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German Pages [323] Year 2015
Novum Testamentum et Orbis Antiquus/ Studien zur Umwelt des Neuen Testaments In Verbindung mit der Stiftung „Bibel und Orient“ der Universität Fribourg/Schweiz herausgegeben von Martin Ebner (Bonn), Peter Lampe (Heidelberg), Stefan Schreiber (Augsburg) und Jürgen Zangenberg (Leiden)
Band 109
Vandenhoeck & Ruprecht
Florian Theobald
Teufel, Tod und Trauer Der Satan im Johannesevangelium und seine Vorgeschichte
Vandenhoeck & Ruprecht
Mit 3 Tabellen und 2 Grafiken Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 1420-4592 ISBN 978-3-647-59367-8 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Die Geschichte der Teufelsvorstellung von ihren Anfängen bis zum Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Die Wurzeln im Alten Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.1 Satan im Alten Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.1.1 Etymologie und Belegstellen . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.1.2 Satan: Diener Gottes und Kämpfer für die Einhaltung der göttlichen Rechts- und Weltordnung . . . . . . . . . . 27 1.2 Belial im Alten Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.2.1 Etymologie und Belegstellen . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.2.2 Belial: Gegner der göttlichen Urordnung . . . . . . . . . 33 1.3 Ergebnis: Pedanterie und Chaos als alttestamentliche Wurzeln der Teufelsvorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Die Entwicklung in der testamentarischen Zwischenzeit . . . . . . 35 2.1 Der Sturz der Engel und Azaz’el im Buch der Wächter (ÄthHen 1–36) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2 Mastema im Jubiläenbuch, ein Fürst mit eigenem Willen . . . 36 2.3 Belial in Qumran und den Testamenten der zwölf Patriarchen 40 2.3.1 Hodayot: Chaosmächte vollziehen Gottes Gericht . . . . 42 2.3.2 Kriegsregel: Das Los Belials gegen das Los Gottes . . . . . 43 2.3.3 Sektenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.3.3.1 Zweigeisterlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.3.3.2 dxy und Los Belials . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.3.4 Die Damaskusschrift und die drei Netze Belials . . . . . . 55 2.3.5 Belial als Verursacher von Trauer im Midrasch zur Eschatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.3.6 Beliar und die gottfeindlichen Tendenzen im Menschen (TestXII) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.4 Der Neid des Teufels als Ursache des Todes (SapSal 2,23 f.) . . 64 2.5 Der Teufel und seine Hybris – wann entstand der Luzifermythos? 67 2.5.1 Satanssturz und Teufelsbild in der Vita Adae und der Apokalypse des Mose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
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Inhalt
2.5.1.1 Der Teufel und die Textkritik . . . . . . . . . . . . 69 2.5.1.2 Urzeitlicher Fall und auftragsloses Handeln des Teufels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.5.1.3 Der Teufel und der böse Trieb . . . . . . . . . . . 73 2.5.1.4 Der Teufel und die Herrlichkeit Adams . . . . . . 74 2.5.1.5 Die Ankündigung des endzeitlichen Teufelssturzes 74 2.5.1.6 Verwandlung und Betrug als Waffen teuflischen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.5.2 Der Satanssturz im slavischen Henochbuch . . . . . . . . 77 2.6 Der Teufel in weiteren Schriften des frühen Judentums . . . . . 80 2.6.1 Das Testament Hiobs: Satan genießt und fordert göttliche Verehrung auf Erden . . . . . . . . . . . . . . . 80 2.6.2 Die Apokalypse Abrahams: Asasel als personifizierte Gottlosigkeit bevorzugt die Erde . . . . . . . . . . . . . . 82 2.6.3 Die Bilderreden (ÄthHen 37–71): Satan und seine Satane 84 2.7 Zusammenfassung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . 86 2.7.1 Der Teufel im frühen Judentum: Funktionär und Widersacher Gottes . . . . . . . . . . . . 86 2.7.2 Zentrale Aspekte der Entstehung und Weiterentwicklung der Teufelsvorstellung . . . . . . . . . 87 3. Der Teufel bei Paulus und den Synoptikern . . . . . . . . . . . . . . 90 3.1 Der Teufel bei Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.1.1 Teufelsbelege und -bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . 90 3.1.2 Der Glaube der Gemeinde und die eschatologischen Heilsgüter des Paulus als Angriffsziele Satans (1Thess) . 91 3.1.3 Irrlehrer als Handlanger Satans (Römer 16) . . . . . . . . 94 3.1.4 Satan in Gestalt eines Lichtengels (2Kor 11,13–15) . . . . 96 3.1.5 Satan als Verursacher von Trauer (2Kor 2,5–11) . . . . . 99 3.1.6 Der Gott der Welt und die Orientierung am Irdischen (2Kor 4,4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.1.7 Satan als göttliches Züchtigungsinstrument (1Kor 5,5) . . 108 3.1.8 Der Engel Satans verhindert die Hybris (2Kor 12,7) . . . 112 3.1.9 Der Versucher und die πορνεία (1Kor 7) . . . . . . . . . . 113 3.1.10 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3.2 Der Teufel in den synoptischen Evangelien . . . . . . . . . . . . 117 3.2.1 Markus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3.2.1.1 Das Markusevangelium – ein kosmischer Kampf? 118 3.2.1.2 Der markinische Satan als Versucher (Mk1,12 f.) 120 3.2.1.3 Die Exorzismen Jesu und der gebundene Satan (Mk 3,22–30) . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Inhalt
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3.2.1.4 Satan, als ein die Ausbreitung des Wortes verhindernder Faktor (Mk 4,13–20) . . . . . . . . 125 3.2.1.5 Petrus als menschlich denkender Satan (Mk 8,27–33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3.2.2 Matthäus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3.2.2.1 Der Teufel als ὁ πειράζων und ὁ πονηρός . . . . . 130 3.2.2.2 Der Teufel als Waffe zur Diffamierung der Gegner 132 3.2.2.3 Weitere Aspekte des matthäischen Teufels . . . . 135 3.2.3 Lukas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3.2.3.1 Verbindung des Teufels mit Krankheit und Dämonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3.2.3.2 Das Wirken des Versuchers im Rahmen der Passion Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3.2.3.3 Satans Verhältnis zu Gott . . . . . . . . . . . . . . 141 3.3 Zusammenfassung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . 145 III. Der Teufel im Johannesevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Teufelsbelege und -bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Wesen und Wirken des Teufels nach Joh 8 . . . . . . . . . . . . . . 153 2.1 Sprachliche Probleme in Joh 8,44 . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2.2 Vorbemerkungen zum mörderischen und lügnerischen Wesen des Teufels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2.3 Kontext von Joh 8,44 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2.4 Perikopenabgrenzung und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . 163 2.5 Freiheit, Sünde und der Teufel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2.6 Die Sünde in Joh 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2.7 Der Teufel und die Knechtschaft der Menschen . . . . . . . . . 172 2.8 Der Teufel als Menschenmörder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2.9 Der Teufel als Lügner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2.10 Die Lüge des Teufels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2.11 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Die Überwindung des Teufels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3.1 Der mythische Sieg über den Teufel und die ταραχή Jesu . . . 189 3.1.1 Die Ankündigung des Teufelssturzes (Joh 12,20–36) . . . 190 3.1.1.1 Gliederung der Aussage in Joh 12,31 f. . . . . . . 192 3.1.1.2 Der traditionsgeschichtliche Hintergrund des Teufelssturzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3.1.1.3 Jesu ταραχή als Todesangst? . . . . . . . . . . . . 198 3.1.1.4 Die Bedeutung der ταραχή für das Verständnis der Stunde Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
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Inhalt
3.1.1.5 Die ταραχή Jesu als Werk des Teufels . . . . . . . 204 3.1.1.6 Die Herrlichkeit Gottes und die teuflische Todesangst (Teil 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Exkurs 1: Der einzigartige Tod Jesu aus Liebe . . . . . . . 210 Exkurs 2: Name Gottes im Johannesevangelium . . . . . 212 3.1.2 Die ταραχή Jesu und die Ausscheidung des Verräters (Joh 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3.1.2.1 Die Vorbereitung der Ausscheidung und das Herz des Judas . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Exkurs 3: Judas als ein Teufel in Joh 6 . . . . . . . . . . . 219 3.1.2.2 Die ταραχή Jesu in Joh 13,21: Prophetische Erregung oder Todesangst? . . . . . 223 3.1.2.3 Die Herrlichkeit Gottes und die teuflische Todesangst (Teil 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3.1.3 Die weitere Konfrontation Jesu mit dem Satan im Rahmen der Passionsgeschichte (Joh 14,27–31; 18,1–11) . . . . . . 229 3.1.3.1 Friede statt Angst (Joh 14,27–31) . . . . . . . . . 229 3.1.3.2 Die Demonstration der Ohnmacht des Teufels (Joh 18,1–11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3.1.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3.2 Das Ende der λύπη und die anthropologische Entmachtung des Teufels (Joh 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 3.2.1 Der Teufel und die λύπη in der Tradition des frühen Juden- und Urchristentums . . . . . . . . . . 237 3.2.1.1 Der Begriff λύπη und seine Bedeutung . . . . . . 237 3.2.1.2 Die Verteufelung der λύπη . . . . . . . . . . . . . 238 3.2.1.3 Der Teufel und die λύπη Adams und Evas . . . . 240 3.2.1.4 Die Tradition von der Entmachtung des Teufels und der Verwandlung der λύπη in χαρά . . . . . 241 3.2.2 Die Tradition von der Entmachtung des Teufels und der Verwandlung der λύπη in χαρά im Johannesevangelium 255 3.2.2.1 Das Motiv der Trauer verursachenden Herrschaft des Teufels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 3.2.2.2 Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . 259 3.2.2.3 Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 260 3.2.2.4 Das Motiv vom Gottesgericht über den Teufel . . 262 3.2.3 Der Zeitpunkt des Umschlags der Trauer in Freude? . . . 262 3.2.4 Der vierte Parakletspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3.2.5 Der fünfte Parakletspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3.2.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Inhalt
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IV. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Spuren frühjüdisch-urchristlicher Teufelstradition im vierten Evangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Besonderheiten der johanneischen Teufelsvorstellung und ihre Deutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 V. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 1. Quellen und Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 3. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2012 unter dem Titel „Der Teufel im Johannesevangelium und seine Vorgeschichte im frühen Judentum und Urchristentum“ von der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie leicht überarbeitet. Danken möchte ich zunächst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Gerd Theißen. Er half mir in zahlreichen Gesprächen dabei, meine Gedanken zu klären, und ermutigte mich stets dazu, meinen eigenen Weg zu gehen. Zudem hat er mich an seinem Lehrstuhl beschäftigt und mir damit ermöglicht, diese Dissertation zu finanzieren. Dafür, dass ich auch nach der Emeritierung von Herrn Prof. Theißen an der Theologischen Fakultät beschäftigt wurde, danke ich zunächst Herrn Prof. Dr. Peter Lampe und sodann insbesondere Herrn Prof. Dr. Matthias Konradt. Von der theologischen Fakultät der Universität Heidelberg möchte ich ferner Herrn Prof. Dr. Peter Busch für die Erstellung seines sehr hilfreichen Zweitgutachtens meinen Dank aussprechen. Beim Förderverein der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg möchte ich mich ebenso wie bei der Evangelischen Kirche der Pfalz für einen Druckkostenzuschuss bedanken. Den Herausgebern von NTOA sei für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Reihe gedankt und Frau Dr. Elke Liebig ebenso wie den Herren Christoph Spill und Moritz Reissing vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die umfangreiche Unterstützung bei der Veröffentlichung. Bei Frau Maria Götz möchte ich mich herzlich dafür bedanken, dass sie die Arbeit Korrektur gelesen hat. Kaum in Worte gefasst werden kann der Dank, den ich meiner Familie schulde. Mein Bruder Oliver Theobald hat die Arbeit nicht nur mehrmals Korrektur gelesen und wertvolle Verbesserungsvorschläge gegeben, vielmehr hat er mir auch beim Erstellen des Literaturverzeichnisses große Hilfe geleistet und sehr viel seiner kostbaren Zeit in die Arbeit investiert. Meine Mutter Wendula Theobald hat die Arbeit ebenfalls Korrektur gelesen. Ihr möchte ich freilich nicht nur dafür danken, sondern insbesondere dafür, dass sie immer für mich da war und mich in jeder Hinsicht unterstützte. Meiner Schwester Sabine Erdle danke ich für die vielen Weisheiten, die ich von ihr lernen durfte. Schließlich danke ich meiner Frau Dr. Tina Theobald und unseren Kindern Samuel und Clara. Alle drei haben einen ganz wesentlichen Anteil daran, dass diese Arbeit fertiggestellt werden konnte. Meine Frau Tina zum einen deswegen, weil sie mir immer wieder
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Vorwort
Bücher aus Heidelberg mitbrachte, die Arbeit Korrektur las und durch ihre kritischen Anfragen bereicherte, zum anderen aber insbesondere deswegen, weil sie mich immer dann gestützt und getragen hat, wenn ich das Gefühl hatte, nicht mehr weiter zu kommen. Unseren Kinder Samuel und Clara deswegen, weil sie jeden Tag unendlich bereicher(te)n und mir durch ihre bloße Anwesenheit Kraft und Mut schenk(t)en. Meiner ganzen Familie, vor allem aber Samuel und Clara möchte ich dieses Buch widmen. Es soll sie immer daran erinnern, dass sie niemals Angst haben müssen.
I. Einleitung
Der Teufel war in der protestantischen Theologie lange Zeit wenig populär. Die Aufklärung und wohl insbesondere das Diktum F. Schleiermachers: „Die Vorstellung vom Teufel, wie sie sich unter uns ausgebildet hat, ist so haltungslos, dass man eine Überzeugung von ihrer Wahrheit niemandem zumuten kann“1 hatten ihn aus den Köpfen der Theologen vertrieben. Diese für systematisch-theologisches Denken gewiss zu begrüßende Entwicklung bewirkte, dass der Teufel auch in den Bibelwissenschaften ein Schattendasein führte. Deutlich wird dies bei einem Blick in die Einleitung der im Jahre 1888 erschienenen Studie „Die paulinische Angelologie und Dämonologie“ von O. Everling, in welcher der Autor das Fehlen eigentlicher Vorarbeiten zu seinem Thema beklagt2 und darüber hinaus feststellt: „Wir würden weit eher mit unserer Aufgabe zum Ziel kommen, wenn wir ein Werk besässen, welches die jüdische Angelologie und Dämonologie übersichtlich darstellte. Ein solches fehlt.“3 Kann die Arbeit Everlings somit als die erste „bedeutendere religionsgeschichtliche Untersuchung zur neutestamentlichen Dämonologie“ angesehen werden, die „durch Vergleich mit jüdischem Material ein neues Verständnis besonders der Aussagen über Engel und Mächte anbahnte“,4 so brachten auch die Arbeiten der Religionsgeschichtler H. Gunkel5 und W. Bousset6 weitere Einsichten über Dämonen- und Satansvorstellungen des frühen Juden- und Urchristentums. Nachdem sich dann M. Dibelius in seiner 1909 veröffentlichten Dissertation „Die Geisterwelt im Glauben des Paulus“7 mit dem Thema beschäftigt hatte, waren es, wie D. R. Brown in seinem Überblick über die Forschung zu Satan in den Bibelwissenschaften konstatiert, insbesondere die Funde der Texte vom Toten Meer in den Jahren 1947–61, die dazu führten, dass sich Satan in den letzten Jahrzehnten unter den Exegeten größerer Beliebtheit erfreute.8
1 F. Schleiermacher, Der christliche Glaube, 1960, § 44. 2 O. Everling, Angelologie, 1888. 3 Ebd. 5. 4 B. Noack, Satanás, 1948, 9. 5 Zu nennen ist hier das Werk H. Gunkel, Schöpfung, 1895, in dem Gunkel sich mit der Antichrist-Vorstellung auseinandersetzt. 6 Zu nennen ist zum einen W. Bousset, Antichrist, 1895, und zum anderen W. Bousset, Religion, 1903. 7 M. Dibelius, Geisterwelt, 1909. 8 D. R. Brown, Devil, 2011, 201.
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Einleitung
The Study of these texts, as well as closer readings of the writings of the OTP[seudepigrapha], shed new light on the demonology and angelology of Judaism. As a result of this fresh understanding, in the past few decades several studies on Satan’s role and significance within the various texts of Second Temple Judaism (…) and nascent Christianity have emerged.9
Trotz dieses gewachsenen Interesses an Satan in den Bibelwissenschaften gilt doch für den Teufel im Johannesevangelium noch heute die Aussage, die Everling in seinem Pionierwerk im Blick auf die paulinische Angelologie und Dämonologie traf: „Eine monographische Behandlung hat unser Gegenstand bisher, so weit wir sehen, überhaupt nicht erfahren.“10 Die Auseinandersetzung mit dem johanneischen Teufel erfolgt bislang in Form von Aufsätzen in Zeitschriften und Sammelbänden,11 im Rahmen ausführlicherer Darstellungen zur Teufelsvorstellung im frühen Judentum und im Neuen Testament,12 oder innerhalb monographischer Arbeiten zu neutestamentlichen und johanneischen Themen, die das Problem des Teufels berühren.13 Diese monographische Lücke will die vorliegende Arbeit schließen. Sie fragt nach dem Verständnis des Teufels im Johannesevangelium. Besondere Aufmerksamkeit verdient das johanneische Teufelsbild bereits deswegen, weil es sich von dem anderer frühjüdischer und urchristlicher Texte deutlich unterscheidet: Anders als etwa der synoptische betritt der johanneische Teufel nicht als Leibhaftiger die Bühne, und der vierte Evangelist weiß nichts davon, dass ihm Dämonen oder Engel zur Seite stehen: Er gilt ihm nicht als Herrscher der Dämonen, sondern vielmehr als ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου und somit letztlich als Herrscher über die Menschen, durch die er einzig in den Lauf der Geschichte eingreift. Trotz dieser entmythologisierenden Tendenz spielt der Teufel im Johannesevangelium doch eine zentrale Rolle. Deutlich wird dies zunächst daran, dass er als Menschenmörder und Lügner das genaue Gegenbild des johanneischen Jesus ist, der die Wahrheit und das Leben ist. Sodann aber insbesondere daran, dass die Rückführung von Jesu Passion und Tod auf das Wirken
9 Ebd. 10 O. Everling, Angelologie, 1888, 4. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass J. LeonhardtBalzer an einem Projekt: „Evil in Dualistic Worldviews. A Comparison of Three Approaches (Qumran, the Johannine Writings, the Apocryphon of John).“ arbeitet, das noch nicht abgeschlossen ist und sich mit den Bildern des Bösen in den johanneischen Schriften beschäftigt (vgl. J. Leonhardt-Balzer, Bilder, 2012, 227–256; Dies., Ruler, 2013, 180–199). 11 Vgl. z. B. J. L. Kovacs, Ruler, 1995, 227–247; A. Gagné, Caractérisation, 263–284; E. E. Popkes, Antichristen, 2005, 231–244; J. Dennis, Lifting, 2007, 677–691; U. C. von Wahlde, Father, 2001, 418–444. 12 Vgl. z. B. H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 367–373; E. Pagels, Ursprung, 1996, 146–163; H. A. Kelly, Satan, 2006, 107–113. 13 Vgl. z. B. S. Motyer, Father, 1997; H. U. Weidemann, Tod, 2004; M. Hasitschka, Befreiung, 1989.
Einleitung
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des Teufels für den vierten Evangelisten von besonderer Bedeutung ist: Anders als Lukas, der den Teufel als Einziger der Synoptiker für Jesu Leiden und Sterben verantwortlich macht, geht der Verfasser des Johannesevangeliums davon aus, dass der Teufel durch diese Ereignisse gerichtet wurde. Lohnend ist eine Auseinandersetzung mit der Teufelsvorstellung des vierten Evangeliums schließlich deshalb, weil gerade der Teufel dieser Schrift in besonderem Maße transparent für allgemein menschliches Erleben und Verhalten ist. Um das Teufelsverständnis des vierten Evangeliums hinreichend erfassen zu können, wird zunächst ein Überblick über die Teufelsvorstellung und ihre Entwicklung im frühen Juden- und Urchristentum zu geben sein. Dieser traditionsgeschichtliche Teil der Arbeit dient dabei nicht nur dazu, den geistesgeschichtlichen Horizont darzustellen, vor dessen Hintergrund der johanneische Teufel zu verstehen ist, er setzt sich zugleich mit einer These des amerikanischen Gelehrten Henry Ansgar Kelly auseinander, die dieser in mehreren Publikationen, am ausführlichsten in seiner jüngst erschienen populärwissenschaftlichen Monographie „Satan. A Biography“14 ausgeführt hat und die im Folgenden kurz vorzustellen ist. Kelly ist emeritierter Professor am „Department of English“ der „University of California“ in Los Angeles. Wenngleich von Hause aus kein Theologe, zählt er doch „biblical Studies“ und „Ecclesiastical History and Theology“ zu seinen Forschungsschwerpunkten.15 Dass Kelly katholischer Konfession ist, soll deswegen erwähnt werden, weil in der katholischen Theologie „tiefgreifende Zweifel an der Existenz des Teufels erst in den sechziger Jahren des 20. Jh.“ laut wurden.16 Es war insbesondere17 der Tübinger Alttestamentler Herbert Haag, der mit seinem kleinen Büchlein „Abschied vom Teufel“, das im Jahre 1969 erschien, in der katholischen Theologie eine Diskussion auslöste, die in manchem an die Entmythologisierungsdebatte in der evangelischen Theologie erinnert. Haag, der seine Thesen in dem gemeinsam mit K. Elliger, B. Lang und M. Limbeck im Jahre 1974 veröffentlichten Werk „Teufelsglaube“18 wissenschaftlich fundierte, wollte sich auf theologischem Wege vom Teufel verabschieden. Die neutestamentlichen
14 H. A. Kelly, Satan, 2006. Weitere Veröfentlichungen Kellys zum Teufel sind: Ders., Demonology, Desert, 1964, 190–220; Ders., Demonology, 1968 (21974); D, Baptism, 1985; Ders., Review of Neil Forsyth, 1989, 107–110; Ders., Old Enemy, 1990, 77–84; Ders., Art. Teufel, 2002, 124–134. 15 Vgl. die Homepage Kellys an der University of California (LA): http://www.english.ucla.edu/faculty/kelly/ 16 H. A. Kelly, Art. Teufel, 2002, 132. 17 Bereits im Jahre 1966 hatte der französische Dogmatiker Christian Duquoc einen Aufsatz veröffentlicht, der in der im gleichen Jahr erschienenen Übersetzung den Titel „Satan – Symbol oder Person?“ trug, aber kaum Reaktionen hervorrief, vgl. B. J. Claret, Geheimnis, 1997, 61 f. 18 H. Haag, Teufelsglaube, 1974.
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Einleitung
Satansaussagen rechnet er „nicht zur verbindlichen Botschaft, sondern nur zum unverbindlichen Weltbild der Bibel“.19 Der Satan gilt ihm als „die Personifikation des Bösen, der Sünde“, und er stellt fest: An allen Stellen des Neuen Testaments, an denen der Satan oder der Teufel vorkommt, könnten wir ebensogut ‚die Sünde‘ oder ‚das Böse‘ einsetzen. Die Personi fizierung soll nur das Gemeinte anschaulicher und eindrucksvoller machen.20
Auch H. A. Kelly, den J. B. Russell als den Herbert Haag „in the English-speaking world“ darstellt,21 möchte Abschied vom Teufel nehmen. Doch unterscheidet sich der von ihm hierzu gewählte Weg von dem Haags in signifikanter Weise und kann als Versuch eines historischen Abschieds vom Teufel angesehen werden. Denn für Kelly ist der Teufel noch im Neuen Testament nichts anderes als ein Funktionär Gottes, der bei den ersten Christen zwar äußerst unbeliebt war und dessen „Absetzung“ sie sehnlichst herbeiwünschten, der aber in keiner Weise als von Gott abgefallener „Cosmic Outlaw“ oder Menschenfeind angesehen werden dürfe.22 Diese Rolle sei dem Satan erst von den frühen Kirchenvätern zugeschrieben worden: Justin und Tertullian hätten als erste die Versuchung Adams und Evas mit Satan in Verbindung gebracht und dessen Bestrafung aufgrund dieses Vergehens behauptet. Bei Irenäus und Cyprian sei dann erstmals der Neid Satans als Ursache für seine Bestrafung genannt. Vor allem aber sei es die erstmals bei Origenes begegnende Vorstellung von der präkosmischen hybriden Auflehnung des Satans gegen Gott gewesen, die zu einer „New Biography of Satan“23 geführt habe, durch die das Christentum in eine neo-zoroastrische, dualistische Religion verwandelt worden sei.24
19 H. Haag, Abschied, 61978, 45. 20 Ebd. 45 f. 21 Vgl. J. B. Russell, Mephistopheles, 1986, 260. 22 Vgl. H. A. Kelly, Satan, 2006, 326 f. 23 Ebd. 24 Ebd. 198; 328. Jan Dochhorn kommt bei seiner Beschäftigung mit dem Teufel und dessen urzeitlichem Sturz in der Tradition des Juden- und Christentums in jüngster Zeit zu Ergebnissen, die denen Kellys in mancherlei Hinsicht ähneln. Auch er spricht sich gegen eine Überbewertung des Gott-Teufel Dualismus in den Texten aus der Frühzeit des Judentums und Christentums durch die Exegeten aus und stellt fest, dass der Teufel dieser Zeit zunächst einmal der Feind der Menschen im Allgemeinen bzw. einiger bestimmter Menschen ist, nicht aber der Gegenspieler Gottes. Noch im zweiten Jahrhundert, stellt Dochhorn fest, sei dem Christentum ein prinzipieller Gott-Teufel-Dualismus fremd gewesen (vgl. J. Dochhorn, Sturz, 2012, 3 f.). Auch für Dochhorn spielt die Entstehung der Vorstellung von einer präkosmischen hybriden Auflehnung des Satans gegen Gott, die er ins zweite Jahrhundert n. Chr. datiert (vgl. ebd. 43), eine zentrale Rolle für das Entstehen eines direkten Gott-Teufel-Dualismus. Denn erst durch diese Vorstellung kommt es zum Konflikt zwischen Teufel und Gott nicht deswegen, „weil der Teufel sich gegen den Menschen wendet oder ihn zur Übertretung des göttlichen Gebotes verleitet, sondern weil er Gottes Anspruch auf alleinige Göttlichkeit in Frage stellt“ (ebd. 35).
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Mit seiner These widerspricht Kelly einem breiten Forschungskonsens,25 demzufolge Satan zwar im Alten Testament noch als Funktionär Gottes zu verstehen sei, in der testamentarischen Zwischenzeit jedoch mehr und mehr an Macht und Eigenständigkeit gewonnen habe und schließlich zum Widersacher Gottes – wenn auch nicht im Sinne eines radikalen Dualismus – und der Menschen geworden sei. In dieser Weise erscheine der Teufel auch in den Schriften des Neuen Testaments, die den relativen Dualismus des frühen Judentums übernommen hätten.26 Wird im Folgenden die Stimmigkeit der These Kellys geprüft, so steht damit letztlich die Frage zur Debatte, ob für den zu untersuchenden Zeitraum überhaupt von einer Teufelsvorstellung „im eigentlichen Sinne“27 gesprochen werden kann. Denn von einer solchen kann sinnvoll erst da die Rede sein, wo die Teufelsgestalt als von Gott zumindest partiell28 unabhängige Macht gedacht wird, die diesem als personifizierter Repräsentant des Bösen gegenübersteht und als sein Widersacher auftritt. Wird die Auseinandersetzung mit Kellys These insbesondere im Rahmen der Besprechung der frühjüdischen Texte erfolgen, so soll die sich anschließende Darstellung der paulinischen und synoptischen Teufelsvorstellung dazu dienen, 25 Neben H. A. Kelly und H. Haag sei hier noch auf E. Pagels verwiesen, die mehrere einflussreiche Arbeiten zur Satansgestalt im frühen Juden- und Urchristentum verfasst hat (E. Pagels, The social History I–III, 1991/1994/2006; Dies., Ursprung, 1996 [engl. 1995]). Pagels ist insbesondere an den „spezifisch sozialen Implikationen der Satansfigur“ interessiert (E. Pagels, Ursprung, 1996, 17), und versteht Satan als soziale Waffe, durch welche die Gegner der Eigengruppe als Feinde Gottes diffamiert werden. Dabei sei Satan als derjenige, der einst auf Seiten Gottes stand, dann aber von diesem abgefallen ist, der innere Feind (the intimate enemy), durch den innerjüdische Dissidentengruppen den Rest der jüdischen Gemeinschaft dämonisierten. So seien es etwa in den Evangelien nie die Römer, die mit Satan identifiziert werden, sondern stets die jüdischen Gegner Jesu und derjenigen Juden, die an Jesus glaubten. Ähnlich seien etwa für die Essener insbesondere die innerjüdischen Gegner das Volk Satans bzw. Belials gewesen. 26 Diese klassische Sicht auf die Entwicklung der Teufelsvorstellung findet sich – freilich in Variationen – in der überwiegenden Mehrheit der Arbeiten zum Thema. Vgl. beispielsweise W. Bousset, Religion, 41966; J. B. Russell, Devil, 1988; H. Haag, Teufelsglaube, 1974; Ders., Teufel, 1983, 248–258; N. Forsyth, Enemy, 1987; E. Pagels, Ursprung, 1996; J. Leonhardt-Balzer, Gestalten, 2007, 203–235; R. H. Bell, Evil, 2007; G. Theißen, Erleben, 2007, 292–305. 27 Die Teufelsvorstellung im eigentlichen Sinne ist nur in den monotheistischen Religionen des Westens existent. Zwar finden sich teufelsähnliche Wesen auch in anderen Religionen, doch kritisiert die Religionswissenschaft die Titulierung dieser Wesen als Teufel mit Recht als Eurozentrismus, bzw. als interpretatio christiana und sucht – bislang ohne Erfolg – nach einer alternativen Terminologie. Zur religionswissenschaftlichen Diskussion vgl. W. Klein, Funktion, 2004, 383–410; B. Lang, Zwischenwesen, 2001, 414–440. 28 Die Teufelsvorstellung trägt das Paradoxon in sich, dass sie nur im Monotheismus begegnet, obgleich sie innerhalb desselben eigentlich systemwidrig ist. Ist Gott der Schöpfer aller Dinge, so ist eine von ihm unabhängige Macht prinzipiell unmöglich. Daher muss der Monotheismus immer auch um die Beschränkung der Unabhängigkeit Satans bemüht sein, vgl. G. Theißen, Erleben, 2007, 293.
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einen ersten exemplarischen Einblick in das Denken der frühen Christen über den Teufel zu geben und Übereinstimmungen aber auch Abweichungen gegenüber der frühjüdischen „Satanologie“ aufzuzeigen. Der Teufelsvorstellung im vierten Evangelium wird sich dann anzunähern sein, indem zunächst die unterschiedlichen Begriffe vorgestellt werden, mit denen der Teufel im vierten Evangelium benannt wird. Insbesondere der spezifisch johanneische Teufelstitel ὁ ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) soll dabei ausführlicher besprochen werden, wobei durch diese Besprechung zunächst gezeigt werden soll, dass die Bezeichnung ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) als spezifisch johanneische Verarbeitung jüdischer und urchristlicher Teufelstitulatur anzusehen ist. Ferner sollen ausgehend von dem Teufelstitel ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) erste Einblicke in die johanneische Teufelsvorstellung und ihre Besonderheiten gewonnen werden. Sodann ist mit Joh 8,44 diejenige Stelle des Johannesevangeliums, aber auch des Neuen Testaments insgesamt, ausführlich zu besprechen, die am ehesten als eine definitorische Aussage über Wesen und Wirken des Teufels angesehen werden kann. Der Vers und sein unmittelbarer Kontext spielen im Rahmen der Diskussion um einige zentrale Problemfelder johanneischer Theologie, die untereinander in einem engen Zusammenhang stehen, eine wichtige Rolle. Wurde 8,44 von J. Becker als die „wohl antijudaistischste Äußerung des NT“ bezeichnet,29 so kann der Vers als Kardinalstelle im Blick auf die Frage nach einem johanneischen Antijudaismus angesehen werden, die in der Forschung unterschiedlich beantwortet wird.30 Ebenso haben der Vers und sein unmittelbarer Kontext einen festen Platz in der Diskussion um eine johanneische Prädestinationslehre und den johanneischen Dualismus.31 Die vorliegende Arbeit wird diese großen Fragen nur so weit notwendig berühren. Sie fragt zunächst bescheidener danach, wie der vierte Evangelist die beiden Wesenseigenschaften versteht, die er dem Teufel in 8,44 zuschreibt, inwiefern ihm dieser als Menschenmörder und Lügner gilt. Sind zunächst die sprachlichen Probleme, die 8,44 bietet, zu besprechen, so soll sodann – nachdem der Kontext des Verses in die Untersuchung miteinbezogen wird – das enge Verhältnis dargestellt werden, in dem der johanneische Teufel zur Sünde steht. Vor dem Hintergrund der dadurch gewonnenen Erkenntnisse und der sich anschließenden Besprechung der Sündenthematik in Joh 8 wird zunächst eine Rolle deutlich werden, die der Teufel im Johannesevangelium ebenso wie im 1 Johannesbrief spielt und die ihm auch in einigen Texten des frühen Judentums zukommt. Anschließend dienen die Ausführungen über die Sünde und ihr Ver 29 J. Becker, Johannes 1, 31991, 358. 30 Anders als etwa Becker urteilt beispielsweise U. C. von Wahlde, Father, 2001, 442. Auf die Frage, „Is 8,38–47 anti-Jewish“, gibt er die Antwort, „No, not from the author’s point of view. Just the opposite. The author ’s interest is precisely in what he sees as true Judaism.“ 31 Vgl. z. B. R. Bergmeier, Glaube, 1980, 224–228; G. Röhser, Prädestination, 1994, 225–234; M. Theobald, Johannes, 2009, 606.
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hältnis zum Teufel dazu, die beiden diesem in 8,44 nachgesagten Wesenseigenschaften genauer zu erfassen. Dabei wird zunächst zu zeigen sein, dass der Teufel nicht einlinig, sondern auf doppelte Weise als Menschenmörder agiert. Ausführlicher wird anschließend die Kennzeichnung des Teufels als Lügner zu behandeln sein, wobei zunächst darzustellen ist, in welchem Verhältnis die lügnerische Wesenseigenschaft des Teufels zu seiner menschenmörderischen steht. Daraufhin soll versucht werden, einige Eigenschaften der Lüge des Teufels zu erarbeiten, so dass erkennbar wird, was er bei den Menschen, denen nachgesagt wird, sie seien ἐκ τοῦ πατρὸς τοῦ διαβόλου (8,44) bewirkt. Einen besonderen Schwerpunkt wird die vorliegende Arbeit auf die johan neische Darstellung des Teufelssturzes legen. Berichtet das vierte Evangelium wie die übrigen Schriften des Neuen Testaments nichts von einem urzeitlichen Sturz des Teufels, so datiert es seinen endzeitlichen Sturz, der, wie sich zeigen wird, als seine Entmachtung zu verstehen ist, auf einen anderen Zeitpunkt als etwa die synoptischen Evangelien oder Paulus. Es ist im vierten Evangelium die Stunde der Verherrlichung des Menschensohnes (12,23), die, wie zu verdeutlichen ist, die Stunde der Passion und des Todes Jesu ist, in der sich das Gericht über diese Welt vollzieht und in der der Herrscher dieser Welt gerichtet (16,11) und hinausgeworfen wird (12,31). Diese Datierung der Entmachtung des Teufels ist auf den ersten Blick schwer nachvollziehbar. Denn gerade im Johannesevangelium ist ganz deutlich, dass Jesu Passion und Tod auf das Wirken des Teufels zurückgeführt werden. Es mutet daher paradox an, dass der Teufel gerade in der Zeit, in der er sein Ziel erreicht, gestürzt und entmachtet wird. Die Frage, wie diese Paradoxie zu erklären ist, soll durch die vorliegende Arbeit beantwortet werden. Sie will zeigen, was das sich in dieser Stunde ereignende Geschehen ist, durch das der Teufel gestürzt und entmachtet wird. Eben diese Frage lässt ein 1995 im Journal of Biblical Literature erschienener Aufsatz von J. Kovacs32 letztlich offen. Kovacs versteht die Darstellung des Todes Jesu im vierten Evangelium vor dem Hintergrund des Motivs vom kosmischen Kampf, wie es in apokalyptischen Texten des frühen Judentums begegnet. Für die Charakterisierung des Todes Jesu in Joh 12,20–36 verweist sie insbesondere auf die Bilderreden des Äthiopischen Henoch (37–71). Die hier begegnende Tradition vom Menschensohn, der „newly enthroned on the ‚throne of glory‘ judges and defeats the human and superhuman powers of evil“,33 habe der vierte Evangelist aufgenommen, wenn er Jesu Kreuzigung in 12,23 als „glorification“ und „enthronement“ des Menschensohnes darstelle, und als ein Ereignis bei dem „’the ruler of this world’ is cast out and judged (12:31).“34 Im Blick auf die soeben aufgeworfene Frage stellt Kovacs jedoch fest: „The question precisely how the Fourth Gospel envisions the defeat of the archon to be effected through the cross is
32 J. Kovacs, Ruler, 1995, 227–247. 33 Ebd. 245. 34 Ebd.
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one that our evidence may be insufficient to answer“,35 und die von ihr in Aussicht gestellte Studie, in der sie dieser Frage durch eine „consideration of the whole early christian apocalyptic tradition“ nachgehen möchte,36 ist m.W. bislang nicht erschienen. Eine Antwort auf die von Kovacs offen gelassene Frage gibt H. U. Weidemann. In seiner Monografie „Der Tod Jesu im Johannesevangelium“ aus dem Jahre 2004,37 versteht er Jesus als „das wahre Passalamm, dessen Blut am Kreuz vergossen wird“.38 Ihre eigentliche Bedeutung erhalte diese Charakterisierung Jesu im Passionsbericht „durch die Verbindung mit der […] satanologischen Deutung des Todes Jesu als Entmachtung des Teufels, des Herrschers der Welt (12,31) und des Herrn des Todes (8,44), sowie der pneumatologischen als der in diesem Tod erfolgten Gabe des Geistes.“39 Durch einen traditionsgeschichtlichen Überblick40 über alttestamentliche, frühjüdische und christliche Texte sucht Weidemann darzustellen, dass die apotropäische Funktion des Passablutes auch in neutestamentlicher Zeit noch bewusst gewesen sei und sich mit sühnetheologischen Vorstellungen überlagert habe. Zudem sei der in der Passanacht umhergehende Verderber (Ex 12,23), vor dem das Passablut einst schützte, mehr und mehr mit dem Todesengel und dem Teufel identifiziert worden, so dass sich in einigen neutestamentlichen Texten die Vorstellung finde, dass durch das Blut des Passalammes Jesus ein „satansfreier Raum“ geschaffen werde (1Kor 5,1–13; Apk 12,10–12). Da nun nach Weidemann bei Johannes, „[d]ie satanologischen Linien des ganzen Evangeliums und insbesondere des Passionsberichts […] in der Lanzenstichszene 19,34 zusammen[laufen]“,41 erkennt er diese Vorstellung auch im Johannesevangelium. Jesu Blut sei hier „die Substanz, die Teufel und Tod überwindet, weil sie mit der lebensschaffenden Substanz des Wassers verbunden ist.“42 Vor diesem Hintergrund erklärt Weidemann dann auch die Rede Jesu vom Hinausgeworfenwerden des Herrschers dieser Welt in 12,31–33. Dieser werde durch das am Kreuz fließende Blut des Passalammes Jesus hinausgeworfen „d. h. Jesus schafft durch sein Blut einen Bereich, aus dem er definitiv verbannt ist und an dem er auch seine „Werke“ (8,40 f.), nämlich das Töten (8,44), nicht vollbringen kann.“43 Durch die in 12,31–33 komplementär zur Aussage über den Hinauswurf des Herrschers dieser Welt stehende Erhöhungsaussage werde zum Ausdruck gebracht, dass der am Kreuz erhöhte alle zu sich ziehende Jesus die Glaubenden an einen Ort zieht, „an dem der Teufel, und damit der Tod, aufgrund von Jesu Blut keine Macht hat, wo allein das Leben ist.“44 Ein weiterer Deutungstyp bringt die Entmachtung des Teufels in Zusammenhang mit Jesu Gehorsam bzw. seiner Standhaftigkeit bis in den Tod. So meint etwa J. Becker, die Entmachtung des Herrschers dieser Welt geschehe bei Johannes „nicht durch einen gesonderten Kampf himmlischer Giganten, sondern durch die bis in den Tod bewährte 35 Ebd. 246. 36 Ebd. mit Anm. 81. 37 H. U. Weidemann, Tod, 2004. 38 Ebd. 426. 39 Ebd. Kursivierung im Original. 40 Vgl. ebd. 426–445. 41 Ebd. 450. 42 Ebd. 43 Ebd. 44 Ebd.
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Gehorsamstat des Gesandten. Ihretwegen kann der Herrscher dieser Welt Jesus nicht unter seine Herrschaft im Sinne von Joh 8,44 bringen. Darum kann Jesus zum Vater nach oben zurückkehren und als siegreicher Durchbrecher der Herrschaft des Teufels aus der Höhe und aus seinem Status der Verherrlichung heraus alle zu sich ziehen, ohne dass der Teufel dies verhindern könnte.“45 Nicht der Kategorie des Gehorsams aber der der Standhaftigkeit bedient sich K. Berger. Für seine Frühdatierung des vierten Evangeliums argumentierend, lehnt er jede Form der Sühnedeutung des Todes Jesu in dieser Schrift ab und versteht die johanneische Darstellung des Todes Jesu vor dem Hintergrund frühjüdischer Märtyrertheologie.46 Auch die Entmachtung des Teufels durch Jesu Tod interpretiert Berger mithilfe dieser Tradition. Unter Verweis auf TestHi 27,5 f. stellt er fest, das Martyrium sei in den jüdischen Texten der testamentarischen Zwischenzeit verstanden als „ein Ringkampf, in dem der Zeuge des Glaubens mit dem tyrannischen Widersacher ringt […].“47 Der Märtyrer siege in diesem Ringkampf dadurch, dass er sich von seinem Gegner nicht den Glauben rauben lasse. Im Johannesevangelium ist nach Berger „ein ähnlicher Zusammenhang gegeben. Der Herrscher ‚dieser Welt‘ hat deshalb verloren, weil Jesus standhaft geblieben ist. Denn er hat zum einen seinen Auftrag als Gottes Gesandter erfüllt, indem er gegen Missverstehen und Ärgernisnehmen Gottes Leben stiftende Wirklichkeit unter die Menschen gebracht hat. Und er hat zum anderen gegenüber allem Haß der Welt seine Jünger geliebt und damit Gottes Ziel und Sein geoffenbart.“48
Wenngleich die Ergebnisse vorliegender Arbeit im großen wie im kleinen in vielerlei Hinsicht sowohl von denen Beckers als auch von denen Bergers abweichen werden, so wird sie doch den von beiden vertretenen Deutungstyp bestärken und versuchen ihn zu präzisieren. Es soll gezeigt werden, dass die Auseinandersetzung Jesu mit seiner ταραχή, die im Rahmen des Berichts über seine Stunde zweimal erwähnt wird (12,27; 13,21) und als auf das Wirken des Teufels zurückzuführende Todesangst zu verstehen ist, das entscheidende Geschehen ist, durch das der Teufel besiegt und entmachtet wird. Es ist die in Jesus wirkende göttliche Liebe, die hier die sich ihrer Realisierung am Kreuz entgegenstellende schärfste Waffe des Teufels, die Todesangst, überwindet, dadurch ihre Übermacht über den Teufel erweist und dessen Macht bricht. Diese These wird zunächst im Rahmen einer Besprechung des Abschnitts 12,20–36, in dem erstmals von der Jesus in der Stunde seines Todes überkommenden Todesangst die Rede ist und in dem sich die Ankündigung des Teufelssturzes findet, ausgeführt und begründet werden. Sie wird danach durch einen Blick auf die Erwähnung der Todesangst in 13,21, die den die Ausscheidung des Verräters Judas aus dem Kreise der Zwölf schildernden Bericht einleitet, zu bestätigen sein. Anschließend soll ein Blick auf die beiden folgenden Stellen, an denen Jesus im weiteren Verlauf der Erzählung mit Satan konfrontiert 45 J. Becker, Christentum, 2004, 150. 46 K. Berger, Anfang, 1997, 225–245. 47 Ebd. 237. 48 Ebd.
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wird (14,27–31; 18,1–11) zeigen, dass der Kampf mit diesem hier bereits gewonnen, die entscheidende Schlacht durch die Überwindung der ταραχή bereits geschlagen ist. Wird der Teufel im vierten Evangelium in der Stunde Jesu gestürzt und somit entmachtet, so ergibt sich hieraus ein weiteres Problem, zu dessen Lösung die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten möchte. Denn bereits ein knapper Blick auf das Hohepriesterliche Gebet zeigt, dass der Teufel auch nach dieser Stunde noch am Werk ist. Bittet Jesus Gott hier, die Jünger in der Zeit nach seinem Weggang (17,12 f.) vor dem Bösen zu bewahren, so ist bei dem Bösen an den Teufel gedacht,49 und dieser geht somit auch noch in nachösterlicher Zeit gegen die Christen vor, besitzt Einfluss und Macht. Wie aber ist es möglich, dass der Teufel, wenngleich bereits gestürzt und entmachtet, die Christen auch weiterhin in Bedrängnis führen kann? Nicht wenige Exegeten50 versuchen dieses Problem zu lösen, indem sie die in Lk 10,18 und insbesondere in Apk 12,7 ff. zum Ausdruck gebrachte Vorstellung, auf den in Joh 12,31 angekündigten Teufelssturz übertragen. Die Rede vom „Hinausgeworfenwerden“ des Herrschers dieser Welt sei auch im vierten Evangelium in dem Sinne zu verstehen, dass dieser aus dem Himmel auf die Erde gestürzt werde und somit seine Position als κατήγωρ τῶν ἀδελϕῶν ἡμῶν verliere. Bringen auch andere Ausleger51 den johanneischen Teufelssturz in traditionsgeschichtlichen Zusammenhang mit Apk 12,7 ff., meinen aber, die dort verwendeten mythischen Bilder seien im vierten Evangelium bereits verblasst und für das Verständnis von Joh 12,31 nicht von Relevanz, so will die vorliegende Arbeit einen anderen traditionsgeschichtlichen Hintergrund für den Teufelssturz des vierten Evangeliums vorschlagen. Vor diesem wird deutlich werden, dass der Teufel nach Joh 12,31 nicht aus dem Himmel und auf die Erde gestürzt wird, sondern dass hier aller Nachdruck auf der Feststellung liegt, dass der Teufel seine Macht als ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου verliert. Die Spannung zwischen bereits geschehener Entmachtung des Teufels und seinem fortdauernden Wirken lässt sich somit nicht dadurch lösen, dass man die Vorstellung eines aus dem Himmel entfernten, aber auf Erden weiter wirkenden Satans aus der neutestamentlichen Apokalypse auf das vierte Evangelium überträgt. Wie sie sich erklärt, will vorliegende Arbeit deutlich machen, indem sie die satanologischen Implikationen von Joh 16 offen legt. Im 16. Kapitel des vierten Evangeliums wird der Teufel nur einmal explizit erwähnt: Im vierten Parakletspruch kündigt Jesus den Jüngern an, dass der Paraklet dem Kosmos bezüglich des Gerichts das Gerichtetsein des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου aufdecken wird (16,11). Trotz dieses singulären Belegs ist der Teufel im gesamten 16. Kapitel des Johannesevangeliums ungenannt zugegen und für des 49 Vgl. unten Anm. 856. 50 Vgl. unten Anm. 792. 51 Vgl. unten Anm. 791.
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sen Verständnis von fundamentaler Bedeutung. Dies soll dargestellt werden, indem gezeigt wird, dass die λύπη, von der in Joh 16 mehrmals die Rede ist und die als Leitwort des ganzen Kapitels fungiert, in der Tradition des frühen Juden- und Urchristentums in enger Verbindung mit dem Teufel steht. Sie gilt hier, nicht nur, aber häufig, als Folge des teuflischen Wirkens auf Seiten der Menschen. Genauer vorgestellt werden soll in diesem Zusammenhang insbesondere eine Traditionslinie, nach der mit dem endzeitlichen Sturz des Teufels eine Verwandlung der λύπη der Gerechten in χαρά einhergeht. Denn diese Tradition wurde, wie darzustellen ist, auch im Johannesevangelium verarbeitet und ist für das Verständnis insbesondere von Joh 16 entscheidend. Es wird zu zeigen sein, dass die Verwandlung der λύπη der Jünger in χαρά, die in Joh 16 ausführlich angekündigt wird, in engem Zusammenhang mit der Entmachtung des Teufels steht: Es ist die im vierten und fünften Parakletspruch beschriebene Tätigkeit des Geistes, die diesen Wandel des emotionalen Zustandes der Jünger bewirkt. Und diese Tätigkeit des Parakleten kann, wie darzustellen ist, als Entmachtung des Teufels auf anthropologischer Ebene verstanden werden, die seine Entmachtung auf kosmischer Ebene, welche sich in der Stunde Jesu ereignet hat, voraussetzt und diese Entmachtung des Teufels auf kosmischer Ebene für die Jünger bleibend zur Geltung bringt. Aus dem einleitend Gesagten ergibt sich bereits, dass das vierte Evangelium in vorliegender Arbeit – entsprechend einer sich zunehmend durchsetzenden Tendenz der Forschung – als einheitlicher theologischer Entwurf verstanden wird. Zwar ist es durchaus möglich, dass es in seiner uns heute vorliegenden Gestalt einen längeren Entstehungsprozess hinter sich hat, doch ist es insbesondere aufgrund der „ungewöhnlich starke[n] stilistische[n] Einheit“52 der johanneischen Sprache kaum möglich, seine literarische Genese mit auch nur geringer Wahrscheinlichkeit zu rekonstruieren.53 Dies verdeutlichen nicht zuletzt die zahllosen in ihren Ergebnissen oftmals stark voneinander abweichenden diesbezüglichen Versuche der älteren und neueren Literarkritik.54 Es erscheint bereits aufgrund dieser literarkritischen Aporien methodisch sachgemäßer, der Untersuchung nicht einzelne hypothetisch rekonstruierte Quellen oder Schichten – auch nicht ein vorredaktionelles Werk des ‚Evange listen‘ – zugrunde zu legen, sondern das ganze Evangelium in der Textgestalt, für die allein eine kommunikative Wirksamkeit nachweisbar ist.55
Auszuklammern sind dabei freilich die Verse 5,3b–4 sowie 7,53–8,11, die sich bereits textkritisch eindeutig als sekundäre Zusätze erweisen. Als ein Nachtrag lässt 52 E. Ruckstuhl, Einheit, 1987, 218. 53 Vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 34. 54 Für einen kritischen Überblick über die ältere und neuere Literarkritik vgl. J. Frey, Eschatologie I, 1997, 51–71; 266–297. Zur Kritik an der neueren Literarkritik vgl. ferner K. Wengst, Gemeinde, 31990, 20–41. 55 J. Frey, Eschatologie III, 2000, 7.
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sich ferner zumindest mit einigermaßen großer Sicherheit Kapitel 21 bestimmen. Die Argumente für diese Sicht sind bekannt. In 20,30 f. findet sich ein stilgerechter Buchschluss, und in 21,24 f. differenzieren sich die Autoren des 21. Kapitels selbst von dem Verfasser des Voranstehenden.56
56 Vgl. z. B. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 7; K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 34 f.; U. Schnelle, Johannes, 42009, 14.
II. Die Geschichte der Teufelsvorstellung von ihren Anfängen bis zum Neuen Testament
1. Die Wurzeln im Alten Testament Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, die Texte der Qumrangemeinschaft ebenso wie die Schriften des Neuen Testaments kennen eine Vielzahl von Bezeichnungen für den Teufel. Neben Satan ragt in den zwischentestamentarischen Schriften des Frühjudentums insbesondere Belial (gräzisiert Beliar) als Teufelsname hervor.1 Beide Begriffe haben ihren Ursprung im Alten Testament und der Bedeutungsgehalt, der ihnen hier zukommt, hat die jüdisch-christliche Teufelsvorstellung wesentlich beeinflusst. Es wäre daher eine unzulässige Verkürzung, wenn in der folgenden Darstellung der alttestamentlichen Wurzeln dieser Vorstellung nur die Stellen in den Blick genommen würden, in denen Satan „die Bühne betritt“, die „Auftritte“ Belials aber unberücksichtigt blieben. Gewiss ist es richtig, dass Belial im Neuen Testament mit nur einer Bezeugung (2Kor 6,14) „eindeutig in den Hintergrund tritt“,2 doch hat der Teufel des Urchristentums – wie zu zeigen ist – aufgrund seiner zwischentestamentarischen Vorgeschichte Eigenschaften Belials adaptiert und ihm somit ein „Weiterleben“ im Verborgenen ermöglicht. Satan und Belial sind die einflussreichsten, nicht aber die einzigen alttestamentlichen Wurzeln der frühjüdisch-urchristlichen Teufelsvorstellung.3 Diese wurde insbesondere auch von den dämonischen Mächten, die trotz der Dämonenfeindlichkeit der israelitischen Religion4 den Weg ins Alte Testament gefunden haben,5 sowie von mythischen Chaosmächten der Urzeit beein 1 Satan begegnet als Teufelsbezeichnung in 1Hen 54,6; Jub 10,11; TestDan 3,6; TestGad 4,7; VitAd 9,1; u. ö. Belial ist der bevorzugte Name für den Teufel in den Texten aus Qumran (vgl. A. Steudel, Teufel, 2007, 191–200, bes. 192 f.). Gleiches gilt für die TestXII (vgl. H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 234). Er begegnet aber auch in weiteren pseudepigraphen Schriften (z. B. Jub 15,33; MartJes 1,8). 2 J. Leonhardt-Balzer, Gestalten, 2007, 208. 3 A. di Nola, Teufel, 1990, 179, spricht zu Recht von „bemerkenswert zahlreiche[n] hebräische[n] Vorfahren“ des christlichen Teufels. Interessanterweise erwähnt er Belial in diesem Zusammenhang jedoch nicht. 4 Vgl. H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 166. 5 Zu nennen sind hier beispielsweise lzEaz"[] (Lev 16) – von dem G. von Rad, Satansvorstellung, 1935, S. 74, Anm. 18 meint, er stehe Gott im Alten Testament wesentlich „grundsätzlicher als ‚böses Wesen‘ gegenüber als der Satan – die ~yrIy[if. (2Kön 23,8; Jes 13,21; 34,14 u. ö.) und
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Die Geschichte der Teufelsvorstellung
flusst.6 Werden diese Wurzeln des Teufelbildes in der folgenden Darstellung nicht gesondert behandelt, so deshalb, weil dies den Rahmen einer bloß zum eigentlichen Thema hinführenden kleinen „Biographie des Teufels“ sprengen würde. Man muss nicht alle seine „Verwandten“ und „Vorfahren“ einbeziehen, um die Vorgeschichte des Satans im Johannesevangelium in Judentum und Urchristentum zu verstehen.
1.1 Satan im Alten Testament 1.1.1 Etymologie und Belegstellen Die Etymologie des Nomens !j'f' ist nicht unumstritten.7 Am plausibelsten erscheint es jedoch nach wie vor !j'f' von der Wurzel !jf abzuleiten,8 die im Alten die ~yYIci (Jes 13,21; 23,13; 34,14; Jer 50,39). Zu den Dämonen im Alten Testament vgl. H. Duhm, Geister, 1904; A. Jirku, Dämonen, 1912; H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 163–180; O. Keel, Ansätze, 2003, 211–236; H. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 2007. 6 Zu nennen sind hier Leviathan (Hi 3,8; 40,25; Ps 74,14; 104,26; Jes 27,1) und Behemot (Hi 40,15). Zu Leviathan siehe C. Uehlinger, Art. Leviathan, 1995, Sp. 956–964; zu Behemot siehe B. F. Batto, Art. Behemot, 1995, Sp. 315–321. 7 Zur etymologischen Diskussion siehe C. Breytenbach, Art. Satan, 1995, Sp 1369 f.; P. L. Day, Adversary, 1988, 17–23; M. Görg, Satan, 1996, 9–12; F. Kreuzer, Antagonist, 2005, 536 ff.; K. Nielsen, Art. !j'f', 1992, Sp. 746; R. Schärf, Gestalt, 1948, 175–185; H. Strauß, !jfh, 1999, 256 ff. 8 Zur Widerlegung der Ansicht, !j'f' sei von einer schwachen Wurzel abgeleitet, an die das Suffix -ān getreten wäre, siehe C. Breytenbach, Art. Satan, 1995, Sp 1369 f.; P. L. Day, Adversary, 1988, 17–23; F. Kreuzer, Antagonist, 2005, 536 ff. M. Görg, Satan, 1996, 9–12 hat in jüngster Vergangenheit vorgeschlagen, die Satansfigur des Alten Testaments vom ägyptischen Verb śdnj abzuleiten. Dieses Verb, mit der Grundbedeutung „jemanden zurückhalten“ (ebd. 10), stellt in einer szenischen Darstellung des Gottes Osiris und seiner Gefolgschaft den Iunmutef als den „Bezwinger des Bösen im göttlichen ‚Hofstaat‘“ (ebd. 12) dar. Nach Görg wäre der Satan dann zunächst „ein im Interesse seines göttlichen Herrn tätiger Agent, ein wachsamer Kontrolleur, […], der im AT […] zum ‚dienstbaren Geist‘, zu einer Art Anwalt und ‚Vollstrecker‘ des verborgenen Willen Gottes geworden ist“ (ebd.). H. Strauß, !jfh, 1999, 256 ff. hat Görgs These rezipiert und sieht den Satan des Hiobbuches in diesem Sinne als „eine Art persönlicher Agent im Vorzimmer des Chefs und ggf. Vollstrecker des verborgenen Willen Gottes“ (ebd. S. 257). Die Schwäche dieser These liegt m. E. darin, dass sie die überwiegend negative Bedeutung des Lexems Satan im Alten Testament nicht hinreichend erklären kann. Strauß versucht, den Bedeutungswandel durch Sach 3,1bf. zu erklären. Hier werde „unmissverständlich festgestellt, daß !jf(h) nunmehr die Position des Anklagens, des Widerparts schlechthin übernimmt (wnjfl)“ (ebd.). Wenn aber das Nomen !jf, wie Strauß behauptet, auch Sach 3,1 die für Hiob dargestellte positive Bedeutung trägt, wie kann dann das denominierte Verb !jf im selben Vers die Tätigkeit des Anklagens zum Ausdruck bringen? Strauß scheint diese Schwierigkeit zu bemerken und gibt zu bedenken, das Nomen könne auch „erst sekundär mit der gleichradikaligen Wurzel in der atl. belegten, negativen Bedeutung zusammengebracht worden“ (ebd. 256) sein, was m. E. jedoch unwahrscheinlich ist.
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Testament inklusive ihrer Nebenform ~jf 47mal belegt ist.9 Die 27 Belege des Nomens verteilen sich auf neun Stellen, wobei fünfmal ein Mensch, viermal ein himmlisches Wesen als !j'f' bezeichnet wird. Beim gegenwärtigen Stand der alttestamentlichen Wissenschaft ist es ausgesprochen schwierig, diese vier Belege eines metaphysischen Widersachers in eine chronologische Reihenfolge zu bringen, da die Datierung der Texte umstritten ist. Für die Ziele dieses Kapitels ist dies aber auch nicht notwendig, da es nach den alttestamentlichen Wurzeln der frühjüdisch-urchristlichen Teufelsvorstellung fragt, nicht aber die Entwicklung der Satansgestalt innerhalb des Alten Testaments untersucht. Die Texte werden im Folgenden in der Reihenfolge behandelt, in der sie im hebräischen Kanon begegnen. Nur am Rande sei bemerkt, dass diese Reihenfolge auch als chronologische eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen könnte.
1.1.2 Satan: Diener Gottes und Kämpfer für die Einhaltung der göttlichen Rechts- und Weltordnung Wurde der Satan früher von einigen Forschern als Dämon verstanden, der bereits in vormonotheistischer Zeit sein Unwesen trieb,10 so sieht ihn die Mehrzahl der Alttestamentler heute in unmittelbarer Umgebung Gottes und als festen Bestandteil dessen „Regierungspersonals“.11 Die Evidenz dieser Ansicht zeigt sich bereits beim ersten Beleg des Nomens !j'f' in der hebräischen Bibel. In der berühmten Perikope von Bileam und seiner Eselin (Num 22,22–35) ist es kein geringerer als der hw"hy> %a:l.m;, der sich Bileam auf dessen Weg zu Balak als !j'f' (!j'f'l.) in den Weg stellt (22,32). Wird diese Stelle im Buch Numeri von den meisten Forschungen, die den Teufel zum Gegenstand haben, nicht behandelt, so geschieht dies nicht unbegründet. Denn das Nomen !j'f' bezeichnet hier nur die einmalige Funktion des hw"hy> %a:l.m; und dieser ist es, der als mythisches Wesen personifiziert wird, nicht aber der oder ein Satan.12 Dennoch ist die Bileamerzählung geeignet, etwas über die satanische Funktion eines himmlischen Wesens zu erfahren. Sie zeigt einerseits, dass diese Funktion in göttlichem Auftrag – ja letztlich von Gott selbst13 – ausgeführt wird und sich daher in keiner Weise gegen den Willen Gottes richtet, 9 Sämtliche Belegstellen bei F. Kreuzer, Antagonist, 2005, 537, und bei K. Nielsen, Art. !j'f', 1992, Sp. 746 f. 10 Vgl. z. B. H. Duhm, Geister, 1904, 20. 11 So wird der Satan verstanden als Verleumder am Hof Jahwes (vgl. A. Brock-Utne, Feind, 1935, 219–227), als himmlischer Staatsanwalt (vgl. G. von Rad, Satansvorstellung, 1935, 71–74), als „accusateur occasionnel“ und „agent de la police divine“, (A. Lods, Origines, 1939, 649–660, 660), oder als persönlicher „Agent im Vorzimmer“ und „Vollstrecker des verborgenen Willen Gottes“ (H. Strauß, !jfh, 1999, 256 ff., 257). 12 Vgl. H. Frey-Anthes, Art. Satan, Abschnitt 2.2.2, WiBiLex 2008, http://www.wibilex.de (Zugriffsdatum 09.09.2008). 13 Bei dem hw"hy> %a:l.m; handelt es sich letztlich um eine Hypostase Gottes, vgl. R. Schärf, Gestalt, 1948, 207–222; C. Breytenbach, Art. Satan, 1995, Sp 1327; H. J. Fabry, Satan, 2003, 280.
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andererseits aber auch, dass sie nicht primär darauf abzielt, den Menschen Schaden zuzufügen. Denn der hw"hy> %a:l.m zieht gegen Bileam nicht wie Gott in Ex 4,24 gegen Mose mit dem Willen aus, ihn zu töten (Atymih] vQEb;y>w:). Er stellt sich zunächst schlicht in Bileams Weg, um dessen Pläne zu durchkreuzen.14 Gewiss wird er dadurch zu einer tödlichen Bedrohung für Bileam, jedoch zielt diese darauf ab, Bileam von seinem falschen Weg abzubringen und wieder auf den von Gott gebotenen Weg zu führen.15 Der hw"hy> %a:l.m übernimmt die Satansfunktion, um die Harmonie zwischen Gott und Mensch herzustellen. Ein weiterer Satansbeleg findet sich in der vierten Nachtvision des frühnachexilischen Propheten Sacharja (Sach 3,1–7). Das Nomen wird hier determiniert gebraucht, so dass es nicht als Eigenname, sondern als Funktionsbezeichnung zu verstehen ist. !j"F'h; meint hier den Ankläger, der sich zur Rechten des Hohenpriesters Josua stellt, um diesen anzuklagen (Sach 3,1 Anj.fil. Anymiy>-l[;dme[o !j"F'h;w).16 Bemerkenswert ist dabei, dass die von ihm vorgebrachte Anklage in keiner Weise ungerechtfertigt ist, denn die tatsächliche Schuld Josuas wird durch die Metaphorik des aus dem Feuer gerissenen Holzscheits17 und der schmutzigen Kleider, sowie durch die Aussage von der hinweg genommenen Schuld Josuas deutlich herausgestellt.18 Weshalb aber wird der Satan dennoch von Jahwe zurückgewiesen, noch ehe er seine Anklage vorbringen kann? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Zurückweisung selbst: Es ist Jahwe, der Jerusalem erwählt hat, der den Satan in die Schranken weisen soll (Sach 3,2 ~Il'v'WryBi rxEBoh; ^B. hw"hy> r[:g>yIw)> , und die an Josua haftende Schuld, deren gerechte Bestrafung Satan fordert, wird durch göttliche Gnade und Erwählung beseitigt. Der Erwählungsgedanke weist hier ein pedantisches Gerechtigkeitsdenken, ein Beharren auf Bestrafung auch des letzten Restes an Schuld, das durch den Satan verkörpert wird, in die Schranken.19 Als Bezeichnung für ein metaphysisches Wesen begegnet das Nomen !j'f' auch im Hiobprolog. Wieder wird es determiniert und somit als Funktionsbezeichnung gebraucht. !j"F'h wird zu den ~yhil{a/h' ynEB gezählt, die sich vor Jahwe als
14 Vgl. K. Nielsen, Art. !j'f', 1992, Sp. 750: „Das Nomen śā†ān bezeichnet hier ganz konkret ‚widerstehen, sich in den Weg stellen‘, das heißt: die Pläne Bileams verhindern.“ 15 Vgl. R. Schärf, Gestalt, 1948, 224: „Es ist eine tödliche Bedrohung des Menschen, aber mit dem Leben als Ziel, dem auf Gott bezogenen Leben.“ 16 Die Charakterisierung des Satans als Ankläger ergibt sich aus Ps 109,6, wo der Ankläger ebenfalls zur Rechten des Angeklagten positioniert wird. 17 Zur Deutung dieses Motivs vgl. H. Delkurt, Sacharjas, 2000, 149–157. 18 Die Argumentation von R. Hanhart, Sacharja, 1998, 180–185, der die Entsühnungsszene aufgrund verschiedener Tradition von der Satansszene trennen möchte und die Anklage Satans daher als Verleumdung versteht, vermag nicht zu überzeugen. Zur Begründung vgl. H. FreyAnthes, Unheilsmächte, 2007, 255, Anm. 1430. 19 In ähnlicher Weise wird der Satan bei Sacharja gedeutet von K. Marti, Ursprung, 1892, 207–245; R. Schärf, Gestalt, 1948, 297–306; G. von Rad, Satansvorstellung, 1935, 72; H. Delkurt, Sacharjas, 2000, 158; H. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 2007, 253–259.
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dessen Hofstaat zur Audienz20 versammeln (Hi 1,6; 2,1), und darf deshalb in keiner Weise als widergöttliche Macht verstanden werden. Vielmehr erscheint er als Diener Jahwes, auf dessen Befehl er angewiesen bleibt und ohne dessen Erlaubnis er nicht in Aktion treten kann. Auch sein Umherstreifen (jWV) und Herumwandern (%LEh;t.hi) auf der Erde (Hi 1,7; 2,2), bei dem er die Rechtschaffenheit und Gottesfürchtigkeit der Menschen überwacht und Verfehlungen vor Gott zur Anklage bringen soll,21 muss daher auf einen göttlichen Auftrag zurückgeführt werden. In seinen beiden Dialogen mit Gott (Hi 1,6–12; 2,1–7) zeigt der Satan eine Eigenschaft, die ihn für seine Spionagetätigkeit zu prädestinieren scheint: Er ist gegenüber den Menschen über die Maßen misstrauisch.22 Selbst die Gottestreue Hiobs, der in seiner Frömmigkeit und Gottesfurcht – wie der Satan selbst zugesteht – einzigartig ist, wird von ihm in Frage gestellt und angezweifelt: Die Gottesfurcht Hiobs, so sieht es der Satan, basiert auf reinem Eigennutz. Indem Satan dieses Misstrauen gegenüber Hiob zum Ausdruck bringt, erweist er sich als absoluter Menschenfeind im Dienste der Bewahrung von Gottes Gottheit. Er zweifelt grundsätzlich die Fähigkeit des Menschen an, gegenüber Gott uneigennützig loyal sein und eben dadurch Gott wirklich als Gott verehren zu können.23 Der Mensch, so die grundsätzliche These Satans, ist nicht in der Lage, die Herrschaft Gottes anzuerkennen, da er nur dann zum Dienst an Gott bereit ist, wenn Gott auch umgekehrt ihm dient. Somit verstößt er wesensmäßig gegen die grundlegendste Ordnung religiöser Selbstdeutung, der zufolge der Mensch Mensch ist und nicht Gott.24 Dass der Satan in der Folge von Gott damit beauftragt wird, die Loyalität Hiobs zu prüfen, dass ihm dazu ferner weitreichende
20 Gegen K. Nielsen, die die Versammlung der ~yhil{a/h' ynEB nicht als himmlischen Hofstaat versteht, da sie im Verhältnis zwischen Satan und Hiob einen Bruderkonflikt erkennt. Dem Hiobbuch liege, ähnlich wie Gen 28, die Metapher vom Vater und seinen beiden Söhnen zu Grunde (vgl. Dies., Art. !j'f', 1992, 745–751; Dies., Son, 1998; Dies., Art. Teufel 2002, 115–117). Zur Widerlegung ihrer These vgl. H. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 2007, 261–263. 21 Die Vorstellung eines Spiones, der in göttlichem Auftrag die Erde durchzieht und Ver fehlungen zur Anklage bringt, basiert vermutlich auf einer persischen Institution. Im Auftrag des persischen Großkönigs durchzog einer seiner Beamten als βασιλέως ὀϕθαλμός dessen Herrschaftsgebiet und kontrollierte die Königstreue der Untertanen, vgl. A. Lods, Origines, 1939, 649–660, 656; H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 202 f.; N. Forsyth, Enemy, 1987, 114 f.; E. Pagels, Ursprung, 1996, 75. 22 Einige Ausleger meinen dagegen, die Rede Satans sei als Infragestellung der von Gott gesetzten Weltordnung, in der der Fromme unvermeidlich erfolgreich ist, zu verstehen (so z. B. P. L. Day, Adversary, 1988, 81 f.; ähnlich auch H. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 2007, 264). Diese Deutung wird jedoch durch Hi 2,3 unmöglich gemacht, da hier eindeutig festgestellt wird, dass Satan Gott aufgehetzt hat, Hiob, nicht aber die göttliche Weltordnung, zu verderben (A[L.b;l. Ab ynItEysiT.w:). 23 Dass es in dem Einwand Satans letztlich darum geht, ob Hiob in der Lage ist „Gott wirklich als Gott zu ehren,“ wird auch hervorgehoben von F. Horst, Hiob, 1968, 15. 24 Zur „Grundeinsicht religiöser Selbstdeutung“ vgl. J. C. Gertz, Tora, 2006, 259.
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Kompetenzen übertragen werden, passt sehr gut zu seiner oben beschriebenen Spionagetätigkeit und hat theologisch die Funktion, Jahwe zu entlasten.25 Der vierte Beleg eines metaphysischen Satans in der Hebräischen Bibel findet sich 1Chr 21,1 im Bericht über die davidische Volkszählung, den der Chronist aus 2Sam 24 übernimmt. War es in der Vorlage der Zorn des Herrn (hw"hy>-@a;), der David reizte, das Volk zu zählen, so übernimmt diese Aufgabe beim Chronisten !j'f'. Aufgrund dieser wohl „berühmtesten Wortersetzung in der Chronik“26 und der Tatsache, dass !j'f' hier erstmals ohne Artikel verwendet wird, was eine Deutung als Eigenname ermöglicht, wird der Bericht des Chronisten oftmals „als eine Kardinalstelle für die Entwicklungsgeschichte der alttestamentlichen Satansvorstellung angesehen“.27 Im Dienste einer Entlastung Jahwes trete Satan hier erstmals als selbständig handelnde Größe mit eigenem Namen auf, was auf einen zunehmenden Dualismus in Israel hinweise, der möglicherweise auf persischen Einfluss zurückzuführen sei.28 Diese klassische Deutung des chronistischen Satans ist jedoch nicht unumstritten. So argumentiert etwa S. Japhet mittels sprachlicher und theologischer Erwägungen dafür, dass „die dem Chronisten zugeschriebene Figur des ‚Satan‘ seinen religiösen und psychologischen Auffassungen völlig fern steht.“29 Nach Japhet fungiert die Vokabel !jf in 1Chr 21,1 „immer noch als Appellativ, ähnlich wie in 1Kön 11,14.23.25 oder Ps 109,6, und bezeichnet einen ‚Gegner‘, der Israel dadurch zu schaden sucht, daß er den König dazu verleitet, etwas Falsches zu tun.“30 Japhets Deutung des chronistischen Satans als eines menschlichen Gegners, kann kaum überzeugen. H. Frey-Anthes hat Japhets These mit guten Argumenten widersprochen. Sie zeigt Verbindungslinien zwischen Sach 3, Hi 1 f. und 1Chr 21 auf,31 die verdeutlichen, dass 1Chr 21 „nicht einen Menschen, sondern ein numinoses Wesen im Blick hat“.32 Die von ihr aufgezeigten Verbindungslinien stellen jedoch auch die klassische Deutung des chronistischen Satans als eines von Gott unabhängig agierenden Wesens in Frage. Denn sie legen nahe, 25 Vgl. H. J. Fabry, Satan, 2003, 283. 26 T. Willi, Chronik, 1972, 155. 27 Ebd. 28 In diesem Sinne interpretieren die Stelle mit leichten Abweichungen u. a. G. von Rad, Satansvorstellung, 1935, 73f, der von „einer Art Teufelsglauben“ spricht, einen metaphysischen Dualismus aber verneint (ebd. 75); R. Schärf, Gestalt, 1948, 311, die Satan als „selbständige von Gott scheinbar losgelöste Figur“ versteht; H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 205–216, der den Satansbeleg in der Chronik unter der Überschrift „Wachsender Dualismus“ behandelt (ebd. 205), gegenüber einem persischen Einfluss jedoch zurückhaltend ist (ebd. 215; 267 f.); G. Theißen, Erleben, 2007, 293, der im Blick auf den Satan der Chronik von einer Verselbständigung der dunklen Seite Gottes spricht. 29 S. Japhet, Chronik, 2002, 348. 30 Ebd. 31 Vgl. H. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 2007, 271 f. 32 Ebd. 273.
