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German Pages [208] Year 2022
Richard Schaeffler
Transzendentale Theologie Gott als Möglichkeitsgrund der Erfahrung
https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Richard Schaeffler Transzendentale Theologie
VERLAG KARL ALBER
A
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Richard Schaeffler
Transzendentale Theologie Gott als Möglichkeitsgrund der Erfahrung Herausgegeben und mit einem Nachwort zur »Transzendentalen Theologie« und einem Nachruf auf das wissenschaftliche Lebenswerk Richard Schaefflers (1926–2019) versehen von Markus Enders unter Mitarbeit von Frank Schlesinger Mit einer Bibliographie Richard Schaefflers von Bernd Irlenborn Verlag Karl Alber Baden-Baden https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Richard Schaeffler Transcendental Theology God as Precondition of the Possibility of Experience Richard Schaeffler’s transcendental theology, as Rahner already attempted, wants to indicate what is talked about when God is spoken of in a secularised world that places all talk of God under suspicion of meaninglessness: Not the top of the pyramid of being or the scale of values is the primary place where God can be sought, but every object of experience and its claim on our looking and thinking can become the figure in which God meets man. For Schaeffler, experience is a dialogue that can only be conducted with the reality of the world because it deciphers the claim of the real as the present form of a free divine address.
The Author: Richard Schaeffler, Dr. phil., Dr. theol. h. c., Dr. phil. h. c., born 1926 in Munich, 1968–1989 Professor for Philosophical-Theological Border Issues at the University of Bochum. Main research interests: Philosophy of religion, philosophy of history, philosophy of science of theology. Book publications include: Philosophy of Religion (1983, 4th ed. 2010), Experience as Dialogue with Reality (1995), Philosophical Exercise in Theology (3 vol., 2004, study edition 2008), Speaking of God Philosophically (2006), Ontology in the Post-Metaphysical Age (2008), Recognition as Responding Design (2014), Phenomenology of Religion (2017), The Good, the Beautiful and the Sacred (2019).
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Richard Schaeffler Transzendentale Theologie Gott als Möglichkeitsgrund der Erfahrung Richard Schaefflers Transzendentale Theologie will, wie das schon Rahner versucht hat, in einer säkularisierten Welt, die alles Reden von Gott unter Sinnlosigkeitsverdacht stellt, angeben, wovon die Rede ist, wenn von Gott gesprochen wird: Nicht die Spitze der Seinspyramide oder der Werte-Skala ist der primäre Ort, an dem Gott gesucht werden kann, sondern jeder Gegenstand der Erfahrung. Dessen Anspruch an unser Anschauen und Denken kann zur Gestalt werden, in der Gott dem Menschen begegnet. Erfahrung ist für Schaeffler ein Dialog, der mit der Weltwirklichkeit nur deshalb geführt werden kann, weil er den Anspruch des Wirklichen als Gegenwartsgestalt einer freien göttlichen Anrede entziffert.
Der Autor: Richard Schaeffler, Dr. phil., Dr. theol. h. c., Dr. phil. h. c., 1926 in München geboren, 1968–1989 o. Professor für Philosophisch-Theologische Grenzfragen an der Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte: Religionsphilosophie, Geschichtsphilosophie, Wissenschaftstheorie der Theologie. Buchpublikationen u. a.: Religionsphilosophie (1983, 4. Aufl. 2010), Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit (1995), Philosophische Einübung in die Theologie (3 Bde., 2004, Studienausgabe 2008), Philosophisch von Gott reden (2006), Ontologie im nachmetaphysischen Zeitalter (2008), Erkennen als antwortendes Gestalten (2014), Phänomenologie der Religion (2017), Das Gute, das Schöne und das Heilige (2019).
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Originalausgabe © VERLAG KARL ALBER ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2022 Alle Rechte vorbehalten www.verlag-alber.de Satz: SatzWeise, Bad Wünnenberg Gesamtverantwortung für Druck und Herstellung bei der Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG ISBN Print 978-3-495-49122-5 ISBN E-Book(PDF) 978-3-495-82687-4
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Inhalt
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie – Zukunftsmöglichkeiten ihrer Begegnung . . . . . . . . .
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Vorbemerkungen zum Thema . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
A.
3.
Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage . . . . . . . . Der Glaube nach der »Zertrümmerung« seiner ontotheologischen Grundlage . . . . . . . . . . . . . . Der Glaube angesichts eines Themenwandels der Religionskritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das transzendentaltheologische Argument . . . . .
B. 1. 2. 3.
Die Gegengründe . . . . . . . . . Philosophische Gegengründe . . . Theologische Gegengründe . . . . Der erreichte Problemstand . . . .
1. 2.
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C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Es gibt kein rein passives Hinnehmen, sondern nur »verarbeitete Information« . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Welt und das eigene Ich sind uns nicht gegeben, sondern aufgegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nicht nur der transzendentalen Philosophie, sondern auch derjenigen Vernunfttätigkeit, die sie beschreibt, liegt ein Interesse an Freiheit zugrunde . . . . . . . . . . . . . . 4. Das eine Interesse der Vernunft entfaltet sich in mehrere Vernunftinteressen, die einander widerstreiten . . . . .
35 35 39
45 51 7
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Inhalt
5.
D. 1.
Die Dialektik der Vernunft kann nur durch einen »postulatorischen Vernunftglauben« aufgehoben werden .
63
Aufgaben und erreichte Ergebnisse . . . . . . . . . . . . Philosophische und theologische Einwände gegen die Transzendentale Theologie und der Versuch, die transzendentale Methode weiterzuentwickeln . . . . . . . . . Zukunftsmöglichkeiten einer Begegnung . . . . . . . .
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie .
85
2.
A. B.
Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität – oder: Die späte Trauer um einen »überwundenen Feind«?
87
Braucht die Theologie irgendeine Art von Transzendentalphilosophie – und welche (die kantische oder eine über Kant hinaus entwickelte Transzendentalphilosophie)? . . 105
C. Die transzendentalphilosophische Frage und die Vielfalt der Wege zu ihrer Beantwortung . . . . . . . . . . . . 1. Die Transzendentalienlehre mittelalterlicher Aristoteliker 2. Die Transzendentalphilosophie Kants . . . . . . . . . . 3. Zweifel daran, daß die Theologie die kantische Gestalt der Transzendentalphilosophie »braucht« . . . . . . . . . . 4. Gestalten einer Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie: die transzendentale Phänomenologie und ihre »linguistische Wendung« . . . . . . . . . . . . . . D.
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109 109 110 111
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Vorschlag einer neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie als Angebot an die Theologie – Bausteine zu einem Programm . . . . . . . . . . . . . . 117
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Inhalt
Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Markus Enders Ein Nachwort zur »Transzendentalen Theologie« und ein Nachruf auf das wissenschaftliche Lebenswerk Richard Schaefflers (1926–2019) . . . . . . . . . . . . . . .
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Bernd Irlenborn Bibliographie Richard Schaefflers. Zeitraum: 1952 bis 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie – Zukunftsmöglichkeiten ihrer Begegnung 1
Die folgenden Ausführungen stellen die erweiterte Fassung eines Gastvortrages dar, den ich am 13. Januar 1997 in Tübingen gehalten habe.
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Vorbemerkungen zum Thema
Es ist still geworden um die Transzendentale Theologie, die mehrere Jahrzehnte lang zur »Trendspitze« der theologischen Entwicklung gerechnet worden war. Sogar ihr Protagonist, Karl Rahner, fand es in seinen späten Jahren nicht mehr so wichtig, ob man seinen methodischen Ansatz »transzendental« nennen wolle oder nicht. Und gerade unter denen, die seine Leistung hochschätzen, gibt es solche, die darauf hinweisen, im Zentrum seiner Theologie liege nicht die transzendentale Reflexion, sondern die Mystagogie. 2 In der Rückschau stellen derartige Versuche, die Bedeutung der transzendentalen Methode für die Theologie Rahners vergleichsweise niedrig einzustufen, sich wie »Frontbegradigungen« dar, die durch konzentrische Angriffe von entgegengesetzten Seiten ausgelöst worden waren: Den Philosophen war und ist diese Theologie teils zu transzendental, teils nicht transzendental genug. Den Theologen erschien und erscheint sie zu geschichtsfern und zu wenig praxisnah. Dennoch ist diese weitgehende Ausblendung der Frage, wie »transzendental« die Theologie Karl Rahners genannt werden kann, in philosophiegeschichtlicher und vor allem in theologiegeschichtlicher Hinsicht zu bedauern. Denn auch wem die vorgeschlagene Lösung einer Aufgabe unzulänglich erscheint, hat deswegen noch keinen Grund, die Aufgabe zu vergessen, die dadurch gelöst werden sollte. Diese Aufgabe aber läßt sich, zunächst im Hinblick auf die Theologie, in folgender Weise charakterisieren: Es ging darum, dem christlichen Glauben nach dem vermeintlichen oder wirklichen »Ende der Metaphysik« eine neue rationale Grundlage zu geben. Und es ging darum, einer säkularisierten Welt verständlich zu machen, wovon die Rede ist, Vgl. dazu die in der Theologischen Quartalschrift ausgetragene Kontroverse zwischen P. Eicher und K. P. Fischer: P. Eicher, »Wovon spricht die transzendentale Theologie?«, in: ThQ 156 (1976) 284–295; K. P. Fischer, »Wovon erzählt die transzendentale Theologie?«, in: ThQ 157 (1977) 140–142.
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
wenn von Gott gesprochen wird. Damit aber war die philosophische Aufgabe verbunden, die Transzendentalphilosophie so weiterzuentwickeln, daß von hier aus ein geschichtliches Verständnis der menschlichen Vernunft möglich würde. Oder, um es in Anlehnung an Kants eigene Worte zu sagen: Es ging darum, jene »Geschichte der reinen Vernunft« zu schreiben, für die Kant »eine Stelle im System« offenhalten wollte, »die künftiger Ausfüllung bedarf«. 3
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Kritik der reinen Vernunft A 852.
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A. Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage
1.
Der Glaube nach der »Zertrümmerung« seiner ontotheologischen Grundlage
Kant galt schon seinen Zeitgenossen als der »Zertrümmerer der Metaphysik« – unerachtet der Tatsache, daß er die Ergebnisse seiner Vernunftkritik als Vorbereitung einer neuen Metaphysik verstanden hat. 4 Dieser Eindruck wurde dadurch hervorgerufen, daß er einerseits die bisherigen Traktate der »speziellen Metaphysik«, die philosophische Lehre von Gott, der Welt und der Seele, einer grundsätzlichen Kritik unterzog, andererseits und vor allem die bisherige »allgemeine Metaphysik«, die Lehre vom Seienden als einem solchen und im Ganzen, als die Behandlung einer falsch gestellten Frage beurteilte. Die Frage, die er mit der Tradition für die Grundfrage der Metaphysik hielt, wie nämlich Aussagen möglich seien, die von allen wirklichen und möglichen Gegenständen gelten, wird seiner Überzeugung nach mißverstanden, wenn sie als Frage nach den »passiones generales entis«, also nach den Prädikaten, die von jedem Seienden als einem solchen gelten, gestellt wird. Sie muß neu gestellt werden als die Frage nach den Konstitutionsbedingungen der Gegenstände, die uns als Maßstäbe unserer wahren und falschen Urteile, also mit »objektiver Geltung«, gegenübertreten. Diese Konstitutionsbedingungen aber müssen in den Formen unseres Anschauens und Denkens gesucht werden, durch die es uns gelingt, Inhalte subjektiven Erlebens in Objekte möglicher Erfahrung zu verwandeln. Folglich muß in der gesuchten kommenden Metaphysik »der stolze Name einer Ontologie […] dem bescheidenen einer bloßen Analytik des reinen Verstandes Platz machen«. 5 Vgl. den Titel seines Buches Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. 5 Kritik der reinen Vernunft A 247. 4
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
Wirkungsgeschichtlich jedoch ist nicht so sehr Kants Absicht, die Metaphysik auf eine neue Grundlage zu stellen, folgenreich gewesen, sondern jene Ontologiekritik, die man als »Zertrümmerung« jeglicher Metaphysik verstand. Diese Wirkungsgeschichte reichte nun weit über die fachimmanente Philosophiegeschichte hinaus und führte dazu, daß alle metaphysischen Fragen, die Frage nach Gott eingeschlossen, als Fragen ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt beurteilt wurden, sodaß Aussagen mit objektiver Geltung, wie man nun meinte, nur von den positivistisch verstandenen Erfahrungswissenschaften erwartet werden konnten. Der auf solche Weise positivistisch verstandene Kant galt dann, weit über den engen Kreis der Philosophen hinaus, als der Kronzeuge dafür, daß insbesondere alle Fragen der Religion aus dem Themenkreis rationalen Argumentierens auszuscheiden seien, religiöse Überzeugungen aber als Ausdrucksformen von Gefühlen zu begreifen seien. Gefühle aber können nicht nach ihrer Wahrheit befragt werden, sondern nur nach ihrer lebensfördernden oder lebenshemmenden Funktion. So wurde ein psychologistisches Verständnis vorbereitet, das alle religiösen »Vorstellungen« als ein Ensemble von »Bildern« verstehen wollte, in denen Gefühle, die im menschlichen Unterbewußtsein ihre Quelle haben, »nach außen projiziert« und in vermeintlicher Gegenständlichkeit anschaubar werden. Auch diese Bilder sind – wie die Gefühle, aus denen sie entspringen und die sie zum Ausdruck bringen – nicht wahr oder falsch, sondern lebensfördernd oder lebenshemmend. Und auch die Interpretation dieser Bilder (also auch die Religionswissenschaft und Theologie) ist allein an diesem ihrem Nutzen oder Nachteil für das Leben zu messen. Diese Auffassung vom Wesen der Religion ist, das sei noch einmal hervorgehoben, nicht Kants Auffassung gewesen. Aber sie ergab sich wirkungsgeschichtlich aus einem bestimmten und als einleuchtend geltenden Verständnis seiner Ontologiekritik. Dieses Religionsverständnis konnte sich nun mit einer sozialdarwinistischen Auslegung der Religionsgeschichte verbinden: Religiöse Bilder und deren Auslegung werden von jeweils nachfolgenden Generationen nur dann rezipiert und weitergegeben, wenn sie sich für diese je neuen Generationen als lebensfördernd erweisen. Für eine religiöse Überlieferungsgemeinschaft ist es daher überlebensnotwendig, jene Komplexe von Bildern, die den entscheidenden Inhalt ihrer Überlieferung ausmachen, und jene Praxisformen, die im Umgang mit derartigen Bildern entwickelt worden sind, jeweils neu so aus16 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
A. Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage
zulegen, daß Bilder und Auslegungen den sich ändernden Lebensbedürfnissen der Menschen entsprechen. Die wechselnden Auslegungen, die die Theologen hervorbringen, verhalten sich dann wie die Mutanten, die eine Spezies von Lebewesen hervorbringt. Aber der Kampf ums Überleben (historisch bedeutet das: der Kampf konkurrierender Deutungsangebote um ihre Rezeption durch neue Generationen) führt dazu, daß aus der Menge dieser Mutanten jeweils diejenigen ausgelesen werden, die »fortpflanzungsfähig« sind, d. h. von neuen Generationen rezipiert werden können, weil sie geeignet sind, deren Lebensbedürfnisse zu erfüllen. Durch dieses Wechselspiel zwischen dem Einfallsreichtum der Interpreten, die immer neue Mutationsformen des Überlieferungsgutes hervorbringen, und dem harten Kampf um die »Fortpflanzung« der Überlieferungsgemeinschaft (um die Rezeption ihres Überlieferungsgutes) ergibt sich die Höherentwicklung der Überlieferungen und der sie tragenden Überlieferungsgemeinschaften, analog zu dem Vorgang, in welchem Mutationen und Selektionsvorgänge die Höherentwicklung der Arten erzwingen. Bezogen auf die Kirche als religiöse Überlieferungsgemeinschaft besagt dies: »Sie war immer, wie sie sein mußte, bei Strafe des NichtÜberlebens.« Und dieses ihr Überleben war und ist notwendig, wenn das ihr anvertraute Überlieferungsgut, also insbesondere die Botschaft des Evangeliums, von jeweils neuen Generationen rezipiert und weitergegeben werden sollte. Nur weil die Kirche immer so war, wie sie sein mußte, um zu überleben, hat das Evangelium bis heute Anhänger gefunden; und nur unter der gleichen Bedingung wird es künftig Anhänger finden. »Das Evangelium hat die Kirche ebenso nötig, wie die Kirche das Evangelium nötig hat.« Die beiden soeben zitierten Sätze sind Kernaussagen des Buches von Alfred Loisy »Das Evangelium und die Kirche«. 6 Sie geben, noch einmal sei es betont, nicht Kants Auffassung von der Religion und ihrer Geschichte wieder. Aber unter Voraussetzung der kantischen Kritik an der Ontologie (die man mit dem »Ende der Metaphysik« gleichsetzte) schien es zu dieser Deutung keine Alternative zu geben. Wenn Religion und Glaube sich nicht mehr durch Argumente, insbesondere durch Gottesbeweise, als objektiv gültig ausweisen lassen, müssen sie aus unabweislichen subjektiven Bedürfnissen erklärt werden, welche ihrerseits Gefühle erzeugen, die sich in Bildern ausdrükken. Und das einzige Kriterium, an denen solche Bilder mitsamt ihren 6
L’évangile et l’église, Paris 1902, 137; 139 (Das Evangelium und die Kirche).
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
wechselnden Auslegungen beurteilt werden können, besteht in ihrer lebensfördernden oder lebenshemmenden Funktion, welche ihrerseits darüber entscheidet, ob religiöse Überlieferungen Zustimmung finden und so an kommende Generationen weitergegeben werden können. Die psychologistische Deutung der Religion und die sozialdarwinistische Deutung ihrer Geschichte erschienen unter dieser Voraussetzung nicht nur einleuchtend, sondern ohne Alternative. Und dieser Alternativlosigkeit entsprach es, daß die entsprechende Auffassung von Religion, Glaube und kirchlicher Überlieferungsgemeinschaft eine öffentliche Plausibilität erreichte, die jeden Versuch, eine argumentative Glaubensbegründung zu fordern und für religiöse Überzeugungen objektive Geltung zu beanspruchen, als Rückfall in ein vorkritisches Bewußtsein erscheinen ließ. Damit war jene Diskussionslage erreicht, die wir als »Modernismusstreit« zu bezeichnen gewohnt sind. Der in der Katholischen Tübinger Schule ausgebildete, aber in Freiburg lehrende Fundamentaltheologe Carl Braig, der die psychologistische Auffassung von der Religion im Allgemeinen und von der christlichen Botschaft im Besonderen leidenschaftlich bekämpfte, weil er diese Botschaft nicht nur als lebensfördernd, sondern als wahr anerkannt wissen wollte, wurde deshalb nicht nur zum Vorkämpfer des »Anti-Modernismus«, sondern auch zum entschiedenen Gegner der kantischen Philosophie. Und Papst Pius X. griff in seiner Enzyklika Pascendi Braigs Argumente auf, um dreierlei zu betonen: 1) Die Inhalte der christlichen Botschaft sind nicht nur »imagines, quae e latebris subconscientiae erumpunt« (Bilder, die aus den Höhlen des Unterbewußtseins hervorbrechen), sondern enthalten Aussagen mit Anspruch auf objektive Geltung. 2) Die Überlebensfähigkeit einer religiösen Überlieferung ist kein Wahrheitskriterium, denn sonst »wären alle Religionen wahr, denn alle sind wirklich«. 3) Der Ursprung des psychologistischen Irrtums und all seiner Konsequenzen liegt in der kantischen Kritik. »Aus der Vermählung einer falschen [nämlich der kantischen] Philosophie mit dem Glauben ist dieses System, überfließend an Zahl und Größe der Irrtümer, hervorgegangen.« 7 Pius X., Enzyklika Pascendi Dominici gregis, in: Acta Sanctae Sedis 40 (1907), 593– 650, hier 636.
7
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A. Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage
Man muß sich diesen historischen Zusammenhang deutlich machen, um zu ermessen, welchen Mutes es bedurfte, wenn Joseph Maréchal den Versuch unternahm, den »Agnosticismus Kantianus« (so nannte man die kantische Kritik an der traditionellen, ontologischen Metaphysik) nicht a limine zurückzuweisen, sondern »von seinen eigenen Prämissen aus zu überwinden«. 8 Und man muß sich darüber hinaus klarmachen, daß die psychologistische Auffassung von der Religion und die sozialdarwinistische Deutung ihrer Geschichte an Aktualität und öffentlicher Plausibilität auch heute nichts eingebüßt haben, um die Gegenwartsbedeutung dieses Versuches zu würdigen. Gerade die Auffassung von der Religion als einem Ensemble von Bildern »e latebris subconscientiae« und von ihrer lebensfördernden Funktion als einzigem Kriterium zu ihrer Beurteilung hat ja in jüngster Zeit eine unvermutete Renaissance gefeiert. Maréchals Versuch, von den Prämissen der kantischen Kritik aus zu einer argumentativen Neubegründung des Glaubens und seines Anspruchs auf objektive Geltung zu gelangen, bezeichnet die Geburtsstunde der Transzendentalen Theologie. Gerade die Analytik des reinen Verstandes nämlich, die Kant an die Stelle der Ontologie setzen wollte, könne zeigen, daß diejenige Verstandesoperation, durch die wir objektive Geltung intendieren, das Urteil ist (also jene logische Operation, deren sprachlicher Ausdruck der Aussagesatz ist). Jedes Urteil aber erhält seine Struktur und Funktion durch den Gebrauch der Copula »ist«, die den Urteilsgegenstand als ein bestimmtes und beschränktes Seiendes bestimmt. Diese Bestimmung aber setze die Beziehung des Urteilenden auf das unbeschränkte, absolute Sein immer schon voraus. Und da Maréchal, mit der Tradition, den Begriff des absoluten Seins für bedeutungsgleich mit dem Gottesbegriff hielt, gewann er auf diese Weise eine These des hl. Thomas auf neuem Wege zurück: »Jedes erkennende Subjekt erkennt in jedem erkannten Gegenstand implizit zugleich Gott.« 9 Dieser Feststellung ist eine zweite hinzuzufügen. Wie die Wirkungsgeschichte der kantischen Kritik nicht auf die fachimmanente philosophische Diskussion beschränkt geblieben ist, sondern in einer So die berühmt gewordene Notiz in seinen Aufzeichnungen zu einer Vorlesung, die er 1914 vor belgischen Theologiestudenten gehalten hat, die sich, als Soldaten der belgischen Armee, nach dem deutschen Einmarsch in Belgien nach England zurückgezogen hatten und dort in einem Militärlager auf ihren Einsatz an der belgischen Front warteten. 9 »Omnia cognoscentia cognoscunt Deum in quolibet cognito« (De Veritate 22,2 ad 2). 8
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
breiten Öffentlichkeit die Überzeugung plausibel gemacht hat, Religionsfragen seien nicht argumentativ entscheidbar, ja sie stellten überhaupt keine »Wahrheitsfragen« dar, sondern seien Fragen des lebensfördernden bzw. lebenshemmenden Gefühls, so blieb auch Maréchals Programm nicht darauf beschränkt, einen Beitrag zur philosophischen Fachdiskussion zu leisten. Worum es ging, war eine Versöhnung von christlicher Spiritualität und kritischer Rationalität nicht nur für Philosophen, sondern für weite Kreise der Intellektuellen unter den Glaubenden. Gerade im Ausgang von den Prämissen der kantischen Kritik sollte es auf neue Weise möglich werden, dem Menschen einen rational verantwortbaren Zugang zu jener Wirklichkeit Gottes aufzuschließen, die sich von der Wirklichkeitsart aller Gegenstände wissenschaftlicher Forschung prinzipiell unterscheidet. Es ist darum kein Zufall, daß Maréchal nicht nur Transzendentalphilosoph, sondern zugleich ein Theoretiker der mystischen Theologie gewesen ist, 10 und daß alle seine Nachfolger, so vor allem auch Lotz und Rahner, gesuchte und erfolgreiche Lehrer der Meditation gewesen sind. 11 Insofern geht es an der Intention dieser Autoren vorbei, ihre transzendentale Methode zugunsten ihrer »mystagogischen« Absicht abwerten zu wollen. Sie waren gerade als Transzendentalphilosophen und Transzendentaltheologen Lehrmeister einer spezifischen Art von mystagogischer Meditation.
2.
Der Glaube angesichts eines Themenwandels der Religionskritik
Die theologiegeschichtliche und philosophiegeschichtliche Ausgangslage hat sich vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu seiner Mitte in wichtigen Hinsichten verändert. Und diese Veränderung der Ausgangslage spiegelt sich in der Differenz zwischen Maréchals transzendentalphilosophischer Gotteslehre und Rahners Transzendentaler Theologie. Man kann diese Veränderung der Lage an einem Themenwandel der Religionskritik deutlich machen. Jahrhundertelang sah die Religionskritik ihre wichtigste Aufgabe darin, die Wahrheit religiöser Aussagen zu bestreiten. Nun stellt sie diese Aussagen Vgl. seine Études sur la psychologie des mystiques, Bd. I, Brügge und Paris 1924, Bd. II, Brüssel 1937 (Studien zur Psychologie der Mystiker). 11 Vgl. J. B. Lotz, Kurze Anleitung zum Meditieren, Frankfurt am Main 1973. 10
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A. Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage
unter den Verdacht der Sinnlosigkeit. Die Wahrheits-Bestreitung setzt voraus, daß religiöse Aussagen von etwas sprechen und etwas sagen – wenn auch nach Meinung des Kritikers etwas Falsches. Der Sinnlosigkeitsvorwurf dagegen besagt, religiöse Aussagen beziehen sich auf nichts (sind »referenceless«) und besagen nichts (sind »meaningless«); und sie verbergen diese ihre Sinnlosigkeit hinter komplizierten Ausdrücken, die sich bei näherer Betrachtung als leere Worthülsen erweisen. Zur herrschenden Methode der Religionskritik wurde deshalb die Analyse der religiösen Sprache. Sie hatte zu zeigen, daß die religiöse Sprache aus strukturellen Gründen unfähig sei, sich auf etwas zu beziehen und etwas zu bedeuten, und daß sie zugleich in vorzüglichem Maße dazu geeignet sei, die Gegenstandslosigkeit und Inhaltslosigkeit ihrer Aussagen zu verschleiern, z. B. dadurch, daß sie durch gezielten Umgang mit paradoxen Formulierungen die Grenze zwischen Tiefsinn und Unsinn beständig verwischt. Wie schon bei der kantischen Ontologiekritik, so muß auch bei der sprachanalytischen Religionskritik betont werden: Ihre Wirkungsgeschichte reichte weit über den Kreis von Fachleuten der Sprachphilosophie oder der empirischen Sprachforschung hinaus. Ihre Breitenwirkung beruhte gerade darauf, daß sie auch bei denen, die ihrer fachspezifischen Argumentation nicht zu folgen und deshalb auch die Grenzen ihrer Argumentationskraft nicht einzuschätzen vermochten, den Eindruck hervorrief: Wer Ausdrücken der religiösen Sprache eine andere Bedeutung zuschreiben wolle als den Ausdruck subjektiver Gefühle (wozu man auch gewisse Werthaltungen zu rechnen pflegte), der befinde sich nicht mehr auf der Reflexionshöhe zeitgenössischen Denkens.
3.
Das transzendentaltheologische Argument
Nun hat sich die Theologie erst vergleichsweise spät auf die Auseinandersetzung mit dieser Art von sprachanalytischer Religionskritik eingelassen. 12 Wohl aber hat Karl Rahner den dieser Art von Religionskritik zugrundeliegenden »Sinnlosigkeitsverdacht« mit einem Einen guten Überblick über die einschlägigen Argumentationen der Sprachphilosophen und Theologen enthält die kommentierte Textsammlung, die Ingolf U. Dalferth unter dem Titel Sprachlogik des Glaubens, München 1974, herausgegeben hat.
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
eigentümlichen Gegenangriff beantwortet. Er versuchte zu zeigen: Nicht der Glaube an Gott ist ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt, sondern die Bestreitung des Gottesglaubens entzieht allen Aussagen, auch denen, die es nicht mit spezifisch religiösen Inhalten zu tun haben, jeden Bezug zu möglichen Gegenständen. Denn nur der Bezug auf das »absolute Sein« macht es möglich, irgendeine Art von Seienden hinsichtlich dessen, was diese Seienden sind, durch Aussagen zu bestimmen. Dieser Gottesbezug ist darum in jeder Aussage, die auf Seiendes zielt und dadurch Geltung beansprucht, mitgesetzt. Der Gottesleugner bestreitet deshalb durch seine Aussageinhalte, also »kategorial«, das, was er dadurch, daß er überhaupt Aussagen macht, also »transzendental«, immer schon voraussetzt. Dies war die transzendentalphilosophische Begründung für Rahners oft wiederholte Behauptung: »Der Mensch« [nämlich als jenes Wesen, das, als »Geist in Welt«, Erkenntnisse nicht im schlichten Hinblick einer geistigen Anschauung, sondern nur in der Leistung der Verknüpfung von Subjekt und Prädikat im Urteil gewinnen kann] »hat es, ob er es weiß oder nicht, immer schon mit Gott zu tun.« Um aber auf diesem Wege nicht nur eine philosophische Gotteslehre grundzulegen, sondern eine christliche Theologie, versuchte Rahner zu zeigen, daß die Beziehung zum absoluten Sein, in der der Mensch immer schon steht, eine Alternative offenläßt, die nur durch Gottes Freiheit entschieden werden kann. Der Seinsbezug kann nämlich im Modus der »asymptotischen Ferne« vollzogen werden, als Beziehung zu einer bloß regulativen Idee, an der das urteilende Subjekt sich zwar notwendig orientiert, die aber niemals zum realen Gegenüber dieses Subjekts werden kann, oder als Beziehung zu einem Gott, der diesem Subjekt auf unüberbietbare Weise nahegekommen ist: in der Fleischwerdung des göttlichen Wortes. Der Mensch hat es also immer schon mit demjenigen Gott zu tun, in dessen Freiheit es liegt, sich dem Menschen als der unerreichbar Ferne oder als der unüberbietbar Nahe zu zeigen. 13 Erst darin aber liegt die – freilich »supereminente« und »ungeschuldete« – Erfüllung jener Gottesbeziehung, die mit dem Wesen des Menschen als Geist in Welt immer schon gesetzt ist. Die Christologie als Lehre vom menschgewordenen Gotteswort ist so verstanden zugleich die Lehre von der durch Gottes freie Liebestat gewährten Erfüllung dessen, was der Mensch immer Vgl. K. Rahner, Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums, Freiburg 1976, 135; 173 f.
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A. Zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage
schon intendiert, aber nicht herbeizwingen kann. Die so verstandene Christologie ist die Vollendung der transzendentalen und in diesem Sinne fundamentaltheologischen Anthropologie. 14 Weit davon entfernt, gegenstandslos und bedeutungslos zu sein, macht erst die Christusbotschaft und ihre theologische Auslegung dem Menschen deutlich, auf welche »supereminente Erfüllung« hin er durch seine transzendentalen, d. h. die Beziehung auf irgendwelche Gegenstände ermöglichenden Akte des urteilenden Erkennens angelegt ist. Nun mag man über die Schlüssigkeit dieser Argumente unterschiedlicher Meinung sein. Unbestreitbar ist zweierlei: Wenn, wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts und nach verbreiteter Auffassung bis heute, nach dem vermeintlich oder wirklich geschehenen Wegfall metaphysischer Begründungsmöglichkeiten die psychologistische Religionsdeutung als die einzig mögliche erscheint und wenn dieser Anschein zur Wirkungsgeschichte der kantischen Kritik gehört, dann ist Maréchals Versuch, von Kants Prämissen aus gegen Kants Ergebnisse und vor allem gegen deren wirkungsgeschichtliche Folgen zu argumentieren, das Gebot der Stunde. Und wenn, wie seit der Mitte des 20. Jahrhunderts, an der Stelle der Bestreitung religiöser Wahrheiten der gegen die Religion erhobene Sinnlosigkeitsverdacht zum herrschenden Thema der Kritik an Religion und Glaube geworden ist, dann ist Rahners Versuch, diesen Sinnlosigkeitsverdacht an die Gottesleugner zurückzugeben, weil diese »kategorial bestreiten, was sie transzendental voraussetzen«, die angemessene Weise der Apologetik. Und nur wenn es gelingt, auf diesem Wege nicht nur die Religion im Allgemeinen, sondern die Christusbotschaft im Besonderen von dem Verdacht zu befreien, sie sei ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt, kann die Theologie mit einer Auslegung dieser Christusbotschaft auch nur beginnen. Dies war mit der einleitenden Formulierung gemeint: Wem die Lösung der Vertreter der Transzendentalen Theologie mißfällt, hat deswegen noch keinen Grund, die Aufgabe zu vergessen, die durch diese Art von Theologie gelöst werden sollte. Freilich gilt auch das Umgekehrte: Wer von der Unausweichlichkeit einer Aufgabe überzeugt ist, hat deswegen noch keinen Grund, sich die kritische Prüfung angebotener Lösungen zu ersparen. Darum sollen nun, in einem zweiten Teil, die philosophischen und theologischen Gegengründe beschrieben werden, die gegen die Transzendentale Theologie vorgebracht zu werden pflegen. 14
Vgl. Grundkurs des Glaubens, 223.
23 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
B. Die Gegengründe
1.
Philosophische Gegengründe
Den philosophischen Kritikern, so wurde eingangs gesagt, ist die Transzendentale Theologie teils zu transzendental, teils nicht transzendental genug. a) »Zu transzendental« ist sie vor allem jenen Philosophen, die an einem »philosophischen Realismus« interessiert sind und daher das »idealistische« Moment der Transzendentalphilosophie ablehnen. Denn wenn es zu den Grundüberzeugungen der Transzendentalphilosophen gehört, daß die Gegenstände unserer Erkenntnis aus der Tätigkeit unseres Anschauens und Denkens erst hervorgehen, dann ist damit mitgesagt, daß wir es in unserem Erkennen jeweils mit derjenigen Gestalt des Wirklichen zu tun haben, die nicht unabhängig von der Beziehung auf das Subjekt »an sich« besteht, sondern durch diese Beziehung erst konstituiert wird, traditionell gesprochen also mit »Erscheinungen«. Diese Konsequenz, so scheint es, ist auch dann nicht zu vermeiden, wenn Maréchal und seine Anhänger betonen, der Sinn der Copula »ist« bestehe gerade darin, den Gegenstand in seinem »Sein«, also in seiner Unabhängigkeit von Subjekt und in seiner Maßgeblichkeit für das Subjekt zu erfassen. Es bleibt auch dann immer eine Unabhängigkeit und Maßgeblichkeit, die das Objekt erst durch die »Setzung« gewinnt, die wir im Akt des Urteilens vollziehen. Gewiß gehört zum Urteil jene »Affirmation«, durch die wir sagen »So ist es« und dadurch den erkannten Sachverhalt von allen bloß subjektiven Vorstellungen unterscheiden. Aber diese Unterscheidung bleibt eine von uns vollzogene, und der Sachverhalt, auf den sie sich bezieht, tritt uns erst im Vollzug dieses Aktes als solcher gegenüber. Sein Ansichsein bleibt, um einen Ausdruck von Hegel zu gebrauchen, ein Moment seines Fürunsseins; er ist »für uns an sich«, nicht außerhalb seines Fürunsseins, sondern in ihm. Damit aber versperrt uns, so 25 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
scheint es, die transzendentale Reflexion den Weg zu den Dingen, »wie sie an sich selber sind«. Und sofern die Kritiker die aller Erkenntnis innewohnende Intention darin sehen, »zu den Dingen« zu gelangen, hebt ihrer Auffassung nach die transzendentale Reflexion diese innere Zielrichtung aller Erkenntnisbemühung von vorneherein auf. (Noch das Zweite Vatikanische Konzil sieht darin einen Verstoß gegen die Menschenwürde. 15 Eine Theologie, die mit einer derartigen transzendentalen Reflexion beginnt, kann, so scheint es, den »Subjektivismus« nicht mehr ablegen, der mit diesem methodischen Ansatz unlöslich verbunden ist.) Philosophen, die an einer philosophischen Gotteslehre interessiert sind, sehen in diesem Grundgedanken der Transzendentalphilosophie den Versuch, das menschliche Subjekt, weil es als »gegenstands-konstituierend« gedacht wird, an die Stelle des Schöpfergottes zu setzen. Und alle Rede von Gott, die auf der Basis einer Transzendentalphilosophie versucht wird, ist, so sagen die Kritiker, in Wahrheit die Rede von einem vom menschlichen Subjekt selber gesetzten Gott. 16 Kant selbst, so fügt man dann hinzu, hat dies in einer berüchtigten Anmerkung zu seiner Religionsschrift hervorgehoben: »Es klingt zwar bedenklich, ist aber keineswegs verwerflich, zu sagen: daß ein jeder Mensch sich einen Gott mache, ja nach moralischen Begriffen […] sich einen solchen selbst machen müsse, um an ihm den, der ihn gemacht hat, zu verehren.« 17 Sofern diese Kritiker aus der Tradition der aristotelisch-thomistischen Scholastik stammen, konnten sie freilich von Maréchal und seinen Freunden darauf hingewiesen werden, daß die Transzendentalphilosophie in dieser Hinsicht nur die alte Lehre vom »intellectus agens« aufgreife, also jene scholastische Lehre, wonach der »tätige Verstand« aus dem Material der »phantasmata«, der anschaulichen Vorstellungen, die »intelligibilia actu«, die wirklichen Erkenntnisgegenstände, erst aufbaue, die als solche »non existunt in rerum natura«. 18 Aber dieser philosophiehistorische Hinweis entkräftet den sachlichen Einwand der Kritiker nicht und bestärkt sie nur in ihrer Abneigung gegen dieses Lehrstück ihrer eigenen Tradition. Und sie Gaudium et Spes 15. So das Hauptargument, das Cornelio Fabro gegen Rahner vorbringt; vgl. seine Streitschrift La Svolta antropologica di Karl Rahner, Rom 1974 (Die anthropologische Wende Karl Rahners). 17 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 257 Anm. 18 In Aristotelis librum de anima, lectio X. 15 16
26 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
B. Die Gegengründe
konnten sich in ihrer Kritik dadurch bestätigt fühlen, daß in jüngerer Zeit Autoren aus ganz anderen philosophischen Überlieferungen der Transzendentalphilosophie vorgeworfen haben, sie beschreibe ganz angemessen eine bestimmte Erkenntnishaltung, aber eine solche, die es zu überwinden gelte: jenes neuzeitliche Herrschaftswissen, das die gesamte Gegenstandswelt der Gesetzgebung des Subjekts unterwirft. 19 b) Während die genannten Kritiker der Transzendentalen Theologie vorwerfen, sie habe sich zu sehr auf die kantische Lehre von der Gegenstandskonstitution durch das erkennende Subjekt eingelassen, werfen andere ihr vor, sie habe am transzendentalen Ansatz nicht konsequent genug festgehalten. Dieser Vorwurf gründet sich vor allem auf die Beobachtung, daß Maréchal, Lotz, Rahner und andere Anhänger der Transzendentalen Theologie sich zwar wesentliche Teile der kantischen »Transzendentalen Analytik« zu eigen gemacht haben, vor allem die Lehre von der Bedeutung des Urteils für die Gegenstandskonstitution, aber Kants »Transzendentale Dialektik« kaum beachtet haben. Hier hatte Kant ausgeführt, daß Ideen, darunter vor allem die Gottesidee, von rein regulativem Gebrauche sind und daß die Vernunft sich in Widersprüche verwickelt, wenn sie diese Ideen mit Begriffen von vermeintlichen »höchsten Gegenständen« verwechselt. Die Notwendigkeit, mit der die Vernunft sich auf diese Ideen ausrichtet, um den Verstand zum Aufbau der Gegenstandswelt anzuleiten, darf nicht mit der vermeintlichen Notwendigkeit der Existenz von Dingen verwechselt werden. Ideen bezeichnen die Zielpunkte einer unvermeidlichen Aufgabe, die die Vernunft sich stellen muß, wenn Erfahrung möglich sein soll, nicht eine existierende UrWirklichkeit, auf die die Vernunft sich bei dieser ihrer Bemühung beziehen könnte. Und die Dialektik der Vernunft, vor allem in ihrem praktischen Gebrauche, ergibt sich daraus, daß die Vernunft an dieser ihrer unvermeidlichen Aufgabe auch scheitern kann oder gar notwendig scheitert. Die Meinung Maréchals aber, der »Dynamismus des Geistes« käme gar nicht zustande, wenn das Ziel, auf das diese Dynamik sich ausrichtet, nicht »wirklich« wäre, verkennt die Selbstgesetzgebung der Vernunft, die sich das Ziel ihrer Bemühungen mit transzendentaler Notwendigkeit selber vorgibt, statt es in irgendeiner überempi19
So vor allem, in immer neuen Anläufen, Emmanuel Levinas.
27 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
rischen Region des Wirklichen als gegeben vorzufinden. Dann mag, mit Rahner gesprochen, der »Vorgriff auf das absolute Sein« mit transzendentaler Notwendigkeit vollzogen werden, weil nur er die Erkenntnis des Seienden als eines solchen möglich macht. Aber diese transzendentale, für die Gegenstandskonstitution unvermeidliche Notwendigkeit eines Aktes, hier des »Vorgriffs«, darf nicht mit der ontologischen Notwendigkeit der Existenz eines Gegenstands verwechselt werden. Der scholastische Grundsatz: »Nur eine Tendenz, die sich auf Wirkliches richtet, ist eine wirkliche Tendenz« (oder seine negative Fassung »Tendentia in nihilum est nihilum tendentiae«) setzt jenen »metaphysischen Realismus« schon voraus, den er erst begründen will. Das nicht Gegebene, sondern rein Aufgegebene hat seine eigene Weise der Gültigkeit, die keiner Fundierung in einer vermeintlich vorgegebenen Wirklichkeit bedarf. Denn wenn alles, was uns als »gegeben« gegenübertritt, aus der konstitutiven Tätigkeit unseres Anschauens und Denkens hervorgeht, kann dieser Tätigkeit nichts »vorausgehen« als die Selbstgesetzgebung der Vernunft, die sich ihre Ziele selber setzt und die Verpflichtungskraft dieser Ziele an keinem anderen Kriterium mißt als daran, ob diese Zielsetzung nötig ist, wenn der Aufbau einer Erfahrungswelt möglich sein soll. Man kann, so ist der Nerv dieses kritischen Arguments, nicht die Lehre von der transzendentalen Gegenstandskonstitution übernehmen und die Lehre von der rein regulativen Kraft der Ideen von dieser Übernahme aussparen. Ist die Vernunft bei der Konstitution ihrer Gegenstände autonom, dann ist sie es auch in der Bestimmung der Ziele, auf die sie sich bei ihrer Tätigkeit ausrichtet. Ja, die Selbstgesetzgebung in der Bestimmung ihrer Ziele ist die Bedingung ihrer Selbstbestimmung beim Aufbau ihrer Gegenstandswelt. So läßt sich die philosophische Kritik an der Transzendentalen Theologie auf die Kurzformel bringen: Den einen Kritikern geht diese Theologie in der Anerkennung der Vernunftautonomie zu weit, den anderen erscheint diese Anerkennung der Vernunftautonomie halbherzig, sodaß sie am entscheidenden Punkt vor ihren Konsequenzen zurückscheut.
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B. Die Gegengründe
2.
Theologische Gegengründe
a)
Der Vorwurf der Geschichtslosigkeit
Die biblische Botschaft ruft den Menschen in ein Gottesverhältnis hinein, das ganz durch die berufende Freiheit Gottes und die antwortende Freiheit des Menschen bestimmt wird. Darum ist dieses Verhältnis von grundlegend geschichtlicher Natur. Eine Theologie wird deswegen der Eigenart der biblischen Botschaft nur in dem Maße gerecht, in welchem sie dieser Geschichtlichkeit Rechnung trägt. Die transzendentale Reflexion dagegen, so lautet ein wichtiger Einwand, bezieht eine Position jenseits aller Alternativen der Geschichte. Denn jener Zusammenhang von Ereignissen, der die Geschichte ausmacht, bildet ein Gefüge von Inhalten der Erfahrung; die transzendentale Reflexion dagegen versucht, die Bedingungen zu bestimmen, die Erfahrung möglich machen. Gerade als vorausliegende Möglichkeitsbedingungen jeder Erfahrung bleiben diese von der Differenz zwischen den Inhalten dieser Erfahrung unbetroffen. Wird aber, im Sinne der Transzendentalen Theologie, die Beziehung des Menschen zu Gott zu diesen Möglichkeitsbedingungen jeglicher Erfahrung gerechnet, dann folgt daraus, daß auch diese Gottesbeziehung vom Wechsel der Erfahrungsinhalte und damit von der Geschichte nicht berührt wird, sondern durch die »Wesensnatur« des Menschen als »Geist in Welt« apriori gesichert ist. Eine transzendental verstandene Rede von Gott erscheint dann ungeeignet zur Auslegung der wesentlich geschichtlichen biblischen Botschaft. Nun hat Rahner versucht, diesem Einwand dadurch Rechnung zu tragen, daß er in jenem Gottesverhältnis, in welchem der Mensch kraft seiner Natur als Geist in Welt immer schon steht, eine offene Alternative entdeckte, die nur durch Gottes Freiheit entschieden werden kann: die Alternative von »asymptotischer Ferne«, in der Gott dem Menschen nur als der unerreichbare Zielpunkt aller seiner Verstandesperspektiven erscheint, und unüberbietbarer Nähe, die er dem Menschen in der Vereinigung seines Wortes mit der Menschennatur Jesu geschenkt hat. Dabei verstand er die asymptotische Ferne als Ausdruck des göttlichen Gerichts über den Sünder, die unüberbietbare Nähe dagegen als Ausdruck einer freien und ungeschuldeten göttlichen Gnade, die, wie Rahner ausdrücklich bemerkt, kein »debitum naturae« ist, also kein Anspruch, den der Mensch deswegen er-
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
heben könnte, weil Gott sein ebenso freies Schöpfungswort schon gesprochen hat. Damit wird freilich in der Geschichte Gottes mit dem Menschen nur eine einzige Alternative entschieden: »ob Gott die für uns schweigend in sich verschlossene und uns in unsere Endlichkeit hinein distanzierende Unendlichkeit oder die radikale Nähe der Selbstmitteilung sein will«. 20 Dabei hätte die »für uns schweigend in sich verschlossene Unendlichkeit« den Charakter des Gerichts, die »radikale Nähe der Selbstmitteilung« aber den Charakter der »vergebenden Nähe«. 21 Weil aber in dieser Geschichte nur eine einzige Alternative entschieden wird, und zwar durch die Menschwerdung des Wortes, darum »schrumpft« die ganze Geschichte der Menschheit, theologisch gesehen, »zu einem kurzen Augenblick des Anhebens des Ereignisses Christi zusammen«. 22 Es erscheint fraglich, ob eine solche Deutung geeignet ist, der biblisch verstandenen Geschichtlichkeit des Verhältnisses zwischen Gott und dem Menschen gerecht zu werden; es muß im Gegenteil vermutet werden, daß dieses »Zusammenschrumpfen« der Geschichte auf einen einzigen Augenblick eine der Ursachen dafür ist, daß insbesondere die Geschichtsverkündigung des Alten Testaments in Rahners Transzendentaler Theologie keine angemessene Stelle findet und der gesamte Alte Bund sich in seiner Deutung von den mannigfachen Formen des »adventlichen Heidentums« nicht wesentlich unterscheidet.
b)
Der Vorwurf der Praxisferne
Die biblische Botschaft will, worauf in jüngerer Zeit besonders nachdrücklich hingewiesen worden ist, den Menschen nicht nur theoretisch über »himmlische Sachverhalte« belehren, sondern ihn vor allem auf einen Heilsweg weisen; und dieser Weg wird nicht in der reinen Innerlichkeit des Individuums gegangen, sondern in konkreten Formen gemeinschaftlicher Praxis. Deshalb kann eine Theologie diesem praxisbezogenen Charakter der biblischen Botschaft nur in dem Maße gerecht werden, in welchem sie Alternativen der Praxis, vor allem der gesellschaftlichen, aufzeigt und als Alternativen von 20 21 22
Grundkurs des Glaubens, 173. Grundkurs des Glaubens, 174. Grundkurs des Glaubens, 169.
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B. Die Gegengründe
Heil und Unheil deutlich macht. »Siehe, ich lege vor dich Tod und Leben, damit du das Leben wählest« (Dtn 30,19). Die transzendentale Reflexion aber, so wird nun eingewendet, bezieht eine Position jenseits aller Alternativen der Praxis, weil sie die Bedingungen benennt, von denen jeder Bezug zur Erfahrungswirklichkeit und damit jegliche Praxis abhängt, die heilvolle wie die unheilvolle in gleicher Weise. Wenn aber die Gottesbeziehung des Menschen diese Bedingung seiner Freiheit ist, dann wird sie in jedem Akt dieser Freiheit vollzogen und bleibt von den Alternativen der Heils- und Unheilspraxis unbetroffen. Es ist vor allem diese Praxis-Neutralität, die Johann Baptist Metz der Transzendentalen Theologie Rahners vorgeworfen hat und zu deren Kennzeichnung er sich der Fabel vom Hasen und vom Igel bediente: Während der »Hase« sich in den Ackerfurchen der Welt tätig abmüht, um zuletzt zu Gott zu finden, trifft er am Ziel seiner Mühen jeweils den transzendentalen »Igel« an, der ihm zuruft »Ich bin allhie«, weil er immer schon in einer Gottesbeziehung zu stehen meint, die von der Entscheidung praktischer Alternativen gar nicht berührt wird. 23 Nun kann man gegen diesen Einwand geltend machen, erst im Lichte eines Gottesbezugs, der mit dem Wesen des Menschen mitgegeben ist, könne die Gottwidrigkeit einer verfehlten Praxis als solche erkannt und beurteilt werden. Die vermeintlich fehlende Praxisrelevanz der Transzendentalen Theologie besteht gerade darin, daß sie den Maßstab an die Hand gibt, an dem Heilspraxis und Unheilspraxis voneinander unterschieden werden können. 24 Aber auch dann bleibt erhalten, daß dieses unterscheidende Urteil, so verstanden, nur möglich wird, weil der Mensch durch sein Tun und Lassen die mit seinem Wesen mitgesetzte Gottesbeziehung zwar pervertieren, aber nicht verlieren kann. Und es bleibt zu fragen, ob damit die Radikalität der »Aversio a Deo« und ihrer Folgen angemessen bestimmt werden kann.
Zur Veranschaulichung dieses Einwands der »Praxis-Neutralität« von Johann Baptist Metz gegen die Transzendentale Theologie Karl Rahners mit der Fabel von dem Hasen und dem Igel vgl. J. B. Metz, Glaube in Geschichte und Gesellschaft, Mainz 1977, 143–145. 24 Dieses Argument hat mein früherer Mitarbeiter Gerd Neuhaus in Auseinandersetzung mit Metz in seiner Untersuchung Transzendentale Erfahrung als Geschichtsverlust?, Düsseldorf 1982, vorgetragen. 23
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
3.
Der erreichte Problemstand
Angesichts der vielfältigen philosophischen und theologischen Einwände, die gegen die Transzendentale Theologie erhoben werden, stellt sich die Frage: Sind die Schwächen der Transzendentalen Theologie, die ihre Kritiker aufgewiesen haben, für diese Art von Theologie konstitutiv? Oder läßt sich die transzendentale Reflexion mitsamt ihrer theologischen Anwendung so weiterentwickeln, daß sie die angegebenen Schwächen überwindet? Im ersten Falle fällt die Theologie wieder zurück in jene Alternative, über die die Transzendentale Theologie sie hinausführen wollte. Sie kann dann entweder die transzendentale Kritik ignorieren und weiterhin so tun, als verstehe es sich auch nach dieser Kritik und in einer säkularen Welt von selbst, daß man von Gott reden kann (beispielsweise auf dem bewährten Wege der klassischen Metaphysik). Oder sie kann die transzendentale Kritik akzeptieren, freilich ohne von ihren Voraussetzungen aus einen neuen Zugang zum Sprechen von Gott zu finden. Dann aber muß sie sich damit abfinden, daß der Glaube zu einer Sache des subjektiven Gefühls wird oder eine bloße Metapher für die Entschiedenheit des sittlichen Engagements darstellt – eine Metapher, die sich zuletzt als entbehrlich erweist. Die Aufgabe der Transzendentalen Theologie bestand darin, über dieses Dilemma hinauszuführen. Und diese Aufgabe bleibt, wie eingangs bemerkt wurde, auch dann erhalten, wenn die bisher vorgelegten Lösungsversuche der Transzendentalen Theologie nicht befriedigen. Die Frage ist also, ob die transzendentale Reflexion einerseits, ihre theologische Applikation andererseits so weiterentwickelt werden können, daß, wie im Titel der hier vorgetragenen Überlegungen angedeutet, neue, zukünftige Möglichkeiten ihrer Begegnung sichtbar werden. Um diese Möglichkeit zu prüfen, wird im folgenden, dritten Teil der hier vorgetragenen Überlegungen von einer Vermutung ausgegangen werden, die im weiteren Verlauf des Gedankengangs zu überprüfen ist: Die Schwächen der Transzendentalen Theologie, wie sie bisher vorliegt, beruhen nicht darauf, daß sie sich zu tief auf die transzendentale Fragestellung eingelassen hätte (das war die Meinung derjenigen philosophischen Kritiker, von denen an erster Stelle die Rede war). Sie beruhen vielmehr darauf, daß sie die Herausforderung der Transzendentalphilosophie nicht hinlänglich vorbehaltlos angenommen hat. Es wird daher zweierlei zu zeigen sein: Die Theo32 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
B. Die Gegengründe
logie kann neue Wege finden, ihrer eigenen Aufgabe gerecht zu werden, wenn sie sich der Herausforderung der Transzendentalphilosophie, auch und gerade hinsichtlich der in ihr enthaltenen Vernunftkritik, ungeschützt und vorbehaltlos stellt, sich freilich auch auf einen kritischen Dialog mit ihr einläßt. Und sie wird dann sogar jenen Einwendungen Rechnung tragen können, die die Gegner der Transzendentalphilosophie gegen diese und deshalb auch gegen ihre theologische Anwendung vorgetragen haben. Um diese These zur Diskussion zu stellen, ist es jedoch zunächst nötig, deutlicher anzugeben, worin die erwähnte Herausforderung der transzendentalen Kritik besteht.
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C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
Um in Umrissen deutlich zu machen, welche Herausforderung an die Theologie im transzendental-kritischen Verständnis des menschlichen Erkennens enthalten ist, lassen sich fünf Momente dieser Art philosophischen Denkens unterscheiden: 1) 2) 3) 4) 5)
Eine Entdeckung: Es gibt kein rein passives Hinnehmen, sondern stets nur »verarbeitete Information«. Eine Folgerung: Die Welt und das eigene Ich sind uns nicht gegeben, sondern aufgegeben. Eine Reflexion: Diesem Welt- und Selbstverständnis liegt ein Interesse an Freiheit zugrunde. Eine weitere Entdeckung: Dieses eine Vernunftinteresse faltet sich in mehrere, divergierende Vernunftinteressen aus. Eine Einsicht: Diese Divergenz der Vernunftinteressen erzeugt eine Dialektik der Vernunft, die nur durch einen »postulatorischen Vernunftglauben« aufgehoben werden kann.
Jedes dieser fünf Momente der transzendentalen Reflexion ist für die Theologie bedeutsam. Dabei drängen einige dieser Implikate der transzendentalen Reflexion über diejenige Darstellung hinaus, die Kant ihnen gegeben hat.
1.
