw. die nach Ostern lebenden Leser aus johanneischer Sicht nicht nur zu der christologischen Erkenntnis, dass „Jesus in seinem Vater ist“ – die Selbsterschließung Jesu führt sie nach Joh 14,20 zugleich auch zu der soteriologischen Erkenntnis, dass sie selbst „in Jesus sind“ und dadurch in Beziehung zum Vater Jesu treten. Ihnen werden die Augen dafür geöffnet, dass Jesus ihr Weg zu seinem Vater ist.202 Diese Erkenntnis ermöglicht den Jüngern erstens ein neues Verhältnis zu Jesus. Die Erkenntnis Jesu als ihres Weges zu Gott Vater entspricht dem Glauben, zu dem Jesus in Joh 14,11 auffordert. Zum zweiten werden die Jünger dadurch auch zu einer neuen Beziehung zu Gott in der Lage sein. Diese konkretisiert sich nach Joh 14,20 in der Erkenntnis, dass sie trotz der Abwesenheit Jesu Teil der Gemeinschaft zwischen Jesus und seinem Vater sind und, – indem sie in ihm leben wie auch er in ihnen, – über ihn den Zugang zum Vater haben. Die Einsicht, dass sie selbst in die Beziehung von Vater und Sohn einbezogen und Teil des Lebens- und Heilszusammenhangs sind, der in Joh 14,19 mit kai; uJmei`" zhvsete und in Joh 14,20 mit der Formel von der reziproken Immanenz von Vater, Sohn und Jüngern beschrieben wird, ist den Jüngern erst nach dem Kommen und Sich-Offenbaren Jesu möglich. Die Verheißung der Erkenntnis der Jünger in Joh 14,20 stellt damit eine Antwort auf das Problem des „Verwaistseins“ der Jünger nach dem Weggang Jesu dar, das in Joh 14,18 angesprochen wird. Das Kommen und Erscheinen Jesu wird den Jüngern die Augen dafür öffnen, dass sie nicht als Waisen in der Welt zurückgeblieben sind, auch wenn ihnen dies angesichts des Weggangs Jesu so scheinen mag. 8.3 Die Verheißung der Liebe des Vaters Jesu (Joh 14,21–24) Die Ansage des Kommens Jesu und des Sehens der Jünger in Joh 14,18f. stellt eine Vorbereitung auf den Höhepunkt der Äußerungen Jesu in der ersten Abschiedsrede über das Verhältnis zwischen dem, der Jesus liebt, und dem Vater Jesu in Joh 14,21–24 dar: Nach der Verheißung, dass die Jünger durch das erneute Sehen Jesu erkennen werden, dass sie durch Jesus an seiner Beziehung zu seinem Vater partizipieren und dadurch ihre gegenwärtige Distanz zu Jesus und seinem Vater überwinden werden (Joh 14,20), entfaltet der johanneische Jesus in Joh 14,21–24, worin das 202

Vgl. dazu B ECKER, Johannes II, 558: Die Jünger werden „die Heilserkenntnis gewinnen, dass Jesus im Vater ist – so wird das ‚Ich lebe‘ aufgegriffen – und die Jünger in ihm und er in ihnen, wie V 19 ‚und ihr werdet leben‘ nun interpretiert wird.“

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Verhältnis zwischen seinem Vater und dem, der ihn (sc. Jesus) liebt, besteht. 8.3.1 Die Liebe zu Jesus als Voraussetzung für die Liebe des Vaters Jesu (V.21a) Der Abschnitt Joh 14,21–24 beginnt mit einer Definition: oJ e[cwn ta;" ejntolav" mou kai; thrw`n aujta;" ejkei`nov" ejstin oJ ajgapw`n me:

Wer meine Gebote hat und sie hält, ist der, welcher mich liebt. (Joh 14,21a).

Mit dieser Definition setzt Johannes neu ein. Gegenüber Joh 14,18–20 wird jetzt von der zweiten in die dritte Person gewechselt. Den Leserinnen und Lesern wird damit signalisiert, dass jetzt grundsätzliche, allgemeine Aussagen gemacht werden. In V.21a wird V.15 wieder aufgenommen und in charakteristischer Weise variiert: Statt des Konditionalsatzes eja;n ajgapa`tev me, ta;" ejntola;" ta;" ejma;" thrhvsete ist V.21 im Partizipialstil formuliert; außerdem wird das „Haben“ der Gebote Jesu ergänzt. Vor allem aber wird der Gedanke aus V.15, dass sich die Liebe zu Jesus im Halten der Gebote realisiert, in V.21 chiastisch umgekehrt. Dadurch verlagert sich das Gewicht ganz auf den Schluss von V.21a (ejkei`nov" ejstin oJ ajgapw`n me): Im Zentrum steht jetzt der, welcher Jesus liebt. Das geht auch daraus hervor, dass oJ ajgapw`n me zu Beginn von V.21b wiederholt wird. Mit Recht fragt Dettwiler nach den Gründen für die „Semantik der Liebe“203 im Kontext des erneuten Kommens Jesu und des Sehens der Jünger: Warum ist an dieser Stelle auf einmal die Rede von dem, der Jesus liebt? Aus Dettwilers Sicht markiert das ajgapa`n die nachösterliche Erkenntnis und den „qualitativen Sprung zwischen vorösterlicher und nachösterlicher Zeit“, zumal es hier als Konsequenz des Wiederkommens Jesu thematisiert wird und der Erkenntnis der Jünger, dass sie „in Jesus“ an der Beziehung zum Vater teilhaben (Joh 14,18–20).204 Gegen diese Deutung spricht allerdings Joh 14,15f. Denn dort rechnet Jesus mit der Möglichkeit, dass die Jünger, denen er für die Zeit nach seinem Weggang in V.16 die Gabe des Geistes verheißt, ihn lieben „eja;n ajgapa`tev me, ta;" ejntola;" ta;" ejma;" thrhvsete“ (V.15). Liebe zu Jesus ist demnach aus der Sicht des johanneischen Jesus auch vor seinem Abschied im Horizont des Möglichen. Deshalb ist nach einer anderen Lösung der Frage Dettwilers zu suchen. Im erzählerischen Zusammenhang des Johannesevangeliums wird die Liebe zu Jesus vor Joh 14,15–24 bereits in Joh 8,42 erwähnt:205 In Joh 203

DETTWILER, Gegenwart, 197. Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 198. 205 Weitere Belege im Johannesevangelium finden sich in Joh 14,28; 16,27; 21,15–17. 204

1.8 Die Nähe des Vaters durch den Geist und das Kommen Jesu

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8,41f. setzt sich Jesus mit seinen Gesprächspartnern über die Gotteskindschaft auseinander. Während sich diese selbst ganz selbstverständlich als Kinder Gottes verstehen und Gott ihren Vater nennen (e{na patevra e[comen to;n qeovn, V.41), spricht Jesus ihnen die Gotteskindschaft ab, weil sie ihn nicht lieben. Das zeigt seine im Irrealis formulierte Entgegnung in Joh 8,42 (eij oJ qeo;" path;r uJmw`n h\n hjgapa`te a]n ejmev) . Zur Liebe zu Jesus sind die Gesprächspartner Jesu in Joh 8,41b–47 aus der Sicht Jesu nicht in der Lage – er hält ihnen entgegen, dass sie sein Wort nicht hören können (V.43) und Jesus nicht glauben, weil sie nicht aus Gott sind (V.46f.). Ihre fehlende Liebe zu Jesus zeigt, dass sie, so Jesus in Joh 8,42, keine Kinder Gottes sind.206 Interessant für die Deutung von Joh 14,15–24 ist nun, dass hier die Liebe zu Jesus, die den Gesprächspartnern Jesu in Joh 8,41b–47 aus der Sicht Jesu fehlt, wenn auch nicht als Realität der Jünger, so doch als eine Möglichkeit für sie in den Blick tritt. Dies ist deutlich an den Bedingungssätzen in V.15 (eja;n ajgapa`tev me) und 23 (ejavn ti" ajgapa/` me), ebenso wie am Partizipialstil in V.21 (oJ ajgapw`n meÉ oJ de; ajgapw`n me).207 Damit stellt sich die Frage, ob in Joh 14,21 und 23 nicht implizit die Thematik der Gotteskindschaft vorausgesetzt ist: Zwar ist in Joh 14,21 und 23 im Unterschied zu Joh 8,42 von Gotteskindschaft nicht explizit die Rede, aber immerhin unmittelbar im Anschluss an V.21b davon, dass der, welcher Jesus liebt, vom Vater Jesu geliebt werden wird (oJ de; ajgapw`n me ajgaphqhvsetai uJpo; tou` patrov" mou, siehe ähnlich in V.23 oJ pathvr mou ajgaphvsei aujtovn). Wer Jesus liebt, kommt nach diesen im Johannesevangelium seltenen Äußerungen208 in den Genuss einer besonderen Beziehung zum Vater Jesu. Die Liebe des Vaters Jesu wird demnach zu einer realen Möglichkeit für den, welcher Jesus liebt. Sprachliche Signale wie der Partizipialstil und die Verwendung der dritten Person in V.21 und 23 zeigen, dass dabei nicht nur an die Jünger der Erzählung gedacht ist, sondern an einen größeren Personenkreis, und die nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums verstärkt in den Blick genommen werden.209 206

Zu Joh 8,31–47 und der Frage nach den Kriterien für die Gotteskindschaft siehe CULPEPPER, Pivot, 28f. Nach Culpepper ist in Joh 8,31–47 das Bleiben im Wort Jesu und das Verhalten, das heißt, das Tun der Werke des Vaters, entscheidend für die Gotteskindschaft: „This key passage establishes the criteria for determining paternity, or identity: abiding in Jesus’ word, and conduct (doing the works of one’s father),“ ebd., 28. P OPKES, Liebe, 288 hebt hervor, dass in Joh 8,42 die falsche Haltung reflektiert wird, ohne dass die Liebe zu Jesus ausdrücklich gefordert wird. 207 Vgl. in negativer Formulierung V.24 (oJ mh; ajgapw`n me). 208 Vgl. neben Joh 14,21 und 23 auch 16,27 und 17,23. 209 Die Texte, in denen im Johannesevangelium über Joh 14,15–23 hinaus von der Liebe zu Jesus die Rede ist, setzen alle einen nachösterlichen Standpunkt voraus oder sind im Irrealis formuliert (Joh 8,42; 14,28; 16,27 und 21,15–17). Siehe dazu auch AU-

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8.3.2 Kennzeichen der verheißenen Liebe des Vaters Jesu (V.21b–24) 8.3.2.1 Die Liebe Jesu und sein Sich-Offenbaren (V.21b–c) Auf die Definition oJ e[cwn ta;" ejntolav" mou kai; thrw`n aujta;" ejkei`nov" ejstin oJ ajgapw`n me in V.21a folgt in V.21b–c die Verheißung: oJ de; ajgapw`n me ajgaphqhvsetai uJpo; tou` patrov" mou, kajgw; ajgaphvsw aujto;n kai; ejmfanivsw aujtw/` ejmautovn.

Wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, das heißt, ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren (Joh 14,21b–c).

Worin besteht die in V.21 angekündigte Liebe des Vaters Jesu? Auffallend ist, dass in diesem Vers die Liebe des Vaters Jesu und die Liebe Jesu zu dem, der ihn liebt, in einem Atemzug genannt werden. In welchem Verhältnis stehen das Geliebtwerden vom Vater Jesu (ajgaphqhvsetai uJpo; tou` patrov" mou) und die Liebe Jesu und sein Sich-Offenbaren (kajgw; ajgaphvsw aujto;n kai; ejmfanivsw aujtw/` ejmautovn ) zueinander? Welche Bedeutung hat in diesem Fall das kaiv in „kajgwv“? Die Verheißung der Liebe des Vaters erhält gegenüber der Verheißung der Liebe Jesu jedenfalls dadurch mehr Gewicht, dass von ihr in Joh 14,23 nochmals leicht variiert die Rede ist (von der Liebe Jesu hingegen nicht). Das spricht dafür, dass die Liebe des Vaters in V.21b–c das Kernthema ist. Das kaiv (kajgw;) hat hier deshalb einen explikativen Charakter: Mit kajgw; ajgaphvsw aujto;n kai; ejmfanivsw aujtw/` ejmautovn wird die Liebe des Vaters näher erläutert.210 V.21c verrät, worin die angekündigte Liebe des Vaters besteht: Sie äußert sich darin, dass Jesus den, der ihn liebt, lieben und sich ihm offenbaren wird. Auf die Bedeutung dieser Ankündigung ist im Folgenden kurz einzugehen. Das Verbum ejmfanivzein kann z.B. „erweisen“, hinstellen,211 offenbar machen,212 kundtun, anzeigen (z.B. bei einer Behörde) oder eröffnen213 heißen. Die reflexive Wendung ejmfanivsw aujtw/` ejmautovn entspricht dem Medium ejmfanivzesqai, das ein sichtbares214 oder ein nicht sichtbares215 GENSTEIN, Liebesgebot, 60. Zur Liebe der Jünger zu Jesus in den Abschiedsreden siehe auch die Ausführungen bei POPKES, Liebe, 273–315. 210 Siehe dazu B AUER, ALAND , s.v. kaiv, Wörterbuch, Sp.797 zum explikativen kaiv: An ein Wort oder einen Satz wird ein anderes Wort oder ein anderer Satz angereiht, der das Vorausgehende erklären soll, vgl. auch BDR §442 (6a). 211 Siehe z.B. Xenophon, Ag. 1,12. 212 Vgl. z.B. Sap 16,21. 213 Siehe z.B. Diodorus Siculus 14,11.2; Est 2,22; 2Makk 3,7; 11,29; Jos Ant IV,43; X,166. 214 Vgl. z.B. Ex 33,13.18 (LXX): Mose bittet Gott darum, sich ihm zu zeigen, damit er ihn „erkennend“ sehe (Ex 33,13), und fordert ihn wenige Verse später auf, ihm seine dovxa zu zeigen: Eij ou\n eu{rhka cavrin ejnantivon sou, ejmfavnisovn moi seautovn:

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Sich-Offenbaren bezeichnen kann.216 Wie seine Reaktion in V.22 zeigt, versteht Judas die Ankündigung Jesu aus V.21 im Sinne einer sichtbaren Erscheinung. Seine Frage, weshalb sich Jesus den Jüngern, aber nicht der Welt offenbaren wird (kuvrie, tiv gevgonen o{ti hJmi`n mevllei" ejmfanivzein seauto;n kai; oujci; tw/` kovsmw/), bezieht sich nämlich nicht nur auf die Versicherung Jesu in Joh 14,21 zurück, dass er sich dem, der ihn liebt, offenbaren werde; sie knüpft auch an die Bemerkung Jesu in Joh 14,19 an, nach der die Welt Jesus in Kürze nicht mehr sehen, die Jünger ihn aber sehen werden. Judas versteht die Ankündigung Jesu in V.21 (ejmfanivsw aujtw/` ejmautovn) demnach als Explikation der Verheißung aus V.19b (uJmei`" de; qewrei`tev me). Daraus folgert er, dass das Erscheinen Jesu vor den Jüngern dazu führen wird, dass Jesus sich den Jüngern sichtbar offenbaren wird, der Welt hingegen nicht.217 Der Vergleich der Formulierungen in Joh 14,19b und 21 zeigt aber deutliche Unterschiede zwischen den beiden Ankündigungen Jesu: Während Jesus den Jüngern in Joh 14,19b mit uJmei`" de; qewrei`tev me ein „Sehen“ seiner Person verheißt, ist davon in Joh 14,21 bemerkenswerterweise nicht die Rede. Stattdessen hebt Jesus mit seiner Ankündigung ejmfanivsw aujtw/` ejmautovn sich selbst als Subjekt des Geschehens hervor. Der johanneische Jesus verheißt denen, die ihn lieben, seine Selbsterschließung und Offenbarung – dass die Empfänger der Offenbarung Jesus sehen, wird damit gleichwohl nicht gesagt.218 Außerdem ist, wie die Formulierung in der dritten Person und der Partizipialstil zeigen, der Kreis der Offenbarungsempfänger in V.21 allgemeiner als in V.19b gehalten – mit oJ de; ajgapw`n me ist in V.21 ausdrücklich an einen größeren Personenkreis gedacht. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Interpretation der Zusage ejmfanivsw aujtw/` ejmautovn aus V.21 auf der textpragmatischen Ebene. Wie die Rückfrage des Judas in V.22 zeigt, bezieht sie sich auf die Ankündignwstw`" i[dw se, o{pw" a]n w\ euJrhkw;" cavrin ejnantivon sou, kai; i{na gnw` o{ti laov" sou to; e[qno" to; mevga tou`to. kai; levgei Aujto;" proporeuvsomaiv sou kai; katapauvsw se (Ex 33,13f.). Kai; levgei Dei`xovn moi th;n seautou` dovxan (Ex 33,18). Siehe auch Philo, leg. all. III, 101 (ou|tov" ejsti Mwush`" oJ levgwn ʼejmfavnisovn moi sautovn, gnwstw`" i[dw se:ʻ mh; ga;r ejmfanisqeivh" moi diʼ oujranou` h] gh`" h] u{dato" h] ajevro" h[ tino" aJplw`" tw`n ejn genevsei...). Mt 27,53 spricht von der Erscheinung der Toten aus den Gräbern (ejmfanivzesqai); Sap 17,4 von einem Erscheinen von Gespenstern (favsmata ... ejnefanivzeto) mit scheußlichen Gesichtern. 215 Ein nicht sichtbares Sich-Offenbaren wird in Sap 1,2 erwähnt (o{ti euJrivsketai toi`" mh; peiravzousin aujtovn, ejmfanivzetai de; toi`" mh; ajpistou`sin aujtw/`). Siehe auch Philo, leg. all. III, 27 (Gott offenbart sich der Seele). 216 Vgl. B ULTMANN, LÜHRMANN, Art.: ejmfanivzw, ThWNT IX, 7f. 217 Wie aus der Entgegensetzung von kovsmo" und uJmei`" in Joh 14,17 und 19 hervorgeht, sind die Jünger in die „Welt“ nicht eingeschlossen. 218 Ein ähnliches Phänomen erscheint in anderer Form wieder in Joh 16,16 (o[yesqev me) und 16,22 (o[yomai uJma`"). Siehe Näheres dazu unten 124f. und 129f.

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gung aus V.19b. Indem Johannes mit der Ankündigung Jesu ejmfanivsw aujtw/` ejmautovn in Joh 14,21 an qewrei`tev me in Joh 14,19b anknüpft, legt er den Lesern seines Evangeliums nahe, die Verheißung der Offenbarung Jesu in Analogie zur Verheißung des Sehens Jesu in V.19b zu verstehen. Was in V.19b auf der textpragmatischen Ebene schon anklingt, wird in V.21 weitergeführt, wo ganz deutlich die nach Ostern lebenden Christen im Blick sind, die Jesus nicht gesehen haben. V.21 erklärt, weshalb auch sie Jesus – wie in V.19b verheißen – „sehen“, und gibt eine Antwort auf die Frage, wie das in V.19b in Aussicht gestellte „Sehen“ für sie möglich wird: Mit dem Versprechen, dass sich Jesus dem zeigen wird, der seine Gebote hält und ihn liebt, werden dem Kreis der nach Ostern lebenden Leser Offenbarungen Jesu verheißen, die das in V.19b angekündigte „Sehen“ Jesu möglich machen. Dabei scheint in Joh 14,21 an ein wiederholtes SichZeigen Jesu gedacht zu sein, welches das dauerhafte „Sehen“, das in Joh 14,19b versprochen wird, ermöglicht. Dies weist darauf hin, dass Johannes bei ejmfanivsw aujtw/` ejmautovn im Unterschied zur Ostervision der Jünger, die in Joh 20 geschildert wird, auch nicht an ein einmaliges Ereignis denkt. Vielmehr geht es dabei um Offenbarungen Jesu, die mehrfach und auch zu einem späteren Zeitpunkt – in der nachösterlichen Zeit – möglich sind. Die nachösterliche Epoche ist also trotz der Abwesenheit Jesu keine „offenbarungsfreie Zeit“. Vor allem aber äußert sich in diesen Offenbarungen Jesu gegenüber dem, der ihn liebt, so die Aussage von V.21, die Liebe des Vaters Jesu. 8.3.2.2 Die Zwischenfrage des Judas (V.22) In der Zwischenfrage des Judas wird noch einmal der Unterschied zwischen den Jüngern und der „Welt“ zur Sprache gebracht, der schon in Vers 17 und 19 Thema war:219 kuvrie, tiv gevgonen o{ti hJmi`n mevllei" ejmfanivzein seauto;n kai; oujci; tw/` kovsmw/

Herr, was hat sich zugetragen, dass du dich uns offenbaren wirst, und nicht der Welt? (Joh 14,22).

Die Frage tiv gevgonen wird in den Kommentaren mit „wie kommt es, daß …“220, „was ist der Grund, daß …“221, „wie soll das denn zugehen,

219

In V.17 wird der Unterschied zwischen Jüngern und Welt am Verhältnis zum Geist der Wahrheit deutlich, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht erkennt; in V.19 und 22 geht es um den Unterschied im Verhältnis zu Jesus (nach V.19 sieht die Welt Jesus in Kürze nicht mehr, die Jünger aber sehen ihn; in V.22 geht es darum, dass sich Jesus den Jüngern offenbaren wird, und nicht der Welt).

1.8 Die Nähe des Vaters durch den Geist und das Kommen Jesu

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daß …“222 oder z.B. mit „weshalb?“223 wiedergegeben. Die Frage des Judas wird dann häufig als ein Indiz dafür gedeutet, dass der Zweifel der späteren Christen an der Wahrheit der Lebendigkeit des Gekreuzigten durch den Unglauben der „Welt“ verschärft werden konnte; dass sie vielleicht sogar den später verbreiteten Vorwurf reflektiert, dass der auferstandene Jesus nur den Jüngern erschienen ist und die Osterbotschaft aus diesem Grunde nicht glaubwürdig ist.224 Eine andere Richtung nimmt die Interpretation, wenn man nach der wörtlichen Bedeutung von tiv gevgonen fragt. Wörtlich heißt tiv gevgonen „was hat sich zugetragen, dass …“, „was hat sich ereignet, dass …“, „was ist geschehen, dass …“. Was damit gemeint sein könnte, lässt sich aus dem Textzusammenhang erschließen: In Joh 14,29 taucht nämlich givnesqai in auffallender Weise wieder auf. Mit givnesqai wird hier ein Geschehen angedeutet, das nicht näher benannt wird (kai; nu`n ei[rhka uJmi`n pri;n genevsqai, i{na o{tan gevnhtai pisteuvshte). Mit diesem „Geschehen“ könnte der im Erzählzusammenhang bevorstehende Weggang Jesu gemeint sein225 bzw. die Trennung des Offenbarers von den Seinen,226 oder auch der Verrat Jesu durch Judas und seine Konsequenzen. In der parallelen Ankündigung in Joh 13,19 ist zumindest der Verrat des Judas im Blick (ajp≠ a[rti levgw uJmi`n pro; tou` genevsqai, i{na pisteuvshte o{tan gevnhtai o{ti ejgwv eijmi).227 Deutet man die Frage des Judas als Frage nach dem, was sich zugetragen hat, (so) dass sich Jesus den Jüngern offenbaren wird und nicht der Welt, und liest seine Frage im Kontext des in Joh 13,19 (und 14,29) mit genevsqai umschriebenen Verrats und seinen Konsequenzen, lassen sich V.23f. ohne Schwierigkeit als Antwort auf V.22 interpretieren: Auf die 220

SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 86; BECKER, Johannes II, 545; DIETZFELBINGER , Johannes II, 58. Entsprechend lautet der Übersetzungsvorschlag für tiv gevgonen in Joh 14,22 bei BAUER / ALAND, s.v. givnomai, Wörterbuch, Sp.318 (3.a.). 221 W ILCKENS, Johannes, 220. 222 T HYEN, Johannesevangelium, 615. 223 B ULTMANN, Johannes, 481, Anm. 3. 224 So DIETZFELBINGER, Osterglaube, 61; ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 123f. Vgl. auch B LANK, Johannes II, 111: Die Skepsis der Welt an der Wahrheit der Auferstehungsbotschaft konnte auch die johanneischen Christen nicht unberührt lassen, die mit der Tatsache zu kämpfen hatten, dass die Welt Jesus „nicht sieht“ (Joh 14,19) und sich Jesus der Welt nicht „zeigt“ (Joh 14,22). 225 Vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 99. 226 Vgl. B ULTMANN, Johannes, 487. 227 Barrett verweist bei Joh 14,29 auf 13,19, wo er bemerkt: „Subjekt ist der Verrat des Judas, welcher auch Subjekt von gevnhtai ist.“ (BARRETT, Johannes, 437). Zum Bezug von genevsqai bzw. gevnhtai in Joh 13,19 auf den Verrat des Judas vgl. B ULTMANN, Johannes, 365; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 30f.; W ILCKENS, Johannes, 210 und viele andere.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

Frage, was sich ereignet hat, dass sich Jesus den Jüngern und nicht der Welt offenbaren wird, nimmt Jesus Bezug, indem er zwischen dem unterscheidet, der sein Wort halten wird (ejavn ti" ajgapa/` me to;n lovgon mou thrhvsei, V.23), und dem, der seine Worte nicht hält (oJ mh; ajgapw`n me tou;" lovgou" mou ouj threi`, V.24). Das Halten des Wortes Jesu und die Liebe zu ihm ist Charakteristikum des „wahren Jüngers“ (Joh 8,31). Ihm wird sich Jesus offenbaren. Das Nicht-Lieben Jesu und Nicht-Bewahren seiner Worte ist hingegen Kennzeichen derer, die Jesus ablehnen und ihn dem Tod ausliefern (Joh 8,37), und denen sich Jesus nicht offenbaren wird. 8.3.2.3 Das Kommen und Einziehen von Vater und Sohn (V.23f.) (1) Zuerst ist V.23 zu betrachten: ejavn ti" ajgapa/` me to;n lovgon mou thrhvsei, kai; oJ pathvr mou ajgaphvsei aujto;n kai; pro;" aujto;n ejleusovmeqa kai; monh;n par≠ aujtw/` poihsovmeqa.

Wenn einer mich liebt, wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, das heißt, wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen (Joh 14,23).

Mit V.23 knüpft Jesus an V.21 an. Er nimmt das aus V.15 und 21 schon bekannte Thema der Liebe zu ihm und des Haltens seines Wortes auf. 228 Vor allem aber greift er die Zusage der Liebe seines Vaters aus V.21 auf.229 Wie in V.21 wird die Verheißung der Liebe seines Vaters mit einer doppelten Ankündigung verbunden. Statt von der Liebe Jesu und seinem SichOffenbaren (V.21) ist hier aber vom Kommen und Wohnungnehmen von Vater und Sohn die Rede (kai; pro;" aujto;n ejleusovmeqa kai; monh;n par≠ aujtw/` poihsovmeqa). Die Parallelität des Satzbaus in V.21 und 23 legt nahe, dass das kaiv zwischen oJ pathvr mou ajgaphvsei aujtovn und pro;" aujto;n ejleusovmeqa in V.23c wie das in V.21c (kajgwv) einen explikativen Sinn hat: Wie sich die Liebe des Vaters in V.21 in der Liebe Jesu und seinem Sich-Offenbaren äußert, besteht die Liebe des Vaters nach V.23 in dem gemeinsamen Kommen von Vater und Sohn zu dem, der Jesu Wort halten wird, und in ihrem gemeinsamen Wohnungnehmen bei ihm.230 Diese Verheißung, die – gegenläufig zu Joh 14,2f. und 6 – dem, der Jesus liebt, das Kommen von Vater und Sohn in Aussicht stellt,231 ist der Höhepunkt der Aussagen Jesu in der ersten Abschiedsrede über die Beziehung zwi-

228

In V.15.21 allerdings „ejntolaiv“. V.21 (ajgaphqhvsetai uJpo; tou` patrov" mou); V.23 (oJ pathvr mou ajgaphvsei aujtovn). 230 Zum explikativen kaiv siehe oben 90. 231 In Joh 14,2f. und 6 wird die umgekehrte Perspektive zur Geltung gebracht, indem dort vom Kommen der Jünger bzw. der Glaubenden zum Vater die Rede ist. 229

1.8 Die Nähe des Vaters durch den Geist und das Kommen Jesu

95

schen seinem Vater und den Jüngern. Auf ihre Bedeutung ist deshalb noch kurz einzugehen. Die Zusage des Kommens bezieht sich einerseits auf Joh 14,18 (oujk ajfhvsw uJma`" ojrfanouv", e[rcomai pro;" uJma`") zurück. Zugleich wird der Gedanke vom Kommen Jesu aus Joh 14,18 in Joh 14,23 aber auch in zwei Punkten in besonders charakteristischer Weise abgewandelt: Zum einen ist in Joh 14,18 – wie auch in Joh 14,3 – nur vom Kommen Jesu die Rede. Demgegenüber ist es für Joh 14,23 charakteristisch, dass Jesus nicht alleine, sondern zusammen mit seinem Vater kommen und bei demjenigen Wohnung nehmen wird, der ihn liebt und sein Wort hält. Außerdem ist die Formulierung in der dritten Person in V.23 wieder offen für einen größeren Personenkreis, so dass die nach Ostern lebenden Christen in die Verheißung deutlich mit einbezogen sind. Die Aussage von Joh 14,18 wird also in 14,23 durch die Überlegung weitergeführt, dass im Kommen Jesu sein Vater selbst zu den Glaubenden kommt.232 Zum zweiten ist in Joh 14,23 an ein Kommen gedacht, das mit einem „Bleiben“ verbunden ist. Der Gedanke, dass Vater und Sohn bei dem, der Jesus liebt, Wohnung nehmen, lässt an ein dauerhaftes Bleiben bei den Christen denken, an die sich Johannes als Adressaten seines Evangeliums wendet. Dafür spricht auch die etymologische Verwandtschaft von monhv in Joh 14,23 mit dem von Johannes bevorzugten mevnein (siehe im näheren Kontext Joh 14,10.17.25), mit dessen Hilfe der Evangelist seine Theologie der Immanenz entfaltet (siehe z.B. Joh 14,10f.): Die monaiv sind die Orte, in denen das „Bleiben“ auf Dauer verwirklicht wird.233 Dies bedeutet auch, dass der, welcher Jesus liebt, entsprechend dauerhaft „bei“ (parav) dessen Vater sein wird. Damit wird zwar in Joh 14,23 keine reziproke Immanenz zwischen Vater, Sohn und den Jüngern wie in Joh 14,20 zum Ausdruck gebracht, aber doch eine besondere Nähe und Gemeinschaft, die der in Joh 14,20 artikulierten entspricht.234 Dass in Joh 14,23 mit dem Kommen von Vater und Sohn zu dem, der Jesus liebt, im Vergleich zum Gedanken von der Heimholung der Jünger in den himmlischen Bereich in Joh 14,2f. die umgekehrte „Richtung“ eingeschlagen wird, sieht man häufig als ein Indiz dafür, dass Johannes in Joh 232

Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 81 („la venue du Christ n’a d’autre finalité que de faire advenir Dieu le Père dans l’existence croyante.“). 233 Siehe KLAUCK, Haus, 24; außerdem SCHOLTISSEK, In ihm sein, 265: „Monh;n poiei`sqai trägt wie mevnein (ejn) den Akzent der Dauer“. 234 Die Metapher von der „Einwohnung“ findet sich u.a. in der prophetischen Tradition, wo sie z.B. die endzeitliche Heilsverheißung widerspiegeln kann, nach der Gott kommen und in seinem Volk, sei es im Tempel, sei es außerhalb des Tempels, wohnen wird (siehe z.B. Ex 25,8; Sach 2,14f.; Ez 37,27). Weitere Textbelege aus dem Alten Testament finden sich bei W EIDEMANN, Tod, 186; siehe auch FREY, Eschatologie III, 170f.; B EUTLER, Angst, 73–75.

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

14,23 den Inhalt von Joh 14,2f. sachlich modifiziere oder korrigiere.235 Die beiden Konzepte stehen jedoch nicht in Konkurrenz miteinander: Der durch den Weggang Jesu herbeigeführte „Waisenstand“ der Jünger wird nach Joh 14,2f. in eschatologischer Zukunft durch das Wiederkommen Jesu und die Aufnahme der Jünger in das Haus des Vaters Jesu endgültig aufgehoben werden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Jünger während der Abwesenheit Jesu bis zu seiner endzeitlichen Wiederkunft als „Waisen“ in der Welt leben. Vielmehr stellt das Kommen und Einziehen des Vaters mit Jesus zusammen mit der Aussage über die wechselseitige Immanenz eine weitere Erklärung dafür dar, weshalb die Jünger nach dem Weggang Jesu, wie Joh 14,18 festhält, keine „Waisen“ sind. Mit dem Bild des Einzugs von Vater und Sohn bei denen, die Jesus lieben, wird die Liebe des Vaters veranschaulicht, die ihnen in V.21 und 23 zugesagt wird. (2) V.24 ist das Gegenstück zu V.23. Auch dieser Vers bezieht sich auf die Frage des Judas, was sich zugetragen hat, dass Jesus sich den Jüngern offenbaren wird und nicht der Welt: oJ mh; ajgapw`n me tou;" lovgou" mou ouj threi`: kai; oJ lovgo" o}n ajkouvete oujk e[stin ejmo;" ajlla; tou` pevmyantov" me patrov".

Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht meins, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat (Joh 14,24).

Was in V.24a im Partizipialstil und in der dritten Person allgemein gesagt wird (oJ mh; ajgapw`n me tou;" lovgou" mou ouj threi` ), ist in der johanneischen Sicht charakteristisch für die „Welt“: Sie liebt Jesus nicht (siehe Joh 15,18.23.24) und hält seine Worte nicht (siehe Joh 15,20). Zwar werden in V.24 keine negativen Konsequenzen genannt; demjenigen, der Jesus nicht liebt und sein Wort nicht hält, wird nicht – oder mindestens nicht explizit – das Gericht angekündigt. V.24 ist nicht ganz parallel zu V.23 formuliert; es ist keine Rede davon, dass Vater und Sohn demjenigen, der Jesus nicht liebt, ihr Kommen und Einziehen verweigern;236 wer das Wort Jesu nicht hält, lehnt aber, so der Schluss, den man aus V.23f. ziehen muss, den Vater selbst ab. Dafür spricht auch der Nachsatz in V.24b, aus dem hervorgeht, dass in Jesu Wort der Vater selbst spricht.237 Damit verzichtet er darauf, 235

BECKER, Johannes II, 544–563 sieht in Joh 14,23 eine präsentisch-eschatologische Korrektur der futurischen Verheißung aus Joh 14,2f. Aus seiner Sicht distanziert sich der Evangelist in Joh 14,23 kritisch von der Aussage in Joh 14,2f. und besonders von der in ihr enthaltenen Eschatologie. Ähnlich in neuerer Zeit auch WEIDEMANN, Tod, 150, 214 und viele andere. Aber die Spannung wird auch als konstruktives Moment des Textes gedeutet, vgl. etwa K LAUCK, Haus, 20–27; FREY, Eschatologie III, 119–178; SCHOLTISSEK, In ihm sein, 210–279. 236 Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 81f. 237 Vgl. z.B. auch Joh 8,26.28; 12,49.50.

1.8 Die Nähe des Vaters durch den Geist und das Kommen Jesu

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dass Vater und Sohn zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen, und so auf die Erfahrung der Liebe und der Nähe des Vaters. 8.4 Abschließendes Wort Jesu: Die Bedeutung des Geistes für das Gottesverhältnis der Jünger (Joh 14,25f.) Aus Joh 14,23f. ging hervor, dass das Halten des Wortes Jesu eine zentrale Rolle für die Erfahrung der Liebe des Vaters spielt. Dabei blieb aber offen, wie es nach dem Weggang Jesu möglich sein wird, das Wort Jesu zu halten. Dieses Problem wird in V.25f. klar zum Ausdruck gebracht, wo das Thema des Wortes Jesu mit lelavlhka (V.25) und ei\pon (V.26) fortgeführt wird.238 In diesen beiden Versen wird nämlich die Zäsur deutlich, die der Abschied Jesu im Blick auf das Wort Jesu bedeutet: Mit der Wendung tau`ta lelavlhka uJmi`n par≠ uJmi`n mevnwn (V.25) blickt Jesus zurück auf die Zeit seines Zusammenseins mit den Jüngern und auf das, was er ihnen in dieser Zeit vor seinem Weggang gesagt hat.239 In V.26 wird hingegen die Zeit nach seinem Abschied ins Auge gefasst, in der Jesus nicht mehr in der bisherigen Weise mit den Jüngern redet. Damit stellt sich die Frage, wie die Jünger das Wort Jesu hören werden, wenn er nicht mehr bei ihnen sein wird, und wie sie nach seinem Weggang sein Wort halten und die Liebe seines Vaters erfahren können. Jesus antwortet darauf in V.26 mit dem Hinweis auf den heiligen Geist, den der Vater in seinem Namen senden wird. In Joh 14,16f. hatte er den Jüngern bereits den „Geist der Wahrheit“ angekündigt, der bei ihnen bleibt und in ihnen sein wird (par≠ uJmi`n mevnei kai; ejn uJmi`n e[stai) und ihn nach seinem Weggang unter den Jüngern vertreten wird.240 In Joh 14,26 wird daran angeknüpft und entfaltet, worin die Bedeutung des Geistes für die Jünger dann bestehen wird: oJ de; paravklhto", to; pneu`ma to; a{gion, o} pevmyei oJ path;r ejn tw/` ojnovmativ mou, ejkei`no" uJma`" 238

Der Paraklet aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, jener wird euch alles

Vgl. dazu W EIDEMANN, Tod, 188. Obwohl Jesus noch mit den Jüngern zusammen ist, spricht er in V.25 bereits rückblickend als derjenige, der schon Abschied genommen hat. Tau`ta meint wohl nicht nur das seit Joh 13,31 Gesagte, sondern auch das, was Jesus bisher im Johannesevangelium insgesamt den Jüngern gesagt hatte, vgl. BULTMANN, Johannes, 484; DETTWILER, Gegenwart, 202; W EIDEMANN, Tod, 189. Im vorausgehenden Vers 24b ist mindestens die ganze Verkündigung Jesu im Blick, wie die allgemeine Formulierung kai; oJ lovgo" o{n ajkouvete oujk e[stin ejmo;" ajlla; tou` pevmyantov" me patrov" (V.24b) zeigt. 240 Dass der Geist Jesus vertritt, zeigt auch die parallele Formulierung in V.17 (par≠ uJmi`n mevnei: bezogen auf den Geist) und V.25 (par≠ uJmi`n mevnwn: bezogen auf Jesus); ebenso die Parallelität im Gesandtsein durch den Vater (V.24 von Jesus; V.26 vom Geist). 239

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Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

didavxei pavnta kai; uJpomnhvsei uJma`" pavnta a} ei\pon uJmi`n.

lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe (Joh 14,26).

Der vom Vater gesandte Geist wird die Jünger das Wort Jesu lehren, indem er sie an alles erinnert, was Jesus gesagt hat und die in der Vergangenheit geschehene Offenbarung für die Gegenwart auslegt.241 Das Wirken des Geistes ist nach V.26 also ganz auf Jesus (und zwar den irdischen Jesus) bezogen. Entscheidend ist, dass der Geist seine Aufgabe des Lehrens und Erinnerns in dem Werk erfüllt, welches „alles, was Jesus gesagt hat“, enthält: Das Erinnern und Vergegenwärtigen des Wortes Jesu geschieht im vierten Evangelium.242 Indem der Geist die Jünger lehrt und sie an alles erinnert, was Jesus gesagt hat, ermöglicht er ihnen, in der Zeit nach dem Weggang Jesu das Wort Jesu zu hören und zu verstehen.243 Damit schafft sein Wirken die Voraussetzungen dafür, dass die Jünger das Wort Jesu auch nach dem Abschied Jesu halten und ihn lieben können. Durch die in V.26 für die nachösterliche Zeit angekündigte Tätigkeit des Geistes werden daher die Grundlagen dafür gelegt, dass die Jünger nach dem Gang Jesu zum Vater eine Beziehung zu Gott als Vater erhalten und seine Liebe erfahren können.

9. Rahmen und Abschluss der ersten Abschiedsrede (Joh 14,27–31) 1.9 Rahmen und Abschluss der ersten Abschiedsrede

Mit Joh 14,27 wird der Bogen geschlossen, der um den Hauptteil der ersten Abschiedsrede gespannt ist: Mit der Friedenszusage eijrhvnhn 241

Vgl. ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 130; DETTWILER, Gegenwart, 203; RAHNER, Erinnerung, 77 und andere. Sowohl das Lehren (uJma`" didavxei pavnta) als auch das Erinnern (uJpomnhvsei uJma`" pavnta) beziehen sich auf das, was Jesus gesagt hat. Lehren und Erinnern gehören hier eng zueinander: Das kaiv zwischen didavxei pavnta und uJpomnhvsei uJma`" ist ein epexegetisches kaiv; vgl. DETTWILER, Gegenwart, 203; T HYEN, Johannesevangelium, 635; ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 130; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 95 (kaiv explicativum). 242 Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 82. Zum Johannesevangelium als dem Werk, in dem das Erinnern und Auslegen des Parakleten seinen vollkommenen Ausdruck findet, siehe ferner WEIDEMANN, Tod, 190f.; DETTWILER, Gegenwart, 206; RAHNER, Erinnerung, 79 und viele andere. 243 Vgl. dazu DETTWILER, Gegenwart, 175: Aus Joh 14,16f.26 geht hervor, dass der „qualitative Sprung im Verstehen der Person Jesu und seines Wirkens sich letztlich dem Wirken des nachösterlichen Geist-Parakleten verdankt“ oder T HYEN, Johannesevangelium, 635: Durch das Erinnern wird den Glaubenden „jenseits aller Mißverständnisse des Irdischen“ erst erschlossen, „wer dieser Jesus wirklich war, ist und in aller Zukunft sein wird“.

1.9 Rahmen und Abschluss der ersten Abschiedsrede

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ajfivhmi uJmi`n, eijrhvnhn th;n ejmh;n divdwmi uJmi`n wird in V.27 neu eingesetzt und mit dem Aufruf mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva mhde; deiliavtw explizit an die Aufforderung Jesu an die Jünger in V.1 angeknüpft (mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva). Das in beiden Versen verwendete Verb taravssesqai wurde in 3. als Erschütterung der Jünger in ihrer Glaubensidentität angesichts des Todes Jesu und der Auswirkungen ihrer Trennung von Jesus interpretiert. In diesem Sinne ist auch der an V.1 erinnernde Aufruf in V.27 zu verstehen. Dass Jesus in V.27 die Jünger wiederum mahnt, sich nicht erschüttern zu lassen, zeigt, dass sie eben diesen Glauben, zu dem Jesus in V.1 und 11 aufgefordert hatte, nicht haben, oder dieser jetzt akut gefährdet ist. Während V.27 so mit V.1 eine Inklusion um Joh 14,2–26 bildet, wird in V.28a der Inhalt der Rede zusammengefasst und mit dem Weggang Jesu und seinem erneuten Kommen noch einmal ihr zentrales Thema benannt (hjkouvsate o{ti ejgw; ei\pon uJmi`n: uJpavgw kai; e[rcomai pro;" uJma`").244 Dazu gehört neben dem Weggang Jesu und seinem erneuten Kommen auch die Liebe zu Jesus (V.15.21.23f.) als dem Grund für die Liebe des Vaters (V.21.23). Die Liebe zu Jesus wird in V.28b erwähnt (eij hjgapa`tev me ejcavrhte a]n o{ti poreuvomai pro;" to;n patevra). Der Irrealis eij hjgapa`tev me ejcavrhte a[n zeigt allerdings, dass die Liebe der Jünger zu Jesus (noch) keine Realität ist. Zum Zeitpunkt der Rede fehlt den Jüngern ebenso die Liebe zu Jesus wie der oben erwähnte Glaube. Daher ist der Gang Jesu zum Vater für sie kein Anlass zur Freude245, obwohl Jesus mit diesem Gang zum Ausgangs- und Zielpunkt seiner Sendung zurückkehrt; der Vater ist „größer“ als Jesus, insofern das Wirken Jesu keinen anderen Sinn hat, als die Wirklichkeit Gottes zu offenbaren.246 In der Situation vor dem Abschied Jesu, die hier reflektiert wird, ist diese Differenzierung zwischen dem Vater und Jesus einerseits ein Trost – wenn Jesus fortgeht, bedeutet dies für die Jünger nicht zwangsläufig eine Trennung von Gott Vater –, andererseits zeigt sich aber gerade hier die Kluft zwischen der Beschreibung der Wirklichkeit durch Jesus und der Situation der Jünger, denen aufgrund ihres mangelnden Glaubens und ihrer nicht vorhandenen

244

Siehe uJpavgw in Joh 13,33.36 (zweimal); 14,4.5 und e[rcomai in Joh 14,3 (pavlin e[rcomai); 14,18 und 23. 245 Vgl. FREY, Love-Relations, 195: „In Jn 14,28 love for Jesus is interpreted in connection with the joy that he goes to the Father, that is with the willing acceptance and adequate understanding of his death.“ 246 Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 86. In Joh 13,16 wird das Verhältnis zwischen dem Gesandten und dem ihn Sendenden durch den Vergleich mit dem Sklaven und dem Herrn illustriert: „Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr und ein Gesandter ist nicht größer als derjenige, der ihn gesandt hat“. Entsprechendes ist in Joh 14,28 gemeint: Gott Vater überragt als der Sendende Jesus als seinen Gesandten.

100

Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

Liebe zu Jesus die Voraussetzung dafür fehlt, die Nähe des Vaters zu erfahren. Die Lage der Jünger vor dem Weggang Jesu wird auch in V.29 reflektiert, wo ein Bezug zwischen dem Inhalt der Rede und dem kommenden Geschehen hergestellt und die pragmatische Funktion der Rede formuliert wird (kai; nu`n ei[rhka uJmi`n pri;n genevsqai, i{na o{tan gevnhtai pisteuvshte). Diese Formulierung knüpft an Joh 13,19 (ajp≠ a[rti levgw uJmi`n pro; tou` genevsqai, i{na pisteuvshte o{tan gevnhtai o{ti ejgwv eijmi) und an Joh 14,22 (tiv gevgonen) an, wo mit genevsqai, wie oben gezeigt wurde, jeweils auf den Judasverrat und seine Konsequenzen Bezug genommen wird.247 Der Verrat und die durch ihn herbeigeführte Trennung der Jünger von Jesus wird die Jünger, so die implizite Voraussetzung in V.29, in eine Krise des Glaubens führen. Angesichts dessen will der johanneische Jesus sie mit seiner Rede dafür rüsten, dass sie das Geschehen deuten können und, „wenn es geschieht“, Glauben fassen.248 Die abschließenden Verse Joh 14,30f. leiten zu den bevorstehenden Passionsereignissen über. Die Trennung von Jesus steht bevor und es kommt der „Herrscher der Welt“,249 der aber keine Macht über Jesus hat. Vielmehr begibt sich der johanneische Jesus, wie die aktive Verbform poiw` und der Aufruf ejgeivresqe, a[gwmen ejnqeu`qen zeigen, selbst in das kommende Passionsgeschehen (ajll≠ i{na gnw`/ oJ kovsmo" o{ti ajgapw` to;n patevra, kai; kaqw;" ejneteivlatov moi oJ pathvr, ou{tw" poiw`). Die kommenden Ereignisse250 sollen die „Welt“ zur Erkenntnis führen, dass Jesus den Vater liebt und so handelt, wie es ihm der Vater aufgetragen hat. Wesentlich ist dabei, dass das mit ejntevllesqai bezeichnete Verhältnis des Vaters zu Jesus unumkehrbar ist. Am Ende der ersten Abschiedsrede klingt daher als fernes Ziel an, dass nicht nur die Jünger erkennen, sondern auch die „Welt“ einsieht, dass alles Handeln Jesu seinen Grund und sein Ziel in Gott Vater hat.

247

Siehe oben 93f. Anders SCHLERITT, Passionsbericht, 325, der genevsqai auf Jesu Fortgehen zum Vater bezieht. 248 Der Aorist pisteuvshte ist mit „Glauben fassen“ (so T HYEN, Johannesevangelium, 636); „wieder zum Glauben kommen“ (so DETTWILER, Gegenwart, 211) oder „zum Glauben kommen“ (so WEIDEMANN, Tod, 198) wiederzugeben. 249 Wie Joh 12,31 zeigt, ist dies die Bezeichnung für den Teufel (siehe auch Joh 16,11). In Joh 14,29 kann auch an Judas Iskarioth gedacht sein, der seit Joh 13,2 Werkzeug des Teufels ist und in Joh 18,3 kommen wird, um Jesus zu verraten, vgl. DETTWILER, Gegenwart, 211. Ausführlich zum „Herrscher der Welt“ im Johannesevangelium W EIDEMANN, Tod, 201–210. 250 Anders SCHLERITT, Passionsbericht, 327. Er deutet die Ellipse ajll≠ i{na auf das Kommen des Teufels, der das Werkzeug Gottes in dem Prozess ist, in welchem die „Welt“ Jesu Liebe zum Vater und seine Einheit im Handeln mit ihm erkennt.

1.10 Ergebnis

101

10. Ergebnis 1.10 Ergebnis

Aus dem Aufruf Jesu zum Nicht-Erschrecken in Joh 14,1a.27c (mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva ) und der in Joh 14,1b unmittelbar an diesen Aufruf anschließenden Aufforderung zum Glauben (pisteuvete eij" to;n qeo;n kai; eij" ejme; pisteuvete) geht hervor, dass die Jünger, an die sich Jesus in der ersten Abschiedsrede richtet, durch eine Krise bedroht sind. Diese ist, wie die Interpretation der vorangehenden Redeeinleitung in Joh 13,31–38 ergab, durch den Weggang Jesu bedingt, der den Jüngern in Joh 13,33.36 angekündigt wird und für die nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums bereits Realität ist: Da die Jünger nicht an den Ort kommen können, an den Jesus fortgeht (Joh 13,33.36), ist ihre Verbindung zu Gott selbst gefährdet, der sich in Jesus offenbart und sich ihnen – wie auch den anderen Menschen – ausschließlich über und in Jesus zuwendet. Ihre Trennung von Jesus bedeutet eine Erschütterung ihrer Gottesbeziehung und eine Infragestellung ihres Glaubens. Vor diesem Hintergrund verfolgt der Verfasser des Evangeliums in der ersten Abschiedsrede, welche die den Jüngern bevorstehende (bzw. für die nach Ostern Lebenden bereits aktuelle) Trennung von Jesus zur Sprache bringt, ein doppeltes Ziel: Er tröstet seine Leser angesichts des Weggangs Jesu und zugleich motiviert er sie zum Glauben und fordert sie auf, in ihm zu bleiben. Dies leistet er dadurch, dass er die Frage der Beziehung der Jünger zu Gott in der Zeit nach dem Weggang Jesu thematisiert. Dabei differenziert er deutlich zwischen Jesus und Gott Vater, ohne die Einheit von Vater und Sohn in Frage zu stellen. Auf das mit seinem Abschied aufgeworfene Problem der Gottesferne antwortet der johanneische Jesus zunächst in Joh 14,2f. und Joh 14,4–14 in zwei geschlossenen Gedankengängen: 1. In Joh 14,2f. wird den Jüngern – bzw. auf der textpragmatischen Ebene den Lesern des Evangeliums – der Sinn des Weggangs Jesu aufgezeigt: Durch den Weggang Jesu wird für sie eine neue Beziehung zu Gott möglich, die mit dem Gedanken von ihrer künftigen Aufnahme in das Haus des Vaters Jesu und der Gemeinschaft zwischen Vater, Sohn und Jüngern an diesem Ort zum Ausdruck gebracht wird. Der Trennung von Jesus steht deshalb die Verheißung einer heilvollen Zukunft gegenüber, die für die Jünger bzw. die nach Ostern lebenden Christen nicht durch den Verlust ihrer Gottesbeziehung gekennzeichnet ist, sondern im Gegenteil durch die Intensivierung und Steigerung ihrer Nähe zu Gott. 2. In Joh 14,4–11 lenkt Johannes dann den Blick der Leser des Evangeliums auf die Gegenwart und die Gestalt ihres Gottesverhältnisses in der Zeit nach dem Abschied Jesu. Die Gegenwart ist trotz des Weggangs des Offenbarers keine reine „Wartezeit“, die durch Gottesferne charakterisiert

102

Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

ist. Der johanneische Jesus weist die Jünger und mit ihnen die Leser des Evangeliums darauf hin, dass sie ihn als den Weg zum Vater kennen: Ihre Beziehung zu Gott realisiert sich in der von seinem Abschied geprägten Gegenwart im Sehen und Erkennen Jesu als dem Ort, an dem der Vater zu sehen und zu erkennen ist. Während die Jünger der Erzählung Jesus – und damit den Vater – zu seinen Lebzeiten gesehen haben, „sehen“ die Leserinnen und Leser des Johannes Jesus – und in ihm den Vater – im vierten Evangelium. Sie sind so, ohne den irdischen Jesus oder den Auferstandenen an Ostern gesehen zu haben, fähig zu der Erkenntnis Jesu, welche die Grundlage für die Erkenntnis des Vaters ist (Joh 14,7.9). In Joh 14,12–14 kulminiert der Gedankengang in einer Verheißung an die Christusgläubigen: Nach dem Gang Jesu zum Vater werden sie mit Jesus durch den Glauben an ihn und das Gebet in seinem Namen (bzw. das Gebet zu ihm in seinem Namen) verbunden sein. Vor allem aber werden sie durch die Werke, die sie nach dem Gang Jesu zum Vater tun werden, in das Wirken Jesu zur Verherrlichung des Vaters einbezogen und durch diese Beziehung zum erhöhten Jesus eine Beziehung zu Gott als Vater erhalten. Das Ergebnis ist überraschend: Trotz der Trennung von Jesus und der Unmöglichkeit, ihm zu folgen (Joh 13,33.36), vergrößert sich also aus der Perspektive des johanneischen Jesus durch seinen Weggang nicht die Distanz der Jünger bzw. der johanneischen Christen zu Gott. Vielmehr spricht er ihnen gerade für die Zeit seiner Abwesenheit, über die in der Rede in besonderem Maße reflektiert wird, durch ihre christologische Erkenntnis die Nähe zu Gott als Vater zu. Die Reaktionen des Thomas und des Philippus zeigen jedoch – im Kontrast zur Sicht des johanneischen Jesus auf das Gottesverhältnis der Jünger – die deutliche Distanz der Jünger zu Jesus und dem Vater. Die ratlose Bemerkung des Thomas in Joh 14,5 zeigt, dass er weder das Ziel des Weges Jesu kennt noch weiß, wie er (und die anderen Jünger) zur Erkenntnis des Weges Jesu gelangen könnten. Dabei hat er, wie aus der Erwiderung Jesu auf seinen Einwand ersichtlich wird, den zentralen Punkt nicht verstanden: Es geht um den Weg zum Vater, und dieser Weg ist Jesus selbst (Joh 14,6). Die Bitte des Philippus in Joh 14,8 – „zeige uns den Vater!“ – gibt Einblick in eine andere Facette desselben Problems; sie macht nämlich deutlich, dass Philippus im Unterschied zur Beschreibung der Situation durch Jesus nicht imstande ist, in Jesus den Vater zu sehen und zu erkennen. Die Äußerungen des Thomas und des Philippus zeigen, dass die Jünger nicht begreifen, dass es in den Äußerungen Jesu über sich selbst (Joh 14,4.6f.) um ihren eigenen Weg zum Vater geht. In den Reaktionen der Jünger spiegelt sich auf der textpragmatischen Ebene das Unverständnis der nach Ostern lebenden Leser des Johannesevangeliums wider, die nicht

1.10 Ergebnis

103

in der Lage sind, Jesus als den zu erkennen, in dem der Vater präsent, sichtbar und erkennbar ist. Dieser Herausforderung begegnet Johannes mit den Verheißungen Jesu in Joh 14,15–26. Während in Joh 14,4–14 das Thema des Glaubens mehrfach wiederkehrte (V.10.11 (bis).12), ist jetzt die Liebe zu Jesus das Leitmotiv (V.15.21.23f.). Auch wechselt jetzt der Ton: Während Jesus in Joh 14,4–14 von dem Wissen der Jünger um den Weg zum Vater (Joh 14,4) und von ihrem Sehen und Erkennen des Vaters (Joh 14,7, vgl. V.9) sprach und sie zum Glauben aufrief (Joh 14,11, vgl. V.12), überwiegen in Joh 14,15–26 die Verheißungen. Jesus kündigt den Jüngern an, dass ihre Trennung von ihm selbst und ihre Distanz zum Vater aufgehoben werden wird. Nach seinem Weggang wird ihnen der Geist gegeben werden, um „mit“ ihnen zu sein (i{na meq≠ uJmw`n … h\ó). In seinem „Mitsein“ mit den Jüngern erfüllt der Geist die Funktion, welche Jesus vor seinem Weggang für die Jünger hatte (siehe z.B. Joh 7,33; 13,33; 14,9b). Dadurch fängt er die Trennung der Jünger von Jesus auf und führt zugleich eine Steigerung gegenüber der Zeit des irdischen Jesus herbei, indem er dauerhaft (eij" to;n aijw`na) mit den Jüngern zusammen sein wird (Joh 14,16f.). Vor allem aber wird die Distanz der Jünger zu Jesus und Gott Vater durch das erneute Kommen Jesu aufgehoben werden. Als Konsequenz des erneuten Kommens Jesu und ihres „Sehens“ werden die Jünger nämlich erkennen, dass Jesus ihr Weg zum Vater ist und sie „in Jesus“ selbst in die wechselseitige Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater einbezogen sind (Joh 14,18– 20). Mit der Zusage der Liebe des Vaters in Joh 14,21.23 wird die Gottesbeziehung vom Vater her definiert, der jetzt zusammen mit Jesus als handelndes Subjekt die Initiative übernimmt. In diesen beiden Versen entfaltet Jesus, worin die Liebe seines Vaters zu denen besteht, die das Wort Jesu halten, und wie sie gestaltet ist: Sie konkretisiert sich darin, dass Jesus den liebt, der sein Wort hält, und dass er sich ihm offenbart (V.21), sowie darin, dass Vater und Sohn gemeinsam kommen und in ihm Wohnung nehmen (V.23). Entscheidend ist dabei, dass die Liebe des Vaters an das Halten des Wortes Jesu und die Liebe zu Jesus gebunden ist. Die Frage, wie das Halten des Wortes Jesu in der Zeit nach dem Weggang Jesu möglich sein wird, klärt sich in Joh 14,26 mit dem Hinweis auf die Tätigkeit des Geistes: Mit seinem Lehren und Erinnern an alles, was Jesus gesagt hat, schafft der Geist die Voraussetzungen dafür, dass die Christen in der Zeit nach dem Weggang Jesu das Wort Jesu hören, verstehen und halten können. Seine Vergegenwärtigung des Wortes Jesu im vierten Evangelium ist daher das Fundament für die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater in der Zeit nach dem Abschied Jesu.