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dass der Chronist die Satansfigur seiner Neuerzählung der davidischen Volkszählung im Sinne des bei Sacharja und im Hiobprolog dargestellten Satansbildes versteht.33 Was der Chronist nicht explizit erwähnt, dass auch „sein Satan“ ein Mitglied des göttlichen Hofstaats ist, das von Gott abhängig und bei seinem Wirken auf göttliche Duldung angewiesen ist, könnte er bei seinen Lesern schlicht voraussetzen. In diese Richtung weist auch die Formulierung in 1Chr 21,1. Heißt es hier laer'f.yI-l[; !j"f' dmo[]Y:w, so verwendet der Chronist mit dem Verb dm;[' einen „technical term for participation in the divine council“34, und P. L. Day vermutet daher „that we should infer a council setting.“35 Es ist somit wahrscheinlich, dass auch der chronistische Satan als von Gott abhängige Gestalt gedacht ist, und wenn der Chronist den „Zorn des Herrn“ aus 2Sam 24,1 durch den Satan ersetzt, so tut er dies kaum, um Gott im Allgemeinen als Anstifter zum Bösen zu entlasten. Denn dass Gott auch diese Rolle spielen kann, weiß der Chronist durchaus (vgl z. B. 2Chr 10,15; 18,18–22). Die Funktion Satans scheint eine begrenztere zu sein. Der Chronist bedient sich seiner, um das Verhältnis zwischen Gott und David, der in den Büchern der Chronik als idealer König und geradezu als zweiter Mose gezeichnet wird,36 rein zu halten.37 Nicht die Vorstellung, dass Gott Menschen zum Bösen verleitet, lehnt er ab, sondern den Gedanken, that Yaweh was […] unaccountably angry with Israel during the reign of the idealized monarch David, and that Yaweh therefore provoked David to commit a punishable offense.38
Zu dieser begrenzteren Funktion Satans passt gut, dass er in der Chronik an keiner weiteren Stelle erwähnt wird. Er ist hier nicht das Prinzip des Bösen, dem all das unmotivierte Böse angelastet wird, das einst auf Gott zurückgeführt wurde, sondern vielmehr ein Wesen, das ähnlich wie bereits im Hiobbuch einen Liebling Gottes zur Sünde anstachelt. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Satan an keiner Stelle des Alten Testaments unabhängig von Gott agiert: Er ist ein Jahwe zu- und untergeordneter Diener. Die Funktionen Satans sind vielschichtig, doch zeigen sie durchaus eine einheitliche Ausrichtung: Der Satan beginnt als ein pedantischer Kämpfer für die Einhaltung der göttlichen Rechts- und Weltordnung. Um diese aufrecht 33 Vgl. ebd. 273: Diese Beobachtungen sprechen dafür, dass 1Chr 21 […] ein numinoses Wesen im Blick hat, das Aspekte aus Num 22, Sach 3 und Hi 1 f. aufweist.“ 34 P. L. Day, Adversary, 1988, 143, Anm. 43. Vgl. auch F. M. Cross, Council, 1953, 274 f., Anm. 3. 35 P. L. Day, Adversary, 1988, 143, Anm. 43. 36 Vgl. M. Witte, Chronikbücher, 22007, 501. 37 Vgl. bereits G. von Rad, Satansvorstellung, 1935, 73; ferner P. L. Day, Adversary, 136; H. J. Fabry, Satan, 2003, 286; H. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 2007, 274. 38 P. L. Day, Adversary, 1988, 136 (Im Original teilweise unterstrichen).
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zu erhalten, spioniert er unter den Menschen, bringt jedes ihrer Vergehen ohne Gnade zur Anklage und führt sie in Versuchung, um auf diese Weise ihr wahres Wesen zum Vorschein zu bringen. Dieses Wesen des Menschen ist in sich ein Affront gegen die Herrschaft Gottes, da es diese nur anerkennt, wenn Gott ihm seine Dienste erweist. Tendenziell ist somit bereits der alttestamentliche Satan ein Menschenfeind im absoluten Sinne, der den Menschen paradoxerweise das Verbrechen vorwirft, das er selbst im Laufe seiner späteren religionsgeschichtlichen Entwicklung begehen wird: sich an die Stelle Gottes zu setzen.
1.2 Belial im Alten Testament 1.2.1 Etymologie und Belegstellen Die Etymologie des Lexems l[;Y:liB. ist nicht eindeutig geklärt,39 die Mehrzahl der Forscher vermutet jedoch ein Kompositum aus der Negation ylib. und einer Form der Wurzel l[y, die nur im Hifil belegt ist und die Bedeutung „nützen“ oder „helfen“ trägt. Für l[;Y:liB. ergäbe sich demzufolge die Grundbedeutung „Unnützes“, „Nutzloses“, „Untaugliches“ oder „Unnützlichkeit“. Das Lexem findet sich 27mal im Alten Testament,40 wobei das Fehlen einer Pluralbildung41 und der Gebrauch des Terminus in Psalm 18,5 (par 2Sam 22,5) und 41,9 vermuten lassen, dass l[;Y:liB. ursprünglich eine „mythologische Bezeichnung“ war „oder mindestens eine mythologische Unterschicht hat“.42 In jedem Falle aber stehen die l[;Y:liB. ylex]n: an der erstgenannten Stelle in Parallele zu den tw).45
1.2.2 Belial: Gegner der göttlichen Urordnung Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass Belial, wie insbesondere Victor Maag gezeigt hat, auch an den übrigen Belegstellen „eine Wesensart [bezeichnet], die entweder Gott selbst, oder den göttlichen Urordnungen menschlichen Zusammenlebens entgegengesetzt ist“.46 Die Stimmigkeit dieser These lässt sich anhand einiger Beispiele darstellen.47 Männer, die zum Abfall von Gott verleiten, indem sie zur Verehrung fremder Götter auffordern, werden als l[;Y:lib.-ynEB. bezeichnet (Dtn 13,14), und derjenige, der gegen Jahwe Böses sinnt (h[‚r' hw"hy>-l[; bvexo), wird näherbestimmt als einer, der l[;Y:liB. plant (Nah 1,11). Von besonderem Interesse ist ferner, dass diejenigen Israeliten, die zur Gemeinschaft mit Jahwe aufgrund fehlender Gotteserkenntnis nicht fähig sind, l[;Y:lib.-ynEB. genannt werden: So einerseits die Söhne Elis, die Jahwe nicht erkannt haben (1Sam 2,12) und daher gegen die Ordnungen des Opferkultes verstoßen, aber auch die Kritiker der Königswahl Sauls, die in deutlicher Opposition zu denen stehen, denen Gott das Herz gerührt hat (1Sam 10,26 f.). Ihr Verhalten ist ein Angriff gegen das von Gott gegebene Königtum, das „eine der tragenden Stützen der Gesellschaft“48 darstellt. Aufgrund seiner Blutschuld am Königshaus Sauls ist denn auch David in den Augen Simis ein l[;Y"liB.h; vyai (2Sam 16,7 f.), und ebenso werden Männer, die gegen einen König ins Feld ziehen auch 2Sam 20,1 und 2Chr 13,7 als l[;Y"liB. Vya bzw. l[;Y:lib.-ynEB. bezeichnet. Das gegen gesellschaftliche Urordnungen gerichtete Wesen belialischen Verhaltens zeigt sich ferner, wenn falsche Zeugen als l[;Y:lib.-ynEB. ~yvin"a] (1Kön 21,10.13a) bzw. l[;Y:liB.h; yven>a; (1Kön 21,13b) oder gar Unberechenbarkeit liegt weniger in der Heimtücke und Hinterlist als im trügerischen Schein, mit dem Meer und Wadi und Sumpf zwar zu sehen, aber nicht zu durchschauen sind, in der unermesslichen und gewaltigen Ueberfülle [sic!], mit der sie einen überkommen und in sich hinabziehen. Im Wasserbild gewinnt die Erfahrung der latenten Anwesenheit des Chaotischen mitten im Kosmischen, […], gewinnt die Erfahrung des elementaren und naturgewaltigen Todes poetische Gestalt. Die Vorzeit holt den Menschen ein, unversehens und hinterrücks; das Gestaltlose macht die Gestalt des Menschen wieder ungestalt; mit den Wassern zerfliesst der Mensch.“ 45 V. Maag, Belīja‘l, 1965, 298, sieht auch hier eine 2Sam 22,5 entsprechende Vorstellung. 46 Ebd. S. 294; Dieser Deutung Maags schließen sich im Wesentlichen auch B. Otzen, l[ylb, 1973, Sp. 656; R. Rosenberg, Belial, 1982, 35; T. J. Lewis, Art. Belial, ABD I, 1992, 654; S. D. Sperling, Art. Belial, 1995, Sp. 322; H. J. Fabry, Nahum, 2006, 154 f. und F. W. Röcker, Belial, 2009, 21–49 an. 47 Zum Folgenden vgl. V. Maag, Belīja‘l, 1965, 289–295. Dort findet sich auch eine Inter pretation sämtlicher l[;Y"liB. Belege im Alten Testament. 48 B. Otzen, l[ylb, 1973, Sp. 657.
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als l[;Y:liB. d[e (Spr 19,28) bezeichnet werden, wenn der Gedanke an eine Vernachlässigung der Armen kurz vor dem Erlassjahr l[;Y:lib. … rb'd' (Dtn 15,9) genannt wird oder wenn sich l[;Y:lib.W [r'-vyai-lK' unter den Soldaten Davids gegen eine gerechte Aufteilung der Amalekiterbeute aussprechen (1Sam 30,22). Die Belege verdeutlichen, dass die ursprüngliche Verbindung von l[;Y:liB. mit Tod und Chaos dazu führte, dass das Wort in späterer Zeit „allgemeiner“ benutzt wurde „für alles, was von den Chaosmächten herstammt, und das ist eben für den Israeliten alles, was gottes- und gesellschaftsfeindlich ist.“49 Zutreffend bestimmt V. Maag l[;Y:liB. daher als dasjenige was „urböse“ ist,50 doch gilt es dabei festzuhalten, dass es zum „Urbösen“ dadurch wird, dass es als „Urchaotisches“ die göttlichen Ordnungen, die als „Schutzdämme gedeihlichen Daseins“51 fungieren, aufzulösen trachtet.
1.3 Ergebnis: Pedanterie und Chaos als alttestamentliche Wurzeln der Teufelsvorstellung Satan und Belial, die beiden alttestamentlichen Wurzeln der frühjüdisch-urchrist lichen Teufelsvorstellungen sind einander diametral entgegengesetzte Größen. Der alttestamentliche Satan steht auf der Seite Gottes und kämpft pedantisch für die Aufrechterhaltung der göttlichen Rechts- und Weltordnung. Er streift auf Erden umher, um menschliche Vergehen gegen die göttliche Ordnung aufzudecken, und traut dem Menschen selbst dann nicht, wenn er keinerlei Schuld findet. Gelingt es ihm menschliche Schuld aufzudecken, so strebt er nach Gerechtigkeit, drängt ohne jede Gnade darauf, dass diese Schuld in vollem Umfang bestraft wird. Belial hingegen beginnt als Todes- und Chaosmacht und steht außerhalb der Ordnung Gottes. Der Begriff wird im Alten Testament als Abstraktum gebraucht und steht für alles, was sich gegen Gott und die von ihm gesetzten Urordnungen menschlichen Zusammenlebens richtet. Man könnte sagen, dass es eben dieses belialische Verhalten ist, nach dem Satan auf seinen irdischen Streifzügen sucht und das er vor Gott zur Anklage bringt. Trotz dieser diametralen Gegensätzlichkeit des Satanischen und Belialischen im Alten Testament scheinen beide Seiten doch etwas gemeinsam zu haben: Beide machen ein Miteinander zwischen Gott und den Menschen – und damit letztlich menschliches Leben, das auf dieses Miteinander angewiesen ist – unmöglich. Wird die Stimme Satans im himmlischen Hofstaat übermächtig, ist Gott also gegenüber seinem Geschöpf misstrauisch und bestrebt, dessen Schuld 49 Ebd. Sp. 656. 50 V. Maag, Belīja‘l, 1965, 259. 51 Ebd.
Die Entwicklung in der testamentarischen Zwischenzeit
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gerecht, aber ohne jede Gnade bis zum letzten Rest zu bestrafen, so ist das göttlich-menschliche Miteinander zum Scheitern verurteilt. Denn soll die Beziehung zwischen einem allmächtigen, fehlerlosen Schöpfer und seinem gewiss nicht fehlerlosen Geschöpf bestehen können, so bedarf es der Gnade des Erstgenannten. Ebenso aber scheitert das göttlich-menschliche Miteinander wie auch das menschliche Miteinander und letztlich das menschliche Leben, wenn das Belialische auf Seiten der Menschen überhand nimmt, und Menschen die von Gott gesetzten Ordnungen im Chaos versinken lassen wollen.
2. Die Entwicklung in der testamentarischen Zwischenzeit 2.1 Der Sturz der Engel und Azaz’el im Buch der Wächter (ÄthHen 1–36) Die testamentarische Zwischenzeit ist geprägt durch einen wiedererwachenden Dämonenglauben. Realpolitischer Nährboden für diese Entwicklung war das zunehmende Vordringen der hellenistischen Kultur in Palästina, gegen das sich bereits früh religiöser Widerspruch breitmachte. Zu ihrem mythischen Nährboden wurde die Erzählung von der Zeugung der Riesen durch den Verkehr der Söhne Gottes mit den Menschentöchtern (Gen 6,1–4). Diese Sünde der Engel wurde bereits gegen Ende des dritten Jahrhunderts im „Buch der Wächter“ (ÄthHen 1–36)52 zu einer Ätiologie des Bösen ausgestaltet: Einerseits, indem die Geister der erschlagenen Riesen mit den Dämonen identifiziert wurden, die auf der Erde agieren und sich gegen die Menschen wenden (ÄthHen 15,8–12), und andererseits, indem alle Sünde sowie das Verderben der Erde auf Azaz’el,53 einen der sündigen Engel, und die Werke, die er die Menschen lehrte, zurückgeführt wurde (ÄthHen 10,8). Obwohl die gefallenen Engel in der Folge bis zum großen Gericht gebunden werden, bleibt das Böse durch die von ihnen gelehrten Werke und die Fortexistenz der Dämonen als Konsequenz ihrer Sünde in der Welt. Ein Teufelsglaube findet sich im „Buch der Wächter“ nicht, denn die gefallenen Engel haben keine einheitliche Führung, die als personaler Repräsentant des Bösen erscheint. Ist es auf Erden, wie bereits dargestellt Azaz’el, der sich als
52 Zur Datierung zumindest der Kapitel 6–19 des Buches der Wächter in das ausgehende dritte Jahrhundert vgl. S. Uhlig, Henochbuch, 1984, 505, Anm. a, sowie die dort genannte Literatur. 53 Etymologie und Bedeutung des Namens sind nicht eindeutig geklärt. Er ist hier jedoch eindeutig aus Lev 16 übernommen. Dort ist lzEaz"[] der Wüstendämon, zu dem einer der beiden Ziegenböcke beim Ritual des Versöhnungstages die Schuld des Volkes trägt (vgl. H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 170 ff.; B. Janowski, Art. Azazel, 1995, Sp. 240–248). In der Apokalypse Abrahams ist Asasel Teufelsname (ApkAbr 13,6 ff.; 22,6; 23,8).
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hauptverantwortlich für die Sünde erweist, so ist es Semyaza,54 der als Oberster der Engel für deren Vergehen mit den Menschentöchtern verantwortlich gemacht wird. Ein wesentliches Element der späteren Teufelsvorstellung ist in der Darstellung der gefallenen Engel jedoch bereits zu finden: Der Ursprung des Bösen wird auf einen Bruch innerhalb der himmlischen Welt zurückgeführt, nicht Menschen, sondern transzendente Wesen sind es, die aus der von Gott gesetzten Ordnung ausbrechen.
2.2 Mastema im Jubiläenbuch, ein Fürst mit eigenem Willen Auch das zwischen 167 und 140 v. Chr.55 entstandene „Jubiläenbuch“ berichtet von der Engelsünde und ihren Folgen. Die Entstehung der Dämonen aus der Verbindung der Engel mit den Frauen wird dabei eher stillschweigend vorausgesetzt als ausdrücklich erwähnt. Bedeutsam ist, dass die bösen Geister im Jubiläenbuch einen obersten Befehlshaber bekommen: den Fürsten Mastema. Dieser ist mit Satan nicht nur etymologisch verwandt,56 sondern wird ausdrücklich mit ihm identifiziert (Jub 10,11). Die Interpretation der Gestalt Mastema im Jubiläenbuch ist für die Frage nach der Entstehungszeit der Teufelsvorstellung von entscheidender Bedeutung. Für Kelly hat er letztlich die gleiche Funktion wie der Satan des Alten Testaments. Er trete nach wie vor als ein Minister der „Divine dispensation“57 auf und sei „a spirit, who is authorized to tempt and discipline men“,58 der seine Dienstpflichten „with too much relish“59 ausübe. Das Konzept des göttlichen Ministers ist jedoch – wie im Folgenden gezeigt werden soll – nicht ausreichend, um die Figur Mastemas im Jubiläenbuch hinreichend zu erfassen. Mastema dient im Jubiläenbuch insbesondere dazu, Gott von moralisch verwerflichem Verhalten zu entlasten. Zu diesem Zweck werden Taten, die in Genesis und Exodus noch auf Gott selbst zurückgeführt wurden, nun Mastema zugeschrieben: Dieser ist es, der unter deutlicher Aufnahme der Hiobsmotivik, Gott zur Prüfung Abrahams anstachelt (Jub 17,16); er, nicht Gott, fällt Mose auf dessen Rückweg nach Ägypten an, um ihn zu töten (Jub 48,2 f.; vgl. Ex 4,24), und anders als Ex 12,29–33 sind seine Mächte für die Tötung der Erstgeburt in Ägypten ver 54 Ein Engel oder Dämon mit dem Namen Semyaza ist im Alten Testament nicht belegt und findet sich m.W. auch nicht in sonstigen frühjüdischen Schriften. 55 Für die Datierung des Jubiläenbuches in diese Zeitspanne bahnt sich in der Forschung ein gewisser Konsens an, vgl. K. Berger, Jubiläen, 1981, 299 f. 56 Der Terminus hm'jef.m; findet sich im Alten Testament lediglich in Hos 9,7 f. mit der abstrakten Bedeutung „Feindschaft“. Das Nomen basiert auf der Wurzel ~jf, einer Nebenform zu !jf. 57 H. A. Kelly, Satan, 2006, 40. 58 H. A. Kelly, Review of Neil Forsyth, 1989, 108. 59 H. A. Kelly, Satan, 2006, 41.
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antwortlich (Jub 49,2). Schließlich werden auch Naturkatastrophen, die im Alten Testament oftmals als Strafe Gottes verstanden wurden, im Jubiläenbuch auf Mastema zurückgeführt (Jub 11,11). Von besonderem Interesse ist, dass in der Gestalt Mastemas die Figur des alttestamentlichen Satans erstmals mit der Belialvorstellung des Alten Testaments zu einer explosiven Einheit verschmilzt. Deutlich wird dies insbesondere wenn Mose den Herrn für sein Volk bittet (Jub 1,20):60 Hoch sei, Herr, dein Erbarmen über deinem Volk. Und schaffe ihnen einen rechten Geist. Und nicht beherrsche sie der Geist Belchors, sie anzuklagen vor dir und sie zu verstricken, weg von allen Wegen der Gerechtigkeit, so daß sie zugrunde gehen, weg von deinem Angesicht.
Belchor – eine Variante von Belial61 – weist hier einerseits noch deutliche Züge der alttestamentlichen Belialsvorstellung auf, wenn er die Gemeinschaft der Menschen mit Gott zerstört, indem er sie die Wege der Gerechtigkeit verlassen lässt. Zugleich übernimmt er jedoch die Funktion des alttestamentlichen Satans, wenn er als Ankläger der Menschen vor Gott auftritt. Dass Mastema im Jubi läenbuch mit Belchor identisch ist,62 erweist sich dadurch, dass auch ihm die satanische Anklagefunktion explizit zugesprochen wird (Jub 48,15; 18). Zugleich zeigt Mastema belialische Charaktereigenschaften, wenn er die Gemeinschaft der Söhne Noahs aufhebt, sie in kriegerisches Chaos stürzt und zum Götzendienst anstiftet (Jub 11,1–6). Wurzelt Mastema jedoch nicht nur in der Satans-, sondern zugleich in der Belialsvorstellung des Alten Testaments, so ist unmittelbar evident, dass er nicht bruchlos als Minister Gottes verstanden werden darf. Es zeigt sich in seiner Gestalt vielmehr eine Dichotomie, die an den im Folgenden behandelten Stellen des Jubiläenbuchs besonders deutlich zutage tritt. Das Jubiläenbuch weiß davon zu berichten, dass es Satan bzw. Mastma einst, in der Heilszeit, nicht mehr geben wird (Jub 23,29).63 Über Ursprung und Herkunft Mastemas sagt es hingegen nichts. Vielmehr betritt dieser ganz unver mittelt die Bühne. Nachdem die Dämonen begonnen hatten, die Nachkommen Noahs „in die Irre zu führen und sie zu betören und sie zugrunde zu richten“
60 Die Übersetzungen aller angeführten Stellen aus Jub nach K. Berger, Jubiläen, 1981. 61 Vgl. K. Berger, Jubiläen, 1981, 317, Anm. 20b. 62 H. A. Kelly, Satan, 2006, 36, spricht sich hier gegen ein personales Verständnis Belials aus und somit auch gegen seine Identifikation mit Mastema. 63 „Und alle ihre Tage werden sie in Frieden und in Freude vollenden und leben. Und es gibt auch keinen Satan, und es gibt auch keinen Bösen, der zugrunde richtet. Denn alle Tage werden Tage des Segens und des Heils sein.“ Von einer Abwesenheit Satans in der eschatolo gischen Heilszeit berichtet auch Jub 50,5. Hingegen ist in Jub 40,9; 46,2 von der Abwesenheit eines (menschlichen?) Satans während der Regierungszeit Josephs in Ägypten die Rede (vgl. G. Theißen, Monotheismus, 2011, 54, Anm. 25).
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(Jub 10,1), bittet Noah Gott im Gebet, die bösartigen und zum Vernichten geschaffenen Geister, nicht über die Geister der Lebenden herrschen zu lassen. Als Gott daraufhin den Engeln gebietet, alle Dämonen zu fesseln, tritt Mastema, der als „Fürst der Geister“ bezeichnet wird, auf und spricht (Jub 10,8): Oh Herr, Schöpfer, laß übrig von ihnen vor mir, und sie werden meine Stimme hören und alles tun, was ich ihnen sage. Denn wenn mir nicht(s) übriggelassen wird unter ihnen, werde ich die Herrschaft meines Willens nicht tun (vollziehen) können unter den Menschenkindern. Denn sie sind zum Verderben und zur Verführung vor meiner Vollmacht. Denn groß ist die Bosheit der Menschenkinder.
Gott beschließt daraufhin, den zehnten Teil der Geister Mastema zu überlassen und trägt einem Engel auf, Noah die Heilungen für alle von den Dämonen ver ursachten Krankheiten zu vermitteln. Den Beschluss Gottes und den anschließenden Vollzugsbericht gibt der Text mit folgenden Worten wieder (Jub 10,9–12): 9 Und er sagte: „Der zehnte Teil von ihnen soll übrigbleiben vor ihm, und neun Teile sollen sie herabbringen an den Ort des Gerichtes.“ 10 Und zu einem von uns sagte er: „Wir wollen den Noah lehren alle ihre Heilung.“ Denn er wußte, daß sie (die Geister) nicht in Geradheit wandeln und nicht zur Gerechtigkeit streiten. 11 Und wir taten gemäß all seinem Wort. Und alle Bösen, die bösartig waren, fesselten wir am Ort des Gerichtes. Und ein Zehntel von ihnen ließen wir übrig, daß sie Vollmacht ausübten vor dem Satan auf der Erde. 12 Und die Heilung für ihre Krankheiten alle erzählten wir dem Noah, mit ihren Irrungen, damit er sie heile mit den Pflanzen der Erde.
Offensichtlich dienen Mastema und seine Untertanen dem Jubiläenbuch dazu, den Ursprung des Bösen zu erklären. Sowohl die Sünde der Menschen, als auch Krankheiten werden letztlich auf sie zurückgeführt. Mastema bedarf freilich für die Durchführung seiner Aktivitäten der Duldung Gottes und er bekennt sich zu Gott als Herr und Schöpfer. Dieses Bekenntnis macht einerseits wahrscheinlich, dass auch er selbst als Geschöpf Gottes aufzufassen ist und verdeutlicht andererseits, dass er nicht als von Gott abgefallenes Wesen zu verstehen ist. Begründet Mastema seine Bitte um Verschonung der Geister schließlich mit der Bosheit der Menschen, so steht im Hintergrund gewiss die Vorstellung vom himmlischen Staatsanwalt, die, wie bereits erwähnt, an anderen Stellen des Jubiläenbuches noch deutlicher zutage tritt. Zeigt der Text somit durchaus eine Neigung, Mastema Gott unter- und ihn in seine Weltherrschaft einzuordnen, so ist ebenso die diametral entgegengesetzte Tendenz unverkennbar, eine möglichst große Distanz zwischen beiden aufzurichten. Deutlich wird dies zunächst, wenn Mastema in seiner an Gott gerichteten Bitte explizit von der „Herrschaft meines Willens“ spricht. Diese ausdrückliche Hervorhebung des eigenen Willens eines metaphysischen Wesens ist für das Frühjudentum, in dem die Engel zwar eine zunehmende Bedeutung bei der göttlichen Weltherrschaft erhalten, letztlich aber nichts anderes als Boten
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und Vollstrecker des göttlichen Willens bleiben,64 durchaus untypisch. Sie dient offensichtlich dazu, Verderben und Verführung, die elementaren Funktionen der Herrschaft Mastemas, nicht als Willen Gottes erscheinen zu lassen, und verdeutlicht zugleich, dass Mastema durch die Kategorie des göttlichen Ministers nicht mehr hinreichend beschrieben werden kann. Als solcher würde er die Herrschaft des Willens Gottes, nicht aber die seines eigenen Willens vollbringen. Die Distanz Gottes zum Satan wird ferner dadurch verdeutlicht, dass Mastema sich zwar mit seiner Bitte direkt an Gott wendet (V. 8), dieser ihn jedoch keiner direkten Antwort würdigt, sondern in seiner Beschlussverkündigung in der dritten Person von ihm spricht (V. 9). Dieser Befund, der für das gesamte Jubiläenbuch gilt, ist vor allem deshalb bedeutsam, weil sich Gott im unmittelbaren Anschluss einem seiner Engel zuwendet und diesen direkt anspricht (V. 10). Die Darstellung Kellys, der Mastema letztlich denselben Status wie auch den Engeln zuspricht,65 ist daher unzutreffend, denn deren Gottunmittelbarkeit teilt Mastema nicht. Schließlich tritt Gott selbst in Opposition zu Mastema und seinen Werken, wenn er sich in seiner bereits erwähnten Hinwendung zu einem seiner Engel, durch kollektives „Wir“ mit diesem identifiziert und seinen Willen ausspricht, den Werken Mastemas entgegenzuwirken. Besonders interessant ist die Begründung für dieses Vorgehen Gottes: Er weiß, dass Mastema und seine Untergebenen „nicht in Geradheit wandeln und nicht zur Gerechtigkeit streiten“ (V. 10). Bedenkt man, dass das Tun der Gerechtigkeit und das Wandeln auf dem rechten Weg im Jubiläenbuch häufig als Forderungen Gottes an seine Geschöpfe dargestellt werden,66 so wird hier nichts anderes ausgesagt, als dass Mastema seine Herrschaft eben nicht dem Willen Gottes entsprechend ausübt, sondern sich von diesem abwendet. Deuten bereits diese Worte eine Auseinandersetzung zwischen der Herrschaft Gottes und der des Fürsten Mastema an, so wird diese Auseinandersetzung in Kapitel 48 des Jubiläenbuches, das den Auszug Israels aus Ägypten (Ex 3–14) neu erzählt, mit Hilfe der Kampfesmotivik beschrieben. Zwar stehen sich hier zunächst Mastema, der streckenweise geradezu als Schutzgeist Ägyptens erscheint, und der Engel Gottes im Kampf gegenüber, doch greift Gott selbst immer wieder zugunsten Israels in diese Auseinandersetzung ein: Der Herr ist es, der Rache an den Ägyptern nimmt (Jub 48,5), eine Rache, die Mastema verhindern wollte durch den Versuch, Mose zu töten (Jub 48,2 f.). Der Herr schlägt die ägyptischen Zauberer, denen Mastema schützend zur Seite stand (9), mit bösen Geschwüren (11), und der Herr ist es, der die Streitmacht Ägyptens, die von Mastema aufgefordert wurde, Israel zu verfolgen (12), in die Tiefe des Meeres wirft 64 Vgl. W. Bousset, Religion, 41966, 329. 65 Auch die Engel sind für Kelly „ministers of the divine dispensation.“ H. A. Kelly, Satan, 2006, 40. 66 Vgl. Jub 5,12 f.; 7,26; 20,2; u. ö.
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(14). Erscheint Mastema somit in Kapitel 48 stellenweise als metaphysischer Anführer Ägyptens, als Feind Israels und als direkter Kriegsgegner Gottes,67 so zeigt sich wiederum auch die gegenläufige Tendenz, Mastema als Werkzeug Gottes erscheinen zu lassen: Er und seine Mächte werden vom Herrn gekräftigt, um die Ägypter im Meer zu versenken (48,17), und sie sind es, die vom Herrn mit der Ermordung der erstgeborenen Ägypter beauftragt werden (49,2). Im Jubiläenbuch finden sich somit einander entgegengesetzte Tendenzen bei der Darstellung des Verhältnisses zwischen Mastema und Gott: Einerseits wird Mastemas Macht begrenzt, indem er auf göttliche Duldung angewiesen bleibt, sich zu Gott als Herr und Schöpfer bekennt und von diesem mit Aufgaben betraut wird. Andererseits wird ihm eine gewisse Macht und Eigenständigkeit zugestanden, indem er über eine eigene Herrschaft verfügt, sich von Gott ab wendet und diesem und seinem erwählten Volk kriegerisch entgegentritt: Der Mastema des Jubiläenbuchs spielt beide Rollen, er ist sowohl abhängiger Funktionär als auch eigenständiger Widersacher Gottes. Diese der Teufelsvorstellung des Jubiläenbuches immanente Spannung verkennt Kelly, wenn er Mastema einzig als Minister Gottes auffasst und somit versucht, ihn zu systematisieren. Die Aussagen des Jubiläenbuches über Mastema lassen sich jedoch nicht zu einer einheitlichen, logisch stimmigen Satanologie zusammenfassen. Dass Gleiches auch für Aussagen über den Teufel in weiteren Texten des frühen Judentums gilt, wird im Folgenden noch deutlich werden.
2.3 Belial in Qumran und den Testamenten der zwölf Patriarchen Die Testamente der zwölf Patriarchen (TestXII) und die Schriftrollen vom Toten Meer zeichnen sich gegenüber der übrigen frühjüdischen Literatur durch eine verstärkte Verwendung dualistischer Terminologie aus. Wenngleich eine nicht zuletzt aufgrund dieser dualistischen Parallelen gelegentlich vermutete Entstehung der TestXII in Qumran68 wenig wahrscheinlich ist,69 so lässt sich eine zusammenschauende Darstellung der Teufelsvorstellungen in den TestXII und den Qumranschriften insbesondere dadurch rechtfertigen, dass sich hier wie dort der Terminus Belial bzw. Beliar zur Bezeichnung der metaphysischen Negativgröße schlechthin besonderer Beliebtheit erfreute.
67 Vgl. H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 232, der Mastema in Kapitel 49 ebenfalls „als Widersacher Jahwes“ auftreten sieht. 68 Für eine Entstehung in Qumran plädieren beispielsweise O. Eissfeldt, Einleitung, 31964, 861 f.; M. Philonenko, Interpolations, 1960. 69 Zur Begründung vgl. J. Becker, Entstehungsgeschichte, 1970, 149 ff.
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Der Terminus Belial ist in den Schriftrollen aus Qumran etwa 85mal belegt,70 wobei er in unterschiedlichen Textsorten begegnet.71 Die hinter dem Terminus stehende Vorstellung ist vielschichtig und lässt sich nicht immer einheitlich interpretieren,72 so dass eine pauschal harmonisierende Darstellung des qumranischen Belial problematisch ist. Vielmehr bezeugen die Qumrantexte eine Entwicklung der Belialvorstellung innerhalb der essenischen Gemeinschaft,73 wobei der Versuch, diese Entwicklung nachzuzeichnen, vor erhebliche methodische Probleme stellt, da Entstehungszeit, -milieu und literarische Genese wichtiger Texte der Qumranbibliothek unter den Fachleuten umstritten sind.74 H. A. Kelly geht in seiner Auseinandersetzung mit den Texten vom Toten Meer nur sehr beiläufig auf Differenzen des Belialbildes in den einzelnen Schriften ein. Im Wesentlichen konzentriert er sich auf die Besprechung der Zweigeisterlehre (1QS 3,13–4,26) und der Kriegsregel (1QM), wobei er zu zeigen sucht, dass sowohl der in der Zweigeisterlehre begegnende „Engel der Finsternis“ als auch der Belial der Kriegsregel nicht als personale kosmische Mächte, sondern als „abstractions or personifications“,75 als „soulless allegorical figures“76 zu verstehen sind. Diese Behauptung Kellys wird im Folgenden zu widerlegen sein. Sind hierzu die beiden genannten Texte zu behandeln, so sollen, um einen etwas umfassenderen Einblick in die Belialsvorstellung der Texte vom Toten Meer zu gewinnen, daneben auch die Sektenregel (1QS), die Damaskusschrift (CD) und die Hodayot (1QH) besprochen werden. Ferner wird ein Blick auf das Bild Belials im sog. Midrasch zur Eschatologie (4Q 174; 4Q 177) zu werfen sein, da in diesem eine Tradition begegnet, die für das Verständnis des Teufels im Johannes evangelium von entscheidender Bedeutung ist.
70 Vgl. M. G. Abegg, Concordance, 2003, 146 f. 71 Der Terminus findet sich in historischen Paraphrasen, Hymnen, Beschwörungshymnen, eschatologischen Kommentaren, Ordnungen und Fluchformularen, vgl. A. Steudel, Teufel, 2007, 194. 72 A. Steudel, God, 2000, 333. 73 Trotz des gelegentlich erhobenen Widerspruchs hat die These, nach der die Essener als Eigentümer der Qumranbibliothek anzusehen sind, nach wie vor die größte Wahrscheinlichkeit für sich und wird von der überwiegenden Mehrheit der Fachleute vertreten. Zur Essener-Hypothese und abweichenden Theorien vgl. den Überblick bei J. C. VanderKam, Einführung, 1998, 92–120. 74 Unter den Qumranforschern herrscht Einigkeit darüber, dass nicht alle Texte der Qumranbibliothek essenischen Ursprungs sind, so dass zwischen essenischen und nichtessenischen Texten (engl. sectarian – non-sectarian texts) unterschieden wird (vgl. A. Lange, Kriterien, 2003, 61). Bei zahlreichen Einzeltexten und Textauszügen ist freilich nach wie vor umstritten, ob sie essenischen oder nichtessenischen Ursprungs sind. 75 H. A. Kelly, Satan, 2006, 47. 76 Ebd. 50.
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2.3.1 Hodayot: Chaosmächte vollziehen Gottes Gericht In den Hodayot (1QH) ist Belial zwölf Mal belegt, wobei auffällt, dass der Terminus nur in den Dankliedern des Einzelnen, die zumeist auf den Lehrer der Gerechtigkeit zurückgeführt werden,77 nicht aber in den hymnischen Bekenntnisliedern begegnet.78 Die Frage, ob Belial in den Hodayot abstrakt oder personifiziert gebraucht wird, ist nicht eindeutig zu beantworten, denn die poetischen Texte scheinen geradezu mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs zu spielen.79 In jedem Fall aber ist Belial in den Hodayot fester Bestandteil der Unterwelts- und Chaosmächte. Dies zeigt insbesondere die Rede von den feurigen Belialsströmen (l[ylb ylxn) in 1QH 11,29–34 (= Suk. 3,29–34), die die Fundamente der Erde zerstören, bis zum !wdba vordringen, die mwht in Aufruhr versetzen und auf diese Weise chaotisches Verderben über die Erde bringen. Aber auch in 1QH 13,38 f. (= Suk. 5,38 f.) wird trotz Textverderbnis noch deutlich, dass mwht und l[ylb verwandte Größen sind. Wie nun die mythischen l[ylb ylxn, die Fundamente der Erde zu zerstören suchen, so sind die historischen Anhänger Belials, die den Lehrer der Gerechtigkeit bedrängen, immer wieder darauf aus, den von Gott verliehenen festen Stand des Beters zu untergraben: Alle ihre Gedanken sind Ränke Belials (l[ylb twmzm), durch die sie den Mann, den Gott festgestellt hat (htwnykh), zu Tode bringen wollen (1QH 10 16 f. = Suk. 2,16 f.); Mit Ränken Belials (l[yl[b twmzm])80 suchen sie den „Geist“81 des Beters zum Straucheln zu bringen, so dass er nicht standhalten kann (dm[m qzxh ytlbl/1QH 8,26–29 = Suk. 5,26–29), und ebenso sinnen sie als Deuter der Lüge Ränke Belials, wenn sie den Plan Gottes, der auf ewig feststeht, seine Torah, durch „Glattheiten“ (twqlxb) zu ersetzen suchen (1QH 12,10–13 = Suk. 4,10–13); angesichts boshafter Pläne ([wr tbvxm), in denen Belial zugegen ist, zerbrechen schließlich alle Fundamente des Beters (ytynbm yXwa lwk; 15, 4 = Suk. 7,4). Die Belege verdeutlichen, dass sich Belial in den Hodayot immer gegen von Gott gesetzte Grundfeste – seien es solche der Erde oder des Individuums – richtet, und damit den festen Stand, den diese gewähren, untergräbt, um das Getragene zu sich in die Tiefen des Chaos bzw. der Unterwelt82 zu ziehen. In den Angriffen seiner Feinde, sieht der Lehrer der Gerechtig 77 Vgl. A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 64. 78 Zur formalen Einteilung der Hodayot in Danklieder des Einzelnen und Bekenntnislieder vgl. ebd. 63. 79 Vgl. M. J. Davidson, Angels, 1992, 196; A. Steudel, God, 2000, 338, Anm. 49; C. Martone, Evil, 2004, 121; Urteilt H. W. Huppenbauer, Mensch, 1959, 73, dagegen Belial werde in den Hodayot „nicht personifiziert verwendet“, so spricht sich F. W. Röcker, Belial, 2009, 129, für ein rein personales Verständnis aus. 80 So die Konjektur bei E. Lohse, Texte, 1971, 132. J. Maier, Essener, 1995, 79 ergänzt [Worte B]elials. 81 So die Konjektur bei E. Lohse, Texte, 1971, 132 und bei J. Maier, Essener, 1995, 80. 82 Zur Verbindung von Belial mit der Unterwelt vgl. auch H. W. Huppenbauer, Belial, 1959, 83, und insbesondere F. W. Röcker, Belial, 2009, 129, 116–130.
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keit die Todes- und Chaosmächte am Werk, die gegen die gottgegebene Ordnung, sein Gesetz, vorgehen und diese aufzulösen trachten: Jene sind mit diesen in der Tiefe identisch. Richtet sich Belial in den Hodayot somit gegen Gott und seine Ordnung, so darf nicht übersehen werden, dass auch Gott selbst sich dieser belialischen Kraft bedienen kann und Macht über sie zu haben scheint. Denn bei dem Abschnitt 1QH 11,29–34 (= Suk. 3,29–34), in dessen Rahmen von den bereits erwähnten, die Fundamente der Erde zerstörenden feurigen Belialsströmen die Rede ist, handelt es sich um die Schilderung eines Gottesgerichts.83 Es ist letztlich der in der Fülle seiner Kraft donnernde Gott (11,34), der die Vernichtung auf Erden durch die Belialsströme herbeiführt. Die Belialsmacht fungiert hier als göttliches Werkzeug, und zumindest auf göttliche Zulassung ist diese Macht auch nach 1QH 10,20–25 (= Suk. 2,20–25) angewiesen. Hier ist die Gemeinde Belials gegen die Seele des Betenden versammelt, und zwar, wie dieser explizit feststellt, mit göttlicher Zulassung (10,24). Auch in den Hodayot findet sich somit die Spannung, dass die teuflische Macht sich einerseits gegen Gott und seine Ordnungen richtet, andererseits aber auch als göttliches Werkzeug dargestellt werden kann und auf Gottes Duldung angewiesen zu sein scheint.
2.3.2 Kriegsregel: Das Los Belials gegen das Los Gottes Die Kriegsregel (1QM), deren literarische Genese, Provenienz und Datierung noch immer umstritten sind,84 schildert den eschatologischen Kampf der „Söhne des Lichts“ gegen die „Söhne der Finsternis“. Letztere werden auch als „Los Be lials“ (l[ylb lrwg) bezeichnet und dieser, der Fürst der Herrschaft der Gottlosigkeit (h[vr tlvmm rf; 17,5 f.), ist es, der ihre Armee anführt und sich rüstet, um zu ihren Gunsten in den Kampf einzugreifen ($vwx ynb trz[l [l[ylb]85 rzathbw; 16,11). 83 Vgl. H. W. Huppenbauer, Belial, 1959, 82; H. Muszynski, Fundament, 1975, 111 f. 84 Die Kriegsregel ist gewiss nicht das Werk eines Autors, und die QM Handschriften aus Höhle 4 (4QMa–g = 4Q 491–496) bezeugen, dass die Schrift in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. in zwei unterschiedlichen Rezensionen kursierte. Wurden bereits unterschiedliche literarkritische Lösungen vorgeschlagen, so konnte doch keine der Theorien bisher einen Konsens herbeiführen. Mit den literarkritischen Fragen eng verbunden sind die Fragen der Datierung und Provenienz der Schrift. Eine Grundschrift der Kriegsregel dürfte bereits in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. entstanden sein, und Teile der Schrift wären somit präessenischen Ursprungs. Dafür spricht auch, dass dxy in der Kriegsregel nicht als terminus technicus für die Qumrangemeinde gebraucht wird, sondern sich auf ganz Israel zu beziehen scheint. Als terminus ante quem der Endredaktion, in der von 1QM überlieferten Form, ergibt sich aufgrund der Datierung dieser Handschrift das Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. (zum Vor anstehenden vgl. insgesamt J. Duhaime, War Scroll, 1997, 60 ff.). 85 Belial muss hier zwar ergänzt werden, doch kann diese Konjektur eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen (vgl. z. B. P. von der Osten-Sacken, Gott, 1969, 42 f., Anm. 2, 44, Anm. 1; E. Lohse, Texte, 1971, 217; J. Maier, Essener, 1995, 151).
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Als Engel der Feindschaft (hmjfm $alm) führt Belial nicht nur die irdischen Söhne der Finsternis in die Schlacht, sondern herrscht auch über metaphysische Geister seines Loses, die Engel des Verderbens (lbx ykalm wlrwg yxwr lwkw; 13,11 f.). Zeigen bereits die angeführten Belege, dass Belial in der Kriegsregel als personale Macht zu verstehen ist, so erweist sich die Richtigkeit dieser These insbesondere dadurch, dass der Terminus häufig durch das Suffix der dritten Person Singular ersetzt wird (4,2; 13,2.4.12; 14,9.10; 15,5). Selbst H. W. Huppenbauer, der bezüglich eines personalen Verständnisses von Belial in Hodayot und Sektenregel zurückhaltend ist, plädiert aufgrund dieses Befundes für ein personales Verständnis von Belial in der Kriegsregel.86 Überdeutlich ist denn auch Kellys Verlegenheit beim Versuch, Belial auch in dieser Schrift als Abstraktum aufzufassen. Die Ersetzung Belials durch ein Personalsuffix übergeht er schlicht und handelt die Kriegsregel in aller Kürze und sehr oberflächlich ab,87 wobei einige seiner Argumente auf einer – um nicht zu viel zu sagen – ausgesprochen fragwürdigen Methodik basieren.88 Unterstützt Belial in der eschatologischen Schlacht die Söhne der Finsternis, so spricht die Kriegsregel an einer Stelle auch von einem Fürsten des Lichts (rwam rf; 13,10), der vermutlich mit dem Engel Michael zu identifizieren ist (vgl. 17,6)89 und als übernatürlicher Beistand der Söhne der Gerechtigkeit bezeichnet wird. Folgern einige Ausleger hieraus jedoch, die zentrale Opposition der Kriegsregel
86 H. W. Huppenbauer, Belial, 1959, 86 f. Vgl auch Ders., Mensch, 1959, 84 ff. Neben Huppenbauer plädieren außer Kelly m. W. auch alle anderen sich mit dieser Frage beschäftigenden Arbeiten für ein personales Verständnis von Belial in der Kriegsrolle. Als Beispiele seien genannt: P. von der Osten-Sacken, Gott, 1969, 73; M. J. Davidson, Angels, 1992, 217; C. Martone, Evil, 2004, 122; F. W. Röcker, Belial und Katechon, 2009, 90. 87 Im Gegensatz zur Sektenregel, der Kelly 3 ½ Seiten seines Werkes widmet (vgl. H. A. Kelly, Satan, 2006, 45–48), umfasst seine Besprechung der Kriegsregel lediglich ½ Seite (vgl. ebd. 49). 88 So stellt Kelly beispielsweise fest, die Aussage in 1QM 13,11, nach der Gott Belial zum Verderben geschaffen hat, „would amount to a heresy against the goodness of God if Belial were taken to be a real creature“ (ebd. 49) und scheint dadurch ein personales Verständnis von Belial in der Kriegsrolle ausschließen zu wollen. Dass solche Argumente kaum überzeugen können, liegt auf der Hand. Auch die Behauptung, es sei bezüglich der in der Kriegsrolle genannten Engel „not clear how real they are“, da sie „not seem to engage in any combat mano a mano, or to act in any other direct way with an Angelic or super-Human opponent“ (ebd.), ist irreführend. Zwar spricht die Kriegsregel nicht von einem direkten Kampf zwischen den Engelheeren, aber das Mitwirken übernatürlicher Wesen an der Schlacht der Menschen wird mehrmals erwähnt (1QM 1,10 f.; 7,6; 12,1.4.7; 13,10; 17,6 f.). Insbesondere das bereits erwähnte Eingreifen Belials, der ja ebenfalls als Engel – nämlich als „Engel der Feindschaft“ (hmjfm $alm) – bezeichnet wird, ist sehr plastisch dargestellt, wenn geschildert wird, dass er sich rüstet, um den Söhnen der Finsternis zur Hilfe zu eilen ($vwx ynb trz[l [l[ylb] rzathbw; 16,11). Dass es ferner 1QM nicht um einen innerpsychischen Kampf geht, wie Kelly unter Verweis auf die Psychomachie des Prudentius aus dem 4 Jhd. n. Chr. erwägt, ist evident. 89 Vgl. z. B. P. von der Osten-Sacken, Gott, 1969, 113., mit Anm. 4.
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bestehe nicht zwischen Belial und Gott, sondern zwischen Belial und Michael,90 so ist dies zu kritisieren. Der Fürst des Lichts wird nur an dieser Stelle von 1QM genannt und wie der Anführer der Söhne des Lichts dargestellt. Identifiziert man ihn mit Michael, der in 1QM auch nur an zwei Stellen belegt ist (17,6; 9,15 f.), so ist zu konstatieren, dass diesem an anderer Stelle keineswegs eine so hervorgehobene Stellung zugesprochen wird, sondern dass er 9,15 f. schlicht als einer der vier Erzengel genannt wird. Gibt Kolumne I der Kriegsregel einen zusammenfassenden Überblick über den Verlauf des eschatologischen Krieges, so spielt Belial hier zwar eine sehr prominente Rolle, vom Fürsten des Lichts bzw. Michael ist hingegen in keiner Weise die Rede, denn hier wie an jeder anderen Stelle der Kriegsregel kämpft das „Los Gottes“,91 nicht aber das „Los Michaels,“92 gegen das „Los Belials“ und folgerichtig ist es dann auch Gott selbst, der Belial und seine Anhänger am Ende der Schlacht vernichten wird (1,14 f.; 18,1). Verdeutlichen die angeführten Beobachtungen, dass an den meisten Stellen der Kriegsregel Belial und Gott als zentrale metaphysische Antipoden des eschatologischen Kampfes dargestellt werden, so weiß doch auch dieser Text darum, dass Belial von Gott geschaffen wurde und in der Schöpfung eine gottgewollte Funktion ausübt. So heißt es in 13,11 „Du [sc. Gott] hast Belial gemacht zum Verderben“. Wird Belials Macht hier schöpfungstheologisch relativiert und wird er in gewisser Weise als göttlicher Funktionär dargestellt, als Verderbensengel, so ist doch unverkennbar, dass die Kriegsregel insbesondere darauf aus ist, Belial weitestmöglich von Gott abzurücken und ihn als dessen fundamentalen Gegensatz darzustellen. Diese dualistische Gegenüberstellung hat in der Kriegsregel nicht die Funktion, Gott vom Bösen zu entlasten. Anders als etwa der Mastema des Jubiläenbuches wird der Belial der Kriegsregel nicht wirklich als Ursprung alles Bösen dargestellt. Die Frage nach den „Ursprüngen des Bösen“ tritt in der Kriegsregel nicht in den Vordergrund des Interesses,93 und es wird auch keine ethische Begründung für die Zugehörigkeit der Menschen zum Los Gottes oder zum Los Belials gegeben.94 Es ist die bloße Tatsache, dass die menschlichen Gegner der 90 So beispielsweise H. W. Huppenbauer, Belial, 1959, 87; S. L. Mattila, Contrasting, 1994, 531 f.; J. Frey, Different, 1997, 311. 91 „Los Belials“ 1,1.5.11; 4,2; 13,2.4.5.11–12; „Los Gottes“ 1,5; 13,5; 15,1; 17,1. 92 In 13,10 könnten die Söhne der Gerechtigkeit als Los des Lichterfürsten bezeichnet worden sein. So rekonstruiert E. Lohse, Texte, 1971, 210: „Und den Fürsten des Lichts hast du seit ehedem zu unserem Helfer bestellt und in [seinem Los sind alle Söhne der Gerechtig]keit…“. Sicher ist diese Konjektur jedoch keinesfalls, so heißt es bei J. Maier, Essener, 1995, 145: „Einen Licht-Fürsten hast du von längsther zu unserer Hilfe befohlen und in [seine Hand alle Söhne von (?) Rech]t…“. 93 Vgl. J. Frey, Licht, 2004, 159. 94 Vgl. Ders., Different, 1997, 312. Zwar wird der Dualismus der Mächte auch durch religiösethische Kategorien wie beispielsweise „Frevel“ „Ungerechtigkeit“ oder „Schuld“ zum Ausdruck gebracht, doch sind diese „kein Gegenstand selbständiger Reflexion. Sie fungieren nur als Attribute der jeweiligen Heerscharen und finden als solche Erwähnung“, J. Frey, Licht, 2004, 159.
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„Eigengruppe“ zum Los Belials gehören und dass dieses Los in fundamentalem Gegensatz zum Los Gottes und zu diesem selbst steht, die für die Kriegsregel von Interesse ist. Eben deswegen wird Belial weitestmöglich von Gott abgerückt, weil auch die Menschen, die zu ihm gehören, in größtmögliche Entfernung von Gott gebracht werden sollen. Der kosmische Dualismus dieser Schrift hat somit in erster Linie die soziale Funktion,95 „Fremdgruppen“ im wahrsten Sinne des Wortes zu verteufeln. Dabei dient der Dualismus – insbesondere im Verbund mit seiner eschatologischen Relativierung – freilich zugleich einer Sicherung und fundamentalen Aufwertung der kollektiven Identität der „Eigengruppe“.96 Ob die dualistischen Sprachformen, derer sich die Autoren der Kriegsrolle aus dem angegebenen Grund bedienten, auf persische Einflüsse zurückzuführen sind, die mit den Traditionen Israels verbunden wurden, oder ob sie als eigenständige Weiterentwicklung letzterer zu bewerten sind, kann nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden.97 In jedem Fall lässt sich aber eine Tiefenidentität der eschatologischen Feinde mit den Chaosmächten auch in dieser Schrift noch deutlich erkennen. Dies zeigt sich in 1QM 15,9–11 und 17,4b– 5a, wo die Kriegsgegner charakterisiert werden, indem die Ausrichtung/das Ziel (hqwvt) ihres Handelns bestimmt wird. Heißt es in 17,4b, dass sie nach wht whbw trachten, so dürfte auf Gen 1,2 angespielt sein,98 und auf diesen Vers des ersten Schöpfungsberichtes ist dann auch die parallele Rede in 15,10a99 vom Trachten der Gemeinde des Frevels nach der Finsternis zu verstehen (~t]qwvt (sc. $Vwxh) wylaw). Werden somit „die Feinde an beiden Stellen jeweils als Vertreter der in der Schöpfung besiegten Chaosmächte umschrieben“,100 so ist evident, dass auch Belial als ihr Anführer dieser Sphäre zuzurechnen ist. Vor diesem Hintergrund wird dann, bedenkt man die Bedeutung des Kultes im frühen Juden-
95 Zur sozialen Funktion des Teufels im Allgemeinen vgl. G. Theißen, Erleben, 2007, 297 ff. 96 Für eine ähnliche Funktion des Dualismus zumindest in 1QM I plädiert auch P. von der Osten-Sacken, Gott, 1969, 86 f.: „[…] daß nämlich das Widereinander von Söhnen des Lichts und der Finsternis als eschatologischer Kampfdualismus zu bestimmen ist, der sich der dualistischen Terminologie zum Aufweis des Gegensatzes zwischen Israel und den Völkern bedient und vorwiegend an der Ankündigung ewiger Vernichtung für den Feind und der Verheißung des Sieges und ewiger Erlösung für das Gottesvolk interessiert ist.“ 97 Für persischen Einfluss plädiert J. J. Collins, Mythologie, 1975, 596–612, der die Basisstruktur der Kriegsrolle auf einen zoroastrischen Mythos zurückführt, den Plutarch (De Iside et Osiride 47) unter Berufung auf Theopomp (378 – ca. 320 v. Chr.) überliefert. Als von persischem Einfluss unabhängige Entwicklung der Traditionen Israels sehen den Dualismus der Kriegsregel hingegen beispielsweise P. von der Osten-Sacken, Gott, 1969, 87, Anm. 1 und H. Stegemann, Essener, 2007, 145 f. 98 Vgl. P. von der Osten-Sacken, Gott, 1969, 92, Anm. 3.; M. A. Daise, Creation, 2000, 295. 99 Zur parallelen Struktur von 1QM 15,9b–11 und 1QM 17,4b–8 vgl. P. von der OstenSacken, Gott, 1969, 90 f. 100 Ebd. 93, Anm. 3.
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tum, auch verständlich, weshalb die Kriegsregel den eschatologischen Kampf geradezu als ein „kultisches Geschehen“101 schildert, das nach einer starren von Priestern und Leviten praktizierten Ordnung abläuft: Galt die kultische Ordnung „als Spiegelbild der kosmischen Ordnung, erstellt nach einem ‚himmlischen‘ Modell, daher engstens verbunden mit schöpfungstheologischen Motiven“102 und wirkte „eine ritualgerechte Kultpraxis […] in Bezug auf diese kosmische Ordnung stabilisierend, garantierte also Ordnung und Gedeihen in der Natur“,103 so ist offensichtlich, dass die durch den Feind wirkenden Chaosmächte im eschatologischen Kampf mit kultischen Mitteln bezwungen werden mussten.
2.3.3 Sektenregel 2.3.3.1 Zweigeisterlehre In der Sektenregel (1QS), die bereits im Jahre 1951 erstmals veröffentlicht wurde, ist der Terminus Belial an fünf Stellen belegt.104 Bemerkenswert ist dabei, dass keiner dieser Belege auf die sog. Zweigeisterlehre (1QS 3,13–4,26) entfällt, welche die moderne Rede vom essenischen Dualismus in den ersten Jahrzehnten nach Entdeckung der Qumranhöhlen wie kein anderer Text geprägt hat.105 Auch deshalb wird die Zweigeisterlehre, die noch vor kurzer Zeit „als ein zentrales Zeugnis essenischer Theologie verstanden“106 wurde, heute von einigen Forschern als nicht- und zugleich präessenischer Text angesehen.107 In jedem Fall ist sie, wie die 4QS Handschriften zeigen,108 ein ehemals selbständiges Werk, das unab hängig von der Gemeinderegel entstand. Bei H. A. Kelly nimmt die Analyse dieses Textes den größten Raum unter den Qumranschriften ein. Da Kelly hierzu auf eine von J. Frey entworfene Liste von zehn unterschiedlichen Typen dualistischen Denkens rekurriert, soll diese im Folgenden kurz vorgestellt werden: In einem 1997 veröffentlichten Aufsatz109 hat J. Frey einen unreflektierten Gebrauch des Dualismusbegriffs kritisiert. Dualismus sei „a label which has been a ttached 101 H. Stegemann, Essener, 2007, 146. 102 J. Maier, Zwischen, 1990, 218. 103 Ebd. 104 1QS 1,18.24; 2,5.19; 10,21. 105 Vgl. J. Frey, Licht, 2004, 159. 141. 106 A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 57. 107 So beispielsweise A. Lange, Weisheit, 1995, 126 ff.; A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 57; J. Frey, Different, 1997, 295–300; H. Stegemann, Essener, 2007, 154. 108 Vgl. A. Lange, Weisheit, 1995, 126 f.; J. Frey, Licht, 2004, 148 ff. 109 J. Frey, Different, 1997, 295–300, zur Definition und Klassifizierung des Dualismus 280–285. Eine zusammenfassende Darstellung seiner dort zum Dualismus geäußerten Gedanken in deutscher Sprache findet sich in Ders., Licht, 2004, 151–155.
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to so many philosophical and religious attitudes, that terminological precision is needed for the use of the category to make any sense.“110 Wurde der Begriff im Jahre 1700 ursprünglich zur Charakterisierung der zoroastrischen Religion gebildet, so hält Frey seine Verwendung zur Beschreibung des frühen Juden- und Urchristentums grundsätzlich für diskutabel. Zumindest aber gelte es, „[z]u präzisieren […], welche Wirklichkeit mit dualistischen Kategorien bezeichnet werden soll, welche Wesenheiten oder Prinzipien die beiden Pole bilden, ob diese Prinzipien absolut oder relativ und damit auf eine übergreifende Einheit bezogen, radikal antithetisch oder komplementär verstanden werden sollen.“111 Zu diesem Zweck differenziert Frey, bereits vorliegende Kategorisierungen ausbauend, zwischen den zehn folgenden dualistischen Kategorien, die er in den relevanten Quellen, ihren Parallelen oder „at least in scholarly discussion“112 ausfindig macht: 1. Beim absoluten/radikalen Dualismus113 stehen sich zwei gleichursprüngliche Mächte auf einer Ebene gegenüber. Dieser Typ begegnet weder im frühen Judennoch im Urchristentum, sondern nur in einigen avestischen Belegen. 2. Beim kosmischen Dualismus stehen sich ebenfalls zwei Mächte bzw. die zu ihnen gehörenden Teile der Menschheit gegenüber. Die Mächte sind jedoch weder „coeternal“ noch „strictly causal“. Frey weist darauf hin, dass es sich beim kosmischen Dualismus um ein „rather broad label“ handelt, da der Antagonismus durch metaphorische Terminologie (light/darkness), aber auch durch himmlische Gestalten (Michael/Belial) zum Ausdruck gebracht werden kann. Ferner kann der Schwerpunkt auf dem Gegensatz dieser Mächte liegen oder auf der Auseinandersetzung der zu diesen gehörenden Menschen. 3. Der spatiale Dualismus bezeichnet eine Teilung der Welt, die durch räumliche Kategorien ausgedrückt wird (Himmel/Erde). Räumliche Kategorien können dazu gebraucht werden, einen kosmischen Dualismus auszudrücken. 4. Der eschatologische Dualismus macht sich temporale Kategorien (dieser Äon/ kommender Äon) zu Nutze und rechnet mit einer eschatologischen Aufhebung des gegenwärtigen Gegensatzes. 5. Im ethischen Dualismus wird die Menschheit nach ihrem Verhalten in Gute und Böse geteilt. Der ethische Dualismus kann sich mit Aspekten eines kosmischen Dualismus verbinden, erscheint aber auch losgelöst von diesem. 6. Beim soteriologischen Dualismus wird die Teilung der Menschheit durch Glaube oder Unglaube begründet. 7. Der theologische Dualismus bringt den Gegensatz von Gott und Mensch, oder Schöpfer und Geschöpf zum Ausdruck. Frey meldet hier allerdings Zweifel an, ob dieser Gegensatz tatsächlich dualistisch genannt werden sollte.
110 J. Frey, Different, 1997, 280. 111 Ders., Licht, 2004, 152 f. 112 J. Frey, Different, 1997, 282. 113 Den noch ebd. 281 zur Bezeichnung dieses dualistischen Typus gebrauchten Begriff „metaphysischer Dualismus“ hat Frey später wegen seiner Missverständlichkeit vermieden, vgl. Ders., Licht, 2004, 153, Anm. 153.
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8. Der physische Dualismus bezeichnet den Gegensatz zwischen Geist und Materie. 9. Der anthropologische Dualismus bringt den Gegensatz zwischen Leib und Seele zum Ausdruck. 10. Der psychologische Dualismus unterscheidet einander entgegengesetzte Bestrebungen oder Triebe im Innern des Menschen.
Diese Kategorisierung Freys kritisiert Kelly insofern, als sie die „more figurative realms“114 vernachlässige und daher nicht alle für Qumran relevanten dualistischen Anschauungen umfasse.115 Daher ergänzt er Freys Liste um vier weitere Kategorien: 11. Metaphorical dualism (e.g., contrast of Light and Dark). 12. Abstract dualism (contrast of personifications). 13. Mixed dualism no. 1 (real and abstract; e.g. God and Sin). 14. Mixed dualism no 2. (real and phony; e.g., God and false Gods, Idols, etc.).116
Kelly erkennt nun in der Zweigeisterlehre zunächst einen psychologischen Dualismus, wobei er die beiden Geister – in Parallele zur späteren rabbinischen Yezer-Lehre – als Verkörperungen des guten und des bösen Triebes versteht. Dieser psychologische Dualismus verbindet sich nach Kelly in der Zweigeisterlehre mit einem metaphorischen, da Gut und Böse einander durch die Licht/Finsternis Metaphorik gegenübergestellt werden, und einem abstrakten Dualismus, da die beiden Pole als Engel personifiziert werden und somit nicht als reale Entitäten zu verstehen sind.117 Kellys dargestellte Auslegung der Zweigeisterlehre ist keinesfalls originell, denn bereits im Jahre 1961 plädierte Wernberg-Møller118 für ein rein psychologisches Verständnis von xwr in dieser Schrift,119 verstand den „Fürsten des Lichts“ und den „Engel der Finsternis“ als „personifications of the two opposite inclinations in man“120 und negierte somit einen kosmischen Dualismus für die Zweigeisterlehre. Die massive Kritik, die von der überwiegenden Mehrheit der Forscher zu Recht an Wernberg-Møllers Thesen geäußert wurde,121 trifft daher auch Kellys Ansatz. Insbesondere ist dem Verständnis der beiden Engel als bloßen rhetorischen Personifikationen psychischer Entitäten zu widersprechen.
114 H. A. Kelly, Satan, 2006, 45. 115 Ebd. 116 Ebd. 117 Ebd. 47. 118 P. Wernberg-Møller, Reconsideration, 1961, 163–177. 119 Ebd., 422. 120 Ebd., 426, Anm. 30. 121 Zu den überwiegend ablehnenden Reaktionen auf Wernberg-Møllers Aufsatz vgl. A. E. Sekki, Meaning, 1989, 64 ff.
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Denn for post-exilic Jews angels […] were unquestionably cosmic beings and not merely psychological projections, anyone advocating a psychological rendering of this passage must necessarily explain why here particularly ‚Angel of Darkness‘ or ‚Angel of Truth‘ should be drained of their cosmic force.122
An diesem Befund ändert auch das Argument nichts, das Kelly für sein Verständnis der Engel als Personifikationen anführt. Denn dass der „Engel der Finsternis“ in der Zweigeisterlehre, „unlike the satans of the Old testament or Mastema in Jubilees“,123 nicht handelnd oder sprechend dargestellt wird, ergibt sich schlicht aus dem nicht narrativen Charakter der Zweigeisterlehre. Sind nun der Fürst des Lichts und der Engel der Finsternis kosmische Größen, so folgt daraus, dass auch die Licht/Finsternis Metaphorik einen kosmischen Gegensatz ausdrückt und nicht auf einen innerpsychischen Dualismus begrenzt werden darf. In diese Richtung weisen freilich auch der schöpfungstheologische Kontext, in den der LichtFinsternis Dualismus eingebettet ist, und die Rede von der „Quelle des Lichts“ (rwa !y[m; 3,19) und der „Quelle der Finsternis“ ($vwx rwqm; 3,19), welche die rein anthropologische Dimension transzendiert.124 Unbestritten ist freilich, dass der kosmische Dualismus in der Zweigeisterlehre mit einem psychologischen verbunden ist. Zwar sind die Geister der Wahrheit und des Frevels, mit dem Fürsten des Lichts und dem Engel der Finsternis zu identifizieren, aber beide wirken nicht nur in der Welt, sondern streiten bis zum vorherbestimmten Gericht Gottes auch im Herzen der Menschen miteinander (3,23–26) und die „beiden Machtsphären [sind] in jedem Menschen jeweils anteilig vertreten.“125 Die Vorstellung, dass das Verhalten der Menschen auf ihren Anteilen an den beiden Geistmächten basiert, wird zumeist vor dem Hintergrund des so genannten Horoskop-Textes (4Q 186) verstanden. Dieser Text setzt voraus, daß jeder einzelne Mensch insgesamt 9 ‚Anteile‘ hat teils am ‚Haus des Lichtes‘ (BYT H’WR), teils am ‚Sammelbecken der Finsternis‘ (BWR HH WS˘K), an jeder der beiden Größen aber mindestens 1 ‚Anteil‘. Bei einem besonders ‚Gerechten‘ wäre das ‚Mischungsverhältnis‘ dann 8:1 bei minder ‚Gerechten‘ 7:2; 6:3; oder 5:4, während mit 4:5 bereits die überwiegend ‚Sündigen‘ beginnen bis hin zum ärgsten ‚Sünder‘ mit dem Mischungsverhältnis 1:8. Bei diesem System gewährleistet die ungerade Zahl 9, daß eine Parität nie zustandekommen kann, sondern immer eine der beiden Seiten das Übergewicht hat und somit stets die Zuordnung des einzelnen Menschen zu derjenigen Grundkategorie, die bei ihm überwiegt, möglich ist.126 122 J. H. Charlesworth, Comparison, 1972, 85. 123 H. A. Kelly, Satan, 2006, 47. 124 Vgl. A. E. Sekki, Meaning, 1989, 199. 125 A. Lange, Weisheit, 1995, 159. 126 H. Stegemann, Textbestand, 1988, 117 f.
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Sind es in 4Q 186 physiognomische Charakteristika anhand derer die einzelnen Menschenklassen erkannt werden können, so erfüllen in der Zweigeisterlehre ethische Merkmale diese Funktion. Dies verdeutlicht der Tugend- und Lasterkatalog 4,3–6.9–11, der einerseits imperativischen Charakter hat, zugleich aber auch Kriterien liefert, anhand derer Fromme und Frevler erkannt werden können,127 bzw. anhand derer erkannt werden kann, wie es um die Verteilung der beiden Geister im Innern eines Menschen bestellt ist. Dominiert hier der Anteil am Geist des Frevels, so siegt dieser Geist bei seinem Kampf mit dem Geist der Wahrheit im Herzen des Menschen und der Mensch handelt frevlerisch (4,23 f.), d. h. entsprechend der im Lasterkatalog (4,9–11) genannten Taten. Dominiert hingegen der Anteil eines Menschen am Geist der Wahrheit, so siegt dieser in dem inneren Konflikt und bewirkt ein Verhalten des Menschen entsprechend der im Tugendkatalog (4,3–6) genannten Taten. Spielt sich der Gegensatz zwischen den beiden Geistern somit einerseits auf kosmischer, andererseits auf psychologischer Ebene ab, so ist Gott über ihn erhaben. Denn „[v]om Gott der Erkenntnisse (stammt) alles Seiende und Gewordene“ (3,15), er hat auch die beiden Geister geschaffen, wenngleich er nur den einen liebt (3,26), den Rat und die Wege des anderen aber hasst (4,1) und den Söhnen des Lichts gemeinsam mit dem Engel seiner Wahrheit vor den Anfeindungen des Engels der Finsternis zur Seite steht (3,24 f.). Doch der Dualismus wird in der Zweigeisterlehre nicht nur auf diese Weise schöpfungstheologisch, sondern zugleich eschatologisch relativiert. Denn, so heißt es in 1QS 4,18–23:128 xcnl act zaw d[l hndymXy hdwqp (19) d[wmbw hlw[ twyhl #q !tn wdwbk tmkxbw wlkX yzrb law […] wtmab la rrby zaw hcrxn jpXm d[wm (20) d[ hlw[ tlXmmb [Xr ykrdb hllwgth ayk lbt tma lwkm Xdwq xwrb wrhjlw wrXb (21) ymktm hwl[ xwr lwk ~thl Xya ynbm wl qqzw rbg yX[m lwk * ~yrXy !ybhl hdn xwrb (22) llwgthw rqX twb[wt lwkm hdn ymk tma xwr wyl[ zyw h[Xr twlyl[ ~ymlw[ tyrbl la rxb ~b ayk $rd ymymt lykXhl ~ymX ynb tmkxw !wyl[ t[db lw[w tma yxwr wbyry hnh d[ hymr yX[m lwk tXwbl hyhy hlw[ !yaw ~da dwbk lwk ~hlw (23) rbg bblb
[…] Gott hat in den Geheimnissen seiner Erkenntnis und der Weisheit seiner Herrlichkeit der Existenz des Frevels ein Ende gesetzt. Und am Termin (19) der Heimsuchung wird er ihn für immer ausrotten, und dann wird die Wahrheit der Welt für immer hervorkommen, denn sie haben sich besudelt auf dem Weg des Frevels während der Herrschaft des Frevels bis zum beschlossenen (20) Termin des Gerichts. Und dann wird Gott durch seine Wahrheit alle Werke der Menschen reinigen, und er wird sich (einige) von den Menschen reinigen, indem er allen Geist des Frevels aus den Blutbahnen (21) ihres Fleisches heraus entfernt, und indem er sie mit dem Geist der Heiligkeit reinigt von allen frevelhaften Werken. Und er wird den Geist der Wahrheit auf sie sprengen wie Reinigungswasser um aller Gräuel der Lüge wil 127 Vgl. H. Lichtenberger, Menschenbild, 1980, 136; A. Lange, Weisheit, 1995, 157. 128 Text und Übersetzung nach A. Lange, Weisheit, 1995, 136 f., 140.
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len, mit denen sie sich (22) im Geist des Schmutzes beschmutzt haben, um die Gerechten Einsicht gewinnen zulassen in die Erkenntnis des Höchsten und die Wahrheit und die Weisheit der Söhne des Himmels und jene zu belehren, die im Wandel vollkommen sind, denn Gott hat sie für den ewigen Bund erwählt, (23) und zu ihnen gehört alle Herrlichkeit Adams. Und es wird keinen Frevel mehr geben, zu Schande werden alle Werke des Trugs.