Es gibt kein rein passives Hinnehmen, sondern nur »verarbeitete Information«
Diese Einsicht bildet den Ausgangspunkt der transzendentalen Reflexion und reicht, philosophiehistorisch gesehen, bis zur Lehre vom »tätigen Verstand« zurück, die von mittelalterlichen Aristotelikern
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
entwickelt worden ist. 25 Was uns als Gegenstand unseres Anschauens, Wahrnehmens und Begreifens gegenübertritt, ist uns nicht ohne unser eigenes Zutun gegeben, sondern schon das Produkt unserer gestaltenden Tätigkeit. Deshalb ist stets methodische Vorsicht geboten, wenn ein Autor sich darauf beruft, er »beschreibe nur, was sich unmittelbar von der Sache her zeigt«. Nicht selten dient diese scheinbar so demütige Versicherung dazu, die eigene, gestaltende Tätigkeit des Rezipienten zum Vergessen zu bringen und sich damit der Pflicht zur Rechenschaft für diese Eigentätigkeit zu entziehen. 26 Freilich ergibt sich aus dieser transzendentalphilosophischen Grundeinsicht die Frage, wie es möglich ist, daß aus dieser Eigentätigkeit des Anschauens und Denkens nicht nur subjektive Vorstellungen hervorgehen, sondern Gegenstände, die uns mit Maßgeblichkeit gegenübertreten und den Maßstab bilden, an dem wahre von falschen Urteilen unterschieden werden können. Und man muß fragen, ob Kants Antwort das Problem endgültig löst, wonach die vollendete Synthesis, die das Mannigfaltige unserer Anschauungs-Inhalte zur Einheit bringt, das hinlängliche Kriterium dafür sei, daß wir es nun mit Gegenständen (Objekten) und ihrer Objektivität (Maßgeblichkeit für unser Urteil) und nicht bloß mit unseren subjektiven Meinungen über sie zu tun haben. »Alsdann sagen wir: wir erkennen den Gegenstand, wenn wir in dem Mannigfaltigen der Anschauung synthetische Einheit bewirkt haben.« 27 Vielleicht hat Hegel hier klarer gesehen, wenn er die Erfahrung den »sich selbst vollbringenden Skeptizismus« 28 genannt hat: einen »Skeptizismus«, weil in der Erfahrung der Gegenstand immer neu die Differenz zwischen dem, was Vgl. Thomas v. Aquin, Summa Theologica, Pars I, q. 54, art. 1–5. Einen Sonderfall bildet die »phänomenologische Deskription« im Sinne Husserls, die den Gegenstand so beschreibt, wie er im intentionalen Akt des Subjekts und für dieses sich zeigt. Damit wird die gegenstands-konstitutive Eigentätigkeit des Subjekts nicht bestritten, sondern vorausgesetzt; und die von Husserl behauptete Unbezweifelbarkeit solcher Deskriptionen ist ausdrücklich an die »phänomenologische Reduktion« gebunden, die sich jeder Aussage darüber enthält, was der Gegenstand außerhalb seiner Beziehung auf den intentionalen Akt »an sich« sei. Dieser Zusammenhang wird von manchen Anhängern Husserls vergessen, die auf dem Wege einer »phänomenologischen Deskription« zu vermeintlich unbezweifelbaren Erkenntnissen der Wirklichkeit in ihrem vom Subjekt unabhängigen Ansichsein zu gelangen meinen. Vgl. dazu die Untersuchung meines früheren Mitarbeiters Tobias Trappe: Transzendentale Erfahrung, Basel 1996. 27 Kritik der reinen Vernunft A 105. 28 Phänomenologie des Geistes, Ausgabe Glockner II, 2. 25 26
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C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
er ist, und der Weise, wie wir ihn anschauen und begreifen, zur Geltung bringt; aber einen »sich selbst vollbringenden« Skeptizismus, weil dieser Widerstand des Gegenstands gegenüber unserem subjektiven Meinen uns nicht »von außen« widerfährt, sondern in unserem Anschauen und Denken selbst, als ein inneres Moment unserer Selbsttätigkeit, immer neu wirksam wird. Oder in einer späteren Terminologie gesprochen: Wir sehen, daß es am Gegenstand mehr zu sehen gibt, als wir sehen; wir begreifen, daß es am Gegenstand mehr zu begreifen gibt, als wir begreifen. Aber dieses »mehr« bliebe uns ganz unbekannt, wenn wir die Akte des Sehens und Begreifens nicht vollzögen, durch die uns der Gegenstand erst gegenübertritt, und zwar so, daß er dieses Sehen und Begreifen beständig weitertreibt und schließlich an seine Grenze führt. Für die Theologie ist diese transzendentalphilosophische GrundEinsicht auf eine Weise bedeutsam, die von den Theologen nicht immer wahrgenommen wird. Auch Propheten und Apostel haben das Wort Gottes, das sie uns in ihren Schriften weitergeben, nicht in einem rein passiven Hinnehmen zu Gehör bekommen. Auch sie haben dieses Wort Gottes nur in der Weise vernommen, wie sie es durch die Akte ihres Anschauens, Vorstellens und Begreifens schon beantwortet haben; und für uns kommt es nur in der »Knechtsgestalt« dieser ihrer Antwort zur Sprache. Theologisch gesprochen: Die Schriften des Alten und Neuen Testaments enthalten das Wort Gottes nicht als »verbal inspiriertes« Wort, sondern nur als »Gotteswort im Menschenwort«. Andererseits sehen die Glaubenden in den biblischen Texten nicht nur die subjektiven Glaubensüberzeugungen der menschlichen Verfasser bezeugt, sondern das Wort Gottes selbst, das sie in der Gestalt des Menschenworts erreicht und unter seinen Anspruch und seine Zusage stellt. Und so entsteht das theologische Problem, wie das in der Bibel dokumentierte Wort Gotteswort bleiben kann, obgleich es nur in der Gestalt des Menschenworts vernehmbar wird. Um diese Frage zu beantworten, bedarf die Theologie einer Theorie, die begreiflich macht, wie das menschliche Wort einen Anspruch und eine Zusage vernehmbar macht, die sich nicht darin erschöpft, Menschenwort zu sein. Es ist leicht zu sehen, daß sich auf diese Weise innerhalb der Theologie diejenige Frage stellt, die zugleich ein Zentralproblem der Transzendentalphilosophie darstellt: Die speziell theologische Frage nach dem »Gotteswort in der Gestalt des Menschenworts« erweist sich als eine spezielle Form der allgemeinen transzendentalphiloso37 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
phischen Frage, wie im menschlichen Anschauen und Denken und in seiner sprachlichen Ausdrucksgestalt nicht nur subjektive Auffassungen der Sprecher, sondern der Anspruch eines Wirklichen vernehmbar werde, der dem sprechenden wie dem hörenden menschlichen Subjekt mit Maßgeblichkeit gegenübertritt und »stets größer« ist als die subjektiven Meinungen, die sich Sprecher wie Hörer über diese Wirklichkeit gebildet haben. Und wenn manche theologischen Auslegungen des Schriftworts nichts anderes zutage fördern als den psychologisch, soziologisch oder historisch erklärbaren Ausdruck der religiösen Subjektivität der menschlichen Verfasser, dann zeigt dies an, daß der Theologie, die die Lehre von der »Verbalinspiration« nicht mehr vertritt, eine angemessene Theorie fehlt, die es ihr gestattete, das menschliche Wort als die Gegenwartsgestalt eines Anspruchs zu verstehen, der nicht abseits von dieser »Knechtsgestalt« angetroffen werden kann und doch von ihr verschieden bleibt. Oder kurz: Ohne Aneignung der transzendentalphilosophischen Grund-Einsicht und ohne kritische Auseinandersetzung mit den Lösungsversuchen, durch die die Philosophen dieses Problem zu klären versuchen, kann auch die Theologie ein angemessenes Verständnis des »Gottesworts im Menschenwort« nicht zustande bringen. Die Theologie kann ohne transzendentale Methode kein angemessenes Verständnis von ihrer Aufgabe und keine Kriterien zur Beurteilung ihrer eigenen Ergebnisse gewinnen. Das schließt nicht aus, sondern ein, daß die Theologen sich mit der kantischen Antwort nicht zufriedengeben können, wonach die vollendete Synthesis das zureichende Kriterium dafür sei, ob wir es nur mit subjektiven Meinungen oder mit objektiv gültiger Wahrheit zu tun haben. Auch ein vom Menschen selbst konstruiertes Gottesbild könnte daraus entstehen, daß der Mensch in der Mannigfaltigkeit seiner subjektiven Vorstellungen »Einheit bewirkt« hat. Aber dieses Ungenügen an der kantischen Lösung wird auch von manchen Transzendentalphilosophen geteilt, die deswegen nach einer Weiterentwicklung der transzendentalen Methode verlangen, die jener Wahrheit Rechnung trägt, die stets »je größer« ist als unsere Meinungen von ihr. Was soeben über Hegels Erfahrungsverständnis gesagt wurde, ist nur ein Hinweis unter anderen auf die philosophische Bemühung um eine solche Weiterentwicklung des transzendentalen Denkens. Das bedeutet für die Theologie: Sie erreicht ihr eigenes Ziel nicht dadurch, daß sie, wie manche Kritiker ihr empfehlen, die transzendentale Methode als ganze verwirft, sondern dadurch, daß sie an 38 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
deren Weiterentwicklung aktiven Anteil nimmt. Nur eine transzendentale Theologie, die auf einer solchen Weiterentwicklung beruht, kann angeben, was an die Stelle der Lehre von der Verbalinspiration treten soll, wenn die bleibende Aufgabe darin besteht, deutlich zu machen, wie das Menschenwort die Stelle sein und bleiben kann, an der das von allem Menschenwort verschiedene Gotteswort seine menschlichen Hörer, und sogar schon seine menschlichen Sprecher, erreicht. Es wird an späterer Stelle zu zeigen sein, daß eine Transzendentalphilosophie, die zu einer Theorie der Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklichkeit weiterentwickelt wird, ein Angebot an die Theologie enthält, diese Aufgabe zu lösen.
2.
Die Welt und das eigene Ich sind uns nicht gegeben, sondern aufgegeben
Dieser zweite Satz ist eine Folgerung aus dem ersten. 29 Denn wenn die einzelnen Gegenstände aus der Tätigkeit unseres Anschauens und Denkens erst hervorgehen, kann auch das Ganze aller möglichen und wirklichen Gegenstände, die Welt, dieser unserer Tätigkeit nicht vorgegeben, sondern nur ihr aufgegeben sein. Aber dies gilt noch aus einem spezielleren Grund. Jenes Ganze, das wir »Welt« nennen, kann auch deshalb kein gegebener Gegenstand sein, weil wir niemals alle Elemente kennen, die wir zu diesem Ganzen vereint denken. Wenn wir dennoch behaupten, alle wirklichen und möglichen Gegenstände gehörten zu einem derartigen Ganzen, dann können wir diese Behauptung nicht durch Kenntnis dieser Elemente begründen, sondern nur dadurch, daß wir jeweils nur dasjenige als einen Gegenstand anerkennen und vom bloßen Zug subjektiver Vorstellungen unterscheiden, dem wir einen unverwechselbaren Ort in einem geordneten Zusammenhang zuweisen, also beispielsweise eine Raum-Zeit-Stelle und eine Stelle in der Kette der Bedingungen und Folgen. Wir bauen aus den Elementen unserer subjektiven Vorstellungen die Gegenstände dadurch auf, daß wir sie nach Ort und Zeit und nach ihrer kausalen Funktion bestimmen. Mit diesem Bestimmen kommen wir zwar an kein Ende, sondern entdecken, für jeden einzelnen Gegenstand, immer neue raumzeitliche und kausale Beziehungen. Aber wir wissen, daß wir diese Aufgabe des Bestimmens erst dann zu Ende 29
Siehe oben S. 35.
39 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
getan hätten, wenn wir alle diese Beziehungen angeben könnten. Die Vorstellung von dem Ganzen dieser Beziehungen ist also ein Zielbegriff von der Erfüllung einer Aufgabe, den wir antizipierend bilden, um diese Aufgabe Schritt für Schritt in Angriff nehmen zu können. »Welt« ist, wie Kant in einer frühen Schrift gesagt hat, ein »terminus, quem mens sibi exposcit atque praesumit«, ein »Grenzbegriff, dessen Erreichung das Bewußtsein sich selber abverlangt und vorwegnehmend vor Augen stellt«. Solche Begriffe nannte Kant später »Ideen«. Sie sagen uns nicht, was uns gegeben, sondern was uns aufgegeben ist. Gleiches gilt von dem Begriff »Ich« – oder, wie Kant in vorsichtigerer Ausdrucksweise sagt, von der Einheit des Aktes »Ich denke«. Wir können die einzelnen Gegenstände nur dann in den geordneten Zusammenhang einer »Welt« einordnen, wenn wir die ganze Fülle unserer Vorstellungen in die Einheit dieses Aktes aufnehmen. Auch das ist eine Aufgabe, die nie zu Ende getan ist, an der wir uns aber orientieren müssen, wenn wir Schritt für Schritt die unüberschaubare Mannigfaltigkeit unserer Vorstellungen miteinander verknüpfen sollen. Auch der Begriff »Einheit des Aktes ›Ich denke‹« ist die Antizipation der Erfüllung einer Vernunftaufgabe, also eine Idee. Daraus ist zunächst eine negative Folgerung zu ziehen, die den Theologen stets sehr ärgerlich erschienen ist: Wenn weder »Welt« noch »Ich« etwas Gegebenes bezeichnen, dann ist die Frage gegenstandslos, auf welche Ursache diese Gegebenheit zurückzuführen sei. Die Einsicht, daß Welt und Ich keine Gegenstände, sondern Ideen sind, entzieht damit dem traditionellen »kosmologischen Gottesbeweis« seine Grundlage. Sodann aber ist zu fragen, auf welche Weise wir die Aufgaben, die mit diesen Begriffen bezeichnet werden, positiv bestimmen können. Wie können wir wissen, was wir tun müssen, wenn wir uns der Erfüllung dieser Aufgaben wenigstens schrittweise annähern sollen, auch wenn wir mit dieser Bemühung niemals an ein Ende gelangen? Kant meinte, darauf eine Antwort geben zu können: Wir wissen, was diese Aufgaben uns abverlangen, weil wir zwar nicht die unübersehbare Fülle der Inhalte, wohl aber jene Form der Verknüpfung kennen, durch die wir das jeweils Einzelne dem gesuchten Ganzen einer »Welt« einfügen; wir kennen die Struktur des Raumes und der Zeit, innerhalb derer wir alle Orts- und Zeitbestimmungen zu geben versuchen, also jede einzelne Erscheinung lozieren und datieren; und wir kennen die Struktur des Kausalnexus, der es uns gestattet, zu jeder 40 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
gegebenen Erscheinung die zureichenden Gründe und die unausbleiblichen Folgen zu bestimmen. Wir kennen, allgemein gesprochen, jene Anschauungsformen und Verstandesbegriffe, die wir anwenden müssen, um die Vernunftaufgabe, die wir mit dem Begriff »Welt« bezeichnen, zu erfüllen. Und im gleichen Maße, in welchem es uns gelingt, eine auf solche Weise durchgängig geordnete Welt aufzubauen, gewinnen wir auch die Möglichkeit, alles, was uns begegnet, in die widerspruchsfreie Einheit des Aktes »Ich denke« aufzunehmen. Der Aufbau der Welt als eines allumfassenden geordneten Zusammenhangs der Gegenstände wird zum »Probierstein« für die Versuche, die Fülle der Vorstellungen zur Einheit des Ich zu verknüpfen. Wiederum wird man fragen müssen, ob diese kantische Antwort endgültig befriedigen kann. Zunächst zeigt ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte, daß die Vorstellung von der leeren, gleichförmig verlaufenden Zeit und von dem ebenso leeren, homogenen Raum nicht die einzig möglichen Formen der Raum-Zeit-Anschauung sind. Quantenmechanik und Relativitätstheorie haben zu einer veränderten Weise der Raum-Zeit-Anschauung geführt. Und im gleichen Zusammenhang hat der Begriff der Kausalität sich gewandelt. Und dies geschah nicht deshalb, weil aus subjektiven Gründen eine »Mentalität« sich verändert hat, sondern weil die Phänomene uns gezwungen haben, die Vorstellung von den Aufgaben, die wir erfüllen müssen, wenn uns der Aufbau einer »Welt« gelingen soll, zu korrigieren. Nicht nur die Lösungen, die wir finden, sondern schon die Aufgaben, die wir uns stellen, erweisen sich als korrekturbedürftig – und dies unter dem Anspruch des Wirklichen, den wir doch nur vernehmen, indem wir schon anschauen und denken, also diesen Anspruch schon beantworten. Inmitten unseres Anschauens und Denkens, also inmitten unserer Antwort auf den Anspruch des Wirklichen, bringt dieser Anspruch sich auf solche Weise zur Geltung, daß er unsere Antwort als überbietungsbedürftig erweist, und zwar nicht nur ihrem Inhalt, sondern auch ihrer Form nach. Es ist also, über Kant hinaus, ein dialogisches Verständnis der Erfahrung nötig, wenn begreiflich werden soll, wie unser Anschauen und Denken einerseits den Anspruch des Wirklichen erst vernehmbar macht, andererseits durch den so vernehmbar gewordenen Anspruch zu einer Umgestaltung genötigt wird. 30 Und ist dieser dialogische Charakter der Erfahrung Dies ist das Thema meines Buches Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, Freiburg und München 1995.
30
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
einmal am Beispiel der Wissenschaftsgeschichte entdeckt, dann wird der Blick frei, um die Strukturdifferenz unterschiedlicher Erfahrungsarten zu erkennen, unter denen die wissenschaftliche Empirie nur eine ist, und um die Wechselbeziehung unterschiedlicher Erfahrungsarten und ihnen zugeordneter Erfahrungswelten als das vorantreibende Moment einer Geschichte zu erfassen, von der die Wissenschaftsgeschichte nur einen beschränkten Ausschnitt darstellt. Aber auch dann, wenn die Transzendentalphilosophie zu einer Theorie der Erfahrung als Dialog weiterentwickelt wird, bleibt die oben genannte Folgerung aus ihrer Grund-Einsicht erhalten: Die Welt und das eigene Ich sind uns nicht gegeben, sondern aufgegeben, nun freilich in dem speziellen Sinne, daß diese Begriffe die Zielperspektive des Dialogs definieren, den wir mit dem Wirklichen und seinem Anspruch führen. Wir sind in den vielfältigen Weisen, wie wir in unserem Anschauen und Denken den Anspruch des Wirklichen beantworten und durch diese Antwort erst für uns und andere vernehmbar machen, dem einen, allumfassenden Anspruch auf der Spur, dem wir uns mit der Ganzheit unseres Herzens, unserer Person und unserer Kräfte hingeben können und als dessen Antizipationsgestalten wir jede der vielfältigen Weisen begreifen, wie das Wirkliche uns Möglichkeiten der Selbstfindung durch Selbsthingabe anbietet. Für die soeben gegebene Beschreibung der Zielperspektive unseres Dialogs mit der Wirklichkeit ist bewußt eine Formulierung gewählt worden, die auf das Grundbekenntnis des jüdischen Glaubens anspielt: »Der Herr, unser Gott, ist ein einziger Herr. Und du sollst lieben den Herrn, deinen Gott, mit der Ganzheit deines Herzens, mit der Ganzheit deiner Person und mit der Ganzheit deiner Kräfte« (Dtn 6,4.5). Was philosophisch die »Einheit des Ich« genannt wird und biblisch die »Ganzheit von Herz, Person und allen Kräften« heißt, ist nicht vorgegeben, sondern aufgegeben und wird nur in der ungeteilten liebenden Hingabe an Gott als den Einen und Einzigen erreicht. Diese Selbstfindung durch Selbsthingabe aber macht den Inhalt der spezifisch sittlichen Erfahrung aus, die in den je konkreten verpflichtenden Handlungsmöglichkeiten des Lebens die Gegenwarts- und Antizipationsgestalten der einen, alles umgreifenden »Einung des Herzens« durch die liebende Selbsthingabe an Gott zu entdecken vermag, der in allem, was uns in Anspruch nimmt, in seiner Einheit wiedererkannt und beim Namen gerufen werden kann. Solche »Einung des Herzens durch Einung des Namens«, d. h. durch das wiedererkennende Eintreten in die Korrelation zu Gott als dem 42 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
Einen, ist ein Grundmotiv jüdischer Moraltheologie, auf das vor allem Hermann Cohen hingewiesen hat. 31 Mit diesem Hinweis auf die jüdische Moralauffassung und ihre Darstellung durch Hermann Cohen sollte angedeutet sein: Eine Transzendentalphilosophie, die die geordnete Ganzheit der Welt und die Einheit des Ich nicht als gegeben, sondern als aufgegeben begreift, kann auch für die Theologie weiterführende Hinweise geben; und Theologen, die es bedauern, daß diese Art von Philosophie dem kosmologischen Gottesbeweis seine Grundlage entzieht, mögen prüfen, ob sie durch diese Hinweise nicht mehr als »entschädigt« werden. Denn wenn Gott nicht in der Rückfrage nach der Erstursache alles Gegebenen gesucht, sondern in der Zielperspektive alles Aufgegebenen gefunden wird, können dadurch einige Charakteristika der biblischen Verkündigung verständlich gemacht werden, darunter vor allem die Sprachform hymnischer Gottesprädikationen, die nicht selten in der Form des »Participium Causativi« (hebräisch: des »Hiphil«) ausgesprochen werden: Gott ist derjenige, der »macht, daß wir aus Ägypten gehen konnten und können« (gewöhnlich übersetzt: der uns aus Ägypten geführt hat) oder, in der gleichen grammatischen Form des gleichen Verbums gesprochen: »der macht, daß Brot aus der Erde hervorgehen kann« (so im jüdischen Tischgebet), oder: »der macht, daß wir sterben, und macht, daß wir leben« (1 Sam 2,6; gewöhnlich übersetzt: der tötet und lebendig macht). Nicht das Factum, das unabhängig von allem Wirken des Menschen, ja der gesamten Kreatur schon gegeben ist, sondern das Faciendum, das dem Menschen und allem Geschaffenen aufgegeben ist, wird zur primären Gestalt für die Selbstkundgabe Gottes. (Am Rande sei vermerkt: Es mag den Theologen überlassen bleiben, zu prüfen, ob in dieser Perspektive nicht manche Aporien der Verhältnisbestimmung von göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit aufgelöst werden könnten.) Es liegt ganz im Sinne einer solchen transzendentalphilosophischen Gotteslehre, wenn Kant die Religion als »die Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote« 32 definiert hat. Auch wenn die Begründung dieses Religionsverständnisses erst an späterer Stelle im hier vorgetragenen Gedankengang referiert werden kann, so kann doch schon jetzt festgehalten werden: Hier ist mit besonderer DeutVgl. H. Cohen, Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, posthum veröffentlicht, Leipzig 1919. 32 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 229. 31
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
lichkeit zum Ausdruck gebracht, daß nicht das gegebene Factum, sondern das aufgegebene Faciendum als die primäre Gestalt für die Selbstkundgabe Gottes verstanden werden muß. Nimmt man nun hinzu, daß Kant die sittlichen Pflichten als die je konkreten Gestalten der Selbstgesetzgebung der Vernunft verstanden hat, dann wird man hinzufügen dürfen: Nicht abseits von der Selbstgesetzgebung der Vernunft, sondern inmitten ihrer selbst und als deren Ermöglichungsgrund erweist Gott sich als der Gesetzgeber, der uns das Sittengesetz (und nach Kants Auffassung das nicht weniger aus der Autonomie der Vernunft entspringende Naturgesetz) gegeben hat. So darf und muß die Autonomie der Vernunft selber als die Erscheinungsgestalt der göttlichen Gesetzgebung begriffen werden. In der sittlichen Erfahrung – und sogar in der wissenschaftlichen Empirie –, die wir nur machen können, weil unsere Vernunft den geordneten Kontext vorzeichnet, innerhalb dessen das Wirkliche uns begegnen und in seinen Anspruch nehmen kann, begegnen wir zugleich einer göttlichen Gesetzgebung, die uns in ihren Anspruch nimmt. Gewiß liegt hier der Einwand nahe, auf solche Weise werde die Rede von Gott als dem Gesetzgeber zur bloßen Metapher; und was in dieser Metapher ausgesagt wird, sei nur die unbedingte Verpflichtungskraft, mit der die Inhalte unserer Erfahrung der Vernunft in ihrem praktischen wie ihrem theoretischen Gebrauch gegenübertreten. Und weil diese Maßgeblichkeit der Objekte durch die Eigentätigkeit unseres Anschauens und Denkens erst möglich gemacht wird, kann der Verdacht entstehen, die zur bloßen Metapher gewordene Rede von Gott bezeichne nichts anderes als die Gesetzgebungskraft der Vernunft, der das Individuum sich zu unterwerfen hat: Was die Vernunft als theoretisch wahr und moralisch gut erweist, muß vom Individuum unter Ausschluß aller Beliebigkeit als maßgeblich anerkannt werden. Was in religiöser Metaphorik als Herrschaft des gesetzgebenden Gottes über Welt und Mensch beschrieben wird, sei in Wahrheit die gesetzgebende Herrschaft der Vernunft über das Individuum. Diese Konsequenz hat Ludwig Feuerbach gezogen. 33 Aber auch mancher Theologe und Prediger, der sich keineswegs als Religionskritiker versteht, spricht heute von der »Einheit von Gottesund Menschenliebe« auf solche Weise, daß der Hörer den Eindruck empfängt, die Menschenliebe werde als verpflichtend herausgestellt und die Rede von der Gottesliebe füge dieser Pflicht nichts hinzu als 33
Vgl. Das Wesen des Christentums, Einleitung, 1. Kapitel.
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C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
eine Metapher, die der Verpflichtung auf die Nächstenliebe etwas von religiösem Pathos verleiht. Es ist daher begreiflich, daß viele Theologen und Männer der Kirchenleitung dem Begriff der »Vernunftautonomie« mit äußerster Skepsis gegenüberstehen und die soeben formulierte These, nicht die Facta, sondern die Facienda seien die Primärgestalt der göttlichen Selbstkundgabe, als einen Ausdruck der sich selbst vergottenden menschlichen Vernunft beurteilen, da es ja die menschliche Vernunft ist, die uns diese Facienda vor Augen stellt. Desto wichtiger ist es, zu klären, was der Begriff der Vernunft-Autonomie im transzendentalphilosophischen Zusammenhang bedeutet und in welchem Zusammenhang er zu einer möglichen Transzendentalen Theologie stehen kann.
3.
Nicht nur der transzendentalen Philosophie, sondern auch derjenigen Vernunfttätigkeit, die sie beschreibt, liegt ein Interesse an Freiheit zugrunde
Dieser Satz ergibt sich aus der Reflexion auf den vorigen: Die Verlagerung des Akzents von allem Gegebenen auf das Aufgegebene, die von der Transzendentalphilosophie vollzogen wird, signalisiert ein erkenntnisleitendes Interesse an Freiheit. Denn wer erkennen will, was menschliche Freiheit vermag, muß sich weniger an abgeschlossen vorliegenden Gegebenheiten orientieren als vielmehr an den Aufgaben, deren Erfüllung die freie Entscheidung verlangt. Doch handelt es sich, nach Überzeugung der Transzendentalphilosophen, hier nicht nur um ein erkenntnisleitendes Interesse der Philosophie, sondern um ein »Vernunftinteresse« (der Ausdruck stammt von Kant), von dem wir bei der Verarbeitung subjektiver Erlebnisse in Inhalte objektiv gültiger Erfahrung immer schon geleitet sind. Nicht nur die philosophische Reflexion, sondern ihr Gegenstand, die Tätigkeit der Vernunft, aus der die Gegenstände unserer Erfahrung hervorgehen, beruht auf einem solchen Interesse an Freiheit. Denn die menschliche Freiheit betätigt sich nicht, wie die göttliche, dadurch, daß sie die Welt aus dem Nichts erschafft, sondern dadurch, daß sie dem Gegebenen Möglichkeiten abgewinnt, deren Verwirklichung sie sich selbst zur Aufgabe setzt. Diese Verwandlung von Gegebenem in Aufgegebenes aber geschieht auf besonders radikale Weise dort, wo wir in unserem Anschauen und Denken aus den Eindrücken, die wir hinnehmen, die 45 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
Gegenstände, die wir erfahren, nach den Gesetzen, die die Vernunft uns gibt, selber aufbauen. Diese Freiheit wird freilich nicht als Willkür des Individuums verstanden, sondern als Selbstgesetzgebung der Vernunft, deren Aufgabe nicht darin besteht, Erfahrung durch vermeintlich apriorisches Wissen überflüssig, sondern sie möglich zu machen. In diesem Sinne sagt Kant: »Alle Erkenntnis von Dingen aus bloßem, reinem Verstande ist nichts als lauter Schein, und nur in der Erfahrung ist Wahrheit.« 34 Die Vernunft ist also nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Aufgabe, die Gegenstände unserer Erfahrung erst hervorzubringen, die Sachwalterin dieser Gegenstände und ihres Anspruchs gegenüber allen Bedürfnissen und Neigungen des Individuums. Das ausgezeichnete Beispiel dafür ist die Freiheit der Wissenschaft, die sich ihre Gesetze selber gibt, aber eben dadurch das beliebige Meinen und neigungsbestimmte Wunschdenken der Individuen gerade ausschließt. Kantisch gesprochen: Der »transzendentale Idealismus« macht »empirischen Realismus« erst möglich und muß sich an ihm bewähren. 35 Oder in einer anderen Terminologie ausgedrückt: Erst in einem Kontext, den die Vernunft nach ihrer eigenen Gesetzgebung entwirft und dem der Verstand durch seine Kategorien die Strukturgesetze vorschreibt, können die Gegenstände uns so begegnen, daß sie uns mit einer alle Willkür ausschließenden Maßgeblichkeit gegenübertreten. Daraus entsteht für den Transzendentalphilosophen die Frage: Wie muß die Vernunft ihr Interesse an Freiheit wahrnehmen, wenn die Gegenstände ihre Maßgeblichkeit gegenüber dem Subjekt geltend machen sollen? Für Kant schien die Antwort klar: Sie muß, um objektive Geltung ihrer theoretischen und praktischen Erkenntnisse zu erreichen, die Differenz der individuellen Subjekte gleichgültig machen. Dies ist in der Tat für die (im neuzeitlichen Sinne) verstandene Wissenschaft das Ideal der Vernunfttätigkeit. Solange man auf eine Behauptung noch mit der Gegenfrage antworten kann: »Wer sagt denn das?«, gibt man zu erkennen, daß man diese Aussage nicht für objektiv gültig und also auch nicht für wissenschaftlich erwiesen hält. Der wissenschaftliche Beweis macht die Differenz der Individualsubjekte gleichgültig, sodaß z. B. der »Lehrsatz des Pythagoras«, wenn er einmal bewiesen ist, auch dann wahr bliebe, wenn jemand nachweisen sollte, daß Pythagoras nie gelebt hat. Nach diesem Paradigma hat 34 35
Prolegomena A 205. Kritik der reinen Vernunft A 351.
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C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
Kant auch das sittliche Wollen gedeutet. Während für die Wissenschaft gilt: »Behaupte nur, was du durch Argumente als allgemeingültig ausweisen kannst, sodaß der Geltungsanspruch des Gesagten von der Individualität des Sprechers unabhängig ist«, oder kurz: »Behaupte nur, was du im Namen aller Vernunftsubjekte behaupten kannst«, gilt für die Moral: »Wolle nur, was du im Namen aller wollen kannst«, oder kantisch gesprochen: »Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne«. 36 Nun mag man wiederum bezweifeln, ob diese kantische Lösung der Frage zureichend sei, wie aus der Selbstgesetzgebung der Vernunft die objektive Geltung des theoretisch bzw. praktisch Erkannten hervorgehe. Man kann fragen, ob die neuzeitlich-wissenschaftliche Erkenntnis nicht ein zu spezielles Paradigma sei und ob mit der Idee (d. h. der Zielvorstellung), die Differenz der Individuen zu vergleichgültigen, die Bedingungen anderer Erfahrungsarten noch angemessen beschrieben werden können. So hat man darauf hingewiesen, daß die kantische Moralphilosophie für die sittliche Erfahrung einer individuellen, aber verpflichtenden Berufung keinen Raum lasse, am allerwenigsten dann, wenn diese Berufung eine nicht-universalisierbare Existenzform zum Inhalt hat wie ein Leben nach den »Evangelischen Räten«. Aber auch abgesehen von solchen Fällen von sittlicher Erfahrung, die man für Grenzfälle halten könnte, erscheint es fraglich, ob die Gewissenserfahrung auf solche Weise angemessen beschrieben wird. Denn in dieser Erfahrung kann der, der sie macht, sich unter einen Anspruch gestellt wissen, den er gegenüber keinem Anderen erheben würde (z. B. unter die Pflicht zum Martyrium), oder sich zur Strenge einer Selbstbeurteilung verpflichtet erfahren, zu der er sich Anderen gegenüber nicht berechtigt weiß. Und entsprechende Fragen lassen sich mit Bezug auf die religiöse, aber auch auf die ästhetische Erfahrung mit ihrem je spezifischen Maßgeblichkeitsanspruch stellen. Kurz: Der an der wissenschaftlichen Empirie abgelesene Erfahrungsbegriff erscheint zu speziell, als daß er als Paradigma für den Anspruchsgehalt aller Erfahrungsarten gelten könnte. Aber auch in diesem Falle gilt: Wer die kantische Lösung als unzulänglich beurteilt, gewinnt daraus noch keinen guten Grund, die Aufgabe zu vergessen, die dadurch gelöst werden sollte. Es bleibt zu fragen: Wie muß die Vernunft ihre Selbstgesetzgebung begreifen, 36
Kritik der praktischen Vernunft § 7.
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
wenn sie dadurch Erfahrungen möglich machen soll, in denen die Gegenstände ihren Maßgeblichkeitsanspruch gegenüber allen subjektiven Wünschen und Neigungen der Individuen geltend machen können? Und diese Frage ist auch dann zu stellen, wenn man speziell die religiöse Erfahrung angemessen beschreiben will. Auch diese kommt, wie jede Erfahrung, nicht ohne die eigengesetzliche Tätigkeit des Anschauens und Denkens zustande. Wer nicht in eigener Tätigkeit anschaut, bekommt nichts zu Gesicht. Wer nicht gemäß den eigenen Gesetzen der Vernunft über das Gesehene nachdenkt, bleibt bei seinen bloß subjektiven Vorstellungen stehen. Aber es ist zu fragen: Auf welche Weise muß die Vernunft tätig werden, wenn sie die Subjektivität religiöser Erlebnisse und Vorstellungen in Inhalte objektiv gültiger religiöser Erfahrungen transformieren soll, d. h. in Erscheinungsgestalten für den Anspruch, den das Heilige gegenüber dem erfahrenden Subjekt geltend macht? Aus dem Gesagten sind wiederum Folgerungen für die Theologie zu ziehen. Auch die Rede von Gott muß sich dadurch ausweisen, daß sie dem Interesse der Vernunft an Freiheit entspricht – nicht etwa, weil der Wille des Menschen zur Selbstbestimmung als Legitimationsgrund dafür gelten könnte, gegen Gottes Gehorsamsanspruch zu revoltieren, sondern deshalb, weil die Natur des Menschen durch die Gabe und Aufgabe der Freiheit definiert ist und weil deshalb Gottes Gebot und gnädige Zusage ihren Adressaten nur erreicht, wenn sie ihn in dieser seiner Freiheit in Anspruch nimmt. Würde das Interesse der Vernunft an ihrer freien Selbstbestimmung erlöschen oder durch die religiöse Verkündigung zum Erlahmen gebracht werden, dann entfiele zugleich die Möglichkeit, über die Subjektivität des frommen Gemüts hinauszugelangen und zum Erfassen objektiv gültiger religiöser Maßgeblichkeitsansprüche überzugehen. Auch in diesem Zusammenhang macht erst die Freiheit der Vernunft die Erfahrung und mit ihr die Begegnung mit dem Maßgeblichkeitsanspruch des Heiligen möglich. Hier liegt für die Theologie die schärfste Provokation, die von der Transzendentalphilosophie ausgeht. Andererseits liegt hier auch die größte Gefahr einer Selbstverführung, der das transzendentale Denken ausgesetzt sein kann. Es gibt – deutlicher, als dies Kant zu seiner Zeit wissen konnte – die Gefahr, daß die Vernunft, im Bewußtsein ihrer Selbstgesetzgebung, sich in vermeintlich apriorischem Wissen gegen alle Erfahrung verschließt und darum als maßgeblichen Anspruch der Wirklichkeit immer nur dasjenige zuläßt, was 48 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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sie sich, ohne dazu Erfahrung nötig zu haben, immer schon selber gesagt hat. So entstehen Vernunftsysteme, die überraschungsresistent, erschütterungsresistent und zur Selbstkorrektur unfähig sind. Das jüngste Beispiel dafür scheint der Dialektische Materialismus zu sein, dessen Vertreter alles, was sich in der Erfahrung zeigte, in ihrer apriori festliegenden Deutung »unterbrachten«, bis sie jeden Kontakt zur Realität verloren und zuletzt vom Zusammenbruch ihres Systems völlig überrascht wurden. (Es ist kein Zufall, daß das für die Vertreter der »Postmoderne« charakteristische Mißtrauen gegen alle Vernunftsysteme aus der Enttäuschung am Marxismus entstanden ist.) Aber auch die klassische Physik, an der Kant sich orientierte, war nicht frei von der Gefahr, durch ihre Verfahrensweisen und die ihnen zugrundeliegenden Leitbegriffe vorweg zu definieren, was als objektiv gültiger Inhalt einer Erfahrung zu gelten habe, was dagegen als bloß subjektive, wenn nicht gar irreführende Vorstellung zu werten sei. Der Experimentator, wie Kant ihn beschreibt, befragt zwar die Natur, »aber nicht in der Qualität eines Schülers, der sich alles vorsagen läßt, […] sondern eines bestallten Richters, der die Zeugen nötigt, auf die Fragen zu antworten, die er ihnen vorlegt«. 37 Man kann zweifeln, ob auf solche Weise eine Erfahrung zustande kommen kann, in welcher die Wirklichkeit einen Anspruch geltend machen kann, der die Vernunft über die bisher erreichte Gestalt ihres Begreifens hinauszugehen nötigt, weil er sich gegenüber der Antwort, die wir auf diesen Anspruch geben, als »je größer« erweist. Paul Ricœur hat darauf hingewiesen, daß dasjenige Begriffspaar, das ein angemessenes Verhältnis der Vernunft zur Wirklichkeit beschreibt, nicht das Begriffspaar »question et réponse« lauten muß, sondern vielmehr »appel et réponse«, wobei die Initiative des »appel« auf der Seite der Wirklichkeit liegt und unser Begreifen den Charakter der »réponse« hat, während nach traditioneller Auffassung die Initiative der »question« auf seiten des Subjekts liegt und die Wirklichkeit nur »réponses« geben kann, die diesen von der Vernunft apriori formulierten Fragen entsprechen. 38 Oder in der hier bevorVorrede zur Kritik der reinen Vernunft B XIII. Ricœur entwickelt diese Unterscheidung zwar im speziellen Zusammenhang einer Untersuchung zur religiösen Sprache und der in ihr zum Ausdruck kommenden speziell religiösen Erfahrung, macht aber zugleich deutlich, daß sie für eine allgemeine Phänomenologie der Erfahrung grundlegende Bedeutung besitzt. Vgl. P. Ricœur, »Expérience et langage dans le discours religieux«, in: Jean-François Courtine (Hg.), Phénoménologie et Théologie, Paris 1992, 15 f.
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zugten Terminologie gesprochen: Nur eine Theorie, die die Erfahrung als Dialog zwischen dem Anspruch des Wirklichen und der Antwort begreift, die wir in unserem Anschauen und Denken auf diesen Anspruch geben, wird dem immer wieder überraschenden, vorantreibenden Charakter der Erfahrung gerecht, die nicht nur unsere bis dahin bewährten Überzeugungen, sondern schon unsere Fragestellungen immer wieder als korrekturbedürftig erweist. Dabei ist es kein Zufall, daß der Protest gegen die sich schließenden Vernunftsysteme immer wieder von solchen Theoretikern ausgegangen ist, die sich an der Eigenart der religiösen Erfahrung orientiert haben, sei es Kierkegaard mit seiner Betonung der ParadoxieErfahrung, sei es Ricœur an der soeben erwähnten Stelle. Doch wird man hinzufügen müssen: Was Theologen und Religionsphilosophen am Beispiel der religiösen Erfahrung entdeckt haben, ist nur der besonders deutliche Grenzfall einer Asymmetrie von Anspruch und Antwort, durch den jede Erfahrung, nicht nur die religiöse, gekennzeichnet ist. Was von den Transzendentalphilosophen verlangt ist, ist daher nicht in erster Linie eine Rücksichtnahme auf die speziellen Erfordernisse einer Theorie der religiösen Erfahrung (obgleich eine allgemeine Transzendentalphilosophie so geartet sein muß, daß sie keine Art von Erfahrung, auch nicht die religiöse, von vorneherein als unmöglich erscheinen läßt). Gefordert ist vielmehr vor allem, daß die Transzendentalphilosophie für jenes Moment der »veritas semper maior« sensibel bleibt, das in jeder Art von Erfahrung wirksam ist und diese davor bewahrt, von einer überraschungsresistenten und darum unbelehrbaren Vernunft apriori »vereinnahmt« zu werden. Der theologisch motivierte Protest gegen jede Art eines sich in sich selbst verschließenden Vernunftgebrauchs kann darum der Philosophie um ihrer eigenen Aufgabe willen heilsam sein. 39 Freilich gewinnt auch die theologische Kritik ihre mögliche Fruchtbarkeit für die Philosophie nur unter der Voraussetzung, daß sie das Vernunftinteresse an Freiheit nicht für illegitim erklärt, sondern vor SelbstMißverständnissen bewahrt.
Kants Warnung vor den »Kraftgenies«, die voreilig meinen, des »Leitbandes« nicht zu bedürfen, das der »Kirchenglaube« ihnen gewähren kann, gewinnt in diesem Zusammenhang neue Aktualität (vgl. I. Kant, »Der Streit der Fakultäten«, Akademieausgabe VII, 65; vgl. dazu auch meinen Vortrag »Kritik und Neubegründung der Religion bei Kant«, gehalten auf dem Symposium der Internationalen SchellingGesellschaft in Breslau 1996).
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4.
Das eine Interesse der Vernunft entfaltet sich in mehrere Vernunftinteressen, die einander widerstreiten
Dieser Satz bezeichnet eine weitere Entdeckung, die man macht, wenn man einmal das Interesse der Vernunft an ihrer Selbstbestimmung als die treibende Kraft nicht nur der transzendentalphilosophischen Theorie, sondern derjenigen Vernunfttätigkeit entdeckt hat, die in der transzendentalen Theorie beschrieben werden soll. Kant hat diese Erfahrung unter dem Titel »Vernunftdialektik« beschrieben und diese Beschreibung in der Formulierung zusammengefaßt: »Die reine Vernunft hat immer ihre Dialektik, man mag sie in ihrem spekulativen oder praktischen Gebrauche betrachten.« 40 Freilich hat er noch gemeint, die Dialektik des theoretischen Vernunftgebrauchs durch Unterscheidungen auflösen zu können, vor allem durch die Unterscheidung von Ideen, die von rein regulativem Gebrauche sind, und Gegenständen möglicher Erfahrung. Nur beruht die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs seiner Auffassung nach nicht auf derartigen korrigierbaren Verwechselungen, sondern liegt in der Natur der »Zwecke«, deren Verwirklichung die Vernunft sich selbst notwendigerweise abverlangt.
a)
Die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs bei Kant
Kant hat die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs in mehreren seiner Werke beschrieben; dabei zeigt ein Vergleich der entsprechenden Textpassagen, daß seine Auffassung von dieser Dialektik sich im Laufe seines Schaffens fortlaufend radikalisiert hat. 41 Zunächst, in der Kritik der reinen Vernunft, beschreibt Kant die Kollision des theoretischen Vernunftinteresses mit dem praktischen: Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, gegebene Erscheinungen theoretisch zu erklären, muß die Vernunft voraussetzen dürfen, daß die Kette der Bedingungen und Folgen keine Lücken hat; um ihre praktische Aufgabe erfüllen zu können, verpflichtende Möglichkeiten des Kritik der praktischen Vernunft A 192. Eine detailliertere Darstellung dieser Entwicklung des kantischen Dialektik-Verständnisses habe ich in meinem schon erwähnten Vortrag »Kritik und Neubegründung der Religion bei Kant« gegeben. Auf diesen Vortrag muß auch hinsichtlich der Auflösung der Vernunftdialektik durch eine weiterentwickelte Postulatenlehre verwiesen werden.
40 41
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Handelns aufzuweisen, muß sie voraussetzen dürfen, daß es möglich sei, Neuanfänge solcher Kausalreihen zu setzen. 42 Sodann, in der Kritik der praktischen Vernunft, zeigt er auf, daß die theoretische Erkenntnis der Welt als wirklich erweist, was in praktischer Hinsicht unerträglich ist: Das Leiden Unschuldiger ist in der Welt, wie sie ist, kein Ausnahmefall, sondern wird durch die Kausalzusammenhänge dieser Welt beständig reproduziert. Deshalb ist, über die einzelne sittliche Tat hinaus, die »Beförderung« einer anderen, »moralischen Weltordnung« sittlich geboten. Das Vernunftinteresse an Freiheit äußert sich in praktischer Hinsicht in dem sittlichen Willen, die Welt nach moralischen Grundsätzen neu zu gestalten. Dabei aber zeigt sich, daß die Reinheit der Gesinnung die Wirksamkeit der Tat nicht fördert, sondern hemmt, weil in der Welt, wie sie ist, die Gewissenlosen es leichter haben, wirksam zu handeln als die Gewissenhaften. 43 Schließlich aber, in der Schrift »Der Streit der Fakultäten«, verweist Kant auf die Erfahrung, daß immer wieder aus guten Gesinnungen Taten hervorgehen, deren Folgen sittlich mißbilligt werden müssen. Dies zeigt sich besonders dort, wo der Wille, anstelle der bestehenden Welt eine neue, moralische Weltordnung heraufzuführen, auf Widerstände stößt, die er aus moralischer Verpflichtung brechen muß. Gerade dadurch entsteht eine moralisch legitimierte Anwendung von Gewalt, die unvermeidlich in den Terror umschlägt. Das für Kant und seine Zeitgenossen wichtigste Beispiel dafür ist der Umschlag der Französischen Revolution von der Moralität in den Terror. 44 Auf solche Weise aber betrügt das sittliche Handeln, das sich aus Achtung für das Sittengesetz die moralische Weltordnung zum Zweck gemacht hat, sich nicht nur beständig um seinen eigenen Erfolg; vielmehr wird dadurch zugleich das eigene sittliche Urteil verblendet, sofern der Handelnde sich, im Bewußtsein seiner hohen Moralität, Vgl. den Abschnitt »Von dem Interesse der Vernunft bei diesem ihrem Widerstreite«, Kritik der reinen Vernunft A 462 ff. 43 »[…] weil alle praktische Verknüpfung der Ursachen mit den Wirkungen in der Welt, als Erfolg der Willensbestimmung, sich nicht nach moralischen Gesinnungen des Willens, sondern der Kenntnis der Naturgesetze und dem physischen Vermögen, sie zu seinen Absichten zu gebrauchen, richtet« (Kritik der praktischen Vernunft A 204 f.) 44 »Die Revolution eines geistreichen Volkes, die wir in unseren Tagen haben vor sich gehen sehen«, war »mit Elend und Greueltaten dermaßen angefüllt […], daß ein wohldenkender Mensch sie, wenn er sie zum zweitenmale unternehmend glücklich auszuführen hoffen könnte, doch das Experiment auf solche Kosten zu machen nie beschließen würde« (»Der Streit der Fakultäten«, Akademieausgabe VII, 85). 42
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für das Unrecht, das er begeht, blind macht. Das Vernunftinteresse an Freiheit sieht sich so in den inneren Widerspruch verstrickt, das Gegenteil dessen zu bewirken, was es intendiert hat. 45 Ist aber die Gefahr dieser Selbstverblendung einmal bemerkt, dann wird der sittliche Wille gelähmt, weil, wie Kant schon in der Religionsschrift ausgeführt hatte, »Trostlosigkeit im Gemüte die Folge redlicher Selbstbeurteilung« zu sein scheint. 46 Daraus entstehen folgende Fragen: Wie ist eine Selbstgesetzgebung der Vernunft möglich, die uns in der Welt, wie sie ist, also in einer keineswegs »moralisch« geordneten Welt, zum Dienst an der »moralischen Weltordnung« verpflichtet? Und wie ist für den Menschen, wie er ist – nämlich für den Menschen, der schon dadurch, daß er das Sittengesetz als »Gebot« erfährt, der Unreinheit seiner Gesinnung überführt wird –, der Wille zu solchem Gehorsam möglich? Denn um die dazu nötige »Umkehr« (Kant nennt sie »Sinneswandel«) auch nur zu wollen, wäre die moralische Gesinnung schon nötig, die durch diese Umkehr doch erst erreicht werden soll. Und der Grundgedanke der kantischen Antwort, auf die sogleich noch näher einzugehen sein wird, lautet: Gerade dadurch, daß sie sich in unvermeidliche Widersprüche verwickelt, zeigt die Selbstgesetzgebung der Vernunft an, daß sie selber die bloße Erscheinung einer anderen Gesetzgebung ist, die sie durch die Weise ihrer Tätigkeit bezeugt. Angewandt auf den praktischen Vernunftgebrauch bedeutet dies: Durch die Dialektik dieses Vernunftgebrauchs erweisen sich die Pflichten, die aus dieser Selbstgesetzgebung der Vernunft hervorgehen, »als göttliche Gebote«. Oder anders ausgedrückt: Die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs ist nicht anders auflösbar als durch das Postulat der Existenz eines Gottes, der freilich nicht abseits von diesem Vernunftgebrauch erkannt werden kann, sondern nur als dessen Ermöglichungsgrund. Davon wird in einem kommenden Abschnitt des hier vorgetragenen Gedankengangs noch gesondert zu sprechen sein. Zunächst aber soll zweierlei gefragt werden: welche Art von Herausforderung die kantische Lehre von der Vernunftdialektik für die Theologie beAuf solche Weise gewinnt die Aussage des Apostels Paulus neue philosophische Aktualität: »Ich bewirke nicht, was ich will, sondern setze ins Werk, was ich hasse« (Röm 7,15). Von hier aus wird das philosophische Interesse Kants an der paulinischen Rechtfertigungslehre verständlich, von dem an späterer Stelle, bei der Darstellung seiner Postulatenlehre, noch zu handeln sein wird. 46 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 93 f. 45
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
deutet und wie sich die Divergenz der Vernunftinteressen und die daraus resultierende Dialektik unter den philosophiehistorischen Bedingungen von heute darstellt. Während die Theologen die Lehre von der Autonomie der Vernunft oft als Ausdruck menschlicher Anmaßung bewerten, erscheint ihnen die Lehre von der Vernunftdialektik zumeist als Ausdruck skeptischer Verzweiflung: Eine Vernunft, die in unvermeidliche Widersprüche mit sich selber gerät, erscheint nicht nur als unfähig zur Gotteserkenntnis, sondern auch als unfähig, die Wahrheit der innerweltlichen Dinge zu erfassen. Eine Grundthese der »materialen Logik« besagt: Eine Aussage, die formal mit sich selbst nicht übereinstimmt, kann auch inhaltlich mit keinem möglichen Gegenstand übereinstimmen. Und daraus scheint zu folgen: Wenn die Vernunft sich selbst widerspricht, kann sie der Wahrheit der Dinge nicht entsprechen. Für die Theologie aber scheint sich daraus zu ergeben: Eine solche Vernunft wäre nicht nur zur »natürlichen Gotteserkenntnis« unfähig, sondern zur Erfassung jeglicher Art von Wahrheit ungeeignet, auch zum Verständnis des wahren Gehalts der Glaubensbotschaft. Das Programm einer »fides quaerens intellectum« wäre unter dieser Voraussetzung gegenstandslos. Und in der Tat ist Kants Kritik an der Theologie in ihrem Kern eine Kritik an dem, was er die »Wissens-Anmaßung« der Theologen nennt, die den Anspruch erheben, aufgrund übernatürlicher Offenbarung nicht nur über Gott, sondern auch über den Menschen und die Welt Kenntnisse gewonnen zu haben und weitergeben zu können. Auch die kantische Theologiekritik ist deshalb Vernunftkritik; und die Theologen können meinen, sich selbst gegen die kantische Kritik nur verteidigen zu können, indem sie die Vernunft gegen ihn und speziell gegen seine Lehre von der unvermeidlichen Vernunftdialektik in Schutz nehmen. Von hier aus wird verständlich, daß auch die Transzendentale Theologie, wie eingangs erwähnt wurde, Kants Lehre von der Dialektik des Vernunftgebrauchs nicht rezipiert, sondern all ihre Bemühung darauf konzentriert hat, den »Scepticismus Kantianus« von seinen eigenen Voraussetzungen aus zu widerlegen. Und doch hat sie sich dadurch selber die Chance entzogen, die Herausforderung der Transzendentalphilosophie anzunehmen und für ihre eigene Bemühung fruchtbar zu machen. Diese Herausforderung, deren mögliche Fruchtbarkeit für die Theologie zu prüfen wäre, besteht in dem Angebot, Gott nicht als einen Gegenstand unserer Erkenntnis zu begreifen, sondern als deren Ermöglichungsgrund, weil nur die Beziehung auf 54 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
ihn die Vernunft vor der Selbstaufhebung in unvermeidlichen Widersprüchen bewahrt. Auf solche Weise wäre einsichtig zu machen, auf welche Weise Gott und seine Zuwendung zum Menschen in seinem Wort »das Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt«, d. h. die Bedingung, die jedes menschliche Erkennen, auch das vermeintlich ganz profane, allererst möglich macht. Für das recht verstandene Interesse an der Selbstbestimmung der Vernunft bedeutet dies: Die Lehre von der Vernunftdialektik tritt dem Irrtum entgegen, als sei die Vernunft aufgrund ihrer Selbstgesetzgebung sich selber genug, oder als sei umgekehrt der Verzicht auf ihre Autonomie die Bedingung dafür, daß sie sich für die »je größere« Wahrheit Gottes, aber auch der Dinge offenhält. Vielmehr muß, wie an späterer Stelle zu zeigen sein wird, die Vernunft, wenn sie ihre eigene unvermeidliche Dialektik erfaßt hat, die Wirklichkeit Gottes und seine Zuwendung zum Menschen »postulieren«, wenn sie zur Erfüllung ihrer selbstgesetzten Aufgaben fähig bleiben soll. Deswegen ist es möglich, am Gegenstand jeder theoretischen und praktischen Erkenntnis den Widerschein dieses Lichtes, d. h. die Wirksamkeit dieser Bedingung jeglichen Erkennens, gespiegelt zu finden. Erst die Einsicht in die unvermeidliche Vernunftdialektik erlaubt es, das Programm aller Transzendentalen Theologie einzulösen, das in dem schon zitierten Satz des hl. Thomas ausgesprochen worden und von Maréchal und Rahner auf neue Weise angeeignet worden ist: »Omnia cognoscentia cognoscunt Deum in quolibet cognito«; »Jedes erkennende Subjekt erkennt in jedem erkannten Gegenstand Gott mit« – oder biblisch gesprochen: »Alle Lande«, nicht nur die ausgesonderten Bezirke heiliger Orte, »sind seiner Herrlichkeit voll.« 47
b)
Die Dialektik der Vernunft unter den philosophiehistorischen Bedingungen von heute
Das Gesagte wird noch deutlicher, wenn die Vernunftdialektik in derjenigen Gestalt betrachtet wird, wie sie sich in der philosophiegeschichtlichen Situation von heute darstellt. Kant hat mit zwei verVgl. meinen Beitrag »Ein transzendentalphilosophischer Gottesbegriff«, in: M. Kessler/W. Pannenberg/H. J. Pottmeyer (Hg.), Fides quaerens intellectum. Beiträge zur Fundamentaltheologie, Festschrift für Max Seckler, Tübingen und Basel 1992, 97–110.
47
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
schiedenen Erfahrungsweisen gerechnet, der naturwissenschaftlichen Empirie und der Entdeckung konkreter verpflichtender Handlungsmöglichkeiten oder »Pflichten«, die er als Anwendungsfälle des einen, durch reine praktische Vernunft gegebenen »Sittengesetzes« verstand. Beide Arten der Erfahrung gehen aus der Selbstgesetzgebung der Vernunft hervor, jedoch in verschiedenen Weisen ihres »Gebrauchs«, und führen zum Aufbau zweier verschiedener »Welten«, der »Natur« als des Ganzen aller Gegenstände der wissenschaftlichen Empirie und der »Welt der Zwecke« als des Ganzen aller Gegenstände des sittlichen Erkennens. Heute rechnen wir nicht nur mit einer Dualität, sondern mit einer Pluralität solcher Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten. So zeigen, um die beiden wichtigsten Beispiele zu nennen, die ästhetische und die religiöse Erfahrung und die ihnen entsprechenden »Welten« ihrer Gegenstände ihre je eigene Struktur, und auch die Kategorien des Verstandes und die »Grundsätze« ihres Gebrauchs gewinnen für jede dieser Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten ihre je besondere Gestalt und Funktion. 48 Dieser Befund wird durch die jüngere Sprachphilosophie bestätigt: Die je spezifischen Weisen des Anschauens und Denkens, aus denen die verschiedenen Erfahrungsweisen und die durch sie konstituierten Erfahrungswelten hervorgehen, finden ihren Ausdruck in je spezifischen Weisen des intersubjektiv geregelten Sprachverhaltens, also beispielsweise in der Eigenart der Wissenschaftssprache, der Sprache des moralischen Diskurses, der Sprache, in der ästhetische Erfahrungen und Werturteile ausgesprochen werden, oder der Sprache der Religion. Jede dieser Sprachen zeigt hinsichtlich der Gesetze der Wortbildung, der Syntax und der Redewendungen eine spezifische Struktur. Nach einer (mißverständlichen) Wortprägung von Wittgenstein werden derartige intersubjektiv geregelte Weisen des Sprachverhaltens »Sprachspiele« genannt. Und um die strukturelle Eigentümlichkeit jeder dieser Sprachen zu bezeichnen, die nicht auf die Gesetze anderer Sprachen zurückgeführt werden kann, spricht man von der »Autonomie der Sprachspiele«. Diese erklärt sich, transzendentalphilosophisch gesehen, daraus, daß jene Autonomie der Vernunft, die jede Art von Erfahrung möglich macht, sich in unterschiedliche Weisen ihrer Selbstgesetzgebung entfaltet, die den je besonderen Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten zugrundeliegen.
48
Vgl. dazu mein Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 355–481.