104

Kapitel 1: Die Jünger und Gott Vater in Joh 13,31–14,31

Der Schluss der Rede konzentriert sich wieder auf die Situation der Jünger bzw. der Leserinnen und Leser des Evangeliums (Joh 14,27–31). Das Ziel der Sendung Jesu, die in der ersten Abschiedsrede verheißene Nähe zwischen den Jüngern und Gott als Vater, ist noch nicht verwirklicht. Die Jünger stehen vielmehr, wie V.27 mit der Wiederaufnahme des Aufrufs mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva aus V.1 zeigt, vor einer Bewährungsprobe im Blick auf den Glauben, zu dem sie Jesus in V.1 und 11 aufgefordert hatte (vgl. auch V.10.12). Auch ist die Liebe der Jünger zu Jesus, deren Bedeutung in V.15.21.23f. hervorgehoben wurde, (noch) keine Realität (V.28). Auf der Ebene der Erzählung steht die Prüfung der Jünger mit dem drohenden Verrat des Judas und seinen Konsequenzen bevor; auf der textpragmatischen Ebene entspricht dem der immer mögliche Abfall von Christen, angesichts dessen die nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums standhalten sollen (V.29.30f.).

Kapitel 2

Das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott Vater in Joh 16,4b–33 Wie in Joh 13,31–14,31 wird auch in Joh 16,4b–33 die Thematik vom Weggang Jesu reflektiert. Das Ausgangsproblem ist hier aber anders als in der ersten Abschiedsrede akzentuiert. Es besteht in einer Verstehenskrise der Jünger: Die Jünger begreifen weder die Bedeutung der Worte Jesu über seinen Weggang (Joh 16,5–7) noch seine Ankündigung, dass sie ihn sehen werden (Joh 16,16). Die Antworten, die Jesus den Jüngern in der ersten Abschiedsrede auf das Problem seines Weggangs und der Trennung von ihm gegeben hatte, vermögen sie angesichts ihrer Bedrohung durch die „Welt“ (Joh 15,18–16,4a) nicht zu überzeugen. In dieser Verstehenskrise verheißt Jesus den in Trauer gefangenen Jüngern eine neue Beziehung zu ihm selbst und zu Gott als Vater. Ihre Niedergeschlagenheit wird sich in Freude und ihr Unverständnis in Verstehen verwandeln. Ihr verwandeltes Verhältnis zu Jesus eröffnet den Jüngern eine neue Beziehung zwischen ihnen und Gott als Vater, an den sie sich von jetzt an im Gebet wenden können, der ihre Gebete erhört und sie liebt.

1. Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 13,31–16,33 2.1 Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 13,31–16,33

1.1 Joh 15–16 im literarischen Zusammenhang der Abschiedsreden Zwischen dem Schluss der ersten Abschiedsrede in Joh 14,31 und dem Beginn des „hohepriesterlichen Gebets“ in Joh 17,1 steht der umfangreiche Textkomplex Joh 15,1–16,33. Seine Stellung innerhalb des literarischen Kontexts in Joh 13,31–17,26 wird bis heute in der Forschung diskutiert: Die Kapitel 15 und 16 unterbrechen (ebenso wie das hohepriesterliche Gebet in Joh 17) den Textzusammenhang zwischen Joh 14,31, wo Jesus die Jünger mit ejgeivresqe, a[gwmen ejnteu`qen zum Aufbruch aufruft, und Joh 18,1, wo dieser mit dem Gang über den Kidron erst erfolgt. Unter den zahlreichen Lösungsvorschlägen für das historische Problem der Entstehung von Joh 13,31–17,26 hat sich im Anschluss an Wellhausen 1 die literarkritische Erklärung weitgehend durchgesetzt. Dabei wird Joh 15– 1

WELLHAUSEN, Erweiterungen, 7–15; DERS., Johannis, 79.

106

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

16 (17) von einigen als spätere Zusätze oder Nachträge einer Redaktion beurteilt, welche sekundär in den ursprünglich bestehenden Textzusammenhang von Joh 14,31 und 18,1 eingefügt worden seien2, oder Joh 15–16 wird als Variante(n) oder alternative Version(en) der ersten Abschiedsrede 3 begriffen. Andere sehen Joh 15–16 als Reden von Schülern an, welche die Rede des Evangelisten einerseits ergänzen, andererseits selbständig weiterführen4, oder man schätzt die beiden Kapitel als relecture der Rede in Joh 13,31–14,31 ein.5 Der klassische literarkritische Ansatz, wie ihn z.B. Becker in seinem Johanneskommentar vertritt, ist dabei oft mit der Prämisse verbunden, dass die historisch sekundären Textpassagen, also die als „Nachträge“ beurteilten Kapitel Joh 15–16 (17), in Spannung zur historisch primären Abschiedsrede in Joh 13,31–14,31 stehen und sich korrigierend dazu verhalten.6 Die als „Spannungen“ eingestuften Differenzen sind dann auch Grundlage für die Annahme verschiedener Autoren in Joh 13,31–14,31 und 15–16.7 Demgegenüber sind in den letzten Jahren die Stimmen derer gewachsen, die das Verhältnis zwischen der Rede in Joh 13,31–14,31 und dem folgenden Textkomplex anders einschätzen: Einige sehen in Joh 15–16 etwa einen eigenständigen Entwurf des Evangelisten, der an Joh 14,31 angefügt worden sei, ohne dass dabei alle Widersprüche

2

Siehe z.B. W ELLHAUSEN, Erweiterungen, 8; BECKER, Johannes II, 570–572 und 572ff. 3 Vgl. dazu aus der älteren Forschung z.B. HOLTZMANN, Hand-Commentar IV, 188; W ELLHAUSEN, Johannis, 68 (Paraphrase, Variation); CORSSEN, Abschiedsreden, 127; B AUER, Johannesevangelium, 188; STRATHMANN, Johannes, 213. B ARRETT, Johannes, 445 spricht im Blick auf Joh 14 oder 13,31–14,31 und 15–17 (16) von „zwei alternative(n) Versionen der Abschiedsrede“. 4 Vgl. z.B. DIETZFELBINGER, Abschied, 251–253. 5 Schon Schnackenburg spricht bei Joh 16 von einer „relecture“ der ursprünglichen Abschiedsrede in Joh 14, deren Aussagen in Joh 16 im Blick auf die Existenz der Gemeinde in der Welt neu bedacht und neu formuliert würden, vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 103. Ausführlich begründet und durchgeführt wird die RelectureHypothese an Joh 13,31–16,33 von D ETTWILER, Gegenwart. Siehe auch die Hinweise auf die Veröffentlichungen von Zumstein in Anm. 9. 6 Siehe z.B. BECKER, Johannes II, 572: „Joh 15–17 tragen andere theologische Akzente als 13,31–14,31, dies weist auf Konkurrenz, nicht auf ein ehedem einheitliches Konzept.“ 7 Becker führt Joh 13,31–14,31 auf den Evangelisten zurück, während er Joh 15–16 (17) der sogenannten „kirchlichen Redaktion“ zuschreibt; vgl. B ECKER, Johannes I, 40f.; II, 570–572.572f. W INTER, Vermächtnis, 227f. weist Joh 15–17 einer „nachevangelistische(n) Redaktion“ zu, deren Theologie sich von der des Evangelisten deutlich unterscheide. Seine These, dass die redaktionellen Passagen von Anfang an als sukzessive Texterweiterungen konzipiert seien (DERS., Vermächtnis, 250f.), übernimmt H ALDIMANN, Rekonstruktion, 42.

2.1 Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 13,31–16,33

107

ausgeglichen worden wären.8 Andere lesen die beiden Kapitel im Anschluss an Zumstein und Dettwiler als Relecture der ersten Abschiedsrede: Diese interpretieren Joh 15–16 als Fortschreibung von Joh 13,31–14,31, die bewusst an das in der ersten Rede Entfaltete anknüpft, welches sie als gültig voraussetzt und weiter entwickelt.9 Der Bezugstext in Joh 13,31– 14,31 wird nach diesem Deutungsmodell durch den Rezeptionstext nicht in Frage gestellt oder kritisiert. Vielmehr greift der Verfasser von Joh 15–16 danach auf Elemente der ersten Abschiedsrede zurück, die er präzisiert bzw. neu akzentuiert.10 Das von Dettwiler und Zumstein an den Abschiedsreden durchgeführte Modell der „relecture“ kann nicht nur den Bruch zwischen dem Redeschluss in Joh 14,30f. und 15,1 und die Wiederaufnahme des nach Joh 14,31 abgerissenen Erzählfadens in Joh 18,1 erklären; es macht auch die große thematisch-inhaltliche und sprachliche Nähe besonders zwischen Joh 13,31–14,31 und 16,4a-33 verständlich ebenso wie Differenzen im Detail zwischen diesen Texten. Unabhängig von der hier nicht weiter erörterten Frage, wie das Problem der literarischen Entstehungsgeschichte der johanneischen Abschiedsreden zu lösen ist, wird sich auch bei der folgenden synchron orientierten Auslegung von Joh 16,4b–33 abzeichnen, dass der Text an vielen Stellen entfaltet und weiterentwickelt, was in der ersten Rede gesagt wird.

8

Vgl. z.B. FREY, Eschatologie III, 118; ähnlich auch W ILCKENS, Johannes, 7. Nach Wilckens Auffassung hat Johannes die ursprüngliche Abschiedsrede in Joh 14 mit Joh 15–16 selbst um einen zweiten Teil erweitert. Der Evangelist hat die Abschiedsszene von vornherein so konzipiert, dass Joh 16 nach Joh 15 vertiefend die Ausführungen von Kap. 14 wiederholt. Den Aufruf in Joh 14,31 hat er bewusst stehen gelassen als „Signal an seine Leser, den nun folgenden Mittelteil 15,1–16,4 mit seinen beiden Themen des Bleibens in Jesus und der Verfolgung um Jesu willen als die Gestalt nachösterlicher Jüngernachfolge zu lesen.“ L INDARS, John, 50f.467 spricht von einer vom Evangelisten verfassten zusätzlichen Abschiedsrede, die dieser in einer zweiten Ausgabe seines Werkes dem Text hinzugefügt habe. 9 Siehe ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 90–93; DERS., Prozess der Relecture, 15–30 (bes. 26f.); DERS., Ostererfahrung; DETTWILER, Gegenwart. 10 Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 240. Die Autorenfrage ist im Zusammenhang des relecture-Modells von Dettwiler nicht von wesentlicher Bedeutung (vgl. DETTWILER, Gegenwart, 294). Bezugs- und Rezeptionstext können sowohl von demselben als auch von verschiedenen Autoren stammen. Denkbar ist beides und beides wird gegenwärtig vertreten: Haldimann kombiniert einen redaktionsgeschichtlichen Ansatz mit der Deutung von Joh 15–16 als sukzessive, kommentierende Texterweiterung von Joh 13f. (vgl. H ALDIMANN, Rekonstruktion, 39–42), während Luz in Modifikation des relecture-Modells von „intratextueller ‚Reprise‘ liegen gelassener Themen und Motive“ und deren Vertiefung und Weiterführung durch denselben Autor spricht (vgl. LUZ, Reprise, 235).

108

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

1.2 Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 15,1–16,33, Abgrenzung und Aufbau Innerhalb des Textkomplexes Joh 15,1–16,33 stellen Joh 16,4b–33 einen eigenen Abschnitt dar, der von den vorausgehenden Teilen Joh 15,1–17 und 15,18–16,4a formal und inhaltlich abgegrenzt ist11: V.4a nimmt mit ajlla; tau`ta lelavlhka uJmi`n (siehe tau`ta lelavlhka uJmi`n in Joh 16,1) und der Erwähnung der „Stunde“ der Jüngerverfolger (siehe dazu Joh 16,2) noch auf das unmittelbar Vorhergehende Bezug. Zugleich wird mit tau`ta lelavlhka uJmi`n signalisiert, dass jetzt ein Abschnitt zu Ende geht und anschließend etwas Neues beginnt.12 V.4b leitet hingegen zu der in V.5 wieder aufgenommenen, aus der ersten Rede bekannten Thematik vom Weggang Jesu über (nu`n de; uJpavgw). Der Gegensatz zwischen dem bisherigen Zusammensein Jesu mit den Jüngern (V.4b) und seinem bevorstehenden Weggang (V.5–7) zeigt, dass V.4b zu V.5–7 gehört. Mit V.4b setzt der Evangelist daher nach den Ausführungen in Joh 15,1–17 und 15,18– 16,4a noch einmal neu an.13 Die mit V.4b beginnende Textpassage führt er in V.33 mit der rückblickenden Wendung tau`ta lelavlhka uJmi`n zu Ende und leitet schließlich mit der auf die vorausgehende Rede bezogenen Feststellung tau`ta ejlavlhsen ≠Ihsou`" in Joh 17,1 über von der Rede Jesu an die Jünger zu seinem Gebet zu Gott Vater (kai; ejpavra" tou;" ojfqalmou;" aujtou` eij" to;n oujrano;n ei\pen).14 Dass Joh 16,4b–33 einen eigenen Abschnitt innerhalb von Joh 15,1– 16,33 bildet, wird auch durch inhaltliche Beobachtungen gestützt: In Joh 16,4b–33 wird die aus Joh 13,31–14,31 bekannte Thematik des Weggangs Jesu wieder aufgenommen (Joh 16,5.7.10.17.28), die in Joh 15,1–16,4a nicht erwähnt wird. Ebenso wird Joh 16,4b–33 durch das wiederkehrende Thema der luvph (Joh 16,6.20.21) und der carav (Joh 16,20.21.22.24) zu-

11

Zur Gliederung von Joh 15,1–16,33 in die drei Abschnitte Joh 15,1–17; 15,18– 16,4a und 16,4b–33 vgl. z.B. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 90f. Anders gliedern z.B. B ECKER, Johannes II, 572–583 (Joh 15,1–17), 583–597 (Joh 15,18–16,15) und 598–608 (Joh 16,16–33) und D IETZFELBINGER, Abschied, 106–226 (Joh 15,1–16,15) und 227–253 (Joh 16,16–33). 12 Die Wendung tau`ta lelavlhka uJmi`n hat auch in Joh 14,25 und 16,33 einen abschließenden Charakter (zu Joh 14,25 siehe oben 97; zu 16,33 siehe unten 152). Kleinere Zäsuren markiert sie auch in Joh 15,11 und 16,1. 13 Die meisten Exegeten sehen in V.4b einen Neueinsatz; siehe z.B. BROWN, John II, 586–588; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 104; DETTWILER, Gegenwart, 57; FREY, Eschatologie III, 112 und viele andere. Anders entscheidet Thyen, der Vers 4 mit MOLONEY, John, 444 als „die unteilbare Eröffnung der neuen Szene“ begreift (T HYEN, Johannesevangelium, 657). 14 Ähnlich wie in Joh 17,1 zeigt tau`ta ejlavlhsen ≠Ihsou`" auch in Joh 12,36b das Ende der vorausgegangenen Rede Jesu an; vgl. dazu auch Joh 8,20.

2.1 Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 13,31–16,33

109

sammengehalten, welches in Joh 15,1–16,4a keine Rolle spielt.15 Auf Kohärenz weisen zugleich das Nichtverstehen der Jünger (Joh 16,4b–7.17– 19.29f.), der Wandel vom Nichtverstehen zum Verstehen der Jünger (Joh 16,13–15.23a.25), und das Nicht-mehr-Sehen (Joh 16,10.16) und Sehen Jesu (Joh 16,16).16 Die Struktur von Joh 16,4b–33 ist einfacher als die von Joh 13,31– 14,31. V.15 bringt die ab V.4b entwickelten Gedanken mit dem rückblickenden dia; tou`to ei\pon zu einem Abschluss, während V.16 mit mikro;n kai; oujkevti qewrei`tev me neu einsetzt; dies spricht für die Gliederung des Textes in die beiden Teile V.4b–15 und V.16–33.17 Der erste Teil V.4b–15 beginnt mit einer einführenden Passage V.4b–7, die mit dem Weggang Jesu und der Trauer und dem Unverständnis der Jünger im Blick auf den Sinn des Weggangs das Ausgangsproblem von Joh 16,4b–33 thematisiert. Im folgenden Abschnitt V.8–15 wird auf diese Problematik mit dem Hinweis auf das Kommen des Geistes als Frucht des Weggangs Jesu geantwortet: V.8–11 gehen auf das Wirken des Geistes gegenüber der Welt ein, V.12–15 auf sein Wirken an den Jüngern. Der zweite Teil V.16–33 ist wieder durch den Wechsel zwischen Jesusrede und Jüngerreaktionen geprägt, der schon für die erste Abschiedsrede in Joh 13,31–14,31 kennzeichnend war. Seine vier Unterabschnitte V.16– 19, V.20–24; V.25–28 und V.29–33 sind, wie gleich deutlich werden wird, jeweils aufeinander bezogen. Wie V.4b–15 beginnt V.16–33 mit einer einführenden Passage, die neben dem Unverständnis der Jünger, was den Sinn der Ankündigungen Jesu in V.16 und der Rede über seinen Weggang betrifft, die Nichtsichtbarkeit Jesu für die Jünger als Ausgangsproblem thematisiert (V.16–19). In V.20–24 wird darauf mit einer ersten Antwort reagiert: Jesus wird die Jünger wieder sehen (V.22) und ihre Trauer wird sich in Freude (V.20–22) und ihr Nichtverstehen in Verstehen wandeln (V.23a). Konsequenz dieses Wandels wird die Nähe des Vaters zu den Jüngern in Gebet und Gebetserhörung sein (V.23b–24). Daran schließt in V.25–28 eine zweite Verheißung an, welche die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater näher charakterisiert und inhaltlich entfaltet. Da auch in dieser Ver15

Wie DETTWILER, Gegenwart, 213 bemerkt, zeigt sich die literarische und theologische Kohärenz von Joh 16,4b–33 vor allem darin, dass das Leitwort der „Trauer“ die Rede durchzieht und zu Beginn in V.4b–7 wieder die Abschiedssituation thematisiert wird. 16 Aus diesem Grund wird der Neueinsatz hier nicht erst in Joh 16,16 gesehen (so z.B. B ECKER, Johannes II, 583f. 598; DIETZFELBINGER, Abschied, 248f.). 17 Zur Zweiteilung von Joh 16,4b–33 in V.4b–15 und 16–33 vgl. z.B. auch DETTWILER , Gegenwart, 214; BROWN, John II, 703f.709.718f.; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 127. Bultmann sieht dagegen die entscheidende Zäsur zwischen V.11 und 12 und trennt Joh 16,4b–11 von 16,12–33 (B ULTMANN, Johannes, 440f.).

110

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

heißung die Wende vom Unverständnis zum Verstehen der Jünger thematisiert wird, stellt V.25–28 ebenso wie V.20–24 eine Antwort auf die in V.16–19 skizzierte Ausgangsproblematik dar.18 V.29–33 bilden den Abschluss der Textpassage: Die von den Jüngern explizit geäußerte, auf Jesu wunderbares Vorherwissen (V.19) bezogene Glaubensgewissheit (V.29f.) wird durch Jesus infragegestellt, indem er ihnen ankündigt, dass sie sich von ihm wie von Gott Vater distanzieren werden (V.31f.). So wird am Ende ein denkbar scharfer Kontrast zu den Verheißungen in Joh 16,13–15.20–24.25–28 hergestellt, in deren Zentrum die in Aussicht gestellte Nähe des Vaters zu den Jüngern stand. Der drohenden Aufgabe der Gemeinschaft mit Jesus und Gott Vater durch die Jünger stellt Jesus schließlich in V.33 den Zuspruch entgegen, dass sie mitten in der Bedrückung durch die Welt „in ihm“ Frieden haben. Die folgende Skizze der Struktur von Joh 16,4b–33 soll eine erste Orientierung über die folgende Interpretation des Textes geben: Aufbau von Joh 16,4b–33 I.

Das Ausgangsproblem: Die Trauer der Jünger und ihr Unverständnis im Blick auf den Sinn des Weggangs Jesu (Joh 16,4b–7)

II.

Die Verheißung Jesu: Das Kommen des Geistes als Frucht des Weggangs Jesu (Joh 16,8–15) 1. Die Überführung der „Welt“ durch das Wirken des Geistes (Joh 16,8–11) 2. Die Beziehung zwischen den Jüngern und dem Vater durch das Wirken des Geistes (Joh 16,12–15)

III.

Die gegenwärtige Situation: Die Unsichtbarkeit Jesu für die Jünger und ihr Unverständnis (Joh 16,16–19)

IV.

Die erste Antwort Jesu: Die Nähe zwischen Gott Vater und den Jüngern nach dem großen Wandel (Joh 16,20–24)

18

Aus diesem Grund wird die zwischen V.24 und 25 zweifellos vorhandene Zäsur (wiederum markiert durch tau`ta […] lelavlhka uJmi`n; zur weiteren Begründung siehe DETTWILER, Gegenwart, 214 Anm. 2) hier weniger stark gewichtet als z.B. von D ETTWILER , Gegenwart, 214, der V.16–33 in V.16–24 und 25–33 teilt (so auch Z UMSTEIN, Saint Jean (13–21), 142f.150f.). V.20–24 und V.25–28 verbindet sowohl die Wende vom Unverständnis zum Verstehen (Joh 16,23a.25) als auch die neue Beziehung der Jünger zum Vater in Gebet und Gebetserhörung (Joh 16,23b–24.26).

2.1 Joh 16,4b–33 im Kontext von Joh 13,31–16,33

111

1. Die Verheißung des Wandels: Bleibende Freude und Verstehen der Jünger (Joh 16,20–23a) 2. Voraussetzung für den Wandel: pavlin de; o[yomai uJma`" (Joh 16,22) 3. Konsequenzen des Wandels: Die Nähe zwischen dem Vater und den Jüngern in Gebet und Gebetserhörung (Joh 16,23b–24) V.

Die zweite Antwort Jesu: Die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater (Joh 16,25–28) 1. Ankündigung der offenen Verkündigung über den Vater (Joh 16,25) 2. Das Gebet der Jünger zum Vater und die Liebe des Vaters zu den Jüngern (Joh 16,26f.) 3. Die Liebe der Jünger zu Jesus und ihr Glaube an seine Herkunft als Kennzeichen ihrer Gotteskindschaft (Joh 16,27) 4. Zusammenfassung: Der Vater als Ursprung und Ziel des Weges Jesu (Joh 16,28)

VI.

Die Reaktion der Jünger und ihre Deutung durch Jesus: Die gegenwärtige Distanz der Jünger zum Vater (Joh 16,29–32)

VII.

Abschließender Zuspruch Jesu (Joh 16,33)

112

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

2. Das Ausgangsproblem: Die Trauer der Jünger und ihr Unverständnis im Blick auf den Sinn des Weggangs Jesu (Joh 16,4b–7) 2.2 Die Trauer der Jünger und ihr Unverständnis über den Weggang Jesu

In Joh 16,5 wird wieder wie in Joh 13,33 und 36 der Weggang Jesu angekündigt: 4 tau`ta de; uJmi`n ejx ajrch`" oujk ei\pon, o{ti meq≠ uJmw`n h[mhn. 5 nu`n de; uJpavgw pro;" to;n pevmyanta v me, kai; oujdei;" ejx uJmw`n ejrwta`/ me: pou` uJpavgei"É 6 ajll≠ o{ti tau`ta lelavlhka uJmi`n hJ luvph peplhvrwken uJmw`n th;n kardivan. 7 ajll≠ ejgw; th;n ajlhvqeian levgw uJmi`n, sumfevrei uJmi`n i{na ejgw; ajpevlqw. eja;n ga;r mh; ajpevlqw, oJ paravklhto" oujk ejleuvsetai pro;" uJma`": eja;n de; poreuqw`, pevmyw aujto;n pro;" uJma`".

4 Dies aber habe ich euch nicht von Anfang an gesagt, weil ich mit euch [zusammen] war. 5 Jetzt aber gehe ich weg zu dem, der mich gesandt hat, und keiner von euch fragt mich: Wohin gehst du? 6 Vielmehr hat Trauer euer Herz erfüllt, weil ich euch dies gesagt habe. 7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es nützt euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, wird der Paraklet nicht zu euch kommen. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch schicken (Joh 16,4b–7).

Wie schon in Joh 13,33 steht das uJpavgein Jesu (V.5) auch hier im Gegensatz zum Zusammensein Jesu mit den Jüngern in der Zeit vor seinem Weggang (meq≠ uJmw`n h[mhn, V.4c).19 Das bedeutet, dass der Akzent bei uJpavgein auf der Trennung zwischen Jesus und den Jüngern liegt. Dafür spricht auch, dass in V.7 ajpevrcesqai (weggehen) als Synonym zu uJpavgein verwendet wird. Während Jesus in seinen Ankündigungen in Joh 13,33 und 36 über das Ziel seines Weggangs schweigt, wird es jetzt klar benannt: Jesus geht fort zu dem, der ihn gesandt hat (Joh 16,5). Anders fällt auch die Reaktion der Jünger aus: Während sie in der ersten Rede mehrfach die Frage nach dem Ziel des Weggangs Jesu stellen (13,36; 14,5), bemerkt Jesus in Joh 16,5, dass keiner der Jünger ihn fragt, wohin er fortgeht. In der Forschung hat diese Differenz zur ersten Rede eine weitreichende Diskussion hervorgerufen; zum Teil sieht man darin ein Indiz dafür, dass in den beiden Textpassagen jeweils verschiedene Hände am Werk waren 20,

19

Mit dem Imperfekt h[mhn wird der durative Aspekt des Zusammenseins des irdischen Jesus mit den Jüngern zum Ausdruck gebracht; vgl. auch ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 129 Anm. 7. 20 Vgl. z.B. DIETZFELBINGER, Abschied, 189. BECKER, Johannes II, 592 spricht von „konkurrierende[n] stilistische[n] Mittel[n]“.

2.2 Die Trauer der Jünger und ihr Unverständnis über den Weggang Jesu

113

oder versucht, den Widerspruch durch Umstellungshypothesen21 oder inhaltliche Erklärungen22 aufzulösen. Frey deutet die Spannung als Hinweis darauf, dass Joh 16,4b–33 nicht als Fortschreibung von Joh 13,31– 14,31 konzipiert wurde, sondern ein eigenständiger Entwurf ist, der mit Joh 15,1–16,4a verbunden und an Joh 14,31 angefügt wurde, ohne dass der Widerspruch zwischen den Fragen des Petrus und des Thomas in der ersten Rede (Joh 13,36; 14,5) und Joh 16,5 ausgeglichen worden wäre.23 Die Differenz zwischen Joh 16,5 auf der einen und 13,36; 14,5 auf der anderen Seite spricht jedoch nicht gegen das Erklärungsmodell der „relecture“: Gegenüber der ersten Abschiedsrede findet jetzt eine Akzentverschiebung statt; im Unterschied zur Ausgangssituation in Joh 13,31–14,31 wird jetzt vorausgesetzt, dass die Jünger um das Ziel des Weggangs Jesu wissen. Sie haben gehört und begriffen, dass er zum Vater geht (Joh 14,12.28).24 Dies wird auch später durch ihre Äußerung in Joh 16,17 bestätigt (tiv ejstin tou`to o} levgei hJmi`n: mikro;n kai; [...] kai; o{ti uJpavgw pro;" to;n patevra). Sie haben allerdings – und das ist entscheidend – nicht verstanden, worin die Bedeutung des Weggangs Jesu zum Vater liegt.25 Auf diesen für das Verständnis des Ausgangsproblems von Joh 16,4b–33 wesentlichen Punkt werden wir im Folgenden gleich noch kommen. Die Bemerkung Jesu, dass ihn keiner der Jünger nach dem Ziel seines Weggangs fragt, hat im Kontext von V.4b–7 daher nur einen vorbereitenden Charakter: Sie dient dazu, die zentrale Aussage Jesu in V.6 einzuführen und hervorzuheben, nach der Trauer das Herz der Jünger erfüllt hat.26 Was mit luvph gemeint ist, zeigt ein Blick auf die weiteren johanneischen Textbelege, die sich ausschließlich auf Joh 16 konzentrieren (V.6.20 21

Vgl. B ULTMANN, Johannes, 350 Anm. 3, 430 Anm. 2. B ARRETT, Johannes, 472 will in Joh 16,5 das Präsens ejrwta/` betont wissen – erfüllt von Trauer fragen die Jünger jetzt (im Unterschied zu vorher) nicht, wohin Jesus weggeht. Ähnlich LAGRANGE, Jean, 417f. 23 Vgl. FREY, Eschatologie III, 117f. 24 So die einleuchtende Erklärung von DODD, Interpretation, 412f. Anm. 1; vgl. auch schon WEISS, Johannes-Evangelium, 585. 25 Vgl. B ROWN, John II, 710 zum Verhältnis von Joh 16,5 zu 13,36 und 14,5: „In one form of the account the question is posed by the disciples to Jesus and the context indicates that they do not understand where he is going. In the other form the question is not even posed because the disciples do not sufficiently understand the import of his going away.“ 26 LINDARS, John, 499 spricht von einer „literalistic question to introduce a deeper explanation“. Nach DETTWILER, Gegenwart, 219 werden die Leser durch V.5f. auf den anderen Akzent der Rede aufmerksam gemacht. Er sieht diesen in Joh 16,4b–33 anthropologisch-ekklesiologisch im „Weg der Jüngergemeinde“, in ihrer „kritischen Befindlichkeit in einer feindlichen Welt“, während in Joh 13,31–14,31 aus seiner Sicht der „Weg Jesu“ und damit die christologische Frage im Vordergrund standen ( DERS., Gegenwart, 219f.). So auch ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 90 und 130. 22

114

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

[luvph und lupei`sqai].21.22): In Joh 16,20 wird lupei`sqai parallel zu klaivw und qrhnevw gebraucht. Während qrhnevw nur in Joh 16,20 vorkommt, begegnet klaivw auch in Joh 11,31.33, wo es das Beweinen eines Toten bezeichnet, und in 20,11–15, wo es sich auf Maria bezieht, die angesichts der Abwesenheit des Leichnams Jesu weint. Im Horizont des parallel zu klaivw und qrhnevw verwendeten lupei`sqai könnte deshalb sowohl das Beweinen eines Toten stehen als auch das Weinen angesichts des Weggangs Jesu. Bei ersterem kann an den bevorstehenden Tod Jesu gedacht sein, der die Jünger in Trauer stürzen wird; bezieht man die vorausgehenden Äußerungen Jesu vor allem in Joh 16,2f. ein (pa`" oJ ajpokteivna" uJma`"), könnte auch der Tod von Jüngern als Folge der dort und ab Joh 15,18 erwähnten Bedrückungen im Horizont der luvph stehen.27 Der Textzusammenhang in V.5–7 legt allerdings nahe, die Trauer der Jünger auch als eine Reaktion auf die Ankündigung des Weggangs Jesu zu interpretieren, auf dessen Sinn Jesus wiederum in V.7 zu sprechen kommt. Beides schließt sich nicht aus; dann würde sich tau`ta in V.6 sowohl auf tau`ta in V.4b, und damit über tau`ta in V.4a auf die in V.2f. erwähnten Bedrückungen als auch auf den in V.5a genannten Weggang beziehen.28 Da Jesus in V.7 auf den Nutzen seines Weggangs für die Jünger hinweist, scheint der tiefere Grund für ihre Trauer darin zu liegen, dass die Jünger den Sinn des Weggangs Jesu nicht verstehen.29 Diese Interpretation wird durch eine weitere Beobachtung gestützt: Signifikant für die Bedeutung der luvph der Jünger in diesen Versen ist die charakteristische Entgegensetzung zu deren künftiger „Freude“ in Joh 16,20–24 (V.20 [carav], V.21 [carav], V.22 [carav, cairei`sqai], V.24 [carav]). Bereits in Joh 14,28 wurde die Freude der Jünger in Verbindung mit dem Gang Jesu zum Vater gebracht. Dort hatte Jesus gesagt, dass die Jünger sich darüber freuen müssten, dass er zum Vater geht. Die angemessene Reaktion der Jünger auf den Weggang Jesu wäre, so Jesus, nicht Trauer, sondern Freude. Aus Joh 16,6 geht nun aber hervor, dass sie statt Freude Trauer im Herzen haben. Nicht nur angesichts von Joh 16,7, sondern auch vor dem Hintergrund von Joh 14,28 ist dies ein deutliches Anzeichen dafür, dass sie die Bedeutung des Weggangs Jesu nicht begreifen. Schon hier wird sichtbar, dass das Ausgangsproblem in Joh 16,4b–33 anders akzentuiert ist als in Joh 13,31–14,31. In der ersten Abschiedsrede 27

Vgl. dazu BROWN, John II, 710, der die Trauer der Jünger mit der Ansage der Verfolgungen in Joh 15,1–16,4b verbindet: „the sadness of the disciples is consequent upon Jesus’ frightening description of the persecution that they shall suffer in the world.“ Dann bezieht sich tau`ta in V.6 auf tau`ta in V.4b und damit über V.4a auf Joh 16,2f. bzw. Joh 15,18–16,4a. 28 Ähnlich HALDIMANN, Rekonstruktion, 297. 29 Zu sumfevrei uJmi`n siehe Joh 11,50; 18,14, in beiden Fällen ist sumfevrei bezogen auf den Tod Jesu, vgl. B ROWN, John II, 705.

2.3 Die Beziehung der Jünger zum Vater durch den Geist

115

bestand es in der drohenden, bzw. auf textpragmatischer Ebene erlebten Abwesenheit Jesu sowie darin, dass die Jünger Jesus nicht folgen können und mit der Trennung von Jesus ihr Kontakt zu Gott fraglich wird. Konstitutiv für die Ausgangsproblematik in Joh 16,4b–33 ist hingegen die Trauer der Jünger. Diese Niedergeschlagenheit ist nicht nur auf die bevorstehende – bzw. auf textpragmatischer Ebene auf die bereits bestehende – Verlassenheit der Jünger zurückzuführen.30 Sie lässt sich vielmehr auf einer tieferen Ebene erfassen: Wie die Parallelisierung von lupei`sqai mit klaivw in V.20 nahelegt, ist die Trauer der Jünger wohl auf den Tod bzw. den Weggang Jesu bezogen, wobei auch ein Bezug auf den in Joh 16,2 angekündigten Tod von Jüngern nicht ausgeschlossen ist. Zugleich zeigt V.7, dass die Niedergeschlagenheit der Jünger in ihrem Unverständnis im Blick auf den Sinn des Weggangs Jesu begründet ist. Die Jünger sind nicht in der Lage, die positive Bedeutung des Weggangs Jesu für sie zu begreifen; stattdessen steht ihnen der Tod Jesu und – besonders nach den Ausführungen Jesu in Joh 15,18–16,4a – auch die Bedrohung ihres eigenen Lebens vor Augen. Es gelingt ihnen nicht, ihr christologisches Wissen mit ihrer eigenen existentiellen Situation zu verbinden.31 Sowohl für Joh 13,31–14,31 als auch für Joh 16,4b–33 ist daher die mit dem Weggang Jesu verbundene Bedrängnis der Jünger konstitutiv. Während die Krise in Joh 13,31–14,31 aber vor allem in der Trennung der Jünger und dem damit verbundenen Problem der Gottesferne zu sehen ist, steht in Joh 16,4b–33 die Trauer der Jünger und die Verstehenskrise im Vordergrund, in welche sie durch die Ankündigungen Jesu über den Weggang und die Folgen für sie gestürzt sind.

3. Die Verheißung Jesu: Die Beziehung zwischen den Jüngern und dem Vater durch das Wirken des Geistes (Joh 16,12–15) 2.3 Die Beziehung der Jünger zum Vater durch den Geist

Im Vorangehenden wurde herausgearbeitet, dass das Ausgangsproblem in Joh 16,4b–33 in der Trauer der Jünger besteht, die ihr Herz erfüllt hat (V.6). Aus V.7 ging hervor, dass diese Trauer darin begründet ist, dass die Jünger die Bedeutung des Weggangs Jesu nicht verstehen. Dieser gegenwärtigen Situation der Jünger wird in V.7b–15 die Verheißung des Parakleten gegenübergestellt. Relevant für die hier untersuchte Beziehung zwischen den Jüngern und dem Vater sind V.12–15, wo Jesus auf das Wirken des Geistes an den Jün30

So z.B. BULTMANN, Johannes, 430.432 (die Jünger sind in Trauer, „weil sie in ihrer Not verlassen sein werden“); W ILCKENS, Johannes, 249; W ENGST, Johannesevangelium II, 156. 31 So zutreffend HALDIMANN, Rekonstruktion, 298.

116

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

gern eingeht, nachdem er in V.8–11 dessen Handeln an der Welt skizziert hatte: 12 [Eti polla; e[cw uJmi`n levgein, ajll≠ ouj duvnasqe bastavzein a[rti: 13 o{tan de; e[lqh/ ejkei`no", to; pneu`ma th`" ajlhqeiva", oJdhghvsei uJma`" eij" th;n ajlhvqeian pa`san:32 ouj ga;r lalhvsei ajf≠ eJautou`, ajll≠ o{sa ajkouvsei33 lalhvsei kai; ta; ejrcovmena ajnaggelei` uJmi`n. 14 ejkei`no" ejme; doxavsei, o{ti ejk tou` ejmou` lhvmyetai kai; ajnaggelei` uJmi`n. 15 pavnta o{sa e[cei oJ path;r ejmav ejstin: dia; tou`to ei\pon o{ti ejk tou` ejmou` lambavnei kai; ajnaggelei` uJmi`n.

12 Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. 13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von sich aus reden, sondern er wird reden, was er hören wird, und euch das Kommende verkündigen. 14 Jener wird mich verherrlichen, denn er wird von dem nehmen, was mein ist, und es euch verkündigen. 15 Alles, was der Vater hat, ist mein. Deshalb habe ich gesagt: Er nimmt aus dem, was mein ist, und wird es euch verkündigen.

Bastavzein (V.12) kann im Johannesevangelium das Aufheben (Joh 10,31) oder Tragen (Joh 19,17; 20,15) von Lasten bezeichnen oder „wegtragen“ heißen (Joh 12,6). In Joh 16,12 wird es wie in Apk 2,2f.; Röm 15,1; Gal 5,10 im übertragenen Sinn („ertragen“) verwendet.34 Kennzeichnend für die jetzige Situation der Jünger (a[rti) ist, dass sie nicht alles, was Jesus ihnen zu sagen hat, ertragen können. Dieser Gegenwart stellt Jesus

32

Die Entscheidung zwischen den Lesarten eij" th;n ajlhvqeian pa`san und ejn th`/ ajlhqeiva/ pavsh/ fällt auf der Basis der äußeren Bezeugung schwer. Beide werden von einem Textzeugen der Kategorie I bezeugt (eij" th;n ajlhvqeian pa`san durch den codex Vaticanus; ejn th/` ajlhqeiva/ pavsh/ durch den codex Sinaiticus). B ULTMANN, Johannes, 442; WESTCOTT, John, 230 und andere lesen eij"; W ILCKENS, Johannes, 249; T HYEN, Johannesevangelium, 665 und andere lesen ejn. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 151 übersetzt „in die volle Wahrheit“, ohne einer der beiden etwa gleich gut bezeugten Lesarten den Vorzug zu geben (siehe SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 153f.). B IERINGER, Guidance, 183–207 argumentiert für eine Lösung des Problems in der Zusammenschau der Varianten eij" th;n ajlhvqeian pa`san; ejn th/` ajlhqeiva/ pavsh/ (V.13a) und ajkouvsei, ajkouvei (V.13b) und kommt nach ausführlicher Diskussion der verschiedenen Lesarten zu dem Schluss, dass die von B bezeugten Lesarten (eij" th;n ajlhvqeian pa`san, ajkouvsei) den Vorzug verdienen. 33 Auch hier ist die äußere Bezeugung für die Lesarten ajkouvei (codex Sinaiticus) oder ajkouvsei (codex Vaticanus) nahezu gleichwertig. Nach BIERINGER, Guidance, 191 hat die Lesart ajkouvsei wegen der etwas besseren Qualität von B ein wenig mehr Gewicht. 34 Vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 152; B ULTMANN, Johannes, 441; THYEN, Johannesevangelium, 664f.

2.3 Die Beziehung der Jünger zum Vater durch den Geist

117

ab V.13 eine Zukunft gegenüber, die durch das Kommen des Parakleten für die Jünger positiv qualifiziert ist. Mit o{tan de; e[lqh/ ejkei`no" (V.13) knüpft der johanneische Jesus an V.7 an, wo er das Kommen des Parakleten angekündigt hatte. In diesem Vers hatte er bereits angedeutet, dass der Weggang Jesu für die Jünger von Vorteil sein wird und die Zeit, die mit dem Kommen des Parakleten anbricht, für sie qualitativ überlegen sein wird.35 Dieser Gedanke wird in V.13 nun inhaltlich konkretisiert, indem die künftige Rolle des Parakleten, bestimmt als to; pneu`ma th`" ajlhqeiva"36, gegenüber den Jüngern näher charakterisiert wird: Er wird die Jünger in die ganze Wahrheit leiten (oJdhghvsei uJma`" eij" th;n ajlhvqeian pa`san).37 Für diese Funktion des Geistes als oJdhgov" für die Jünger gibt es Parallelen in den Psalmen und der Sapientia Salomonis: Dass Gottes Geist den Psalmbeter führen möge, wird in Ps 142,10 (LXX) zum Ausdruck gebracht (to; pneu`mav sou to; ajgaqo;n oJdhghvsei me ejn gh/` euqeiva/ ). In Verbindung mit ajlhvqeia findet sich oJdhgei`n in Ps 24,5 (LXX) in der Bitte, dass Gott den Beter zu seiner Wahrheit leiten möge (oJdhvghsovn me ejpi; th;n ajlhvqeiavn sou). Wie in Ps 142,10 (LXX) wird oJdhgei`n in Ps 24,5 (LXX) in synonymem Parallelismus membrorum zum Lehren des Beters (didavskein) verwendet.38 Die Bitte um Leitung zur Wahrheit entspricht der Bitte um Unterweisung mit dem Ziel des rechten Verhaltens. Entsprechend ist in Ps 85,11 der Wandel des Psalmbeters in der Wahrheit Gottes das Ziel der Bitte darum, dass Gott den Beter auf seinem Weg führen möge (oJdhvghsovn me, kuvrie, th`/ oJdw`/ sou kai; poreuvsomai ejn th`/ ajlhqeiva/ sou). In Sap 9,11 ist es die Weisheit, die Salomo den Weg weisen soll (oi\de ga;r ejkeivnh pavnta kai; sunivei kai; oJdhghvsei me ejn tai`" pravxesiv mou swfrovnw" kai; fulavxei me ejn th/` dovxh/ aujth`" ). Da diese alles weiß und versteht, kann sie dem König zu Einsicht und Erkenntnis 35

Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 220. Der Paraklet bringt ein „qualitatives Mehr gegenüber der Zeit des irdischen Jesus.“ Nach Dettwilers Auslegung von Joh 16,8–15 besteht dieses „Mehr“ darin, dass das Werk Jesu gegenüber der Welt und der Gemeinde in nachösterlicher Zeit in umfassender Weise verstehbar werden wird. Siehe auch ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 131. 36 So schon in Joh 14,17 und 15,26. Wie in Joh 14,17; 15,26 zeigt diese Bezeichnung auch in Joh 16,13 die Bezogenheit des Geistes auf eine „externe Größe“ an, vgl. DETTWILER , Gegenwart, 233. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 138 sieht in der Prädikation des Geistes als to; pneu`ma th`" ajlhqeiva" ein Element der Kontinuität mit dem johanneischen Christus, der sich in Joh 14,6 als die Wahrheit präsentiert. 37 Wenn man mit SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 153f.; DETTWILER, Gegenwart, 232 Anm. 66; T HYEN, Johannesevangelium, 665 und anderen hingegen die Lesart ejn th/` ajlhqeiva/ pavsh/ gegenüber eij" th;n ajlhqeivan pa`san vorzieht, wäre an das Leiten auf dem Weg bzw. im Raum der Wahrheit gedacht. 38 Vgl. damit das Wirken des Geistes, wie es in Joh 14,26 skizziert wird (ejkei`no" uJma`" didavxei pavnta).

118

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

verhelfen.39 Mit ihrer Funktion, Einsicht in den Ratschluss Gottes zu vermitteln (Sap 9,13–19), steht das Leiten der Weisheit bzw. des heiligen Geistes (Sap 9,17) in Sap 9,11 der johanneischen Aussage über die Rolle des Geistes in Joh 16,13 nahe, der die Jünger „in die ganze Wahrheit“ leiten wird. Dies zeigt ein Blick auf den johanneischen Textzusammenhang: Bereits in Joh 16,7 fällt das Stichwort ajlhvqeia – Jesus versichert den Jüngern, die Wahrheit zu sagen (ajll≠ ejgw; th;n ajlhvqeian levgw uJmi`n), bevor er ihnen erläutert, dass sein Weggang von Vorteil für sie sein wird, und ihnen erklärt, worin der Nutzen seines Weggangs für sie besteht. Wahrheit ist hier Gegenstand der Rede40 und zielt auf Wissen und Erkenntnis der Jünger in Bezug auf den Sinn des Weggangs Jesu. Die Aussage in Joh 16,13 über das Wirken des Geistes, welcher die Jünger „in die ganze Wahrheit“ (eij" th;n ajlhvqeian pa`san) leiten wird, befindet sich zum einen parallel zur Bemerkung Jesu in Joh 16,7: Die Wahrheit ist auch hier Gegenstand des Redens,41 das besonders im Verb ajnaggevllw den Charakter der prophetischen Verkündigung und Offenbarung hat.42 Der Geist wird die Jünger „in die ganze Wahrheit“ führen, indem er ihnen göttliche Offenbarung mitteilt. Damit erfüllt er nicht nur eine Funktion, die in der Septuaginta JHWH ausübt;43 er setzt damit auch das Wahrheit vermittelnde Wirken Jesu fort. Dabei ist aber andererseits auch die durch das Adjektiv pa`san angezeigte Steigerung für das Verständnis der Rolle des Geistes gegenüber den Jüngern wesentlich: Sie bringt zum Ausdruck, dass nicht schon der irdische Jesus, sondern erst der Geist den Jüngern die Wahrheit umfassend erschließen wird; ihrer gegenwärtigen Situation des Nicht-Ertragen-Könnens (V.12) steht in V.13 eine Zukunft gegenüber, in der die Jünger unter der 39

Vgl. auch Sap 10,10. Die Weisheit wird ihrerseits von Gott geleitet (Sap 7,15). Zur Wahrheit als Gegenstand der Rede Jesu im Johannesevangelium siehe z.B. auch Joh 8,40 (th;n ajlhvqeian uJmi`n lelavlhka); 8,45.46 ([th;n] ajlhvqeian levgw); 18,37 (i{na marturhvsw th/` ajlhqeiva/). Zur Wahrheit als Größe der Erkenntnis in der johanneischen Literatur siehe z.B. Joh 8,31f. (eja;n uJmei`" meivnhte ejn tw/` lovgw/ tw/` ejmw`/, ajlhqw`" maqhtaiv mouv ejste kai; gnwvsesqe th;n ajlhvqeian ...); 1Joh 2,21; 2Joh 1. 41 Im unmittelbaren Kontext der Wendung oJdhghvsei uJma`" eij" th;n ajlhvqeian pa`san konzentrieren sich in auffallender Dichte die Verben des Redens, Verkündigens und Offenbarens (levgw in V.12; zweimal lalevw in V.13; dreimal ajnaggevllw in V.14f.). 42 FREY, Eschatologie III, 194f. weist auf den Gebrauch von ajnaggevllein bei Deuterojesaja hin, wo das Verb Offenbarungsterminus ist (JHWH fordert in Jes 41,23 die Götter auf, die Zukunft vorherzusagen [ajnaggeivlate hJmi`n ta; ejpercovmena ejp≠ ejscavtou]; vgl. auch 44,7). Auch in Joh 4,25 meint ajnaggevllein die prophetische Verkündigung. Zu ajnaggevllw in Joh 16,13–15 als Offenbarungsterminus siehe auch SCHNIEWIND, ajggeliva, ajggevllw etc., THWNT I, 63f.; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 139. 43 Nach Jes 44,7f. ist JHWH derjenige, der das Künftige verkündet, siehe auch Jes 48,14; 42,9; 46,10. Nach Jes 45,19 kündet er Wahrheit. 40

2.3 Die Beziehung der Jünger zum Vater durch den Geist

119

Leitung des Geistes in die ganze Wahrheit geführt werden. Zutreffend bemerkt Porsch, dass der Geist nicht in eine „abstrakte Wahrheit“, in eine „Welt der Ideen“ führt.44 „Wahrheit“ ist im Johannesevangelium nicht nur eine epistemologische Größe; sie bringt mit Jesus, in dem sich Gott offenbart, zugleich eine theologische und christologische Wirklichkeit zur Sprache. Darauf verweist besonders das Ich-bin-Wort in Joh 14,6, das die charakteristische Verbindung von Weg und Wahrheit enthält und damit Joh 16,13 nahesteht.45 Dies legt den Schluss nahe, dass bei oJdhghvsei uJma`" eij" th;n ajlhvqeian pa`san auch an die Funktion des Geistes gedacht ist, den Jüngern Jesus als Offenbarung Gottes in umfassender Weise zu erschließen. Dass diese Wahrheit nach Joh 16,13 erst durch den Geist vollständig zur Geltung kommt, impliziert keine Relativierung der Rolle Jesu: Zum einen wird die Unvollständigkeit der Offenbarung des irdischen Jesus in V.12 nicht auf eine mangelnde Kompetenz Jesu zurückgeführt, sondern auf die Unfähigkeit der Jünger, dies „jetzt“ zu ertragen. Zum anderen wird in V.13–15 deutlich hervorgehoben, dass das Wirken des Geistes in Kontinuität zum Wirken Jesu steht. Darauf verweist die Bemerkung Jesu in V.13b ouj ga;r lalhvsei ajf≠ eJautou`, ajll≠ o{sa ajkouvsei lalhvsei, mit der Jesus begründet, weshalb der Geist die Jünger in „die ganze Wahrheit“ leiten wird. Sie ist für die hier erörterte Frage nach dem Verhältnis zwischen den Jüngern und dem Vater zentral, denn hier kommt die externe Quelle ins Spiel, welcher das Reden des Geistes entspringt. Der Geist wird nicht aus eigener Vollmacht reden; vielmehr wird er reden, was er hören wird.46 Zwar bleibt offen, von wem der Geist hören wird, was er (den Jüngern) sagt; die folgenden Verse 14f. machen aber deutlich, dass es sachlich kein wesentlicher Unterschied ist, ob dabei an Jesus oder an Gott Vater zu denken ist. Während Jesus in V.14 zunächst auf sich selbst als Quelle verweist, indem er betont, dass der Geist aus seinem „Besitz“ nehmen, also seine Verkündigung von ihm her empfangen wird (ejk tou` ejmou`

44

Vgl. PORSCH, Pneuma, 302. Neben Joh 14,6 siehe z.B. auch Joh 1,14 (der Logos ist voll Gnade und Wahrheit); 1,17 (die Gnade und die Wahrheit sind durch Jesus Christus geworden). Zu den beiden Dimensionen von Wahrheit im Johannesevangelium als epistemologischer Größe und theologischer, christologischer und pneumatologischer Größe, welche die göttliche Wirklichkeit in Vater, Sohn und Geist zur Sprache bringt, vgl. LANDMESSER, Wahrheit III. NT, 1249; KIRCHSCHLÄGER, Spannung, 213–234. 46 Das entspricht dem, was Jesus von seinem Verhältnis zum Vater sagt (siehe z.B. Joh 7,17f.; 8,28; 14,10). Auch HOEGEN-ROHLS, Johannes, 192f. spricht von der Bedeutung der Relation zum Vater in V.13–15. „Was nämlich der Paraklet hört und empfängt, um es den Jüngern zu verkünden, stammt ebenso wie von Jesus so auch vom Vater.“ 45

120

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

lhvmyetai kai; ajnaggelei` uJmi`n),47 deckt er in V.15 das theo-logische Fundament der künftigen Tätigkeit des Geistes auf. Hier macht er seine eigene Verankerung im Vater deutlich und führt seinen „Besitz“, aus dem der Geist schöpft, auf den Vater zurück. Mit Recht weist Wengst darauf hin, dass hier der Sache nach die Äußerung aus Joh 13,3 aufgenommen wird, nach welcher der Vater Jesus alles in die Hände gegeben hat (eijdw;" o{ti pavnta e[dwken aujtw`/ oJ path;r eij" ta;" cei`ra"…).48 Die Quelle der Worte des Geistes zu den Jüngern, welche nach V.13b nicht in der nachösterlichen Gegenwart aufgehen, sondern sich vielmehr in die Zukunft hinein erstrecken (kai; ta; ejrcovmena ajnaggelei` uJmi`n), ist der Vater. Im Verkündigen des Geistes spricht also nach V.13–15 der Vater selbst zu den Jüngern und den nach Ostern lebenden Christen und mit ihnen zu den künftigen Generationen – der Geist vermittelt durch seine Botschaft die Beziehung zwischen den Jüngern und dem Vater.