Weiß der zitierte Text darum, dass der Frevel am Termin der von Gott festgesetzten Heimsuchung ein Ende haben wird, so ist bemerkenswert, dass sich seine Vernichtung in Stufen und auf den Ebenen zu ereignen scheint, auf denen er zuvor am Werk war. Heißt es in 4,19, dass mit der Vernichtung des Frevels die Wahrheit der Welt für immer hervorkommen wird, so ist deutlich, dass hier an die Überwindung des Frevels auf kosmischer Ebene gedacht ist.129 Erst nach dieser kosmischen Reinigung kann die den Menschen betreffende Reinigung in Angriff genommen werden.130 Dabei werden zunächst die Werke aller Menschen gereinigt (4,20), danach aber werden einige Menschen in ihrem Inneren von allem Frevelhaften gesäubert (4,20–22). Diese Reinigung der Erwählten131 ist, wie bereits der Textumfang zeigt, der Zweigeisterlehre am wichtigsten.132 Sie umfasst zunächst die Entfernung allen Frevelgeistes (hlw[ xwr) aus den Blutbahnen des Fleisches133 dieser Menschen und geschieht sodann durch den Geist der Heiligkeit (Xdq xwr) bzw. den Geist der Wahrheit (tma xwr), den Gott wie Reinigungswasser auf sie sprengen wird, um sie von allen frevelhaften Werken (h[Xr twlyl[) und allen Gräueln der Lüge (rqX twb[wt), mit denen sie sich im Geist des Schmutzes beschmutzt haben (hdn xwrb llwgth), zu reinigen. Die dargestellte endzeitliche Reinigung hat zunächst einen epistemologischen Nutzen.134 Die Gerechten gewinnen durch sie Einsicht in die Erkenntnis des Höchsten und die Wahrheit und die Weisheit der Söhne des Himmels. Sie dient sodann dazu, dass sie „in der ursprünglichen Herrlichkeit Adams, wie sie vor dem Sündenfall gegeben war, im ewigen Bund mit Gott leben können, da Frevel und die Werke des Trugs nicht mehr existent sein werden (4,22b–23a).“135 Die dargestellte zunächst auf kosmischer, dann auf anthropologischer Ebene sich ereignende Entmachtung der Frevelmacht ist bemerkenswert, da sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit zeigen wird, dass sich die Entmachtung des Teufels im Johannesevangelium ebenfalls zunächst auf kosmischer Ebene ereignet, bevor das dadurch erschlossene Heil den Menschen durch eine Entmachtung des 129 Vgl. P. von der Osten-Sacken, Gott, 1969, 175 ff.; A. Lange, Weisheit, 1995, 161; F. W. Röcker, Belial, 2009, 169. 130 Vgl. A. Lange, Weisheit, 1995, 161; F. W. Röcker, Belial, 2009, 169. 131 Vgl. F. W. Röcker, Belial, 2009, 169. 132 Vgl. A. Lange, Weisheit, 1995, 161. 133 Zur Übersetzung von wrXb ymkt mit Blutbahnen ihres Fleisches vgl. ebd. 161, Anm. 171. 134 Ebd. 161. 135 F. W. Röcker, Belial, 2009, 170.
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Teufels auf anthropologischer Ebene angeeignet wird. Dabei ist es auch im Johannesevangelium der Heilige Geist bzw. der Geist der Wahrheit, der diese Entmachtung auf anthropologischer Ebene bewirkt. Mit dieser Entmachtung geht im Johannesevangelium ebenfalls die Erkenntnis der Wahrheit bei den Menschen einher, an denen der Geist wirkt, und wenn der Geist die Menschen in der Zweigeisterlehre von allen Gräueln der Lüge reinigt, so bricht der Geist im Johannesevangelium die Macht der Lüge über die Menschen, zu denen er kommt.136 2.3.3.2 dxy und Los Belials Vier der fünf Belegstellen von Belial in 1QS entfallen auf das mit den Worten „Buch der Ordnung der Gemeinschaft“ (dxyh $rs rps) überschriebene Werk, das die Kolumnen 1,1–3,12 der Schriftrolle umfasst und die Liturgie des jährlich zu feiernden Bundeserneuerungsfestes zum Gegenstand hat. Bei diesem standen offenbar die Initiation neuer Mitglieder und die neuerliche rituelle Festlegung der hierarchischen Strukturen des dxy im Zentrum.137 Für den größtenteils liturgischen Text, der offensichtlich in essenischen Kreisen entstanden ist,138 zählen alle Menschen außerhalb des dxy zum Los Belials.139 Sie trifft der von den Leviten am Bundeserneuerungsfest zu sprechende Fluch (2,4 f.). Durch die Herrschaft Belials sieht die Sektenregel die Gegenwart bestimmt und charakteristisch für diese Herrschaft Belials sind schuldhafte Übertretungen und Sünden (~tajxw ~tmXa y[Xp) der Israeliten, zu denen sie von Belial verführt werden (1,23 f.). Auch die Angehörigen des dxy unterstanden vor ihrem Eintritt der Herrschaft Belials (1,24 ff.). Wenngleich sie nach ihrem Eintritt in den dxy Belials Herrschaftsbereich entronnen sind und in einen Bund vor Gott eingetreten sind, so sind sie, wie die im Folgenden zitierten Verse zeigen, doch nicht vor den Versuchen Belials gefeit, sie für seinen Machtbereich zurückzuerobern (1QS 1,16–18):140 twX[l la ynpl{a} tyrbb wrwb[{a}y dxyh $rsb ~yabh lwkw 16 @rcmw hmyaw dxp lwkm wrxam bwXl awlw hwc rXa lwkk 17 l[ylb tlXmmb ~ywsn 18
16 Und alle, die in die Ordnung der Gemeinschaft kommen, sollen eintreten in den Bund vor Gott, zu tun 17 entsprechend allem, was er befohlen hat, und sich nicht abzuwenden von ihm aus irgendeiner Angst, Furcht oder Prüfung, 18 die unter der Herrschaft Belials [ein]tret[en] werden. 136 Vgl. unten S. 297 f. 137 Vgl. H. Stegemann, Essener, 2007, 153. 138 Zur Argumentation für den essenischen Ursprung des Werkes vgl. A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 56. 139 Vgl. ebd. 140 Text nach F. García Martínez/E. J. C. Tigchelaar, Scrolls I, 70; Übersetzung nach E. Lohse, Texte, 1971, 4 f.
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Folgen der Herrschaft Belials für die Gemeindeglieder sind Angst und Furcht, die offensichtlich zum Abfall von Gott führen können. Diese Bedrängnisse werden als Prüfung aufgefasst, und nur wer sich an die Ordnung des dxy hält, die als Ordnung Gottes verstanden wird, hat seinen Angriffen widerstanden.141 Belial besitzt hier als Prüfer der Frömmigkeit der Lichtsöhne deutlich Eigenschaften des alttestamentlichen Satans. Zugleich jedoch stehen Gottes Ordnung und Belial in deutlicher Opposition zueinander, so dass dieser auch hier als Chaosmacht zu verstehen ist. Noch deutlicher wird dies in 1QS 2,19–25a:142 wrwb[y ~ynhwkh l[ylb tlXmm ymwy lwk hnXb hnX wX[y hkk vacat 19 ~hyrxa wrwb[y myywlhw hz rxa hz ~twxwr ypl $rsb hnwXrb 20 twamw ~yplal hz rxa hz $rsb tyXylXb wrwb[y {.} ~[h lwkw 21 la dxyb wdm[m tyb Xya larXy Xya lwk t[dl twrX[w ~yXmxw 22 wlrwg ~wqmm ~wry awlw wdm[m tybm Xya lwpXy awlw ~ymlw[ tc[l 23 qdc tbXxmw dsx tbhaw bwj twn[w tma dxyb !yhy lwkh ayk 24 ~ymlw[ dws ynbw Xdwq tc[b wh[rl Xya 25
19 So sollen sie Jahr um Jahr tun, solange die Herrschaft Belials währt. Die Priester sollen 20 zuerst in die Ordnung eintreten entsprechend ihren Geistern, einer nach dem anderen. Und die Leviten sollen nach ihnen eintreten, 21 und das ganze Volk soll an dritter Stelle eintreten in die Ordnung, einer nach dem anderen, zu Tausenden, Hunderten, 22 Fünfzig und Zehn, so dass jeder Mann in Israel die ihm zu gewiesene Stellung in der Gemeinschaft Gottes kennt.
Ist es bei der Erneuerung des Bundes, die alljährlich zu erfolgen hat, solange die Herrschaft Belials währt, von besonderer Bedeutung, dass die hierarchischen Strukturen des dxy rituell gefestigt werden, so muss dies als Versuch gewertet werden, die eigene Gemeinschaft als Raum der göttlichen Ordnung vor dem Eindringen der in der Welt herrschenden Chaosmacht, vor Belial, zu schützen. Wenngleich m. E. wenig wahrscheinlich, so ist es doch möglich, dass der Terminus l[ylb in dem ursprünglich unabhängig von den übrigen in 1QS überlieferten Werken entstandenen „Buch der Ordnung der Gemeinschaft“ abstrakt verstanden wurde.143 Spätestens der Redaktor (um 100 v. Chr.144) von 1QS aber wird Belial mit dem Engel der Finsternis aus der Zweigeisterlehre identifiziert und ihn also personal verstanden haben.145 Für diesen Redaktor legt sich dann auch ein personales Verständnis Belials in 1QS 10,21 nahe. Der Begriff l[ylb begegnet hier im Rahmen eines Hymnus, der 1QS beschließt und „Analogien zu den aus 141 F. W. Röcker, Belial, 2009, 79. 142 Text nach F. García Martínez/E. J. C. Tigchelaar, Scrolls I, 72; Übersetzung nach E. Lohse, Texte, 1971, 9. 143 Vgl. H. W. Huppenbauer, Mensch, 1959, 58; C. Martone, Evil, 2004, 120 f. 144 1QS dürfte um 100 v. Chr. entstanden sein (vgl. A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 55; H. Stegemann, Essener, 2007, 152). 145 Vgl. C. Martone, Evil, 2004, 120 f.
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1QH bekannten Hymnen aufweist.“146 Heißt es hier: „Belial bewahre ich mir nicht im Herzen“, so übersetzt E. Lohse l[ylb mit dem Abstraktum „Böses.“147 Ähnlich versteht H. W. Huppenbauer den Begriff hier als das „Nichtige, Böse.“148 Da Belial in 1QS 10,21 ff. in einer Reihe mit Torheit (hlbn); Täuschung (hmrm); Lüge (bzk) und weiteren Abstraktbegriffen begegnet, liegt ein abstraktes Verständnis für den möglicherweise von 1QS zunächst unabhängigen Hymnus durchaus nahe. Auch hier aber gilt, dass der Redaktor von 1QS Belial mit dem Engel der Finsternis identifiziert und somit personal verstanden haben dürfte.149
2.3.4 Die Damaskusschrift und die drei Netze Belials Zwei Handschriften der Damaskusschrift (CD), die ihren Namen aufgrund des in ihr mehrmals erwähnten „Neuen Bundes im Lande Damaskus“ trägt, wurden bereits im Jahre 1896/97 von Salomon Schechter in der Geniza der Kairoer Esra-Synagoge gefunden150 und 1910 erstmals publiziert.151 Ursprünglich wurde das Werk jedoch, wie die in Qumran gefundenen Handschriften nahelegen, als „letzte Erforschung der Tora“ (!wrxah hrwt vrdm) betitelt.152 Die Damaskus schrift ist mit großer Sicherheit essenischen Ursprungs153 und wird zumeist um 100 v. Chr. datiert.154 Dass Belial in diesem Werk personal zu verstehen ist, kann kaum bestritten werden.155 Er tritt als „handelnde Macht“156 auf und agiert in Opposition zum Fürsten der Lichter (~yrwah rf), dem bereits aus 1QS 3,20 bekannten Engel: Wie jener für das Auftreten Mose und Aarons verantwortlich ist, so Belial für das Auftreten Jannes’ und seines Bruders,157 durch das er versuchte, die erste Rettung Israels, den Auszug aus Ägypten, zu verhindern (CD 5,17–19). Die Vorstellung, dass Belial den Exodus als entscheidendes Heilsereignis in der Geschichte des Volkes Israel verhindern wollte, scheint die Damaskusschrift aus dem Jubiläen 146 F. W. Röcker, Belial, 2009, 82. 147 Vgl. E. Lohse, Texte, 1971, 39. Anders aber J. Maier, Essener, 1995, 197, dem die im Text gebotene Übersetzung folgt. 148 H. W. Huppenbauer, Mensch, 1959, 84. 149 Vgl. C. Martone, Evil, 2004, 121. 150 Vgl. A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 59. 151 Vgl. S. Schechter, Fragments, 1910. 152 Vgl. A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 59; H. Stegemann, Essener, 2007, 165. 153 Vgl. A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 60. 154 Vgl. Ebd. 155 Vgl. die ausführliche Argumentation für ein personales Verständnis bei M. J. Davidson, Angels, 1992, 180–184. 156 H. W. Huppenbauer, Mensch, 1959, 60. 157 CD 5,17 ff. ist der älteste Beleg für die Tradition von Jannes und dessen Bruder, der später den Namen Jambres erhielt. Beide werden auch 2Tim 3,8 mit den ägyptischen Zauberern aus Ex 7,11. 22 identifiziert. Für spätere Belege der beiden Brüder in der rabbinischen Literatur vgl. Str.-Bill. III, 660–664.
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buch übernommen zu haben.158 Dort ist es Mastema, der dem fliehenden Israel „Steine in den Weg legt“ und insbesondere auch mit den ägyptischen Magiern in Verbindung gebracht wird, die dort freilich noch namenlos sind (Jub 48,9–11). Wichtiger als Belials Wirken in der Vergangenheit ist der Damaskusschrift jedoch sein Agieren in der Endzeit, in den letzten Jahren, die der Verfasser als seine Gegenwart ansieht.159 Vom Wirken Belials in dieser Zeit heißt es (CD 4,12–19):160 hyhy hlah ~ynXh lkbw 12 !b aybnh hy[Xy dyb la rbd rXak larXyb xlwXm l[ylb 13 wrXp vacat #rah bXwy $yl[ xpw txpw dxp rmal #wma 14 bq[y !b ywl ~hyl[ rma rXa l[ylb twdwcm tXwlX 15 ynym tXwlXl ~hynp ~ntyw larXyb ~hb Xpt awh rXa 16 tyXylXh ( !whh =) !yhh tynXh twnzh ayh hnwXarh qdch 17 Xpty hzm lcynhw hzb Xpty hzm hlw[h Xdqmh amj 18 vacat hzb 19
12 Und in allen diesen Jahren wird 13 Belial losgelassen sein gegen Israel, wie Gott durch den Propheten Jesaja, den Sohn des Amos, gesprochen hat: Grauen und Grube und Garn über dich, Einwohner des Landes. vacat Seine Deutung bezieht sich 15 auf die drei Netze Belials, von denen Levi, der Sohn Jakobs, gesprochen hat, 16 dass er damit Israel fängt, und die er vor sie gestellt hat als drei Arten 17 von Recht: die erste ist die Unzucht, die zweite der Reichtum, die dritte 18 die Befleckung des Heiligtums. Wer dem einen entkommt, wird vom anderen gefangen, und wer daraus errettet wird, der wird 19 von diesem gefangen. vacat
Zunächst ist zu konstatieren, dass Belials eschatologisches Wirken für CD mit göttlicher Duldung geschieht, da jener als von diesem „losgelassen“ gilt. Auch diese Vorstellung vom losgelassenen Belial dürfte CD dem Jubiläenbuch entnommen haben, denn auch dort findet sich – freilich nicht in eschatologischem Kontext – die Formulierung, dass Mastema (mit seinen Dämonen) von den Engeln losgelassen wird (Jub 48,16 f.).161 Noch deutlicher wird Belials Abhängigkeit von Gott in CD 8,2 f. und 19,13. Belial ist hier, wie H. W. Huppenbauer zu Recht 158 Dass die Damaskusschrift das Jubiläenbuch kennt, ergibt sich aus CD 16,3–4, wo direkt auf dieses Werk als „Buch der Einteilungen der Zeiten nach ihren Jubiläen und (Jahr)wochen“ verwiesen wird. Insgesamt scheint Jub in der Damaskusschrift als maßgebliche Autorität angesehen worden zu sein. Vgl. A. Steudel, Rezeption, 2009, 94, Anm. 14. Auch Steudel geht davon aus, dass die Essener „die Zuschreibung negativer Ereignisse der Geschichte an eine personifizierte böse Macht“ aus „dem Jubiläenbuch bzw. verwandten historischen Paraphrasen kannten“. A. Steudel, Teufel, 2007, 197. 159 Vgl. A. Steudel, Teufel, 2007, 196. 160 Text nach J. H. Charlesworth (Hg.), Dead Sea Scrolls 2, 1995, 18; Übersetzung nach E. Lohse, Texte, 1971, 72–75. 161 Später begegnet der Gedanke dann in 4Q 174 2,14 und schließlich in der Johannes apokalypse 20,7.
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bemerkt, „nichts anderes als ein im Dienste Gottes stehender Verderberengel“,162 und als solcher agiert auch Mastema mit seinen Mächten in Jub 49,2. Durch das Zitat von Jes 24,17 in CD 4,13 wird verdeutlicht, dass Belials Wirken darauf abzielt, Grauen, Grube und Garn über die Einwohner des Landes zu bringen. Letztere sind in CD mit den nicht zum dxy gehörenden Israeliten zu identifizieren.163 Diese vermag Belial mit seinen drei Netzen, auf die die Prophezeiung Jesajas, unter Verweis auf einen nicht überlieferten Ausspruch Levis,164 gedeutet wird, zu fangen. Werden die drei Netze Belials schließlich als Unzucht, Reichtum und Befleckung des Heiligtums (17 f.) namhaft gemacht, so wird man Belial als den Verführer Israels zum Abfall von Gott verstehen müssen, denn die drei genannten Sündenkategorien gelten CD als die „three fundamentally evil ways of this world which are completely opposed to […] the way of life demanded by God […].“165 Dabei wird Belial auch in CD als eine Gestalt geschildert, die die göttliche Schöpfungsordnung auflöst, denn eines der Netze, mit denen er Israel fängt, die Unzucht, als die der Verfasser die in seiner Zeit praktizierte Polygamie ansieht,166 wird als Verstoß gegen die „Grundlage der Schöpfung“ (hayrbh dwsy) angesehen (4,21). Noch deutlicher wird die chaotische Dimension Belials in CD 4,12–19, wenn man auch für diesen Text die Jes 24,18bf. genannten Konkretisierungen des durch xpw txpw dxp ausgedrückten Unheils, das über die Einwohner des Landes kommen wird, voraussetzen darf. Findet sich dort die Vorstellung, dass die Grundfesten der Erde (#r,a' ydes.Am) durch die aus den geöffneten Fenstern der Höhe entströmende ~wht167 zum Erbeben gebracht werden und die Erde zu wanken und zu taumeln beginnt, so wäre Belial auch in dem zitierten Text der Damaskusschrift als losgelassene Chaosmacht zu verstehen, die, wie bereits angemerkt, den Verstoß gegen eine Grundlage der Schöpfung bewirkt. In diese Richtung weist auch CD 19,13–16, wenn dort der Tag der Heimsuchung der Gesetzesübertreter durch Belial auch als der Tag bezeichnet wird, an dem Gott seinen Zorn wie Wasser über die Fürsten Judas, die wie Grenzverrücker agieren, ausgießen wird. Be 162 H. W. Huppenbauer, Belial, 1959, 88. 163 Vgl. z. B. M. J. Davidson, Angels, 1992, 227; F. W. Röcker, Belial, 2009, 58. 164 Kaum wahrscheinlich ist m. E., dass hier eine Namensverwechslung vorliegt und CD 4,15 sich eigentlich auf TestDan 2,4 bezieht, wo vom „Netz des Irrtums“ die Rede ist, das der „Geist des Zorns“ auswirft, um die natürlichen Augen des Menschen zu verfinstern. Die Berührungspunkte beider Texte sind zu gering, was selbst dann gilt, wenn der von einigen Handschriften bezeugte Plural „Netze“, der ursprünglichere Text sein sollte. Zu Recht bemerkt daher bereits J. Becker, Testamente, 1974, 93, Anm. 2,4a: „CD bezieht sich wohl eher auf ein un bekanntes Stück der weitverzweigten Levi-Literatur.“ 165 H. Kosmala, Nets, 1965, 99. 166 Zur Polygamie in CD 4,20–5,6a als Beispiel für die in 4,17 genannte Unzucht vgl. M. A. Knibb, Community, 1987. 167 Wenngleich der Terminus ~wht Jes 24,18 f. nicht explizit genannt wird, kann doch aufgrund der Formulierung WxT'p.nI ~ArM'mi tABrua]-yKi, die offensichtlich auf Gen 7,11 verweist, kein Zweifel daran bestehen, dass hier an die Urflut gedacht ist, die die Erde ins Wanken bringt.
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denkt man das oben168 über die Verbindung von Wassermotivik und Chaos Festgestellte, so ist die chaotische Dimension Belials auch an dieser Stelle evident. Auch zwischen der Unterwelt und Belial scheint für CD ein Zusammenhang zu bestehen. Besonders deutlich zeigt dies die Bestimmung zum Verhalten gegenüber denjenigen Männern, über die die Geister Belials herrschen, so dass sie Abfall predigen. Sollen jene nach der Satzung für „Totenbeschwörer und Wahrsagegeister“ (ynw[dyhw bwah) gerichtet (CD 12,2 f.), d. h. getötet werden (vgl. Lev 20,6.27), so ist es naheliegend, dass die Geister Belials hier der gleichen Sphäre zugeordnet werden wie die Totengeister, mit denen die Nekromantiker in Verbindung stehen.169 Die Geister Belials sind dann am besten als Mächte der Unterwelt zu verstehen, und eben diesem Bereich ist auch Belial als ihr Anführer zuzurechnen. Der Aufruf zum Abfall von Gott wird somit in letzter Konsequenz auf das Wirken der Unterwelt zurückgeführt, und es ist daher nur konsequent, wenn CD die Widersacher der Gemeinde auch als „Söhne der Grube“ (txXh ynb; CD 6,15; 13,14) und somit als Söhne der Unterwelt bezeichnen kann.170 Vor diesem Hintergrund könnte in CD auch die bereits angesprochene Verbindung Belials mit Jannes und dessen Bruder zu verstehen sein. In den Quellen werden die beiden Brüder stellenweise als Nekromantiker dargestellt. So bedient sich Jambres in der nur fragmentarisch überlieferten Schrift „Jannes und Jambres“171 der Zauberbücher des Jannes, veranstaltet eine Totenbeschwörung (ἐποίη[σἓν νεκρυομαντ[είαν]; JannJamb 5,45 f.) und tritt mit der Seele seines verstorbenen Bruders in Kontakt. Ist diese Schrift in die Zeit zwischen dem ersten und dritten Jahrhundert n. Chr. zu datieren, so könnte sie sich älterer Traditionen bedienen. Waren die beiden Brüder eventuell bereits dem Autor von CD als Nekromantiker bekannt, so könnte Belial auch CD 5,18 als Macht der Unterwelt zu verstehen sein, an der die beiden ägyptischen Magier partizipierten.172
168 Siehe oben Anm. 100. 169 Vgl. M. J. Davidson, Angels, 1992, 184. 170 Vgl. F. W. Röcker, Belial, 2009, 71 f. 171 Für Einleitungsfragen zu dieser Schrift vgl. A. Pietersma, Jannes, 1985, 427–436. 172 Für diese Deutung kann auch angeführt werden, dass die ägyptischen Zauberer nach dem Jubiläenbuch, von dem CD hier – wie bereits angemerkt – abhängig ist, nur Böses wirken können, nicht aber zu Heilungen in der Lage sind. Der Autor von CD hätte ihre diesbezügliche Unfähigkeit dann – abweichend vom Jubiläenbuch – dadurch erklärt, dass sie ihre übernatürlichen Kräfte aufgrund ihrer Verbindung mit der Verderben bringenden Macht der Unterwelt besitzen.
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2.3.5 Belial als Verursacher von Trauer im Midrasch zur Eschatologie Dem so genannten Midrasch zur Eschatologie (MidrEschat), der von A. S teudel173 rekonstruiert wurde, können mit Sicherheit zwei Schriftrollen zugeordnet werden (4Q 174 = MidrEschata; 4Q 177 = MidrEschatb).174 Es handelt sich bei diesem Werk um einen thematischen Pescher,175 dessen zentrales Thema die Eschatologie ist und der in der Zeit zwischen 71 – 63 v. Chr. verfasst worden sein dürfte.176 Besonderes Interesse zeigt MidrEschat an dem als „Ende der Tage“ (~ymyh tyrxa) bezeichneten Zeitabschnitt, der „in einer periodisch gegliederten Geschichte die der Heilszeit vorhergehende Epoche“177 meint. Diese bereits angebrochene Epoche178 „ist die Zeit der Läuterung, d. h. der Aussonderung und Prüfung für die Frommen, eine Zeit, die durch große Versuchungen und Leiden gekennzeichnet ist, in der sich die Gemeinde bewähren muß.“179 Die Versuchungen und Bedrängnisse, denen die Gemeinde ausgesetzt ist, werden auf das Wirken Belials und seiner Anhänger zurückgeführt, die mit der bereits bekannten dualistischen Terminologie als „Söhne Belials“ (l[ylb ynb; 3,8) oder „Männer Belials“ (l[ylb yXna; 9,4) bezeichnet werden. Belials Wirken in den letzten Tagen wird ähnlich wie in CD geschildert, doch steht in MidrEschat weniger sein Vorgehen gegen Israel, als vielmehr seine Aktivität gegen den dxy im Mittelpunkt des Interesses. Wie in CD gilt Belial als von Gott losgelassen (l[ylb xtpy180 rXa t[h hayh; 4Q 174 2,14), wobei er über das „Haus Juda schlimme Dinge“ bringt“ (twXq hdwhy tyb l[[…]; 4Q 174 2,15), und ebenso wie dort wird sein Wirken mit Hilfe der Jagdmetaphorik beschrieben, wenn von den Söhnen Belials ausgesagt wird, dass sie gegen die Söhne des Lichts „frevlerische Pläne“ ersinnen, „damit sie (sc. die Söhne des Lichts) [ge]fangen würden von Belial durch ihre frevlerische Verirrung“ (hmXa tgXmb l[ylbl wXpt[y ![]ml !wa twbXxm hmhyl[ bwXxlw; 4Q 174 3,9).
173 A. Steudel, Midrasch, 1994. 174 Vgl. ebd. 127–151. 175 Vgl. A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 48; „In den thematischen Pescharim werden Zitate aus unterschiedlichen biblischen Büchern um ein Thema herum gruppiert und ausgelegt“ (ebd). Die Bestimmung des Werkes bei A. Steudel, Midrasch, 1994, 191 „als ein thematischer Midrasch mit Parallelen zu den (frühen) Pescharim“ meint dabei dasselbe. 176 Vgl. A. Steudel, Midrasch, 1994, 202–210; A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 49 f. 177 Vgl. A. Lange/H. Lichtenberger, Art. Qumran, 1997, 49. 178 Vgl. A. Steudel, Midrasch, 1994, 162. 179 Ebd. 180 Wird xtpy häufig als Qal Imperfekt gedeutet und somit Belial als derjenige, der öffnet bzw. loslässt gedeutet, so hat A. Steudel, Midrasch, 1994, 40, inklusive Anm. 7, m. E. wahrscheinlich gemacht, dass xtpy als Niphal zu verstehen ist und somit „Dies ist die Zeit, wenn Belial losgelassen ist“ übersetzt werden muss. Vgl. auch F. W. Röcker, Belial, 2009, 104.
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Ein personales Verständnis von Belial in MidrEschat ergibt sich daraus, dass von einem „Plan Belials“ (l[[y]l[b] tbXxm) die Rede ist, in den die ihm zugehörigen Menschen eingetreten sind (vgl. 4Q 174 3,8).181 Dieser Plan zielt offensichtlich darauf ab, die Angehörigen des dxy zum Abfall von Gott zu verführen. Hierzu bedient sich Belial neben konkreter Anfeindungen (vgl. 4Q 174 2,14 ff.) insbesondere einer falschen Auslegung der Tora, die er durch seine Anhänger, die historisch vermutlich mit den Pharisäern zu identifizieren sind, verbreiten lässt182 und durch die zur Zeit der Abfassung von MidrEschat wohl auch einige Anhänger des dxy in Versuchung geführt wurden (vgl. 4Q 174 2,7–9).183 Die Gemeinde hält jedoch die Hoffnung aufrecht, dass nach Ablauf der „letzten Tage“ den Söhnen des Lichts die „große Hand Gottes“ zu Hilfe kommen und Belial gemeinsam mit allen Männer seines Loses „vertilgt“ wird (4Q 177 9,9–16).184 In anderer Weise wird die Hoffnung auf die Überwindung Belials durch Gott an einer weiteren Stelle von MidrEschat ausgedrückt (4Q 177 10,8–10). Der entsprechende Textauszug ist für das Verständnis des Teufels im Johannesevangelium von einiger Bedeutung und wird daher im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung noch ausführlich zu besprechen sein. Bereits hier sei jedoch angemerkt, dass in ihm eine Tradition verarbeitet ist, nach der die Herrschaft des Teufels, in 4Q 177 10,8 Belial genannt, bei den Gerechten Trauer verursacht und nach der mit dem Ende dieser Teufelsherrschaft, die Umkehr der Trauer der Gerechten in Freude einhergeht. Es handelt sich um eine Tradition, die auch der vierte Evangelist kannte und in seinem Evangelium verarbeitet hat.
2.3.6 Beliar und die gottfeindlichen Tendenzen im Menschen (TestXII) Die TestXII schildern nach dem Vorbild der Abschiedsrede Jakobs in Gen 49 die letzten Worte der zwölf Stammväter Israels an ihre Nachkommen. Jeder einzelne der Jakobssöhne nimmt dabei eine Erzählung aus seinem Leben zum Anlass, seine Söhne zu einem gottgefälligen Leben zu ermahnen und ihnen schließlich Einblicke in das zukünftige Geschick des jeweiligen Stammes und ganz Israels zu gewähren. Die TestXII sind in ihrer gegenwärtigen Gestalt offensichtlich eine christliche Schrift, doch gehen sie mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein jüdisches Original zurück,185 das im zweiten oder ersten Jahrhundert v. Chr. ent 181 Vom Plan Belials ist auch 4Q 177 11,11 die Rede. 182 Vgl. A. Steudel, Midrasch, 1994, 168 f. 183 Vgl. ebd. 184 Zu Recht hat F. W. Röcker, Belial, 2009, 109 auf die terminologische Nähe dieser Passage zu 1QM hingewiesen. 185 Wenngleich M. de Jonge, Testaments, 1953, mit seiner These vom christlichen Ursprung der TestXII bei einigen Zustimmung gefunden hat (vgl. die Aufzählung der de Jonge zustimmenden Exegeten bei J. Becker, Entstehungsgeschichte, 1970, 146 f.), plädiert die Mehr-
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standen sein dürfte.186 Wenngleich eine Entstehung der TestXII in Qumran, wie bereits angemerkt wurde, wenig wahrscheinlich ist, so wird man aufgrund der Ähnlichkeit der dualistischen Vorstellungen zwischen TestXII und insbesondere der Zweigeisterlehre187 doch eine traditionsgeschichtliche Abhängigkeit dieser beiden Schriften annehmen dürfen.188 Der Dualismus der TestXII ist ohne Frage ethisch motiviert. Der Leser soll zu einem dem Willen Gottes entsprechenden Leben ermahnt werden. Die πνεύματα, die den Menschen zum Abfall von diesem Leben bewegen, können dabei an der überwiegenden Mehrzahl der Belegstellen als psychische Entitäten verstanden werden189 und jeder Mensch besitzt grundsätzlich die Freiheit, sich gegen die Einflüsterungen dieser Geister und für ein gottgefälliges Leben zu entscheiden. Denn zwischen dem Geist der Wahrheit und dem Geist der Verirrung, die in TestJud 20,1 f. als die beiden Geister benannt werden, die sich mit dem Menschen abgeben, steht „der (Geist) der Einsicht des Verstandes“ (τὸ τῆς συνέσεως τοῦ νοός), der die Wahl für den einen oder den anderen Geist trifft (vgl. auch TestLev 19,1). Trotz der Präponderanz des ethisch-psychischen, beinhaltet der Dualismus der TestXII auch eine mythisch-kosmische Dimension. Diese ergibt sich bereits aus den 29 Belegen des Terminus Beliar, der in TestXII stets ein personales metaphysisches Wesen bezeichnet. Als solches steht er Gott antipodisch gegenüber, was sich etwa zeigt, wenn TestSim 5,3 festgestellt wird, dass die Hurerei von Gott trennt und zu Beliar hinführt, wenn nach TestDan 5,1 vor Menschen, in denen der Herr wohnt, Beliar flieht, oder wenn in TestLev 9,1 und TestNaph 3,1 dem heit der Forscher nach wie vor mit guten Argumenten für eine jüdische Vorlage, die christlich überarbeitet wurde (so beispielsweise F. Schnapp, Testamente, 1884; J. Becker, Entstehungsgeschichte, 1970; J. H. Ulrichsen, Grundschrift, 1991). Auch diese jüdische Vorlage dürfte vor ihrer christlichen Überarbeitung bereits einen längeren Wachstumsprozess hinter sich gehabt haben, doch haben die literarkritischen Versuche, diesen Prozess nachzuzeichnen, zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Da mit K. W. Niebuhr, Gesetz, 1987, 81, ferner davon auszugehen ist, dass die jüdischen Überarbeitungen „die Grundstruktur und die inhaltlichen Hauptlinien der Schrift“ im Wesentlichen nicht verändert haben, scheint es methodisch am ehesten verantwortbar, bei der Untersuchung der TestXII den jüdischen Gesamtbestand der Schrift zu berücksichtigen. 186 Diese Datierung ist eine moderate Position, die den Schwierigkeiten, die Entstehung der TestXII zeitlich exakt zu bestimmen, Rechnung trägt und mit einem wahrscheinlichen literarischen Wachstum der (jüdischen) Schrift rechnet. Die Datierungsvorschläge reichen vom dritten vorchristlichen bis zum dritten nachchristlichen Jahrhundert (vgl. J. H. Ulrichsen, Grundschrift, 1991, 22. 337), wobei sich die Mehrheit der Forscher, die einen jüdischen Ursprung der TestXII annehmen, für eine Datierung in den im Text genannten Zeitraum entscheiden (vgl. die Darstellung der Datierungsdiskussion bei A. M. Denis, Introduction I, 2000, 281–285). 187 Für die Ähnlichkeit der dualistischen Vorstellungen in TestXII und 1QS 3,13–4,26 vgl. insbesondere die Gegenüberstellung der Parallelen bei P. von der Osten-Sacken, Gott, 1969, 200 ff. 188 Vgl. P. von der Osten-Sacken, Gott, 1969, 203. 189 Vgl. P.v. Gemünden, Affekte, 2009, 317.
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Gesetz bzw. dem Willen Gottes, die Werke bzw. der Wille Beliars gegenüber gestellt werden. Gilt Beliar in den TestXII somit als eine kosmische Gegenmacht, so steht er als solche in offensichtlichem Zusammenhang mit den in den Menschen wirkenden bösen Geistern: Sein Titel ἄρχων τῆς πλάνης (TestSim 2,7; TestJud 19,4) weist ihn ebenso als Herrscher der πνεύματα τῆς πλάνης (TestRub 3,2; TestSim 6,6; TestJud 14,8; 20,1; TestIss 4,4; TestSeb 9,7; TestAss 6,2) aus, wie die nähere Bestimmung der Geister als πνεύματα τοῦ Βελιάρ (TestJud 25,3; TestIss 7,7; TestJos 7,4; TestBen 3,3). Wird dann in TestSim 2,7 der Geist der Eifersucht durch den Herrscher des Irrtums in den Menschen gesandt und geht der Geist des Zorns nach TestDan 3,6 gemeinsam mit der Lüge von der Rechten Satans aus, so wird deutlich, dass P.v. Gemünden mit Blick auf die πνεύματα der TestXII zu Recht von einem „psycho-mythischen Oszillieren“ spricht, bei dem sich mythische und psychologische Rede abwechseln.190 Gottfeindliche Tendenzen im Menschen werden auf eine kosmische Macht außerhalb des Menschen zurückgeführt, wobei der Mensch – wie bereits erwähnt – die Freiheit besitzt, sich gegen die „Einflüsterungen“ dieser Macht zu entscheiden. Fragt man, wie Beliar in TestXII näher charakterisiert werden kann, so ist zunächst festzustellen, dass er auch „Satan“ (σατανᾶς),191 „Teufel“ (διάβολος),192 „Feind“ (ἐχθρός)193 oder „Herrscher der Verirrung“ (ἄρχων τῆς πλάνης)194 genannt werden kann, und dass TestXII somit neben dem Jubiläenbuch ein weiterer Beleg für die Identifikation von Satan und Beliar im frühen Judentum ist. Von daher ist es kaum verwunderlich, dass die Teufelsgestalt der TestXII Züge der Satansfigur und der Belialvorstellung des Alten Testaments in sich vereint – wenngleich letztere eindeutig dominieren. Dürfte bei den Geistern Beliars, die sich die Menschen für alle böse Trübsal erbitten (TestBen 3,3), die Vorstellung vom Satan als Prüfer der Gottestreue der Menschen im Hintergrund stehen, so zeigt sich das belialisch-chaotische Wesen Beliars an zahlreichen Stellen der TestXII: Sehr deutlich tritt es zu Tage, wenn diejenigen Menschen, die durch die Unordnung ihrer Taten das göttliche Gesetz, das hier als dem Kosmos inhärente Ordnung verstanden werden kann,195 verändern, als Täter des Willens Beliars dargestellt werden (TestNaph 3,1–5), aber auch, wenn die „Reversion der babylonischen Sprachverwirrung“196 in der Endzeit, nach TestJud 25,3 in engem Zusammenhang mit der Vernichtung Beliars steht: Wenn Beliar nicht mehr ist, wird die chaotische Vielfalt ein Ende haben und die Ordnung der göttlichen Ein 190 Ebd., 318. 191 TestDan 3,6; 5,6; 6,1; TestGad 4,7. 192 TestNaph 3,1; 8,4.6; TestAss 3,2. 193 TestDan 6,2.3.4. 194 TestSim 2,7; TestJud 19,4. 195 M. Limbeck, Ordnung, 1971, 88. 196 J. Becker, Testamente, 1974, 77, Anm. 3b.
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deutigkeit sich durchsetzen. Herrscht Beliar schließlich über diejenigen Menschen, deren Seele durch Zorn und Lüge fortwährend in Verwirrung gebracht wird (ταρασσομένης δὲ τῆς ψυχῆς συνεχῶς, ἀϕίσταται κύριος ἀπ’ αὐτῆς καὶ κυριεύει αὐτῆς ὁ βελίαρ; TestDan 4,7), so zeigt er sich als Herrscher über Menschen, in die das Chaos eingezogen ist. Über den Ursprung Beliars verraten die TestXII nichts. Er ist einfach da und an keiner Stelle wird er als eine von Gott geschaffene Kreatur dargestellt. Aufgrund der bereits erwähnten Aussage in TestBen 3,3, nach der sich die Geister Beliars die Menschen für alle böse Trübsal erbitten, liegt es nahe, dass Beliar bei seinem Wirken auf göttliche Duldung angewiesen ist. Aber nicht nur auf diese Weise, sondern auch eschatologisch wird die Macht Beliars in TestXII relativiert. Denn die Schrift weiß darum, dass Beliar einst beseitigt werden wird. Gott selbst wird dann einen Krieg gegen Beliar führen und ihm seine Gefangenen abnehmen, die ungehorsamen Herzen zum Herrn hinwenden (TestDan 5,10 f.). Dann wird der Herr inmitten Israels sein und als König über sie herrschen (TestDan 5,13). Einen Geist der Verführung Beliars wird es dann nicht mehr geben (TestJud 25,3), denn er wird im Rahmen des endzeitlichen Krieges, von Gott und seinen Mächten, die in der Gegenwart im zweiten Himmel auf den Tag des Gerichts warten, um „Vergeltung zu üben an den Geistern des Irrtums und an Beliar“ (TestLev 3,3), für immer ins Feuer geworfen werden. Als erste Folge dieser endzeitlichen Vernichtung Beliars wird in TestJud 25,4 angegeben, dass die jenigen die in Trauer starben, in Freude auferstehen werden und es wird unten zu zeigen sein, dass auch hier die im vorangehenden Kapitel bereits erwähnte Tradition verarbeitet wurde, die dann auch im Johannesevangelium begegnet und nach der mit dem Ende der Teufelsherrschaft bei den Gerechten ein emotionaler Wandel von Trauer zu Freude einhergeht. Der Durchgang durch die Qumrantexte hat gezeigt, dass Belial bzw. der Engel der Finsternis hier nicht, wie Kelly meint, einzig als „abstraction“ oder „personification“ zu verstehen ist, sondern zumeist als personale kosmische Macht. Dass diese nicht im Sinne des alttestamentlichen Satans als Funktionär Gottes verstanden werden kann, ist evident. Denn die alttestamentliche Satansfigur hat den qumranischen Belial nur indirekt über den Mastema des Jubiläenbuches beeinflusst. Seine eigentlichen Wurzeln hat die qumranische Negativmacht aber in der alttestamentlichen Belialvorstellung. Dies zeigt sich nicht nur daran, dass Belial ihr häufigster Name ist, sondern auch daran, dass sie, wie an zahlreichen Stellen deutlich wurde, in engster Verbindung mit den Chaosmächten steht. Agiert der qumranische Belial als Widersacher Gottes, wenn er ihm etwa im eschatologischen Kampf als Kriegsgegner gegenübertritt, so ist seine Macht gegenüber der Gottes doch stets begrenzt.197 Häufig agiert Belial mit göttlicher Duldung oder 197 Dies gilt nicht nur für die besprochenen Texte, sondern für die Qumranschriften insgesamt (vgl. A. Steudel, Teufel, 2007, 195).
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wird als göttliches Instrument dargestellt, so dass für das Verhältnis Belials zu Gott in den besprochenen Qumrantexten eine ähnliche Spannung zu konstatieren ist, wie sie bereits für das Jubiläenbuch festgestellt wurde. Wie im Jubiläenbuch wird Satan auch in den TestXII mit Belial identifiziert, so dass deutlich ist, dass die Teufelsfigur dieser Schrift nicht einzig als göttlicher Funktionär im Sinne des alttestamentlichen Satans zu verstehen ist. Der Gedanke, dass die Beliarsmacht auf göttliche Duldung angewiesen ist, begegnet in TestXII nur an einer Stelle, mehrmals aber wird Beliar Gott antipodisch gegenübergestellt. Ist er somit als kosmische Gegenmacht zu verstehen, so wird seine Macht eschatologisch relativiert: Er wird im Eschaton von Gott in einem Krieg vernichtet werden.
2.4 Der Neid des Teufels als Ursache des Todes (SapSal 2,23 f.) Von einer zunehmenden Wahrnehmung des Teufels als Gegengott im frühen Judentum zeugt auch das Buch der Weisheit Salomos (SapSal), das zumeist in die Zeit zwischen 30 v. und 41 n. Chr. datiert wird.198 Im Anschluss an die Darstellung der Gedanken der Gottlosen über den Gerechten heißt es hier (SapSal 2,23 f.): 23 ὅτι ὁ θεὸς ἔκτισεν τὸν ἄνθρωπον ἐπ’ ἀϕθαρσίᾳ καὶ εἰκόνα τῆς ἰδίας ἀϊδιότητος199 ἐποίησεν αὐτόν 24 ϕθόνῳ δὲ διαβόλου θάνατος εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον πειράζουσιν δὲ αὐτὸν οἱ τῆς ἐκείνου μερίδος ὄντες
Es finden sich an dieser Stelle drei neue Motive, die für die weitere Entwicklung der Teufelsvorstellung von großer Bedeutung sind und viel über das Teufelsbild des frühen Judentums zur Zeitenwende verraten. Zunächst ist in SapSal 2,24 erstmals das Motiv vom Neid des Teufels belegt, das ein deutliches Indiz dafür ist, dass die Vorstellung vom Satan als Organ der göttlichen Rechtspflege kein Allgemeingut der frühjüdischen Geisteswelt mehr war. Sein Vorgehen gegen die Menschen wurde nicht mehr auf sein Amt zurückgeführt, sondern nun radikal negativ durch seinen Neid begründet. Dieser Neid des Teufels richtet sich, wie Vers 23 nahelegt, auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen, die als Anteilhabe an Gottes Unvergänglichkeit und Ewigkeit interpretiert wird. Daraus folgt zunächst, dass dem Teufel selbst weder Unvergänglichkeit noch Ewigkeit aneignen. Ob er beide Eigenschaften verloren hat, oder sie schlicht nie besaß, muss jedoch offenbleiben. SapSal 2,24 ist sodann der erste Beleg für die Vorstellung vom Teufel als Ur sache des Todes, durch die offensichtlich wird, dass Satan im frühen Judentum 198 Vgl. H. Engel, Weisheit, 1998, 33 f.; S. Schroer, Buch, 2004, 403. 199 Zur Bevorzugung der Lesart ἀϊδιότητος vor ἰδιότητος vgl. D. Georgi, Weisheit Salomos, 1980, 409, Anm. 23b.
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keinesfalls nur als Widersacher der Menschen, sondern auch als Widersacher Gottes angesehen wurde.200 Hat Gott den Tod nicht gemacht (1,13), sondern den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen (2,23), so durchkreuzt der Teufel diese göttliche Intention und pervertiert dadurch grundlegend dessen „zum Sein“, zum Leben hervorgebrachte Schöpfung.201 Der Teufel erscheint hier durchaus als Gegengott, indem er als Gott des Todes dem Gott des Lebens dualistisch gegenübergestellt wird.202 Schließlich ist SapSal 2,24 der älteste Beleg für die Integration des Teufels in die Paradiesgeschichte, denn, mit der überwiegenden Mehrheit der Exegeten,203 ist Gen 3 als Referenztext der Stelle anzunehmen. Wenn Kelly diese Sicht negiert, indem er διάβολος als Appellativ versteht, mit „adversary“ übersetzt und schließlich vermutet, SapSal 2,24 spiele auf Kain an, der durch den Mord an Abel den Tod in die Welt brachte,204 so sprechen zwei gewichtige Argumente gegen ihn: Zunächst ist in SapSal 2,24 ganz offensichtlich nicht vom physischen, sondern vom eschatologischen Tod die Rede.205 Lässt sich nun ohne Probleme nachvollziehen, dass eine Exegese, die den Widerspruch zwischen der Todesdrohung Gen 2,17 und den tatsächlichen Folgen der Sünde Adams und Evas aufzuheben versucht, Gen 3 als Ätiologie des eschatologischen Todes verstand, so ist ein entsprechendes Verständnis von Gen 4, wo ja vom physischen Tod Abels die Rede ist, bedeutend schwerer nachzuvollziehen. Für Gen 3 als Referenztext von SapSal 2,24 spricht sodann, dass die Vorstellung, der Tod sei durch die Sünde Evas in die Welt gekommen, dem Judentum Alexandrias, wie Sir 25,24 belegt, bereits seit ge raumer Zeit bekannt war, wogegen der Brudermord Kains bis dato nicht als Ursache des Todesverhängnisses gedeutet wurde. Die Einfügung des Satans in die Paradiesgeschichte, die der Verfasser der SapSal kaum selbst hervorgebracht hat (s. u.), erfüllt in SapSal die Funktion, den Einbruch des Bösen in die Welt zu erklären206 und es als von Gott nicht gewollt 200 Vgl. J. B. Russel, Devil, 1988, 200; N. Forsyth, Enemy, 1987, 223; H. Hübner, Weisheit, 1999, 47 f. 201 Vgl. SapSal 1,14: ἔκτισεν γὰρ εἰς τὸ εἶναι τὰ πάντα καὶ σωτήριοι αἱ γενέσεις τοῦ κόσμου καὶ οὐκ ἔστιν ἐν αὐταῖς ϕάρμακον ὀλέθρου οὔτε ᾄδου βασίλειον ἐπὶ γῆς. 202 Vgl. H. Hübner, Weisheit, 1999, 47. 203 Dass der Teufel in SapSal 2,24 mit der Schlange identifiziert wird und Gen 3 somit Referenztext der Stelle ist, wird von den meisten Auslegern angenommen (vgl. beispielsweise W. Bousset, Religion, 41966, 336; H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 260; N. Forsyth, Enemy, 1987, 223; H. Engel, Weisheit, 1998, 77; H. Hübner, Weisheit, 1999, 48, Anm. 58; M. V. Blischke, Eschatologie, 2007, 100, inklusive Anm. 254 der genannten Literatur). 204 Vgl. H. A. Kelly, Satan, 2006, 70–78. Kelly ist keineswegs der erste Ausleger, der SapSal 2,24 auf Gen 4,1–6 bezieht. Nach H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 260, Anm. 55 geht diese Auslegung zurück auf H. Bois. Kelly selbst verweist nur auf 1Clem 3,3–4,7 als Vorläufer seiner Auslegung. 205 Zur Begründung vgl. H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 258 ff. 206 Vgl. G. Theißen, Erleben, 2007, 288.
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darzustellen.207 Wie im Jubiläenbuch erfolgt die satanische Relektüre eines alttestamentlichen Textes also auch in SapSal mit dem Ziel einer Entlastung Gottes vom Bösen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die dargestellten Veränderungen der Teufelsvorstellung auf den Autor der SapSal zurückzuführen sind. Vielmehr lassen sich einige Argumente dafür anführen, dass in SapSal 2,24 bereits bekannte Teufelstraditionen verarbeitet wurden.208 Zum einen handelt es sich um den einzigen Beleg des Teufels in den weisheitlichen Schriften Israels.209 Der Teufel war folglich kein Gegenstand weisheitlicher Reflexion, und es ist somit wenig plausibel, die dargestellten Neuerungen der Teufelsvorstellung auf einen Vertreter dieser Strömung zurückzuführen. Zum anderen ist das Motiv vom Neid des Teufels und seine Integration in die Paradiesgeschichte in späteren pseudepigraphen Schriften reich bezeugt,210 obgleich eine Rezeption der SapSal, die im Judentum nicht nachwirkte und bedeutungslos blieb,211 in diesen Werken nicht anzunehmen ist. Es ist denkbar, wenn auch nicht mit letzter Sicherheit nachweisbar, dass die SapSal 2,24 verwendete Teufelstradition ihren Ursprung in einem Fragment des Noahbuches hat,212 das in den Bilderreden des Äthiopischen Henochs überliefert ist (ÄthHen 65,1–69,25). Einer der Obersten der Wächterengel, die sich an den Töchtern der Menschen vergingen, trägt hier den Namen Gadre ’ el. Von ihm wird berichtet (ÄthHen 69,6 f.):213 Dieser zeigte den Menschenkindern alle tödlichen Schläge. Und er hat die Eva verführt, und er hat den Menschenkindern die Todes(=Tötungs)Werkzeuge gezeigt: Schild, Brustpanzer und Kampfschwert und alle Todeswerkzeuge für die Menschenkinder. 7 Und aus seiner Hand sind sie ausgegangen (= haben sie sich ausgebreitet) über die, die auf dem Festland wohnen – von jenem Tage an, bis in die Ewigkeit der Ewigkeit.
207 Vgl. W. Werner, Gerechtigkeit, 1991, 54. 208 So auch H. Engel, Weisheit, 1998, 77; M. V. Blischke, Eschatologie, 2007, 101 f. 209 Vgl. G. Theißen, Monotheismus, 2011, 51. 210 Beide Motive finden sich in Vita Adae et Evae (VitAd 12–17) und in der griechischen Baruchapokalypse (ApkBar(gr) 4,8; 9,7). Im Slavischen Henoch und in der Apokalypse Mosis wird der Teufel explizit für die Verführung Evas verantwortlich gemacht (SlHen 32,6; ApkMos 7 f.; 15–20). Sein Neid wird in beiden Schriften nicht explizit erwähnt, doch klingt er in SlHen 31,3.6 und ApkMos 16,3 deutlich an. In der Apokalypse Abrahams schließlich findet sich nur die Identifikation des Teufels mit der Schlange (ApkAbr 23,5). Es ist hier auch auf Josephus zu verweisen, der in AntJud 1,41 das Vorgehen der Paradiesschlange, die er wesentlich finsterer zeichnet als Gen 3, gegen die Menschen auf deren Neid zurückführt. Es ist durchaus möglich, dass Josephus hier eine SapSal 2,24 ähnliche Tradition überarbeitet, indem er den Neid des Teufels, der in seinen Schriften an keiner Stelle eine Rolle spielt, der Schlange zuschreibt. 211 S. Schroer, Buch, 2004, 403. 212 Zu den Noahfragmenten in ÄthHen vgl. W. Bousset, Religion, 41966, 13; M. Hengel, Judentum, 1973, 321, Anm. 444; A. M. Denis, Introduction I, 2000, 94–96. 213 Übersetzung und geklammerte Erläuterungen: S. Uhlig, Henochbuch, 1984, 626.
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Der Text ist schwer zu datieren, doch könnte er – eine Entstehung im ausgehenden zweiten Jahrhundert v. Chr. oder früher vorausgesetzt214 – Ursprung einer Teufelstradition sein, die in bereits weiterentwickelter Form von SapSal aufgegriffen wurde. Gadre ’ el wird nicht nur für die Verführung Evas verantwortlich gemacht, er gilt auch als Ursache zumindest des gewaltsamen Todes, da er den Menschen die Todeswerkzeuge brachte und ihnen „alle tödlichen Schläge“ zeigte. Schließlich ist der Gedanke, dass der Mensch zur Unsterblichkeit geschaffen sei und der Tod erst als Folge der Engelsünde in die Welt kam, im unmittelbaren Kontext zu finden, wenn in Vers 11 festgestellt wird: Denn die Menschen sind nicht anders geschaffen als die Engel, daß sie rein und gerecht bleiben, und der Tod, der alles vernichtet, hätte sie nicht betroffen, aber durch diese ihre Kenntnis gehen sie zugrunde, und durch diese Macht verzehrt er mich.
Bleiben diese traditionsgeschichtlichen Ableitungsversuche spekulativ, so ist doch deutlich, dass der Teufel in SapSal nicht als Funktionär Gottes zu verstehen ist. Er geht nicht von Amts wegen gegen die Menschen vor, sondern weil er sie um ihre Gottebenbildlichkeit beneidet. Kommt durch den Teufel der Tod in die Welt, so ist der Teufel als Widersacher Gottes zu verstehen: Er ist der Gott des Todes, der die auf Leben ausgerichtete Schöpfung des Gottes des Lebens per vertiert. Als Gott des Todes hat der διάβολος der Sapientia Salomonis mit dem alttestamentlichen Satan wenig gemein, vielmehr hat er sich deutlich dem alttestamentlichen Belial angenährt.
2.5 Der Teufel und seine Hybris – wann entstand der Luzifermythos? In einigen pseudepigraphen Schriften findet sich noch eine weitere Entwicklung, die für die christliche Teufelsvorstellung in gleicher Weise prägend wurde wie die Integration des Teufels in die Paradiesgeschichte. Auch sie basiert auf einer E isegese des Teufels in einen Text des Alten Testaments, der ursprünglich in keiner Weise von diesem redete. Bei Jesaja 14,12–15 handelt es sich um ein prophetisches Unheilswort, das gegen einen babylonischen König gerichtet war.215 Dieses wird in der LXX wie folgt wiedergegeben:
214 Diese Datierung ist eine Mittelposition. Plädieren einige Forscher für eine Entstehung der Noahfragmente im ausgehenden vierten oder in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts v. Chr., so werden sie von anderen in die Zeit zwischen 79–100 n. Chr. datiert. Vgl. A. M. Denis, Introduction I, 2000, 95 f. 215 Vgl. G. Theißen, Monotheismus, 2011, 45.
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12 πῶς ἐξέπεσεν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ὁ ἑωσϕόρος ὁ πρωὶ ἀνατέλλων συνετρίβη εἰς τὴν γῆν ὁ ἀποστέλλων πρὸς πάντα τὰ ἔθνη 13 σὺ δὲ εἶπας ἐν τῇ διανοίᾳ σου εἰς τὸν οὐρανὸν ἀναβήσομαι ἐπάνω τῶν ἄστρων τοῦ οὐρανοῦ θήσω τὸν θρόνον μου κἇθιῶ ἐν ὄρει ὑψηλῷ ἐπὶ τὰ ὄρη τὰ ὑψηλὰ τὰ πρὸς βορρᾶν 14 ἀναβήσομαι ἐπάνω τῶν νεϕελῶν ἔσομαι ὅμοιος τῷ ὑψίστῳ 15 νῦν δὲ εἰς ᾄδου καταβήσῃ καὶ εἰς τὰ θεμέλια τῆς γῆς
Diese Verse wurden später als Bericht über die urzeitliche Auflehnung Satans und seinen darauf folgenden Fall gelesen. Auf diese Weise erhielt der Teufel schließlich einen neuen Namen. Denn der ἑωσϕόρος der LXX, beziehungsweise der rx;v'-!B, ll;yh; des hebräischen Textes, wurde im lateinischen mit lucifer übersetzt. Für Kellys These einer erst in nachneutestamentlicher Zeit aufkommenden Teufelsvorstellung ist die Frage nach dem ersten Beleg dieses Luzifermythos’ von entscheidender Bedeutung. Denn erst durch die Vorstellung von einem präkosmischen Fall des Satans, der als Konsequenz seiner hybriden Auflehnung gegen Gott verstanden wird, werde er zum Prinzip des Bösen, und das Christentum in eine zoroastrisch-dualistische Religion verwandelt.216 Nach Kelly ist es Origenes, der den Luzifermythos in „De Principiis“ 1,5,5 erstmals in dieser Weise versteht.217 Zwar hätten auch Tertullian (Marc 5,17) und möglicherweise bereits Justin (Fragment 5, MPG 6,1592 f.) Jes 14,12–15 als Aussage über den Teufel gedeutet, doch berichte der Text für beide weder von dessen präkosmischer Sünde, noch von seinem präkosmischen Fall. Vielmehr verstehe Justin die Verse als Aussage über die endgültige Vernichtung des Teufels durch Christus, und nach Tertullian spreche der Teufel die hochmütigen Worte aus Jes 14,13 f. erst nach seinem bereits erfolgten Fall.218 Kellys dargestellte Sicht auf die Entstehung der Teufelsvorstellung basiert ganz wesentlich auf der Spätdatierung zweier Texte, in denen der Luzifermythos ebenfalls zu finden ist. Dabei handelt es sich zum einen um die lateinische Version des Lebens Adams und Evas (VitaAd), zum anderen um einen Auszug des slavischen Henochbuchs.
2.5.1 Satanssturz und Teufelsbild in der Vita Adae und der Apokalypse des Mose In VitaAd klärt der Teufel Adam über die Gründe für seine Bosheit gegen die Menschen auf. Sein Neid und seine Feindschaft richten sich gegen Adam, weil er seinetwegen vertrieben und seiner Herrlichkeit beraubt wurde. Als nämlich Gott den Menschen geschaffen hatte, forderte der Erzengel Michael alle Engel dazu 216 Vgl. H. A. Kelly, Satan, 2006, 198. 217 Vgl. ebd. 194–199; Ders., Art. Teufel, 2002, 125. Für eine späte Entstehung des Luzifermythos im 2. Jahrhundert n. Chr. plädieren auch J. Dochhorn, Sturz, 2012,43; S. Vollenweider, Luzifer, 217. 218 Vgl. H. A. Kelly, Satan, 2006, 176–179; Ders., Art. Teufel, 2002, 125.
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auf, das Ebenbild Gottes anzubeten. Von den anschließenden Ereignissen berichtet der Teufel wie folgt (VitAd 14,3–16,4):219 2 Et ait Michahel: adora imaginem dei. si autem non adoraveris, irascetur tibi dominus deus. 3 Et ego dixi: si irascitur mihi, ponam sedem meam super sidera caeli et ero similis altissimo. 16, 1 Et iratus est mihi dominus deus et misit me cum angelis meis foras de gloria nostra, et per tuam causam in hunc mundum expulsi sumus de habitationibus nostris et proiecti sumus in terram. 2 Et statim facti sumus in dolore, quoniam expoliati sumus tanta gloria, 3 et te in tanta laetitia delitiarum videre dolebamus. 4 Et dolo circumveniebam mulierem tuam et feci te expelli per eam de delitiis laetitiae tuae, sicut ego expulsus sum de Gloria mea. 2 Und Michael sprach: Bete das Ebenbild Gottes an. Wenn du aber nicht anbetest, wird Gott der Herr dir zürnen. 3 Und ich sprach: Wenn er mir zürnt, werde ich meinen Sitz über die Gestirne des Himmels setzen und dem Höchsten ähnlich sein. 16, 1 Und Gott der Herr wurde zornig auf mich und schickte mich mit meinen Engeln weg von unserer Herrlichkeit, und deinetwegen sind wir in diese Welt hinaus vertrieben worden von unseren Wohnungen und sind auf die Erde geworfen worden, 2 und sogleich wurden wir von Schmerz erfüllt, weil wir solch großer Herrlichkeit beraubt wurden, 3 und wir litten Schmerz über solch große Freude und Wonne, dich in solche großer Freude und Wonne zu sehen. 4 Und ich umgarnte listig deine Frau und bewirkte, dass du durch sie aus deinen Freuden und Wonnen vertrieben wurdest, wie auch ich vertrieben wurde von meiner Herrlichkeit
2.5.1.1 Der Teufel und die Textkritik Bei V. 15,3 handelt es sich offenkundig um die verkürzte Wiedergabe von Jes 14,13 f., in der durch die LXX bezeugten Form.220 Doch die Datierung und das Entstehungsmilieu der VitaAd sind umstritten. Kelly plädiert für eine Entstehung im vierten Jahrhundert n. Chr., wobei er sich der These De Jonges anschließt, der die Apokalypse des Mose (ApkMos), die er als ursprünglichste Version des Lebens Adams und Evas versteht, einem christlichen Verfasser zuschreibt und in die Zeit zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert n. Chr. datiert.221 Obgleich christlicher Ursprung und Spätdatierung der ApkMos wenig plausibel erscheinen – Knittel222 und Dochhorn223 haben die These De Jonges mit guten Argumenten abgewiesen – kann VitaAd nicht als vorneutestamentlicher Beleg des Luzifermythos gewertet werden. Denn es ist wenig wahrscheinlich, dass die Verse 219 Text nach G. A. Anderson, Synopsis, 21999, 17 f. 220 Dass der Verfasser sich der LXX bediente, ist offensichtlichtlich, denn abweichend vom masoretischen Text, nach dem der Thron über die Sterne Gottes erhoben werden soll (lae-ybek.Akl. l[;M;mi), spricht auch die LXX von den Sternen des Himmels. 221 Vgl. M. De Jonge, Origin, 2000, 347–363. 222 Vgl. Th. Knittel, Leben, 2002, 62 f. 223 Vgl. J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 11 f.
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15,2 f. zum ursprünglichen Text der VitaAd zu rechnen sind. Sie finden sich weder in der armenischen noch in der georgischen Überlieferung,224 und auch zwei verwandte lateinische Handschriften, die in den Jahren 1998/99 erstmals ediert wurden225 und für die Rekonstruktion des Textes von besonderer Bedeutung sind,226 lassen eben diese Verse aus. Sieht Dochhorn den Luzifermythos deshalb auch in der lateinischen Überlieferung als sekundär an,227 so ist ihm darin zuzustimmen, denn auch die Beobachtung, dass sich der Luzifermythos in den meisten Schriften, die in der Nachfolge der VitaAd stehen, nicht findet,228 deutet in diese Richtung. Kann VitaAd somit nicht als vorneutestamentlicher Beleg des Luzifermythos angesehen werden, so ist das Teufelsbild dieser Schrift dennoch von Interesse für das Thema vorliegender Arbeit. Denn die Entstehung der VitaAd in vorneutestamentlicher Zeit ist zumindest nicht auszuschließen.229 Gleiches gilt selbstverständlich auch für die bereits erwähnte ApkMos, die vermutlich etwas früher als VitaAd zu datieren ist.230 Im Folgenden soll die Teufelsvorstellung beider Schriften kurz dargestellt werden, zum einen weil beide Schriften den Teufel als Widersacher Gottes schildern, auch wenn sie nichts vom Luzifermythos wissen, zum anderen, weil sich in ApkMos 39 eine Teufelstradition findet, die für das Verständnis des Teufels im Johannesevangelium von entscheidender Be deutung ist und an späterer Stelle vorliegender Arbeit noch ausführlich zu besprechen sein wird. 224 Wie die Mehrheit der Fachleute betont, ist der lateinische Text nicht von vornherein den anderen Versionen vorzuziehen (vgl. beispielsweise Th. Knittel, Leben, 2002, 45; M. De Jonge, Life, 1997, 30). Insbesondere der Textwert der georgischen Version wird häufig betont (vgl. beispielsweise J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 40 f.; O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 749). 225 Die Handschriften finden sich in J. P. Petorelli, Vie latine, 1999, 5–52. 226 Vgl. J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 45 f. 227 Vgl. ebd. 46. 228 Vgl. C. Böttrich, Henochbuch, 1996, 910 f., Anm. 4d. Als Beispiele der großen Wirkungsgeschichte der Teufelsfallgeschichte nach VitAd seien hier nur ApkSedr 5,2 f.; QuBarth 4,52–57; CavThes 3,1–7; Koran 2,30–39; 7,11–24 u. ö. genannt. Eine ausführliche Liste der Belegstellen findet sich bei J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 52, Anm. 39. 229 VitAd, bzw. die angenommene Urschrift des Lebens Adams und Evas, wurde früher zumeist in die Zeit des herodianischen Tempels datiert, da VitAd 29,4–7 als Anspielung auf diesen verstanden wurde (vgl. O. Eissfeldt, Einleitung, 31964, 864; W. Bousset, Religion, 41966, 23 inklusive Anm. 3; sowie die bei O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 765, Anm. 139 darüber hinaus genannte Literatur). Der Ausschnitt fehlt jedoch in den ältesten Handschriften und dürfte daher als sekundärer Einschub zu bewerten sein (vgl. O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 765/809, Anm. 29,3a). Am wahrscheinlichsten dürfte dennoch eine Entstehung der Vita Adae im späten ersten oder im zweiten Jahrhundert n. Chr. sein (vgl. O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 769; A. M. Denis, Introduction I, 2000, 28, der jedoch auch eine spätere Datierung nicht ausschließt; J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 48–54/93/172). 230 Vgl. O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 769; Th. Knittel, Leben, 2002, 45 f.; J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 48–54/93/172.
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2.5.1.2 Urzeitlicher Fall und auftragsloses Handeln des Teufels Zunächst ist festzuhalten, dass VitaAd von einem urzeitlichen Fall des Teufels berichtet, wenn dieser auch nicht als Folge seines Versuches dargestellt wird, Gott gleich zu sein. Der Teufel agiert auf Erden somit in keiner Weise im Auftrag Gottes, sondern als aus der Herrlichkeit auf die Erde vertriebenes Geschöpf (16,2). Sein Sturz basiert auf der Weigerung, den Menschen, das Ebenbild Gottes, anzubeten. Wie in SapSal 2,23 f. ist es somit die Gottebenbildlichkeit des Menschen, an der Satan Anstoß nimmt. Anders als dort ist diese jedoch in VitAd nicht als Partizipation an der göttlichen Unsterblichkeit, sondern als hervorgehobene Machtstellung innerhalb des göttlichen Schöpfungswerkes ver standen. Gegen diese Machtstellung des Menschen rebelliert der Teufel mit dem Argument seiner früheren Entstehung und stellt fest, dass der Mensch ihn an beten müsse. Aufgrund dieses Befundes plädiert Dochhorn in jüngster Zeit dafür, Satan als Rivalen Adams um ein und dieselbe Machtposition und daher als dessen Widersacher zu verstehen. Von einer Rebellion Satans gegen Gott oder gar einem Gott-Teufel Dualismus könne in VitAd hingegen keine Rede sein.231 Dabei verkennt Dochhorn jedoch, dass der Mensch in seine Herrschaftsstellung von Gott eingesetzt wurde, und jede Auflehnung gegen diese zugleich eine Rebellion gegen die von Gott gesetzte Herrschaftsordnung und seine souveräne Weltregierung ist. Teufel und Mensch befinden sich nach VitAd nicht in einem noch unentschiedenen Machtkampf um die Herrschaft in der Welt, bei dem der Bessere gewinnen möge. Vielmehr hat Gott die Herrschaftsverhältnisse bereits abschließend geklärt, und der Teufel muss daher zunächst einmal gegen diesen Akt Gottes rebellieren, um überhaupt zum Rivalen Adams um die Herrschaft werden zu können. Diese Rebellion hat ihre Ursache im selbstherrlichen Stolz des Teufels, demzufolge seine Herrschaftsansprüche als früher Erschaffener auch Gott berücksichtigen muss und ihn nicht zur Anbetung Adams zwingen darf (14,3). Wegen seiner Rebellion gegen Gott wird der Teufel auf die Erde gestürzt und erst nach diesem Sturz und aufgrund desselben wird er nach VitAd zum Feind und Neider des Menschen (12,1). Doch auch auf Erden agiert der Teufel nach wie vor als Widersacher Gottes, wie gerade ein von Dochhorn angeführter Beleg, VitAd 44 (16), zeigt. Der Teufel überredet die Schlange an dieser Stelle, die in der armenischen und georgischen Fassung ebenso wie in den beiden bereits erwähnten lateinischen Handschriften überliefert ist,232 ihm bei der Verführung Adams und Evas zu helfen, 231 Vgl. J. Dochhorn, Motif, 2007, 489 f. 232 Exemplarisch sei hier der lateinische Text VitAd 44 (16) nach J. P. Pettorelli, Vie, 1998, 21 wiedergegeben: „Ibi ergo malignus in patris uestri parte serpenti locutus est dicens: Exurge et ueni usque ad me, et dicam tibi sermonem in quo lucra habebis. Venit itaque serpens et ait illi inter omnes bestias: Veni ut cognoscam spientiam tuam, et qualis est sapientia tua. Adam tibi porrigit
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indem er sie davon überzeugt, dass sie als Ältere den jüngeren Adam nicht anbeten müsse. Zweifelt er dadurch nicht nur das „dominium angelorum“, sondern auch das „dominium bestiarum“ des Menschen an,233 so stellt er die gottgegebene Ordnung der Welt noch grundsätzlicher in Frage und versucht andere Geschöpfe mit dem Gift seines Stolzes zu infizieren, um sie als Verbündete beim Umsturz dieser Ordnung zu gewinnen. Auch hier erweist sich das Vorgehen des Teufels gegen den Menschen letztlich als Opposition gegen Gott und seine Herrschaftsordnung. In ApkMos wird ein urzeitlicher Sturz des Teufels nicht narrativ entfaltet. Doch zeigen die vom Teufel gesprochenen Worte ἀνάστα καὶ δεῦρο, καί ποιήσωμεν αὐτὸν ἐκβληθῆναι ἐκ τοῦ παραδείσου, ὡς καὶ ἡμεῖς ἐξεβλήθημεν δι᾽ αὐτοῦ (16,3), mit denen er die Schlange zur Verführung Evas auffordert, dass der Verfasser eine Tradition vom urzeitlichen Sturz des Teufels kannte und bei seiner Darstellung voraussetzte. Der Teufel verführt den Menschen somit auch in dieser Schrift nicht im göttlichen Auftrag, sondern geht aus eigenem Antrieb gegen ihn vor. Negiert Dochhorn auch für ApkMos einen Gott-Teufel Dualismus und sieht den Teufel wieder einzig als Feind des Menschen agieren,234 so ist dagegen anzuführen, dass der Teufel in ApkMos nicht nur von den Menschen, sondern auch von Gott explizit als ὁ ἐχθρός bezeichnet235 und dadurch auch als dessen Widersacher ausgewiesen wird. In die gleiche Richtung weist auch der Bericht Evas über die Verführung durch den Teufel. Mehrfach wird hier das Bewachen (ϕυλάττειν 15,2 f.; 17,3) des Paradieses als ursprüngliche Aufgabe Adams und Evas genannt, zu der sie von Gott eingesetzt wurden (ὁ θεὸς ἔθετο ἡμᾶς, ὥστε ϕυλάττειν καὶ ἐσθίειν ἐξ αὐτοῦ [sc. παραδείσου] 17,3). Kann der äußere Feind, vor dem das Paradies bewacht werden soll – wie der Kontext zeigt – kein anderer als der Teufel sein, so richtet sich dessen Feindschaft nur vordergründig gegen den Menschen. Dieser ist nur der Wächter, der überwunden werden muss. Das eigentliche Ziel der teuflischen Feindschaft ist das Paradies, die gute Schöpfung Gottes. Die ApkMos kennt somit durchaus einen Gott-Teufel Dualismus, insofern sich Gott als derjenige, der seine gute Schöpfung bewahren will und der Teufel, der darauf aus ist, diese Schöpfung zu verderben, feindlich gegenüber escas sicut omnibus bestiis, et ueniunt et adorant eum. Tu autem cum eis adoras Adam qui prior illo fuisti. Quare ergo maior [p. 189] minorem adorat ? Vel quare manducas de manibus eius ?Audi inquam consilium meum, eosque faciemus expelli de paradise, et nos magis possideamus eam. Cui serpens: Qumodo possum expellere eos. Tunc diabolus: Esto mihi habitaculum et per os tuum loquar que necessaria fuerint loqui.“ 233 Vgl. J. Dochhorn, Motif, 2007, 489. 234 Vgl. J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 291. 235 Der Teufel wird in ApkMos fünfmal als ὁ ἐχθρός bezeichnet (2,4; 7,2; 15,1; 25,4; 28,4). Die beiden letzten Belege finden sich in einer Gottesrede. Auch in anderen pseudepigraphen Schriften ist ὁ ἐχθρός als Bezeichnung des Teufels belegt (vgl. TestHi 47,10; TestDan 6,3 f.; ApkBar(gr) 13,2).