56 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
Oder kurz: Die sprachphilosophische Beobachtung der »Autonomie der Sprachspiele« bestätigt die transzendentalphilosophische These von der Pluralität eigengesetzlicher Weisen der Gegenstandskonstitution durch je spezifische Formen des Anschauens und Denkens. Umgekehrt erweist sich diese transzendentalphilosophische Theorie als geeignet, die sprachphilosophischen Beobachtungen aus ihren Gründen begreiflich zu machen. Daraus ergibt sich die Frage, die die Sprachphilosophen und die Transzendentalphilosophen gemeinsam beschäftigt: Hat die Eigengesetzlichkeit oder »Autonomie« der Sprachspiele und der in ihnen zum Ausdruck kommenden Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten ihre Beziehungslosigkeit oder »Anarchie« zur Folge? Für diese Annahme scheint zu sprechen, daß Personen und Gruppen, die in das Sprechen je einer dieser Sprachen eingeübt sind, große Schwierigkeiten haben, sich mit denen zu verständigen, deren Anschauen und Denken durch das Sprechen einer anderen Sprache geprägt ist. Wissenschaftler und »Fachleute des moralischen Diskurses«, Künstler bzw. Kunstbetrachter und religiöse Menschen sprechen nicht nur auf ihrem Sachgebiet eine je eigene Sprache, sondern finden auch dort, wo sie über Themen des jeweils anderen Sachgebiets zu sprechen versuchen, nicht die Sprache, in der sie von denen verstanden werden, die auf diesen Sachgebieten ihre Primär-Erfahrungen gemacht haben. Wenn Ethiker über Probleme der Wissenschaft, religiöse Menschen über Themen der Kunst, Wissenschaftler über Fragen der Religion sprechen, erscheint das, was sie sagen, denen, die auf diesen Sachgebieten ursprünglich »zu Hause« sind, eigentümlich sachfremd und dem verhandelten Gegenstand unangemessen. Die oft beklagten »Sprachbarrieren« zwischen den Vertretern unterschiedlicher »Kulturgebiete« sind nicht, wie oft anklagend unterstellt wird, Ausdruck einer willkürlichen Abgrenzung der »Fachleute« gegenüber denen, die auf ihrem Gebiete »Laien« sind, sondern Folgen davon, daß nicht über alles in jeder beliebigen Sprache gesprochen kann, sondern jede Gegenstands-Sphäre ihre eigene Sprache verlangt. Was oft als »Fach-Jargon« diffamiert wird, ist, von Mißbrauchsfällen abgesehen, der Ausdruck der Bemühung, der Eigengesetzlichkeit der Sachgebiete durch die Eigengesetzlichkeit der auf sie bezogenen Sprache Rechnung zu tragen. Aber wenn die auf solche Weise unvermeidlichen Sprachbarrieren unüberwindlich sein sollten, wäre dadurch erwiesen, daß die eigengesetzlichen Sprachformen untereinander beziehungslos, also »anarchisch« sind und daß dieser 57 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
»Anarchie der Sprachspiele« eine »Anarchie der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten« entspricht. Für die hier erörterte Frage nach der Dialektik der Vernunft bedeutet dies: Wenn im Verständnis Kants diese Dialektik sich aus der unterschiedlichen Struktur zweier »Welten« ergab, der »Natur« und der »Welt der »Zwecke«, ist damit zu rechnen, daß diese Dialektik sich aus heutiger Sicht verschärft, da an die Stelle der Dualität eine Pluralität strukturverschiedener »Welten« getreten ist. Andererseits ist zu fragen, ob von einem »Selbstwiderspruch der Vernunft« überhaupt noch die Rede sein kann, wenn die Differenz dieser Erfahrungswelten und der ihnen zugrundeliegenden Erfahrungsweisen sich bis zur Beziehungslosigkeit gesteigert zu haben scheint. Denn der Begriff des »Selbstwiderspruchs« setzt die Identität des Subjekts voraus. Darum kann die Frage auch so gestellt werden: Hat es überhaupt noch Sinn, von der »einen« Vernunft zu sprechen, die in den verschiedenen Weisen ihres »Gebrauchs« noch als die identische zu erkennen ist? Oder ist der im Singular verwendete Begriff »die Vernunft« in Wahrheit nur ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Weisen der Subjektivität, etwa der Subjektivität des (dem Ideal nach) universal vertretbaren Forschers, der Subjektivität der unvertretbaren sittlichen Entscheidung, der Subjektivität der künstlerischen Gestaltung oder auch der Betrachtung von Kunstwerken, der Subjektivität des Beters und Gliedes einer Gebetsgemeinschaft? Auch wenn diese Weisen der Subjektivität von der gleichen empirischen Person vollzogen werden, so bleibt doch zu prüfen, ob sie in ihrer transzendentalen Funktion, je spezifische Gegenstandswelten aufzubauen, miteinander überhaupt noch etwas zu tun haben. Sollte dies nicht der Fall sein, dann gäbe es zwischen ihnen auch keine Kollisionen, es sei denn solche, die sich aus ungerechtfertigten und vermeidbaren Grenzüberschreitungen ergeben (etwa dann, wenn das wissenschaftliche Denken sich anmaßt, über den spezifischen Maßgeblichkeitsanspruch der Inhalte religiöser Erfahrung zu entscheiden, oder wenn im Namen der Religion ethische Werturteile gefällt werden). Die vermeintliche Vernunftdialektik ließe sich dann durch klare Kompetenz-Abgrenzungen auflösen. Für die Theologie würde aus einem solchen Lösungsvorschlag folgen: Die Lehre von der Autonomie der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten macht die Religion und den Glauben zwar gegen alle Einreden im Namen der Wissenschaft und der Moral immun. Aber sie verbietet es zugleich, im Namen von Religion und Glaube Kritik an der Wissenschaft zu üben oder Ansprüche an das moralische Ver58 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
halten und das moralische Urteil zu erheben oder Forderungen an das künstlerische Gestalten bzw. den Umgang mit Kunstwerken zu richten. Oder, auf das Verhältnis der »Kulturgebiete« bezogen: Die so gewonnene Unangreifbarkeit des Glaubens würde damit erkauft, daß er für alle anderen Bereiche des menschlichen Lebens belanglos würde. Insbesondere müßte jeder Versuch als verfehlt gelten, den Glauben dann ins Spiel zu bringen, wenn Wissenschaft, Moral oder Kunst in eine Krise geraten und durch eine »religiöse Orientierung« aus dieser Krise befreit werden sollen. Die religiöse Verkündigung, so wird dann häufig gesagt, darf nicht zur »Lückenbüßerin« gemacht werden, die das ersetzt, was andere Kulturgebiete nicht zustande bringen, nämlich deren Befreiung aus ihren jeweils sachgebietsimmanenten Schwierigkeiten. So einleuchtend diese Folgerung zu sein scheint und so willkommen sie manchen friedliebenden Kulturtheoretikern sein mag, weil sie alle Konflikte zwischen den Kulturgebieten ein für allemal aus der Welt zu schaffen scheint, so wenig kann sie sprachphilosophisch und transzendentalphilosophisch befriedigen. Zunächst ist sprachtheoretisch darauf hinzuweisen, daß es die »reine« Sachgebietssprache nicht gibt. Bei aller Eigengesetzlichkeit dieser Sprachen haben die Sprachen der Wissenschaft, der Moral, der Kunst und der Religion sich in allen Phasen ihrer Geschichte stets gegenseitig beeinflußt. Und darin liegt ein Anzeichen dafür, daß auch die entsprechenden Erfahrungsweisen nicht ohne Einfluß aufeinander geblieben sind. Sodann ist transzendentalphilosophisch daran zu erinnern, daß allen Erfahrungsweisen das mehrfach erwähnte Interesse an Freiheit zugrundeliegt, und zwar, um ein mögliches Mißverständnis noch einmal auszuschließen, nicht ein Interesse an der Beliebigkeit der Individuen, sondern an der Selbstbestimmung der Vernunft. Denn der Übergang von der bloßen Subjektivität des Erlebens zur objektiven Gültigkeit von Erfahrung wird stets nur dadurch gewonnen, daß das Subjekt kritische Distanz zu seinen Erlebnissen gewinnt und deren Inhalte einem Kontext einfügt, der durch die Ideen (d. h. Zielbegriffe) der Vernunft und die Kategorien und Grundsätze des Verstandes aufgebaut wird. Die Vernunft ist, wie an früherer Stelle gesagt wurde, die Sachwalterin der Gegenstände und ihres Anspruchs gegenüber allen subjektiven Neigungen und Interessen der Individuen; würde sie ihre Selbstbestimmung verlieren, bliebe das Individuum der Überwältigung durch seine Eindrücke ausgesetzt und käme über die bloße Subjektivität dieses Erlebens nicht hinaus. 59 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
Das gilt auch für die ästhetische Erfahrung, unbeschadet ihrer »Exorbitanz«, die alles bisherige Anschauen und Begreifen »aus dem Geleise (lateinisch: orbita) wirft«. Brächte diese Erfahrung die Vernunft zum Schweigen, bliebe es beim bloßen Selbstgenuß am rauschhaften Versinken im Strom übermächtiger Erlebnisse. Und das Gesagte gilt auch für die religiöse Erfahrung, unbeschadet der Tatsache, daß gerade diese Art von Erfahrung den, der sie macht, stets an die Grenze seiner Erfahrungsfähigkeit führt. Auch die Erfahrung dieser Grenze ist etwas anderes als der Jubel des Untergangs, wie er gelegentlich dort erlebt wird, wo alles Licht in Finsternis, alles Begreifen im Unbegreiflichen versinkt. Auch hier gilt: Wo wir auf den je größeren Anspruch des Wirklichen, in diesem Fall auf den alles Anschauen und Begreifen übersteigenden Anspruch des Heiligen, nicht mehr zu antworten vermögen, kommt auch dieser Anspruch nicht mehr zur Sprache. Darum mache ich mir an dieser Stelle einen Satz zu eigen, den mein verehrter Lehrer Gerhard Krüger wie ein Leitmotiv seines Denkens in seinen Vorlesungen oft wiederholt hat: »Jede Ergriffenheit, die unsere Freiheit zunichte macht, ist falsch. Jede Macht, die uns berauscht und bannt, ist ein falscher Gott.« Dieser in allen Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten wiederkehrende, weil sie erst ermöglichende Wille zur Selbstbestimmung ist ein wichtiger Hinweis darauf, daß es wirklich die eine Vernunft ist, die, wenn auch auf je spezifische Weise, in all diesen Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten wirksam ist. Ein weiterer, noch wichtigerer Hinweis liegt darin, daß nicht nur die Sachgebietssprachen, sondern auch die Erfahrungswelten, die sie uns erschließen, sich beständig gegenseitig durchdringen: Wir sollen das sittlich Gute in eben derjenigen Welt verwirklichen, die wir theoretisch erkennen; die Exorbitanz der ästhetischen Erfahrung ist geeignet, auch jenes Selbstverständnis zu erschüttern und zu verändern, das unser praktischmoralisches Handeln bestimmt (was nicht bedeutet, daß die Kunst uns zur »moralischen Lehrmeisterin« werden könnte, wohl aber, daß sie uns neue Weisen aufschließt, uns und die Welt so zu sehen, daß jene Selbstfindung durch Selbsthingabe möglich wird, die den Kern der sittlichen Erfahrung ausmacht); die religiöse Erfahrung, die uns an die Grenzen unserer Erfahrungsfähigkeit im Ganzen führt, läßt uns ebendadurch unsere Fähigkeit zum theoretischen Erkennen, zum sittlichen Wollen, zum ästhetischen Gestalten als kontingent, religiös gesprochen: als unerzwingbare Gnadengabe, begreifen; und die Wissenschaft macht jene kritische Unterscheidung zwischen dem 60 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
bloß subjektiv Erlebten und dem objektiv gültigen Erfahrenen möglich, ohne die auch alle anderen Erfahrungsweisen in der Gefahr sind, sich selber mißzuverstehen. In dieser wechselseitigen Durchdringung oder »Interferenz« der Erfahrungsweisen aber zeigt sich jene Einheit der Vernunft, die sich in die Vielfalt der Weisen ihres »Gebrauchs« entfaltet. Damit aber wird jener Konflikt der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten, den Kant am Beispiel des Konflikts zwischen theoretischem Erkennen und moralischem Wollen oder, von der Objektseite her beschrieben, zwischen der »Natur« und der »Welt der Zwecke« exemplarisch aufgewiesen hat, nicht etwa entschärft, sondern radikalisiert; denn er fällt in die Vernunft selbst. Der soeben angedeutete Schlichtungsversuch, die verschiedenen Erfahrungswelten nicht nur als autonom, sondern auch als untereinander beziehungslos und deswegen konfliktlos zu begreifen, erweist sich als unzulänglich. Indem das eine Vernunftinteresse an Selbstbestimmung sich in die Vielfalt strukturverschiedener Weisen ausfaltet, wie die Vernunft diese ihre Selbstbestimmung ausübt, steht je eine Form dieser Vernunftautonomie der anderen im Wege. In der im Sinne Kants wissenschaftlich verstandenen Welt kann man keine freien Taten setzen, obgleich die sittliche Erfahrung gerade dies verlangt; in der rein moralisch verstandenen Welt der Zwecke kann man nicht auf Gnade hoffen, obgleich die Botschaft von der Gnade nur dem verständlich wird, der die moralische Erfahrung der Schuld gemacht hat; in derjenigen Welt, die nach der Eigengesetzlichkeit der ästhetischen Erfahrung aufgebaut ist, verliert die Forderung nach dem wissenschaftlichen Wahrheitserweis ihren Sinn, obgleich die Wissenschaft gemäß ihrer eigenen Aufgabenstellung keinen Bereich von Erfahrungen aus ihrem Themenfeld aussparen kann. Oder kurz: Wegen der wechselseitigen Durchdringung (Interferenz) der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten bleiben die Ideen der einen Welt und des einen Aktes »Ich denke« in regulativer Kraft. Wegen der Strukturdifferenz der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten aber erweisen die Vernunftaufgaben, die durch diese Ideen gestellt sind, sich als unerfüllbar. 49 Gewiß käme uns dieser Konflikt nicht zum Bewußtsein, wenn in diesen verschiedenen Erfahrungsweisen nicht die eine Vernunft am Werke wäre und die verschiedenen Erfahrungswelten nicht von der 49
Vgl. dazu mein Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 482–555.
61 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
einen Vernunft umfaßt würden. Aber es gilt auch das Umgekehrte. Die Einheit der Vernunft kommt uns angesichts dieses Konflikts nicht mehr dadurch zum Bewußtsein, daß es uns gelänge, die Allheit dessen, was sich uns in allen Weisen der Erfahrung zeigt, zur einen, umfassenden Ordnung der einen Welt zu verknüpfen, sondern nur noch auf zweifache Weise: als die Möglichkeitsbedingung für die Kollision der Erfahrungswelten und als die regulative Idee, diese Kollision zu überwinden – eine regulative Idee, deren Widersprüchlichkeit darin besteht, daß sie sich als Zielvorstellung von der Erfüllung einer ebenso unabweislichen wie unerfüllbaren Vernunftaufgabe erweist. Fragt man auch angesichts dieser Gestalt der Vernunftdialektik, wie sie in einer seit Kant veränderten philosophiehistorischen Situation deutlich wird, was sie für die Theologie bedeuten könne, dann zeigt sich: Theologen, die schon die Weise, wie Kant die Dialektik der Vernunft beschrieb, als Ausdruck eines »Skeptizismus« beurteilt haben, werden vermutlich diesen Vorwurf in verschärfter Gestalt auch gegen die hier vorgetragenen Überlegungen erheben. Doch auch dann bleibt zu fragen, ob die Theologie, wenn sie sich der Herausforderung einer solchen Lehre von der Vernunftdialektik stellt, nicht neue Möglichkeiten hinzugewinnt, ihre Aufgabe zu erfüllen. Angesichts dieser Dialektik nämlich erweist die menschliche Fähigkeit zur Erfahrung sich als bedroht und folglich als kontingent. Daß trotz dieses beständig drohenden Selbstwiderspruchs der Vernunft überhaupt noch Erfahrung möglich ist, ist dann ein keineswegs selbstverständliches, durch die Strukturen des Anschauens und Denkens garantiertes, sondern ein erstaunliches Faktum, das nach seinen Gründen befragt werden kann und muß. Von Gott zu reden könnte dann bedeuten: von jener Wirklichkeit reden, deren freie Zuwendung zum Menschen die kontingente Fähigkeit zur Erfahrung angesichts ihrer drohenden Selbstaufhebung wiederherzustellen vermag. Und von hier aus ließe sich ein Weg eröffnen, um die Zeugnisse des Glaubens, vor allem seine biblischen Zeugnisse, als Ausdrucksformen dieser Erfahrung davon zu lesen, wie dem Menschen die Bedrohtheit und damit die Kontingenz seiner Erfahrungsfähigkeit im Ganzen bewußt geworden ist und wie er die wiedergeschenkte Befähigung zur Erfahrung als freie Gabe Gottes verstehen gelernt hat. 50 Vgl. dazu mein Buch Fähigkeit zur Erfahrung. Zur transzendentalen Hermeneutik des Sprechens von Gott, Freiburg 1982. Ich habe dort versucht, diese Auffassung von der Eigenart der Glaubenszeugnisse und von der Aufgabe ihrer Auslegung an bibli-
50
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C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
Um diese Möglichkeit aufzuzeigen, muß freilich gefragt werden, ob nicht nur Kants Lehre von der Vernunftdialektik, sondern auch sein Versuch, diese Dialektik durch Postulate aufzulösen, in der veränderten philosophiehistorischen Situation von heute neue Aktualität gewinnen kann und was eine unter diesen Bedingungen reformulierte Postulatenlehre für die Theologie bedeuten könnte.
5.
Die Dialektik der Vernunft kann nur durch einen »postulatorischen Vernunftglauben« aufgehoben werden
a)
Zur Entwicklung der Postulatenlehre bei Kant
Kant hat bekanntlich die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs durch »Postulate« aufgehoben, d. h. durch Annahmen, deren Wahrheit zwar theoretisch nicht zu beweisen ist, die sich aber in praktischer Hinsicht als notwendig erweisen. 51 Dabei ist die Funktion dieser Annahmen, die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs aufzuheben, zugleich ihr einziger Rechtfertigungsgrund. Bliebe nämlich der Widerspruch, in den die Vernunft in ihrem praktischen Gebrauch sich verwickelt, unaufgehoben, dann würde das Sittengesetz aufhören, ein Gesetz der Vernunft zu sein, weil Widerspruchsfreiheit das oberste Erfordernis vernünftigen Denkens ist. Und in diesem Sinne kann gesagt werden, daß die Postulate dem »a priori unbedingt geltenden praktischen Gesetz unzertrennlich anhangen«. 52 Daraus wird verständlich, daß der Inhalt der Postulate davon abhängt, wie die Dialektik, die sie aufheben sollen, beschrieben wird. Nun hat sich, wie an früherer Stelle angedeutet wurde, Kants Beschreibung der Vernunftdialektik in der Abfolge seiner Schriften fortlaufend verschärft. Folglich mußte sich auch seine Lehre von den Vernunftpostulaten jeweils so ändern, daß diese, unter den jeweils neuen Voraussetzungen, diese Vernunftdialektik auflösen konnten. 53 schen Texten zu bewähren. Einen ähnlichen Versuch enthält, bezogen auf das »Magnificat« aus dem Lukas-Evangelium, mein Buch Das Gebet und das Argument. Zwei Weisen des Sprechens von Gott, Düsseldorf 1989. 51 »Diese Postulate sind nicht theoretische Dogmata, sondern Voraussetzungen in notwendig praktischer Rücksicht« (Kritik der praktischen Vernunft A 238). 52 Kritik der praktischen Vernunft A 220. 53 Auch in dieser Hinsicht muß ich auf meinen mehrfach erwähnten Vortrag »Kritik und Neubegründung der Religion bei Kant« verweisen (s. o. Anm. 39 und 41).
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
Was innerhalb dieser Entwicklung konstant bleibt, ist jener Satz, der den Zusammenhang von Moral und postulatorischem Vernunftglauben beschreibt: »Religion ist die Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote.« 54 Die Existenz Gottes wird deshalb postuliert, weil das Sittengesetz, das uns unsere Pflichten vorschreibt, nur dann nicht als widersprüchlich erscheint, wenn es als göttliches Gebot verstanden wird. Die Leitfrage aller Auslegung der kantischen Postulatenlehre wird daher lauten müssen: Was trägt diese interpretatorische Annahme zur Auflösung der Vernunftdialektik bei? In der Kritik der praktischen Vernunft sieht Kant die Quelle der Vernunftdialektik darin, daß in der Welt, wie wir sie theoretisch erkennen, Unschuldige leiden (bei Kant: daß solche Menschen, die sich »der Glückseligkeit nicht unwürdig« gemacht haben, ihrer gleichwohl »nicht teilhaftig« sind), und daß die aus guten Gesinnungen entsprungenen Taten an dieser »Disproportion« nichts ändern, weil gute Gesinnungen den Erfolg der Handlung nicht garantieren. Unter dieser Voraussetzung kann eine Lösung darin gesucht werden, das Sittengesetz dem gleichen Gesetzgeber zuzuschreiben, der auch das Naturgesetz gegeben hat. Dann kann man hoffen, daß ein »moralischer Urheber der Natur« deren Kausalreihen so geordnet habe, daß wenigstens am Ende aller Kausalreihen diejenigen glücklich sein werden, die es verdient haben. 55 Da diese Übereinstimmung von »Glückwürdigkeit« und Glückseligkeit in diesem Leben bis zu seinem Ende offensichtlich nicht eintritt, setzt die soeben erwähnte Hoffnung zugleich die Annahme eines künftigen Lebens nach dem Tode, also die Unsterblichkeit der Seele, voraus. Zu dem gleichen Ergebnis kommt Kant, ebenfalls in der Kritik der praktischen Vernunft, noch auf einem anderen Wege: Sieht man nämlich den Grund der Vernunftdialektik weniger in dem Zweck, den das Sittengesetz uns vorschreibt (dem Dienst an der »Beförderung« der moralischen Weltordnung), sondern vielmehr in der Gesinnung, die es uns abverlangt, dann stellt diese Dialektik sich in folgender Weise dar: Schon die Tatsache, daß wir das Sittengesetz, obgleich es von der Vernunft gegeben wird, als ein Gebot erfahren, das Gehorsam Vgl. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 229; Kritik der praktischen Vernunft A 233. 55 So die Auflösung der Freiheits-Antinomie in der Kritik der reinen Vernunft A 541 ff. 54
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C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
verlangt, beweist die Unreinheit der Gesinnung; denn der wahrhaft gut Gesonnene würde das Gute stets leicht und mit Freuden tun, während wir uns die gute Tat oft mit Anstrengung und gegen innere Widerstände abringen müssen. Also fordert das Sittengesetz von uns einen »Sinneswandel«, der in diesem Leben nie zur Vollendung gelangt. Denn solange wir leben, gibt es den Widerstreit zwischen der gesetzgebenden Vernunft und dem diesem Vernunftgesetz nur widerstrebend gehorchenden Individuum. Folglich, so meint Kant, macht das Sittengesetz einen »unendlichen Progressus« zum Besseren nötig, der seinerseits eine unendliche Fortdauer unserer Existenz voraussetzt. Diese Lösung konnte Kant selbst auf die Dauer nicht befriedigen. Die Lehre von einer erst nach dem Tode erreichten Übereinstimmung zwischen dem Grad der sittlich guten Gesinnung und dem letzten Ergebnis aller Kausalreihen der Natur trägt in den Gedanken einer postmortalen Existenz die Vorstellung hinein, auch diese unterliege noch dem Naturgesetz und damit der Zeit. Nur so könnte das durch sittliche Gesinnung verdiente Glück das Ergebnis jener Kausalreihen sein, die ein »moralischer Urheber der Natur« geordnet hat. Gleiches gilt von der Vorstellung eines über den Tod hinaus weitergehenden »Progressus«. Auch dieser setzt voraus, daß wir noch nach dem Tode unter Zeitbedingungen stehen. Überdies würde selbst diese Annahme das Problem nicht lösen. Denn die Gesinnung, aus der wir handeln, kann uns nur dann moralisch zugerechnet werden, wenn wir sie uns in einer freien Handlung selbst gegeben haben; diese aber muß, um frei zu sein, außerhalb aller Zeitbedingungen erfolgt sein, weil sie nur so, Kants Meinung nach, nicht durch vorangehende Zustände unserer selbst und der Welt prädeterminiert sein kann. Dann aber ist nicht eine einzelne empirische Tat, sondern nur die Gesamtreihe aller empirischen Taten und Zustände die Erscheinung des einen und unveränderlichen »intelligiblen Charakters«, den wir uns durch eine außerhalb aller Zeitbestimmung liegenden intelligiblen Tat selber gegeben haben. Das aber scheint den vom Sittengesetz geforderten »Sinneswandel« gerade unmöglich zu machen. Und selbst bei einem ins Unendliche gehenden sittlichen Progressus würde der »Ausgang vom Bösen«, also die Tatsache, daß wir Besserung nötig haben oder auch nur jemals nötig hatten, beweisen, daß wir, unserem intelligiblen Charakter nach, »verurteilungswürdig« sind. 56 Das Sittengesetz 56
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 94 ff.
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
reicht, so verstanden, nur dazu aus, daß wir unsere Verurteilungswürdigkeit erkennen, nicht dazu, daß wir sie überwinden. 57 Kant hat daher in seinen späteren Schriften eine andere Auflösung der Vernunftdialektik gesucht. Und diese wurde durch jene Verschärfung seines Verständnisses der Vernunftdialektik vorbereitet, von der an früherer Stelle die Rede war. Diese Verschärfung betraf zunächst die Dialektik der sittlichen Subjektivität, erst an zweiter Stelle die des sittlich gebotenen Zwecks. Wenn nämlich das Sittengesetz eben dadurch, daß wir es als Gebot erfahren, uns immer nur unserer Verurteilungswürdigkeit überführt, nicht zu deren Überwindung befähigt, dann erreicht es seinen Zweck nicht durch unsere moralische Anstrengung, sondern stets nur durch einen »Urteilsspruch aus Gnade«. 58 Und auch diesem Urteilsspruch verdanken wir stets nur »eine Gerechtigkeit, […] die nicht die unsrige ist«. Freilich »muß aber doch eine Zueignung […] möglich sein«. 59 Durch Überlegungen dieser Art gelangt Kant zu einer »Deduktion der Idee einer Rechtfertigung«, 60 d. h. zu einer philosophischen Aneignung der paulinischen Lehre von der Rechtfertigung des Sünders und ihrer reformatorischen Auslegung, aber auch zu der Frage, wie die »Zueignung« dieser »fremden Gerechtigkeit« zu denken sei, ohne daß dadurch die Autonomie der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche aufgehoben wird. Die Antwort auf diese Frage hat er nur in Ansätzen entwickelt und in verstreuten Äußerungen über die Wirksamkeit des Heiligen Geistes vorgetragen. 61 Der Grundgedanke dieser verstreuten Äußerungen läßt sich in folgender Weise wiedergeben: Daß wir trotz der Unreinheit unserer Gesinnung und der daraus resultierenden »Tücke des Herzens« zum Gewissensurteil fähig sind, erweist die Einwohnung des richtenden Geistes Gottes in unserm Herzen. Er ist »der Die Verwandtschaft dieser kantischen Auffassung zu der reformatorischen Lehre vom »secundus usus legis« ist offenkundig. 58 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 101. 59 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 83 f. Kant hat also nicht nur die Lehre vom »secundus usus legis«, sondern auch die von der Zurechnung einer »fremden Gerechtigkeit« zu den Bedingungen gerechnet, unter denen allein die Dialektik der sittlichen Subjektivität aufgehoben werden kann. 60 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 101. 61 Vgl. dazu meinen Beitrag »Die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs und die Ansätze zu einer philosophischen Pneumatologie bei Kant«, in: F. Marty/F. Ricken (Hg.), Kant über Religion, Stuttgart 1992, 124–142, sowie mein Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 139–162. 57
66 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
eigentliche Richter der Menschen (vor ihrem Gewissen)«. 62 Und ebendiesem uns einwohnenden Geist können wir uns zugleich als dem »Parakleten« anvertrauen, »wenn uns unsere Fehltritte wegen ihrer Beharrlichkeit besorgt machen«. 63 Die »Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote« hat in der Kritik der praktischen Vernunft die Hoffnung begründet, daß Gott als der gemeinsame Urheber des Sittengesetzes und des Naturgesetzes den Lauf der Kausalreihen so eingerichtet habe, daß die Naturkausalität zuletzt das Glück derer bewirken werde, die sich dessen als würdig erwiesen haben. Die gleiche »Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote« begründet hier die Hoffnung, daß der richtende Gott, der uns gegen unsere selbstsüchtigen Interessen zu unserer Selbst-Verurteilung im Gewissen fähig macht, uns auch zu einer Umkehr befähigen werde, die uns sonst unmöglich erscheint. »Denn wie kann ein böser Baum«, d. h. ein Mensch, der die gute Gesinnung noch nicht hat, »gute Früchte bringen«, d. h. den Willen zur Umkehr aus eigener Kraft fassen können? 64 Indem wir die »Erkenntnis unserer Pflichten« auf den Urteilsspruch des uns einwohnenden Gottesgeistes in seiner Eigenschaft als Richter zurückführen, dürfen wir unsere Kraft, dem Gewissensruf zu folgen, von der Einwohnung des gleichen Gottesgeistes als unseres Trösters (»Parakleten«) erhoffen. 65 Dabei nimmt der solchermaßen uns einwohnende Geist uns weder das Gewissensurteil noch die Fähigkeit zur Umkehr ab und schränkt insofern die Selbstgesetzgebung der Vernunft nicht ein; aber er macht uns trotz der Unreinheit unserer Gesinnung, deren das Sittengesetz uns überführt, zum Gewissensurteil und zur Umkehr fähig und stellt insofern die Selbstgesetzgebung der Vernunft wieder her, nachdem diese durch unsere eigene Schuld in der Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs verlorenzugehen drohte. Dieser veränderten, wenn auch nur in Ansätzen und gelegentlichen Einzel-Äußerungen entwickelten Weise, die Dialektik der sittlichen Subjektivität aufzulösen, entspricht eine neue Auflösung der Dialektik des sittlichen »Zwecks«, der »moralischen Weltordnung«. Auch die Darstellung dieser Dialektik hat sich, wie an früherer Stelle
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 221 Anm. (Klammerzusatz von Kant). 63 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 93. 64 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 49 f. 65 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 93. 62
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
gezeigt wurde, in der Abfolge seiner Schriften verschärft. Ging es in der Kritik der praktischen Vernunft noch darum, daß die Reinheit der Gesinnung den Erfolg der Handlung nicht garantiert, vielleicht sogar dem Gewissenhaften gewisse Durchsetzungs-Nachteile gegenüber dem Gewissenlosen einbringt, weil der Erfolg des Handelnden »sich nicht nach moralischen Gesinnungen, sondern […] dem physischen Vermögen, sie [scil. die Naturgesetze] zu seinen Absichten zu gebrauchen, richtet«, 66 so hat Kant in der Schrift »Der Streit der Fakultäten« die Französische Revolution als Beispiel dafür vor Augen, daß aus moralischen Gesinnungen Taten hervorgehen können, die sittlich nicht gebilligt werden können, ja daß die sittliche Absicht, der »moralischen Weltordnung« zu dienen, den Kampf gegen Widerstände fordert, der nicht erfolgreich geführt werden kann, wenn der Kämpfende dabei vor dem Terror zurückschreckt. Will man den Sachverhalt in der Sprache des Apostels Paulus beschreiben, dann kann man sagen: Kants früherer Darstellung der Vernunftdialektik liegt die Erfahrung zugrunde: »Das Wollen steht mir zu Gebote, aber nicht das Vollbringen«, der späten Darstellung der gleichen Vernunftdialektik aber entspricht die bereits zitierte Erfahrung: »Ich bewirke nicht, was ich will, sondern setze ins Werk, was ich hasse« (beide Sätze Röm 7,15). Die Ergebnisse der aus sittlicher Gesinnung hervorgehenden Tat bleiben nicht nur hinter der guten Absicht zurück, sondern schlagen in deren Gegenteil um. Die Folgerung, die Kant daraus zieht – wenn auch nur an einer einzigen Stelle –, besteht darin, daß er darauf verzichtet, das Ziel, auf das das sittliche Handeln sich richtet, als »Zweck« zu bestimmen und zu fragen, unter welcher Voraussetzung die gute Tat das dafür geeignete Mittel sei. Stattdessen bestimmt er das Verhältnis der Handlung (im vorliegenden Falle der moralisch motivierten politischen Tat) zur intendierten moralischen Weltordnung auf eine überraschende Weise, nämlich »nicht als Ursache, sondern nur hindeutend, als Geschichtszeichen (signum rememorativum, demonstrativum, prognosticon)«. 67 Diese aus der Sprache der christlichen SakramentenTheologie entnommene Terminologie läßt erkennen, daß nicht nur die moralische Gesetzgebung der Vernunft als die Erscheinungsgestalt der göttlichen gedacht wird, sodaß wir unsere selbstgegebenen Kritik der praktischen Vernunft A 204 f. »Der Streit der Fakultäten«, Akademieausgabe VII, 84 (Klammerzusätze von Kant).
66 67
68 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
Pflichten zugleich »als göttliche Gebote« verstehen dürfen, sondern auch die sittliche Tat als das wirksame Zeichen der göttlichen begriffen werden darf: Sie setzt das sakraments-ähnliche Zeichen für die Heraufführung der moralischen Weltordnung, die allein Gottes Werk ist und vom Menschen nicht bewirkt, sondern nur bezeugt werden kann. Solche Zeichen zu setzen ist Pflicht, auch wenn der Erfolg nicht erzwungen, sondern nur von Gottes Wirken erhofft werden kann. Wenn dieser veränderte Vorschlag, die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs zu beschreiben und aufzulösen, bei Kant auch nur in Ansätzen entwickelt worden ist und aus verstreuten Textstellen zusammengetragen werden muß, so fügt er sich doch gut in das Gesamtbild seiner Religionsauffassung ein. Die »Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote« ermöglicht das Verständnis unserer Taten als solcher Zeichen, die uns rememorativ an unseren Auftrag erinnern, demonstrativ Gottes gegenwärtiges Wirken bezeugen und prognostisch auf das kommende Gottesreich (für Kant identisch mit der moralischen Weltordnung) vorausweisen. Und das gleiche Verständnis unserer selbstgegebenen Pflicht macht es möglich, das Gewissensurteil, das wir selber über uns sprechen, als die Erscheinungsgestalt eines Urteils zu begreifen, das der in uns einwohnende Richter-Geist über uns spricht, und so auch die Fähigkeit zur Umkehr, die das selbstgegebene Sittengesetz uns abverlangt, als Gabe des gleichen uns einwohnenden Geistes, nun in seiner Eigenschaft als Tröstergeist, zu erhoffen. Die Selbstgesetzgebung der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche und die dieser Gesetzgebung entsprechende Gesinnung und Tat verlieren ihre sonst unaufhebbare Widersprüchlichkeit, wenn sie als die Gegenwartsgestalten eines göttlichen Gebietens, Urteilens und »Tröstens« und in alledem als Folgen eines »Urteilsspruchs aus Gnade« verstanden werden. 68 Fragt man nach der möglichen Bedeutung, die der so weiterentwickelten Postulatenlehre im theologischen Kontext zukommen könnte, dann wird man antworten dürfen: Wir haben es hier mit einem weithin noch unausgeschöpften Angebot an die Theologie zu tun, wichtige theologische Lehrstücke, die Rechtfertigungslehre, Gnadenlehre, Pneumatologie mit transzendentalphilosophischen Mitteln verständlich zu machen und dabei dem Vernunftinteresse an Freiheit Genüge zu tun, ohne daß dadurch die Rede von Gott zu einer bloßen Metapher für die sittliche Eigenleistung des Menschen ge68
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 101.
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
macht würde. Die in der Dialektik ihres praktischen Gebrauchs als bedroht und also als kontingent erfahrene Autonomie der Vernunft wird, so verstanden, selber zur Erscheinungsgestalt eines göttlichen Gnadenwirkens, das der menschlichen Freiheit nicht von außen, sie begrenzend, gegenübertritt, sondern in ihr selbst, als ihr Ermöglichungsgrund, wirksam ist.
b)
Die Postulatenlehre im Kontext einer Theorie der »Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit«
Aus heutiger Sicht hat das Verständnis der Vernunftdialektik sich gegenüber ihrer Darstellung durch Kant verschärft. Einerseits ist aus der Dualität von Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten eine Pluralität geworden. Andererseits ist ihre Strukturdifferenz deutlicher hervorgetreten. So ist es, um ein für ihn charakteristisches Beispiel zu nennen, für Kant noch möglich gewesen, diejenige Weise der Subjektivität, die der sittlichen Erfahrung zugrundeliegt, nach dem aus der Wissenschaft entlehnten Modell der »Vergleichgültigung« aller individuellen Differenzen zu deuten: Wie der Wissenschaftler nur behaupten darf, was er »im Namen aller« sagen kann, so soll der sittlich Handelnde nur wollen dürfen, was er »im Namen aller« wollen kann. Selbst wenn dieses Kriterium für die Findung moralischer Normen tauglich wäre (was bezweifelt werden kann), trägt es nicht dazu bei, die spezifische Unvertretbarkeit des Handlungssubjekts angemessen zu beschreiben. Und die spezifische Weise, wie das Subjekt ästhetischer oder religiöser Erfahrung sich verhalten muß, um eine dieser Erfahrung korrespondierende Objektwelt aufzubauen, läßt sich auf diese Weise nicht erfassen. Und selbst innerhalb der wissenschaftlichen Empirie treten Fälle auf, die durch das Modell der »Anwendung« immer gleicher Anschauungsformen und Verstandesbegriffe auf den wechselnden Stoff des subjektiven Erlebens nicht mehr angemessen beschrieben werden können. Es gibt Inhalte, die eine Veränderung der Formen, wie sie angeschaut und begriffen werden, erzwingen. (Auf den Bedeutungswandel der Zeitanschauung und der Kausalkategorie beim Übergang von der klassischen Physik zur Quantenmechanik ist in diesem Zusammenhang schon einmal hingewiesen worden.) An die Stelle einer Theorie der Erfahrung, nach welcher die Formen des Anschauens und Denkens immer nur die bestimmenden, der »Stoff« immer nur der 70 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
durch diese Formen bestimmte ist, muß ein dialogisches Modell der Erfahrung treten, nach welchem durch die Formen unseres Anschauens und Denkens ein Anspruch des Wirklichen zur Sprache kommt, der »größer« ist, als daß er innerhalb dieser Formen angemessen zur Sprache gebracht werden könnte, und der dadurch eine Umgestaltung dieser Formen erzwingt. Unser Anschauen und Denken ist Antwort, durch die wir einen Anspruch zur Sprache bringen, der diese unsere Antwort zugleich als überbietungsbedürftig erweist. Auf neue Weise beantwortet, kommt auch dieser Anspruch auf wiederum neue Weise zur Sprache. Diesem dialogischen Charakter der Erfahrung entspricht es, daß auch unser Anschauen und Denken eine Geschichte hat. Erst eine Theorie der Erfahrung, die diese als Ergebnis eines solchen Dialogs mit der Wirklichkeit begreift, ist daher in der Lage, jene Aufgabe zu erfüllen, für die Kant »eine Stelle im System offenhalten« wollte: die Aufgabe, die »Geschichte der reinen Vernunft« zu erzählen. 69 Aber dieses dialogische Zur-Sprache-Bringen des je größeren Anspruchs hat für jede Erfahrungsweise und die ihr korrespondierende Erfahrungswelt eine eigene Gestalt. Die Weise, wie der Inhalt der wissenschaftlichen Empirie eine Veränderung der Weisen wissenschaftlichen Anschauens und Begreifens erzwingt, ist von anderer Art als die »Exorbitanz«, mit der der Inhalt der ästhetischen Erfahrung alles bisherige Anschauen und Begreifen aus dem Geleise wirft, oder die unbedingte Verpflichtungskraft, mit der der Inhalt der sittlichen Erfahrung alles Kalkül von Zwecken und Mitteln zunichtemacht. Und von nochmals anderer Art ist die Weise, wie der Inhalt der religiösen Erfahrung dem, der diese Erfahrung macht, deutlich werden läßt, daß die »Herrlichkeit«, mit der das Heilige ihm begegnet, zugleich der »Mantel« ist, in den es sich vor seinen Augen verhüllt. Der Dialog mit dem Wirklichen wird, um im Bilde zu bleiben, auf jedem Felde der Erfahrung in einer eigenen Sprache geführt, d. h., er erfordert die Ausgestaltung je spezifischer Anschauungs- und Denkformen. Und die Differenz der »Sachgebietssprachen«, die von den Sprachforschern empirisch beschrieben werden kann, ist nur der Ausdruck dieser »Vielsprachigkeit« jenes transzendentalen Dialogs, auf der die Vielfalt der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten beruht. Dabei gibt es kein übergeordnetes Sprachsystem, als dessen Teilgebiete diese unterschiedlichen Sprachen begriffen werden könnten, 69
Kritik der reinen Vernunft A 852.
71 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
auch nicht die »Alltagssprache«, die manche Sprachtheoretiker für »unhintergehbar« halten, weil sie die »Metasprache« darstelle, in der die Regeln aller Sachgebietssprachen festgelegt werden. Bei näherer Betrachtung nämlich erweist sich die »Alltagssprache« als ein Gemenge von Formen und Elementen, die aus den Sprachen der Wissenschaft und der Dichtung, der Religion und der Moral stammen. Und entsprechend gibt es kein übergeordnetes System der Anschauungs- und Denkformen, als deren Derivate die verschiedenen Weisen verstanden werden könnten, wie wir in unterschiedlichen Weisen des Erfahrens subjektive Eindrücke in Inhalte objektiv gültiger Erfahrung transformieren, auch nicht das sogenannte »vorwissenschaftlich-lebensweltliche« Erfassen der Wirklichkeit. Auch dieses erweist sich bei näherer Betrachtung als Ergebnis der wechselseitigen Beeinflussung unserer unterschiedlichen Erfahrungsweisen. Wohl aber bezeugen die »lebensweltliche« Weise des Umgangs mit der Wirklichkeit und die »Alltagssprache«, in der dieser Umgang zum Ausdruck kommt, dasjenige, was an früherer Stelle die »Interferenz« der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten genannt worden ist. Diese aber erzeugt kein widerspruchsfreies System aller Weisen, wie wir den Anspruch des Wirklichen beantworten und zur Sprache bringen, ebensowenig, wie die »Alltagssprache« ein widerspruchsfreies System sprachlicher Regeln darstellt. Und so bleibt es bei den an früherer Stelle getroffenen Feststellungen: Wegen der wechselseitigen Durchdringung (Interferenz) der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten bleiben die Ideen der einen Welt und des einen Aktes »Ich denke« in regulativer Kraft. Wegen der Strukturdifferenz der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten aber erweisen die Vernunftaufgaben, die durch diese Ideen gestellt sind, sich als unerfüllbar. 70 Und ebendadurch, daß sie uns die Erfüllung einer ebenso unabweislichen wie unerfüllbaren VernunftAufgabe vorwegnehmend vor Augen stellen (mit dem frühen Kant gesprochen: »exposcunt aque praesumunt«), geraten diese Ideen in einen Widerspruch mit sich selbst, der aufgelöst werden muß, wenn diese Ideen nicht als »phantastisch und auf leere, eingebildete Zwecke gestellt, mithin an sich falsch« erscheinen sollen. 71 Wie die Idee des »höchsten Gutes«, wenn sie nicht durch Postulate von diesem ihrem inneren Widerspruch befreit werden kann; vgl. Kritik der praktischen Vernunft A 205. 71 Kritik der praktischen Vernunft A 205. 70
72 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
Wie diejenigen Postulate aussehen könnten, die geeignet sind, diesen inneren Widerspruch der Ideen und den ihm zugrundeliegenden Selbstwiderspruch der Vernunft aufzuheben, dafür hat Kant selbst einen weiterführenden Hinweis gegeben. Allen Fassungen seiner Postulatenlehre lag die These zugrunde, wir dürften »unsere Pflichten als göttliche Gebote« erkennen. Die weiterführende Frage lautet: Warum nur unsere Pflichten? Warum also nur jenen Anspruch des Wirklichen, den wir in der spezifisch sittlichen Erfahrung erkennen? Warum nicht alle Weisen, wie das Wirkliche uns in den unterschiedlichsten Formen der Erfahrung in Anspruch nimmt? Der kantischen »Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote« lag die unausgesprochene These zugrunde, daß jene Selbstgesetzgebung der Vernunft, die im sittlichen Imperativ zum Ausdruck kommt, als Erscheinungsgestalt einer göttlichen Gesetzgebung verstanden werden darf. Und die gleiche Voraussetzung war in der Behauptung impliziert, wir dürften im göttlichen Gesetzgeber des Sittengesetzes zugleich den Schöpfer erkennen, der der Natur ihre Gesetze gegeben hat. Denn gemäß der kantischen Überzeugung, daß auch die gesetzmäßige Ordnung der Natur ein Ausfluß jener Selbstgesetzgebung sei, mit der die Vernunft uns die Einordnung aller Inhalte der Erfahrung in die Einheit der »Welt« abverlangt, kann die gleiche Gesetzmäßigkeit der Natur nur dann auf einen göttlichen Gesetzgeber zurückgeführt werden, wenn die Autonomie der Vernunft auch in ihrem theoretischen Gebrauche als Erscheinungsgestalt einer göttlichen Weltgesetzgebung verstanden wird. Wiederum lautet die weiterführende Frage: Warum soll das nur für jene beiden Weisen der Vernunftautonomie gelten, die im wissenschaftlichen Erkennen und in der sittlichen Praxis zum Ausdruck kommen? Warum nicht für jede Weise, in der wir, gerade durch die Eigengesetzlichkeit unserer Vernunfttätigkeit, einen Kontext aufbauen, innerhalb dessen das Wirkliche uns in den mannigfachsten Formen seiner Maßgeblichkeit begegnen kann? Schließlich hat Kant, wenigstens in einigen verstreuten Äußerungen, das Gewissensurteil, das wir selbst über uns sprechen, aber auch die Umkehr, die wir selber vollziehen müssen, zugleich als Erscheinungsgestalten des uns einwohnenden göttlichen Geistes verstanden. Wiederum ist zu fragen: Warum soll dies nur auf diejenige spezielle Weise zutreffen, in der wir uns auf dem Gebiete der Moral beurteilen und verhalten? Warum nicht auf jede Weise unseres Selbstverstehens und unserer eigenverantwortlichen Lebensfüh73 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
rung? Und wenn die politisch-moralische Tat als signum rememorativum, demonstrativum et prognosticon eines göttlichen Heilswirkens verstanden werden darf, das die Heraufführung des »Reiches Gottes« zum Ziele hat, warum dann nicht auch jede andere Weise, wie wir auf den unterschiedlichsten Feldern unserer Erfahrung den Anspruch des Wirklichen tätig beantworten? Mit solchen Fragen kann an dieser Stelle nur eine Denkmöglichkeit offengehalten, nicht eine Denknotwendigkeit nachgewiesen werden. 72 Nur so viel sei an dieser Stelle hinzugefügt: Eine solchermaßen weiterentwickelte Postulatenlehre fände in einer Theorie, die die Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit versteht, einen angemesseneren Ort als in Kants Lehre von unveränderlichen Anschauungsund Denkformen, die nur auf wechselnde »Stoffe« angewandt werden. Denn wenn wir in unserem Anschauen und Denken jeweils einen Anspruch des Wirklichen beantworten und antwortend zur Sprache bringen, der »größer« ist als diese unsere Antwort und deshalb die Formen dieser Antwort aufsprengt und zur Veränderung nötigt, dann liegt es nahe, jede dieser Weisen, wie die »je größere Wahrheit« uns in Anspruch nimmt, als die Erscheinungsgestalt eines Anspruchs zu begreifen, der in absoluter Weise größer ist als unser Anschauen und Denken, obgleich wir ihn nur in dieser unserer Antwort für uns und andere vernehmbar machen. Und wenn der Anspruch des Wirklichen uns immer wieder nötigt, von einer Erfahrungsart zur anderen überzugehen, etwa von der wissenschaftlichen Empirie zur sittlichen Erfahrung oder von der ästhetischen zur religiösen (aber auch umgekehrt, etwa dann, wenn die religiöse Erfahrung uns zur wissenschaftlich-theologischen Reflexion nötigt oder zur künstlerischen Gestaltung herausfordert), dann liegt es nahe, in der Mannigfaltigkeit der Weisen, wie die Weltwirklichkeit uns zur Antwort herausfordert, die Erscheinungsgestalten eines identischen Anspruchs zu sehen, für den uns freilich die angemessenen Anschauungsformen und Begriffe fehlen. Die wichtigsten der Vernunftpostulate, die auf solche Weise zustandekommen, lassen sich auf folgende Weise formulieren: Die Vielfalt der Weisen, wie das Wirkliche uns in Anspruch nimmt und zum Aufbau je unterschiedlicher Erfahrungswelten herausfordert, darf als eine Vielfalt von Abbild- und Gegenwartsgestalten der einen Weise Zur Rechtfertigung einer solchermaßen weiterentwickelten Postulatenlehre vgl. mein Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 650–770.
72
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C. Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie
verstanden werden, wie wir »in omnitudine realitatis«, d. h. in allem, was ist und geschieht, von einer göttlichen Wirklichkeit in Anspruch genommen und zur Antwort herausgefordert werden. Und die Vielfalt der Subjektivitätsweisen, mit denen wir uns als Forschersubjekte, als Subjekte der ästhetischen, der sittlichen oder der religiösen Erfahrung verstehen und verhalten, darf als eine Vielfalt der Abbild- und Gegenwartsgestalten der einen Weise verstanden werden, wie Gott den Menschen weiß und ihn in allem, was ist und geschieht, unter seine Anrede stellt. 73 Stellt man wiederum die Frage, was die hier vorgeschlagene Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie – in diesem Falle die weiterentwickelte Postulatenlehre – für die Theologie bedeuten könnte, so läßt sich antworten: Sie kann, wie das schon Rahner versucht hat, in einer säkularisierten Welt, die alles Reden von Gott unter Sinnlosigkeitsverdacht stellt, angeben, wovon die Rede ist, wenn von Gott gesprochen wird, freilich nun auf veränderte Weise: Nicht die Spitze der Seinspyramide oder der Werte-Skala, das »summum ens« und »summum bonum«, ist der primäre Ort, an dem Gott gesucht werden kann, sondern jeder Gegenstand der Erfahrung und sein Anspruch an unser Anschauen und Denken kann zur Gestalt werden, in der Gott dem Menschen begegnet. Denn die in der Vernunftdialektik bedrohte und als kontingent erwiesene Fähigkeit zur Erfahrung wird dadurch wiederhergestellt, daß der Anspruch des Wirklichen, den wir beantworten, als Erscheinungsgestalt der göttlichen Zuwendung verstanden wird. Überall dort, wo die Vernunft, im Durchgang durch ihre radikale Selbstgefährdung, neue, unerzwingbare Möglichkeiten entdeckt, Kontexte aufzubauen, innerhalb derer das Wirkliche mit seinem Maßgeblichkeitsanspruch begegnen kann – stets fragile, immer wieder zerbrechende, in beharrlicher Bemühung neu aufgebaute Kontexte –, kann alles, was sich auf solche Weise zeigt, zum signum rememorativum, demonstrativum et prognosticon der göttlichen Gegenwart werden. Damit ist zugleich auf neue Weise erreicht, was Maréchal erstrebt hatte: vom transzendentalen Ansatz aus die vermeintlich oder wirklich »agnostischen« Folgerungen zu vermeiden, die eine populäre Kantrezeption aus diesem Ansatz gezogen hatte. Freilich geht es jetzt nicht mehr um eine Restitution der Ontologie, sondern um ein Verständnis der Erfahrung
73
Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 685.
75 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
als Dialog, der mit der Weltwirklichkeit nur deshalb geführt werden kann, weil er den Anspruch des Wirklichen als Gegenwartsgestalt einer freien göttlichen Anrede entziffert.
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D. Aufgaben und erreichte Ergebnisse
1.
Philosophische und theologische Einwände gegen die Transzendentale Theologie und der Versuch, die transzendentale Methode weiterzuentwickeln
Einleitend wurde gesagt: Auch wem die vorgeschlagene Lösung einer Aufgabe unzulänglich erscheint, hat deswegen noch keinen Grund, die Aufgabe zu vergessen, die dadurch gelöst werden sollte. Soeben ist deutlich geworden: Die hier vorgeschlagene Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie zu einer Theorie der Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklichkeit eröffnet Wege, die Aufgaben, die die Transzendentale Theologie Maréchals und Rahners sich gestellt hat, auf neue Weise in Angriff zu nehmen. An späterer Stelle der einleitenden Überlegungen wurde hinzugefügt: Wer von der Unausweichlichkeit einer Aufgabe überzeugt ist, hat deswegen noch keinen Grund, sich die kritische Prüfung angebotener Lösungen zu ersparen. Deshalb wurden philosophische und theologische Gegengründe angeführt, die gegen die Transzendentale Theologie vorgebracht werden. Und daraus wurde die Frage abgeleitet: Läßt die transzendentale Reflexion mitsamt ihrer theologischen Anwendung sich so weiterentwickeln, daß sie die Schwächen, die ihre Kritiker aufgewiesen haben, überwindet? Dem Versuch einer solchen Weiterentwicklung waren die hier vorgetragenen Überlegungen gewidmet. So bleibt abschließend zu prüfen, ob sie ihr Ziel erreicht haben. Was zunächst die theologischen Gegengründe gegen die Transzendentale Theologie betrifft, so wird man antworten können: Vom Vorwurf der Geschichtslosigkeit wird eine Theorie der Erfahrung als Dialog nicht betroffen. Denn in jenem Dialog, in welchem der Anspruch des Wirklichen beantwortet und zur Sprache gebracht wird, durchläuft die menschliche Vernunft eine krisenreiche Geschichte mit unvorhersehbaren Wendungen. Sie droht immer wieder, sich in ihre eigene Dialektik zu verwickeln und so sich selbst zu zerstören 77 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
oder unter dem Anspruch des Wirklichen, der alle bisher bewährten Formen des Anschauens und Denkens aufbricht, zu verstummen. Und wenn ihr dann, in verwandelter Weise, der Aufbau neuer Erfahrungskontexte gelingt, so erfährt sie dies als ein kontingentes, nicht herbeizuzwingendes Ereignis. Auf solche Weise entsteht eine Geschichte der sich im Dialog mit dem Wirklichen herausbildenden, immer wieder bedrohten und gefährdeten, auf überraschende Weise wiederhergestellten menschlichen Erfahrungsfähigkeit, die nicht auf die Entscheidung einer einzigen Alternative beschränkt ist und deswegen auch nicht zu einem einzigen Augenblick »zusammenschrumpft«. Eine Transzendentalphilosophie solcher Art könnte dazu dienen, auch die Geschichte Gottes mit den Menschen transzendental zu deuten, also etwa Ereignisse wie die Zerstörung des Tempels oder auch die Kreuzigung Jesu nicht nur als unverständliche Stupenda zu begreifen, die den religiösen Menschen nur überwältigen, weil sie im Kontext der religiösen Erfahrung keine Stelle finden, sondern zu zeigen, wie an derartigen Ereignissen eine ganze Erfahrungswelt zum Einsturz kommt und wie die Entstehung eines neuen Kontextes, innerhalb dessen diese Ereignisse eine neue Antwort des Menschen hervorrufen können, als unerzwingbares Faktum (theologisch gesprochen: als Folge einer freien göttlichen Gnaden-Zuwendung) erfahren wird. Auf den zweiten theologischen Einwand, den Vorwurf der Entfremdung gegenüber der gesellschaftlichen Praxis, konnte in den hier vorgetragenen Überlegungen nicht eingegangen werden. Hier muß ein Hinweis genügen: Die Geschichte des menschlichen Anschauens und Denkens, die sich aus dem Wechselverhältnis zwischen dem Anspruch des Wirklichen und der von uns gegebenen Antwort ergibt, schließt die Verknüpfung unseres je gegenwärtigen Erlebens mit erinnerter Vergangenheit ein. Denn der Kontext einer Erfahrung wird niemals im isolierten Augenblick, sondern stets nur in der Kontinuität (oder auch erfahrenen Diskontinuität) erinnerter Geschichte aufgebaut. Diese Erinnerung aber greift über die Lebenszeit des Individuums zurück und ist mit einer Erwartung verknüpft, die über seine individuelle Lebenserwartung hinausgreift. Deshalb ist die Geschichte, auf die transzendentalphilosophisch zu reflektieren ist, stets in die Geschichte einer Überlieferungs- und Kommunikationsgemeinschaft verwoben. Diese Gemeinschaft aber kommt nicht im rein theoretischen Austausch von Meinungen und Argumenten zustande, son78 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
D. Aufgaben und erreichte Ergebnisse
dern in der Gemeinsamkeit einer gesellschaftlichen Praxis. Kommunikationsgemeinschaften sind immer zugleich Interaktionsgemeinschaften. Insofern ist die Entstehung, Aufrechterhaltung und Umgestaltung derartiger Gemeinschaften stets zugleich von transzendentaler, d. h. die Ermöglichung von Erfahrung betreffender Bedeutung. Und folglich gehört die Reflexion auf die Formen und Inhalte gesellschaftlicher Praxis mit zum Themenfeld der transzendentalen Reflexion, auch wenn dieser Teil des Themenfeldes an dieser Stelle nicht beschrieben werden konnte. 74 Was die philosophischen Einwendungen gegen die Transzendentale Theologie betrifft, so kann der Vorwurf, diese Art von Theologie spare die transzendentale Dialektik nicht nur faktisch, sondern notwendigerweise aus ihren Überlegungen aus, als entkräftet gelten. Denn hier wurde eine Weiterentwicklung der transzendentalen Methode vorgeschlagen, die einerseits ganz zentral auf der Beschreibung dieser Dialektik beruht, andererseits Wege zu ihrer theologischen Rezeption aufgewiesen hat. So bleibt der erste der angeführten philosophischen Einwände zu erörtern, die Transzendentalphilosophie mit ihrer Lehre von der Konstituierung der Gegenstände durch unser Anschauen und Denken schließe den Menschen in die Welt der bloßen Erscheinungen ein und setze ihn, innerhalb dieser Welt, an die Stelle des Schöpfers. Demgegenüber wurde in den hier vorgetragenen Überlegungen zweierlei betont: Einerseits ist jene Eigentätigkeit der Vernunft, die nach transzendentalphilosophischer Überzeugung in der Tat die Gegenstände unserer Erfahrung konstituiert, dazu bestimmt, uns aus der bloßen Subjektivität unserer Erlebnisse zu befreien und den Gegenständen den Ort einzuräumen, an dem sie ihren Maßgeblichkeitsanspruch geltend machen können. Andererseits wird in jener weiterentwickelten Form der Transzendentalphilosophie, die hier vorgeschlagen wurde, diese Gegenstandskonstitution als Antwort verstanden, die zwar nötig ist, wenn der Anspruch des Wirklichen zur Sprache kommen soll, die aber diesen Anspruch als den »je größeren«, unserem Anschauen und Begreifen überlegenen zur Geltung bringt. Darüber hinaus aber wurde diejenige Tätigkeit der Vernunft, aus der die Welt unserer Gegenstände hervorgeht, als AusVgl. in meinem Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit den Abschnitt »Intersubjektivität als Möglichkeitsbedingung der Erfahrung« (501–517) und die Ausführungen zum Verhältnis von gruppen-immanentem und gruppen-übergreifendem Dialog, insbesondere in der Begegnung von Kulturen (518–555).
74
79 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
druck einer Fähigkeit begriffen, die stets bedroht ist, sich dadurch als kontingent erweist und nach ihrer »realen«, aller Tätigkeit des Subjekts ermöglichend vorausgehenden Bedingung befragt werden kann, auch wenn diese Bedingung nicht abseits von dieser unserer Tätigkeit, sondern nur in ihr selbst wirksam wird. Es bleibt abzuwarten, ob diese Antwort die Anhänger einer »realistischen« und deshalb der Transzendentalphilosophie gegenüber skeptischen Philosophie befriedigt. 75
2.
Zukunftsmöglichkeiten einer Begegnung
Doch ist im Zusammenhang der hier vorgetragenen Überlegungen von Einwendungen gegen die Transzendentale Theologie und von Möglichkeiten, ihnen durch Weiterentwicklung der transzendentalen Methode zu begegnen, nicht nur in der Absicht die Rede gewesen, eine bestimmte philosophische Methode oder eine bestimmte Richtung theologischer Forschung zu verteidigen. Es ging, wie im Thema angekündigt, um Zukunftsmöglichkeiten einer Begegnung. Darum sollen abschließend wenigstens einige Themenfelder benannt werden, auf denen eine solche Begegnung stattfinden könnte. Ein erstes Themenfeld wurde schon angedeutet: Es kann durch die Frage nach dem »Gotteswort im Menschenwort« charakterisiert werden, also durch die Frage, ob die Theologen, nachdem sie die Lehre von der »Verbalinspiration« nicht mehr vertreten, den Heiligen Schriften nur noch Auskünfte über die subjektiven religiösen Ansichten und Erlebnisse ihrer menschlichen Verfasser entnehmen können oder ob und in welchem Sinne das Menschenwort dieser Autoren als die Gegenwartsgestalt des Gottesworts gelten könne. Eine philosophische Theorie, nach welcher wir den Anspruch jeder Wirklichkeit nur in der Gestalt der Antwort vernehmen und anderen vernehmbar machen, die wir in unserem Anschauen und Denken auf diesen Anspruch gegeben haben, könnte in dieser Hinsicht ein Gesprächsangebot an die Theologen sein. Und dieses Gesprächsangebot
Ich habe in meinem Buche zu zeigen versucht, daß angesichts einer weiterentwikkelten Transzendentalphilosophie die ganze Debatte zwischen »Realisten« und »Idealisten« an eine Grenze stößt, jenseits derer sie gegenstandslos wird (»Idealismus und Realismus – Sinn und Grenzen einer Diskussion«, Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 248–297).
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D. Aufgaben und erreichte Ergebnisse
könnte für die Theologen umso fruchtbarer sein, wenn diese philosophische Theorie zugleich aufzeigen kann, daß der von uns beantwortete Anspruch sich inmitten der Antwort, die wir geben, stets als der »je größere« erweist und sich so von unseren bloß subjektiven Meinungen unterscheidet. Ein zweites Themenfeld kann durch die Frage nach der »Einheit von Gottes- und Nächstenliebe« charakterisiert werden, also durch die Frage, ob und wie die Rede von einer Liebe zu Gott, die nur in der Liebe zum Nächsten (oder zu aller Kreatur) betätigt werden kann, noch etwas anderes ist als eine Metapher, die der Nächstenliebe etwas von religiöser Würde zu verschaffen versucht. Eine philosophische Theorie, die die Möglichkeit, den Anspruch des Wirklichen zu vernehmen, als kontingent und bedroht begreift und auf die postulatorische Hoffnung gründet, die vielfältigen Weisen, wie uns das Wirkliche in Anspruch nimmt, werden sich als Fülle von Gegenwartsgestalten einer göttlichen Zuwendung verstehen lassen, könnte in dieser Hinsicht ein Gesprächsangebot an die Theologen sein. Und dieses Gesprächsangebot könnte für die Theologen umso fruchtbarer sein, wenn diese philosophische Theorie zugleich aufzeigen kann, daß jene göttliche Zuwendung, die uns aus unserer Selbstverfangenheit befreit, ein ungeschuldeter Ausdruck einer göttlichen Freiheit ist; denn die Kontingenz unserer Erfahrungsfähigkeit kann nicht auf eine ihrerseits notwendig wirkende, sondern nur auf eine frei handelnde Bedingung zurückgeführt werden. (In diesem Sinne kann die hier skizzierte Theorie sich die These Franz Rosenzweigs zu eigen machen, der Glaube an den einen Gott sei die »Schule des Zutrauens auf die Erfahrung«, 76 weil wir sicher sein dürfen, in der verwirrenden Vielfalt dessen, was uns in der Erfahrung begegnet und in Anspruch nimmt, der einen Zuwendung des einen Gottes zu begegnen.) Ein drittes Themenfeld kann durch die Frage »Glaube und Weltverantwortung« charakterisiert werden, also durch die Frage, ob und wie die Glaubensbotschaft ihre Unverwechselbarkeit wahren und gleichzeitig zeigen könne, daß sie über den engeren Rahmen »religiöser« Fragen hinaus auch in »weltlichen« Zusammenhängen bedeutsam ist. Hier gilt es eine Alternative zu vermeiden, die heute vielfache Diskussionen auslöst. Fragt man nämlich, was der Glaube »für das Leben« bedeute, dann entsteht der Eindruck, er werde »funktionalistisch« auf diejenigen Impulse reduziert, die er anderen Gebieten des 76
F. Rosenzweig, »Das neue Denken«, in: Kleinere Schriften, Berlin 1937, 373–398.
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Erster Teil: Transzendentale Reflexion und Theologie
individuellen und gemeinschaftlichen Lebens vermitteln kann, also beispielsweise ausschließlich als individuelle »Lebenshilfe« oder als soziale, vor allem sozialethische Motivationsquelle oder Normfindungsinstanz verstanden. Verzichtet man aber auf diese Frage und will stattdessen die unverwechselbare Eigenart der Glaubensbotschaft und ihren unbedingten Eigenwert erfassen, dann entsteht der Verdacht, man beschränke diese Botschaft darauf, »rein religiöse Fragen« zu beantworten, und raube ihr jede »Relevanz«, die über die »Kirchenmauern« hinausreicht. 77 Nun enthält eine philosophische Theorie, die die Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit beschreibt, zwei Momente, die über diese vermeintliche Alternative hinausführen könnten. Denn erstens kann eine solche Theorie zeigen, daß jener Kontext, innerhalb dessen die einzelnen Inhalte »Bedeutung« besitzen, möge dieser Kontext nun »das Leben« oder »die Gesellschaft« heißen, nicht unveränderlich vorgegeben ist, sondern durch die Auseinandersetzung mit konkreten Inhalten der Erfahrung immer neu aufgebaut und umgestaltet wird. Insofern hat jede einzelne Erfahrung in ihrer konkreten Unverwechselbarkeit immer schon »Bedeutung« für das Ganze, nicht nur als besonderer Inhalt in einem unverändert bleibenden Zusammenhang, sondern zugleich als vorantreibendes Moment seiner Umgestaltung. Und zweitens kann eine Theorie der Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklichkeit die spezifische Bedeutung religiöser Erfahrung und des Zeugnisses von ihr deutlich machen: Die Unverwechselbarkeit der spezifisch religiösen Erfahrung besteht darin, daß sie den, der sie macht, einerseits an die Grenze seiner Erfahrungsfähigkeit im Ganzen führt und ihn andererAn dieser Stelle sei die Anmerkung gestattet, daß diese Debatte für solche Menschen, deren Leben durch religiöse Erfahrungen geprägt ist, wunderlich erscheinen muß. Wenn wohlmeinende Prediger und Religionspädagogen meinen, die Frage beantworten zu müssen, was der Glaube »mit dem Leben zu tun habe«, dann klingt das ebenso, als wenn man Liebende davon überzeugen müßte, daß ihre Liebe »etwas mit dem Leben zu tun« habe. Der Glaube wie die Liebe gehören zur »Mitte des Lebens«, sodaß man gar nicht angeben kann, was »Leben« bedeutet, wenn man den Glauben oder die Liebe zunächst vom »Leben« unterscheidet, um dann nachträglich eine Beziehung zwischen beiden nachzuweisen. Und wenn andererseits die Sorge geäußert wird, durch die Aussage, der Glaube bzw. die Liebe bestimme alle übrigen Bereiche des »Lebens«, werde der Glaube oder die Liebe »funktionalisiert«, dann erscheint diese Sorge dem Glaubenden wie dem Liebenden ebenso verwunderlich. Ein Glaube bzw. eine Liebe, deren Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit nur um den Preis ihrer Funktionslosigkeit zu wahren wäre, hätte ihre unverwechselbare Eigenart offensichtlich schon verloren.