4. Die gegenwärtige Situation: Die Unsichtbarkeit Jesu für die Jünger und ihr Unverständnis (Joh 16,16–19) 2.4 Die Unsichtbarkeit Jesu für die Jünger und ihr Unverständnis

Im ersten Teil von Joh 16,4b–33 hatte Jesus auf die durch die Verstehenskrise der Jünger bestimmte Ausgangsproblematik (V.4b–7) mit der Geistverheißung geantwortet (V.8–15). Nach dem Weggang Jesu wird der Geist den Jüngern die ganze Wahrheit erschließen und durch seine Offenbarungstätigkeit eine Beziehung zwischen ihnen und dem Vater ermöglichen. Zu Beginn des zweiten Teils von Joh 16,4b–33 wird nun noch einmal auf die Situation der Jünger bzw. auf der textpragmatischen Ebene auf die Lage der nach Ostern lebenden Christen eingegangen, für welche die fehlende Sichtbarkeit Jesu ein aktuelles Problem darstellt (V.16a). Die Nichtsichtbarkeit Jesu erklärt unter anderem das Unverständnis der Jünger im Blick auf die Bedeutung der Ankündigung Jesu, dass sie ihn sehen werden (V.16b), aber auch hinsichtlich seiner Rede über den Weggang zum Vater und das „mikrovn“ (V.17f.).

47

Vgl. DETTWILER, Gegenwart, 234f.: „Sein Wort ist ganz das Wort Jesu.“ SCHNAJohannesevangelium III, 155 zieht eine Parallele zu Joh 17,8.10. K EENER, John, 1038 weist in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, dass dies impliziert, dass Christusgläubige der späteren Generationen dieselbe Beziehung zu Jesus erfahren können wie die ersten Jünger: „This would imply that disciples of later generations could experience the same relationship with Jesus his first disciples did …“. 48 Siehe auch Joh 3,35. Vgl. WENGST, Johannesevangelium II, 161. CKENBURG,

2.4 Die Unsichtbarkeit Jesu für die Jünger und ihr Unverständnis

121

4.1 Die Ankündigung Jesu (Joh 16,16) (1) In Joh 16,16a wird betont, dass die Jünger Jesus „in Kürze“ nicht mehr sehen. Mikro;n kai; oujkevti qewrei`tev me [...]

Eine kurze Zeit, und ihr seht mich nicht mehr […]. (Joh 16,16a).

Diese Ankündigung ist vor allem vor dem Hintergrund von Joh 14,19 signifikant: In Joh 14,19 hatte Jesus angekündigt, dass er in kurzer Zeit von der Welt nicht mehr gesehen wird, die Jünger ihn aber sehen (e[ti mikro;n kai; oJ kovvsmo" me oujkevti qewrei`, uJmei`" de; qewrei`tev me). Bei der Analyse dieses Textes zeigte sich, dass in uJmei`" de; qewrei`tev me auf der narrativen Ebene des Evangeliums die in den Erscheinungsberichten in Joh 20 thematisierte Ostererfahrung der Jünger anklingt. Dabei fiel allerdings auf, dass in Joh 14,19 im Unterschied zu den Berichten vom österlichen Sehen der Maria und der Jünger nicht das Verb oJra`n verwendet wird (siehe Joh 20,18.20.25.29), sondern qewrei`n. Auch ist dieses Sehen, welches den Jüngern in Joh 14,19 verheißen wird, nicht im Futur, sondern im Präsens formuliert. Wie die Zeitbestimmung mikrovn zeigt, hat das Präsens qewrei`te in Joh 14,19 einen futurischen Sinn;49 zugleich weist das Präsens darauf hin, dass nicht an einen punktuellen, sondern an einen dauerhaften Vorgang gedacht ist. Diese Besonderheiten stellen ein wichtiges Textsignal dar. Wie oben erläutert wurde, ist die Ankündigung uJmei`" de; qewrei`tev me in Joh 14,19 durch die Verwendung des Begriffs qewrei`n und das Präsens transparent für die Situation der später lebenden Leser des Johannesevangeliums, welche an Ostern nicht dabei waren: Dass Joh 14,19 von qewrei`n im Präsens spricht, ist ein Indiz dafür, dass dieses „Sehen“ mehr umfasst als das auf die Ostererfahrung beschränkte Sehen der Osterzeugen in Joh 20,18.20. 25.29. Während den Jüngern auf der Ebene der Erzählung mit qewrei`tev me ihr Sehen an Ostern verheißen wird, ist auf der textpragmatischen Ebene an ein länger andauerndes „Sehen“ Jesu zu denken, das denjenigen möglich ist, welche den Auferstandenen nicht gesehen haben (Joh 20,29). Die Auslegung von Joh 14,19 ergab, dass es sich dabei um das „Sehen“ Jesu im Johannesevangelium handeln muss, welches den nach Ostern lebenden Christen in Joh 14,19 zugesagt wird.50 Was bedeutet dies nun für die Interpretation von Joh 16,16a? Vor dem Hintergrund der Ankündigung in Joh 14,19 fällt zunächst auf, dass in Joh 16,16a im Unterschied zu Joh 14,19 das Gewicht darauf liegt, dass die 49

Vgl. BDR §323: In „volkstümlicher Redeweise“ tritt „gern das lebhaft vergegenwärtigende Präsens für das Futurum ein“ – das Präsens ist dann oft verbunden mit einer Zeitbestimmung, die auf die Zukunft weist, siehe ebd., Anm. 1. 50 Siehe oben 82f.

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Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

Jünger Jesus in einer kurzen Zeit nicht mehr sehen. Auf der narrativen Ebene bereitet Jesus die Jünger in Joh 16,16a darauf vor, dass sie ihn wegen seines bevorstehenden Weggangs in Kürze nicht mehr sehen. Auf der textpragmatischen Ebene ist bei mikro;n kai; oujkevti qewrei`tev me parallel dazu an die Nichtsichtbarkeit Jesu aufgrund seines Todes bzw. seiner Entzogenheit in der nachösterlichen Zeit gedacht. Das Nichtsehen, welches Jesus den Jüngern ankündigt, ist also eine Folge seines Weggangs im Tod und seines Entzogenseins in der nachösterlichen Zeit. Dies wird durch die Einleitung der Ankündigung mit mikrovn unterstützt, mit welcher zuvor bereits mehrfach auf die bevorstehende Trennung von Jesus hingewiesen wurde.51 Im Text spiegelt sich die doppelbödige Verschmelzung der beiden zeitlichen Ebenen wohl auch im Präsens oujkevti qewrei`tev me wider. Den Jüngern der Erzählung steht das Nichtsehen Jesu noch bevor, während das Entzogensein Jesu für die nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums bereits jetzt erfahrene Realität ist. Ihre Situation ist aufgrund des Weggangs Jesu zum Vater durch das Nicht-Sehen gekennzeichnet, das in Joh 16,16a als unmittelbar bevorstehend angekündigt wird.52 Das ist aufschlussreich im Blick auf die in Joh 16,4b–33 vorausgesetzte Ausgangsproblematik der Jünger. Zu der in Joh 16,4b–7 genannten Trauer der Jünger und ihrem Unverständnis im Blick auf den Sinn des Weggangs Jesu kommt nämlich jetzt noch ein weiterer, in textpragmatischer Hinsicht ganz wesentlicher Aspekt hinzu, der indirekt bereits in der ersten Abschiedsrede im Wortwechsel mit Thomas und Philippus (Joh 14,5–7.8f.) thematisiert wurde53: Aus Joh 16,16a geht ausdrücklich hervor, dass die gegenwärtige Situation der nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums dadurch geprägt ist, dass Jesus für sie nach seinem Weggang nicht mehr sichtbar ist. Dass das Nichtsehen Jesu nach seinem Weggang in der Rede Joh 16,4b–33 ein bedrängendes Problem für die „johanneischen“ Christen darstellt, ist auch daraus ersichtlich, dass es in bereits in Joh 16,10 explizit erwähnt wurde (…pro;" to;n patevra uJpavgw kai; oujkevti qewrei`tev me). In Anbetracht der in Joh 16,4b–7 angedeuteten Ausgangssituation der Jünger erhält die Aussage in Joh 16,16a (oujkevti qewrei`tev me) über die Tatsache hinaus, dass Jesus für die Jünger aufgrund seines Weggangs nicht mehr sichtbar ist, möglicherweise noch einen tieferen Sinn: Die Jünger sind ja von luvph erfüllt (V.6), da sie den Sinn der Worte Jesu über seinen Weggang nicht verstehen (V.7). Ihr Unverständnis und die Trauer, die ihr Herz erfüllt, verhindern damit auch, dass sie Jesus im Evangelium „sehen“, 51

Siehe oben 33, Anm. 21. Zu dem für das gesamte Johannesevangelium und besonders die Abschiedsreden charakteristischen „stereoscopic view“ siehe CULPEPPER, Anatomy, 33; ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 117–119 und viele andere. 53 Siehe oben 58–67. 52

2.4 Die Unsichtbarkeit Jesu für die Jünger und ihr Unverständnis

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wie ihnen dies in Joh 14,19 verheißen wurde; das in der ersten Abschiedsrede angekündigte „Sehen“ Jesu ist in Joh 16,16a weder auf der Ebene der Erzählung noch auf der textpragmatischen Ebene in der Gegenwart eine Realität. Trifft dies zu, klingt in V.16a auch das Problem an, dass Jesus für die nach Ostern lebenden Christen – gegen die Verheißung in Joh 14,19! – im Evangelium nicht [mehr] sichtbar ist. (2) Die Ankündigung des Nicht-mehr-Sehens in Joh 16,16a wird nun durch die Verheißung in 16,16b sogleich wieder relativiert, deren Deutung im Zentrum der folgenden Überlegungen stehen wird. Das Nichtsehen der Jünger wird nur eine kurze Zeit dauern. In Joh 16,16b sagt Jesus den Jüngern zu, dass sie ihn wiederum nach einer kurzen Zeit sehen werden: [...] kai; pavlin mikro;n kai; o[yesqev me.

[…] und wiederum eine kurze Zeit, und ihr werdet mich sehen. (Joh 16,16b).

Die Interpretation von o[yesqev me ist in der Johannesforschung umstritten. Hier konkurrieren vor allem die Deutung der Ankündigung als österliches Sehen54 und der Bezug von o[yesqev me auf die Parusie.55 Eine Klärung dieses Problems setzt zwar die Exegese des ganzen Abschnitts Joh 16,16–24 voraus; da der johanneische Jesus die Verheißung in V.16b aber zunächst ohne jede Erläuterung in den Raum stellt, kann sie hier nach der vorgegebenen Leserichtung vorläufig ohne V.20–24 betrachtet werden. Nimmt man Joh 16,16 für sich, liegt es nahe, o[yesqev me auf der narrativen Ebene des Textes als Hinweis auf das österliche Sehen der Jünger zu lesen. Dafür spricht zum einen das doppelte mikrovn, das, legt man die bisherigen mikrovn-Aussagen zugrunde, die kurze Zeit bis zum Weggang Jesu durch seinen Tod meint (V.16a, siehe Joh 7,33f.; 12,35; 13,33),56 und in Joh 16,16b die kurze Zeitspanne bis zum österlichen Sehen der Jünger (V.16b, siehe Joh 14,1957). Zum anderen spricht für die „Osterdeutung“, dass in Joh 16,16b wie in Joh 20,18.20.25.29 das Verb oJra`n verwendet

54

Vgl. z.B. LAGRANGE, Jean, 425; B AUER, Johannesevangelium, 199; B ULTMANN, Johannes, 445–448; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 175f.; L INDARS, John, 506f.; B LANK, Johannes II, 202; BECKER, Johannes II, 600; LÉON-DUFOUR, Jean III, 252f.; W ILCKENS, Johannes, 254; W ENGST, Johannesevangelium II, 163; DIETZFELBINGER , Abschied, 231f.245f.; ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 130–135; DERS., Saint Jean (13– 21), 144f. und viele andere. 55 Im Anschluss an Augustinus, In Joh, 101,6 [CCSL 36, 593f.] WELLHAUSEN, Johannis, 73; SCHNELLE, Abschiedsreden, 75; DERS., Johannes, 250f. (nur für die textpragmatische Ebene); NEUGEBAUER, Aussagen, 136f.157; FREY, Eschatologie III, 205–218 (für die textpragmatische Ebene). 56 Siehe oben 33. 57 Siehe oben 77f.

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Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

wird.58 Dies legt den Schluss nahe, dass mit der Verheißung o[yesqev me in Joh 16,16b auf der erzählerischen Ebene auf das Sehen angespielt wird, von dem später in Joh 20,18.20.25.29 berichtet wird. Schwieriger ist es, die Frage nach dem Sinn der Zukunftsverheißung o[yesqev me auf der textpragmatischen Ebene zu beantworten. Wie sollen die Leser des Johannesevangeliums die Verheißung o[yesqev me verstehen? Zu beachten ist dabei zuerst der auffallende Wechsel von qewrei`n (16a) zu oJra`n (16b): Hat dieser Wechsel der Verben in V.16a und b eine Bedeutung und wenn ja, warum ist in V.16b nicht von qewrei`n, sondern von oJra`n die Rede? Dazu kommt eine zweite Beobachtung: In V.16b wird ausdrücklich im Futur vom Sehen der Jünger gesprochen (o[yesqev me). Dass in V.16b das Verb oJra`n verwendet wird, ist signifikant. Denn mit der Ankündigung o[yesqev me wird den nach Ostern lebenden Lesern des Johannesevangeliums die Differenz ihrer eigenen Lage zur Situation der Jünger in aller Schärfe vor Augen geführt. Ein solches Sehen haben die Zeugen der Erscheinungen des Auferstandenen erfahren, die in Joh 20 genannt werden, also Maria, die Jünger und am Ende Thomas, sie selbst hingegen nicht. Auf der Ebene der Textpragmatik rückt daher in Joh 16,16b das Problem in den Vordergrund, welches in der Thomasgeschichte reflektiert und bereits bei der Besprechung von Joh 16,16a genannt wurde, nämlich dass die späteren Christen den Auferstandenen nicht gesehen haben (Joh 20,29). Indirekt erhält die in Joh 16,10.16a angedeutete Problematik der gegenwärtigen Nichtsichtbarkeit Jesu für die Christen nach seinem Weggang also durch den Gebrauch von oJra`n und dem Futur in Joh 16,16b einen besonderen Akzent. Durch den Wechsel in der Terminologie werden nun in Joh 16,16 die beiden, schon durch mikrovn und pavlin mikrovn unterschiedenen Zeiten klar voneinander abgehoben. Der von der Trauer und dem Nichtsehen der Jünger bestimmten Gegenwart wird mit o[yesqev me eine Zukunft gegenübergestellt, in der auch die nach Ostern lebenden Christen Jesus sehen werden. Gegen den Bezug dieses Sehens in Joh 16,16b auf die Parusie spricht, dass damit implizit eine negative Bewertung der nachösterlichen Gegenwart verbunden wäre.59 Dies stünde sowohl im Gegensatz zur Verheißung Jesu für die Zeit nach seinem Weggang in der ersten Abschiedsrede60, als auch zum Versprechen der Sendung des Geistes in Joh 16,7–15. Nicht nur in Joh 13,31–14,31, sondern auch in Joh 16,4b–33 bestimmt der johanneische Jesus die Zeit nach seinem Weggang positiv (explizit z.B. mit der 58

Zum Gebrauch von oJra`n im Kontext des österlichen Sehens in Joh 20 siehe unten 189–192. 59 Vgl. dazu die Bemerkung von BROWN, John II, 729: „… that would imply that nothing Jesus had promised would have yet been fulfilled.“ 60 Siehe oben 101–104.

2.4 Die Unsichtbarkeit Jesu für die Jünger und ihr Unverständnis

125

Bemerkung in Joh 16,7 sumfevrei uJmi`n i{na ejgw; ajpevlqw),61 auch wenn die Jünger dies, gefangen in ihrer Trauer, nicht wahrnehmen. Wenn die Verheißung o[yesqev me auch auf der textpragmatischen Ebene auf das österliche Sehen zu beziehen wäre, würden die nach Ostern lebenden Christen in Joh 16,16b damit auf eine Erfahrung angesprochen, die der entspricht, welche die Osterzeugen nach Joh 20 gemacht haben. Dann wäre die Verheißung des Sehens für die Leser des Johannesevangeliums bereits erfüllt.62 Zugleich wäre in Joh 16,16b wie in Joh 14,18f. daran gedacht, dass das Sehen der Osterzeugen offen ist für analoge Erfahrungen in späterer Zeit; es würde sich nicht um ein einmaliges, punktuelles Ereignis handeln, sondern um ein paradigmatisches Sehen.63 Die Schwierigkeit dieser Interpretation von o[yesqev me liegt darin, dass die Nichtsichtbarkeit Jesu für die nach Ostern lebenden Christen ein wesentliches Problem darstellt (Joh 16,10.16a).64 Der Verweis auf ein bereits erfülltes Sehen Jesu wäre als Antwort in dieser Situation unbefriedigend. Bei Joh 16,16b handelt es sich um ein Wort, dessen Sinn ohne Erläuterung nicht verständlich ist. Darauf weist auch die in V.17f. berichtete Reaktion der Jünger, auf die im Folgenden eingegangen wird. 4.2 Das Unverständnis der Jünger (Joh 16,17–19) Im Anschluss an die Ankündigung Jesu entspannt sich eine Diskussion unter einigen der Jünger, welche ihre Ratlosigkeit widerspiegelt: 17 ei\pan ou\n ejk tw`n maqhtw`n aujtou` pro;" ajllhvlou": tiv ejstin tou`to o} levgei hJmi`n: mikro;n kai; ouj qewrei`tev me, kai; pavlin mikro;n kai; o[yesqev me; kai; o{ti uJpavgw pro;" to;n patevra; 18 e[legon ou\n: tiv ejstin tou`to to; mikrovn; oujk oi[damen tiv lalei`.

17 Es sagten nun (einige) von seinen Jüngern zueinander: Was ist das, was er uns sagt: eine kurze Zeit, und ihr seht mich nicht, und wiederum eine kurze Zeit, und ihr werdet mich sehen? Und: ich gehe zum Vater? 18 Sie sagten also: Was ist das, eine kurze Zeit? Wir wissen nicht, was er redet. (Joh 16,17f.)

Es handelt sich dabei um die erste explizite Reaktion der Jünger auf eine Äußerung Jesu seit Joh 14,22. Während sich in der ersten Abschiedsrede mit Petrus (Joh 13,36f.), Thomas (Joh 14,5), Philippus (Joh 14,8) und Judas (Joh 14,22) einzelne, namentlich genannte Jünger direkt an Jesus wenden, sprechen hier einige der Jünger zueinander und treten als Gruppe auf. Ihre Reaktion zeigt, dass sie die Worte Jesu gehört haben. Die Jünger zitie61

Vgl. ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 132. So SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 176. 63 So DETTWILER, Gegenwart, 243. 64 Vgl. dazu auch Joh 20,29 und die Ausführungen dazu unten 191f.

62

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Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

ren die Rede Jesu in Joh 16,16 wörtlich (mikro;n kai; ouj qewrei`tev me, kai; pavlin mikro;n kai; o[yesqev me) und greifen seine Worte aus Joh 16,10 auf (pro;" to;n patevra uJpavgw).65 Entscheidend ist aber, dass die Jünger den Sinn der Worte Jesu nicht verstehen. Sie begreifen nicht, was die Ankündigungen Jesu über das Nichtsehen und Sehen in Joh 16,16, seinen Gang zum Vater in Joh 16,5.10 und die kurze Zeitspanne in Joh 16,16 bedeuten. Zugleich scheint die Verheißung o[yesqev me in V.16b zu der Äußerung in Joh 16,10 in Widerspruch zu stehen; hatte Jesus doch in Joh 16,10 erst in Zusammenhang mit seinem Weggang davon gesprochen, dass die Jünger ihn nicht mehr sehen.66 Dass den Jüngern der Sinn der Ankündigungen Jesu aus Joh 16,16 (und Joh 16,5.10) schleierhaft bleibt, geht aus ihrer Frage tiv ejstin tou`to o} levgei hJmi`n in Joh 16,17 hervor, und dass es dem Evangelisten auf diesen Gesichtspunkt ankommt, zeigt die abgekürzte Wiederholung dieser Frage in Joh 16,18 mit tiv ejstin tou`to („Was bedeutet dieses, was er sagt...?“). Mit Recht macht Zumstein auf die differenzierte Art aufmerksam, mit der das Unverständnis der Jünger in V.17f. beschrieben wird: Jesu Ankündigung wird nicht nur zweimal problematisiert (in V.17 und 18); die Jünger bleiben mit ihrer Ratlosigkeit auch unter sich, anstatt Jesus zu fragen. Auf der textpragmatischen Ebene kommt darin zum Ausdruck, dass die nach Ostern lebenden Christen Jesus nicht direkt fragen können67; nach ihrer eigenen Wahrnehmung haben sie keinen unmittelbaren Zugang zu Jesus. Auffallend ist auch die detaillierte Art, mit der das, was ihr Befremden auslöst, ausdrücklich einzeln aufgeführt wird. Dies sind klare Signale, dass das rätselhafte Wort in Joh 16,16 den Anlass dafür bietet, das anschließend pointiert hervorgehobene Unverständnis der Jünger herauszustellen.68 Das mangelnde Verstehen der Jünger wird auch betont durch die Wiederholung in der Reaktion Jesu: [Egnw ≠Ihsou`" o{ti h[qelon aujto;n ejrwta`n, kai; ei\pen aujtoi`": peri; touvtou zhtei`te met≠ ajllhvlwn o{ti ei\pon: mikro;n kai; ouj qewrei`tev me, kai; pavlin mikro;n kai; o[yesqev me;

Jesus erkannte, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Darüber rätselt ihr untereinander, dass ich gesagt habe: Eine kurze Zeit, und ihr schaut mich nicht, und wiederum eine kurze Zeit, und ihr werdet mich sehen? (Joh 16,19).

Auf der Ebene der Erzählung können die Jünger den Sinn der Worte Jesu in Joh 16,16, die er vor dem Vollzug der Passions- und Osterereignisse 65

Siehe auch Joh 16,5. Vgl. BROWN, John II, 731. 67 Siehe HALDIMANN, Rekonstruktion, 345. 68 Vgl. ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 136; DERS., Saint Jean (13–21), 145. 66

2.5 Die Nähe Gott Vaters zu den Jüngern nach dem großen Wandel

127

äußert, noch nicht begreifen. Auf der textpragmatischen Ebene ist der Fall etwas anders gelagert. Im Unterschied zu den Jüngern Jesu wissen die nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums darum, dass die Jünger Jesus an Ostern als die ersten Zeugen gesehen haben. Ihre Schwierigkeit besteht darin, dass sie nicht verstehen, was die Ankündigung in Joh 16,16b (o[yesqev me) für sie bedeutet, die sie von Trauer erfüllt sind, weil sie Jesus aufgrund seines Weggangs nicht (mehr) sehen (Joh 16,10.16) und den Sinn seines Weggangs nicht begreifen (Joh 16,4b–7). Die Frage der Jünger nach der Bedeutung der Verheißung Jesu, dass sie ihn sehen werden (Joh 16,17f.), ist auch die Frage der nach Ostern lebenden Leser des vierten Evangeliums, an die sich Johannes richtet. Die Ankündigung Jesu, dass die Jünger ihn nach wiederum einer kurzen Zeit sehen werden, muss aus diesen Gründen näher erläutert werden. Ohne eine Entschlüsselung bleibt das Wort in Joh 16,16 unverständlich.

5. Die Verheißung Jesu: Die Nähe zwischen Gott Vater und den Jüngern nach dem großen Wandel (Joh 16,20–24) 2.5 Die Nähe Gott Vaters zu den Jüngern nach dem großen Wandel

Auf die Niedergeschlagenheit der Jünger und ihr Unverständnis im Blick auf die Bedeutung der Ankündigungen in V.16 reagiert Jesus in V.20–24 mit der Verheißung einer neuen Beziehung der Jünger zu ihm selbst und zu Gott als Vater, welche nach dem großen Wandel möglich wird, durch den sie zu umfassendem Verstehen fähig werden. 5.1 Die Verheißung des Wandels: Bleibende Freude und Verstehen der Jünger (Joh 16,20–23a) Ab V.20 wird scheinbar eine Abkehr von der Thematik des Sehens aus V.16 und eine Rückkehr zum Beginn der Rede in V.4b–7 vollzogen. Die in V.20–23a folgende Ankündigung nimmt nämlich zunächst Bezug auf die in V.4b–7 reflektierte Jüngersituation; Jesus reagiert mit der Verheißung von Freude (V.20–22) auf die Trauer der Jünger (V.6). Auf den zweiten Blick aber wird sichtbar, dass der johanneische Jesus auch auf das in V.17–19 thematisierte Unverständnis der Jünger eingeht; dies wird deutlich in seiner Ankündigung des Verstehens der Jünger in V.23a. Im nächsten Kapitel wird sich zeigen, dass die Verheißung Jesu in Joh 16,20–23a zugleich einen Schlüssel zum Verständnis der rätselhaften Ansage o[yesqev me aus Joh 16,16b enthält.69 20 ajmh;n ajmh;n levgw uJmi`n o{ti 20 Amen, amen ich sage euch: Ihr klauvsete kai; qrhnhvsete uJmei`", oJ werdet weinen und klagen, die Welt 69

Siehe unten 131–134.

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Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

de; kovsmo" carhvsetai: uJmei`" luphqhvsesqe, ajll≠ hJ luvph uJmw`n eij" cara;n genhvsetai. 21 hJ gunh; o{tan tivkth/ luvphn e[cei, o{ti h\lqen hJ w{ra aujth`": o{tan de; gennhvsh/ to; paidivon, oujkevti mnhmoneuvei th`" qlivyew" dia; th;n cara;n o{ti ejgennhvqh a[nqrwpo" eij" to;n kovsmon. 22 kai; uJmei`" ou\n nu`n me;n luvphn e[cete: pavlin de; o[yomai uJma`", kai; carhvsetai uJmw`n hJ kardiva, kai; th;n cara;n uJmw`n oujdei;" ai[rei ajf≠ uJmw`n. 23 Kai; ejn ejkeivnh/ th/` hJmevra/ ejme; oujk ejrwthvsete oujdevn.

aber wird sich freuen. Ihr werdet trauern, aber eure Trauer wird zu Freude werden. 21 Wenn eine Frau gebären soll, hat sie Trauer, weil ihre Stunde gekommen ist. Sobald sie aber das Kind zur Welt gebracht hat, erinnert sie sich nicht mehr an die Bedrängnis um der Freude willen, dass ein Mensch in die Welt geboren wurde. 22 Auch ihr habt also jetzt Trauer. Aber ich werde euch wieder sehen, und euer Herz wird sich freuen, und eure Freude nimmt keiner von euch. 23 Und an jenem Tag werdet ihr mich nichts (mehr) fragen. (Joh 16,20–23a).

In V.20 setzt Jesus mit einer These ein, deren besonderes Gewicht durch die Einleitung ajmh;n ajmh;n levgw uJmi`n hervorgehoben wird. Mit dem Stichwort luvph wird jetzt die Thematik vom Beginn der Textpassage in Joh 16,4b–7 wieder aufgegriffen. Gegenüber der Formulierung in V.6 (hJ luvph peplhvrwken uJmw`n th;n kardivan) fällt aber auf, dass nun entsprechend der narrativen Logik, nach welcher den Jüngern Tod und Weggang Jesu noch bevorstehen, die Rede von der Trauer der Jünger in eine Zukunftsansage gekleidet ist. Wie bei der Exegese von V.4b–7 erläutert wurde, legt das in V.20 verwendete Vokabular zur Bezeichnung der Trauer (klaivw, qrhnevw, lupei`sqai, luvph) die Klage angesichts des Todes eines Menschen bzw. der Abwesenheit Jesu nahe.70 Gemeint ist also keine allgemeine Trauer, sondern das Weinen über den Tod eines Menschen bzw. die Abwesenheit Jesu.71 Brown weist dabei wohl zutreffend auf den doppelten Fokus der Niedergeschlagenheit der Jünger hin: Demnach wird in V.20 nicht nur die bevorstehende Trauer der Jünger angesichts des Todes bzw. der Abwesenheit Jesu ins Auge gefasst, sondern auch ihre Trauer

70

Klaivw wird im Johannesevangelium auch in Joh 11,31.33 verwendet, wo es das Weinen um einen Toten bezeichnet. In Joh 20,11.13.15 weint Maria (klaivein), weil sie nicht weiß, wo der Leichnam Jesu ist. Die Kombination von klaivw und qrhnevw findet sich in Lk 7,32 (hujlhvsamen uJmi`n kai; oujk wjrchvsasqe, ejqrhnhvsamen kai; oujk ejklauvsate). Zur Verbindung der beiden Verben im Kontext der Totenklage vgl. Jer 22,10 LXX, zu qrhnevw und qrh`no" als Totenklage siehe 2Sam 1,17. Lupei`sqai ist im Johannesevangelium noch in 21,17 belegt (dort bezogen auf die Trauer des Petrus, weil Jesus zu ihm zum dritten Mal sagte: „Liebst du mich?“). 71 Vgl. auch ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 137 Anm. 51.

2.5 Die Nähe Gott Vaters zu den Jüngern nach dem großen Wandel

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angesichts ihrer Bedrohung durch die Welt72 (siehe z.B. Joh 16,2), zumal die luvph der Jünger in V.20 explizit mit der Freude der Welt kontrastiert wird. Durch den Gegensatz zur Freude der Welt wird die Trauer der Jünger noch verstärkt. Dennoch liegt der Ton in V.20 nicht auf der Niedergeschlagenheit der Jünger, sondern auf der Freude, in die sich ihre Trauer wandeln wird.73 Dies geht auch aus dem folgenden Gleichnis in V.21 hervor. Es illustriert die Verheißung des Wandels von der Trauer zur Freude ‒ wie sich die Frau nach der Geburt nicht mehr an ihre Not erinnert angesichts ihrer Freude über das geborene Kind, so wird die Trauer der Jünger gegenstandslos werden angesichts der Freude, in die sie verwandelt werden wird. Der Hinweis auf die emotionale Verfassung der Frau nach der Geburt ihres Kindes dient als Analogie für das den Jüngern Verheißene und zeigt, dass der angekündigte Wandel von Trauer in Freude möglich ist. Gleichzeitig erklärt das Gleichnis aber auch, dass die erlittene luvph bzw. qli`yi" notwendig ist für die Erfahrung der Freude; die Freude der Frau nach der Geburt ist keine Rückkehr zum vorherigen Zustand; in ihr artikuliert sich vielmehr eine neue, bis dahin nicht erreichte Qualität ihres Lebens.74 In V.22 fällt gegenüber der Formulierung in V.20 der Wechsel ins Präsens auf (kai; uJmei`" ou\n nu`n me;n luvphn e[cete). Damit wird der Bezug zur gegenwärtigen Niedergeschlagenheit der Jünger hergestellt, die bereits in V.6 thematisiert wurde. Das Gleichnis wird auf die Wirklichkeit der Jünger angewendet. Die Vergleichbarkeit zwischen ihrer Situation und derjenigen der gebärenden Frau liegt im Wandel von der Trauer (luvphn e[cein, siehe die parallele Formulierung in V.21 und 22) zur Freude (kai; carhvsetai uJmw`n hJ kardiva ). Mit dem Präsens rückt zugleich die Lage der nachösterlich lebenden Christen ins Zentrum der Aufmerksamkeit und ermöglicht deren Identifikation mit den Jüngern der Erzählung.75 Worauf bezieht sich die Freude, die Jesus den Jüngern in Joh 16,20–22 verheißt? Der textliche Zusammenhang der in Joh 16,20–22 versprochenen Freude mit der Ankündigung des Sehens in Joh 16,16b (o[yesqev me) legt nahe, dass in Joh 16,20–22 auf der narrativen Ebene an die Osterfreude der Jünger gedacht ist, die sie angesichts ihrer Erkenntnis, dass Jesus den Tod überwunden hat, empfinden werden.76 Die Verheißung aus Joh 16,20–22 72

Vgl. BROWN, John II, 733; siehe auch ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 138. Das Gewicht der Freude lässt sich bereits daran ablesen, dass carav bzw. cairei`sqai allein in V.20.21.22.23.24 insgesamt sechsmal vorkommen. 74 Auf die konstitutive Bedeutung der luvph für die carav in Joh 16,20f. macht B ULTMANN, Johannes, 446 aufmerksam; siehe auch D IETZFELBINGER , Abschied, 231; ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 138; DERS., Saint Jean (13–21), 147. 75 Vgl. dazu ausführlich DETTWILER, Gegenwart, 250f. 76 In Joh 20,20 wird von der Freude der Jünger am Ostertag berichtet, als sie den Herrn sahen (ejcavrhsan ou\n oiJ maqhtai; ijdovnte" to;n kuvrion). 73

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wird dann in der Erzählung in Joh 20,20 eingelöst.77 Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen der Freude, die Jesus den Jüngern in V.22 verspricht, und der Osterfreude der Jünger, die in Joh 20,20 erwähnt wird, und darauf macht z.B. Brown zu Recht aufmerksam: Jesus qualifiziert die Freude, die er den Jüngern in Joh 16,20–22 für die Zukunft zusagt, als bleibend; es handelt sich um eine Freude, „die keiner von euch nehmen wird“ (th;n cara;n uJmw`n oujdei;" ai[rei ajf≠ uJmw`n ).78 Dies geht deutlich über das in Joh 20,20 Berichtete hinaus und spricht gegen eine Beschränkung der Freude in Joh 16,20–22 auf die Osterfreude, von der in den Erscheinungserzählungen in Joh 20 die Rede ist. Eine solche Einschränkung legt sich auch angesichts des Befundes im Johannesevangelium nicht nahe: Johannes wird von großer Freude ergriffen, als er die Stimme des Christus hört (Joh 3,29). Abraham sah den „Tag Jesu“ und freute sich (Joh 8,56). Der „Tag Jesu“ ist demnach mit Freude verbunden, 79 und Freude ist in johanneischer Sicht Zeichen der Gegenwart des Heils (vgl. auch Joh 4,36; 15,11; 16,20–24; 17,13; 20,20).80 Die Freude hat in Joh 16,20–22 daher wohl eine doppelte Zielrichtung: Es handelt sich um die Freude der Erkenntnis, dass Jesus den Tod überwunden hat und um die bleibende Freude, die kennzeichnend ist für die Heilszeit und von der Gegenwart Jesu im Geist her resultiert.81 In V.23a wird die Verheißung Jesu vorläufig mit der Ankündigung zu Ende gebracht, dass die Jünger ihn „an jenem Tag nichts (mehr) fragen werden“ (ejme; oujk ejrwthvsete oujdevn). Jetzt kommt Jesus auf das Fragen der Jünger zurück, das nach V.19 Anlass für sein Wort in V.20–24 gewesen war. In V.23a führt er es einer Lösung zu: Während sich die Jünger vor dem Weggang Jesu durch ratloses und unverständiges Fragen hervortun (ejrwta`n in V.5.19), wird sich dies nach V.23a ändern.82 Neben der blei77

Joh 16,20–22 wird häufig entsprechend ausgelegt; siehe z.B. S CHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 179; W ILCKENS, Johannes, 254; W ENGST, Johannesevangelium II, 165; ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 130–135 und viele andere; aus der älteren Literatur vgl. z.B. WEISS, Johannes-Evangelium, 530. 78 Vgl. BROWN, John II, 729. 79 Vgl. dazu die Rede von „jenem Tag“ in Verbindung mit der Verheißung bleibender Freude in Joh 16,22–23a. 80 Vgl. THEOBALD, Johannes (1–12), 617. 81 Zum doppelten Fokus der Freude in V.20–22 vgl. BROWN, John II, 733: Brown bezieht die in Joh 16,22 verheißene bleibende Freude neben der Osterfreude überzeugend auf die Gegenwart Jesu im Geist: „The joy of the Christian disciple is not only the joy of recognizing that Jesus has conquered death in his resurrection (xx 20); it is an abiding joy resulting in Jesus’ presence in the Paraclete.“ Entsprechend interpretiert er das in Joh 16,23a angekündigte Verstehen der Jünger treffend als Werk des Geistes, der das in den Ostererscheinungen Begonnene fortführt und vollendet. 82 Der Gebrauch von ejrwtavw in V.5 und 19 spricht dafür, dass ejrwtavw in V.23 auch mit „fragen“ zu übersetzen ist. Vgl. auch T HYEN, Johannesevangelium, 674; B ULTMANN,

2.5 Die Nähe Gott Vaters zu den Jüngern nach dem großen Wandel

131

benden Freude wird ihnen volles Verstehen geschenkt werden, das ihre Fragen an Jesus überflüssig macht. Dieses Verstehen ist ebenso wie die bleibende Freude nach Joh 16,20–23a eine Konsequenz des auffallenden, bisher noch nicht besprochenen pavlin de; o[yomai uJma`" (V.22). Was damit gemeint sein könnte, wird im folgenden Kapitel bedacht. 5.2 Voraussetzung für den Wandel: pavlin de; o[yomai uJma`" (Joh 16,22) In Joh 16,22 wird mit der Verheißung pavlin de; o[yomai uJma`" der Grund für den Wandel von der gegenwärtigen Trauer (V.6.22, in Form der Zukunftsankündigung auch V.20) zur bleibenden Freude der Jünger genannt. Was ist damit gemeint? Das Vokabular des Sehens, das in den unmittelbar vorangehenden Versen nicht vorkommt, verweist auf den gesamten Zusammenhang der Textpassage ab Joh 16,16. In Joh 16,16 war optische Terminologie besonders gehäuft verwendet worden (mikro;n kai; oujkevti qewrei`tev me kai; pavlin mikro;n kai; o[yesqev me) und V.20–23a ist ja eine Antwort auf das Rätseln der Jünger untereinander (V.17f.), welches durch das Verheißungswort Jesu in Joh 16,16 ausgelöst worden war. Nun begegnet in Joh 16,22 wiederum das Thema des „Sehens“. Signifikant ist dabei aber der Unterschied zwischen den beiden Ankündigungen über das „Sehen“ in Joh 16,16b und 22. Während Jesus in Joh 16,16b den Jüngern verheißt, dass sie ihn sehen werden (o[yesqev me), ist in Joh 16,22 Jesus Subjekt des Sehens (o[yomai uJma`"). Die Deutung von pavlin de; o[yomai uJma`" (V.22) bereitet in diesem Kontext große Schwierigkeiten. Jesus ist weder in Joh 13,31–14,31 noch an anderer Stelle in Joh 16,4b–33 Subjekt des Sehens wie in Joh 16,22. In V.22 sehen viele Exegeten mit guten Gründen eine Anspielung auf Jes 66,14 LXX (kai; o[yesqe, kai; carhvsetai uJmw`n hJ kardiva ).83 Dafür spricht die beiden Texten gemeinsame Wendung kai; carhvsetai uJmw`n hJ kardiva in Verbindung mit dem Verb oJra`n. Auch die in Jes 66,5–17 LXX vorausgesetzte Situation der vom Hass und Spott der „Brüder“ bedrängten Frommen, denen der Trost des Herrn und die Verwandlung ihres Leides in Freude zugesagt wird (V.10–14), und in Verbindung damit das Gleichnis von der gebärenden Frau (V.7–9), steht Joh 16,20–22 nahe.84 Umso mehr fällt allerdings die Differenz zwischen Joh 16,22 (pavlin de; o[yomai Johannes, 449 Anm. 5. Bultmann weist zu Recht darauf hin, dass die Jünger als die Unverständigen beschrieben werden, die „bisher nur fragen konnten“. Vgl. auch M ICHAELS, John, 846f. 83 Zu Joh 16,22 als Anspielung auf Jes 66,14 LXX vgl. z.B. B ROWN, John II, 722 und 731; B ARRETT, Johannes, 479; FREY, Eschatologie III, 212f.; T HYEN, Johannesevangelium, 673; KEENER, John, 1045 und viele andere. 84 Zu Jes 66,5–17 LXX und den Entsprechungen mit Joh 16,22 einschließlich des johanneischen Kontextes siehe die Beobachtungen von FREY, Eschatologie III, 212f.

132

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uJma`") und Jes 66,14 LXX (o[yesqe) ins Gewicht. Mit Recht bemerkt Barrett, dass dieser Wechsel kaum zufällig sein kann.85 Treffend beobachtet Hoegen-Rohls, dass die Verschiebung von o[yesqev me zu o[yomai uJma`" eine Analogie zur Umkehrung der Perspektive in der ersten Abschiedsrede darstellt, wo nach Joh 14,2f. und Joh 14,6 in Joh 14,18 vom Kommen Jesu zu den Jüngern die Rede ist, welches zur Begegnung zwischen den Jüngern und Jesus führt (e[rcomai pro;" uJma`", V.18). 86 Vor allem auch in Joh 14,23 wird den Glaubenden – gegenläufig zu Joh 14,2f., wo die Bewegung von der Erde zu ihrer Aufnahme in die Welt des Vaters verläuft, – das Kommen von Vater und Sohn zu ihnen angekündigt.87 Entsprechend wird den Jüngern in Joh 16,22 – gegenläufig zu Joh 16,16 (o[yesqev me) – zugesagt, dass Jesus sie sehen wird. So überrascht es nicht, wenn der Wechsel von o[yesqev me (V.16) zu o[yomai uJma`" (V.22) gelegentlich mit einem Hinweis auf Joh 14,21–24 erklärt wird. Zumstein stellt fest: „Jetzt sind nicht mehr die Jünger Subjekte des Sehens, sondern Christus. Mit anderen Worten, das ‚neue Sehen‘ ist nicht die Tat der Jünger, sondern gründet ausschließlich in der Initiative Christi und besteht in seiner österlichen Erscheinung (vgl. 14,21–24), welche Anlaß zur Freude gibt (vgl. 20,20, vgl. auch 17,13).“88 Aber diese Erklärung stellt nicht wirklich zufrieden, denn in Joh 14,21–24 ist nicht davon die Rede, dass Jesus die Jünger sieht, sondern dass er sich dem offenbaren wird, der ihn liebt. Jesus ist in Joh 14,21–24 nicht wie in Joh 16,22 der Wahrnehmende, sondern der sich Offenbarende. Die Deutung des in Joh 16,22 zum Ausdruck gebrachten Sehens Jesu auf die österliche Erscheinung bereitet auch deshalb Schwierigkeiten, weil die Aussagen in diesem Vers sich deutlich von dem unterscheiden, was in den Ostererscheinungen in Joh 20 berichtet wird; in V.22 ist nicht nur wie in Joh 20,20 von Freude, sondern von einer bleibenden Freude die Rede89 und in den Berichten von den Ostererscheinungen in Joh 20,18.19–23.24–29 wird ein dem o[yomai uJma`" (Joh 16,22) entsprechendes Sehen der Maria oder der Jünger durch Jesus nicht erwähnt. Vielmehr verhält es sich umgekehrt: Maria (Joh 20,18), die Jünger (Joh 20,20.25) und Thomas (Joh 20,29a) sind in Joh 20 diejenigen, die sehen.

85

Vgl. B ARRETT, Johannes, 479. Vgl. HOEGEN-ROHLS, Johannes, 195. 87 Siehe HALDIMANN, Rekonstruktion, 366. 88 ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 139; DERS. Saint Jean (13–21), 148. 89 Deshalb überzeugt Schnackenburgs Erklärung nicht, der einen Bezug zu Joh 14,27 und 20,19f. sieht und den Wechsel von o[yesqev me zu o[yomai uJma`" damit erklärt, dass Jesus selbst den Wandel der Situation herbeiführt, indem er als Auferstandener zu den Jüngern kommt und mit seinem Frieden auch die Freude bringt (SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 179). 86

2.5 Die Nähe Gott Vaters zu den Jüngern nach dem großen Wandel

133

Auch die Auslegung des gegenseitigen Sehens in V.16.22 (o[yesqe / o[yomai uJma`") als „erhofftes Wiedersehen mit Jesus im Rahmen seiner Parusie“90 ist fraglich; nicht nur wegen des bereits oben genannten Arguments, dass die damit verbundene negative Qualifizierung der nachösterlichen Zeit nicht zu ihrer positiven Einschätzung, die in den Abschiedsreden insgesamt vertreten wird, passen würde,91 sondern auch angesichts der Fortsetzung in Joh 16,23b–24, wo das Gebet der Jünger zum Vater thematisiert wird, welches seinen Ort im gegenwärtigen Leben der Christen nach Ostern hat.92 Die Gründe für den Wechsel von o[yesqev me zu pavlin de; o[yomai uJma`" sind wohl in der in Joh 16,4b–7 und 16–19 angedeuteten Situation der Leser des Evangeliums zu suchen: Wie bereits gesehen, ist es für die nachösterlich lebenden Christen fraglich, worauf sich o[yesqev me als Verheißung an sie bezieht, und was diese Zusage für sie bedeutet, die sie Jesus weder an Ostern gesehen haben noch im Evangelium „sehen“ (V.16 mikro;n kai; oujkevti qewrei`tev me), weil ihr Herz von Trauer erfüllt ist (Joh 16,6.20–22).93 Das Wort o[yesqev me hat angesichts ihrer Verstehenskrise keine Bedeutung für sie.94 Mit der charakteristischen Variation in Joh 16,22 bringt Johannes dann zum Ausdruck, dass nicht das Sehen der Jünger die entscheidende Wende herbeiführt, von der in Joh 16,20–24 die Rede ist. Vielmehr bedarf es dazu der Initiative Jesu.95 Worauf sich diese bezieht, verrät möglicherweise das Adverb pavlin, das auf ein früheres Sehen Jesu hindeutet.96 Indirekt verweist der Evangelist seine Leser damit wohl an sein Evangelium. Dort werden nämlich Beispiele dafür skizziert, dass Menschen, die Jesus – sowohl im wörtlichen wie im übertragenen Sinn – nicht sehen, zum Verstehen und Glauben an 90

LIN,

75.

FREY, Eschatologie III, 217f. Vgl. z.B. auch W ELLHAUSEN, Johannis, 73f.; STÄHEschatologie, 241–243; NEUGEBAUER, Aussagen, 136f.; SCHNELLE, Abschiedsreden,

91

Vgl. BROWN, John II, 729; ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 132. Siehe unten 134–140. 93 Siehe dazu oben 124f. 94 ZUMSTEIN, Ostererfahrung, 133 meint, dass das Wort V.16 seine Bedeutungskraft für die Jünger verloren hat; es geht darum, seine Relevanz für die nachösterliche Existenz der Jünger nochmals auszusagen. 95 Vgl. B LANK, Johannes II, 204. B ARRETT, Johannes, 479 nennt Joh 15,16 („ich habe euch erwählt“) als inhaltliche Parallele zu dem erwählenden Sehen Jesu in Joh 16,22. Das ist auch deshalb plausibel, weil Joh 15,16b wie 16,24 das Gebet zum Vater im Namen Jesu thematisiert. 96 Zu den verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten von pavlin siehe B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. pavlin, Sp. 1227. Pavlin bringt häufig die Rückkehr zu einer früheren Tätigkeit bzw. die Wiederholung einer Tätigkeit zum Ausdruck und ist dann mit „wiederum“, „nochmals“, „abermals“, „aufs neue“ zu übersetzen. Entsprechend verhält es sich in Joh 16,22. 92

134

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ihn gelangen, nachdem Jesus sie sieht: In Joh 1,45f. wird geschildert, wie Nathanael, der von Philippus über Jesus hört, ungläubig reagiert. Dass Jesus ihn sieht (V.47 und 48), führt die Wende herbei: Nathanael bekennt Jesus als den Sohn Gottes und den Messias Israels (V.49). In Joh 9,1 ist das Sehen Jesu Ausgangspunkt für die Heilung des Blindgeborenen und dessen Glauben an Jesus (V.33.38). Der Blindgeborene sieht Jesus zunächst weder physisch noch im übertragenen Sinn. Das Sehen Jesu steht am Anfang des Wunders, durch welches der Blinde in doppeltem Sinne sehen lernt.97 In Joh 11,33 bringt schließlich wie in Joh 16,22 das Sehen Jesu die Wende für diejenigen herbei, die über den Tod trauern (Maria und „die Juden“). Auf das Sehen Jesu folgt die Frage nach dem Ort des Leichnams (V.34), der Gang zum Grab (V.38), die Aufforderung, den Stein wegzuheben (V.39), die Beseitigung des Steines (V.41), das Gebet Jesu (V.41f.) und die Erweckung des Lazarus (V.43f.), welche die Trauer der Maria und der Juden aufhebt und am Ende zum Sehen und Glauben der Zeugen des Geschehens führt (V.45). Kennzeichnend ist für diese Beispiele, dass Jesus mit seinem Sehen den Wandel der Situation derer herbeiführt, die ihn nicht sehen (Joh 1,45f.47– 50; Joh 9,1–41), bzw. in Trauer gefangen sind (Joh 11,33). Liest man Joh 16,16–23a vor diesem Hintergrund, verweist der Evangelist seine Leser in Joh 16,22 auf ein solches Sehen, wie es von Jesus im Evangelium wiederholt geschildert wird: Er wird die Jünger abermals „sehen“ wie zuvor Nathanael (Joh 1,47f.), den Blindgeborenen (Joh 9,1), Maria und die um Lazarus trauernden Juden (Joh 11,33). Dieses erneute „Sehen“ wird Voraussetzung für den Wandel ihrer Blindheit und ihres Unverständnisses sein und bleibende Freude und Verstehen für sie herbeiführen. Trifft diese Exegese zu, wird mit dem Wechsel von o[yesqev me zu pavlin de; o[yomai uJma`" den nach Ostern lebenden Christen in Joh 16,22 eine Perspektive aufgezeigt: Auch wenn sie Jesus gegenwärtig nicht „sehen“ (V.16a), sondern Trauer ihr Herz erfüllt, wird sich durch die Initiative Jesu für sie die Wende zur unvergänglichen Freude und zum Verstehen ereignen. 5.3 Konsequenzen des Wandels: Die Nähe zwischen dem Vater und den Jüngern in Gebet und Gebetserhörung (Joh 16,23b–24) Als Folge der veränderten Jüngersituation wird in Joh 16,23b–24 die wechselseitige Beziehung zwischen dem Vater und den Jüngern in Gebet und Gebetserhörung genannt: 97

Entsprechend ist in Joh 5,6; 6,5 von einem Sehen Jesu die Rede, welches am Anfang der Wende einer Not steht: In beiden Fällen ergreift Jesus von sich aus die Initiative, die Not zu wenden. In Joh 6,14 führt das auf das Sehen Jesu folgende Brotwunder außerdem dazu, dass sich die Menschen zu Jesus als dem Propheten bekennen, der in die Welt kommen soll.

2.5 Die Nähe Gott Vaters zu den Jüngern nach dem großen Wandel

23 ajmh;n ajmh;n levgw uJmi`n, a[n ti aijthvshte to;n patevra ejn tw`/ ojnovmativ mou dwvsei uJmi`n.98 24 e{w" a[rti oujk hj/thvsate oujde;n ejn tw`/ ojnovmativ mou: aijtei`te kai; lhvmyesqe, i{na hJ cara; uJmw`n h/\ peplhrwmevnh.

135

23 Amen, amen, ich sage euch: Worum ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, (das) wird er euch geben. 24 Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet und ihr werdet empfangen, damit eure Freude erfüllt sei.