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stehen. Dabei ist bemerkenswert, dass der Teufel in dieser „Schlacht“ den Sieg davon trägt: Er erreicht sein Ziel, was freilich nicht als Sieg des Teufels über Gott, sondern nur als Sieg über den von diesem eingesetzten Wächter gedeutet wird. 2.5.1.3 Der Teufel und der böse Trieb Als mittelbare Folgen dieses teuflischen Sieges werden in ApkMos Krankheit und Tod benannt, denn beides wird nicht unmittelbar auf das Wirken des Teufels zurückgeführt, sondern als göttliche Strafe für den Ungehorsam des Menschen gedeutet (7 f.). Unmittelbar auf den Teufel selbst wird hingegen die Existenz der Begierde im Menschen zurückgeführt. So heißt es im Zuge der Verführung Evas durch die Schlange (ApkMos 19,3):236 ὅτε δὲ ἔλαβεν ἀπ’ ἐμοῦ τὸν ὅρκον, τότε ἦλθε καὶ ἔθετο ἐπὶ τὸν καρπόν, ὃν ἔδωκέ μοι ϕαγεῖν, τὸν ἰὸν τῆς κακίας αὐτοῦ, τοῦτ’ ἐστὶ τῆς ἐπιθυμίας, ἐπιθυμία γάρ ἐστι πάσης ἁμαρτίας, καὶ κλίνας τὸν κλάδον ἐπὶ τῆν γῆν ἔλαβον ἀπὸ τοῦ καρποῦ καὶ ἔϕαγον.
Die Stelle ist am plausibelsten als Ätiologie des menschlichen Willen zum Bösen – des bösen Triebes237 – zu verstehen. Die Existenz desselben im Herzen der Menschen wird auf den Teufel zurückgeführt. Dieser verändert die Gott gegebene Konstitution des Menschen, indem er ihn mit demjenigen infiziert, was auch ihn selbst wesentlich ausmacht, mit dem Gift seiner Schlechtigkeit, der „Begierde nach jeglicher Sünde.“238 In Eva hat der Feind auf diese Weise eine Feindschaft gesetzt, die sie immer wieder dazu führt, sich von Gott abzuwenden (25,3 f.), und in Adam herrscht ein durch den Feind bewirkter Krieg, bei dem es seine Aufgabe ist, sich vor allem Schlechten zu behüten (ϕυλάττειν), um des ewigen Lebens teilhaftig zu werden (28,4). Das Bewachen bzw. Bewahren vor dem Teufel, der vom äußeren zum inneren Feind geworden ist, bleibt somit auch nach der Vertreibung aus dem Paradies wesentliche Aufgabe des Mannes, doch ist er vom Wächter des Paradieses zum Wächter seiner selbst geworden. Von
236 Text nach J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 325. 237 Zur Lehre vom bösen Trieb im frühen Judentum vgl. W. Bousset, Religion, 41966, 403 ff. Th. Knittel, Leben, 2002, 176 äußert sich ablehnend gegenüber einer Deutung von ApkMos 19,3 vor dem Hintergrund der Lehre vom bösen Trieb. Dagegen spreche, „dass die ἐπιθυμία hier nicht als dem Menschen innewohnend, sondern als etwas Äußerliches verstanden wird, was mit der Lehre vom bösen Trieb nur schwerlich vereinbar ist.“ Knittel verkennt hier m. E. den ätiologischen Charakter der Darstellung. Der Text will ja gerade darstellen, wie die ἐπιθυμία, der böse Trieb, in den Menschen gekommen ist. Da sie dem Menschen nach ApkMos nicht von Gott „anerschaffen“ wurde, muss sie zunächst von außen kommen, um schließlich als Gift fortwährend in ihm zu wirken. 238 Zu dieser Übersetzung von ἐπιθυμία γάρ ἐστι πάσης ἁμαρτίας in 19,3 vgl. J. Dochhorn, J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 325; 335; 346.
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einem Sündenverhängnis, im Sinne eines Zwangs des Menschen zur Sünde, kann daher in ApkMos nicht die Rede sein. Dem Menschen bleibt der freie Wille und die Möglichkeit, sich vor den Einflüsterungen des Bösen zu bewahren. 2.5.1.4 Der Teufel und die Herrlichkeit Adams Eine weitere Folge des teuflischen Wirkens ist, dass Adam und Eva der Herrlichkeit (δόξα) verlustig gehen, die ihnen ursprünglich eignete. Weiß bereits Sir 49,6 um eine alle überragende Herrlichkeit Adams, so findet sich die Vorstellung von der dwbk Adams auch in einigen Qumranschriften (CD 3,20; 1QS 4,23; 1QH 4,15 [= Suk 17,15]). Sie begegnet dann in weiteren Texten des frühen Judentums und bei den Rabbinen,239 wobei Adams Herrlichkeit oftmals im Rahmen der Schilderung des Sündenfalls als verlorengegangene Herrlichkeit erwähnt wird. Dies gilt auch für die ApkMos, wo nicht nur von einer ursprünglichen Herrlichkeit Adams, sondern auch Evas die Rede ist. Beide verloren diese Herrlichkeit in ApkMos aufgrund der „Worte der Gesetzlosigkeit“ (λόγους παρανομίας; 21,2), die der Teufel zunächst durch den Mund der Schlange (17,4), dann durch den Mund Evas (21,3) sprach und durch das Essen von der verbotenen Frucht des Baumes (19,3–20,3), zu dem er sie durch diese Worte verführte. Der Verlust der Herrlichkeit steht dabei in enger Beziehung mit dem Verlust der Gerechtigkeit, mit der beide240 zuvor bekleidet waren (20,1). In anderer Weise behandelt VitaAd das Thema Herrlichkeitsverlust. Es ist hier insbesondere die ehemalige Herrlichkeit Satans, die erwähnt wird, und die dieser bei seiner Vertreibung aus dem Himmel verloren hat (VitAd 11,3; 12,1; 16,1). Um Satans ursprüngliche Herrlichkeit bittet Adam Gott, wenn er in 17,1 betet: Herr, mein Gott, in deinen Händen ist mein Leben. Entferne diesen meinen Feind von mir, der meine Seele zu verderben sucht, und gib mir seine Herrlichkeit, die er selbst verloren hatte.
2.5.1.5 Die Ankündigung des endzeitlichen Teufelssturzes Die ApkMos setzt, wie bereits dargestellt wurde, einen urzeitlichen Sturz des Teufels voraus. Zugleich weiß sie jedoch auch darum, dass der Teufel in der Endzeit gestürzt werden wird. Die Vorhersage dieses endzeitlichen Teufelssturzes findet sich in ApkMos 39 und sie wird an späterer Stelle241 vorliegender Arbeit noch ausführlich zu besprechen sein, denn in ihr begegnet dieselbe Tradition, auf die 239 Vgl. TestAbr 11,4–8 f.; ApkBar(gr) 4,16; ApkSedr 6,5; 7,4 f.; slHen 30,11. Für rabbinische Belege vgl. Th. Knittel, Leben, 2002, 173, Anm. 241. 240 Explizit erwähnt wird die Gerechtigkeit, in die sie gekleidet war, nur bei Eva. 241 Vgl. unten Kapitel III, Abschnitt 3.1.1.2 u. 3.2.1.4.
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im Rahmen der Besprechung des qumranischen Midrasch zur Eschatologie und der TestXII bereits hingewiesen wurde. Hier sei daher nur angemerkt, dass der Teufel nach ApkMos 39 in der Endzeit von seinem Thron gestürzt werden wird. Er scheint somit in der Gegenwart eine Herrschaftsposition inne zu haben, und die Folge dieser Teufelsherrschaft ist auf Seiten Adams Trauer (λύπη). Verheißt Gott Adam in ApkMos 39, dass er den Teufel einst von seinem Thron stürzen und Adam auf diesen Thron setzen wird, so geht mit dieser Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse auch eine Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse einher. Denn indem Gott Adam auf dem Thron des Teufels Platz nehmen lässt, verwandelt er seine gegenwärtige λύπη in χαρά und die gegenwärtige χαρά des Teufels wird dann ein Ende haben. Er wird traurig sein, weil er Adam auf seinem Thron sitzen sehen wird. 2.5.1.6 Verwandlung und Betrug als Waffen teuflischen Handelns Großes Interesse zeigt die ApkMos an der Frage, wie es dem Teufel gelang, den Menschen zu überwinden. Die Verführung Adams und Evas durch den Teufel, der noch die Verführung der Schlange vorgeschaltet ist, wird ApkMos 15–21 bedeutend ausführlicher geschildert als in Gen und VitAd. Das teuflische Vorgehen wird dabei in den einleitenden Worten Evas (15,1) und an weiteren Stellen (16,4; 23,5; 30,1) umfassend durch den Terminus ἀπατάω (täuschen/betrügen) charakterisiert. Im Zusammenhang mit der Darstellung des Teufels als Betrüger, die auch sonst in frühjüdischen Schriften begegnet,242 ist auch das Motiv der Verwandlungsfähigkeit des Teufels zu verstehen. Bedient sich der Teufel zur Verführung Evas der Schlange als σκεῦος (Werkzeug/Gefäß) und redet durch ihren Mund (16,5), so ist es bei der Verführung Adams Evas Mund, durch den der Teufel spricht (21,3). Die Worte, die er dabei äußert, deuten bereits eine weitere Gestalt an, in die sich der Teufel sowohl in ApkMos als auch in VitAd verwandelt. Auf die Aufforderung zur verbotenen Tat durch den Teufel entgegnen sowohl die Schlange als auch Eva und schließlich Adam jeweils im gleichen Wortlaut ϕοβοῦμαι μήποτε ὀργισθῇ μοι ὁ θεός (16,4; 18,2; 21,4). Diese sich äußernde Gottesfurcht wird vom Teufel jedes Mal mit den Worten μὴ ϕοβοῦ beseitigt, die im Alten Testament sowie in den Apokryphen und Pseudepigraphen und schließlich im Neuen Testament häufig im Munde himmlischer, dem Menschen positiv gesonnener Wesen belegt sind.243 Was hier angedeutet ist, wird 242 Vgl. beispielsweise TestSim 2,7; TestJud 19,4; ApkBar(gr) 4,8; ApkSedr 4,5; TestHi 3,3; 3,6; 26,6. An einigen dieser Stellen wird das betrügerische Verhalten nicht durch ἀπατάω, sondern durch synonym verwendetes πλανάω κτλ. ausgedrückt (vgl. auch J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 291, der von einer verbreiteten „Theorie der Täuschung“ im Blick auf den Teufel spricht). 243 Vgl. z. B. Gen 15,1; 21,17; 46,3; Ri 6,23; 2Kön 1,15; 19,6; Dan 10,12; Tob 12,17; ÄthHen 15,1; Lk 1,13.
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ApkMos 17,1 f.244 und schließlich ausführlicher VitAd narrativ entfaltet: Der Teufel kann sich in die Gestalt eines Engels verwandeln und den Menschen auf diese Weise betrügen. Durch dieses Motiv, das im frühjüdischen und urchristlichen Schrifttum einzig in 2Kor 11,14 eine Parallele hat, wird dem Leser die Heimtücke teuflischer Verführungskunst vor Augen geführt.245 Die betrügerische Fähigkeit des Teufels kann wohl auch als ursprünglicher Grund dafür angesehen werden, dass in der ApkMos eine satanische Lektüre von Gen 3 geboten wird.246 Dies verdeutlicht ein Blick auf die lange, an ihre Kinder gerichtete Rede Evas in ApkMos 15–30, die Dochhorn als Bestandteil der ältesten Überlieferungsschicht der ApkMos ausmacht.247 Evas Rede, in der sie unter anderem darüber berichtet, wie sie im Paradies vom Teufel betrogen wurde, hat eine paränetische Funktion.248 Dies zeigt Evas abschließende an ihre Nachkommen gerichtete Ermahnung, sich nun, nachdem sie von dem betrügerischen Vorgehen des Teufels gehört haben, vor dem Bösen zu hüten (ϕυλάττειν) und das Gute nicht zu verlassen (30,1).249 Wird die Mahnung, sich vor dem Bösen zu hüten, mit dem Verb ϕυλάττειν beschrieben, so ist dieses ein Schlüsselbegriff in ApkMos 15–30.250 Man kann das ϕυλάττειν als die zentrale Aufgabe der paradiesischen Menschen bezeichnen, sollten sie doch einerseits das Paradies bewachen (ϕυλάττειν; 15,2; 17,3) und andererseits Gottes Gebot beachten (ϕυλάττειν; 23,3; 24,3).251 Waren Adam und Eva an dieser Aufgabe aufgrund der betrügerischen Fähigkeiten des Teufels gescheitert, so wird durch diese Figur die Ermahnung zur Wachsamkeit vor dem Bösen unterstrichen: Der Mensch kann auch bei bestem Willen Böses tun, weil eine Gott und ihm feindlich gesonnene transzendente Macht, die ein Meister der Täuschung ist, ihn dazu verführen will. Angesichts dieser massiven ethischen Gefährdung des Menschen,252 der selbst die paradiesischen Menschen, in denen der böse Trieb noch nicht wirkte, erlegen waren, gilt es für die nachparadiesische Menschheit umso mehr, alle Kräfte zu aktivieren, um sich vor dem Tun des Bösen zu hüten. 244 Die Stelle ist ausgesprochen problematisch, da sie die Handlungsabfolge zerstört, und der Teufel in ApkMos nur hier Σατανᾶς genannt wird. Dochhorn hat mit guten Argumenten plausibel gemacht, sie als Marginalnotiz in einer der ApkMos zugrundeliegenden Quelle, dem Testament Evas (ApkMos 15–30), zu verstehen. Die Marginalie muss dann in den Text eingearbeitet worden sein, bevor das Testament Evas zur ApkMos ausgebaut wurde, da auf sie in ApkMos 7,1 Bezug genommen wird (vgl. J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 320–323). Das Motiv von der Verwandlung Satans in einen Engel ist dann älter als ApkMos selbst. 245 Vgl. O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 775. 246 Vgl. J. Dochhorn, Adam, 2000, 330; Ders., Apokalypse, 2005, 286–298. 247 Vgl. Ders., Apokalypse, 2005, 135. 248 Vgl. O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 771. 249 Vgl. J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 436. 250 Vgl. ebd. 289; 436. 251 Vgl. ebd. 289. 252 Vgl. O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 775.
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2.5.2 Der Satanssturz im slavischen Henochbuch Eine weitere pseudepigraphe Schrift, die den Luzifermythos bezeugt, ist das sogenannte slavische Henochbuch, das vermutlich auf ein griechisches Original zurückgeht,253 aber nur im Kirchenslavischen überliefert ist. Im Zuge einer ausführlichen Offenbarungsrede Gottes (slHen 14–35) wird Henoch in dieser Schrift auch über den Ablauf der Schöpfungswoche unterrichtet (27–32). Von der Erschaffung der Engel am zweiten Tage berichtet Gott dem Henoch dabei wie folgt (slHen 29,1–6):254 1 Und für alle meine Himmel bildete ich eine feurige Natur. Mein Auge sah auf den festen und sehr harten Stein. Und vom Blitzen meines Auges empfing auch der Blitz die Natur des Wassers – sowohl Feuer im Wasser als auch Wasser im Feuer. 2 Weder löscht dieses jenes noch trocknet jenes dieses aus. Deshalb ist der Blitz schärfer als der Schein der Sonne und leuchtender, und weiches Wasser ist fester als harter Stein. 3 Und vom Stein schlug ich ein großes Feuer ab. Und vom Feuer schuf ich die Ränge der körperlosen Heerscharen, 10 Myriaden Engel. Und ihre Waffen sind feurig, und ihre Gewänder brennende Flammen. Und ich befahl, dass ein jeder auf seinem Rang stünde. 4 Einer aber vom Rang der Erzengel wandte sich ab mit dem Rang, der unter ihm war, und er empfing den unmöglichen Gedanken, daß er seinen Thron höher als die Wolken über der Erde stellte, [und] daß er gleich werde meiner Macht. 5 Und ich warf ihn von der Höhe hinab mit seinen Engeln. Und er flog fortwährend in der Luft oberhalb des Abgrundes. 6 Und so schuf ich alle Himmel. Und es wurde der dritte Tag.
Unbestritten ist, dass der zitierte Text Jes 14 als Darstellung eines urzeitlichen Sturzes des Teufels aufgrund dessen hybrider Auflehnung gegen Gott versteht. Ganz offensichtlich gibt Vers 4 die Verse Jes 14,13 f. der LXX in komprimierter Form wieder.255 Umstritten ist hingegen die Entstehungszeit des Textauszuges und somit die Frage, ob er als vorneutestamentlicher Beleg des Luzifermythos angeführt werden kann. Auch wenn eine Datierung des Grundbestandes des slavischen Henoch in die Zeit vor 70 n. Chr. deutlich besser begründet ist256 als gelegentlich vertretene Spätdatierungen,257 so bleibt doch fraglich, ob die Verse 4–6, in denen der 253 Vgl. C. Böttrich, Henochbuch, 1996, 808 ff.; A. M. Denis, Introduction I, 2000, 156. 254 Die Übersetzungen aller angeführten Stellen aus slHen nach: C. Böttrich, Henochbuch, 1996. 255 Vgl. ebd. Anm. 4d. 256 Vgl. z. B. C. Böttrich, Henochbuch, 1996, 812 f.; A. M. Denis, Introduction I, 2000, 154 f. und die dort Anm. 23 genannte Literatur. 257 So etwa J. K. Fotheringham, Easter Calendar, 1922, 49–56 und K. Lake, Date, 1923, 397–398, nach denen im slHen, das Schema des christlichen Osterkalenders vorliegt, wie es erst seit dem 7. Jhd. zusammengestellt wurde, oder J. T. Milik, Enoch, 1976, 107–124, nach dem das Werk im 9. Jhd. n. Chr. entstanden ist.
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Luzifermythos einzig bezeugt ist, zu diesem Grundbestand gerechnet werden können. Zunächst ist der Text des slavischen Henoch in den Handschriften sehr unterschiedlich überliefert. Grundsätzlich lassen sich zwei Fassungen – eine längere und eine kürzere – voneinander unterscheiden, die im Umfang erheblich voneinander abweichen. Der Luzifermythos ist dabei einzig in der längeren Fassung überliefert, wohingegen die Handschriften der kürzeren Textfassung Kapitel 24 mit Vers 3 enden lassen. Da unter den Fachleuten kontrovers diskutiert wird, welche der beiden Fassungen als ursprünglichere zu bewerten ist,258 kann die Frage nach der ursprünglichen Zugehörigkeit des Luzifermythos zum slavischen Henoch auf dem Wege der Textkritik nicht mit Sicherheit geklärt werden. Doch auch unter Voraussetzung der Priorität der längeren Textfassung bleiben Zweifel an der Zugehörigkeit des Luzifermythos zum ursprünglichen Bestand des slavischen Henoch. Denn er steht durchaus in Spannung zur aus äthHen bereits bekannten Tradition vom Abfall der Wächterengel, die in slHen ebenfalls belegt ist (7,3; 18,3–6), und ebenso zu der 31,3–6 – wiederum nur in der längeren Fassung – belegten Tradition von Evas Verführung durch den Teufel.259 Wurde deshalb von einigen Auslegern die Vermutung ausgesprochen, der Luzifermythos könne auf christliche Interpolation zurückgehen,260 so verstärkt sich dieser Verdacht durch drei weitere Beobachtungen. Erstens ist die Bezeichnung des prä lapsarischen Teufels als Erzengel an keiner weiteren Stelle des frühjüdischen Schrifttums belegt,261 begegnet dann aber in späteren christlichen Schriften,262 so dass sie als Indiz für eine christliche Interpolation des Luzifermythos in slHen gewertet werden kann. Für eine spätere Interpolation spricht zweitens auch, dass der rebellische Erzengel an der zitierten Stelle nicht explizit mit dem Teufel bzw. Satan identifiziert wird. Vielmehr scheint der Verfasser die Fähigkeit, diese Identifikation zu vollziehen, bei seinen Lesern vorauszusetzen, und das lässt vermuten, dass der Luzifermythos zur Zeit der Abfassung der zitierten Verse bereits seit geraumer Zeit existierte und den Zeitgenossen geläufig war. Dies aber ist für die Zeit vor 70 n. Chr. nicht nachzuweisen und – nach allem bisher Festgestellten – auch kaum wahrscheinlich. Auffällig sind drittens die definitorischen Aussagen über den Teufel, die im Zusammenhang mit der Verführung Adams und Evas geäußert werden. Hier heißt es in slHen 31,3–6:
258 Zur Diskussion vgl. z. B. F. I. Andersen, 2 Enoch, 1983, 93 f.; P. Sacchi, Art. Henochliteratur, 1986, 48 ff.; C. Böttrich, Henochbuch, 1996, 788 f. 259 Vgl. F. I. Andersen, 2 Enoch, 1983, 154f, Anm. d. 260 Vgl. ebd. 148 f., Anm.i. 261 Zur Einzigartigkeit der Bezeichnung des Satans als Erzengel im frühen Judentum vgl. C. Böttrich, Henochbuch, 1996, 910, Anm. 4b. 262 Vgl. beispielsweise Tertullian, adv. Marc 2,10; Hieronymus, Ep. 12 (An den Mönch An tonius); Cyrill von Jerusalem, Katechese an die Täuflinge 2,4; Ambrosius v. Mailand, Lukaskomm. 4,3.
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3 Und der Teufel erkannte, daß ich eine andere Welt schaffen wollte, weil [alles] auf Erden dem Adam untertan war, darüber zu herrschen und König zu sein. 4 Der Teufel gehört an die untersten Orte. Er wird ein Dämon, weil er die Flucht aus dem Himmel unternahm, [und] Satan, weil sein Name Satanail war. 5 So wandte er sich von den Engeln ab. Das Wesen veränderte er nicht, doch den Sinn, denn es gibt eine Gesinnung der Gerechten und der Sünder. 6 Und er erkannte seine Verurteilung und die Sünde, die er zuvor begangen hatte. Und deshalb sann er [etwas] gegen Adam. Auf diese Weise ging er in das Paradies hinein und verführte die Eva. Den Adam aber berührte er nicht.
Die Aussage, nach der Satan aufgrund seiner Flucht aus dem Himmel ein Dämon wurde, basiert auf einem nur im Slavischen möglichen Wortspiel und ist ebenso wie die Tradition vom Namenswechsel Satans offensichtlich eine christliche Interpolation.263 Bemerkt C. Böttrich mit vollem Recht, „daß […] 29,4 ein viel angemessenerer Haftpunkt für den Interpolator gewesen wäre“264, so ist die Einfügung an dieser Stelle m. E. am plausibelsten dadurch zu erklären, dass die Verse 29,4–6 zu diesem Zeitpunkt noch kein Bestandteil des slHen waren. Dies wird noch wahrscheinlicher, wenn man bedenkt, dass dieselbe Hand, die für die genannte Interpolation verantwortlich zeichnet, vermutlich auch in 18,3 den Namen Satanail eingefügt hat.265 Unter Voraussetzung der Ursprünglichkeit des Luzifermythos ist kaum verständlich, weshalb der Interpolator diesen Namen gerade in 29,4–6 nicht eingefügt haben sollte. Der Luzifermythos gehört somit kaum zum ursprünglichen Text des slHen. Da Gleiches, wie gezeigt wurde, auch für VitAd gilt, ist Kelly darin zuzustimmen, dass er in der testamentarischen Zwischenzeit und zur Zeit der Entstehung der neutestamentlichen Schriften noch nicht existierte. Dass hieraus freilich nicht folgt, dass der Teufel noch in dieser Zeit als Funktionär Gottes verstanden wurde, belegen VitAd und ApkMos mit aller Deutlichkeit. Denn beide Schriften berichten von einem urzeitlichen Sturz des Teufels. Wenngleich dieser nicht auf den hybriden Wunsch, Gott gleich zu sein, zurückgeführt wird, so gilt der Teufel in diesen Schriften doch als von Gott in der Urzeit abgefallenes Wesen, das auf Erden keinesfalls in göttlichem Auftrag agiert. Er wird vielmehr als Feind Gottes dargestellt, der gegen von diesem gesetzte Ordnungen rebelliert, sie umzustürzen trachtet und darauf aus ist, die gute Schöpfung Gottes zu verderben.
263 Vgl. C. Böttrich, Henochbuch, 1996, 925, Anm. 4b und c. 264 Ebd. Anm. 4c. 265 Vgl. ebd. 876, Anm. 3d.
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2.6 Der Teufel in weiteren Schriften des frühen Judentums 2.6.1 Das Testament Hiobs: Satan genießt und fordert göttliche Verehrung auf Erden Eine für die Frage, wie das Verhältnis Satans zu Gott im frühen Judentum bestimmt wurde, ausgesprochen interessante Schrift ist das Testament Hiobs. Die Datierungsvorschläge für dieses in griechischer Sprache verfasste „bedeutendste Zeugnis der Hiob-Haggadah des antiken Judentums“266 reichen vom ersten vorchristlichen bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert.267 Der Stoff des biblischen Hiobbuches wird in stark abweichender Form neu erzählt: Hiob wird weder als stiller Dulder noch als Rebell gegen die Ungerechtigkeit Gottes dargestellt, sondern tritt als Märtyrer auf, der bewusst für Gott und gegen den Satan kämpft.268 Eine Versammlung der Gottessöhne im Himmel, in deren Zuge Gott und Satan über die Frömmigkeit Hiobs disputieren, erwähnt TestHi nicht. Vielmehr berichtet zu Beginn der Schrift der heidnische König Hiob seinen um sein Sterbebett versammelten Kindern, wie eines Nachts eine Stimme aus einem hellen Licht ihn darüber aufklärt, dass der in seinem Königreich verehrte Götze der Satan ist. Hiob bittet daraufhin um die Macht, den Tempel des Satans zu reinigen, so dass ihm keine Opfer mehr dargebracht werden. Diese wird ihm gewährt, doch klärt ihn die himmlische Stimme zuvor über die Folgen auf, die dieses Unterfangen für ihn haben wird (TestHi 4,4–11):269 Ἔαν ἐπιχειρήσεις καθαρίσαι τὸν τόπον τοῦ Σατανᾶ, ἐπαναστήσεταί σοι μετὰ ὀργῆς εἰς πόλεμον. μόνον ὅτι θάνατόν σοι οὐ δυνήσεται ἐπενεγκεῖν· ἐπιϕέρει δέ σοι πληγὰς πολλάς, 5 ἀϕαιρεῖταί σου τὰ ὑπάρχοντα, τὰ παιδία σου ἀναιρήσει· 6 ἀλλ᾽ ἐὰν ὑπομείνῃς, ποιήσω σου τὸ ὄνομα ὀνομαστὸν ἐν πάσαις ταῖς γενεαῖς τῆς γῆς ἄχρι τῆς συντελείας τοῦ αἰῶνος. 7 καὶ πάλιν ἀνακάμψω σε ἐπὶ τὰ ὑπάρχοντά σου, καὶ ἀποδοθήσεταί σοι διπλάσιον, 8 ἵνα γνῷς ὅτι ἀπροσωπόληπτός ἐστιν, ἀποδιδοὺς ἑκάστῳ τῷ ὑπακούοντι ἀγαθά· 9 καὶ ἐγερθήσῃ ἐν τῇ ἀναστάσει· 10 ἔσῃ γὰρ ὡς ἀθλητὴς πυκτεύων καὶ καρτερῶν πόνους καὶ ἐκδεχόμενος τὸν στέϕανον. 11 τότε γνώσει ὅτι δίκαιος καὶ ἀληθινὸς καὶ ἰσχυρὸς ὁ Κύριος, ἐνισχύων τοὺς ἐκλεκτοὺς αὐτοῦ. 4
4 Wenn du dich daran machst, den Ort des Satans zu reinigen, wird er sich voll Zorn zum Kampf gegen dich erheben. Nur den Tod wird er dir nicht bringen können. Er bringt dir aber viele Plagen. 5 Genommen wird dein Besitz, deine Kinder wird er 266 B. Schaller, Testament, 1979, 303. 267 Zur Datierungsfrage vgl. B. Schaller, Testament, 1979, 311 f.; A. M. Denis, Introduction II, 2000, 905 f. 268 B. Schaller, Testament, 1979, 303. 269 Text nach S. P. Brock, Testamentum, 1967, 21 f.; Übersetzung nach B. Schaller, Testament, 1979, 329 f.
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nehmen. 6 Doch wenn du ausharrst, mache ich deinen Namen berühmt unter allen Geschlechtern der Erde bis zum Ende der Welt. 7 Und ich werde dir deinen Besitz wieder erstatten und es wird dir doppelt wiedergegeben werden, 8 damit du erkennst: (Gott) sieht die Person nicht an, er vergilt Gutes jedem, der auf ihn hört. 9 Du wirst auferweckt werden bei der Auferweckung. 10 Denn du wirst sein wie ein Wettkämpfer, der Schläge austeilt und Schmerzen erträgt und (am Ende) den (Sieges)Kranz empfängt. 11 Dann wirst du erkennen: Gerecht und zuverlässig und mächtig ist der Herr, er gibt Kraft seinen Auserwählten.
Für TestHi, das wird aus dem dargestellten Beginn der Schrift deutlich, ist Satan ein Wesen, das auf Erden göttliche Verehrung genießt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass er in keiner Weise vergleichbar ist mit den nichtigen von Menschenhand geschaffenen Götzen, von denen etwa in ApkAbr berichtet wird. Vielmehr ist er eine sehr reale Macht, die die göttliche Verehrung durch die Menschen nicht nur genießt, sondern sie auch einzufordern scheint: Gegen Hiob entbrennt sein Zorn, und er bekämpft ihn gerade deshalb, weil er seine Verehrung als Gottheit zu unterbinden sucht, und vor den Menschen gibt der Teufel den ihm selbst geweihten Tempel als „Haus des großen Gottes“ (οἶκος τοῦ μεγάλου θεοῦ; TestHi 17,4) aus. Ganz deutlich zeigt sich dadurch, dass Satan in TestHi darauf aus ist, von den Menschen als Gott verehrt zu werden, somit in Konkurrenz zu Gott tritt und in gewisser Weise versucht, sich an dessen Stelle zu setzen. Abgesehen davon, dass er über die sich zum wahren Gott bekehrenden Menschen schwere Plagen und Unehre bringt, versucht er dieses Ziel zu erreichen, indem er die menschliche Natur verführt (3,3), sich als mächtigen Herrscher präsentiert, unter dessen Führung sich seine Anhänger nicht zu fürchten brauchen (17,1–6), die Menschen zu gotteslästerlichen, wütenden Reden verführt (23,11–26,6; 41,5) und ganz allgemein seine Gedanken in ihren Herzen platziert (47,10). Deutet das bisher Dargestellte darauf hin, dass Satan als Widersacher Gottes zu verstehen ist, so steht diesem Verständnis entgegen, dass TestHi aus seiner biblischen Vorlage die Vorstellung übernimmt, dass Satan bei seinem Wirken auf göttliche Erlaubnis angewiesen ist: Der Satan muss beim Herrn um Erlaubnis bitten, bevor er gegen Hiobs Habe (8,1 ff.) und seinen Leib (20,1) vorgehen darf. Man wird diesen Aspekt der Satanologie des TestHi nicht dadurch abschwächen dürfen, dass man ihn als einen aus dem kanonischen Hiobbuch übernommenen abtut. Denn aus dem bislang Gesagten ergibt sich bereits, dass TestHi mit seiner kanonischen Vorlage ausgesprochen frei umgeht. Da bis 8,1 ff. keinerlei Interaktion zwischen Satan und Gott erwähnt wurde, hätte der Redaktor die satanische Bitte um Erlaubnis, problemlos auslassen können. Obwohl er Satan als Gegenmacht zeichnet, ist ihm der Gedanke, dass dieser gegen Hiob nur mit göttlicher Erlaubnis vorgehen kann, wichtig. Satan geht in TestHi gegen Hiob vor, weil dieser verhindern will, dass er auf Erden weiterhin als Gott verehrt wird. Gerade im Blick auf das Johannesevangelium ist nun interessant, dass Hiob den Satan dadurch besiegt, dass er alles Leid, das
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dieser über ihn bringt, geduldig erträgt und sich nicht von Gott abbringen lässt. Er handelt, so stellt es der besiegte Satan dar, wie ein Kämpfer beim Pankration,270 der unten liegend von seinem Gegner alle Glieder gebrochen bekommt, dies aber standhaft erträgt, so dass der Obenliegende schließlich aufgeben muss (27,3–5). Diese Aufgabe Satans ändert dabei zunächst nichts an der irdischen Situation Hiobs, die Folge seines Kampfes mit Satan ist: Hiob, der König aus edlem Geschlecht (28,6), der einst über unvorstellbare Reichtümer verfügte (28,5; 32), sitzt weitere Jahre in körperlicher Plage (28,1) auf einer Müllhalde (28,8) und muss sich von dem unter dem Einfluss des Satans stehenden König Elihu beschimpfen lassen (41,4–6). All dies aber bekümmert Hiob nicht. Denn sein „Sinn steht nicht mehr nach irdischen“, sondern vielmehr „nach himmlischen Dingen“ (36,3) und er weiß darum, dass er einen Thron im Himmel hat, dessen Herrlichkeit im Gegensatz zur Herrlichkeit irdischer Throne unvergänglich ist (23). Der Sieger über den Satan hat die Welt hinter sich gelassen und überwunden. In einem engen Zusammenhang scheint Hiobs Überwindung des Weltlichen mit den drei Gürteln zu stehen (46 ff.), die er von Gott an einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt erhalten hat.271 Diese Gürtel, die ein göttlicher Schutz vor dem Teufel sind (47,9.11), vererbt Hiob seinen Töchtern, so dass auch sie ein neues, nicht mehr an irdischen Dingen orientiertes Herz bekommen (48,2; 49,1; 50,2), in das der Satan seine Gedanken nicht einbringen kann (47,10). Zudem verleihen die Gürtel Hiobs Töchtern Einsicht in die himmlische Welt (47,10) und die Fähigkeit, die Sprache himmlischer Mächte zu sprechen (48,3; 49,2; 50,2).
2.6.2 Die Apokalypse Abrahams: Asasel als personifizierte Gottlosigkeit bevorzugt die Erde Die Spannung zwischen der Darstellung der Teufelsgestalt als Gegner Gottes, der zugleich auf göttliche Duldung angewiesen ist, findet sich nicht nur im Testament Hiobs, sondern auch in der Apokalypse Abrahams (ApkAbr). Diese Schrift ist nur in slawischer Sprache überliefert, doch basiert der slawische
270 Zum Pankration als Hintergrund des in TestHi 27,3 ff. beschriebenen Kampfes vgl. B. Schaller, Testament, 1979, 347, Anm. 3b. 271 TestHi 47,4 heißt es, dass Hiob die Gürtel an dem Tag von Gott erhalten habe, an dem dieser sich seiner erbarmte und die Plagen und Würmer aus Hiobs Leib entfernte. Das Verschwinden der Würmer aus Hiobs Leib wird dann auch als unmittelbar eintretende Konsequenz des Anlegens der Gürtel durch Hiob benannt (47,6). Von der körperlichen Gesundung Hiobs wurde aber zuvor gar nicht berichtet. TestHi 44 erzählt einzig von Hiobs Wiedereingliederung in die Gesellschaft und davon, dass ihm sein irdirscher Besitz zurückgegeben und verdoppelt wird. Ein nicht mehr an irdischen Dingen orientiertes Herz und Einsicht in die himmlischen Dinge, beides Konsequenz des Anlegens der Gürtel, besitzt Hiob aber bereits während seines Gesprächs mit den drei Königen (vgl 33; 36,3). Jedoch wird Hiob zu diesem Zeitpunkt auch noch von Würmern in seinem Körper geplagt (vgl. 34,4).
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Text auf einer griechischen Vorlage.272 Ursprünglich dürfte die möglicherweise in Palästina entstandene Schrift273 jedoch auf aramäisch oder hebräisch abgefasst gewesen sein.274 Die ApkAbr scheint die Zerstörung des Tempels vorauszusetzen (vgl. 27,3) und wird zumeist in das ausgehende erste oder das frühe zweite Jahrhundert nach Christus datiert.275 Sie untergliedert sich in zwei Teile. Auf eine Haggada über die Abkehr Abrahams von den Götzen und seine Hinwendung zu Gott (1–8), folgt die eigentliche Apokalypse (9–31). Diese zerfällt wiederum in drei Teile. Der erste Teil beinhaltet die Darstellung des Opfers Abrahams aus Gen 15,9–11 (9,1–15,1), der zweite schildert die Visionen, die Abraham während seiner Auffahrt in den Himmel, bei der er von dem Engel Jaoel begleitet wird, empfing (25,2–29,19). Der dritte Teil schließlich schildert im Sinne eines Epilogs die Offenbarung, die an Abraham nach seiner Rückkehr zur Erde erging.276 Bezüglich Asasel, der Teufelsgestalt in ApkAbr, die nur im zweiten Hauptteil der Schrift auftritt, ist zunächst festzuhalten, dass er zwar als ein gefallener Engel dargestellt wird (13,12), dass sein Verlust dieses Status aber in keiner Weise auf den hybriden Wunsch zurückgeführt wird, an die Stelle Gottes treten zu wollen. Den Luzifermythos kennt ApkAbr offensichtlich nicht. Dass Asasel nicht mehr dem Himmel angehört und sein Gewand, das ihm dort eignete, verloren hat, wird vielmehr darauf zurückgeführt, dass er die Erde gewählt und liebgewonnen hat im Wohnsitz seiner Unreinheit (13,7). Im Hintergrund steht hier – worauf sowohl der Name Asasel als auch die Tatsache, dass er wie sein Namensvetter in ÄthHen 9,6 himmlische Geheimnisse auf Erden preisgibt (14,2), bereits hinweist – die Tradition vom Sturz der Wächter, nach der diese „den hohen Himmel, die heilige ewige Stätte“ zunächst aus freien Stücken, „verlassen haben“ (ÄthHen 12,4), und sich jeder von ihnen eine Frau auswählte (ÄthHen 7,1). Asasel ist in ApkAbr die personifizierte Gottlosigkeit (13,6; 23,8), die das Verderben in sich trägt (14,4). Durch ihn „kommt der allböse und betrügerische Geist, der Zorn und alles Böse auf die Geschlechter der gottlosen Menschen“ (13,8). Asasel war es nach ApkAbr 23, der einst im Garten Eden, aussehend wie eine Schlange (23,5), zu Evas Verführer wurde (23,1), und ebenso wird der Mord des gesetzlosen Kains an Abel auf ihn, als den Feind, zurückgeführt (24,4). Er gilt als Herr der Völker (22,6), von denen die Nachkommenschaft Abrahams als das Volk Gottes abgesondert ist (22,6), doch versucht er in der Gestalt eines unreinen Vogels (er besitzt offensichtlich die Fähigkeit sein Äußeres zu verändern), auch Abraham von Gott abzuwenden, wobei er hierzu Abrahams Misstrauen gegen 272 Vgl. B. Philonenko-Sayar/M. Philonenko, Apokalypse 1982, 417. 273 Vgl. R. Rubinkiewicz, Apocalypse of Abraham, 1986, 683 f. 274 Vgl. A. M. Denis, Introduction I, 2000, 211. 275 Vgl. den Überblick über die Datierungsvorschläge ebd. 211, Anm. 39. 276 Zur Gliederung vgl. B. Philonenko-Sayar/M. Philonenko, Apokalypse 1982, 416.
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über Gott und dem Engel Jaoel zu wecken sucht und ihn in Angst versetzen will. So spricht er zu dem von Jaoel begleiteten Abraham: Was willst du, Abraham, auf den heiligen Höhen, wo man weder isst noch trinkt und wo es keine menschliche Nahrung gibt. Aber dieses alles wird von Feuer verzehrt werden, und sie werden dich verbrennen. Verlasse den Mann, der mit dir ist, und entfliehe, denn, steigst du auf die Höhe, so werden sie dich umbringen (13,3 f.).
Doch Asasel richtet sich nicht nur gegen Menschen und sucht, diese von Gott abzubringen und zu sich in das Verderben, das er in sich trägt (14,4), zu stürzen. Er gilt vielmehr auch als der, der „dem Starken Widerwort gegeben hat“ (14,2) und damit als Gegner Gottes. Wo und wann Asasel Gott Widerwort gegeben hat, wird nicht gesagt. Es könnte etwa an die auch in VitAd begegnende Vorstellung gedacht sein, dass sich die Teufelsgestalt dem göttlichen Befehl, Adam anzubeten widersetzte. Sicher ist das jedoch nicht. Erscheint Asasel nicht nur als derjenige, der dem Starken Widerwort gegeben hat, sondern auch als personifizierte Gottlosigkeit, als Gegner Gottes, so ist doch auch ganz deutlich, dass er bei seinem Wirken auf göttliche Duldung angewiesen ist und dass er seine Macht von Gott hat. So ist es nach ApkAbr 13,1 Gott gewesen, der Asasel die Einwohner der Erde gegeben hat, und in ApkAbr 23,9 fragt Abraham den urewigen Starken, warum er Asasel eine solche Gewalt gegeben hat, „das menschliche Geschlecht in seinen Werken auf der Erde ins Verderben zu stürzen.“ Die Asasel übergebene Macht ist freilich eine von Gott begrenzte. Denn Gott hat nicht gestattet, dass die Leiber der Gerechten in Asasels Hand sind (13,9). Macht hat er Asasel vielmehr nur über diejenigen gegeben, die ihm antworten (14,6), über alle diejenigen, die Asasel folgen und das lieben, was er will (13,11). Diese sind der Besitz Asasels (20,4) und verdanken ihm, wie es wiederum in scharfer dualistischer Formulierung heißen kann, ihr Dasein (14,4).
2.6.3 Die Bilderreden (ÄthHen 37–71): Satan und seine Satane Die Datierung des Buches der Bilderreden, das im Äthiopischen Henochbuch überliefert ist (ÄthHen 37–71), wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Nicht zuletzt weil in Qumran kein Textfragment dieser Schrift gefunden wurde, haben einige Exegeten für eine späte Entstehung des Werkes im 2. oder gar 3. Jhd. n. Chr. plädiert und einen christlichen Verfasser angenommen. Andere gehen von einer Entstehung der Bilderreden im 1. Jhd. v. oder n. Chr. aus und vermuten die Herkunft der Schrift aus jüdischen Kreisen.277 Das zentrale Thema der
277 Zur Diskussion um die Datierung der Bilderreden und zur Frage, ob sie jüdischer oder christlicher Provenienz sind, vgl. z. B. S. Uhlig, Henochbuch, 1984, 574 f.; A. M. Denis, Introduction I, 2000, 80 f.
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Bilderreden ist die Vorhersage des Endgerichts, in dem die Könige und Mächtigen bestraft, die Erwählten und Gerechten aber belohnt werden.278 Die Teufelsvorstellung der Bilderreden ist schon deshalb bemerkenswert, weil das Werk nicht nur von einem Satan weiß, es spricht vielmehr auch im Plural von Satanen (ÄthHen 40,7; 65,6). Sie haben zunächst die klassische Satansfunktion des Alten Testaments, wenn sie an Gott herantreten wollen, „um die anzuklagen, die auf dem Festland wohnen“ (40,7). Sie werden daran jedoch von dem Erzengel Fanuel gehindert, „der über die Buße zur Hoffnung derer (gesetzt ist), die das ewige Leben besitzen sollen“ (40,9). Als Gewalttäter erscheinen die Satane in 65,6, wenn hier das Kommen der Sintflut u. a. darauf zurückgeführt wird, dass die Bewohner des Festlandes jede Gewalttat der Satane kennen. Identifiziert man die Satane mit den Strafengeln,279 die in den Bilderreden mehrmals erwähnt werden (53,3; 56,1; 62,11; 63,1; 66,1), so haben sie ferner die Aufgabe, die Verdammten zu bestrafen und die Marterwerkzeuge herzustellen, mit denen ihr Oberster, der Satan, die Könige und Mächtigen der Erde einst vertilgen wird. Satan ist hier als göttlicher Folterknecht verstanden, der mit seinen Dienern durchaus im Sinne Gottes handelt, wenn er die im Gericht Verurteilten quält. Nicht nur die Satane/Strafengel gelten den Bilderreden als Diener Satans. Gleiches gilt vielmehr auch für die gefallenen Engel. Anders als etwa im Buch der Wächter, besteht deren zentrale Sünde in den Bilderreden nicht darin, dass sie die göttliche Ordnung durch Geschlechtsverkehr mit den Frauen verletzten,280 vielmehr besteht der zentrale Vorwurf gegen die Engel darin, „den Menschen Geheimnisse offenbart zu haben, die diese zum Sündigen verführen.“281 Als Verführer zur Sünde dienen sie Satan, denn nach ÄthHen 54,6 werden Michael, Rafael, Gabriel und Fanuel die gefallenen Engel am Tag des Gerichts „in den brennenden Feuerofen werfen, damit der Herr der Geister Rache an ihnen nehme für ihre Ungerechtigkeit, dafür, dass sie Diener Satans geworden sind und die verführt haben, die auf dem Festland wohnen.“ Satan ist in den Bilderreden somit nicht nur derjenige, der die im göttlichen Gericht Verurteilten bestraft, er ist vielmehr zugleich derjenige, der die Menschen zu Sünde verleitet. Martern scheint ihm Freude zu bereiten, und er sucht möglichst viele Menschen als Opfer für sein endzeitliches Wirken als Folterknecht zu gewinnen. ÄthHen 54,6 verdeutlicht ferner, dass Satan nach den Bilderreden bereits vor der Engelsünde existierte und als Verführer zur Sünde wirkte.282 Über seinen Ursprung verrät die Schrift jedoch nichts.283 278 Vgl. C. Losekam, Sünde, 2010, 82. 279 So etwa W. Bousset, Religion, 41966, 384; Str.-Bill. III, 416; S. Uhlig, Henochbuch, 1984, 581, Anm. 7a.; zurückhaltend H. Haag, Teufelsglaube, 226. 280 Vgl. C. Losekam, Sünde, 2010, 84. 281 Ebd. 83. 282 Vgl. H. Haag, Teufelsglaube, 226. 283 Vgl. ebd.
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Die Teufelsvorstellung der besprochenen Texte kennzeichnet dieselbe Spannung, die bereits mehrmals beobachtet wurde. Die Teufelsgestalt erscheint einerseits als unabhängiger Gegner Gottes, andererseits aber ist sie in ihrem Wirken auf göttliche Duldung angewiesen und hat ihre Macht von Gott oder agiert als Instrument Gottes.
2.7 Zusammenfassung und Zwischenergebnis 2.7.1 Der Teufel im frühen Judentum: Funktionär und Widersacher Gottes Der Durchgang durch die Texte des frühen Judentums hat ergeben, dass Kellys Ansicht, das Judentum der testamentarischen Zwischenzeit kenne keine eigentliche Teufelsvorstellung, nicht zutrifft. Zwar ist Kelly darin zuzustimmen, dass der Luzifermythos in den frühjüdischen Schriften nicht begegnet – er gehört weder zum ursprünglichen Text der VitAd noch des slHen –, doch ist Satan in den Texten des frühen Judentums anders als im Alten Testament keinesfalls einzig als Funktionär Gottes zu verstehen. Dies wird bereits daran deutlich, dass Satan hier mit Belial identifiziert werden konnte (vgl. Jub; TestXII), so dass auch die alttestamentliche Belialvorstellung, den Satan der testamentarischen Zwischenzeit beeinflusst hat. Belialisches aber hat im Alten Testament mit Gott wenig gemein, sondern ist vielmehr all das, was von den Chaosmächten herstammt und somit gottes- und gesellschaftsfeindlich ist. Aber auch in Schriften, in denen Satan und Belial nicht miteinander identifiziert werden, ist deutlich, dass die Teufelsgestalt nicht einzig als göttlicher Funktionär aufgefasst werden kann: So geht etwa der διάβολος in SapSal 2,23 f. nicht von Amts wegen, sondern aus Neid gegen die Menschen vor; er gilt hier als Ursache des Todes und steht somit Gott als dem Schöpfer des Lebens dualistisch gegenüber. VitAd weiß wie ApkMos um einen urzeitlichen Sturz des Teufels und, wenngleich dieser Sturz nicht auf seine Hybris zurückgeführt wird, so verdeutlicht er doch, dass der Teufel hier nicht als Funktionär Gottes agiert. Vielmehr erscheint er als dessen Widersacher, da er gegen die von Gott gesetzte Herrschaftsordnung rebelliert (VitAd) und von Gott selbst als ὁ ἐχθρός bezeichnet wird (ApkMos). Wurden in der voranstehenden Untersuchung weitere Stellen besprochen, an denen der Teufel eindeutig als Widersacher Gottes agiert, so hat sich doch auch gezeigt, dass er nicht einseitig auf diese Rolle festgelegt werden kann. Sein Verhältnis zu Gott ist diffiziler. Niemals steht er Gott als gleichwertige Macht gegenüber, und es finden sich nicht wenige Stellen, an denen der Teufel nicht als Gegner Gottes verstanden werden kann, sondern vielmehr – ganz im Sinne Kellys – als göttlicher Funktionär oder göttliches Instrument aufzufassen ist. Dabei ist es keinesfalls so, dass ihm die Rolle des Gottesfeindes in der einen, die des
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göttlichen Funktionärs aber in der anderen Schrift zukommt. Vielmehr kann er beide Rollen in ein und demselben Werk auf engstem Raum spielen. So erscheint beispielsweise der Mastema des Jubiläenbuches in 48 f. einerseits als Kriegsgegner Gottes, andererseits aber auch als dessen Werkzeug zur Vernichtung der Ägypter und ihrer Erstgeburten. Auch die Teufelsgestalt der Qumrantexte kennzeichnet diese Spannung zwischen Widersacher und Funktionär Gottes. Belial bzw. der Engel der Finsternis ist in fast allen besprochenen Texten vom Toten Meer als personale kosmische Macht zu verstehen, und nicht wie Kelly meint als „abstraction“ oder „personification“. Seine Wurzeln in der alttestamentlichen Belials vorstellung kann der qumranische Belial nicht verleugnen. Nicht nur wegen seines Namens, sondern auch weil seine enge Verbindung mit dem Chaos offensichtlich ist. Doch so deutlich es ist, dass sich der qumranische Belial gegen von Gott gesetzte Grundfeste richtet (1QH) und diesem als Kriegsgegner dualistisch gegenübergestellt wird (1QM), so offensichtlich ist doch auch, dass er zugleich als Geschöpf Gottes angesehen wird (1QM; 1QS), auf göttliche Duldung angewiesen bleibt (CD; 4QMidrEschat) und als göttliches Instrument agiert (1QH; 1QM). Der Teufel tritt in den Texten des frühen Judentums somit sowohl als Widersacher Gottes als auch als göttlicher Funktionär bzw. göttliches Instrument auf. Die Menschen scheinen keine Schwierigkeiten gehabt zu haben, ihm beide Rollen zugleich zuzuschreiben. Dass dies auch für Paulus gilt, wird die folgende Besprechung der Teufelsbelege in den paulinischen Briefen zeigen.
2.7.2 Zentrale Aspekte der Entstehung und Weiterentwicklung der Teufelsvorstellung Das Bild, das die Texte der testamentarischen Zwischenzeit vom Teufel zeichnen, ist ausgesprochen bunt, und von einer einheitlichen Teufelsvorstellung im frühen Judentum kann keine Rede sein. Deutlich wird dies bereits daran, dass die verschiedenen Schriften unterschiedliche Namen zur Bezeichnung ihrer Teufelsfigur bevorzugen, wobei diese Namen auf einen unterschiedlichen traditionsgeschichtlichen Hintergrund der einzelnen Teufelsgestalten hindeuten. Es ist daher kaum möglich, eine geschlossene frühjüdische „Biographie des Teufels“ im Sinne einer geradlinigen Entwicklungsgeschichte der Teufelsvorstellung in der testamentarischen Zwischenzeit zu schreiben. Möglich ist es hingegen, einige Aspekte zu benennen, die für die Entstehung und Weiterentwicklung der Teufelsvorstellung im frühen Judentum von zentraler Bedeutung sind. Wenn überhaupt, so hat der Teufel eine sehr brüchige „Biographie“, in der es nicht geradlinig zugeht. 1. Methodisch basiert die Entstehung und Entwicklung der Teufelsvorstellung in der testamentarischen Zwischenzeit auf der satanischen Relektüre alttestamentlicher Texte: In Erzählungen, in denen vom Satan ursprünglich keine Rede war, wird er nachträglich hineingelesen (Gen 3; Gen 6; Ex 4,24 u. ö.). Dies geschieht im Jubiläenbuch ebenso wie in SapSal im Sinne einer mora-
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lischen Entlastung Gottes. In der ApkMos hingegen erfüllt es den Zweck, die ethische Gefährdung des Menschen zu betonen, und damit die Notwendigkeit der Wachsamkeit vor dem Bösen hervorzuheben. 2. Ihre zentralen Wurzeln hat die frühjüdische Teufelsvorstellung in der Satansfigur und dem Belialskonzept des Alten Testaments. Satan und Belialisches begegnen dort als einander diametral entgegengesetzte Größen: Satan ist ein pedantischer Kämpfer für die Aufrechterhaltung der göttlichen Rechts- und Weltordnung, Belialisches steht in enger Verbindung mit den Chaosmächten und richtet sich gegen göttliche Urordnungen. Eine Teufelsvorstellung kennt das Alte Testament nicht, da Satan stets als göttlicher Funktionär handelt, der Begriff Belial hingegen als Abstraktum gebraucht wird und keine mythische Person bezeichnet. 3. Zum Ausgangspunkt für die Entwicklung der Teufelsvorstellung im frühen Judentum wurde die Neugestaltung der Engelfallerzählung aus Gen 6 im Buch der Wächter. Zwar begegnet in dieser Schrift noch kein Teufelsglaube, da die gefallenen Engel keinen Anführer an ihrer Spitze haben, der als oberster personaler Repräsentant des Bösen bezeichnet werden kann. Jedoch wird der Ursprung des Bösen hier erstmals auf einen Bruch in der himmlischen Welt zurückgeführt. 4. Die Entstehung der Teufelsvorstellung ist dann aufs Engste damit verbunden, dass a. die Dämonen, deren Existenz nach dem Buch der Wächter eine Folge des Engelfalls ist, einen Anführer bekommen, und b. die Figur des alttestamentlichen Satans mit der Belialvorstellung des Alten Testaments verbunden, Satan mit Belial identifiziert wird. Beides ist erstmals im Jubiläenbuch der Fall. Der Fürst Mastema, der als von Gott abhängiger Gegenspieler Gottes dargestellt wird, übt die Herrschaft seines Willens mithilfe der ihm untergebenen Dämonen aus. Er wird sowohl Satan als auch Belchor (= Belial) genannt, fungiert in der Tradition des alttestamentlichen Satans als Ankläger der Menschen vor Gott und verursacht in der Tradition der alttestamentlichen Belialsvorstellung kriegerisches Chaos und Götzendienst unter den Söhnen Noahs. Zudem übernimmt er die dunkle Seite Gottes, wenn er Gott zur Prüfung Abrahams anstachelt, Mose auf dessen Weg nach Ägypten töten will und die Tötung der ägyptischen Erstgeburt übernimmt. Insofern der bevorzugte Teufelsname im Jubiläenbuch die mit Satan etymologisch verwandte Bezeichnung Mastema ist, kann die Teufelsfigur dieser Schrift insbesondere als Weiterentwicklung der alttestamentlichen Satansgestalt verstanden werden. Dagegen findet sich in den Texten aus Qumran und den TestXII, in denen Belial bzw. Beliar der bevorzugte Teufelsname ist, eine Weiterentwicklung der alttestamentlichen Belialsvorstellung. Belial, der in den TestXII mit Satan identifiziert wird, ist hier eine personale kosmische Macht, eine Verkörperung der Chaosmächte. Als solche kämpft er gegen Gott
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und dessen Ordnung. Zugleich jedoch gilt er als Geschöpf Gottes, das bei seinem verderbenbringenden Werk auf göttliche Duldung angewiesen ist. Insofern sein Wirken in der Endzeit als versucherische Prüfung für die Frommen interpretiert wird (1QS 1,16–18; 4QMidrEschat), ähnelt er dem alttestamentlichen Satan. Stellen weder das Jubiläenbuch, noch die Schriften aus Qumran und die TestXII den Teufel als ein von Gott abgefallenes Wesen dar, so wissen sie übereinstimmend, dass seine Zeit begrenzt ist: In der kommenden Heilszeit wird es keinen Satan mehr geben (Jub); Der Teufel wird vielmehr in der Endzeit von Gott gestürzt und vernichtet werden (vgl. z.B 1QM; 4QMidrEschat; TestXII). 5. Für die Weiterentwicklung der Teufelsvorstellung im frühen Judentum ist dann wesentlich, dass das Wirken Satans, das man nun bereits in paradiesischer Zeit beginnen lässt, zunächst auf dessen Neid zurückgeführt wird (SapSal), und sich dieses Neidmotiv sodann mit der Vorstellung von einem urzeitlichen Teufelssturz verbindet (ApkMos; VitAd). Der Teufel wird dadurch zu einer von Gott unabhängigen Macht. Wenngleich sein Sturz noch nicht auf seine vorzeitliche Hybris, auf seinen Griff nach göttlichem Rang zurückgeführt wird, so ist doch deutlich, dass er sich nicht nur gegen den Menschen wendet, sondern zugleich als Widersacher Gottes agiert, wenn er gegen die gottgegebene Herrschaftsordnung rebelliert und die gute Schöpfung Gottes verderben will. Von einem urzeitlichen Teufelssturz weiß auch die Apokalypse Abrahams zu berichten. Dieser steht jedoch nicht in Verbindung mit dem Neidmotiv, er erfolgt vielmehr aufgrund einer freien Entscheidung des Teufels, der seinen Platz im Himmel verlor, weil er die Erde lieb gewonnen und als Wohnsitz bevorzugt hat. Bereits der Name der Teufelsfigur der Apokalypse Abrahams, Asasel, deutet darauf hin, dass der Teufelssturz dieser Schrift sich aus der Tradition vom Sturz der Wächterengel entwickelt hat. 6. Eine andere Weiterentwicklung der Teufelsvorstellung findet sich im Testament Hiobs. Diese Schrift weiß nichts von einem urzeitlichen Teufelssturz. Jedoch ist hier die Vorstellung, dass der Teufel sich an die Stelle Gottes setzen möchte, die dann später im Luzifermythos expliziert wird, bereits implizit angelegt. Denn der Satan des Testament Hiobs gibt sich vor den Menschen als Gott aus, wenn er den ihm geweihten Tempel als „Haus des großen Gottes“ bezeichnet (TestHi 17,4), und setzt alles daran, von ihnen als Gott verehrt zu werden. Heidnische Götterverehrung wird hier als Satansdienst angeprangert. Auch von einem endzeitlichen Satanssturz berichtet das Testament Hiobs nichts. Der Teufel wird nicht durch ein kosmisches Geschehen am Ende der Zeit überwunden. Vielmehr ist es der einzelne Mensch, der ihn besiegen kann, indem er in seinem Kampf für Gott die Anschläge Satans geduldig erträgt. Der Satan verliert seine Macht über denjenigen, der nicht mehr an irdischen, sondern an himmlischen Dingen orientiert ist, so dass der Sieg über den Satan und die Überwindung der Welt in einem engen Zusammenhang miteinander stehen.
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3. Der Teufel bei Paulus und den Synoptikern 3.1 Der Teufel bei Paulus 3.1.1 Teufelsbelege und -bezeichnungen Der Begriff, den Paulus zumeist zur Bezeichnung des Teufels gebraucht, ist Σατανᾶς. Begegnet dieser Terminus in den authentischen Paulusbriefen284 insgesamt siebenmal (Röm 16,20; 1Kor 5,5; 7,5; 2Kor 2,11; 11,14; 12,7; 1Thess 2,18), so verwendet Paulus jeweils singulär auch ὁ θεὸς τοῦ αἰῶνος τούτου (2Kor 4,4), und ὁ πειράζων (1Thess 3,5) als Bezeichnungen für den Teufel. Schließlich könnte er auch bei dem ὀλοθρευτής (1Kor 10,10), den er bei der Vernichtung der während der Wüstenwanderung murrenden Israeliten am Werke sieht, an den Satan denken,285 und, wenn es sich bei 2Kor 6,14–7,1 um einen paulinischen Text handeln sollte,286 dann wäre Paulus der einzige neutestamentliche Schriftsteller, der den Teufel auch mit dem Namen βελιάρ benennt. Auffällig ist in jedem Fall das Fehlen von διάβολος in den paulinischen Briefen. Der dargestellte Überblick über die Teufelsbelege zeigt ein deutliches Ungleichgewicht bei der paulinischen Rede vom Teufel. Acht der elf angeführten Stellen entfallen auf die Korintherkorrespondenz, und davon finden sich wiederum fünf Belege im 2. Korintherbrief. Im Galater-, Philipper- und Philemonbrief findet sich hingegen kein Teufelsbeleg, wobei dies insbesondere bei den beiden erstgenannten Briefen bemerkenswert ist. Unter Voraussetzung der Ephesus-Hypothese, nach der Kapitel 16 des Römerbriefes kein ursprünglicher Bestandteil des paulinischen Briefes an die römische Gemeinde ist,287 wäre auch Röm ein „satansfreies“ Schreiben. Doch auch ohne diese literarkritische Voraussetzung ist auffällig, dass an theologisch bedeutsamen Stellen des Römerbriefes, an denen Paulus intensiv über die Ursprünge des Bösen reflektiert, der Satan nicht erwähnt wird. Nicht ohne Grund wurde daher geurteilt, dass Satan bei Paulus nur
284 Die paulinische Satanologie wird im Folgenden nur aus den sieben in ihrer Authentizität unumstrittenen paulinischen Briefen erschlossen. Dies sind in ihrer kanonischen Reihenfolge: Röm, 1Kor, 2Kor, Gal, Phil, 1Thess, Phm. 285 So etwa G. Theißen, Monotheismus, 2011, 56. 286 Der paulinische Ursprung des Abschnitts 2Kor 6,14–7,1 wird in der Forschung häufig in Frage gestellt. Die wichtigsten Gründe dafür sind, dass die Verse (1) den Übergang zwischen 6,13 und 7,2 massiv stören und (2) viele Begriffe enthalten, die bei Paulus sonst gar nicht, oder nur sehr selten begegnen. Einen knappen Überblick über die in der Forschung bezüglich der Integrität und Authentizität des Abschnitts vertretenen Positionen bietet Th. Schmeller, Korinther, 2010, 369. 287 Zur Ephesus-Hypothese und ihren Variationen vgl. W.-H. Ollrog, Abfassungsverhältnisse, 1980, 221–226 und die in Anm. 1 genannte Literatur.
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eine marginale Rolle spiele288 und dass seine Funktionen auf die Sünde übertragen worden seien.289 Offensichtlich ist jedoch auch, dass Paulus ganz selbstverständlich mit der Existenz Satans rechnete290 und bei den überwiegend heidenchristlichen Adressaten seiner Briefe ein Wissen um dessen Wesen und Wirken voraussetzen konnte: Ohne dies näher erläutern zu müssen, weist er die Korinther beispielsweise an, einen Blutschänder dem Satan zu übergeben (1Kor 5,5) und erinnert sie im Zuge seiner Polemik gegen die ψευδαπόστολοι daran, dass auch Satan sich gelegentlich in einen Engel des Lichts verwandelt (2Kor 12–15). Bemerkenswert ist dies deshalb, weil zumindest diejenigen Griechen, die vor ihrer Bekehrung nicht zu den σεβόμενοι zählten, vor ihrer Begegnung mit Paulus kaum etwas von Satan gehört haben dürften. Erst Paulus wird sie mit dieser Gestalt vertraut gemacht haben. Deutet dies, wie G. Williams zu Recht feststellt,291 darauf hin, dass Satan für Paulus zumindest nicht vollkommen ohne Bedeutung war, so soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, wie Paulus über Satan dachte, welche Ziele und welches Vorgehen er ihm nachsagte und welchen Aspekt der frühjüdischen Teufelsvorstellung er besonders betonte. Hierzu sollen die Satansbelege in den einzelnen paulinischen Briefen zunächst diskutiert292 und anschließend systematisierend zusammengefasst werden.
3.1.2 Der Glaube der Gemeinde und die eschatologischen Heilsgüter des Paulus als Angriffsziele Satans (1Thess) Paulus verfasste seinen ältesten erhaltenen Brief an die Gemeinde von Thessa lonichi im Jahre 50 oder 51 n. Chr. gemeinsam mit Silvanus und Timotheus (1Thess 1,1) in Korinth.293 Bereits seit ihrer Gründung, die zur Zeit der Abfassung des Briefes nicht lange zurück lag,294 hatte die Gemeinde ernstzunehmende 288 So etwa H. Conzelmann, Grundriss, 21968, 35; E. Lohmeyer, Sünde, 1954, 87, inklusive Anm. 1. 289 Vgl. M. Dibelius, Geisterwelt, 1909, 119–124, der urteilt, Paulus kenne einen Dämon „Sünde“, der an die Stelle des Satans trete. 290 Vgl. H. Haag, Teufelsglaube, 1974, 347. 291 Vgl. G. Williams, Spirit, 2009, 102, inkl. Anm. 61. 292 Nicht berücksichtigt werden dabei 1Kor 10,10, da nicht eindeutig ist, ob Paulus bei dem ὀλοθρευτής tatsächlich an den Satan denkt, und 2Kor 6,15, da die paulinische Herkunft des Abschnitts 6,14–7,1 zumindest zweifelhaft ist. 293 Zu Entstehungszeit und Ort des 1Thess vgl. U. Schnelle, Einleitung, 42002, 62, so wie die dort Anm. 98 genannte Literatur. 294 Der paulinische Gründungsaufenthalt in Thessalonichi dürfte in das Spätjahr 49 bzw. Frühjahr 50 n. Chr. zu datieren sein (vgl. P. Vielhauer, Geschichte, 1985, 82: „in der zweiten Hälfte des Jahres 49“; U. Schnelle, Paulus, 2003, 178: „Der Gründungsaufenthalt fällt dann in das Jahr 49/50 n. Chr.“). Dass christliche Missionare in Thessalonichi nach Apg 17,6 als Aufrührer der ganzen Welt (οἱ τὴν οἰκουμένην ἀναστατώσαντες) bezeichnet wurden, ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass in der Stadt gerade die Nachricht vom Claudiusedikt (49 n. Chr.) eingetroffen war (vgl. G. Theißen, Testament, 2006, 40).
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Anfeindungen durch ihre Umwelt zu ertragen (1Thess 1,6; 2,13 f.; vgl. auch Apg 17,5–9). War Paulus aufgrund dieser Bedrängnisse um den Glauben der Gemeinde besorgt (1Thess 3,5), so berichtet er den Thessalonichern in 2,17 f. von seinen wiederholten leidenschaftlichen Bemühungen zu ihnen zu kommen, deren Gelingen jedoch vom Satan verhindert wurde (καὶ ἐνέκοψεν ἡμᾶς ὁ Σατανᾶς; 2,18). Wurde viel über die konkreten Hinderungsgründe gerätselt, für die Satan hier als Chiffre steht, so bleiben die Lösungsversuche295 letztlich Spekulation.296 Sicherer lässt sich sagen, welche Ziele Satan nach Meinung des Paulus verfolgt, wenn er seinen Besuch bei den Thessalonichern verhindert: Sendet Paulus Timotheus als seinen Stellvertreter, um die Gemeinde angesichts der Bedrängnisse zum Vorteil ihres Glaubens (ὑπὲρ τῆς πίστεως) zu stärken (στηρίξαι) und zu ermutigen (παρακαλέσαι), so dass niemand ins Wanken gerät (τὸ μηδένα σαίνεσθαι; 3,2 f.), so übernimmt dieser die Aufgabe, die Paulus ursprünglich persönlich erledigen wollte. Satans Ziel war somit das genaue Gegenteil: Zum Nachteil des Glaubens der Gemeinde wollte er verhindern, dass Paulus sie stärke und ermutige, so dass bestenfalls die ganze Gemeinde ins Wanken gerate. Ohne den Beistand ihres Apostels, so befürchtete Paulus, wollte Satan die Thessalo nicher als Versucher (ὁ πειράζων) ungestört versuchen (3,5), um sie zum Abfall vom Glauben zu bewegen. Primäres Angriffsziel Satans ist somit der Glaube der Gemeinde. Wie Paulus sich das versuchende Handeln des Teufels genau vorstellt, sagt er in seinem Brief an die Thessalonicher nicht explizit, doch versteht er die Bedrängnisse, in denen sich die Gemeinde befindet, interessanterweise nicht als Versuchungen Satans: Denn von den Bedrängnissen der Gemeinde weiß der Apostel und er spricht von ihnen als einem Faktum. Dass die Gemeinde von Satan in Versuchung geführt werde, ist hingegen, wie die 3,5 verwendete Konjunktion μή πως zeigt, nur eine Befürchtung, die Paulus vor der Rückkehr des Timotheus hatte:297 Satan, so meint Paulus, kann seine versuchende Kraft insbesondere in Situationen äußerer Bedrängnis einsetzen, ist jedoch nicht deren Ursache. Das nur schwer zu übersetzende Verb σαίνεσθαι298 in 3,3 lässt möglicherweise erkennen, wie Paulus sich dieses satanische Versuchen in Bedrängnissen vorstellte. Der im 295 Vgl. die Aufzählung der diskutierten Hinderungsgründe bei E. Dobschütz, Thessalonicher-Briefe, 1909, 124; H. Schlier, Apostel, 1972, 45. 296 Vgl. bereits O. Everling, Angelologie, 1888, 77, der feststellt: „Welcher Art die verhindernden Umstände waren, darüber lassen sich nur Vermutungen aussprechen, […]“; Auch E. Dobschütz, Thessalonicher-Briefe, 1909, 124 hält es für die wissenschaftlich korrekteste Lösung, auf eine Näherbestimmung der Hinderungsgründe zu verzichten, und T. Holtz, Thessalonicher, 1986, 117 bezeichnet alle diesbezüglichen Versuche als „hoffnungslose Raterei“. 297 Vgl. T. Holtz, Thessalonicher, 1986, 129. 298 Zur folgenden Begriffsgeschichte von σαίνω vgl. E. Dobschütz, Thessalonicher-Briefe, 1909, 133 f., inklusive Anm. 3; F. Lang, Art. σαίνω, 1964, 54–56.
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NT nur an dieser Stelle belegte Terminus meint ursprünglich das Schwanzwedeln bei Hunden und wurde von hier aus im Sinne von schmeicheln/schöntun gebraucht. Legt dieser übliche griechische Sprachgebrauch für das in 3,3 gebrauchte Passiv die Bedeutung „sich betören lassen“ nahe, so ist es „die Tatsache, dass die alten Übersetzungen (lat: moveatur) und die griechischen Ausleger das Wort ausnahmslos im Sinn von bewegt, erschüttert, beunruhigt werden verstehen“,299 aufgrund derer sich auch die Mehrheit der heutigen Exegeten für diese Übersetzung entscheidet.300 Bedenkt man jedoch, dass Paulus auch Röm 16,17–20 und 2Kor 11,13–15 der Sache nach auf den betörenden Glanz Satans anspielt, so ist es m. E. naheliegend, dass auch bei σαίνεσθαι in 1Thess 3,3 die Bedeutung „betört werden“ zumindest mitschwingt und dass das Betören die Art und Weise ist, durch die der Versucher die Gemeinde in Bedrängnissen versucht. Es ist dann die Welt außerhalb der Gemeinde, der Abfall von der Gemeinde, durch den die thessalonichen Christen sich der Bedrängnisse entledigen könnten,301 und in dem Satan sich ihnen somit in positiver Gestalt zeigt, um sie ins Verderben zu stürzen. Wurde bisher der Glaube der Thessalonicher als primäres Angriffsziel des paulinischen Satans bezeichnet, so deutet Paulus diesen Angriff auf den Glauben der Gemeinde zugleich als Angriff Satans auf seine persönlichen eschatologischen Heilsgüter. Dies verdeutlichen insbesondere die Verse 2,18 ff. Paulus bezeichnet die Thessalonicher in Vers 19 als seine Hoffnung (ἐλπίς), Freude (χαρά) oder seinen Ruhmeskranz (στέϕανος καυχήσεως) bei der Wiederkunft Christi und nennt sie in Vers 20 seine Herrlichkeit (δόξα) und erneut seine Freude. Auffällig ist dabei, dass drei dieser vier Begriffe bzw. ihre Antonyme, bereits in der Literatur des frühen Judentums im Zusammenhang mit dem Teufel begegnen: Adam verliert seine ursprüngliche Herrlichkeit (δόξα) aufgrund der Verführung durch den Teufel,302 die Trauer der Menschen wird häufig als Folge teuflischen Wirkens genannt,303 und zur Zeit da Adam in Freude sein wird, wird der Teufel in Trauer sein (ApkMos 39). Schließlich wird Hiob für geduldiges Ausharren im Kampf gegen Satan der Siegeskranz verheißen (ὁ στέϕανος; TestHi 4,10). Ist somit anzunehmen, dass Paulus sich in den Versen 19 f. traditioneller Teufelssemantik bedient, ist es nahe liegend, das kausale γάρ in Vers 19 nicht nur als Begründung des paulinischen Begehrens, die Gemeinde zu besuchen, sondern zugleich als Begründung des Handelns Satans zu verstehen. Wollte Paulus
299 Ebd. 56 (Kursivsetzung im Original). 300 Vgl. z. B. E. Dobschütz, Thessalonicher-Briefe, 1909, 133 f.;. H. Schlier, Gemeinde, 1973, 50; W. Marxsen, Thessalonicher, 1979, 51.54.; T. Holtz, Thessalonicher, 1986, 127; E. Reinmuth, Thessalonicher, 132 f. 301 Vgl. F. Lang, Art. σαίνω, 1964, 55, der dieses Verständnis als plausibel ansieht, sich dann aber dagegen entscheidet. 302 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 2.5.1.4. 303 Vgl. unten Kapitel III, Abschnitt 3.2.1.