77
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D. Aufgaben und erreichte Ergebnisse
seits unter den Anspruch und die Zusage jener unverfügbar freien Willensmacht stellt, deren Wirklichkeit in einer allgemeinen Theorie der Erfahrung nur postuliert werden kann. 78 Die angemessene Antwort, in der diese Begegnung vollzogen wird, ist freilich nicht der Begriff, sondern der Name. Dessen Anrufung ist stets (im religiösen wie im außerreligiösen Zusammenhang) diejenige Sprachhandlung, durch die der Eintritt in eine Korrelation mit dem Angerufenen vollzogen wird. 79 Da es sich aber in diesem speziellen Fall um den Eintritt in jene Korrelation handelt, die die menschliche Erfahrungsfähigkeit im Ganzen vor ihrer sonst drohenden Selbstauflösung bewahrt, ist damit die universelle Bedeutung dieser speziellen Sprachhandlung erwiesen. Und wenn die Offenbarung primär als »Revelatio nominis« verstanden werden kann (vgl. Joh 17,6.26), die dem Menschen den Eintritt in die Gottesbeziehung möglich macht, dann hat auch das Zeugnis von dieser Offenbarung, wie es in Schrift und Predigt gegeben wird, gerade um seiner unverwechselbaren Eigenart willen universale Bedeutung für alle Bereiche menschlichen Erfahrens. Die Beispiele mögen genügen, um deutlich zu machen: Der Themenfelder für ein Gespräch zwischen einer weiterentwickelten Transzendentalphilosophie und der Theologie gibt es genug. Das Gespräch zwischen beiden ist daher noch nicht zu Ende. Ja, es steht zu hoffen, daß es, in neuer Gestalt, erst noch bevorsteht.
Zu diesem Zusammenhang zwischen Vernunftpostulaten und religiöser Erfahrung vgl. Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, 713–731. 79 Zur Bedeutung der Anrufung des Namens vgl. meine Aufsätze »Die Vernunft und das Wort. Zum Religionsverständnis bei Hermann Cohen und Franz Rosenzweig«, in: Zeitschr. f. Theologie und Kirche 78 (1981), 57–89, und »Adiutorium nostrum in nomine Domini«, in: Lebendiges Zeugnis 43 (1988), 26–40. 78
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie 80
Überarbeitete Fassung eines am 26. Februar 2016 im Rahmen der Tagung »Welche Philosophie braucht die Theologie?« in Niederaltaich gehaltenen Vortrags.
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A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität – oder: Die späte Trauer um einen »überwundenen Feind«?
1.
Eine traditionelle Frontstellung 81
»Christliche Philosophie«, das war lange Zeit ein Synonym für »Scholastische Philosophie«. Diese aber ist, wie ihr Name sagt, zunächst in formaler Hinsicht eine Weise des Philosophierens, die zur Bildung einer die Generationen überdauernden »Schule« (Schola) fähig ist. Schon damit ist eine Differenz gegenüber dem neuzeitlichen Philosophieren angedeutet: Mehrmals in der Neuzeit waren Philosophen dazu geneigt, die Philosophie jeweils »neu zu erfinden« und sich zu diesem Zweck aus der Tradition der »Schulen« zu befreien. Ein Beispiel dafür bietet Descartes, der mit seinem methodischen Zweifel alle bisher gewonnen Überzeugungen und damit die gesamte Tradition, der er diese Überzeugungen verdankte, außer Kraft setzen wollte, um so ein neues »Fundament« des Philosophierens zu suchen. Ein anderes Beispiel ist Kant, der seine Leser auffordert, »alles bisher Geschehene als ungeschehen anzusehen«, um eine neue Art des Philosophierens »selbst allererst zu erfinden«. 82 In die gleiche Reihe von Beispielen gehören die Vertreter des Deutschen Idealismus, die in immer neuen Ansätzen ein »System« entwerfen, das alle bisherigen »Systeme« ersetzen soll. Demgegenüber hat die scholastische Philosophie sich stets als »Philosophia perennis« verstanden, als eine die wechselnden Generationen überdauernde Philosophie, die den einzelnen Philosophen dazu auffordert, sich an die empfangene Tradition anzuschließen, um sie lebendig weiterzuentwickeln. Fragt man nun nach dem Grund der Skepsis gegenüber Traditionen, die in der neuzeitlichen Philosophie zum Prinzip erhoben worVgl. zu diesem Abschnitt und zu den beiden folgenden mein Buch Die Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und katholischer Theologie, Darmstadt 1980. 82 Prolegomena A 3. 81
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
den ist, so findet man ihn darin, daß die neuzeitliche Philosophie vom Subjekt ausgeht; dieses wird in der Erfahrung seiner häufigen Irrtümer und in dem daraus resultierenden Entschluß zum methodischen Zweifel auf sich selbst zurückgeworfen und erklärt in einem zweiten Schritt das Selbstbewußtsein zum »fundamentum inconcussum« allen Erkennens. Deshalb überträgt sie dem je einzelnen Philosophierenden die Verantwortung für die Unterscheidung des Wahren und Falschen. Freilich kann das Individuum diese Verantwortung nur wahrnehmen, wenn es sich »auf den Standpunkt der allgemeinen Menschenvernunft erhebt«. Diese Vernunft wirkt in jedem Individuum und unterwirft es zugleich seiner absoluten Gesetzgebung. Traditionen dagegen unterliegen dem Verdacht, daß sie das Individuum dazu verleiten, sich freiwillig fremden Autoritäten zu unterwerfen und so in »selbstverschuldete Unmündigkeit« zu geraten. Aus der Sicht der »christlichen Philosophen« ergab sich dann folgende Gegenübersetzung: Neuzeitliche Philosophie ist »Philosophie der Subjektivität«, während die »Philosophia perennis« es auf das objektiv Gültige abgesehen hat, das von der Differenz der Subjekte unabhängig bleibt und sich daher als das Beständige im Wechsel der geschichtlichen Epochen bewährt. Das ausgezeichnete Beispiel einer solchen »Philosophia perennis« aber schien die in einer lebendigen Tradition weiterentwickelte aristotelische Metaphysik zu sein. Christliche Philosophie, die in formaler Hinsicht »scholastisch« sein und dadurch zur »Philosophie perennis« werden wolle, müsse deswegen, inhaltlich gesehen, Fortbildung der Tradition aristotelischen Philosophierens sein. Diese galt als die normative Gestalt »christlichen Philosophierens«. Denn der Wille zur Objektivität, so argumentierte man weiterhin, sei notwendig, wenn die Philosophie »Vorhof des Glaubens« (Praeambula Fidei) sein soll. Der Glaube nämlich ist freie Zustimmung zur objektiven Wahrheit der Verkündigung, zu einer Wahrheit, die nicht durch die Akte des Subjekts »konstituiert« wird, sondern von all dieser Tätigkeit unabhängig, ihr vorgegeben und für sie maßgebend ist. Es ist hier nicht der Ort, um die Frage zu erörtern, ob diese Gegenüberstellung geeignet ist, der Eigenart neuzeitlichen Philosophierens Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ebensowenig kann an dieser Stelle die Frage erörtert werden, ob es andere Weisen gibt, eine »christliche Philosophie« zustande zu bringen als die Weiterführung der aristotelischen Tradition. Was es hier festzuhalten gilt, ist nur: Es gab und gibt bis heute ein weit verbreitetes Verständnis, wonach 88 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität
»christliche Philosophie« vor allem den Nachweis zu führen hat, daß die neuzeitliche Philosophie, für die Namen wie Descartes und Kant stellvertretend stehen, eine »Philosophie der Subjektivität« sei, daß diese einen Abfall vom Willen zur Objektivität darstelle, und daß die Wiedererweckung der aristotelischen Tradition und damit einer als Aristotelismus verstandenen Scholastik das Mittel sei, um diesem Abfall entgegenzuwirken. »Nichts zeigt deutlicher an, daß jemand beginnt, modernistischen Lehren gewogen zu sein, als wenn er anfängt, die scholastische Methode zu verachten«. 83
2.
»Bundesgenossen« im Kampf gegen die »Philosophie der Subjektivität«?
Die scholastische Philosophie im Sinne eines christlichen Aristotelismus, die von ihren Vertretern für die allein christliche gehalten wird, ist niemals bloße Erforschung des Mittelalters gewesen. Manche Vertreter der Mediävistik bedauern das. Die scholastische Philosophie wollte nicht »zum Mittelalter zurückkehren«, sondern im lebendigen Anschluß an die Tradition einen Beitrag zur jeweils gegenwärtigen philosophischen Diskussion leisten. Darum hat sie in jeder ihrer Epochen ihre Gesprächspartner unter den philosophischen Zeitgenossen gesucht. Sofern sich freilich gezeigt hat, daß die in der Neuzeit vorherrschende »Philosophie der Subjektivität« ihr wichtigster Gegner sei, suchte die christliche Philosophie ihre Gesprächspartner dort, wo sie unter ihren Zeitgenossen Bundesgenossen im Kampf gegen diese Subjektivitätsphilosophie zu finden meinte. Und da für diese Philosophie der Subjektivität die Namen Descartes und Kant stellvertretend stehen konnten, erwarteten die Scholastiker den gesuchten Beistand vor allem von denjenigen Zeitgenossen, die auch ihrerseits die Kritik an Descartes und Kant zu ihrer Aufgabe gemacht hatten. Als ein solcher Gesprächspartner bot sich zunächst Edmund Husserl an. In seinen »Logischen Untersuchungen« vom Jahre 1900 hatte er sich gegen eine Erkenntnistheorie abgegrenzt, die »vor dem Schleifen des Messers nicht zum Schneiden kommt«. Und sein Programmruf »Zu den Sachen!« brachte nicht nur den Vorrang der Sachfragen vor den Methodenfragen zum Ausdruck, sondern auch den 83
Enzyklika Pascendi Dominici gregis, 636 f.
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
Vorrang des Objektiven, dem Subjekt Vorgegebenen gegenüber aller Tätigkeit dieses Subjekts. Dessen Tätigkeit sollte darauf gerichtet sein, unbeeinflußt von vorgefaßten Theorien möglichst genau zu erfassen und zu beschreiben, »was sich zeigt«. Hier schien die christliche Philosophie mit ihrer Ablehnung der neuzeitlichen »Philosophie der Subjektivität« einen Partner zu finden. Desto größer war die Enttäuschung, als Husserl, beginnend mit seinen »Cartesianischen Meditationen«, seinerseits eine Wendung zum Subjekt vollzog und schließlich, in seiner »Allgemeinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie« seine eigene phänomenologische Methode mit Entschiedenheit als eine besondere Art der Transzendentalphilosophie verstanden wissen wollte. Da diese (vermeintliche oder wirkliche) Wende im Denken Husserls mit seinem Ortswechsel von Göttingen nach Freiburg zusammenfiel, versuchten christliche Philosophen, am »Göttinger Husserl« festzuhalten und dem »Freiburger Husserl« vorzuwerfen, er habe seinen eigenen, am Objektiven orientierten Ansatz preisgegeben. Dieser Versuch, der auch heute noch seine Vertreter hat, mußte freilich an der logischen Folgerichtigkeit scheitern, mit der Husserl seinen »Weg von Göttingen nach Freiburg« gegangen war. Ein zweiter möglicher Partner war Max Scheler. Seine Schrift »Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik« war eine Programmschrift der Überwindung von Kants Kritik. »Werte« sind nicht in der Form des moralischen Urteils begründet, sondern werden als Inhalte, die aller subjektiven Tätigkeit vorgeordnet sind, in besonderen Akten des »Wert-Fühlens« erfaßt. Und sein zweibändiges Werk »Vom Ewigen im Menschen« weckte die Hoffnung, nun sei endgültig jene »Wendung zum Objektiven« vollzogen, die das Kennzeichen der »katholischen Religionsphilosophie« ausmache. 84 Damit schien der Weg geöffnet zu sein, um, von einer aktuellen Diskussionslage der gegenwärtigen Philosophie ausgehend, den Anschluß an die große Tradition der »Philosophia perennis« wiederzugewinnen. Freilich schien den katholischen Anhängern Schelers nicht deutlich genug bewußt zu sein, daß Scheler selbst sich die »neuzeitliche« Kritik an der klassischen Metaphysik zu eigen machte und vor allem Vgl. H. Fries, Die katholische Religionsphilosophie der Gegenwart. Der Einfluß Max Schelers auf ihre Formen und Gestalten. Eine problemgeschichtliche Studie, Heidelberg 1949.
84
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A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität
die Möglichkeit von Gottesbeweisen bestritt. Und schließlich war die Enttäuschung wiederum groß, als der späte Scheler eine Wendung vollzog, die seine »katholische Phase« beendete und, durch eine Lehre vom »werdenden Gott«, sich als ungeeignet erwies, einer christlichen Philosophie als Grundlage zu dienen. Wer in dieser Lage den »katholischen« gegen den »pantheistischen« Scheler verteidigen wollte, mußte sich bemühen, Schelers Wendung psychologisch zu erklären (aus seiner Beschämung über das eigene moralische Versagen). Mit diesem Erklärungsversuch hat vor allem Dietrich v. Hildebrand viel Zustimmung unter katholischen Philosophen und Theologen gefunden. Damit ließ man sich freilich auf ein Verfahren ein, das man sonst entschieden bekämpfte: das Verfahren, die logische Prüfung eines philosophischen Gedankens durch die versuchte psychologische Erklärung seines Zustandekommens zu ersetzen. Und wie schon bei Husserl, so verkannten auch bei Scheler seine christlichen Interpreten die Kohärenz seines Denkweges, in diesem Falle des Weges, der vom »frühen« über den »katholischen« zum »späten Scheler« geführt hatte. Ein dritter möglicher Bundesgenosse der christlichen Philosophen bei ihrem Kampf gegen die neuzeitliche »Philosophie der Subjektivität« war Martin Heidegger. Schon sein als »Fundamentalontologie« konzipiertes Werk »Sein und Zeit« schien eine Anknüpfung an die Tradition der klassischen Ontologie möglich zu machen. Dem cartesischen »Cogito«, das der Welt als einer ganzen als »archimedischer Punkt« gegenübertrat und das Seiende nur als dessen »Gegenstand« zuließ, stellt Heidegger das »Dasein« gegenüber, das seinem Wesen nach endlich ist und dessen Sein immer schon ein »In-der-Welt-Sein« ist. Und angesichts der Bedrohtheit und (im doppelten Sinne) »FragWürdigkeit« dieses Daseins schien jedem Versuch der Boden entzogen, das Subjekt zum »fundamentum inconcussum« zu erklären, auf dem jede philosophische Theorie zu errichten sei. Damit schien die »Philosophie der Subjektivität« als Ausdruck eines »Herrschaftswillens« entlarvt, der »das Seiende zu einem Bestand macht, der dazu bestellt ist, auf der Stelle zur Stelle zu stehen« (so in dem Vortrag »Die Frage nach der Technik«). Und wenn Heidegger im weiteren Verlauf seines Denkweges das Denken als menschliche Antwort auf ein »Geheiß« verstand, das »uns zu denken heißt«, und dieses Denken als »dankendes An-Denken« deutete, dann schien eine christliche Philosophie in ihrer zentralen Absicht gerechtfertigt zu werden, die
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
Herrschaft des Subjekts zu überwinden und in allem, was ist, die »Spur des Heiligen« zu entdecken. Wiederum war die Enttäuschung groß, als Heidegger seine Kritik an der Philosophie der Subjektivität immer weiter radikalisierte und deren Wurzeln schon in den Anfängen der europäischen Philosophie zu entdecken meinte, bis er zunächst »Platons Lehre von der Wahrheit«, schließlich Sokrates für diese Subjektivitätsphilosophie verantwortlich machte. So gesehen erschien die gesamte Tradition der Metaphysik als Ausdruck jener »Seinsvergessenheit«, die den Menschen »bei sich selbst und seinen Gemächten stehen ließ«. 85
3.
Ein »mutiger Alleingang«: die transzendentale Theologie
Der Versuch der »christlichen Philosophen«, sich mit zeitgenössischen Kritikern der »Philosophie der Subjektivität« zu verbünden und auf diese Weise die »Scholastik« als lebendig fortwirkende Tradition mit der zeitgenössischen Philosophie ins Gespräch zu bringen, hat die Erwartungen nicht erfüllt, die man mit diesem Versuch verbunden hatte. Desto wichtiger erschien deshalb ein anderer Weg, den schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Joseph Maréchal eingeschlagen hatte. Statt sich nach neuen Bundesgenossen umzusehen, hat er diejenige Philosophie, die als besonders deutlicher Ausdruck der Subjektivitätsphilosophie gegolten hatte, die kantische Transzendentalphilosophie, auf solche Weise weiterzuentwickeln versucht, daß sie einen neuen »Ausgangspunkt der Metaphysik« bilden konnte (so der Titel seines Hauptwerkes, dessen erste Entwürfe schon aus dem Jahr 1914 stammen). Er wollte zeigen, daß jene »künftige Metaphysik«, zu der Kant die Prolegomena hatte schreiben wollen und die ihren Ausgang von einer kritischen Selbstreflexion des Subjekts genommen hat, ihr Ziel nur erreicht, wenn sie auf neuem Wege die »Transzendentalphilosophie der Alten« wiedergewinnt. (Mit diesem Wort hatte Kant die klassische Lehre von den »Passiones generales entis« bezeichnet.) Es ging, nach einem Programmwort von Maréchal, darum, »den Agnosticismus Kantianus«, vor allem also die These, unser Erkennen sei auf Erscheinungen beschränkt, die wir selber durch unser AnVgl. den »Brief über den Humanismus« und vor allem die aus dem Nachlaß edierten Vorlesungen »Metaphysik und Nihilismus«, in: Gesamtausgabe, Bd. 67.
85
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A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität
schauen und Denken erst aufbauen, »von seinen eigenen Prämissen her zu widerlegen«. Dies sollte durch den Nachweis geschehen, daß in der Tätigkeit des Subjekts ein »Dynamismus des Geistes« am Werke ist, der immer schon auf Gott als das »Esse subsistens« gerichtet ist. Die Analyse der Urteilsform, bei Kant der Schlüssel zu allen transzendentalphilosophischen Einsichten, wurde auf solche Weise fortgeführt, daß deutlich wurde: Die Copula »ist«, die dem Urteil seinen Charakter als »Affirmation« verleiht, enthält einen Vorgriff auf das »unendliche Sein«, das sich, mit der Tradition, mit dem Gott der religiösen Überlieferung identifizieren läßt. Der Versuch galt insofern einer »Transposition des Kantismus« in den Kontext der Tradition klassischer Metaphysik. Und was auf diese Weise zustande kam, war »Scholastik« im besten Sinne des Wortes: eine »Philosophia perennis«, die auch die neuen Einsichten einer zeitgenössischen Philosophie mit der alle Generationen überdauernden Tradition zur Einheit verband. Mit diesem Versuch ist Maréchal schulbildend geworden. 86 Eine Reihe weiterer philosophischer Autoren, vor allem aus der Gesellschaft Jesu, haben diesen Ansatz weiterentwickelt, um eine neue, zugleich aber der Tradition verpflichtete »christliche Philosophie« zustande zu bringen. (Ich nenne in diesem Zusammenhang nur die Patres Otto Muck und Emerich Coreth, Professoren am Institut für Christliche Philosophie der Theologischen Fakultät in Innsbruck.) Karl Rahner aber hat auf eindrucksvolle Weise gezeigt, wie eine solche neue »christliche Philosophie« sich dazu eignet, die Theologie in der ganzen Fülle ihrer Themenstellungen auf ein neues methodisches Fundament zu stellen. Maréchals Philosophie und Karl Rahners Theologie haben unter christlichen Philosophen und Theologen eine große Schar von Anhängern gewonnen. Wenn dennoch hier von einem »mutigen Alleingang« die Rede ist, dann deswegen, weil die hier versuchte Neufassung des transzendentalen Denkens kaum Zustimmung bei nichtkatholischen Philosophen gefunden hat, während andererseits bei vielen katholischen Theologen der Eindruck entstand, diese Art von Philosophie und Theologie komme dem neuzeitlichen Subjektivitätsdenken zu weit entgegen. Derartige Kritiker fanden sich zunächst vor
Vgl. dazu den Sammelband Kant und die Scholastik heute, mit dem die Philosophische Fakultät der Jesuiten in Pullach bei München im Jahre 1955 die Reihe Pullacher philosophische Forschungen eröffnet hat.
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
allem außerhalb des deutschen Sprachraums; 87 doch fehlen auch im deutschen Sprachraum, vor allem in jüngerer Zeit, derartige Stimmen nicht. Die Gruppe der Transzendentaltheologen hat zwar eine breite literarische Tätigkeit entfaltet, blieb aber weitgehend unter sich.
4.
Das »Ende der Subjektivitätsphilosophie«?
Es ist hier nicht der Ort, um Möglichkeiten einer Weiterentwicklung der transzendentalen Methode zu erörtern und zu prüfen, ob auf diese Weise eine »christliche Philosophie« neuer Art konzipiert werden könnte. (Ich selber habe in meinen Büchern »Fähigkeit zur Erfahrung« und »Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit« eine solche Weiterentwicklung vorgeschlagen und in meinem Buch »Philosophische Einübung in die Theologie« Proben ihrer Anwendung auf die Fragen der Theologie gegeben.) Wichtiger für die Frage nach dem Verhältnis von christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjektivität ist stattdessen die Feststellung: In den letzten Jahrzehnten hat eine philosophiehistorische Entwicklung stattgefunden, die den Anschein erwecken kann, als sei diese Frage obsolet geworden. Was nämlich von sonst höchst unterschiedlicher Seite nun proklamiert wird, ist »der Tod des Subjekts«. War das »Ich« in seinem spannungsreichen Verhältnis zum »Es« für die Tiefenpsychologie noch ein unersetzliches Moment des seelischen Lebens, so erschien für die jüngere Soziologie dieses »Ich« mitsamt allen seinen Funktionen im bewußten wie im unbewußten Seelenleben seinerseits eine bloße Funktion zwischenmenschlicher Beziehungen und Interaktionen. So paradox es klingen mag: Was nun entstand, war eine Lehre von der »Intersubjektivität ohne Subjekte«. Und in jüngster Zeit haben die Ergebnisse der Gehirnforschung viele dieser Forscher zu der Überzeugung geführt, dasjenige, was wir das Subjekt nennen, sei eine entbehrliche und überdies irreführende Interpretation der Weise, wie das Gehirn Bewußtseinszustände produziert, die keines »psychischen Trägers« mehr bedürfen. Sofern die christliche Philosophie, um an der Tradition der Metaphysik festzuhalten, die Abgrenzung gegen die »Philosophie der Subjektivität« zu ihren wichtigsten Aufgaben gezählt hatte, entstand 87
Vgl. La svolta antropologica di Karl Rahner.
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A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität
nun der Anschein, sie habe ihren Gegner verloren. Dieser Gegner sei zwar nicht durch die Argumente der christlichen Philosophen zum Verschwinden gebracht worden; aber die christliche Philosophie habe sich gegen diesen Gegner wenigstens so lange zur Wehr gesetzt, bis dieser aus ganz anderen Gründen vom Schlachtfeld verschwand. Denn wenn das Subjekt »tot« ist, ist auch die »Philosophie der Subjektivität« ohne Gegenstand. Doch konnte über diesen »Tod des Gegners« keine Freude aufkommen. Denn wenn sich wirklich der »Tod des Subjekts« feststellen ließe, wären auch die Begriffe der Freiheit und der sittlichen Verantwortung gegenstandslos geworden. Dann aber wäre auch die theologische Rede von einer »freien Glaubensentscheidung« und von der »Freiheit eines Christenmenschen« ein bloßer Nachklang einer vergangenen Zeit. Und so wurde unversehens, in einer Art von »verspäteter Trauer«, die Rehabilitierung des Subjekts und damit auch die Wiederbegründung einer Philosophie, die dieses Subjekt zum Thema hat, zu einer vordringlichen Aufgabe der christlichen Philosophie. Damit wurde ein Vorgang eingeleitet, den man (um einen Terminus aus der politischen Geschichte des 18. Jahrhunderts auf eine philosophische Situation des 21. Jahrhunderts anzuwenden) als »Changement des alliances« bezeichnen könnte: Man suchte seine Verbündeten nun nicht mehr unter den Kritikern der neuzeitlichen Subjektivitätsphilosophie, sondern unter ihren Vertretern. 88 Dabei entstand die Frage, wie eine christliche Philosophie in dem neuen Streit um die Subjektivität ihre Position finden könne. Kann man die »Rettung des Subjekts« mit der traditionellen Kritik an aller Subjektivitätsphilosophie vereinbaren? Es ist nun diese Frage, die die Auseinandersetzung mit den jüngeren Richtungen des »Post-Strukturalismus« als lohnende Aufgabe erscheinen ließ.
Vgl. den von Theo Kobusch herausgegebenen Sammelband Selbst – Singularität – Subjektivität. Vom Neuplatonismus zum deutschen Idealismus, Amsterdam 2002, der die Referate einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft von Philosophiedozenten im Studium der Katholischen Theologie wiedergibt.
88
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
5.
»Strukturalismus«, »Post-Strukturalismus«, »Post-Moderne«
a)
»Strukturalismus«
Der Begriff »Strukturalismus« faßt eine Reihe von Entwicklungen der Psychologie, der Soziologie und der Sprachwissenschaft unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zusammen. Es sind die »Strukturen« (die geordneten Wechselbeziehungen), die den Elementen Bedeutung verleihen. Eindrücke und Erlebnisse gewinnen ihre Bedeutung im geordneten, sich freilich beständig umgestaltenden Kontext des psychischen Lebens, Individuen im Prozeß der Gestaltung und Umgestaltung sozialer Wechselbeziehungen, Wörter im Kontext von Sätzen und Redewendungen und damit im Zusammenhang einer Sprache, die in ihrer grammatischen Struktur der jeweils aktuellen Rede vorgegeben ist, sich freilich durch ihren Gebrauch in der Rede kontinuierlich verändert. In philosophiehistorischer Hinsicht kann der Strukturalismus als diejenige Phase betrachtet werden, in der zunächst die Transzendentalphilosophie ihre empirische Bestätigung zu finden schien, um sodann freilich ihre Grundlage zu verlieren. Zunächst nämlich konnte die Transzendentalphilosophie sich durch die Ergebnisse der strukturalistischen Psychologie, Soziologie und Linguistik in ihrer grundlegenden Einsicht bestätigt sehen: Die Möglichkeit, subjektive Erlebnisse in Inhalte objektiv gültiger Erfahrung zu verwandeln, hängt davon ab, ob es dem Subjekt gelingt, einen Kontext aufzubauen; nur innerhalb eines solchen Kontextes gewinnen die Inhalte den Charakter von Antworten auf Fragen, die das erkennende Subjekt an sie stellt. 89 Was die strukturalistische Psychologie, Soziologie und Linguistik beschreibt, die Herrschaft der Strukturen über die Inhalte, kann der Transzendentalphilosoph aus seinen Gründen erklären: Die Herrschaft der Strukturen über die Inhalte ist eine Folge der transzendentalen, d. h. Erfahrung ermöglichenden, Gesetzgebung des von der Vernunft geleiteten Verstandes über die Erscheinungswelt. Alsbald aber zeigte sich: Jenes Subjekt, das nach transzendentalphilosophischer Ansicht den Kontext entwirft, dessen Struktur aller Vgl. Kants Beschreibung des wissenschaftlichen Erkennens in Kritik der reinen Vernunft B XII ff.
89
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A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität
Erfahrung ermöglichend vorausliegt, erweist sich in der Sicht »strukturalistischer« Psychologie und Soziologie seinerseits als Produkt der psychischen und sozialen Strukturen und ihres Wandels. Und selbst die Linguistik verwandelt, wenn sie strukturalistisch betrieben wird, den Text, den sie auslegen will, aus einer Weise, wie ein Autor seine Intentionen ausdrückt, in eine sich selbst organisierende Struktur, die keinen Anlaß mehr bietet, »hinter« ihr einen Verfasser und seine »Aussage-Absicht« zu suchen. Unter dieser Voraussetzung entfällt auch die Unterscheidung zwischen »Ausdrucksgestalt« und »Bedeutungsgehalt« und die hermeneutische Frage, »wie der Bedeutungsgehalt aus der Ausdrucksgestalt zu erheben sei«. Wie die strukturalistische Soziologie eine »Intersubjektivität ohne Subjekte« zu beschreiben versucht, so ist die strukturalistische Psychologie eine »Psychologie ohne Psyche«, die strukturalistische Linguistik aber beschreibt eine Sprachgestalt, die nicht mehr »für etwas anderes steht«, nämlich für einen Bedeutungsgehalt, sondern sich selber genug ist.
b)
»Post-Strukturalismus«
Gerade diesen Formen einer strukturalistischen Psychologie, Soziologie und Linguistik entspricht ein Programmwort, das später zur Devise des »Post-Strukturalismus« werden sollte: das Programmwort »Überwindung des Logozentrismus«. Schon innerhalb der strukturalistisch verstandenen Wissenschaften wird eine Erkenntnisweise bekämpft, die die Phänomene als Bedeutungsträger begreift und darum ihre Erscheinungsgestalt vergessen kann, sobald die darin ausgedrückte Bedeutung erfaßt ist. Mit diesem Programmwort wird jedoch zugleich jene Phase in der Geschichte der Philosophie, aber auch der Psychologie, Soziologie und Sprachwissenschaft eingeleitet, die man »Post-Strukturalismus« nennt und die »Dekomposition« zur zentralen Aufgabe des Erkennens werden läßt. Die Herrschaft der Strukturen über die Inhalte erschien nun in der Rückschau, ganz im Sinne der Transzendentalphilosophie, als Ausdruck der Gesetzgebung des Subjekts über die Gegenstandswelt. Aber diese Einsicht wird nun gegen die Transzendentalphilosophie selber gewendet. Das Subjekt nämlich übt diese Herrschaft auch dann noch aus, wenn es, auf selbstzerstörerische Art, zuletzt seine eigene Selbst-Auflösung betreibt. Denn was auch in der letzten Phase dieser Herrschaft erhalten geblieben war, war der Versuch, die Inhalte der Erfahrung als »Bedeutungs97 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
träger« zu erfassen und so, gegenüber dem Bedeutungsgehalt, ihres Eigengewichts zu berauben. »Dekomposition«, Auflösung der Strukturen zugunsten der Inhalte, wird in dieser Spätphase der Herrschaft des Subjekts zum einzigen Weg, um das alte Programm der Philosophie einzulösen: »die Phänomene zu retten«. Das Programm der »Dekomposition« hat eine lange Vorgeschichte. Eine frühe Andeutung läßt sich in Heideggers Bemerkung erkennen: »Die Idee der Logik löst sich auf in einem Strudel ursprünglicheren Fragens«.90 Deutlicher und zugleich dringlicher wird diese »dekompositorische« Absicht in Camus’ Kritik an den immer erfolgloseren Versuchen des Subjekts, die Welt seinen eigenen Gesetzen zu unterwerfen und »in ihr nur die Bilder und Gestalten« zu sehen, »die wir zuvor in sie hineingelegt hatten«. Indem die Welt sich diesen Versuchen immer deutlicher widersetzt, »wird sie wieder sie selbst«. Und es ist die Erfahrung des »Absurden«, in der diese »Dichte und Fremdartigkeit der Welt« uns zum Bewußtsein kommt. 91 Geht es Camus darum, daß die Welt wieder »sie selbst« wird, so ist es das Anliegen von Emmanuel Levinas, daß »der Andere« uns sein »Antlitz« zeigt. Dieses »Antlitz des Anderen« durchkreuzt alle Versuche einer »Intentionalität«, die sich auf alles Wirkliche nur als auf ihre »Gegenstände« bezieht. Wem dieses Antlitz sich zeigt, der bleibt nicht der Betrachter einer »Gegenstandswelt«, über die er mit seinen Anschauungsformen und Begriffen verfügt, sondern wird dazu aufgerufen, zur »Geisel« des Anderen zu werden und mit seinem Leben für das Lebenkönnen dieses Anderen zu »bürgen«. Und derjenige Augenblick, in welchem das Antlitz des Andern unseren Herrschaftswillen zerbricht und uns zu der Bereitschaft bekehrt, zum »Leib-Bürgen« des Anderen zu werden, ist zugleich der Augenblick, in welchem »Gott in das Denken einfällt« (so die deutsche Übersetzung des Buchtitels »De Dieu qui vient à l’idée«, wobei die deutsche Übersetzung deutlicher als der französische Originaltitel das Moment der »Invasion« zum Ausdruck bringt, die alle selbsthervorgebrachten Strukturen der Intentionalität zerbricht). Gewiß sind dies ganz unterschiedliche Weisen, der angemaßten Herrschaft des Subjekts über die Welt entgegenzutreten. Aber ob dieser zerstörerische und zuletzt selbstmörderische Herrschaftswille in der Herrschaft der Logik gesehen wird oder in dem Versuch, sich 90 91
M. Heidegger, »Was ist Metaphysik?«, in: Gesamtausgabe, Bd. 9, 35. A. Camus, Le Mythe de Sisyphe, 28 f.
98 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität
gegen die »Dichte und Fremdartigkeit der Welt« durch unsere selbsthervorgebrachten Bilder und Gestalten abzuschirmen, oder schließlich in einer Intentionalität, die alles, auch das Antlitz des Anderen, zu ihren »Gegenständen« macht: In jedem Falle kann dieser Herrschaftswille nur gebrochen werden durch Aufsprengung der Strukturen, in die das Subjekt die Wirklichkeit, die sich ihm zeigt, hineinzuzwingen versucht. Und insofern haben die genannten Formen der Subjektivitäts-Kritik einen »Post-Strukturalismus« vorbereitet, dessen wichtigste Methode mit dem Terminus »Dekomposition« bezeichnet werden kann.
c)
»Post-Moderne«
Das post-strukturalistische Denken wird nicht selten auch als das »postmoderne« bezeichnet. In dieser Bezeichnung liegt ein doppelter Hinweis: Jene Herrschaft des Subjekts, die sich in der Herrschaft der Strukturen über die Inhalte manifestiert, ist ein Kennzeichen der Neuzeit. Und alle Bemühungen um eine »Dekomposition« der Strukturen wären vergeblich, wenn nicht vielfältige Anzeichen dafür sprächen, daß dieses Zeitalter der Herrschaft der Subjektivität sich seinem Ende zuneigt. So hat schon Romano Guardini das bevorstehende »Ende der Neuzeit« prognostiziert und die Krise der Philosophie der Subjektivität als Anzeichen dieses bevorstehenden Endes gedeutet. Schon dieser Hinweis macht deutlich: Wem zum Adjektiv »postmodern« (im Sinne von »nach-neuzeitlich«) kein anderes Substantiv einfällt als das Substantiv »Beliebigkeit«, hat den Sinn dieser Zeit-Ansage mißverstanden. Gerade eine christliche Philosophie, der es um Überwindung der »Philosophie der Subjektivität« zu tun ist, wird mit gesteigerter Aufmerksamkeit solche Entwicklungen beobachten, die auf den Anbruch eines »nach-neuzeitlichen« Denkens hinweisen. Auch wenn in der »Nach-Neuzeit« viele Anzeichen für eine ungehemmte Beliebigkeit des Denkens und Handelns sprechen, bleibt doch zu prüfen, ob damit das Ganze und vor allem das Wesentliche des »postmodernen« Denkens getroffen ist. Die soeben in Erinnerung gerufene Vorgeschichte des »PostStrukturalismus« läßt erwarten, daß dort ganz andere Motive am Werke sind. Im hier erörterten Zusammenhang ist vor allem die Frage zu stellen: Ist mit einem solchen Denken notwendig der »Tod 99 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
des Subjekts« und damit das Ende aller sittlichen Verantwortung und aller Freiheit des Glaubens verbunden? Oder gibt es Möglichkeiten eines »post-modernen« Verständnisses von Subjektivität, Verantwortung und Freiheit? Kündigt sich hier eine Möglichkeit an, die neuzeitliche »Philosophie der Subjektivität« zu überwinden, ohne dem Subjekt als solchem endgültig den Abschied zu geben? Ergeben sich daraus neue Möglichkeiten einer christlichen Philosophie? Und lassen sich solche Möglichkeiten gerade bei denjenigen Denkern finden, die als die Protagonisten eines »post-strukturalistischen« und in diesem Sinne »postmodernen« Denkens aufgetreten sind? Es ist also die hier geschilderte philosophiehistorische Situation, aus der heraus die Fragestellung: »Tod des Subjekts? Poststrukturalistisches Denken und christliche Philosophie« zu begreifen ist. Aus dieser Fragestellung ergeben sich Einzelthemen wie »Foucault – Subjektivität – Theologie« oder die entsprechende Fragestellung mit Bezug auf Derrida oder Foucault. Davon handeln die in diesem Bande vereinigten Beiträge kompetenter Autoren.
6.
Kriterien für die Bestimmung des Verhältnisses von christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjektivität
Versucht man, die Frage nach der Bedeutung des »Post-Strukturalismus« aus einer solchen philosophiehistorischen Ortsbestimmung heraus zu verstehen, dann lassen sich zugleich einige Kriterien gewinnen, an denen der Versuch einer Bestimmung des Verhältnisses von christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjektivität gemessen werden kann: a) Wenn die christliche Philosophie, gemäß ihrer Aufgabe, »Philosophia perennis« zu sein, nach gegenwärtigen Gesprächspartnern sucht, dann ist sie wohlberaten, nicht vorweg zwischen »Bundesgenossen« und »Gegnern« zu unterscheiden. Die wiederholte Enttäuschung an vermeintlichen »Bundesgenossen« sollte davor warnen. Stattdessen sollte sie sich bemühen, auch von denen kritisch zu lernen, deren Ansichten sie nicht zustimmen kann. b) Das gilt zunächst für die »Philosophie der Subjektivität«, die für das Denken der Neuzeit bestimmend ist bzw., falls man das Ende der Neuzeit für gekommen hält, bestimmend gewesen ist. Es gilt aber 100 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität
ebensosehr für die Kritiker dieses neuzeitlichen Denkens, die den »Tod des Subjekts« proklamieren. Von beiden ist zu lernen, auch wenn es gute Gründe dafür gibt, keine dieser Positionen so, wie sie von ihren Anhängern vertreten werden, einfach zu übernehmen. c) Für die »Philosophie der Subjektivität« bedeutet dies: Es genügt nicht, sie als bloßen »Abfall von der Tradition« zu beurteilen, auf das bevorstehende Ende dieses »Irrweges« zu hoffen oder gar den »Tod« dieses »Gegners« zu begrüßen, als ob er die Rückkehr zum früheren Zustand möglich mache. Es genügt aber ebensowenig, in einer »verspäteten Trauer um den überwundenen Feind« die Wichtigkeit derjenigen Entdeckung zu betonen, die dieses neuzeitliche Denken veranlaßt hat: die Wichtigkeit der Entdeckung, daß die menschliche Subjektivität zwar der Grund unserer Irrtümer ist (das war die Ausgangserfahrung von Descartes), daß diese Subjektivität aber zugleich, selbstkritisch verstanden, das einzige »Tor zur Wahrheit« darstellt. Was nötig ist, wenn die lebendige Tradition einer »Philosophia perennis« möglich bleiben soll, ist eine kritische Hermeneutik, die sich auf die Philosophie der Neuzeit, aber ebensosehr auf die »Transzendentalphilosophie der Alten« bezieht, um zwischen ihnen ein Gespräch zustande zu bringen, das den Wechsel der Epochen übergreift. d) Für die Positionen des »Strukturalismus« und des »Post-Strukturalismus« bzw. der »Postmoderne« bedeutet dies: Es genügt nicht, die Entdeckung psychischer, sozialer und sprachlicher Strukturen und ihres historischen Wandels als willkommenes Argument gegen die angemaßte »Autonomie des Subjekts« aufzugreifen oder umgekehrt auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die sich aus dem proklamierten »Tod des Subjekts« ergeben müßten (vor allem auf die Gefahren für die Moral und den Glauben). Es genügt auch nicht, den »Post-Strukturalismus« als die Befreiung der »Welt« aus der mißbräuchlichen Herrschaft der »gesetzgebenden Menschenvernunft« zu begrüßen oder umgekehrt auf die Gefahr hinzuweisen, daß die Zerstörung der Strukturen, die diese Vernunft in unsere subjektiven Erlebnisse bringt, zu einer Faszination durch das Chaos führen kann, die ihrerseits mannigfache Formen der »postmodernen Beliebigkeit« hervorbringen muß. Auch hier ist eine kritische Hermeneutik notwendig, die aus den Krisen der neuzeitlichen Subjektivität zu lernen vermag, ohne deren Entdeckung rückgängig machen zu wollen. »Strukturalismus« und 101 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
»Post-Strukturalismus« zeigen je auf ihre Art diese Krise an. Von ihnen ist gerade dann zu lernen, wenn sie die Tradition neuzeitlichen Denkens nicht verlassen und nicht nur den »Tod des Subjekts«, sondern zugleich seine »neue Geburt« zu ihrem Thema machen. Aber dieses Lernen wird kritisch sein müssen, wenn vermieden werden soll, daß die Kritik der »Post-Strukturalisten« am »Logozentrismus« in jene »Misologia« umschlägt, vor der schon Platon gewarnt hat. e) Eine kritische Hermeneutik, die sich sowohl auf die »moderne« (neuzeitliche) Philosophie der Subjektivität als auch auf ihre »postmodernen« Kritiker bezieht, wird sich dadurch bewähren müssen, daß sie sich auch die klassische Tradition der Metaphysik auf neue Weise anzueignen vermag. Es genügt nicht, sich gegen die zu Beginn der Neuzeit entdeckte Subjektivität auf ein vor-neuzeitliches Verständnis der »Wahrheit der Dinge« und auf deren objektive Geltung zu berufen; es genügt auch nicht, die Krise der neuzeitlichen Subjektivität als Legitimationsgrund für eine »Rückkehr zur alten Wahrheit« zu verstehen. Es kommt darauf an, auch die »Transzendentalphilosophie der Alten« auf solche Weise »neu zu dolmetschen«, daß sie sowohl den Erfahrungen, aus denen die neuzeitliche Subjektivität hervorgegangen ist, als auch den Erfahrungen ihrer Krise, wie sie von den »strukturalistischen« und »post-strukturalistischen« Philosophen der »Post-Moderne« beschrieben werden, gerecht werden kann. f) Wenn in einer kritischen Auslegung sowohl der neuzeitlichen Subjektivität als auch der Kritik an ihr gezeigt werden kann, daß die zerstörerische Herrschaft der Subjektivität gebrochen werden kann, ohne daß dafür der »Tod des Subjekts« in Kauf genommen werden muß, wird auch der Blick wieder frei auf die Fragen, von denen die Metaphysik in ihrer langen Geschichte geleitet war: für die Frage nach dem »Seienden als einem solchen« und nach jener »Wahrheit der Dinge«, die aller »Wahrheit des Denkens« und sogar all seiner »Unwahrheit« ermöglichend vorausliegt. Die leitende Frage wird dann lauten: Wie muß das Seiende gedacht werden, wenn verständlich werden soll, daß es dem Subjekt »zu denken gibt«? Und wie muß das denkende Ich gedacht werden, wenn verständlich werden soll, daß es fähig ist, dem Anspruch, den das Seiende an dieses Ich richtet, nicht ins Wort zu fallen, sondern ihn durch sein Anschauen und Denken »zur Sprache zu bringen«, d. h. vernehmbar zu machen?
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A. Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität
g) Die Frage, an deren Beantwortung die hier geforderte kritische Hermeneutik sich zu bewähren hat, kann, in der Sprache der Transzendentalphilosophie, auch so ausgedrückt werden: Welches sind die Bedingungen, die die Erfahrung möglich machen? Dabei ist »Erfahrung« dasjenige Ereignis, in welchem das Seiende seinen Anspruch an das Subjekt so zur Geltung bringt, daß dieser Anspruch immer neu die Strukturen des Anschauens und Denkens aufbricht und zugleich das Subjekt dazu befähigt, in einer Umgestaltung dieser Strukturen auf diesen Anspruch die angemessene Antwort zu geben. Der Satz des Apostels Paulus »Lasset euch umgestalten zur Neuheit des Denkens, damit ihr urteilsfähig werdet« (Röm 12,2) wird dann zum Leitwort einer erneuerten Transzendentalphilosophie. Die transzendentalphilosophische Frage nach den Möglichkeitsbedingungen der Erfahrung wird auf neue Weise, als Frage nach den Möglichkeitsbedingungen einer solchen »Umgestaltung«, gestellt werden müssen, wenn es gelingen soll, sowohl die klassische Tradition der Metaphysik als auch die neuzeitliche Philosophie der Subjektivität, aber auch deren postmoderne Kritik, kritisch auszulegen. h) Wiederum ist hier nicht der Ort, um auszuführen, was ich an anderer Stelle ausgeführt habe, was aber hier wenigstens angedeutet werden soll: Es ist eine solche weiterentwickelte Transzendentalphilosophie, von der aus auch eine neue Weise der »christlichen Philosophie« entwickelt werden kann. Es wird eine Philosophie sein, die den Mut des Subjekts rechtfertigt, sich dem Anspruch des Seienden auch dann auszusetzen, wenn dieser Anspruch immer neu die Formen seines Anschauens und Denkens zerbricht. Es wird, knapper gesagt, eine Philosophie sein, die den Mut zur Erfahrung auf eine Hoffnung gründet, die sich, wie das stets die Eigenart der Hoffnung ist, von aller Anmaßung des Subjekts ebenso unterscheidet wie von seiner Verzweiflung. Und es wird eine Philosophie sein, die den Rechtfertigungsgrund einer solchen »transzendentalen«, d. h. Erfahrung ermöglichenden Hoffnung darin findet, daß sie in dem »je größeren« Anspruch der Dinge, der allen Herrschaftswillen der Vernunft als illusorisch erweist, die Gegenwarts- und Erscheinungsgestalt des »Deus semper maior« erkennt – eines Gottes, der, mit einem Wort aus dem Hymnus der alttestamentlichen Channah gesprochen, nicht nur »tötet«, sondern eben dadurch »lebendig macht« (1 Sam 2,6).
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B. Braucht die Theologie irgendeine Art von Transzendentalphilosophie – und welche (die kantische oder eine über Kant hinaus entwickelte Transzendentalphilosophie)?
Der Frage »Welche Philosophie braucht die Theologie?« liegt die Frage voraus: Welche Theologie ist gemeint? Schon die verschiedenen theologischen »Disziplinen«, die biblische, historische, systematische und praktische Theologie, haben vermutlich einen je unterschiedlichen philosophischen »Bedarf«. Und noch deutlicher gilt dies von den verschiedenen methodischen Ansätzen der Theologie insgesamt. Eine »existenziale« Theologie wird auf andere Philosophien verwiesen als eine »politische« Theologie. Gerade in dieser Hinsicht aber ist festzuhalten: Der Philosoph kann sich nicht willkürlich diejenige Theologie heraussuchen, von der er voraussetzen kann, daß sie seine Hilfe besonders dringend »braucht«. Die Frage, welche Art von Theologie es sein soll, die danach befragt werden soll, ob sie überhaupt eine Philosophie »braucht« und welche, setzt also eine andere Frage voraus: »Welche Theologie braucht der Glaube?« Die erste Antwort auf diese Frage lautet: Theologie, d. h. eine wissenschaftlich argumentierende Kriteriologie des themengerechten Glaubens-Verständnisses, entsteht immer dann, wenn innerhalb der Glaubensgemeinschaft die Erfahrung gemacht wird, daß die Inhalte der Glaubensbotschaft (die fides quae creditur) auf ruinöse Weise mißverstanden werden können. »Ruinös« ist ein solches Mißverständnis des Glaubens-Inhalts dann, wenn es zugleich auch den Akt des Glaubens (die fides qua creditur) korrumpiert. Dann »braucht« der Glaube eine Theologie, die die Inhalte des Glaubens so auslegt, daß derartige Mißverständnisse vermieden werden. 92 Das Wort »brauchen« wird im Folgenden regelmäßig in Anführungszeichen gesetzt, um anzudeuten: Es wird hier aus dem Titel der gesamten Tagung übernommen. Und es kann nicht Aufgabe dieses Einzelbeitrages sein, zu klären, wie dieses Programmwort der Tagung verstanden werden muß, wenn es die Philosophie nicht instrumentalisieren, d. h. als ein bloßes Mittel bezeichnen soll, das danach beurteilt wird, was es zur Erreichung eines theologischen Argumentationszweckes leisten kann.
92
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
Das klassische Beispiel dafür ist das magische Mißverständnis der Sakramente. Die Botschaft von der Heilswirksamkeit der sakramentalen Zeichenworte und Zeichenhandlungen wird dann als Ermächtigung des Menschen mißverstanden, durch derartige Worte und Handlungen nach eigenem Ermessen über göttliche Kräfte zur Erreichung menschlicher Zwecke zu verfügen. Solche Zwecke können in der Abwendung von Krankheit und Lebensgefahr bestehen, aber auch darin, die Empfänger in Abhängigkeit vom Spender und seiner Willkür zu halten. So haben im Spätmittelalter manche Prediger von der »Macht« des Sakramentenspenders gesprochen, der Gott durch das Konsekrationswort »zwingt«, auf dem Altar zu erscheinen, oder durch das Absolutionswort nach eigenem Gutdünken darüber entscheidet, wem Gott die Sünden vergibt und wer dem Gericht verfallen bleibt. Dann verwandelt sich auf seiten des Empfängers das Zutrauen in die göttliche Heilszusage in das Vertrauen in die »Macht« des Magiers. Es waren erhebliche Anstrengungen der Theologen erforderlich, ehe auf dem Konzil von Trient eine Sakramententheologie in Geltung gesetzt werden konnte, die geeignet war, diese Selbstgefährdung der Sakramentenfrömmigkeit auszuschließen. Theologie ist die durch Argumente vollzogene Abwehr derartiger Gefahren, die bewirken könnten, daß der Glaube sich selbst auf eine zerstörerische Weise mißversteht. Eine solche Theologie »braucht« der Glaube. Aber der Theologe hat die Glaubensbotschaft zu interpretieren, nicht eine »bessere« Botschaft neu zu erfinden. Bleiben wir bei dem soeben erwähnten Beispiel, dann muß festgestellt werden: Der Theologe kann die Zusage einer Heilswirksamkeit der Sakramente nicht einfach fallenlassen, um ihrem magischen Mißverständnis den Boden zu entziehen. Er kann diese Zusage auch nicht darauf beschränken, daß die sakramentalen Worte und Riten eine Wirkung im Bewußtsein des Empfängers erzielen, der verstanden hat, was sie bedeuten. Der Empfänger der Absolution hat nicht nur das Bewußtsein, daß Gott ihm seine Sünden vergibt, sondern empfängt diese Vergebung als ein reales Geschehen, auch dann, wenn er nichts davon »spürt«. Der Empfänger der Eucharistie hat nicht nur ein neues Bewußtsein von der Nähe Gottes, sondern diese Gottesnähe ereignet sich an ihm, und das sogar dann, wenn sein Glaube angefochten ist. Der Glaube »braucht« eine Theologie, die es möglich macht, die reale Wirksamkeit der Sakramente zu deuten und sie zugleich von der vermeintlichen Macht magischer Worte und Riten zu unterscheiden. 106 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
B. Braucht die Theologie irgendeine Art von Transzendentalphilosophie?
Das Beispiel läßt eine allgemeine Regel erkennen: Der Theologe legt auf den unterschiedlichsten Themenfeldern, nicht nur auf dem der Sakramententheologie, die Glaubensbotschaft insofern kritisch aus, als er deren mögliche Mißverständnisse korrigiert. Aber er tut dies nicht dadurch, daß er diese Botschaft anhand irgendwelcher an sie herangetragener Kriterien »richtigstellt«, sondern dadurch, daß er das selbstkritische Potential freilegt und zur Geltung bringt, das in der überlieferten Glaubensbotschaft impliziert ist. Eine in diesem Sinne kritisch-hermeneutische Theologie »braucht« der Glaube. Die Frage: »Welche Philosophie braucht die Theologie?« ist daher die Frage: Welche Philosophie ist geeignet, der Theologie Wege zur Erfüllung ihrer hermeneutisch-kritischen Aufgabe zu weisen? In diesem Zusammenhang kann auch gefragt werden: Gehört zu den Philosophien, die zu einem solchen Dienst an der Theologie geeignet sind, die Transzendentalphilosophie? Und konkreter gefragt: Gibt es Formen der Transzendentalphilosophie, die den Theologen nicht nötigen, bestimmte Inhalte der Glaubensbotschaft preiszugeben, sondern ihn befähigen, diese Inhalte so auszulegen, daß das in ihnen implizierte selbstkritische Moment zur Geltung kommt?
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C. Die transzendentalphilosophische Frage und die Vielfalt der Wege zu ihrer Beantwortung
Die Transzendentalphilosophie fragt nach den Bedingungen, die es möglich machen, daß unserem Anschauen und Denken Gegenstände begegnen, an denen wir unsere subjektiven Ansichten und Absichten kritisch überprüfen können. Diese Frage kann freilich auf vielfältige Weise verstanden und beantwortet werden.
1.
Die Transzendentalienlehre mittelalterlicher Aristoteliker
Die Transzendentalienlehre mittelalterlicher Aristoteliker, die Kant die »Transzendentalphilosophie der Alten« genannt hat, 93 versuchte, Aussagen zu gewinnen, die von jedem Seienden gelten, z. B. »Omne ens est unum, verum, bonum«. Zugleich zeigte sie: Nur Gott ist das uneingeschränkt Eine, Wahre und Gute. Das endliche Seiende ist nur »per participationem« das, was die transzendentalen Prädikate besagen. Und über Jahrhunderte hinweg waren und sind bis heute viele Theologen überzeugt: Gerade dies ist diejenige Philosophie, die die Theologie »braucht«. Denn diese Philosophie kann zeigen: Der Glaube ist nicht gezwungen, von Gott um seiner Transzendenz willen zu schweigen; er muß auch nicht, um von Gott zu reden, Begriffe metaphorisch auf Gott »übertragen«, die in ihrem strengen Sinne auf intramundane Wirklichkeiten zutreffen. Stattdessen kann der Theologe von der philosophischen Onto-Theologie lernen, daß alle positiven Prädikate, die wir von innerweltlichen Wesen gebrauchen, auf diese nur analog, im Sinne einer Attributions-Analogie zutreffen, in ihrem strengen Sinne aber Gottesprädikate sind. Wer mit diesen Prädikaten von unserer Erfahrungswelt spricht, hat immer schon, meist, ohne es zu bemerken, von Gott gesprochen, der etwas von seiner Einheit, Wahrheit und Güte seinen Kreaturen »attribuiert«. Und wer als Ver93
Kritik der reinen Vernunft B 113 ff.
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
künder des Glaubens von Gott spricht, hat immer schon, meist, ohne es zu beachten, von der Bedingung gesprochen, die alle unsere Aussagen über unsere Erfahrungswelt möglich macht.
2.
Die Transzendentalphilosophie Kants
Im Unterschied zur »Transzendentalphilosophie der Alten« beschreibt die Transzendentalphilosophie Kants nicht die »passiones generales entis«, sondern die im Subjekt selber liegenden Bedingungen dafür, daß uns etwas als Gegenstand gegenübertritt. Nun findet Kant diese Möglichkeitsbedingungen des Gegenstandsbezugs in den Formen unseres Anschauens und Denkens. Unabhängig von Kant und mit einer gewissen Vereinfachung kann man deshalb die Leitfrage der so verstandenen Transzendentalphilosophie so formulieren: In welchen Formen müssen wir unser Anschauen und Denken vollziehen, wenn wir nicht in unseren subjektiven Ansichten und Absichten befangen bleiben, sondern Gegenstände entdecken wollen? Diese »Gegenstände« haben ihren Namen davon, daß sie uns so »entgegen stehen«, daß wir unsere subjektiven Ansichten und Absichten an ihnen selbstkritisch messen können. Nur wenn unsere theoretischen und praktischen Urteile dieser kritischen Selbstprüfung standhalten, können sie objektive Geltung beanspruchen. Die Frage nach den Bedingungen objektiver Geltung wird so zur Zentralfrage der kantischen Transzendentalphilosophie. Es ist deutlich, daß die Theologie eine so verstandene Transzendentalphilosophie »braucht«. Denn angesichts der verbreiteten Meinung, der Glaube sei etwas rein Subjektives, »braucht« der Theologe Kriterien dafür, auf welche Weise objektiv gültige Aussagen, auch auf dem Gebiet von Religion und Glaube, möglich sind. Er braucht, mit anderen Worten, eine Transzendentalphilosophie. Näherhin »braucht« der Glaube eine Theologie, die ihm zeigt, wie er ein zweifaches Selbst-Mißverständnis vermeiden kann: die Meinung, der Glaube sei eine Art von »höherem Wissen«, das »himmlische Dinge« so erkennt, wie die »natürliche Vernunft« die irdischen Dinge erfaßt, und die entgegengesetzte Meinung, er sei eine bloß subjektive Überzeugung, die gegenüber den Anhängern anderer Überzeugungen keine objektive Geltung beanspruchen kann. Eine Theologie aber, die den Glauben dazu anleiten will, diese Doppelgefahr zu vermeiden, »braucht« eine Philosophie, die gerade an den 110 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentalphilosophische Frage
Grenzen des Wissens eine neue Weise objektiver Gültigkeit entdeckt und so die spezifische Art von objektiver Geltung beschreibt, die gerade religiösen Aussagen zukommt. Das gilt von Kants Postulatenlehre in ausgezeichnetem Maße. Die Postulate der Vernunft vermehren nicht unser Wissen von Gegenständen, aber sie benennen den Grund einer in transzendentaler Hinsicht notwendigen Hoffnung: der Hoffnung, daß wir auch angesichts unvermeidlicher Widersprüche, in die die Vernunft sich verwickelt, an der objektiven Geltung unserer Erfahrungen festhalten können. Unvermeidliche Widersprüche sind ein Anzeichen dafür, daß wir uns an den Grenzen gegenstandsbezogenen Wissens bewegen. Philosophische Postulate zeigen uns, wie wir gerade an dieser Grenze über die Bedingungen reden können, die, ohne selber Gegenstände des Wissens zu sein, alles objektiv gültige Wissen möglich machen. Insofern ist die kantische Postulatenlehre diejenige Philosophie, die die Theologie »braucht«, wenn sie auf die objektive Geltung von Glaubens-Aussagen nicht verzichten will, die an den Grenzen des Wissens ausgesprochen werden und doch alles bloß subjektive Meinen hinter sich lassen. Das hindert nicht, daß es Gründe gibt, die uns nötigen, über diese kantische Gestalt der Transzendentalphilosophie hinauszugehen.