Vor der Interpretation dieses Abschnitts ist die strittige Frage zu klären, ob es überhaupt einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Ankündigung in Joh 16,22–23a und dem Wort über das Gebet und die Gebetserhörung in Joh 16,23b–24 gibt. (1) In Freys Auslegung des Abschnitts besteht zwischen Joh 16,23a und b keine gedankliche Verbindung; vielmehr liegt hier eine Zäsur vor.99 Da eine Aufforderung zum Gebet im Namen Jesu nach der Parusie keinen Sinn ergibt, muss bei einem Bezug von Joh 16,22–23a auf die Parusie für das Wort vom Gebet in Joh 16,23b ein Wechsel der zeitlichen Perspektive angenommen werden. Johannes würde dann nach der Reflexion über die Zeit der endzeitlichen Wiederkunft Jesu in Joh 16,22–23a in den Versen 23b–24 die nachösterliche Gegenwart der Leser bedenken. Folgt man dieser Interpretation, haben die Ermutigung der Jünger zum Gebet und die Zusage der Erhörung ihrer Bitten durch den Vater in Joh 16,23b–24 mit den vorangegangenen Äußerungen Jesu in Joh 16,22–23a darüber, dass er die Jünger wieder sehen wird und sie ihn „an jenem Tag“ nichts (mehr) fragen werden, nichts zu tun. Dagegen spricht jedoch, dass es eine terminologische und inhaltliche Verknüpfung zwischen Joh 16,22– 23a und 23b–24 gibt. So wird in Joh 16,24 mit dem Hinweis auf die „erfüllte Freude“ der Jünger, die bitten und empfangen werden, ein Stichwort aus Joh 16,22f. aufgenommen, wo angekündigt wird, dass niemand die Freude von den Jüngern nehmen wird. Joh 16,23b–24 ist daher noch zu Joh

98

Die syntaktische Stellung von ejn tw`/ ojnovmativ mou ist in diesem Vers nicht eindeutig. Die Entscheidung zwischen der oben abgedruckten Lesart und der Variante a[n ti aijthvshte to;n patevra dwvsei uJmi`n ejn tw`/ ojnovmativ mou auf der Basis von äußeren Kriterien fällt schwer. Angesichts von Joh 16,26 ist ejn tw/` ojnovmativ mou wahrscheinlich mit B. und K. ALAND, NTG27 dem Bitten der Jünger zuzuordnen, vgl. METZGER, Commentary, 211; DETTWILER, Gegenwart, 249 Anm. 127. Dagegen halten B ULTMANN, Johannes, 450 Anm. 5; B ECKER, Johannes II, 602; BROWN, John II, 723; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 180; HALDIMANN, Rekonstruktion, 369f. Anm. 167 und andere die alternative Lesart für ursprünglich, da das Geben im Namen Jesu ungewöhnlich sei, während das Bitten im Namen Jesu häufiger vorkommt. Die hier bevorzugte, oben abgedruckte, alternative Lesart sei eine sekundäre Angleichung an andere johanneische Texte, in denen vom Bitten im Namen Jesu die Rede ist. 99 Vgl. z.B. FREY, Eschatologie III, 218.

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16,16–23a zu rechnen, zumal auch mit tau`ta in Joh 16,25 im Gedankengang neu eingesetzt wird.100 Schließlich sprechen auch strukturelle Parallelen zwischen Joh 16,23f. und 16,26 für die inhaltliche Zusammengehörigkeit von Joh 16,23a und b: So nimmt die Ankündigung in Joh 16,26 das Thema des Gebets der Jünger zum Vater im Namen Jesu aus Joh 16,23b in abgewandelter Form auf (ejn ejkeivnh/ th/` hJmevra ejn tw/` ojnovmativ mou aijthvsesqe, V.26). Entscheidend ist dabei, dass die Verheißung zum Bitten im Namen Jesu in Joh 16,26 durch die Wendung ejn ejkeivnh/ th/` hJmevra/ eingeleitet wird, die auch in Joh 16,23a erscheint. Dies legt nahe, dass Johannes auch die Ermutigung zum Bitten in Joh 16,23b–24 mit „jenem Tag“ in Verbindung bringen will, an dem die Jünger Jesus nichts mehr fragen werden, zumal er sie explizit an die Äußerung über „jenen Tag“ in Joh 16,23a anschließt. Aus diesen Gründen ist es unwahrscheinlich, dass Johannes die Rede Jesu ab Joh 16,16 mit der Bemerkung über Jesu Sehen zu einem vorläufigen Ende bringt, um mit der Aufforderung zum Gebet in Joh 16,23b–24 die zeitliche Ebene zu wechseln und zur Gegenwart der johanneischen Leser überzugehen. Vielmehr sind die Äußerungen über „jenen Tag“ in Joh 16,22–23a von zentraler Bedeutung für das Verständnis der Inhalte von Joh 16,23b–24: Mit dem in Joh 16,22–23a verheißenen o[yomai uJma`" und dem Verstehen der Jünger werden die Voraussetzungen dafür genannt, dass das Gebet der Jünger zu Gott als Vater möglich wird. (2) In Joh 16,23b–24 fordert Jesus die Jünger zum Bitten auf und sichert ihnen die Erfüllung ihrer Bitten zu. Die Gültigkeit und die autoritative Kraft seiner Zusage wird mit der Einleitung „amen, amen, ich sage euch“, unterstrichen. Für die Interpretation dieser Verse sind die vorangegangenen Worte der Abschiedsreden über das Gebet und die Gebetserhörung aufschlussreich (Joh 14,13f. und 15,7.16). In Joh 16,23b wird den Jüngern zugesagt, was ihnen schon in Joh 15,7b (o} eja;n qevlhte aijthvsasqe, kai; genhvsetai uJmi`n) und 16c (o{ ti a]n aijthvshte to;n patevra ejn tw/` ojnovmativ mou dw/` uJmi`n) in Aussicht gestellt worden war. Ein gegenüber den Formulierungen in Joh 14,13f. und 15,16 anderer Akzent wird in Joh 16,24 gesetzt, wo ausdrücklich festgehalten wird, dass die Jünger bisher nichts im Namen Jesu gebeten haben. Wesentlich ist dabei, dass mit e{w" a[rti (V.24), welches im erzählerischen Kontext die Situation vor dem Weggang Jesu markiert, zwei zeitliche Ebenen unterschieden werden: e{w" a[rti kennzeichnet den Einschnitt, der mit dem Sehen Jesu (o[yomai uJma`", V.22) und dem Verstehen der Jünger (V.23a) erfolgt. Die Zeit vor dieser Zäsur ist die Zeit des Jüngerunverständnisses; das Verhältnis der Jünger zu Jesus ist durch Fragen („ejrwta`n“, siehe Joh 16,5.19 und indirekt V.23a) 100

Zu dieser Abgrenzung siehe auch SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 174; DETTWILER, Gegenwart, 214 Anm. 2.

2.5 Die Nähe Gott Vaters zu den Jüngern nach dem großen Wandel

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bestimmt, wobei sie sich nicht direkt an Jesus wenden, sondern untereinander rätseln (Joh 16,17f., vgl. auch 16,5). Sie verstehen weder den Sinn der Worte Jesu über seinen Weggang (Joh 16,5.10) noch die Bedeutung seiner Ankündigung in Joh 16,16. Entsprechend bitten sie auch nichts in seinem Namen – stattdessen sind sie in ihrer Trauer und in ihrem Nichtverstehen gefangen. In dieser Verständnis- und Sprachlosigkeit gegenüber Jesus artikuliert sich eine Distanz der Jünger zu ihm, von der in Joh 14,13f. noch nichts zu spüren ist, wo Jesus selbst Adressat des ins Auge gefassten Jüngergebets ist. Aber auch der Unterschied zu Joh 15,16 ist deutlich, wo wie in Joh 14,13f. wie selbstverständlich von der Möglichkeit ausgegangen wird, dass die Jünger im Namen Jesu bitten. Dies ist in Joh 16,23b–24 anders. Ganz offenkundig gilt nach Joh 16,4b–33, dass den Christen das Gebet zu Jesus vor der Wende, die mit ihrem Verstehen herbeigeführt wird (Joh 16,23a), ebenso fraglich ist wie das Gebet in seinem Namen und die Erfüllung der Bitten durch ihn, wie es in Joh 14,13f. vorausgesetzt wird.101 Die Zeit nach der durch e{w" a[rti markierten Zäsur unterscheidet sich fundamental von der davor: Folgt man der Lesart a[n ti aijthvshte to;n patevra ejn tw/` ojnovmativ mou dwvsei uJmi`n , wird sich nach dem in Joh 16,20–23a verheißenen Wandel zum einen die Beziehung der Jünger zu Jesus ändern: Sie werden ihn nichts mehr fragen, sondern in seinem Namen den Vater bitten. Das heißt: Sie erkennen, dass Jesus ihr Weg zum Vater ist; er ist der Mittler, über den sie den Vater im Gebet erreichen. Das haben sie bisher nicht erkannt, denn sie haben „bis jetzt nichts im Namen Jesu gebeten“ (V.24). Zum anderen aber wird sich durch den angekündigten Wandel auch das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott ändern.102 Entscheidend ist dabei, dass Joh 16,23b–24 näher konkretisiert, wie die Beziehung zwischen den Jüngern und Gott inhaltlich bestimmt sein wird, die durch das Sehen Jesu (V.22) und ihr Verstehen (V.23a) möglich wird: Sie besteht in einer neugewonnenen Nähe zwischen den Jüngern und Gott als Vater. Diese äußert sich darin, dass die Jünger „ohne Intervention Jesu“ 103 selbst zum Vater beten können und dieser ihnen geben wird, worum sie bitten.104 Wichtig ist dabei, dass die durch e{w" a[rti gekennzeichnete Zäsur der Zeiten nicht nur als Differenz zwischen „vorösterlicher“ und „nachösterlicher“ Zeit beschreibbar ist.105 Die Kategorien „vorösterlich“ und „nachös101

Zu Joh 14,13f. siehe oben 69f. Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 148: „… le v.23b présente le nouveau mode de relation qui s’institue entre le disciple, le Christ et Dieu durant l’époque post-pascale (cf. 14,13–14).“ 103 So SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 180. 104 Zu Letzterem siehe unten 139f. 105 So FREY, Eschatologie III, 218 Anm. 201 („e{w" a[rti (V.24) markiert […] die Differenz zwischen der vorösterlichen und der nachösterlichen Zeit“). 102

138

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terlich“ treffen zwar einerseits zu, da die Ostererfahrung das Verstehen der Jünger erst möglich macht; sie greifen hier aber insofern zu kurz, als das „e{w" a[rti“ vorausgesetzte Unverständnis nicht nur auf der Ebene der Erzählung die „vorösterliche“ Situation der Jünger vor dem Abschied Jesu kennzeichnet, sondern auch in textpragmatischer Hinsicht die Lage der Christen beschreibt, die nach Ostern leben. Ebenso wie den Jüngern der Erzählung gilt ihnen in Joh 16,23b–24 die Verheißung einer neuen Beziehung zwischen ihnen und Gott als Vater, die mit ihrem Verstehen Wirklichkeit werden wird. (3) Das inhaltliche Profil der Verheißung in Joh 16,23b–24 lässt sich abschließend nun noch durch einen intertextuellen Vergleich mit den entsprechenden synoptischen Logien über das Gebet und die Gebetserhörung etwas genauer erfassen. Die synoptischen Logien werden dabei als „Zeugen“ eines religiösen Wissens herangezogen, welches in der Entstehungswelt des Johannesevangeliums bekannt war und möglicherweise auch in Joh 16,23b–24 vorausgesetzt wird. Daher können sie Informationen über mögliche Voraussetzungen zum Verständnis des johanneischen Textes liefern, welche einem modernen Interpreten bzw. einer modernen Interpretin ohne einen solchen Vergleich nicht zur Verfügung stünden. Außerdem lässt sich das spezifische Profil des johanneischen Textes mit Hilfe des vergleichenden Blicks auf die synoptischen Logien über das Gebet und die Gebetserhörung deutlicher erkennen. Eine Entscheidung über die umstrittene Frage, ob ein mündlicher Aphorismus zur Bildung der verschiedenen Überlieferungen des Spruchs über das Bitten und die Gebetserhörung geführt hat,106 oder Johannes die synoptischen Texte benutzt hat, möglicherweise zugleich auch eine Kenntnis dieser Texte bei seinen Lesern voraussetzt,107 ist damit bei den folgenden Ausführungen nicht verbunden.108 In den Logien vom Bitten und der Erhörungsgewissheit in der synoptischen Überlieferung (besonders der Q-Überlieferung) ist immer Gott der Adressat der Gebete, zu denen Jesus die Jünger auffordert, und zwar meistens Gott als „Vater“.109 Ebenso ist es ausdrücklich Gott der Vater, der die Bitten erhören und den Bittenden geben wird, was sie brauchen (Mt 18,19f.), und schon weiß, was die Jünger brauchen, bevor sie ihn bitten (Mt 6,8.32). Nur in Mk 11,24 [par. Mt 21,22] wird der Gebetene und der Erhörende nicht explizit genannt. Der folgende Vers Mk 11,25 legt aber

106

So z.B. T HEOBALD, Herrenworte, 156.163 im Anschluss an D ODD, Tradition, 349–

352.

107

Vgl. THYEN, Johannesevangelium, 4.674. Siehe oben 23. 109 Vgl. z.B. Mt 7,7–11 par. Lk 11,9–13; Mt 6,9–13; Lk 11,2–4. 108

2.5 Die Nähe Gott Vaters zu den Jüngern nach dem großen Wandel

139

nahe, dass Markus dabei auch an den himmlischen Vater der Jünger denkt.110 So wird in Mt 7,7–11 par. Lk 11,9–13 an der Liebe des Vaters zu seinem Sohn gezeigt, dass die Liebe des Vaters im Himmel einerseits dieser Liebe entspricht und zugleich umso stärker und gewisser ist. Die Hörer und Leser werden aufgefordert, Gott noch mehr zuzutrauen als einem menschlichen Vater. Dabei hebt der Schluss „a minore ad maius“ in Mt 7,11 und Lk 11,13 hervor, dass die Jünger Gott als ihren Vater kennen und es sich bei dem „Vater in den Himmeln“ um ihren Vater handelt: eij ou\n uJmei`" ponhroi; o[nte" oi[date dovmata ajgaqa; didovnai toi`" tevknoi" uJmw`n, povsw/ ma`llon oJ path;r uJmw`n oJ ejn toi`" oujranoi`" dwvsei ajgaqa; toi`" aijtou`sin aujtovn.

Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euern Kindern gute Geschenke zu geben wisst, um wieviel mehr wird euer Vater in den Himmeln denen, die ihn bitten, Gutes geben (Mt 7,11).

Entsprechend eng wie in den synoptischen Texten ist auch in Joh 16,23f. das Thema vom Bitten und der Gebetserhörung mit Gott als Vater verbunden. Auch in Joh 16,23f. ist es der Vater, der von den Jüngern gebeten werden soll und ihre Bitten erhören wird. Dennoch enthält der johanneische Text gegenüber Mt 7,7–11 par. Lk 11,9–13 einen besonderen Akzent: Vom Standpunkt des in Joh 16,23f. redenden Jesus aus wird nicht nur die Erhörung der Jünger, sondern auch deren Gebet zum Vater in der Zukunft liegen. Dies wird explizit gemacht durch „e{w" a[rti oujk hj/thvsate oujdevn…“. In der Zeit, in der Jesus bei seinen Jüngern gegenwärtig war und ist, haben die Jünger den Vater nichts im Namen Jesu gebeten. Die Besonderheit der Aussage in Joh 16,23f. gegenüber den genannten Texten der synoptischen Evangelien ist daher, dass nicht nur die Gebetserhörung, sondern auch das Gebet der Jünger zum Vater erst in der Zeit nach dem Weggang Jesu angesiedelt wird. Kennzeichnend für die gegenwärtige Situation der Jünger vor dem Weggang Jesu sind die Fragen an Jesus. In der Zeit vor seinem Abschied betet im Johannesevangelium ausschließlich Jesus zu Gott Vater.111 Die Jünger haben in dieser Situation keine Beziehung zu Gott als Vater, wie dies für die Jünger in den genannten synoptischen Logien vorausgesetzt wird. Ein solches Verhältnis zu Gott als Vater impliziert in johanneischer Sicht, dass sie Jesus nichts (mehr) fragen, weil 110

„... pavnta o{sa proseuvcesqe kai; aijtei`sqe, pisteuvete o{ti ejlavbete, kai; e[stai uJmi`n. Kai; o{tan sthvkete proseucovmenoi, ajfivete ei[ ti e[c ete katav tino", i{na kai; oJ path;r uJmw`n oJ ejn toi`" oujranoi`" ajfh`/ uJmi`n ta; paraptwvmata uJmw`n.“ Die Bezeichnung Gottes als „euer Vater“ [sc. Vater der Jünger] erscheint im Markusevangelium nur hier, und zwar signifikanterweise im Anschluss an das Logion über das Gebet (Mk 11,25). 111 Siehe Joh 11,41f.; 12,28; 17,1.5.11.21.24f.

140

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

sie den Sinn seiner Worte verstehen (V.23a). Es ist daher aus der Perspektive, die in Joh 16,23b–24 eingenommen wird, der Zeit vorbehalten, in der umfassendes Verstehen durch das Wirken des Geistes möglich wird (Joh 16,7–15). Die Beobachtungen in diesem Kapitel legen den Schluss nahe, dass Joh 16,23b–24 ein Trostwort ist, das sich an die trauernden Jünger bzw. an die nach Ostern lebende Leserschaft des Johannesevangeliums richtet. Bei der gegenwärtigen Niedergeschlagenheit und dem Unverständnis wird es nicht bleiben: Vielmehr wird den Jüngern bzw. den nach Ostern lebenden Christen eine neue, nicht mehr durch „Fragen“ bestimmte Beziehung zu Jesus in Aussicht gestellt. Damit erhalten sie ein neues Verhältnis zu Gott, insofern dieser für sie als Vater und Sohn unterscheidbar und erkennbar ist. Ihre Beziehung zu Gott wird daher in V.23b–24 als Beziehung zum Vater beschrieben, an den sie sich jetzt selbst im Gebet wenden können und der sich ihnen selbst zuwenden wird, indem er ihre Gebete erhört. Konsequenz dieser neuen Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater wird entsprechend die vollkommene Freude der Jünger sein (V.24b).

6. Die Verheißung Jesu: Die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater (Joh 16,25–28) 2.6 Die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater

Die Aussagen aus V.23b–24 über das neue Verhältnis der Jünger zu Jesus und zu Gott als Vater werden in der zweiten Antwort Jesu auf das Ausgangsproblem in V.25–28 aufgegriffen und vertieft: Neben dem Gebet zum Vater und der Gebetserhörung ist die Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater dadurch qualifiziert, dass der Vater sie liebt. Den Jüngern werden ihrerseits durch ihre Liebe zu Jesus und ihren Glauben an seine Herkunft aus Gott Attribute zugeschrieben, welche sie indirekt als Gotteskinder ausweisen. 6.1 Ankündigung der offenen Verkündigung über den Vater (Joh 16,25) V.25 blickt in der ersten Vershälfte zurück (V.25a lelavlhka) und fasst in der zweiten Vershälfte die Zukunft ins Auge (V.25b oujkevti … lalhvsw, ajpaggelw`): tau`ta ejn paroimivai" lelavlhka uJmi`n: e[rcetai w{ra o{te oujkevti ejn paroimivai" lalhvsw uJmi`n, ajlla; parrhsiva/ peri; tou`` patro;" ajpaggelw` uJmi`n.

Dies habe ich euch in deutungsbedürftigen Worten gesagt. Es kommt die Stunde, in der ich nicht mehr in deutungsbedürftigen Worten zu euch reden, sondern euch in Klarheit über den Vater verkündigen werde.

2.6 Die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater

141

In Joh 14,25 wurde mit der Wendung tau`ta lelavlhka uJmi`n der Schlussteil der ersten Abschiedsrede vorbereitet. Entsprechend verhält es sich in Joh 16,25a: Mit dem rückblickenden tau`ta … lelavlhka uJmi`n wird signalisiert, dass sich das Ende der Rede Joh 16,4b–33 nähert. Tau`ta kann sich dabei auf die Äußerungen Jesu beziehen, die im näheren Textzusammenhang vorangegangen sind (Joh 16,16.19–24).112 Dafür spricht, dass es in Joh 13,31–16,33 mit Joh 14,25; 15,11; 16,1.4.6.33 mehrere solcher Zäsuren gibt, die durch dieselbe Wendung wie in Joh 16,25 eingeleitet werden. Wegen der Stellung von Joh 16,25–33 am Ende des gesamten Komplexes der Abschiedsreden kann tau`ta allerdings auch in einem weiteren Sinne bereits davor geäußerte Worte Jesu umfassen.113 Im Unterschied zu den vorangegangenen Belegen wird die Wendung tau`ta lelavlhka uJmi`n in Joh 16,25 durch ejn paroimivai" präzisiert. Im Sprachgebrauch der klassischen griechischen Literatur ist paroimiva häufig mit der Bedeutung „Sprichwort“ belegt.114 Signifikant ist, dass das deutlichste Beispiel für ein Sprichwort im Johannesevangelium – Joh 4,37 – jedoch nicht als paroimiva, sondern als lovgo" bezeichnet wird.115 Aufschluss darüber, was mit paroimivai in Joh 16,25 gemeint ist, bietet die Verwendung dieses Begriffs in Joh 10,6a:116 Dort wird das Erzählstück über den Hirten in Joh 10,1–5 als paroimiva bezeichnet. Wesentlich für die Bedeutung von paroimiva ist dabei, dass sie in Joh 10,6b mit dem Kommentar versehen wird, dass die (pharisäischen) Zuhörer nicht verstanden, was Jesus ihnen erzählte (ejkei`noi de; oujk e[gnwsan tivna h\n a} ejlavlei aujtoi`"). Paroimiva ist also hier eine Rede, deren Bedeutung für andere nicht verständlich ist.117

112

Vgl. DIETZFELBINGER, Abschied, 235, der tau`ta auf Joh 16,16–24 bezieht. THYEN, Johannesevangelium, 674f. interpretiert die einleitende Wendung in V. 25a als Hinweis auf alles, was Jesus bis dahin im Evangelium geäußert hat; ebenso WENGST, Johannesevangelium II, 168. Nach B ARRETT, Johannes, 480 wird entweder „auf die Abschiedsreden als Ganze oder auf die ganze Lehre Jesu verwiesen“. 114 Siehe z.B. Aischylos, Ag. 264f., wo Klytemnaistra ein geläufiges Sprichwort zitiert und als paroimiva bezeichnet. In Aristoteles, Rhet. 1371b werden vier Sprichwörter als paroimivai zitiert. Weitere Beispiele für paroimiva im Sinne von Sprichwort in der griechischen Literatur bei ZIMMERMANN, Imagery, 10f.; P OPLUTZ, Paroimia, 105f. Siehe auch B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. paroimiva, Sp. 1270f. (1). 115 Darauf macht ZIMMERMANN, Imagery, 13 aufmerksam. 116 Außer in Joh 16,25 findet sich paroimiva im Johannesevangelium nur noch in 10,6 und 16,29. 117 Zur paroimiva in Joh 10,1–5 als „Bildrede (…), die für Außenstehende rätselhaft ist“, vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 182 Anm. 51. Derselbe Sinn von paroimiva liegt auch Sir 39,3 zugrunde (ajpovkrufa paroimiw`n ejkzhthvsei; er wird den verborgenen Sinn der paroimivai erforschen). Weitere Texte mit dieser Bedeutung von paroimiva nennt ZIMMERMANN, Imagery, 11f. 113

142

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

Der Textzusammenhang ab Joh 16,16 spricht dafür, dass diese Bedeutung von paroimiva auch für paroimivai in Joh 16,25 zutrifft: Wie in Joh 10,6 die Pharisäer, rätseln in Joh 16,17f. die Jünger über den Sinn der vorausgegangenen Äußerung Jesu. Die ratlose Reaktion der Jünger in Joh 16,17f. (tiv ejstin tou`to o} levgei hJmi`n … [V.17] und tiv ejstin tou`to to; mikrovn [V.18]) entspricht derjenigen der Pharisäer in Joh 10,6 (ejkei`noi de; oujk e[gnwsan tivna h\n a} ejlavlei aujtoi`" ). Auch in Joh 16,25 sind mit paroimivai daher Worte gemeint, deren Sinn für die Jünger nicht deutlich ist. Jesus hält in Joh 16,25 rückblickend fest, dass er mit den Jüngern in Worten geredet hat, die der Deutung bedürfen.118 Außer dem durch die Jüngerreaktion in Joh 16,17f. explizit als paroimiva ausgewiesenen Wort Jesu in Joh 16,16 mag damit auch die Verheißung Jesu in V.20–24 gemeint sein.119 Mit tau`ta ejn paroimivai" lelavlhka uJmi`n wird daher wieder die in Joh 16,4b–7 und 17–19 thematisierte Ausgangssituation der Jünger aufgegriffen und auf das Nichtverstehen der Jünger Bezug genommen, das sich in ihrer gegenwärtigen Trauer spiegelt. Zugleich verheißt Jesus den Jüngern mit der in V.25b folgenden Ankündigung, welche die Zukunft ins Auge fasst, eine Lösung ihrer Situation. Denn mit der durch e[rcetai w{ra eingeleiteten Verheißung in Vers 25b verspricht er ihnen eine fundamentale Veränderung ihrer gegenwärtigen Lage: Er wird zu dem mit w{ra anvisierten Zeitpunkt nicht mehr ejn paroimivai" reden, sondern parrhsiva/ verkündigen. Was damit intendiert ist, zeigt ein Blick auf die weiteren johanneischen Belege des Adverbs parrhsiva/ in Verbindung mit einem Verb der Rede (lalei`n, levgein, ajpaggevllein), die sich außer in Joh 16,25 auf Joh 7,13.26; 10,24; 11,14 und 18,20 konzentrieren:120 In Joh 7,13 ist die freie, öffentliche Rede über Jesus gemeint, die aus Furcht vor „den Juden“ vermieden wird; in Joh 7,26 die freie, öffentliche Rede Jesu selbst. In Joh 10,24 wird Jesus von „den Juden“ zur offenen Rede aufgefordert. Vergleichbar mit diesen Stellen ist die Verwendung von parrhsiva/ in Joh 18,20, wo die parrhsiva/-Rede der Lehre an öffentlichen Orten wie der Synagoge und dem Tempel, „wo alle Juden zusammenkommen“, entspricht, und in einen expliziten Gegensatz zur Rede ejn kruvptw/ gestellt wird. Aufschlussreich für die Deutung von parrhsiva/ in Joh 16,25 ist vor allem Joh 11,14 (tovte ou\n ei\pen aujtoi`" oJ ≠Ihsou`" parrhsiva/:Lavzaro" 118

In Joh 16,29 wird dies von den Jüngern aufgegriffen; sie sagen, dass Jesus jetzt in Offenheit redet und keine paroimiva spricht. 119 SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 181 meint, dass das Wort Jesu aus V.16, das Wort vom Weggang aus V.17 und das Gleichnis von der gebärenden Frau (V.21) gemeint seien. 120 In Joh 16,29 findet sich das Substantiv parrhsiva (ejn parrhsiva/).

2.6 Die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater

143

ajpevqanen). Die parrhsiva/-Rede Jesu steht hier nämlich wie in Joh 16,25 im Gegensatz zu einer Rede Jesu, deren Bedeutung die Jünger nicht verstehen: In Joh 11,11 hatte Jesus zu den Jüngern gesagt: Lavzaro" oJ fivlo" hJmw`n kekoivmhtai: ajlla; poreuvomai i{na ejxupnivsw aujtovn. Diese hatten, wie ihre Reaktion in V.12121 und der Kommentar des Evangelisten in V.13 zeigt, diese Äußerung nicht als Aussage über den Tod des Lazarus verstanden, sondern an den Schlaf gedacht.122 Die parrhsiva/-Verkündigung ist in Joh 16,25 also die klare Rede, die keiner Deutung bedarf. Jesus kündigt den Jüngern für die kommende „Stunde“ eine unmissverständliche Botschaft an. Durch das Kommen der „Stunde“ wird die Zeit in Joh 16,25 in zwei Epochen eingeteilt; in die der Offenbarung Jesu ejn paroimivai" in der Zeit vor der „Stunde“ und in die der offenen Verkündigung Jesu in der „Stunde“. Die „Stunde“ markiert in V.25 die Zäsur zwischen der Deutungsbedürftigkeit der Rede Jesu und der Klarheit des Redens Jesu; was Jesus gesagt hat, ist öffentlich bekannt; die Bedeutung seiner Offenbarung ist aber erst mit dem Kommen der „Stunde“ klar.123 Was das bedeutet, lässt sich noch etwas schärfer zuspitzen, wenn man die formale Parallelität der beiden Wendungen e[rcetai w{ra (V.25) und ejn ejkeivnh/ th/` hJmevra/ (V.26) beachtet. Dieses stilistische Detail deutet darauf hin, dass die kommende Stunde durch ejn ejkeivnh/ th/` hJmevra näher bestimmt wird. Mit dieser Wendung leitet Johannes, wie bereits gesehen, häufiger eine Aussage über die Befähigung der Jünger zur Erkenntnis und zum Verstehen ein: In Joh 14,20 assoziiert er mit „jenem Tag“ das Erkennen der Jünger und in Joh 16,23 verbindet er die Wendung „an jenem Tag“ mit einer Aussage, die auf das Verstehen der Jünger hinweist. „Jener Tag“ ist nach Joh 16,23 dadurch gekennzeichnet, dass die Jünger Jesus an ihm „nichts mehr fragen werden.“124 Ein entsprechender Sinn ist auch für Joh 16,25f. vorauszusetzen. In der „Stunde“, in der Jesus nicht mehr in deutungsbedürftigen Worten redet, sondern in Offenheit verkündigt, wird sich 121

Ei\pan ou\n oiJ maqhtai; aujtw/`: kuvrie, eij kekoivmhtai swqhvsetai. Eijrhvkei de; oJ ≠Ihsou`" peri; tou` qanavtou aujtou`, ejkei`noi de; e[doxan o{ti peri; th`" koimhvsew" tou` u{pnou levgei. Ausführlich zum Gebrauch von parrhsiva/ in Joh 11,14 und den anderen johanneischen Belegen des parrhsiva-Begriffs siehe LABAHN, parrhsiva , 321–363. 123 Vgl. HIRSCH-LUIPOLD, Klartext, 85; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 152. 124 Siehe BROWN, John II, 733 zu Joh 16,23a: „In the post-resurrectional period the disciples will come to understand what Jesus had said and done in his ministry (ii 22, xii 16, xiii 7). This understanding may have begun with the appearances of the Lord (xx 9, 24–28, xxi 4–7; cf. Luke xxiv 27), but its perfection and continuance are the work of the Paraclete (xvi 13–15).“ THEOBALD, Heilige Orte, 400 macht mit Recht darauf aufmerksam, dass „jener Tag“ im Verständnis des Evangelisten kein festes Datum ist, sondern überall dort anbricht, „wo Menschen des zu ihnen kommenden österlichen Jesus im Glauben innewerden.“ 122

144

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

daher eine grundlegende Wende für die Jünger ereignen, indem diese ihr gegenwärtiges Unverständnis ablegen werden.125 Der Schluss liegt nahe, dass Johannes bei der kommenden „Stunde“ in V.25 an den Zeitpunkt denkt, an welchem die Jünger den Geist erhalten, der sie zu einem tieferen Verstehen befähigt.126 Darauf weist auch die Formulierung parrhsiva/ peri; tou` patro;" ajpaggelw` uJmi`n in Verbindung mit dem Verb lalei`n (… oujkevti ejn paroimivai" lalhvsw uJmi`n) hin. Eine ähnliche Terminologie war bereits in Joh 16,13–15 verwendet worden. Wie in Joh 16,25 das Wirken Jesu wurde in Joh 16,13–15 mit der Kombination der Verben ajnaggevllein127 und lalei`n das Wirken des Geistes geschildert.128 Vor allem aber stehen diese beiden Texte einander durch den Rekurs auf Gott Vater nahe (Joh 16,15.25). Dabei unterscheiden sie sich nur darin, dass der Vater in Joh 16,15 als Quelle des Redens und Verkündigens des Geistes in den Blick kommt (pavnta o{sa e[cei oJ path;r ejmav ejstin: dia; tou`to ei\pon o{ti ejk tou` ejmou` lambavnei kai; ajnaggelei` uJmi`n )129, während er in Joh 16,25 Inhalt des Redens und Verkündigens Jesu in der kommenden Stunde ist (parrhsiva/ peri; tou` patro;" ajpaggelw` uJmi`n ). Grund dafür ist die verschiedene Akzentsetzung der beiden Texte, in der sich auch die unterschiedliche Rolle von Geist und Jesus spiegelt: In Joh 16,13–15 hebt Johannes hervor, dass der Geist in seinem Wirken ganz auf Jesus und den Vater bezogen ist. In Joh 16,25 streicht der Evangelist demgegenüber die aktive Rolle Jesu als Botschafter des Vaters heraus. Der johanneische Jesus kündigt damit den Jüngern, die gegenwärtig in ihrer Trauer über den Weggang Jesu und ihrem Unverständnis im Blick auf den Sinn der Verheißungen Jesu gefangen sind, in Joh 16,25 ein neues 125

Siehe D IETZFELBINGER, Abschied, 235f.; BULTMANN, Johannes, 452f.; DETTWIGegenwart, 255f.; BECKER, Johannes II, 603: „... nicht Wesen und Inhalt der Rede sind vorösterlich und nachösterlich anders, sondern gerade unter der Bedingung inhaltlicher und formaler Selbigkeit hat sich die Aufnahme der Jünger verändert. Was ihnen am Irdischen noch nicht voll erschlossen ist, wird ihnen nachösterlich verstehbar.“ 126 Vgl. THYEN, Johannesevangelium, 675: Erst der Geist wird die ganze Wahrheit erschließen. „Darum muß die kommende Stunde, da Jesus nicht mehr in Rätseln, sondern unverhüllt (parrhsiva/) von seinem Vater künden wird (V. 25), die Stunde des Geistes sein...“. Siehe auch BROWN, John II, 723: „Yet for John the full explanation did not come until the era of the Spirit“ und DERS., John II, 734: „… both 23a and 25 concern a deeper understanding of Jesus (through the Paraclete)“. 127 Die Differenz zwischen ajnaggevllein und ajpaggevllein fällt nicht ins Gewicht; beide Komposita von ajggevllein sind bedeutungsgleich, vgl. dazu B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. ajnaggevllw, Sp. 100; SCHNIEWIND, ajggeliva, ajggevllw etc., THWNT I, 61, Z.21–26; BROER, ajggevllw etc., EWNT I, Sp. 30. 128 Zur Verbindung zwischen Joh 16,25 und 16,13–15 aufgrund von ajnaggevllein bzw. ajpaggevllein siehe auch HALDIMANN, Rekonstruktion, 383; LINCOLN, John, 426. 129 Zur Erklärung siehe oben 120. LER ,

2.6 Die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater

145

Verhältnis zu Gott Vater an – in der kommenden Stunde des Geistes werden sie nicht nur ihr Unverständnis überwinden – sie werden vor allem durch das Wirken des Geistes einen bis dahin nicht möglichen Bezug zu Gott als Vater erhalten, indem sie Jesu Botschaft über den Vater verstehen. 6.2 Das Gebet der Jünger zum Vater und die Liebe des Vaters zu den Jüngern (Joh 16,26f.) In Joh 16,26f. hebt der johanneische Jesus zwei weitere Aspekte des neuen Verhältnisses zwischen den Jüngern und dem Vater hervor. Zum einen knüpft er mit dem Gedanken, dass die Jünger in seinem Namen (den Vater) bitten werden, an Joh 16,23f. an: Wie schon in V.23b–24 findet auch in V.25f. das umfassende Verstehen der göttlichen Offenbarung seinen Ausdruck im Gebet.130 In V.26 thematisiert Johannes das Gebet der Jünger allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt der sicheren Erhörung, sondern der eigenen Beziehung der Jünger zum Vater. Außerdem bringt er den Gedanken nicht in Form eines Konditionalsatzes (Eventualis) wie in V.23b oder einer Aufforderung wie in V.24 zum Ausdruck, sondern als These. Zum anderen nennt er in V.27 wie schon in Joh 14,21.23 die Liebe des Vaters zu den Jüngern als Grund für deren Verhältnis zu Gott als Vater: 26 ejn ejkeivnh/ th/` hJmevra ejn tw/` ojnovmativ mou aijthvsesqe. Kai; ouj levgw uJmi`n o{ti ejgw; ejrwthvsw to;n patevra peri; uJmw`n: 27` aujto;" ga;r oJ path;r filei` uJma`", o{ti uJmei`" ejme; pefilhvkate kai; pepisteuvkate o{ti ejgw; para; qeou` ejxh`lqon.

26 An jenem Tag werdet ihr in meinem Namen bitten. Und ich sage euch nicht: Ich werde den Vater für euch bitten.131 27 Denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt und geglaubt habt, dass ich von Gott ausgegangen bin.

Während die Lage der Jünger vor „jenem Tag“, der in Joh 16,26 ins Auge gefasst wird, dadurch gekennzeichnet ist, dass Jesus für sie beim Vater eintritt, wie es anschließend im „hohepriesterlichen Gebet“ in Joh 17 berichtet wird, werden sie sich an „jenem Tag“ selbst im Namen Jesu an den Vater wenden. Auffallend ist die daran anschließende Äußerung Jesu kai; ouj levgw uJmi`n o{ti ejgw; ejrwthvsw to;n patevra peri; uJmw`n. Die einleitende Formulierung kai; ouj levgw uJmi`n o{ti scheint zu signalisieren, dass das Folgende im Gegensatz zu dem steht, was die Hörer nach der Auffassung Jesu zu 130

Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 152. Johannes bezeichnet das Bitten Jesu beim Vater mit ejr wta`n, vgl. außer Joh 16,26 auch 14,16; 17,9.15.20. Siehe dazu SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 183 Anm. 56. 131

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Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

hören erwarten.132 Sucht man nach johanneischen Belegen für ein ejrwta`n Jesu gegenüber dem Vater, stößt man auf Joh 14,16 und 17,9.15.20, wobei nach der narrativen Logik in Joh 16,26 nur das vorausgegangene Joh 14,16 intendiert sein kann. Dort hatte Jesus explizit davon gesprochen, dass er den Vater um den Geist für die Jünger „bitten“ werde (kajgw; ejrwthvsw to;n patevra). Darf man in kai; ouj levgw uJmi`n o{ti ejgw; ejrwthvsw to;n patevra peri; uJmw`n aus Joh 16,26 einen indirekten Hinweis auf dieses frühere Bitten Jesu sehen, setzt sich Jesus jetzt davon ab: Im Unterschied zu Joh 14,16 sagt er nun nicht, dass er den Vater für die Jünger bitten wird ‒ die Jünger brauchen nach der Erhöhung Jesu die vermittelnde Bitte des irdischen Jesus nicht mehr, sondern bitten „in seinem Namen“.133 Begründet wird diese gegenüber Joh 14,16 veränderte Aussage nicht mehr mit dem Gedanken, dass sie ja, wie bei der Auslegung von Joh 16,25 gezeigt wurde, an jenem Tag im Besitz des Geistes sein werden, sondern mit der Versicherung „denn der Vater selbst liebt euch“ (Joh 16,27). Diese Aussage über die Liebe des Vaters zu den Jüngern ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Eine entsprechende Äußerung findet sich im Johannesevangelium nur noch in Joh 14,21.23; in V.21 in passivischer (oJ de; ajgapw`n me ajgaphqhvsetai uJpo; tou` patrov" mou) und in V.23 in aktiver Formulierung (oJ pathvr mou ajgaphvsei aujtovn). Signifikant sind dabei aber die Modifikationen in Joh 16,27 gegenüber Joh 14,21.23: Zum einen ist die Liebe des Vaters in Joh 14,21.23 jeweils an die Bedingung der Liebe zu Jesus geknüpft, was in V.21 durch die partizipiale Wendung oJ de; ajgapw`n me und in V.23 durch den Konditionalsatz ejavn ti" ajgapa`/ me zum Ausdruck gebracht wird. Die Liebe des Vaters gilt dem, der Jesus liebt. Joh 16,27 ist hingegen als These formuliert; auch wird die Liebe des Vaters hier im Unterschied zu Joh 14,21.23 konkret den Jüngern zugesagt (aujto;" ga;r oJ path;r filei` uJma`" ). Zum anderen sind die beiden johanneischen Aussagen über die Liebe des Vaters zu den Jüngern in Joh 14,21 und 23 jeweils im Futur gehalten, bringen also zum Ausdruck, dass die Liebe des Vaters noch nicht Realität, sondern in der Abschiedssituation auf der Ebene der erzählten Zeit Zukunftsverheißung ist. In Joh 16,27 spricht Jesus dagegen im Präsens von der Liebe des Vaters zu den Jüngern.

132

Vgl. auch HALDIMANN, Rekonstruktion, 384: „Jesus thematisiert damit unmittelbar die kommunikative Ebene selbst, indem er einen offenbar erwartbaren, naheliegenden Sprechakt bewusst ‚zurücknimmt‘, d.h. ihn zunächst (im logischen Sinne) hypothetisch setzt, um ihm dann seine Geltung zu entziehen.“ 133 Nach Theobalds Auffassung will der Autor mit der Wendung kai; ouj levgw uJmi`n o{ti ejgw; ejrwthvsw to;n patevra peri; uJmw`n die Ansage erläutern, dass die Jünger in Jesu Namen bitten werden; der österliche Christus tritt nicht „zwischen Gott und die Jünger“; er nimmt sie „vielmehr in eine neue Unmittelbarkeit zu Gott“ hinein; siehe THEOBALD, Herrenworte, 170.

2.6 Die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater

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Diese gegenüber Joh 14,21.23 anderen Akzente erklären sich vor dem Hintergrund der veränderten Ausgangssituation in Joh 16,4b–33. Das Präsens „der Vater liebt euch“ lässt hinter der fiktiven Situation des Abschieds Jesu von den Jüngern vor seinem Tod die Gegenwart der Leser des Evangeliums sichtbar werden.134 Angesichts ihrer Trauer und ihres Unverständnisses im Blick auf den Sinn der Verheißungen Jesu steht jetzt nicht wie in Joh 14,21.23 das parainetische Moment im Vordergrund, sondern der Trost: Die Liebe des Vaters zu den Jüngern ist, so der johanneische Jesus, bereits Wirklichkeit; sie bestimmt schon jetzt qualitativ die Beziehung zwischen Gott und den Jüngern. Sie ist das Fundament für das neue Verhältnis der Jünger zu Jesus, welches sich darin äußert, dass sie seine Botschaft über den Vater verstehen und den Vater in seinem Namen bitten. Diese veränderte Beziehung zu Jesus nach seiner Erhöhung ist wiederum Grundlage für die neue Unmittelbarkeit der Jünger zu Gott als Vater – der österliche Christus tritt, wie gesagt, nicht „zwischen Gott und die Jünger“135; sie treten vielmehr selbst zu Gott als Vater in Verbindung und der Vater zu ihnen. 6.3 Die Liebe der Jünger zu Jesus und ihr Glaube an seine Herkunft als Kennzeichen ihrer Gotteskindschaft Ebenso überraschend wie bei der Äußerung aujto;" ga;r oJ path;r filei` uJma`" ist die Tempusverwendung in der darauf folgenden Begründung o{ti uJmei`" ejme; pefilhvkate kai; pepisteuvkate o{ti ejgw; para; qeou` ejxh`lqon. Die Formulierung im Perfekt deutet darauf hin, dass auch die Liebe der Jünger zu Jesus und ihr Glaube daran, dass Jesus von Gott ausgegangen ist, aus der Perspektive des nachösterlichen Autors bereits realisiert sind. Hier wird rückblickend von seinem Standpunkt aus die Liebe der Jünger zu Jesus und ihr Glaube an Jesu Herkunft von Gott her festgestellt, wobei beides in der Vergangenheit angefangen hat und bis in die Gegenwart der Leser des Evangeliums fortbesteht. Was bedeutet die Liebe der Jünger zu Jesus und ihr Glaube, dass er von Gott ausgegangen ist? Sowohl die Liebe zu Jesus als auch die Einsicht, dass Jesus von Gott ausgegangen ist, spielen in der Diskussion um die Kriterien für die Zugehörigkeit zu den Kindern Gottes in Joh 8,41b–47 eine wesentliche Rolle. In Joh 8,42 erwidert der johanneische Jesus auf die Äu134

Siehe dazu HOEGEN-ROHLS, Johannes, 199: Das Präsens in Joh 16,27a zeigt, dass sich ein Perspektivenwechsel vollzogen hat. „Was als Ankündigung zu erwarten gewesen wäre ..., wird als realisierte Situation vor Augen gestellt... Die nachösterliche, dem Wirken des Geistes zu verdankende Realität – in diesem Falle: die unmittelbare Beziehung der Liebe zwischen dem Vater und den Jüngern – ist in die vorösterliche Szene der Abschiedssituation hineinprojiziert.“ 135 T HEOBALD, Herrenworte, 170.

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Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

ßerung seiner Gesprächspartner „wir haben einen Vater, nämlich Gott“ (V.41): eij oJ qeo;" path;r uJmw`n h\n hjgapa`te a[n ejmev, ejgw; ga;r ejk tou` qeou` ejxh`lqon kai; h{kw („Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben, denn ich bin von Gott ausgegangen und komme [von ihm her].“). Während die Gesprächspartner Jesu Gott aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Gottesvolk als ihren Vater betrachten, ist es aus johanneischer Sicht die Haltung zu Jesus, welche Menschen als Kinder Gottes ausweist. Nach V.42 ist das die Liebe zu Jesus aufgrund der Tatsache, dass er von Gott her kommt.136 Was das konkret heißt, lässt sich indirekt den mit dia; tiv eingeleiteten Aussagen aus Joh 8,41b–47 über die Gesprächspartner Jesu entnehmen, die Jesus nicht lieben: Sie können das Wort Jesu nicht hören (V.43) und glauben Jesus nicht (V.46). Von dem, der Jesus liebt, gilt entsprechend, dass er Jesu Wort hören kann und Jesus glaubt. Entscheidend ist dabei, dass Joh 8,42 im Irrealis formuliert ist; in der Auseinandersetzung Jesu mit seinen Kontrahenten („den Juden“) hebt der johanneische Jesus hervor, dass diese ihn nicht lieben und daher keine Kinder Gottes sind.137 Anders verhält es sich mit dem johanneischen Urteil über die Liebe der Jünger zu Jesus, die in den Abschiedsreden explizit thematisiert wird. Dabei ist wichtig, dass die Liebe der Jünger zu Jesus in Joh 14 nie als eine bestehende Realität, sondern nur als eine Möglichkeit vorausgesetzt ist: In Joh 14,15 wird sie als Bedingung genannt (eja;n ajgapa`tev me, ta;" ejntola;" ta;" ejma;" thrhvsete), ebenso in 14,23 (ejavn ti" ajgapa/` me ...). Durch die Partizipialkonstruktion in 14,21 (oJ e[cwn ta;" ejntolav" mou ... ejkei`nov" ejstin oJ ajgapw`n me: oJ de; ajgapw`n me ...) wird ein „Vorbehalt“ zum Ausdruck gebracht; auch werden so nicht nur die Jünger als Personenkreis anvisiert. In 14,28 ist von der Liebe der Jünger zu Jesus im Irrealis die Rede (eij hjgapa`tev me ejcavrhte a]n o{ti poreuvomai pro;" to;n patevra, o{ti oJ path;r meivzwn mouv ejstin). Als Wirklichkeit thematisiert Johannes sie nur in Joh 16,27.138 Neben der Liebe der Jünger zu Jesus erscheint in Joh 16,27 auch das zweite Element, welches nach Joh 8,42 die Kinder Gottes auszeichnet: der Glaube, dass Jesus von Gott ausgegangen ist. Während Jesus sein uJpavgein (Joh 13,33.36; 14,4.28; 16,5.10), sein ajpevrcesqai (Joh 16,7) und poreuvesqai (Joh 14,2f.12.28; 16,7.28) in den Abschiedsreden immer wie136

Vgl. T HEOBALD, Abraham, 304, der zu Joh 8,42 bemerkt, dass Johannes die Gotteskindschaft strikt an der Stellung zu Jesus misst. 137 T HEOBALD, Abraham, 304 verweist hier auf das „Entweder-Oder“ zwischen Gotteskindschaft und Teufelskindschaft in Joh 8,41–47. 138 In Joh 21,15–17 wird die Frage der Liebe zu Jesus in dem kurzen Dialog zwischen Jesus und Petrus erörtert. Durch die wiederholte Frage Jesu an Petrus, ob er ihn liebe, wird auch hier deutlich, dass die Liebe des Petrus zu Jesus nicht als bestehende Realität vorausgesetzt wird.

2.7 Die gegenwärtige Distanz der Jünger zum Vater

149

der erwähnt, thematisiert er sein „Ausgehen“ von Gott (ejxevrcesqai parav bzw. ajpo; qeou`) vor Joh 16,27 nicht vor den Jüngern. Im erzählerischen Rahmen der Abschiedsreden ist freilich gleich zu Beginn davon ausdrücklich die Rede. In Joh 13,3 bemerkt der Erzähler nämlich über Jesus: eijdw;" o{ti pavnta e[dwken aujtw/` oJ path;r eij" ta;" cei`ra" kai; o{ti ajpo; qeou` ejxh`lqen kai; pro;" to;n qeo;n uJpavgei. Auf der narrativen Ebene wird damit deutlich, dass das Wissen um Jesu „Ausgehen“ aus Gott in diesem Stadium der Erzählung (außer dem Erzähler) ausschließlich Jesus vorbehalten ist. Die nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums teilen dieses Wissen mit Jesus, während die Jünger der Erzählung vor Joh 16,27f. nichts von dem „Ausgehen“ Jesu aus Gott wissen. In Joh 16,27 wird dieser Gedanke wieder aufgegriffen ‒ in Form des Rückblicks, der die Perspektive nachösterlichen Verstehens voraussetzt. Johannes spricht hier explizit von der Liebe der Jünger zu Jesus und ihrem Glauben an Jesu „Ausgehen“ von Gott als bestehender Wirklichkeit. Den Lesern seines Evangeliums spricht er damit die Liebe zu Jesus und den Glauben an Jesu Herkunft von Gott bereits jetzt zu. Mit dem neuen Verhältnis zu Jesus sind sie nach Joh 16,27 im Besitz zweier wesentlicher Attribute, welche die Kinder Gottes auszeichnen, ohne dass der johanneische Jesus allerdings Gott hier als ihren Vater bezeichnen würde. In V.28 zieht Jesus ein Resümee, das auf den gesamten Komplex der Abschiedsreden zurückschaut und seinen ganzen Weg noch einmal nachgezeichnet; sein Ausgehen vom Vater, sein Kommen in die Welt, sein Verlassen der Welt und seine Rückkehr zum Vater (ejxh`lqon para; tou` patro;" kai; ejlhvluqa eij" to;n kovsmon: pavlin ajfivhmi to;n kovsmon kai; poreuvomai pro;" to;n patevra).139 Am Ende von Joh 16,4b–33 und am Schluss des gesamten Redekomplexes Joh 13,31–16,33 wird den Jüngern daher noch einmal deutlich gemacht, dass sie als Menschen, die Jesus geliebt und an seine Herkunft von Gott geglaubt haben, in einer neuen Beziehung zu Gott Vater stehen, der Ursprung und Ziel des Weges Jesu ist.

7. Die Reaktion der Jünger und ihre Deutung durch Jesus: Die gegenwärtige Distanz der Jünger zum Vater (Joh 16,29–33) 2.7 Die gegenwärtige Distanz der Jünger zum Vater

Im Anschluss an V.25–28, wo Jesus den Jüngern für die kommende Stunde ihres Verstehens eine neue Beziehung zwischen ihnen, ihm selbst und Gott als Vater angekündigt hatte, melden sich in V.29f. die Jünger zu Wort. Ihre

139

Es ist bezeichnend, dass hier vom „Vater“ und nicht von „Gott“ die Rede ist; der Akzent liegt auf dem Verhältnis Jesu zu Gott unter dem Aspekt ihrer spezifischen Differenz; Jesus ist der Sohn des Vaters.

150

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

Reaktion am Ende der Rede zeigt, dass sie sich schon jetzt als Verstehende begreifen: 29 i[de nu`n ejn parrhsiva/ lalei`" kai; paroimivan oujdemivan levgei". 30 nu`n oi[damen o{ti oi\da" pavnta kai; ouj creivan e[cei" i{na tiv" se ejrwta/`: ejn touvtw/ pisteuvomen o{ti ajpo; qeou` ejxh`lqe".

29 Siehe, jetzt redest du in Offenheit und keine deutungsbedürftige Rede. 30 Jetzt wissen wir, dass du alles weißt und nicht dessen bedarfst, dass einer dich fragt. Darum glauben wir, dass du von Gott ausgegangen bist.