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die Thessalonicher besuchen, weil diese der Grund304 für seine Hoffnung, seine Freude und seinen Ruhm(eskranz) vor Gott sind, so verhindert Satan diesen Besuch aus eben demselben Grund. Er will Paulus die Gemeinde abspenstig machen und ihn somit seiner eschatologischen Heilsgüter berauben.
3.1.3 Irrlehrer als Handlanger Satans (Römer 16) Betrachtet man die paulinischen Briefe in kanonischer Reihenfolge, so zeigt bereits der erste Satansbeleg in Röm 16,20, dass der paulinische Satan darauf abzielt, die Einheit der Gemeinde zu zerstören und die Gläubigen zum Abfall von der rechten Lehre zu bewegen. Deshalb ermahnt Paulus in Röm 16,17 die Brüder in Rom bzw. Ephesus305 sich vor denjenigen in Acht zu nehmen, die Spaltungen (τὰς διχοστασίας) und Ärgernisse (τὰ σκάνδαλα) gegen die erlernte Lehre (παρὰ τὴν διδαχὴν ἣν ὑμεῖς ἐμάθετε) verursachen. Dass diese „Irrlehrer“ von Paulus als Funktionäre Satans angesehen werden und somit V. 20, nicht V. 19, Abschluss der in V. 17 begonnenen Ermahnung vor Irrlehrern ist,306 ergibt sich aus der Darstellung ihres Vorgehens in V. 18: Versuchen sie durch schöne und prächtige Reden (διὰ τῆς χρηστολογίας καὶ εὐλογίας), die Herzen der Arglosen (τὰς καρδίας τῶν ἀκάκων) zu täuschen (ἐξαπατῶσιν), so handeln sie eindeutig satanisch. Denn der Begriff ἀπατᾶν bzw. ἐξἀπατᾶν ist traditioneller Terminus zur Beschreibung satanischen Wirkens,307 und das Hendiadyoin χρηστολογίας und εὐλογίας308 stellt die Irrlehrer als solche dar, die sich, wie Satan in ApkMos, VitAd und an anderer Stelle der paulinischen Briefe (2Kor 11,14), den Menschen als Boten Gottes präsentieren. Versteht Paulus die Irrlehrer somit eindeutig als Handlanger Satans, so ist bemerkenswert, dass er sie als Menschen kennzeichnet, die nicht Christus, sondern „ihrem eigenen Bauch“ dienen: οἱ γὰρ τοιοῦτοι τῷ κυρίῳ ἡμῶν Χριστῷ οὐ δουλεύουσιν ἀλλὰ τῇ ἐαυτῶν κοιλίᾳ (Röm 16,18). Zwar ist nicht mit letz-
304 Vgl. T. Holtz, Thessalonicher, 1986, 117. 305 Die Frage, ob Röm 16 an die römische oder die Gemeinde von Ephesus gerichtet ist, kann hier vernachlässigt werden, da sie für das Verständnis der paulinischen Satansvorstellung von untergeordnetem Interesse ist. Wird Röm 16,17–20 gelegentlich als Interpolation an gesehen, so ist dieser Vermutung zu widersprechen. Die Verse lassen „sich durchaus mit den Gepflogenheiten paulinischer Epistolographie in Deckung bringen […]“ (J. Dochhorn, Paulus, 2007, 190) und ebenso widersprechen die Aussagen über Satan den übrigen paulinischen Satansbelegen in keiner Weise. 306 Gegen C. E. B. Cranfield, Romans 2, 1983, 803, der 16,20 nicht im Zusammenhang mit der in 17–19 besprochenen Irrlehrerthematik versteht und diesen Vers als „a promise of much more far- reaching significance“ bezeichnet. 307 Vgl. z. B. TestHi 3,3; 3,6; 26,6; ApkMos 9,3; 15,1; 16,5; 23,4; 30,1; 39,2; ApkSedr 4,5. 308 Zu χρηστολογία und εὐλογίa als Hendiadyoin vgl. z. B. U. Wilckens, Römer, 42008, 142, Anm. 678.
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ter Sicherheit zu bestimmen, was Paulus mit dieser Wendung meint,309 doch ist es, bedenkt man die weite Verbreitung der metaphorischen Rede vom (Sklaven-) Dienst an den Begierden in der hellenistischen Antike310 am wahrscheinlichsten, dass er die κοιλία hier im Sinne griechischer Tradition als Sitz der Begierde versteht.311 Die engste diesbezügliche Parallele zu Röm 16,18a findet sich in TestAss 3,2. Teilt Asser seinen Söhnen hier bezüglich der Doppelgesichtigen mit: οἱ διπρόσωποι οὐ θεῷ ἀλλὰ ταῖς ἐπιθυμίαις αὐτῶν δουλεύουσιν, ἵνα τῷ Βελιὰρ ἀρέσωσι καὶ τοῖς ὁμοίοις αὐτῶν ἀνθρώποις, so sind die sachlichen Parallelen zwischen beiden Texten kaum zu übersehen. Zunächst können auch die paulinischen Irrlehrer, freilich in anderer Weise als in TestAss, als „Doppelgesichtige“ (διπρόσωποι) angesehen werden, insofern sie sich χρηστολογίας und εὐλογίας redend vor den Menschen in anderer Weise präsentieren, als sie tatsächlich sind. Sodann wird von den Doppelgesichtigen bzw. den Irrlehrern ausgesagt, dass sie nicht Gott bzw. nicht Christus dienen (δουλεύουσιν), sondern (ἀλλά) ihren Begierden (ταῖς ἐπιθυμίαις αὐτῶν) bzw. ihrem Bauch (τῇ ἑαυτῶν κοιλίᾳ), und schließlich stehen sowohl die Doppelgesichtigen aus TestAss als auch die paulinischen Irrlehrer in Verbindung mit Beliar bzw. Satan. Sieht Paulus Funktionäre Satans zugleich als Menschen an, die ihren Begierden dienen, so zeigt sich, dass er Satan und Begierden in enger Verbindung zueinander versteht. Stellt Paulus nun in Röm 16,20 fest, dass der Gott des Friedens den Satan in Kürze unter die Füße der Gläubigen zertreten wird, so sehen viele Exegeten trotz der nicht unerheblichen Unterschiede beider Texte312 darin einen direkten oder indirekten Rekurs auf Gen 3,15.313 Ein solcher Bezug auf das sog. Protevangelium ist zwar möglich, jedoch weder zwingend noch sonderlich wahrscheinlich: Bedenkt man das häufige Vorkommen des Motivs vom Zertreten des Feindes unter den Füßen sowohl in der israelitischen, als auch in der griechisch 309 Die Wendung wird in der Literatur unterschiedlich verstanden. Nach H. W. Schmidt, Römer, 1962, 257, sind die ihrem Bauch Dienenden solche, die „materielle Vorteile im Auge haben.“ U. Wilckens, Römer, 42008, 142, versteht sie als Menschen, die sich selbst dienen, und W. Schmithals, Römerbrief, 1988, 561 denkt unter Verweis auf 3Makk 7,11 an Libertinisten. J.Behm, Art. κοιλία, 1938, 788, versteht die Irrlehrer dagegen als Judaisten, die die Bedeutung der Speisegesetze betonen. Verbreitet ist ferner die Deutung, nach der „Bauch“ hier das meint, „was Paulus sonst mit ‚Fleisch‘ bezeichnet“ O. Michel, Römer, 51978, 480; vgl. ferner z. B. E. Lohse, Römer, 2003, 413; H. Schlier, Römerbrief, 31987, 448. 310 Vgl. G. Röhser, Metaphorik, 1985, 106 und die dort angegebenen Belegstellen. 311 Zur griechischen Tradition von der κοιλία als Sitz der Begierde vgl. beispielsweise die platonische Tradition bei Philo Leg 3,115: τῷ δὲ ἐπιθυμητικῷ τὸν περὶ τὸ ἦτρον καὶ τὴν κοιλίαν τόπον, ἐνταῦθα γὰρ κατοικεῖ ἐπιθυμία, ὄρεξις ἄλογος. Vgl. ferner J. Behm, Art. κοιλία, 1938, 786 f.; R. Jewett, Romans, 2007, 991. 312 Für die wichtigsten Unterschiede zwischen Gen 3,15 und Röm 16,20a vgl. J. Dochhorn, Paulus, 2007, 195 f. 313 Für einen Überblick über die unterschiedlichen Positionen und ihre Vertreter vgl. ebd. 192 f., Anm. 5.
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römischen Tradition,314 so ist ebenso gut vorstellbar, dass Paulus sich hier eines allgemein verbreiteten Siegesmotivs bedient, um den kurz bevorstehenden Sieg der Gemeinde über Satan zum Ausdruck zu bringen. Dafür spricht auch, dass es gerade der Gott des Friedens (ὁ θεὸς τῆς εἰρήνης) ist, der Satan nach 16,20 martialisch unter die Füße der Gläubigen zermalmen wird, was stark an römische Münzen erinnert, auf denen die Friedensgöttin Pax mit Lanze und Lorbeerkranz abgebildet ist, die „ihren Fuß triumphierend auf den Nacken eines besiegten Feindes stellt.“315 Nur in Röm 16,20 handelt Paulus explizit von der endgültigen Vernichtung Satans. Diese datiert er in die Zeit der Parusie,316 in die Zeit, in der Christus alle Herrschaft, alle Macht und Gewalt vernichten wird, in der ihm von Gott alle Feinde (πάντας τοὺς ἐχθροὺς) und, alles (πάντα) unter die Füße gelegt wird (ὑπέταξεν ὑπὸ τοὺς πόδας αὐτοῦ/ vgl. 1Kor 15,24 ff.). Die in 1Kor 15,24–27 verwendete Bildwelt ist der von Röm 16,20 sehr ähnlich: Hier wie dort wird der zu erwartende Sieg durch das Bild ausgedrückt, dass Gott die jeweils unterliegende Partei unter die Füße der siegreichen Partei legt. Der Unterschied, dass in Röm 16,20 von einer Unterwerfung unter die Füße der Gemeindeglieder, in 1Kor 15,24–27 aber von einer Unterwerfung unter die Füße Christi die Rede ist, relativiert sich, bedenkt man, dass das „Sein in Christus“ und die „Leib Christi“ Vorstellung Basismetaphern paulinischer Ekklesiologie sind.317 Denjenigen, die ἐν Χριστῷ sind, die in das σῶμα Χριστοῦ inkorporiert wurden, wird das, was Christus von Gott unterworfen wird ebenfalls unterworfen bzw. von Gott unter den Füßen zertreten. Es ist somit naheliegend, dass Paulus den Satan unter die feindlichen Mächte, Herrschaften und Gewalten rechnet, die von Christus bei seiner Parusie vernichtet werden. Dass er Satan in engerer Verbindung mit dem zuletzt vernichteten Feind, dem Tod, sieht, lässt sich dabei nur vermuten.
3.1.4 Satan in Gestalt eines Lichtengels (2Kor 11,13–15) Wie Röm 16,20 agiert Satan auch 2Kor 11,13–15 durch Menschen und wie dort scheint er auch hier primär darauf abzuzielen, Zwiespalt zu stiften und die Gläubigen zum Verlassen der rechten Lehre zu veranlassen. Die genannten Verse sind Bestandteil des „Tränenbriefes“, den Paulus 2Kor 2,4 erwähnt und der in
314 Vgl. R. Jewett, Romans, 2007, 994. 315 P. v. Gemünden, Friede, 2009, 69. 316 Dass sich die in 16,20 angekündigte Vernichtung des Satans einzig auf die baldige Niederlage der Irrlehrer in der Gemeinde bezieht und hier also ein innergeschichtliches Datum anvisiert ist, wie z. B. W. Schmithals, Römerbrief, 1988, 562, ist wenig überzeugend. Für einen Bezug auf das Ende der Geschichte plädieren etwa H. W. Schmidt, Römer, 1962, 259; O. Michel, Römer, 51978, 482 f. 317 Vgl. U. Schnelle, Paulus, 2003, 648 ff.
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den Kapiteln 2,14–7,4; 9; 10–13 des 2Kor in Auszügen erhalten sein dürfte.318 Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft Paulus in diesem Brief eine Gruppe von Missionaren, deren religiöse Identität nicht mit Sicherheit zu bestimmen ist.319 Diese von Paulus ironisch als „Überapostel“320 (ὑπερλίαν ἀπόστολοι/ 11,5; 12,11) bezeichneten Männer scheinen jedoch mit ihrer „Irrlehre“ in Korinth nicht wenig Erfolg gehabt und weite Teile der Gemeinde von ihrem Apostel entfremdet zu haben. Grund für diesen Erfolg dürfte insbesondere die Fähigkeit der paulinischen Gegner zur Selbstinszenierung gewesen sein. Die Korinther jedenfalls scheinen von ihren rhetorischen Fähigkeiten (10,10), ihren Wundertaten (12,11 f.) und ekstatischen Erfahrungen (12,1 ff.)321 beeindruckt gewesen zu sein, so dass ihnen das persönliche Auftreten des Paulus als vergleichsweise schwächlich (10,10) erschien.322 Wurde dem Apostel ferner sein Verzicht, sich von der Gemeinde unterhalten zu lassen, als Zeichen mangelnder Liebe zur korinthischen Gemeinde ausgelegt (12,11 ff.),323 so ließen sich die paulinischen Gegner finanziell unterstützen, was von den Korinthern möglicherweise als Zeichen der Höherwertigkeit ihrer Lehre interpretiert wurde.324 Paulus aber war entschlossen auch weiterhin auf finanzielle Unterstützung der Korinther zu verzichten, um einen Unterschied zu seinen Gegnern zu wahren und diesen keinen Anlass zu der Behauptung zu geben, sie könnten die gleichen apostolischen Ansprüche geltend machen wie er (11,12). Ihre apostolischen Ansprüche spricht Paulus ihnen dann grundsätzlich ab, indem er feststellt (11,13–15): 318 Wenngleich die Einheit des 2Kor von einigen Exegeten vertreten wird (vgl. beispielsweise U. Schnelle, Paulus, 2003, 253–262), ist literarkritische Arbeit an diesem Brief aufgrund der massiven Spannungen zwischen den einzelnen Abschnitten m. E. unerlässlich. Die größte Plausibilität unter den verschiedenen literarkritischen Hypothesen kann dabei der von Weiß und Bultmann etablierte Lösungsversuch für sich beanspruchen, dem die vorliegende Arbeit folgt. Nach Bultmann sind 2,14–7,4; 9; 10–13 dem Tränenbrief zuzuordnen, auf den in 2Kor 2,4 angespielt wird, wogegen 1,1–2,13; 7,5–16; 8 dem anschließenden Versöhnungsbrief zugerechnet werden. Für weitere literarkritische Hypothesen zum 2Kor vgl. den Forschungsüberblick von R. Bieringer, Teilungshypothesen, 1994, 67–105, so wie das neue literarhistorische Modell von E. M. Becker, Schreiben, 2002, 94–102. 319 Zu den unterschiedlichen Versuchen, die Gegner religionsgeschichtlich einzuordnen vgl. U. Schnelle, Paulus, 2003, 280 f. 320 Das Adverb ὑπερλίαν ist eine paulinische Wortprägung, bei der der Apostel ὑπερ (= über) und λίαν (= sehr viel) verschmolz. Die ὑπερλίαν ἀπόστολοι sind also die „Über-alles Maß-Apostel“. Vgl. dazu P. Lampe, Worte, 2007, 235 f., der anmerkt: „Der Gründer der korinthischen Gemeinde wird in sich hineingegrinst haben, als er diesen Begriff ersann.“ 321 Vgl. G. Theißen, Testament, 2006, 52. 322 Vgl. ebd. 50; 52. 323 Vgl. U. Schnelle, Paulus, 2003, 279. 324 Vgl. ebd. Anm. 80: „Wenn ein Philosoph kein Geld nahm, konnte dies als ein Zeichen für die Wertlosigkeit seiner Lehre gelten; vgl. Xenophon, Memorabilia I 6,12, wo Antiphon zu Sokrates sagt: ‚Es ist nun doch wohl klar, daß du auch für deinen Unterricht nicht weniger als den Geldwert verlangen würdest, wenn du glaubtest, daß er etwas wert sei.‘“
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οἱ γὰρ τοιοῦτοι ψευδαπόστολοι, ἐργάται δόλιοι, μετασχηματιζόμενοι εἰς ἀποστόλους Χριστοῦ. 14 καὶ οὐ θαῦμα· αὐτὸς γὰρ ὁ Σατανᾶς μετασχηματίζεται εἰς ἄγγελον ϕωτός. 15 οὐ μέγα οὖν εἰ καὶ οἱ διάκονοι αὐτοῦ μετασχηματίζονται ὡς διάκονοι δικαιοσύνης· ὧν τὸ τέλος ἔσται κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν. 13
Verweist Paulus in V. 14 darauf, dass auch Satan sich in einen Engel des Lichts verwandelt, so kann nur schwer bezweifelt werden, dass er sich eines zu seiner Zeit bereits verbreiteten jüdischen Motivs bedient, das dann auch in ApkMos und VitAd325 begegnet.326 Interessant ist, dass er die Kenntnis dieses Motivs auch bei den Korinthern vorauszusetzen scheint. Dafür spricht zum einen die Knappheit, mit der er auf es verweisen kann, ohne es näher erläutern zu müssen, zum anderen aber auch, dass der paulinische Argumentationsgang kaum schlüssig wäre, hätten die Korinther noch nie von der Fähigkeit Satans gehört, sich in einen Engel des Lichts zu verwandeln: Stellt Paulus in V. 13 die Behauptung auf, dass sich seine Gegner nur als Apostel Christi verstellen, so verweist er in V. 14 auf die genannte Tradition, um durch einen Schluss a majore ad minus327 zu beweisen, dass diese Behauptung zutrifft. Dieser Beweisgang würde nun aber vollkommen ins Leere laufen und hätte bei den Korinthern gewiss nur ratloses Staunen hervorgerufen, wäre nicht das einzige „Argument“ ein nicht zu hinterfragendes gemeinsames Wissen zwischen Rezipient und Autor. Bedient sich Paulus in den zitierten Versen des genannten Motivs, so scheint ihn an Satan primär sein Vorgehen zu interessieren. Zwar wird man aus den Folgen, die das Wirken der von ihm als Diener Satans angesehenen ψευδαπόστολοι in Korinth hatte, indirekt auch auf die Ziele schließen dürfen, die Paulus Satan unterstellt – er will die Korinther vom paulinischen Evangelium und damit von Christus abbringen. Explizit aber sagt Paulus nur etwas über das Vorgehen Satans, darüber, dass dieser sich in eine positiv besetzte Figur verwandelt. Ist es generell richtig, dass dieses Motiv dazu dient, die Heimtücke satanischer Verführungskunst auszudrücken,328 so gebraucht es Paulus in seiner Auseinandersetzung mit den korinthischen Gegnern m. E. doch primär mit einer anderen Intention. Der Verweis auf die so geartete satanische Verwandlungsfähigkeit dient ihm hier zunächst als rhetorische Waffe, durch die er nicht nur versucht, die apostolischen Ansprüche seiner Gegner zu negieren, sondern auch, die Vorzüge, die sie ihm gegenüber hatten, in Nachteile zu verkehren: Den Glanz ihrer rhetorischen Fähigkeiten wollte der Apostel ebenso als satanischen Glanz ver-
325 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 2.5.1.6. 326 Vgl. z. B. H. Windisch, Korintherbrief, 1924, 341; R. Bultmann, Korinther, 1976, 210 f.; M. E. Thrall, Commentary 2, 2000, 695. 327 Vgl. C. Wolff, Korinther, 1989, 224; M. E. Thrall, Commentary 2, 2000, 696, Anm. 284. 328 Vgl. O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 775.
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dächtig machen wie den Glanz ihrer ekstatischen Erfahrungen und den Glanz ihrer Wundertaten. Der Stelle lässt sich freilich auch einiges über das Wesen entnehmen, das Paulus Satan zuschreibt. Ist von seiner Fähigkeit die Rede, sich in einen Engel des Lichts zu verwandeln, so wird ganz deutlich, dass er eben dies seinem Wesen nach für Paulus nicht ist. Muss selbst Kelly dieses Faktum einräumen, so relativiert er es sogleich, indem er feststellt, dass daraus nicht folgt, dass Paulus Satan als Engel der Finsternis verstehe, und darauf verweist, dass Paulus hier keinesfalls einen qumranischen Dualismus vertrete, „where the Angel of Light is opposed the Prince of Darkness.“329 Ist diese letzte Aussage fraglos zutreffend, so verdeutlicht doch das betont am Anfang stehende αὐτός, das hier mit „sogar“330 zu übersetzen ist, dass Paulus Satan in 11,14 als böses Wesen schlechthin versteht: Sogar der Satan, so lässt sich die Aussage paraphrasieren, verwandelt sich in einen Engel des Lichts, obgleich er doch dem Wesen nach das genaue Gegenteil dieser Gestalten ist.
3.1.5 Satan als Verursacher von Trauer (2Kor 2,5–11) Bereits mehrmals wurde im Voranstehenden darauf hingewiesen, dass Satan und Trauer (λύπη) in einigen frühjüdischen und urchristlichen Texten in einem engen Zusammenhang zueinander stehen. Dabei gilt, wie später331 noch ausführlich zu belegen sein wird, die Trauer häufig als Folge teuflischen Wirkens. Dass auch Paulus um den so gearteten Zusammenhang von Teufel und λύπη weiß, zeigt sich in 2Kor 2,5–11. Nach seinem etwa eineinhalb Jahre währenden Gründungsbesuch in Korinth (vgl. Apg 18,11) in den Jahren 50/51 n. Chr.332 und dem Beginn der Brief korrespondenz mit der korinthischen Gemeinde, besuchte der Apostel Korinth ein zweites Mal. Dieser sog. Zwischenbesuch verlief jedoch wenig erfolgreich: Paulus wurde von einem Gemeindeglied gekränkt (2Kor 2,5; 7,12) und reiste, da sich auch die Gemeinde nicht geschlossen hinter ihn gestellt hatte,333 aus Korinth ab. Daraufhin schrieb er den Tränenbrief (vgl. 2Kor 2,4), der vermutlich auszugsweise in 2Kor 2,14–7,4; 9; 10–13 erhalten ist, und ließ diesen von Titus nach Korinth bringen (vgl. 2Kor 7,6 f.). Dieser Brief verfehlte seine beabsichtigte Wirkung nicht, und Titus konnte Paulus bei seiner Rückkehr nach Ephesus von der
329 H. A. Kelly, Satan, 2006, 61. 330 Vgl. Bauer, Wörterbuch, 61988, 246. 331 Vgl. unten Kapitel III, Abschnitt 3.2.1. 332 Zur Begründung für die Datierung des Gründungsaufenthaltes in die Jahre 50/51 via Claudiusedikt, Gallio-Inschrift und Apg 18,11; 18 vgl. beispielsweise U. Schnelle, Paulus, 2003, 31; E. Ebel, Leben, 2006, 85. 333 Vgl. R. Bultmann, Korinther, 1976, 51; E. Gräßer, Korinther 1, 2002, 92.
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Reue der Korinther und ihrem Eifer für den Apostel berichten (vgl. 7,5–11). In eben dieser Situation verfasste Paulus einen Versöhnungsbrief, der vermutlich in 2Kor 1,1–2,13; 7,5–16; 8 erhalten ist und in dem er die vorangegangen Unstimmigkeiten mit den Korinthern reflektiert. Diesen Versöhnungsbrief durchzieht der Terminus λύπη/ λυπεῖν wie ein roter Faden.334 Bereits in seinem als Eulogie gestalteten ersten Abschnitt des Proömiums (1,3–7)335 preist Paulus Gott als „Gott allen Trostes“ (θεὸς πάσης παρακλήσεως/ 1,3) und erwähnt das tröstende Handeln Gottes an vier weiteren Stellen (V. 4 [2mal]; 5; 6). Begegnet λύπη somit bereits im Proömium implizit, so wird der Begriff in 2,1 erstmals explizit genannt und entwickelt sich im weiteren Verlauf des Schreibens zu dem zentralen Leitbegriff: Insgesamt fünfmal begegnet das Nomen λύπη, elfmal das Verb λυπεῖν in den verbleibenden 24 erhaltenen Versen des Abschnitts 2,1–13; 7,5–16. Darüber hinaus ist das Verb παρακαλεῖν fünfmal mit der Bedeutung „trösten“ belegt (2,7; 7,6 [2mal]; 7,7.13),336 zweimal begegnet das Nomen παράκλησις (7,7.13). Schließlich ist in 2,4 von den vielen Tränen des Paulus (πολλῶν δακρύων) und in 7,7 vom Klagen der Korinther die Rede (τὸν ὑμῶν ὀδυρμόν). Innerhalb dieser wenigen von der Trauerthematik ganz wesentlich bestimmten Verse erwähnt Paulus nun auch den Satan, und zwar im Kontext seiner Ausführungen über das zukünftige Verhalten der Korinther gegenüber demjenigen Menschen, der – so sieht es zumindest Paulus – die Trauer des Apostels, aber auch der Gemeinde überhaupt erst verursacht hatte. Diesbezüglich schreibt Paulus in 2Kor 2,5–11: Εἰ δέ τις λελύπηκεν, οὐκ ἐμὲ λελύπηκεν, ἀλλὰ ἀπὸ μέρους, ἵνα μὴ ἐπιβαρῶ, πάντας ὑμᾶς. 6 ἱκανὸν τῷ τοιούτῳ ἡ ἐπιτιμία αὕτη ἡ ὑπὸ τῶν πλειόνων, 7 ὥστε τοὐναντίον μᾶλλον ὑμᾶς χαρίσασθαι καὶ παρακαλέσαι, μή πως τῇ περισσοτέρᾳ λύπῃ καταποθῇ ὁ τοιοῦτος. 8 διὸ παρακαλῶ ὑμᾶς κυρῶσαι εἰς αὐτὸν ἀγάπην· 9 εἰς
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334 Vgl. E. Gräßer, Korinther 1, 2002, 87, der diese Terminologie gar als roten Faden des ganzen 2Kor bezeichnet. λύπη/ λυπεῖν findet sich aber gehäuft nur in den Abschnitten des 2Kor, die auch Gräßer dem Versöhnungsbrief zuweist. Das Nomen λύπη, das Paulus insgesamt neunmal verwendet, begegnet fünfmal im Rahmen des Versöhnungsbriefes (2,1.3.7; 7,10 [2mal]) und ist darüber hinaus im 2Kor nur noch einmal belegt (9,7; weitere Belege: Röm 9,2; Phil 2,27 [2mal]). Ähnlich findet sich von den 12 Belegen des Verbes λυπεῖν im 2Kor nur einer außerhalb des Versöhnungsbriefes (2,2 [2mal]; 4,5 [2mal]; 6,10; 7,8 [2mal]; 7,9 [3mal]; 7,11; weitere paulinische Belege: Röm 14,15; 1Thess 4,13). 335 Der Umfang des Proömiums des 2Kor wird unterschiedlich bestimmt. Einige lassen das Briefcorpus aufgrund der sog. „disclosure Formel“ (Οὐ γὰρ θέλομεν ὑμᾶς ἀγνοεῖν) mit Vers 8 beginnen. Da die Verse 8–11 jedoch zahlreiche Merkmale eines Proömiums aufweisen (vgl. die Aufzählung bei H. M. Wünsch, Brief, 1996, 164 ff.), ist der Lösung, die das Briefcorpus erst mit V. 12 beginnen lässt, der Vorzug zu geben (vgl. z. B. E. Gräßer, Korinther 1, 2002, 52 f.). Innerhalb des Proömiums hat die „disclosure Formel“ freilich eine gliedernde Funktion (vgl. H.M Wünsch, Brief, Münster 1996, 164). 336 Ein weiteres Mal begegnet παρακαλεῖν in 2,8. Hier jedoch mit der Bedeutung „ermahnen“.
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τοῦτο γὰρ καὶ ἔγραψα, ἵνα γνῶ τὴν δοκιμὴν ὑμῶν, εἰ εἰς πάντα ὑπήκοοι ἐστε. 10 ᾧ δέ τι χαρίζεσθε, κἀγώ· καὶ γὰρ ἐγὼ ὃ κεχάρισμαι, εἴ τι κεχάρισμαι, δι᾽ ὑμᾶς ἐν προσώπῳ Χριστοῦ, 11 ἵνα μὴ πλεονεκτηθῶμεν ὑπὸ τοῦ Σατανᾶ· οὐ γὰρ αὐτοῦ τὰ νοήματα ἀγνοοῦμεν.
Spricht Paulus in V. 11 von den νοήματα des Satans und davon, dass ihm diese nicht unbekannt sind, so teilt er dieses Wissen leider nicht explizit mit. Vielmehr scheint er es bei seinen Lesern vorauszusetzen. Aufgrund der zentralen Be deutung der Trauerthematik im Versöhnungsbrief und der noch aufzuzeigenden traditionellen Verbindung von Satan und λύπη lässt sich jedoch vermuten, dass Paulus bei seinem Verweis auf die Absichten Satans primär an das Verursachen von Trauer bei den Menschen denkt. Diese Vermutung bestätigt sich auch bei einem genaueren Blick auf die zitierten Verse, denn der negierte Finalsatz in V. 11 ist, wie insbesondere der Plural πλεονεκτηθῶμεν zeigt, nicht nur Begründung für das vergebende Verhalten des Paulus, von dem in V. 10 die Rede ist, sondern zugleich für das in V. 7 von den Korinthern geforderte vergebende und tröstende Verhalten gegenüber dem τις:337 Würden die Korinther dem τις nicht vergeben und ihn nicht trösten, so wären sie vom Satan übervorteilt worden, der τις würde durch die περισσοτέρα λύπη verschlungen und Satan hätte seine νοήματα durchgesetzt. Dabei ist zu beachten, dass das Übervorteiltwerden durch Satan nicht mit dem Verschlungenwerden durch die περισσοτέρα λύπη zu identifizieren ist, denn sonst müsste V. 11 in Parallele zu V. 7 ἵνα μὴ πλεονεκτηθῇ ὑπὸ τοῦ Σατανᾶ formuliert sein.338 Vielmehr wäre das Verschlungenwerden des τις durch die περισσοτέρα λύπη für Paulus die Folge einer vom Satan übervorteilten Gemeinde: Satan ist nicht mit der περισσοτέρα λύπη identisch, sondern ihr Verursacher. Was aber versteht Paulus dann unter dem Übervorteiltwerden der Gemeinde und seiner selbst durch Satan? Versucht man zur Beantwortung dieser Fragen die in den zitierten Versen besprochene Situation zu rekonstruieren, so ist zunächst festzustellen, dass vieles undurchsichtig bleibt: Die Identität des τις, auf den in V. 5 angespielt wird, lässt sich ebenso wenig ermitteln339 wie das konkrete Vergehen, das dieser gegen 337 Dass V. 11, das in V. 7 von den Korinthern geforderte Verhalten begründen soll, setzen u. a. die folgenden Interpretationen stillschweigend voraus: O. Everling, Angelologie, 1888, 49; R. Bultmann, Korinther, 1976, 54; H. J. Klauck, 2Korintherbrief, 31994, 30; M. E. Thrall, Commentary 1, 1994, 181; J. Leonhardt-Balzer, Gestalten, 2007, 226. Expliziert wird dieser Rückbezug von V. 11 bei E. Gräßer, Korinther 1, 2002, 96; M. J. Harris, second Epistle, 2005, 233. 338 Vgl. H. Windisch, Korintherbrief, 1924, 91, der meint V. 11a habe etwas Überraschendes an sich, da eigentlich die oben angeführte Wendung zu erwarten sei. 339 Die Ansicht der älteren Exegese, es handele sich um den Blutschänder aus 1Kor 5,1–5, ist, wenngleich sie in jüngerer Zeit von B. Bosenius, Abwesenheit, 1994, 31–36 erneut vertreten wurde, kaum haltbar. Für die nach wie vor gültige Widerlegung dieser Identifikation vgl. R. Bultmann, Korinther, 1976, 51 f.; V. P. Furnish, Corinthians, 1984, 164–166.
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Paulus begangen hatte, und auch die Art der Strafe,340 die ihm von der Mehrheit der korinthischen Gemeinde auferlegt wurde, bleibt unklar. Deutlich wird hingegen, dass die verhängte Strafe ihre gewünschte Wirkung nicht verfehlt hat: Sie hat bei dem τις eine zur Reue führende κατὰ θεὸν λύπη (vgl. 7,10) bewirkt, und eben deshalb sieht Paulus sie als ausreichend (ἱκανόν) an und ermahnt die Korinther, den τις nun nicht mehr zu bestrafen, sondern im Gegenteil, ihm zu vergeben und ihn zu trösten. Würde man sich jetzt nicht so verhalten, würde man den τις weiterhin strafen, so wäre man vom Satan übervorteilt worden, wäre unter den Einfluss einer Macht gekommen, die im vorliegenden Fall ebenfalls darauf aus ist zu bestrafen, jedoch nicht um den Bestraften zur Reue zu führen, sondern um ihn, in die περισσοτέρα λύπη zu stürzen.341 Auch hier begegnet somit der Gedanke, dass das Satanische dem Göttlichen zum Verwechseln ähnlich ist: Das Verhalten, zu dem Satan die Korinther verleiten möchte, entspricht von außen betrachtet genau dem Verhalten, das sie bis dato dem Willen Gottes entsprechend geübt hatten. Unverkennbar ist hier ferner eine Ähnlichkeit des paulinischen Satans zum Satan bei Sacharja: Wie dieser fordert auch der paulinische Strafe, wo Vergebung und Gnade angezeigt sind. Will Satan die περισσοτέρα λύπη des τις verursachen, so zielt er damit letztlich darauf ab, ihn ins eschatologische Verderben zu stürzen. Dies deutet zunächst die Formulierung μή πως τῇ περισσοτέρᾳ λύπῃ καταποθῇ ὁ τοιοῦτος an. Denn das Verb καταπίνειν, dessen sich Paulus hier bedient, hat einen scharfen Ton. In LXX dient es zumeist der Übersetzung von [lB (verschlucken; verschlingen),342 und es meint im NT „einen totalen, Endgültiges setzenden Vorgang, und zwar im negativen Sinn einer feindlichen Vernichtung.“343 Der eschatologische Charakter dieser Vernichtung durch Verschlingen zeigt sich an den beiden übrigen Stellen, an denen Paulus das Verb καταπίνειν verwendet, recht deutlich. Es begegnet in 1Kor 15,54, wo Paulus, Jes 25,8 zitierend, von der endzeitlichen Vernichtung des Todes handelt (κατεπόθη ὁ θάνατος εἰς νῖκος), es findet sich sodann in 2Kor 5,4, wo Paulus wohl ebenfalls im Blick auf die Parusie344 ganz ähnlich wie 1Kor 15,54 vom eschatologischen Verschlungenwerden des Sterblichen durch das Leben spricht. Legt sich schon von hier aus nahe, dass das Verschlungenwerden des τις letztlich dessen eschatologische Vernichtung bedeutet, so spricht dafür auch, dass für Paulus die Verbindung von λύπη mit eschatologischem Tod und Verderben nicht untypisch zu sein scheint. Dies verdeutlichen zunächst zwei Belege des Verbs λυπεῖν außerhalb des 2Kor. In Röm 14,15 weiß Paulus darum, dass man 340 Ἑπιτιμία ist neutestamentliches Hapax legomenon. 341 Für ein ähnliches Verständnis der paulinischen Rede vom Übervorteiltwerden durch den Satan plädiert M. J. Harris, second Epistle, 2005, 234. 342 Vgl. L. Goppelt, Art. καταπίνω, 1959, 158. 343 Ebd. 159. 344 Vgl. z. B. R. Bultmann, Korinther, 1976, 140; E. Gräßer, Korinther 1, 2002, 189.
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den Bruder dadurch, das man ihn traurig macht, ins Verderben stürzen kann. Nach 1Thess 4,13 sind die Übrigen (οἱ λοιποὶ), die keine in Christus gegründete Hoffnung auf ein über den Tod hinausreichendes Leben haben, in Traurigkeit (1Thess). Ganz deutlich wird der Zusammenhang von λύπη und eschatologischem Tod in 2Kor 7,10. Wenn Paulus hier feststellt, dass die τοῦ κόσμου λύπη den Tod bewirkt (θάνατον κατεργάζεται),345 dann meint er damit gewiss nicht, dass sie in Verzweiflung und Selbstmord führt, vielmehr ist es der eschatolo gische Tod, als dessen Ursache die λύπη hier gedacht ist.346 Mit dieser τοῦ κόσμου λύπη, die Paulus in 2Kor 7,10 der κατὰ θεὸν λύπη gegenüberstellt, dürfte die περισσοτέρα λύπη, durch die der τις verschlungen werden könnte, wenn er von einer vom Satan übervorteilten Gemeinde weiterhin bestraft würde, identisch sein. In diese Richtung weist zunächst, dass es ohnehin nahe liegt, dass die VV. 7,5–13, als Kommentar des Abschnitts 2,5–11 zu lesen sind,347 an den sie ursprünglich wahrscheinlich unmittelbar anschlossen. Zudem spricht die Beobachtung, dass Paulus von der περισσοτέρα λύπη determiniert spricht, für ihre Identität mit der τοῦ κόσμου λύπη. Auffällig ist der determinierte Gebrauch von λύπη insofern, als Paulus diesen Terminus, entsprechend dem Sprachgebrauch der LXX und der übrigen neutestamentlichen Schriften, zumeist ohne Artikel verwendet348 und er hier somit nicht irgendeine, sondern eine ganz bestimmte περισσοτέρα λύπη im Blick zu haben scheint. Kaum dürfte Paulus mit dieser näheren Bestimmung die individuelle λύπη des τις meinen, so dass „seine größere Traurigkeit“ zu übersetzen wäre.349 Plausibler erscheint es, die περισσοτέρα λύπη mit der τοῦ κόσμου λύπη zu identifizieren, von der Paulus in 7,10 ebenfalls unter Verwendung des Artikels spricht und die er der gleichfalls determinierten κατὰ θεὸν λύπη gegenüberstellt. Ist die Identifikation der περισσοτέρα λύπη mit der τοῦ κόσμου λύπη zutreffend, dann dürfte Paulus bei seiner Befürchtung, der τις könne von der περισσοτέρα λύπη verschlungen werden, faktisch dessen Abfall von der Ge-
345 Zur λύπη als Ursache des Todes vgl. Sir 38,18: ἀπὸ λύπης γὰρ ἐκβαίνει θάνατος. 346 Vgl. H. Windisch, Korintherbrief, 1924, 233; R. Bultmann, Korinther, 1976, 60; F. Zei linger, Krieg, 1992, 232; E. Gräßer, Korinther 1, 2002, 274. 347 Vgl. E. Gräßer, Korinther 1, 2002, 93; B. Bosenius, Abwesenheit, 1994, 39–43. 348 Vgl. B-D-R § 258: „Bei den Abstrakta fehlt der Artikel oft, […]. Man kann daher z. T. eher fragen, warum der Artikel steht, als warum er fehlt, […].“ Unter den 49 λύπη Belegen in LXX finden sich nur fünf, an denen der Begriff determiniert ist (Gen 3,16; 5,29; Sir 30,23; 1Makk 6,8; Tob 7,17). Im NT ist λύπη 16mal belegt und wird sechsmal determiniert gebraucht. Von diesen sechs Belegen entfallen drei auf 2Kor 2,7 und 7,10. Paulus selbst determiniert λύπη an keiner anderen Stelle. 349 So aber P. W. Barnett, Epistle, 1997, 127, der als einziger der Kommentatoren auf den Artikel explizit eingeht und diesbezüglich feststellt: „The article indicates ‚his‘ […].“ Dagegen spricht jedoch, dass Paulus etwa in Röm 9,2 von seiner persönlichen großen λύπη über den Unglauben Israels spricht, ohne λύπη zu determinieren.
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meinde und damit vom Glauben im Blick haben.350 Er würde dann wieder zum κόσμος, zur „gottlosen und gottwidrigen Welt“,351 gehören und wäre von der λύπη, die das Wesen des κόσμος ausmacht,352 bestimmt. Arbeitet der Satan nach 2Kor 2,5–11 auf die περισσοτέρα λύπη des τις hin und somit darauf, dass dieser wieder von der τοῦ κόσμου λύπη bestimmt ist, dann liegt es – gerade auch angesichts einer in der Tradition bereits bestehenden Verbindung von Teufel und λύπη – nahe, dass Paulus die τοῦ κόσμου λύπη im Allgemeinen auf den Satan zurückführt. Die τοῦ κόσμου λύπη ist, wie R. Bultmann zu Recht bemerkt, „die Betrübtheit des Menschen, der sein weltliches Wohlbefinden und seine weltlichen Wünsche scheitern sieht.“353 Sie hat ihren Grund somit in einem an der Welt orientierten Denken und es wird gleich zu zeigen sein, dass der paulinische Satan als der θεὸς τοῦ αἰῶνος τούτου mit diesem an der Welt und ihren Werten orientierten Denken in engster Verbindung steht.
3.1.6 Der Gott der Welt und die Orientierung am Irdischen (2Kor 4,4) Auch 2Kor 4,4 spricht Paulus vom Satan, wobei er ihn in kaum zu überbietender Schärfe als den Gott dieses Äons bezeichnet. Paulus stellt hier fest: εἰ δὲ καὶ ἔστιν κεκαλυμμένον τὸ εὐαγγέλιον ἡμῶν, ἐν τοῖς ἀπυλλυμένοις ἐστὶν κεκαλυμμένον, 4 ἐν οἷς ὁ θεὸς τοῦ αἰῶνος τούτου ἐτύϕλωσεν τὰ νοήματα τῶν ἀπίστων εἰς τὸ μὴ αὐγάσαι τὸν ϕωτισμὸν τοῦ εὐαγγελίου τῆς δόξης τοῦ Χριστοῦ, ὅς ἐστιν εἰκὼν τοῦ θεοῦ.
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Bereits beim ersten Lesen dieser aus ihrem Kontext gelösten Verse ist zu erkennen, welche Ziele der Gott dieses Äons nach Paulus verfolgt und welches Vorgehen er wählt, um diese zu erreichen: Er zielt darauf ab, die Verbreitung des Evangeliums zu verhindern, sucht zu verhindern, dass die Menschen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi erkennen, und geht, um dieses Ziel zu erreichen, so vor, dass er den Menschen die Sinne verblendet. Darüber, wie Paulus sich dieses Verblenden der Sinne durch den Gott dieses Äons genauer vorstellt und damit auch über das Wesen dieser Gestalt, lässt sich Genaueres sagen, wenn man den weiteren und engeren Kontext der zitierten Verse in die Untersuchung miteinbezieht. Die Erwähnung des Gottes dieser Welt erfolgt im Rahmen einer Apologie (2,14–7,4), in der Paulus sein apostolisches Selbstverständnis in paradoxer Weise 350 Dass Paulus darum besorgt ist, der τις könne von der Gemeinde und damit vom Glauben abfallen, vermuten auch M. E. Thrall, Commentary 1, 1994, 177; F. Zeilinger, Krieg, 1992,213; Th. Schmeller, Korinther, 2010, 137. 351 R. Bultmann, Korinther, 1976, 60. 352 Vgl. G. Strecker, Theologie, 1995, 135. 353 R. Bultmann, Art. λύπη κτλ., 1942, 322.
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entfaltet: Betont er in 2Kor 3,4–4,6 die Herrlichkeit des Apostelamtes, so stellt er 4,7–5,13 die Niedrigkeit desselben in den Vordergrund.354 Dabei ist es wichtig zu beachten, dass Paulus die Herrlichkeit christlicher Existenz im Allgemeinen und seiner apostolischen Existenz, die er hier insbesondere im Blick hat, als eine innere Herrlichkeit darstellt:355 Im Inneren des Paulus, in seinem Herzen hat Gott es hell werden lassen,356 und aufgrund dieser inneren Helligkeit kann durch den Apostel die Herrlichkeit Gottes in Christi Angesicht erkannt werden (4,6).357 Die Niedrigkeit des Apostels hingegen ist eine von außen sichtbare Niedrigkeit, eine Niedrigkeit des irdenen Gefäßes, das von allen Seiten bedrängt ist, Verfolgung leidet und niedergestreckt wird (4,7 f.). Besonders pointiert stellt Paulus die Gegensätze von innerer Herrlichkeit und äußerer Niedrigkeit in 4,16–18 gegenüber, wenn er vom Verfallen des äußeren Menschen, aber der täglichen Erneuerung des inneren Menschen spricht. Die Verse 4,1–6 stehen am Ende des die Herrlichkeit des apostolischen Amtes betonenden Abschnittes und dienen als Überleitung358 zum folgenden, die Niedrigkeit dieses Amtes betonenden Abschnitt. Ihnen vorangehend stellt Paulus in 3,4–18 den Dienst am neuen dem Dienst am alten Bund gegenüber, wobei er in 3,12–18 betont, dass sein Dienst sich vom Dienst des Mose insbesondere durch Offenheit unterscheidet: Er agiert nicht wie Mose, der – so die eigenwillige paulinische Interpretation von Ex 34,29–35 – eine Decke über sein Angesicht hängte, um den Israeliten die Vergänglichkeit seiner Herrlichkeit zu verbergen. Verlässt Paulus in 4,1–6 nun den Vergleich mit Mose, so ist der Abschnitt mit dem vorangehenden doch eng verknüpft, insofern weiterhin der Gegensatz offen/verborgen bestimmend bleibt: Paulus betont in 1 f. erneut die Offenheit, in der er die Wahrheit offenbart, und geht dann in den Versen 3–5 auf die paradox anmutende Tatsache ein, dass sein Evangelium dennoch für einige Menschen verdeckt ist, wobei er, das Stichwort Decke bzw. verdeckt sein aufnehmend, wieder an Mose erinnert. Um dieses Problem zu lösen, bemüht er den Gott dieses Äons und behauptet, dass für diese Menschen nicht deshalb eine Decke über seinem Evangelium liege, weil er selbst es verdecken würde, sondern deshalb, weil ihre Wahrnehmung manipuliert wurde: Der Gott dieser Welt hat ihre Sinne blind gemacht, so dass sie das Entscheidende, das Licht des Paulus anvertrauten Evange 354 Vgl. G. Theißen, Psychologische, 21993, 121. 355 Vgl. ebd. 128. 356 Das Verb ἔλαψμεν in 4,6 ist mit R. Bultmann, Korinther, 1976, 110; Th. Schmeller, Korinther, 2010, 248 f., und vielen anderen Exegeten transitiv zu verstehen. 357 Auch ϕωτισμός in 4,6 ist m. E. mit R. Bultmann, Korinther, 1976, 110 transitiv zu ver stehen. Im Blick ist hier somit nicht die γνῶσις des Paulus, sondern die durch seine Predigt verbreitete γνῶσις. 358 Th. Schmeller, Korinther, 2010, 235, spricht im Blick auf 4,1–6 von „einer Art Zwischenresümee“. Dessen überleitenden Charakter betonen m. E. die „vielfältigen Bezüge zum folgenden Kontext“, auf die auch Schmeller ebd. hinweist.
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liums nicht wahrnehmen können. Dieses Licht, das die Herrlichkeit seines Apostolats ausmacht, da es ihn zur Verbreitung der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in Christi Angesicht befähigt, wird nun in V. 6 als rein innerliche Größe charakterisiert: Es ist ein Licht, durch das Gott es im Herzen des Apostels hell werden ließ. Eben dieses Licht im Herzen des Apostels ist denjenigen, denen der Gott dieses Äons die Sinne verblendet hat, verdeckt, und Paulus sagt, wie nun gezeigt werden soll, im unmittelbaren Kontext auch was ihnen zur die Sicht versperrenden Decke geworden ist. Beginnt in V. 7 ein neuer Abschnitt, in dem Paulus – wie bereits dargestellt – die Niedrigkeit seines Amtes betont, so greift er doch Motive aus dem vorangehenden Abschnitt auf, um diese unter verändertem Vorzeichen zu behandeln: Spricht er von dem θησαυρὸν τοῦτον, so verdeutlicht das Demonstrativpronomen, dass er damit gerade den Schatz meint, von dem in V. 6 die Rede war,359 das Evangelium als das Licht, das Gott im Herzen des Apostels aufleuchten lässt. Aber auch das Motiv der Decke wird implizit weitergeführt. Denn wenn Paulus feststellt, dass er diesen Schatz in tönernen Gefäßen besitzt, damit die überschwängliche Kraft durch Gott komme und nicht durch ihn, dann sagt er damit der Sache nach nichts anderes, als dass der ihm anvertraute Schatz in gewisser Weise unter einer Decke verborgen ist: Der Schatz befindet sich in einem seiner Herrlichkeit unwürdig erscheinenden Gefäß, in dem ihn niemand er warten würde.360 Es ist daher naheliegend, eben dieses tönerne Gefäß als die Decke zu verstehen, die für diejenigen, denen der Gott der Welt die Sinne verblendet hat, über dem paulinischen Evangelium liegt: Die Niedrigkeit seines Lebens wandels, so denkt Paulus, verhindert, dass diese Menschen die ihm gegebene Herrlichkeit, die Erleuchtung seines Herzens durch das Evangelium, die ihn zur Verbreitung desselben befähigt, wahrnehmen können, und eben deshalb ist diese Niedrigkeit für sie auch zur Decke über der Botschaft geworden, die er verbreitet. Die Bedrängnisse und Verfolgungen, die Paulus erleidet, die eigentlich der Offenbarung der Wahrheit (4,2) dienen, insofern sie darauf abzielen, das Leben Jesu an Leib und Fleisch des Apostels zu offenbaren (4,10 f.), verhüllt denjenigen, die nur auf den äußeren Menschen (4,16), nur auf das Sichtbare (4,18) sehen, die Herrlichkeit des Apostels und seiner Botschaft. Für die vorgeschlagene Deutung spricht auch, dass sich Paulus in V. 18 unter die Gruppe derjenigen rechnet, die nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare blickt. Ist es wahrscheinlich, dass er sich mit dieser Aussage auch von einer konkreten Gruppe abgrenzen möchte,361 die, zumindest nach Meinung des 359 Vgl. E. Gräßer, Korinther 1, 2002,162; M. E. Thrall, Commentary 1, 1994, 321 f. 360 Ein ähnliches Bild findet sich Taán 7 a: „Die Tochter des Kaisers (Hadrian) sagte zu R. Jehoschua b. Chananja (um 90): Ei, so herrliche Weisheit in einem so häßlichen Gefäße!“ (zitiert nach Str.-Bill. I, 861). 361 Für ein polemisches Verständnis von 4,18 plädiert auch M. Theobald, Gnade, 1982, 232.
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Apostels, auf das Äußere blickt und sich des Äußeren rühmt (5,12), so ist es naheliegend, dass die im unmittelbaren Kontext genannten vom Gott dieser Welt verblendeten Menschen diese Gruppe konstituieren. Für diese Identifikation lässt sich ferner anführen, dass sich sprachliche Merkmale aufzeigen lassen, die eine Verbindung zwischen 4,1–6 und 4,16–18 nahelegen: Hier wie dort leitet Paulus seine Überlegungen mit einer Begründung für sein nicht Müdewerden ein (Διὰ τοῦτο … οὐκ ἐγκακοῦμεν 4,1; Διὸ οὐκ ἐγκακοῦμεν 4,16),362 und hier wie dort folgt auf diese Einleitung ein Konzessivsatz (εἰ δὲ καὶ ἔστιν κεκαλυμμένον τὸ εὐαγγέλιον ἡμῶν [4,3]; εἰ καὶ ὁ ἔξω ἡμῶν ἄνθρωπος διαϕτείρεται [4,16]). Beide Konzessionen könnten unter Voraussetzung der vorgeschlagenen Deutung aufeinander zu beziehen sein, denn das tägliche Zugrundegehen des „äußeren Paulus“, die Niedrigkeit seiner irdischen Existenz, ist ja gerade die Decke, die für die vom Gott dieses Äons verblendeten Menschen über seinem Evangelium liegt. Die tägliche Erneuerung des ἔσω ἄνθρωπος in V. 16, die im Sinne einer sich täglich realisierenden Neuschöpfung zu verstehen ist,363 hätte eine Entsprechung in den auf den Schöpfergott verweisenden Ausführungen von V. 6. Schließlich entspricht das Zwei-Äonen-Schema der jüdischen Apokalyptik, das Paulus in V. 18 aufnimmt und mit hellenistischen Vorstellungen verbindet,364 der Rede vom Gott dieses Äons in V. 4: Die Zeitlichkeit, durch die das Sichtbare in V. 16 charakterisiert wird, ist von Hause aus auch ein Charakteristikum dieses Äons und damit auch seines Gottes. Auch in den Versen 5,11–13, in denen Paulus mit der Erwähnung derjenigen, „die sich aufgrund des Äußeren365 rühmen und nicht des Herzens“ (τοὺς ἐν προσώπῳ καυχωμένους καὶ μὴ ἐν καρδίᾳ; 5,12) erneut auf diejenige Gruppe zu sprechen kommt, die auf das Äußere blickt, finden sich sprachliche Signale, die auf 4,1–6 zurückverweisen: Empfiehlt er sich nach 4,2 durch Offenbarung der Wahrheit dem Gewissen aller Menschen vor Gott (συνιστάνοντες ἑαυτοὺς πρὸς πᾶσαν συνείδησιν ἀνθρώπων ἐνώπιον τοῦ θεοῦ), so konstatiert er 5,11, dass er um sein Offenbarsein bei Gott weiß (θεῷ δὲ πεϕανερώμεθα) und darauf hofft, auch vor den Gewissen der Adressaten offenbar zu sein (ἐλπίζω δὲ καὶ ἐν ταῖς συνειδήσεσιν ὑμῶν πεϕανερῶσθαι). Darüber hinaus nimmt Paulus mit den Termini „Gesicht“ und „Herz“ Motive aus 3,7–4,6 auf.366
362 Vgl. H. J. Klauck, 2. Korintherbrief, 31994, 48; F. Zeilinger, Krieg, 1997, 196. 363 Vgl. H. J. Klauck, 2. Korintherbrief, 31994, 48: „Erneuerung bedeutet Realisierung der Neuen Schöpfung […], ist Neuschöpfung im Vollzug […].“ Th. Schmeller, Korinther, 2010, 277: „[…] die Erneuerung des ‚inneren Menschen‘, seine tägliche Neuschöpfung, […].“ 364 Vgl. M. E. Thrall, Commentary 1, 1994, 355 f. 365 Zu καυχᾶσθαι ἐν προσώπῳ im Sinne von sich des Äußeren oder aufgrund äußerer Vorzüge rühmen vgl. z. B. R. Bultmann, Korinther, 1976, 150; E. Gräßer, Korinther 1, 2002, 210; Th. Schmeller, Korinther, 2010, 312. 366 Vgl. H. J. Klauck, 2. Korintherbrief, 1994, 53.
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Was ergibt sich nun aus der vorgeschlagenen Deutung für das Verständnis des paulinischen Gottes dieser Welt? Sind die vom Gott dieser Welt Verblendeten mit denen identisch, die auf das Sichtbare blicken, so steht der Gott dieser Welt in enger Beziehung zu dem Sichtbaren und ist mit diesem letztlich identisch. Meint das Verb σκοπεῖν in V. 16 „auf etwas blicken“ im Sinne von „sich an etwas orientieren“,367 so bezeichnet Paulus mit dem Begriff τὰ βλεπόμενα „die Gesamtwirklichkeit des nur irdischen Menschen“.368 Nach Art und Weise dieser Wirklichkeit, so meint Paulus, beurteilen seine Gegner Herrlichkeit,369 und es kann kaum verwundern, dass der Apostel, der das Evangelium, den λόγον τοῦ σταυροῦ, nicht nur predigt, sondern mit seiner Existenz verdeutlicht,370 ihnen deshalb als wenig herrliche Gestalt erscheint, dass seine äußere Niedrigkeit ihnen die ihm anvertraute göttliche Herrlichkeit verdeckt, die in ihm und durch ihn wirkt und verkündigt wird. Das Urteilen nach den Kriterien dieser Gesamtwirklichkeit des nur irdischen Menschen, man wird sagen können, die Weisheit dieser Welt/dieses Äons,371 die, da sie „menschen- und weltzentrierte Weisheit“ ist, „als Maßstab nur ihre eigene Weisheit [und ihre eigenen Kriterien/F. T.] gelten lässt“,372 ist es dann aber, die die Sinne der Ungläubigen verblendet und die von Paulus im Gott dieses Äons personifiziert wird.
3.1.7 Satan als göttliches Züchtigungsinstrument (1Kor 5,5) In 1Kor 5,5 erwähnt Paulus den Satan im Rahmen seiner Ausführungen über einen Fall von Inzest in der korinthischen Gemeinde, der ihm zu Ohren gekommen war: Ein Mitglied dieser Gemeinde pflegte ein andauerndes373 sexuelles Verhältnis mit seiner Stiefmutter.374 Paulus, der in diesem Vergehen einen besonders 367 Vgl. R. Bultmann, Korinther, 1976, 131: „‚In-den-Blick-Fassen‘ = Zum-Orientierungspunkt-Nehmen“. 368 N. Baumert, Täglich sterben, 1973, 139. 369 Vgl. M. Theobald, Gnade, 1982, 232, für den τὰ βλεπόμενα „eine bestimmte Art und Weise“ bezeichnet, „in der das Zutagetreten der Herrlichkeit erwartet werden könnte“. 370 Vgl. U. Schnelle, Paulus, 2003, 264. 371 Zu Recht stellt G. Theißen, Psychologische, 21993, 131 fest, dass die Aussagen über die ‚verborgene Weisheit‘ von 1Kor 2,7 und das ‚verhüllte Evangelium‘ von 2Kor 4,3“ einander sehr ähnlich sind. Aufgrund zahlreicher Stichwortverbindungen zwischen 1Kor 2,6–16 und 2Kor 4,1–6 vermutet er ferner einen sachlichen Zusammenhang beider Texte (vgl. ebd.). Liest man 1Kor 2,6–16 im Kontext, so wird deutlich, dass die „verborgene Weisheit“ gerade für diejenigen verborgen ist, die sich an der Weisheit dieser Welt orientieren (vgl. 1Kor 1,18–30) und diese bezeichnet Paulus in 1,18 ebenso wie die vom Gott dieses Äons verblendeten als οἱ ἀπολλύμενοι. 372 W. Schrage, Korinther, 1991,175. 373 Dass es sich um ein anhaltendes Verhältnis handeln dürfte, macht die Verwendung des Präsens ἔχειν wahrscheinlich. Vgl. beispielsweise H. Conzelmann, Korinther, 1981, 123; M. Konradt, Gericht, 2003, 297. 374 Dass es sich um die Stiefmutter und nicht um die leibliche Mutter handelt, ergibt sich aus dem Lev 18,7 f. belegten biblischen Sprachgebrauch der Wendung γυνή τοῦ πατρός, wo
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schwerwiegenden Fall von πορνεία sieht, wie er nicht einmal bei den Heiden vorkommt (5,1), fordert die Gemeinde, „die gegen das Verhältnis nicht (oder zumindest nicht in gebührender Weise) vorgegangen ist“,375 dazu auf, den so Beschaffenen dem Satan zu übergeben (παραδοῦναι τὸν τοιοῦτον τῷ Σατανᾷ) und zwar εἰς ὄλεθρον τῆς σαρκός, ἵνα τὸ πνεῦμα σωθῇ ἐν τῇ ἡμέρᾳ τοῦ κυρίου (5,5). Diese Aussage stellt die Exegese vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten, die insbesondere durch den Finalsatz ἵνα τὸ πνεῦμα σωθῇ ἐν τῇ ἡμέρᾳ τοῦ κυρίου bedingt sind.376 Erst diese positive Zielangabe macht das nächstliegende Verständnis der Wendung εἰς ὄλεθρον τῆς σαρκός problematisch, nach dem der Tod des Inzuchttäters die Folge seiner – wohl durch einen Fluchakt bewirkten377 – Übergabe an den Satan wäre. Denn bei diesem Verständnis der Wendung ist nur schwer zu erklären, auf welche Weise sich Paulus die Rettung des πνεῦμα vorstellt: Kaum dürfte Paulus an einen durch die Taufe zugeeigneten character indelebilis des Inzuchttäters denken, denn die Rettung des Geistes wird ja nicht auf dessen Taufe, sondern auf seine Übergabe an den Satan zurückgeführt. Nicht überzeugen kann ferner die These, nach der Paulus eine postmortale Reue des Inzestuösen im Blick habe,378 und dass Paulus dem Tod eine sühnende Kraft zuschreibt, ist aufgrund seiner Soteriologie, nach der einzig der Heilstod Christi Sühne wirkt,379 auszuschließen. Auch kann der Tod des Inzestuösen nicht unter Verweis auf 1Kor 11,29–32 als Züchtigungsgericht verstanden werden, das über sich schwer verfehlende Christen anstelle der Verurteilung im Endgericht ergeht.380 Denn gött-
zunächst der Verkehr mit der Mutter (μητρός σου), dann der Verkehr mit der Frau des Vaters (γυναικὸς πατρός σου) verboten wird. Gegen diesen recht breiten Konsens (vgl. z. B. H. Conzelmann, Korinther, 1981, 123; W. Schrage, Korinther, 1991, 369; H. Merklein, Korinther, 2000, 32; M. Konradt, Gericht, 2003, 297; D. Zeller, Korinther, 2010, 199) hat hingegen A. Lindemann, Korintherbrief, 2000, 124, erwogen, der Mann könne, da Paulus die Beispiellosigkeit des Falles hervorhebt, eventuell doch ein Verhältnis mit der eigenen Mutter gehabt haben. 375 M. Konradt, Gericht, 2003, 299. 376 Zu Recht stellt W. Schrage, Korinther, 1991, 377 fest: „Denn das ist ja die seltsamste und erstaunlichste Aussage in diesem seltsamen Abschnitt, dass die Übergabe an den Satan nicht einfach mit dem ‚Verderben des Fleisches‘ endet […], sondern erfolgt, ‚damit der Geist am Tag des Herrn gerettet werde‘.“ 377 Unter Verweis auf antike Analogien verstehen viele Exegeten die Übergabe an den Satan im Sinne einer Verfluchung des Inzesttäters (vgl. z. B. H. Conzelmann, Korinther, 1981, 125; F. Lang, Korinther, 21994, 72; D. Zeller, Korinther, 2010, 202 f.). Diese Deutung legt sich insbesondere aufgrund der qumranischen Vergleichstexte (1QS 2,4–18; 1QS 6,24–7,25; 8,20–9,2; CD 20,2–8) durchaus nahe. Jedoch findet sich weder in den Qumrantexten, noch in den Devotionsakten, die durch einige Papyri aus dem 4./5. Jhd. n. Chr. bezeugt werden (vgl. erstmals A. Deissmann, Licht, 1909, 226 f.), der Gedanke, dass der Fluch im Endeffekt doch eine positive Auswirkung für den Verfluchten haben soll. 378 So etwa H. Lietzmann, Korinther, 41949, 23. 379 Vgl. M. Konradt, Gericht, 2003, 316. 380 So etwa M. Klinghardt, Sünde, 1997, 63 f.
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liche Züchtigung zielt, wie M. Konradt nachgewiesen hat,381 sowohl im frühen Judentum, als auch 1Kor 11,29–32 auf die Umkehr der Gezüchtigten. Aufgrund der genannten Schwierigkeiten verstehen einige Ausleger σάρξ in 1Kor 5,5 nicht in physischem Sinne, sondern – gut paulinisch – als Sitz der Begierden und Leidenschaften.382 Εἰς ὄλεθρον τῆς σαρκός meint dann die Vernichtung der gottfeindlichen Sphäre, die im Inzuchttäter wirkt. Problematisch ist diese Deutung jedoch deshalb, weil Satan nach frühjüdischer Tradition zwar sehr wohl als Wesen auftreten kann, das den Sünder vernichtet, nicht aber als Gestalt, die die Sündenlust der Menschen zerstört. M. Konradt, der σάρξ ebenfalls im Sinne sarkischer Existenz versteht, liest, um dieses Problem zu lösen, „εἰς ὄλεθρον τῆς σαρκός als Zweckangabe […], die in den Blick nimmt, was das Treiben des Satans bei dem τις hervorrufen soll.“383 Bringt Satan über den Unzüchtigen nach dessen Gemeindeausschluss „persönliche Drangsal allerlei Art“, so soll dies „den τις zur Einsicht führen, so daß dieser selbst seine σάρξ im Sinne des sündhaften, von den Begierden bestimmten Lebenswandel vernichtet.“384 Gegen diese Auslegung spricht jedoch, dass es zwar, wie Konradt feststellt, syntaktisch nicht zwingend ist, Satan als Subjekt von ὄλεθρος τῆς σαρκός zu verstehen, aber doch sowohl syntaktisch als auch semantisch am nächstliegenden: Tritt Satan in der Tradition immer wieder als Verderben bringende Macht auf, so ist kaum wahrscheinlich, dass er in 1Kor 5,5 nicht als Ursache des Verderbens gedacht wird, das im unmittelbaren Kontext genannt wird.385 Können auch Auslegungen, die πνεῦμα in 1Kor 5,5 als den Geist der Gemeinde verstehen wollen, der durch den Ausschluss des Inzestuösen gerettet werden solle,386 nicht überzeugen,387 so ist der Text am plausibelsten zu lesen, wenn man σάρξ in physischem Sinne, εἰς ὄλεθρον τῆς σαρκός aber in abgeschwächter Weise versteht. Die Übergabe an den Satan umfasst auch dann einen Fluchakt, der aber nicht auf den Tod, sondern auf Krankheit und schwere körperliche Gebrechen des Delinquenten abzielt, auf die er mit Reue und Umkehr reagieren soll. Zwar ist auch diese Auslegung nicht unproblematisch, denn ὄλεθρος hat einen scharfen Ton und kann nur schwer die genannte abgeschwächte Bedeutung annehmen. Unmöglich ist dies jedoch nicht, wie 1Tim 1,20 zeigt: Ist dieser Text „die früheste bekannte ‚Exegese‘ zu 1Kor 5,5“,388 so bezeugt er zumin 381 Vgl. M. Konradt, Gericht, 2003, 439–451. 382 So etwa G. D. Fee, Corinthians, 1987, 212; C. Wolff, Korinther, 1996, 104. 383 M. Konradt, Gericht, 2003, 320. 384 Ebd. 385 Ablehnend gegenüber Konradts These äußert sich auch D. Zeller, Korinther, 2010, 203, Anm. 47. 386 So u. a. A. Lindemann, Korintherbrief, 2000, 127 f. 387 Vgl. dazu M. Konradt, Gericht, 2003, 313 f. 388 Ebd., 317, Anm. 610. Vgl. auch J. Roloff, Timotheus, 1988, 105; A. Lindemann, Korintherbrief, 2000, 126. Anders D. Zeller, Korinther, 2010, 202, Anm. 38, der sich gegen eine literarische Abhängigkeit beider Texte ausspricht und unter Verweis auf die oben Anm. 433 bereits
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dest, dass ein griechischer Muttersprachler389 um 100 n. Chr.390 die Wendung in der genannten Weise verstehen konnte, denn dass die Übergabe von Hymenäus und Alexander an den Satan hier nicht deren Tod meint, ist evident. Auch die oben391 bereits besprochene Stelle aus dem zehnten Kapitel des Jubiläenbuches kann für ein abgeschwächtes Verständnis von ὄλεθρος in 1Kor 5,5 angeführt werden. Von den unreinen Dämonen (10,1) sagt Mastema hier unter anderem, dass sie „zum Verderben“392 vor seiner Vollmacht sind (10,8). Auch hier sind es Krankheiten, die das den Menschen von den Dämonen gebrachte Ver derben konkretisieren (10,12), und zwar solche, die möglicherweise zum Tode führen würden, dies aber, aufgrund der Noah von den Engeln überlieferten Heilungen, de facto nicht tun (10,12). In Parallele zu dieser Stelle könnte auch Paulus an eine bei dem Inzesttäter ausbrechende tödliche Krankheit als Folge seiner Übergabe an den Satan denken, wobei dann dessen rechtzeitige Reue als Heilmittel gegen diese Krankheit zu verstehen wäre und zugleich die Rettung des Geistes bewirken würde. Bei dem angeführten Verständnis von εἰς ὄλεθρον τῆς σαρκός ist 1Kor 11,30– 32 die nächste Parallele, und Paulus dürfte auch bei der Übergabe des Inzuchttäters an den Satan ein zwar von der Gemeinde eingeleitetes, letztlich aber vom Herrn bewirktes393 Züchtigungsgericht im Blick haben, das eine lebendensbedrohliche Krankheit über den Delinquenten bringt, die letztlich aber dessen Erziehung dient. Satan agiert dann an dieser Stelle keineswegs als Widersacher Gottes, sondern ist als göttliches Züchtigungsinstrument zu verstehen, am ehesten vergleichbar dem Mastema der genannten Stelle des Jubiläenbuches oder den Strafengeln im Buch der Bilderreden des Äthiopischen Henoch (ÄthHen 37–71). genannten Fluchtafeln Zauberpapyri, in denen die Übereignung des Fluchopfers an übernatürliche Mächte ebenfalls durch παραδιδόναι ausgedrückt wird, vermutet, die Übereinstimmung zwischen 1Tim 1,20 und 1Kor 5,5 sei eine gebräuchliche Fluchformel. An dieser Behauptung ist jedoch problematisch, dass die genannten Papyri aus dem 4/5. Jhd. stammen, „so daß von hier aus schwerlich ohne weiteres auf einen technischen Sprachgebrauch zur Zeit des Paulus [und zur Zeit der Abfassung des 1Tim; F. T.] geschlossen werden kann.“ (M. Konradt, Gericht, 2003, 315). Sind die Pastoralbriefe im Zusammenhang einer neuen Edition des bisherigen Corpus Paulinum entstanden (vgl. P. Trummer, Corpus, 1981, 133.), so ist literarische Abhängigkeit der Aussage 1Tim 1,20 von 1Kor 5,5 sehr wahrscheinlich. 389 Vgl. H. Stettler, Christologie, 1998, 307: „Eines aber darf als gesichert gelten, nämlich, daß der Verfasser [der Past; F. T.] ein hellenistischer Judenchrist war – und zwar im ursprünglichen Sinn des Ausdrucks, wonach damit ein Judenchrist gemeint ist, dessen Muttersprache Griechisch war und der seine jüdische Bildung in der griechischsprachigen Synagoge emp fangen hatte.“ 390 Für eine Entstehung der Past um 100 n. Chr. vgl z. B. J. Roloff, Timotheus, 1988, 45 f. 391 Siehe oben Kapitel II, Abschnitt 2.2. 392 Die Übersetzung „zum Verderben“ findet sich bei E. Litmann, Jubiläen, 1900; R. H. Charles, Jubilees, 1913, (corruption); K. Berger, Jubiläen, 1981. 393 Vgl. z. B. W. Schrage, Korinther, 1991, 375: „Alles kommt auf die δύναμις des Herrn an, der selber handelt.“
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Bewirkt auch deren Tätigkeit im Endgericht bei den Königen und Mächtigen eine – hier freilich zu spät kommende – Reue (ÄthHen), so scheint eine vorweggenommene Übergabe an eine solche Macht für Paulus eine gerade noch rechtzeitig erfolgende Umkehr zu ermöglichen.
3.1.8 Der Engel Satans verhindert die Hybris (2Kor 12,7) Vor dem gleichen traditionsgeschichtlichen Hintergrund wird man auch den ἄγγελος Σατανᾶ verstehen dürfen, den Paulus in 2Kor 12,7 erwähnt. Berichtet Paulus im Zuge der Narrenrede von seiner Entrückung in den dritten Himmel und in das sich scheinbar dort befindende Paradies,394 die sich vierzehn Jahre zuvor ereignet hatte und bei der er unaussprechbare Worte hörte (VV. 2–4), so stellt er sogleich fest, dass er davon absieht, sich dieses Ereignisses zu rühmen, und zwar um zu verhindern, dass irgendjemand ihn aufgrund der hohen Offenbarungen höher achtet als er es ohne Kenntnis derselben tun würde (VV. 5–7a).395 Aufgrund (διό) seiner Himmelsreise und der mit ihr verbundenen Offenbarungen,396 so fährt Paulus nun in Vers 7 fort, wurde ihm, damit er sich nicht überhebt, ein Dorn ins Fleisch gegeben. Diesen versteht er, wie durch eine Apposition verdeutlicht wird, als Engel Satans, der ihn fortwährend schlagen soll und zwar, wie erneut ausdrücklich festgestellt wird, um paulinische Selbstüberheblichkeit zu verhindern. Hat Paulus den Herrn, wie Vers 8 berichtet, dreimal angefleht, dass dieser Engel Satans von ihm ablasse, so wurde seine Bitte nicht erfüllt, sondern er erhielt die Antwort: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig (V. 9). Zeigt die Vorstellung vom ἄγγελος Σατανᾶ, die im Neuen Testament auch an anderer Stelle belegt ist (vgl. Mt 25,41; Apk 12,9), dass sich Paulus Satan als Herrscher über ein Engelheer vorstellte, so wird deutlich, dass der Untergebene Satans, von dem hier die Rede ist, den Absichten Gottes in keiner Weise entgegen arbeitet. Er wird dem Apostel, wie das Passivum divinum ἐδόθη in V. 7 klarstellt, vielmehr von Gott selbst ins Fleisch gegeben. Nichts deutet darauf hin, dass die
394 Gegen die gelegentlich vertretene These, Paulus berichte in VV. 2–4 von zwei Himmelsreisen, wobei er bei der einen in den dritten Himmel, bei der anderen ins Paradies entrückt worden sei, vgl. die Argumente bei E. Gräßer, Korinther 2, 2005, 188. 395 J. Zmijewski, Narrenrede, 1978, 352–355.357.361.363, hat nach Diskussion der unterschiedlichen Lösungsvorschläge wahrscheinlich gemacht, dass die viel diskutierte Frage, ob V. 7a (καὶ τῇ ὑπερβολῇ τῶν ἀποκαλύψεων) noch zu V. 6b gehört oder auf V. 7b zu beziehen ist, in ersterem Sinne zu beantworten ist. Syntaktisch schließt V. 7a an den durch μή eingeleiteten Finalsatz in V. 6b an und erklärt, „warum denn dem Apostel überhaupt jemand mehr (ὑπέρ) aufs Konto setzen könnte als das, was er sieht oder hört. Die Antwort lautet: Das ist nämlich (καί) möglich wegen des Übermaßes an Offenbarung.“ (ebd. 355/ Kursivsetzung im Original). 396 Διό bezieht sich auf τῇ ὑπερβολῇ τῶν ἀποκαλύψεων. Vgl. ebd. 364; E. Gräßer, Korinther 2, 2005, 197.