3.
Zweifel daran, daß die Theologie die kantische Gestalt der Transzendentalphilosophie »braucht«
Es gibt vor allem zwei Bedenken gegen den Versuch, gerade der kantischen Philosophie Kriterien entnehmen zu wollen, an denen die objektive Geltung von Glaubensaussagen erkannt werden kann. Denn erstens hat Kant von der Philosophie gefordert, »den stolzen Namen einer Ontologie abzulegen und den bescheidenen einer Analytik des Verstandes anzunehmen«. 94 Vertreter der klassischen Onto-Theologie kommen daher zu dem Urteil, Kant habe »dem Menschen den Weg zu Gott von seiten des Verstandes verschlossen«. 95 Zweitens aber scheint weder für die klassische Ontologie noch für die kantisch verstandene Transzendentalphilosophie die Geschichte eine wesentliche Rolle zu spielen. Dann aber scheint eine solche Philosophie nicht 94 95
Kritik der reinen Vernunft A 247. Enzyklika Pascendi Dominici gregis, 636 f.
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
geeignet zu sein, der Theologie Möglichkeiten zur Auslegung der biblischen Glaubensbotschaft aufzuschließen. Denn für diese ist gerade der Bezug zur Geschichte wesentlich. Vergleicht man diese Bedenken vieler Theologen mit Kants Selbstaussagen, dann macht man zwei zunächst überraschende Entdeckungen: 1) Kant hatte keineswegs die Absicht, dem Verstand jeden Weg zu Gott zu versperren, sondern entwickelte, in Gestalt seiner Postulatenlehre, eine eigene transzendentalphilosophische Weise, von Gott zu sprechen. Und er kam schließlich zu der Überzeugung: Diese »transzendentale Theologie ist der höchste Standpunkt der Transzendentalphilosophie«, 96 d. h. der Ort, von dem aus sich das gesamte Themenfeld der Transzendentalphilosophie als eine Einheit überblicken läßt. Die Mehrheit der theologischen Leser ist freilich Kant auf diesem Wege einer transzendentalen Theologie nicht gefolgt. Stattdessen haben Joseph Maréchal, Karl Rahner und ihre Schüler den Versuch unternommen, von der transzendentalen Analytik her die klassische Ontologie und Onto-Theologie wiederzugewinnen. Den Ansatz dazu bot eine Bedeutungs-Analyse der Copula »ist«, die für die logische Funktion des Urteils unentbehrlich ist. Sie bezeichne, so sagte man nun, das Sein jedes Seienden als endliche Realisierung des unendlichen Seins. Diese Analyse des Urteils und seiner Copula »ist« hat Johann Baptist Lotz auf die Formel gebracht: »In omni iudicio ens transcendens co-praedicatur«. An Rahners Grundkurs des Glaubens läßt sich besonders deutlich ablesen, wie fruchtbar dieser Ansatz für die Theologie sein kann, vor allem für die Christologie, die Erlösungslehre (Soteriologie) und die Lehre vom Menschen als »Hörer des Wortes«. Freilich verstärkt diese Lösung den zweiten Einwand der Kant-Kritiker: Seine Transzendentalphilosophie versperre den Zugang zum Verständnis der Geschichte. Dieser Einwand trifft freilich nicht nur die von Maréchal und Rahner vorgeschlagene Form der transzendentalen Theologie, sondern vor allem die klassische Ontologie, um deren Wiederherstellung in Durchgang durch Kants Kritik die genannten Theologen sich bemühten.
96
Opus postumum, 7. Konvolut, Blatt 5.
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C. Die transzendentalphilosophische Frage
2) Kant wollte keineswegs das philosophische Denken in eine Entfremdung gegenüber der Geschichte geraten lassen, sondern die Vernunft als wesentlich geschichtlich begreifen. Darum heißt das letzte Kapitel der Kritik der reinen Vernunft »Die Geschichte der reinen Vernunft«. Kant war sich freilich dessen bewußt, daß er diese Aufgabe noch nicht erfüllt hatte. Darum folgt auf diese Kapitelüberschrift die Bemerkung: »Dieser Titel steht nur hier, um eine Stelle zu bezeichnen, die im System übrigbleibt und künftig ausgefüllt werden muß«. 97 Dadurch läßt Kant erkennen, daß er überzeugt ist, dieses »System« sei einer Weiterentwicklung bedürftig, aber auch fähig.
4.
Gestalten einer Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie: die transzendentale Phänomenologie und ihre »linguistische Wendung«
Als eine solche über Kant hinaus weiterentwickelte Form der Transzendentalphilosophie muß Husserls Phänomenologie verstanden werden. An dieser Stelle kommt es nur darauf an, in Erinnerung zu behalten, daß Husserl seine Phänomenologie als eine Frucht transzendentalen Denkens versteht. »Ohne die Eigenart transzendentaler Einstellung aufgefaßt […] zu haben, mag man zwar das Wort Phänomenologie gebrauchen, die Sache hat man nicht«. 98 Für das »Grundgesetz« seiner Phänomenologie hat Husserl mehrere Formulierungen angeboten. Eine davon lautet: »Jeder Region und Kategorie prätendierter Gegenstände entspricht phänomenologisch […] eine Grundart von originär gebendem Bewußtsein«. 99 Die transzendentale Frage »Wie muß ich anschauen und denken, wenn mir Gegenstände gegenübertreten sollen?« nimmt in der Phänomenologie folgende Form an: Auf welche spezifische Art muß ich anschauen und denken, wenn ich hoffen will, daß mir dadurch ein originärer Zugang zu einer bestimmten Art von Gegenständen aufgeschlossen wird? »Braucht« die Theologie eine so verstandene Transzendentalphilosophie? Das scheint immer dann der Fall zu sein, wenn die Glaubenden einem »Monopol-Anspruch« der empirischen Wissenschaft 97 98 99
Kritik der reinen Vernunft A 852. E. Husserl, Ideen I, 200. Ideen I, 321.
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Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
begegnen, sie allein könne zu objektiv gültigen Aussagen führen. Durch diesen Monopol-Anspruch der Wissenschaft nämlich werden die Verkünder des Glaubens vor folgende vermeintliche Alternative gestellt: Sie müssen entweder ihre Aussagen (z. B. die Aussagesätze einer hymnischen Doxologie) in solche Aussagen übersetzen, die mit Mitteln der empirischen Wissenschaft überprüfbar sind, oder sie müssen ihre Glaubens-Aussagen den Hörern als bloßen Ausdruck subjektiver Gefühle anbieten und sie fragen, ob sie darin ihre eigenen Gefühle wiedererkennen. Beide Versuche, die Glaubensbotschaft zu verstehen, würden jedoch den Inhalt der Botschaft (fides quae creditur) verfehlen und in Folge davon zugleich dem Akt des Glaubens (fides qua creditur) seinen Bezug zu seiner spezifischen »Region« von Gegenständen rauben, d. h. seinen Bezug zu den Selbst-Manifestationen des Heiligen. Angesichts dieser Gefahr »braucht« der Glaube eine Theologie, die den Glaubenden Wege zeigt, um diese beiden Weisen der Selbstzerstörung des Glaubens zu vermeiden. Und dazu »braucht« die Theologie eine Philosophie, die ihr die Eigengesetzlichkeit »spezifisch verschiedener« Noesen und die Eigenart der ihnen zugeordneten Noemata deutlich macht: konkret die Eigengesetzlichkeit der religiösen Noesis und die Eigenart der »Region und Kategorie« des Heiligen, das sich nur dem religiösen Akt »originär erschließt«. Daran schließt sich die Frage an, auf welche Weise der Philosoph – und mit seiner Hilfe der Theologe – die Eigenart der religiösen Noesen bestimmen kann (z. B. um Heideggers Frage zu beantworten: »Von welcher Art ist das Denken, mit dem der Glaube denkt?«). Fragt man so, dann wird man auf die Sprache der Religion bzw. des Glaubens verwiesen. Die Eigenart der religiösen Sprache mit ihrer besonderen Pragmatik, Grammatik und Semantik ist teils Ausdruck der religiösen Noesis, teils der Schule, in der die Mitglieder der religiösen Sprachgemeinschaft den Vollzug dieser Noesis lernen und einüben. Das aber bedeutet: Ohne Analyse der religiösen Sprache ist das Programm einer Phänomenologie der Religion nicht einlösbar. Wenn also die Theologie zur Erfüllung ihrer Aufgabe eine transzendentale Phänomenologie »braucht«, dann »braucht« sie auch deren »linguistische Wendung«. Und sie braucht dabei näherhin eine linguistische Wendung solcher Art, daß dabei der transzendentale Charakter der Phänomenologie nicht verlorengeht. Denn wenn die Phänomenologie diesen transzendentalen Charakter verlöre, würde sie zugleich aufhören, für die Theologie »brauchbar« zu sein. 114 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
C. Die transzendentalphilosophische Frage
Ein Beispiel einer linguistischen Wendung, die den Boden der Transzendentalphilosophie nicht verläßt, bietet, schon 100 Jahre vor Husserl, Herders Metakritik der Kritik der reinen Vernunft und die sich an Herder anschließende Sprachphilosophie in Deutschland, zu deren wichtigsten Repräsentanten Wilhelm von Humboldt und Ernst Cassirer gehören. Diese Art von Sprachphilosophie läßt sich auch dazu heranziehen, die phänomenologische Frage nach der Eigenart unterschiedlicher Noesen und ihrer Korrelation zu ebenso unterschiedlichen Noemata zu beantworten, und zwar auf eine empirisch, durch Bezugnahme auf die Befunde einer historischen Linguistik, belegbare Weise.
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D. Vorschlag einer neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie als Angebot an die Theologie – Bausteine zu einem Programm
1) Es führt kein Weg an Kant vorbei. Denn seine Einsicht, daß alles Anschauen und Begreifen ein aktives Gestalten der Gegenstände einschließt, kann nicht rückgängig gemacht werden. 2) Es führt kein Weg zu Kant zurück. Denn auch die post-kantische Entdeckung, daß die Formen unseres Anschauens und Denkens historisch variabel sind, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Am deutlichsten wird dies an der Veränderung der Raum-Anschauung und der Kausal-Kategorie in der Naturwissenschaft der beginnenden Neuzeit. 3) Die Transzendentalphilosophie ist über Kant hinaus weiterzuentwickeln, und zwar so, daß sie die alte Frage nach den Bedingungen objektiver Gültigkeit mit einem neu geschärften Bewußtsein von der Verschiedenheit der Erfahrungsarten und vom Unterschied ihrer historischen Bedingungen verbindet. 4) Das setzt voraus, daß das Verhältnis des Subjekts zu seinen Gegenständen nicht einseitig als Gesetzgebung, sondern wechselseitig als Dialog gedacht wird. Unser Anschauen und Denken antwortet auf einen Anspruch des Wirklichen, indem es ihm Kontexte bereitstellt, innerhalb derer der zunächst unbestimmte Impuls dieses Anspruchs inhaltlich näher bestimmt werden kann. Der Gegenstand seinerseits antwortet auf diesen unseren Versuch, seinen Anspruch zur Sprache zu bringen, indem er sich immer wieder aus den von uns vorgezeichneten Kontexten befreit und so unserem Anschauen und Denken in widerständigem Eigenstand gegenübertritt. So zeigt er an, daß er zwar von uns angeschaut und gedacht sein »will«, aber sich nicht darin erschöpft, der von uns angeschaute und gedachte zu sein. Aus dem geordneten Gefüge dessen, was wir anschauen und denken, taucht der Gegenstand immer wieder in jener »Dichte und Fremd117 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Zweiter Teil: Transzendentalphilosophie und Theologie
artigkeit« auf, durch die er anzeigt: Sein Anspruch ist »immer größer« als unsere Antwort, obgleich er immer nur in dieser unserer Antwort zur Sprache kommen kann: als das in unserer Antwort wirksame geschichtlich vorantreibende Moment. 5) Der so verstandene Dialog des Subjekts mit seinen Objekten ist die Bedingung dafür, daß verschiedene Subjekte untereinander einen Dialog über die gleiche Sache führen können. Über eine Sache sprechen heißt: den Anspruch der Sache an neue Hörer weitergeben, damit diese ihn auf neue Weise beantworten können. Was wir am Dialog unter Menschen als geschichtlich vorantreibendes Wechselverhältnis von Sprache und Rede (langue et parole) beobachten, ist der empirisch erfaßbare Niederschlag des transzendentalen Verhältnisses zwischen dem Anspruch der Sache und der Sprache, zu der wir ihn bringen, damit er in dieser Sprache vernehmbar gemacht werden kann. Unter dem je größeren Anspruch der Sache wird aber die Sprache, in der wir diesen Anspruch beantworten, immer wieder zur Umgestaltung genötigt. 6) Auch eine so verstandene post-kantische Philosophie muß an der Unterscheidung zwischen subjektivem Erleben und objektiv gültiger Erfahrung festhalten. Aber das Kriterium objektiver Geltung liegt nicht im vermeintlichen Vorrang einer einzelnen Erfahrungsart (der wissenschaftlichen Empirie) vor allen anderen, auch nicht in der vermeintlichen Unbetroffenheit unserer Anschauungs- und Denkformen von allem historischen Wandel, sondern in einer zweifachen hermeneutischen Wechselbeziehung. Jede Erfahrung legt jede andere aus und wird durch sie ausgelegt, auch wenn diese Erfahrungen in unterschiedlich strukturierten Kontexten und unter unterschiedlichen historischen Bedingungen gemacht worden sind. Keine Gegenwart versteht sich selbst, wenn sie sich dem Geltungsanspruch derjenigen Erfahrungen entzieht, die in anderen Kontexten bzw. unter den Bedingungen einer historisch früheren Zeit gemacht worden sind. Eine Erfahrung auslegen bedeutet deswegen stets: ihr einen Ort in der Geschichte zuweisen, sowohl in der individuellen Lebensgeschichte des Erfahrenden als auch in der gemeinsamen Geschichte derer, denen diese Erfahrung bezeugt wird, damit sie sich durch ihn zu neuen Weisen der Antwort herausfordern lassen. 118 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
D. Vorschlag einer neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie
7) Aber die verschiedenen Arten der Erfahrung sind untereinander in solchem Maße strukturverschieden, daß sie sich nicht in ein umfassendes System bringen lassen. Ihre gegenseitige Auslegung ist nur unter folgender Voraussetzung möglich: Die Ansprüche, die das Wirkliche in jedem einzelnen Kontext und unter den Bedingungen jeder einzelnen historischen Situation an uns richtet, können und müssen als Erscheinungsgestalten eines göttlichen Auftrags (mandatum) ausgelegt werden und legen ihrerseits den Begriff »göttlicher Auftrag« aus. Weil sie bloße Erscheinungsgestalten dieses göttlichen Auftrags sind, müssen sie ausgelegt werden, wenn ihr objektiver Bedeutungsgehalt hervortreten soll. Weil sie wirkliche Erscheinungsgestalten dieses göttlichen Anspruchs sind, können sie sich gegenseitig auslegen und darin ihre objektive Geltung erweisen. Und in diesem wechselseitigen Verhältnis der Auslegung schließen sich die unterschiedlichen Weisen, wie wir diesen Anspruch vernehmen und beantworten, zur Einheit einer Geschichte zusammen. Daraus ist die Folgerung zu ziehen: Keine Erfahrung versteht sich selbst, wenn sie die Geltung ihres Anspruchs nicht als bloße Erscheinung und zugleich als wirkliche Erscheinung eines verpflichtenden Auftrags (mandatum) Gottes versteht. 8) Ein solches Verständnis objektiver Geltung erweist sich zugleich als geeignet, den spezifischen Geltungsanspruch der biblischen Verkündigung auszulegen. Denn diese ist nach Form und Inhalt radikal historisch, aber keineswegs relativ. Das deutlichste Beispiel dafür ist die unverminderte Geltung der alttestamentlichen Verkündigung auch nach dem radikalen Wandel der Heils-Ereignisse, der vom Hörer verlangt, sich »zur Neuheit des Denkens umgestalten zu lassen« (Röm 12,2). 9) Eine in diesem Sinne weiterentwickelte Transzendentalphilosophie ist das geeignete Mittel, um den weithin abgebrochenen Dialog zwischen Theologie und neuzeitlicher Philosophie neu in Gang zu bringen.
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Markus Enders
Ein Nachwort zur »Transzendentalen Theologie« und ein Nachruf auf das wissenschaftliche Lebenswerk Richard Schaefflers (1926–2019) I.
Ein Nachwort zu Richard Schaefflers »Transzendentaler Theologie«
Dieses letzte, posthum publizierte Buch Richard Schaefflers hat den Entwurf einer transzendentalen Theologie zum Gegenstand und ist mit dem Untertitel »Gott als Möglichkeitsgrund der Erfahrung« versehen. Dieser Untertitel stellt gleichsam die Programmformel für jene Gestalt transzendentaler Theologie dar, die Schaeffler in diesem Buch entwirft. Inhaltlich setzt sich dieses Büchlein aus den beiden folgenden Teilen zusammen: Im ersten Teil geht es um »Zukunftsmöglichkeiten« der Begegnung zwischen transzendentaler Reflexion und christlicher Theologie; im zweiten Teil entwirft Richard Schaeffler seine Verhältnisbestimmung zwischen Transzendentalphilosophie und (christlicher) Theologie in insgesamt vier Abschnitten.
Erster Teil: »Transzendentale Reflexion und Theologie – Zukunftsmöglichkeiten ihrer Begegnung« Der erste Teil ist seinerseits in vier Abschnitte unterteilt: Nach Schaefflers »Vorbemerkungen zum Thema« enthält der erste Abschnitt (A) Überlegungen »zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage«; der zweite Abschnitt (B) erörtert Gründe gegen eine Verbindung zwischen transzendentalphilosophischer Methode und christlicher Theologie. Der dritte Abschnitt (C) skizziert den Herausforderungscharakter der transzendentalen Kritik für die Theologie und der vierte und letzte Abschnitt (D) stellt die »Aufgaben und erreichten Ergebnisse« dar.
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Anhänge
1.
Vorbemerkungen zum ersten Teil und Überlegungen »zur philosophiegeschichtlichen und theologiegeschichtlichen Ausgangslage«
Beginnen wir unsere rekonstruktive und zugleich interpretatorische Relecture dieses Büchleins mit den Vorbemerkungen zu seinem ersten Teil: Schaeffler wählt naheliegender- und verständlicherweise die bislang bedeutendste Gestalt einer transzendentalen Theologie, diejenige von Karl Rahner, als Ausgangspunkt für seine Überlegungen. Diese begreift er als eine Antwort auf die Aufgabe, »dem christlichen Glauben nach dem vermeintlichen oder wirklichen ›Ende der Metaphysik‹ eine neue rationale Grundlage zu geben. Und es ging darum, einer säkularisierten Welt verständlich zu machen, wovon die Rede ist, wenn von Gott gesprochen wird« (S. 13 f.). Mit dieser theologischen Aufgabe sei aber zugleich die philosophische Aufgabe einer Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie Kants zu einem geschichtlichen Verständnis der menschlichen Vernunft verbunden gewesen (vgl. S. 14). Die philosophie- und theologiegeschichtliche Ausgangslage nach Kants »Ontologiekritik« an der klassischen Metaphysik, die wirkungsgeschichtlich als »Zertrümmerung« jeglicher Metaphysik verstanden worden sei (vgl. S. 16), beschreibt Schaeffler wie folgt: Kants Kritik habe wirkungsgeschichtlich gesehen zu einer radikalen Metaphysikkritik geführt, nach der alle metaphysischen Fragen ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt seien. Dies habe wiederum eine radikale, psychologistische Religionskritik nach sich gezogen. Dieser zufolge seien religiöse Überzeugungen nur Ausdrucksformen von Gefühlen, die am Kriterium ihres Nutzens für das Leben beurteilt werden (vgl. ebd.). Diese auch heute noch aktuelle psychologistische Deutung von Religion sei mit einer sozialdarwinistischen Auslegung der Religionsgeschichte einhergegangen: Religiöse Bilder würden nur dann von den jeweils nachfolgenden Generationen rezipiert, wenn sie sich für diese als lebensfördernd erweisen (vgl. ebd.). Die katholische Kirche habe auf diese Entwicklung mit ihrem sog. Anti-Modernismus-Kampf geantwortet und die für die radikale Metaphysik-Kritik und deren religionskritische Konsequenz verantwortlich gemachte Philosophie Kants als irreführend angeprangert (vgl. S. 18). Dieser geistesgeschichtliche Hintergrund sei die Geburtsstunde der Transzendentalen Theologie durch den Transzendentalphilosophen und Theoretiker der mystischen Theologie, den belgischen Jesuiten Joseph Maréchal (1878–1944), der im Ausgang von 124 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
den Prämissen der kantischen Kritik zu der folgenden argumentativen Neubegründung des christlichen Glaubens und seines Anspruchs auf objektive Geltung gelangt sei: Das einen Gegenstand als ein bestimmtes Seiendes bestimmende Urteil beanspruche objektive Geltung; diese Bestimmung setze die Beziehung des Urteilenden auf ein unbestimmtes, absolutes Sein immer schon voraus. In jedem erkannten Gegenstand werde daher implizit zugleich Gott erkannt (vgl. S. 19). In der Differenz zwischen Maréchals transzendentalphilosophischer Gotteslehre und Karl Rahners Transzendentaler Theologie spiegelt sich nach Schaeffler eine Änderung der theologiegeschichtlichen Ausgangslage vom Anfang bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hin: Die Religionskritik verändere sich von der Wahrheitsbestreitung religiöser Aussagen hin zur Behauptung ihrer Sinn- bzw. Bedeutungslosigkeit. Die Kritik der Religion sei daher zur Kritik der religiösen Sprache, zur sprachanalytischen Religionskritik geworden (vgl. S. 20 f.). Gegen diesen Sinnlosigkeitsverdacht gegenüber religiösen Aussagen habe Karl Rahner unter Bezug auf Maréchals transzendentalphilosophische Gotteslehre gleichsam einen Gegenangriff gestartet: Der Gottesbezug als Bezug auf das absolute Sein sei für jede Aussage konstitutiv. Deshalb habe es der Mensch immer schon mit Gott zu tun. Dieser Gottesbezug sei aber zunächst nur der Bezug des erkennenden Geistes in Welt auf eine regulative Idee; Erfüllung finde er erst durch die christliche Lehre von der Menschwerdung Gottes, sodass die Christologie die supereminente und ungeschuldete Vollendung der transzendentalen Anthropologie sei (vgl. S. 22 f.). Nach dem »vermeintlich oder wirklich geschehenen Wegfall metaphysischer Begründungsmöglichkeiten« (S. 23) erscheint nach Schaeffler die psychologistische Religionsdeutung zunächst als die einzig mögliche (vgl. ebd.). Um diesen Anschein zu widerlegen, sei »Maréchals Versuch, von Kants Prämissen aus gegen Kants Ergebnisse und vor allem gegen deren wirkungsgeschichtliche Folgen zu argumentieren, das Gebot der Stunde« (ebd.). Ob allerdings Karl Rahners Versuch, den Sinnlosigkeitsverdacht gegen Religion an die Gottesleugner zurückzugeben, »die angemessene Weise der Apologetik« (ebd.) des christlichen Glaubens sei (vgl. ebd.), und ob auf diesem Wege die positivistische These der neueren Religionskritik, Religion sei ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt, wirklich zurückgewiesen werden könne, wie Schaeffler annimmt (vgl. ebd.), wage ich zu bezweifeln.
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Anhänge
2.
Gründe gegen eine Verbindung zwischen transzendentalphilosophischer Methode und christlicher Theologie
Im zweiten Abschnitt (B) dieses ersten Teils seiner »Transzendentalen Theologie« erörtert Schaeffler Gründe gegen eine Verbindung zwischen transzendentalphilosophischer Methode und christlicher Theologie, und zwar zunächst im ersten Kapitel die philosophischen Gegengründe. Für »zu transzendental« halten die Transzendentale Theologie vor allem jene Philosophen, »die an einem ›philosophischen Realismus‹ interessiert sind und daher das ›idealistische‹ Moment der Transzendentalphilosophie ablehnen« (S. 25). Denn es gehöre ja zur Grundüberzeugung der Transzendentalphilosophie, dass die Gegenstände unserer Erkenntnis überhaupt erst aus der Tätigkeit unseres Anschauens und Denkens hervorgehen, sodass wir es immer nur mit »Erscheinungen« und nicht der Wirklichkeit an sich zu tun haben. Dieses Ansichsein des Sachverhalts bleibe ein Moment seines »Fürunsseins«. Daher sei für die Transzendentalphilosophie ein »Subjektivismus« unvermeidlich (vgl. S. 25 f.). Deshalb sei die Kritik der philosophischen Realisten an der Transzendentalen Theologie zu verstehen: Diese habe sich zu sehr auf die kantische Lehre von der Gegenstandskonstitution des erkennenden Subjekts eingelassen (vgl. S. 27). Daher sähen »Philosophen, die an einer philosophischen Gotteslehre interessiert sind, […] in diesem Grundgedanken der Transzendentalphilosophie den Versuch, das menschliche Subjekt, weil es als ›gegenstands-konstituierend‹ gedacht wird, an die Stelle des Schöpfergottes zu setzen« (S. 26). Diese meist aus der Tradition der aristotelisch-thomistischen Scholastik stammenden Kritiker der Transzendentalphilosophie seien in ihrer Kritik an der Transzendentalphilosophie in jüngerer Zeit von Philosophen (Schaeffler nennt hierfür beispielhaft Emmanuel Lévinas) aus anderen philosophischen Überlieferungen – insbesondere der französischen Phänomenologie, wie wir ergänzen können – unterstützt worden, die der Transzendentalphilosophie die Erkenntnishaltung des neuzeitlichen Herrschaftswissens unterstellen, »das die gesamte Gegenstandswelt der Gesetzgebung des Subjekts unterwirft« (S. 27). Eine hierzu entgegengesetzte Kritik werfe der Transzendentalen Theologie vor, »sie habe am transzendentalen Ansatz nicht konsequent genug festgehalten« (ebd.), indem sie sich zwar wesentliche Teile der kantischen »Transzendentalen Analytik«, vor allem die Lehre von der Bedeutung des Urteils für die Gegenstandskonstitu126 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
tion, zu eigen gemacht habe, aber Kants »Transzendentale Dialektik« kaum beachtet habe (vgl. ebd.). Dadurch sei Kants Lehre von dem rein regulativen Gebrauch der Ideen, insbesondere der Gottesidee, ignoriert worden, nach der »die Vernunft sich in Widersprüche verwickelt, wenn sie diese Ideen mit Begriffen von vermeintlichen ›höchsten Gegenständen‹ verwechselt« (ebd.). Deshalb dürfe der für die Gegenstandskonstitution transzendental notwendige »Vorgriff auf das absolute Sein« (Karl Rahner) »nicht mit der ontologischen Notwendigkeit der Existenz eines Gegenstands verwechselt werden« (S. 28). Denn »der scholastische Grundsatz: ›Nur eine Tendenz, die sich auf Wirkliches richtet, ist eine wirkliche Tendenz‹ (oder seine negative Fassung ›Tendentia in nihilum est nihilum tendentiae‹) setzt jenen ›metaphysischen Realismus‹ schon voraus, den er erst begründen will« (ebd.). Man könne daher nicht die Lehre von der transzendentalen Gegenstandskonstitution übernehmen und die Lehre von der rein regulativen Kraft der Ideen aussparen, weil die Selbstgesetzgebung der Vernunft bei der Bestimmung ihrer Ziele die Bedingung ihrer Selbstbestimmung beim Aufbau ihrer Gegenstandswelt sei (vgl. ebd.). Daher könne, zusammenfassend betrachtet, die philosophische Kritik an der Transzendentalen Theologie auf die folgende Kurzformel gebracht werden: »Den einen Kritikern geht diese Theologie in der Anerkennung der Vernunftautonomie zu weit, den anderen erscheint diese Anerkennung der Vernunftautonomie halbherzig, sodass sie am entscheidenden Punkt vor ihren Konsequenzen zurückscheut« (ebd.). Nach den philosophischen Gründen gegen eine Verbindung zwischen transzendentalphilosophischer Methode und christlicher Theologie erörtert Schaeffler im zweiten Kapitel theologische Gegengründe: Zuerst werde von theologischer Seite der Vorwurf der Geschichtslosigkeit und damit ihrer fehlenden Eignung zur Auslegung der wesentlich geschichtlichen biblischen Botschaft gegen die transzendentale Theologie erhoben (vgl. S. 29). Dieser Vorwurf richte sich vor allem gegen Karl Rahners Transzendentale Theologie, in der die Menschheitsgeschichte zu dem einen Augenblick des Christusereignisses zusammenschrumpfe und die Geschichtsverkündigung des Alten Testaments keine angemessene Berücksichtigung finde (vgl. S. 30). Denn in Rahners Theologie werde in der Geschichte Gottes mit dem Menschen nur die eine Alternative zwischen der unendlichen Ferne Gottes und seines Gerichts und der radikalen Selbstmit127 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Anhänge
teilung bzw. unüberbietbaren Nähe Gottes in seiner Menschwerdung zugunsten letzterer entschieden. Rahner hätte sich allerdings höchst wahrscheinlich gegen diese Alternative als ein geeignetes Interpretament seiner Theologie verwahrt. Ein zweiter Vorwurf gegenüber der Transzendentalen Theologie sei der ihrer Praxisferne bzw. PraxisNeutralität: Die Transzendentale Theologie beziehe gemäß diesem Vorwurf, den vor allem Johann Baptist Metz gegen Rahners Transzendentale Theologie gerichtet hat, eine Position »jenseits aller Alternativen der Praxis, weil sie die Bedingungen benennt, von denen jeder Bezug zur Erfahrungswirklichkeit und damit jegliche Praxis abhängt, die heilvolle wie die unheilvolle in gleicher Weise. Wenn aber die Gottesbeziehung des Menschen diese Bedingung seiner Freiheit ist, dann wird sie in jedem Akt dieser Freiheit vollzogen und bleibt von den Alternativen der Heils- und Unheilspraxis unbetroffen« (S. 31). Zwar könne erst im Lichte des im Wesen des Menschen gegebenen Gottesbezugs »die Gottwidrigkeit einer verfehlten Praxis als solche erkannt und beurteilt werden« (ebd.). Davon bleibe aber unberührt, dass dieses unterscheidende Urteil nur auf Grund der unverlierbaren menschlichen Gottesbeziehung möglich werde (vgl. ebd.). »Und es bleibt zu fragen, ob damit die Radikalität der ›Aversio a Deo‹ und ihrer Folgen angemessen bestimmt werden kann« (ebd.). Im dritten Kapitel resümiert Schaeffler den erreichten Problemstand: Entweder ignoriere die christliche Theologie die transzendentale Kritik oder nicht; wenn nicht, wie könne sie dann verhindern, dass der Glaube zu einem subjektiven Gefühl oder einer bloßen, entbehrlichen Metapher für die Entschiedenheit des sittlichen Engagements werde; über dieses Dilemma wolle die transzendentale Theologie hinausführen (vgl. S. 32). Seinen eigenen Lösungsvorschlag für dieses Dilemma bereitet Schaeffler mit der These vor, dass sich die Transzendentale Theologie der Herausforderung durch die Transzendentalphilosophie noch nicht hinlänglich angenommen habe (vgl. ebd.). 3.
»Die transzendentale Kritik als Herausforderung an die Theologie«
Diese Herausforderung der transzendentalen Kritik an die Theologie skizziert Schaeffler im dritten Abschnitt (C) dieses ersten Teils seiner »Transzendentalen Theologie« in Gestalt von fünf Thesen, welche die transzendentale Reflexion charakterisieren sollen. 128 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
Die erste These lautet: »Es gibt kein rein passives Hinnehmen, sondern stets nur ›verarbeitete Information‹« (S. 35). Dies bedeute, dass die Gegenstände unseres Anschauens, Begreifens und Wahrnehmens »schon das Produkt unserer gestaltenden Tätigkeit« (S. 36) seien; zu ergänzen wäre hier allerdings, dass die Gegenstände unseres Anschauens, Begreifens und Wahrnehmens das Produkt unserer gestaltenden Tätigkeit und der Einwirkung dieser Gegenstände auf unsere Anschauung und unser Begreifen seien. Unter dieser Voraussetzung aber stellt sich die Frage: Wie können aus der Eigentätigkeit unseres Anschauens und Denkens nicht nur subjektive Vorstellungen von Gegenständen, sondern auch die Gegenstände selbst hervorgehen, »die uns mit Maßgeblichkeit gegenübertreten und den Maßstab bilden, an dem wahre von falschen Urteilen unterschieden werden können« (ebd.)? Schaeffler konzediert, dass Kant für diese Frage keine befriedigende Antwort bereithält, wenn er sagt, dass »die vollendete Synthesis, die das Mannigfaltige unserer Anschauungs-Inhalte zur Einheit bringt, das hinlängliche Kriterium dafür sei, daß wir es nun mit Gegenständen (Objekten) und ihrer Objektivität (Maßgeblichkeit für unser Urteil) und nicht bloß mit unseren subjektiven Meinungen über sie zu tun haben« (ebd.). Vielmehr müsse für eine Begründung dieser Maßgeblichkeit unserer Erkenntnisgegenstände für unsere Urteile über diese eine Widerständigkeit derselben gegenüber unserem subjektiven Meinen angenommen werden (vgl. S. 37). Diese Widerständigkeit aber widerfahre unserem subjektiven Meinen »nicht ›von außen‹, sondern in unserem Anschauen und Denken selbst, als ein inneres Moment unserer Selbsttätigkeit« (ebd.). Auf diese (subjektivistische) Annahme dürfte jedoch entgegnet werden können, dass die Widerständigkeit des Gegenstandes sich nicht nur aus unserem eigenen Anschauen und Denken ergeben kann, sondern ebenso und ursprünglich aus der Einwirkung des Wahrnehmungsbzw. Erkenntnisgegenstandes auf unsere Wahrnehmung und Erkenntnis resultieren muss. Denn für eine solche Widerständigkeit muss deshalb eine Einwirkung des Gegenstandes auf unsere Wahrnehmung angenommen und vorausgesetzt werden, weil es sonst keinen zureichenden Grund für diese Widerständigkeit geben könnte. Denn wir können, um mit Schaefflers eigenen Worten zu sprechen, nur dann »sehen, daß es am Gegenstand mehr zu sehen gibt, als wir sehen« (ebd.), und wir können nur dann »begreifen, daß es am Gegenstand mehr zu begreifen gibt, als wir begreifen« (ebd.), wenn uns der Gegenstand in seiner Objektivität zumindest etwas von sich zeigt 129 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Anhänge
bzw. enthüllt, wenn also auch eine Einwirkung des Gegenstandes auf unser Wahrnehmungs- und Erkenntnisvermögen stattfindet bzw. wenn dieses eine Rezeptivität für seine Wahrnehmungs- und Erkenntnisgegenstände besitzt. Leider können wir der »transzendentalphilosophischen Grundeinsicht« (S. 36) nach Schaeffler die Attestierung dieser Einseitigkeit nicht ersparen. Dass diese »Grundeinsicht« eine erhebliche Relevanz auch für die christliche Theologie besitzt, zeigt Schaeffler im Folgenden: Denn die beiden Testamente der christlichen Bibel enthalten nach christlichem Verständnis das Gotteswort nicht als ein verbal inspiriertes (wie etwa der Koran im islamischen Glauben), sondern nur als ein »Gotteswort im Menschenwort« (vgl. S. 37), mit anderen Worten: Die (christliche) Theologie bedürfe »einer Theorie, die begreiflich macht, wie das menschliche Wort einen Anspruch und eine Zusage vernehmbar macht, die sich nicht darin erschöpft, Menschenwort zu sein« (ebd.). Die christliche Theologie könne daher ohne die transzendentale Methode kein angemessenes Verständnis davon gewinnen, wie das Wort Gottes sich in Menschenwort ausdrücken und mitteilen kann; sie dürfe aber auch nicht Kants Lösung des Problems, wie wir wahre Erkenntnisse von objektiven Sachverhalten gewinnen können, sich zu eigen machen, nach der die vollendete Synthesis, die das Mannigfaltige unserer Anschauungs-Inhalte zur Einheit bringt, das hinlängliche Kriterium dafür sei, dass wir es mit Gegenständen (Objekten) und ihrer Objektivität (Maßgeblichkeit für unser Urteil) und nicht bloß mit unseren subjektiven Meinungen über sie zu tun haben (vgl. S. 36). Aus dieser Problemkonstellation leitet Schaeffler die Schlussfolgerung ab, dass die (christliche) Theologie an der Weiterentwicklung der transzendentalen Methode zu einer Theorie der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit aktiv teilnehmen müsse (vgl. S. 38 f.). Die zweite These Schaefflers zur Herausforderung der transzendentalen Kritik an die (christliche) Theologie lautet: »Die Welt und das eigene Ich sind uns nicht gegeben, sondern aufgegeben« (S. 39). In seiner näheren Erläuterung dieser These behauptet Schaeffler, dass sowohl die einzelnen (Erkenntnis-)Gegenstände erst aus der Tätigkeit unseres Anschauens und Denkens hervorgehen, als auch das Ganze aller möglichen und wirklichen Gegenstände, die Welt, unserer Erkenntnistätigkeit nicht vorgegeben, sondern nur ihr aufgegeben sei (vgl. S. 39 f.). Hierzu können wir wie folgt Stellung nehmen: Es ist zwar richtig, dass die Welt als die Vorstellung des Ganzen raum-zeitlicher und kausaler Beziehungen einen Grenz- bzw. einen Zielbegriff 130 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
von der Erfüllung einer Aufgabe darstellt, den wir antizipierend bilden, um diese Aufgabe Schritt für Schritt in Angriff nehmen zu können; und damit besitzt der Weltbegriff in der Tat den Charakter einer Idee im Sinne eines postulatorischen Vernunftbegriffs und ist uns Menschen insofern aufgegeben; das ändert aber nichts daran, dass unserer Erkenntnis Innerweltliches immer auch gegeben sein muss, um in seiner Objektivität überhaupt erkannt werden zu können. Damit Innerweltliches überhaupt gegeben sein kann, muss »Welt« aber immer schon zumindest als Idee vorausgesetzt werden, ohne von uns gegenständlich adäquat erfasst werden zu können. Schaeffler meint nun, auch das »Ich denke« habe denselben Charakter eines postulatorischen Vernunftbegriffs wie die Welt (vgl. S. 40). Das dürfte allerdings sowohl im Sinne Kants als auch sachlich unzutreffend sein. Denn nach Kant ist die Einheit des Selbstbewusstseins eine notwendige Bedingung dafür, dass vom Erkenntnissubjekt dessen Vorstellungen als eigene überhaupt gewusst werden können; deshalb muss diese transzendentale Apperzeption des Bewusstseins qua Selbstbewusstsein auch real gegeben und nicht bloß aufgegeben sein. Weil aber Schaeffler davon ausgeht, dass weder die Welt noch das Ich etwas Gegebenes seien, hält er die positive Bestimmung beider Begriffe für eine noch zu bewältigende Aufgabe (vgl. ebd.). Dann fährt Schaeffler mit der Behauptung fort, dass unser Anschauen und Denken den Anspruch des Wirklichen erst vernehmbar mache, der zu einer Umgestaltung unserer Anschauung und unseres Denkens nötige, und leitet daraus den dialogischen Charakter der Erfahrung ab (vgl. S. 41). Diese Überzeugung verdient m. E. ungeteilte Zustimmung, steht aber in einem sachlichen Widerspruch zu seiner vorherigen Annahme vom rein produktiven Charakter unserer Anschauung und Erkenntnis. Und aus dieser seiner Überzeugung vom dialogischen Charakter der menschlichen Erfahrung leitet Schaeffler schließlich die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie zu einer Theorie der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit ab (vgl. S. 41 f.). In einem nächsten Argumentationsschritt setzt Schaeffler die »Einheit des Ich« (der transzendentalen Apperzeption des Bewusstseins als Selbstbewusstsein) mit der im biblischen Gebot der Gottesliebe (vgl. Dtn 6,5) gemeinten Ganzheit der Person und ihren Kräften gleich (vgl. S. 42). Diese Einheit sei nicht vorgegeben, sondern aufgegeben und werde nur in der ungeteilten liebenden Hingabe an Gott als den Einen und Einzigen erreicht (vgl. ebd.) Diese Gleichsetzung trifft sachlich jedoch nicht zu, weshalb in der Selbstfindung 131 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Anhänge
durch Selbsthingabe auch nicht die Einheit des Ich gefunden wird, wie Schaeffler insinuiert, sondern das persönliche Ideal bzw. die Idealgestalt des eigenen Seins. Gleichwohl votiert Schaeffler im Anschluss an Kants Lehre von den postulatorischen Vernunftbegriffen für eine Transzendentalphilosophie, welche »die geordnete Ganzheit der Welt und die Einheit des Ich nicht als gegeben, sondern als aufgegeben begreift« (S. 43). Eine solche Transzendentalphilosophie entziehe dem kosmologischen Gottesbeweis seine Grundlage (vgl. ebd.). Während dieser nämlich Gott als Erstursache alles Gegebenen bestimme, verstehe die weiterentwickelte Transzendentalphilosophie und in deren Gefolge Schaefflers eigene Transzendentaltheologie Gott ausschließlich als Zielperspektive alles Aufgegebenen (vgl. ebd.). Deshalb wird nach Schaeffler nicht das Factum, sondern das Faciendum »zur primären Gestalt für die Selbstkundgabe Gottes« (ebd.). In Wahrheit ist Gott jedoch beides zugleich, d. h. sowohl Erstursache alles Gegebenen als auch und zugleich Zielperspektive alles Aufgegebenen, sodass zwischen diesen beiden Bestimmungen Gottes nicht der von Schaefflers Transzendentaltheologie konstruierte Gegensatz besteht. Und wenn Schaeffler die kausative Bedeutung des hebräischen Hiphil in seiner Anwendung auf Gott in biblischen Sätzen wie »Gott ist derjenige, der ›macht, daß wir aus Ägypten gehen konnten und können‹« (S. 43), als einen Beleg für seine These anführt, dass das biblische Verständnis von Gott diesen nicht in der Rückfrage nach der Erstursache alles Gegebenen suche, sondern in der Zielperspektive alles Aufgegebenen finde, dann müssen dieser These erstens jene biblischen Sätze entgegengehalten werden, die Gott z. B. als Schöpfer des Himmels und der Erde, beginnend mit Gen 1,1, zum Ausdruck bringen, und es muss zweitens eingewandt werden, dass solche Sätze als biblische Belege für die genannte These Schaefflers ungeeignet sind. Denn sie erweisen nicht das Faciendum als die primäre Gestalt der biblischen Selbstkundgabe Gottes. Mit dieser transzendentalphilosophischen Gotteslehre stimme Kants Verständnis von Religion als die »Erkenntnis unserer [sittlichen] Pflichten als göttlicher Gebote« (I. Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 229) überein. Und weil Kant die sittlichen Pflichten als die »je konkreten Gestalten der Selbstgesetzgebung der Vernunft verstanden« (S. 44) habe, sei diese Selbstgesetzgebung der menschlichen Vernunft die Erscheinungsgestalt der göttlichen Gesetzgebung, die unserer Vernunft das Sittengesetz und das Naturgesetz gegeben habe (vgl. ebd.). Daher begegneten wir sowohl in der sittlichen Erfahrung als 132 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
auch in der wissenschaftlichen Empirie »zugleich einer göttlichen Gesetzgebung, die uns in ihren Anspruch nimmt« (ebd.). Dieser gleichsam theonomen Grundlegung der Autonomie der menschlichen Vernunft schließe ich mich gerne an, unbeschadet der gekennzeichneten Vorbehalte gegenüber Schaefflers transzendentalphilosophischer Gotteslehre. Die dritte These Schaefflers zur Herausforderung der transzendentalen Philosophie für die christliche Theologie lautet: »Nicht nur der transzendentalen Philosophie, sondern auch derjenigen Vernunfttätigkeit, die sie beschreibt, liegt ein Interesse an Freiheit zugrunde« (S. 45). Diese These folgt aus der vorherigen These und könnte im Sinne Schaefflers auch folgendermaßen formuliert werden: Der transzendentalen Philosophie bzw. der von ihr beschriebenen Vernunfttätigkeit liegt ein Vernunftinteresse an Freiheit als der Selbstgesetzgebung der Vernunft zugrunde, welche Gegebenes in Aufgegebenes verwandelt (vgl. ebd.). Denn nach Schaeffler ist die Vernunft »wegen ihrer Aufgabe, die Gegenstände unserer Erfahrung erst hervorzubringen, die Sachwalterin dieser Gegenstände und ihres Anspruchs gegenüber allen Bedürfnissen und Neigungen des Individuums« (S. 46). Als ein ausgezeichnetes Beispiel für diese transzendentale Vernunfttätigkeit führt Schaeffler die Freiheit der Wissenschaft an, »die sich ihre Gesetze selber gibt« (ebd.). Dem entspreche in Kants Transzendentalphilosophie, dass der »transzendentale Idealismus« den »empirischen Realismus« überhaupt erst möglich mache und sich an ihm bewähren müsse (vgl. ebd.). Mit anderen Worten: »Erst in einem Kontext, den die Vernunft nach ihrer eigenen Gesetzgebung entwirft und dem der Verstand durch seine Kategorien die Strukturgesetze vorschreibt, können die Gegenstände uns so begegnen, daß sie uns mit einer alle Willkür ausschließenden Maßgeblichkeit gegenübertreten« (ebd.). Mit dieser erkenntnistheoretischen Voraussetzung einer gänzlichen Unterwerfung der Erkenntnisgegenstände unter die Gesetzgebung von Verstand und Vernunft dürfte sich die Annahme einer Maßgeblichkeit dieser Gegenstände für das menschliche Erkenntnisvermögen jedoch nur schwerlich vereinbaren lassen. Erfahrung als ein Dialog des menschlichen Erkennens mit der Wirklichkeit kann unter dieser transzendentalphilosophischen Prämisse nicht zustande kommen. Nach dieser Möglichkeit fragt daher konsequent unser Autor: »Wie muß die Vernunft ihr Interesse an Freiheit wahrnehmen, wenn die Gegenstände ihre Maßgeblichkeit gegenüber dem Subjekt geltend 133 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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machen sollen? Für Kant schien die Antwort klar: Sie muß, um objektive Geltung ihrer theoretischen und praktischen Erkenntnisse zu erreichen, die Differenz der individuellen Subjekte gleichgültig machen. Dies ist in der Tat für die (im neuzeitlichen Sinne) verstandene Wissenschaft das Ideal der Vernunfttätigkeit« (ebd.). Dieser wichtigen Frage verleiht unser Autor auch die folgende Fassung: »Wie muß die Vernunft ihre Selbstgesetzgebung begreifen, wenn sie dadurch Erfahrungen möglich machen soll, in denen die Gegenstände ihren Maßgeblichkeitsanspruch gegenüber allen subjektiven Wünschen und Neigungen der Individuen geltend machen können?« (S. 47 f.). Diese Frage wendet Schaeffler sogleich auch auf die religiöse Erfahrung von Menschen an: »Auf welche Weise muß die Vernunft tätig werden, wenn sie die Subjektivität religiöser Erlebnisse und Vorstellungen in Inhalte objektiv gültiger religiöser Erfahrungen transformieren soll, d. h. in Erscheinungsgestalten für den Anspruch, den das Heilige gegenüber dem erfahrenden Subjekt geltend macht?« (S. 48). Doch wie kann dem Eigenvermögen der menschlichen Vernunft eine solche Transformation gelingen? Ist diese damit nicht überfordert? Diese transzendentalphilosophische Forderung gelte daher auch für die Rede des Menschen von Gott. Auch diese müsse sich »dadurch ausweisen, daß sie dem Interesse der Vernunft an Freiheit entspricht« (ebd.), weil Freiheit zur Natur des Menschen gehöre und weil Gottes Gebot und Zusage nur den freien Menschen in Anspruch nehme. Erst die Freiheit der Vernunft mache daher die religiöse Erfahrung und Begegnung mit dem Maßgeblichkeitsanspruch des Heiligen möglich (vgl. ebd.). Schaeffler sieht allerdings durchaus die reale Gefahr einer Erfahrungsresistenz des transzendentalen Denkens, für die er den Dialektischen Materialismus als ein geschichtliches Beispiel anführt (vgl. S. 49). Um genau dieser Gefahr zu entkommen bzw. um dem Anspruchs- und Maßgeblichkeitscharakter der objektiven Wirklichkeit für das menschliche Erkennen gerecht werden zu können, formuliert er daher: »Nur eine Theorie, die die Erfahrung als Dialog zwischen dem Anspruch des Wirklichen und der Antwort begreift, die wir in unserem Anschauen und Denken auf diesen Anspruch geben, wird dem immer wieder überraschenden, vorantreibenden Charakter der Erfahrung gerecht, die nicht nur unsere bis dahin bewährten Überzeugungen, sondern schon unsere Fragestellungen immer wieder als korrekturbedürftig erweist« (S. 50). Diesem Erfordernis für eine angemessene Theorie der menschlichen Erfahrung kann man vernünftigerweise nur zustimmen. Es steht 134 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
allerdings in einem offensichtlichen Widerspruch zu Schaefflers eigener, transzendentalphilosophischer Prämisse, die daher einer »Weiterentwicklung« bzw. partiellen Korrektur bedarf. Schaefflers vierte These zur Herausforderung der transzendentalen Philosophie für die christliche Theologie lautet: »Das eine Interesse der Vernunft entfaltet sich in mehrere Vernunftinteressen, die einander widerstreiten« (S. 51). Diese Erfahrung entspreche der Vernunftdialektik in ihrem spekulativen oder auch in ihrem praktischen Gebrauch nach Kant (vgl. ebd.). Letzterer, d. h. der Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs im Verständnis Kants, geht Schaeffler im Folgenden ausführlich nach. Worin besteht diese Dialektik? Sie besteht, kurz gesagt, darin, dass aus sittlich guten Gesinnungen auch Taten hervorgehen, die in sittlicher Hinsicht missbilligt werden müssen, mithin moralisch schlecht sind. Zwar äußert sich »das Vernunftinteresse an Freiheit […] in praktischer Hinsicht in dem sittlichen Willen, die Welt nach moralischen Grundsätzen neu zu gestalten« (S. 52). Es zeigt sich jedoch dabei, »daß die Reinheit der Gesinnung die Wirksamkeit der Tat nicht fördert, sondern hemmt, weil in der Welt, wie sie ist, die Gewissenlosen es leichter haben, wirksam zu handeln als die Gewissenhaften« (ebd.). Das für Kant und seine Zeitgenossen wichtigste geschichtliche »Beispiel dafür ist der Umschlag der Französischen Revolution von der Moralität in den Terror« (ebd.). So sieht sich »das Vernunftinteresse an Freiheit […] in den inneren Widerspruch verstrickt, das Gegenteil dessen zu bewirken, was es intendiert hat« (S. 53). Infolgedessen werde der sittliche Wille gelähmt und Trostlosigkeit bemächtige sich des menschlichen Gemüts (vgl. ebd.). Einen Ausweg aus dieser nach Kant unvermeidlichen Dialektik der praktischen Vernunft biete nur das Postulat der Existenz Gottes als des Ermöglichungsgrundes für die praktische Selbstgesetzgebung der Vernunft: »Gerade dadurch, daß sie sich in unvermeidliche Widersprüche verwickelt, zeigt die Selbstgesetzgebung der Vernunft an, daß sie selber die bloße Erscheinung einer anderen Gesetzgebung ist, die sie durch die Weise ihrer Tätigkeit bezeugt. Angewandt auf den praktischen Vernunftgebrauch bedeutet dies: Durch die Dialektik dieses Vernunftgebrauchs erweisen sich die Pflichten, die aus dieser Selbstgesetzgebung der Vernunft hervorgehen, ›als göttliche Gebote‹« (ebd.). Anschließend stellt sich Schaeffler die beiden Fragen, welche Art von Herausforderung die kantische Lehre von der Vernunftdialektik für die (christliche) Theologie bedeute und wie sich diese Vernunft135 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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dialektik unter den philosophiehistorischen Bedingungen von heute darstelle (vgl. S. 53 f.). Auf die erste Frage antwortet er wie folgt: »Während die Theologen die Lehre von der Autonomie der Vernunft oft als Ausdruck menschlicher Anmaßung bewerten, erscheint ihnen die Lehre von der Vernunftdialektik zumeist als Ausdruck skeptischer Verzweiflung: Eine Vernunft, die in unvermeidliche Widersprüche mit sich selber gerät, erscheint nicht nur als unfähig zur Gotteserkenntnis, sondern auch als unfähig, die Wahrheit der innerweltlichen Dinge zu erfassen. […] Wenn die Vernunft sich selbst widerspricht, kann sie der Wahrheit der Dinge nicht entsprechen. Für die Theologie aber scheint sich daraus zu ergeben: Eine solche Vernunft wäre nicht nur zur ›natürlichen Gotteserkenntnis‹ unfähig, sondern zur Erfassung jeglicher Art von Wahrheit ungeeignet, auch zum Verständnis des wahren Gehalts der Glaubensbotschaft« (S. 54). Diese theologische Kritik an Kants Vernunftkritik treffe genau das, was Kant die »Wissens-Anmaßung« der Theologen nennt, die darin bestehe, »aufgrund übernatürlicher Offenbarung, nicht nur über Gott, sondern auch über den Menschen und die Welt Kenntnisse gewonnen zu haben und weitergeben zu können« (ebd.). In Wahrheit geht es dabei aber nicht nur um die vernunftkritische Haltung Kants zu übernatürlichen Offenbarungswahrheiten, sondern auch gegenüber der natürlichen (theoretischen) Gottes- und darüber hinaus auch der (theoretischen) Wirklichkeitserkenntnis. Deshalb habe auch die Transzendentale Theologie »Kants Lehre von der Dialektik des Vernunftgebrauchs nicht rezipiert« (ebd.). Gleichwohl bestehe die positive Herausforderung der Transzendentalphilosophie für die Theologie darin, »Gott nicht als einen Gegenstand unserer Erkenntnis zu begreifen, sondern als deren Ermöglichungsgrund, weil nur die Beziehung auf ihn die Vernunft vor der Selbstaufhebung in unvermeidlichen Widersprüchen bewahrt« (S. 54 f.). Mit anderen Worten: »[D]ie Vernunft [muss], wenn sie ihre eigene unvermeidliche Dialektik erfaßt hat, die Wirklichkeit Gottes und seine Zuwendung zum Menschen ›postulieren‹, wenn sie zur Erfüllung ihrer selbstgesetzten Aufgaben fähig bleiben soll. […] Erst die Einsicht in die unvermeidliche Vernunftdialektik erlaubt es, das Programm aller Transzendentalen Theologie einzulösen« (S. 55): dass, um es mit Thomas von Aquin in seiner Aneignung durch Joseph Maréchal und Karl Rahner zu formulieren, jedes erkennende Subjekt in jedem erkannten Gegenstand Gott miterkennt (vgl. ebd.). Auch der zweiten Frage nach den besonderen philosophiehistori136 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
schen Bedingungen unserer Gegenwart für die Dialektik der Vernunft widmet Schaeffler eine vergleichsweise große Aufmerksamkeit. Im Unterschied zu Kant, der von einer Dualität von Erfahrungsweisen und -welten – der der »›Natur‹ als des Ganzen aller Gegenstände der wissenschaftlichen Empirie und der ›Welt der Zwecke‹ als des Ganzen aller Gegenstände des sittlichen Erkennens« (S. 56) – ausging, rechneten wir heute mit einer Pluralität solcher Erfahrungsweisen und -welten: »So zeigen, um die beiden wichtigsten Beispiele zu nennen, die ästhetische und die religiöse Erfahrung und die ihnen entsprechenden ›Welten‹ ihrer Gegenstände ihre je eigene Struktur, und auch die Kategorien des Verstandes und die ›Grundsätze‹ ihres Gebrauchs gewinnen für jede dieser Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten ihre je besondere Gestalt und Funktion« (ebd.). Die »transzendentalphilosophische These von der Pluralität eigengesetzlicher Weisen der Gegenstandskonstitution durch je spezifische Formen des Anschauens und Denkens« (S. 57) werde von der »Beobachtung der ›Autonomie der Sprachspiele‹« (S. 56 f.) in der jüngeren Sprachphilosophie bestätigt. Denn jede Gegenstandssphäre verlange ihre eigene Sprache (vgl. S. 57). Aus diesem Befund entwickelt Schaeffler den folgenden Vorschlag für die Auflösung der besagten Vernunftdialektik: Angesichts der Eigengesetzlichkeit dieser verschiedenen Sprachspiele und der in ihnen zum Ausdruck kommenden Erfahrungsweisen und -welten (vgl. ebd.) könne Kants Annahme von der Einheit der Vernunft, die seiner Theorie einer immanenten Selbstwidersprüchlichkeit bzw. Dialektik dieser einen Vernunft zugrunde liegt, genau genommen nicht mehr aufrechterhalten werden (vgl. S. 58). In Anwendung auf die (christliche) Theologie bedeute dies: »Die Lehre von der Autonomie der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten macht die Religion und den Glauben zwar gegen alle Einreden im Namen der Wissenschaft und der Moral immun. Aber sie verbietet es zugleich, im Namen von Religion und Glaube Kritik an der Wissenschaft zu üben oder Ansprüche an das moralische Verhalten und das moralische Urteil zu erheben oder Forderungen an das künstlerische Gestalten bzw. den Umgang mit Kunstwerken zu richten« (S. 58 f.). Gleichwohl könne dieser Vorschlag einer Konfliktvermeidung zwischen den verschiedenen Kulturbereichen weder in sprach- noch in transzendentalphilosophischer Hinsicht befriedigen (vgl. S. 59). Sprachphilosophisch sei darauf hinzuweisen, dass es eine reine, von allen anderen getrennte Sachgebietssprache nicht gebe (vgl. ebd.). In transzendentalphilosophischer Hinsicht er137 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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innert Schaeffler daran, dass allen Erfahrungsweisen das Interesse an Freiheit bzw. an der Selbstbestimmung der Vernunft zugrunde liege, die Vernunft aber sei »die Sachwalterin der Gegenstände und ihres Anspruchs gegenüber allen subjektiven Neigungen und Interessen der Individuen« (ebd.). Daher sei »[d]ieser in allen Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten wiederkehrende, weil sie erst ermöglichende Wille zur Selbstbestimmung […] ein wichtiger Hinweis darauf, daß es wirklich die eine Vernunft ist, die, wenn auch auf je spezifische Weise, in all diesen Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten wirksam ist« (S. 60). Daher zeige sich »in der wechselseitigen Durchdringung oder ›Interferenz‹ der Erfahrungsweisen […] jene Einheit der Vernunft, die sich in die Vielfalt der Weisen ihres ›Gebrauchs‹ entfaltet« (S. 61). Und deshalb falle »der Konflikt der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten, den Kant am Beispiel des Konflikts zwischen theoretischem Erkennen und moralischem Wollen oder, von der Objektseite her beschrieben, zwischen der ›Natur‹ und der ›Welt der Zwecke‹ exemplarisch aufgewiesen hat« (ebd.), in die Vernunft selbst und werde dadurch nicht entschärft, sondern vielmehr noch radikalisiert, indem die verschiedenen Formen der Vernunftautonomie einander gleichsam im Wege stünden (vgl. ebd.): »In der im Sinne Kants wissenschaftlich verstandenen Welt kann man keine freien Taten setzen, obgleich die sittliche Erfahrung gerade dies verlangt; in der rein moralisch verstandenen Welt der Zwecke kann man nicht auf Gnade hoffen, obgleich die Botschaft von der Gnade nur dem verständlich wird, der die moralische Erfahrung der Schuld gemacht hat« (ebd.). Mit anderen Worten: »Wegen der wechselseitigen Durchdringung (Interferenz) der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten bleiben die Ideen der einen Welt und des einen Aktes ›Ich denke‹ in regulativer Kraft. Wegen der Strukturdifferenz der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten aber erweisen die Vernunftaufgaben, die durch diese Ideen gestellt sind, sich als unerfüllbar« (ebd.). Diese verschärfte gegenwärtige Gestalt der Vernunftdialektik fordere die (christliche) Theologie dazu auf, Gott als jene Wirklichkeit zu denken, »deren freie Zuwendung zum Menschen die kontingente Fähigkeit zur Erfahrung angesichts ihrer drohenden Selbstaufhebung wiederherzustellen vermag« (S. 62). In dieser Perspektive könnte die christliche Theologie »die Zeugnisse des Glaubens, vor allem seine biblischen Zeugnisse, als Ausdrucksformen dieser Erfahrung davon […] lesen, wie dem Menschen die Bedrohtheit und damit die Kontingenz seiner Erfahrungsfähigkeit im Ganzen bewußt geworden ist und wie er die wieder138 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