Die Bemerkung der Jünger in V.29 ist formal parallel zu V.25a formuliert (tau`ta ejn paroimivai" lelavlhka uJmi`n); die Jünger nehmen hier Bezug auf die dort geäußerten Worte Jesu. Zugleich wandeln sie sie charakteristisch ab: Ihr Blick ist in ihrer Reaktion ganz auf die Gegenwart gerichtet (nu`n); sie ignorieren das Futur, mit welchem Jesus in V.25 die Zukünftigkeit seiner parrhsivaó-Verkündigung zum Ausdruck gebracht hatte (… oujkevti ejn paroimivai" lalhvsw uJmi`n, ajlla; parrhsiva/ … ajpaggelw` uJmi`n). Auch übergehen sie den Inhalt der parrhsiva/-Verkündigung Jesu, den dieser in V.25 mit peri; tou` patrov" hervorgehoben hatte. Der Evangelist deutet den Lesern auf diese Weise bereits indirekt an, dass die Jünger keineswegs die Verstehenden sind, als die sie sich selbst sehen.140 Auch in V.30 äußern die Jünger mit nu`n oi[damen unmissverständlich ihre Glaubensgewissheit. Als Inhalt ihres Glaubenswissens (nu`n oi[damen, pisteuvomen) nennen sie die Allwissenheit Jesu. Mit der Bemerkung ouj creivan e[cei" i{na tiv" se ejrwta/` beziehen sie sich auf V.19 zurück (e[gnw ≠Ihsou`" o{ti h[qelon aujto;n ejrwta`n): Sie müssen Jesus ihre Fragen nicht stellen, weil er sie bereits kennt, bevor die Jünger sie ausgesprochen haben.141 Die Allwissenheit Jesu ist, so die Jünger in V.30b, Grund dafür, dass sie an Jesu „Ausgehen“ aus Gott und seine Identität als Offenbarer Gottes glauben.142 In V.31 wird die Glaubensgewissheit der Jünger mit einer ironischen Entgegnung des johanneischen Jesus radikal in Frage gestellt:

140

Vgl. z.B. auch WENGST, Johannesevangelium II, 169. Zum wunderbaren Vorherwissen Jesu siehe z.B. auch Joh 1,47–49; 2,24f.; 4,16– 19. Jesus wird damit eine Fähigkeit zuerkannt, die im Alten Testament und im antiken Judentum Gott auszeichnet (siehe z.B. Ps 139,1f.4; 1 Sam 16,7; Sir 42,18.20; 1 QS IV,25; 1 QH I,7.23f.; Jos Ant VI,230; Mt 6,8). 142 Das Fehlen der zweiten Hälfte des Jesuswortes aus Joh 16,28 (poreuvomai pro;" to;n patevra) in der Äußerung der Jünger kann man vielleicht als einen Hinweis des Evangelisten an seine Leser interpretieren, der signalisiert, dass den Jüngern der Sinn des Weggangs Jesu nach wie vor verschlossen ist. 141

2.7 Die gegenwärtige Distanz der Jünger zum Vater

151

31 ajpekrivqh aujtoi`" ≠Ihsou`": a[rti 31 Jesus antwortete ihnen: „Jetzt pisteuvete; glaubt ihr?“143 Mit der darauf folgenden, in Anlehnung an Sach 13,7 formulierten Weissagung macht der johanneische Jesus deutlich, worin die Problematik der Glaubensgewissheit der Jünger besteht: 32 ijdou; e[rcetai w{ra kai; ejlhvluqen i{na144 skorpisqh`te e{kasto" eij" ta; i[dia kajme; movnon ajfh`te: kai; oujk eijmi; movno", o{ti oJ path;r met≠ ejmou` ejstin.

32 Siehe, es kommt die Stunde, und sie ist gekommen, dass ihr jeder in sein Eigenes zerstreut werdet und mich allein lasst. Und doch145 bin ich nicht allein, weil der Vater mit mir [zusammen] ist.

Dass Jesus die Jünger jetzt – im Gegensatz zu seiner ebenfalls mit e[rcetai w{ra eingeleiteten Ankündigung aus V.25, – mit ihrer Zerstreuung in der kommenden Stunde konfrontiert, ist von Bedeutung für die hier gestellte Frage nach dem Verhältnis zwischen ihnen und Gott Vater: Das ergibt sich aus der Ansage ihres Rückzugs in die Herkunftsfamilien (skorpisqh`te e{kasto" eij" ta; i[dia) in Verbindung damit, dass sie Jesus allein lassen (kajme; movnon ajfh`te). Der Kontrast zwischen der Gemeinschaft mit der Herkunftsfamilie und der Gemeinschaft mit Jesus ist zum Verständnis der Ankündigung in V.32 entscheidend: Mit der Rückkehr eij" ta; i[dia geben die Jünger die Zugehörigkeit zu Jesus auf.146 Dass sie damit auch die Beziehung zu Gott Vater aufs Spiel setzen, wird mit der Formulierung kai; oujk eijmi; movno", o{ti oJ path;r met≠ ejmou` ejstin angedeutet, welche die unauflösliche Zusammengehörigkeit Jesu mit dem Vater hervorhebt, die auch durch den Tod Jesu nicht in Zweifel gezogen wird.147 In Joh 8,16 und 143

Hier ist nicht eindeutig, ob es sich um eine Frage oder eine Aussage handelt; siehe BDR §440 Anm. 1. Die Entgegnung Jesu in V.31 erinnert allerdings an seine Gegenfrage an Petrus in Joh 13,38, vgl. z.B. BROWN, John II, 726; W ILCKENS, Johannes, 256. Das legt nahe, dass es sich z.B. mit B ROWN, John II, 726 um eine Frage handelt. 144 In Joh 4,21.23; 5,25; 16,25 steht nach e[rcetai w{ra o{te. Zu e[rcetai w{ra mit i{na im Johannesevangelium siehe auch Joh 12,23; 13,1; 16,2. Nach BDR §382 Anm. 2 kann in diesen Fällen wie bei den Relativsätzen der Infinitiv eintreten und für diesen wieder i{na mit Konjunktiv. Siehe auch BDR §393 Anm. 5. 145 Zu dieser Übersetzung von kaiv siehe BDR §442.1b mit Anm. 4. Es handelt sich hier wie z.B. in Joh 1,10f.; 3,11.19.32 um ein kaiv adversativum. Vgl. auch B ULTMANN, Johannes, 28 Anm. 3 zu Joh 1,5. 146 Zum „familienmetaphorisch relevanten“ Kontrast zwischen der Gemeinschaft mit der Herkunftsfamilie und der Zugehörigkeit zu Jesus in Joh 16,32 vgl. SCHOLTISSEK, In ihm sein, 236: „Gemeinschaft mit Jesus und Gemeinschaft mit der Herkunftsfamilie werden hier in der Stunde der Auslieferung Jesu wirkungsvoll gegeneinander gestellt.“ 147 D IETZFELBINGER, Abschied, 239 vermutet, dass Johannes sich mit dieser Aussage von Mk 15,34 distanziert; nach B ARRETT, Johannes, 483 bekämpft Jesus hier ein Missverständnis von Mk 15,34. Lässt man die strittige Frage des Verhältnisses zwischen Jo-

152

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

29 hatte der johanneische Jesus diese Verbundenheit mit dem Vater bereits gegenüber den Pharisäern bzw. gegenüber „den Juden“ mit derselben Wendung zum Ausdruck gebracht. Den Jüngern wird daher in Joh 16,32 angekündigt, dass sie mit dem Rückzug eij" ta; i[dia nicht nur ihre Zugehörigkeit zu Jesus und ihre Verbindung untereinander aufgeben, sondern auch die Gemeinschaft mit dem Vater preisgeben und sich dadurch selbst in Distanz zu Gott Vater bringen werden. Ein Beispiel für die Distanzierung der Jünger von Jesus kann man mit Thyen in der Joh 18,15–27 geschilderten Verleugnung des Petrus und der Abwesenheit der Jünger – außer dem geliebten Jünger – unter dem Kreuz sehen.148 Von einer Jüngerflucht wie in Mk 14,50 par. Mt 26,56 ist bei Johannes keine Rede; vielmehr tritt Jesus in Joh 18,8 denen, die ihn gefangennehmen wollen, mit der Forderung entgegen, die Jünger gehen zu lassen (eij ou\n ejme; zhtei`te, a[fete touvtou" uJpavgein). Mit Recht macht Wengst aber darauf aufmerksam, dass Jesus auch hier wie in Joh 16,32 allein zurückbleibt und die Jünger weggehen.149 Wie beim Weggang Jesu in Joh 13,31–14,31 und 16,4b– 33 wird auch hier mit dem Verb uJpavgein die Trennung zwischen Jesus und den Jüngern hervorgehoben,150 wobei sich in diesem Fall die Jünger von Jesus entfernen. Auf der textpragmatischen Ebene mag der mit den Worten kajme; movnon ajfh`te noch unterstrichene Jüngerrückzug aus Joh 16,32 das Problem des Abfalls unter den Anhängern Jesu reflektieren, wie er etwa in Joh 6,66 thematisiert wird.151 Den Lesern des Johannesevangeliums wird jedenfalls mit dem Wortwechsel zwischen den Jüngern und Jesus am Ende der Rede Joh 16,4b–33 eindrücklich vor Augen geführt, dass sich diejenigen, die sich von Jesus entfernen, gleichzeitig von Gott Vater distanzieren. Der drohenden Aufgabe ihrer Gemeinschaft mit Jesus und Gott Vater stellt der johanneische Jesus abschließend in V.33 den tröstenden Zuspruch entgegen, dass die Jünger in der Bedrückung durch die Welt „in ihm“ Frieden haben.

hannes und den Synoptikern offen, ist festzuhalten, dass die in Mk 15,34 artikulierte Gottverlassenheit Jesu im Widerspruch zur johanneischen Deutung der Beziehung zwischen Vater und Sohn steht. 148 Vgl. THYEN, Johannesevangelium, 676. 149 Vgl. WENGST, Johannesevangelium II, 170. 150 Siehe oben 112. 151 Auch in Joh 6,66f. wird mit ajpevrcesqai (V.66) und uJpavgein (V.67) die Terminologie gebraucht, welche auch für den Weggang Jesu verwendet wird (uJpavgein in Joh 13,33.36; 14,4.28; 16,5.10; ajpevrcesqai in 16,7) und die Trennung der Jünger von ihm bezeichnet.

2.8 Ergebnis

153

8. Ergebnis 2.8 Ergebnis

Die Analyse der Textpassage Joh 16,4b–33 hat gezeigt, dass die Ausgangsproblematik der Rede Jesu hier einerseits wie in Joh 13,31–14,31 maßgeblich durch den Weggang Jesu geprägt ist, andererseits aber einen anderen Charakter als in der ersten Abschiedsrede hat. Während sie in Joh 13,31–14,31 in der Gottesferne bestand, die den Jüngern mit der Trennung von Jesus droht und welche sie von sich aus nicht aufheben können (Joh 13,33.36), wird in Joh 16,4b–33 sowohl bei der Bestimmung der Ausgangssituation der Jünger als auch in den Antworten Jesu darauf ein anderer Akzent gesetzt: Nach Joh 16,4b–7 ist das Ausgangsproblem die Niedergeschlagenheit der Jünger (V.6), die eine Reaktion auf den Tod bzw. den Weggang Jesu darstellt, wobei auch ein Bezug auf den in Joh 16,2 angedeuteten Tod von Jesusanhängern nicht ausgeschlossen ist. Wesentlich ist dabei vor allem, dass diese Niedergeschlagenheit der Jünger in einer Krise des Verstehens begründet ist; aus V.7 geht nämlich hervor, dass die Jünger die Bedeutung des Weggangs Jesu nicht begreifen. Auf dieses Problem geht Jesus in der ganzen Rede Joh 16,4b–33 ein, welche mit V.4b–15 und V.16–33 in zwei Abschnitte gegliedert ist: Im ersten Teil der Rede in Joh 16,4b–15 antwortet Jesus auf die durch die Verstehenskrise der Jünger bestimmte Ausgangsproblematik mit der Geistverheißung (Joh 16,8–15). Durch seinen Weggang wird das Kommen des Geistes möglich, der die „Welt“ überführen (V.8–11) und die Jünger in die „ganze Wahrheit“ leiten wird (V.13). Während der Geist in der ersten Abschiedsrede entsprechend der dort vorausgesetzten Ausgangslage durch sein „Mitsein“ mit den Jüngern die Trennung der Jünger von Jesus auffängt (Joh 14,16f.) und mit seinem Lehren und Erinnern an die Worte Jesu für die Vergegenwärtigung des irdischen Jesus und seiner Worte nach dessen Abschied sorgt (Joh 14,26), übernimmt er in Joh 16,12–15 eine andere Rolle: Hier wird er den Jüngern bzw. den nach Ostern lebenden Christen, welchen die Bedeutung des Weggangs Jesu fraglich ist, in dieser Verstehenskrise beistehen, die durch die Verheißungen der ersten Abschiedsrede für die Jünger bzw. die Leser des Evangeliums nicht gelöst ist. Entsprechend vollzieht sich seine Tätigkeit nicht wie in der ersten Rede in der rückblickenden Erinnerung an die Worte des irdischen Jesus, sondern in einer Verkündigung, die auf die Gegenwart und die Zukunft der johanneischen Gemeinde ausgerichtet ist. Indem der Geist die Jünger „in die ganze Wahrheit“ führen wird (V.13), setzt er das Wirken Jesu gegenüber den Jüngern fort; zugleich aber ist auch hier wieder, wie in der ersten Abschiedsrede, eine Steigerung gegenüber dem Wirken des irdischen Jesus sichtbar. Das im Adjektiv pa`sa zum Ausdruck gebrachte qualitative „Mehr“ besteht darin, dass der Geist den Jüngern mitteilt, was er von Jesus

154

Kapitel 2: Die Jünger und Gott Vater in Joh 16,4b–33

und über diesen vom Vater als Botschaft empfängt. In seiner Offenbarung spricht also nach dem Weggang Jesu der Vater selbst zu den Jüngern; nach dem Abschied Jesu ermöglicht daher der Geist eine Beziehung zwischen den Jüngern und Gott Vater (V.12–15). Auch im zweiten Teil der Rede in Joh 16,16–33 geht Jesus auf das in V.4b–7 thematisierte Ausgangsproblem ein. In der Verheißung Jesu in Joh 16,16 und dem anschließenden Rätseln der Jünger (V.17f.) wird das, was in V.4b–7 angedeutet wurde, vertieft und um einen weiteren Aspekt ergänzt: Die Jünger begreifen den Sinn der Ankündigungen Jesu nicht; vor allem verstehen sie nicht die Bedeutung seiner Äußerung, dass sie ihn sehen werden (o[yesqev me V.16). Sowohl in mikro;n kai; oujkevti qewrei`tev me (V.16a) als auch im Rätseln der Jünger über den Sinn der Äußerung Jesu aus V.16 spiegelt sich in textpragmatischer Hinsicht ein aktuelles Problem der nach Ostern lebenden Christen: Entgegen den Verheißungen o[yesqev me (Joh 16,16) und uJmei`" de; qewrei`tev me (Joh 14,19) ist Jesus für die nach Ostern lebenden Christen nicht sichtbar. Auf dieser Problematik, die auch in der ersten Abschiedsrede vorausgesetzt ist, liegt in Joh 16,4b–33 ein besonderes Gewicht. Sie wird explizit hervorgehoben, indem die Jünger auf Jesu Ankündigung o[yesqev me verständnislos reagieren (V.17f.). Neben den Schwierigkeiten, welche die nachösterliche Generation mit der Bedeutung dieser Zusage hat, zeigt sich im Rätseln der Jünger auch deren deutliche Distanz zu Jesus und der Christusbotschaft, die dadurch noch verschärft wird, dass die Jünger nach V.17f. mit ihrer Ratlosigkeit unter sich bleiben und Jesus nicht direkt fragen. Während in Joh 13,31–14,31 in Form der christologischen Erörterung dargelegt wurde, dass den Jüngern mit dem Weggang Jesu gerade keine Gottesferne droht, sondern es mit der Gabe des Geistes und dem erneuten Kommen Jesu vielmehr zu einem neuen Verhältnis zwischen ihnen und Jesus selbst sowie Gott als Vater kommen wird, haben die Antworten Jesu auf die Verstehenskrise und die dadurch ausgelöste Trauer der Jünger in Joh 16,4b–33 deshalb eher den Charakter von Trostworten: In Joh 16,20–24 verheißt Jesus den Jüngern eine neue Beziehung zwischen ihnen und ihm selbst und Gott als Vater. Diese wird nach dem großen Wandel möglich, der sie zu umfassendem Verstehen befähigt (V.23a). Die Schwierigkeit der nach Ostern lebenden Christen mit der Zusage aus V.16 nimmt Jesus mit der überraschenden Umkehrung von o[yesqev me (V.16) in pavlin de; o[yomai uJma`" (V.22) auf: Die jetzige Distanz der Jünger zu Jesus wird aufgehoben werden, indem Jesus selbst die Initiative ergreift, die Jünger erneut „sieht“ und so den Wandel vom Unverständnis zum Verstehen und von der Trauer zu bleibender Freude herbeiführen wird. Beispiele für ein entsprechendes früheres „Sehen“ Jesu wurden z.B. in Joh 1,47f.; 9,1 (verbunden mit einem Wandel zum Verstehen in Joh

2.8 Ergebnis

155

1,49; 9,38) oder 11,33 (verbunden mit der Aufhebung der Trauer) berichtet. Konsequenz des Verstehens der Jünger wird die neue Beziehung zwischen ihnen und Jesus und Gott Vater sein, die sich darin konkretisiert, dass sie im Namen Jesu zum Vater beten und ihre Bitten vom Vater erhört werden (V.23b.24). In Joh 16,25–28 wird der in V.20–24 skizzierte Wandel der Jüngersituation weiter entfaltet und seine Bedeutung im Blick auf das neue Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott erläutert: Die Jünger werden in der kommenden Stunde des Geistes ihr gegenwärtiges Unverständnis überwinden und Jesu Botschaft über den Vater verstehen (V.25). Als Folge dieses Verstehens können sie sich – wie bereits in V.23b–24 festgehalten – selbst im Namen Jesu an den Vater wenden (V.26). Die Begründung dieser Verheißung mit der Liebe des Vaters, welche das Verhältnis Gottes zu den Jüngern schon jetzt qualitativ bestimmt (V.27), ist ein Höhepunkt der Antworten Jesu auf das Ausgangsproblem von Joh 16,4b–33. Mit der Liebe zu Jesus und dem Glauben an seine Herkunft aus Gott werden den Jüngern außerdem jetzt schon zwei Attribute zugesprochen, die sie, wie Joh 8,42 zeigt, indirekt als Kinder Gottes kennzeichnen, freilich ohne dass Gott hier schon ihr Vater genannt wird. Wie nach Joh 13,31–14,31 sind die Jünger allerdings auch nach Joh 16,4b–33 in der erzählten Situation noch nicht in der Lage, die Bedeutung dessen, was Jesus ihnen ankündigt, zu verstehen, auch wenn sie selbst in ihrer Reaktion auf die Rede Jesu ihre Glaubensgewissheit kundtun (V.29f.). In V.31f. stellt Jesus diese Glaubensgewissheit nämlich radikal in Frage. Die Zerstreuung, die er den Jüngern ankündigt, kulminiert darin, dass die Jünger Jesus allein lassen. Dies hat Folgen für ihre Beziehung zu Gott als Vater, weil dieser nach V.32 mit Jesus [zusammen] ist (oujk eijmi; movno", o{ti oJ path;r met≠ ejmou` ejstin). Mit der Zerstreuung der Jünger ist also die Konsequenz verbunden, dass diese nicht nur die Gemeinschaft mit Jesus und ihre Verbindung untereinander aufgeben, sondern sich damit auch selbst in Distanz zum Vater begeben. Dieser drohenden Selbstdistanzierung der Jünger von Gott Vater begegnet Jesus mit dem Trostwort in V.33, welches den gesamten Komplex der Abschiedsreden seit Joh 13,31 beschließt, dass die Jünger mitten in der Bedrückung durch die Welt Frieden in ihm haben.

Kapitel 3

Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18 In Joh 20,17 wird Gott zum ersten Mal im Johannesevangelium ausdrücklich „Vater“ der Jünger genannt. Zuvor lag das Gewicht auf der Rede von Gott als dem Vater Jesu. Im Folgenden wird zunächst der inhaltliche Kontext nachgezeichnet, in welchen die Rede Jesu von Gott als dem Vater der Jünger aus Joh 20,17 eingebettet ist, um anschließend nach der Bedeutung der Ankündigung Jesu in diesem Vers zu fragen.

1. Das Ausgangsproblem: Das Unverständnis der Maria angesichts der Abwesenheit Jesu (Joh 20,11–13) 3.1 Das Unverständnis der Maria angesichts der Abwesenheit

Der Bericht von Marias Entdeckung des leeren Grabes in Joh 20,1f. steht am Anfang der drei Erscheinungsgeschichten Joh 20,2–10; 11–18 und 19– 29, die – Joh 20,30f. eingeschlossen – ursprünglich vermutlich den Schluss des Evangeliums bildeten.1 Er beginnt damit, dass Maria am ersten Tag der Woche frühmorgens in der Dunkelheit zum Grab kommt. Ein Grund für ihren Gang zum Grab wird nicht genannt. Auch wird nicht berichtet, dass Maria sich Gedanken über die Frage des Zugangs zum Grab macht. Johannes erwähnt in V.1 lediglich, dass sie den Stein vom Grab weggewälzt sieht. Daran anschließend berichtet er, dass sie daraufhin mit der Nachricht zu Petrus und dem geliebten Jünger läuft: „Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gebracht haben.“ (V.2).2 Die Schilderung konzentriert sich also von Anfang an ganz auf Ma1

Dabei ist im Anschluss an weite Teile der Johannesforschung vorausgesetzt, dass es sich bei Joh 21 um einen Nachtrag zu dem mit Joh 20,30f. abgeschlossenen Evangelium handelt; siehe z.B. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 298–302; B ARRETT, Johannes, 551– 553; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 406–417; W ILCKENS, Johannes, 320; SCHNELLE, Johannes, 314f.; MOLONEY, John, 545–547. Anders etwa T HYEN, Johannesevangelium, 772f. 2 Nach LANG, Johannes und die Synoptiker, 262 belegt der unvermittelte Plural in der Reaktion der Maria, dass in Joh 20,2 die Kenntnis von Mk 16,1 mit dem Besuch mehrerer Frauen am Grab vorausgesetzt ist. Dass Johannes von ursprünglich mehreren Frauen

3.1 Das Unverständnis der Maria angesichts der Abwesenheit

157

rias Deutung der sie erschreckenden Tatsache, dass der Stein weggewälzt ist. Dass Maria bemerkt, dass das Grab leer und der Leichnam Jesu verschwunden ist, wird nicht erwähnt, aber implizit vorausgesetzt. Schon in V.2 ist mit Marias Ausruf programmatisch umrissen, worum es in der späteren Erzählung in V.11–18 gehen wird, nämlich um die Frage, wo Jesus ist,3 bzw. genauer, um das Wissen um den Ort, an dem er ist. In der folgenden Szene V.3–10 tritt Maria nicht mehr in Erscheinung. Vielmehr rücken Petrus und der geliebte Jünger ins Zentrum des Geschehens. Erst ab V.11 wird mit der Erwähnung der vor dem Grab Jesu stehenden Maria der in V.1f. geknüpfte Faden wieder aufgenommen4: 11 Mariva de; eiJsthvkei pro;" tw/` mnhmeivw/ e[xw klaivousa. wJ" ou\n e[klaien, parevkuyen eij" to; mnhmei`on 12 kai; qewrei` duvo ajggevlou" ejn leukoi`" kaqezomevnou", e{na pro;" th/` kefalh/` kai; e{na pro;" toi`" posivn, o{pou e[keito to; sw`ma tou` ≠Ihsou`. 13 kai; levgousin aujth/` ejkei`noi: guvnai, tiv klaivei"; levgei aujtoi`" o{ti h\ran to;n kuvriovn mou, kai; oujk oi\da pou` e[qhkan aujtovn.

11 Maria aber stand am Grab draußen und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich vor in das Grab 12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einer am Kopf und einer bei den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. 13 Und jene sprachen zu ihr: Frau, warum weinst Du? Sie sprach zu ihnen: „Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“5

In V.11 wird kein Grund für Marias Weinen genannt. Die Frage danach wird erst in der Begegnung zwischen Maria und den Engeln aufgeworfen, die in V.12f. geschildert wird. Mit ihrer weißen Kleidung weisen sich die wusste, setzen auch viele andere voraus, vgl. z.B. KEENER, John, 1178; LINCOLN, John, 489. Aus Browns Sicht steht die von Johannes vorgenommene Konzentration von den drei Frauen auf Maria im Dienst der johanneischen Tendenz zur Individualisierung der Akteure um der Dramatik der Erzählung willen (vgl. BROWN, John II, 999). Nach M ICHAELS, John, 987 reflektiert der Plural oi[damen hingegen Marias Bewusstsein ihrer Zugehörigkeit zu einer größeren Gemeinde von Jüngern, welche Petrus, den geliebten Jünger und sie selbst umfasst. 3 Nach SCHNEIDERS, Touching, 163f. handelt es sich dabei um die entscheidende Frage, die V.3–18 bestimmt. 4 Zur Erörterung der Frage, weshalb der Zusammenhang zwischen Joh 20,1f. und 11– 13 vermutlich unterbrochen wurde, siehe B ROWN, John II, 999f. Auf die zahlreichen Spannungen in Joh 20,1–18, die auf eine längere Vorgeschichte des Textes schließen lassen, wurde schon oft aufmerksam gemacht (vgl. z.B. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 355f. und 356–361 [Lösungsversuche]; BECKER, Johannes II, 716f.; ZELLER , Ostermorgen, 145–161). 5 Bei den präsentischen Verbformen in Joh 20,11–18 handelt es sich um das Präsens historicum, welches in „lebhaft vergegenwärtigender Erzählung“ an die Stelle des Indikativ Aorist treten kann, BDR §321.

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Kapitel 3: Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18

Engel als Bewohner der himmlischen Welt aus. Sie kennzeichnen so das Grab Jesu als den Ort der Gegenwart Gottes.6 Durch ihre Position im Grab markieren sie den Platz, wo der Leichnam gelegen hatte. Ihre Frage tiv klaivei" verrät, dass ihre Rolle in Joh 20,11–13 darin besteht, den Grund für das Weinen der Maria aufzudecken. Während der Engel in Mk 16,5f. das leere Grab interpretiert und Botschafter der Auferweckung Jesu ist, 7 stehen in Joh 20,11–13 jedoch weder die Engel noch die Botschaft von Jesu Auferweckung, sondern die Reaktion der Maria auf das geöffnete Grab und die Abwesenheit Jesu im Zentrum der Szene. Dass die Engel mit ihrer Frage nach dem Grund für das Weinen auch indirekt zur Problematisierung der Deutung des Geschehens durch Maria beitragen, wird der Fortgang der Erzählung in V.14–16 erweisen.8 Wie Maria das Geschehen einordnet, geht aus ihrer Antwort auf die Frage der Engel hervor (h\ran to;n kuvriovn mou, kai; oujk oi\da pou` e[qhkan aujtovn). Die Entdeckung des geöffneten Grabes und die Abwesenheit Jesu führt sie zu dem Schluss, dass andere den Leichnam Jesu aus dem Grab geholt und an einen unbekannten Ort gebracht haben. Sie deutet die Abwesenheit Jesu als Leichenraub. Ihr Weinen ist daher keine Totenklage, sondern Ausdruck ihrer Verzweiflung darüber, dass sie „ihren Herrn“ nicht findet.9 Die Formulierung h\ran to;n kuvriovn mou, kai; oujk oi\da pou` e[qhkan aujtovn entspricht dabei – leicht variiert – ihrer Äußerung in V.2. Gegenüber ihrer Äußerung zu Petrus und dem geliebten Jünger ist jetzt aber mit kuvriov" mou die persönliche Beziehung Marias zu Jesus hervorgehoben.10 Da Maria ihre Deutung des leeren Grabes und der Abwesenheit Jesu insgesamt dreimal – jeweils mit einigen signifikanten Abwandlungen11 – wiederholt, liegt auf ihr in Joh 20,1–18 ein besonderes Gewicht. Wesentlich ist, dass die Formulierung h\ran to;n kuvriovn mou, kai; oujk oi\da pou` e[qhkan aujtovn in einem deutlichen Kontrast zu dem Gedanken 6

Zur weißen Kleidung als Kennzeichen der Zugehörigkeit zur himmlischen Welt siehe z.B. Mk 9,3 parr.; Mk 16,5; Mt 28,3; etwas variiert Lk 24,4 (ejn ejsqh`ti ajstraptouvsh/); Apg 1,10; Apk 3,4f.; 7,9.13; Dan 7,9; äthHen 14,20; 2Makk 11,8. Zur Bedeutung der weißen Gewänder in jüdischen und griechisch-römischen Zeugnissen über Priestertum und Tempelkult siehe die Texthinweise bei KEENER, John, 1188f. 7 Siehe auch Mt 28,2–6. In Lk 24,5f. sind es zwei Engel, die den Frauen Jesu Auferweckung verkünden. 8 Siehe unten 160. 9 Vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 372; B ECKER, Johannes II, 724; EBNER, Wer liebt mehr, 40 mit Anm. 8. 10 Vgl. dazu auch B IERINGER, Lord, 628. Dass Maria in Joh 20,1.11–18 als diejenige qualifiziert wird, die Jesus liebt, zeigt EBNER, Wer liebt mehr, 39–55 anhand der Motivverbindungen des Textes Hld 3,1–4 auf. 11 V.2 (h\ran to;n kuvrion ejk tou` mnhmeivou kai; oujk oi[damen pou` e[qhkan aujtovn); V.13 (h\ran to;n kuvriovn mou, kai; oujk oi\da pou` e[qhkan aujtovn); V.15 (eij su; ejbavstasa" aujtovn, eijpev moi pou` e[qhka" aujtovn, kajgw; aujto;n ajrw`).

3.2 Das Erscheinen Jesu und die partielle Überwindung der Krise

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des Weggangs Jesu zum Vater steht, den der johanneische Jesus in den Abschiedsreden selbst immer wieder geäußert hatte. Während die Begrifflichkeit des „Weggangs“ zum Ausdruck bringt, dass Jesus auch im Sterben aktiv handelndes Subjekt bleibt,12 zeigt Marias ratlose Bemerkung, dass sie den Tod Jesu als Ende seiner Existenz versteht. Jesus ist nach ihrer Interpretation weggetragen worden; ihr Ziel ist es, seinen Leichnam zu finden. Dass Maria auf ihre Entdeckung des geöffneten Grabes mit den Worten „sie haben den Herrn weggenommen“ reagiert, verleiht daher nicht nur Aufschluss über Marias Deutung des Verschwindens Jesu, sondern auch über ihre Interpretation seiner jetzigen Existenzweise als der eines Toten. Die folgenden Verse 14–18 werden zeigen, dass es sich dabei aus johanneischer Perspektive um eine Fehldeutung handelt.

2. Das Erscheinen Jesu und die partielle Überwindung der Krise (Joh 20,14–16) 3.2 Das Erscheinen Jesu und die partielle Überwindung der Krise

Die Wende wird dadurch eingeleitet, dass Maria sich vom Grab weg nach hinten umwendet: tau`ta eijpou`sa ejstravfh eij" ta; ojpivsw kai; qewrei` tovn ≠Ihsou`n eJstw`ta kai; oujk h/[dei o{ti ≠Ihsou`" ejstin.

Nachdem sie dies gesagt hatte, wandte sie sich nach hinten um und sieht Jesus stehen und wusste nicht, dass [es] Jesus ist. (V.14)

Maria sieht Jesus und erkennt ihn nicht. Dass sie Jesus für den Gärtner hält (V.15), unterstreicht zum einen die Andersartigkeit der Existenzweise des Auferstandenen gegenüber dem Irdischen; Jesus erscheint Maria nach dem Verlassen des Grabes in anderer Gestalt.13 Zum anderen zeigt Marias Reaktion ihre Blindheit in kognitiver Hinsicht; sie sieht Jesus, erkennt ihn aber nicht; er ist für sie nicht mehr in der früheren (irdischen) Weise erfahrbar. 14 12

Zur Deutung des Sterbens Jesu als eines aktiven Handelns Jesu im Johannesevangelium siehe etwa Joh 10,17f. (dia; tou`tov me oJ path;r ajgapa/` o{ti ejgw; tivqhmi th;n yuchvn mou, i{na pavlin lavbw aujth;n: oujdei;" ai[rei aujth;n ajp≠ ejmou`, ajll≠ ejgw; tivqhmi aujth;n ajp≠ ejmautou`: ejxousivan e[cw qei`nai aujthvn, kai; ejxousivan e[cw pavlin labei`n aujthvn: tauvthn th;n ejntolh;n e[labon para; tou` patrov" mou). 13 Zur Offenbarung in fremder Gestalt im Osterkontext vgl. z.B. auch Mk 16,12. 14 Zur kognitiven Blindheit der Maria vgl. LARSEN, Recognition, 200: „On a somatic level she is a sighted person, but cognitively she is blind.“ Zum Motiv des Nichterkennens im Osterkontext vgl. z.B. auch Lk 24,16; Joh 21,4. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 248–257 rechnet Joh 20,14–18 zu den „verborgenen Epiphanien“. Darunter versteht er „eine unerkannte Präsenz des Numens in menschlicher, zuweilen auch tierischer oder anderer Gestalt“ (FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 5). Von Keeners zahlreichen Hinweisen auf Verwandlungsszenen in Texten der jüdischen und der griechisch-römischen

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Kapitel 3: Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18

Mit seiner ersten Frage (tiv klaivei") gibt der Auferstandene wie zuvor die Engel Maria Gelegenheit, den Grund für ihr Weinen zu nennen. levgei aujth/` ≠Ihsou`": guvnai, tiv klaivei"; tivna zhtei`"; ejkeivnh dokou`sa o{ti oJ khpourov" ejstin levgei aujtw/`: kuvrie, eij su; ejbavstasa" aujtovn, eijpev moi pou` e[qhka" aujtovn, kajgw; aujto;n ajrw`.

Jesus sprach zu ihr: Frau, warum weinst Du? Wen suchst Du? Jene, in der Meinung, dass es der Gärtner ist, sprach zu ihm: Herr, wenn du ihn weggetragen hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast, und ich werde ihn holen. (V.15)

Dass Maria den sucht, der in ihrer Nähe steht, und den von ihr nicht erkannten Auferstandenen nach dem Ort Jesu fragt – bzw. danach, wo er seinen Leichnam hingelegt hat! –, mutet grotesk an. Es handelt sich dabei um ein charakteristisches Beispiel johanneischer Ironie, welches das Missverstehen der Maria unterstreicht. Johannes arbeitet hier scharf heraus, dass Maria von sich aus weder den Auferstandenen erkennen noch das Verschwinden Jesu richtig deuten kann. Jetzt ist offenkundig, was der Leser und die Leserin längst wissen, nämlich dass Maria falsche Schlüsse aus dem geöffneten Grab und der Tatsache zieht, dass Jesus verschwunden ist. Die zweite Frage des Auferstandenen – wen suchst du? (tivna zhtei`") – führt zum tieferen Grund ihres Weinens; hinter ihrer Suche nach dem Ort, an dem Jesus ist, scheint auf, wen sie sucht, nämlich den Leichnam des irdischen Jesus. Dass darauf in der Mariaperikope ein besonderes Gewicht liegt, geht aus der Stellung der Frage tivna zhtei`" im Zentrum von V.11– 18 hervor.15 Die (partielle) Überwindung ihres Unverständnisses wird dadurch möglich, dass Jesus sich Maria erschließt. Charakteristischerweise gibt er sich nicht zu erkennen, indem er seine Identität enthüllt (so später in V.20.27), sondern dadurch, dass er Maria beim Namen ruft:16

antiken Welt (siehe KEENER, John, 1189f.) taugen nur wenige als Parallelen zu Joh 20,14–16. So hat der in Joh 20,14–16 vorausgesetzte Gedanke der andersartigen Existenzweise des Auferstandenen etwa mit der von Keener genannten Verwandlungsfähigkeit des Teufels (Test Hiob 6,4; 17,2; 23,1) keinerlei Ähnlichkeit. Zu den unterschiedlichen Verwandlungskonzepten in der religiösen Umwelt des Neuen Testaments vgl. B ACK, Verwandlung, 24–76. 15 RUSCHMANN, Maria, 120 bemerkt, dass die Frage tivna zhtei`" die Erscheinungserzählung in zwei fast gleich große Abschnitte teilt. Sie stellt mit B ROWN, John II, 990 eine Parallele zum Gespräch zwischen den Engeln und den Frauen in der synoptischen Überlieferung dar (Lk 24,5 [tiv zhtei`te to;n zw`nta meta; tw`n nekrw`n]; Mk 16,6 [≠Ihsou`n zhtei`te to;n Nazarhno;n ...] / Mt 28,5f. [≠Ihsou`n to;n ejstaurwmevnon zhtei`te]). 16 Zeigt sich Jesus hier in der Rolle des Hirten, der die Seinen kennt und sie beim Namen ruft (Joh 10,3f.27)? So z.B. B ULTMANN, Johannes, 532; B ARRETT, Johannes, 541; THYEN, Johannesevangelium, 762; LEE, Partnership, 44; M ICHAELS, John, 999; KEENER,

3.2 Das Erscheinen Jesu und die partielle Überwindung der Krise

levgei aujth/` ≠Ihsou`": Mariavm.

161

Jesus sprach zu ihr: Mariam! (V.16a)

Der Wandel von Marias Situation wird wiederum durch das Verb strevfw eingeleitet: strafei`sa ejkei`nh levgei aujtw/` JEbraistiv: rabbouni (o} levgetai didavskale).

Jene wandte sich um und sprach zu ihm auf Hebräisch: Rabbouni! (Das heißt Lehrer). (V.16b)

Mit ihrer Antwort gibt Maria ihr (teilweises) Verstehen zu erkennen. Nachdem Jesus sie angeredet hat, ist sie in der Lage, was sie sieht, richtig zu deuten und im vermeintlichen Gärtner Jesus zu sehen. Die Bezeichnung Jesu durch Maria als rabbouni ist in diesem österlichen Kontext bemerkenswert. Im Johannesevangelium begegnet rabbouni nur an dieser Stelle; rJabbiv wird Jesus hingegen häufiger genannt (siehe Joh 1,38.49; 3,2; 4,31; 6,25; 9,2; 11,8). Dass rabbouni in Joh 20,16 genau wie rJabbiv in Joh 1,38 mit o} levgetai didavskale übersetzt wird, spricht aber dafür, dass rabbouni in Joh 20,16 keine besondere, von rJabbiv unterschiedene Bedeutung hat, sondern als aramäisches Äquivalent zu rJabbiv synonym dazu verwendet wird.17 Es handelt sich dabei um eine zentrale Funktion, die Jesus im Johannesevangelium in der Zeit seines öffentlichen Wirkens für die Jünger (Joh 1,38.49; 4,31; 9,2; 11,8) und andere wie z.B. Nikodemus (Joh 3,2) oder das Volk (Joh 6,25) hatte.18 Dabei fällt auf, dass nur die Belege in Joh 1,38 und in 20,16 mit der Erläuterung o} levgetai didavskale versehen sind; sie bilden eine Inklusion um die Rabbiaussagen im Johannesevangelium. Dadurch, dass Maria auf Jesu Ruf mit „rabbouni“ reagiert, erscheint sie auch in einer gewissen Parallelität zu Nathanael, der Jesus bei seiner Berufung zum Jünger als rJabbiv bezeichnet (Joh 1,49).19 Dass Maria Jesus als rabbouni anspricht, weist einerseits darauf hin, dass sie Jesus wiedererkannt und die Identität des Auferstandenen mit dem Irdischen bemerkt hat; andererseits bringt Maria mit dieser Anrede über das Wiedererkennen hinaus implizit auch John, 1190f. und viele andere. Skeptisch äußert sich dazu hingegen E BNER, Wer liebt mehr, 44 mit Anm. 23. Möglicherweise nimmt Jesus hier auch die Rolle Gottes gemäß Jes 43,1 wahr. Zu Jes 43,1 als möglichem alttestamentlichem Bezugspunkt siehe BROWN, John II, 1010. 17 Vgl. ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 279 Anm. 16; WENGST, Johannesevangelium II, 285. 18 Johannes hat eine Vorliebe für diese Bezeichnung; er gebraucht siebenmal rJabbiv, dazu einmal rabbouni. Matthäus verwendet rJabbiv viermal (Mt 23,7.8; 26,25.49), Markus dreimal (Mk 9,5; 11,21; 14,45) und einmal rabbouni (Mk 10,51); bei Lukas findet sich kein Beleg. 19 Vgl. W EIDEMANN, Tod, 458. Maria nimmt Jesus in der Funktion wahr, die er in vorösterlicher Zeit für die Jünger erfüllt hat.

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Kapitel 3: Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18

ihre Auffassung von der Rolle Jesu zum Ausdruck. Dass Jesus für sie „rabbouni“ ist, hat auch im österlichen Kontext von Joh 20,11–18 ein gewisses Recht. Dies wird in V.17f. deutlich werden, wo der Auferstandene Maria in der Rolle des Lehrers gegenübertritt, der ihr aufträgt, weiterzugeben, was er ihr gesagt hat.20 In V.17 wird jedoch auch, und das ist entscheidend, klar werden, dass Maria mit der Rollenzuweisung, die in der Bezeichnung Jesu als rabbouni liegt, nicht völlig erfasst hat, wer der Auferstandene ist.21

3. Die Deutung der Beziehung des Vaters zu den Jüngern durch Jesus und die Reaktion der Maria (Joh 20,17f.) 3.3 Die Deutung der Beziehung des Vater zu den Jüngern durch Jesus

3.1 Die Ankündigung des Aufstiegs Jesu zum Vater Dass Maria mit der Bezeichnung Jesu als rabbouni nicht hinreichend erfasst hat, wer der Auferstandene ist, lässt die Reaktion Jesu in V.17a vermuten: levgei aujth/` ≠Ihsou`": mhv mou a{ptou, ou[pw ga;r ajnabevbhka pro;" to;n patevra:

Jesus sprach zu ihr: Halte mich nicht fest, denn ich bin noch nicht aufgestiegen zum Vater. (V.17a)

Der Imperativ Präsens mit mhß bezeichnet als durative Aktionsart den Abbruch einer Handlung, die bereits im Gange ist,22 oder manchmal auch die Unterlassung einer beabsichtigten Handlung.23 Auf der sprachlichen Ebene ist daher kaum zu entscheiden, ob mhv mou a{ptou mit „berühre mich nicht“,24 „nähere dich mir nicht“25 oder „halte mich nicht fest“26 bzw. „halte mich nicht zurück“27 oder „halte mich nicht auf“28 zu übersetzen ist. Die 20

Maria wird deshalb in Joh 20,16 keineswegs nur als die Missverstehende gezeichnet. Zur Rolle des Auferstandenen in Joh 20,16f. als Lehrer siehe auch RUSCHMANN, Maria, 156: „Der Auferstandene ist nicht nur der irdische Rabbi, sondern er ist auch als Auferstandener Lehrender, Meister!“ 21 Die Identität des Auferstandenen wird erst mit dem Bekenntnis des Thomas angemessen eingeschätzt (Joh 20,28); siehe dazu unten 185–189. 22 Vgl. BDR §336, 2c mit Anm. 4. 23 B ULTMANN, Johannes, 532 bemerkt mit Hinweis auf BDR §336,3 dazu: „Der Imp. Präs. besagt nicht notwendig, daß sie ihn schon berührt hat, sondern braucht nur vorauszusetzen, daß sie es versucht und im Begriff ist, es zu tun.“ 24 So z.B. EBNER, Wer liebt mehr, 41; SCHLERITT, Passionsbericht, 491f. 25 So B IERINGER, Father, 227–232. 26 So z.B. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 376; BROWN, John II, 992f. („don’t cling to me“); DIETZFELBINGER, Johannes II, 332; RUSCHMANN, Maria, 91f. 27 So ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 279 („ne me retiens pas“). 28 Vgl. THYEN, Johannesevangelium, 763.

3.3 Die Deutung der Beziehung des Vater zu den Jüngern durch Jesus

163

Übersetzung „berühre mich nicht“ führt allerdings in große inhaltliche Aporien – nicht nur wegen der Spannung zu Joh 20,2729, sondern vor allem wegen der Fortsetzung ou[pw ga;r ajnabevbhka pro;" to;n patevra, die dann den schwer verständlichen Schluss nahelegt, dass Jesus erst nach seinem vollendeten Aufstieg berührt werden kann und darf. Deutet man mhv mou a{ptou hingegen als Erwiderung Jesu auf die in Marias rabbouni implizit enthaltene Rollenzuweisung, ist es naheliegend, die Wendung mit „halte mich nicht zurück“ oder „halte mich nicht fest“ wiederzugeben. Mit dem Verbot, ihn festzuhalten, weist Jesus Maria dann darauf hin, dass sein Erscheinen nicht bedeutet, dass er nun bei ihr und den Jüngern bleiben und die vorösterliche Beziehung zu ihnen wieder aufnehmen wird.30 Sein österliches Kommen bedeutet demnach keine Restitution seiner irdischen Existenzweise; es impliziert kein Wiederaufleben der Rolle und der Funktion, die er für sie und die Jünger in vorösterlicher Zeit gehabt hat. In mhv mou a{ptou klingt vielmehr die Mahnung an, nicht den irdischen Jesus in der vertrauten Weise festzuhalten, sondern in seinen Abschied einzuwilligen.31 Die Begegnung mit dem Auferstandenen ist vorläufig; es handelt sich dabei (noch) nicht um ein dauerhaftes Sein Jesu bei den Jüngern; die entscheidende Voraussetzung dafür ist der vollendete Aufstieg Jesu zum Vater. Dass darauf das ganze Gewicht ruht, zeigt die zweimalige Nennung des Stichworts ajnabaivnein in V.17a und b. Worin liegt die Bedeutung des Aufstiegs, den Jesus in Joh 20,17b ankündigt (ajnabaivnw pro;" to;n patevra mou kai; patevra uJmw`n kai; qeovn mou kai; qeo;n uJmw`n)? Im Johannesevangelium wird ajnabaivnw zum einen als terminus technicus für das „Hinaufziehen“ nach Jerusalem verwendet,32 zum anderen auch für den Aufstieg in den Himmel.33 Während Joh 1,51 vom Aufsteigen (und Absteigen) der Engel zum Himmel (und zur Erde) spricht, geht es in Joh 3,13 und 6,62 wie in Joh 20,17 um den Aufstieg Jesu (in Joh 3,13; 6,62 als des Menschensohnes) in den Himmel (bzw. an den Ort seiner Herkunft). In Joh 3,13 wird der Aufstieg des Menschensoh29

Die Berührbarkeit des Auferstandenen ist in Joh 20,27 vorausgesetzt; Thomas wird aufgefordert, Jesus zu berühren. 30 Vgl. dazu BROWN, John II, 1012: „In telling her not to hold on to him, Jesus indicates that his permanent presence is not by way of appearance, but by way of the gift of the Spirit that can come only after he has ascended to the Father.“ Anders deutet W EIDEMANN, Tod, 460: Jesus belehrt Maria darüber, dass er „nicht bereits Jesu wahre österliche Wirklichkeit repräsentiert.“ 31 Vgl. FREY, Ich habe den Herrn gesehen, 278, oder auch F RENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 255: „Die Beziehung zum Auferstandenen ist einer Unmittelbarkeit entnommen, die sie gegenüber dem Irdischen hatte.“ Ähnlich T HEOBALD, Wie mich der Vater gesandt hat, 482. 32 Siehe Joh 2,13; 5,1; 7,8.10.14; 11,55; 12,20. 33 Siehe Joh 1,51; 3,13; 6,62.

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Kapitel 3: Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18

nes als Rückkehr an den Ort bestimmt, an dem Jesus zuvor war und von dem er hergekommen ist („Keiner ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen“). Ähnlich verhält es sich in Joh 6,62. Auch hier ist der Aufstieg des Menschensohnes gleichbedeutend mit seiner Rückkehr an den Ort seiner Herkunft („Wenn ihr nun den Menschensohn (dorthin) aufsteigen seht, wo er vorher war?“). Entsprechend ist auch der in Joh 20,17b erwähnte Aufstieg zum Vater die Rückkehr Jesu an den Ort, von dem er hergekommen ist. In Joh 6,62 ist über den Aspekt hinaus, dass der Menschensohn an den Ort seiner Herkunft zurückkehrt, aufschlussreich, dass hier der Akzent auf der Sichtbarkeit des Aufstiegs für die Jünger liegt. Mit ajnabaivnw umschreibt Johannes den Aufstieg Jesu zum Ort seiner Herkunft, aber mit Betonung darauf, dass man den Vorgang sehen kann.34 Ist in Joh 20,17b wie in Joh 6,62 an einen sichtbaren Aufstieg Jesu zum Vater gedacht? Diese Frage ist vor allem angesichts der Beobachtung von Bedeutung, dass die Auferweckung Jesu aus dem Grab und sein Aufstieg in Joh 20,17b als zwei zeitlich voneinander getrennte, unterschiedliche Etappen seiner Rückkehr zum Vater erscheinen. Dies, und dass der Auferstandene Maria vor der Vollendung seiner Rückkehr zum Vater mit der Botschaft für die Jünger (ajnabaivnw pro;" to;n patevra mou kai; patevra uJmw`n kai; qeovn mou kai; qeo;n uJmw`n) beauftragt, ist im Rahmen des Johannesevangeliums auffallend. Die Differenzierung zwischen der Auferweckung Jesu und seinem Eingang in die himmlische Welt ist zwar im Neuen Testament und im frühen Christentum verbreitet.35 Auch zeigen Textbeispiele aus dem Alten Testament und dem frühen Christentum und seiner religiösen Umwelt, dass eine Totenerweckung nicht zwangsläufig den Eingang in die himmlische Welt mit einer Metamorphose der irdischen in eine göttliche Existenzweise bedeutet.36 In Joh 20,17 fällt die pointierte Hervorhebung des Aufstiegs zum Vater aber besonders ins Auge, weil Jesu Kreuzigung als seine Erhö34

So auch in Joh 1,51. Siehe z.B. Eph 1,20; 2,6; 1Petr 1,21; 3,21f.; Polykarp, Phil 2,1; Melito, Peri Pascha 104; Aristides, Apologia 2,8. Vgl. dazu vor allem T HEOBALD, Osterglaube, 103–106. Siehe auch LOHFINK, Himmelfahrt, 86f. (zu Eph 1,19f. und 2,5f.), 89f. (zu 1Petr 1,20f.; 3,21f.) und 104f. (zu Melito von Sardes, Passa-Homilie 104). 36 In solchen Fällen ist die Auferweckung allerdings dann auch meistens eine Rückkehr in das irdische Leben. Siehe etwa 1Kön 17,17–24; 2Kön 4,34–36 (LXX); Mk 5,41f.; Lk 7,14f.; Apg 9,40f.; Joh 11,43f. In Apuleius, Met. II, 28–30 wird von der zeitweiligen Wiederbelebung eines Toten durch einen Propheten berichtet. Der für kurze Zeit ins Leben gerufene Leichnam gibt der versammelten Menschenmenge Auskunft über die Umstände seines Todes. In Philostrat, VA IV, 45 wird die Erweckung einer scheintoten jungen Frau durch Apollonius geschildert (ajfuvpnise th;n kovrhn tou` dokou`nto" qanavtou), die daraufhin ins irdische Leben zurückkehrt. Siehe auch die Erweckung des Scheintoten durch Asklepiades in Apuleius, Flor. 19. Vgl. dazu T HEOBALD, Osterglaube, 106 (mit Anm. 48); FISCHBACH, Totenerweckungen. 35

3.3 Die Deutung der Beziehung des Vater zu den Jüngern durch Jesus

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hung und seine Auferstehung und Auffahrt zu seinem Vater an anderer Stelle im Johannesevangelium ausdrücklich als ein Vorgang in den Blick genommen wird.37 Die Vorstellung vom Aufstieg Jesu im Anschluss an seine Auferweckung aus dem Grab in Joh 20,17 hat deshalb immer wieder Anlass zu Überlegungen gegeben, ob Johannes nicht Kenntnis von einer Himmelfahrtserzählung Jesu gehabt haben könnte.38 Ob im Hintergrund von Joh 20,17 allerdings ‒ im Unterschied zu Lukas, für den die Himmelfahrt erst am Ende der Periode der Ostererscheinungen stattfindet, ‒ eine Himmelfahrtsüberlieferung mit Ostertermin steht,39 ist die Frage. Eine solche österliche Himmelfahrt setzt etwa das Petrusevangelium voraus, wenn es in Kap. 39f. den sichtbaren Aufstieg Jesu vom Grab heraus in den Himmel schildert.40 Denkbar wäre auch, dass der vierte Evangelist mit Jesu Aufstieg in Joh 20,17b eine eigene Himmelfahrtskonzeption formuliert, indem er eine ihm bekannte Überlieferung von der Himmelfahrt Jesu in Joh 20 so verändert, dass er den Aufstieg bewusst am Tag der Auferweckung Jesu aus dem Grab beginnen lässt. Unabhängig davon, ob sich hinter Joh 20,17b der Gedanke an eine „Himmelfahrt“ verbirgt, signalisiert Johannes mit dem Hinweis auf den noch nicht vollzogenen Aufstieg in Joh 20,17a jedenfalls, dass das Heilsgeschehen mit dem Tod Jesu und seiner Auferweckung aus dem Grab alleine noch nicht vollendet ist. Dabei kann ajnabaivnw in V.17b zum Ausdruck bringen, dass der Aufstieg erst für einen zukünftigen Zeitpunkt ins Auge gefasst wird,41 oder dass der Prozess des Aufstiegs bereits begonnen hat und Jesus schon aufsteigt, sein Ziel aber noch nicht erreicht hat.42 Für das Letztere spricht die Wendung ou[pw ga;r ajnabevbhka pro;" to;n patevra in V.17a – da das Perfekt die Dauer des Vollendeten bezeichnet, bringt der Evangelist mit ajnabaivnw pro;" to;n patevra in V.17b wohl 37

Siehe etwa Joh 12,32f.; vgl. BROWN, John II, 1013: „On the cross the Johannine Jesus had already entered into the process of exaltation and glorification, for crucifixion is a step upwards in the course of being lifted up to the Father (XII 32–33).“ 38 LOHFINK, Himmelfahrt, 117f. formuliert dies als Frage, hält es aber für wahrscheinlicher, dass Joh 20,17 „allein aus der Theologie des Evangelisten und nicht aus einer Himmelfahrtserzählung herzuleiten ist.“ (ebd., 118). 39 Vgl. dazu die Überlegungen von T HEOBALD, Osterglaube, 108. 40 „Und während sie erzählten, was sie gesehen hatten, sehen sie wiederum drei Männer aus dem Grabe herauskommen und die zwei den einen stützen und ein Kreuz ihnen folgen und das Haupt der zwei bis zum Himmel reichen, dasjenige des von ihnen an der Hand Geführten aber die Himmel überragen.“ (Übersetzung von C. Maurer, in HENNECKE , SCHNEEMELCHER , Ntl. Apokryphen I, 187). Vgl. zu diesem Triumphzug Jesu aus dem Grab, der zur Himmelfahrt wird, LOHFINK, Himmelfahrt, 127f. 41 Zu diesem futurischen Gebrauch des Präsens siehe BDR §323. 42 Vgl. BDR §323,3; siehe z.B. B IERINGER, Father, 224; W EIDEMANN, Tod, 461; W ILCKENS, Johannes, 310; B ECKER, Johannes II, 727; BROWN, John II, 994; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 377 mit Anm. 56 und viele andere.