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satanische Macht hier nur widerwillig als Diener Gottes agiert397 oder dass sie eigentlich darauf abzielt, die Arbeitskraft des Paulus zu lähmen.398 Aufgrund der Inclusio ἵνα μὴ ὑπεραίρωμαι wird vielmehr deutlich, dass nicht nur Gott durch den Engel Satans ein positives Ziel verfolgt, sondern dass auch der Engel Satans selbst mit seinen Schlägen das dem Willen Gottes entsprechende Ziel verfolgt, Paulus vor der Sünde der Überheblichkeit zu bewahren. Wurde bereits angedeutet, dass die Strafengelvorstellung als traditionsgeschichtlicher Hintergrund des paulinischen ἄγγελος Σατανᾶ anzunehmen ist, so wird diese Vorstellung hier doch überschritten. Denn die Strafengel haben die Aufgabe, bereits begangene Vergehen zu bestrafen, der ἄγγελος Σατανᾶ zielt mit seinen Schlägen hingegen darauf ab, widergöttliches Verhalten im Voraus zu verhindern.
3.1.9 Der Versucher und die πορνεία (1Kor 7) Auch im Zusammenhang seiner Ausführungen über angemessenes sexuelles Verhalten im Rahmen der Ehe in 1Kor 7,1–7, erwähnt Paulus Satan und stellt ihn dabei als Versucher zur Sünde dar. Nicht zuletzt aufgrund der Predigt und des Lebensstils des Paulus scheint es in Korinth zu Unsicherheiten bezüglich der Erlaubnis von Geschlechtsverkehr im Allgemeinen gekommen zu sein.399 Einige Korinther vertraten die gewiss nicht unpaulinische These, dass es für den Menschen gut sei, keine Frau zu berühren (5,1) in derart radikaler Form, dass sie danach strebten, auch den sexuellen Umgang in der Ehe zu unterlassen bzw. zu unterbinden. Auf eine diesbezügliche schriftliche Anfrage der Gemeinde antwortet Paulus, indem er der genannten These zwar zustimmt, die „Absolutsetzung dieses Prinzips“ aber abwehrt.400 Um „Unzucht aller Art“401 (τὰς πορνείας; V. 2) zu vermeiden, gesteht er den Korinthern zu, dass jeder Mann seine eigene Frau und jede Frau ihren eigenen Mann haben soll. Im Rahmen dieser ehelichen Ver 397 So aber C. F. G. Heinrici, Korinther, 1900, 399. 398 So H. Windisch, Korintherbrief, 1924, 385: „Wenn nun am Schluß des Satzes ἵνα μὴ ὑπεραίρωμαι wiederholt wird, so wird zunächst die Vorstellung erweckt, als ob der Satansengel die Absicht habe, den P. vor Selbstüberhebung zu bewahren. Das ist natürlich unmöglich; Satan und sein Engel können nur die Absicht verfolgen, P.’ Arbeitskraft zu lähmen und ihn in seiner Missionsarbeit zu hindern.“ 399 Paulus dürfte zur Unsicherheit der Korinther im Umgang mit Sexualität durch seine eigene Ehelosigkeit beigetragen haben (5,7; 9,5) und möglicherweise durch „die harsche Abgrenzung von den Unzüchtigen“, die er in seinem vorangehenden Brief (vgl. 5,9) gefordert hatte (D. Zeller, Korinther, 2010, 238). Denkbar ist freilich auch, dass er seine Präferenz der Ehelosigkeit, in ähnlicher Form wie 1Kor 7,7a, bereits bei seinem ersten Aufenthalt in Korinth geäußert hat (vgl. H. Merklein, Korinther, 2000, 100 f.). 400 D. Zeller, Korinther, 2010, 238. 401 Zur gewählten Übersetzung des Plurals vgl. B-D-R § 142 und D. Zeller, Korinther, 2010, 238, inkl. Anm. 27.
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bindung gestattet er dann auch den Geschlechtsverkehr und stellt gar fest, dass sich die Ehepartner einander nicht entziehen sollen, es sei denn in gegenseitiger Übereinstimmung für eine bestimmte Zeit, um sich dem Gebet zu widmen. Dann aber sollen sie wieder zusammen sein (καὶ πάλιν ἐπὶ τὸ αὐτὸ ἦτε) und den ehelichen Geschlechtsverkehr ausüben,402 damit sie der Satan nicht wegen ihrer Unbeherrschtheit403 versuche (ἵνα μὴ πειράζῃ ὑμᾶς ὁ Σατανᾶς διὰ τὴν ἀκρασίαν ὑμῶν; V. 5). Um erneuten Missverständnissen vorzubeugen, stellt Paulus freilich in VV. 6 f. sogleich fest, dass er seine vorangegangenen Ausführungen über die Ehe und ihren Vollzug404 als Zugeständnis (κατὰ συγγνώμην), nicht aber als Vorschrift (οὐ κατ᾽ ἐπιταγήν) verstanden wissen will, und zwar als Zugeständnis für diejenigen, denen eine andere Fähigkeit als die Ehelosigkeit von Gott als Charisma gegeben wurde. Wie in 1Thess agiert Satan auch an dieser Stelle als Versucher der Christen. Ziel seiner Versuchungen ist es hier, diese zur πορνεία zu verleiten. Bezeichnet Paulus die πορνεία in 1Kor 6,18 als ein sich gegen den eigenen Leib Versündigen, so verführt Satan die Christen, indem er sie zur πορνεία verleitet, auch zur Sünde am Tempel des Heiligen Geistes, denn als solcher wird der Leib der Gläubigen in 1Kor 6,19 bezeichnet. Bedenkt man, dass die πόρνοι in 1Kor 6,9 unter die Gruppe derjenigen gerechnet werden, die das Reich Gottes nicht ererben werden, so scheint hinter den Versuchungen der Christen zur πορνεία letztlich das Ziel Satans zu stehen, diese ihres bereits erlangten Heiles wieder zu berauben. Damit aber richtet sich sein Handeln nicht nur gegen die Christen selbst, sondern auch gegen Gott, von dem jeder einzelne Gläubige nach 6,19 teuer erkauft wurde. Interessant ist der Ansatzpunkt, den Satan wählt, um die Christen zu versuchen. Zeichnen sich die göttlichen Gaben, wie 12,4–11 verdeutlicht, „durch ihre individuelle Vielfalt aus“,405 so setzt Satan mit seiner Verführungskunst beim christlichen Individuum gerade an der schwachen Stelle an, da, wo diesem kein göttliches Charisma gegeben ist (vgl. 7,7). Dieser Ansatzpunkt ist Satan aber nur dann gegeben, wenn das Individuum seinen Schwachpunkt nicht eingesteht, sondern seine ἀκρασία, die nur durch ein entsprechendes gottgegebenes Charisma 402 Mit der Wendung ἐπὶ τὸ αὐτὸ εἶναι umschreibt Paulus hier den Vollzug des Geschlechtsaktes (vgl. W. Schrage, Korinther, 1995, 69; D. Zeller, Korinther, 2010, 239) und nicht allgemein die Rückkehr in die „normale eheliche Lebensgemeinschaft, in der dieser möglich ist“ (H. Merklein, Korinther, 2000, 100 f.). 403 Zur Übersetzung von ἀκρασία – dem Gegenteil von ἐγκράτεια – mit „Unbeherrschtheit“ vgl. D. Zeller, Korinther, 2010, 236; 240. 404 Dass sich τοῦτο in V. 6 auf die Verse 2–5 bezieht, und Paulus somit Ehe und Vollzug der Ehe, nicht aber die in V. 5 genannte zeitweise Enthaltsamkeit (so beispielsweise W. Schrage, Korinther, 1995, 71; A. C. Thiselton, Corinthians, 2000, 510 f.; J. A. Fitzmyer, First Corin thians, 2008, 281 f.), als Zugeständnis bezeichnet, ergibt sich aus V. 7 (vgl. beispielsweise H. Conzelmann, Korinther, 1981, 149; H. Merklein, Korinther, 2000, 110 f.; D. Zeller, Korinther, 2010, 240). 405 D. Zeller, Korinther, 2010, 240.
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überwunden werden kann, aus eigener Kraft überwinden möchte.406 Es ist hier nicht Satan, der sich in die Gestalt eines göttlichen Wesens verwandelt, um die Christen zu versuchen, aber es ist der Mensch, der dadurch, dass er vorgibt, eine göttliche Kraft zu besitzen, die ihm nicht geschenkt wurde, die Versuchung durch Satan erst ermöglicht. Wer hingegen seine Unfähigkeit auf Geschlechtsverkehr zu verzichten eingesteht, der findet in der Ehe einen geeigneten Weg, sie zu kana lisieren und ist durch sie vor den Versuchungen Satans geschützt.407
3.1.10 Zusammenfassung Das Satansbild des Paulus ist ausgesprochen bunt, doch scheint Satan für Paulus insbesondere darauf aus zu sein, das Heil der Menschen zu verhindern. Aus diesem Grund verblendet er ihre Sinne, so dass ihnen das Evangelium verdeckt ist, und sucht Christen, durch Irrlehrer zum Abfall vom Glauben und der rechten Lehre zu bewegen. Aus dem gleichen Grund ist er darauf aus, dass Menschen von der περισσοτέρᾳ λύπῃ bzw. der τοῦ κόσμου λύπη verschlungen werden, einer λύπη, die den eschatologischen Tod zur Folge hat. Auch wenn er Christen zur πορνεία verführen will, zielt er letztlich darauf ab, sie ihres eschatologischen Heils zu berauben, denn die πόρνοι werden das Reich Gottes nicht ererben. Dem apostolischen Wirken des Paulus legt er Steine in den Weg, auch weil er ihn um seine eschatologischen Heilsgüter bringen will. Wenn Paulus die Korinther darauf hinweist, dass sich sogar der Satan in einen Engel des Lichts verwandelt, um seine Ziele zu erreichen, ist deutlich, dass ihm dieser als das böse Wesen schlechthin gilt, das mit der göttlichen Sphäre nichts gemein hat. Als derjenige, der das Heil der Menschen verhindert, arbeitet Satan dem göttlichen Heilsplan entgegen und raubt Gott diejenigen Menschen, die dieser teuer erkauft hat. Satan zählt ferner zu den Feinden, die Gott Christus im Eschaton unter die Füße legt, so dass deutlich ist, dass er für Paulus nicht nur Gegner der Menschen, sondern zugleich Widersacher Christi und Gottes ist. Auch bei Paulus begegnet jedoch die in einigen frühjüdischen Texten beobachtete Spannung, dass Satan nicht nur diese Rolle spielt, sondern zugleich als göttliches Werkzeug auftreten kann. Ganz deutlich ist dies, wenn einer der Engel Satans, der Paulus von Gott als ein Stachel ins Fleisch gegeben wurde, den Apostel mit dem Ziel schlägt, ihn vor Selbstüberheblichkeit zu bewahren: Die satanische Macht verhindert hier die Sünde, zu der sie die Menschen sonst anstachelt. Und wenngleich die Stelle recht dunkel ist, dürfte Satan doch auch in 1Kor 5 als 406 Vgl. W. Schrage, Korinther, 1995, 69: „Wer dem Satan infolge der Überschätzung seiner eigenen Kraft durch allzu asketische Lebensweise zu entlaufen sucht, läuft ihm nur um so sicherer ins offene Messer und erliegt ihm.“ 407 Die Vorstellung, dass die Ehe vor den Versuchungen Satans schützt, begegnet auch bei den Rabbinen. Vgl. hierzu die bei Str.-Bill. III, 372 f. angeführten Texte.
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göttliches Züchtigungsinstrument zu verstehen sein, durch dessen Wirken der Inzestuöse zur Umkehr bewegt werden soll. Ein Aspekt Satans, der für Paulus von besonderer Bedeutung zu sein scheint, betrifft die Art und Weise seines Wirkens. Wenngleich in abgewandelter Form begegnet doch immer wieder der Gedanke, dass Satan sich den Menschen in positiver Gestalt zeigt, bzw. in einer Gestalt, die den Menschen positiv erscheint. Ganz deutlich ist diese Vorstellung natürlich in 2Kor 11,13–15 greifbar, wo Paulus, frühjüdische Tradition aufnehmend, auf die Fähigkeit Satans verweist, sich in einen Engel des Lichts zu verwandeln und dadurch die Vorzüge der Überapostel des satanischen Glanzes verdächtig machen will. Auch im Blick auf die Irrlehrer, vor denen er in Röm 16,17–20 warnt, betont Paulus, dass sie die Herzen der Arglosen durch χρηστολογίας καὶ εὐλογίας zu täuschen suchen, und somit ihr wahres Wesen hinter einer schönen Fassade verbergen. In gewisser Weise be gegnet dieser Gedanke ferner in 2Kor 2,5–11. Wenn Satan die Gemeinde hier dazu verleiten will, den τις weiterhin zu strafen, so will er ein Verhalten bewirken, das die Gemeinde bis dato entsprechend dem Willen Gottes geübt hatte: Satanisches und Göttliches sehen einander hier zum Verwechseln ähnlich. Des Weiteren könnte, wie oben dargestellt wurde, auch in 1Thess der Gedanke anklingen, dass Satan bedrängte Christen durch den betörenden Glanz der Welt in Versuchung führt, sich durch den Abfall von der Gemeinde der Bedrängnisse zu entledigen. Und schließlich begegnet die Vorstellung, dass Satan im Zusammenhang mit dem „schönen Schein“ steht, auch in 2Kor 4,4: Der θεὸς τοῦ αἰῶνος τούτου verblendet die Sinne der Ungläubigen, indem er bewirkt, dass sie sich am Äußeren orientieren. Damit lässt er sie auf den schönen Schein achten, durch den er selbst ebenso wie seine menschlichen Diener wirkt. Im Blick auf die gleich zu besprechende Teufelsvorstellung der synoptischen Evangelien und insbesondere im Blick auf das johanneische Teufelsverständnis ist bemerkenswert, dass Paulus von einem bereits geschehenen Machtverlust Satans, der sich etwa durch das Heilswerk Christi ereignet hätte, nicht spricht.408 Die Entmachtung Satans erwartet Paulus vielmehr entsprechend frühjüdischer Tradition erst für das Ende der Geschichte: Erst dann wird Gott den Satan unter die Füße der Christen zertreten (Röm 16). Werden bezüglich der Entmachtung 408 J. Dochhorn, Prophetie, 2010, 293–305, postuliert, dass hinter Röm 8,33 f. die Vor stellung vom Sturz des Satans als Ankläger aus dem Himmel stehe. Die paulinische Konzeption von der Überwindung Satans entspreche daher derjenigen des Lukas und der Johannesapokalypse: Zwar stehe der endgültige Sieg über den Satan noch aus, aber aus seiner Rolle als Ankläger im Himmel sei er bereits vertrieben. Überzeugend ist diese These jedoch nicht. Denn der Satan wird in 8,33 f. gar nicht erwähnt. Und, selbst wenn hier an ihn gedacht sein sollte, kann aus der bloßen Feststellung, dass Christus als Fürsprecher der Christen zur Rechten Gottes weilt, kaum erschlossen werden, dass Satan als Ankläger aus dem Himmel gestürzt wurde. Dochorn selbst gesteht dann bei seinen Ausführungen zur Stelle auch erhebliche Unsicherheiten ein (vgl. ebd. 298 ff.), zählt aber in einem Résumé Röm 8,33 schließlich mit Entschiedenheit unter die urchristlichen Darstellungen eines eschatologischen Teufelsfalls (vgl. ebd. 306).
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Satans im weiteren Verlauf vorliegender Arbeit von Paulus abweichende Konzepte begegnen, so wird sich zeigen, dass Markus und Johannes in einem anderem Punkt sehr ähnlich denken wie Paulus: Wie der paulinische Gott dieser Welt steht auch ihr Teufel in einem engen Zusammenhang mit menschlichem Denken, mit dem Urteilen κατ ’ ὄψιν und κατὰ τὴν σάρκα.
3.2 Der Teufel in den synoptischen Evangelien In den synoptischen Evangelien finden sich drei Perikopen, die alle übereinstimmend den Teufel erwähnen. Neben der Versuchungsgeschichte (Mk 1,12 f.; Mt 4,1–12; Lk 4,1–13) gehören dazu das Beelzebulstreitgespräch (Mk 3,22–27; Mt 12,22–30; Lk 11,22–30) und die Deutung des Sämannsgleichnisses ( 4,13–20; Mt 13,18–23; Lk 8,11–15). Markus und Matthäus bemühen den Teufel darüber hinaus auch im Rahmen des Petrusbekenntnisses (Mk 8,27–33; Mt 16,13–23), wohingegen Lukas ihn hier nicht erwähnt. Daneben finden sich sowohl im matthäischen als auch im lukanischen Sondergut einige Teufelsbelege, wobei gerade bei Matthäus aufgrund der Schwierigkeiten, die sich aus der von ihm verwendeten Teufelsbezeichnung ὁ πονηρός ergeben,409 nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden kann, wie häufig er den Teufel erwähnt. In jedem Fall spricht er über die markinischen Paralellen hinaus im Rahmen der Deutung des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen (Mt 13,24–30) und in seiner Schilderung des Endgerichts (Mt 25,41) vom Teufel. Innerhalb des lukanischen Sonderguts finden sich ebenfalls einige Teufelsbelege. So erwähnt Lukas den Teufel im Rahmen seines Berichts über die Rückkehr der zweiundsiebzig zur Mission ausgesandten Jünger (Lk 10,17–20), ebenso wie in der Perikope von der Heilung der gekrümmten Frau (Lk 13,16). Ferner weiß er um das Wirken Satans in der Passion Jesu und erwähnt ihn in seiner Passionsgeschichte zweimal (22,3.31). Schließlich finden sich vier Teufelsbelege in der Apostelgeschichte (Apg 5,3; 10,38; 13,10; 26,18). Insbesondere die Teufelsbelege innerhalb des matthäischen und lukanischen Sondergutes, bei Matthäus aber auch die Teufelsbezeichnungen, die er über die beiden anderen Synoptiker hinaus verwendet, zeigen, dass Matthäus und Lukas gegenüber dem Markusevangelium durchaus unterschiedliche Aspekte der Teufelsfigur hervorheben. Die unterschiedlichen Schwerpunkte der synoptischen Satansvorstellung sollen im Folgenden erarbeitet werden.
409 Vgl. dazu unten Kapitel II, Abschnitt 3.2.2.1.
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3.2.1 Markus 3.2.1.1 Das Markusevangelium – ein kosmischer Kampf? In seiner Studie zum markinischen Geschichtsverständnis aus dem Jahre 1957410 hat James Robinson dem Satan im Markusevangelium eine bedeutend gewichtigere Rolle zugeschrieben, als es die doch recht seltenen Satansbelege auf den ersten Blick vermuten lassen. Robinson versteht die markinische Jesusgeschichte insgesamt als Schilderung eines kosmischen Kampfes, der in zwei Phasen verläuft. In der ersten Phase seien einzig die Dämonen die „Kampfpartner Jesu“, in der zweiten Phase aber, die mit 8,33 beginne, setze „der Kampf in neuer Form ein“. Satan agiere nun durch Menschen, durch die Jünger, insbesondere aber durch die „Vertreter der Judenschaft“.411 Durch diese agierend, ist Satan nach Robinson dann auch der eigentliche Antagonist Jesu auf seinem Weg in Leiden und Tod. In seinem Tod am Kreuz erfahre Jesus „the ultimate of historical involvement and of diabolical antagonism“412 und in seiner Auferstehung habe er die Macht des Bösen endgültig gebrochen.413 Nach Robinson führt somit bereits Markus – wie dann später Lukas (Lk 22,3) und Johannes (Joh 6,70 f.; 13,2.27) – den Tod Jesu auf den Satan zurück und nicht wenige Exegeten haben dieser Sicht zugestimmt.414 Dieses Verständnis des Markusevangeliums als Darstellung eines kosmischen Kampfes und insbesondere seine Rückführung des Todes Jesu auf Satan ist wenig überzeugend. Zunächst spricht gegen Robinson bereits der statistische Befund. Die wenigen Stellen, an denen Satan bei Markus begegnet, lassen es als wenig wahrscheinlich erscheinen, dass er der hinter allem Bösen stehende eigentliche Antagonist Jesu ist, dem neben diesem die zweite Hauptrolle in der markinischen Jesusgeschichte zuzusprechen wäre. Da Satan zudem in der markinischen Passionsgeschichte nicht einmal erwähnt wird, kann man Jesu Leiden und Tod kaum auf das Wirken des Teufels zurückführen und behaupten, Jesus erfahre hier „the ultimate […] diabolical antagonism.“ „Sollte das Evangelium gerade am Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen Jesus und Satan, bei der Schilderung von Passion und Kreuzigung den Widersacher verschweigen?“415 Man kann dieses Fehlen eines Satansbeleges in der Passionsgeschichte auch nicht damit begründen, dass die Passion zur zweiten Phase des Kampfes gehöre, in der der Satan durch die Gegner Jesu agiere und der kosmische Kampf nur noch in
410 J. M. Robinson, Problem, 1957. 411 Vgl. ebd. 37 f. 412 J. M. Robinson, Problem, 1957, 53. 413 J. M. Robinson, Geschichtsverständnis, 1956, 81. 414 So etwa Ch. Myers, Binding, 1988, 102. 341–343; E. Pagels, Ursprung, 1996, 25–65; U. Mittmann-Richert, Dämonen, 2003, 476–504. 415 G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 232.
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einer „immanenten Sprache“416 zum Ausdruck komme. Denn einen überzeugenden Nachweis dafür, dass der Teufel durch die Gegner Jesu, die „offiziellen Vertreter der Judenschaft“ wirkt, kann kaum erbracht werden. Robinson verweist für diese These zum einen darauf, dass zwischen den Exorzismen und den Debatten Jesu mit seinen Gegnern bzw. seinen Jüngern eine große formale Verwandtschaft besteht, und zum anderen darauf, dass die Debatten mit den Vertretern der jüdischen Obrigkeit als Versuchungen gekennzeichnet sind (Mk 8,11; 10,2; 12,15).417 Beide Argumente sind jedoch kaum schlagkräftig. Denn nichts weist darauf hin, dass der Teufel im Markusevangelium als der Versucher schlechthin verstanden ist. Wenn er in den Streitgesprächen des zweiten Teils als „Versucher“ gedacht werden soll, warum hat der Mk-Evangelist nicht schon im ersten Teil diese Verbindung angedeutet? Aber selbst im Beelzubulgespräch verzichtet Jesus darauf, den Vorwurf des Teufelsbündnisses an seine Gegner zurückzugeben. Man kann auf keinen Fall immer dann, wenn im Neuen Testament von einem πειράζειν die Rede ist, ohne weiteres den Teufel am Werk sehen. Dann müsste man auch hinter Jesus den Satan vermuten, wenn er den Philippus durch eine Frage „versucht“ (πειράζων αὐτόν; Joh 6,6). Ist es sodann ohnehin fraglich, ob man aus der formalen Verwandtschaft von Exorzismen und Debatten auf eine satanische Beeinflussung der Gegner Jesu im Mk schließen darf, so ist die Ähnlichkeit beider Gattungen keinesfalls so groß, wie Robinson angibt. E. Best kri tisiert diese Behauptung Robinsons mit vollem Recht, indem er feststellt in the exorcisms there really are no debates; there are words of commands by Jesus but no attempts to prove by argument or use of Scripture the inadequacy of the position of the demon; the demon acknowledges from the beginning the true position of Jesus as Son of God or as Holy One, the opponents in the debates do not […].418
Man wird somit kaum von einem Wirken Satans durch die menschlichen Gegner Jesu sprechen können und da Robinsons Gesamtthese, wie er selbst feststellt,419 mit dieser Behauptung steht und fällt, ist das Markusevangelium auch nicht als Schilderung eines kosmischen Kampfes zu verstehen, in dessen zweiter Phase Satan das Ziel verfolgt, Jesu Tod herbeizuführen. Aber welches Ziel bzw. welche Ziele verfolgt der markinische Satan dann? Wie versteht der Verfasser des ältesten Evangeliums diese Gestalt und an welchen Aspekten Satans ist er interessiert?
416 Vgl. J. M. Robinson, Geschichtsverständnis, 1956, 58. 417 Vgl. ebd. 55–59. 418 E. Best, Temptation, 1965, 21. 419 Vgl. J. M. Robinson, Geschichtsverständnis, 1956, 55.
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3.2.1.2 Der markinische Satan als Versucher (Mk1,12 f.) Stellt man diese Fragen an die markinische Versuchungsgeschichte (1,12 f.), so fallen die Antworten ernüchternd aus. Denn diese ist nicht zuletzt aufgrund ihrer Kürze, die zu der allerdings kaum überzeugenden Vermutung geführt hat, es handele sich bei ihr „um das Rudiment einer ursprünglich ausgeführteren Legende“,420 schwer zu deuten. Anders als die Logienquelle berichtet Markus nichts von einem Fasten Jesu und verliert kein Wort über den Inhalt der Versuchung. Ja, es wird nicht einmal explizit festgestellt, dass Jesus die Versuchung bestanden hat. Berichtet wird 1,12 f. in aller Kürze, dass der Geist, der bei der als Adoption zum Gottessohn zu verstehenden Taufe unmittelbar zuvor in Jesus eingegangen (καταβαῖνον εἰς αὐτόν; 1,10) war, diesen im Anschluss an die Himmelsstimme (1,11) sogleich (εὐθύς) in die Wüste hinaustrieb (ἐκβάλλει εἰς τὴν ἔρημον), dass Jesus dort vierzig Tage verbrachte (καὶ ἦν ἐν τῇ ἐρήμῳ τεσσεράκοντα ἡμέρας), in denen er von Satan versucht wurde (πειραζόμενος ὑπὸ τοῦ σατανᾶ), dass er mit den wilden Tieren war (καὶ ἦν μετὰ τῶν θηρίων) und dass die Engel ihm dienten (καὶ οἱ ἄγγελοι διηκόνουν αὐτῷ). Neben der Kürze der Darstellung ist es die Problematik, den Text traditionsgeschichtlich zu verorten, die sein Verständnis zusätzlich erschwert. Auf engstem Raum begegnet mit der Wüste, den vierzig Tagen, der Versuchung durch Satan, den wilden Tieren und den dienenden Engeln421 eine nicht geringe Menge durchaus bedeutungsschwerer Motive. Je nachdem, welche dieser Motive man als leitend ansieht, bieten sich unterschiedliche alttestamentliche und frühjüdische Texte als traditionsgeschichtlicher Hintergrund an. Die Erwähnung der Wüste und der vierzig Tage lässt etwa an die vierzigjährige Wüstenwanderung Israels denken (vgl. Ex 16,35; Dtn 1,3; 2,7 u. ö.), oder an die vierzig Tage und Nächte, die Mose auf dem Sinai verbrachte (Ex 24,18; 34,28; Dtn 9,9.11.18.25) und die Elia, zuvor von einem Engel mit Speise gestärkt, zum Berg Horeb wanderte (1Kön 19,7 f.).422 Versteht man das Zusammensein Jesu mit den Tieren in positivem Sinne als eine harmonische Gemeinschaft, so kann man auf Texte verweisen, die für die Endzeit die Wiederherstellung des Friedens zwischen Mensch und Tier verheißen (Jes 11,6–8; 65,25; Hos 2,20; ApkBar(syr) 73). Jesus wäre dann als der neue Adam zu verstehen, der im Sinne einer Urzeit – Endzeit Entsprechung, wie einst der alte Adam vor dem Fall, mit den Tieren in friedlicher Gemeinschaft lebt, aber anders als der alte Adam der satanischen Versuchung widersteht.423 Möglich ist es schließlich auch, die markinische Versuchungs 420 R. Bultmann, Geschichte, 21931, 270. 421 Zum verwendeten Motivinventar vgl. ähnlich G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 234. 422 Vgl. z. B. J. Schmid, Markus, 1963, 26; J. Ernst, Markus, 1981, 46. 423 Vgl. jetzt ausführlich Ch. Schramm, Streit, 2010, 18–41.
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geschichte vor dem Hintergrund von TestNaph 8,4 zu lesen. Der Patriarch verheißt hier seinen Nachkommen: Wenn ihr das Gute tut, werden euch Menschen und Engel segnen, und Gott wird durch euch unter den Völkern verherrlicht werden, und der Teufel wird von euch fliehen, und die (wilden) Tiere werden euch fürchten, und der Herr wird euch lieben, und die Engel werden sich euer annehmen.
Vor diesem Hintergrund erweist sich Jesus in der Versuchungsgeschichte als der Gerechte, „als der er durch die Himmelsstimme in 11 proklamiert worden ist.“424 Im Blick auf all diese vorgeschlagenen traditionsgeschichtlichen Einordnungsversuche stellt G. Guttenberger jedoch m. E. zu Recht fest, dass keiner von ihnen alle in Mk 1,12 f. belegten Motive berücksichtigt,425 so dass sie mit Recht zu dem Schluss kommt, dass sich die Bedeutung der markinischen Versuchungsgeschichte auf dem Wege der Traditionsgeschichte nicht eindeutig erhellen lässt. Aufgrund der Kürze der markinischen Versuchungsgeschichte und der Schwierigkeiten, sie traditionsgeschichtlich zu verorten, lässt sich ihr nur wenig Sicheres über das markinische Satansverständnis entnehmen. Deutlich ist, dass Satan als Versucher agiert. Dieser Tätigkeit geht er offensichtlich mit großer Ausdauer nach, denn anders als bei Matthäus sind es nicht nur drei Versuchungen, die Jesus nach seinem vierzigtägigen Fasten zu bestehen hat, vielmehr wird Jesus während seines gesamten vierzigtägigen Aufenthalts in der Wüste fortwährend von Satan versucht. Da es der Geist ist, der Jesus an den Ort der Versuchung führt, kann man vermuten, dass Jesu Versuchung durch Satan von Gott gewollt ist. Sicher ist dies jedoch nicht. Denn dass Gott Jesus in die Wüste führt, damit er dort von Satan versucht werde, ist ja nicht gesagt. Versteht man die Wüste etwa mit H. Mahnke, als den Ort der Gottesnähe,426 so spricht nichts gegen ein Verständnis, nach dem Satan aus eigenem Antrieb als Versucher gegen Jesus aktiv wird, um „die Zeit des einsamen Umgangs [Jesu; F. T.] mit Gott“ zu stören.427 Aber auch wenn man die Versuchung Jesu als von Gott gewollt ansieht, ist die von S. R. Garrett vorgeschlagene Deutung wenig wahrscheinlich. Unter Verweis auf die von Gott genehmigten satanischen Versuchungen Hiobs (Hi 1,8–12; 2,3–6) und Abrahams (Jub 17,16–18,12) vermutet sie, dass Gott Jesus dem Satan zuführe, um zu prüfen, ob Jesus „meets the standard of faithfulness expected of the Son of God.“428 Satan wäre in Mk 1,12 f. somit als Werkzeug Gottes zu verstehen. Gegen Garretts These spricht jedoch, dass die Engel anders als in der matthäischen Versuchungsgeschichte (vgl. Mt 4,11) ihren Dienst an Jesus nicht erst 424 D. Lührmann, Markusevangelium, 1987, 39. 425 Vgl. G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 234–236. 426 Vgl. H. Mahnke, Versuchungsgeschichte, 1978, 36. 427 G. Kittel, Art. ἔρημος κτλ., 1935, 655. 428 S. R. Garrett, Temptations, 1998, 56.
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antreten, nachdem dieser die Versuchung bestanden hat. Vielmehr ist der Dienst der Engel bei Markus – ebenso wie Jesu Zusammensein mit den Tieren und die satanische Versuchung – ein fortwährendes Geschehen.429 Es wäre sonderbar, wenn Gott durch Satan Jesu „faithfulness“ prüfen lassen wollte, ihm während dieser Prüfung aber zugleich ein dienstbares Engelheer zur Seite stellen würde, ganz gleich wie man sich den Dienst der Engel genauer vorzustellen hat.430 Aber auch Robinsons Interpretation von Mk 1,12 f. ist wenig überzeugend. Sie ist derjenigen Garretts insofern genau entgegengesetzt, als nach ihm der göttliche Geist Jesus in den Kampf führt. Denn die markinische Versuchungsgeschichte ist nach Robinson als der Beginn des Endkampfes zwischen Gott und Satan zu verstehen.431 Er geht somit davon aus, dass das Motiv der satanischen Versuchung in V. 13 dominant ist, und ordnet die übrigen Motive diesem unter. Doch eine Dominanz des Motivs der satanischen Versuchung ist keineswegs sicher und bei genauerer Betrachtung eher unwahrscheinlich. Denn die übrigen in V. 13 begegnenden Motive, der vierzigtägige Wüstenaufenthalt, das Zusammensein mit den wilden Tieren und der Dienst der Engel, stehen als Hauptsätze nebeneinander. Die Versuchung durch Satan hingegen ist dem vierzigtägigen Wüstenaufenthalt partizipial beigeordnet und erscheint daher geradezu als ein den übrigen untergeordnetes Motiv.432 Es ist deshalb kaum möglich, gerade dieses Motiv als Zentrum des Verses zu bestimmen und von ihm ausgehend dann das ganze Evangelium als kosmischen Kampf mit dem Satan zu verstehen. Der Versuchungsgeschichte lässt sich bezüglich des markinischen Satans nur die recht unspektakuläre Erkenntnis entnehmen, dass er als Versucher ver standen ist. 3.2.1.3 Die Exorzismen Jesu und der gebundene Satan (Mk 3,22–30) Der Blick ist nun auf das Beelzebulgespräch (Mk 3,22–30) zu richten, die nächste markinische Perikope, in der Satan erwähnt wird. Die Stelle ist umrahmt von Material, das Jesu Verhältnis zu seiner (leiblichen) Familie zum Gegenstand hat: Geht es in den VV. 31–35 darum, wer Jesu wahre Familie ist, so erfährt der Leser 429 Vgl. G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 233. 430 Zur Diskussion um den Dienst der Engel bei Mk vgl. H. Mahnke, Versuchungsgeschichte, 1978, 29 ff. Mahnke selbst vermutet ebd. 31, dass διακονέω hier im ursprünglichen Sinne des Tischdienstes zu verstehen ist, was jedoch, da die Thematik des Fastens in der markinischen Versuchungsgeschichte keine Rolle spielt, m. E. wenig wahrscheinlich ist. 431 Vgl. J. M. Robinson, Geschichtsverständnis, 1956, 24: „[…] was [mit der Versuchung Jesu nach Mk; F. T.] wirklich geschah, ist, dass der Endkampf zwischen Gott und Satan begonnen hat, und dass damit die Geschichte auf ihrem Höhepunkt angelangt ist.“ Ebd. 25 stellt Robinson fest: „Statt dass der Geist eine Beteiligung Jesu an der Geschichte […] verhindert, treibt er ihn [in Mk 1,12 f.; F. T.] direkt hinein in die Begegnung mit dem Bösen in Gestalt seines kosmischen Oberhauptes.“ 432 Vgl. W. Schmithals, Markus, 1979, 90; G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 233.
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in V. 21, dass Jesu leibliche Familie (οἱ παρ’ αὐτοῦ) ihn für verrückt (ἐξέστη) hält. Wie sich Jesu Familie mit diesem Vorwurf der unvergebbaren Sünde der Lästerung des Heiligen Geistes schuldig macht (VV. 28–30), so auch die von Jerusalem herabgekommenen Schriftgelehrten, die nun in V. 22 erwähnt werden und über Jesus urteilen, dass er den Beelzebul habe (βεελζεβοὺλ ἔχει). Der Ursprung des Namens βεελζεβούλ ist nicht mit Sicherheit zu klären.433 In den Texten des frühen Judentums begegnet er nicht als Dämonenname. Βεελζεβούλ wird mit bwbz l[b in Zusammenhang zu bringen sein, der 2Kön 1,2.3.6.16 als Gott von Ekron bezeichnet wird. Zu diesem sandte der erkrankte König Ahasja nach dem biblischen Bericht Boten, um zu erfragen, ob er von seiner Krankheit genesen werde. Bei der alttestamentlichen Bezeichnung bwbz l[b dürfte es sich um eine Verunglimpfung des eigentlichen Namens dieser Gottheit handeln. lwbz l[b (Prinz Baal) wurde als bwbz l[b (Herr der Fliegen/Bremsen) bezeichnet, um ihn als Herr des Ungeziefers zu diffamieren. In diese Richtung deuten zumindest ugaritische Texte, in denen der Titel zbl b’ l (Prinz Baal) belegt ist und ebenso Symmachus, der – anders als LXX – 1Kön 1,2 βεελζεβούλ transkribiert. lwbz l[b bzw. Βεελζεβούλ scheint somit ursprünglich eine pagane Gottheit gewesen zu sein, die in jüdischem Kontext zu einem Dämon wurde. Präzisiert wird der Vorwurf der Schriftgelehrten, dass Jesus den Beelzebul habe, durch ihre Behauptung, dass er die Dämonen durch den Herrscher der Dämonen austreibe (καὶ ὅτι ἐν τῷ ἄρχοντι τῶν δαιμονίων ἐκβάλλει τὰ δαιμόνια; 3,22). Man wird hier kaum zwischen Beelzebul und dem ἄρχων τῶν δαιμονίων unterscheiden dürfen, so dass durch den ersten Vorwurf behauptet würde, Jesus sei von einem bestimmten Dämon mit Namen Beelzebul besessen, und durch den zweiten, er treibe durch Satan, den Herrscher der Dämonen, die Dämonen aus.434 Vielmehr ist das die beiden Vorwürfe verbindende καί hier explikativ zu verstehen, so dass Beelzebul als Herrscher der Dämonen bezeichnet wird.435 Die Rede vom Herrscher der Dämonen setzt dabei eine hierarchisch gegliederte Dämonenwelt voraus.436 Beelzebul wird nun in der Antwort Jesu mit Satan identifiziert (3,22.26),437 wobei diese Identifikation, bedenkt man die Pluralität an Namen, die der Teufel im frühen Juden- und im Urchristentum hatte, ja, mit denen er in ein und der-
433 Zur Diskussion um βεελζεβούλ siehe etwa W. Foerster, Art. Βεεζεβούλ, 1933, 605–606; L. Gaston Beelzebul, 1962, 247–255; M. Limbeck, Beelzebul, 1973, 31–42; D. Lührmann, Markusevangelium, 1987, 75; W. D. Davies/ D. C. Allison, Saint Matthew 2, 1991, 195 f.; W. Herrmann, Art. Baal Zebub, 1995, 293–296. 434 So aber z. B. V. Taylor, St. Mark, 1959, 238; J. Gnilka, Markus, 1978, 148. 435 Vgl. P. Dschulnigg, Markusevangelium, 2007, 124. 436 Vgl. J. Gnilka, Markus, 1978, 149; G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 241. 437 Vgl. J. Gnilka, Markus, 1978, 150; J. Ernst, Markus, 1981, 118 f.; L. Schenke, Markusevangelium, 2005, 120; P. Dschulnigg, Markusevangelium, 2007, 124.
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selben Schrift benannt werden konnte,438 nicht wirklich verwunderlich ist. Es ist m. E. durchaus nicht unwahrscheinlich, dass Beelzebul ein in einigen Gebieten verbreiteter Teufelsname war,439 den wir einzig aufgrund lückenhafter Überlieferung aus älteren Quellen nicht kennen. In jedem Fall macht die Identifikation Beelzebuls mit Satan im Markusevangelium deutlich, dass Satan hier, wie etwa auch im Jubiläenbuch, als Herrscher der Dämonen verstanden ist, und er somit für alles durch diese Wesen verursachte Leid verantwortlich zeichnet. In seiner Antwort auf den Vorwurf der Schriftgelehrten führt Jesus deren Behauptung, er treibe die Dämonen durch ihren Herrscher aus, ad absurdum. Im Zentrum seiner Argumentation stehen dabei die beiden parallel gestalteten Bildworte440 vom gespaltenen Reich (V. 24) und vom gespaltenen Haus (V. 25). In V. 26 verlässt er die Bildebene und kommt anhand des durch die Bildworte zum Ausdruck gebrachten Grundsatzes, dass eine in sich uneinige Gemeinschaft keinen Bestand haben kann, zu dem Schluss, dass der gegen sich selbst agierende Satan dem Untergang geweiht wäre. Da Dämonenaustreibungen somit nicht in Satans Sinne sein können, ist der Vorwurf der Gegner als abwegig erwiesen. In V. 27 stellt Jesus nun sogleich klar, was der tatsächliche Grund für seine Macht über die Dämonen ist. Erneut bedient er sich hierzu eines Bildwortes,441 welches über das Stichwort Haus, an das in V. 25 gebrauchte Bild anknüpft. Deutlich ist, dass bei dem V. 27 genannten Starken an Satan gedacht ist,442 deutlich ist ferner, dass der in das Haus dieses Starken eindringende Räuber seines Hausrates, der die Dämonen austreibende Jesus ist.443 Als Voraussetzung für diesen Raub Jesu wird die vorangehende Bindung Satans genannt.444 Es erscheint dabei kaum sinnvoll, nach dem genauen Zeitpunkt und dem Urheber der Bindung Satans zu fragen.445 Weder das Bildwort selbst, noch das Markusevangelium geben auf diese Fragen eine Antwort und scheinen sie auch nicht im Blick zu haben. Durch V. 27 soll einzig zum Ausdruck gebracht werden, dass die Dämonenaustreibungen Jesus nur deshalb möglich sind, weil die Macht Satans grundsätzlich bereits gebrochen ist, und eben dadurch sollen die Exorzismen als Beweis für diese be 438 Verwiesen sei hier nur auf das Jubiläenbuch, wo der Teufel Belchor bzw. Beliar (1,20; 15,33), Mastema (10,8; 11,5 u. ö.) und Satan (10,11) genannt wird, oder auf das Martyrium Jesajas, wo der Teufel mit den Namen Sammael (1,8.11; 2,1), Beliar (1,8 f.; 2,3; 4,11; 5,1; 5,4), Matanbukus (2,4) und Satan (2,2; 2,7) bezeichnet wird. 439 Vgl. W. D. Davies/D. C. Allison, Saint Matthew 2, 1991, 196. 440 Vgl. G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 241. 441 Vgl. R. Bultmann, Geschichte, 21931, 182. 442 Vgl. z. B. J. Schmid, Markus, 1963, 83; J. Ernst, Markus, 1981, 119; G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 245; P. Dschulnigg, Markusevangelium, 2007, 125. 443 Vgl. z. B. die in Anm. 498 genannte Literatur. 444 Wenig überzeugend ist die gelegentlich vertretene Sicht, nach der die Exorzismen als die einzelnen Akte der Bindung Satans zu verstehen sind. Vgl. gegen dieses Verständnis die überzeugende Argumentation von G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 245 f., inkl. Anm. 169. 445 Vgl. G. Baumbach, Verständnis, 1963, 35.
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reits geschehene grundsätzliche Entmachtung Satans und damit für das Anbrechen der βασιλεία τοῦ θεοῦ (1,18) aufgezeigt werden.446 Ist aber Satan, der Herrscher der Dämonen, grundsätzlich bereits entmachtet, dann lassen sich die markinischen Exorzismen schwerlich als Bestandteil eines kosmischen Krieges verstehen, dessen Entscheidungsschlacht noch bevorsteht. Vielmehr ist der entscheidende Sieg bereits errungen, der Satan liegt am Boden. Die Exorzismen sind daher eher einer Befreiung der Gefangenen nach bereits errungenem Sieg vergleichbar. 3.2.1.4 Satan, als ein die Ausbreitung des Wortes verhindernder Faktor (Mk 4,13–20) Der dritte markinische Satansbeleg findet sich im Rahmen der Deutung des Sämannsgleichnisses (4,13–20). Im Gleichnis selbst (4,3–9), das zumindest in seinem Grundbestand häufig auf den historischen Jesus zurückgeführt wird, ist davon die Rede, dass ein Teil des vom Sämann ausgestreuten Samens auf den Weg fällt und dieser von den Vögeln aufgefressen wird (V. 4). Die Vögel werden nun in der allegorischen Deutung des Gleichnisses, die, wie gleich zu begründen sein wird, gewiss auf einen anderen „Verfasser“ zurückzuführen ist, auf den Satan gedeutet. Die Entstehung dieser Deutung dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass eine Verbindung zwischen Satan und Vögeln bereits in der frühjüdischen Tradition virulent war. So nähert sich die personifizierte Gottlosigkeit Asasel in ApkAbr 13 dem Abraham in Gestalt eines unreinen Vogels (ApkAbr 13) und will ihn dazu verleiten, den ihn begleitenden Engel zu verlassen. Und das Jubiläenbuch weiß darum, dass der Herrscher Mastema zu den Lebzeiten der Söhne Noahs einst Raben und Vögel sandte, „damit sie den Samen fräßen, der auf der Erde gesät war, und [um; F. T.] die Erde zu verderben, damit sie den Menschenkindern ihre Arbeit raubten.“ Noch bevor die Menschen den Samen pflügen konnten, „hatten die Raben (ihn) gesammelt von der Oberfläche der Erde“ (Jub 11). Der Same, den der Satan der Gleichnisdeutung wegnimmt, ist das Wort. Und bereits diese Deutung des Gleichnissamens auf das Wort erweist sie als ein Produkt der Urkirche. Denn der absolute Gebrauch von ὁ λόγος findet sich nur an dieser Stelle im Munde Jesu, erscheint jedoch oft als „ein von der Urkirche gebrauchter und offensichtlich auch geprägter terminus technicus für das Evangelium (vgl. Mk 1,45 2,2; 16,20; Lk 1,2; Apg 4,4; 6,4; 1Thess 1,6 u. ö.).“447 Diesem Wort, der frohen Botschaft, steht der Satan feindlich gegenüber.448 Er nimmt es bei derjenigen Menschengruppe, die als οἱ παρὰ τὴν ὁδόν bezeich 446 Vgl. ähnlich J. Schmid, Markus, 1963, 82 f. 447 M. Limbeck, Satan, 1974, 294. Zu ὁ λόγος als terminus technicus für das Evangelium vgl. auch W. Bauer, Wörterbuch, 61988, Sp. 970 f. 448 Vgl. G. Baumbach, Verständnis, 1963, 38.
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net wird, unmittelbar nach der Aussaat weg und verhindert dadurch, dass es in ihnen wirken und Frucht bringen kann. Verhindert Satan das Aufgehen des ge säten Samens, so agiert er damit zunächst als Feind des Sämanns, dessen Arbeit er zunichte macht. Und insofern bei dem Sämann, wenngleich er nicht gedeutet wird, doch zumindest in erster Linie an Jesus zu denken ist,449 stellt die Gleichnisdeutung Satan somit als Feind Jesu dar.450 Dabei stellt G. Baumbach durchaus zu Recht fest, dass diese Feindschaft Satans gegen den Sämann bei Markus stärker hervortritt als bei Matthäus (Mt 13,18–23) und Lukas (Lk 8,11–15), da nur Markus den Sämann eingangs der Deutung erneut erwähnt.451 Wenn aber M. Limbeck hieraus schließt, dass Satan für das Leben der Glaubenden bedeutungslos sei,452 so ist dies schon deshalb nicht richtig, weil der Sämann der Gleichnisdeutung, insofern diese ein Produkt der Urkirche ist, ja durchaus auch auf die Glaubenden zu beziehen ist.453 Diejenigen, bei denen das Wort auf guten Boden gefallen ist und die Frucht gebracht haben, die Glaubenden, sind es ja, die das Wort weiter verkündigen und somit selbst zu Sämännern geworden sind. Auch als ihr Feind wird der Satan, der den Erfolg ihrer Predigt verhindert, dargestellt. Schließlich ist der Teufel aber auch als Feind derer anzusehen, von denen er das Wort wegnimmt. Denn deutlich ist ja, dass das Wort hier als die das Heil der Menschen ermöglichende Größe vorgestellt ist, und indem der Teufel den jenigen, die παρὰ τὴν ὁδόν sind, diese Größe wegnimmt, bewirkt er, dass sie das Heil nicht erlangen werden. Unklar bleibt, an welche Menschen, bei denen παρὰ τὴν ὁδόν gedacht ist. Denn eine nähere Charakterisierung dieser Gruppe unterbleibt. In Parallele zu den folgenden Menschengruppen könnte auch bei ihnen an solche gedacht sein, die das Wort zunächst aufnehmen.454 Es wäre dann etwa an Neubekehrte zu denken, die auch nach anderen Texten ein bevorzugtes Opfer des Teufels sind.455 Möglich ist jedoch auch, dass die παρὰ τὴν ὁδόν solche sind, die das Wort sogleich (εὐθύς) – nachdem sie es gehört haben – ablehnen.456 In jedem Fall aber ist bezüglich der Deutung des Sämannsgleichnisses schließlich zu erwähnen, „dass Satan nur ein Faktor [ist], der den Erfolg der Lehre Jesu verhindert.“457 Bedrängnis und Verfolgung, die einigen Christen zum Anstoß werden (V. 17), werden hier ebenso wie die Sorgen der Welt (V. 19) gerade nicht auf Satan zurück 449 Vgl. J. Schmid, Markus, 1963, 98. 450 Vgl. ebd. 37. 451 Vgl. G. Baumbach, Verständnis, 1963, 37 f. 452 Vgl. M. Limbeck, Satan, 1974, 327. 453 Vgl. z. B. J. Gnilka, Markus, 1978, 174. 454 Vgl. z. B. D. Lührmann, Markusevangelium, 1987, 88. 455 Vgl. C. Burchard, Senfkorn, 1998, 84, mit Stellenangaben; G. Theißen, Monotheismus, 2011, 64. 456 Vgl. z. B. J. Schmid, Markus, 1963, 98; E. Schweizer, Markus, 111967, 54; L. Schenke, Markusevangelium, 2005, 130. 457 G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 232 (Kursivierung im Original).
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geführt.458 Die Deutung des Sämannsgleichnisses steht damit der Interpretation Robinsons, die hinter der Bedrängnis und Verfolgung, die Jesus in seiner Passion erleidet, Satan am Werk sieht, deutlich entgegen. 3.2.1.5 Petrus als menschlich denkender Satan (Mk 8,27–33) Ein letztes Mal begegnet der Begriff Satan im Markusevangelium schließlich an hervorgehobener Stelle. Im Anschluss an das Petrusbekenntnis (8,29), bei dem Petrus als Sprecher der Jünger459 zum Ausdruck bringt, dass sie Jesus als Messias erkannt haben, spricht Jesus erstmals die Unumgänglichkeit (δεῖ) seines Leidens und Sterbens aus (8,31). In deutlichem Kontrast zur offenen Rede Jesu nimmt Petrus Jesus daraufhin beiseite und bedroht (ἐπιτιμᾶν) ihn ob seiner Worte (8,32). Jesus beendet sogleich die Unterredung im Geheimen und wendet sich seinen Jüngern zu. Sie alle anblickend bedroht (ἐπιτιμᾶν) er Petrus mit den Worten: ὕπαγε ὀπίσω μου, σατανᾶ, ὅτι οὐ ϕρονεῖς τὰ τοῦ θεοῦ ἀλλὰ τὰ τῶν ἀνθρώπων (8,33). Blickt Jesus alle Jünger an, während er Petrus mit den zitierten Worten anspricht, so ist deutlich, dass dieser auch in den VV. 31–33 noch als Stellvertreter des Jüngerkollektivs fungiert.460 Das Scheltwort Jesu trifft daher letztlich sie alle, nicht einzig Petrus. Bereits hieraus ergibt sich, dass Jesus Petrus hier keinesfalls als die Verkörperung Satans offenbar macht. Dagegen spricht auch, dass Petrus als diabolus incarnatus nicht menschliche, sondern satanische Gedanken denken würde, und dass Jesus Petrus dann kaum weiterhin als einen seiner Jünger akzeptieren würde.461 Zumindest auf redaktioneller Ebene wird man kaum davon ausgehen dürfen, dass σατανᾶς hier in alttestamentlichem Sinne schlicht den menschlichen Widersacher meint, um dann zu behaupten, an den Satan sei bei der Petrusschelte gar nicht gedacht.462 Denn zum einen übersetzt Markus semitische Ausdrücke üblicherweise für seine Leser (Mk 5,41; 15,22.34), und zum anderen war bei den vorangehenden markinischen Belegen des Nomens
458 Vgl. ebd. 459 Vgl. z. B. J. Ernst, Markus, RNT, Regensburg 1981, 235; L. Schenke, Markusevangelium, 2005, 207; P. Dschulnigg, Markusevangelium, 2007, 229. 460 Vgl. z. B. J. Schmid, Markus, 1963, 160; D. Lührmann, Markusevangelium, 1987, 150; L. Schenke, Markusevangelium, 2005, 209. 461 Vgl. G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 277. 462 M. Limbeck, Satan, 1974, 290–293, führt das Satanswort gegen Petrus in 8,33 mit vielen anderen Auslegern auf den historischen Jesus zurück und meint, Jesus habe Petrus hier durch die Satans-Anrede schlicht als seinen Widersacher bezeichnet. Aber auch im Blick auf die redaktionelle Ebene stellt er fest: „Es bleibt fraglich, ob Markus im Einwand des Petrus tatsächlich den Satan zu Wort kommen sah“ (Ebd. 326. Anm. 28). Auch R. Pesch, Markusevangelium 2, 1977, 54, urteilt im Anschluss an M. Limbeck, dass „Mk 8,33 nicht vom ‚Satan‘, […], sondern vom Gegner, Widersacher die Rede ist.“
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σατανᾶς stets die mythische Gestalt Satan im Blick.463 Schließlich verdeutlicht auch der Gebrauch des Verbs ἐπιτιμᾶν in 8,27–33, dass bei dem Vokativ σατανᾶ in 8,33 an den mythischen Herrscher der Dämonen zu denken ist. Denn in Verbindung mit der Erwähnung Satans, legt es die dreimalige Verwendung dieses Verbs (VV. 30.32.33), das bei Mk häufig im Rahmen von Dämonenaustreibungen begegnet (1,25; 3,12; 9,25), durchaus nahe, die Petrusschelte im Sinne eines Exorzismus zu verstehen.464 Wird Petrus von Jesus als Satan bezeichnet, so wird er nach dem bisher Gesagten durchaus mit dem metaphysischen Satan in Zusammenhang gebracht, jedoch nicht in dem Sinne, dass er als diabolus incarnatus mit ihm gleichzusetzen wäre. Vielmehr legt es die exorzistische Terminologie nahe, dass Jesus an der Reaktion des Petrus erkennt, dass in ihm der Satan am Werk ist, dass dieser als die treibende Kraft hinter dem satanischen Verhalten Petri steht. Satanisch verhält sich Petrus dabei nicht insofern, als er Jesus in Versuchung führt, sondern insofern, als er sich dem göttlichen δεῖ des Leidens und Sterbens des Menschensohnes entgegenstellt und somit die Durchsetzung des Willens Gottes verhindern will.465 Dieses satanische Verhalten des Petrus wird nun in V. 33 durch seine Bezeichnung als Satan zunächst auf den Einfluss dieser mythischen Gestalt zurückgeführt und die Satansanrede wird sodann von Jesus damit begründet, dass Petrus menschlich und nicht göttlich denkt.466 Der Gedanke dürfte dabei sein, dass der Satan die Gedanken des Petrus beeinflusst und somit derjenige ist, der das (allzu) menschliche Denken des Petrus verursacht und ihn dadurch dazu bringt, die Durchsetzung des göttlichen Willens verhindern zu wollen. Lässt sich das von Satan verursachte menschliche Denken Petri genauer charakterisieren? Das Satanswort gegen Petrus folgt unmittelbar auf Jesu erste Leidensankündigung. Blickt man auf die beiden weiteren Leidensankündigungen (9,30–32; 10,32–34), so zeigt sich, dass auch in den auf sie folgenden Abschnitten der Gegensatz menschliches Denken/ göttliches Denken, wenngleich nicht terminologisch, so doch der Sache nach durchaus begegnet. Im unmittelbaren Anschluss an die zweite Leidensankündigung, findet sich die Erzählung vom Rangstreit der Jünger (9,33–37): Auf dem Weg nach Kapharnaum debattieren die Jünger untereinander, wer von ihnen der größte sei (τίς μείζων): Sie denken ganz menschlich, streben nach weltlicher Größe, nach 463 Vgl. G. Guttenberger, Gottesvorstellung, 2004, 277. 464 Vgl. ebd.; J. Leonhardt-Balzer, Gestalten, 2007, 216. Zu ἐπιτιμᾶν in exorzistischem Kontext vgl. auch O. Böcher, Christus Exorcista, 1972, 85. 465 Vgl. P. Dschulnigg, Markusevangelium, 2007, 235; J. Leonhardt-Balzer, Gestalten, 2007, 216. 466 Vgl. W. Foerster, Art. σατανᾶς, 1964, 158: „denn Petrus wird als Satan angesprochen, weil er menschlich denkt“; P. Dschulnigg, Markusevangelium, 2007, 235 f.: „Begründet wird die scharfe Abweisung Petri als Satan damit, dass er nicht Gottes Sache bedenke, sondern die der Menschen.“
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Ansehen und Ehre in ihrer Gemeinschaft. Jesus lehrt nun in seiner Antwort „eine neue Ordnung des Denkens“,467 oder, wie man auch sagen kann, er macht den jenigen, die menschlich denken, offenbar, wie Gott denkt, indem er aufklärt, dass nicht derjenige nach göttlichem Denken der Erste ist, der der Größte, der Mächtigste und Angesehenste ist, sondern, der, der nach menschlichem Denken der Letzte ist: Der Diener aller, der ohne jede Ehre und ohne jedes Ansehen zu sein scheint (8,35). Dieses göttliche Denken veranschaulicht Jesus sogleich, wenn er ein Kind zu sich nimmt und darstellt, dass nicht nur er, sondern dass sich Gott gerade „mit den Kleinen, den Ohnmächtigen identifiziert“.468 Auch im Anschluss an die dritte Leidensankündigung thematisiert Mk das menschliche Denken der Jünger. Wie beim Rangstreit der Jünger geht es auch bei der Bitte der Zebedaiden, in der Herrlichkeit Jesu zu seiner Rechten und Linken zu sitzen (10,37), um Ehre und Ansehen in ganz menschlichem Sinne. Jakobus und Johannes erbitten von Jesus, worum die Jünger in 9,33–37, gestritten haben. Denn indem sie die Ehrenplätze neben Jesus anstreben, zeigen sie, dass sie auch weiterhin darauf aus sind, in ganz menschlichem Sinne die Größten unter den Jüngern zu sein. Dass auch die übrigen Jünger nach wie vor dieses Ziel verfolgen, zeigt ihr über die Bitte der Zebedaiden ausbrechender Ärger (10,41). Erneut konfrontiert nun Jesus die menschlich denkenden Jünger mit dem göttlichen Denken. In ihrer Gemeinschaft, so fordert er, sollen die üblichen, menschlichem Denken entspringenden Herrschaftsstrukturen keinen Platz haben. Vielmehr sollen die Strukturen der Jüngergemeinschaft göttlichem Denken entsprechen, indem derjenige, der groß (μέγας) sein will, unter ihnen ein Diener (διάκονος), und derjenige, der der Erste (πρῶτος) sein will, der Sklave (δοῦλος) aller sein soll (10,42–45). Menschliches Denken zeichnet sich in den auf die zweite und dritte Leidensankündigung folgenden Abschnitten eben dadurch aus, dass es an weltlicher Größe, an Ansehen, Macht und Ehre orientiert ist. Gleiches gilt auch für das menschliche Denken des Petrus, und – insofern dieser als Stellvertreter der Jünger agiert – letztlich aller Jünger, von dem im unmittelbaren Anschluss an die erste Leidensankündigung die Rede ist. Der Messias, als den Petrus Jesus soeben erkannt hat, ist ihm eine Gestalt, der Macht, Ehre und Ansehen zukommt. Dies alles jedoch in ganz menschlichem Sinne. Die Lehre vom leidenden Menschensohn widerstrebt dem menschlichen Denken des Petrus. Denn, dass der am Kreuz sterbende Jesus keinerlei Ehre, keinerlei Ansehen und Macht besitzt, ist aus menschlicher Perspektive evident. Diese kommen dem Gekreuzigten als dem Letzten, als dem Diener und Sklaven aller, einzig nach göttlichem Denken zu, das den menschlichen Vorstellungen von Größe diametral entgegengesetzt ist.
467 Vgl. J. Schmid, Markus, 1963, 179. 468 E. Schweizer, Markus, 111967, 109.
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Die markinische Gegenüberstellung von menschlichem und göttlichem Denken im Anschluss an die drei Leidensankündigungen erinnert in manchem an die paulinische Gegenüberstellung von weltlicher und göttlicher Weisheit (1Kor 1,18–2,16). Wie der λόγος τοῦ σταυροῦ nach Paulus für diejenigen, die nach Art und Weise der σοϕία τοῦ αἰῶνος τούτου denken ein Anstoß (σκάνδαλον) oder eine Torheit ist (μωρία; 1Kor 1,23), so wird dem Petrus in 8,31 ff. die Lehre vom leidenden und sterbenden Menschensohn zum Anstoß, weil er menschlich denkt. Und wie bei Paulus der Satan, als ὁ θεὸς τοῦ αἰῶνος τούτου, mit der Weisheit dieser Welt in engster Verbindung steht,469 so wird bei Markus das menschliche Denken des Petrus und der Jünger mit Satan in Verbindung gebracht. Satan zeichnet dafür verantwortlich, dass sie sich an einer Werteordnung orientieren, die der göttlichen diametral entgegengesetzt ist, um ihnen die Messianität des leidenden und sterbenden Jesus zu verbergen.
3.2.2 Matthäus 3.2.2.1 Der Teufel als ὁ πειράζων und ὁ πονηρός Im Vergleich mit Markus spielt der Teufel bei Matthäus eine größere Rolle. Insbesondere die Vorstellung, dass Satan durch Menschen agiert und einige Menschen mit Satan in enger Verbindung stehen, tritt bei ihm stark hervor. Dabei scheint Matthäus insbesondere eine ganz bestimmte Gruppe, die Pharisäer, als Werkzeuge Satans verstanden zu haben. Diese freilich urteilten über die matthäische Gemeinde in gleicher Weise und sahen in ihr Verbündete des Teufels. Das soeben Gesagte soll im Folgenden ausgehend von den beiden Teufelsbezeichnungen dargelegt werden, die unter den Synoptikern nur Matthäus verwendet. Bezeichnet Matthäus den Teufel wie Markus und Lukas als σατανᾶς (4,10; 12,26[2mal]; 16,23), so gebraucht er wie Lukas auch διάβολος (4,1.5.8.11; 13,39; 25,41) und ὁ ἐχθρός (13,39). Über Markus und Lukas hinaus gilt ihm der Teufel jedoch auch als ὁ πειράζων und ὁ πονηρός. Als ὁ πειράζων bezeichnet Matthäus den Teufel zu Beginn der Versuchungsgeschichte (4,3). Dass er diese Bezeichnung bereits in der Logienquelle vorgefunden hat, ist unwahrscheinlich. Vielmehr spricht die Verwendung der matthäischen Vorzugsvokabel προσέρχομαι470 dafür, dass die Wendung καὶ προσελθὼν ὁ πειράζων, die sich bei Lukas nicht findet, als matthäische Redaktion zu bewerten ist.471 Die Teufelsbezeichnung ὁ πειράζων hat dabei einen verabsolutierenden Charakter und kennzeichnet den Teufel als den Versucher schlechthin.472 Da 469 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 3.1.6. 470 Προσέρχομαι begegnet im NT 86mal. Davon entfallen 50 Belege auf Mt. 471 Vgl. H. Mahnke, Versuchungsgeschichte, 1978, 58 f. 472 Vgl. G. Baumbach, Verständnis, 1963, 106.
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Matthäus diese Bezeichnung zudem am Beginn seiner Versuchungsgeschichte gebraucht, die er „als ein Eingangstor in seine Jesusgeschichte [gestaltet], welches die ganze Geschichte präludiert“,473 liegt es durchaus nahe, dass er ihn als den letztgültigen Urheber aller Versuchungen versteht,474 der letztlich in allen Versuchungen am Werk ist. Diese Rückführung aller Versuchung bzw. Verführung zur Sünde auf den Satan zeigt sich auch in der matthäischen Petrusschelte. Denn anders als bei Markus ist die Bezeichnung Petri als Satan bei Matthäus dadurch veranlasst, dass Petrus für Jesus ein σκάνδαλον ist (16,23),475 ihn zur Sünde verführen will. Wird Petrus daher von Jesus mit den Worten ὕπαγε ὀπίσω μου, σατανᾶ zurückgewiesen, so klingen Worte an, die Matthäus Jesus schon an anderer Stelle zu dem πειράζων sprechen ließ: Am Ende der Versuchungsgeschichte weist der über den Teufel triumphierende Jesus diesen mit der Wendung ὕπαγε, σατανᾶ von sich (4,10). Auch unter dem Kreuz könnte bei Matthäus der Teufel als ὁ πειράζων anwesend sein, um Jesus durch Menschen zu versuchen. Denn die am Kreuz Jesu vorbeigehenden Spötter bedienen sich bei ihrer Lästerung Jesu ähnlicher Worte wie der Versucher in der Wüste: Fordern sie Jesus in 27,40 auf, sich selbst zu helfen und vom Kreuz herabzusteigen, wenn er der Sohn Gottes ist (εἰ υἱὸς εἶ τοῦ θεοῦ), so hatte der Teufel die beiden ersten Versuchungen in der Wüste mit den Worten „Wenn du der Sohn Gottes bist (εἰ υἱὸς εἶ τοῦ θεοῦ)“ eingeleitet. Da der Teufel von Matthäus als Versucher schlechthin gekennzeichnet ist, wird man bei ihm – anders als bei Markus – davon ausgehen dürfen, dass er auch bei den Versuchungen Jesu durch die Pharisäer und Schriftgelehrten im Hintergrund steht (16,1; 19,3; 22,18.35).476 Nicht zuletzt deswegen, weil sich – wie gleich darzustellen ist – noch weitere Verbindungslinien zwischen Satan und den Autoritäten Israels aufzeigen lassen. Auch die Teufelsbezeichnung ὁ πονηρός begegnet innerhalb der synoptischen Evangelien nur bei Matthäus. In den griechischen Schriften des frühen Judentums ist das substantivierte Adjektiv in diesem Sinne nicht belegt, doch dient es auch in anderen Schriften des NT zur Benennung des Teufels (Joh 17,15; Eph 6,16; 2Thess 3,3; 1Joh 2,13.14; 3,12; 5,18.19). An einigen Stellen bleibt dabei jedoch aufgrund der formalen Übereinstimmung des maskulinen und neutrischen Genitivs τοῦ πονηροῦ unsicher, ob an den Teufel gedacht ist. Ganz eindeutig begegnet ὁ πονηρός daher auch bei Matthäus nur in 13,19 – wo der Nominativ gebraucht wird und ὁ πονηρός an die Stelle des σατανᾶς in der markinischen Vorlage tritt (Mk 4,15) – als Teufelsbezeichnung. Umstritten hingegen sind die Genitive τοῦ πονηροῦ in 5,37; 6,13 und 13,38. Dass dabei insbesondere 6,13, 473 U. Luz, Matthäus 1, 52002, 226. 474 Vgl. G. Baumbach, Verständnis, 1963, 106. 475 G. Baumbach, Verständnis, 1963, 114. 476 Vgl. z. B. G. Baumbach, Verständnis, 1963, 107; H. Mahnke, Versuchungsgeschichte, 1978, 165; W. Wilkens, Versuchung, 1982, 483 ff.; A. Sand, Matthäus, 1986, 320; M. Konradt, Israel, 2007, 148.
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die bei Lukas nicht überlieferte letzte Bitte des matthäischen Vater Unser schon immer besonders kontrovers diskutiert wurde, ist kaum verwunderlich. Wenngleich der Gedanke wenig sympathisch erscheint, liegt es hier jedoch m. E. nahe, τοῦ πονηροῦ maskulin zu verstehen. Denn die siebte Bitte steht mit der sechsten in enger Verbindung und bildet ihre positive Entsprechung.477 Da bereits in der sechsten Bitte mit dem Begriff πειρασμός eine typisch matthäische Teufelsbezeichnung anklingt, dürfte die siebte Bitte auf den Punkt bringen, dass es eben der als der Böse und der Versucher verstandene Teufel ist, dem man nicht nur nicht zugeführt werden will, sondern vor dem man bewahrt werden möchte. Ist dieses Verständnis richtig und begegnet die Bitte um Erlösung von dem Teufel somit in dem zentralen Gebet der matthäischen Gemeinde, dann ist deutlich, dass der Teufel für diese Gemeinde von großer Bedeutung gewesen sein muss.478 Auch in der Deutung des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen (13,36–43), die gegenüber dem Gleichnis selbst (13,24–30) in jedem Fall sekundär ist und höchstwahrscheinlich insgesamt auf den Evangelisten zurückzuführen ist,479 dürfte bei den υἱοὶ τοῦ πονηροῦ in 13,38 der Genitiv maskulin zu verstehen sein. Dafür spricht bereits, dass die Rede von der Teufelskindschaft im frühjüdisch-urchristlichen Schrifttum bekannt ist480 und die Beobachtung, dass es in diesen Schriften „keinen Beleg für υἱοί, τέκνα, bene mit nachfolgendem substantiviertem neutrischem Adjektiv im Genitiv“481 gibt. Aber auch der Kontext, in dem sich die Wendung bei Matthäus findet, spricht für ein maskulines Verständnis. Zum einen war der Teufel erst kurz zuvor im Rahmen der Deutung des Gleichnisses vom Sämann als ὁ πονηρός bezeichnet worden, wobei das in beiden Gleichnissen und ihren Deutungen verwendete Bildfeld einander ohne Frage sehr ähnlich ist. Zum anderen wird derjenige, der das Unkraut und damit die υἱοὶ τοῦ πονηροῦ sät, ja gleich im folgenden Vers als der διάβολος gedeutet (13,39). Die Saatmetaphorik legt dabei durchaus den Gedanken nahe, dass die vom Teufel ausgesäten Söhne des Bösen, wie es ApkAbr 14,4 von den mit den Sternen und den Wolken Geborenen im Blick auf Asasel sagt, dem Teufel ihr Dasein verdanken und er somit als ihr Vater anzusehen ist. 3.2.2.2 Der Teufel als Waffe zur Diffamierung der Gegner Spricht Matthäus von Kindern des Teufels, so ist deutlich, dass er einige Menschen in einem engen Verhältnis mit Satan sieht und diese und ihr Verhalten als satanisches charakterisiert. An wen denkt er? Im Rahmen der Gleichnisdeutung 477 Vgl. E. Lohse, Vater unser, 2009, 83. 478 Vgl. J. Leonhardt-Balzer, Gestalten, 2007, 216. 479 Vgl. U. Luz, Matthäus 2, 1990, 338. 480 Vgl. z. B. Jub 15,33; 4Q 174, 3,8; 4Q 286,6; Joh 8,44; 1Joh 3,10. 481 J. Jeremias, Deutung, 1962, 61.