geschenkte Befähigung zur Erfahrung als freie Gabe Gottes verstehen gelernt hat« (ebd.). Die Auflösung der geschilderten Vernunftdialektik aber könne im Sinne Kants nur durch Vernunftpostulate erreicht werden, sodass Kants postulatorischer Vernunftglaube für die Theologie neue Aktualität gewinnen sollte (vgl. S. 63). An diesem Punkt der Argumentation Richard Schaefflers sollten wir kurz innehalten und uns Folgendes fragen: Ist es christlich und biblisch gesehen wirklich so, dass der primäre Zweck der Heilsgabe Gottes an den Menschen die Wiederherstellung seiner widerspruchsfreien Erfahrungsfähigkeit bzw. die Auflösung der angeblich unvermeidlichen Dialektik der Vernunft ist, an der jeder Mensch partizipiert? Diese Frage hat selbstredend einen rhetorischen Charakter, denn es ist die (vermeidbare) Entzweiung des Menschen in seinem Willen von Gott, die nach biblischem und christlichem Verständnis durch die Heilsgabe Gottes an den Menschen aufgelöst wird, nicht eine unvermeidliche Dialektik seines (theoretischen wie praktischen) Vernunftgebrauchs. In seinem ehrenwerten Bemühen, die Relevanz des transzendentalphilosophischen Denkens für die christliche Theologie aufzuweisen, nimmt Richard Schaeffler deren Selbstverständnis hier leider nicht mehr hinreichend zur Kenntnis. Die fünfte These Schaefflers zur Herausforderung bzw. Bedeutung der Transzendentalphilosophie für die (christliche) Theologie lautet: »Die Dialektik der Vernunft kann nur durch einen ›postulatorischen Vernunftglauben‹ aufgehoben werden« (ebd.). Zunächst schildert Schaeffler in einem ersten Unterkapitel die sich in der Abfolge seiner Schriften fortlaufend verschärfende Entwicklung der Postulatenlehre bei Kant. Innerhalb dieser Entwicklung bleibe allerdings jener Satz konstant, »der den Zusammenhang von Moral und postulatorischem Vernunftglauben beschreibt: ›Religion ist die Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote.‹ Die Existenz Gottes wird deshalb postuliert, weil das Sittengesetz, das uns unsere Pflichten vorschreibt, nur dann nicht als widersprüchlich erscheint, wenn es als göttliches Gebot verstanden wird« (S. 64). Mit der Postulatenlehre Kants beschäftigt sich Schaeffler unter dem Aspekt der Frage, was diese Lehre zur Auflösung der Vernunftdialektik beitrage (vgl. ebd.). In der Kritik der praktischen Vernunft sehe Kant die Quelle der Vernunftdialektik darin, dass in der bestehenden Welt Unschuldige leiden, weil gute Gesinnungen den Erfolg der Handlungen nicht garantieren könnten. Kant finde eine Lösung für diese Vernunftdialektik darin, »das Sittengesetz dem gleichen Gesetzgeber zuzuschrei139 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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ben, der auch das Naturgesetz gegeben hat. Dann kann man hoffen, daß ein ›moralischer Urheber der Natur‹ deren Kausalreihen so geordnet habe, daß wenigstens am Ende aller Kausalreihen diejenigen glücklich sein werden, die es verdient haben. Da diese Übereinstimmung von ›Glückwürdigkeit‹ und Glückseligkeit in diesem Leben bis zu seinem Ende offensichtlich nicht eintritt, setzt die soeben erwähnte Hoffnung zugleich die Annahme eines künftigen Lebens nach dem Tode, also die Unsterblichkeit der Seele, voraus« (ebd.). In seinen späteren Schriften, insbesondere in seiner Religionsschrift, habe Kant eine andere Auflösung der Vernunftdialektik gesucht, nachdem er diese insofern verschärft hatte, als der Zweck des Sittengesetzes durch unsere moralische Anstrengung nicht erreicht werden könne (vgl. S. 66). Daher sei Kant zu einer »›Deduktion der Idee einer Rechtfertigung‹, d. h. zu einer philosophischen Aneignung der paulinischen Lehre von der Rechtfertigung des Sünders und ihrer reformatorischen Auslegung« (ebd.), aber auch zu der Frage gekommen, »wie die ›Zueignung‹ dieser ›fremden Gerechtigkeit‹ zu denken sei, ohne daß dadurch die Autonomie der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche aufgehoben wird« (ebd.). Eine Antwort auf diese Frage habe Kant allerdings nur in verstreuten Äußerungen über die Wirksamkeit des Heiligen Geistes vorgetragen. Deren Grundgedanken fasst Schaeffler wie folgt zusammen: »Daß wir, trotz der Unreinheit unserer Gesinnung und der daraus resultierenden ›Tücke des Herzens‹ zum Gewissensurteil fähig sind, erweist die Einwohnung des richtenden Geistes Gottes in unserm Herzen. Er ist ›der eigentliche Richter der Menschen (vor ihrem Gewissen)‹. Und ebendiesem uns einwohnenden Geist können wir uns zugleich als dem ›Parakleten‹ anvertrauen, ›wenn uns unsere Fehltritte wegen ihrer Beharrlichkeit besorgt machen‹« (S. 66 f.). Der richtende Gott befähige uns Menschen nicht nur zu unserer Selbstverurteilung im Gewissen, sondern auch zu einer Umkehr, die uns aus eigener Kraft nicht möglich wäre: »Indem wir die ›Erkenntnis unserer Pflichten‹ auf den Urteilsspruch des uns einwohnenden Gottesgeistes in seiner Eigenschaft als Richter zurückführen, dürfen wir unsere Kraft, dem Gewissensruf zu folgen, von der Einwohnung des gleichen Gottesgeistes als unseres Trösters (›Parakleten‹) erhoffen« (S. 67). Und noch einmal Schaeffler über Kant: »Dabei nimmt der solchermaßen uns einwohnende Geist uns weder das Gewissensurteil noch die Fähigkeit zur Umkehr ab und schränkt insofern die Selbstgesetzgebung der Vernunft nicht ein; aber er macht uns trotz der Unreinheit unserer Gesinnung, deren das Sittengesetz 140 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
uns überführt, zum Gewissensurteil und zur Umkehr fähig und stellt insofern die Selbstgesetzgebung der Vernunft wieder her, nachdem diese durch unsere eigene Schuld in der Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs verlorenzugehen drohte« (ebd.). Daher ermögliche »die ›Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote‹ […] das Verständnis unserer Taten als solcher Zeichen, die uns rememorativ an unseren Auftrag erinnern, demonstrativ Gottes gegenwärtiges Wirken zu bezeugen und prognostisch auf das kommende Gottesreich (für Kant identisch mit der moralischen Weltordnung) vorauszuweisen. Und das gleiche Verständnis unserer selbstgegebenen Pflicht macht es möglich, das Gewissensurteil, das wir selber über uns sprechen, als die Erscheinungsgestalt eines Urteils zu begreifen, das der in uns einwohnende Richter-Geist über uns spricht, und so auch die Fähigkeit zur Umkehr, die das selbstgegebene Sittengesetz uns abverlangt, als Gabe des gleichen uns einwohnenden Geistes, nun in seiner Eigenschaft als Tröstergeist, zu erhoffen. Die Selbstgesetzgebung der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche und die dieser Gesetzgebung entsprechende Gesinnung und Tat verlieren ihre sonst unaufhebbare Widersprüchlichkeit, wenn sie als die Gegenwartsgestalten eines göttlichen Gebietens, Urteilens und ›Tröstens‹ und in alledem als Folgen eines ›Urteilsspruchs aus Gnade‹ verstanden werden« (S. 69). Diese Deutung der entsprechenden religionsphilosophischen Aussagen des späten Kant mutet zwar wie eine pia interpretatio Kants an, sie dürfte dessen Selbstverständnis aber durchaus gerecht werden. Doch ist sie auch in der Sache richtig? Daran bestehen allerdings berechtigte Zweifel, denn unsere sich aus dem Sittengesetz ergebenden sittlichen Pflichten sind mit den göttlichen Geboten qua revelatione nicht kongruent und deswegen auch als Zeichen für das Gottesreich nicht suffizient. Unser Gewissensurteil ist nicht schon per se Erscheinungsgestalt eines göttlichen Urteils, das der in uns wohnende Richter-Gott über uns spricht, denn unser eigenes Gewissensurteil ist irrtumsfähig, das Gottesurteil aber nicht. Deshalb dürfte hier eine Funktionalisierung und Instrumentalisierung der Gnade für die Aufhebung der Dialektik bzw. Widersprüchlichkeit der Selbstgesetzgebung der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauch vorliegen. Dieser Einwand wird durch Schaefflers Annahme bestätigt, dass die so verstandene Autonomie der Vernunft »selber zur Erscheinungsgestalt eines göttlichen Gnadenwirkens« (S. 70) werde. Denn damit wird das natürliche Erkenntnisvermögen der menschlichen Vernunft zu einer Gnadengabe Gottes gemacht. Das aber wi141 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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derspricht zumindest dem Gnadenverständnis christlicher Theologie, das zwischen Natur und Gnade grundsätzlich unterscheidet: Denn nach ihm kann die Natur bzw. Schöpfung als solche nicht eine Wirkweise der Gnade Gottes sein. In einem zweiten Unterkapitel zu dieser fünften These behandelt Schaeffler die Postulatenlehre Kants im Kontext seiner, d. h. Schaefflers eigener Theorie der »Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit« (ebd.). Er beginnt hier mit der These, dass die von Kant diagnostizierte Dualität der Erfahrungsweisen und -welten des Menschen in unserer Gegenwart zu einer Pluralität geworden und dass deren Strukturdifferenz deutlich hervorgetreten sei (vgl. ebd.). Zudem seien neue Inhalte hinzugekommen, die eine Veränderung ihrer Anschauungsund Begriffsformen erzwingen, wie etwa im Bereich der Zeitanschauung und der Kausalkategorie im Übergang von der klassischen Mechanik zur Quantenphysik (vgl. ebd.). Daher müsse das Erfahrungsmodell einer Anwendung immer gleicher Anschauungs- und Begriffsformen auf einen wechselnden Stoff des subjektiven Erlebens abgelöst werden von einer Theorie der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit, nach der durch die Formen unseres Anschauens und Denkens ein Anspruch der Wirklichkeit zur Sprache komme, der »›größer‹ ist, als daß er innerhalb dieser Formen angemessen zur Sprache gebracht werden könnte, und der dadurch eine Umgestaltung dieser Formen erzwingt« (S. 71). Dabei insistiert Schaeffler auf den responsorischen Charakter unseres Anschauens und Denkens, »durch die wir einen Anspruch zur Sprache bringen, der diese unsere Antwort zugleich als überbietungsbedürftig erweist. Auf neue Weise beantwortet, kommt auch dieser Anspruch auf wiederum neue Weise zur Sprache« (ebd.). »[D]ieses dialogische Zur-Sprache-Bringen des je größeren Anspruchs hat für jede Erfahrungsweise und die ihr korrespondierende Erfahrungswelt eine eigene Gestalt. Die Weise, wie der Inhalt der wissenschaftlichen Empirie eine Veränderung der Weisen wissenschaftlichen Anschauens und Begreifens erzwingt, ist von anderer Art als die ›Exorbitanz‹, mit der der Inhalt der ästhetischen Erfahrung alles bisherige Anschauen und Begreifen aus dem Geleise wirft, oder die unbedingte Verpflichtungskraft, mit der der Inhalt der sittlichen Erfahrung alles Kalkül von Zwecken und Mitteln zunichtemacht« (ebd.). Diese Annahme eines zumindest partiell responsorischen Charakters unserer Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit verdient m. E. ungeteilte Zustimmung, auch wenn damit die jeweiligen Anteile unseres subjektiven Anschauens und Denkens und der 142 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
unserem Wahrnehmen und Begreifen vorgegebenen, gleichsam objektiven Wirklichkeit am Zustandekommen unserer je eigenen Erfahrung damit noch in keiner Weise bestimmt sind. Mit dieser Annahme eines zumindest partiell responsorischen Charakters unserer Erfahrung wird allerdings der transzendentalphilosophische Ausgangspunkt von Schaefflers transzendentaler Theologie genau genommen verlassen. Denn dann ist es nicht mehr das Subjekt allein, welches seine jeweilige Erfahrungs- bzw. Gegenstandswelt aufbaut. Man könnte hier auch von einer Überwindung – Schaeffler bevorzugt den Ausdruck der Weiterentwicklung – der Transzendentalphilosophie durch eine Theorie der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit sprechen. Darüber hinaus lehnt Schaeffler auch eine Hierarchie innerhalb unserer Anschauungs- und Denkformen ab, wenn er sagt: »Und entsprechend gibt es kein übergeordnetes System der Anschauungs- und Denkformen, als deren Derivate die verschiedenen Weisen verstanden werden könnten, wie wir in unterschiedlichen Weisen des Erfahrens subjektive Eindrücke in Inhalte objektiv gültiger Erfahrung transformieren, auch nicht das sogenannte ›vorwissenschaftlich-lebensweltliche‹ Erfassen der Wirklichkeit« (S. 72). Denn auch das lebensweltliche Anschauen und Erfassen der Wirklichkeit erweise sich letztlich »als Ergebnis der wechselseitigen Beeinflussung unserer unterschiedlichen Erfahrungsweisen« (ebd.). Und wegen dieser »wechselseitigen Durchdringung (Interferenz) der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten bleiben die Ideen der einen Welt und des einen Aktes ›Ich denke‹ in regulativer Kraft. Wegen der Strukturdifferenz der Erfahrungsweisen und Erfahrungswelten aber erweisen die Vernunftaufgaben, die durch diese Ideen gestellt sind, sich als unerfüllbar« (ebd.). Weil also diese Ideen uns eine ebenso unabweisliche wie unerfüllbare Vernunftaufgabe vor Augen stellten, gerieten sie und damit auch die ihnen zugrundeliegende Vernunft in einen Widerspruch mit sich selbst, der aufgelöst werden müsse (vgl. ebd.). Für diese Auflösung habe Kant im Bereich der sittlichen Erfahrung einen wichtigen Hinweis durch sein Verständnis der sittlichen Pflichten als göttlicher Gebote gegeben und damit die Selbstgesetzgebung der Vernunft als Erscheinungsgestalt einer göttlichen Gesetzgebung verstanden (vgl. S. 73). Und wenn im göttlichen Geber des Sittengesetzes zugleich der Schöpfer der Naturgesetze verstanden und damit die Gesetzmäßigkeit der Natur auf einen göttlichen Gesetzgeber zurückgeführt werde, dann könne auch die Autonomie der theoretischen Vernunft als Erscheinungsgestalt einer göttlichen Weltgesetzgebung 143 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Anhänge
verstanden werden (vgl. ebd.). Da der späte Kant sogar auch noch »das Gewissensurteil, das wir selbst über uns sprechen, aber auch die Umkehr, die wir selber vollziehen müssen, zugleich als Erscheinungsgestalten des uns einwohnenden göttlichen Geistes verstanden« (ebd.) habe, plädiert Schaeffler dafür, alle unsere auf den je größeren Anspruch bzw. den Maßgeblichkeitscharakter des Wirklichen antwortenden Erfahrungsweisen »als die Erscheinungsgestalt eines Anspruchs zu begreifen, der in absoluter Weise größer ist als unser Anschauen und Denken, obgleich wir ihn nur in dieser unserer Antwort für uns und andere vernehmbar machen« (S. 74). Deshalb möchte Schaeffler die Postulatenlehre Kants wie folgt weiterentwickeln: »Die wichtigsten der Vernunftpostulate, die auf solche Weise zustandekommen, lassen sich auf folgende Weise formulieren: Die Vielfalt der Weisen, wie das Wirkliche uns in Anspruch nimmt und zum Aufbau je unterschiedlicher Erfahrungswelten herausfordert, darf als eine Vielfalt von Abbild- und Gegenwartsgestalten der einen Weise verstanden werden, wie wir ›in omnitudine realitatis‹, d. h. in allem, was ist und geschieht, von einer göttlichen Wirklichkeit in Anspruch genommen und zur Antwort herausgefordert werden. Und die Vielfalt der Subjektivitätsweisen, mit denen wir uns als Forschersubjekte, als Subjekte der ästhetischen, der sittlichen oder der religiösen Erfahrung verstehen und verhalten, darf als eine Vielfalt der Abbild- und Gegenwartsgestalten der einen Weise verstanden werden, wie Gott den Menschen weiß und ihn in allem, was ist und geschieht, unter seine Anrede stellt« (S. 74 f.). An dieser »Weiterentwicklung« ist bemerkenswert, dass sie im Unterschied zu Kants Verständnis von Erfahrung von einem Anspruchs- und Maßgeblichkeitscharakter der Wirklichkeit für das menschliche Anschauen und Denken ausgeht und dass sie die Vielfalt menschlicher Erfahrungsweisen als eine Erscheinungsgestalt der göttlichen Anrede an den Menschen versteht; Letzteres ist allerdings zugleich höchst ambivalent, da menschliche Erfahrungsweisen von Wirklichem diese (mögliche) Anrede und diesen (möglichen) Anspruch Gottes auch verdrängen bzw. ignorieren können. Grundsätzlich verdient Schaefflers Resümee zu seiner Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie bzw. genauer der Postulatenlehre Kants allerdings uneingeschränkte Zustimmung: »[J]eder Gegenstand der Erfahrung und sein Anspruch an unser Anschauen und Denken kann zur Gestalt werden, in der Gott dem Menschen begegnet. Denn die in der Vernunftdialektik bedrohte und als kontingent erwiesene Fähigkeit zur Erfahrung wird dadurch wieder144 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
hergestellt, daß der Anspruch des Wirklichen, den wir beantworten, als Erscheinungsgestalt der göttlichen Zuwendung verstanden wird. […] [Es geht] um ein Verständnis der Erfahrung als Dialog, der mit der Weltwirklichkeit nur deshalb geführt werden kann, weil er den Anspruch des Wirklichen als Gegenwartsgestalt einer freien göttlichen Anrede entziffert« (S. 75 f.). Es sollte dabei aber bedacht bleiben, dass jeder Gegenstand unserer Erfahrung als Erscheinungsgestalt einer göttlichen Zuwendung verstanden werden kann, aber nicht verstanden werden muss, und dass diese (mögliche) Erscheinungsgestalt des Göttlichen für uns Menschen den klassischen metaphysischen Entwurf einer Seinspyramide mit Gott an ihrer Spitze und der Werte-Skala mit Gott als absolutem Wert, d. h. Gott als summum ens und als summum bonum (vgl. S. 75), nicht falsifiziert und deshalb auch nicht verdrängen oder ersetzen sollte. 4.
»Aufgaben und erreichte Ergebnisse«
Im letzten großen Abschnitt (D) dieses ersten Teils von Schaefflers »Transzendentaler Theologie« resümiert Schaeffler die bislang erreichten Ergebnisse und formuliert die Aufgaben einer transzendentalen Theologie. Dabei geht er in einem ersten Kapitel auf die philosophischen und theologischen Einwände gegen die transzendentale Theologie und den Versuch einer Weiterentwicklung der transzendentalen Methode ein. Schaeffler geht dabei von seiner Überzeugung aus, dass »[d]ie hier vorgeschlagene Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie zu einer Theorie der Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklichkeit […] Wege [eröffnet], die Aufgaben, die die Transzendentale Theologie Maréchals und Rahners sich gestellt hat, auf neue Weise in Angriff zu nehmen« (S. 77). Zunächst weist Schaeffler mit Recht darauf hin, dass sein Konzept einer Transzendentalen Theologie vom theologischen Vorwurf der Geschichtslosigkeit gegenüber der transzendentalen Theologie bei Maréchal und Rahner nicht betroffen sein dürfte, weil es ein Verständnis von Erfahrung als Dialog mit der (geschichtlichen) Wirklichkeit vertritt (vgl. S. 77 f.). Vielmehr könnte nach Schaefflers Überzeugung eine »Transzendentalphilosophie solcher Art […] [sogar] dazu dienen, auch die Geschichte Gottes mit den Menschen transzendental zu deuten, also etwa Ereignisse wie die Zerstörung des Tempels oder auch die Kreuzigung Jesu […], [und dadurch] zu zeigen, wie an derartigen Ereignissen eine ganze Erfah145 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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rungswelt zum Einsturz kommt und wie die Entstehung eines neuen Kontextes, innerhalb dessen diese Ereignisse eine neue Antwort des Menschen hervorrufen können, als unerzwingbares Faktum (theologisch gesprochen: als Folge einer freien göttlichen Gnaden-Zuwendung) erfahren wird« (S. 78). Auf den zweiten theologischen Einwand gegen die transzendentale Theologie, nämlich den Vorwurf ihrer Entfremdung gegenüber der gesellschaftlichen Praxis, kann Schaeffler in diesem Zusammenhang zugegebenermaßen nicht hinreichend eingehen. Er verleiht jedoch seiner festen Überzeugung Ausdruck, dass »die Reflexion auf die Formen und Inhalte gesellschaftlicher Praxis mit zum Themenfeld der transzendentalen Reflexion« (S. 79) gehöre. Dem philosophischen Einwand gegen die Transzendentalphilosophie, diese schließe »mit ihrer Lehre von der Konstituierung der Gegenstände durch unser Anschauen und Denken […] den Menschen in die Welt der bloßen Erscheinungen ein und setze ihn, innerhalb dieser Welt, an die Stelle des Schöpfers« (ebd.), hält Schaeffler zwei Argumente entgegen: »Einerseits ist jene Eigentätigkeit der Vernunft, die nach transzendentalphilosophischer Überzeugung in der Tat die Gegenstände unserer Erfahrung konstituiert, dazu bestimmt, uns aus der bloßen Subjektivität unserer Erlebnisse zu befreien und den Gegenständen den Ort einzuräumen, an dem sie ihren Maßgeblichkeitsanspruch geltend machen können. Andererseits wird in jener weiterentwickelten Form der Transzendentalphilosophie, die hier vorgeschlagen wurde, diese Gegenstandskonstitution als Antwort verstanden, die zwar nötig ist, wenn der Anspruch des Wirklichen zur Sprache kommen soll, die aber diesen Anspruch als den ›je größeren‹, unserem Anschauen und Begreifen überlegenen zur Geltung bringt. Darüber hinaus aber wurde diejenige Tätigkeit der Vernunft, aus der die Welt unserer Gegenstände hervorgeht, als Ausdruck einer Fähigkeit begriffen, die stets bedroht ist, sich dadurch als kontingent erweist und nach ihrer ›realen‹, aller Tätigkeit des Subjekts ermöglichend vorausgehenden Bedingung befragt werden kann, auch wenn diese Bedingung nicht abseits von dieser unserer Tätigkeit, sondern nur in ihr selbst wirksam wird« (S. 79 f.). Mit anderen Worten: Durch seine »Weiterentwicklung« des transzendentalphilosophischen Erfahrungsbegriffs zu einer Theorie der Erfahrung als Dialog mit dem je größeren Anspruch der Wirklichkeit entgeht Schaeffler in der Tat dem philosophischen Vorwurf eines reinen Subjektivismus gegenüber der früheren, von Maréchal, Rahner und Lotz repräsentierten Gestalt einer transzendentalen Theologie. Sie entgeht jedoch 146 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
nicht dem nicht nur möglichen, sondern naheliegenden transzendentalphilosophischen Einwand gegen Schaefflers »Weiterentwicklung« der Transzendentalphilosophie, dass diese den erkenntnistheoretischen Ansatz der Transzendentalphilosophie bereits verlassen hat. Denn wenn nach transzendentalphilosophischer Überzeugung, um hierfür Schaeffler selbst zu zitieren, »alles, was uns als ›gegeben‹ gegenübertritt, aus der konstitutiven Tätigkeit unseres Anschauens und Denkens hervorgeht, kann dieser Tätigkeit nichts ›vorausgehen‹ als die Selbstgesetzgebung der Vernunft, die sich ihre Ziele selber setzt und die Verpflichtungskraft dieser Ziele an keinem anderen Kriterium misst als daran, ob diese Zielsetzung nötig ist, wenn der Aufbau einer Erfahrungswelt möglich sein soll. Man kann, so ist der Nerv dieses kritischen Arguments, nicht die Lehre von der transzendentalen Gegenstandskonstitution übernehmen und die Lehre von der rein regulativen Kraft der Ideen von dieser Übernahme aussparen. Ist die Vernunft bei der Konstitution ihrer Gegenstände autonom, dann ist sie es auch in der Bestimmung der Ziele, auf die sie sich bei ihrer Tätigkeit ausrichtet. Ja, die Selbstgesetzgebung in der Bestimmung ihrer Ziele ist die Bedingung ihrer Selbstbestimmung beim Aufbau ihrer Gegenstandswelt« (S. 28). Diese transzendentalphilosophische Kritik an der früheren Gestalt Transzendentaler Theologie, dass ihre Anerkennung der Vernunftautonomie nicht weit genug gehe, muss man aus ihrer Sicht noch sehr viel stärker gegen die Transzendentale Theologie Schaefflers richten. Gegen diesen (möglichen und naheliegenden) Vorwurf versucht Schaeffler zwar, seine transzendentale Theologie durch seinen Verweis auf die Vernunftdialektik bei Kant und dessen eigene Vorschläge für deren Auflösung schon im Vorhinein zu verteidigen und damit Kant gegen einen radikalen transzendentalphilosophischen Ansatz gleichsam in Schutz zu nehmen. Diese Argumentationsstrategie würde jedoch diejenigen idealistischen Transzendentalphilosophen, die den diesbezüglich vergleichsweise spärlichen religionsphilosophischen Überlegungen des späten Kant zur Auflösung der Vernunftdialektik im Bereich der Sittlichkeit und der Natur nicht zu folgen bereit sind, schwerlich überzeugen können. Den Titel »Transzendentale Reflexion und Theologie – Zukunftsmöglichkeiten ihrer Begegnung« dieses ersten Teils des vorliegenden Büchleins greift Schaeffler am Ende seines vierten Abschnitts (D) wieder auf, wenn er in einem zweiten Kapitel die »Zukunftsmöglichkeiten einer Begegnung« zwischen seiner Weiter147 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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entwicklung der transzendentalen Philosophie zu einer Theorie der Erfahrung als Dialog mit der (je größeren) Wirklichkeit mit der christlichen Theologie erörtert. Ein erstes Themenfeld dafür ist nach Schaeffler das transzendentaltheologische Verständnis der Heiligen Schrift als »Gotteswort im Menschenwort«. Denn »eine philosophische Theorie, nach welcher wir den Anspruch jeder Wirklichkeit nur in der Gestalt der Antwort vernehmen und anderen vernehmbar machen, die wir in unserem Anschauen und Denken auf diesen Anspruch gegeben haben, könnte in dieser Hinsicht ein Gesprächsangebot an die Theologen sein. Und dieses Gesprächsangebot könnte für die Theologen umso fruchtbarer sein, wenn diese philosophische Theorie zugleich aufzeigen kann, daß der von uns beantwortete Anspruch sich, inmitten der Antwort, die wir geben, stets als der ›je größere‹ erweist und sich so von unseren bloß subjektiven Meinungen unterscheidet« (S. 80 f.). Dieses Angebot klingt prima facie höchst attraktiv und willkommen. Doch wie will eine philosophische Theorie der Erfahrung jeweils überzeugend aufzeigen können, dass der von uns beantwortete Anspruch der Wirklichkeit »je größer«, d. h. die Erscheinungsgestalt eines göttlichen Anspruchs ist? Und wie will sie plausibel machen können, dass in der Heiligen Schrift einer Glaubensgemeinschaft wie der christlichen, d. h. in der Bibel, tatsächlich ein (geoffenbartes) Gotteswort – wenn auch gleichwohl nur in der Erscheinungsgestalt eines Menschenwortes – vorliegt? Mit anderen Worten: Schaeffler bürdet seiner transzendentalen Theologie eine erhebliche Begründungslast auf, von der fraglich bleibt, ob und wie sie diese wird schultern können. Diese kritische Anfrage gilt umso mehr für das zweite Themenfeld der von Schaeffler vorgeschlagenen Begegnung zwischen der Transzendentalphilosophie und der christlichen Theologie, nämlich für die biblisch bezeugte Einheit von Gottes- und Nächstenliebe: »Eine philosophische Theorie, die die Möglichkeit, den Anspruch des Wirklichen zu vernehmen, als kontingent und bedroht begreift und auf die postulatorische Hoffnung gründet, die vielfältigen Weisen, wie uns das Wirkliche in Anspruch nimmt, werden sich als Fülle von Gegenwartsgestalten einer göttlichen Zuwendung verstehen lassen, könnte in dieser Hinsicht ein Gesprächsangebot an die Theologen sein. Und dieses Gesprächsangebot könnte für die Theologen umso fruchtbarer sein, wenn diese philosophische Theorie zugleich aufzeigen kann, daß jene göttliche Zuwendung, die uns aus unserer Selbstverfangenheit befreit, ein ungeschuldeter Ausdruck einer göttlichen 148 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
Freiheit ist; denn die Kontingenz unserer Erfahrungsfähigkeit kann nicht auf eine ihrerseits notwendig wirkende, sondern nur auf eine frei handelnde Bedingung zurückgeführt werden« (S. 81). Denn wie kann die postulatorische Hoffnung, dass die vielfältigen Anspruchsformen der Wirklichkeit sich als die Gegenwartsgestalten einer freien göttlichen Zuwendung verstehen lassen, die uns aus unserer Selbstverfangenheit befreien will, als ein göttlicher Anspruch einsichtig gemacht werden, der uns Menschen zur Einheit von Gottes- und Nächstenliebe ruft? Um nicht missverstanden zu werden: Diese Rückfragen sind nicht rhetorischer Natur und unterstellen damit nicht die Unmöglichkeit einer Realisierung der gestellten Aufgabe; sie sollen vielmehr die Größe bzw. den Schwierigkeitsgrad dieser Aufgabe sichtbar machen. Ein drittes Themenfeld dieser Begegnung sieht Schaeffler im Zusammenhang zwischen Glaube und Weltverantwortung des Gläubigen und damit in der Frage gegeben, »ob und wie die Glaubensbotschaft ihre Unverwechselbarkeit wahren und gleichzeitig zeigen könne, daß sie über den engeren Rahmen ›religiöser‹ Fragen hinaus auch in ›weltlichen‹ Zusammenhängen bedeutsam ist« (ebd.). Diese Aufgabenstellung hält Schaeffler für relativ leicht erfüllbar. Denn erstens könne eine Theorie der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit zeigen, »daß jener Kontext, innerhalb dessen die einzelnen [religiösen] Inhalte ›Bedeutung‹ besitzen, möge dieser Kontext nun ›das Leben‹ oder ›die Gesellschaft‹ heißen, nicht unveränderlich vorgegeben ist, sondern durch die Auseinandersetzung mit konkreten Inhalten der Erfahrung immer neu aufgebaut und umgestaltet wird. Insofern hat jede einzelne Erfahrung in ihrer konkreten Unverwechselbarkeit immer schon ›Bedeutung‹ für das Ganze, nicht nur als besonderer Inhalt in einem unverändert bleibenden Zusammenhang, sondern zugleich als vorantreibendes Moment seiner Umgestaltung. Und zweitens kann eine Theorie der Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklichkeit die spezifische Bedeutung religiöser Erfahrung und des Zeugnisses von ihr deutlich machen: Die Unverwechselbarkeit der spezifisch religiösen Erfahrung besteht darin, daß sie den, der sie macht, einerseits an die Grenze seiner Erfahrungsfähigkeit im Ganzen führt und ihn andererseits unter den Anspruch und die Zusage jener unverfügbar freien Willensmacht stellt, deren Wirklichkeit in einer allgemeinen Theorie der Erfahrung nur postuliert werden kann. Die angemessene Antwort, in der diese Begegnung vollzogen wird, ist freilich nicht der Begriff, sondern der Name. Dessen An149 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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rufung ist stets (im religiösen wie im außerreligiösen Zusammenhang) diejenige Sprachhandlung, durch die der Eintritt in eine Korrelation mit dem Angerufenen vollzogen wird« (S. 82 f.). Dass eine Theorie menschlicher Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklichkeit die besondere Eigenart und auch die allgemeine gesellschaftliche Bedeutung der spezifisch religiösen Erfahrung sichtbar machen kann, auch wenn von ihr die Wirklichkeit der in der religiösen Erfahrung adressierten »unverfügbar freien Willensmacht« nur postuliert werden kann, erscheint durchaus plausibel.
Zweiter Teil: »Transzendentalphilosophie und Theologie« 1.
»Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität – oder: Die späte Trauer um einen ›überwundenen Feind‹?«
Im ersten Abschnitt (A) dieses zweiten Teils seines Buches reflektiert Schaeffler das Verhältnis zwischen christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjektivität, das lange Zeit durch eine »Frontstellung« bzw. Gegnerschaft geprägt war. Eine lange Zeit hindurch sei die »Christliche Philosophie« ein Synonym für »Scholastische Philosophie«, d. h. eine schulbildende Philosophie, gewesen, für eine »philosophia perennis«, d. h. »eine die wechselnden Generationen überdauernde Philosophie, die den einzelnen Philosophen dazu auffordert, sich an die empfangene Tradition anzuschließen, um sie lebendig weiterzuentwickeln« (S. 87). Daher habe die Fortbildung der Tradition aristotelischer Metaphysik mit ihrem Willen zur Objektivität als die normative Gestalt christlicher Philosophie gegolten, weil diese »Vorhof des Glaubens« (praeambula fidei) sein sollte. Die neuzeitliche Philosophie sei demgegenüber als »Philosophie der Subjektivität« verstanden und disqualifiziert worden (vgl. S. 88). Allerdings sei »[d]ie scholastische Philosophie im Sinne eines christlichen Aristotelismus, die von ihren Vertretern für die allein christliche gehalten wird, […] niemals bloße Erforschung des Mittelalters gewesen« (S. 89). Die scholastische Philosophie habe nicht »zum Mittelalter zurückkehren«, sondern im lebendigen Anschluss an die Tradition einen Beitrag zur jeweils gegenwärtigen philosophischen Diskussion leisten wollen (vgl. ebd.). »Darum hat sie in jeder ihrer Epochen ihre Gesprächspartner unter den philosophischen Zeitgenossen gesucht« (ebd.). Als ein solcher Gesprächspartner bot sich zu150 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
nächst Husserl mit seinen Logischen Untersuchungen und dem Programmruf »Zu den Sachen selbst!« an, der dem Objektiven den Vorrang vor dem Subjektiven geben sollte; umso größer sei die Enttäuschung gewesen, als Husserl seine eigene phänomenologische Methode als eine besondere Art von Transzendentalphilosophie verstanden wissen wollte (vgl. S. 89 f.). Ein zweiter möglicher Bundesgenosse im Kampf gegen die neuzeitliche Philosophie der Subjektivität sei Max Scheler gewesen. Dessen »Schrift ›Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik‹ war eine Programmschrift der Überwindung von Kants Kritik. ›Werte‹ sind nicht in der Form des moralischen Urteils begründet, sondern werden als Inhalte, die aller subjektiven Tätigkeit vorgeordnet sind, in besonderen Akten des ›Wert-Fühlens‹ erfaßt. Und sein zweibändiges Werk ›Vom Ewigen im Menschen‹ weckte die Hoffnung, nun sei endgültig jene ›Wendung zum Objektiven‹ vollzogen, die das Kennzeichen der ›katholischen Religionsphilosophie‹ ausmache« (S. 90). Dabei schien »den katholischen Anhängern Schelers nicht deutlich genug bewußt zu sein, daß Scheler selbst sich die ›neuzeitliche‹ Kritik an der klassischen Metaphysik zu eigen machte und vor allem die Möglichkeit von Gottesbeweisen bestritt. Und schließlich war die Enttäuschung wiederum groß, als der späte Scheler eine Wendung vollzog, die seine ›katholische Phase‹ beendete und, durch eine Lehre vom ›werdenden Gott‹, sich als ungeeignet erwies, einer christlichen Philosophie als Grundlage zu dienen. Wer in dieser Lage den ›katholischen‹ gegen den ›pantheistischen‹ Scheler verteidigen wollte, mußte sich bemühen, Schelers Wendung psychologisch zu erklären (aus seiner Beschämung über das eigene moralische Versagen). Mit diesem Erklärungsversuch hat vor allem Dietrich v. Hildebrand viel Zustimmung unter katholischen Philosophen und Theologen gefunden. Damit ließ man sich freilich auf ein Verfahren ein, das man sonst entschieden bekämpfte: das Verfahren, die logische Prüfung eines philosophischen Gedankens durch die versuchte psychologische Erklärung seines Zustandekommens zu ersetzen« (S. 90 f.). Ob diese Charakterisierung der Kritik Dietrich v. Hildebrands an Schelers Wende von seiner katholischen Phase zur Spätphase seines Denkens gerecht wird, soll hier dahingestellt bleiben. »Ein dritter möglicher Bundesgenosse der christlichen Philosophen bei ihrem Kampf gegen die neuzeitliche ›Philosophie der Subjektivität‹ war Martin Heidegger. Schon sein als ›Fundamentalontologie‹ konzipiertes Werk ›Sein und Zeit‹ schien eine Anknüpfung an die Tradition der klassischen Ontologie möglich zu 151 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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machen. Dem cartesischen ›Cogito‹, das der Welt als einer ganzen als ›archimedischer Punkt‹ gegenübertrat und das Seiende nur als dessen ›Gegenstand‹ zuließ, stellt Heidegger das ›Dasein‹ gegenüber, das seinem Wesen nach endlich ist und dessen Sein immer schon ein ›In-derWelt-Sein‹ ist« (S. 91). »Damit schien die ›Philosophie der Subjektivität‹ als Ausdruck eines ›Herrschaftswillens‹ entlarvt, der ›das Seiende zu einem Bestand macht, der dazu bestellt ist, auf der Stelle zur Stelle zu stehen‹ (so in dem Vortrag ›Die Frage nach der Technik‹). […] Und wenn Heidegger im weiteren Verlauf seines Denkweges das Denken als menschliche Antwort auf ein ›Geheiß‹ verstand, das ›uns zu denken heißt‹, und dieses Denken als ›dankendes An-Denken‹ deutete, dann schien eine christliche Philosophie in ihrer zentralen Absicht gerechtfertigt zu werden, die Herrschaft des Subjekts zu überwinden und in allem, was ist, die ›Spur des Heiligen‹ zu entdecken. Wiederum war die Enttäuschung groß, als Heidegger seine Kritik an der Philosophie der Subjektivität immer weiter radikalisierte und deren Wurzeln schon in den Anfängen der europäischen Philosophie zu entdecken meinte, bis er zunächst ›Platons Lehre von der Wahrheit‹, schließlich Sokrates für diese Subjektivitätsphilosophie verantwortlich machte« (S. 91 f.). Daher habe »der Versuch der ›christlichen Philosophen‹, sich mit zeitgenössischen Kritikern der ›Philosophie der Subjektivität‹ zu verbünden und auf diese Weise die ›Scholastik‹ als lebendig fortwirkende Tradition mit der zeitgenössischen Philosophie ins Gespräch zu bringen, […] die Erwartungen nicht erfüllt, die man mit diesem Versuch verbunden hatte« (S. 92). Als einen »mutigen Alleingang« (ebd.) bezeichnet Schaeffler deshalb den Weg, den der belgische Jesuit Joseph Maréchal auf diesem Hintergrund eingeschlagen habe, indem er die kantische Transzendentalphilosophie auf solche Weise weiterzuentwickeln versucht habe, »daß sie einen neuen ›Ausgangspunkt der Metaphysik‹ bilden konnte (so der Titel seines Hauptwerkes, dessen erste Entwürfe schon aus dem Jahr 1914 stammen). Er wollte zeigen, daß jene ›künftige Metaphysik‹, zu der Kant die Prolegomena hatte schreiben wollen und die ihren Ausgang von einer kritischen Selbstreflexion des Subjekts genommen hat, ihr Ziel nur erreicht, wenn sie auf neuem Wege die ›Transzendentalphilosophie der Alten‹ wiedergewinnt. Es ging, nach einem Programmwort von Maréchal, darum, ›den Agnosticismus Kantianus‹, vor allem also die These, unser Erkennen sei auf Erscheinungen beschränkt, die wir selber durch unser Anschauen und Denken erst aufbauen, ›von seinen eigenen Prämissen her zu widerlegen‹. Dies sollte durch den Nach152 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
weis geschehen, daß in der Tätigkeit des Subjekts ein ›Dynamismus des Geistes‹ am Werke ist, der immer schon auf Gott als das ›Esse subsistens‹ gerichtet ist. Die Analyse der Urteilsform, bei Kant der Schlüssel zu allen transzendentalphilosophischen Einsichten, wurde auf solche Weise fortgeführt, daß deutlich wurde: Die Copula ›ist‹, die dem Urteil seinen Charakter als ›Affirmation‹ verleiht, enthält einen Vorgriff auf das ›unendliche Sein‹, das sich, mit der Tradition, mit dem Gott der religiösen Überlieferung identifizieren läßt. Der Versuch galt insofern einer ›Transposition des Kantismus‹ in den Kontext der Tradition klassischer Metaphysik« (S. 92 f.). In seiner kleinen Geschichte der Rezeption der Transzendentalphilosophie in der christlichen Philosophie fährt Schaeffler wie folgt fort: »Eine Reihe weiterer philosophischer Autoren, vor allem aus der Gesellschaft Jesu, haben diesen Ansatz weiterentwickelt, um eine neue, zugleich aber der Tradition verpflichtete ›christliche Philosophie‹ zustande zu bringen. (Ich nenne in diesem Zusammenhang nur die Patres Otto Muck und Emerich Coreth, Professoren am Institut für Christliche Philosophie der Theologischen Fakultät in Innsbruck.) Karl Rahner aber hat auf eindrucksvolle Weise gezeigt, wie eine solche neue ›christliche Philosophie‹ sich dazu eignet, die Theologie in der ganzen Fülle ihrer Themenstellungen auf ein neues methodisches Fundament zu stellen. Maréchals Philosophie und Karl Rahners Theologie haben unter christlichen Philosophen und Theologen eine große Schar von Anhängern gewonnen. Wenn dennoch hier von einem ›mutigen Alleingang‹ die Rede ist, dann deswegen, weil die hier versuchte Neufassung des transzendentalen Denkens kaum Zustimmung bei nicht-katholischen Philosophen gefunden hat, während andererseits bei vielen katholischen Theologen der Eindruck entstand, diese Art von Philosophie und Theologie komme dem neuzeitlichen Subjektivitätsdenken zu weit entgegen« (S. 93). Diese Frage nach dem Verhältnis von christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjektivität sei durch die Proklamation des »Tods des Subjekts« in der sog. Postmoderne dem Anschein nach obsolet geworden (vgl. S. 94). Daher sei für die christliche Philosophie der Anschein entstanden, »sie habe ihren Gegner verloren. Dieser Gegner sei zwar nicht durch die Argumente der christlichen Philosophen zum Verschwinden gebracht worden; aber die christliche Philosophie habe sich gegen diesen Gegner wenigstens so lange zur Wehr gesetzt, bis dieser aus ganz anderen Gründen vom Schlachtfeld verschwand. Denn wenn das Subjekt ›tot‹ ist, ist auch die ›Philosophie der Subjek153 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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tivität‹ ohne Gegenstand. Doch konnte über diesen ›Tod des Gegners‹ keine Freude aufkommen. Denn wenn sich wirklich der ›Tod des Subjekts‹ feststellen ließe, wären auch die Begriffe der Freiheit und der sittlichen Verantwortung gegenstandslos geworden. Dann aber wäre auch die theologische Rede von einer ›freien Glaubensentscheidung‹ und von der ›Freiheit eines Christenmenschen‹ ein bloßer Nachklang einer vergangenen Zeit. Und so wurde unversehens, in einer Art von ›verspäteter Trauer‹, die Rehabilitierung des Subjekts und damit auch die Wiederbegründung einer Philosophie, die dieses Subjekt zum Thema hat, zu einer vordringlichen Aufgabe der christlichen Philosophie. […] Dabei entstand die Frage, wie eine christliche Philosophie in dem neuen Streit um die Subjektivität ihre Position finden könne. Kann man die ›Rettung des Subjekts‹ mit der traditionellen Kritik an aller Subjektivitätsphilosophie vereinbaren? Es ist nun diese Frage, die die Auseinandersetzung mit den jüngeren Richtungen des ›PostStrukturalismus‹ als lohnende Aufgabe erscheinen ließ« (S. 95). Dabei konnte »die Transzendentalphilosophie sich durch die Ergebnisse der strukturalistischen Psychologie, Soziologie und Linguistik in ihrer grundlegenden Einsicht bestätigt sehen: Die Möglichkeit, subjektive Erlebnisse in Inhalte objektiv gültiger Erfahrung zu verwandeln, hängt davon ab, ob es dem Subjekt gelingt, einen Kontext aufzubauen; nur innerhalb eines solchen Kontextes gewinnen die Inhalte den Charakter von Antworten auf Fragen, die das erkennende Subjekt an sie stellt. […] Was die strukturalistische Psychologie, Soziologie und Linguistik beschreibt, die Herrschaft der Strukturen über die Inhalte, kann der Transzendentalphilosoph aus seinen Gründen erklären: Die Herrschaft der Strukturen über die Inhalte ist eine Folge der transzendentalen, d. h. Erfahrung ermöglichenden, Gesetzgebung des von der Vernunft geleiteten Verstandes über die Erscheinungswelt« (S. 96). Im sog. Post-Strukturalismus erschien »die Herrschaft der Strukturen über die Inhalte […] nun in der Rückschau, ganz im Sinne der Transzendentalphilosophie, als Ausdruck der Gesetzgebung des Subjekts über die Gegenstandswelt. Aber diese Einsicht wird nun gegen die Transzendentalphilosophie selber gewendet. Das Subjekt nämlich übt diese Herrschaft auch dann noch aus, wenn es, auf selbstzerstörerische Art, zuletzt seine eigene Selbst-Auflösung betreibt. […] ›Dekomposition‹, Auflösung der Strukturen zugunsten der Inhalte, wird in dieser Spätphase der Herrschaft des Subjekts zum einzigen Weg, um das alte Programm der Philosophie einzulösen: ›die Phänomene zu retten‹« (S. 97 f.). Vorbereitet worden sei der Post154 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
Strukturalismus durch verschiedene Formen der Subjektivitätskritik: »Aber ob dieser zerstörerische und zuletzt selbstmörderische Herrschaftswille in der Herrschaft der Logik gesehen wird [sc. bei Heidegger] oder in dem Versuch, sich gegen die ›Dichte und Fremdartigkeit der Welt‹ durch unsere selbsthervorgebrachten Bilder und Gestalten abzuschirmen [sc. bei Camus], oder schließlich in einer Intentionalität, die alles, auch das Antlitz des Anderen, zu ihren ›Gegenständen‹ macht [sc. bei Lévinas]: In jedem Falle kann dieser Herrschaftswille nur gebrochen werden durch Aufsprengung der Strukturen, in die das Subjekt die Wirklichkeit, die sich ihm zeigt, hineinzuzwingen versucht. Und insofern haben die genannten Formen der SubjektivitätsKritik einen ›Post-Strukturalismus‹ vorbereitet, dessen wichtigste Methode mit dem Terminus ›Dekomposition‹ bezeichnet werden kann« (S. 98 f.). Sei die Herrschaft des Subjekts, »die sich in der Herrschaft der Strukturen über die Inhalte manifestiert, […] ein Kennzeichen der Neuzeit« (S. 99) gewesen, so kündige sich in dem poststrukturalistischen bzw. post-modernen Denken ein nachneuzeitliches Zeitalter an, dem »eine christliche Philosophie, der es um Überwindung der ›Philosophie der Subjektivität‹ zu tun ist« (ebd.), daher auch mit gesteigerter Aufmerksamkeit begegne. Auf diesem zeitgenössischen philosophiegeschichtlichen Hintergrund formuliert Schaeffler einige beachtenswerte normative Kriterien für das Verhältnis zwischen christlicher Philosophie und neuzeitlicher Subjektivität, die hier kurz zusammengefasst seien: a)
b)
c)
Die christliche Philosophie sollte auch von ihren Gegnern lernen (vgl. S. 100). Dieser Forderung sollte man grundsätzlich und daher auch in diesem Fall zustimmen. Die christliche Philosophie sollte sowohl von der neuzeitlichen »Philosophie der Subjektivität« als auch von der postmodernen Philosophie eines »Todes des Subjekts« lernen, ohne diese Positionen einfach zu übernehmen (vgl. S. 100 f.). Dieser Empfehlung schließe ich mich grundsätzlich an, auch wenn ich den Umfang und das Ausmaß dieser empfohlenen Lernaufgabe etwas anders bestimmen würde, als es Schaeffler tut. Die christliche Philosophie sollte ein Gespräch zwischen der neuzeitlichen »Philosophie der Subjektivität« und der »Transzendentalphilosophie der Alten«, d. h. der traditionellen Metaphysik, zustande bringen (vgl. S. 101). Das ist zweifelsohne eine
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d)
e)
f)
g)
zwar anspruchsvolle, aber vernünftige und konstruktive Aufgabe der christlichen Philosophie. Die christliche Philosophie müsse im Hinblick auf die Positionen des »Strukturalismus« und des »Post-Strukturalismus« bzw. der »Postmoderne« eine kritische Hermeneutik entwickeln, »die aus den Krisen der neuzeitlichen Subjektivität zu lernen vermag, ohne deren Entdeckung rückgängig machen zu wollen« (ebd.), und die sich auch auf die postmodernen Kritiker der neuzeitlichen Philosophie der Subjektivität bezieht (vgl. S. 101 f.). Auch diese Aufgabenstellung einer christlichen Philosophie verdient m. E. Zustimmung. Die christliche Philosophie sollte die klassische Tradition der Metaphysik sich in der Weise neu aneignen, »daß sie sowohl den Erfahrungen, aus denen die neuzeitliche Subjektivität hervorgegangen ist, als auch den Erfahrungen ihrer Krise, wie sie von den ›strukturalistischen‹ und ›post-strukturalistischen‹ Philosophen der ›Post-Moderne‹ beschrieben werden, gerecht werden kann« (S. 102). Diese Aufgabenstellung für eine christliche Philosophie ist ebenso anspruchsvoll wie wünschenswert. »Wenn in einer kritischen Auslegung sowohl der neuzeitlichen Subjektivität als auch der Kritik an ihr gezeigt werden kann, daß die zerstörerische Herrschaft der Subjektivität gebrochen werden kann, ohne daß dafür der ›Tod des Subjekts‹ in Kauf genommen werden muß, wird auch der Blick wieder frei auf die Fragen, von denen die Metaphysik in ihrer langen Geschichte geleitet war: Die leitende Frage müsse dann lauten: Wie muß das Seiende gedacht werden, wenn verständlich werden soll, daß es dem Subjekt ›zu denken gibt‹ ? Und wie muß das denkende Ich gedacht werden, wenn verständlich werden soll, daß es fähig ist, dem Anspruch, den das Seiende an dieses Ich richtet, nicht ins Wort zu fallen, sondern ihn durch sein Anschauen und Denken ›zur Sprache zu bringen‹, d. h. vernehmbar zu machen?« (ebd.). »Die transzendentalphilosophische Frage nach den Möglichkeitsbedingungen der Erfahrung wird auf neue Weise, als Frage nach den Möglichkeitsbedingungen einer solchen ›Umgestaltung‹ [sc. der subjektiven Strukturen des Anschauens und Denkens], gestellt werden müssen, wenn es gelingen soll, sowohl die klassische Tradition der Metaphysik als auch die neuzeitliche Philosophie der Subjektivität, aber auch deren postmoderne Kritik, kritisch auszulegen« (S. 103).
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Ein Nachwort und ein Nachruf
h)
»Es ist eine solche weiterentwickelte Transzendentalphilosophie, von der aus auch eine neue Weise der ›christlichen Philosophie‹ entwickelt werden kann. […] Und es wird eine Philosophie sein, die den Rechtfertigungsgrund einer solchen ›transzendentalen‹, d. h. Erfahrung ermöglichenden Hoffnung darin findet, daß sie in dem ›je größeren‹ Anspruch der Dinge, der allen Herrschaftswillen der Vernunft als illusorisch erweist, die Gegenwarts- und Erscheinungsgestalt des ›Deus semper maior‹ erkennt« (ebd.).
Ob sich Richard Schaeffler von seiner »Weiterentwicklung« der Transzendentalphilosophie für eine zeitgemäße Neufassung der Aufgabenstellung der christlichen Philosophie zu viel verspricht oder nicht, werden wir erst dann absehen können, wenn seine geistigen Schüler sich dieser von ihm gestellten Aufgabe angenommen haben. 2.
»Braucht die Theologie irgendeine Art von Transzendentalphilosophie – und welche (die kantische oder eine über Kant hinaus entwickelte Transzendentalphilosophie)?«
In diesem mit »Transzendentalphilosophie und Theologie« betitelten zweiten Teil seines Buches stellt sich Schaeffler im zweiten Abschnitt (B) die Frage, ob die christliche Theologie »irgendeine Art von Transzendentalphilosophie [brauche] – und [wenn ja] welche (die kantische oder eine über Kant hinaus entwickelte Transzendentalphilosophie)« (S. 105). Verschiedene theologische Disziplinen wie die biblische, die historische, die systematische und die praktische Theologie, hätten vermutlich »einen je unterschiedlichen philosophischen ›Bedarf‹« (ebd.). Und von den verschiedenen methodischen Ansätzen in der Theologie wie etwa der existenzialen oder der politischen Theologie gelte dies noch viel deutlicher. Daher setze die Frage, welche Art von Theologie überhaupt eine Philosophie brauche und welche, noch eine andere Frage voraus: »Welche Theologie braucht der Glaube?« (ebd.). Auf diese für die christliche Theologie noch viel grundlegendere Frage antwortet Schaeffler wie folgt: »Theologie, d. h. eine wissenschaftlich argumentierende Kriteriologie des themengerechten Glaubens-Verständnisses, entsteht immer dann, wenn innerhalb der Glaubensgemeinschaft die Erfahrung gemacht wird, daß die Inhalte der Glaubensbotschaft (die fides quae creditur) auf ruinöse Weise mißverstanden werden können. ›Ruinös‹ ist ein solches Mißverständnis des Glaubens-Inhalts dann, 157 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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wenn es zugleich auch den Akt des Glaubens (die fides qua creditur) korrumpiert. Dann ›braucht‹ der Glaube eine Theologie, die die Inhalte des Glaubens so auslegt, daß derartige Mißverständnisse vermieden werden« (ebd.). Unter Voraussetzung dieser von Schaeffler zutreffend beschriebenen geschichtlichen Entstehungsbedingung einer wissenschaftlichen Theologie definiert Schaeffler diese wie folgt: »Theologie ist die durch Argumente vollzogene Abwehr derartiger Gefahren, die bewirken könnten, daß der Glaube sich selbst auf eine zerstörerische Weise mißversteht. Eine solche Theologie ›braucht‹ der Glaube« (S. 106). In Anwendung auf die katholische Theologie der Sakramente bedeute dies: »Der Glaube ›braucht‹ eine Theologie, die es möglich macht, die reale Wirksamkeit der Sakramente zu deuten und sie zugleich von der vermeintlichen Macht magischer Worte und Riten zu unterscheiden« (ebd.). Für diese Anwendung auf die unterschiedlichen Themenbereiche der Theologie formuliert Schaeffler eine »allgemeine Regel« (S. 107): »Der Theologe legt auf den unterschiedlichsten Themenfeldern, nicht nur auf dem der Sakramententheologie, die Glaubensbotschaft insofern kritisch aus, als er deren mögliche Missverständnisse korrigiert. Aber er tut dies nicht dadurch, daß er diese Botschaft anhand irgendwelcher an sie herangetragener Kriterien ›richtigstellt‹, sondern dadurch, daß er das selbstkritische Potential freilegt und zur Geltung bringt, das in der überlieferten Glaubensbotschaft impliziert ist. Eine in diesem Sinne kritisch-hermeneutische Theologie ›braucht‹ der Glaube« (ebd.). Unter Berücksichtigung dieser Regel gelangt Schaeffler daher zu der folgenden Neuformulierung seiner Ausgangfrage: »Die Frage: ›Welche Philosophie braucht die Theologie?‹ ist daher die Frage: Welche Philosophie ist geeignet, der Theologie Wege zur Erfüllung ihrer hermeneutisch-kritischen Aufgabe zu weisen? In diesem Zusammenhang kann auch gefragt werden: Gehört zu den Philosophien, die zu einem solchen Dienst an der Theologie geeignet sind, die Transzendentalphilosophie?« (ebd.). Und schließlich fragt er konkreter: »Gibt es Formen der Transzendentalphilosophie, die den Theologen nicht nötigen, bestimmte Inhalte der Glaubensbotschaft preiszugeben, sondern ihn befähigen, diese Inhalte so auszulegen, daß das in ihnen implizierte selbstkritische Moment zur Geltung kommt?« (ebd.).
158 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
3.