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Kapitel 3: Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18

zum Ausdruck, dass der Aufstieg schon angefangen hat. Bezieht man die Ankündigung des Aufstiegs auf den mit der Offenbarung vor Maria gerade begonnenen, noch fortdauernden Vorgang der Erscheinung Jesu, würden die im Folgenden berichteten Offenbarungen vor den Jüngern (V.19–29) nicht den vollzogenen Aufstieg voraussetzen, sondern wären dann selbst Bestandteil des Aufstiegs und der Rückkehr Jesu zum Vater.43 Joh 20,17b lässt sich aber auch unabhängig von den Berichten in V.19–29 als Ansage verstehen, deren Erfüllung auf der textinternen Ebene nicht mehr erzählt wird. Im Kontext der Mariaperikope in Joh 20,11–18 ist es entscheidend, dass der johanneische Jesus selbst mit dem Hinweis auf seinen Aufstieg zum Vater in Joh 20,17b eine Antwort auf die mit Joh 20,2.13.15 vorausgesetzte Frage der Maria nach seinem Ort („pou`“) – und in Verbindung damit – nach seiner Identität gibt: Er ist kein Toter, den andere an einen ihr unbekannten Ort gebracht haben, wie Maria zunächst angenommen hatte. Er ist auch nicht der irdische Jesus, der in wiederbelebter früherer Existenzweise zu Maria und den Jüngern zurückkehrt. Mit der räumlichen Trennung von Maria und den Jüngern durch den Aufstieg zum Vater und die Rückkehr in die himmlische Welt hebt er vielmehr seine neue Existenzweise hervor. Dies bedeutet für die Jünger und für Maria, dass sie ihre Beziehung zu Jesus auf einer anderen Ebene weiterführen müssen. Jesus ist nicht mehr in der bisherigen Weise für sie da. Aus johanneischer Perspektive ist die nachösterliche Beziehung der Maria und der Jünger zu Jesus qualitativ von der vorösterlichen zu unterscheiden – dies wird die Exegese von V.17b–18 zeigen. 3.2 Die Botschaft von Gott als dem Vater der Jünger Die räumliche Trennung Marias und der Jünger von Jesus wird auch in der Sendung der Maria durch den Auferstandenen in Joh 20,17b und 18 zum Ausdruck gebracht: 17 poreuvou de; pro;" tou;" ajdelfouv" mou kai; eijpe; aujtoi`": ajnabaivnw pro;" to;n patevra mou 43

17 Geh aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich steige auf zu meinem Vater und eurem Vater und

So WEIDEMANN, Tod, 461 Anm. 49 (Der Vorgang des Aufstiegs bezieht sich auf ganz Joh 20) und a.a.O., 524f.: Die Ostererscheinungen in Joh 20 sind Teil des sichtbaren Aufsteigens Jesu. „Im Unterschied zum ‚Weggehen zum Vater‘ ... bezieht sich Jesu sichtbares ajnabaivnein pro;" to;n patevra auf den ‚Zwischenzustand‘, in dem sich der Auferstandene am Ostertag und am achten Tag danach befindet: Der Auferstandene ist sichtbar (20,14.18.20.25.27.29), er kann mit dem Gärtner verwechselt (20,15) und sogar berührt werden (20,17.27). In diesem (vorübergehenden) ‚Zwischenzustand‘ tut Jesus vor seinen Jüngern jene ‚Zeichen‘, die auf seine eigentliche, andauernde Wirksamkeit verweisen.“ (524f.).

3.3 Die Deutung der Beziehung des Vater zu den Jüngern durch Jesus

kai; patevra uJmw`n kai; qeovn mou kai; qeo;n uJmw`n. 18 e[rcetai Maria;m hJ Magdalhnh; ajggevllousa toi`" maqhtai`" o{ti eJwvraka to;n kuvrion, kai; tau`ta ei\pen aujth/`.

167

meinem Gott und eurem Gott. 18 Maria Magdalena ging und verkündigte den Jüngern: „Ich habe den Herrn gesehen“, und dass er ihr dieses gesagt hat.

Das Gebot in V.17b (poreuvou de; pro;" tou;" ajdelfouv" mou) steht formal parallel zu dem Verbot in V.17a (mhv mou a{ptou); der Gegensatz, der so zum Ausdruck gebracht wird, kann auch durch die Übersetzung „geh vielmehr zu meinen Brüdern…“ wiedergegeben werden.44 Mit diesem Auftrag sendet der Auferstandene Maria in die irdische Welt. Während Johannes mit Jesu ajnabaivnein die vertikale Dimension betont – Jesu Weg führt ihn zum Vater in den Himmel –, bringt er mit poreuvesqai die horizontale Dimension zum Ausdruck und setzt damit einen Kontrapunkt zum ajnabaivnein Jesu. Während Jesus zum Vater geht, wird Maria in die irdische Welt geschickt; sie soll mit ihrem Gang zu den „Brüdern“ Jesu die Gegenbewegung zum ajnabaivnein Jesu vollziehen.45 Mit der Sendung der Maria hebt der Evangelist daher die in V.17a mit dem Aufstieg Jesu bereits formulierte räumliche Trennung von Jesus jetzt noch einmal scharf hervor. Signifikanterweise fordert der Auferstandene Maria auf, zu seinen Brüdern zu gehen.46 Das Stichwort ajdelfoiv spielt eine wichtige Rolle in der Kontroverse um das Verhältnis von Joh 20,17b zu Mt 28,10, wo wie in Joh 20,17 ein Auftragswort mit der Aufforderung vorliegt, hinzugehen und den „Brüdern Jesu“ eine Botschaft auszurichten (mh; fobei`sqe: uJpavgete ajpaggeivlate toi`" ajdelfoi`" mou i{na ajpevlqwsin eij" th;n Galilaivan, 44

So T HEOBALD, Osterglaube, 101 (siehe BDR §447.1). RUSCHMANN, Maria, 149 beobachtet hier treffend einen Gegensatz zu Joh 1,39 – im Gegensatz zu den Jüngern, die Jesus in Joh 1,39 auffordert, mit ihm zu kommen, wird Maria in Joh 20,17 von Jesus weggeschickt. Im Johannesevangelium hat Maria als erste Osterzeugin eine herausgehobene Rolle (vgl. damit etwa 1 Kor 15,5; Lk 24,34, wo Petrus als der erste Auferstehungszeuge gilt). Zur besonderen Bedeutung der Maria im johanneischen Bericht in Joh 20,1–18 vgl. auch DIETZFELBINGER, Osterglaube, 26–33; LEE, Partnership, 46f.; T ASCHL-ERBER, Maria von Magdala, 310–320; HARTENSTEIN, Dialog, 151–153. Die Rolle der Maria als Offenbarungsempfängerin in Joh 20,17f. hebt H ARTENSTEIN, Dialog, 145 vor dem Hintergrund ihrer Interpretation des Aufstiegs der Seele im Evangelium der Maria hervor. Als Kennzeichen des Gedankens vom Aufstieg Jesu in Joh 20,17 arbeitet HARTENSTEIN, Dialog, 146 im Vergleich mit Mk 16,6f. und Mt 28,10 heraus: „Bei Mk und Mt ist die wichtigste räumliche Bewegung Jesu sein Weg von Galiläa nach Jerusalem, hier steht die Rückkehr zum Ausgangspunkt für den möglichen Neuanfang. Im JohEv kommt Jesus von oben, vom Vater, und kehrt auch wieder dorthin zurück.“ 46 Einige wenige wichtige Textzeugen lassen mou zwar aus; dennoch dürfte die Lesart ajdelfoiv mou aufgrund der besseren äußeren Textbezeugung ursprünglich sein, siehe BROWN, John II, 993. 45

168

Kapitel 3: Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18

kajkei" me o[yontai). In der Forschungsliteratur wird in diesem Zusammenhang vor allem die Frage diskutiert, ob Johannes Mt 28,9f. kennt und an dieser Stelle rezipiert47 oder ob er in Joh 20,17 eine mit Matthäus verwandte, gemeinsame ältere Überlieferung voraussetzt.48 Diese Frage kann hier im Rahmen der synchronen Analyse nicht beantwortet werden.49 Wie auch immer die Frage nach dem Verhältnis der beiden Texte zu beurteilen ist – aufschlussreich ist jedenfalls, dass mit ajdelfoiv in Joh 20,17 wie in Mt 28,10 die Jünger gemeint sind.50 Im Verlauf der johanneischen Erzählung sind die ajdelfoiv Jesu nämlich bis Joh 20,17 ausschließlich Jesu leibliche Brüder (Joh 2,12; 7,3.5.10). Auffallend ist dabei, dass der Evangelist deren Distanz zu Jesus pointiert hervorhebt; sie glauben nicht an Jesus (Joh 7,5); sie gehören zur „Welt“ (Joh 7,7).51 Wenn die Jünger nun in Joh 20,17 zum erstenmal innerhalb der Erzählung als Jesu Brüder bezeichnet werden, setzt der Evangelist damit einen klaren Kontrapunkt zur Rede von den Brüdern Jesu in Joh 7 – Jesu ajdelfoiv sind nicht die leiblichen Brüder, sondern die Jünger.52 Dass ajdelfov" in Joh 20,17 im übertragenen Sinn verwendet wird, ist ein erstes Signal dafür, dass mit dem Aufstieg Jesu ein soteriologisches Ziel verbunden ist. Treffend hebt Brown hervor, dass der eigentliche Akzent in V.17 auf der zweiten Hälfte liegt, wo Jesus den Sinn seines Aufstiegs für die Jünger deutet. Sie zeige, dass Jesus „with a salvific purpose“ 47

So z.B. B IERINGER, Father, 222–232; T HYEN, Johannesevangelium, 764; NEIJohn and the Synoptics: The Empty Tomb Stories, NTS 30 (1984), 161–187 (bes. 166–171); SCHNEIDER, Gott, 1779f.; THYEN, Johannes und die Synoptiker, in: A. DENAUX (hg.), John and the Synoptics, BEThL 101, Leuven 1992, 81–107 (105–107). 48 So T HEOBALD, Osterglaube, 102f.; RUSCHMANN, Maria, 81f. meint, dass diese gemeinsame Überlieferung in Joh 20,17 besser bewahrt sei als in Mt 28,9f. 49 Zur Schwierigkeit, das Verhältnis zwischen den beiden Texten zu klären, vgl. FREY, Ich habe den Herrn gesehen, 273 Anm. 33. 50 Dies geht eindeutig aus Joh 20,18 hervor. 51 Dies lässt sich Joh 7,7 entnehmen: Die „Welt“ kann die Brüder Jesu nicht hassen, sie hasst aber Jesus. Vgl. dazu W ILCKENS, Johannes, 129. 52 Zum absichtsvoll konstruierten Gegensatz zwischen der Rede von den Brüdern in Joh 7 und in 20,17 vgl. auch T HYEN, Johannesevangelium, 387f. und B IERINGER, Father, 224f. Bieringers Interpretation ist allerdings mit der Hypothese verbunden, dass der Evangelist in Joh 20,17 Mt 28,9f. benutzt hat. Leinhäupl-Wilke spricht im Blick auf die Rede von den ajdelfoiv in Joh 20,17 von einer neuen Familie, „die sich im Sinne des vorliegenden Gesamtentwurfes als Trägergruppe göttlichen Offenbarungswissens versteht“, LEINHÄUPL-W ILKE, Wissen, 264. Auch SCHNEIDERS, Temple, 341 geht in Joh 20,17 von einer Verschiebung im Verständnis von ajdelfoiv aus; Brüder und Schwestern sind „those who have seen the Lord (cf. 20.18,24), who participate in his life through the Spirit which they receive from the open side of the glorified Jesus (cf. 20.20–22), and who proclaim the Gospel, the ‘things that are written’ that all may believe and through believing have life in Jesus’ name (cf. 20,31).“ In Joh 21,23 wird ajdelfoiv ähnlich wie in Joh 20,17 verwendet. RYNCK,

3.3 Die Deutung der Beziehung des Vater zu den Jüngern durch Jesus

169

zu seinem Vater aufsteigt.53 Die soteriologische Bedeutung des Aufstiegs Jesu spiegelt sich aber nicht nur in der Bezeichnung der Jünger als Brüder Jesu wider, sondern auch im Inhalt der Botschaft der Maria an die Jünger, die sich beispielsweise von derjenigen, welche die Frauen nach Mt 28,10 überbringen sollen, signifikant unterscheidet. Zum einen überbringt Maria den Jüngern die Osterbotschaft mit den aus der Tradition bekannten Worten kuvrion eJwvraka.54 Gegenüber dem Ausruf rabbouni in Joh 20,16, mit dem Maria ihr Wiedererkennen Jesu kundgetan hatte, ist kuvrion eJwvraka eine deutliche Steigerung, die auf eine höhere Erkenntnisstufe der Maria gegenüber V.16 hinweist.55 Neben dem traditionellen Osterzeugnis kuvrion eJwvraka ist aber vor allem entscheidend, dass Maria den Jüngern weitergibt, was der Auferstandene ihr über die Bedeutung seines Aufstiegs gesagt hat: ajnabaivnw pro;" to;n patevra mou kai; patevra uJmw`n kai; qeovn mou kai; qeo;n uJmw`n. Dieses Auftragswort Jesu in V.17b ist der Dreh- und Angelpunkt von Joh 20,11–18. Mit ajnabaivnw pro;" to;n patevra mou wird die knappe Bemerkung über den Aufstieg Jesu zum Vater aus V.17a ou[pw ga;r ajnabevbhka pro;" to;n patevra noch einmal aufgegriffen und jetzt ins Positive gewendet und inhaltlich entfaltet. Die Offenbarung Jesu kommt mit seinem Aufstieg zum Vater zu ihrem Ende – man kann Jesus nicht mehr als einer geschichtlichen Person begegnen; das Ziel seiner Sendung ist erreicht; er kehrt zum Vater zurück. Das Ziel seiner Sendung besteht nicht nur in dem neuen Verhältnis zwischen Jesus und den Jüngern als Brüdern; mit der Vollendung des Aufstiegs Jesu zum Vater wird auch ein neues Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott als ihrem Vater beginnen. Die räumliche Trennung Jesu von Maria und den Jüngern durch seine Rückkehr zum Vater bedeutet also nach den Worten des Auferstandenen keinen Verlust für die Jünger; sie ist vielmehr paradoxerweise verbunden mit einer Steigerung der Nähe ihrer Beziehung: Jesus qualifiziert die Jünger in Joh 20,17 als Gottes Kinder und Gott als ihren Vater. Sein Weggang aus der Welt bedeutet also, so Jesus, eine Neukonstitution seiner

53

BROWN, John II, 1011. Ob der Kyriostitel in Joh 20,2.11–18 eine „österliche Qualität“ hat (siehe RUSCHMANN, Maria, 85), ist fraglich: Während kuvrio" in Joh 20,18 den Auferstandenen bezeichnet, bezieht sich kuvrio" in Joh 20,2 und 13 auf den Leichnam Jesu und Maria spricht in V.15 den vermeintlichen Gärtner als kuvrio" an. Zu den verschiedenen Bedeutungen von kuvrio" in Joh 20,11–18 siehe auch B IERINGER, Lord, 611. 55 Die höhere Erkenntnisstufe der Maria in V.18 gegenüber V.1f., V.12f. und V.14–16 deutet der Evangelist durch den Gebrauch verschiedener Ausdrücke für das Sehen an: Maria gelangt vom blevpein (V.1) über das qewrei`n (V.12.14) zum oJra`n (V.18). Ähnlich die abgestufte Erkenntnis des geliebten Jüngers und des Petrus in Joh 20,3–10: blevpein (V.5); qewrei`n (V.6); oJra`n (V.8). Vgl. zu dieser parallelen Struktur auch B IERINGER, Lord, 617–619. 54

170

Kapitel 3: Jesu Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,11–18

eigenen Beziehung zu den Jüngern als seinen Brüdern und des Verhältnisses Gottes zu ihnen als ihres Vaters.

4. Ergebnis 3.4 Ergebnis

Die Bezeichnung Gottes als des Vaters der Jünger in Joh 20,17 hat ihren Ort im Kontext der Erzählung von der Erscheinung Jesu vor Maria. Ausgangsproblem von Joh 20,11–18 ist die Ratlosigkeit der Maria angesichts des Verschwindens Jesu, welches sie als Leichenraub deutet, und ihr Rätseln um den Ort, an dem Jesus ist (Joh 20,11–13). Mit der Frage der Engel nach dem Grund für ihr Weinen (V.13) und der Offenbarung Jesu vor Maria (V.14f.) wird Marias Deutung der Abwesenheit Jesu problematisiert. Durch das Erscheinen Jesu vor Maria wird zugleich die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Maria ihre verfehlte Interpretation des Verschwindens Jesu überwindet. Indem Maria Jesus als rabbouni anredet, gibt sie ihr (teilweises) Verstehen zu erkennen; sie erkennt die Identität des Auferstandenen mit dem Irdischen wieder (V.16); der Schluss der Szene in Joh 20,17f. wird allerdings zeigen, dass Maria mit der in ihrem Ausruf rabbouni enthaltenen Rollenzuweisung noch nicht hinreichend erfasst hat, wer der Auferstandene ist. Höhepunkt der Mariaperikope ist Joh 20,17, wo Jesus gegenüber Maria sein eigenes Verhältnis zu den Jüngern und das des Vaters zu ihnen deutet. Mit dem Hinweis auf seinen Aufstieg zum Vater gibt der johanneische Jesus zunächst eine Antwort auf die für Joh 20,11– 18 zentrale Frage der Maria nach seinem Ort (Joh 20,2.13.15) und die damit verbundene Frage nach seiner Identität: Mit dem Aufstieg zum Vater erhält er eine neue Existenzweise, wie seine Mahnung an Maria in V.17a, ihn nicht festzuhalten, nahelegt. Zugleich schärft er mit dieser Mahnung Maria und mit ihr den Lesern des Evangeliums die Notwendigkeit seines Aufstiegs und der damit verbundenen Trennung von ihm ein: Sein Aufstieg zum Vater hat nämlich, wie Jesus in V.17b entfaltet, eine soteriologische Bedeutung für die Jünger: Die Jünger stehen zu ihm im Verhältnis als Geschwister (ajdelfoiv) und zu Gott als ihrem Vater. Aus der Sicht Jesu sind die Jünger jetzt Gottes Kinder und Gott ihr Vater. Wichtig ist dabei, dass nur Jesus dieses neue Gottesverhältnis der Jünger in Worte fasst. Zu dem in Joh 20,11–18 erzählerisch vorausgesetzten Zeitpunkt sind die Jünger (noch) nicht in der Lage, ihr Verhältnis zu Jesus und Gott Vater so zu deuten, wie Jesus es in Joh 20,17 tut. Mit seinem Aufstieg zum Vater tritt nämlich ein, was in den Abschiedsreden auf der Ebene der Erzählung noch bevorstand: Der vom Evangelisten in Joh 13,1 erwähnte Gang Jesu zum Vater bzw. die Trennung der Jünger von Jesus, die sie von sich aus nicht überwinden können (Joh 13,33.36). Wie gezeigt

3.4 Ergebnis

171

wurde, droht ihnen aus johanneischer Sicht damit der Verlust von Heil und Leben; ihre Beziehung zu Gott, die ihnen bis zum Abschied Jesu über die unmittelbare Begegnung mit Jesus vermittelt wurde, steht für sie mit dem Aufstieg Jesu zum Vater auf dem Spiel. Auf der narrativen Ebene ist in diesem Stadium der Erzählung auch das Unverständnis der Jünger im Blick auf den Weggang Jesu vorausgesetzt, dessen Bedeutung sie ebensowenig begreifen wie den Sinn seiner Verheißung, dass sie ihn sehen werden (Joh 16,4b–7.16–19). Mit seiner Botschaft an Maria in Joh 20,17 über das Verhältnis zwischen den Jüngern, ihm selbst und Gott Vater spricht der Auferstandene daher aus, was die Jünger auf der Ebene der Erzählung zu dem Zeitpunkt, in dem Joh 20,17 narrativ lokalisiert ist, selbst so nicht sehen können. Daraus ergibt sich die Frage, wie von der Seite der Jünger aus Wirklichkeit werden kann, was der Auferstandene gegenüber Maria bereits als Realität feststellt, nämlich dass Gott nicht nur sein Vater, sondern auch Vater der Jünger ist.

Kapitel 4

Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater (Joh 20,19–29) In Kapitel 3 war am Ende offen geblieben, wie das Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott als Vater, das der auferstandene Jesus in Joh 20,17 erwähnt, von der Seite der Jünger aus Wirklichkeit werden kann. Diese Frage stellte sich besonders in Anbetracht der Tatsache, dass der Aufstieg Jesu zum Vater für die Jünger die Trennung von Jesus und damit auch von Gott Vater bedeutet. Ungeklärt ist auch die textpragmatische Dimension dieses Problems, nämlich wie die Beziehung der nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums zu Gott als Vater nach dem Weggang Jesu und seinem Aufstieg zum Vater realisiert werden kann. Ab Joh 20,19 rücken die Jünger und ab Joh 20,29 über die Gestalt des Thomas auch die Leser des Evangeliums ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Daher wird im Folgenden Joh 20,19–29 daraufhin befragt, ob sich in den Berichten von den Erscheinungen Jesu vor den Jüngern und vor Thomas Antworten auf diese Fragen finden.

1. Die Christusvision der Jünger und ihre Geistbegabung (Joh 20,19–23) 4.1 Die Christusvision der Jünger und ihre Geistbegabung

1.1 Das Kommen Jesu und das Sehen der Jünger (Joh 20,19f.) An die Erzählung von der Offenbarung Jesu vor Maria Joh 20,11–18 schließt der Bericht von der Ostererscheinung Jesu vor der Jüngergemeinschaft in Joh 20,19f. an. Durch die Kombination mit der Geistverleihung und der Sendung der Jünger in Joh 20,21–23 und seine zentrale Stellung zwischen den beiden Erzählungen von den Erscheinungen Jesu vor Maria und Thomas erhält er ein besonderes Gewicht: 19 Ou[sh" ou\n ojyiva" th/` hJmevra/ ejkeivnh/ th/` mia/` sabbavtwn kai; tw`n qurw`n kekleismevnwn o{pou h\san oiJ maqhtai; dia; to;n fovbon tw`n ≠Ioudaivwn, h\lqen oJ ≠Ihsou`" kai; e[sth eij" to; mevson kai; levgei

19 Als es nun Abend war an jenem ersten Tag der Woche und die Türen, an dem Ort, wo die Jünger waren, verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus, trat in die Mitte und sagt zu ihnen: ‚Friede sei

4.1 Die Christusvision der Jünger und ihre Geistbegabung

aujtoi`": eijrhvnh uJmi`n: 20 kai; tou`to eijpw;n e[deixen ta;" cei`ra" kai; th;n pleura;n aujtoi`". ejcavrhsan ou\n oiJ maqhtai; ijdovnte" to;n kuvrion.

173

mit euch.‛ 20 Und nachdem er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. (Joh 20,19f.).

Die Zeitangabe in V.19a verbindet die Szene mit der vorangegangenen Erzählung (th/` de; mia/` tw`n sabbavtwn, V.1); wie im Bericht von der Erscheinung vor Maria findet auch die in V.19f. geschilderte Offenbarung Jesu am ersten Tag der Woche statt, wenn auch erst am Abend jenes Tages.1 Eine Ortsangabe macht Johannes nicht; über die Zeitangabe ist aber indirekt auch der Ort festgelegt; wegen Joh 19,41 und 20,1 ist dabei an Jerusalem und seine nähere Umgebung zu denken (siehe 19,16b–18).2 Dass sich jetzt die Aufmerksamkeit auf die Jünger richtet, ist angesichts der Notiz in V.18, nach der Maria den Jüngern die Botschaft Jesu überbringt, nicht überraschend. Um wen es sich bei den maqhtaiv in V.19f. handelt, bleibt in dem Text offen – beachtet man den johanneischen Sprachgebrauch zu maqhthv", der an einen größeren Kreis von Anhängern Jesu denken lässt,3 legt sich jedoch eine Einschränkung auf den Zwölferkreis nicht nahe, zumal die „Elf“ oder die „Zwölf“ auch in der vorliegenden Form des Berichts nicht erwähnt werden.4 Auch die Beschreibung der Situation, nach der die Jünger an einem Ort versammelt sind, fügt sich zu dem in V.17f. Berichteten; scheint sich darin doch die Zusammenführung der Jünger durch die Osterbotschaft der Maria widerzuspiegeln. 5 Allerdings fällt auf, dass die Jünger in Joh 20,19 keinerlei Osterfreude als Reaktion auf Marias Nachricht erkennen lassen. In der Forschung wird dieses Problem häufig auf literarkritischem und bzw. oder traditionsgeschichtlichem Weg zu lösen versucht.6 Wie auch immer die Frage der Textentstehung zu beantwor1

Ein Hinweis auf die Verknüpfung mit V.1 ist auch ou\n in V.19. Es hat im geschichtlichen Bericht die Funktion, den Gegenstand nach einer Unterbrechung wieder aufzunehmen, siehe B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. ou\n, Sp. 1199 und 1120, 2a; vgl. auch BDR §451,1. 2 Vgl. BECKER, Johannes II, 734. 3 Siehe etwa Joh 1,35–51; 4,1; 6,60f.66; 8,31; 9,28; 15,8 (siehe auch 13,35). Von einer Bildung des Zwölferkreises wie in Mk 3,13–19 ist im Johannesevangelium keine Rede. 4 Aus der Kennzeichnung des Thomas als „eines der Zwölf“ in V.24 lässt sich jedenfalls nicht auf die Zusammensetzung des Jüngerkreises in V.19–23 und V.24–29 schließen. Anders W ILCKENS, Johannes, 312, der maqhtaiv mit Hinweis auf V.24 auf „die Zwölf“ ohne Judas deutet; so auch DIETZFELBINGER, Johannes II, 336. 5 BROWN, John II, 1020 denkt an ein Haus in Jerusalem als Versammlungsort der Jünger in V.19. 6 Nach BECKER, Johannes II, 732 und 734 war Joh 20,19–23 ursprünglich (d.h., auf der mündlichen Überlieferungsstufe) eine eigenständige Überlieferung, die dann schon

174

Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

ten ist; auf der synchronen Ebene liegt in der genannten Diskrepanz zwischen Joh 20,18 und 19f. jedenfalls eine produktive Spannung, durch welche die Bedeutung des Kommens Jesu zu den Jüngern in V.19 hervorhervorgehoben wird. Das Kommen Jesu und seine Selbsterschließung vor den Jüngern bildet das inhaltliche Zentrum der Szene in Joh 20,19f. Es wird vorbereitet durch das auffallende Detail, dass sich die Jünger aus „Furcht vor den Juden“ hinter verschlossenen Türen verschanzt haben.7 Bei dem Gedanken, dass der Auferstandene in der Lage ist, durch verschlossene Türen zu gelangen, geht es in diesem Zusammenhang weniger um die Frage der Leiblichkeit des Auferstandenen8 als um seine wunderbare und außergewöhnliche Macht. Die homerische Athene dringt wie Luft in die verschlossene Kammer der Nausikaa (Homer, Od. VI, 19f.); Hermes kommt wie ein Nebel durch das Schlüsselloch (Hom. Hymnen IV, 145–147); diese Beispiele aus der antiken Religionsgeschichte zeigen, dass das Überwinden verriegelter Türen aus der Sicht dieser Texte ein Kennzeichen von Göttern ist.9 Entsprechend verhält es sich in Joh 20,19; dass Jesus in den verschlossenen Raum gelangt, zeigt, dass es sich nicht um den wiederbelebten Irdischen

auf der ältesten Stufe des Passionsberichts den Abschluss des Passionsberichts bildete. Zu älteren Lösungsversuchen vgl. den Überblick bei ZELLER, Ostermorgen, 149–151. Aus der jüngeren Literatur siehe z.B. SCHLERITT, Passionsbericht, 500.479f., der von einem vorjohanneischen Passionsbericht ausgeht, der in Joh 20 weiterläuft: Nach seiner Auffassung fand der Evangelist Joh 20,19–23 im vorjohanneischen Passionsbericht im Anschluss an die Grabesgeschichte vor. Siehe auch THEOBALD, Herrenworte, 187: „Mit 20,19–23 folgt E dem Erzählfaden des von ihm rezipierten Passions- und Osterberichts“. 7 Zur „Furcht vor den Juden“ siehe Joh 7,13; 9,22; 19,38 (vgl. dazu auch Joh 12,42; 16,2). Mit „den Juden“ ist die Führungsschicht gemeint, welche die Leser in vielen Szenen des Johannesevangeliums (siehe etwa die oben genannten Texte) als Feinde Jesu kennengelernt haben, siehe THYEN, Johannesevangelium, 766; W ENGST, Johannesevangelium II, 290. Der Hinweis auf die „Furcht vor den Juden“ resultiert mit ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 284, aus den Erfahrungen der johanneischen Gemeinde, welche in der nachösterlichen Zeit Verfolgungen erlitt (siehe dazu die Ankündigungen vom „Hass der Welt“ in Joh 15,18–16,4). 8 Dass Johannes hier das Wesen der Auferstehungsleiblichkeit hervorhebt, betont KEENER, John, 1201. Aber das Thema der Körperlichkeit des Auferstandenen schwingt hier nur am Rande mit: Jesus ist leiblich genug, um die Wunden zu zeigen, aber auch ausreichend nicht-stofflich, um verriegelte Türen zu überwinden, siehe B ARRETT, Johannes, 544. B AUER, Johannesevangelium, 231 hebt mit Recht hervor, dass die Art, in welcher der Hinweis auf die verschlossenen Türen in V.26 wiederholt wird, zeigt, dass es darum geht, „das Kommen des Herrn […] als etwas Wunderbares erscheinen zu lassen.“ 9 Zum Hinweis auf diese Parallelen zur Schilderung des Kommens Jesu in Joh 20,19 siehe B ULTMANN, Johannes, 535.

4.1 Die Christusvision der Jünger und ihre Geistbegabung

175

handelt, sondern es vielmehr der Erhöhte ist, der am Abend jenes ersten Wochentags zu den versammelten Jüngern kommt.10 Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass sich die Offenbarung Jesu vor den Jüngern von der vor Maria qualitativ unterscheidet. Gelegentlich werden die Erscheinungen des Auferstandenen vor den Jüngern vor allem aufgrund des Hinweises Jesu in V.17a ou[pw ga;r ajnabevbhka pro;" to;n patevra als Offenbarungen angesehen, die seiner Offenbarung vor Maria qualitativ überlegen seien. Nach dem Verständnis derer, die diese Auffassung vertreten, ist Jesus in Joh 20,19–29 im Unterschied zur Offenbarung vor Maria in Joh 20,14–17, die vor dem Aufstieg Jesu angesiedelt ist, schon zum Vater erhöht; in Joh 20,19–29 handle es sich um Erscheinungen nach dem Aufstieg Jesu, Jesus komme also zu den Jüngern vom Himmel her.11 Ob Jesus in Joh 20,19.26 wie in Joh 20,14 aus dem Grab oder ob er vom Himmel her kommt und erscheint, ist jedoch an dieser Stelle schwer zu beantworten; die Christophanien in Joh 20,19–29 können auch wie die Erscheinung vor Maria als Offenbarungen gedeutet werden, die sich während des Aufstiegs Jesu ereignen.12 Unabhängig davon, ob der Aufstieg Jesu bei den Christophanien in Joh 20,19–29 bereits vollendet oder noch im Gange ist, teilen jedenfalls alle drei Erscheinungsberichte in V.11– 18.19–23 und 24–29 die Überzeugung, dass es jeweils Jesus ist, der durch seine Initiative Maria bzw. den Jüngern und Thomas die Erkenntnis seiner Person ermöglicht, indem er in ihre Nähe (V.14) bzw. in ihre Mitte (V.19.26) tritt und sich ihnen als Auferstandener erschließt.13 10

Dass darauf der Akzent des wunderbaren Kommens Jesu liegt, hebt auch ZUMSaint Jean (13–21), 284 hervor. 11 „Erst und nur die Ostertexte 20,19–23 und 20,24–29 berichten demzufolge von Christophanien aus der himmlischen Welt“, meint KAMMLER, Zeichen, 202 Anm. 40. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt FRENSCHKOWSKI, Offenbarung II, 257; begründet diese allerdings nicht mit dem noch nicht vollzogenen Aufstieg Jesu, sondern mit dem Nichterkennen Jesu durch Maria: „Das Nichterkennen des Auferstandenen dient ... einer Verortung der Erscheinung von M.M. in einer Vorläufigkeit, die sowohl durch die Christophanien vor den Jüngern als auch ... durch das Kommen des Parakleten überholt wird.“ 12 W EIDEMANN, Tod, 467f. bezieht Joh 20,17a (ou[pw ga;r ajnabevbhka pro;" to;n patevra) auch auf die Erscheinungen in Joh 20,19–29, so auch T HEOBALD, Osterglaube, 111–113. Theobald hebt hervor, dass Joh 20,17a hermeneutischer Schlüssel für das ganze 20. Kapitel ist und alle Erscheinungen Jesu in Joh 20 vorläufig seien; „sie weisen hin auf die eigentliche Wirklichkeit der Erhöhung Jesu, die notwendigerweise ‚un-anschaulich‘ bleibt“ (ebd., 113). 13 Die Formulierung e[sth eij" to; mevson erinnert entfernt an die Äußerung des Zeugen Johannes über den irdischen Jesus in Joh 1,26: mevso" uJmw`n e{sthken o}n uJmei`" oujk oi[date. Diese ist aber an die Abgesandten der Pharisäer gerichtet, welche nach Joh 1,26 den, der mitten unter ihnen steht, nicht erkennen. Den Jüngern gibt sich der Auferstandenen in Joh 20,19 demgegenüber sofort zu erkennen (siehe auch Joh 20,26 im Blick auf Thomas). SCHOLTISSEK, Mitten unter euch, 111 meint, dass in Joh 20,19 ebenso wie in Joh 20,26 die sogenannte Täuferregel aus Joh 1,26 thematisiert und überwunden wird. STEIN,

176

Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

Bei der Zusage des Friedens in V.19 (eijrhvnh uJmi`n) handelt es sich wohl nicht um einen Friedenswunsch, wie er aus Epiphanieschilderungen wie z.B. Ri 6,23 oder Dan 10,19 als Reaktion auf die Furcht des Offenbarungsempfängers bekannt ist, weil die Jünger in Joh 20,19 im Unterschied zu diesen Texten nicht mit Furcht auf die Erscheinung Jesu reagieren.14 Die Wendung eijrhvnh uJmi`n ist in Joh 20,19 eher eine Begrüßung wie sie z.B. auch in Lk 10,5; 24,36 belegt ist.15 Zugleich nimmt Johannes mit eijrhvnh ein Stichwort aus Joh 14,27; 16,33 auf. In Joh 14,27 ist die Zusage des Friedens Jesu mit dem Aufruf mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva mhde; deiliavtw verbunden. Dieser wurde wie mh; tarassevsqw uJmw`n hJ kardiva in Joh 14,1 als Mahnung an die Jünger gedeutet, sich angesichts des Todes Jesu und der Trennung von ihm nicht in ihrer Glaubensidentität erschüttern zu lassen.16 In Joh 16,33 steht der Friedenswunsch der qli`yi" gegenüber, welche die Jünger in der „Welt“ haben, wo sie, wie in Joh 15,18–16,4a angekündigt, Bedrängnis erfahren. Im Textzusammenhang in Joh 20,19f. bildet die Zusage des Friedens in Analogie dazu ein Gegengewicht zu der in V.19 erwähnten Furcht der Jünger vor den Juden.17 Kennzeichnend für die auf den Friedensgruß folgende Offenbarung ist die Enthüllung der Identität Jesu durch das Zeigen der Wundmale, die ihm durch den Lanzenstich beigebracht wurden (V.20a). Damit stellt Johannes einen expliziten Bezug zur Kreuzigungsszene in Joh 19,34 her und hebt durch diese Verknüpfung die Identität des Auferstandenen mit dem Gekreuzigten hervor.18 Ein besonderes Gewicht liegt auf der zurückhaltend geschilderten Reaktion der Jünger auf die Erscheinung Jesu am Schluss der Szene in Joh 20,20b. Aus johanneischer Perspektive sehen die Jünger den Kyrios jetzt, nachdem sich die Ereignisse seines Todes und seiner Auferweckung, wie in Joh 19,28–30 und 31–37 berichtet, vollzogen haben, und sie die Offenbarung des Auferstandenen dazu in Beziehung setzen können. Erscheinen die Jünger damit in Joh 20,20b als „österlich Glaubende“19, so dass bereits in Joh 20,20b von einer neuen Beziehung der Jünger zu Jesus 14

Anders BROWN, John II, 1021, der Parallelen zu Ri 6,23 und Dan 10,19 sieht. Siehe z.B. auch Röm 1,7; 1Kor 1,3; 2Kor 1,2; Gal 1,3. In diesem Sinne deuten eijrhvnh uJmi`n in V.19 z.B. auch T HYEN, Johannesevangelium, 766; W ILCKENS, Johannes, 312. Auch in Joh 20,26 liegt eine Begrüßung vor; siehe unten 184. 16 Siehe oben 43. 17 Den Kontrast zwischen der „Furcht vor den Juden“ und der Freude beim Sehen des Herrn nach dem Empfang des Friedens hebt auch SCHNEIDERS, Temple, 342.347 hervor. 18 Vgl. z.B. auch KEENER, John, 1202; M ICHAELS, John 1008. In Lk 24,39f. dient das Zeigen von Händen und Füßen hingegen neben dem Erweis der Identität des Auferstandenen vor allem auch zur Demonstration seiner Leiblichkeit, vgl. dazu FREY, Ich habe den Herrn gesehen, 278f. 19 So FREY, Ich habe den Herrn gesehen, 279; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 284; THEOBALD, Osterglaube, 118.120, und viele andere. 15

4.1 Die Christusvision der Jünger und ihre Geistbegabung

177

(als dem Auferstandenen) die Rede sein kann, auch wenn von „Glauben“ oder „Erkennen“ oder „Verstehen“ der Jünger hier nicht explizit die Rede ist? Dafür spricht, dass sich in ihrem Sehen erfüllt, was in den Abschiedsreden in Joh 14,19; 16,16b verheißen wurde.20 Das Sehen des erhöhten Herrn ist Grund für die Freude der Jünger, die Johannes ihnen in Joh 16,22 angekündigt hatte – auch wenn die Verheißung der Freude in Joh 16,22 einen doppelten Fokus hat und über die Ostererfahrung, die in Joh 20,20 geschildert wird, hinausgeht, wird doch in Joh 20,20 eingelöst, was den Jüngern in Joh 16,22 zugesagt wurde.21 1.2 Die Sendung der Jünger und ihre Geistbegabung (Joh 20,21–23) Als zweites Element der Ostererscheinung vor den Jüngern thematisiert Johannes deren Sendung durch Jesus und ihre Geistbegabung22: 21 ei\pen ou\n aujtoi`" pavlin: eijrhvnh uJmi`n: kaqw;" ajpevstalkevn me oJ pathvr, kajgw; pevmpw uJma`". 22 kai; tou`to eijpw;n ejnefuvshsen kai; levgei aujtoi`": lavbete pneu`ma a{gion: 23 a[n tinwn ajfh`te ta;" aJmartiva" ajfevwntai aujtoi`", a[n tinwn krath`te kekravthntai.

21 Da sprach er wiederum zu ihnen: Friede sei mit euch. Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. 22 Und nachdem er dies gesagt hatte, hauchte er und sprach zu ihnen: Empfangt heiligen Geist. 23 Wessen Sünden ihr vergebt, denen sind sie vergeben, und wessen (Sünden) ihr behaltet, sind sie behalten. (Joh 20,21–23).

Vorausgesetzt ist derselbe Ort und derselbe Personenkreis wie in V.19f. Durch ou\n (V.21) ist der Text mit dem Vorangehenden verknüpft,23 ebenso durch den Friedensgruß, an den wie in V.20 eine mit kai; tou`to eijpwvn eingeleitete Geste anschließt.24 Die Wiederholung von eijrhvnh uJmi`n in V.21 wird in der Forschung gelegentlich als störende Dublette empfunden.25 Auf der synchronen Ebene kann man eijrhvnh uJmi`n in V.21 aber als Abschiedsgruß erklären; der Auferstandene verabschiedet sich jetzt mit den Worten und der Geste in V.21–23 von den Jüngern, denen er in V.19f.

20

Siehe oben 78–84, 123–125. Siehe oben 130. 22 Zur Zusammengehörigkeit der Vision des Auferstandenen und der Sendung durch ihn in der urchristlichen Ostertradition siehe z.B. auch 1Kor 9,1; Mt 28,16–20; Lk 24,36– 49. 23 Zum verbindenden Charakter von ou\n siehe oben 173, Anm. 1. 24 In V.20 handelt es sich um die Geste des Zeigens, in V.22 um die des Anhauchens. 25 So z.B. BECKER, Johannes II, 735. 21

178

Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

erschienen ist.26 Für die Deutung von eijrhvnh uJmi`n in V.21 als Abschiedsgruß spricht auch die Verbindung mit dem den Abschied unterstreichenden Sendungswort kaqw;" ajpevstalkevn me oJ pathvr, kajgw; pevmpw uJma`". Wesentlich ist, dass hier im Perfekt von der Sendung Jesu durch den Vater gesprochen wird; Jesus blickt bei seiner Offenbarung vor den Jüngern auf seine eigene Sendung durch den Vater zurück; diese ist abgeschlossen; 27 jetzt werden – parallel zu seiner Sendung durch den Vater – die Jünger gesandt. Von einer Aussendung der Jünger in der vorösterlichen Zeit ist im Johannesevangelium bemerkenswerterweise keine Rede. Johannes berichtet zwar von der Jüngerberufung (Joh 1,35–51), aber nicht, dass Jesus die Jünger wie in den synoptischen Evangelien vor Ostern aussendet.28 Die Bemerkung Jesu in Joh 4,38 (ejgw; ajpevsteila uJma`" qerivzein o} oujc uJmei`" kekopiavkasin) setzt eine Aussendung der Jünger voraus, die nicht berichtet wurde; ebenso wie Joh 17,18 (kaqw;" ejme; ajpevsteila" eij" to;n kovsmon, kajgw; ajpevsteila aujtou;" eij" to;n kovsmon). Es handelt sich in beiden Fällen um Aussagen, die Johannes in seinen Bericht über die vorösterliche Zeit hineinprojiziert und welche die Sendung, die innerhalb der Erzählung der Jesusgeschichte ihren Ort an Ostern hat (Joh 20,21–23), voraussetzen und über sie reflektieren.29 Dass die Sendung der Jünger im Johannesevangelium erst am Ostertag stattfindet und mit der Sendung Jesu parallelisiert wird, lässt Rückschlüsse auf ihre Bedeutung zu; sie ist Fortsetzung der Mission Jesu – inwiefern, wird erst in V.23 deutlich und noch erörtert werden.30 Auffallend ist auch, dass Jesus die Jünger sendet. Die Sendungsformel lässt ein klares Entsprechungsverhältnis erkennen: Die Sendung der Jünger durch Jesus entspricht der Sendung Jesu durch den Vater. Jesus übernimmt daher für die Jünger die Funktion, die der Vater ihm gegenüber erfüllt hat26

Zu dieser Bedeutung des Friedenswunsches vgl. z.B. Mk 5,34; Lk 7,50; 8,48; Apg 15,33; 16,36; Jak 2,16. Am nächsten steht Joh 20,21 der Abschiedsgruß in Eph 6,23 (eijrhvnh toi`" ajdelfoi`"). 27 Siehe Joh 19,30. Dass der Evangelist durch die Wahl des Perfekts ajpevstalken in Joh 20,21 den Akzent auf die Abgeschlossenheit der Sendung Jesu legt, betont auch W EIDEMANN, Tod, 472 mit Hinweis auf FREY, Eschatologie II, 110. 28 In den synoptischen Evangelien wird berichtet, dass die Jünger von Jesus recht bald nach dem Beginn seines öffentlichen Wirkens ausgesandt werden. Sie werden beauftragt, Buße zu predigen, die Nähe des Gottesreiches anzukündigen, Kranke zu heilen und Dämonen auszutreiben (Mk 6,7–13; Mt 10,1.5–42; Lk 9,1–6; 10,1–12). Nach Matthäus werden sie auch beauftragt, Tote aufzuerwecken und Aussätzige zu heilen. 29 Vgl. THEOBALD, Johannes (1–12), 337; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 179 Anm. 138. Indirekt ist auch in Joh 13,15f. (... oujde; ajpovstolo" meivzwn tou` pevmyanto" aujtovn) und 13,20 (oJ lambavnwn a[n tina pevmyw ejme; lambavnei ...) von einer Sendung der Jünger die Rede. 30 Siehe unten 180.

4.1 Die Christusvision der Jünger und ihre Geistbegabung

179

te; der auferstandene Jesus tritt zu den Jüngern in dieselbe Beziehung, wie sie Gott Vater zu ihm als dem Irdischen gehabt hatte. Dies spiegelt sich auch in einem weiteren Punkt wider: Wie die Sendung Jesu durch den Vater (Joh 1,33) ist die Sendung der Jünger durch den Auferstandenen mit der Gabe des Geistes verbunden. Während Jesus den Geist durch Gott Vater erhält, wie es in Joh 1,33; 6,27 vorausgesetzt ist, empfangen die Jünger den Geist durch Jesus. Der Auferstandene nimmt in Joh 20,21f. also eine besondere Funktion gegenüber den Jüngern wahr: Indem er sie sendet und ihnen den Geist mitteilt, übernimmt er Aufgaben, die Gott Vater an ihm erfüllt hat; er tritt den Jüngern daher in der Rolle Gottes gegenüber. Das ist in der Offenbarung Jesu vor Maria in Joh 20,11–18 etwas anders; dort agiert der Auferstandene zumindest nicht so eindeutig in der Rolle Gottes wie in V.21f.; es sei denn, man deutet das Rufen des Namens der Maria in V.16 als Anwendung von Jes 43,1 auf den Auferstandenen.31 Konstitutiv für die Geistmitteilung in V.22 ist zum einen die Geste des Anhauchens (ejmfusavw) und zum anderen das Wort des Auferstandenen (lavbete pneu`ma a{gion). Das Verb ejmfusavw, mit dem die Geste des Anhauchens in Joh 20,22 zum Ausdruck gebracht wird, ist nicht nur singulär im Johannesevangelium; es ist auch Hapaxlegomenon im ganzen Neuen Testament. In der Septuaginta begegnet es bei der Schilderung der Tätigkeit Gottes bei der Erschaffung des Menschen in Gen 2,7 (LXX): kai; e[plasen oJ qeo;" to;n a[nqrwpon cou`n ajpo; th`" gh`" kai; ejnefuvshsen eij" to; provswpon aujtou` pnoh;n zwh`", kai; ejgevneto oJ a[nqrwpo" eij" yuch;n zw`san. Gott teilt dem von ihm gebildeten Menschen den Lebensatem durch Anhauchen mit. Die Vorstellung, dass Gott dem Menschen den Lebensatem durch Anhauchen übermittelt, wird in Sap 15,11 aufgenommen: ... hjgnovhsen to;n plavsanta aujto;n kai; to;n ejmpneuvsanta aujtw/` yuch;n ejnergou`san kai; ejmfushvsanta pneu`ma zwtikovn ... 32 Auch wenn in Joh 20,22 weder ein „Zitat“ noch ein „Verweis“ vorliegt,33 wodurch ausdrücklich ein Bezug zu Gen 2,7 oder Sap 15,11 hergestellt würde, ist es auffallend, dass Johannes das neutestamentliche Hapaxlegomenon ejmfusavw im Kontext der Ostervision der Jünger verwendet. Wahrscheinlich 31

Siehe oben 160f., Anm. 16. Im Unterschied zu Gen 2,7 (LXX) ist hier nicht von pnohv (zwh`"), sondern von pneu`ma (zwtikovn) die Rede. In Ez 37,9 (LXX) ist es das göttliche pneu`ma, das auf das Wort Gottes hin „diese Toten“ anhauchen soll, so dass sie leben. Ez 37,5f. spricht in einer etwas anderen Terminologie davon, dass Gott seinen Geist in das Volk geben wird, so dass ihr leben werdet. Nach 3 Kön 17,21 (LXX) belebt Elia den toten Jungen, indem er ihn dreimal anhaucht („ejnefuvshsen ... triv"“). Zu diesen Texten als Bezugspunkten für Joh 20,22 siehe T HEOBALD, Herrenworte, 183f. Anm. 557; HENGEL, Schriftauslegung, 273f.285. 33 Z.B. Joh 6,31a und 49: Verweis auf das in Ex 16 bzw. Num 11,7–9; Dtn 8,2–4.16; Jos 5,12; Neh 9,15.20; Ps 78,23–25; Ps 105,40 Berichtete. 32

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Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

handelt es sich dabei um eine Anspielung auf Gen 2,7; Sap 15,11.34 Trifft dies zu, bestätigt sich, was oben bereits zur Rolle Jesu gegenüber den Jüngern in V.21f. beobachtet wurde: Jesus tritt den Jüngern in Joh 20,21f. dann auch aus dem Grund in der Rolle Gottes gegenüber, weil ihm die schöpferische Tätigkeit zugeschrieben wird, die in der biblischen Überlieferung Gott selbst zukommt. Zugleich würde in Joh 20,22 zum Ausdruck gebracht, dass Jesus den Jüngern bei der in V.19–23 skizzierten österlichen Begegnung ein in einem noch näher zu bestimmenden Sinne neues Leben bzw. neues Sein ermöglicht. In diese Richtung weist auch das letzte Element von V.21–23 – die Verheißung der Sündenvergebung. An der Formulierung in Joh 20,23 ist nämlich bemerkenswert, dass die Jünger nicht zur Sündenvergebung aufgefordert werden, sondern ihnen verheißen wird, dass ihr Handeln wirksam sein wird (a[n tinwn ajfh`te ta;" aJmartiva" ajfevwntai aujtoi`", a[n tinwn krath`te kekravthntai). Dass in Joh 20,23 nicht davon die Rede ist, was die Jünger tun sollen, sondern vielmehr davon, dass ihr Handeln gelingen wird, legt daher nahe, dass das Anhauchen im Sinne von Gen 2,7 und Sap 15,11 ihnen zu einer neuen Existenzweise verhilft, die ihr Tun wirksam sein lässt.35 Während der Auferstandene in den synoptischen Evangelien betont, was die Jünger in der Konsequenz der Ostererscheinung tun sollen,36 lässt er die Jünger im Johannesevangelium wissen, was sie sind. Diese neue Existenz der Jünger besteht nach Joh 20,21–23 darin, dass sie zu Nachfolgern Jesu werden, die seine Sendung in seinem Auftrag mit Hilfe des „pneu`ma a{gion“ weiterführen, welches ihnen Anteil an seiner Vollmacht zur Sündenvergebung gibt. In ihrem Wirken vollzieht sich die rettende Lebensspendung, die sich in der Sendung Jesu ereignet hat; wenn jemand zum Glauben an Jesus kommt, verlässt er den Bereich der Sünden und des Todes, wie im ersten Konditionalsatz festgehalten wird (a[n tinwn ajfh`te ta;" aJmartiva" ajfevwntai aujtoi`" ). Die Kehrseite wird mit dem zweiten Konditionalsatz (a[n tinwn krath`te kekravthntai) zum Ausdruck gebracht: Wo einer nicht zum Glauben kommt, bleibt er im Bereich der Sünden und des Todes [Perfekt: kekravthntai...].37 34

Die Anspielung ist nach Zumsteins Einschätzung mit nur einem oder zwei Worten „in der Lage, einen bekannten Text in Erinnerung zu rufen“, DERS., Schriftrezeption, 126. 35 Die Vergebung der Sünden durch die Jünger besitzt performative Kraft – mit Theobald vollzieht sich in ihrem Vergeben die Vergebung der Sünden durch Gott selbst, vgl. THEOBALD, Herrenworte, 182.184. 36 Mt 28,19f.; Mk 16,7; Lk 24,47b.48. 37 Vgl. WEIDEMANN, Tod, 473.475f. Worauf sich die Sündenvergebung der Jünger in Joh 20,23 genau bezieht, ist umstritten. SCHNELLE, Johannes, 304f. sieht in Joh 20,23 den Versuch, eine Bußpraxis der Gemeinde durch den Auferstandenen zu legitimieren. Es gehe um eine „verbindliche Haltung gegenüber Gemeindegliedern, die durch ihr Verhalten ihr Christsein in Frage stellen“. (304). Nach T HEOBALD, Herrenworte, 182 geht es

4.2 Die Christuserkenntnis des Thomas

181

2. Die Christuserkenntnis des Thomas (Joh 20,24–28) 4.2 Die Christuserkenntnis des Thomas

2.1 Das Ausgangsproblem: Der Zweifel des Thomas angesichts der Botschaft der Jünger (Joh 20,24f.) Ab Joh 20,24 richtet sich die Aufmerksamkeit auf Thomas, der bereits in Joh 11,16 und 14,5 erwähnt worden war. In diesen beiden Versen trat er als Jünger in Erscheinung, der zu Jesus hält, aber das Ziel des Weges Jesu und damit auch die Person und das Wesen Jesu nicht versteht. In Joh 11,16 zeigte sich dies darin, dass er die Jünger auffordert, mit Jesus in den Tod zu gehen, für den Tod Jesu aber das Verb ajpoqnhvskein gebraucht, welches Jesus selbst im vierten Evangelium nirgends auf sich anwendet;38 der Tod Jesu ist für Thomas nicht wie für den johanneischen Jesus Erhöhung bzw. Gang zu Gott Vater, sondern das Ende der Existenz Jesu und der Jünger. In Joh 14,5 bringt Thomas explizit seine Ratlosigkeit im Blick auf das Ziel des Weges Jesu zum Ausdruck (oujk oi[damen pou` uJpavgei") und stellt die Möglichkeit der Jünger in Frage, den Weg Jesu zu erkennen (pw`" dunavmeqa th;n oJdo;n eijdevnai). In der Situation vor dem Abschied Jesu begreift er ebensowenig wie die anderen Jünger, dass Jesus zum Vater geht und dass er der Weg zum Vater (Joh 14,6) und der Ort ist, an dem der Vater zu sehen und zu erkennen ist (Joh 14,7.9). In der letzten Szene von Joh 1–20 erreicht sein Nichtverstehen in Joh 20,24f. den Höhepunkt: 24 Qwma`" de; ei|" ejk tw`n dwvdeka, oJ legovmeno" Divdumo"39, oujk h\n met≠ aujtw`n o{te h\lqen ≠Ihsou`". 25 e[legon40 ou\n41 aujtw/` oiJ a[lloi maqhtaiv: eJwravkamen to;n kuvrion. oJ de; ei\pen aujtoi`": eja;n mh; i[dw ejn tai`" cersi;n aujtou` to;n tuvpon

24 Thomas aber, einer der Zwölf, der sogenannte Zwilling, war nicht mit ihnen zusammen, als Jesus kam. 25 Da sagten die anderen Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich in seinen Händen nicht das Mal der

dagegen in Joh 20,23 nicht um eine innergemeindliche Angelegenheit, sondern um das Zusprechen von Sündenvergebung im Rahmen der missionarischen Erstverkündigung. 38 Auch in Joh 12,24 spricht Jesus nicht von seinem eigenen Sterben, sondern macht eine metaphorische Aussage über das Sterben des Weizenkorns. In Joh 11,50 spricht Kaiphas von ajpoqnhvskein. Zum ajpoqnhvskein Jesu im Kommentar des Autors siehe z.B. Joh 11,51f.; 12,33; 18,14.32. 39 Vgl. Joh 11,16. 40 Aus dem Gebrauch des Imperfekts e[legon lässt sich nicht zwingend auf einen iterativen Sinn (BDR §325) oder ein Imperfekt de conatu (BDR §326); so B ROWN, John II, 1025 („kept telling“ oder „they tried to tell him“) schließen; mit e[legon werden „Äußerungen einer unbestimmten Mehrheit“ eingeleitet; dazu und zum Wechsel zwischen e[legon und ei\pon BDR §329. 41 Besonders im Johannesevangelium wird durch ou\n im geschichtlichen Bericht der Übergang zu etwas Neuem angezeigt, vgl. B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. ou\n 2.b, Sp.1200.