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wohl zunächst ganz allgemein an alle diejenigen aus dem Reich des Menschensohnes, die Anstoß (τὰ σκάνδαλα) geben und gesetzeswidrig handeln (τοὺς ποιοῦντας τὴν ἀ’νομίαν; 13,41). Dabei ist mit dem Reich des Menschensohnes kaum nur die Kirche gemeint.482 Die Deutung des Ackers auf die Welt (13,38) zeigt vielmehr, dass Matthäus hier universal denkt,483 und somit alle diejenigen, die Anstoß geben und gesetzeswidrig handeln, ob sie nun zur Kirche gehören oder nicht, als υἱοὶ τοῦ πονηροῦ versteht. Außerhalb der Gleichnisdeutung scheinen es insbesondere die Autoritäten Israels zu sein, die Matthäus als υἱοὶ τοῦ πονηροῦ versteht. Denn insbesondere die πονηρία der Schriftgelehrten und Pharisäer hebt er mit Vorliebe hervor:484 So heißt es von den Schriftgelehrten in 9,3 f., dass sie in ihren Herzen Böses denken und die Pharisäer werden als grundsätzlich böse bezeichnet (πονηροὶ ὄντες; 12,34), als böse Menschen, die aus dem bösen Schatz in ihrem Innern nur Böses hervorbringen (12,35). An die Pharisäer und Schriftgelehrten ist die Rede vom bösen und ehebrecherischen Geschlecht adressiert (γενεὰ πονηρὰ καὶ μοιχαλίς), weil sie – wie der Teufel der Versuchungsgeschichte – von Jesus ein Zeichen fordern (12,38; 16,1–4) und ihn dadurch versuchen (16,1–4). Schließlich betont Matthäus die πονηρία der Pharisäer ein weiteres Mal im Rahmen ihrer als Versuchung gekennzeichneten Bemühung, ihn durch ein Wort zu fangen (22,15–20). Gewiss nicht zu Unrecht behauptet J. Kingsbury daher „evilness“ als „root character trait“ der matthäischen „Jewish Leaders“,485 und es erscheint durchaus richtig, die jüdischen Führer als die bösen Gegner Jesu in Zusammenhang zu bringen mit dem Bösen schlechthin.486 In diese Richtung weist auch, dass die Autoritäten bei Matthäus dreimal als Otternbrut (γεννήματα ἐχιδνῶν) angeredet werden (3,7; 12,34; 23,33), eine Bezeichnung die, da Mathäus die Identifikation der Paradiesschlange mit dem Teufel vermutlich geläufig gewesen sein dürfte, durchaus im Sinne einer Teufelskindschaft zu verstehen sein könnte.487 Das Matthäusevangelium stellt die Autoritäten Israels und insbesondere die Pharisäer als die Gegner Jesu schlechthin dar, und wenngleich nicht nur sie als υἱοὶ τοῦ πονηροῦ anzusehen sind, so sind doch die Verbindungslinien zwischen ihnen als den grundsätzlich bösen Feinden Jesu und dem Bösen bzw. dem Feind besonders deutlich. Ist es richtig, dass sich die matthäische Gemeinde zur Zeit der Abfassung des Evangeliums in einem akuten Konflikt mit den Pharisäern
482 So aber z. B. G. Bornkamm, Enderwartung, 1960, 17.40. 483 Vgl. z. B. U. Luz, Matthäus 2, 1990, 339 f. 484 Vgl. M. Konradt, Israel, 2007, 147. 485 Vgl. J. D. Kingsbury, Conflict, 1987, 58.60.64. 486 Vgl. H. Mahnke, Versuchungsgeschichte, 1978, 165 f.; J. D. Kingsbury, Conflict, 1987, 60. 66; M. Konradt, Israel, 2007, 148. 487 Vgl. H. Mahnke, Versuchungsgeschichte, 1978, 166; W. D. Davies/D. C. Allison, Saint Matthew 1, 1988, 304; J. D. Kingsbury, Conflict, 1987, 59 f.; M. Konradt, Israel, 2007, 148.
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befand,488 so kann man sagen, dass der Teufel von der matthäischen Gemeinde als eine Waffe zur Diffamierung der eigenen Feinde gebraucht wurde. Dass sich nicht nur die matthäische Gemeinde dieser Waffe bediente, sondern dass umgekehrt auch die Pharisäer die matthäische Gemeinde verteufelten, lässt sich dem Matthäusevangelium dabei recht deutlich entnehmen. Denn der Besessenheitsvorwurf gegenüber Jesus wird im ersten Evangelium deutlich stärker betont als bei Markus und Lukas. Anders als bei Markus, aber in Entsprechung zu Lukas, ist der Beelzebulvorwurf, von dem Matthäus in 12,22–37 berichtet, durch einen Exorzismus Jesu veranlasst. Dürfte es sich bei dem matthäischen Text insgesamt um eine Kombination aus Mk 3,22–30 und Q 11,14–23 handeln,489 so ist wichtig, dass es bei Matthäus nicht wie bei Lukas eine anonyme Gruppe aus der umstehenden Menge ist (Lk 11,14 f.), die den Beelzebulvorwurf gegen Jesus vorbringt. Auch sind es nicht wie bei Markus die aus Jerusalem angereisten Schriftgelehrten (Mk 3,22), vielmehr hat Matthäus hier die Pharisäer eingetragen und lässt diese den Beelzebulvorwurf durch Verwendung des οὐκ … εἰ μή in verschärfter Form aussprechen:490 Ausschließlich mit satanischer Hilfe, so stellen sie fest, treibt Jesus die bösen Geister aus. Verschärft Matthäus hier den Beelzebulvorwurf gegen Jesus, so findet sich dieser Vorwurf nur im ersten Evangelium noch an einer weiteren Stelle. In 9,32 berichtet Matthäus von der Heilung eines besessenen Stummen und konstatiert zunächst die durchaus positive Reaktion der Volksmenge auf dieses Ereignis. „Noch nie“, so stellen sie fest, „ist so etwas in Israel gesehen worden“ (9,33). Die zweite Reaktion, von der Matthäus sodann berichtet, fällt freilich weit weniger positiv aus: Erneut sind es die Pharisäer, die behaupten, dass Jesus die Dämonen ἐν τῷ ἄρχοντι τῶν δαιμονίων austreibe (9,34). Die Aussendungsrede verdeutlicht nun, dass nicht nur Jesus, sondern auch die matthäische Gemeinde in dieser Weise verteufelt wurde. Den zur Israelmission ausgesandten Jüngern kündigt Jesus hier auf sie zukommende Verfolgungen an (10,16–25) und bringt dabei durch die rhetorische Frage, εἰ τὸν οἰκοδεσπότην Βεελζεβοὺλ ἐπεκάλεσαν, πόσῳ μᾶλλον τοὺς οἰκιακοὺς αὐτοῦ, dass der Beelzebulvorwurf in verstärktem Maße (πόσῳ μᾶλλον) auch sie treffen wird (10,25). Als Subjekt von ἐπεκάλεσαν wird man dabei durchaus die Pharisäer verstehen dürfen.491 Denn wenngleich diese im unmittelbaren Kontext nicht genannt werden, so sind sie doch die Einzigen, die Jesus im Matthäusevangelium mit Beelzebul in Zusammenhang bringen (9,34; 12,24). Beide Konfliktparteien, Pharisäer wie auch matthäische Gemeinde, haben jeweils die Gegenseite als Verbündete des Teufels angesehen, und der Teufel und 488 So z. B. M. Konradt, Israel, 2007, 379 f. 489 Vgl. U. Luz, Matthäus 2, 1990, 254; W. D. Davies/D. C. Allison, Saint Matthew 2, 1991, 332 f. 490 Vgl. A. Sand, Matthäus, 1986, 261; U. Luz, Matthäus 2, 1990, 254; W. D. Davies/D. C. Allison, Saint Matthew 2, 1991, 335. 491 Vgl. W. D. Davies/D. C. Allison, Saint Matthew 2, 1991, 195.
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das Matthäusevangelium ist somit ein deutliches Zeugnis dafür, dass „der Satan ein semantisches Potential zum Angriff auf andere [ist]“.492 3.2.2.3 Weitere Aspekte des matthäischen Teufels Der Teufel bedient sich im Matthäusevangelium einiger Menschen als seiner Werkzeuge, er kann jedoch auch unabhängig von Menschen wirken. Wie bei Markus agiert er zufolge der Deutung des Gleichnisses vom Sämann ganz eigenständig, wenn er das Wort aus den Menschen auf dem Weg wegnimmt. Anders als bei Markus ist das Wort bei Matthäus in das Herz dieser Menschen gesät und da der Teufel es aus diesem entfernen kann, besitzt er offensichtlich Zugang zu ihrem Herzen und damit dem Personenzentrum.493 Aus dem Herzen reißen kann er ihnen das Wort jedoch nur, weil sie es nicht verstehen, wobei er für dieses Unverständnis selbst nicht verantwortlich zu sein scheint.494 Wie im markinischen wird Satan auch im matthäischen Beelzebulgespräch mit Beelzebul gleichgesetzt (12,26). Auch Matthäus gilt er somit als Herrscher der Dämonen, der hinter dem Wirken dieser Wesen steht und sich ihrer als seiner Werkzeuge bedient. An anderer Stelle kann Matthäus die Dämonen auch als Engel des Teufels bezeichnen (25,41; vgl. Apk 12,7.9), und sie gehören wie aus 12,26 deutlich wird zur βασιλεία Satans. Gleiches scheint für die menschlichen Werkzeuge Satans bemerkenswerterweise nicht zu gelten. Denn in der Deutung des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen wird festgestellt, dass die jenigen, die Anstoß geben und gesetzeswidrig handeln, und somit die υἱοὶ τοῦ πονηροῦ (13,38), am Ende der Zeit von den Engeln des Menschensohnes aus dessen βασιλεία, der sie bis dato offensichtlich noch zuzurechnen sind, gesammelt und in den Feuerofen geworfen werden (13,41 f.). Mit dem Feuerofen steht den υἱοὶ τοῦ πονηροῦ freilich das gleiche Schicksal bevor, wie dem Teufel und seinen Engeln. Denn dieser Feuerofen ist mit dem ewigen Feuer identisch, das nach 25,41 dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist. Matthäus ist mit dieser Aussage der einzige unter den Synoptikern, der die endgültige Vernichtung Satans zumindest am Rande anvisiert. Zwar weiß auch er darum, dass der Starke schon gefesselt (12,29), der Teufel somit grundsätzlich bereits entmachtet ist. Ganz zu Ende ist es mit ihm deshalb jedoch noch nicht. Vielmehr setzt er sein Wirken – wie auch bei Markus – als bereits Geschlagener fort und wird gemeinsam mit seinen Engeln erst am Ende der Zeit in dem ihm bereiteten Feuer endgültig vernichtet werden. Der traditionsgeschichtliche Hintergrund dieses endzeitlichen Feuersturzes Satans und seiner Diener, um den auch die neutestamentliche Apokalypse weiß (Apk 19,20; 20,10), dürfte sich im 492 G. Theißen, Erleben, 2007, 297. 493 Zum Herz als Personenzentrum vgl. z. B. ebd. 57 ff. 494 M. Limbeck, Satan, 1974, 334.
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Buch der Wächter finden. Hier heißt es von dem durch Rufael bereits lange zuvor gebundenen Azaz’el (ÄthHen 10,4), dass er am großen Tag des Gerichts in die Feuerglut gestoßen werden soll (10,6) und dieses Schicksal teilen mit ihm auch die übrigen Wächterengel, die den Himmel verlassen und sich mit Frauen verbunden haben (10,9–13).
3.2.3 Lukas Lukas bezeichnet den Teufel mit den Lexemen διάβολος und σατανᾶς, wobei beide Begriffe je fünfmal im Evangelium und zweimal in der Apostelgeschichte begegnen.495 Daneben gilt ihm der Teufel als ὁ ἐχθρός (Lk 10,19) und als ἐξουσία τοῦ σκότους (Lk 22,53) 3.2.3.1 Verbindung des Teufels mit Krankheit und Dämonen Im Vergleich mit dem der beiden übrigen Synoptiker, weist das lukanische Teufel bild einige Besonderheiten auf. Die erste besteht darin, dass die Verbindung des Teufels mit den Dämonen hier in weitaus stärkerem Maße betont ist als bei Markus und Matthäus.496 Diese beiden bringen den Satan nur im Rahmen des Beelzebulvorwurfs in Zusammenhang mit Dämonen und Krankheit, Lukas darüber hinaus auch an weiteren Stellen (Lk 10,17–20; 11,14–23; 13,10–17; Apg 10,38). Wie wichtig dieser Aspekt des satanischen Wirkens Lukas war, zeigt bereits ein Blick auf Apg 10,38. Bietet Lukas in Apg 10,37 ff. einen knappen Abriss seines eigenen Evangeliums,497 so findet sich darin neben der Erwähnung des Täufers (V. 37), der Salbung Jesu mit göttlichem Geist (V. 38), des Todes (V. 39) und der Auferstehung Jesu, sowie seiner Erscheinungen (V. 40 f.), auch die Feststellung, dass Jesus alle gesund gemacht hat, die in der Gewalt des Teufels waren (ἰώμενος πάντας τοὺς καταδυναστευομένους ὑπὸ τοῦ διαβόλου; V. 38). Wird diese Tätigkeit Jesu sogleich mit den Worten ὅτι ὁ θεὸς ἦν μετ ’ αὐτοῦ kommentiert, so ist die christologische Pointe der Aussage deutlich: Die exorzistische Tätigkeit dient Lukas als Beweis dafür, dass Gott mit Jesus war.498 Dabei ist dieser Beweis deutlich schlagkräftiger, wenn die Verbindung der Dämonen mit Satan betont wird. Versteht man die Dämonen als unabhängig voneinander agierende Wesen, so können Exorzismen auch auf niedere Magie zurückgeführt werden. Nur wenn deutlich ist, dass hinter diesen Wesen die Macht Satans steht, ist klar, dass sie nur mit Gottes Hilfe, „mit dem Finger Gottes“ (Lk 11,20) ausgetrieben werden können. 495 διάβολος: Lk 4,2.3.6.13; 8,12; Apg 10,38;13,10. σατανᾶς: Lk 10,18; 11,18; 13,16; 22,3; 22,31; Apg 5,3; 26,18. 496 Vgl. J. Leonhardt-Balzer, Gestalten, 2007, 218. 497 Vgl. U. Wilckens, Kerygma, 1958, 230. 498 Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, 1981, 173.
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Satan wird in Apg 10,38 durch Verwendung des Verbs καταδυναστεύειν als Herrscher dargestellt, der die Menschen gewaltsam behandelt und unterdrückt.499 Jesus befreit die Menschen von diesem Tyrannen nach Apg 10,38, indem er sie heilt und die Verwendung des Verbs ἰάομαι deutet dabei bereits an, dass für Lukas Satan nicht nur hinter denjenigen Krankheiten steht, bei denen die üblichen Besessenheitsphänomene auftreten, sondern dass er vielmehr auch sonstige Krankheiten auf das Wirken Satans und der ihm untergebenen Mächte zurückführen kann. Ganz deutlich wird dies in Lk 13,10–17, wo ein Krankheitsgeist (πνεῦμα ἀσθενείας; V. 11) einer Frau den Rücken krümmt und Jesus sie als eine Tochter Abrahams bezeichnet, die der Satan gebunden hatte (V. 16). Hat die Verbindung von Satan und Dämonen in Apg 10,38 eine christologische, so in Lk 10,17–20 eine eschatologische Pointe. Die zweiundsiebzig Jünger waren in 10,1–12 von Jesus zur Mission ausgesandt worden und kehren hier nun voll Freude zu Jesus zurück. Bezeichnend ist, dass der Grund für ihre Freude nicht etwa ihre erfolgreiche Mission ist, sondern die Tatsache, dass die Dämonen ihnen in Jesu Namen untertan sind. Auch hier zeigt sich somit die Bedeutung der Exorzismen für Lukas. Die Vollmacht der Zweiundsiebzig über die Dämonen wird nun in 10,18 f. von Jesus auf den Sturz Satans aus dem Himmel zurückgeführt, so dass deutlich ist, dass die Exorzismen für Lukas zum Ausdruck bringen, dass die Macht Satans an entscheidender Stelle, im Himmel, bereits gebrochen ist. In den Exorzismen zeigt und verbreitet sich diese himmlische Rea lität auf Erden. Denn wenn Jesus die Dämonen mit dem Finger Gottes austreibt, so kann daraus gefolgert werden (ἄρα), dass das Reich Gottes auf Erden angelangt ist (11,20), dass die im Himmel bereits Realität gewordene Entmachtung Satans sich in den Exorzismen auf Erden zeigt und auch hier zu einer Realität wird. Bemerkenswert ist, dass die Freude (χαρά) der Jünger als Folge ihrer Übermacht über die Dämonen und des Satanssturzes in 10,17–20 stark betont wird. Denn die χαρά der Gerechten ist – wie unten noch darzustellen sein wird500 – auch in einigen frühjüdischen Texten und im Johannesevangelium zentrales Resultat des endzeitlichen Teufelssturzes. 3.2.3.2 Das Wirken des Versuchers im Rahmen der Passion Jesu Die zweite Besonderheit des lukanischen Teufelsbildes besteht darin, dass Lukas der einzige unter den Synoptikern ist, der den Verrat Jesu durch Judas auf das Wirken des Teufels zurückführt. Dem markinischen Bericht sehr ähnlich, beraten die Hohenpriester am Beginn der lukanischen Passionsgeschichte darüber, wie sie Jesus beseitigen können (22,1 f.; vgl. Mk 14,1 f.). Unter Auslassung 499 Zu καταδυναστεύειν im Sinne von „gewalttätig behandeln“, „unterdrücken“ vgl. W. Bauer, Wörterbuch, 61988, 833 f. 500 Vgl. unten Kapitel III, Abschnitte 3.2.1.4 und 3.2.2.
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der markinischen Erzählung von der Salbung in Bethanien (Mk 14,3–9), berichtet Lukas nun sogleich, dass ihnen dabei Satan zu Hilfe kommt. Dieser fährt in Judas Ischariot ein (εἰσῆλθεν δὲ σατανᾶς εἰς Ἰούδαν τὸν καλούμενον Ἰσκαριώτην; 22,3) und bringt ihn dazu, mit den Hohepriestern und Schriftgelehrten gemeinsame Sache zu machen (22,3–6). Die satanische Einwohnung in Judas ist dabei bei Lukas kaum, wie M. Wolter behauptet,501 im Sinne dämonischer Besessenheit zu verstehen, d. h. die Intentionalität und Subjektivität des Judas ist nicht in einer Weise ausgeschaltet wie bei einigen von Dämonen besessenen Menschen (vgl. z. B. Lk 8,26–33; 9,37–43). Die nächste lukanische Parallele zur Vorstellung vom Einwohnen des Satans in Judas, ist nicht die dämonische Besessenheit, wie sie in den Exorzismen geschildert wird, sondern vielmehr die in Apg 5,3 zum Ausdruck gebrachte Vorstellung, dass Satan das Herz eines Menschen erfüllen kann. Dort aber ist ganz deutlich, dass Hananias nicht als gänzlich willenloses Wesen handelt, dessen Subjektivität im Sinne dämonischer Besessenheit von Satan verdrängt wurde. Denn, wie Judas von Jesus bei der Gefangennahme (22,48), wird er von Petrus mit seinem Namen angesprochen und handelt anders als die Besessenen durchaus rational, wenn er von dem Erlös des verkauften Ackers etwas für sich zurückbehält. Schließlich teilen dann auch Judas und Hananias ein ganz anderes Schicksal als die Besessenen: Werden diese aus der Gewaltherrschaft Satans von Jesus befreit (Apg 10,38), so werden Hananias und Judas mit dem Tode bestraft (Apg 1,18; 5,5). Wird das Verhalten beider auf satanische Einwohnung zurückgeführt, so nicht, weil sie in gleichem Maße wie die Besessenen fremdbestimmt handeln, sondern weil die „transpersonalen Hintergründe“ des Geschehens offen gelegt werden sollen:502 Judas und Hananias handeln zwar selbst, aber hinter ihrem Tun steht eine größere Macht als deren Werkzeuge sie agieren und deren Willen sie ausführen. Wenn H. Conzelmann503 den Satan trotz der Notiz in 22,3 nicht als Veranstalter der Passion ansieht, so ist dies, angesichts der letzten Worte: ἀλλ ’ αὕτη ἐστὶν ὑμῶν ἡ ὥρα καὶ ἡ ἐξουσία τοῦ σκότους, die Jesus in 22,53 gegenüber seinen Häschern spricht, kaum zutreffend. Denn Apg 26,18 sind σκότος und ἐξουσία τοῦ σατανᾶ aufs engste miteinander verbunden, und bei der ἐξουσία τοῦ σκότους ist daher ganz sicher an die Macht Satans zu denken.504 Dieser ist es, der in der Stunde der Gegner Jesu hintergründig am Werk ist. Wie Lukas das Wirken Satans im Rahmen der Passion Jesu verstanden wissen will, welche Ziele er ihm bei seinem Vorgehen gegen Jesus zuschreibt, zeigt sich, wenn man die Verbindungslinien beachtet, die der Evangelist zwischen Ver 501 Vgl. M. Wolter, Lukasevangelium, 2008, 693, der behauptet, was Judas tut, sei dem vergleichbar, „was nach Mk 5,12 f. par. Lk 8,32 f. die Schweine taten, nachdem die ‚unreinen Geister‘ resp. die ‚Dämonen‘ in sie gefahren waren.“ 502 Vgl. J. Roloff, Apostelgeschichte, 1981, 94. 503 Vgl. H. Conzelmann, Mitte, 51964, 146. 504 Vgl. G. Theißen, Monotheismus, 2011, 60, Anm. 35.
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suchungsgeschichte und Passionsbericht legt. Die auffälligste besteht wohl zwischen den VV. 4,13 und 22,3. Die der Feder des Lukas entstammende Notiz,505 dass der Teufel, nachdem er jede Versuchung (πάντα πειρασμόν)506 vollendet hatte, ἄχρι καιροῦ von Jesus abließ, welche die Versuchungsgeschichte beschließt (4,13), weist gewiss voraus auf den Passionsbericht und hier insbesondere auf das Eingehen Satans in Judas, von dem in 22,3 berichtet wird.507 Denn die Wendung ἄχρι καιροῦ verdeutlicht ja, dass Satans Aktivität sich erneut gegen Jesus wenden wird und die Zeit zwischen Versuchung und Passion ist zwar bei Lukas nicht im Sinne einer gänzlichen Abwesenheit des Teufels eine „satansfreie Zeit“,508 wohl aber in dem Sinne, dass hier von Angriffen des Teufels auf Jesus keine Rede ist.509 Sodann verbindet Lukas die Versuchungsgeschichte mit der Passion, indem er die ihm aus der Logienquelle vorgegebene Reihenfolge der drei satanischen Versuchungen verändert. Die Annahme, dass Matthäus hier die ursprüngliche Reihenfolge bewahrt hat, erscheint deutlich plausibler als die umgekehrte. Zum einen, weil der matthäische Text eine Horizonterweiterung erkennen lässt: „von der Wüste über die heilige Stadt bis zur ganzen Welt.“510 Zum anderen weil bei Matthäus die beiden ersten Versuchungen parallel gestaltet sind: Sie beginnen jeweils mit der Wendung εἰ υἱος εἶ τοῦ θεοῦ, in der dritten aber findet sich diese Wendung nicht. Versucht der Satan Jesus in den beiden ersten Versuchungen unter Voraussetzung seiner Gottessohnschaft, so geht die dritte darüber hinaus. Der Teufel fordert von Jesus die Preisgabe seiner Gottessohnschaft, indem er von ihm fordert, ihn anstelle Gottes anzubeten.511 Indem nun Lukas diese wohldurchdachte Reihenfolge seiner Quelle verändert und die Reihe der Versuchungen in Jerusalem enden lässt, deutet er bereits an, an welchem Ort Satan und Jesus einander erneut gegenübertreten werden.512 Eine weitere Verbindungslinie zwischen Versuchungsgeschichte und Passions geschichte könnte sodann darin zu sehen sein, dass Lukas den Dienst der Engel, von dem sowohl Markus als auch Matthäus berichten (Mk 1,13; Mt 4,11), in seiner Versuchungsgeschichte nicht erwähnt. Wurde über die Gründe für diese
505 Vgl. z. B. W. Radl, Lukas I, 2003, 225. 506 Zur Verwendung des Singulars πάντα πειρασμόν vgl. ebd. 237. Er soll „die erzählten drei Versuchungen zusammenschließen und gleichzeitig jede von ihnen in ihrer Beudeutung unterstreichen.“ 507 Vgl. z. B. G. Baumbach, Verständnis, 1963, 183; H. Conzelmann, Mitte, 51964, 22; M. Limbeck, Satan, 1974, 338; G. Schneider, Lukas, 1977, 102; J. Ernst, Lukas, 61993, 127; W. Radl, Lukas I, 2003, 237 f. 508 H. Conzelmann, Mitte, 51964. 509 Vgl. G. Schneider, Lukas, 1977, 102; W. Radl, Lukas I, 2003, 238. 510 G. Theißen, Lokalkolorit, 21992, S. 216 f., Anm. 14. 511 Vgl. M. Konradt, Israel, 2007, 311. 512 Vgl. G. Baumbach, Verständnis, 1963, 176; W. Radl, Lukas I, 2003, 238.
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Auslassung viel spekuliert, so erscheint die von G. Baumbach513 vorgeschlagene Lösung, die von H. Mahnke514 noch pointierter vertreten wurde, am plausibelsten zu sein. Zwar erwähnt Lukas den Engeldienst nicht in der Versuchungsgeschichte, er hat ihn aber an späterer Stelle nachgetragen, und zwar in 22,43 f. Auf dem Ölberg erscheint dem im Gebet ringenden Jesus ein Engel vom Himmel und stärkt ihn. Zwar sind die VV. 43 f. textkritisch nicht ganz sicher, da die äußere Bezeugung kein eindeutiges Urteil zulässt.515 Doch sprechen innere Kriterien recht deutlich für ihre Zugehörigkeit zum lukanischen Text:516 Zum einen ist der Stil der Verse durch und durch lukanisch,517 zum anderen lässt sich ihre Streichung mit dem Verweis auf die als anstößig empfundene Darstellung des in dieser Intensität angefochtenen Jesus problemloser erklären, als ihre Ergänzung.518 Schließlich wäre die lukanische Szene nach Streichung der Verse derartig dürftig, dass M. Dibelius zu Recht urteilt: „So kann der Evangelist Lukas nicht geschrieben haben!“519 Dürften die VV. 43 f. somit ursprünglicher Bestandteil des Evangeliums sein, so liegt, angesichts der zuvor bereits genannten Verbindungslinien zwischen Versuchungsgeschichte und Passion, die Vermutung durchaus nahe, dass Lukas den Engeldienst in der Versuchungsgeschichte auslässt, weil er ihn sich für die entscheidende Auseinandersetzung Jesu mit dem Teufel, die Passion, vorbehält. Die Verbindungslinien, die Lukas zwischen Versuchungsgeschichte und Passion zeichnet, verdeutlichen, dass auch das satanische Vorgehen gegen Jesus in der Passionsgeschichte als Versuchung zu verstehen ist. Für dieses Verständnis spricht ferner, dass sich in dem die Passion einleitenden 22. Kapitel, welches mit den VV. 3 und 53 einen „kunstvoll aufgebauten satanischen Rahmen“ besitzt,520 drei der sieben lukanischen Belege des Substantivs πειρασμός finden (Lk 4,13; 8,13; 11,4; 22,28; 22,40; 22,46; Apg 20,19). Wie der Teufel Jesus am Anfang des Evangeliums zu Fall bringen wollte, so versucht er es nun auch an dessen Ende. Indem er Jesus mit dem Tode bedroht, will er ihn zum Abfall von Gott und dessen Willen veranlassen.521 Wie schwer diese letzte Versuchung zu überwinden
513 Vgl. G. Baumbach, Verständnis, 1963, 176. 514 Vgl. H. Mahnke, Versuchungsgeschichte, 1978, 154 f. 515 Vgl. die Übersicht über den handschriftlichen Befund bei M. Wolter, Lukasevangelium, 2008, 722 f. 516 Für die ursprüngliche Zugehörigkeit der Verse zum lukanischen Text plädieren etwa M. Dibelius, Formgeschichte, 21933, 202, Anm. 1.; H. Mahnke, Versuchungsgeschichte, 1978, 352, Anm. 4.; W. Radl, Lukas-Evangelium, 1988, 11 f.; F. Bovon, Lukas 4, 2009, 301 f. Ein „non liquet“ konstatiert M. Wolter, Lukasevangelium, 2008, 723. 517 Vgl. G. Schneider, Redaktionsgeschichte, 1985, 154–156. 518 Vgl. z. B. H. Mahnke, Versuchungsgeschichte, 1978, 352, Anm. 4. 519 M. Dibelius, Formgeschichte, 21933, 202, Anm. 1. 520 R. Morgenthaler, Geschichtsschreibung, 1949, 149. 521 Vgl. U. Mittmann-Richert, Sühnetod, 2008, 183 f.
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ist, verdeutlicht Lukas in der Ölbergszene. Er zeigt hier jedoch zugleich, auf welche Weise Jesus eben dies gelungen ist und macht ihn damit zum Vorbild für alle Christen in gleicher Lage. Der Vorbildcharakter der Ölbergszene ergibt sich einerseits aus ihrem Kontext,522 sodann daraus, dass Lukas, der die Erzählung gegenüber Markus insgesamt stark verkürzt, die Mahnung an die Jünger, zu beten, damit sie nicht in Anfechtung geraten, verdoppelt und sie, die Erzählung umrahmend, an den Anfang und das Ende der Szene stellt.523 Dieser Rahmen verdeutlicht freilich auch, mit welcher Intention Jesus sich zum Gebet von den Jüngern zurückzieht: Auch er betet, mit dem Ziel nicht in Anfechtung zu geraten. Was in Anfechtung geraten dabei konkret bedeutet, ergibt sich aus V. 44. Denn wenn es hier heißt: Und als er in Angst524 geriet, betete er umso intensiver (καὶ γενόμενος ἐν ἀγωνίᾳ ἐκτενέστερον προσηύχετο), so ist die Angst, als die aufsteigende Anfechtung zu verstehen, die Jesus durch sein Gebet abwehren wollte und nun, da sie da ist, durch noch intensiveres Gebet überwindet. Indem er die Todesangst überwindet, besteht er die teuflische Versuchung, denn diese Angst ins unermessliche zu steigern und Jesus durch sie dazu zu bringen, sich dem Tode entziehen zu wollen und damit dem Willen Gottes zuwider zu handeln, ist das eigentliche Ziel, das die teuflische Macht der Finsternis verfolgt, wenn sie Jesus mit dem Tode bedroht. 3.2.3.3 Satans Verhältnis zu Gott Die dritte Besonderheit des Teufelsbildes im Lukasevangelium besteht darin, dass Lukas den Satan an einigen Stellen als eine von Gott abhängige Macht darstellt. Zunächst geschieht dies im Rahmen der zweiten satanischen Versuchung in Lk 4,5–8. Wie bei Matthäus in der dritten konstatiert der Satan bei Lukas in der zweiten Versuchung, dass er die Macht über alle Königreiche dieser Welt innehat. Nach dem lukanischen Bericht führt Satan Jesus hinauf – an welchen Ort wird anders als bei Matthäus, wo von einem sehr hohen Berg (ὄρος ὑψηλὸν λίαν) die Rede ist (Mt 4,8), nicht gesagt – und zeigt ihm – gedacht ist bei Lukas vermutlich an eine Art visionärer Schau525 – in einem Augenblick alle Königreiche τῆς οἰκουμένης (Mt: τοῦ κόσμου). Diese bietet er Jesus sogleich an, indem er feststellt: σοὶ δώσω τὴν ἐξουσίαν ταύτην ἅπασαν καὶ τὴν δόξαν αὐτῶν, ὅτι ἐμοὶ παραδέδοται καὶ ᾧ ἐὰν θέλω δίδωμι αὐτήν· σὺ οὖν ἐὰν προσκυνήσῃς ἐνώπιον ἐμοῦ, ἔσται σοῦ πᾶσα. Festzustellen ist zunächst, dass Lukas, bei dem Satan dieses Angebot bedeutend ausführlicher formuliert als bei Matthäus, einen Ge danken betont, der auch in der matthäischen Fassung präsent ist und den beide 522 Siehe dazu R. Feldmeier, Krisis, 1987, 17. 523 Vgl. ebd. 524 Zur Übersetzung von ἀγωνία mit Angst vgl. F. Bovon, Lukas 4, 2009, 309. 525 Vgl. W. Radl, Lukas I, 2003, 233; M. Wolter, Lukasevangelium, 2008, 181.
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aus der Logienquelle übernommen haben: hinter politischer Macht und damit hinter Macht in weltlichem Sinne steht der Teufel.526 Er vergibt die Königreiche der Welt nach seinem Gusto, und derjenige, der sie anstrebt, muss sich ihm unterwerfen und ihn anbeten. Weltliche Macht und die damit verbundene δόξα kann der Teufel aber nach Lukas nur deswegen nach freiem Willen vergeben, weil sie ihm zuvor übergeben wurde. Παραδέδοται kann dabei schwerlich anders denn als Passivum Divinum verstanden werden, so dass derjenige der dem Teufel die weltliche Macht übergeben hat, kein anderer als Gott ist.527 In der kürzeren matthäischen Fassung des satanischen Weltherrschaftsangebots findet sich der Gedanke, Satan habe die Jesus angebotene Macht von Gott übertragen bekommen, nicht. Dort stellt der Teufel, nachdem er Jesus alle Königreiche des Kosmos und ihre δόξα gezeigt hat, nur knapp fest: ταῦτά σοι πάντα δώσω, ἐὰν πεσὼν προσκυνήσῃς μοι. Dem International Q Project zufolge, stimmt der matthäische Text an dieser Stelle mit dem der Logienquelle im Wesentlichen überein.528 Zumindest im Blick auf das lukanische ὅτι ἐμοὶ παραδέδοται ist diesem Urteil zuzustimmen, denn zum einen gebraucht Lukas „un certain nombre d’explications du même genre“529 (6,19; 8,37; 9,38; 11,18) und zum anderen kann der Teufel auch nach Lk 22,31 f. nur mit göttlicher Duldung ans Werk gehen, so dass diese Vorstellung im Rahmen der Evangelien ein Spezifikum des lukanischen Teufelsbildes ist. Lk 22,31 f. ist Bestandteil der lukanischen Abschiedsreden (22,21–38). Die Ankündigung der Verleugnung des Petrus leitet Jesus in diesen Versen ein, indem er sich mit der Doppelanrede „Simon, Simon“ an Petrus wendet, und diesem berichtet, dass der Satan sich die Jünger auserbeten habe, um sie wie den Weizen zu sieben, dass aber er selbst, Jesus, für Petrus gebeten habe, dass sein Glaube nicht aufhöre (22,31 f.). Derjenige bei dem Satan sich die Jünger hier auserbittet, ist ohne Frage Gott.530 Man wird an eine ähnliche Szenerie wie im Hiobprolog denken dürfen (1,6–12; 2,1–6).531 Zwar ist dort das Verb ἐξαιτοῦμαι nicht belegt, sachlich aber ist durchaus davon die Rede, dass Satan darum bittet, die von Gott behauptete Gottesfurcht Hiobs auf die Probe zu stellen, und im Testament 526 K. Berger, Wozu, 2001, 79–95 spricht von einer „Politisierung“ des Teufels. Im Anschluss an ihn auch G. Theißen, Erleben, 2007, 298. Nach Theißen diente Gaius Caligula, der die Proskynese in das Hofzeremoniell einführte, göttliche Verehrung forderte und in seiner nur von 37–41 n. Chr. währenden Regierungszeit im Osten mehrere Könige einsetzte, als Modell des Satans in der Versuchungsgeschichte der Logienquelle (vgl. G. Theißen, Lokalkolorit, 2 1992, 215–232). 527 Vgl. z. B. F. Bovon, Lukas 1, 1989, 199 f.; M. Wolter, Lukasevangelium, 2008, 182. 528 Vgl. P. Hoffmann/C. Heil, Spruchquelle, 2002, 36. Einzig das πεσὼν wird als matthäischer Zusatz bewertet. 529 J. Dupont, tentations, 1968, 57 f.; vgl. auch R. Gundry, Matthew, 21994, 58. 530 Vgl. z. B. W. Grundmann, Lukas, 1961, 406 f.; J. Ernst, Lukas, 61993, 458; M. Wolter, Lukasevangelium, 2008, 715; F. Bovon, Lukas 4, 2009, 272. 531 Vgl. F. Bovon, Lukas 4, 2009, 271 f.
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Hiobs wird dann davon berichtet, dass der Satan sich den Leib Hiobs vom Herrn erbittet (ᾐτήσατο), um ihm Plagen zuzufügen (TestHi 20,2).532 Bittet der lukanische Satan darum die Jünger wie den Weizen sieben zu dürfen, so möchte er sie wohl in Versuchung führen, um die Belastbarkeit ihres Glaubens zu prüfen, und dadurch die sprichwörtliche Spreu unter den Jüngern vom Weizen zu trennen.533 Satan selbst wird man dabei wohl eine negative Intention nachsagen dürfen, d. h. er prüft nicht neutral die Glaubenstreue der Jünger, sondern er führt sie in Versuchung mit dem Ziel, sie vom Glauben abzubringen und somit keinen Weizen übrig zu lassen. Denn in der Deutung des Sämannsgleichnisses stellt Lukas den Satan als Feind des Glaubens dar, indem er durch einen redaktionellen Einschub verdeutlicht, dass Satan das Wort Gottes bei denen auf dem Weg mit dem Ziel wegnimmt, ἵνα μὴ πιστεύσαντες σωθῶσιν (8,12). Wie er dort verhindert, dass Menschen überhaupt zum Glauben kommen, so will er durch das Sieben der Jünger deren vorhandenen Glauben zerstören und sie damit des Heils berauben. Dem Ansinnen Satans wird von Gott in vollem Umfang534 stattgegeben und es ist somit deutlich, dass Satan, ebenso wie er die Königreiche dieser Welt, wenn nicht im Auftrag Gottes, so doch zumindest mit göttlicher Duldung, vergibt, auch seine Versuchungen gegen die Jünger mit göttlicher Erlaubnis durchführt. Der Permissio-Gedanke, der an den beiden soeben besprochenen Stellen gebraucht wird, steht in Spannung zu zahlreichen Stellen an denen deutlich wird, dass Lukas Teufel und Gott als einander entgegengesetzte Mächte versteht, die sich zueinander verhalten wie Finsternis und Licht (Apg 26,18), wie knechtender Krankheitserreger und befreiender Heiler (Lk 11,20; Apg 10,38). Er steht ebenso in Spannung zu einer weiteren Stelle, an der Lukas ebenfalls eine, hier freilich ehemalige, Verbindung Satans zu Gott zum Ausdruck bringt. Bei der bereits angesprochenen Rückkehr der zweiundsiebzig zur Mission Ausgesandten konstatiert Jesus, dass er den Satan vom Himmel fallen sah, wie einen Blitz. Im Hintergrund steht hier die Vorstellung von Satan als dem im Himmel thronenden
532 Vgl. auch TestBen 3,3, wo Benjamin seinen Kindern vorhersagt, dass die Geister Beliars sie sich für alle böse Bedrängnis ausbitten werden (ἐξαιτήσωνται). Auch hier dürfte Gott der jenige sein, an den sich die Bitte der Geister Beliars richtet. 533 Bemerkenswert ist, dass Jesus selbst, zufolge der Ankündigung des Täufers in 3,17 einer ganz ähnlichen Tätigkeit nachgeht wie der siebende Satan: Mit einer Worfschaufel in der Hand, so meint der Täufer sinngemäß, wird der Stärkere (= Jesus) dafür sorgen, dass nur der Weizen in der Scheune gesammelt wird, die Spreu aber wird er mit nicht erschlöschendem Feuer verbrennen. Lukas hat den worfelnden Jesus bei seiner Rede vom siebenden Satan in 22,3 aber kaum im Blick (vgl. M. Wolter, Lukasevangelium, 2008, 716). 534 Dass sich die Fürbitte, die Jesus bei Gott einlegt, wie M. Wolter, Lukasevangelium, 2008, 716, meint, „auf eine Einschränkung des vom Satan geplanten ‚Schüttelns‘ in Bezug auf Petrus“ richtet, lässt sich dem Text nicht entnehmen. Jesus bittet vielmehr darum, dass der Glaube des Petrus trotz allem noch so heftigen „Schütteln“ des Satans nicht aufhört.
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Staatsanwalt, der die Menschen vor Gott verklagt.535 Als solcher ist der Satan, so wird man die Aussage Jesu zu verstehen haben, gestürzt worden, woraus nicht nur folgt, dass die Jünger Macht über Dämonen, sondern auch, dass ihre Namen von nun an in die himmlischen Bücher eingeschrieben sind. Wann sich dieser Sturz ereignet hat, wird nicht festgestellt, doch ist, da er als Voraussetzung für die Fähigkeit der Jünger Dämonen auszutreiben angegeben wird, evident, dass es sich um ein bereits geschehenes Ereignis handelt. Ist aber der Satan bereits aus dem Himmel entfernt und ist ihm somit jeder Zugang zum göttlichen Bereich entzogen, wie ist es dann möglich, dass er auf Erden nach wie vor die göttliche Vollmacht über die Königreiche der Welt ausübt? Wieso gestattet ihm Gott, die Jünger, und damit doch wohl auch die Christen späterer Generation zu sieben wie den Weizen? Die Spannung zwischen beiden Vorstellungen ist nicht ganz zu lösen, doch könnte Lukas durch den Gedanken, Gott dulde das politische Wirken Satans und sein versucherisches Vorgehen gegen die Christen, eine kognitive Dissonanz reduzieren, die sich aus dem Gegensatz des Glaubens an die Gegenwart des Heils und der täglich erlebten Gemeinderealität ergibt. Denn wie einst die Entstehung des jüdischen Glaubens an einen allmächtigen und gütigen Gott, das Problem des Bösen nahezu unlösbar machte,536 so stürzt auch der Glaube an eine bereits geschehene Entmachtung des Satans bezüglich der Existenz des Bösen in Aporien, insbesondere wenn dieses Böse nicht nur in der Welt präsent ist, sondern auch die Gemeinde bedroht und Christen besiegt: Wenn Satan die lukanische Gemeinde durch die von ihm eingesetzten Machthaber in Bedrängnis und Versuchung führte (21,12–19), wie er auch Jesus und die Jünger einst in Versuchung stürzte (22,31.39–46), und einige Christen, auch auf andere Weise wieder für sich gewinnen konnte (Apg 5,3), so war dies mit einem Glauben an eine bereits eingetretene Entmachtung Satans schwer zu verbinden. Durch den Permissio-Gedanken scheint Lukas dieses Problem zu lösen. Er hält daran fest, dass Satan an entscheidender Stelle, im Himmel, keinen Einfluss mehr besitzt und somit grundsätzlich machtlos ist. Beweis dafür sind ihm die erfolgreiche Mission, in deren Rahmen Menschen der Macht Satans entrissen werden (Apg 26,18), und die Macht über die Dämonen, die Christen im Namen Jesu haben (Lk 10,17; Apg 5,16; 8,7; 19,11 f.). Wenn Satan die Christen durch die von ihm eingesetzten Machthaber oder auf andere Weise in Versuchung führen kann, dann, so meint Lukas, nicht deswegen, weil er wieder an Macht gewonnen hätte, sondern vielmehr, weil ihm dies von Gott zugestanden wurde. Mit seinem versucherischen Wirken kann Satan die Christen aber prinzipiell nicht überwinden, wenn sie auf Jesus vertrauen (21,15) und sich – dem Vorbild Jesu folgend – angesichts aufkommender Anfechtung ins Gebet vertiefen (22,39–46), besiegen kann sie der
535 Vgl. z. B. F. Bovon, Lukas 2, 1996, 57. 536 Vgl. G. Theißen, Erleben, 2007, 265.
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Satan nur dann, wenn sie sich, wie Hananias und Saphira (Apg 2,5–11), nicht mit ganzem Herzen dem Herrn zuwenden,537 sondern sich auch auf weltliche Weise abzusichern suchen.
3.3 Zusammenfassung und Zwischenergebnis Entgegen der Meinung Robinsons schildert Markus seine Jesusgeschichte nicht als einen kosmischen Kampf. Bereits die seltenen Satansbelege zeigen, dass dieser im ältesten Evangelium nicht der eigentliche Antagonist Jesu ist. Da er nach Mk 8,33 gar nicht mehr erwähnt wird, ist deutlich, dass Markus Jesu Passion nicht auf sein Wirken zurückführt. Das Kreuz ist auch nicht der Ort, an dem Satan besiegt wird, vielmehr hat Satan den entscheidenden Machtverlust bereits zur Zeit des öffentlichen Wirkens Jesu erlitten: Der Starke ist zu dieser Zeit bereits gebunden. Beweis dafür ist Markus, dass Jesus die Krankheit verursachenden Dämonen austreibt, als deren Herrscher ihm Satan entsprechend frühjüdischer Tradition gilt. Lässt sich der knappen markinischen Versuchungsgeschichte nur die Erkenntnis entnehmen, dass der Satan als Versucher agiert, so zeigt ihn die Deutung des Sämannsgleichnisses als einen Faktor, der die Verbreitung des Evangeliums verhindert. Er ist hier Feind der Verkünder des Evangeliums, aber auch derer, bei denen er die ihr Heil bewirkende Annahme der frohen Botschaft verhindert. Wie der paulinische Gott dieser Welt steht auch der Satan des Markusevangeliums in engem Zusammenhang mit (allzu) menschlichem Denken. An hervorgehobener Stelle des Evangeliums redet der markinische Jesus Petrus als Satan an. Grund dafür ist das an der weltlichen Werteordnung orientierte Denken des Petrus, das auf das Wirken Satans zurückgeführt wird, und aufgrund dessen die Unumgänglichkeit des Leidens und Sterbens Jesu für Petrus zum Anstoß wird. Der Satan war für die matthäische Gemeinde von einiger Bedeutung, was sich bereits daran zeigt, dass er in der matthäischen Version des Vater Unser als dem zentralen Gemeindegebet genannt wird. Der Gedanke, dass Satan durch Menschen agiert, tritt im Matthäusevangelium stark hervor, wobei der Verfasser eine bestimmte Gruppe in besonders engen Zusammenhang mit ihm bringt, die Pharisäer. Insbesondere sie, deren πονηρία Matthäus immer wieder hervorhebt und die er dreimal als γεννήματα ἐχιδνῶν bezeichnet, gelten ihm als υἱοὶ τοῦ πονηροῦ, als Söhne des personal zu verstehenden Bösen. Als Werkzeuge des Teufels erweisen sich die Pharisäer auch als Versucher Jesu, denn der Teufel gilt im 537 Vgl. R. Pesch, Apostelgeschichte 1, 1986, 198: „Der Grund ‚warum‘ der Satan […] das Herz des Hananias erfüllen, für seinen bösen Plan in Beschlag nehmen konnte […], liegt auf der Hand: Weil Hananias nicht sein ganzes Herz an Gott (und dessen Volk, die Gemeinde), sondern einen Teil an den Mammon […] gehangen hatte […].“
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ersten Evangelium als der Versucher schlechthin, als derjenige, der in allen Versuchungen am Werk ist. Liest man das Matthäusevangelium als Werk, das zur Zeit eines akuten Konflikts zwischen matthäischer Gemeinde und Pharisäern entstanden ist, so ist deutlich, dass der Teufel von der matthäischen Gemeinde als eine Waffe zur Diffamierung der eigenen Feinde gebraucht wurde. Dass auch die Gegenseite sich dieser Waffe bediente, zeigt sich daran, dass der Besessenheitsvorwurf gegenüber Jesus bei Matthäus deutlich stärker betont wird als bei Markus und Lukas. Wichtig ist Matthäus dabei, dass es die Pharisäer sind, die Jesus vorwerfen, mit dem Βεελζεβοὺλ im Bunde zu stehen und ἐν τῷ ἄρχοντι τῶν δαιμονίων die Dämonen auszutreiben. Dass dieser Vorwurf eines Teufelsbündnisses auch die matthäische Gemeinde traf, liegt insbesondere angesichts der vom matthäischen Jesus gegenüber den zur Israelmission ausgesandten Jüngern geäußerten Ankün digung nahe, dass der Beelzebulvorwurf in verstärktem Maße auch sie treffen wird (10,25). Matthäus ist unter den Synoptikern der Einzige, der das endzeitliche Schicksal des Teufels erwähnt. Wenngleich auch er darum weiß, dass sich die grund sätzliche Entmachtung des Teufels bereits ereignet hat (12,29), so lässt sich 25,41 entnehmen, dass die endgültige Vernichtung des Teufels erst am Ende der Zeit erfolgt. Dann wird er, entsprechend einer frühjüdischen Tradition, gemeinsam mit seinen Engeln in das ihm bereitete Feuer gestürzt werden. Die lukanische Teufelsvorstellung fällt im Vergleich mit der markinischen und matthäischen durch drei Besonderheiten auf. Zunächst legt Lukas größeres Gewicht auf die Verbindung zwischen Satan und den Krankheit verursachenden Dämonen. Er führt nicht nur diejenigen Krankheiten auf Satan zurück, bei denen die klassischen Besessenheitsphänomene auftreten, vielmehr sieht er Satan mit seinen Krankheitsgeistern auch bei gewöhnlichen Krankheiten am Werk. Die Verbindung Satans mit Dämonen und Krankheiten hat bei Lukas eine christologische Pointe: Wenn Satan hinter Krankheiten und Dämonen steht, dann muss Gott mit dem Krankheiten heilenden Jesus gewesen sein (Apg 10,38), dann muss es der Finger Gottes sein, mit dem Jesus die Dämonen austreibt (Lk 11,20). Ebenso aber hat die genannte Verbindung eine eschatologische Pointe: Die Exorzismen bringen für Lukas zum Ausdruck, dass die Macht Satans an entscheidender Stelle, im Himmel bereits gebrochen ist (10,17–20). Die zweite Besonderheit der lukanischen Teufelsvorstellung besteht darin, dass Lukas unter den Synoptikern der Einzige ist, der Passion und Tod Jesu auf das Wirken Satans zurückführt. Dieser Gedanke, der auch bei Paulus nicht begegnet, ist, wie sich zeigen wird, für das Johannesevangelium von entscheidender Bedeutung. Für Lukas steht das Vorgehen Satans gegen Jesus in der Passion in einem engen Zusammenhang mit seinem Wirken in der Versuchungsgeschichte. Hatte Satan seine Angriffe auf Jesus nach seinem gegen diesen gerichteten Wirken am Beginn der lukanischen Jesusgeschichte ἄχρι καιροῦ ausgesetzt, so
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ist die in diesem Sinne satansfreie Zeit mit dem Beginn der Passionsgeschichte beendet: Der Satan geht in Judas ein und arbeitet als kosmische Macht der Finsternis auf Jesu Tod hin. Die Verbindungslinien, die Lukas zwischen Versuchungsgeschichte und Passion zeichnet, machen dabei deutlich, dass er auch das satanische Wirken in der Passion als Versuchung versteht: Satan bedroht Jesus mit dem Tode, um ihn in Angst zu stürzen und ihn auf diese Weise zum Abfall von Gott und seinem Willen zu bewegen. Dass der johanneische Teufel bei seinem Vorgehen gegen Jesus in der Passion ein ganz ähnliches Ziel verfolgt, wird zu zeigen sein. Eine dritte Besonderheit, die Lukas unter den Synoptikern auszeichnet, ist, dass er die Abhängigkeit des Teufels von Gott deutlich hervorhebt: Bietet der lukanische Teufel Jesus in der Versuchungsgeschichte die ἐξουσία aller Königreiche dieser Welt an, so kann er dies, weil sie ihm von Gott übergeben wurde, und wenn er gegen die Jünger vorgeht, um sie zu sieben wie den Weizen, so tut er dies mit göttlicher Duldung. Der Permissio-Gedanke, der hier zum Ausdruck kommt, steht in Spannung zu einigen Stellen, an denen der lukanische Teufel als kosmische Gegenmacht Gottes deutlich wird. Diese Spannung ist freilich eine aus den frühjüdischen Texten und den paulinischen Briefen bereits bekannte – nur im Vergleich mit Markus und Matthäus stellt die lukanische Betonung der Unterordnung des Teufels unter Gott eine Besonderheit dar. Der Permissio Gedanke steht jedoch auch in Spannung zum Sturz des Teufels aus dem Himmel, der sich nach Lk 10,18 in der Gegenwart bereits ereignet hat. Durch die Rückführung satanischen Wirkens auf göttliche Duldung, könnte Lukas kognitive Dissonanzen reduzieren, die sich aus der Lehre von einer bereits geschehenen Entmachtung des Teufels und einer den Christen feindselig gegenüberstehenden Welt ergeben konnten. Verfolgungen und andere Versuchungen, in die Christen gerieten, können zu Zweifeln an der bereits Realität gewordenen Entmachtung des Teufels geführt haben. Erklärte Lukas die Spannung zwischen Glaube und Erfahrung mit einem zwar bereits entmachteten, in einigen Bereichen aber noch mit göttlicher Duldung agierenden Satan, so könnte er damit die genannten (eigenen oder fremden) Zweifel bekämpfen.
III. Der Teufel im Johannesevangelium
1. Teufelsbelege und -bezeichnungen Das Johannesevangelium spricht achtmal explizit vom Teufel. Dabei bedient es sich unterschiedlicher Begriffe: Dreimal wird der Teufel διάβολος (6,70; 8,44; 13,2), einmal σατανᾶς (13,27) und ein weiteres Mal ὁ πονηρός genannt (17,15).1 Daneben findet sich an drei weiteren Stellen, die Wendung ὁ ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) als Bezeichnung für den Teufel (12,31; 14,30; 16,11). Dass der vierte Evangelist bei diesem ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου – wenngleich gelegentlich Gegenteiliges behauptet wird2 – an keinen anderen als den Teufel denkt,3 zeigt ein Blick auf Joh 14,30: Kündigt Jesus seinen Jüngern hier das Herannahen des ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) an, so denkt er dabei recht deutlich an Judas, in den Joh 13,27 der Satan eingegangen war, und der Joh 18,1 ff. in dem Garten jenseits des Baches Kidron erscheinen wird, um für Jesu Festnahme zu sorgen. Die Teufelsbezeichnung ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) begegnet innerhalb des Neuen Testaments nur im Johannesevangelium und ist auch in der Literatur des frühen Judentums nicht belegt. Sie ist jedoch zutiefst von der frühjüdischurchristlichen Satanologie beeinflusst, denn es finden sich in der entsprechenden Literatur zahlreiche „Genitiv-Bildungen mit ‚Herr‘ oder ‚Fürst‘“4 zur Bezeichnung des Teufels: Bereits im Jubiläenbuch wird Mastema als „Fürst der [dämonischen] Geister“ (Jub 10,1) bezeichnet und ganz ähnlich gilt der satanische Beelzebul den Synoptikern als ἄρχων τῶν δαιμονίων (Mk 3,22 parr.). Die Kriegsregel nennt Belial den h[Xr tlXmm rX (Fürst der Herrschaft der Gottlosigkeit; 1QM 17,5 f.) und die Teufelsgestalt der TestXII wird nicht nur als ἄρχων τῆς πλάνης tituliert (TestSim 2,7; TestJud 19,4), sondern Dan weiß auch darum, dass der ἄρχων seiner Kinder der Satan ist (ὁ ἄρχων ὑμῶν ἐστι ὁ Σατανᾶς; TestDan 5,6). Nach Eph 2,2 ist der Teufel der ἄρχων τῆς ἐξουσίας τοῦ ἀέρος und schließlich gilt er Ignatius von Antiochien als ἄρχων τοῦ αἰῶνος τούτου
1 Zum personalen Verständnis des Genitivs τοῦ πονηροῦ in Joh 17,15 vgl. unten Anm. 856. 2 Vgl. z. B. F. Siegert, Gestalt, 2008, 468, der an Kaiser Hadrian denkt. 3 So auch die überwiegende Mehrheit der Exegeten, vgl. z. B. R. Bultmann, Johannes, 17 1962, 330, Anm. 1; C. K. Barrett, Johannes, 1990, 420; U. Wilckens, Johannes, 22000, 195; C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 393 f.; H. Thyen, κόσμος und ὁ ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου), 2007, 506; M. Theobald, Johannes, 2009, 812. 4 M. Theobald, Johannes, 2009, 812. Meint Theobald, dass in der Literatur des frühen Judentums die Genitiv-Bildungen mit Herr oder Fürst dominieren, so deswegen, weil er Bel = Herr setzt und somit Belial bzw. Beliar unter die genannten Genitiv-Bildungen rechnet.
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(Ign Eph 17,1; 19,1; Magn 1,3; Trall 4,2; Röm 7,1; Philad. 6,2) und wird wenig später im Barnabasbrief als ἄρχων καιροῦ τοῦ νῦν τῆς ἀνομίας tituliert (Barn 18,2). Die nächste Parallele zur johanneischen Satansbezeichnung findet sich in Ascensio Jesajae. In dieser Schrift, die in ihrer heutigen Gestalt gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstanden sein dürfte und sicher von einem Christen verfasst wurde, wird Satan viermal als Fürst dieser Welt bezeichnet (AscJes 1,3; 2,4; 4,2; 10,29). Zwei dieser Belege entfallen in der jetzt vorliegenden Endgestalt des Textes auf den Teil des Werkes, der in der Forschung meist als jüdischer Grundstock von AscJes angesehen wird (1,1–3,12; 5,1–16) und der von Jesajas Martyrium berichtet (MartJes).5 Dass jedoch die Teufelsbezeichnung „Fürst dieser Welt“ bereits in dieser jüdischen Grundschrift zu lesen war, darf zumindest bezweifelt werden. Plausibler erscheint es, dass sie vom christlichen Redaktor hier eingefügt wurde.6 Denn dieser hat die Erzählung von Jesajas Martyrium, wie der offensichtlich christliche Einschub 3,13–4,227 verdeutlicht, durchaus überarbeitet. Und auch in dem genannten Einschub bezeichnet er den Teufel als „der große Fürst, der König dieser Welt ist“ und identifiziert ihn mit dem Christenverfolger und Muttermörder Nero.8 Neben den angeführten dem johanneischen ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) vergleichbaren Teufelsbezeichnungen, finden sich in zahlreichen Texten weitere Stellen, an denen der Teufel als Herrscher dargestellt wird und/oder von seiner Herrschaft die Rede ist. So wird in den Qumrantexten häufig von einer Herrschaft der Teufelsgestalt gesprochen (vgl. z. B. 1QS 2,19; 3,21 ff.; 4Q177 10,8; 4Q 287 6,3; 4Q 390 2,4) und die TestXII wissen darum, dass die Seele eines Menschen von Beliar beherrscht (κυριεύειν) werden kann (TestDan 4,7). Nach dem an späterer Stelle dieser Arbeit noch ausführlicher zu besprechenden 39. Kapitel der ApkMos9 thront der Teufel seitdem er Adam und Eva verführte auf dem Thron, den ursprünglich Adam sein Eigen nannte und auch die neutestamentliche Apokalypse weiß von einem θρόνος τοῦ σατανᾶ, der sich in Pergamon befindet (Apk 2,13). Schließlich bezeichnet der Hebräerbrief den Teufel als den, der Herrschaft bzw. Gewalt über den Tod hat (τὸν τὸ κράτος ἔχοντα τοῦ θανάτου; Hebr 2,14). Diese ohne Anspruch auf Vollständigkeit angeführten Belege verdeutlichen hinreichend, dass es im frühjüdisch-urchristlichen Kontext keinesfalls außer gewöhnlich ist, wenn das Johannesevangelium dem Teufel den Status eines ἄρχων zuschreibt. Bemerkenswert ist hingegen durchaus, dass der κόσμος als
5 Zum jüdischen Grundstock von AscJes vgl. z. B. D. Müller, Die Himmelfahrt des Jesaja, 1999, 548 f.; A. M. Denis, Introduction I, 2000, 634 ff.; K. M. Woschitz, Parabiblica, 2005, 328 f. 6 Vgl. M. Limbeck, Satan, 1974, 371, Anm. 16. 7 Vgl. z. B. D. Müller, Die Himmelfahrt des Jesaja, 61999, 548; A. M. Denis, Introduction I, 2000, 639; K. M. Woschitz, Parabiblica, 2005, 326. 8 G. Theissen, Gospel Writing, 2001, 139. 9 Vgl. unten Abschnitt 3.2.1.4. 6
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Gültigkeitsbereich dieses Status genannt wird. Jedoch finden sich auch hierfür gewisse Analogien im Juden- und Urchristentum. Zunächst ist auf die Rede von den ἄρχοντες τοῦ αἰῶνος τούτου in 1Kor 2,6.8 zu verweisen. Wenngleich Paulus bei diesen an menschliche Machthaber denken dürfte, so ist diese Wendung doch – nicht zuletzt weil Paulus die Ausdrücke κόσμος οὗτος und αἰὼν οὗτος synonym verwendet10 – dem johanneischen Teufelstitel ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) sprachlich sehr ähnlich11 und Ignatius von Antiochien wird den Teufel ja dann auch an den oben bereits angegebenen Stellen als ἄρχων τοῦ αἰῶνος τούτου bezeichnen. Zu verweisen ist ferner auf die paulinische Teufelsbezeichnung ὁ θεὸς τοῦ αἰῶνος τούτου (2Kor 4,4), die als „christlicher Vorläufer“ des johanneischen ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) angesehen werden kann,12 wobei sich der paulinische θεὸς τοῦ αἰῶνος τούτου und der johanneische Teufel auch insofern ähneln, als beide die „Erkenntnisfähigkeit der Menschen lähm[en].“13 Der Epheserbrief weiß um dämonische Beherrscher des κόσμος, die er als κοσμοκράτορες τοῦ σκότους τούτου bezeichnet (Eph 6,12), und bei den Rabbinen findet sich der transkribierte Titel rwjrqwmzwq im Singular als Bezeichnung des Todesengels (LevR 18,18), der mit Satan identifiziert werden konnte.14 Die aufgeführten Bezeichnungen metaphysischer Negativwesen zeigen, dass es sich bei der johanneischen Teufelsbezeichnung ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) zwar sehr wohl um eine johanneische Bildung handeln dürfte,15 dass diese aber nicht im luftleeren Raum entstanden ist, sondern als spezifisch johanneische Verarbeitung jüdischer und urchristlicher Teufelsvorstellung anzusehen ist.16 Bedenkt man dabei, dass der Begriff κόσμος im vierten Evangelium als der Terminus schlechthin zur Bezeichnung des gottlosen und widergöttlichen Bereichs gebraucht werden kann,17 so ist es kaum verwunderlich, dass gerade hier der κόσμος als Herrschaftsgebiet des teuflischen ἄρχων angegeben wird. Bezeichnet der vierte Evangelist den Teufel neben διάβολος, σατανᾶς und ὁ πονηρός auch als ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου), so scheint er dadurch insbesondere die Universalität des teuflischen Wirkens und der teuflischen Herrschaft zum Ausdruck bringen zu wollen. Es ist gewiss kein Zufall, dass diese Teufels 10 Vgl. H. Sasse, Art. κοσμέω κτλ., 1938, 884 f. 11 Gleiches gilt auch für den rabbinischen Terminus ~lw[h rX, der jedoch nicht den Teufel, sondern den dem Naturleben der ganzen Schöpfung vorstehenden Engel bezeichnet (vgl. Str.-Bill. II, 552, sowie die Str.-Bill. III, 819 zitierten Texte). 12 Vgl. J. Frey, Hintergrund, 2006, 22. 13 E. E. Popkes, Antichristen, 2005, 237. 14 Vgl. Str.-Bill. I, 144: „So sagt Resch Laqisch (um 250): Der Satan, der böse Trieb u. der Todesengel sind identisch BB 16a“. 15 Vgl. M. Limbeck, Satan, 1974, 371; J. Leonhardt-Balzer, Gestalten, 2007, 208. 16 Vgl. J. Frey, Hintergrund, 2006, 22. 17 Eine Übersicht zum johanneischen Gebrauch von κόσμος findet sich bei H. Sasse, Art. κοσμέω κτλ. 1938, 894 ff.; R. Bultmann, Johannes, 171962, 34; U. Schnelle, Johannes, 42009, 88 f.; N. H. Cassem, κόσμος, 1972/73, 81–91.
Teufelsbelege und -bezeichnungen
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bezeichnung zum ersten Mal im Rahmen des Abschnitts 12,20–36 begegnet, an dessen Beginn mit den Ἕλληνες erstmals eine heidnische Gruppe die Bühne betritt und somit an einer Stelle, an der sich der Blick des Evangeliums ins Universale weitet. Ebenso ist es kein Zufall, dass der zur Verhaftung Jesu herannahende satanische Judas in Joh 14,30 als ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) angekündigt wird. In seinem Gefolge hat er nicht nur Diener der Hohepriester und Pharisäer, sondern auch eine römische Kohorte (18,3), so dass die Universalität seiner Herrschaft deutlich ist. Diese Betonung der Universalität der Satansherrschaft dient letztlich dazu, die Universalität des von Jesus gebrachten Heils hervorzuheben.18 Deutlich wird dies erneut im Abschnitt 12,20–36. Der Wunsch der Hellenen, Jesus zu sehen, bleibt hier zunächst unerfüllt, doch wenn der johanneische Jesus in 12,32 konstatiert, dass er als Erhöhter alle zu sich ziehen wird, dann hat er dabei kaum eine Apokatastasis panton im Blick. Vielmehr denkt er an alle, die ihm vom Vater gegeben werden (10,29), die aufgrund des Ziehens des Vaters zu ihm kommen werden (6,44 f.).19 Die universale Formulierung bringt im Kontext der Hellenenbitte zum Ausdruck, dass unter diesen Gezogenen auch die Schafe aus einem anderen Stall sein werden (10,16): „Jesus wird alle zu sich ziehen, Juden und Heiden!“20 Doch bevor dies geschehen kann, muss sich ereignen, was er im unmittelbar vorangehenden Vers 12,31 feststellt: Die Macht des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου, der über alle, Juden und Heiden, herrscht, muss gebrochen werden. Bereits ein erster Überblick über die Verteilung der Teufelsbelege im Johannesevangelium verdeutlicht, in welchem Zusammenhang das Wirken des Teufels für den vierten Evangelisten von besonderem Interesse ist. Denn von den acht expliziten Erwähnungen des Teufels finden sich sechs im Rahmen des Textabschnittes, der von der Stunde der Verherrlichung des Menschensohnes berichtet, die in 12,23 anbricht und die die Stunde der Passion und des Todes Jesu ist (12,31; 13,2.27; 14,30; 16,11; 17,15). Aber auch die beiden voranstehenden Teufelsbelege in 6,70 und 8,44 zeigen, dass der Teufel für Johannes insbesondere im Kontext von Passion und Tod Jesu von Interesse ist: So ist es, anders als im markinischen und matthäischen, im johanneischen Petrusbekenntnis (6,66.71) nicht Petrus, der, weil er sich dem Tod Jesu in den Wege stellt, als Satan bezeichnet wird. Als ein διάβολος (6,70) gilt hier vielmehr derjenige, der als Auslieferer Jesu seinen Tod mit herbeiführt (6,71). Und in 8,44 ist ganz deutlich, dass der Teufel auch deshalb als ἀνθρωποκτόνος bezeichnet wird, weil er es ist, der hinter dem im engeren Kontext zweimal erwähnten Streben seiner „Kinder“ steht, 18 Vgl. M. Theobald, Johannes, 2009, 812: „Der Evangelist hat den kosmischen Terminus eines ‚Welt-Herrschers‘ gewählt, weil er das Kreuz Jesu als Ort einer universalen Niederlage des Bösen kennzeichnen möchte.“ (Kursivierung im Original). 19 Vgl. z. B. K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 77; M. Theobald, Johannes, 2009, 815. 20 M. Theobald, Johannes, 2009, 815 (Kursivierung im Original); vgl. z. B. auch C. K. Barrett, Johannes, 1990, 421.
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Jesus zu töten (8,37.40; vgl. auch 7,19).21 Dass Jesu Passion und Tod im vierten Evangelium auf das Wirken des Teufels zurückgeführt wird, zeigt sich sodann insbesondere in Joh 13. Zweimal wird das Tun des Judas hier auf ihn zurückgeführt (13,2.27). Dabei ist deutlich, dass die Vorstellung, der Teufel habe bei Passion und Tod Jesu seine Hände im Spiel, für den vierten Evangelisten von größerer Bedeutung ist als für Lukas, bei dem sie ebenfalls begegnet.22 Dies zeigt sich nicht nur daran, dass Johannes die Verbindung Teufel – Judas stärker hervorhebt, sondern insbesondere daran, dass die Stunde der Passion und des Todes Jesu im Johannesevangelium als die Zeit verstanden ist, in der das Gericht über den Herrscher dieser Welt ergeht, durch das er hinausgeworfen wird (ἐκβληθήσεται ἔξω; 12,31 vgl. 16,11). Dieser Zusammenhang von Passion und Tod Jesu und dem Sturz, der Entmachtung des Teufels begegnet weder bei Lukas noch in den beiden übrigen Evangelien oder bei Paulus. Er findet sich aber im Hebräerbrief, nach dem Christus durch seinen Tod den entmachtet hat, der die Gewalt über den Tod hat, den Teufel ( ἵνα διὰ τοῦ θανάτου καταργήσῃ τὸν τὸ κράτος ἔχοντα τοῦ θανάτου, τοῦτ ’ ἔστιν τὸν διάβολον; Hebr 2,14). Wie aber ist dieser Zusammenhang im Johannesevangelium genauer vorzustellen? Inwiefern wird der Teufel durch Jesu Passion und Tod entmachtet, wenngleich diese Ereignisse doch das Werk des Teufels sind und er mit Jesu Tod seine Ziele zu erreichen scheint? Diese Fragen sollen im Folgenden ebenso beantwortet werden, wie die sich aus der Vorstellung von der bereits geschehenen Entmachtung des Teufels ergebende Frage, wie der Teufel, wenngleich er durch Jesu Passion und Tod bereits gestürzt wurde, auch nach diesen Ereignissen noch wirken kann? Dass er weiterhin am Werk ist, zeigt bereits ein knapper Blick auf das Hohepriesterliche Gebet. Bittet Jesus Gott hier, die Jünger in der Zeit nach seinem Weggang (17,12 f.) vor dem Bösen zu bewahren, so ist bei dem Bösen an den Teufel gedacht,23 und dieser geht somit auch noch in nachösterlicher Zeit gegen die Christen vor. Wie aber ist der durch Passion und Tod bewirkte Sturz des Teufels dann zu verstehen? Aus welchem Bereich wird der Teufel hinausgeworfen und inwiefern verliert er seine Macht? Die eben angesprochenen johanneischen Teufelsbelege lassen bereits eine weitere Besonderheit erkennen, die das johanneische Teufelsbild gegenüber dem der übrigen kanonischen Evangelien und dem einiger anderer frühjüdischer Schriften auszeichnet. Der Teufel wirkt im vierten Evangelium durch Judas und durch diejenigen, die in 8,44 als seine Kinder angesehen werden, somit durch Menschen und nur durch sie. Anders als der synoptische Teufel in der Versuchungsgeschichte betritt der johanneische nicht als Leibhaftiger die Bühne und ebenso wirkt er nicht durch ein Dämonen- oder Geisterheer. Dämonen werden im 21 Vgl. unten Abschnitt 2.8. 22 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 3.2.3.2. 23 Vgl. unten Anm. 856.
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vierten Evangelium vielmehr nur im Rahmen des Vorwurfs einer Besessenheit Jesu (7,20; 8,48.52; 10,20) erwähnt und die Exorzismen fehlen in deutlichem Kontrast zu den synoptischen Evangelien bei Johannes gänzlich. Der johanneische Teufel gilt eben nicht wie der synoptische als ἄρχων τῶν δαιμονίων oder wie der Mastema des Jubiläenbuches als „Fürst der Geister“ (Jub 10,18), sondern als ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου und somit, da der vierte Evangelist, wenn er vom κόσμος spricht, wie auch Paulus primär an die Menschenwelt denkt,24 als Herrscher über und durch die Menschen. Nur durch Menschen greift er in den Lauf der Geschichte ein, durch sie bewirkt er die Passion und den Tod Jesu. Doch wie gelingt es dem Teufel, die Menschen zu seinen Werkzeugen zu machen? Wodurch hat er Macht über sie und kann sie beherrschen? Was sind ferner die Folgen seines Wirkens für die von ihm beherrschten Menschen? Eine Antwort auf diese Fragen erlaubt insbesondere die Aussage über den Teufel in Joh 8,44, die nun besprochen werden soll.
2. Wesen und Wirken des Teufels nach Joh 8 In seinem Artikel „σατανᾶς“ im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament konstatiert W. Foerster mit Blick auf das Johannesevangelium: „Das Entscheidende über den Teufel steht J 8,44.“25 Unter Voraussetzung der Frage nach Wesen und Wirken des johanneischen Teufels ist diese Aussage gewiss nicht unzutreffend. Für den vierten Evangelisten selbst dürfte aber mit Joh 8,44 kaum das Entscheidende über den Teufel gesagt gewesen sein. Denn wichtiger als die Darstellung des teuflischen Wesens und Wirkens war ihm, ebenso wie auch den übrigen neutestamentlichen Schriftstellern, die Botschaft, dass der Satan seine Macht bereits verloren hat bzw. dabei ist sie zu verlieren.26 Nichtsdestotrotz ist Joh 8,44 diejenige Stelle des Johannesevangeliums, aber auch des Neuen Testaments insgesamt, die am ehesten als eine definitorische Aussage über Wesen und Wirken des Teufels angesehen werden kann, und die für das Verständnis des johanneischen Teufels von zentraler Bedeutung ist. Bevor der Vers in seinem Kontext besprochen werden soll, ist zunächst ein Blick auf einige sprachliche Probleme zu werfen.
24 Vgl. R. Bultmann, Theologie, 71977, 369; L. Kierspel, Jews, 2006, 157 ff. 25 W. Foerster, Art. σατανᾶς, 1964, 163; vgl. auch C. Urban, Menschenbild, 2001, 383, Anm. 251. 26 Vgl. G. Theißen, Monotheismus, 2011, 55, der feststellt: „Im Neuen Testament ist nicht wichtig, wie der Satan seine Macht erlangt hat, sondern dass er sie verliert“.