»Die transzendentalphilosophische Frage und die Vielfalt der Wege zu ihrer Beantwortung«
Der dritte Abschnitt (C) dieses zweiten Teils des vorliegenden Buches trägt die Überschrift: »Die transzendentalphilosophische Frage und die Vielfalt der Wege zu ihrer Beantwortung« (S. 109). Unter der transzendentalphilosophischen Frage versteht Schaeffler ausdrücklich die Frage »nach den Bedingungen, die es möglich machen, daß unserem Anschauen und Denken Gegenstände begegnen, an denen wir unsere subjektiven Ansichten und Absichten kritisch überprüfen können« (ebd.). In einem ersten Kapitel geht Schaeffler auf die Transzendentalienlehre der mittelalterlichen Aristoteliker ein. Dieser zufolge treffen, wie Schaeffler referiert, »alle positiven Prädikate, die wir von innerweltlichen Wesen gebrauchen, […] auf diese nur analog, im Sinne einer Attributions-Analogie« (ebd.) zu, sind in ihrem strengen Sinne aber Gottesprädikate. »Wer mit diesen Prädikaten von unserer Erfahrungswelt spricht, hat immer schon, meist, ohne es zu bemerken, von Gott gesprochen, der etwas von seiner Einheit, Wahrheit und Güte seinen Kreaturen ›attribuiert‹« (ebd.): »Nur Gott ist das uneingeschränkt Eine, Wahre und Gute. Das endliche Seiende ist nur ›per participationem‹ das, was die transzendentalen Prädikate besagen« (ebd.). In einem zweiten Kapitel geht Schaeffler auf die Transzendentalphilosophie Kants ein. Diese beschreibe »die im Subjekt selber liegenden Bedingungen dafür, dass uns etwas als Gegenstand gegenübertritt. Nun findet Kant diese Möglichkeitsbedingungen des Gegenstandsbezugs in den Formen unseres Anschauens und Denkens« (S. 110). Die Leitfrage der Transzendentalphilosophie könne daher unabhängig von Kant auch wie folgt formuliert werden: »In welchen Formen müssen wir unser Anschauen und Denken vollziehen, wenn wir nicht in unseren subjektiven Ansichten und Absichten befangen bleiben, sondern Gegenstände entdecken wollen?« (ebd.). Die Frage nach den Bedingungen objektiver Geltung werde daher zur zentralen Frage der kantischen Transzendentalphilosophie (vgl. ebd.). Damit aber werde deutlich, dass »die Theologie eine so verstandene Transzendentalphilosophie ›braucht‹. Denn angesichts der verbreiteten Meinung, der Glaube sei etwas rein Subjektives, ›braucht‹ der Theologe Kriterien dafür, auf welche Weise objektiv gültige Aussagen, auch auf dem Gebiet von Religion und Glaube, möglich sind. Er braucht mit anderen Worten eine Transzendentalphilosophie« (ebd.). 159 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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Damit will Schaeffler Folgendes sagen: Zwar ist der christliche Glaube nicht zu objektiv gültigen – im Sinne von verifizierbaren – Aussagen über die Wirklichkeit fähig, wohl aber zu Aussagen, die einen Anspruch auf objektive Gültigkeit erheben. Deren objektive Geltungsbedingungen werden von der Transzendentalphilosophie im Sinne Kants zumindest dem Anspruch nach bestimmt. Ferner brauche der christliche Glaube »eine Theologie, die ihm zeigt, wie er ein zweifaches Selbstmißverständnis vermeiden kann: die Meinung, der Glaube sei eine Art von ›höherem Wissen‹, das ›himmlische Dinge‹ so erkennt, wie die ›natürliche Vernunft‹ die irdischen Dinge erfaßt, und die entgegengesetzte Meinung, er sei eine bloß subjektive Überzeugung, die gegenüber den Anhängern anderer Überzeugungen keine objektive Geltung beanspruchen kann. Eine Theologie aber, die den Glauben dazu anleiten will, diese Doppelgefahr zu vermeiden, ›braucht‹ eine Philosophie, die gerade an den Grenzen des Wissens eine neue Weise objektiver Gültigkeit entdeckt und so die spezifische Art von objektiver Geltung beschreibt, die gerade religiösen Aussagen zukommt« (S. 110 f.). Genau dies aber gelte »von Kants Postulatenlehre in ausgezeichnetem Maße. Die Postulate der Vernunft vermehren nicht unser Wissen von Gegenständen, aber sie benennen den Grund einer in transzendentaler Hinsicht notwendigen Hoffnung: der Hoffnung, daß wir auch angesichts unvermeidlicher Widersprüche, in die die Vernunft sich verwickelt, an der objektiven Geltung unserer Erfahrungen festhalten können. Insofern ist die kantische Postulatenlehre diejenige Philosophie, die die Theologie ›braucht‹, wenn sie auf die objektive Geltung von Glaubens-Aussagen nicht verzichten will, die an den Grenzen des Wissens ausgesprochen werden und doch alles bloß subjektive Meinen hinter sich lassen« (S. 111). In einem dritten Kapitel geht Schaeffler auf Zweifel ein, »daß die Theologie die kantische Gestalt der Transzendentalphilosophie ›braucht‹« (ebd.): Es gebe »vor allem zwei Bedenken gegen den Versuch, gerade der kantischen Philosophie Kriterien entnehmen zu wollen, an denen die objektive Geltung von Glaubensaussagen erkannt werden kann. Denn erstens hat Kant von der Philosophie gefordert, ›den stolzen Namen einer Ontologie abzulegen und den bescheidenen einer Analytik des Verstandes anzunehmen‹. Vertreter der klassischen Onto-Theologie kommen daher zu dem Urteil, Kant habe ›dem Menschen den Weg zu Gott von seiten des Verstandes verschlossen‹. Zweitens aber scheint weder für die klassische Ontologie noch für die 160 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
kantisch verstandene Transzendentalphilosophie die Geschichte eine wesentliche Rolle zu spielen. Dann aber scheint eine solche Philosophie nicht geeignet zu sein, der Theologie Möglichkeiten zur Auslegung der biblischen Glaubensbotschaft aufzuschließen. Denn für diese ist gerade der Bezug zur Geschichte wesentlich« (S. 111 f.). Vergleiche man aber diese Bedenken vieler Theologen mit Kants Selbstaussagen, dann könne man zwei zunächst überraschende Entdeckungen machen (vgl. S. 112.): »Kant hatte keineswegs die Absicht, dem Verstand jeden Weg zu Gott zu versperren, sondern entwickelte, in Gestalt seiner Postulatenlehre, eine eigene transzendentalphilosophische Weise, von Gott zu sprechen. Und er kam schließlich zu der Überzeugung: Diese ›transzendentale Theologie ist der höchste Standpunkt der Transzendentalphilosophie‹, d. h. der Ort, von dem aus sich das gesamte Themenfeld der Transzendentalphilosophie als eine Einheit überblicken läßt« (ebd.). Freilich sei die Mehrheit der Theologen »Kant auf diesem Wege einer transzendentalen Theologie nicht gefolgt. Stattdessen haben Joseph Maréchal, Karl Rahner und ihre Schüler den Versuch unternommen, von der transzendentalen Analytik her die klassische Ontologie und Onto-Theologie wiederzugewinnen. Den Ansatz dazu bot eine Bedeutungs-Analyse der Copula ›ist‹, die für die logische Funktion des Urteils unentbehrlich ist. Sie bezeichne, so sagte man nun, das Sein jedes Seienden als endliche Realisierung des unendlichen Seins. Diese Analyse des Urteils und seiner Copula ›ist‹ hat Johann Baptist Lotz auf die Formel gebracht: ›In omni iudicio ens transcendens co-praedicatur‹« (ebd.). »Freilich verstärkt diese Lösung den zweiten Einwand der Kant-Kritiker: Seine Transzendentalphilosophie versperre den Zugang zum Verständnis der Geschichte« (ebd.). Die zweite überraschende Entdeckung bei Kant für die Theologen aber bestehe darin, zu realisieren, dass »Kant keineswegs das philosophische Denken in eine Entfremdung gegenüber der Geschichte geraten lassen, sondern die Vernunft als wesentlich geschichtlich begreifen [wollte]. Darum heißt das letzte Kapitel der Kritik der reinen Vernunft ›Die Geschichte der reinen Vernunft‹. Kant war sich freilich dessen bewußt, daß er diese Aufgabe noch nicht erfüllt hatte« (S. 113). Im vierten Kapitel stellt Schaeffler die transzendentale Phänomenologie und ihre »linguistische Wendung« als »Gestalten einer Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie« (ebd.) vor. Husserls transzendentale Phänomenologie sei »eine über Kant hinaus weiterentwickelte Form der Transzendentalphilosophie« (ebd.). »Die 161 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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transzendentale Frage ›Wie muß ich anschauen und denken, wenn mir Gegenstände gegenübertreten sollen?‹ nimmt in der Phänomenologie folgende Form an: Auf welche spezifische Art muß ich anschauen und denken, wenn ich hoffen will, daß mir dadurch ein originärer Zugang zu einer bestimmten Art von Gegenständen aufgeschlossen wird?« (ebd.). Danach stellt sich Schaeffler die Frage: »›Braucht‹ die Theologie eine so verstandene Transzendentalphilosophie?« (ebd.), um diese Frage sogleich selbst zu beantworten: »Das scheint immer dann der Fall zu sein, wenn die Glaubenden einem ›Monopol-Anspruch‹ der empirischen Wissenschaft begegnen, sie allein könne zu objektiv gültigen Aussagen führen. Durch diesen Monopol-Anspruch der Wissenschaft nämlich werden die Verkünder des Glaubens vor folgende vermeintliche Alternative gestellt: Sie müssen entweder ihre Aussagen (z. B. die Aussagesätze einer hymnischen Doxologie) in solche Aussagen übersetzen, die mit Mitteln der empirischen Wissenschaft überprüfbar sind, oder sie müssen ihre Glaubens-Aussagen den Hörern als bloßen Ausdruck subjektiver Gefühle anbieten und sie fragen, ob sie darin ihre eigenen Gefühle wiedererkennen. Beide Versuche, die Glaubensbotschaft zu verstehen, würden jedoch den Inhalt der Botschaft (fides quae creditur) verfehlen und in Folge davon zugleich dem Akt des Glaubens (fides qua creditur) seinen Bezug zu seiner spezifischen ›Region‹ von Gegenständen rauben, d. h. seinen Bezug zu den Selbst-Manifestationen des Heiligen. Angesichts dieser Gefahr ›braucht‹ der Glaube eine Theologie, die den Glaubenden Wege zeigt, um diese beiden Weisen der Selbstzerstörung des Glaubens zu vermeiden. Und dazu ›braucht‹ die Theologie eine Philosophie, die ihr die Eigengesetzlichkeit ›spezifisch verschiedener‹ Noesen und die Eigenart der ihnen zugeordneten Noemata deutlich macht: konkret die Eigengesetzlichkeit der religiösen Noesis und die Eigenart der ›Region und Kategorie‹ des Heiligen, das sich nur dem religiösen Akt ›originär erschließt‹« (S. 113 f.). Daran aber schließe sich die Frage an, »auf welche Weise der Philosoph – und mit seiner Hilfe der Theologe – die Eigenart der religiösen Noesen bestimmen kann (z. B. um Heideggers Frage zu beantworten: ›Von welcher Art ist das Denken, mit dem der Glaube denkt?‹). Fragt man so, dann wird man auf die Sprache der Religion bzw. des Glaubens verwiesen. Die Eigenart der religiösen Sprache mit ihrer besonderen Pragmatik, Grammatik und Semantik ist teils Ausdruck der religiösen Noesis, teils der Schule, in der die Mitglieder der religiösen Sprachgemeinschaft den Vollzug dieser Noesis lernen und 162 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
einüben. Das aber bedeutet: Ohne Analyse der religiösen Sprache ist das Programm einer Phänomenologie der Religion nicht einlösbar. Wenn also die Theologie zur Erfüllung ihrer Aufgabe eine transzendentale Phänomenologie ›braucht‹, dann ›braucht‹ sie auch deren ›linguistische Wendung‹. Und sie braucht dabei näherhin eine linguistische Wendung solcher Art, daß dabei der transzendentale Charakter der Phänomenologie nicht verlorengeht. Denn wenn die Phänomenologie diesen transzendentalen Charakter verlöre, würde sie zugleich aufhören, für die Theologie ›brauchbar‹ zu sein. Ein Beispiel einer linguistischen Wendung, die den Boden der Transzendentalphilosophie nicht verläßt, bietet, schon 100 Jahre vor Husserl, Herders Metakritik der Kritik der reinen Vernunft und die sich an Herder anschließende Sprachphilosophie in Deutschland, zu deren wichtigsten Repräsentanten Wilhelm von Humboldt und Ernst Cassirer gehören« (S. 114 f.). Schaeffler erkennt demnach die transzendentale Phänomenologie Husserls als Gestalt einer Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie Kants an, die von der christlichen Theologie gebraucht werde, um der beschriebenen zweifachen Gefahr ihrer Selbstzerstörung zu entgehen, indem sie ihr die Eigengesetzlichkeit der religiösen Noese und die Eigenart der ihr zugeordneten spezifisch religiösen Noemata aufzeige. Zu diesem Zweck müsse die transzendentale Phänomenologie auf die Eigenart der religiösen Sprache eingehen, ohne deren Analyse die spezifisch religiöse Noese nicht bestimmt werden könne. Deshalb brauche die christliche Theologie eine transzendentale Phänomenologie einschließlich ihrer »linguistischen Wendung«. Doch damit gibt sich Schaeffler nicht zufrieden; vielmehr entwirft er im vierten und letzten Abschnitt (D) dieses zweiten Teils seines Buches das Programm »einer neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie als Angebot an die Theologie« (S. 117) in insgesamt neun Punkten. Wir werden sehen, inwiefern dieses Programm über die transzendentale Phänomenologie und deren »linguistische Wendung« hinausführt. 4.
»Vorschlag einer neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie als Angebot an die Theologie – Bausteine zu einem Programm«
Richard Schaefflers »Vorschlag einer neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie als Angebot an die Theologie« (ebd.) umfasst neun inhaltliche Aspekte, die er als »Bausteine zu einem Programm« (ebd.) einer Transzendentalphilosophie versteht: 163 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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Grundlegend bleibe Kants Einsicht, dass alles Anschauen und Begreifen ein aktives Gestalten der Gegenstände einschließt (vgl. ebd.). Diese transzendentalphilosophische Einsicht scheint auch mir unaufgebbar zu sein. Auch die post-kantische Entdeckung, dass die Formen unseres Anschauens und Denkens historisch variabel sind, könne nicht mehr rückgängig gemacht werden (vgl. ebd.). Diese »Entdeckung« müsste man noch sehr viel eingehender analysieren und differenzieren. Aus diesen beiden ersten Charakteristika ergibt sich das dritte Merkmal dieser neuen Gestalt der Transzendentalphilosophie: »Die Transzendentalphilosophie ist über Kant hinaus weiterzuentwickeln, und zwar so, daß sie die alte Frage nach den Bedingungen objektiver Gültigkeit mit einem neu geschärften Bewußtsein von der Verschiedenheit der Erfahrungsarten und vom Unterschied ihrer historischen Bedingungen verbindet« (ebd.). »Das setzt voraus, daß das Verhältnis des Subjekts zu seinen Gegenständen nicht einseitig als Gesetzgebung, sondern wechselseitig als Dialog gedacht wird. Unser Anschauen und Denken antwortet auf einen Anspruch des Wirklichen, indem es ihm Kontexte bereitstellt, innerhalb derer der zunächst unbestimmte Impuls dieses Anspruchs inhaltlich näher bestimmt werden kann. Der Gegenstand seinerseits antwortet auf diesen unseren Versuch, seinen Anspruch zur Sprache zu bringen, indem er sich immer wieder aus den von uns vorgezeichneten Kontexten befreit und so unserem Anschauen und Denken in widerständigem Eigenstand gegenübertritt. So zeigt er an, daß er zwar von uns angeschaut und gedacht sein ›will‹, aber sich nicht darin erschöpft, der von uns angeschaute und gedachte zu sein. Aus dem geordneten Gefüge dessen, was wir anschauen und denken, taucht der Gegenstand immer wieder in jener ›Dichte und Fremdartigkeit‹ auf, durch die er anzeigt: Sein Anspruch ist ›immer größer‹ als unsere Antwort, obgleich er immer nur in dieser unserer Antwort zur Sprache kommen kann: als das in unserer Antwort wirksame geschichtlich vorantreibende Moment« (S. 117 f.). In dieses Merkmal geht Schaefflers Verständnis der Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit konstitutiv ein. Dieses hat allerdings eher den Charakter eines Programms als den einer minutiös ausgeführten Theorie.
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Ein Nachwort und ein Nachruf
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»Der so verstandene Dialog des Subjekts mit seinen Objekten ist die Bedingung dafür, daß verschiedene Subjekte untereinander einen Dialog über die gleiche Sache führen können. Über eine Sache sprechen heißt: den Anspruch der Sache an neue Hörer weitergeben, damit diese ihn auf neue Weise beantworten können. […] Unter dem je größeren Anspruch der Sache wird aber die Sprache, in der wir diesen Anspruch beantworten, immer wieder zur Umgestaltung genötigt« (S. 118). Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit wird demnach als Ermöglichungsgrund einer intersubjektiven Verständigung über den gemeinsam erfahrenen Gegenstand verstanden, weil diese Erfahrung als Weitergabe des Anspruchs der erfahrenen Wirklichkeit an andere gedeutet wird. Auch dieses Merkmal hat eher einen postulatorischen als einen verifizierten oder gar bewiesenen Charakter. »Auch eine so verstandene post-kantische Philosophie muß an der Unterscheidung zwischen subjektivem Erleben und objektiv gültiger Erfahrung festhalten. […] Jede Erfahrung legt jede andere aus und wird durch sie ausgelegt, auch wenn diese Erfahrungen in unterschiedlich strukturierten Kontexten und unter unterschiedlichen historischen Bedingungen gemacht worden sind. Keine Gegenwart versteht sich selbst, wenn sie sich dem Geltungsanspruch derjenigen Erfahrungen entzieht, die in anderen Kontexten bzw. unter den Bedingungen einer historisch früheren Zeit gemacht worden sind« (ebd.). Auch wenn Schaeffler für seine neue Gestalt der Transzendentalphilosophie an der wichtigen Unterscheidung zwischen subjektivem Erleben und objektiv gültiger Erfahrung festhalten will, stellt sich demgegenüber doch die Frage, an welchen Kriterien dieser Unterschied festgestellt werden kann. Mit anderen Worten: Wie kann der Anspruch der Wirklichkeit sich in dem subjektiven Erleben der Subjekte seiner Erfahrung hinreichend Geltung verschaffen? »Die Ansprüche, die das Wirkliche in jedem einzelnen Kontext und unter den Bedingungen jeder einzelnen historischen Situation an uns richtet, können und müssen als Erscheinungsgestalten eines göttlichen Auftrags (mandatum) ausgelegt werden und legen ihrerseits den Begriff ›göttlicher Auftrag‹ aus. […] Keine Erfahrung versteht sich selbst, wenn sie die Geltung ihres Anspruchs nicht als bloße Erscheinung und zugleich als wirkliche Erscheinung eines verpflichtenden Auftrags (mandatum) Gottes versteht« (S. 119). Dieses Merkmal verschärft die bereits zu dem 165 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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zuvor genannten Merkmal angedeutete Problematik noch erheblich; denn es stellt sich hierzu eindringlich die Frage, wie der angenommene Anspruchscharakter des Wirklichen als ein authentisches Medium einer göttlichen Willensbekundung und damit einer objektiven, normativen Gültigkeit ausweisbar sein soll. »Ein solches Verständnis objektiver Geltung erweist sich zugleich als geeignet, den spezifischen Geltungsanspruch der biblischen Verkündigung auszulegen. Denn diese ist nach Form und Inhalt radikal historisch, aber keineswegs relativ« (ebd.). Dieses Merkmal ergibt sich analytisch aus dem vorherigen Merkmal, sofern dies als gültig angenommen wird. »Eine in diesem Sinne weiterentwickelte Transzendentalphilosophie ist das geeignete Mittel, um den weithin abgebrochenen Dialog zwischen Theologie und neuzeitlicher Philosophie neu in Gang zu bringen« (ebd.).
Dieses letzte Charakteristikum fasst das Votum bzw. die Option Richard Schaefflers für die von ihm umrisshaft konzipierte neue Gestalt einer Transzendentalphilosophie als Gesprächsangebot an die christliche Theologie abschließend zusammen. Deren hier eigens aufgenommene, insgesamt neun inhaltliche Aspekte können gleichsam als das geistige Vermächtnis der von Richard Schaeffler entwickelten neuen Gestalt einer Transzendentalphilosophie verstanden werden, die er bescheiden als ein »Angebot an die Theologie« (S. 117) bezeichnet. Die christliche Theologie täte gut daran, dieses Gesprächsangebot mit dankbarem Interesse anzunehmen.
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Ein Nachwort und ein Nachruf
II.
Ein Nachruf auf das wissenschaftliche Lebenswerk Richard Schaefflers
Richard Schaeffler (1926–2019) 1 gehörte seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zu seinem Tod zweifelsohne zu den führenden und herausragenden Fachvertretern für Religionsphilosophie und philosophische Theologie nicht nur im deutschsprachigen Raum. Davon zeugt nicht zuletzt der rezeptionsgeschichtliche Umstand, dass seine in vier Auflagen erschienene Religionsphilosophie 2 Übersetzungen in zahlreiche Sprachen, darunter ins Spanische, Portugiesische, Polnische und Koreanische, erfahren hat. Diese Monographie ist längst zu einem Standardwerk der Religionsphilosophie geworden, das weltweit zitiert wird. Aber auch viele andere seiner genuin religionsphilosophischen Publikationen, insbesondere seine diesbezüglichen Monographien, haben eine weit überdurchschnittliche Beachtung und Wertschätzung sowohl in der akademischen Fachwelt als auch in benachbarten Disziplinen gefunden; hierzu gehören diejenigen frühen und späten Monographien Schaefflers, die sich mit besonderen zeitgenössischen oder auch mit geschichtlich früheren, sachlich aber nach wie vor äußerst relevanten Herausforderungen für die religiöse Praxis und das religiöse Bewusstsein auf einem stets hohen Sprach- und Abstraktionsniveau intensiv auseinandergesetzt haben oder welche die Eigenart religiöser Akte und Anschauungen und ihrer Bezugsgegenstände minutiös untersuchen; im Einzelnen sind hier zu nennen: Religion und kritisches Bewußtsein (Freiburg u. a. 1973), Die Religionskritik sucht ihren Partner. Thesen zu einer erneuerten Apologetik (Freiburg 1974), Phänomenologie der Religion. Grundzüge ihrer Fragestellungen (Freiburg/München 2017) mit umfangreichen Kapiteln zu den Methoden der Religionsphilosophie, zur Gestalt, Funktion und Bedeutung der religiösen Sprache, zum Kultus Eine sehr schöne Würdigung der außerordentlich beeindruckenden wissenschaftlichen Lebensleistung Richard Schaefflers hat vorgenommen C. Böhr, »Perspektiven der Transzendentalphilosophie. Zum Tod von Richard Schaeffler. Ein Nachruf«, in: Jahrbuch für Religionsphilosophie/Philosophy of Religion Annual, Bd. 17 (2018), 214–222. Neben dem höchst bedeutsamen publizierten Werk Richard Schaefflers gibt es noch ein umfangreiches Nachlasswerk von Schaeffler, das von zwei seiner koreanischen Schüler in digitalisierter Form publiziert werden soll. 2 Vgl. R. Schaeffler, Religionsphilosophie (Handbuch Philosophie, Bd. 4), 2. Aufl. der Studienausg. (4. Aufl., unveränd. Nachdr. der 2. Aufl. von 1997), Freiburg/München 2010. 1
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als Ausdruck religiösen Weltverstehens, zu den Aufgaben und Beurteilungskriterien religiöser Traditionen und Institutionen und zu den »Göttern der Religionen«, dem »Gott der Philosophen« und dem »Gott der Bibel«). Aber auch im Bereich der philosophischen Gotteslehre und der philosophischen Grundlegung der Theologie hat sich Richard Schaeffler unschätzbare Verdienste erworben, beginnend mit seiner Monographie Frömmigkeit des Denkens? Martin Heidegger und die katholische Theologie (Darmstadt 1978). Dieser Buchtitel zeigt bereits an, dass sich Richard Schaeffler in seiner langen akademischen Forschungs- und Lehrtätigkeit wie kaum ein zweiter Religionsphilosoph im deutschsprachigen Raum um die Relevanz des philosophischen Denkens für Theorie und Praxis des christlichen Glaubens, und zwar insbesondere des katholischen Christseins, bemüht hat, ja mehr noch: dass der Skopus seiner gesamten wissenschaftlichen Arbeit auf einer »philosophischen Einübung in die Theologie« liegt. Der Umstand, dass diese Formulierung von Richard Schaeffler als Titel seiner dreibändigen Summe seiner Forschungen im Bereich der philosophisch-theologischen Grenzfragen selbst gewählt worden ist, 3 darf als ein deutlicher Hinweis auf die zentrale Bedeutsamkeit dieses Schwerpunkts seiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit gelten. Diesem Schwerpunkt sind daher auch zahlreiche andere der größeren Schriften Richard Schaefflers zuzuordnen: So hat er den »Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und katholischer Theologie«, eine eigene, gleichlautende Monographie gewidmet; 4 er hat sich ebenfalls in monographischer Form mit der Wissenschaftsgestalt der Theologie intensiv auseinandergesetzt, und zwar erstmals in dem Buch Glaubensreflexion und Wissenschaftslehre. Thesen zur Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte der Theologie (Freiburg/Basel/Wien 1980); ferner in dem gemeinsam mit Günter Altner u. a. herausgegebenen Buch Wissenschaftstheorie und Theologie. Technisch-wissenschaftliche Welt und Schöpfung Vgl. R. Schaeffler, Philosophische Einübung in die Theologie, Bd. 1: Zur Methode und zur theologischen Erkenntnislehre (Scientia & Religio, Bd. I/1), Freiburg/München 2004, unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. (Studienausg.) 2008; Bd. 2: Philosophische Einübung in die Gotteslehre (Scientia & Religio, Bd. I/2), Freiburg/München 2004, unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. (Studienausg.) 2008; Bd. 3: Philosophische Einübung in die Ekklesiologie und Christologie (Scientia & Religio, Bd. I/3), Freiburg/München 2004, unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. (Studienausg.) 2008. 4 Vgl. R. Schaeffler, Die Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und katholischer Theologie, Darmstadt 1980. 3
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Ein Nachwort und ein Nachruf
(Bd. 20 der Reihe Christlicher Glaube und moderne Gesellschaft, hg. von Franz Böckle, Freiburg/Basel/Wien, 3. unveränd. Aufl. 1984). Die Bedeutung seiner philosophischen Gotteslehre für den christlichen Glauben hat Schaeffler nach dem ersten Band seiner Trilogie zur philosophischen Einübung in die Theologie ausgearbeitet in dem Buch Philosophisch von Gott reden: Überlegungen zum Verhältnis einer philosophischen Theologie zur christlichen Glaubensverkündigung (Freiburg/München 2006). Neben seinen primären Forschungsschwerpunkten in der Religionsphilosophie, der philosophischen Gotteslehre und in der philosophischen und wissenschaftstheoretischen Grundlegung der christlichen, insbesondere der katholischen Theologie, hat Schaeffler noch mindestens zwei weitere Arbeitsschwerpunkte entwickelt, und zwar im Bereich der Geschichtsphilosophie und der philosophischen Erkenntnistheorie. Auch in diesen beiden philosophischen Disziplinen hat Schaeffler durch seine Rezeption und Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie Immanuel Kants einen eigenen Ansatz entwickelt. Darüber hinaus hat Schaeffler seinen bereits in seiner Habilitationsschrift Die Struktur der Geschichtszeit (Philosophische Abhandlungen, Bd. 21, Frankfurt a. M. 1963) grundgelegten und in seiner Monographie Einführung in die Geschichtsphilosophie (Darmstadt 1973, 2., erw. Aufl. Darmstadt 1980, 4. Aufl. Darmstadt 1991, Übersetzung ins Koreanische 1997) weitergeführten geschichtsphilosophischen Ansatz für eine katholische Theologie der Hoffnung fruchtbar gemacht, und zwar in dem Buch Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre (Darmstadt 1979). Im Bereich der Erkenntnistheorie hat Richard Schaeffler im Ausgang von dem transzendentalphilosophischen Ansatz Immanuel Kants Bausteine für eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes erarbeitet, deren Möglichkeit er bei Kant schon grundgelegt sieht, und zwar in den folgenden drei Monographien: primär in dem nicht nur umfangsmäßig großen, sondern auch sachlich höchst bedeutsamen Buch Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit. Eine Untersuchung zur Logik der Erfahrung (Freiburg/München 1995), in dem Schaeffler einen zwar transzendentalphilosophisch grundgelegten, aber über Kants transzendentalphilosophischen Ansatz hinausgehenden Begriff menschlicher Erfahrung als eines Dialogs mit der Wirklichkeit entwickelt hat; dabei ist es ein weiteres großes Verdienst Schaefflers, in und mit dieser Monographie seinen zwar transzendentalphiloso169 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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phisch grundgelegten, aber darüber hinaus weiterentwickelten Erfahrungsbegriff zu einem Hermeneuticum des religiösen Sprechens von Gott und damit auch für die christliche Theologie fruchtbar gemacht zu haben. Diesen neuen, erkenntnistheoretisch begründeten Erfahrungsbegriff hat Schaeffler in zwei weiteren Monographien sowohl vertieft als auch in seinem Bezug auf die genuin religiöse Erfahrung entfaltet: Ersteres in seiner Monographie Erkennen als antwortendes Gestalten. Oder: Wie baut sich vor unseren Augen die Welt der Gegenstände auf? (Freiburg/München 2014); und Letzteres in seinem Buch Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis (hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017). Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass Richard Schaeffler in seinen letzten Lebensjahren auch noch eine Ontologie im nachmetaphysischen Zeitalter. Geschichte und neue Gestalt einer Frage (Freiburg/München 2008), ferner eine Philosophische Anthropologie unter herausgeberischer Betreuung von Christoph Böhr, Wiesbaden 2019) und schließlich auch eine Analyse verschiedener Erfahrungsarten unter dem Titel Das Gute, das Schöne und das Heilige. Eigenart und Bedingungen der ethischen, der ästhetischen und der religiösen Erfahrung (Freiburg/München 2019) veröffentlicht hat. Diese hier nur angedeuteten Schwerpunkte des wissenschaftlichen Œuvres Richard Schaefflers verdanken sich gewiss auch dem biographischen Umstand, dass Richard Schaeffler neben seinem Studium der Philosophie auch ein vollständiges Studium der katholischen Theologie absolviert und an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum über zwanzig Jahre lang einen Lehrstuhl für Philosophisch-Theologische Grenzfragen innegehabt hat, d. h. hauptberuflich mit theologisch und religiös relevanten philosophischen Gegenständen beschäftigt war. Die Intensität sowie die wissenschaftliche Produktivität, mit der er dieser Aufgabe über viele Jahrzehnte hinweg nachging, und vor allem die Fruchtbarkeit der Ergebnisse seiner religions- und geschichtsphilosophischen sowie seiner erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Arbeit für die katholische Theologie, und zwar erstlich für die systematische, aber auch für die praktische Theologie, ist im deutschsprachigen Raum der Gegenwart nicht nur nach meiner Einschätzung einzigartig. Für Richard Schaefflers eigenen religionsphilosophischen Ansatz ist eine Kombination transzendentalphilosophischer, phänomenologischer und sprachanalytischer Methoden konstitutiv. Es ist 170 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
nun vor allem sein Verdienst, diese drei Typen genuin philosophischer Methoden für religionsphilosophische Analysen religiöser Sprach- und Bewusstseinsphänomene erschlossen zu haben. Die dabei aufgewiesenen Strukturformen religiösen Bewusstseins und religiöser Sprache haben auch und vor allem zahlreichen christlichen Theologen beider Konfessionen neue Einsichten in Wesen und Funktion genuin religiöser Vollzüge, insbesondere der religiösen Sprache und des religiösen Kultes (einschließlich des religiösen Gebetes), vermittelt und dadurch einen wichtigen Beitrag zu einem angemessenen Verständnis der Eigenart religiöser Praxis geleistet. Es hat wohl kaum einen zweiten Religionsphilosophen von Rang gegeben, dessen Forschungen einen derart intensiven Bezug zur religiösen Praxis aufweisen wie diejenigen Richard Schaefflers. Davon zeugen neben seinen beiden Monographien zur Analyse religiöser Sprache Kleine Sprachlehre des Gebets (Einsiedeln/Trier 1988, mit Übersetzung ins Französische: Le langage de la prière, Paris 2003) und Das Gebet und das Argument. Zwei Weisen des Sprechens von Gott. Eine Einführung in die Theorie der religiösen Sprache (Düsseldorf 1989) auch seine zahlreichen Aufsätze und kleineren wissenschaftlichen Abhandlungen, die grundlegenden Aspekten religiöser Praxis gewidmet sind. Deren theoretischer Grundlegung ist daher ein nicht unerheblicher Teil des wissenschaftlichen Oeuvres Richard Schaefflers gewidmet, wobei Schaeffler stets auch die kirchliche Praxis des christlichen, in Sonderheit katholischen Glaubens im Blick gehabt hat. Auf dem Hintergrund unserer Ausführungen können wir zumindest ein vorläufiges Fazit in Bezug auf die herausragende wissenschaftliche Bedeutung Richard Schaefflers ziehen: Diese liegt insbesondere auf dem Gebiet der religions- und geschichtsphilosophischen sowie der erkenntnistheoretischen Kant-Rezeption; in einer genaueren Annäherung besteht sie in seiner Nobilitierung und Weiterentwicklung der transzendentalphilosophischen Methode Kants sowohl für die Philosophie als auch für die christliche Theologie. Da jedoch eine repräsentative Gesamtwürdigung des wissenschaftlichen Ansatzes Richard Schaefflers im Rahmen dieses Nachrufs unmöglich ist, soll dieser Ansatz zumindest exemplarisch an seiner für die christliche Theologie besonders bedeutsam gewordenen Monographie Das Gebet und das Argument aufgezeigt werden. Anhand einiger inhaltlicher Grundzüge dieses Werkes soll gezeigt werden, wie Schaeffler die sprachanalytische und die transzendentalphilosophische Forschungsmethode miteinander verbindet und für seinen Entwurf einer 171 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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Theorie der religiösen Sprache fruchtbar macht. Dabei geht Schaeffler von dem Sinnlosigkeitsvorwurf der sprachanalytisch inspirierten jüngeren Religionskritik gegenüber der religiösen Sprache als solcher aus. Diesem Einwand zufolge sind die Sätze der religiösen Sprache sinnlos, d. h. ohne Bedeutungsgehalt und Sachbezug, und infolgedessen auch wahrheitsunfähig, weil sie die Bedingungen für das Vorliegen eines Bedeutungsgehalts und eines Gegenstandsbezugs einer sprachlichen Äußerung angeblich nicht erfüllen. Denn die religiöse Sprache spreche erstens von Gegenständen wie etwa Gott, die nicht eindeutig identifiziert und von anderen Gegenständen nicht eindeutig unterschieden werden können; und sie verwende zweitens Begriffe, die sich einer exakten Definition entziehen. So aber gerät, wie Richard Schaeffler selbst formuliert, »die Sprache der Religion in den Verdacht, eine Sprache ohne Sachbezug und Bedeutungsgehalt, also ein Gebrauch von Wörtern ohne Sinn zu sein.« 5 Dass diese beiden Kriterien eines sinnvollen und damit auch wahrheitsfähigen Sprachgebrauchs, und zwar das der eindeutigen Identifizierbarkeit der bezeichneten Gegenstände und das der exakten Definierbarkeit der verwendeten Ausdrücke, von dieser sprachanalytischen Religionskritik inhaltlich in einem positivistisch eingeschränkten Sinne bestimmt werden, liegt auf der Hand: Denn nur dann, wenn als eindeutig identifizier- und als eindeutig definierbar alleine das empirisch Gegebene gilt, erscheinen Begriffe der religiösen Sprache wie etwa Gott als bedeutungs- und referenzlos, mithin als sinnlos. Schaeffler begegnet diesem Sinnlosigkeits- und damit Wahrheitsunfähigkeitsvorwurf gegenüber der religiösen Sprache in mehreren Schritten: Im Anschluss an die sprachanalytische Pragmatik zeigt er zunächst, dass Sätze der religiösen Sprache wie etwa »Ich taufe dich« zwar oftmals den formalen Charakter von Sprachhandlungen besitzen, dass religiöse Sprachhandlungen aber entgegen einer in der sprachanalytischen Philosophie weit verbreiteten Auffassung nicht auf den Wahrheitsanspruch von Aussagen verzichten, sondern Sachbehauptungen einschließen. So impliziere etwa die religiöse Heilswirksamkeit einer Sprachhandlung wie etwa die in dem Satz »Im Namen Jesu spreche ich dich los von deinen Sünden« sich artikulierende Lossprechung die Heilsnotwendigkeit der Zustimmung zu gewissen Aussagesätzen, in R. Schaeffler, Das Gebet und das Argument. Zwei Weisen des Sprechens von Gott. Eine Einführung in die Theorie der religiösen Sprache, Düsseldorf 1989, 18 (einfache Seitenangaben beziehen sich in diesem Abschnitt auf diese Schrift).
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Ein Nachwort und ein Nachruf
diesem Fall zu dem propositionalen Gehalt des religiösen Bekenntnisses: »Jesus ist von den Toten auferweckt worden«; denn nur unter Voraussetzung der Wahrheit dieses Aussagegehalts ist die Wirksamkeit der genannten Sprachhandlung, d. h. der Lossprechung, gegeben. Aus diesem Befund zieht Schaeffler den Schluss, dass Sachbezug und Bedeutungsgehalt religiöser Propositionen wie etwa der Aussage »Jesus ist von den Toten auferweckt worden« durch die von nicht-propositionalen religiösen Sprachhandlungen (wie in unserem Beispiel die Lossprechungsformel) implizierten propositionalen Gehalte vermittelt sind. Die religiöse Sprachhandlung identifiziert also diejenige religiöse Wirklichkeit, die mit dem religiösen Namen »Gott« bezeichnet wird, indem sie (wie übrigens viele der religiösen Kulthandlungen) in dessen Namen vollzogen werden muss, um überhaupt wirksam werden zu können. Mit diesem Aufweis des Enthaltenseins propositionaler Gehalte in religiösen Sprachhandlungen ist der genannte positivistisch motivierte Sinnlosigkeitsverdacht gegen die religiöse Sprache allerdings noch nicht entkräftet; um dies zu leisten, sucht Schaeffler in einem nächsten Schritt zu zeigen, dass die religiöse Sprache ein von anderen strukturverschiedenes, autonomes, gleichberechtigtes sog. Sprachspiel darstellt, das seine eigenen Regeln besitzt und in seiner spezifischen Funktion durch kein anderes Sprachspiel ersetzt werden kann. Diejenigen Regeln, die das religiöse intersubjektive Sprachverhalten bestimmen, müssen aber andere sein als etwa die des wissenschaftlichen Diskurses, da in genuin religiösen Sprachspielen wirksame Akte der Selbstverpflichtung und ihrer Annahme bzw. Ablehnung innerhalb einer Sprach- und Handlungsgemeinschaft vollzogen werden. Wann aber liegt ein »autonomes Sprachspiel« überhaupt vor? Dies zu klären, muss, wie Schaeffler gezeigt hat, Aufgabe einer transzendentalen Semiotik, d. h. einer allgemeinen Zeichentheorie, sein, welche die drei Teildisziplinen der Semantik und damit das allgemeine Bedeutungsverhältnis zwischen Zeichen und Bezeichnetem, ferner der Grammatik als der allgemeinen Verhältnisbestimmung der sprachlichen Zeichen unter- und zueinander, und der Sprachpragmatik als der durch die Zeichen vermittelten Bestimmung des Verhältnisses zwischen Sprechern und Hörern, einschließt. Nur eine transzendentale Semiotik, welche erstens die formalen semantischen Bedingungen untersucht, die erfüllt sein müssen, damit ein Zeichensystem wie eine Sprache sich auf etwas bezieht und etwas besagt, welche zweitens die allgemeinen grammatischen Formen bestimmt, die einen Bedeutungsgehalt und 173 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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Gegenstandsbezug von Zeichen begründen, und welche drittens aus der regulativen Idee einer Gemeinschaft von Sprechern und Hörern (wie einer Religionsgemeinschaft) die formalen Regeln ableitet, welche die besondere Weise begründen, wie in einer bestimmten (wie etwa der religiösen) Sprache auf Gegenstände Bezug genommen wird, könne die formalen Bedingungen definieren, die erfüllt sein müssen, damit ein Zeichensystem wie etwa die religiöse Sondersprache sich auf etwas bezieht und etwas besagt, d. h. Bedeutungsgehalt und Gegenstandsbezug besitzt, mithin ein autonomes »Sprachspiel« darstellt. Darin aber zeigt sich die sachliche Notwendigkeit einer Kombination von sprachanalytischer und transzendentalphilosophischer Methode, die Schaeffler erkannt hat, um die religiöse Sprache als ein autonomes und damit legitimes Sprachspiel unter vielen anderen erweisen und um die internen Regeln dieses Sprachspiels genauer bestimmen zu können. Unter Rückgriff auf Hermann Cohens transzendentale Theorie subjektkonstituierender Sprachhandlungen und Ernst Cassirers ebenfalls transzendentale Theorie einer Pluralität symbolischer Anschauungsformen und Begriffe in ihrer gegenstands- bzw. weltkonstituierenden Funktion zeigt Schaeffler in einem dritten Schritt, dass die Aufdeckung der allgemeinen Strukturen der religiösen Sprache einen Rückgang auf Kants Postulatenlehre erforderlich macht: Kants regulative Ideen bzw. Vernunftpostulate der Einheit des Aktes »Ich denke« sowie der geordneten Ganzheit der Welt aber seien modifikationsbedürftig: Die Einheit des »Ich denke« bzw. das transzendentale Subjekt, dem nach Kant die Inhalte aller meiner Vorstellungen zugeordnet werden müssen, damit es die synthetischen Funktionsleistungen des Verstandes gewährleisten kann, diese Einheit ist wie diejenige der Welt (schon nach Kant) nicht immer schon gegeben, sondern der Vernunft aufgegeben; nach Schaeffler aber ist sie darüber hinaus sowohl durch Sprachhandlungen vermittelt als auch immer schon und grundsätzlich eine pluriforme Einheit. Mit anderen Worten: Die Ideen der Einheit des Ich und der Ganzheit der Welt treten zunächst als jeweils kulturell spezifische auf, die sich jedoch in eine umfassende Einheit und Ganzheit einfügen. Diese Idee einer vermittelten umfassenden Einheit und Ganzheit von Ich- und Welt-Einheiten prüft Schaeffler deshalb am religiösen Sprachspiel, weil dieses sich zwar als autonom, d. h. als eigengesetzlich, nicht jedoch als autark, nicht als selbstgenügsam, sondern als angewiesen auf andere Sprachspiele erweise. 174 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
Nicht autark sei die religiöse Sprache, insofern innerhalb derselben Deutungsalternativen auftreten, die nicht durch ihren Gebrauch selbst, sondern nur durch den Gebrauch der wissenschaftlichen Argumentationssprache einer Theologie entschieden werden können. Gleichwohl beinhalte die religiöse Sprache nach Auffassung ihrer Sprecher einen Bedeutungsüberschuss gegenüber anderen Sprachen, auch gegenüber der theologischen Argumentationssprache, der ihre Autonomie erweise. Nach Schaefflers eigener Definition aber ist ein Sprachspiel genau dann autonom, wenn »es durch seine besondere Grammatik die regulativen Ideen des Ich und der Welt auf spezifische Weise bestimmt« (S. 93). Dass die religiöse Sprache in diesem Sinne autonom und doch zugleich nicht autark, sondern interferent sei, d. h. auch einen Verweischarakter auf andere strukturverschiedene Sprachen des Redens von Gott, in diesem Fall auf die theologische Argumentation und die philosophische Begriffsbildung über die gleiche Sache, besitze, genau diese Behauptung sucht Schaeffler am modellhaften Beispiel der religiösen Namensanrufung zu verifizieren: Die Sprachhandlung der religiösen invocatio nominis als eines grüßenden, durch (private und gegebenenfalls auch öffentliche) Namensnennung die angesprochene Gottheit identifizierenden Zurufs besitzt eine auffallend häufige Form, die Schaeffler in Anlehnung an die bibelhebräische Sprache als »Kausativform« (des Verbs) bezeichnet: Die gegrüßte Gottheit wird gegrüßt als jemand, der bewirkt, dass ein anderer etwas machen kann. Die religiöse Akklamation als die Sprachhandlung eines grüßenden Anrufs stelle demnach eine Beziehung zwischen dem menschlichen Wirken und dem angerufenen Gott solcher Art dar, dass der Mensch »die Wirksamkeit seines Tuns einer fremden ermächtigenden Macht im ganz wörtlichem Sinne verdankt, sich ihr dankend anheimstellt« (S. 126). Damit aber enthalte die religiöse Akklamation, die Kausativ-Nomina wie etwa »der Gründer« (conditor) oder »der Wiederhersteller« (reparator) für die angerufene Gottheit verwendet, eine religiöse Interpretation des Kausalnexus: Das Wirken des Sprechers dieser invocatio Dei wird als eine Manifestation der ermächtigenden Macht Gottes verstanden, der, um das alttestamentlich dafür wichtigste Beispiel zu nennen, macht, wie es etwa in Dtn 8,14 heißt, dass Israel aus Ägypten ging, der also sein Volk aus dem Sklavenhaus Ägyptens befreit und herausgeführt hat. Neben Kausativ-Nomina werden in religiösen Namensanrufungen für die angerufenen göttlichen Mächte ebenfalls auffallend häufig Partizipialnomina verwendet; dafür lassen sich gerade im altorien175 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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talischen Bereich zahlreiche prominente Beispiele anführen, etwa das von Schaeffler selbst genannte Beispiel des Segensgrußes, mit dem Malkizedek, der König von Salem, Abram, den späteren Abraham, in Gen 14,19 grüßt: »Sei gesegnet, Abram, von El Schaddai, (vom Höchsten Gott, dann wörtlich) machend Himmel und Erde (in freierer Übersetzung: ›der Himmel und Erde erschaffen hat‹)« (S. 128). Die Verwendung eines solchen Partizipialnomens verleiht nach Schaefflers Auslegung jener »Verknüpfung von gegenwärtiger Erfahrung und erinnerter Vergangenheit, die mit jeder Namensnennung geschieht, eine besondere Gestalt: Derjenige, der in der Vergangenheit gewirkt hat, wird als der gegenwärtig Wirkende benannt, näherhin als derjenige, der seine in der Vergangenheit gewirkten Taten in der Gegenwart fortwirkend erneuert« (ebd.). Damit aber enthält nach Schaeffler die Verwendung von Partizipien zur Benennung einer angerufenen Gottheit »eine religiöse Interpretation dessen, was im Wechsel der Erfahrungen als das Beharrende wiedererkannt wird« (S. 130), mithin eine religiöse Interpretation der Kategorie der Substanz als des nach Kant dem fortdauernden Wechsel von Erscheinungen beharrend Zugrundeliegenden. Denn was im Wechsel der Erscheinungsformen beharrt, ist für den religiösen Betrachter der immer gleiche Gott, dessen gleichbleibende Wirksamkeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erst die Bedingung der Möglichkeit dafür sei, religiöse Erfahrungssequenzen als den einheitlichen und geordneten Erfahrungszusammenhang einer erzählbaren Geschichte verstehen zu können. Daran werde die transzendentale Bedeutung der religiös verstandenen Substanzkategorie ebenso deutlich, wie die transzendentale Bedeutung der religiös gedeuteten Kategorie der Kausalität an der Verwendung von Kausativ-Formen in religiösen Namensanrufungen sichtbar werde: Denn die sich gewisser Kausativ-Nomina bedienende Sprachhandlung der religiösen Namensanrufung konstituiert nach Schaeffler insofern einen kausal geordneten religiösen Erfahrungszusammenhang, als sie Ursachen und Wirkungen innerhalb des empirischen Kausalnexus als Manifestation jener ermächtigenden Macht versteht, die sich im Wirken wie in der Wirkung, d. h. in der Tätigkeit des Agens wie in ihrem Produkt manifestiere. Die Kombination beider beschriebenen religiösen Sprachhandlungen, der Kausativ-Akklamation und der Partizipial-Benennung, aber führe zu einer religiösen Zeitanschauung, der Schaeffler ebenfalls einen transzendentalen Charakter zuspricht: Denn dann werde auch die Namensanrufung selbst als eine göttlich ermächtigte Hand176 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
lung und folglich der menschliche Sprecher als ein Werkzeug göttlicher Parusie verstanden. Mit dieser Kombination beider Sprachhandlungen aber sei eine religiöse Zeitanschauung verbunden, welche die den Wechsel der Ereignisse und ganzer Weltalter übergreifende Einheit der Zeit als Stiftung eines identisch bleibenden Gottes begreift. Und noch eine dritte sprachpragmatische und grammatische Eigentümlichkeit erkennt Schaeffler an religiösen Namensnennungen, und zwar die Verwendung possessiver Selbstbezeichnungen wie etwa »mein Retter«, »mein Heilbringer«, an denen er ebenfalls die transzendentale Bedeutung religiöser Sprachhandlungen ablesen zu können glaubt. Denn die Rolle, welche der Sprecher durch die Sprachhandlung der öffentlichen Namensanrufung übernimmt, sei die des Bekenners einer ihm zugeeigneten Kraft und die eines Vermittlers dieser Kraft auch an die Hörer seiner Namensanrufung. So konstituiere sich in dieser Sprachhandlung allererst das religiöse Subjekt, dessen Existenz von ihm als ebenso zugeeignet, d. h. ihm gegeben, verstanden werde wie die Handlung der Namensanrufung, die es vollzieht. Mit der Weitergabe der ihm verliehenen Kraft und des ihm gegebenen Wortes an die Hörer seiner Sprachhandlung aber trete das religiöse Subjekt ein in eine Sprachgemeinschaft der Sprecher des göttlichen Wortes, werde also religiöse Intersubjektivität allererst (transzendental) begründet. Aber nicht nur das religiöse Subjekt und die religiöse Intersubjektivität, sondern auch die religiöse Welt als der umfassende und einheitliche Zusammenhang jener kausal bestimmten Erscheinungen und Ereignisse, die vom religiösen Subjekt als die Manifestation eines identisch bleibenden Gottes aufgefasst werden, auch die so verstandene religiöse Welt also werde durch die von der religiösen Sprachhandlung der Namensanrufung meist in Form von Partizipialnomina zum Ausdruck gebrachte Substantialität und Identität des angerufenen Gottes konstituiert. Und nur was als eine objektiv gültige Manifestation einer numinosen Wirklichkeit verstanden werden könne, gelte innerhalb des religiösen Weltverständnisses als »wirklich und wahr, d. h. als maßgeblich für alles menschliche Urteilen und Handeln« (S. 147). Doch könnte sich hier nicht die Frage stellen, ob damit dem zwar biblisch und in manch anderen Religionen breit, in wieder anderen Religionen jedoch seltener und in wenigen Religionen, etwa dem atheistischen Theravada- und Zen-Buddhismus, überhaupt nicht bezeugten religiösen Akt der invocatio nominis Dei (Anrufung des göttlichen Namens) nicht zu viel an transzendentaler Begründungs177 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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funktion aufgebürdet wird. Ob die Sprachhandlung der religiösen Namensanrufung, die Schaeffler nur als eine Antwort auf die revelatio nominis, d. h. auf die Selbstzuwendung der Gottheit durch Nennung ihres Namens, für überhaupt möglich hält, tatsächlich einen im strengen Sinne des Wortes transzendentalen Charakter als allgemeingültige, erfahrungsunabhängig bestehende und der Form nach notwendige Konstitutionsbedingung der Möglichkeit sowohl eines religiösen Subjektes als auch einer religiösen Gemeinschaft als auch einer geordneten Welt religiöser Erfahrung besitzt, scheint mir mit Blick auf den angedeuteten religionsgeschichtlichen Befund einer einerseits kaum überschaubaren Fülle und Vielgestaltigkeit religiöser Gottesanrufungen und andererseits ihres wenn auch seltenen Fehlens in bestimmten religiösen Bewegungen eher den Charakter eines Forschungsprogramms als den eines bereits allseits gesicherten Forschungsergebnisses zu besitzen. Es wäre auch zu fragen, ob andere religiöse Sprachhandlungen etwa im Bereich religiöser Meditationspraxis, die weder explizit noch implizit eine religiöse Namensanrufung vollziehen, eine zumindest analoge Begründungsfunktion zu erfüllen imstande sind. Und es wäre gleichfalls zu untersuchen, ob religiöse Handlungen nichtsprachlicher Art etwa im religiösen Ritus und Kultus hierfür nicht auch in Frage kämen. Unbeschadet dieser Anfragen aber liegt das große Verdienst der hier leider nur in äußerster Verkürzung wiedergegebenen Kombination von transzendentalsemiotischen und sprachanalytischen Überlegungen Schaefflers darin, gezeigt zu haben, dass die religiöse Sondersprache in der Tat ein »autonomes Sprachspiel« darstellt, welches entgegen dem positivistischen Sinnlosigkeitsverdacht moderner Religionskritik sowohl einen eigenen Bedeutungsgehalt als auch einen eigenen Gegenstandsbezug besitzt und folglich zumindest wahrheitsfähig und damit sinnvoll ist. Denn am Beispiel der religiösen Namensanrufung hat Schaeffler den Nachweis dafür erbracht, dass die religiöse Sprache eine besondere Grammatik besitzt, durch welche sie die regulativen Ideen des Ich und der Welt in ganz spezifischer Weise bestimmt: des Ich als eines in seiner Existenz sich gegebenen und zu seinen religiösen Handlungen sowie zur Aufnahme intersubjektiver religiöser Beziehungen allererst ermächtigten religiösen Subjekts; der Welt als jenes Erscheinungs- und Ereigniszusammenhangs numinoser Wirkungen, dessen Einheit von der Substantialität und Identität des sich in ihr manifestierenden Numens begründet wird. Wie also ein religiöses Subjekt und eine religiöse Welt sich in religiösen 178 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Ein Nachwort und ein Nachruf
Sprachhandlungen als einer eminent wichtigen, weil objektiv nachvollziehbaren Form religiöser Akte überhaupt erst konstituieren, dafür hat uns Richard Schaeffler neben vielem anderen allererst die Augen geöffnet.
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Bernd Irlenborn
Bibliographie Richard Schaefflers Zeitraum: 1952 bis 2022 1
Vorbemerkung Die folgende Bibliographie beruht auf einem Schriftenverzeichnis, das Richard Schaeffler dem Verfasser im Jahr 2011 übergeben hat. Dieses Verzeichnis wurde geprüft, erweitert, aktualisiert und in zahlreichen Punkten korrigiert. Zudem wurde es mit den bereits vorliegenden Bibliographien verglichen. Titel, die nicht oder nicht eindeutig belegt werden konnten, sind mit einem Asterisk gekennzeichnet. Bisher liegen folgende Bibliographien zum Werk Richard Schaefflers vor: 1)
2)
3)
Bibliographie 1952–1986, in: Julie Kirchberg/Johannes Müther (Hg.), Philosophisch-Theologische Grenzfragen. Festschrift für Richard Schaeffler zur Vollendung des 60. Lebensjahres, Essen 1986, 247–255. Bibliographie 1952–1996, in: Matthias Laarmann/Tobias Trappe (Hg.), Erfahrung – Geschichte – Identität. Zum Schnittpunkt von Philosophie und Theologie. Für Richard Schaeffler, Freiburg i. Br. 1997, 377–389. Bibliographie 1952–2010, in: Thomas M. Schmidt/Siegfried Wiedenhofer (Hg.), Religiöse Erfahrung. Richard Schaefflers Beitrag zu Religionsphilosophie und Theologie, Freiburg i. Br./München 2010, 285– 305.
Die Bibliographie Richard Schaefflers ist gegliedert in I. Monographien, II. Herausgeberschaften, III. Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken, IV. Lexikonartikel, V. Rezensionen. Innerhalb der einzelnen Rubriken sind die Titel chronologisch angeführt. Dabei hat das Jahr der Abfassung eines Titels für dessen Positionierung in der Bibliographie den Vorrang vor dem Jahr der Veröffentlichung. Das
Für hilfreiche Hinweise bei der Erstellung der Bibliographie danke ich den Kollegen Christoph Böhr (Heiligenkreuz/Trier), Benjamin Dahlke (Eichstätt), Markus Enders (Freiburg i. Br.), Michael Kim (Seoul) und Christian Tapp (Bochum).
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181 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
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gilt für die angeführten Übersetzungen und Wiederabdrucke, die stets ausschließlich in Ergänzung des Originaltexts genannt werden. 2
I.
Monographien
1
Die Frage nach dem Glauben im Werke von Karl Jaspers [Diss. phil. masch.] Tübingen 1952 [hinterlegt in den Universitätsbibliotheken Bochum, Erlangen/Nürnberg und Tübingen]. Die Struktur der Geschichtszeit [Habilitationsschrift Tübingen 1961], Frankfurt a. M. 1963. Wege zu einer Ersten Philosophie. Vom rechten Ansatz des philosophischen Fragens, Frankfurt a. M. 1964. Religion und kritisches Bewußtsein, Freiburg i. Br./München 1973. Einführung in die Geschichtsphilosophie, Darmstadt 1973 (erw. Auflage 2 1980, unv. 31990, unv. 41991). Übersetzung ins Koreanische: Yŏksa ch’ŏrhak, Ulsan 1997. Die Religionskritik sucht ihren Partner. Thesen zu einer erneuerten Apologetik, Freiburg i. Br. 1974. Fähigkeit zum Glück, Zürich 1977. Frömmigkeit des Denkens? Martin Heidegger und die katholische Theologie, Darmstadt 1978. Was dürfen wir hoffen? Die katholische Theologie der Hoffnung zwischen Blochs utopischem Denken und der reformatorischen Rechtfertigungslehre, Darmstadt 1979. Die Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und katholischer Theologie, Darmstadt 1980. Glaubensreflexion und Wissenschaftslehre. Thesen zur Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftstheorie der Theologie (Quaestiones disputatae 82), Freiburg i. Br. 1980. Fähigkeit zur Erfahrung. Zur transzendentalen Hermeneutik des Sprechens von Gott (Quaestiones disputatae 94), Freiburg i. Br. 1982. Religionsphilosophie (Handbuch Philosophie 4), Freiburg i. Br. 1983 (erw. Auflage 21997; unv. Studienausgabe 2002, unv. 22010). Übersetzung ins Polnische: Filozofia religii, Tschenstochau 1989. Übersetzung ins Portugiesische: Filosofia da religião, Lissabon 1992. Übersetzung ins Koreanische: Chongkyo ch’ŏlhak, Gwangju 1995. Übersetzung ins Englische: Reason and the Question of God: An Introduction to the Philosophy of Religion, New York 1999. Übersetzung ins Spanische: Filosofía de la religión, Salamanca 2003.
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10 11
12 13 13a 13b 13c 13d 13e
In einem besonderen Fall gilt das auch für die frühe chronologische Anordnung des Titels III.4, der erst 2019 veröffentlicht wurde, den Schaeffler aber bereits 1961 (als Habilitationsvortrag) verfasst hat.
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Bibliographie Richard Schaefflers
13f Übersetzung ins Ungarische: A vallásfilozófia kézikönyve, Budapest 2003. 13g Übersetzung ins Tschechische: Filosofie náboženství, Prag 2003. 14 Kleine Sprachlehre des Gebets, Einsiedeln/Trier 1988. 14a Übersetzung ins Französische: Le langage de la prière. Essai d’analyse philosophique, Paris 2003. 14b Übersetzung ins Polnische: O języku modlitwy, Krakau 2007. 14c Übersetzung ins Koreanische: Gido-eon-eo: gidoui so(so)eon-eohag, Seoul 2011. 15 Das Gebet und das Argument – Zwei Weisen des Sprechens von Gott. Eine Einführung in die Theorie der religiösen Sprache, Düsseldorf 1989. 16 Erfahrung als Dialog mit der Wirklichkeit. Eine Untersuchung zur Logik der Erfahrung, Freiburg i. Br./München 1995. 17 Philosophische Einübung in die Theologie. Drei Bände, Freiburg i. Br./ München 2004. Erster Band: Zur Methode und zur theologischen Erkenntnislehre; Zweiter Band: Philosophische Einübung in die Gotteslehre; Dritter Band: Philosophische Einübung in die Ekklesiologie und Christologie (unv. Studienausgabe 2008). 18 Philosophisch von Gott reden. Überlegungen zum Verhältnis einer Philosophischen Theologie zur christlichen Glaubensverkündigung (Scientia & Religio 5), Freiburg i. Br./München 2006. 18a Übersetzung ins Koreanische: Sin-e daehaeseo cheolhagjeog-eulo malhagi, Seoul 2016. 19 Ontologie im nachmetaphysischen Zeitalter. Geschichte und neue Gestalt einer Frage, Freiburg i. Br./München 2008. 20 Erkennen als antwortendes Gestalten. Oder: Wie baut sich vor unseren Augen die Welt der Gegenstände auf? (Scientia & Religio 12), Freiburg i. Br./München 2014. 20a Übersetzung ins Koreanische: Syepeulleoui insiglon, Seoul 2021. 21 Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017. 22 Phänomenologie der Religion. Grundzüge ihrer Fragestellungen, Freiburg i. Br./München 2017. 22a Übersetzung ins Italienische: Fenomenologia della religione, Brescia 2020. 23 Das Gute, das Schöne und das Heilige. Eigenart und Bedingungen der ethischen, der ästhetischen und der religiösen Erfahrung, Freiburg i. Br./ München 2019. 24 Philosophische Anthropologie, hg. von Christoph Böhr, Berlin 2019. 25 Transzendentale Theologie. Gott als Möglichkeitsgrund der Erfahrung, herausgegeben und mit einem Nachwort zur »Transzendentalen Theologie« und einem Nachruf auf das wissenschaftliche Lebenswerk Richard Schaefflers (1926–2019) versehen von Markus Enders unter Mitarbeit von Frank Schlesinger, mit einer Bibliographie Richard Schaefflers von Bernd Irlenborn, Freiburg i. Br./München 2022.