182

Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

tw`n h{lwn kai; bavlw to;n davktulovn mou eij" to;n tuvpon tw`n h{lwn kai; bavlw mou th;n cei`ra eij" th;n pleura;n aujtou`, ouj mh; pisteuvsw.

Nägel sehe und meinen Finger in das Mal der Nägel stecke und meine Hand in seine Seite lege, glaube ich nicht. (Joh 20,24f.)

Die Bemerkung oujk h\n met≠ aujtw`n o{te h\lqen ≠Ihsou`" in V.24 nimmt Bezug auf V.19f., wo die Jünger erwähnt werden und vom Kommen Jesu zu ihnen berichtet wird. Mit dieser Notiz über die Abwesenheit des Thomas wird gleich zu Beginn der Perikope das entscheidende textpragmatische Problem benannt: Die Abwesenheit des Thomas entspricht der Situation der späteren Generationen, die wie Thomas an jenem Tag, als Jesus vor den Jüngern erscheint, nicht anwesend waren. Den Worten des Thomas in V.25b lässt sich entnehmen, dass die zu erwartende Reaktion auf die Verkündigung der Jünger (eJwravkamen to;n kuvrion) „Glauben“ (pisteuvein) wäre, das heißt in diesem Textzusammenhang, die Annahme ihrer Botschaft. Zu diesem Glauben ist Thomas jedoch nicht ohne Bedingung bereit. Dies macht er mit seinem Einwand deutlich. Die doppelte Verneinung ouj mh; pisteuvsw bringt dabei den radikalen Zweifel des Thomas an der Wahrheit der Behauptung der Jünger zum Ausdruck, dass sie den kuvrio" gesehen haben.42 In seiner Reaktion auf das Zeugnis der Jünger äußert sich der Wunsch nach eigener Vergewisserung; er will nicht auf das Zeugnis anderer hin glauben, sondern aufgrund eigener Erfahrung. Dass Thomas den Tod Jesu wie schon in Joh 11,16 als Ende von dessen Existenz versteht, ist dabei vorausgesetzt.43 Die Bedingung des Thomas entspricht einer Zeichenforderung: Thomas verlangt nach handgreiflichen Beweisen, dass der Auferstandene identisch mit

42

Die nächste formale und inhaltliche Parallele ist Joh 4,48 (eja;n mh; shmei`a kai; tevrata i[dhte, ouj mh; pisteuvshte). Siehe auch Joh 8,51f. Die doppelte Negativpartikel dient der Bekräftigung einer Zusicherung; sie unterstreicht den assertorischen Charakter der Äußerung des Thomas, vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 393. 43 In dem Bericht über den Tod Jesu in Joh 19,33f. wird durch mehrere Hinweise hervorgehoben, dass Jesus wirklich tot ist. Zum einen wird der Tod Jesu in Joh 19,33 festgestellt. Der Lanzenstich in Joh 19,34 dient dazu, eventuelle Unsicherheiten auszuschließen – mit dem Stich in die Herzgegend in Joh 19,34 wird sichergestellt, dass Jesus wirklich tot ist und sich ein Brechen der Beine erübrigt. Möglicherweise soll zusätzlich auch der Hinweis auf das Herausfließen von Blut und Wasser als Folge des Lanzenstiches den sicher eingetretenen Tod Jesu bezeugen; zumindest gibt es antike Belege für die Anschauung, dass Menschen aus Blut und Wasser bestehen und beim Tod Blut und Wasser aus dem Körper fließen: Nach 4 Makk 9,20 tropfen Blut und Wasser des gefolterten Märtyrers über das Rad. Zu LevR 15 [115c] als rabbinischem Beleg über die Zusammensetzung des Menschen aus Blut und Wasser vgl. STRACK, B ILLERBECK II, 582f. Vgl. dazu auch BECKER, Johannes II, 704–707 und SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 338f.

4.2 Die Christuserkenntnis des Thomas

183

dem Gekreuzigten ist.44 Sein Bestehen auf der sinnlich wahrnehmbaren Bestätigung der Identität des Auferweckten mit dem Gekreuzigten zeigt auch, worin der Bezugspunkt des in V.25 thematisierten Glaubens liegt, der hier wie in Joh 20,8b nicht genannt wird: Es geht bei der Annahme der Botschaft der Jünger, dass sie den Kyrios gesehen haben, um den Glauben, dass der Gekreuzigte lebt bzw. auferstanden ist. In der Reaktion des Thomas auf das Zeugnis der Jünger wird das Ausgangsproblem der Perikope Joh 20,24–29 sichtbar: Thomas verkörpert den Zweifel derer, die wie er selbst bei dem in V.19 berichteten Kommen Jesu nicht dabei waren und mit der Botschaft der Christusgläubigen (eJwravkamen to;n kuvrion) konfrontiert werden.45 Damit wird Thomas zur Figur, mit der sich die nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums identifizieren können. Über die Gestalt des an Ostern abwesenden Thomas werden diejenigen, die bei dem in V.19 berichteten Kommen Jesu zu den Jüngern nicht anwesend waren, mit in die Thomasgeschichte hineingeholt. In der Bedingung, die Thomas in V.25 stellt, klingt implizit die Frage an, wie sie zum Glauben gelangen können. 2.2 Das Erscheinen Jesu als Voraussetzung zur Überwindung des Unglaubens (Joh 20,26f.) Auf die Darstellung des Ausgangsproblems in V.24f. folgt der Bericht von der Erscheinung Jesu vor Thomas in Joh 20,26f.: 26 kai; meq≠ hJmevra" ojktw; pavlin h\san e[sw oiJ maqhtai; aujtou` kai; Qwma`" met≠ aujtw`n. e[rcetai46 oJ ≠Ihsou`" tw`n qurw`n kekleismevnwn kai; e[sth eij" to; mevson kai; ei\pen: eijrhvnh uJmi`n. 27 ei\ta levgei tw`/ Qwma`/: fevre to;n davktulovn sou w|de kai; i[de ta;" cei`rav" mou kai; fevre th;n cei`rav sou kai; bavle eij" th;n pleuravn mou, kai; mh; givnou47 a[pisto" ajlla; pistov". 44

26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger wieder drinnen und Thomas [war] mit ihnen zusammen. Als die Türen verschlossen waren, kam Jesus, trat in die Mitte und sprach: ‚Friede sei mit euch.ʻ 27 Danach sagte er zu Thomas: Strecke deinen Finger hierher und sieh meine Hände, und strecke deine Hand aus und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig.

Für die Bestimmung der Bedingung des Thomas in V.25 als Zeichenforderung spricht die Verwandtschaft mit Joh 4,48, vgl. T HEOBALD , Osterglaube, 119. 45 Dieser Punkt kommt zu kurz in der Interpretation von R ILEY, Resurrection, 118f., der meint, dass der Evangelist Thomas gezielt in Joh 11,16; 14,5 und 20,24–29 erwähnt, um dessen Zweifel an der Möglichkeit der leiblichen Auferweckung herauszuarbeiten. 46 Es handelt sich dabei um ein historisches Präsens, vgl. BROWN, John II, 1025. 47 Zu givnomai im Sinne von „sich erweisen“, „sein“, „sich zeigen“ siehe auch Joh 15,8; vgl. dazu B AUER, ALAND, Wörterbuch, s.v. givnomai II,1, Sp.320. Der Imperativ Präsens im Verbot (mh; givnou) unterstreicht den durativen Charakter (vgl. BDR §335 und

184

Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

In Joh 20,26f. wird eng an V.19f. angeknüpft. Die Verbindungen zeigen sich durch die parallele Zeitangabe, nach der sich die Offenbarung Jesu vor Thomas und den Jüngern exakt eine Woche später als die Erscheinung vor den Jüngern in V.19f. ereignet. Die analoge Struktur der beiden Szenen setzt sich in der auf die Zeitangabe folgenden Beschreibung des Ortes und der Situation der Jünger fort: Wie in V.19 sind die Jünger auch in V.26 im Inneren eines Hauses versammelt und die Türen sind verschlossen. Auch die daran anschließende Schilderung der Offenbarung Jesu entspricht bis ins Detail der Szene in V.19f.: Nachdem der Auferstandene „gekommen“ (Joh 20,26, vgl. V.19) und mit den Worten „Friede sei mit euch“ in die Mitte der Jünger getreten ist (Joh 20,26, vgl. V.19.21), weist er wie in V.20 auf seine Hände und seine Seite hin. In der Thomasgeschichte tut er dies nur im Unterschied zur Erzählung von der Offenbarung Jesu vor den Jüngern nicht mit einer Geste (e[deixen), sondern mit den Worten an Thomas fevre to;n davktulovn sou w|de kai; i[de ta;" cei`rav" mou kai; fevre th;n cei`rav sou kai; bavle eij" th;n pleuravn mou. Außerdem verbindet der Auferstandene den Hinweis auf seine Hände und seine Seite in V.27 mit einer ausdrücklichen Aufforderung zum Sehen (i[de), zur Berührung (bavle) und zum Glauben (mh; givnou a[pisto" ajlla; pistov"48).49 Wesentlich ist, dass der johanneische Jesus in V.27 auf das Anliegen des Thomas eingeht. Dass Jesus dem Verlangen des Thomas nach Vergewisserung durch das eigene Sehen und Berühren entspricht, wird formal mit der parallelen Gestaltung der Worte des Thomas in V.25 und der des Auferstandenen in V.27 hervorgehoben: Der Auferstandene lässt Thomas nicht nur eine Erscheinung zuteil werden, die mit der vorausgegangenen Offenbarung vor den Jüngern gleichwertig ist; er wiederholt auch wortgetreu, was Thomas gesagt hatte, und zeigt sich mit dem Hinweis auf die Wundmale als der Gekreuzigte. Daher wird an der Zeichenforderung des Thomas keine, oder zumindest keine explizite Kritik geäußert.50 Wie in Joh 20,11–18 und in 20,19–23 wird aber auch in der Thomaserzählung betont, dass das Erkennen der Person Jesu erst durch das Kommen Jesu und seine Selbsterschließung möglich wird. Das Osterzeugnis der Jünger wäre bei Thomas erfolglos geblieben, wenn Jesus nicht selbst gekommen wäre. Mit 336,3): Etwas, das bereits andauert, soll aufhören; die in V.25 zum Ausdruck gebrachte Haltung des Thomas wird daher vom johanneischen Jesus als Unglaube qualifiziert. Vgl. dazu BROWN, John II, 1026: „Thomas is being asked to change his attitude.“ Brown übersetzt deshalb „do not persist in your disbelief.“ 48 Dieses Wortpaar findet sich nur hier im Johannesevangelium. 49 Zu den Parallelen zwischen der Thomasgeschichte und Joh 20,19f. siehe W EIDEMANN, Tod, 487 mit Anm. 184. 50 So z.B. auch T HEOBALD, Osterglaube, 120; GRUBER, Sehen, 72.79. Anders BROWN, John II, 1045, für den der Vergleich mit der Bemerkung in Joh 4,48 zeigt, dass Johannes die Forderung des Thomas missbilligt.

4.2 Die Christuserkenntnis des Thomas

185

seiner erneuten Offenbarung schafft der Auferstandene die Voraussetzungen für die Lösung der Krise im Bekenntnis des Thomas in V.28. 2.3 Das Bekenntnis des Thomas (Joh 20,28) Die Erzählung von der Offenbarung Jesu vor Thomas kulminiert in Joh 20,28 in dem letzten Christusbekenntnis eines Jüngers, das in Joh 1,19– 20,31 belegt ist: ajpekrivqh Qwma`" kai; ei\pen aujtw`/: oJ kuvriov" mou kai; oJ qeov" mou.

Thomas antwortete und sprach zu ihm: „Mein Herr und mein Gott“. (Joh 20,28).

Die Reaktion des Thomas ist, wie die einleitenden Worte ajpekrivqh Qwma`" kai; ei\pen aujtw/` zeigen, eine Antwort auf die Aufforderung Jesu aus V.27. Sie bezieht sich deshalb in beiden Teilen auf Jesus; kai; oJ qeov" mou kann nicht von Jesus abgelöst auf Gott Vater bezogen werden.51 Formal handelt es sich sowohl um eine Anrede52 als auch um ein Bekenntnis. 53 Von den vorangegangenen Christusbekenntnissen der Jünger unterscheidet sich das Thomasbekenntnis dadurch, dass es sich auf den Auferstandenen bezieht, der sich durch den Hinweis auf seine Wundmale in seiner Identität mit dem Gekreuzigten erwiesen hat. Es enthält daher das Wissen um den Kreuzestod Jesu. Die Anrede Jesu mit oJ kuvriov" mou kai; oJ qeov" mou ist im Johannesevangelium singulär. Jesus wird in Joh 1,19–19,42 häufig kuvrio" genannt, ohne dass kuvrio" dabei in jedem Fall ein Hoheitstitel ist.54 Auch in Joh 20,15 ist kuvrio" eine gewöhnliche, auf den vermeintlichen Gärtner bezogene Anrede, während kuvrio" in Joh 20,18.20.25 als Bezeichnung für den Auferstandenen möglicherweise titular gebraucht ist.55 Joh 20,28 ist insofern ein besonderer Fall, weil kuvrio" hier mit qeov" kombiniert ist. Durch das epexegetische kaiv wird oJ kuriov" mou in V.28 näher bestimmt als oJ

51

Vgl. z.B. auch B ULTMANN, Johannes, 538f.; W ILCKENS, Johannes, 315f.; THYEN, Johannesevangelium, 769; BARRETT, Johannes, 548f.; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 395–398; ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 291f.; SCHNELLE, Johannes, 307; VAN BELLE , Christology, 455; H ARRIS, God, 106f.; KEENER, John, 1211. 52 Zum Nominativ- statt der Vokativform in der Anrede vgl. BDR §147,2 Anm. 5. HARRIS, God, 110f. spricht von oJ qeov" mou als „an exclamatory address, an exclamation specifically directed to Jesus as its subject and recipient.“ 53 Dieses ist verkürzt (ohne „su ei\“), vgl. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 396. 54 Vgl. z.B. Joh 4,11; 6,34.38; 11,3.12.34.39; 13,6.9.36. In Joh 12,21 wird Philippus als kuvrio" angeredet. 55 So RUSCHMANN, Maria, 95 (für Joh 20,18). In Joh 20,2.13 ist kuvrio" hingegen Bezeichnung für den Leichnam Jesu.

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Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

qeov" mou.56 Aufgrund von dieser Erläuterung durch oJ qeov" hat oJ kuvrio" hier einen eindeutig titularen Charakter:57 Thomas hat erkannt, dass ihm im Auferstandenen Gott selbst begegnet; der Auferstandene ist für ihn – in einem gleich noch zu präzisierenden Sinne – Gott. Signifikant für die bekennende Anrede des Auferstandenen als oJ kuvriov" mou kai; oJ qeov" mou sind neben ähnlich lautenden Wendungen etwa im Bereich des Kaiserkults58 vor allem Analogien im biblischen Sprachgebrauch. Im Alten Testament ist die Kombination der Bezeichnungen kuvrio" und qeov" in der Anrede und im Bekenntnis zum Gott Israels belegt, teilweise auch versehen mit dem für das Thomasbekenntnis charakteristischen Personalpronomen mou. In Sach 13,9 (LXX) wird über den geläuterten „Rest“ verheißen: „er wird meinen Namen anrufen … und er wird sagen: Herr, mein Gott“ (aujto;" ejpikalevsetai to; o[nomav mou … kai; aujto;" ejrei` Kuvrio" oJ qeov" mou). In Ps 85,15 (LXX) und Ps 87,2 (LXX) findet sich die Verbindung von kuvrio" und qeov" in der Gebetsanrede59; in 1 Kön 18,39 (LXX); Jer 38,18 (LXX) oder 2 Sam 7,28 (LXX) im preisenden Bekenntnis des Gottes Israels.60 Am nächsten steht Joh 20,28 die Anrede Gottes im Gebet durch oJ qeov" mou kai; oJ kuvriov" mou in Ps 34,23 (LXX).61 Betrachtet man das Bekenntnis des Thomas in Joh 20,28 vor diesem Hintergrund des Gebetsrufes der Psalmen, wird deutlich, dass mit oJ kuvriov" mou kai; oJ qeov" mou auf Jesus nicht nur die Bezeichnungen angewandt werden, die Israel für Gott gebraucht; das 56

Zum epexegetischen kaiv in Joh 20,28 vgl. auch ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 292 mit Anm. 20. 57 Vgl. B ULTMANN, Johannes, 538 Anm. 7; BROWN, John II, 1026. 58 Bei Sueton erscheint die in der Literatur zu Joh 20,28 oft zitierte Wendung „Dominus et Deus noster“ im Munde Domitians, der sich selbst in einem amtlichen Rundschreiben so genannt wissen will (Sueton, Domitian 13,2); vgl. z.B. B ULTMANN, Johannes, 538 Anm. 8; VAN B ELLE, Christology, 455f. und 456 Anm. 63; KEENER, John, 1211f. Dass Domitian als Gott bezeichnet wurde, wird auch in Dion Chrysostomus, Or. 45,1 erwähnt. Siehe zu „dominus deusque“ auch Martial, Ep. V,8.1 („edictum domini deique nostri“); VII,34.8; VIII,2; IX,66,3; X,72. Sollte eine entsprechende Bezeichnung für den Herrscher als kulturelles Wissen im Johannesevangelium vorausgesetzt sein, schwingt möglicherweise in dem Christusbekenntnis des Thomas eine polemische Note gegen den Kaiserkult mit, vgl. dazu VAN B ELLE, Christology, 455–457 mit Anm. 63 (Lit!); ZUMSTEIN, Saint Jean (13–21), 292 Anm. 20; W ENGST, Johannesevangelium II, 299 Anm. 84. 59 Ps 85,15 LXX (kai; suv, kuvrie oJ qeov" …); Ps 87,2 LXX (Kuvrie oJ qeo;" th`" swthriva" mou …). 60 1Kön 18,39 LXX (… ajlhqw`" kuvriov" ejstin oJ qeov", aujto;" oJ qeov"); Jer 38,18 LXX (ejpivstreyovn me, kai; ejpistrevyw, o{ti su; kuvrio" oJ qeov" mou); 2Sam 7,28 LXX (kai; nu`n, kuvriev mou, kuvrie, su; ei\ oJ qeov"). Zu diesen und weiteren alttestamentlichen Belegen für die Verbindung von kuvrio" und qeov" in der Gottesanrede vgl. BULTMANN, Johannes, 538 Anm. 8.; VAN B ELLE, Christology, 455f. 61 Siehe auch Ps 43,5 (LXX): „su; ei\ aujto;" oJ basileuv" mou kai; oJ qeov" mou …“.

4.2 Die Christuserkenntnis des Thomas

187

Bekenntnis des Thomas ist auch eine Äußerung der Anbetung. 62 Nicht weit davon entfernt ist die Anrede oJ kuvrio" kai; oJ qeo;" hJmw`n in Apk 4,11, die auch dort in einem doxologischen Kontext erscheint und auf Gott Vater bezogen ist.63 Mit der Anrufung Jesu als „mein Herr und mein Gott“ in Joh 20,28 wird Jesus daher in die Verehrung des einzigen Gottes einbezogen.64 Durch die auffallenden Personalpronomina und die Kombination von qeov" mit kuvrio" erinnert das Christusbekenntnis des Thomas weiterhin an die Äußerung Jesu über Gott Vater aus Joh 20,17 (ajnabaivnw pro;" to;n patevra mou kai; patevra uJmw`n kai; qeovn mou kai; qeo;n uJmw`n ), wo qeov" mit pathvr verbunden ist. Mit dieser Parallelisierung bringt der Evangelist zum Ausdruck, dass Jesus jetzt für Thomas ist, was Gott Vater für Jesus ist.65 Vor allem aber erreicht Thomas mit seiner in V.28 geäußerten Christuserkenntnis die christologische und theologische Ebene der Aussagen des Prologs in Joh 1,1 und 18 über den lovgo" als Gott.66 In Joh 1,18 ergibt sich die Prädikation des „Einziggeborenen“ als Gott67 aus 62

Das Pronomen mou zeigt in V.28 also weit mehr als nur die persönliche Färbung des Bekenntnisses an, wie SADANANDA, Exegesis, 18 meint, der mou als Relativierung deutet („mou … personalizes Thomas’ confession, making supreme faith an act of personal experience“). Zu V.28 als Ausruf der Anbetung vgl. auch T HEOBALD, Gott, 44–50; W EIDEMANN, Tod, 491. Zur Verehrung Jesu als Gott siehe auch den Hinweis bei BARRETT, Johannes, 549 auf den Bericht über die Christen in Plinius, Ep. X,96 (7), demzufolge diese versicherten, sie seien an einem festgesetzten Tag vor Sonnenaufgang zusammengekommen und hätten Christus als ihrem Gott einen Wechselgesang gesungen („carmenque Christo quasi deo dicere“). 63 Zum Hinweis auf Apk 4,11 vgl. z.B. BROWN, John II, 1047. 64 Diesen Gesichtspunkt hebt Theobald mit Recht hervor, siehe T HEOBALD, Gott, 44– 50, bes. 48. HARRIS, God, 129 weist im Zusammenhang des Thomasbekenntnisses außerdem treffend auf Joh 5,23 hin, wo das Ziel im Blick ist, dass „alle den Sohn ehren wie sie den Vater ehren“; mit dem Christusbekenntnis in Joh 20,28 wird Jesus verehrt wie der Vater verehrt wird. Ähnlich urteilt auch KREMER, Überlegungen, 2167. 65 BROWN, John II, 1048 deutet das Thomasbekenntnis darüber hinaus als „Antwort“ auf die Zusage Jesu aus Joh 20,17, nach der „sein Vater und sein Gott“ jetzt auch Vater und Gott der Jünger ist: „As we pointed out (…), xx 17 promised that after Jesus’ ascension God would become a Father to the disciples who would be begotten by the Spirit, and also would in a special way become the God of a people bound to him by a new covenant. The words that Thomas speaks to Jesus are the voice of this people ratifying the covenant that the Father has made in Jesus. As Hos ii 25(23) promised, a people that was formerly not a people has now said, ‘You are my God’“. 66 In Joh 1,18 spricht die äußere Bezeugung besonders auch durch P 66 und P 75 für die Lesart qeov", siehe METZGER, Commentary, 169f. Zum Bogen, der mit dem Bekenntnis in Joh 20,28 zur Spitzenaussage über den Logos als Gott in Joh 1,1.18 geschlossen wird, siehe z.B. auch SCHENKE, Johannes, 380 und viele andere. 67 „Gott“ ist Attribut zu „der Einziggeborene“, da monogenhv" hier wohl wie in V.14 Substantiv ist. Für diese Deutung von „Gott“ in Joh 1,18 spricht auch die Inklusion mit Joh 1,1c (kai; qeo;" h\n oJ lovgo"), vgl. THEOBALD, Johannes (1–12), 136; T HYEN, Johannesevangelium, 105f.

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Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

dessen einzigartiger Beziehung zum Vater, die mit der Näherbestimmung Jesu als oJ w[n eij" to;n kovlpon tou` patrov" zum Ausdruck gebracht wird. In Joh 1,1 entspricht dem die Kennzeichnung des lovgo" durch kai; oJ lovgo" h\n pro;" to;n qeovn. Charakteristisch für die Vorstellung von Jesus bzw. dem lovgo" als Gott in Joh 1,1 und 18 ist also, dass dieser aus der Nähe zum Vater lebt. Dies erklärt auch, weshalb in Joh 1,18 über den „Einziggeborenen“ gesagt werden kann, dass jener [sc. Gott, den keiner je gesehen hat,] „kundgetan“ hat. Gemeint ist damit, dass Jesus den Gott, der von ihm als der „Vater“ unterschieden ist und den „keiner je gesehen hat“, sichtbar gemacht hat; Jesus ist die authentische „Auslegung“ Gottes, welcher abgesehen von Jesus menschlichem Erkennen entzogen ist. Jesus bringt dies in Joh 14,9 mit dem Satz auf den Punkt „wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“68 Während Thomas nach der Darstellung der johanneischen Erzählung vor dem Weggang Jesu ebensowenig wie die Jünger insgesamt in der Lage ist, in Jesus den Vater zu sehen, bringt er jetzt mit seinem Bekenntnis zu Jesus als seinem Herrn und Gott explizit zum Ausdruck, dass er in Jesus Gott Vater sieht. Das Christusbekenntnis des Thomas ist daher nicht nur der herausragende Höhepunkt an christologischer Einsicht, sondern auch die Klimax an theologischer Erkenntnis, die von einer der Personen, die im Johannesevangelium eine Rolle spielen, überhaupt geäußert wird. Jetzt hat Thomas Jesus mit Bultmanns Worten „so gesehen, wie er gesehen werden will und soll“; er hat erkannt, dass Jesus der ist, in dem man den Vater sieht und erkennt.69 Am Beispiel des Thomas kann nun die erste der beiden Ausgangsfragen beantwortet werden, die zu Beginn von Kapitel 4 gestellt wurden, nämlich, wie die Beziehung der Jünger zu Gott als Vater Wirklichkeit werden kann in Anbetracht der Tatsache, dass der Aufstieg Jesu zum Vater für die Jünger gleichbedeutend mit ihrer Trennung von Jesus und damit auch von Gott Vater ist. Nach der Analyse der Thomasperikope ist deutlich, dass Joh 20,28 Auskunft über die Voraussetzungen dafür gibt, dass das Verhältnis zu Gott als Vater möglich wird. Nachdem sich der Auferstandene Thomas in seiner Identität mit dem Gekreuzigten gezeigt hat, sieht Thomas in Jesus 68

Siehe auch Joh 12,45. In Joh 1,18 wird wie in Joh 12,45 und 14,9 zum Ausdruck gebracht, dass in Jesus der unsichtbare Gott sichtbar wird, siehe dazu B ARRETT, Christocentric or Theocentric, 8 und die Auslegung von Joh 1,18 in H IRSCH-LUIPOLD, Gott wahrnehmen. M ICHAELS, John, 1018 fasst den Sinn der Erkenntnis des Thomas zusammen: „He realizes that … ‘Believe in God, and believe in me!’ (14:1) amount to the same thing.“ 69 B ULTMANN, Johannes, 539. Feldmeier hebt mit Recht hervor, dass das Bekenntnis zu Jesus in Joh 20,28 im Unterschied zu der Formel, die Domitian nach Sueton, Domitian 13,2 auf sich selbst anwendet, nicht darauf zielt, „ihn von den anderen Menschen qua Göttlichkeit abzugrenzen, sondern darauf, den Glaubenden den Weg zum Vater zu eröffnen“, FELDMEIER, SPIECKERMANN, Gott, 82.

4.3 Der Glaube der µὴ ἰδόντες

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den Vater. Jetzt wird auch auf seiner Seite Wirklichkeit, was Jesus in Joh 20,17 äußert, aber in der Zeit vor dem erneuten Kommen Jesu und dem Sehen der Jünger einschließlich des Thomas nicht möglich war; er gewinnt eine Beziehung zu Gott als Vater.

3. Der Glaube der mh; ijdovnte" (Joh 20,29) 4.3 Der Glaube der µὴ ἰδόντες

Joh 20,29 hat als letztes Wort Jesu vor dem ersten Buchschluss in Joh 20,30f. ein besonderes Gewicht: Levgei aujtw/` oJ ≠Ihsou`": o{ti eJwvrakav" me pepivsteuka": makavrioi oiJ mh; ijdovnte" kai; pisteuvsante".

Jesus sprach zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du.70 Selig sind diejenigen, die nicht sehen und glauben.

Die doppelte Erwähnung von pisteuvein jeweils am Schluss des Versteils V.29a und b verrät, dass der Schwerpunkt in V.29 auf der Feststellung des Glaubens liegt.71 Die Äußerung Jesu bezieht sich in ihrem ersten Teil auf Thomas. Mit dem Perfekt pepivsteuka" hebt Jesus die Bedeutung seines in Joh 20,28 zum Ausdruck gebrachten Glaubens hervor:72 Thomas hat die Person und das Wesen des Auferstandenen, der, wie gesehen, gegenüber den Jüngern in Joh 20,19–27 die Rolle Gottes wahrnimmt,73 mit seinem Bekenntnis in V.28 erfasst. Mit seinem Kommentar qualifiziert Jesus das Bekenntnis des Thomas als angemessen. Es ist das höchste und – in johanneischer Sicht – zugleich treffendste Christusbekenntnis, welches von einer der Personen der Erzählung berichtet wird. Als Grund für seinen Glauben wird mit o{ti eJwvrakav" me auf die Tatsache verwiesen, dass Thomas Jesus gesehen hat. Damit wird festgehalten, dass Thomas jetzt die gleiche Erfahrung gemacht hat wie die Jünger am Ostertag (V.20.25). Auffallend ist dabei, dass Jesus nur das Sehen thematisiert. Das Berühren, welches Thomas gefordert (V.25) und zu welchem Jesus ihn ebenso wie 70

Ob es sich dabei wie in Joh 1,50; 4,35; 16,31 um eine Frage handelt (so z.B. B ULTMANN, Johannes, 539; B ERNARD, John, 684), oder um eine Feststellung (so z.B. BROWN, John II, 1027; WEIDEMANN, Tod, 492; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 398; B ARRETT, Johannes, 549), ist schwer zu entscheiden. Hier wird V.29a nicht als Frage, sondern als bestätigende Feststellung interpretiert, in der die Art, durch welche Thomas zu seinem Glauben gefunden hat, nicht abgewertet wird, vgl. auch GRUBER, Sehen, 77. 71 Zur Bedeutung des Glaubens in der Thomasgeschichte siehe die Verwendung von pisteuvein in V.25.29 (bis) und pistov" in V.27. 72 Das Perfekt verleiht dem pisteuvein ein besonderes Gewicht; es bringt mit FREY, Eschatologie II, 104f. „Intensität“ zum Ausdruck. 73 Siehe oben 178f.

190

Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

zum Sehen (und zum Gläubigwerden) aufgefordert hatte (V.27), erwähnt er nicht. Ob daraus der Schluss zu ziehen ist, dass Thomas sein Bekenntnis in V.28 äußert, ohne seinen Finger in die Wundmale Jesu gelegt zu haben,74 ist allerdings fraglich. Dass Jesus auf die Frage, ob Thomas ihn berührt hat, nicht eingeht, und die Erzählung diesen Punkt in der Schwebe lässt, weist eher darauf hin, dass ihm in dem Bericht kein besonderes Gewicht zukommt, dem Wechsel des Thomas vom Unglauben zum Glauben aufgrund der Tatsache, dass er den Auferstandenen gesehen hat, hingegen umso mehr.75 Genau dies ist aber nun der Punkt, an welchem sich Thomas von den Lesern des Evangeliums fundamental unterscheidet. Zu Beginn der Thomasgeschichte, wo er den Zweifel derer repräsentierte, die an Ostern nicht dabei waren und mit dem Zeugnis der Christusgläubigen konfrontiert werden (V.24f.), diente Thomas noch als Identifikationsfigur für die nach Ostern Lebenden. Nachdem er jetzt aber selbst den Auferstandenen gesehen hat, steht die Differenz zwischen ihm und den Lesern des Evangeliums im Vordergrund. Dies wird im zweiten Teil der Äußerung Jesu in V.29b deutlich. Jetzt wird in der dritten Person Plural eine Gruppe von Menschen genannt, die als oiJ mh; ijdovnte" gekennzeichnet werden. Sie haben den Auferstandenen weder bei seinem Kommen zu den Jüngern noch – wie Thomas – acht Tage später im Jüngerkreis gesehen. Ihre Situation ist mit der in V.24 geschilderten Lage des Thomas vergleichbar, der am Tag des Erscheinens Jesu vor den Jünger nicht anwesend war. Indem der johanneische Jesus jetzt diese Personengruppe ins Spiel bringt, schlägt er eine Brücke von der Welt der Erzählung in die Welt der nach Ostern lebenden Leser des Evangeliums, die im Unterschied zu Maria, den Jüngern und Thomas Jesus nicht gesehen haben. Auf welche Weise diejenigen, die den Auferstandenen nicht gesehen haben, zum Glauben gelangen, wird in Joh 20,29b nicht thematisiert:76 Der 74

Nach MOST, Finger, 85f. schließt die Verwendung von ajpokrivnesqai in V.28 (‚antworten‘ im Sinne der unmittelbaren und sofortigen Entgegnung) eine narrative Lücke, in der eine (vom Erzähler nicht erwähnte) Berührung stattgefunden haben könnte, aus. „Zwischen dem, was Jesus sagt, und dem, was Thomas sagt, ist kein Raum für ein Geschehen, das Thomas Worte motivieren könnte. Thomas Ausruf ist durch die Worte, die Jesus an ihn richtet, veranlaßt und durch nichts anderes.“ Nur so kann die Thomasperikope, so Most, ihr Ziel erreichen, die Leser, die Jesus nicht sehen und berühren können, zum Glauben zu führen, siehe ebd., 87. 75 Dafür spricht auch, dass in V.29b mit dem Nichtsehen die Frage des Sehens thematisiert wird und nicht die des Berührens. 76 Der Gegensatz zwischen Sehen und Nichtsehen legt nahe, dass der johanneische Jesus im Blick auf die Nichtsehenden an den Weg zum Glauben denkt, den Thomas für sich nicht angenommen hat, das heißt, dass diejenigen, die Jesus nicht gesehen haben, aufgrund der Botschaft derer zum Glauben kommen, die den Herrn gesehen haben (vgl. Joh 20,25). Dass in Joh 20,29 implizit daran gedacht ist, dass die Nichtsehenden neben dem

4.3 Der Glaube der µὴ ἰδόντες

191

Akzent liegt hier ganz auf der Tatsache, dass sie glauben. Pisteuvein wird dabei wie in Joh 20,8b.25.29a absolut verwendet; daher ist hier wie in V.29a das Bekenntnis zu Jesus als oJ kuvriov" mou kai; oJ qeov" mou (Joh 20,28) der Bezugspunkt des Glaubens derer, die mit der Seligpreisung in V.29b gemeint sind.77 Während die Aufmerksamkeit in Joh 20,19–29a auf die Jünger und Thomas gerichtet war, die durch ihr Sehen zum Glauben kamen (Joh 20,20.29a), weitet sich in Joh 20,29b der Blick; jetzt geht es nicht mehr um die ersten Zeugen, sondern um die Glaubenden aller Zeiten und damit auch um die Leser, an die Johannes beim Abfassen des Evangeliums denkt. Mit der Seligpreisung aller Glaubenden ermutigt der Evangelist vor allem sie: Dass sie Jesus nicht gesehen haben, ist kein Manko. Trotz ihrer zeitlichen und räumlichen Distanz zu Jesu Leben und Wirken und den Osterereignissen sind sie als spätere Generation gegenüber den Augenzeugen nicht im Nachteil. In Joh 20,29b wird die Kluft zwischen denen, die Augenzeugen des Lebens und Sterbens Jesu und der Erscheinungen des Auferstandenen wurden, und denen, die diese Erfahrungen nicht machen konnten, entschärft, ohne dass die Ostererscheinungen oder das Sehen der Jünger bzw. des Thomas abgewertet werden. 78 An dieser Stelle kann nun auch das zweite Problem, das eingangs von Kapitel 4 aufgeworfen wurde, gelöst werden, nämlich die Frage, wie die Beziehung der nach Ostern lebenden Generationen zu Gott als Vater nach dem Aufstieg Jesu Wirklichkeit werden kann: Im letzten Wort Jesu vor dem ersten Buchschluss in Joh 20,30f. unterstreicht Johannes, dass der Christusglaube entscheidend für das Heil der Leser des Evangeliums ist. Damit schlägt er den Bogen zum Prolog, in welchem er den hermeneutischen Rahmen für die Lektüre des Evangeliums absteckt; der Seligpreisung der Glaubenden in Joh 20,29b entspricht das, was Johannes in Joh 1,12 zum Ausdruck bringt, wo er den Glaubenden die Gotteskindschaft ersten Zeugnis der Jünger auch durch das schriftliche Zeugnis, das Johannes in seinem Evangelium niederlegt, zum Glauben kommen, ist auch durch den Hinweis auf „dieses Buch“ in den folgenden Versen Joh 20,30f. wahrscheinlich, siehe W EIDEMANN, Eschatology, 283; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium III, 399 und viele andere. 77 In V.29b ist also wie in V.28 an einen Glauben gedacht, der Jesus in die Verehrung des einzigen Gottes einbezieht (vgl. auch Joh 1,1, siehe 18), vgl. auch VAN B ELLE, Christology, 442; FREY, Ich habe den Herrn gesehen, 282; BONNEY, Caused, 170. 78 Wie STOLLE, Jesus, 73 Anm. 43 mit Recht festhält, wird in V.29b keine Kritik an den Ostererscheinungen geübt. Thomas „hätte zwar aufgrund des Zeugnisses anderer Jünger glauben können, aber nicht ohne ein Osterzeugnis überhaupt.“ Ähnlich urteilt auch KREMER, Überlegungen, 2168. Auch eine Abwertung des Sehens gegenüber dem Nichtsehen lässt sich V.29 und dem narrativen Kontext in V.19–29 nicht entnehmen. Dass Thomas in V.29b indirekt kritisiert wird, ist daher fraglich, siehe dazu auch SCHNEIDERS, Touching, 169f.; LEE, Partnership, 47f.; O’B RIEN, Written that you may believe, 295. Das Lob der Späteren ist keine Zurücksetzung der unmittelbaren Zeugen, vgl. HIRSCH-LUIPOLD, Gott wahrnehmen, 271–338, bes. 322–335.

192

Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

ankündigt. Dass diejenigen, die nicht sehen und glauben, in Joh 20,29b seliggepriesen werden, ist der Höhepunkt nicht nur der Thomasgeschichte, sondern des ganzen Evangeliums.79 Am Ende des Evangeliums hebt Johannes gegenüber seinen Lesern die Heilsbedeutung des Glaubens hervor, die er bereits am Anfang des Evangeliums in Joh 1,12f. betont hatte. Wie in Joh 20,29b die Seligpreisung jedem gilt, der glaubt, gilt die Verheißung der Gotteskindschaft in Joh 1,12 auch allen Glaubenden. Die Beziehung zu Gott als Vater ist nicht an die eigene Anwesenheit bei den in Joh 20,11–18 und 19–28 geschilderten Osterereignissen, sondern an den Christusglauben gebunden.

4. Ergebnis 4.4 Ergebnis

Ausgangspunkt von Kapitel 4 war die Frage, wie die in Joh 20,17 thematisierte Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater von der Jüngerseite aus Wirklichkeit werden kann. Diese Frage stellt sich vor allem angesichts der Tatsache, dass der Aufstieg Jesu die Trennung der Jünger von Jesus bedeutet, in dem Gott Vater präsent ist. Ungeklärt ist auch das textpragmatische Problem, wie die in Joh 20,17 angesprochene Gottesbeziehung im Blick auf die Leser des Evangeliums, deren Gegenwart von der Abwesenheit Jesu geprägt ist, Realität werden kann. Mit der Analyse der Berichte von den Erscheinungen Jesu vor den Jüngern und vor Thomas in Joh 20,19–29 konnte beides geklärt werden. In der Offenbarung Jesu vor den Jüngern (Joh 20,19–23) steht das Verhältnis der Jünger zum Auferstandenen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Auffallend ist die Rolle, in der Jesus den Jüngern in Joh 20,19–23 gegenübertritt: Er zeigt sich als Auferstandener nicht nur in seiner Identität mit dem Gekreuzigten (V.20), sondern nimmt ihnen gegenüber die Rolle Gottes wahr. Dies ist zum einen daran erkennbar, dass er mit göttlicher Macht ausgestattet ist, indem er etwa verriegelte Türen überwindet oder über den Geist verfügt. Zum anderen erfüllt er, wenn er die Jünger sendet und ihnen den Geist mitteilt, den Jüngern gegenüber Funktionen, wie Gott Vater sie ihm gegenüber wahrgenommen hatte.80 Bei der Geistmitteilung handelt es sich zudem um eine schöpferische Tätigkeit, die in der biblischen Überlieferung von Gen 2,7, auf die in Joh 20,22 wohl angespielt wird, Gott zukommt. Indem der Auferstandene den Jüngern in Joh 20,22 den Geist gibt, vermittelt er ihnen am Ostertag wie in einem Akt der Neuschöpfung ein neues Sein, welches ihr Handeln als das seiner Gesandten wirksam sein 79

Treffend bezeichnet DODD, Interpretation, 443 Joh 20,29b als „the true climax of the gospel“. 80 Siehe oben 178f.

4.4 Ergebnis

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lässt. Dass sie durch den Geist zu Gotteskindern werden, wird in Joh 20,19–23 allerdings nicht angedeutet.81 Das Wiedererkennen Jesu durch die Jünger wird mit den Worten „und sie freuten sich, als sie den Herrn sahen“, zurückhaltend in Form eines Autorenkommentars geschildert (V.20b). Im Anschluss an die Sendung und Geistbegabung der Jünger in V.21–23 wird nichts mehr über eine Reaktion der Jünger berichtet. Aus der Tatsache, dass sie später die Auferweckung Jesu mit dem Ruf „wir haben den Herrn gesehen“ bezeugen (V.25), geht aber hervor, dass sie in Joh 20,19–29 als österlich Glaubende angesehen werden, auch wenn weder von ihrem Glauben noch von ihrem Erkennen oder Verstehen ausdrücklich die Rede ist. Mit dem Aufstieg Jesu und seinem Erscheinen vor den Jüngern kommt es daher zu einem neuen Verhältnis der Jünger zu ihm als auferstandenem Gekreuzigtem. Der Glaube wird erst in Joh 20,24–29 explizit erwähnt (pisteuvein in V.25b.27.29). Dort wird das Verhältnis des Thomas und all derer zum Auferstandenen thematisiert, die wie Thomas beim Kommen Jesu zu den Jüngern nicht anwesend waren. Das Bekenntnis des Thomas ist zum einen der Höhepunkt an christologischer Einsicht, die eine der Gestalten im Johannesevangelium überhaupt zu erkennen gibt, weil es das neue Verhältnis des Thomas zu Jesus zum Ausdruck bringt, das er durch das Sehen des auferstandenen Gekreuzigten gewonnen hat. Zum anderen ist das Thomasbekenntnis aber auch die Klimax an theologischer Erkenntnis, die im Johannesevangelium von einer der Personen der Erzählung geäußert wird. Dies ergibt sich daraus, dass in Joh 20,28 auf die Prologaussage in Joh 1,18 (siehe 1,1) zurückgegriffen wird, wo mit der Bezeichnung Jesu als „Gott“ zum Ausdruck gebracht wird, dass Jesus Gott Vater sichtbar gemacht hat. Mit seinem Bekenntnis zu Jesus als Gott tut Thomas daher kund, dass er in Jesus Gott Vater gesehen und erkannt hat. Damit ist seine Beziehung zu Gott als Vater, die aus der Sicht Jesu bereits bestand (Joh 14,7.9), auch von seiner Seite aus Wirklichkeit geworden. In textpragmatischer Hinsicht ist die Tatsache wichtig, dass Thomas zu seinem Glauben an Jesus als „Gott“ kommt, weil er ihn gesehen hat (V.29a). Dies wirft nämlich die Frage auf, wie die Beziehung zu Gott als Vater den nach Ostern lebenden Generationen möglich wird, die Jesus nicht mehr wie Thomas und die Jünger der Erzählung unmittelbar begegnen können. Darauf wird im letzten Wort Jesu vor dem ersten Buchschluss mit der Seligpreisung derer, die glauben, ohne zu sehen, geantwortet 81

So deutet z.B. BROWN, John II, 1038 die Geistesgabe in Joh 20,22: „Now they are truly Jesus’ brothers and can call his Father their Father (xx 17).“ Mit Bezug auf DODD, Interpretation, 227 hält er fest: „The gift of the Spirit is the ‘ultimate climax of the personal relations between Jesus and his disciples’.“ Ähnlich interpretiert auch BEASLEYMURRAY, John, 378.

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Kapitel 4: Voraussetzungen für die Beziehung zu Gott als Vater

(V.29b). Hier schlägt der Evangelist die Brücke aus der Welt der Erzählung in die Welt der Leser des Evangeliums. Entscheidend für das Heil ist, so der Evangelist in Joh 20,29b, nicht das unmittelbare Sehen des Auferstandenen, sondern der Glaube. Dabei handelt es sich um den Glauben, dass der auferstandene Gekreuzigte „Gott“ ist, das heißt, dass Gott Vater in ihm sichtbar und erkennbar ist (Joh 1,18; 14,7.9). Mit dem Übergang vom Jüngerkreis der Zeit Jesu zu den Glaubenden aller Zeiten knüpft Johannes in Joh 20,29b wieder an den Anfang an, wo in Joh 1,12 die Glaubenden insgesamt im Blick sind. Dort hatte Johannes den Lesern zu verstehen gegeben, dass der Glaube die Voraussetzung für die Gotteskindschaft ist. Die Vollmacht, Gotteskinder zu werden, erhalten nach Joh 1,12 nicht diejenigen, die beim österlichen Kommen Jesu dabei waren und den Auferstandenen gesehen haben, sondern alle, die den lovgo" aufgenommen haben, das heißt, an seinen Namen glauben. Mit der Seligpreisung all derer, die (wie Thomas) glauben und (anders als Thomas) nicht sehen, schließt die Thomasperikope mit einer Einladung zu diesem Glauben, der die Gotteskindschaft ermöglicht. Die implizite Aufforderung zum Glauben in V.29b wird in V.30f. explizit an die Leser des Evangeliums gerichtet. Ob es dazu und damit auch zur Beziehung derer zu Gott als Vater kommt, die Jesus nicht unmittelbar begegnet sind, oder nicht, bleibt allerdings am Ende des Evangeliums offen.

Schluss Die vorliegende Untersuchung nahm ihren Ausgang bei der Rede von Gott als Vater im Johannesevangelium. Im Blick auf die Frage, als wessen Vater Gott dargestellt wird, weist das vierte Evangelium einen signifikanten Befund auf: Bis Joh 20,17 richtet sich die Aufmerksamkeit der Personen der Erzählung konsequent auf Gott als den Vater Jesu. So bezeichnet Jesus Gott im Johannesevangelium bis Joh 20,17 nirgends ausdrücklich als den Vater anderer, noch nennen andere Personen der Erzählung Gott explizit ihren Vater. Eine Ausnahme bilden lediglich die gläubig gewordenen Juden in Joh 8,41, die diesen Anspruch nach dem Urteil des johanneischen Jesus in Joh 8,42 jedoch zu Unrecht erheben. Dies ändert sich in Joh 20,17 grundlegend, indem Jesus jetzt, in Verbindung mit seinem Aufstieg zum Vater, Gott explizit auch als den Vater der Jünger bezeichnet. Dieser Äußerung kommt daher ein besonderes Gewicht im Johannesevangelium zu, welches noch dadurch verstärkt wird, dass Joh 20,17 mit der Rede von Gott als dem Vater der Jünger an die Äußerung des Erzählers in Joh 1,12 anknüpft, dass der Logos denen, die ihn aufgenommen haben, die Vollmacht gegeben hat, Kinder Gottes zu werden. Mit der in Joh 1,12 thematisierten Gotteskindschaft bildet die Rede von Gott als dem Vater der Jünger in Joh 20,17 einen Spannungsbogen um das ganze Evangelium. Davon ausgehend bestand das Ziel der Untersuchung darin, zu klären, welche Rolle die Vorstellung von Gott als dem Vater der Jünger in der theologischen und literarischen Komposition des Johannesevangeliums insgesamt spielt. Die Aufmerksamkeit richtete sich zunächst auf die Abschiedsreden, weil der johanneische Jesus in ihnen die Beziehung zwischen Gott als Vater und den Jüngern eigens thematisiert, ohne aber Gott jemals als „Vater“ der Jünger zu bezeichnen. Die Textpassagen Joh 13,31–14,31 und 16,4b– 33 wurden in den Kapiteln 1 und 2 daraufhin befragt, aus welchen Gründen das Verhältnis zwischen Gott als Vater und den Jüngern im Johannesevangelium gerade in der Situation des Abschieds zur Sprache gebracht wird. Auch galt es, die in den Abschiedsreden genannten Voraussetzungen dafür zu erhellen, dass die dort geschilderte Beziehung zwischen Gott als Vater und den Jüngern aus johanneischer Sicht Wirklichkeit werden kann.

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Schluss

Dabei ergab die Exegese von Joh 13,31–14,31 in Kapitel 1, dass die Äußerungen Jesu über die Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater in dieser Rede mit dem Gang Jesu zum Vater korreliert sind, den der Erzähler in Joh 13,1 ankündigt. Sie antworten auf das in Joh 13,31–38 angedeutete Ausgangsproblem, das in der von den Jüngern bzw. den nach Ostern lebenden Lesern des Evangeliums nicht aufhebbaren Trennung von Jesus durch seinen „Weggang“ und in der ihnen damit drohenden Gottesferne besteht. Demgegenüber verheißt Jesus den Jüngern bzw. den Lesern des Evangeliums eine gesteigerte Nähe zu ihm selbst und eine intensivere Beziehung zu Gott nach seinem Weggang, und zwar in Gestalt eines Verhältnisses zu Gott als Vater. In der Entfaltung dieses Gedankens im ersten Abschnitt des Hauptteils der Rede (Joh 14,2–14) spricht Jesus zunächst von der künftigen Gemeinschaft der Jünger mit ihm und seinem Vater im Haus seines Vaters, die durch sein Wiederkommen in der Zukunft möglich wird (Joh 14,2f.). Aber auch die von seinem Weggang geprägte Gegenwart ist keine Zeit der Gottesferne. Vielmehr stehen die Jünger, so Jesus, schon jetzt in Beziehung zu Gott Vater; sie erkennen seinen Vater nämlich schon jetzt und haben ihn gesehen (Joh 14,7; siehe V.9). Diese Beziehung zu Gott Vater hat ihren Grund in der Erkenntnis Jesu (Joh 14,7) und im Glauben an ihn, zu dem Jesus die Jünger nachdrücklich aufruft (Joh 14,11, siehe auch V.10.12). Zu dieser christologischen Erkenntnis sind die Jünger und mit ihnen die Leser des Johannesevangeliums allerdings in der vom Abschied Jesu geprägten Gegenwart nicht in der Lage. Ihre Reaktionen in Joh 14,5.8 zeigen vielmehr ihre Distanz zu Jesus und zu Gott Vater. Auf der textpragmatischen Ebene spiegelt sich darin das Unverständnis der nach Ostern lebenden Leser des Johannesevangeliums wider, die gegenwärtig nicht imstande sind, Jesus als den zu erkennen, in dem der Vater präsent, sichtbar und erkennbar ist. Darauf antworten die Verheißungen im zweiten Abschnitt des Hauptteils der Rede (Joh 14,15–26). Hier fordert der johanneische Jesus nicht zum Glauben auf, sondern spricht von seinem erneuten Kommen in der Gegenwart des Geistes und dem dann möglichen Sehen der Jünger (Joh 14,16f.18f.), welches zur Aufhebung ihrer Distanz zu ihm und dem Vater führen und ihnen die Erkenntnis schenken wird, dass sie „in Jesus“ in das wechselseitige Verhältnis von Vater und Sohn einbezogen sind (Joh 14,20). Mit der Verheißung der Liebe des Vaters und der Rede davon, dass Vater und Sohn gemeinsam kommen und in dem, der Jesus liebt, Wohnung nehmen werden (Joh 14,21.23), ist der Höhepunkt der Äußerungen Jesu über Gott als Vater in Joh 13,31–14,31 erreicht. Entscheidend ist dabei, dass die hier verheißene Nähe des Vaters an die Liebe zu Jesus (ajgapa`n in V.15.21.23f.) und das Halten des Wortes Jesu gebunden ist. Die Frage, wie dies nach dem Weggang Jesu möglich sein wird, klärt sich durch den Hinweis auf die Tätigkeit des Geistes. Durch sein leh-

Schluss

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rendes und erinnerndes Wirken schafft er die Voraussetzungen dafür, dass die Christen nach dem Weggang Jesu das Wort Jesu hören, verstehen und halten können, und legt damit das Fundament für die neue Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater in der Zeit nach dem Abschied Jesu (Joh 14,26). Auch die in Kapitel 2 behandelten Äußerungen Jesu über die Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater in Joh 16,4b–33 stehen im Kontext der Thematik des Weggangs Jesu. In dieser Textpassage der Abschiedsreden ist aber eine andere Ausgangsproblematik vorausgesetzt als in Joh 13,31–14,31. Die Untersuchungen der in Joh 16,4b–33 enthaltenen Aussagen Jesu über die Liebe des Vaters zu den Jüngern, ihr Gebet zum Vater (im Namen Jesu) und die Erhörung ihrer Bitten durch den Vater ergaben, dass diese eine Antwort auf die Verstehenskrise der Jünger darstellen, welche die Bedeutung der Ankündigungen Jesu über seinen Weggang (Joh 16,4b–7) und seiner Verheißung, dass sie ihn sehen werden, nicht begreifen (Joh 16,16–19). Darin spiegelt sich auf der textpragmatischen Ebene das Problem wider, dass Jesus für die nach Ostern lebenden Christen nicht sichtbar ist. Mit den Antworten, die Jesus in der ersten Abschiedsrede auf das Problem seines Weggangs und der Trennung von ihm gegeben hatte, ist diese Schwierigkeit für die Jünger bzw. die Leser des Evangeliums nicht gelöst. Dem wirkt, so der johanneische Jesus in Joh 16,4b–33, zum einen der Geist entgegen, der den Jüngern mit seiner auf die Gegenwart und die Zukunft ausgerichteten Verkündigung beistehen wird (Joh 16,12–15). Zum anderen verheißt Jesus den Jüngern und mit ihnen den Lesern des Evangeliums, dass ihre jetzige Distanz zu ihm aufgehoben werden wird, indem er selbst die Initiative ergreift, die Jünger „sieht“ und so den Wandel vom Nichtverstehen zu umfassendem Verstehen und von der Trauer zu bleibender Freude herbeiführen wird (Joh 16,20–23a). Das in Joh 16,23f.26f. beschriebene innige Verhältnis zwischen dem Vater und den Jüngern ist Folge dieses großen Wandels, der die Jünger mit ihrem Verstehen zur Liebe zu Jesus und dem Glauben an seine Herkunft aus Gott befähigen wird. In der auffallenden Tempusverwendung in Joh 16,27 wird dabei die nachösterliche Perspektive des Auferstandenen zum Ausdruck gebracht, für den sowohl die Liebe des Vaters zu den Jüngern als auch die Liebe der Jünger zu Jesus und ihr Glaube an ihn bereits verwirklicht sind. Wie in Joh 13,31–14,31 ist also auch in Joh 16,4b–33 die Beziehung der Jünger – und mit ihnen der nach Ostern lebenden Christen – zu Gott als Vater darin begründet, dass auf ihrer Seite die subjektiven Voraussetzungen in Gestalt ihrer christologischen Erkenntnis, ihres Glaubens an Jesus und ihrer Liebe zu ihm erfüllt sind. An Jesus glauben und ihn lieben ist aus der Sicht von Joh 13,31–14,31 und 16,4b–33 konstitutiv für die Beziehung zu Gott als Vater. Vor allem aber ist die Liebe zu Jesus und

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Schluss

der Glaube an seine Herkunft aus Gott nach Joh 8,42 Kennzeichen der Gotteskindschaft. Dass Jesus Gott auch in den Abschiedsreden dennoch nie explizit als „Vater“ der Jünger bezeichnet oder die Jünger „Kinder“ Gottes oder seine „Brüder“ nennt, hat seinen theologischen Grund darin, dass die Jünger vor dem Weggang Jesu (noch) nicht an Jesus glauben und ihn (noch) nicht lieben (Joh 14,27f.; 16,31f.). Auf der Ebene der Erzählung wird dies durch die Lokalisierung der Abschiedsreden vor dem Einschnitt, der mit dem Gang Jesu zum Vater erfolgt, zum Ausdruck gebracht. Das in Kapitel 3 besprochene Wort Jesu an Maria, dass er zum Vater aufsteigt (Joh 20,17), markiert im Johannesevangelium in theologischer und kompositorischer Hinsicht einen Wendepunkt. Mit dieser Ankündigung knüpft Jesus an das an, worauf der Erzähler in Joh 13,1 mit dem Gang Jesu aus dieser Welt zum Vater hingewiesen und was er selbst den Jüngern in Joh 13,31–14,31 und 16,4b–33 mit den Äußerungen über seinen „Gang zum Vater“ (Joh 14,12.28; 16,10.27.28) angesagt hatte. Sein Aufstieg hat, wie Jesus in Joh 20,17 entfaltet, eine soteriologische Bedeutung für die Jünger, die jetzt im Verhältnis zu Gott als Vater stehen: Mit ihm beginnt eine neue „Epoche“ im Verhältnis zwischen den Jüngern und Gott als ihrem Vater und Jesus als ihrem Bruder. Wesentlich ist dabei, dass zu dem in Joh 20,11–18 erzählerisch vorausgesetzten Zeitpunkt die Jünger jedoch noch nicht imstande sind, ihr Verhältnis zu Jesus und Gott Vater so zu deuten, wie Jesus es in Joh 20,17 tut. Mit Jesu Aufstieg tritt ja ein, was in den Abschiedsreden auf der Ebene der Erzählung bevorstand, die Trennung von Jesus, die für die Jünger in diesem Stadium der Erzählung gleichbedeutend mit dem Verlust der Gottesbeziehung ist. In den Ostererzählungen in Joh 20,19–29, die in Kapitel 4 untersucht wurden, werden nun die Voraussetzungen dafür geschildert, dass die von Jesus in Joh 20,17 thematisierte Beziehung zwischen den Jüngern und Gott als Vater auch von der Seite der Jünger aus Wirklichkeit werden kann. Der entscheidende Wandel wird für die Jünger durch das Erscheinen des auferstandenen Gekreuzigten am Ostertag herbeigeführt. Indem sie im Auferstandenen den Gekreuzigten wiedererkennen, gelangen die Jünger (Joh 20,20.25) und vor allem Thomas (Joh 20,28) zu einer christologischen Erkenntnis, zu der keine der Personen der johanneischen Erzählung zuvor in der Lage war. Mit seinem Bekenntnis zu Jesus als „Gott“ bringt Thomas zum Ausdruck, dass er in Jesus Gott Vater sieht und erkennt (siehe Joh 14,7.9). Damit wird auch von seiner Seite aus die von Jesus in Joh 20,17 erwähnte Beziehung zum Vater Wirklichkeit. Auf die Frage, wie diese für die nach Ostern lebende Generation, die Jesus nicht mehr unmittelbar begegnen kann, realisiert werden kann, antwortet Jesus mit der Seligpreisung in Joh 20,29b. Entscheidend für das Heil ist nicht das Sehen des Auferstandenen, sondern der Glaube, dass in Jesus Gott Vater erkennbar ist. Mit

Schluss

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dem Übergang von Thomas und den Jüngern der Erzählung zu den Glaubenden aller Zeiten in Joh 20,29b schlägt der Evangelist den Bogen zum Prolog zurück, wo er denen, die an Jesu Namen glauben, die Gotteskindschaft verheißt (Joh 1,12). Auf dieser Basis lassen sich nun auch die Aussagen Jesu, die allgemein von einer Beziehung anderer Menschen zu Gott Vater wissen, im johanneischen Gesamtkonzept einordnen, dessen Eckpunkte Joh 1,12 und 20,17 bilden. Wenn Jesus etwa in Joh 4,23 davon spricht, dass die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten, spiegelt sich darin in nachösterlicher Retrospektive ein Verhältnis der Glaubenden zum Vater wider, welches ihnen in dieser Form nach dem Gang Jesu zum Vater, der Gabe des Geistes an sie und ihrer Erkenntnis, dass in Jesus Gott Vater sichtbar ist, möglich sein wird. Dasselbe gilt für die verallgemeinernden, den engen Jüngerkreis transzendierenden Äußerungen aus Joh 13,31–14,31 und 16,4b–33 über die Beziehung dessen zu Gott als Vater, der Jesus gesehen hat (Joh 14,9b), an Jesus glaubt (Joh 14,12, vgl. 14,10f.) und ihn liebt (Joh 14,21.23). Auch in diesen Worten Jesu wird die Zeit nach seinem Gang zum Vater reflektiert, in welcher der Glaube an ihn und die Liebe zu ihm möglich ist, die nach Joh 8,42 kennzeichnend für die Gotteskinder ist. Zum anderen erklärt sich jetzt auch die neue Qualität in den Äußerungen Jesu über die Beziehung zu Gott als Vater in den Abschiedsreden, die ihren Höhepunkt in seinen Worten über die Liebe des Vaters (Joh 14,21.23; 16,27), das Gebet zum Vater im Namen Jesu und die Gebetserhörung (Joh 15,16; 16,23f., vgl. V.26) finden. Sie reflektieren die besondere Innigkeit im Verhältnis zwischen dem Vater, Jesus und den Christusgläubigen, die nach dem Gang Jesu zum Vater und dem dadurch möglichen neuen Verhältnis zur Person Jesu Wirklichkeit werden wird. Dass auch in dieser „Epoche“ des neuen Gottesverhältnisses das Gebet immer noch im Namen Jesu erfolgt, ist ein Indikator dafür, dass die besondere Vaterbeziehung Jesu, welche Jesus selbst in Joh 20,17 mit der signifikanten Differenzierung zwischen „meinem Vater“ und „euerm Vater“ hervorhebt, trotz der Einbeziehung der Jünger in das Verhältnis zu Gott als Vater nach wie vor besteht. Darin liegt die particula veri des Urteils derer, die in Joh 20,17 die Differenz zwischen Jesus und den Jüngern im Gottesverhältnis hervorgehoben sehen.1 Auch Jesu Rede von pathvr mou in Joh 14,2.7.20.21.23 zeigt, dass Gott der Vater Jesu bleibt, auch wenn er in Beziehung zu anderen und diese zu ihm in Beziehung treten. An seinem exklusiven Vaterverhältnis hält der johanneische Jesus also auch dann noch fest, wenn die Nähe zum Vater, welche er den Jüngern bzw. den Glaubenden verheißt, für diese realisiert sein wird. 1

Siehe oben 6, Anm. 28.

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Stellenregister

1. Bibel 1.1 Altes Testament Die Anordnung der Schriften folgt der Septuaginta. Kursiv gesetzte Seitenzahlen verweisen auf Fundstellen allein in den Fußnoten. 2. Buch Samuel 1,17 128 7,28 LXX 186

Genesis 2,7 LXX

179f., 192

Exodus 3,12 16 25,8 33,13f. LXX 33,18 LXX 34,9

75 179 95 90f. 90f. 75

1. Buch der Könige 17,17–24 164 17,21 LXX 179 18,39 LXX 186

Numeri 11,7–9

179

Nehemia 9,15 9,20

179 179

Ester 2,22

90

2. Buch der Könige 4,34–36 LXX 164

Deuteronomium 2,7 6,4f. 6,13 6,16 8,2–4 8,16 31,6 31,8

75 1 1 1 179 179 75 75

Josua 5,12

179

2. Buch der Makkabäer 3,7 90 11,8 158 11,29 90

Richterbuch 6,23

176

4. Buch der Makkabäer 9,20 182

1. Buch Samuel 16,7 150

1. Buch der Makkabäer 7,38 51

Psalmen 6,4f. 6,6

43 43

220

Stellenregister

(Fortsetzung Psalmen) 24,5 LXX 117 34,23 LXX 186 41,6 43 41,7 43 41,12 43 42,5 LXX 43 43,5 LXX 186 46,8 75 46,12 75 54,5 LXX 43 78,23–25 179 85,11 117 85,15 LXX 186 87,2 LXX 186 105,40 179 139,1f. 150 139,4 150 142,3f. 43 142,10 LXX 117 Proverbien 1,28 1,32 8,35 8,36

34 34, 36, 40 35 34, 36, 40

Hohes Lied 3,1–4

158

Hiob 28,12f. 29,12 31,17

34 77 77

Sirach 39,3 42,18 42,20

141 150 150

Jesaja 29,17 40,3 41,23 42,9 43,1 44,7f. 44,7 45,19 46,10

33 1 118 118 161, 179 118 118 118 118

(Fortsetzung Jesaja) 48,14 118 66,5–17 LXX 131 66,7–9 LXX 131 66,10–14 LXX 131 66,14 LXX 131f. Jeremia 1,8 22,10 LXX 24,7 31,34 38,18 LXX

75 128 66 66 186

Baruch 3,15–38 3,28

34, 36 36, 40

Hosea 1,4 5,6 13,14

33 34 66

Amos 5,18–20 8,11f.

85 34

Joel 1,15 2,1f. 2,11 3,4 4,14

85 85 85 85 85

Zephania 1,14–18

85

Sacharja 2,14f. 13,7 13,39 LXX

95 151 186

Ezechiel 37,5f. 37,9 LXX 37,27

179 179 95

Daniel 7,9 10,19

158 176

221

Stellenregister

1.2 Neues Testament Matthäus 3,3 4,7 4,10 5,16 5,35 5,45 5,48 6,1 6,4 6,6 6,8 6,9–13 6,9 6,14 6,15 6,18 6,26 6,32 6,38 6,39 7,7–11 7,11 7,16 10,1 10,5–42 10,20 10,29 10,32 10,33 11,25 11,26 11,27 12,50 13,43 15,13 16,16 16,17 16,27 16,28 17,11 18,10 18,14 18,19f. 18,19 18,35 19,4 20,23 21,22

1 1 1 1 1 1, 13 1 1 1 1 1, 138, 150 138 1, 3 1 1 1 1 1, 138 2 2 138, 139 1, 139 2 178 178 1 1, 13 1 1 1 1 1 1 1 1 2 1 1 150 54 1 1 138 1 1 1 1 138

21,31 22,37 23,7 23,8 23,9 24,36 25,34 26,25 26,29 26,39 26,42 26,49 26,53 26,56 26,63 26,64 27,53 28,2–6 28,3 28,9f. 28,10 28,16–20 28,19f. 28,19

1 1 161 161 1 1 1 161 1 1 1 161 1 152 2 1 91 158 158 13, 18, 168 12, 167–169 177 180 1

Markus 1,3 3,13–19 5,7 5,34 5,41f. 6,7–13 8,38 9,3 9,5 10,51 11,21 11,24 11,25 12,30 13,32 14,36 14,45 14,50 14,62 15,34 16,1 16,5 16,6f.

1 173 1 178 164 178 1 158 161 161 161 138 1, 13, 138, 139 1 1 1 161 152 1 151f. 156 158 167

222

Stellenregister

(Fortsetzung Markus) 16,6 160 16,7 180 16,11 12, 80 16,12 159 Lukas 1,32 1,35 1,49 1,76 2,29 2,49 3,4 4,8 4,12 4,17f. 6,35 6,36 7,32 7,50 8,48 9,1–6 9,26 10,1–12 10,5 10,21 10,22 10,27 11,2–4 11,2 11,9–13 11,13 12,30 12,32 12,54f. 22,29 22,42 22,69 23,34 23,46 24,4 24,5f. 24,5 24,6f. 24,16 24,23 24,34 24,36–49 24,36 24,39f.

1 1 1 1 1 1 1 1 1 164 1 1, 13 128 178 178 178 1 178 176 1 1 1 138 1 138, 139 1, 139 1, 13 1, 13 54 1 1 1 1 1 158 158 80, 160 12 159 80 167 177 176 176

24,47 24,48 24,49 Johannes 1–20 1–13 1–12 1,1–12,50 1,1 1,4 1,5 1,9 1,10f. 1,11 1,11–13 1,12f. 1,12 1,13 1,14 1,17 1,18 1,19–20,31 1,19–19,42 1,19–12,50 1,19 1,23 1,26 1,28 1,29–34 1,33 1,35–51 1,35–39 1,38 1,39 1,45f. 1,47–50 1,47–49 1,47f. 1,47 1,48 1,49 1,50 1,51 2,4 2,12 2,13 2,16 2,23

180 180 1

6, 181 15 86 16 187f., 193 80 151 30 151 30, 48 6, 18 2, 8, 15f., 192 2, 6, 8, 10, 16, 19f., 191f., 194f., 199 2 1, 2f., 15, 119, 187 119 1, 2f., 15, 64, 187f., 193f. 185 185 15–17 3 2 175 31 41 41, 179 173, 178 31f. 32, 161 32, 85, 167 134 134 150 134, 154 134 134 134, 155, 161 189 163, 164 25 168 19, 163 1, 3, 48 82

Stellenregister (Fortsetzung Johannes) 2,24f. 150 3,1–21 2 3,2 4, 161 3,3–10 8 3,3–5 15 3,11 151 3,12 2 3,13 163 3,16–21 15 3,19 151 3,22–26 2 3,22 74 3,27–30 2 3,29 130 3,31–36 2 3,31 32 3,32 151 3,35 1, 2f., 20, 41, 120 3,36 15 4,1 173 4,11 185 4,16–19 150 4,21 1, 151 4,23 1, 5, 17, 19, 151, 199 4,25 118 4,31 161 4,34 2 4,35 189 4,36 130 4,37 141 4,38 69, 178 4,48 182–184 4,53 49 5,1 19, 163 5,6 134 5,17–19 64 5,17 1, 3 5,18 1, 2, 4f. 5,19–23 40 5,19 1, 40 5,20 1, 20 5,21 1, 5, 17, 40 5,22 1, 40 5,23 1, 5, 17, 187 5,24 2 5,25f. 80 5,25 151 5,26 1, 80 5,28f. 55 5,30 2 5,36 1, 68

5,37 5,43 5,44 5,45 6,2 6,3 6,5 6,9–13 6,14 6,22 6,24f. 6,25 6,27 6,28 6,31 6,32 6,34 6,37 6,38 6,39f. 6,40 6,43–46 6,44 6,45 6,46 6,47 6,49 6,54 6,57 6,62 6,60f. 6,65 6,66f. 6,66 7 7,1–18 7,3 7,5 7,7 7,8 7,10 7,13 7,14 7,17f. 7,21 7,25–36 7,26 7,28 7,30 7,32 7,33f.

223 1 1, 3, 32 2 1 82 74 134 138 134 5 5 161 1, 179 4 179 1, 3, 5, 17 185 1, 5, 17 185 55, 85 1, 3, 82 15 1, 5, 17, 85 1, 5, 17 1 1 179 85 80 12, 163f. 173 1, 5, 17 152 152, 173 168 19 82, 168 168 168 163 163, 168 142, 174 19, 163 119 1 35 142 2 25 33, 37 31, 33–36, 38, 40, 58, 123

224

Stellenregister

(Fortsetzung Johannes) 7,33 2, 46, 58, 74, 77, 78, 103 7,34 33f., 36, 46 7,35 33f. 8,12 32 8,14 35f. 8,16 1, 151 8,18 1 8,19 1, 2f. 8,20 25, 108 8,21f. 46 8,21 31, 33, 35–38, 40, 58 8,22 35 8,26 2, 96 8,27 1, 2 8,28 1, 96, 119 8,29 2, 75, 152 8,31–47 8, 89 8,31f. 118 8,31 94, 173 8,35 48f., 51 8,37 94 8,38 1 8,40 118 8,41–47 89, 147f. 8,41f. 89 8,41 1, 2–4, 89, 148, 195 8,42 1, 4, 13, 88f., 147f., 155, 195, 197, 199 8,43 89, 148 8,45 118 8,46f. 89 8,46 118, 148 8,49 1, 3 8,51f. 182 8,54 1, 3 8,55 66 8,56 85, 130 9,1–41 134 9,1 134, 154 9,2 161 9,4 2 9,16 4, 74 9,22 174 9,24 4 9,28 173 9,29 4 9,31 4 9,33 4, 134 9,38 2, 134, 154 9,39 32

10,1–5 10,3f. 10,4 10,6 10,10 10,14f. 10,15 10,17f. 10,17 10,18 10,19 10,24 10,25 10,27 10,29 10,30 10,31 10,32 10,33–38 10,33 10,36 10,37 10,38 11,2 11,3 11,8 11,11 11,12 11,13 11,14 11,16 11,22 11,24 11,25 11,27 11,31 11,33 11,34 11,38 11,39 11,41f. 11,41 11,43f. 11,45 11,47–53 11,50 11,51f. 11,52 11,54 11,55 12,3 12,8

141 160 32, 46 141f. 32 66 1 35, 159 1, 20 1, 3 74 142 1, 3, 68 32, 160 1, 3, 5, 17 1, 41, 59, 64 116 1 64 4 1 1, 3 1, 41, 64 2 185 161 143 143, 185 143 142, 143 58, 181f., 183 4 85 80 32 49, 114, 128 43, 114, 128, 134, 154 134, 185 134 134, 185 134, 139 1, 3, 4, 20, 134 134, 164 134 8 114, 181 181 5, 9, 15 74 19, 163 49 74, 75, 116

Stellenregister (Fortsetzung Johannes) 12,13 2 12,20 163 12,21 185 12,23 16f., 25, 28, 29, 43, 66, 151 12,24 25, 181 12,26 1, 5, 17, 37, 46, 52 12,27f. 20, 25, 29 12,27 1, 3, 43 12,28 1, 3, 41 139 12,29 41 12,31 100 12,32f. 25, 165 12,32 46, 54 12,33 181 12,35 33, 74, 75, 77, 78, 123 12,36 108 12,38 2 12,42 174 12,44 2 12,45 63, 82, 188 12,48 85 12,49 1, 96 12,50 1, 96 13f. 107 13,1–21,25 17 13–17 26, 29, 38 13,1–17,26 16, 26, 50 13 14 13,1–38 26 13,1–30 26 13,1 1, 2, 20, 25, 52, 58, 66, 151, 170, 196, 198 13,2 100, 188 13,3 1, 2, 26, 41, 58, 120, 149 13,6 185 13,9 185 13,13 2 13,15f. 178 13,16 99 13,19 66, 93, 100 13,20 2, 178 13,21 43 13,29f. 155 13,30 26 13,31–17,26 105 13,31–16,33 26, 105, 106, 141, 149 13,31–14,31 10, 20, 25–104, 27, 37, 39, 42, 68, 105f., 108f.,

13,31–38 13,31f. 13,31 13,32 13,33–14,31 13,33–38 13,33

13,34f. 13,35 13,36–38 13,36f. 13,36

13,37 13,38 14 14,1–31 14,1–29 14,1–27 14,1 14,2–26 14,2–14 14,2f.

14,2 14,3 14,4–14 14,4–11 14,4–6 14,4f. 14,4 14,5–7 14,5

14,6–11 14,6f.

225 114f., 124, 131, 152– 155, 195f., 198f. 25–28, 38f., 44, 47, 101, 196 27–29, 155 26, 28f., 66, 97, 155 29, 155 29, 107, 197 27, 30, 36 26, 28–33, 35, 36–41, 43, 45–47, 52, 56, 58, 60f., 67, 70, 74f., 77f., 99, 101–103, 112, 123, 148, 152, 153, 170 28, 30 173 28, 58 125 26, 30–33, 36–41, 43, 45, 46, 47, 52, 56, 58f., 60, 67, 70, 77f., 99, 101f., 112f., 148, 152, 153, 170, 185 38 26, 151 106f., 148 26 27 27, 41 26f., 41–44, 47, 68, 72, 98, 101, 176 27, 98 27, 44, 68, 72, 196 10, 19, 28, 45, 47–48, 49, 50–53, 55, 56f., 58, 60, 61, 67, 68, 94–96, 101, 132, 148, 196 1, 3, 46–49, 51, 199 46, 48, 50–56, 57, 67, 79, 95, 99 101, 103 28, 56, 57, 67, 85, 101 67 52, 57, 61 57, 59, 67, 72, 99, 102f., 148, 152 122 57–59, 67, 72, 86, 99, 102, 112f., 125, 181, 183, 196 86 18, 102

226

Stellenregister

(Fortsetzung Johannes) 14,6 1, 10, 59–62, 65, 67, 74 80, 94, 102, 117, 119, 132, 181 14,7–11 61, 63, 68 14,7–9 85 14,7 1, 3, 10, 17, 61–64, 66, 85, 102f., 181, 193f., 196, 198f. 14,8f. 122 14,8 1, 2f., 63f., 72, 86, 102, 125, 196 14,9 1, 10, 17, 18, 63–68, 74, 85, 102f., 181, 188, 193f., 196, 198f. 14,10f. 41, 64, 68, 85f., 95, 199 14,10 1, 27, 44, 64, 85, 95, 103f., 119, 196 14,11 1, 27, 44, 64, 85–87, 99, 103f., 196 14,12–17 67 14,12–14 28, 55, 68, 70, 86, 102 14,12 1, 27, 44, 68–70, 103f., 113, 148, 196, 198f. 14,13f. 69f., 81, 136f. 14,13 1 14,14 70 14,15–26 27f., 72, 88, 103, 196 14,15–24 89 14,15–23 89 14,15f. 88 14,15 27, 72, 88f., 94, 99, 103f., 148, 196 14,16f. 28, 72–74, 76, 81f., 97, 98, 103, 153, 196 14,16 1, 73, 74f., 81, 88, 145, 146 14,17 42, 74, 75, 79, 81, 91, 95, 97, 117 14,18–24 67, 80 14,18–20 28, 72, 76, 80, 81, 84f., 88, 103 14,18f. 76–78, 80f., 83f., 86f., 125, 196 14,18 32, 42, 53, 56, 76f., 79, 81f., 87, 95f., 99, 132 14,19 33, 77–80, 82f., 87, 91f., 93, 121, 123, 154, 177

14,20

14,21–24 14,21–23 14,21

14,22 14,23f. 14,23

14,24 14,25–31 14,25f. 14,25 14,26 14,27–31 14,27f. 14,27 14,28–31 14,28

14,29 14,30f. 14,30 14,31 15–17 15f. 15 15,1–16,33 15,1–16,15 15,1–16,4 15,1–17 15,1 15,4 15,5 15,7 15,8 15,9–17 15,9 15,10 15,11 15,15 15,16

1, 3, 10, 18, 64, 76, 81, 83–87, 95, 143, 196, 199 28, 87f., 90, 132 72 1, 3, 10, 19, 20, 27, 72, 88–92, 94f., 99, 103f., 145–148, 196, 199 42, 91–93, 100, 125 27, 93f., 97, 99, 103f., 196 1, 3, 10, 19, 20, 27, 32, 48, 51, 53, 56, 72, 89f., 94–96, 99, 103, 132, 145–148, 196, 199 1, 27, 72, 89, 94, 96 27 28, 97 95, 97, 108, 141 1, 73, 97f., 103, 117, 153, 197 98, 104 198 26–28, 42, 43, 98f., 101, 104, 132, 176 27f. 1, 19, 27, 28, 32, 53, 88f., 99, 104, 113f., 148, 152, 198 28, 42, 72, 93, 100, 104 27, 28, 100, 104, 107 74 1, 26, 105–107, 113 105f. 26, 105–107 10 105, 108 108 107, 108f., 113, 114 108 1, 3, 107 108 70 70, 136 1, 3, 173, 183 30 1, 20 1, 3 108, 130, 141 1, 3 1, 18, 20, 70, 133, 136f., 199

Stellenregister (Fortsetzung Johannes) 15,18–16,15 108 15,18–16,4 42, 105, 108, 114, 115, 174, 176 15,18 96, 114 15,20 96 15,21 2 15,23f. 96 15,23 1, 3, 96 15,24 1, 3, 74, 96 15,26 1, 73, 74, 117 16 10, 106, 113 16,1 108, 141 16,2f. 114 16,2 108, 115, 129, 151, 153, 174 16,3 1, 66 16,4 141 16,4–33 20, 42, 105, 107–110, 113–115, 120, 122, 124, 131, 137, 141, 147, 149, 152–155, 195–199 16,4–15 109, 153 16,4–11 109 16,4–7 109f., 112f., 120, 122, 127f., 133, 142, 153f., 171, 197 16,4 74, 108f., 112, 114 16,5–7 105, 108, 114 16,5f. 113 16,5 2, 46, 108, 112–114, 126, 130, 136f., 148, 152 16,6 108, 113–115, 122, 127–129, 131, 133, 141, 153 16,7–15 115, 124, 140 16,7 12, 46, 53, 73, 108, 112, 114f., 117f., 122, 125, 148, 152, 153 16,8–15 109f., 117, 120, 153 16,8–11 109f., 116, 153 16,10 1, 46, 108f., 122, 124– 127, 137, 148, 152, 198 16,11 100 16,12–33 109 16,12–15 109f., 115, 153f., 197 16,12 116, 118f. 16,13–15 109f., 118, 119f., 144 16,13 74, 116, 117–120, 153 16,14f. 118, 119

16,14 16,15 16,16–33 16,16–24 16,16–23 16,16–19 16,16

16,17–19 16,17f. 16,17 16,18 16,19–24 16,19 16,20–24 16,20–23 16,20–22 16,20f. 16,20 16,21 16,22f. 16,22

16,23f.

16,23

16,24

16,25–33 16,25–28 16,25f. 16,25

16,26f. 16,26 16,27f. 16,27

227 119 1, 109, 120, 144 108, 109, 110, 153f. 110, 123, 141 134, 136 33, 109f., 120, 133, 171, 197 55, 74, 91, 105, 109, 120–127, 129, 131– 134, 136f., 141f., 154, 177 109, 125, 127, 142 120, 125–127, 131, 137, 142, 154 1, 74, 108, 113, 126 126 141 110, 126, 130, 136, 150 109f., 114, 123, 127, 130, 133, 142, 154f. 111, 127f., 131, 137, 197 109, 127, 129–131, 133 129 108, 113–115, 127– 129, 131 108, 114, 129 130, 135 55, 91, 108f., 111, 114, 129, 130, 131–134, 136f., 154, 177 18, 20, 70, 109, 110, 111, 133–140, 145, 155, 197, 199 1, 10, 109, 110, 127, 129, 130, 135–137, 140, 143, 145, 154f. 108, 110, 114, 129, 133, 135–137, 140, 145, 155 110, 141 109–111, 140, 149, 155 143, 145 1, 66, 109, 110, 111, 136, 140–144, 146, 150f., 155 10, 111, 145, 197 1, 20, 70, 110, 135f., 143, 145f., 199 149 1, 20, 88f., 111, 145– 147–149, 155, 197–199

228

Stellenregister

(Fortsetzung Johannes) 16,28 1, 108, 111, 148f., 198 16,29–32 111 16,29–33 109f., 149 16,29f. 109f., 149f. 16,29 141f., 150 16,30 150 16,31f. 110, 198 16,31 150f., 189 16,32 1, 75, 151f. 16,33 108, 110f., 141, 176 17 3, 145 17,1–26 26, 29 17,1–5 29 17,1 1, 3, 20, 105, 108, 139 17,3 2, 66 17,5 1, 3, 20, 139 17,8 120 17,9 145, 146 17,10 74, 120 17,11f. 75 17,11 1, 3, 20, 139 17,12 74f. 17,13 130, 132 17,15 145, 146 17,18 69, 178 17,20 145, 146 17,21 1, 3, 20, 41, 64, 139 17,23 20, 64, 89 17,24f. 139 17,24 1, 3, 20, 52, 55 17,25 1, 3, 20, 66 17,26 20, 30 18,1 105f. 18,2 74 18,3 100 18,4 37 18,5 74 18,7 37 18,8 152 18,11 1 18,14 114, 181 18,15–27 152 18,18 74 18,20 142 18,32 181 18,37 118 19,7 4 19,16–18 173 19,17 116 19,25–27 50 19,27 48, 50

19,28–30 19,30 19,31–37 19,33f. 19,33 19,34 19,38 19,41 20

20,1–18 20,1 20,1f. 20,2–10 20,2 20,3–18 20,3–10 20,5 20,6 20,8 20,11–18

20,11–15 20,11–13 20,11 20,12f. 20,12 20,13 20,14f. 20,14–18 20,14–17 20,14–16 20,14 20,15

20,16f. 20,16 20,17f. 20,17

20,18 20,19–29

176 178 176 182 182 176, 182 174 173 14, 54, 79f., 81–83, 92, 121, 124f., 130, 132, 165, 166, 174f. 157, 158, 167 156, 158, 169, 173 156f., 169 156 37, 157f., 166, 169, 170, 185 157 157, 169 169 82, 169 82, 169, 183, 191 20, 156f., 158, 160, 162, 166, 169f., 172, 175, 179, 184, 192, 198 114 156–158, 170 128, 157 157, 169 82, 169 37, 128, 158, 166, 169, 170, 185 170 82f., 159 54, 175 158f., 160, 169 82, 159, 166, 169, 175 37, 116, 128, 158, 159f., 166, 169, 170, 185 162 161, 162, 169f., 179 20, 162, 166f., 170, 173 1–14, 16, 18–21, 54, 156, 162–172, 175, 187, 189, 192, 195, 198f. 80, 82, 121, 123f., 132, 166, 168f., 173f., 185 20, 54, 83, 156, 166, 172, 175, 191–193, 198

229

Stellenregister (Fortsetzung Johannes) 20,19–28 192 20,19–27 189 20,19–23 82, 132, 172, 173f., 175, 180, 184, 192f. 20,19f. 132, 172–174, 176f., 182, 184 20,19 32, 80, 85, 172–176, 183f. 20,20 80, 82, 121, 123f., 129, 130, 132, 160, 166, 176f., 184f., 189, 191– 193, 198 20,21–23 55, 69f., 172, 177f., 180, 193 20,21f. 179f. 20,21 1, 69, 177f., 184 20,22 13, 130, 177, 179f., 192, 193 20,23 178, 180, 181 20,24–28 181 20,24–29 132, 173, 183, 193 20,24f. 65, 181–183, 190 20,24 32, 74, 80, 173, 181f., 190 20,25 80, 82, 121, 123f., 132, 166, 182–185, 189, 190, 191, 193, 198 20,26f. 58, 183f. 20,26 32, 74, 80, 174, 175, 176, 184 20,27 160, 163, 166, 184f., 189, 190, 193 20,28 1, 58, 162, 185–191, 193, 198 20,29 66, 80, 82, 121, 123f., 125, 132, 166, 172, 189–194, 198f. 20,30f. 44, 156, 189, 191, 194 21,4 159 21,15–17 88f., 148 21,17 128 21,18f. 37 21,22f. 55, 78 21,22 54 21,23 54, 168 Apostelgeschichte 1,3 80 1,10 158 9,40f. 164 15,33 178

16,36

178

Römerbrief 1,7 14,9 15,1

176 80 116

1. Korintherbrief 1,3 176 9,1 177 15,5 167 16,5f. 54 2. Korintherbrief 1,2 176 Galaterbrief 1,3 5,10

176 116

Epheserbrief 1,20 2,6 6,23

164 164 178

1. Thessalonicherbrief 4,17 51f. 5,10 52 Jakobusbrief 2,16

178

1. Petrusbrief 1,21 3,21f.

164 164

1. Johannesbrief 2,1 73 2,21 118 2,29–3,10 8 3,1f. 8 3,10–12 8 4,7f. 8 5,1–4 8 5,18–20 8 2. Johannesbrief 1 118 Offenbarung des Johannes 1,18 80 2,2f. 116

230

Stellenregister

(Fortsetzung Offenbarung) 3,4f. 158 4,11 187

7,9 7,13

158 158

2. Frühjüdische Literatur 1QS Gemeinschaftsregel IV,25 150 1QH Hodayot I,7 I,23f.

150 150

Apokalypse Abrahams 17,16 48 4. Esra 5,9f. 7,121

34 48

Äthiopischer Henoch 14,8–23 48 14,10–12 48 14,14f. 48 14,18 48 14,20 158 39,3–14 48 39,4–8 48 39,4 48 39,7f. 48 41,2 48 42,2 34 42,3 34 48,1 48 71,5–9 48 Slavischer Henoch 61,2f. 48

Josephus Antiquitates IV,43 IV,230 X,166

90 150 90

Jubiläenbuch 20,2 36,8

30 30

Liber Antiquitatum Biblicarum 19,12 48 Philo Legum Allegoriae III, 27 91 III, 101 91 Testamente der zwölf Patriarchen Testament Simon 4,7 30 Testament Issachar 5,2 30 Testament Dan 5,3 30 Testament Gad 6,1 30 Testament Hiobs 6,4 160 17,2 160 23,1 160 53 77

3. Rabbinische Literatur Mekhilta Exodus 13,2 77

Leviticus Rabba 15 [115c] 182

231

Stellenregister

4. Griechische und römische Autoren Aischylos Agamemnon 264f.

141

Apuleius Metamorphoses II, 28–30 164

Homer Odyssee VI, 19f.

174

Homerische Hymnen IV, 145–147 174 Martial Epigrammata V,8.1 VII,34.8 VIII,2 IX,66,3 X,72

186 186 186 186 186

Dion Chrysostomus Orationes 45,1 186

Philostrat Vita Apollonii IV, 45

164

Diodorus Siculus 14,11.2 90

Plinius Epistulae X,96 (7)

187

Sueton Domitian 13,2

186

Xenophon Agesilaos 1,12

90

Florida 19

164

Aristoteles Rhetorik 1371b

141

Epiktet Dissertationes III,24,14–16

77

5. Frühchristliche Schriften Ascensio Iesaiae 4,3 37 Aristides Apologia 2,8

164

Eusebius Historia ecclesiastica II,25 37 1. Klemensbrief 5,4 37

Melito von Sardes Peri Pascha 104 164 Petrusevangelium 39f. 165 Polykarp Philipperbrief 2,1

164

Register der Autorinnen und Autoren Anderson, P. N. 7 Appold, M. L. 63 Augenstein, J. 30 Back, F. 23, 160 Barrett, C. K. 6f., 23, 26, 29, 51, 54f., 93, 106, 113, 131, 132, 133, 141, 151, 156, 160, 174, 185, 187–189 Bauckham, R. 22, 59 Bauer, W. 27, 46, 53, 61, 73, 77, 82, 90, 93, 106, 123, 133, 141, 144, 173f., 181, 183 Beasley-Murray, G. R. 79, 193 Becker, J. 23, 26f., 30, 45, 47f., 53, 55, 57, 67, 79, 81, 87, 93, 96, 106, 108f., 112, 123, 135, 144, 157f., 165, 173, 177, 181 Behm, J. 73 Bergmeier, R. 8 Bernard, J. H. 189 Beutler, J. 43, 95 Bieringer, R. 7, 18f., 116, 158, 162, 165, 168f. Billerbeck, P. 76f., 182 Blank, J. 93, 123, 133 Bonney, W. 191 Boring, M. E. 74 Broer, I. 144 Brown, R. E. 2, 11–14, 23, 26, 29f., 32, 35, 47, 53, 55, 57, 60f., 66, 74, 81, 108f., 113f., 124, 126, 128, 129, 130, 131, 133, 135, 143f., 151, 157, 160– 163, 165, 167, 168, 169, 173, 176, 181, 183f., 186f., 189, 193 Bultmann, R. 2, 5, 26, 45, 54–56, 57, 61, 63, 64, 66, 69, 80f., 91, 93, 97, 109, 113, 115f., 123, 129–131, 135, 144, 151, 160, 162, 174, 185f., 188, 189 Chatman, S. 14 Corssen, P. 106 Culpepper, R. A. 8, 11, 14, 21f., 24, 41, 89, 122

DʼAngelo, M. R. 7 de Boer, M. C. 38 de la Potterie, I. 61 Delling, G. 9 Denaux, A. 23, 168 Dennis, J. A. 9 Dettwiler, A. 24, 26, 29f., 35, 38, 40, 43, 44, 47f., 57–59, 63–65, 67, 73, 78, 80f., 84, 86, 88, 97f., 100, 106, 107, 108–110, 113, 117, 120, 125, 129, 135f., 144 Dietzfelbinger, C. 26f., 30, 38, 59, 61, 69, 73, 80, 85f., 93, 106, 108f., 112, 123, 129, 141, 144, 151, 162, 167, 173 Dodd, C. H. 12, 55, 113, 138, 192f. Dschulnigg, P. 38 du Toit, D. S. 44 Ebner, M. 158, 161f. Feldmeier, R. 6, 188 Fischbach, S. M. 164 Fischer, G. 48 Frenschkowski, M. 159, 163, 175 Frey, J. 9, 11, 21, 23, 26f., 29–31, 39, 42, 45–48, 53, 55, 66f., 78f., 81, 84f., 95f., 99, 107f., 113, 118, 123, 131, 133, 135, 137, 163, 168, 176, 178, 189, 191 Gnilka, J. 6 Gruber, M. 184, 189 Grundmann, W. 6, 9–11, 14, 16 Haenchen, E. 6 Haldimann, K. 106f., 114f., 126, 132, 135, 144, 146 Harris, M. J. 185, 187 Hartenstein, J. 22, 167 Heise, J. 51 Hengel, M. 179 Hergenröder, C. 82f. Hirsch-Luipold, R. 143, 188, 191 Hoegen-Rohls, C. 11, 26, 79, 82, 119, 132, 147

234

Autorenregister

Holloway, P. A. 38 Holtzmann, H. J. 106 Hoskyns, E. C. 6

OʼBrien, K. S. 191 OʼDay, G. R. 7 Onuki, T. 11 Overbeck, F. 55

Iser, W. 21 Käsemann, E. 37f. Kahrmann, C. 14 Kammler, H.-C. 54, 175 Keener, C. S. 45, 77, 120, 131, 157–160, 174, 176, 185f. Kelly, A. J. 7 Kieffer, R. 22 Kirchschläger, P. G. 119 Klauck, H.-J. 29, 46, 49, 51, 95f. Klein, H. 8 Koester, C. R. 18, 60 Kremer, J. 187, 191 Kügler, J. 8, 23, 50 Labahn, M. 143 Lagrange, M.-J. 79, 113, 123 Landmesser, C. 119 Lang, M. 156 Larsen, K. B. 159 Larsson, T. 7 Lataire, B. 7 Lee, D. A. 7, 160, 167, 191 Leinhäupl-Wilke, A. 168 Léon-Dufour, X. 38, 45f, 79, 123 Leroy, H. 35 Lightfoot, R. H. 6 Lincoln, A. T. 144, 157 Lindars, B. 79, 107, 113, 123 Lohfink, G. 164f. Lührmann, D. 91 Luz, U. K107 Metzger, B. M. 135, 187 Meyer, P. W. 7, 41 Michaelis, W. 60 Michaels, J. R. 6, 64, 131, 157, 160, 176, 188 Michel, O. 48 Moloney, F. J. 7, 21, 23, 26f., 108, 156 Morris, L. 6 Most, G. W. 190 Müller, U. B. 73 Mußner, F. 6 Neirynck, F. 13, 18, 168 Neugebauer, J. 123, 133

Pancaro, S. 9 Pastorelli, D. 73 Peek, W. 49 Peres, I. 49 Popkes, E. E. 89f. Poplutz, U. 141 Porsch, F. 74, 119 Rahner, J. 98 Reichert, A. 23 Reinhartz, A. 7 Reiss, G. 14 Ricca, P. 81, 83 Richter, G. 11 Ridderbos, H. N. 6 Riley, G. J. 183 Ruckstuhl, E. 38 Rusam, D. 9 Ruschmann, S. 37, 80, 160, 162, 167– 169, 185 Sadananda, D. R. 7, 187 Schaefer, O. 49 Schenke, L. 7, 187, 196 Schlatter, A. 55 Schleritt, F. 69, 80, 100, 162, 174 Schluchter, M. 14 Schnackenburg, R. 2, 19, 22, 27, 29f., 32, 35, 37, 46, 48, 52, 60, 61f., 66, 69f., 73f., 79f., 82, 93, 98, 106, 108, 116f., 120, 123, 125, 130, 132, 135–137, 141f., 145, 156–158, 162, 165, 182, 185, 189, 191 Schneider, G. 13f., 18, 168 Schneiders, S. M. 157, 168, 176, 191 Schnelle, U. 23, 32, 42, 78, 85, 123, 133, 156, 180, 185 Schniewind, J. 118, 144 Scholtissek, K. 6, 9, 18, 26, 32, 50, 52, 64, 95f., 151, 175 Schrenk, G. 9, 10, 13, 14 Schröter, J. 23 Schwindt, R. 29 Smith, D. M. 79 Söding, T. 64 Sparks, H. F. D. 10 Spieckermann, H. 6, 188

Autorenregister Stählin, G. 133 Staley, J. L. 14 Stibbe, M. 7 Stolle, V. 191 Strack, H. L. 76f., 182 Strathmann, H. 27, 45f., 106 Taschl-Erber, A. 167 Thatcher, T. 21 Theobald, M. 2, 7, 23, 31, 33–37, 38f., 45, 47f., 57, 60f., 69f., 80, 85, 130, 138, 143, 146–148, 163–165, 167f., 174–176, 178–180, 183f., 187 Thompson, M. M. 7, 41 Thyen, H. 2, 18, 26, 34, 45f., 54f., 57, 60, 62, 73f., 79, 93, 98, 100, 108, 116f., 130f., 138, 141, 144, 152, 156, 160, 162, 168, 174, 176, 185, 187 Tolmie, D. F. 4f., 7, 14–17, 26 Trumbower, J. A. 8 van Belle, G. 185f., 191 van der Watt, J. G. 9, 16, 50 Vellanickal, M. 8

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Weidemann, H.-U. 26f., 29, 36f., 38f., 43, 55, 61, 65, 67, 77f., 80, 95–98, 100, 161, 163, 165f., 175, 178, 180, 184, 187, 189, 191 Weiss, B. 47, 113, 130 Wellhausen, J. 11, 79, 105, 106, 123, 133 Wengst, K. 115, 120, 123, 130, 141, 150, 152, 161, 174, 186 Westcott, B. F. 116 Wilckens, U. 27, 31, 34, 45f., 63, 66, 67, 75, 93, 107, 115f., 123, 130, 151, 156, 165, 168, 173, 176, 185 Winter, M. 106 Zahn, T. 46, 55, 78 Zeller, D. 157, 174 Zimmermann, C. 2, 17f. Zimmermann, R. 141 Zingg, E. 7 Zumstein, J. 23f., 26, 29, 32, 37f., 43, 44, 45, 50, 55, 59f., 62, 69, 74f., 79, 80, 84, 85, 93, 95f., 98f., 106, 107, 108– 110, 112f., 117f., 122f., 125, 126, 128– 130, 132, 133, 137, 143, 145, 156, 161f., 174–176, 178, 180, 185f.

Sachregister Abschied Jesu 16, 32, 39, 171 Abschiedsreden 10f., 19 Abwesenheit Jesu 42, 59, 128, 158 Adressaten des JohEv s. Leser des JohEv Allwissenheit Jesu 150 Anhauchen 179f. Auferstandener 13f., 162, 186, 189, 192 Auferstehung 10, 18, 165 Aufnahme der Jünger in den Bereich Gottes 50, 55, 96 Aufstieg Jesu 12, 18f., 163–165, 167– 171, 175, 188, 192, 195, 198 Ausgehen aus Gott 149f., 155 Bedrängnis 114, 176 Beistand s. Geistparaklet Berührung 184 Beziehung – Gottes zu Menschen 5, 17, 56, 98, 191 – zwischen Gott und den Jüngern 14, 17, 25, 36, 40, 44, 53, 57, 70, 76, 103, 119f., 134, 137, 139f., 145, 151, 155, 169–172, 179, 188f., 196f. – zwischen Jesus und den Jüngern 70, 78, 137, 179, 193 – zwischen Vater und Sohn 3f., 7, 15, 40, 44, 63, 188 Bleiben 32, 48, 50f., 95 Brüder 9, 168f., 198 Christologie, johanneische 40, 60 Christusbekenntnis 185, 187, 193, 198 Distanz – zu Gott Vater 25, 41, 72, 152, 155 – zu Jesus 72, 154 Einheit von Vater und Sohn 64 Erhöhung 175, 181 Erkennen/Erkenntnis 63, 86f., 109, 127, 131, 140, 143, 154f., 161, 169 – des Vaters 62, 66f., 84f.

– Jesu 18, 62, 66f., 71f., 84, 102, 118, 196, 199 Erscheinungen Jesu s.a. Ostererscheinung und Offenbarung 166, 172, 175f. Fortschreibung 107 Freude 108, 114, 127, 129–131, 135, 140, 177 Friedensgruß 176, 178, 184 Gang zum Vater s.a. Weggang Jesu 26, 58, 70, 181, 199 Gebet – im Namen Jesu 71, 102, 136f., 145, 155, 199 – zu Gott als Vater 3, 10, 16, 133–135, 138–140, 155, 197, 199 – zu Jesus 137 Gebetserhörung 16, 69, 134–136, 139, 197, 199 Geist/Geistparaklet 54, 73f., 97f., 103, 118–120, 130, 140, 144, 146, 154, 196f. Geistgabe/Geistsendung 12, 69, 81, 109, 172, 177, 179, 192, 199 Geistverheißung 115, 153 Gegenwart – Gottes 41, 52, 75, 158 – Jesu 81 Gemeinschaft – der Jünger mit Jesus 52, 55, 101 Geschwister s. Brüder Glaube 39, 43f., 53, 85, 99–103, 182, 184, 189–192–194, 198 – an Gott 44 – an Jesus 44, 70, 134, 148, 155, 196 Glaubensgewissheit 150f. Gott 4, 186–188, 192 Gott als Vater 1f., 4, 7, 75, 120, 144 – der Glaubenden 10f., 16, 49, 192 – der Jünger 6, 9, 11–14, 16, 19f., 53, 56, 70f., 77, 105, 109, 137, 139, 147, 156, 171, 195, 198

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Sachregister

– Jesu 2–6, 9f., 13, 15, 18, 156, 195 Gotteskindschaft 2, 6, 8–10, 12, 15f., 49, 51, 89, 140, 147–149, 155, 169f., 192, 194f., 198f. Gottesferne 41, 61, 101 Grab Jesu 156–159 größere Werke 68–70, 102 Halten der Gebote 88, 92 Hausgemeinschaft 49f. Haus Gottes des Vaters 45, 47–53, 67, 101, 196 Identität von Auferstandenem und Irdischem 161, 176, 183, 185 In-Sein 10, 68 Jesu Person 60 Johannesevangelium 65f. Judas 93 Judasverrat 93, 100 Juden 3, 33 Kinder Gottes s. Gotteskindschaft Kommen – des Vaters 94f. – Jesu 52, 55f., 78, 81–83, 87f., 94f., 103, 132, 174, 182f., 196 – österliches 79f., 84, 163, 184 – zum Vater 62 Krise der Verlassenheit 42, 101, 115 kurze Zeit/Zeitspanne 123, 126 Kyrios 185–187 Leben 61 Leser des JohEv 14, 21, 38, 53, 56, 58, 65, 68, 95, 101, 121f., 191f. Liebe – des Vaters 10, 16, 89f., 96f., 103, 145–147, 155, 196f., 199 – Jesu 89f., 92 – zu Jesus 88f., 94, 99, 103, 146–149, 155, 196, 199 Literarkritik 106 Logos 2, 188 mikrovn 33, 77, 154 Mission 69f. Mitsein 74f. Nachfolge 30, 32, 37

nachösterlicher Standpunkt s.a. Situation der Leser 52, 58f., 92, 120–122 Nähe Gottes 25, 102, 104 neues Sein 180, 192 Nicht-Erschrecken 43, 101 Nicht-Finden Jesu 34f. Nicht-Folgen-Können 39, 46 Nicht-Sichtbarkeit Jesu 109, 120, 122, 197 Nicht-Verstehen s.a. Unverständnis 105, 109, 133, 153, 197 Nicht-Wissen 39 oJdhgov" 117 Offenbarer/Offenbarung s.a. Selbsterschließung Jesu 40, 61, 64, 79, 92, 98, 103, 118f., 154, 166, 169, 173, 175f., 184f. öffentliche Rede 142f., 150 Ort 30, 32, 34–36, 51f., 157f., 160, 164, 166, 170 Ostern 83, 165, 178 Ostererfahrung 54, 121, 138 Osterfreude 130 Ostererscheinung 12f., 82, 123, 125, 159, 172 Paraklet s. Geistparaklet paroimiva 141f. Parusie 55, 78f., 123, 133, 135 Passion 100 Philippus 63f. Relecture 107, 113 reziproke Immanenz 64, 85–87 Rückkehr zum Vater 164 schöpferische Tätigkeit 180, 192 Sehen 63–67, 71, 82–85, 88, 91f., 102, 109, 121, 123–125, 129, 131–134, 154, 171, 177, 184, 188–191, 193, 196f. Selbsterschließung Jesu s.a. Offenbarung 83, 90f., 174 Sendung – der Jünger 167, 172, 177–179, 192 – Jesu 40, 69f., 104, 169, 178, 180 Situation – der Jünger 38, 116 – der Leser 42, 83, 122–125, 127, 129, 133, 135, 138, 147, 149, 172, 182f., 190, 196f.

Sachregister Sohn/Sohn Gottes 15 Sterben in Sünde 35–37 Stunde, die 16, 25, 43, 143f., 151 Suchen – der Weisheit 40 – nach Jesus 34–36, 39 Sündenvergebung 180 Tag, jener 83, 85, 136, 143, 145 Textpragmatik 11, 14, 21f., 66 Theologie i.e.S. 7 Thomas 57–59, 181, 188 Tod 35 – Jesu 37–39, 43, 58, 114f., 122, 128, 159, 181 Trauer 108f., 113–115, 122, 128, 129, 134, 142 Trennung – von Gott 36, 45 – von Jesus s.a. Abwesenheit Jesu 25, 29–31, 33, 36, 39f., 44, 46, 99–101, 112, 170, 196 Trost 140 Unverständnis s.a. NichtVerstehen 109, 115, 120, 122, 126, 136, 142f., 147, 160, 170f., 196 Verhältnis s. Beziehung Verheißung 147 Verherrlichung 29 Verlassenheit s. Krise der Verlassenheit Verlust von Heil und Leben 36, 40, 43 Verstehen s. Erkennen Verstehenskrise s. Nicht-Verstehen

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Vollmacht 2, 6, 195 Wahrheit 61, 74, 117–119, 153 Waisenmetaphorik 76f. Wandel 154, 161, 197 Weg 119 – der Jünger zum Vater 60, 62, 102f., 137, 181 – Jesus der 61–63, 67, 71, 87, 102f. – Jesu 58, 102, 149, 181 – Jesu zum Vater 57, 59, 99 Weggang – Bedeutung/Ziel des Weggangs Jesu 113, 118 – Jesu s.a. Rückkehr zum Vater 26, 29f., 32–35, 37f., 41, 46f., 49, 52f., 56, 60f., 67, 75, 77, 86, 96f., 101, 108f., 112, 114, 117f., 122, 127, 153, 159, 171, 196–198 Weisheit 34f., 40 Welt 39, 42, 75, 78f., 92f., 96, 105, 129, 176 Wende zum Verstehen 110, 137f. Wiederkommen Jesu 45, 52–54, 56, 88, 96, 196 Wohnung 48 Wohnungnehmen 94f., 103 Worte Jesu 94, 96–98, 103, 141, 148, 179, 196 Zerstreuung 151, 155 Zugang zu Gott 12, 19, 45 Zugehörigkeit zu Jesus 151f. Zweifel 93, 183