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Anhänge
II.
Herausgeberschaften
1
Einsichten. Gerhard Krüger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M. 1962 (hg. gemeinsam mit Klaus Oehler). Gerhard Krüger, Religiöse und profane Welterfahrung, Frankfurt a. M. 1973. Gerhard Krüger, Eros und Mythos bei Platon, Frankfurt a. M. 1978. Theorie der Sprachhandlungen und heutige Ekklesiologie – Ein philosophisch-theologisches Gespräch, Freiburg i. Br. 1987 (hg. gemeinsam mit Peter Hünermann). Unsterblichkeit (Wolfenbütteler Forschungen 86), Wiesbaden 1999 (hg. gemeinsam mit Friedrich Niewöhner).
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5
III. Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken 1 2
2a
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6a 7
Martin Heidegger und die Frage nach der Technik, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 9 (1955) 116–127. Zur Struktur der Geschichtszeit. Versuch einer ontologischen Analyse, in: Wissenschaft und Weisheit. Zeitschrift für augustinisch-franziskanische Theologie und Philosophie in der Gegenwart 18 (1955) 24–32. Anzeige von 2: Zur Struktur der Geschichtszeit. Versuch einer ontologischen Analyse, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 9 (1955) 313–314. Philosophische Überlieferung und politische Gegenwart in der Sicht von Karl Jaspers (Teil 1), in: Philosophische Rundschau 7 (1959) 81–109; Philosophische Überlieferung und politische Gegenwart in der Sicht von Karl Jaspers (Teil 2), in: Philosophische Rundschau 7 (1959) 260– 293. Die Kontroverse zwischen Anselm von Canterbury und Gaunilo von Marmoutiers: Zur Frage nach der Vertretbarkeit des Daseins Gottes im Denken [Habilitationsvortrag von 1961], in: Christoph Böhr/HannaBarbara Gerl-Falkovitz (Hg.), Gott denken. Zur Philosophie von Religion, Heidelberg 2019, 1–17. Das Gute als Gegenstand des philosophischen Fragens, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 15 (1961) 519–540. Wahrheit und Geschichte, in: Klaus Oehler/Richard Schaeffler (Hg.), Einsichten. Gerhard Krüger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M. 1962, 297–315. Übersetzung ins Koreanische, Seoul 1995*. Das Verhältnis von Erfahrung und Denken bei Platon und Kant, in: Das Verhältnis von Denken und Erfahrung im wissenschaftlichen Erkennen: I. Historische Modelle (Veröffentlichungen des Studium Generale Mainz), Mainz 1962, 25–32.
184 https://doi.org/10.5771/9783495999592 .
Bibliographie Richard Schaefflers
8
Der Mensch, das denkende Wesen – Bedeutungswandel einer alten Definition (Teil 1), in: Die Pädagogische Provinz. Unterricht und Erziehung 20 (1966) 525–539; Der historische Wandel der Auffassungen vom menschlichen Denken und seine Konsequenzen für die philosophische Anthropologie (Teil 2), in: Die Pädagogische Provinz. Unterricht und Erziehung 21 (1967) 240–260. 9 Einige Stationen aus der Geschichte der philosophischen Zeitproblematik, in: Studium Generale. Zeitschrift für die Einheit der Wissenschaften im Zusammenhang ihrer Begriffsbildungen und Forschungsmethoden 20 (1967) 53–68. 10 La liberté comme principe herméneutique de l’interprétation des textes religieux, in: Enrico Castelli (Hg.), L’herméneutique de la liberté religieuse, Paris 1968, 253–282 (Diskussion 283–285). 10a Wiederabdruck: La liberté comme principe herméneutique pour l’interpretation des textes religieux, in: Enrico Castelli (Hg.), L’ermeneutica della libertà religiosa, Rom 1968, 253–282 (Diskussion 283–285). 10b Freiheit als hermeneutisches Prinzip für die Auslegung religiöser Texte, in: Hans Werner Bartsch (Hg.), Kerygma und Mythos VI, Band 5: Religion und Freiheit. Zur Hermeneutik der religiösen Freiheit (Theologische Forschung. Wissenschaftliche Beiträge zur kirchlich-evangelischen Lehre 52), Hamburg 1974, 99–117. 11 Zur sachlichen Herkunft des hermeneutischen Problems, in: Die Pädagogische Provinz. Unterricht und Erziehung 22 (1968) 219–235. 12 Die Vernunft und die Tatsachen. Bemerkungen zur kritischen Funktion der Philosophie, in: Catholica 22 (1968) 271–287. 13 Die Wahrheit des Zeugnisses. Philosophische Erwägungen zur Funktion der Theologie, in: Paul-Werner Scheele/Gerhard Schneider (Hg.), Christuszeugnis der Kirche. Theologische Studien, Essen 1970, 145–169. 14 Kosmos und Geschichte. Hermeneutische Überlegungen zur Rede vom »Ende der Welt«, in: Lebendiges Zeugnis 26 (1971) 62–88. 15 Wandlungen des Gottesbegriffs, in: Klaus Hemmerle (Hg.), Die Botschaft von Gott. Orientierungen für die Praxis, Freiburg i. Br. 1974, 63– 93. 16 Gott – ein Fremdwort in der Sprache unserer Zeit? in: Krise des Glaubens, Krise des Atheismus: 24. Universitätstage der Stadt Hamm (Tatsachen und Berichte 17), Hamm 1974, 95–120. 17 Evolution – Zwang zum Fortschritt? Zur philosophischen und theologischen Problematik eines Geschichtsmodells, in: Theologie und Philosophie 50 (1975) 504–526. 18 Ideologiekritik als philosophische und theologische Aufgabe, in: Theologische Quartalschrift 155 (1975) 97–116. 19 Der Kultus als Weltauslegung, in: Balthasar Fischer u. a. (Hg.), Kult in der säkularisierten Welt, Regensburg 1975, 9–62. 20 Kult im Zeitalter technischer Rationalität, in: Herder Korrespondenz 30 (1976) 608–616.
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Offenbarung und Geschichte, in: Kleronomia. Periodikon dēmosieuma tu Patriarchiku Hidrymatos Paterikōn Meletōn 8 (1976) 217–246. 22 Zum Verhältnis von transzendentaler und historischer Reflexion, in: Helmut Kohlenberger/Wilhelm Lütterfelds (Hg.), Von der Notwendigkeit der Philosophie in der Gegenwart. Festschrift für Karl Ulmer zum 60. Geburtstag, Wien/München 1976, 42–76. 23 Zur Wissenschaftstheorie der Theologie. Ein Beitrag zur Beantwortung der »Quaestio iuris«, in: Theologische Quartalschrift 157 (1977) 177– 188. 24 Der utopische Gedanke und die christliche Heilserwartung, in: Ludwig Hödl u. a., Das Heil und die Utopien: Eine Orientierungshilfe für die Praxis, Paderborn 1977, 9–66. 25 Kultisches Handeln – Die Frage nach Proben seiner Bewährung und nach Kriterien seiner Legitimation, in: Walter Strolz (Hg.), Anthropologie des Kults. Die Bedeutung des Kults für das Überleben des Menschen, Freiburg i. Br. 1977, 9–50. 25a Wiederabdruck: Kultisches Handeln – Die Frage nach Proben seiner Bewährung und nach Kriterien seiner Legitimation, in: Richard Schaeffler/ Peter Hünermann, Ankunft Gottes und Handeln des Menschen. Thesen über Kult und Sakrament (Quaestiones disputatae 77), Freiburg i. Br. 1977, 9–50. 26 Vom Sinn der Wallfahrt in der Religionsgeschichte und im christlichen Gottesdienst, in: Joseph Sauer (Hg.), Religiöse Themen der Gegenwart, Karlsruhe 1977, 25–44. 27 Fähigkeit zum Kultus: ihre Bedrohung und ihre Wiedergewinnung heute, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 126 (1978) 107–121. 28 Die unwiderrufliche Erwählung – Das Judentum heute und seine Bedeutung für das Selbstverständnis der Christen, in: Emuna. Horizonte zur Diskussion über Israel und das Judentum, Rothenburg ob der Tauber, Heft 5–6 (1978) 1–11. 29 Sprache als Bedingung und Folge der Erfahrung. Das religiöse Wort als Beispiel für die Geschichtlichkeit des Verhältnisses von »Sprache« und »Rede«, in: Wolfgang Beinert u. a., Sprache und Erfahrung als Problem der Theologie, Paderborn 1978, 11–36. 30 Das Gespräch zwischen Christen und Juden als Herausforderung an die Ökumene, in: Hans Hermann Henrix/Martin Stöhr (Hg.), Exodus und Kreuz im ökumenischen Dialog zwischen Juden und Christen. Diskussionsbeiträge für Religionsunterricht und Erwachsenenbildung, Aachen 1978, 166–187. 31 Christlicher Glaube, Hoffnung aus Erinnerung, in: Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben: 85. Deutscher Katholikentag vom 13. September bis 17. September 1978 in Freiburg, hg. vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Paderborn 1978, 401–417. 31a Wiederabdruck (gekürzt): Christlicher Glaube, Hoffnung aus Erinnerung, in: Anzeiger für die katholische Geistlichkeit 87 (1978) 392–398.
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31b Wiederabdruck: Christlicher Glaube – Hoffnung aus Erinnerung, in: Theologische Beiträge 10 (1979) 112–127. 32 Atheistische Hoffnung und Hoffnung des Glaubens, in: Caritas-Jahrbuch (1979) 51–59. 33 Der Offenbarungsbegriff – Die Frage nach Kriterien seines sinnvollen Gebrauches, in: Bistum Essen (Hg.), Offenbarung im Denken Franz Rosenzweigs, Essen 1979, 9–75. 33a Wiederabdruck: Der Offenbarungsbegriff – Die Frage nach Kriterien seines sinnvollen Gebrauchs, in: Johannes Bernard (Hg.), Offenbarung: Phänomen, Begriff, Dimensionen, Leipzig 1984, 43–82. 34 Der Mythos, die Religion und das Heilige, in: Civiltà delle Macchine 27, Heft 4–6 (1979/80) 53–64. 35 Kritik und Anerkennung, in: Franz Böckle u. a. (Hg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft 21 (1980) 107–138. 36 Philosophie, in: Studium Katholische Theologie. Band 6: Fachorientierte Schwerpunktbildung, Zürich 1980, 94–96. 37 Der »Modernismus-Streit« als Herausforderung an das philosophischtheologische Gespräch heute, in: Theologie und Philosophie 55 (1980) 514–534. 37a Wiederabdruck: Der »Modernismus-Streit« als Herausforderung an das philosophisch-theologische Gespräch heute, in: Theologisches Jahrbuch 1984, 84–100. 38 Wo begegnen sich die Wissenschaften? Zur Alternative von formaler und materialer Interdisziplinarität, in: Erhard Denninger u. a. (Hg.), Person und Amt. Peter Schneider zum 60. Geburtstag, dem Präsidenten zum Abschied, Mainz 1980, 173–181. 39 Die Vernunft und das Wort. Zum Religionsverständnis bei Hermann Cohen und Franz Rosenzweig, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 78 (1981) 57–89. 40 Philosophie der Hoffnung als Sokratik der praktischen Vernunft, in: Philosophisches Jahrbuch 88 (1981) 242–256. 41 Kant als Philosoph der Hoffnung. Zu G. B. Salas Kritik an meiner Interpretation der kantischen Religionsphilosophie, in: Theologie und Philosophie 56 (1981) 244–258. 42 Anthropologie und Theologie – Ihre Vermittlung durch die Zusage der Sündenvergebung, in: Heribert Gauly u. a., Im Gespräch: der Mensch. Ein interdisziplinärer Dialog. Joseph Möller zum 65. Geburtstag, Düsseldorf 1981, 222–234. 43 Rechtfertigung und Glaube, in: Martin Stöhr (Hg.), Jüdische Existenz und die Erneuerung der christlichen Theologie. Versuch der Bilanz des christlich-jüdischen Dialogs für die Systematische Theologie, München 1981, 220–241. 44 Wissenschaftstheorie und Theologie, in: Franz Böckle u. a. (Hg.), Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft, Band 20, Freiburg i. Br. 1982, 6– 82.
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44a Übersetzung ins Spanische: Teoría de la ciencia y teología (Fe cristiana y sociedad moderna 20), Madrid 1987. 45 Wahrheit und Institution. Sprachphilosophische Überlegungen zu einem theologischen Thema, in: Walter Kern (Hg.), Die Theologie und das Lehramt (Quaestiones disputatae 91), Freiburg i. Br. 1982, 152–200. 46 Zur Anthropologie und Ethik der Hoffnung, in: Münchener Theologische Zeitschrift 33 (1982) 1–24. 46a Übersetzung ins Polnische: Antropologia i etyka nadziei, in: Analecta Cracoviensia 17 (1985) 143–157. 47 Befähigung zur Glaubensentscheidung, in: Katholische Bildung 83 (1982) 525–550. 48 Wie muß der Christ heute den Juden sehen?, in: Erwachsenenbildung. Vierteljahresschrift für Theorie und Praxis (1982) 233–243. 49 Der Wahrheitsanspruch der Religion, in: Funkkolleg Religion. Studienbegleitbrief 2, Weinheim 1983, 85–116. 49a Wiederabdruck: Der Wahrheitsanspruch der Religion, in: Peter Fiedler (Hg.), Studientexte Funkkolleg Religion. Neubearbeitete Buchausgabe, Weinheim 1985, 68–77. 50 Das Gebet – Schule des Glaubens und Schule des Lebens im Judentum, in: Gisbert Kaufmann (Hg.), Lebenserfahrung und Glaube, Düsseldorf 1983, 73–90. 51 »Experiénce religieuse et experiénce profane du monde« dans les écrits inédits de Gerhard Krüger, in: Archives de philosophie 47 (1984) 375– 383. 52 Geschichtlichkeit und Geschichte, in: Erich Benedikt (Hg.), Philosophische Aspekte im Unterricht der Allgemeinbildenden Höheren Schulen (Beiträge zur Lehrerfortbildung 24), Wien 1984, 71–98. 53 Neue Aspekte des Sprechens von Gott, in: Joseph Möller (Hg.), Der Streit um den Gott der Philosophen, Düsseldorf 1985, 157–182. 54 Auf dem Weg zu einem philosophischen Begriff der Religion, in: Walter Kern/Hermann J. Pottmeyer/Max Seckler (Hg.), Handbuch der Fundamentaltheologie, Band 1: Traktat Religion, Tübingen/Basel 1985, 57– 72; Freiburg i. Br. 22000, 33–46. 54a Übersetzung ins Italienische: Verso un concetto filosofico di religione, in: Walter Kern/Hermann J. Pottmeyer/Max Seckler (Hg.), Corso di teologia fondamentale, I. Trattato sulla religione, Brescia 1990, 61–79. 55 Die Kritik der Religion, in: Walter Kern/Hermann J. Pottmeyer/Max Seckler (Hg.), Handbuch der Fundamentaltheologie, Band 1: Traktat Religion, Tübingen/Basel 1985, 117–135; Freiburg i. Br. 22000, 85–99. 55a Übersetzung ins Italienische: La critica della religion, in: Walter Kern/ Hermann J. Pottmeyer/Max Seckler (Hg.), Corso di teologia fondamentale, I. Trattato sulla religione, Brescia 1990, 134–156. 56 Wege zum Heil für eine schuldverstrickte Welt. Die christliche Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders: ein biblischer Beitrag zu einer Ethik der Menschheit, in: Wilhelm Breuning/Hanspeter Heinz (Hg.), Damit
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die Erde menschlich bleibt. Die gemeinsame Verantwortung von Juden und Christen für die Zukunft, Freiburg i. Br. 1985, 128–150. 57 Zur phänomenologischen Methode in der Religionsphilosophie. Brief an einen Benediktiner, in: Erbe und Auftrag 62 (1986) 102–111. 58 »Darum sind wir eingedenk«. Die Verknüpfung von Erinnerung und Erwartung in der Gegenwart der gottesdienstlichen Feier, in: Hohenheimer Protokolle. Themenheft: Ausdrucksgestaltungen des Glaubens. Zur Frage der Lebensbedeutung der Sakramente, hg. von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Band 18, Stuttgart 1986, 65–90. 58a Wiederabdruck: »Darum sind wir eingedenk«. Die Verknüpfung von Erinnerung und Erwartung in der Gegenwart der gottesdienstlichen Feier. Religionsphilosophische Überlegungen zur religiös verstandenen Zeit, in: Angelius A. Häußling (Hg.), Vom Sinn der Liturgie, Düsseldorf 1991, 16–44. 59 Freiheit, Geist und eschatologische Gemeinde. Die religionsphilosophischen Implikationen der neuzeitlichen Geschichtsphilosophie, in: Alois Halder u. a. (Hg.), Spuren der Erlösung. Religiöse Tiefendimensionen neuzeitlichen Denkens: Experiment Religionsphilosophie 2 (Beiträge zur Theologie und Religionswissenschaft), Düsseldorf 1986, 124–151. 60 Religionsimmanente Gründe für religionshistorische Krisen, in: Hartmut Zinser (Hg.), Der Untergang von Religionen, Berlin 1986, 243–261. 61 Logisches Widerspruchsverbot und theologisches Paradox. Überlegungen zur Weiterentwicklung der transzendentalen Dialektik, in: Theologie und Philosophie 62 (1987) 321–351. 62 Vollendung der Welt oder Weltgericht? Zwei Vorstellungen vom Ziel der Geschichte in Religion und Philosophie, in: Heinz Althaus (Hg.), Apokalyptik und Eschatologie. Sinn und Ziel der Geschichte, Freiburg i. Br. 1987, 73–104. 63 Die Chance der Religion in einer technisierten Welt, in: Bistum Essen (Hg.), Die Chance der Religion in einer technisierten Welt. Ingenieurtagung im Bistum Essen am 7. November 1987 (Zur christlichen Berufsethik – Kirche im Gespräch 8), Essen 1987, 10–31. 64 Prophetie, Apokalyptik, Eschatologie als Modelle der Deutung der Geschichte, in: Gerhard Ott (Hg.), Ohne Herkunft – keine Zukunft: Kirchengeschichte im Religionsunterricht, München 1987, 3–27. 65 Spiritus sapientiae et intellectus – spiritus scientiae et pietatis. Religionsphilosophische Überlegungen zum Verhältnis von Weisheit, Wissenschaft und Frömmigkeit und ihrer Zuordnung zum Geiste, in: Walter Baier u. a. (Hg.), Weisheit Gottes – Weisheit der Welt. Festschrift für Joseph Kardinal Ratzinger zum 60. Geburtstag, Band 1, St. Ottilien 1987, 15–35. 66 Der Zuspruch des Vergebungswortes und die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs. Überlegungen zur Ethik und Religionsphilosophie im Anschluß an Immanuel Kant und Hermann Cohen, in: Peter Hünermann/Richard Schaeffler (Hg.), Theorie der Sprachhandlungen und heutige Ekklesiologie, Freiburg i. Br. 1987, 104–129.
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Wahrheit, Dialog und Entscheidung, in: Andreas Bsteh (Hg.), Dialog aus der Mitte christlicher Theologie (Beiträge zur Religionstheologie 5), Mödling 1987, 13–42 (Diskussion hierzu in: Andreas Bsteh [Hg.], Glaube, der Begegnung sucht. Ein theologisches Programm [Beiträge zur Religionstheologie 6], Mödling 1992, 96–100, 125–129). 68 Innovation und Selbstkritik der Religion als innere Momente ihrer Überlieferung, in: Wolfgang Kluxen (Hg.), Tradition und Innovation – XIII. Deutscher Kongreß für Philosophie (Bonn 1984), Hamburg 1987, 471–487. 69 Sprache und Kultur, in: Gebhard Fürst (Hg.), Was hast du, das du nicht empfangen hättest? Zum 80. Geburtstag von Prälat Bernhard Hanssler, Stuttgart 1987, 12–27. 70 Auditorium nostrum in nomine Domini – Sprachphilosophische Überlegungen zur Anrufung Gottes im Gebet, in: Lebendiges Zeugnis 43 (1988) 26–40. 71 Wahrheitssuche und Reinigung des Herzens. Zur Frage nach dem Zusammenhang von Erkenntnisfortschritt und Moralität, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 17 (1988) 412–422. 72 Die Konstituierung des religiösen Subjekts in der Sprachhandlung des Gebets, in: Gerhard Larcher (Hg.), Symbol – Mythos – Sprache, Annweiler 1988, 59–83. 73 Heidegger und die Theologie, in: Annemarie Gethmann-Siefert/Otto Pöggeler (Hg.), Heidegger und die praktische Philosophie, Frankfurt a. M. 1988, 286–309. 73a Übersetzung ins Ungarische: Heidegger és teológia, in: Tibor Schwendtner (Hg.), Metszéspontok a fenomenológia és a hermeneutika határvidékén (Grenzpunkte der phänomenologischen und der hermeneutischen Methode), Budapest 2001, 179–200. 74 Was tun wir, wenn wir »Gott« sagen? Jüngere sprachphilosophische Ansätze zur Kritik der Religion, in: Gisbert Kaufmann (Hg.), Gott – das Thema der Theologie [Manuskriptdruck durch das Bistum Essen], Bochum 1988, 34–44. 75 Schulderfahrung und sittliche Identität. Philosophische Überlegungen zu einer Theorie des sittlichen Subjekts, in: Günter Eifler/Otto Saame (Hg.), Die Frage nach der Schuld, Mainz 1988, 137–156. 76 Synthese von Glaube und Kultur. Zur spannungsreichen Leitidee christlicher Erziehung, in: Engagement – Zeitschrift für Erziehung und Schule (1989) 4–20. 77 Die Neubegründung der Metaphysik angesichts ihrer Kritik – eine philosophische Aufgabe im Dienst der katholischen Theologie, in: Otto Muck (Hg.), Sinngestalten: Metaphysik in der Vielfalt menschlichen Fragens. Festschrift für Emerich Coreth, Innsbruck/Wien 1989, 13–28. 78 Das Christentum im Verhältnis zu den Weltreligionen, in: Nicolaus Klimek (Hg.), Universalität und Toleranz. Der Anspruch des christlichen Glaubens. Festschrift für Georg Bernhard Langemeyer zur Vollendung des 60. Lebensjahres, Essen 1989, 183–200.
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Abgrenzungen und Verwerfungen: sprachphilosophische Überlegungen zu einem theologischen Thema, in: Karl Lehmann (Hg.), Lehrverurteilungen – kirchentrennend? II. Materialien zu den Lehrverurteilungen und zur Theologie der Rechtfertigung, Freiburg i. Br. 1989, 59–67. 80 Unausgeschöpfte Möglichkeiten theologischer Heidegger-Rezeption, in: GEP-Buch-Magazin, hg. vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (Herbst/Winter 1989/90), Frankfurt a. M. 1989, 17–19. 81 Menschlich leben im Angesicht von Tod und Schuld?, in: Paulus Gordan (Hg.), Leid – Schuld – Versöhnung. Die Vorlesungen der Salzburger Hochschulwochen 1989, Graz 1990, 23–42. 82 Philosophie und katholische Theologie im 20. Jahrhundert, in: Emerich Coreth u. a. (Hg.), Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Band 3: Moderne Strömungen im 20. Jahrhundert, Graz 1990, 49–78. 82a Übersetzung ins Italienische: Filosofia e Teologia Cattolica nel Secolo XX, in: Emerich Coreth (Hg.), La Filosofia Cristiana nei secoli XIX e XX, Teil III: Correnti moderni del secolo XX, Rom 1995, 77–86. 83 Die christliche Hoffnungsbotschaft im Kontext menschlicher Todesauffassungen, in: Albert Gerhards (Hg.), Die größere Hoffnung der Christen. Eschatologische Vorstellungen im Wandel (Quaestiones disputatae 127), Freiburg i. Br. 1990, 13–27. 84 Verantwortete Vorläufigkeit. Der Mut zur Partikularität und die Kritik an der Frage nach dem »Sinn des Ganzen«, in: Eduard J. M. Kroker/Bruno Dechamps (Hg.), Wertewandel und Lebenssinn, Frankfurt a. M. 1990, 118–140. 84a Wiederabdruck: Verantwortete Vorläufigkeit. Der Mut zur Partikularität und die Kritik an der Frage nach dem »Sinn des Ganzen«, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 25–54. 84b Übersetzung ins Polnische: Odpowiedzalna tynczasowosc Zawierzyc Czlowiekowy, Krakau 1991, 99–119. 85 Kritik und Vertrauen. Zwei Momente des religiösen Verhältnisses zur Wirklichkeit, in: Erhard Denninger u. a. (Hg.), Kritik und Vertrauen. Festschrift für Peter Schneider zum 70. Geburtstag, Meisenheim 1990, 466–486. 86 Die religiöse Erfahrung und das Zeugnis von ihr. Erkundung eines Problemfeldes, in: Bernd Jochen Hilberath (Hg.), Erfahrung des Absoluten – absolute Erfahrung? Beiträge zum christlichen Offenbarungsverständnis. Josef Schmitz zum 65. Geburtstag, Düsseldorf 1990, 13–34. 87 Der Beitrag der Kirche zur Kultur der Sprache. Vom Sprechen an den Grenzen der Sprache, in: Hinweise. Nachrichten – Berichte – Anregungen des Bistums Essen (Schwerpunktthema: Kirche und Kultur) 19, Heft 2 (1990) 48–56. 88 Die Hierarchie der Wahrheiten, in: Wie im Himmel so auf Erden: 90. Deutscher Katholikentag vom 23. bis 27. Mai 1990 in Berlin. Doku-
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mentation, hg. vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Paderborn 1990, 1835–1846. Damit das Wort lebendig wird. Sprachtheoretische Überlegungen zu einem Thema der theologischen Theorie und der pastoralen Praxis, in: Baldur Hermans (Hg.), Zeugnis des Glaubens – Dienst an der Welt. Festschrift für Franz Kardinal Hengsbach zur Vollendung des 80. Lebensjahres, Mülheim a. d. Ruhr 1990, 145–174. Ludwik Feuerbach a transcendentalna metoda w krytyce religii (Ludwig Feuerbach und die transzendentale Methode der Religionskritik), in: Analecta Cracoviensia 23 (1991) 35–48. Kultur und Kult, in: Liturgisches Jahrbuch 41 (1991) 73–87. Aussagen über das, was »Im Anfang« geschah. Von der Möglichkeit, sie zu verstehen und auszulegen, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 20 (1991) 340–351. Übersetzung ins Niederländische (auszugsweise): De kentheoretische en hermeneutische mogelijkheid van protologische uitspraken, in: Internationaal Katholiek Tijdschrift Communio 16 (1991) 302–309. Freiräume. Kriterien einer verantwortlichen liturgischen Textgestaltung am Beispiel von sprachlichen Formen der Gottesdiensteröffnung, in: Gottesdienst 25 (1991) 105–109. Jemanden zugunsten eines anderen um etwas bitten. Fürbitten als Sprachhandlung (1), in: Gottesdienst 25 (1991) 153–155; Viele Beteiligte. Fürbitten als Sprachhandlung (2), in: Gottesdienst 25 (1991) 161– 163. Schulderfahrung und Bewältigung der Vergangenheit, in: Militärseelsorge 33 (1991) 40–63. Die religiöse Erfahrung – Ihre Eigenart und Kriterien ihrer Bewertung, in: Religionsunterricht an Höheren Schulen 34 (1991) 320–330. Religiöse Kreativität und Säkularisierung in Europa seit der Aufklärung, in: Mircea Eliade, Geschichte der religiösen Ideen. Band III/2: Vom Zeitalter der Entdeckungen bis zur Gegenwart, hg. von Ioan P. Culianu, Freiburg i. Br. 1991, 410–447. Übersetzung ins Dänische: Religiøs kreativitet og sekularisering i Europa siden oplysningstiden, in: Mircea Eliade u. a., De religiøse ideers historie. Fra aztekerne til politisk buddhisme, Kopenhagen 1991, 410–447. Übersetzung ins Spanische: Creatividad religiosa y secularización en Europa desde la ilustración, in: Mircea Eliade u. a., Historia de las creencias y de las ideas religiosas: Desde la época de los descubrimientos hasta nuestros días, Band 5, Freiburg i. Br. 1996, 517–563. Übersetzung ins Japanische in: Mircea Eliade u. a., Sho sekai no kaigō kara gendai made, Tokyo 1998*. Was ist Wahrheit? Zum Wahrheitsverständnis in Naturwissenschaft, Technik und Religion, in: Bistum Essen (Hg.), Was ist Wahrheit? Zum Wahrheitsverständnis in Naturwissenschaft, Technik und Religion. Ingenieurtagung im Bistum Essen am 16. November 1991 (Zur christlichen Berufsethik – Kirche im Gespräch 24), Essen 1991, 10–37.
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Die Orientierungsaufgaben der Religionsphilosophie, in: Peter Koslowski (Hg.), Orientierung durch Philosophie. Ein Lehrbuch nach Teilgebieten, Tübingen 1991, 196–224. Die Stellung des Kultus im Leben des Menschen und der Gesellschaft. Eine anthropologische Grundlegung, in: Konrad Baumgartner u. a. (Hg.), Unfähig zum Gottesdienst? Liturgie als Aufgabe aller Christen, Regensburg 1991, 9–34. Der »Gruß des Heiligen« und die »Frömmigkeit des Denkens«. Heideggers Beitrag zu einer Phänomenologie der Religion, in: Günther Pöltner (Hg.), Auf der Spur des Heiligen. Heideggers Beitrag zur Gottesfrage, Wien 1991, 62–90. »Ἐπέκεινα τῆς οὐσίας«. Wandlungen, Recht und Grenzen eines Programms, in: Ludger Honnefelder/Werner Schüßler (Hg.), Transzendenz. Zu einem Grundwort der klassischen Metaphysik, Paderborn 1992, 13– 37. Aufklärung und Offenbarung – ihr spannungsreiches Verhältnis und seine Bedeutung für die politische Kultur der Gesellschaft, in: Wolfgang Erich Müller/Hartmut H. R. Schulz (Hg.), Theologie und Aufklärung. Festschrift für Gottfried Hornig zum 65. Geburtstag, Würzburg 1992, 300–322. Die Wissenschaft des Judentums in ihrer Beziehung zur allgemeinen Geistesgeschichte im Deutschland des 19. Jahrhunderts, in: Julius Carlebach (Hg.), Wissenschaft des Judentums. Die Anfänge der Judaistik in Europa, Darmstadt 1992, 113–131. Der Gott der Philosophen oder der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs?, in: Matthias Lutz-Bachmann/Andreas Hölscher (Hg.), Gottesnamen. Gott im Bekenntnis der Christen (Schriften der Diözesanakademie Berlin 7), Berlin/Hildesheim 1992, 129–150. Die Dialektik des praktischen Vernunftgebrauchs und die Ansätze zu einer philosophischen Pneumatologie bei Immanuel Kant, in: Friedo Ricken/François Marty (Hg.), Kant über Religion, Stuttgart 1992, 124– 142. Ein transzendentalphilosophischer Gottesbegriff und seine mögliche Bedeutung für die Theologie, in: Michael Kessler/Wolfgang Pannenberg/ Hermann J. Pottmeyer (Hg.), Fides quaerens intellectum: Beiträge zur Fundamentaltheologie, Tübingen 1992, 97–110. Dialogische Existenz – Wege zu einem menschlichen Leben, in: Heliandkorrespondenz 3 (1993) 5–13. Der Priester als Vor-Beter (orans primarius) und Fürbitter der Gemeinde, in: Analecta Cracoviensia 25 (1993) 445–460. »Lieber fünf Worte mit Verstand als zehntausend im Zungenreden!« Der Beitrag der Theologie zur Diskussion um den Wissenschaftsbegriff, in: Herbert Mainusch/Richard Toellner (Hg.), Einheit der Wissenschaft. Wider die Trennung von Natur und Geist, Kunst und Wissenschaft, Opladen 1993, 160–186 (Diskussion 187–194).
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111 Die Dialektik der menschlichen Freiheit als Bewährungsprobe philosophischen Sprechens von Gott, in: Joachim Hubbert u. a. (Hg.), Freiheit Gottes und Geschichte des Menschen (Forschungsgespräch aus Anlass des 65. Geburtstags von Professor Dr. Richard Schaeffler), Annweiler 1993, 219–245. 112 Die Vielfalt der Weisen religiöser Wahrheit und ihres sprachlichen Ausdrucks, in: Walter Kerber (Hg.), Die Wahrheit der Religionen. Ein Symposion, München 1994, 73–109 (Diskussion 110–137). 113 In memoriam Otto Saame, in: Günter Eifler u. a. (Hg.), Otto Saame in memoriam, Mainz 1994, 14–26. 114 »Der Herr ist meine Kraft und mein Lied.« Der Hymnengesang als Paradigma für die Verhältnisbestimmung von Religion und Kultur, in: Linus Hauser/Eckhard Nordhofen (Hg.), Im Netz der Begriffe. Religionsphilosophische Analysen, Altenberge 1994, 22–32. 115 Die Kirche als Erzähl- und Überlieferungsgemeinschaft, in: Wilhelm Geerlings/Max Seckler (Hg.), Kirche sein: Nachkonziliare Theologie im Dienst der Kirchenreform. Für Hermann Josef Pottmeyer, Freiburg i. Br. 1994, 201–219. 116 Theologie im Spannungsfeld von Kirche, Wissenschaft und Gesellschaft, in: Bernhard Fraling u. a. (Hg.), Kirche und Theologie im kulturellen Dialog. Für Peter Hünermann, Freiburg i. Br. 1994, 15–32. 117 Der mündige Christ. Leben ist, was sich selber bewegt, in: Renovatio 51 (1995) 65–75. 118 Licht und Sonne – Bemerkungen zu Sachproblemen und Wirkungsgeschichte eines platonischen Gleichnisses, in: Symbolon. Jahrbuch für Symbolforschung. Neue Folge, Band 12 (1995) 137–148. 119 Philosophische Begriffe vom Unendlichen – Kontexte und Funktionen, in: Günter Eifler/Otto Saame/Peter Schneider (Hg.), Endlichkeit – Unendlichkeit. Mainzer Universitätsgespräche, Mainz 1995, 169–185. 120 Zum Ethos fachspezifischen und fächerübergreifenden Lehrens, in: Juan Antonio Nikolás/Juan Arana (Hg.), Saber y Concienza. Homaje a Otto Saame (Wissen und Gewissen. Gedenkschrift für Otto Saame), Granada 1995, 395–413. 121 Theologie unter den Bedingungen der Moderne, in: Maximilian Liebmann/Erich Renhart/Karl M. Woschitz (Hg.), Metamorphosen des Eingedenkens. Gedenkschrift der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz 1945–1995, Graz 1995, 93–104. 122 Jüdisch-Christlicher Dialog auf der »Hegge«, in: Die Hegge. Zum 50jährigen Bestehen, Willebadessen 1995, 26–27. 123 Benediktinische Erziehung. Erinnerungen, Reflexionen und Anfragen eines Altettalers, in: Jahresbericht des Benediktinergymnasiums Ettal, Schuljahr 1995/1996, 55–63. 124 Ent-Europäisierung des Christentums?, in: Theologie und Glaube 86 (1996) 121–131. 125 Das Gebet der Kirche als Geschenk der Synagoge, in: Deutsche Tagespost, Sonderbeilage 3000 Jahre Jerusalem (Neujahr 1996), 11–12.
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Bibliographie Richard Schaefflers
126 Religionsphänomenologie, Sprachanalyse und »die Wahrheitsfrage«, in: Jahrbuch für Philosophie des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover, Band 8, Wien 1996, 184–202. 127 Recht und Grenzen eines postulatorischen Gottesglaubens, in: Emerich Coreth u. a. (Hg.), Von Gott reden in säkularer Gesellschaft. Festschrift für Konrad Feiereis, Leipzig 1996, 145–161. 128 Durch das Wort geschaffen – Für das Wort geschaffen. Von der Transzendenz und Immanenz des göttlichen Wortes, in: Andreas Bsteh (Hg.), Christlicher Glaube in der Begegnung mit dem Islam, Mödling 1996, 389–400 (Diskussion 401–455). 128a Übersetzung ins Arabische: al-ʿ Aqīda al-masīḥīya fī liqāʾ maʿ a ’l-islām, hg. von Adel Khoury, Altenberge 2002, 403–416 (Diskussion 417–468). 129 Die christliche Hoffnung als Kriterium endzeitlicher Erwartungen, in: Religionen unterwegs 3 (1997) 10–15. 130 Verum Vero consonat. Zum Bedeutungswandel einer Vernunftregel, in: Winfried Löffler/Edmund Runggaldier (Hg.), Dialog und System: Otto Muck zum 65. Geburtstag, Sankt Augustin 1997, 47–68. 131 Religiöse Gottesnamen und philosophische Gottesbegriffe, in: Georg Wieland (Hg.), Religion als Gegenstand der Philosophie, Paderborn 1997, 197–217. 132 Eschatologischer Monotheismus, in: Tore Frost (Hg.), Henologische Perspektiven II: Internationales Henologie-Symposium. Festschrift für Egil A. Wyller (Elementa 69), Amsterdam 1997, 103–117. 133 Die Botschaft hören und auch verstehen. »Glaube und Vernunft«: Professor Richard Schaeffler zur neuen Papst Enzyklika (Teil 1), in: Ruhrwort 40 (44/1998) 3; Eine Etappe auf dem Weg zur Wahrheit: Professor Richard Schaeffler zur neuen Papst Enzyklika (Teil 2), in: Ruhrwort 40 (45/1998) 3. 134 Zur Ethik der Hoffnung. Als Bürger der kommenden Welt in dieser Welt leben, in: Venio-Briefe (Herbst 1998) 3–10. 135 Bedingungen einer Kultur des Dialogs. Chancen, Krisen, Lernprozesse, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 146 (1998) 339–348. 135a Wiederabdruck: Dialog als Hoffnung der Zeit. Ursprünge, Kriterien und gesellschaftliche Relevanz theologischer Prozesse, hg. von der Kontaktstelle für Weltreligionen und dem Sekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz, Graz/Wien 1998, 71–83. 136 Die Selbstgefährdung der Vernunft und der Gottesglaube, in: Johannes Beutler/Erhard Kunz (Hg.), Heute von Gott reden, Würzburg 1998, 31– 56. 136a Wiederabdruck: Die Selbstgefährdung der Vernunft und der Glaube an Gott, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 55–83. 137 Lernen auch noch im Widerspruch. Religionsphilosophische und erkenntnistheoretische Überlegungen zu einem Aspekt des Dialogs der Religionen, in: Adel Theodor Khoury/Gottfried Canoni (Hg.), »Ge-
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glaubt habe ich, deshalb habe ich geredet«: Festschrift für Andreas Bsteh zum 65. Geburtstag, Würzburg/Altenberge 1998, 420–459. 138 Geschichtsphilosophie, in: Annemarie Pieper (Hg.), Philosophische Disziplinen. Ein Handbuch, Leipzig 1998, 139–164. 138a Übersetzung ins Koreanische: Cheolhagjeog bungwa hagmun, Seoul 2005. 139 Die religiöse Sprache zwischen Partikularität und Universalität. Ein transzendentalpragmatisches Modell, in: Barbara Schoppelreich/Siegfried Wiedenhofer (Hg.), Zur Logik religiöser Traditionen, Frankfurt a. M. 1998, 119–186. 140 Immanuel Kant: Kritik und Neubegründung der Religion, in: Thomas Brose (Hg.), Religionsphilosophie. Europäische Denker zwischen philosophischer Theologie und Religionskritik, Würzburg 1998 (22001), 159–176. 141 Christlicher Glaube und neuzeitliche Subjektivität – Karl Rahner, in: Günter Lange (Hg.), Glauben denken: theologische Profile in historischen Stichproben (Vorlesungen des Kontaktstudiums der KatholischTheologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum im Wintersemester 1997/98), Hagen 1998, 9–27. 142 Die Bedeutung der Religion für die Kultur. Die Bedeutung der Kultur für die Religion, in: Religion and Culture [Kwangju/Korea] (1/1999) 1–35*. 143 Die christliche Botschaft im Wettbewerb der Endzeiterwartungen, in: Stimmen der Zeit 217 (1999) 363–376. 143a Wiederabdruck: Die christliche Botschaft im Wettbewerb der Endzeiterwartungen, in: Markwart Herzog (Hg.), Der Streit um die Zeit: Zeitmessung – Kalenderreform – Gegenzeit – Endzeit, Stuttgart 2002, 193– 207. 144 Consortium Divinitatis. Religionsphilosophische Prolegomena zu einer Theologie der Unsterblichkeit, in: Friedrich Niewöhner/Richard Schaeffler, Unsterblichkeit (Wolfenbütteler Forschungen 86), Wiesbaden 1999, 45–59. 144a Wiederabdruck: Consortium Divinitatis – Religionsphilosophische Prolegomena zu einer Theologie der Unsterblichkeit, in: Richard Schaeffler, Philosophische Anthropologie, hg. von Christoph Böhr, Berlin 2019, 93– 106. 145 Die sittliche Erfahrung: Ihr Verhältnis zum Verstande, zur Vernunft und zur Geschichte, in: Konrad Feiereis (Hg.), Wahrheit und Sittlichkeit (Erfurter theologische Schriften 27), Leipzig 1999, 133–148. 146 Δοξολογία καὶ Οἰκοδομή. Der Lobpreis Gottes und der Aufbau der Glaubensgemeinschaft, in: David S. Cunningham/Ralph Del Colle/Lucas Lamadrid (Hg.), Ecumenical Theology in Worship, Doctrine, and Life. Essays Presented to Geoffrey Wainwright on his Sixtieth Birthday, Oxford 1999, 55–68. 147 Religiöse Erfahrung: Ausdruck reiner Subjektivität oder Fundstelle objektiv gültiger Wahrheit?, in: Philosophisches Jahrbuch 197 (2000) 61– 73.
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Bibliographie Richard Schaefflers
147a Wiederabdruck: Religion and Culture [Kwangju/Korea] (1/2001) 1–17*. 148 Kommunikative Handlungen als soziale Lebensbezüge, in: Journal for the Study of Culture and Religion [Chonnam/Korea] (2000) 14–39*. 149 »Die beiden Flügel des Geistes« – Versuch eines Überblicks über Themen und Leitgedanken der neuen Enzyklika »Fides et Ratio«, in: Theologie und Glaube 90 (2000) 467–488. 150 Kritik und Neubegründung der Religion bei Kant: ein Versuch, einige klassische Texte neu zu lesen, in: Albert Franz/Wilhelm G. Jacobs (Hg.), Religion und Gott im Denken der Neuzeit, Paderborn 2000, 39–63. 151 Studienbeginn in Pullach. Ein Rückblick nach 50 Jahren, in: Julius Oswald (Hg.), Schule des Denkens – 75 Jahre Philosophische Hochschule der Jesuiten in Pullach und München, Stuttgart 2000, 177–191. 152 Der philosophische Transzendenzbegriff – Hilfe oder Hindernis des Glaubens?, in: Albert Raffelt (Hg.), Weg und Weite. Festschrift für Karl Lehmann, Freiburg i. Br. 2001, 421–431. 153 Grenzerfahrungen der Vernunft als Interpretamente religiöser Erfahrung, in: Florian Uhl/Artur R. Boelderl (Hg.), Zwischen Verzückung und Verzweiflung. Dimensionen religiöser Erfahrung, Düsseldorf 2001, 27–41. 153a Wiederabdruck: Grenzerfahrungen der Vernunft als Interpretamente religiöser Erfahrung, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 85–97. 154 Ist Gott »das Absolute«? Ist »das Absolute« Gott?, in: Andreas Bsteh (Hg.), Christlicher Glaube in der Begegnung mit dem Buddhismus (Studien zur Religionstheorie 6), Mödling 2001, 241–257 (Diskussion 258– 300). 155 »An sich« und »Für uns« – Überlegungen zu den Begriffen »Realität« und »Wirklichkeit«, in: Josef Quitterer/Armin Schwibach (Hg.), Der Aufgang der Wahrheit. Die Konstruktion der Wirklichkeit. Festschrift für Carlo Huber S.J., Zagreb 2001, 53–86. 156 Il Corpo: luogo e organo del rapporto interpersonale, in: Nicola Reali (Hg.), Il mondo del sacramento. Teologia e filosofia a confronto, Mailand 2001, 206–220. 157 Religionen verstehen – Religionen beurteilen, in: Jahrbuch für Religionsphilosophie 1 (2002) 148–170. 158 Fähigkeit zur Erfahrung. Philosophische Probleme und theologische Perspektiven, in: Jürgen Audretsch/Klaus Nagorny (Hg.), Was ist Erfahrung? Theologie und Naturwissenschaft im Gespräch (Herrenalber Forum 12), Karlsruhe 2002, 35–74. 159 »Theologia Crucis«: Ein widersprüchlicher Begriff? Oder: Von der Torheit des Kreuzes und der Klugheit der Theologie, in: Günter Berghaus/ Baldu Hermanns (Hg.), Kreuzungen: christliche Existenz im Diskurs. Festschrift für Bischof Dr. Hubert Luthe zur Vollendung seines 75. Lebensjahres, Mülheim a. d. Ruhr 2002, 233–248.
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Anhänge
160 Die philosophische Gottesfrage: Sinn, Grenzen und Neuformulierung eines Problems, in: Heino Sonnemans/Thomas Fößel (Hg.), Faszination Gott. Hans Waldenfels zum 70. Geburtstag, Paderborn 2002, 29–62. 161 Lasset euch nicht mitprägen ins Schema dieser Weltzeit, in: Jahresbrief Nr. 3: Verein der Freunde des Benediktiner-Klosters Wechselburg e. V., Dresden 2002, 11–24. 162 Vom Ende der Zeit und von der Kostbarkeit der Gegenwart, in: Religionen unterwegs 9 (2003) 16–22. 163 A Vigilia Beszélgetése [ungarisch: Interview mit der Zeitschrift Vigilia], in: Vigilia 68 (2003), 698–706. 164 Die transzendentale Reflexion und die »Geschichte Gottes mit dem Menschen« oder: Eröffnet die transzendentale Reflexion einen Zugang zum Verständnis derjenigen Geschichte, von der der Glaube spricht?, in: Günter Kruck (Hg.), Gottesglaube, Gotteserfahrung, Gotteserkenntnis, Würzburg 2003, 85–107. 165 Säkularisierung – nicht nur 1803, in: Ettaler Mandl. Stimmen aus Abtei-, Jung- und Altettal 82 (2003) 45–62. 166 Zum 200. Geburtstag von Immanuel Kant, in: Stimmen der Zeit 222 (2004) 86–100. 167 Ein Plädoyer für den methodischen Vorrang der »Pragmatik«, in: Erwägen – Wissen – Ethik 15 (2004) 273–274. 168 Der strittige Begriff einer christlichen Philosophie, in: Tobias Trappe (Hg.), Wahrheit und Erfahrung. Chancen der Transzendentalphilosophie, Würzburg 2004, 7–22. 169 »Das Heilige« und »der Gott« – oder: Wie kommt Gott in die Religion?, in: Markus Enders (Hg.), Phänomenologie der Religion, Freiburg i. Br./ München 2004, 157–173. 170 Zeugnisse fremder Erfahrung und die Unvertretbarkeit der eigenen Lebensgeschichte, in: Franz-Josef Bormann/Christian Schröer (Hg.), Abwägende Vernunft: Praktische Rationalität in historischer, systematischer und religionsphilosophischer Perspektive, Berlin 2004, 763–778. 171 Bin ich ein christlicher Philosoph?, in: Józef Morawa (Hg.), Testis Christi Passionum (1 P 5,1). Analecta academica Professori Adae Kubiś oblata / Świadek Chrystusowych cierpień (1 P 5,1). Prace dedykowane Księdzu Profesorowi Adamowi Kubisiowi, Krakau 2004, 257–271. 172 »Scientia in Via« – Von der Kunst des Dialogs mit der Wirklichkeit. Interview mit der »Studentischen Zeitung der Hochschule für Philosophie in München«, 5. Ausgabe Sommersemester 2004, 9–12. 173 Die Philosophie – Vorhof des Glaubens oder bleibend notwendige Hilfe zu seinem Verstehen?, in: Hermann Fechtrup u. a. (Hg.), Wissen und Wahrheit. Zwei Symposien zu Ehren von Josef Pieper (1904–1997), Münster 2005, 103–121. 174 Ist dem Verstand jeder Weg zu Gott verschlossen? Religionsphilosophie nach Kant, in: Ian Kaplow (Hg.), Nach Kant: Erbe und Kritik, Münster 2005, 212–252.
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Bibliographie Richard Schaefflers
175 Universalien religiöser Erfahrung in der Vielfalt religiöser Überlieferungen, in: Torsten Larbig/Siegfried Wiedenhofer (Hg.), Kulturelle und religiöse Traditionen. Beiträge zu einer interdisziplinären Traditionstheorie und Traditionsanalyse, Münster 2005, 212–252. 176 Die religiöse Überlieferungsgemeinschaft als Schule der Erfahrung, in: Lieven Boeve/Yves De Maeseneer/Stijn van den Bossche (Hg.), Religious Experience and Contemporary Theological Epistemology, Leuven 2005, 41–51. 177 Christliche Philosophie und neuzeitliche Subjektivität – oder: Die späte Trauer um einen »überwundenen Feind«?, in: Heinrich Schmidinger/ Michael Zichy (Hg.), Tod des Subjekts? Post-Strukturalismus und christliches Denken, Innsbruck 2005, 21–36. 178 Profanität, Säkularität, Verlust des Sakralen. Ein Plädoyer für die Unterscheidung dreier Begriffe, in: Klaus Kienzler/Josef Reiter/Ludwig Wenzler (Hg.), Das Heilige im Denken – Zu Ehren von Bernhard Casper, Münster 2005, 33–61. 179 Lesen im Buch der Welt. Ein Weg philosophischen Sprechens von Gott, in: Stimmen der Zeit 224 (2006) 363–378. 180 Die Gegenwart des Zukünftigen. Oder: Das anagogische Bedeutungsmoment der Erfahrung, in: Margarethe Drewsen/Mario Fischer (Hg.), Die Gegenwart des Gegenwärtigen. Festschrift für P. Gerd Haeffner SJ zum 65. Geburtstag, Freiburg i. Br. 2006, 73–87. 181 Die Ewigkeit der Wahrheit und die Veränderlichkeit der Vernunft, in: Stromata historica in honorem Roman Zawadski, Krakau 2006, 571– 598. 181a Wiederabdruck: Die Ewigkeit der Wahrheit und die Veränderlichkeit der Vernunft. Ein Beitrag zum Verständnis von Wahrheit und Geschichte, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 117–137. 182 Ars interrogandi: Die Philosophie als »Kunst, rechte Fragen zu stellen« oder: Von der Aufgabe, die philosophischen Fragen offenzuhalten, in: fiph Journal [Journal des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover] 9 (1/2007) 3–5. 183 La tarda filosofia di Heidegger. »Un congedo dal Dio cristiano«?, in: Humanitas (2/2007) 234–250. 184 Pluralistische Theologie – Das Gebot der Stunde? Zu Schmidt-Leukels »Gott ohne Grenzen«, in: Theologie und Philosophie 83 (2008) 243–249. 185 Auf welche Weise denkt der Glaube? – oder: Was kann eine »Philosophische Einübung in das Denken des Glaubens« leisten?, in: Philotheos. International Journal for Philosophy and Theology 8 (2008) 3–32. 186 Der Beter, sein Gott und seine Welt. Ein Zugang zur Phänomenologie der Religion, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 37 (2008) 572–586.
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186a Wiederabdruck: Der Beter, sein Gott und seine Welt: Ein Zugang zur Phänomenologie der Religion, in: Revista Portuguesa de Filosofia 64 (2008) 1301–1313. 187 La religion et l’histoire de la raison pure ou: la lacune dans le système de Kant peut-elle etre comblée?, in: Philippe Soual/Miklos Vetö (Hg.) L’Idéalisme allemand et la religion, Paris 2008, 11–24. 188 Philosophisch-Theologische Grenzfragen: Ein Beitrag zur Theorie des interdisziplinären Dialogs, in: Lehrstuhl für Philosophisch-Theologische Grenzfragen der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (Hg.), Universitätsreden: Philosophisch-Theologische Grenzfragen: Ein Beitrag zur Theorie des interdisziplinären Dialogs. Abschiedsvorlesung von Prof. Dr. Richard Schaeffler, Bochum 2008, 17–31. 189 Lernfähige Religion – Verantwortete Säkularität. Der Dienst der Christen an unserer Gesellschaft, in: Jahrbuch für Religionsphilosophie 8 (2009) 7–25. 190 Pluralistische Theologie und interreligiöser Dialog – eine Antwort auf Schmidt-Leukels Replik, in: Münchener Theologische Zeitschrift 60 (2009) 346–355. 191 Auf welche Weise denkt der Glaube? Von der eigenen Rationalität des Glaubens, in: Theologie und Glaube 99 (2009) 2–26. 192 Philosophische Grundlagen des Gesprächs der Religionen, in: Tobias Müller/Karsten Schmidt/Sebastian Schüler (Hg.), Religion im Dialog. Interdisziplinäre Perspektiven – Probleme – Lösungsansätze, Göttingen 2009, 19–48. 193 Gebet im Judentum. Eine Interpretation aus christlicher Sicht, in: Freiburger Rundbrief: Zeitschrift für christlich-jüdische Begegnung. Neue Folge 17 (2010) 82–97. 194 Bezeugte religiöse Erfahrung, philosophische Theorie und ihre Vermittlung durch die Postulate der Vernunft, in: Guttorm Fløistad (Hg.), Contemporary Philosophy 10: Philosophy of Religion, Dordrecht u. a. 2010, 89–106. 195 »Die Transzendentale Theologie ist der höchste Standpunkt der Transzendentalphilosophie« (Kant, opus postumum), in: Thomas M. Schmidt/Siegfried Wiedenhofer (Hg.), Religiöse Erfahrung. Richard Schaefflers Beitrag zu Religionsphilosophie und Theologie, Freiburg i. Br./München 2010, 11–24. 196 Danksagung und Versuche, das Gespräch fortzusetzen, in: Thomas M. Schmidt/Siegfried Wiedenhofer (Hg.), Religiöse Erfahrung. Richard Schaefflers Beitrag zu Religionsphilosophie und Theologie, Freiburg i. Br./München 2010, 259–284. 197 Beitrag zu einem »Philosophischen Wegweiser«, in: Lukas Trabert (Hg.), Philosophischer Wegweiser, Freiburg i. Br. 2010, 166–167. 198 Der christliche Glaube und Perspektiven einer künftigen Religionsphilosophie, in: Florian Uhl (Hg.), Die Tradition einer Zukunft: Perspektiven der Religionsphilosophie (Schriften der Österreichischen Gesellschaft für Religionsphilosophie 10), Graal-Müritz 2011, 113–126.
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Bibliographie Richard Schaefflers
199 Die »kopernikanische Wendung« – mehr als eine bloße Metapher, in: Paul Gilbert (Hg.), L’uomo moderno e la chiesa, Rom 2012, 365–388. 199a Wiederabdruck: Die »Kopernikanische Wendung« in der Wissenschaft und die neuzeitliche Subjektivität als Problem der Philosophie, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 1–24. 200 Religionsphilosophie und Philosophische Theologie von transzendentalem Ansatz, in: Bernd Irlenborn/Christian Tapp (Hg.), Gott und Vernunft. Neue Perspektiven zur Transzendentalphilosophie Richard Schaefflers (Scientia & Religio 11), Freiburg i. Br. 2013, 26–35. 201 »Freiheit, die frei macht« – zur Weiterentwicklung eines transzendentalen Gottesbegriffs, in: Bernd Irlenborn/Christian Tapp (Hg.), Gott und Vernunft. Neue Perspektiven zur Transzendentalphilosophie Richard Schaefflers (Scientia & Religio 11), Freiburg i. Br. 2013, 68–93. 202 »Gotteswort und Menschenwort«: Sprachphilosophische Thesen zu einem theologischen Thema, in: Josef Rist/Christof Breitsameter (Hg.), Wort Gottes. Die Offenbarungsreligionen und ihr Schriftverständnis, Münster 2013, 9–24. 203 Offenbarung und Erfahrung, in: Theologie der Gegenwart 59 (2016) 218–227. 204 Endliche und unendliche Freiheit, in: Jeremiah Alberg/Daniela Köder (Hg.), Habitus fidei – Die Überwindung der eigenen Gottlosigkeit. Festschrift für Richard Schenk OP zum 65. Geburtstag, Paderborn 2016, 341–364. 205 Gott und seine »Eigenschaften«. Ein altes philosophisches Thema, neu entdeckt, in: Felix Resch (Hg.), Die Frage nach dem Unbedingten. Gott als genuines Thema der Philosophie, Dresden 2016, 215–246. 206 »Die Wahrheit ist immer größer« – oder: Vom Zutrauen in die Wahrheit und von der Selbstkritik der Vernunft, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 99–115. 207 Die Endlichkeit der Vernunft und ihr »Interesse«: Zur Weiterentwicklung von Kants vier Leitfragen der Philosophie, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 139–180. 208 Zum Ethos des Erkennens, in: Richard Schaeffler, Unbedingte Wahrheit und endliche Vernunft. Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Erkenntnis, hg. von Christoph Böhr, Wiesbaden 2017, 181–204. 209 Lesen im Buche der Welt – oder: Eine neue Gestalt der transzendentalen Theologie, in: Christoph Böhr (Hg.), Zum Grund des Seins. Metaphysik und Anthropologie nach dem Ende der Postmoderne – Rémi Brague zu Ehren, Wiesbaden 2017, 15–30.
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Anhänge
210 Die Theodizee – Gedanken zum Problem, in: Jahrbuch für Religionsphilosophie 17 (2018) 210–213. 211 Begriffe vom Unbegreiflichen. Zu den Bedingungen menschlichen Sprechens von Gott, in: Christoph Böhr/Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Hg.), Gott denken. Zur Philosophie von Religion, Heidelberg 2019, 105–122. 212 Dialogische Existenz: Wege zu einem menschlichen Leben, in: Richard Schaeffler, Philosophische Anthropologie, hg. von Christoph Böhr, Berlin 2019, 107–114. 213 Transzendentalphilosophie und Theologie, in: Martin Blay u. a. (Hg.), »Stets zu Diensten?« Welche Philosophie braucht die Theologie heute?, Münster 2019, 75–85. 214 Die Lehre von den Transzendentalien: ihre philosophiehistorische Krise und ihre bleibende Aktualität, in: Christoph Böhr (Hg.), Metaphysik. Von einem unabweislichen Bedürfnis der menschlichen Vernunft. Rémi Brague zu Ehren, Wiesbaden 2020, 391–400. 214a Wiederabdruck: Die Lehre von den Transzendentalien: ihre philosophiehistorische Krise und ihre bleibende Aktualität, in: Christoph Böhr/ Wolfgang Buchmüller (Hg.), Ambo 2020: Das Gute, Wahre und Schöne. Zur Aktualität der Lehre von den Transzendentalien (Jahrbuch der Hochschule Heiligenkreuz), Heiligenkreuz 2020, 302–312. 215 Was mir wichtig bleibt [unveröffentlichtes Manuskript; hinterlegt bei Christoph Böhr]
IV. Lexikonartikel 1 2 3 3a 4 5 6 6a 7
Zeit, philosophisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Band 10, Freiburg i. Br. 21965, 1326–1329. Karl Jaspers, in: Enciclopedia Iberoamericana*. Philosophie, in: Sacramentum Mundi, Band III, Freiburg i. Br. 1969, 1164–1194. Wiederabdruck: Herders Theologisches Taschenlexikon, Band 6, Freiburg i. Br. 1973, 12–26. Philosophiegeschichte, in: Sacramentum Mundi, Band III, Freiburg i. Br. 1969, 1194–1204. Sinn, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Band 3, München 1974, 1325–1341. Verstehen, in: Handbuch pädagogischer Grundbegriffe, Band II, München 1970, 301–306. Wiederabdruck: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Band 5, München 1974, 1628–1641. Modernismus, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 6, Basel 1984, 62–66.
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