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2.1 Sprachliche Probleme in Joh 8,44 Schwierigkeiten bereitet zunächst die Wendung ὑμεῖς ἐκ τοῦ πατρὸς τοῦ διαβόλου ἐστέ. Denn aufgrund der Verwendung des Artikels vor πατρός27 wäre eine naheliegende Übersetzung: „Ihr seid aus dem Vater des Teufels“. Ähnlich legt sich für die Aussage ὅτι ψεύστης ἐστὶν καὶ ὁ πατὴρ αὐτοῦ am Ende des Verses eine Übersetzung mit „denn ein Lügner ist er und auch sein Vater“ nahe. Spricht Johannes in 8,44 also nicht nur vom Teufel, sondern bemüht auch dessen Vater?28 Zwar ist in einigen späteren gnostischen Texten in der Tat vom Vater des Teufels die Rede,29 Joh 8,44 dürfte aber nicht an ihn gedacht sein. Denn so stellt Bultmann mit vollem Recht fest, der Verweis auf den Teufelsvater hat hier ja keinen Sinn. Derjenige, der als ἀνθρωποκτόνος und Lügner charakterisiert wird, ist der Teufel selbst; er ist der Vater der Juden, dessen Begierden sie zu vollbringen trachten, wie auch nach 1Joh 3,8 der Sünder ein Kind des Teufels ist. Und es wäre widersinnig, wenn der πατήρ in dem ὑμεῖς ἐκ τοῦ πατρός ein anderer wäre als der in dem τ. ἐπιθυμίας τ. πατρὸς ὑμῶν, nämlich der Vater des Teufels.30
Ist die grammatisch naheliegendste Übersetzung des Verses, dessen Verständnis, wie die Varianten31 und die frühe Auslegungsgeschichte zeigen,32 bereits den antiken Lesern schwer fiel, somit inhaltlich auszuschließen, so wird man dennoch kaum Konjekturen am Text vornehmen dürfen, um seinen Sinn zu erfassen. Wenig überzeugend ist es etwa, wenn einige Exegeten unter Verweis auf eine in der jüdischen Haggada belegte Tradition, die auch im Philippusevangelium verarbeitet wurde und nach der Kain als Kind des Teufels gilt,33 einen ursprünglichen Text von Joh 8,44 (re)konstruieren, in dem nicht der Teufel, sondern der
27 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 241: „Wäre gemeint ‚… vom Teufel als eurem Vater‘, so müßte vor dem dann prädik. πατρός der Artikel fehlen“. 28 H. Conzelmann, Art. ψεῦδος κτλ., 1973, 598, versteht den Text in dieser Weise. Er stellt fest: „die Juden stammen nicht vom Teufel ab, sondern vom Vater des Teufels. Das ist offenbar eine Neubildung ad hoc, um die Analogie herzustellen.“ 29 Vgl. die bei R. Bultmann, Johannes, 171962, 241, Anm. 1 genannten Texte. 30 Ebd., 241. 31 K sys und boms lassen τοῦ πατρός aus und lesen folglich ὑμεῖς ἐκ τοῦ διαβόλου. 32 Zur Auslegungsgeschichte der ersten fünf Jahrhunderte vgl. E. Puech, Diable, 2005, 224–242. 33 Zur haggadischen Tradition vgl. N. A. Dahl, Der Erstgeborene, 1964, 72 ff. Im vermutlich gegen Ende des 2. Jhd. n. Chr. abgefassten Philippusevangelium heißt es Logion 42: „Zuerst entstand der Ehebruch, danach der Mörder (Kain). Und er wurde im Ehebruch erzeugt. Denn er war der Sohn der Schlange. Deswegen wurde er zum Menschenmörder, wie (es) auch sein Vater (war). Und er tötete seinen Bruder (Abel).“
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Brudermörder Kain als Vater der Juden genannt wurde.34 Ganz abgesehen vom überlieferten Text scheitert dieser Versuch bereits daran, dass Kain als der Vater der Juden kaum der geeignete Gegensatz zu Gott als dem Vater Jesu wäre.35 Plausibler erscheint es hingegen, beim überlieferten Text von Joh 8,44 zu bleiben und das τοῦ διαβόλου in der Wendung ὑμεῖς ἐκ τοῦ πατρὸς τοῦ διαβόλου ἐστέ als Apposition zu verstehen.36 Auf das Possessivpronomen ὑμῶν nach πατρός, das diese Lösung noch plausibler machen würde, konnte der Verfasser verzichten, weil es „in der Wendung: ὑμεῖς ἐκ τοῦ πατρὸς … ἐστέ, ja gewissermaßen bereits impliziert [ist].“37 Setzt V. 44 somit mit der Feststellung: „Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, …“ ein, so endet er mit der Aussage, dass der Teufel ein Lügner ist und der Vater der Lüge. Denn das den Vers beschließende Pronomen αὐτοῦ dürfte als neutrischer Genitiv auf das voranstehende τὸ ψεῦδος zurückzubeziehen sein.38 Gegenüber ψεύστης als Bezugswort von αὐτοῦ39 ist τὸ ψεῦδος trotz größerer Entfernung nicht nur deshalb vorzuziehen, weil man „aus dem individuellen ψεύστης nicht ein generelles ψεύστης entnehmen [kann]“,40 sondern auch, weil unmittelbar zuvor festgestellt wurde, dass der Teufel, wenn er die Lüge redet, ἐκ τῶν ἰδίων spricht, und er somit als Ursprung der Lüge, als ihr Vater, dargestellt wurde.41 Ein weiteres Problem bereitet der Übersetzung des Verses die Aussage, dass der Teufel nicht in der Wahrheit εστηκεν. Das Verb kann als Perfekt von ἵστημι mit präsentischem Sinn verstanden werden, wäre dann mit spiritus asper zu versehen und ἕστηκεν zu lesen.42 Möglich ist aber auch, εστηκεν als Imperfekt des erst spät aus ἕστηκα gebildeten Verbes στήκω aufzufassen. Es wäre dann mit spiritus lenis zu versehen und ἔστηκεν zu lesen.43 Die Entscheidung ist schwierig, doch liegt es aufgrund der vom Evangelisten möglicherweise aus eben diesem Grund gewählten Endstellung des ἀπ ’ ἀρχῆς in 8,44c nahe,44 dass die unmittelbar anschließende und mit καί eingeleitete Aussage von 8,44d auch auf 34 So etwa N. A. Dahl, Der Erstgeborene, 1964, 70–84; G. Reim, Gotteskinder, 1984, 619–624. 35 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 242; M. Theobald, Johannes, 2009, 604. 36 Vgl. z. B. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 444; M. Theobald, Johannes, 2009, 604. 37 H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 444. 38 So auch die überwiegende Mehrzahl der Ausleger z. B. B. Weiss, Johannes-Evangelium, 8 1893, 345; C. K. Barrett, Johannes, 1990, 353; C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 258; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 444; M. Theobald, Johannes, 2009, 605. 39 Für einen Bezug von αὐτοῦ auf ψεύστης sprechen sich etwa H. A. Meyer, Johannes, 2 1852, 242; M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 267 mit Anm. 220, aus. 40 R. Bultmann, Johannes, 171962, 241. 41 Vgl. B. Weiss, Johannes-Evangelium, 81893, 345. 42 Für diese Lösung plädieren etwa B. Weiss, Johannes-Evangelium, 81893, 344; B-D-R §§ 733;973. 43 So etwa R. Bultmann, Johannes, 171962, 242, Anm. 5; C. K. Barrett, Johannes, 1990, 352. 44 Vgl. dagegen 1Joh 3,8 ἀπ ’ ἀρχῆς ὁ διάβολος ἁμαρτάνει.
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ἀπ ’ ἀρχῆς zu beziehen ist. Εστηκεν ist dann in Parallele zu ἦν in 8,44 als Imperfekt zu verstehen und der johanneische Jesus stellt somit fest, dass der Teufel von Anfang an ein Menschenmörder war und (von Anfang an) nicht in der Wahrheit stand. Aus den angeführten Überlegungen ergibt sich für Joh 8,44 die folgende Übersetzung: 44 a b c d e f g h i
Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun. Jener war ein Menschenmörder von Anfang an und in der Wahrheit stand er (von Anfang an) nicht, weil Wahrheit nicht in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, redet er aus dem Eigenen; weil er ein Lügner ist und der Vater der Lüge.
2.2 Vorbemerkungen zum mörderischen und lügnerischen Wesen des Teufels Dem Teufel werden Joh 8,44 zwei grundsätzliche Eigenschaften nachgesagt. Zunächst wird er mit dem durchaus seltenen Lexem ἀνθρωποκτόνος45 als Menschenmörder bezeichnet und sodann als ψεύστης, und somit als Lügner. Stellt Johannes fest, dass dem Teufel beide Eigenschaften bereits ἀπ’ ἀρχῆς zukommen,46 so dürfte er auf ein Ereignis aus der Urgeschichte anspielen, wobei sich nicht mit letzter Sicherheit sagen lässt, ob dabei an Kains Brudermord (Gen 4) oder aber an die Paradiesgeschichte (Gen 3) zu denken ist. Insbesondere aber will der Evangelist durch den Verweis auf den Anfang – wie auch durch die übrigen Versteile – eine Wesensaussage über den Teufel treffen,47 und somit verdeutlichen, dass der Teufel seinem Wesen nach ἀνθρωποκτόνος und ψεύστης ist. Soll im Folgenden verdeutlicht werden, wie der vierte Evangelist diese beiden Wesenseigenschaften des Teufels versteht, so muss hierzu sogleich der weitere und engere Kontext von Joh 8,44 in die Untersuchung miteinbezogen werden. Dreierlei sei jedoch bereits an dieser Stelle angemerkt:
45 Im Neuen Testament begegnet ἀνθρωποκτόνος nur noch 1Joh 3,15. In LXX ist es ebenso wie in den übrigen Schriften des frühen Judentums nicht belegt und auch in der profanen griechischen Literatur findet es sich nur selten. 46 Wird festgestellt, dass der Teufel ἀπ’ ἀρχῆς nicht in der Wahrheit stand, so ist deutlich, dass er nicht nur ἀνθρωποκτόνος sondern auch ψεύστης von Anfang an war. 47 Vgl. E. L. Miller, Beginning, 1999, 590; vgl. ferner z. B. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 446; M. Theobald, Johannes, 2009, 605.
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Erstens ist festzustellen, dass die beiden Wesenseigenschaften, die dem Teufel in 8,44 nachgesagt werden, ihn als das genaue Gegenbild des johanneischen Jesus erscheinen lassen: Dieser ist die Wahrheit und das Leben, jener der, dessen Wesen die Lüge und der Menschenmord ist. Zweitens ist auf den deutlich unterschiedlichen Umfang hinzuweisen, der den beiden Charakterisierungen des Teufels in 8,44 gewährt wird. Die Kennzeichnung des Teufels als ἀνθρωποκτόνος wird in einem knappen Satz abgehandelt (44c), seine Charakterisierung als ψεύστης erfolgt hingegen bedeutend ausführlicher und in zwei unterschiedlichen Aussagereihen. Zunächst wird in einer negativen Aussagereihe festgestellt, was dem Teufel fehlt: ἐν τῇ ἀληθείᾳ οὐκ ἔστηκεν, ὅτι οὐκ ἔστιν ἀλήθεια ἐν αὐτῷ.
Sodann wird in einer positiven Aussagereihe hervorgehoben, wovon der Teufel erfüllt ist: ὅταν λαλῇ τὸ ψεῦδος, ἐκ τῶν ἰδίων λαλεῖ, ὅτι ψεύστης ἐστὶν καὶ ὁ πατὴρ αὐτοῦ.
Der große Umfang, den der Evangelist der Beschreibung des lügnerischen Wesens des Teufels in V. 44 widmet, legt es nahe, dass diese Wesenseigenschaft des Teufels für ihn von besonderer Bedeutung ist. Der Grund dafür wird im Folgenden darzustellen sein. Zunächst jedoch bleibt drittens festzustellen, dass sowohl die Charakterisierung des Teufels als Lügner als auch seine Charakterisierung als Menschenmörder im frühjüdisch urchristlichen Kontext keineswegs untypisch sind. Zwar wird der Teufel in keiner anderen Schrift explizit als ψεύστης oder als ἀνθρωποκτόνος bezeichnet, jedoch steht er nicht selten in enger Verbindung mit Lüge, Tod und Menschenmord. Bezüglich der Lüge kann dabei zunächst darauf hingewiesen werden, dass lügnerische Falschzeugen im Alten Testament als Söhne und Männer Belials bezeichnet werden (1Kön 21,10.13). Sodann sind die Texte aus Qumran anzusprechen. In ihnen werden diejenigen, die gegen den Lehrer der Gerechtigkeit Ränke Belials sinnen, als Deuter der Lüge (bzk ycylm) bezeichnet (1QH 12,10) und der Gegner des Lehrers der Gerechtigkeit gilt als Mann der Lüge (CD 20,15; vgl. auch QpHab 2,2; 5,11), der Israel mit Wassern der Lüge übergießt (CD 1,15). Als Söhne der Lüge bezeichnen die Visionen Amrams diejenigen Menschen, die zu Melchiresa, wie die Teufelsfigur in den Visionen Amrams heißt, gehören (4Q 548 1,8)48. In der Gemeinderegel gehört die Lüge zum Geist des Frevels (1QS 4,9) bzw. zu Belial (1QS 10,21 f.) und die Reinigung der Erwählten von al-
48 Zu Melchiresa als Teufelsfigur der Visionen Amrams vgl. J. Frey, Licht, 2004, 161; F. W. Röcker,Belial, 2009, 184 f.
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len Gräueln der Lüge (rqX twb[wt), mit denen sie sich im Geist des Schmutzes beschmutzt haben, ist zentraler Bestandteil des endzeitlichen Heilsgeschehens.49 Ähnlich wie die Texte aus Qumran wissen auch die TestXII um die Zu sammengehörigkeit von Beliar und Lüge. Sie wird insbesondere im Testament Dans zum Ausdruck gebracht. Über den Geist des Zorns (πνεῦμα τοῦ θυμοῦ) und den Geist der Lüge (πνεῦμα τοῦ ψεύδους) heißt es hier, dass beide von der Rechten Satans ausgehend zum Menschen kommen (TestDan 3,6). Beide tun sich zusammen, um das Herz zu verwirren, was zur Folge hat, dass Beliar die Seele beherrscht (TestDan 4,7). Hingegen flieht Beliar vor denen, die vom Zorn ablassen und die Lüge hassen (TestDan 5,1). Dass die Lüge im Rahmen des Dualismus der TestXII auf die Seite Beliars gehört, wird freilich auch an den weiteren Stellen dieser Schrift deutlich, an denen sich zwar der Begriff ψεῦδος findet, an denen aber im unmittelbaren Umfeld die Teufelsfigur nicht erwähnt wird (TestRub 3,5; TestIss 7,4; TestDan 1,3; 2,1; 2,4; 6,8; TestGad 5,1; TestAss 5,3; TestBenj 6,4). Ganz deutlich wird der Zusammenhang zwischen Teufel und Lüge in den TestXII ebenso wie in einigen übrigen Texten des frühen Judentums, wenn man den Blick nicht nur auf diejenigen Stellen richtet, an denen sich ψεῦδος κτλ. im Kontext eines Teufelsbelegs findet, sondern auch diejenigen Teufelsbelege berücksichtigt, an denen entweder die mit ψεῦδος semantisch eng verwandten Begriffe πλάνη κτλ. und ἀπάτη κτλ.50 begegnen, oder an denen der Teufel narrativ als Lügner dargestellt wird. Bezüglich der TestXII kann dann festgehalten werden, dass Beliar hier als ἄρχων τῆς πλάνης gilt (TestSim 2,7; TestJud 19,4), der die Menschen mit Hilfe der πνεύματα τῆς πλάνης (TestRub 3,2; TestSim 6,6; TestJud 14,8; 20,1; TestIss 4,4; TestSeb 9,7; TestAss 6,2) in die Irre führt. Bezüglich weiterer frühjüdischer Schriften kann insbesondere auf das irreführende Wirken des Teufels gegenüber Adam und Eva hingewiesen werden, das zumeist mit den Verben πλανᾶν bzw. ἀπατᾶν beschrieben wird (ApkMos 9,3; 15,1; 16,5; 30,1; 39,2; ApkBar(gr) 4,8; ApkSedr 4,5).51 Sodann auch auf das Testament Hiobs, wo der Teufel einerseits darauf aus ist, Hiob in die Irre zu leiten (TestHi 26,6), und andererseits ganz grundsätzlich als derjenige bezeichnet wird, durch den die menschliche Natur oder Menschen in die Irre geführt werden (TestHi 3,3.6). Im Testament Hiobs wird der Teufel dann auch narrativ als Lügner dargestellt. Denn faktisch lügt er, wenn er gegenüber den Schurken aus der Stadt Hiobs behauptet, Hiob habe den Tempel des großen Gottes abgerissen (TestHi 7,1–4), der doch in Wirklichkeit das Haus Satans war. Deutlicher noch erfolgt diese narrative Darstellung des Teufels als Lügner wiederum in den frühjüdischen Erzäh 49 Zur Verbindung Belials mit Lüge in Qumran vgl. R. Schnackenburg, Das Johannes evangelium 2,31980, 276 ff.; 289. 50 Vgl. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 31980, 276; R. Schnackenburg, Johannesbriefe, 71984, 226 f.; K. Berger, Teufel, 2001, 58. 51 Vgl. J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 291.
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lungen von Adam und Eva. Hier findet sich eine ausführliche Lüge des Teufels in VitAd 9,2–4, wo dieser Eva, um sie dazu zu bewegen, ihre Buße zu beenden, erzählt, Gott habe ihre Reue angenommen. Sich selbst bezeichnet er dabei lügnerisch als einen Gesandten Gottes, der Eva und ihren Mann aus dem Wasser herausführen und ihnen die Nahrung geben soll, die sie im Paradies hatten. Gespickt mit Lügen ist auch die teuflische Rede in ApkMos 18,3–5, durch die der Teufel Eva zum Essen der verbotenen Frucht bewegt. Die Schlange in Gen 3 stellt nicht nur fest, dass die Menschen nicht sterben werden, wenn sie von den Früchten des verbotenen Baumes essen, sondern dass ihnen vielmehr die Augen aufgehen werden und sie sein werden wie Gott, wissend um Gut und Böse (Gen 3,4 f.). Sie lügt dabei in keiner Weise, denn die Menschen sterben tatsächlich nicht, nachdem sie von der Frucht gegessen haben, sondern ihnen gehen, wie es die Schlange ankündigte, die Augen auf, sie wissen um Gut und Böse und sind damit in gewisser Hinsicht wie Gott geworden (Gen 3,7.22). In ApkMos 18,4 erzählt die vom Teufel in Besitz genommene Schlange der Eva über den Bericht der biblischen Vorlage hinaus, dass Gott den Menschen verboten habe, von dem Baum zu essen, weil er ihnen das Gott-Gleich-Sein neiden würde, und belügt Eva somit über die Intention Gottes. Auch belügt der Teufel Eva in ApkMos 18,3, wenn er sie mit den Worten „Fürchte dich nicht, wenn du nämlich isst, werden deine Augen geöffnet werden, und ihr werdet sein wie Götter“ davon überzeugen möchte, dass sie den Zorn Gottes nicht fürchten muss (18,2), dabei aber genau darum weiß, dass Eva der göttliche Zorn treffen wird, wenn sie von der Frucht isst (vgl. ApkMos 16,3). Auch Asasel, die Teufelsfigur der Apokalypse Abrahams, wird narrativ als Lügner charakterisiert. Er versucht Abraham, Misstrauen gegenüber Gott und dem Engel Jaoel einzuflößen, indem er ihm vorlügt, diese wollten ihn umbringen (ApkAbr 13,3 f.). Im Neuen Testament zeigt sich die Zusammengehörigkeit von Teufel und Lüge nicht nur Joh 8,44. Vielmehr stehen von den zehn neutestamentlichen Belegen des Nomens ψεῦδος vier im unmittelbaren Kontext einer Erwähnung des Teufels. Neben Joh 8,44 gilt dies zunächst für Eph 4,25. Werden die Leser hier ermahnt, die Lüge abzulegen (V. 25), sich durch den Zorn nicht zur Sünde verleiten zu lassen (V. 26) und eben damit dem Teufel keinen Raum zu geben (V. 27), so begegnet mit Lüge, Sünde und Zorn die aus TestDan bereits bekannte Trias.52 Sodann findet sich die Verbindung von Teufelsfigur und Lüge im Rahmen der eschatologischen Belehrung in 2Thess 2,1–12. Von der AntichristFigur, dem Mann der Gesetzlosigkeit (ὁ ἄνθρωπος τῆς ἀνομίας, V. 3; ὁ ἄνομος, V. 8), der auch Sohn des Verderbens genannt wird (ὁ υἱὸς τῆς ἀπωλείας; V. 3), heißt es hier, dass er in der Macht Satans in Erscheinung tritt mit Zeichen und Wundern der Lüge und mit jeglicher Verführung zur Ungerechtigkeit (ἐν … σημείοις καὶ τέρασιν ψεύδους καὶ ἐν πάσῃ ἀπάτῃ ἀδικίας; V. 9 f.). Ferner wird 52 Vgl. U. Luz, Epheser, 1998, 162 f.
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festgestellt, dass Gott denen, die verlorengehen, die Macht des Irrtums sendet, damit sie der Lüge, d. h. der Botschaft der Antichrist-Figur, Glauben schenken (καὶ … πέμπει αὐτοῖς ὁ θεὸς ἐνέργειαν πλάνης εἰς τὸ πιστεῦσαι αὐτοὺς τῷ ψεύδει; V. 11). Das Verb ψεύδομαι findet sich im Neuen Testament zwölf Mal, wobei drei Belege mit dem Satan verbunden sind. Zwei dieser Belege finden sich in Apg 5,3 f., wo Petrus darum weiß, dass Hananias den heiligen Geist (V. 3) bzw. Gott (V. 4) belogen hat, weil Satan sein Herz erfüllt hat, der andere in Apk 3,9, wo von Menschen aus der Synagoge Satans die Rede ist, die von sich sagen, sie seien Juden, dabei aber lügen. Kann angesichts des soeben Dargestellten festgehalten werden, dass Teufel und Lüge in einigen frühjüdisch-urchristlichen Texten eng miteinander ver bunden sind, so gilt gleiches auch für Teufel, Tod und Menschenmord. In den frühjüdischen Texten zeigt sich die Verbindung des Teufels mit dem Tod wohl am pointiertesten in SapSal 2,24, wo die Existenz des (menschlichen) Todes auf den Teufel und seinen Neid zurückgeführt wird. Zumindest indirekt gilt der Teufel auch der ApkMos als Verursacher des menschlichen Todes, denn in dieser Schrift werden Krankheit und Tod als göttliche Strafe für den vom Teufel ver ursachten Ungehorsam Evas gedeutet (ApkMos 7 f.; 14,2). In gleicher Weise werden Krankheit und Tod auch in VitAd als göttliche Strafe für die vom Teufel veranlasste Gebotsübertretung Adams und Evas dargestellt (VitAd 26,2; 34; 44). Eine Verbindung von Teufel und Tod findet sich ferner im Jubiläenbuch. Hier stürzt der Fürst Mastema die Menschen mit Hilfe der Dämonen in Krankheit und Verderben (Jub 10,1–13) und bringt sie dazu, sich gegenseitig zu ermorden (Jub 11,2–5). Ferner fällt Mastema Mose auf dessen Rückweg nach Ägypten an, um ihn zu töten (Jub 48,2), und besorgt mit all seinen Mächten die Ermordung der Erstgeburt in Ägypten (Jub 49,2). Laut der essenischen Kriegsrolle ist es die zentrale Aufgabe Belials, die Menschen ins Verderben zu stürzen (1QM 13,11), und auch an anderen Stellen der Texte aus Qumran wird deutlich, dass Belial, der mit der Unterwelt eng verbunden ist, unter den Menschen Tod und Vernichtung bewirkt (z. B. 1QH 10,16 f.; CD 4,12–19; 8,2). Die Teufelsfigur der TestXII ist ebenfalls auf Mord und Todschlag aus. So wird in TestGad 4,7 festgestellt, dass Satan und der Geist des Hasses zusammenarbeiten, um den Tod der Menschen zu bewirken, und Dan berichtet in TestDan 1,7 davon, dass einer der Geister Beliars ihn dazu aufforderte, seinen Bruder Joseph mit dem Schwert zu erschlagen. Schließlich weiß Benjamin seinen Nachkommen davon zu erzählen, dass Belial denen, die seiner Bosheit gehorchen, ein Schwert gibt, das sieben Übel hervorbringt, zu denen das Töten und das Verderben gehören (TestBenj 7,1 f.). Im TestHi zeichnet der Satan wie bereits in der biblischen Vorlage (Hi 1,12.18 f.) verantwortlich für die Ermordung der Kinder Hiobs (TestHi 17,6; 18,1), und im Martyrium Jesajas ist es letztlich Beliar, der Jesajas Ermordung bewirkt (MartJes 5,1). Ferner gilt die Teufelsfigur der Apokalypse Abrahams als Verderbensmacht (ApkAbr 14,4), die die Menschen zu sich ins Verderben zieht
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(ApkAbr 23,8), und schließlich kann Satan in der rabbinischen Tradition mit dem Todesengel identifiziert werden.53 Im Neuen Testament findet sich mit Hebr 2,14 eine Stelle, an der die Zu sammengehörigkeit von Teufel und Tod ähnlich pointiert dargestellt ist wie in der Sapientia Salomonis. Wird der Teufel hier als derjenige bezeichnet, der Herrschaft bzw. Gewalt über den Tod hat und die Menschen durch die Todesfurcht zu Sklaven macht (Hebr, 2,14), so gilt der Tod „als des Teufels stärkste Waffe, mit der er alles zum schlechthin Nichtigen macht“.54 Als eine Waffe gebraucht der Teufel den Tod auch im Lukasevangelium, wo er auf Jesu Tod hinarbeitet, um ihn in Todesangst zu stürzen und ihn zum Abfall von Gott zu bewegen.55 In der neutestamentlichen Apokalypse sind es dann die Christen, gegen die der aus dem Himmel gestürzte Teufel gewaltsam vorgeht. In seinem Zorn wirft er diese ins Gefängnis und bedroht sie mit dem Tode (Apk 2,10; 12,13–17; 13,7–9), wobei seine mörderische Aggression in der Apk als Prüfung verstanden ist, durch die er die Christen von Gott und Christus abbringen56 und somit in den zweiten Tod, ins eschatologische Verderben stürzen will (Apk 2,10 f.; 20,6). Das gleiche Ziel, die vollkommene eschatologische Vernichtung der Christen, verfolgt der Teufel auch in 1Petr 5,8,57 wenn er wie ein brüllender Löwe umhergeht und sucht, wen er verschlingen kann. Verdeutlichen die angeführten Belege die Zusammen gehörigkeit von Teufel und Tod in frühjüdischen und urchristlichen Texten, so zeigen sie zugleich, dass es einerseits der physische Tod (so z. B. Jub 10,1–13) andererseits aber auch der eschatologische Tod des Menschen (so z. B. SapSal 2,24) ist, als dessen Verursacher der Teufel angesehen wird.
2.3 Kontext von Joh 8,44 Joh 8,44 ist Bestandteil der sich über die Kapitel 7–8 erstreckenden Erzählung vom Laubhüttenfest. Dass der Evangelist das achte Kapitel (8,12–59)58 noch als Bestandteil dieser Erzählung vom Laubhüttenfest verstanden wissen wollte, obwohl er in den szenischen Bemerkungen hier nicht mehr auf das Fest eingeht, ist aufgrund der lokalen Kontinuität sehr wahrscheinlich – seit 7,14 befindet sich Jesus im Tempel und er wird diesen erst 8,59 verlassen (vgl. auch 8,20). In jedem Fall aber bilden die Kapitel 7–8 eine thematische Einheit. Dafür spricht nicht nur, dass die Verborgenheits-Thematik eine Inklusion um sie bildet 53 Vgl. Str.-Bill. I, 144. 54 E. Gräßer, Hebräer 1, 1990, 148. 55 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 3.2.3.2 56 Vgl. H. Lichtenberger, Apokalypse, 2014, 92. 57 Vgl. L. Goppelt, Petrusbrief, Göttingen 1977, 340–341, inkl. Anm. 14. 58 Die VV. 7,53–8,11 dürfen aus textkritischen Gründen bekanntlich nicht zum ursprünglichen Text des Evangeliums gerechnet werden.
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(ἐν κρυπτῷ; 7,4.10/ ἐκρύβη; 8,59),59 sondern auch der für beide Kapitel charakteristische permanente Disput Jesu mit den Juden. Schließlich deuten auch die zahlreichen thematischen Bezüge zwischen beiden Kapiteln, auf die Y. Ibuki hingewiesen hat,60 in diese Richtung. Von zentraler Bedeutung für das Verständnis der Erzählung vom Laub hüttenfest ist das Gespräch Jesu mit seinen Brüdern (7,1–9), das als Einleitung der Kapitel 7–8 fungiert61 und die „Vorzeichen“ nennt, „unter denen die Ereignisse am Fest stehen.“62 Deutlich ist dabei, dass der Disput Jesu mit seinen Brüdern im „Schatten der umfassenden Ablehnung Jesu“63 steht: Spricht V. 7,1 von der Absicht der Juden, Jesus zu töten, so berichtet V. 7,5 vom Unglauben der Jünger und V. 7,7 hebt den Hass der Welt gegenüber Jesus hervor. In der Tat: „zum ersten Mal wird die Ablehnung Jesu in solchem Ausmaß thematisiert.“64 Auch der Grund für diese Ablehnung Jesu, die im Rahmen der Erzählung vom Laubhüttenfest immer wieder thematisiert wird und sich dabei ständig steigert, wird bereits im Rahmen des Gesprächs Jesu mit seinen Brüdern angegeben: Weil Jesus bezeugt, dass die Werke der Welt böse sind, wird er von ihr gehasst (7,7). Dass dieses negative Zeugnis Jesu gegenüber der hier durch die Juden repräsentierten Welt ein, wenn nicht das zentrale Thema der Erzählung vom Laubhüttenfest ist, wird an mehreren Stellen der Kapitel 7 und 8 deutlich: So stellt der johanneische Jesus gegenüber seinen Gesprächspartnern etwa fest, dass keiner von ihnen das Gesetz des Mose hält (7,19). Im selben Vers deckt er erstmals selbst die Absicht der „Juden“ auf, ihn zu töten,65 und noch zwei weitere Male wird er ihr diesbezügliches Verlangen im Rahmen der Erzählung vom Laubhüttenfest bezeugen (8,37.40). Ferner stellt er gegenüber seinen Gesprächspartnern fest, dass sie κατ ’ ὄψιν (7,24) und κατὰ τὴν σάρκα (8,15) richten, und damit eben kein gerechtes Gericht (τὴν δικαίαν κρίσιν; 7,24) vollziehen, und er sagt ihnen sodann voraus, dass sie in ihrer Sünde sterben werden (8,21.24), konstatiert, dass sie die Sünde tun und Knechte der Sünde sind (8,34). Schließlich bezeugt Jesus die Bosheit der Welt, indem er den Juden, die unmittelbar zuvor zum Glauben an ihn gelangt waren, vorhält, dass ihre Werke nicht die Werke Abrahams sind, sondern, dass sie vielmehr den Begierden ihres Vaters, des Teufels, entsprechend handeln.
59 Vgl. Y. Ibuki, Wahrheit, 1972, 66; U. Schnelle, Johannes, 42009, 156. 60 Y. Ibuki, Wahrheit, 1972, 66–75. 61 Vgl. C. H. Dodd, Interpretation, 1953, 345; Y. Ibuki, Wahrheit, 1972, 67; M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 183 ff.; U. Busse, Johannesevangelium, 2002, 156, inkl. Anm. 348. 62 M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 186. 63 Ebd. 183. 64 Ebd. 184. 65 Die vorangehenden Erwähnungen der Tötungsabsicht der Juden 5,18; 7,1 erfolgen im Rahmen von Erzählerkommentaren.
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2.4 Perikopenabgrenzung und Gliederung Bildet die Erzählung vom Laubhüttenfest den weiteren Kontext des Verses 8,44, so der Abschnitt 8,31–59 den engeren Kontext. Dass dieser Abschnitt als Einheit zu verstehen ist, zeigt sich zum einen daran, dass er als „durch keine situa tionsschildernde oder kommentierende Bemerkung unterbrochene Wechselrede zwischen Jesus und ‚den Juden‘“66 gestaltet ist. Es wird sodann an der Person des Abraham offensichtlich, die innerhalb des gesamten Abschnitts von Bedeutung ist und an keiner anderen Stelle des Johannesevangeliums erwähnt wird. Die Abgrenzung des Abschnitts nach vorne ist nicht unumstritten. Einige Ausleger wollen ihn bereits mit V. 30 beginnen lassen.67 Doch wird der einleitende Charakter von V. 31 bereits durch den Verzicht auf Personalpronomen und die explizite Nennung sowohl des redenden Subjekts (ὁ Ἰησοῦς) als auch des angesprochenen Objekts (τοὺς πεπιστευκότας αὐτῷ Ἰουδαίους) deutlich.68 Ferner sprechen auch strukturanalytische Beobachtungen dafür, den Abschnitt mit V. 31 beginnen zu lassen. Denn dann „beginnt […] jeder Abschnitt von Joh 8 mit einer Rede Jesu und endet mit einem narrativen Kommentar (VV. 12–20.21–30.31–59).“69 Nach hinten ist der Abschnitt deutlich durch die Erwähnung des Rückzugs Jesu aus dem Tempel abgegrenzt (καὶ ἐξῆλθεν ἐκ τοῦ ἱεροῦ; 8,59), in dem er sich seit 7,14 aufhält. Wenngleich 8,31–59 durch die πεπιστευκότας αὐτῷ Ἰουδαίους als Gesprächspartner Jesu deutlich vom vorangehenden Abschnitt 8,21–30 abgegrenzt ist, machen doch die terminologischen und thematischen Übereinstimmungen deutlich, dass er in engem Bezug zu diesem zu lesen ist. Hier wie dort ist der Begriff ἁμαρτία (8,21.24 [2mal]; 8,34.46 [2mal]) von entscheidender Bedeutung. Ebenso begegnet auch das in 8,33–36 zentrale Motiv der Unfreiheit in gewisser Weise bereits in 8,21. Denn wenn Jesus hier gegenüber seinen Gesprächspartnern feststellt ὅπου ἐγὼ ὑπάγω ὑμεῖς οὐ δύνασθε ἐλθεῖν, so sind auch diese offensichtlich unfrei. Insofern ihnen ferner angekündigt wird, dass sie in ihrer Sünde bzw. ihren Sünden sterben werden (8,21.24), klingt bereits hier auch die Thematik des nicht für immer Bleibens an, die 8,35 wieder aufgenommen wird. Die Rede vom Sterben der Gesprächspartner Jesu in ihrer Sünde weist darüber hinaus bereits voraus auf die Bezeichnung des διάβολος als ἀνθρωποκτόνος ἀπ’ ἀρχῆς in 8,44 und in diesem Vers erinnert die Wendung ὑμεῖς ἐκ τοῦ πατρὸς τοῦ διαβόλου ἐστέ
66 K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 338. 67 So etwa R. Schnackenburg, Johannesevangelium 2, 1971, 258; U. Wilckens, Johannes, 2 2000, 146; U. Schnelle, Johannes, 42009, 173 f. 68 Vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 338. 69 C. Urban, Menschenbild, 2001, 298.
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aufgrund syntaktischer und semantischer Analogien an die Feststellungen Jesu ὑμεῖς ἐκ τῶν κάτω ἐστέ […] ὑμεῖς ἐκ τούτου τοῦ κόσμου ἐστέ in 8,23.70 Joh 8,31–59 ist zunächst in die beiden Abschnitte VV.31–47 und 48–59 zu untergliedern.71 Richtet der zweite Abschnitt sein Interesse auf die Person Jesu und die Frage, in welcher Beziehung er zu Abraham steht, so geht es im ersten Abschnitt um die jüdischen Gesprächspartner Jesu, um die Frage nach ihrem religiösen Status quo, die unter anderem im Blick auf die Frage nach ihrer Beziehung zu Abraham behandelt wird. Die weitere Untergliederung dieses ersten Abschnitts, in dem V. 44 den traurigen Höhepunkt bildet, ist schwierig72und dementsprechend umstritten.73 Angemerkt sei hier, dass der wohl am weitesten verbreitete Gliederungsvorschlag, der einen Einschnitt nach V. 36 sieht, kaum überzeugend ist. Denn er setzt „mitten in Jesu Rede V 34–38 eine Zäsur“.74 Wäre eine solche Untergliederung innerhalb einer Rede prinzipiell denkbar, wenn sich in einem neuen Redeabschnitt keinerlei Rückbezüge zum Voranstehenden aufzeigen lassen, so ist sie hier auch deswegen nicht möglich, weil sich Jesu Rede in den VV. 37 f. über das Stichwort σπέρμα Ἀβραάμ weiterhin auf den Einwand der Gesprächspartner Jesu aus V. 33 bezieht. Für einen ersten Überblick über die Struktur des Textes ist es m. E. hilfreich, sich nicht an thematischen, sondern an formalen Aspekten zu orientieren. Auf die einleitende Angabe der Juden, die an ihn glaubten, als Gesprächspartner Jesu (31a), folgt dann eine an eine Bedingung geknüpfte doppelte Verheißung (31b– 32), die zum Anlass des folgenden Dialogs (33–47) wird und diesen insgesamt prägt.75 Dieser anschließende Dialog zerfällt in drei Gesprächsgänge (33–38; 39– 41a; 41b–47), in denen jeweils zunächst die Gesprächspartner Jesu das Wort ergreifen und sodann dieser selbst spricht. Thematisch geht es im ersten Gesprächsgang um die angesichts der Verheißung Jesu aufkommende Frage, ob und inwiefern das σπέρμα Ἀβραάμ der Befreiung durch Jesus bedarf. Er kann in zwei Teile untergliedert werden, da die Antwort auf die Frage in zwei Schritten gegeben wird. Zunächst stellt Jesus in den VV. 34–36 allgemein fest, dass jeder, der die Sünde tut, ein Knecht der Sünde ist und somit auch der Befreiung bedarf. In einem zweiten Schritt wird sodann dargestellt, dass auch die Gesprächspartner Jesu, obgleich sie σπέρμα Ἀβραάμ sind, Sünde tun, da sie Jesus zu töten suchen (VV. 37 f.). Die logische Konsequenz, die 70 Vgl. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 252. 71 Vgl. M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 225; C. Urban, Menschenbild, 2001, 299 f. 72 K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 338, stellt gar im Blick auf den gesamten Abschnitt 8,31–59 fest: „Eine Gliederung nach Sachthemen ist m. E. in diesem Abschnitt nicht möglich.“ 73 Einen Überblick über einige Gliederungsvorschläge bietet E. Zingg, Reden, 2006, 112 f. 74 J. Becker, Johannes 1, 31991, 354; vgl. auch H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 438 f. 75 M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 225.
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Wesen und Wirken des Teufels nach Joh 8 I. Einleitung (31a) II. Bedingte doppelte Verheißung (31b–32) führt zu
III. Dialog mit drei Gesprächsgängen
1. Gesprächsgang (33–38)
2. Gesprächsgang (39–41a)
3. Gesprächsgang (41b–47)
Rede der „Juden“ (33)
Rede der „Juden“ (39a)
Rede der „Juden“ (41b)
Rede Jesu (34–38)
Rede Jesu (39b–41a)
Rede Jesu (42–47)
nicht explizit ausgesprochen wird, ist, dass auch sie als σπέρμα Ἀβραάμ der Befreiung durch Jesus bedürfen. Wichtig ist, dass das Verb ἐλευθεροῦν, das Jesus in seiner Verheißung gebraucht (V. 32), ebenso wie das Adjektiv ἐλεύθερος nur im Rahmen der VV. 32–36 begegnet. Hier freilich stehen Verb und Adjektiv je zweimal und fungieren als Leitbegriffe und der erste Teil des ersten Gesprächsgangs ist somit semantisch besonders eng mit Jesu Verheißung verbunden. Geht es in dem knappen zweiten Gesprächsgang einzig um die vom johanneischen Jesus negativ beantwortete Frage, ob die Gesprächspartner Jesu Abraham zum Vater (πατήρ) haben, so behandelt der dritte Gesprächsgang in einem ersten Teil zunächst die wiederum negativ beantwortete Frage, ob Gott der Vater der Gesprächspartner Jesu ist (41b–42). Sodann deckt der johanneische Jesus im zweiten Teil des Gesprächsgangs auf, wer der wirkliche Vater seiner Gesprächspartner ist und beantwortet damit die von ihm selbst aufgeworfene Frage, warum sie ihn nicht verstehen (43–47).
2.5 Freiheit, Sünde und der Teufel An der Verheißung Jesu: ἐὰν ὑμεῖς μείνητε ἐν τῷ λόγῳ τῷ ἐμῷ, ἀληθῶς μαθηταί μού ἐστε καὶ γνώσεσθε τὴν ἀλήθειαν, καὶ ἡ ἀλήθεια ἐλευθερώσει ὑμᾶς (VV. 31 f.) nehmen die jüdischen Gesprächspartner Jesu Anstoß, da sie erkennen, „dass eine
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Der Teufel im Johannesevangelium
solche Verheißung das Urteil über sie enthält, sie seien Knechte“.76 Unter Berufung auf ihre leibliche Abstammung von Abraham (σπέρμα Ἀβραάμ) setzen sie sich in ihrer den ersten Gesprächgang einleitenden Rede gegen eine solche Beurteilung ihrer Situation zur Wehr. Sie verstehen sich als freie Menschen, die niemals irgendjemand als Knecht gedient haben. Dass sie damit nicht ihre gegenwärtige durch die Römerherrschaft verursachte politische Unfreiheit leugnen, ist evident. Vielmehr berufen sie sich auf den geistig-religiöse Freiheit77 gewährenden Bund, den Gott mit Abraham geschlossen hat und an dem sie als σπέρμα Ἀβραάμ partizipieren. Lässt sich die Freiheit, an die hier gedacht ist, noch genauer bestimmen? Wird bezüglich der Berufung der jüdischen Gesprächspartner Jesu auf Abraham zumeist Mt 3,7–10 par. als neutestamentlicher Vergleichstext angeführt,78 so stellt H. E. Lona im Blick auf die jüdische Literatur fest, dass „[d]ie Belege, bei denen Abraham als Grund für die Freiheit des Volkes angegeben wird, verhältnismäßig selten“ sind.79 Er verweist auf zwei rabbinische Texte, Mischna Baba Qamma 8,680 und Mischna Baba Mecia 7,1,81 die auch in den Kommentaren gelegentlich genannt werden und zitiert darüber hinaus Texte, in denen Freiheit mit dem Studium der Torah, nicht aber mit Abraham verbunden ist (P. Aboth 3,7; P. Aboth 6,2; Tanchuma 32a).82 Ein weiterer für das Verständnis der in Joh 8,33 anvisierten Freiheit möglicherweise relevanter Text, findet sich im 15. Kapitel des Jubiläenbuchs. Im Anschluss an den Bericht über die Einsetzung der Beschneidung, wird Mose mit den folgenden Worten belehrt (Jub 15,28–34):83 28 Und du gebiete den Kindern Israels, und sie sollen bewahren das Zeichen dieses Bundes für ihre Geschlechter zu einer Ordnung für Ewigkeit! Und nicht werden sie ausgerottet von der Erde. 29 Denn geboten ist die Ordnung des Bundes, dass sie sie bewahren in Ewigkeit bei allen Kindern Israels. 30 Denn den Ismael und seine Kinder und Brüder und Esau hat der Herr nicht nahegebracht zu sich und nicht auserwählt aus ihnen, weil sie aus den Kindern Abrahams sind, weil er sie kannte. Aber Israel hat er erwählt, dass sie ihm zum Volk seien. 31 Und er hat es geheiligt und gesammelt aus allen Menschenkindern. Denn es gibt viele Völker und viel Volk, und alle sind sein. Und über alle lässt er Geister herrschen, damit sie sie weg von ihm verführen. 32 Aber über
76 R. Bultmann, Johannes, 171962, 335. 77 Vgl. z. B. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 437; M. Theobald, Johannes, 2009, 592. 78 Vgl. z. B. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 263; H. E. Lona, Abraham, 1976, 251 ff.; U. Wilckens, Johannes, 22000, 148; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 437. 79 H. E. Lona, Abraham, 1976, 254. 80 „Rabbi Akiba hat gesagt: Auch die Armen in Israel sieht man als Freie an, denn sie sind Söhne Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ (Zitiert nach ebd.). 81 „Einmal sagte R. Jochanan b. Mattja (um 130) zu seinem Sohn: Geh und miete uns Arbeiter! Er ging und vereinbarte mit ihnen Beköstigung. Als er zu seinem Vater kam, sprach dieser zu ihm: Mein Sohn, selbst wenn du ihnen ein Mal bereiten würdest wie das Salomos zu seiner Zeit, so würdest du deiner Pflicht ihnen gegenüber nicht genügen; denn sie sind Kinder Abrahams, Isaaks und Jakobs (Zitiert nach ebd.). 82 Vgl. ebd. 254 f. 83 Übersetzung nach K. Berger, Jubiläen, 1981, 408 f.
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Israel lässt er sie nicht herrschen, niemand, weder Engel noch Geist. Denn er allein ist ihr Herrscher. Und er bewahrt sie, und er wird sie fordern für sich aus der Hand seiner Engel und von seinen Geistern und aus der Hand aller und aller seiner Gewalten, damit er sie bewahre und er sie segne und sie ihm gehören und er ihnen gehöre von jetzt an und bis in Ewigkeit. 33 Und jetzt will ich dir mitteilen, dass die Kinder Israels in dieser Ordnung das Vertrauen enttäuschen werden und ihre Kinder nicht beschneiden werden gemäß diesem ganzen Gesetz. Denn in bezug auf das Fleisch ihrer Beschneidung werden sie Auslasser sein in der Beschneidung ihrer Söhne. Und alle Söhne Beliars werden ihre Söhne ohne Beschneidung lassen, wie sie geboren wurden. 34 Und es wird ein großer Zorn sein über die Kinder Israels vom Herrn her, weil sie seinen Bund verlassen haben und von seinem Wort abgewichen sind. Und sie haben gereizt und sie haben gelästert, weil sie nicht die Ordnung dieses Zeichens taten. Denn sie haben ihre Glieder wie die Heiden gemacht, zum Verschwinden und zum Ausgerottetwerden von der Erde. Und sie haben keine Vergebung und Verzeihung mehr, dass er ihnen vergebe und dass ihnen verziehen würde von aller Sünde dieser Verirrung, die in Ewigkeit ist. Zwar finden sich die Begriffe Freiheit/Knechtschaft innerhalb des Textes nicht, doch ist hier sachlich durchaus von einer Israel auszeichnenden Freiheit die Rede. Als erwähltes Volk (31) unterscheidet es sich von den übrigen Völkern dadurch, dass es der unmittelbaren Herrschaft Gottes untersteht (32) und nicht von den Geistern beherrscht wird, durch die alle übrigen Völker von Gott weg verführt werden. Ihren Grund hat diese Freiheit Israels von der Geisterherrschaft im Bund, den Gott mit Abraham geschlossen hat und an dem Israel partizipiert. Wenngleich in einer von Joh 8,31–47 deutlich unterschiedenen Art und Weise, geht es auch in Jub 15,30 um wahre, Partizipation an diesem Bund gewährende Abrahamskindschaft: Nicht Ismael und Esau, und somit nicht alle leiblichen Kinder und Nachkommen Abrahams, partizipieren an ihm, sondern einzig Israel als erwählter und wie man wohl hinzufügen darf, wahrer Nachkomme Abrahams. Insofern Jub 15,33 f. ferner um Söhne Belials weiß, die offensichtlich von diesem beherrscht werden (vgl. Jub 1,20) und Gottes Bund verlassen, ist es durchaus denkbar, dass der vierte Evangelist die jüdischen Gesprächspartner Jesu hier an eine auch in Jub 15,28–34 verarbeitete Tradition anspielen lässt und diese sich hier somit darauf berufen würden, frei von Geisterherschaft zu sein.
In jedem Fall haben die Gesprächspartner Jesu die Art der ihnen von Jesus verheißenen Freiheit als eine geistig-religiöse richtig verstanden84 und auch der von ihnen implizit aufgestellte Grundsatz, dass Partizipation am Bund Gottes mit Abraham eben diese Freiheit gewährt, wird vom johanneischen Jesus im folgenden Dialog in keiner Weise bestritten werden. Strittig ist hingegen die Frage, wie es zur Partizipation an diesem Freiheit gewährenden Bund kommt, und somit die Frage, wer wahrer Nachkomme Abrahams ist. Urteilen die jüdischen Gesprächspartner dabei wie so oft im Rahmen der Kapitel 7 und 8 κατ’ ὄψιν (7,24) oder κατὰ τὴν σάρκα (8,15)85 und „verstehen die Abrahamskindschaft ‚fleisch 84 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 355. 85 Vgl. unten S. 192.
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lich‘, als blutsmäßige Abstammung von Abraham“,86 so wird ihnen vom johanneischen Jesus zunächst in einem betonten Amen-Wort entgegengehalten, dass jeder, der die Sünde tut, ein Knecht der Sünde87 ist (V. 34) und dass somit auch sie als leibliche Nachkommen Abrahams, da sie Jesus zu töten suchen (V. 37) und somit Sünde tun, der Befreiung durch den Sohn bedürfen, um wirklich (ὄντως) frei zu sein (V. 36). Es deutet sich somit bereits im ersten Gesprächsgang an, was dann im zweiten ganz deutlich zu Tage treten wird, dass sich für den johanneischen Jesus wahre, Freiheit gewährende Abrahamskindschaft an einem dem Verhalten Abrahams entsprechenden ποιεῖν zeigt. Mögen die Gesprächspartner Jesu σπέρμα Ἀβραάμ sein, Abraham zum Vater haben sie aus der Perspektive des johanneischen Jesus nicht (V. 39). Denn indem sie darauf aus sind, ihn zu töten, tun sie die Sünde und verhalten sich eben nicht wie Abraham. Für das Verständnis des johanneischen Teufels ist nun wesentlich, dass das Bestreben der „Juden“, Jesus zu töten, auf das Wirken des Teufels zurückgeführt wird. Sie handeln unter seinem Einfluss, tun, was sie παρὰ τοῦ πατρός gehört haben (V. 38). Wichtig ist diese Feststellung, weil sich aus ihr letztlich ergibt, dass der Teufel nicht nur hinter dem Bestreben der „Juden“ steht, Jesus zu töten, sondern dass er letztlich als Anstifter der Sünde in universalem Sinne zu verstehen ist. Dies verdeutlicht ein Blick auf den Gebrauch des innerhalb der VV. 31–47 höchst bedeutungsvollen Verbs ποιεῖν. Ποιεῖν ist hier sechsmal belegt (VV. 34; 38; 39; 40; 41; 44) und begegnet nur im Mund Jesu. Stets ist dabei ein ποιεῖν seiner Gesprächspartner im Blick. Das gilt auch für V. 34, wo bei dem allgemein formulierten πᾶς ὁ ποιῶν τὴν ἁμαρτίαν primär an diese gedacht ist und ebenso für V. 40, wo negativ festgestellt wird, dass Abraham nicht getan hat, was die Gesprächspartner Jesu tun. Blickt man nun auf die vier Belegstellen des Verbs ποιεῖν, an denen nicht negativ zum Ausdruck gebracht wird, was Abraham nicht getan hat (V. 40) oder in einem irrealen Konditionalsatz formuliert wird, was die Gesprächspartner tun würden, wenn sie denn tatsächlich Abrahams Kinder wären (V. 39),88 sondern an denen von ihrem tatsächlichen Verhalten die Rede ist, so zeigt sich, dass diese vier Belegstellen eine sich durch den Text ziehende Sinnlinie bilden, die in V. 34 beginnt und in V. 44 an ihr Ziel gelangt:89
86 J. Blank, Krisis, 1964, 233. 87 Die Lesart ohne den Genitiv τῆς ἁμαρτίας ist m. E. zu schlecht bezeugt, um – wie etwa C. H. Dodd, Tradition, 1963, 380, Anm, 1 behauptet, ursprünglich zu sein. 88 Zu den textkritischen Problemen in V.39d.e. und dem Verständnis des Verses als irrealem Konditionalsatz vgl. M. Theobald, Johannes, 2009, 601. 89 Vgl. M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 227f, dort findet sich auch die folgende Übersicht in ähnlicher Form.
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Vers 34: πᾶς ὁ ποιῶν τὴν ἁμαρτίαν δοῦλός ἐστιν τῆς ἁμαρτίας. Vers 38: ἃ η’κούσατε παρὰ τοῦ πατρὸς ποιεῖτε. Vers 41: ὑμεῖς ποιεῖτε τὰ ἔργα τοῦ πατρὸς ὑμῶν Vers 44: ὑμεῖς ἐκ τοῦ πατρὸς τοῦ διαβόλου ἐστὲ καὶ τὰς ἐπιθυμίας τοῦ πατρὸς ὑμῶν θέλετε ποιεῖν.
Wird das ποιεῖν der Gesprächspartner Jesu in den letzten drei Gliedern dieser Sinnlinie auf den Teufel zurückgeführt, so liegt es nahe, dass Gleiches auch für das ποιεῖν der πᾶς in ihrem ersten Glied gilt und dass somit jeder, der die Sünde tut, dabei letztlich vom Teufel beeinflusst ist. Dass man in der johanneischen Schule in der Tat so dachte, dass man sich den Teufel als universalen Verursacher der Sünde, als den „Anstifter aller Sünde“90 vorstellte, zeigt schließlich auch die Feststellung ὁ ποιῶν τὴν ἁμαρτίαν ἐκ τοῦ διαβόλου ἐστίν, ὅτι ἀπ ’ ἀρχῆς ὁ διάβολος ἁμαρτάνει in 1Joh 3,8.
2.6 Die Sünde in Joh 8 Gilt der Teufel im Johannesevangelium als universaler Verursacher der Sünde, so lässt sich hieraus einiges über das Verständnis des Teufels im Johannesevangelium lernen. Denn die Sündenthematik ist im vierten Evangelium gewiss nicht bedeutungslos.91 Das zeigt bereits ein statistischer Überblick: Im Evangelium begegnet das Substantiv ἁμαρτία 17mal – ebenso oft findet es sich im 1. Johannesbrief. Unter den neutestamentlichen Schriften ist ἁμαρτία damit einzig im Römer- (48mal) und im Hebräerbrief (25mal) häufiger belegt.92 Insbesondere im 8. Kapitel des Johannesevangeliums ist der Terminus ἁμαρτία von zentraler Bedeutung. Er begegnet hier sechsmal – so häufig wie an keiner anderen Stelle des Evangeliums – und ist somit als eines der zentralen Schlüsselworte dieses Kapitels anzusehen.93 Wird in V. 46 durch die rhetorische Frage94 Jesu τίς ἐξ ὑμῶν ἐλέγχει με περὶ ἁμαρτίας die Sündlosigkeit Jesu zum Ausdruck gebracht,95 so steht die ἁμαρτία nach den VV. 21 und 24 in engem Zusammenhang mit dem Tod. Angesichts der Vorliebe des Evangelisten, durch räumliche Metaphorik Wirklichkeit darzustellen96 und insbesondere angesichts der Wendungen περιπατεῖν ἐν τῇ σκοτίᾳ (8,12), μένειν ἐν τῷ λόγῳ τῷ ἐμῷ (8,31) und μένειν ἐν τῇ οἰκίᾳ (V. 35) im unmittelbaren Kontext, ist die Rede vom ἀποθανεῖν ἐν τῇ 90 H. Windisch, Johannesbrief, 1930, 121. 91 So aber E. Haenchen, Johannesevangelium, 1980, 167. 92 Vgl. R. Metzner, Verständnis, 2000, 23, mit Anm. 67; U. Schnelle, Theologie, 2007, 684. 93 Vgl. R. Metzner, Verständnis, 2000, 162; M. Theobald, Johannes, 2009, 577. 94 Vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 353. 95 Vgl. Th. Knöppler, theologia crucis, 1994, 73. 96 Vgl. M. Theobald, Johannes, 2009, 605.
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ἁμαρτίᾳ (ταῖς ἁμαρτίαις)97 in VV. 21 und 24 kaum instrumental,98 sondern eher räumlich zu verstehen.99 Sünde konstituiert und qualifiziert einen Bereich, in dem sich der Mensch befindet, der sein Denken und Handeln bestimmt und in dem er nicht nur unausweichlich dem Tod entgegengeht,100 sondern in dem er sich letztlich bereits im Tod befindet. Denn der Tod ist im Johannesevangelium der Zustand des sich im Unheilsbereich und somit in der Sünde befindenden Menschen,101 aus dem diejenigen νεκροί, die die Stimme des υἱὸς τοῦ θεοῦ hören, befreit werden (5,25) und in dem nach 1Joh alle diejenigen bleiben, die nicht lieben (1Joh 3,14). Der durch die Sünde konstituierte und qualifizierte Bereich ist identisch mit der σκοτία (8,12), der Todesfinsternis,102 in der alle diejenigen orientierungslos umhertappen, denen das Licht des Lebens (V. 12) fehlt und er ist zugleich identisch mit dem „Unten“ und dem „Kosmos“ (V. 23). Denn das zentrale Heilsgut, an dem es dem Kosmos im Johannesevangelium mangelt, ist ja das „Leben“ = Licht. Der Unheilsbereich der Sünde steht somit dem von Jesus begründeten Heilsbereich gegenüber,103 dem Bereich, der in V. 31 und 35 durch die Wendungen ἐν τῷ λόγῳ τῷ ἐμῷ und ἐν τῇ οἰκίᾳ bezeichnet wird. Zweierlei bleibt bezüglich der Aussage über die ἁμαρτία in V. 21 noch zu erwähnen. Zunächst ist festzustellen, dass der Todesbereich der Sünde offensichtlich ein Bereich der Gottesferne und Gottlosigkeit ist: Wohin Jesus geht, zum Vater (vgl. 7,33 f.), dahin können Menschen die sich in diesem Bereich befinden, nicht gelangen. Sie sind von Gott, dem Urquell des Lebens, radikal geschieden und befinden sich eben deshalb im Tod. Sodann ist zu bemerken, dass die Aussage über die ἁμαρτία in V. 21 in enger Beziehung zu derjenigen in V. 34 steht. Denn der in V. 34 dominierende Gedanke von der menschlichen Unfreiheit in der Sünde, klingt auch in V. 21 an: Sind die Gesprächspartner Jesu nicht in der Lage zum Vater zu kommen, so befinden sie sich im Status der Unfreiheit, sind im Todesbereich der Sünde gefangen.104 Wie der in V. 34 dominierende Gedanke in V. 21 anklingt, so ist umgekehrt auch der in V. 21 dominante Gedanke vom Sterben in der Sünde in V. 34 durchaus wahrnehmbar. Die Sünde wird hier einerseits dargestellt „als etwas, was man 97 Zum Wechsel vom Singular (V. 21) zum Plural (V. 24) vgl. R. Metzner, Verständnis, 2000, 163 f., der zu Recht feststellt, dass hierdurch keine Differenzierung in Grund- und Einzelsünde zum Ausdruck gebracht wird. 98 So aber R. Metzner, Verständnis 2000, 169, Anm. 47; K. Wengst, Johannesevangelium 1, 2 2004, 332. 99 Vgl. M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 201; K. Scholtissek, In ihm sein, 2000, 152. 100 Vgl. ebd. 101 Vgl. J. Blank, Krisis, 1964, 145;156. Zum Todesverständnis im Johannesevangelium insgesamt vgl. ebd., 143–158. 102 Vgl. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 242; 250. 103 Vgl. M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 201; K. Scholtissek, In ihm sein, 2000, 152. 104 Vgl. etwa J. Zumstein, Sünde, 22004, 98, der im Blick auf 8,21 formuliert: Er (sc. der sündige Mensch) ist in seiner Sünde gefangen […].“
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tut, andererseits als eine Macht, die versklavt“105, und R. Metzner konstatiert zu recht, es sei „der ‚teuflische‘ Kreislauf, daß die sündige Tat die Herrschaft der Sünde konstituiert und zugleich die Herrschaft der Sünde sündige Taten hervorbringt“,106 der hier dargestellt wird. Die Folgen der menschlichen Sündenknechtschaft werden sodann in V. 35 dargestellt. In dem hier gebrauchten sozialen Erfahrungssatz,107 der gewiss nicht ganz glücklich gewählt ist,108 meint οἰκία das Haus des Vaters (vgl. 14,2)109 und mit εἰς τὸν αἰῶνα klingt „eine eschatologische Dimension des Bleibens an.“110 Man wird das μένειν ἐν τῇ οἰκίᾳ εἰς τὸν αἰῶνα daher im Sinne des Ewigen Lebens verstehen dürfen,111 an dem der Sündenknecht keinen Anteil hat und wie in 8,21 begegnet somit auch hier der Gedanke, dass der sündige Mensch dem Tod entgegengeht bzw. bereits im Tod ist. Grund für den Tod des Sünders ist dabei auch hier seine Trennung von Gott, die Tat sache, dass er nicht εἰς τὸν αἰῶνα in der οἰκία Gottes bleibt. Steht die Sünde in Joh 8 in engster Verbindung mit dem Tod, so ist es kaum verwunderlich, dass die Verheißung des johanneischen Jesus, seine Gesprächspartner aus der Sündenknechtschaft zu befreien, letztlich auf die Befreiung vom Tod abzielt.112 Dies zeigt sich zum einen in den VV. 35 f., wo der zentrale Gedanke ist, dass der vom Sohn aus der Sündenknechtschaft Befreite εἰς τὸν αἰῶνα in der οἰκία bleiben darf,113 und somit im Besitz des ewigen Lebens ist. Es wird sodann noch deutlicher in V. 51. Hier findet sich nach VV. 31 f. die zweite Verheißung des Abschnitts 8,31–59, und wie die Verheißung der VV. 31 f. den ersten Teil dieses Abschnitts (VV. 31–47) prägt, so steht sein zweiter Teil (VV. 48– 59) unter der Verheißung von V. 51.114 Die Protasis von V. 51 ἐάν τις τὸν ἐμὸν λόγον τηρήσῃ nimmt nun deutlich die in V. 31 genannte Bedingung auf115 und generalisiert sie (ἐὰν ὑμεῖς V. 31/ ἐάν τις V. 51).116 Μένειν ἐν τῷ λόγῳ hat eine sehr ähnliche Bedeutung wie τηρεῖν τὸν λόγον, denn in Jesu Wort bleibt man da 105 M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 239 (Im Original teilweise unterstrichen). 106 R. Metzner, Verständnis, 2000, 180. 107 Vgl. J. Becker, Johannes 1, 31991, 357. 108 Zwischen den VV. 34 und 35 besteht die Unstimmigkeit, „daß es ja das Haus der Sünde ist, dem der Sünder als ihr Sklave zugehört, und dies auch nicht nur auf eine begrenzte Zeit, sondern bleibend (vgl. 3,36); also leben eigentlich der Sünder und der befreite Christ gar nicht in dem einen und selben Hause nebeneinander“ (U. Wilckens, Christus, 2003, 36). 109 Vgl. z. B. J. Becker, Johannes 1, 31991, 357; R. Metzner, Verständnis, 2000, 185; C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 251; E. Zingg, Reden, 2006, 116; M. Theobald, Johannes, 2009, 594. Anders aber etwa R. Bultmann, Johannes, 171962, 241. 110 E. Zingg, Reden, 2006, 116. 111 M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 241. 112 Vgl. J. Becker, Johannes 1, 31991, 356; M. Theobald, Johannes, 2009, 591 f. 113 Vgl. U. Wilckens, Christus, 2003, 37. 114 M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 226. 115 Vgl. M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 276; S. Motyer, Father, 1997, 201; K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 355 f.; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 448. 116 Vgl. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 448.
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durch, dass man es hält.117 Liegt es daher nahe, dass die zweite Verheißung des Abschnitts in engem Bezug zur ersten zu lesen ist, und diese präzisierend deutet und weiterführt,118 so spricht dafür auch, dass – wie eben festgestellt wurde – der Gedanke der Befreiung vom Tod ja bereits in VV. 35 f. anklingt: Wer εἰϛ τὸν αἰῶνα in der οἰκίᾳ des Vaters bleibt, der ist es, für den gilt: θάνατον οὐ μὴ θεωρήσῃ εἰϛ τὸν αἰῶνα.119
2.7 Der Teufel und die Knechtschaft der Menschen Bevor im Folgenden versucht wird, durch die Ergebnisse des voranstehenden Überblicks über die Sündenthematik in Joh 8 die beiden zentralen Wesenseigenschaften, die dem Teufel in 8,44 nachgesagt werden, zu erhellen, ist hier zunächst auf eine weitere Rolle hinzuweisen, die dem johanneischen Teufel, als universalem Verursacher der Sünde zukommt: Ist er es, der die Menschen zur Sünde anstachelt, so ist die menschliche Unfreiheit unter der Sünde letztlich sein Werk und er steht in der Genealogie dieser menschlichen Unfreiheit somit an o berster Stelle. Dieser Zusammenhang zwischen Wirken des Teufels und der Gefangenschaft des Menschen in der Sünde dürfte für das Teufelsbild der johanneischen Gemeinde durchaus bedeutungsvoll sein. Denn er wird m. E. auch 1Joh 3,8 greifbar. Dort folgt auf die Feststellung, dass derjenige, der die Sünde tut, ἐκ τοῦ διαβόλου ist, die Aussage: εἰς τοῦτο ἐϕανερώθη ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ, ἵνα λύσῃ τὰ ἔργα τοῦ διαβόλου. Zwar plädiert die überwiegende Mehrheit der Kommentatoren dafür, das Verb λύειν hier im Sinne von „zerstören“ oder „vernichten“ wiederzugeben,120 doch ist eine Übersetzung mit „lösen“ m. E. naheliegender. Denn 1Joh 3,8 klingt nicht nur Joh 8,44 an,121 sondern vielmehr werden dort Bestandteile von Joh 8,34122 und Joh 8,44 miteinander verbunden: πᾶς ὁ ποιῶν τὴν ἁμαρτίαν (Joh 8,34) → ὁ ποιῶν τὴν ἁμαρτίαν (1Joh 3,8) ὑμεῖς ἐκ τοῦ πατρὸς τοῦ διαβόλου ἐστέ (Joh 8,44) → ἐκ τοῦ διαβόλου ἐστίν (1Joh 3,8) ἐκεῖνος ἀνθρωποκτόνος ἦν ἀπ’ ἀρχῆς […] ἔστηκεν (Joh 8,44) → απ ’ ἀρχῆς ὁ διάβολος ἁμαρτάνει (1Joh 3,8) 117 Vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 356. 118 Vgl. J. Becker, Johannes 1, 31991, 356, der 8,51 f. als „Deutung“ von 8,31 betrachtet. 119 Vgl. M. Hasitschka, Befreiung, 1989, S. 276. 120 So etwa R. Schnackenburg, Johannesbriefe, 71984, 190; G. Strecker, Johannesbriefe, 1989, 170, Anm. 54; K. Wengst, Brief, 21990, 137; U. Schnelle, Johannesbriefe, 42010, 121. Anders aber F. Vouga, Johannesbriefe, 1990, 53 f., der λύειν mit „auflösen“ übersetzt. 121 So R. Bultmann, Johannesbriefe, 1967, 57. 122 Die Wendung πᾶς ὁ ποιῶν τὴν ἁμαρτίαν aus Joh 8,34 begegnet in dieser oder leicht abgewandelter Fassung mehrmals im Rahmen des Abschnitts 1Joh 3,4–10. Vgl. 1Joh 3,4.6.8.
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Darf davon ausgegangen werden, dass der Verfasser des 1Joh das Johannesevangelium kannte,123 so liegt es nahe, dass er durch die Kompilation beider Verse die auch Joh 8 letztlich zusammengehörenden Vorstellungen von Sündenknechtschaft des Menschen und Herkunft vom Teufel auf engstem Raum zusammendenkt und die Sünde somit auch 1Joh 3,8 als vom Teufel verursachte, die Menschen in Unfreiheit stürzende Größe vorgestellt ist, deren Fessel zu lösen der Sohn Gottes erschienen ist. Die Vorstellung von der Sündenknechtschaft teilt das vierte Evangelium bekanntlich mit Paulus (Röm 5,12–8,10), der ebenso wie der vierte Evangelist den Begriff δοῦλος τῆς ἁμαρτίας verwendet (Röm 6,16.17.20; vgl. auch Gal 2,17 ἁμαρτίας διάκονος) und für den die Sünde ebenfalls in enger Verbindung mit dem Tod steht. Dieser kam durch die Sünde in die Welt (Röm 5,12) und ist der Sold der Sünde (Röm 6,23), wie die Sünde der Stachel des Todes ist (1Kor 15,56). Wenngleich Paulus Funktionäre Satans als Menschen bezeichnen kann, die ihren Begierden und damit einer von der Sünde geweckten Größe (Röm 7,8) sklavisch dienen (Röm 16,17–20),124 und er nicht nur den ἁμαρτίας διάκονον (Gal 2,17), sondern auch διάκονοι Σατανᾶ kennt (2Kor 11,14), wird Satan doch im unmittelbaren Kontext der Rede von der Sündenknechtschaft bei Paulus nicht erwähnt. Vielmehr ist dort die Personifizierung der Sünde bedeutend ausgeprägter als im vierten Evangelium, wo sie 8,34 nur leise anklingt.125 Und anders als bei Johannes, wo nach dem bereits Gesagten und noch zu Sagenden der Teufel in der Genealogie der menschlichen Unfreiheit noch vor der Sünde steht, erweckt Röm 6–8 den Eindruck, dass die Sünde selbst als letzte Ursache der menschlichen Knechtschaft anzusehen ist. Die Vorstellung, dass es der Teufel ist, der die Menschen durch die Sünde in eine Situation der Unfreiheit in der Sünde stürzt, begegnet hingegen in einigen frühjüdischen Vergleichstexten.126 So betet Mose am Beginn des Jubiläenbuches (Jub 1,20 f.):127 Hoch sei, Herr, dein Erbarmen über deinem Volk. Und schaffe ihnen einen rechten Geist. Und nicht beherrsche sie der Geist Belchors, sie anzuklagen vor dir und sie zu verstricken, weg von allen Wegen der Gerechtigkeit, so daß sie zugrunde gehen, weg von deinem Angesicht. 21 Denn sie sind dein Volk und dein Erbe, das du errettet hast mit deiner großen Macht aus der Hand der Ägypter. Schaffe ihnen ein reines Herz und einen heiligen Geist, und sie mögen nicht verstrickt werden in ihrer Sünde von jetzt an und bis in Ewigkeit.
123 Vgl. z. B. K. Wengst, Brief, 21990, 24 f.; F. Vouga, Johannesbriefe, 1990, 11 ff.; J. Zumstein, Relecture, 22004, 18 ff. 124 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 3.1.3. 125 Vgl. R. Metzner, Verständnis, 2000, 336. 126 Vgl. J. Dennis, Lifting, 2007, 683 f. 127 Übersetzung nach K. Berger, Jubiläen, 1981, 317 f.
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Ähnlich wie Joh 8,31–47 wird auch in diesem Text das Gefangen- bzw. Verstricktsein des Menschen in der Sünde auf das Wirken des Teufels zurückgeführt128 und auch hier ist die Folge dieser Unfreiheit die Gottesferne und der Tod, dass Zugrundegehen, weg von dem Angesicht Gottes. Auch in einem oben129 bereits vollständig zitierten Auszug der Damaskusschrift (CD 4,12–19) findet sich die Vorstellung, dass der Teufel die Menschen durch die Sünde in einen Zustand der Gefangenschaft versetzt. Vom in der Endzeit losgelassenen Belial heißt es hier, dass er Israel mit seinen drei Netzen gefangen nimmt. Die Netze, in denen Israel gefangen wird, sind 1. Unzucht, 2. Reichtum 3. Heiligtumsbefleckung und somit Sünden. Bringt Belial, wie das Zitat von Jes 24,17 in CD 4,13 verdeutlicht, mit seinen drei Netzen Grauen, Grube und Garn, und somit Verderben,130 über Israel, so ist deutlich, dass auch in CD 4,12–19 die Folge der menschlichen Gefangenschaft in den Sündennetzen der Tod ist. Unter den Qumrantexten begegnet die Rede vom durch Sünde gefangennehmenden Beliar auch im Midrasch zur Eschatologie. Nach 4Q 174 3,7– 9 sind die Söhne Belials darauf aus, die Söhne des Lichts zu Fall zu bringen. Sie ersinnen daher frevlerische Pläne, diese, damit „sie [ge]fangen würden von Belial durch ihre frevlerische Verirrung“ (wXft[y n[]ml hmXa tgXmb l[ylbl; 3,9131). Ein weiterer interessanter Vergleichstext ist ferner das zweite Kapitel des Testament Dans. Dan ermahnt seine Kinder hier, sich vor dem Geist der Lüge und des Zorns zu bewahren und stellt fest (TestDan 2,1–5):132 1 Und jetzt, meine Kinder, siehe, ich sterbe, und in Wahrheit sage ich euch, dass, wenn ihr euch nicht selbst vor dem Geist der Lüge und des Zorns bewahrt und die Wahrheit und die Langmut liebt, ihr zugrunde geht. 2 Denn Blindheit bedeutet der Zorn, und er lässt nicht zu, jemandes Antlitz in Wahrheit zu sehen. 3 Denn (auch) wenn es Vater oder Mutter sind, so behandelt er sie wie Feinde; oder (ist es) ein Bruder, kennt er (ihn) nicht; oder (ist es) ein Prophet des Herrn, gehorcht er (ihm) nicht; oder ein Gerechter, sieht er (ihn) nicht; oder ein Freund, beachtet er (ihn) nicht. 4 Denn der Geist des Zorns wirft das Netz des Irrtums um ihn und verfinstert seine natürlichen Augen. Durch die Lüge verdunkelt er seinen Sinn und gibt ihm die (von ihr kommende) eigene Sicht. 5 Wodurch umstrickt er seine Augen? Durch Hass des Herzens gegen seinen Bruder aus Neid.
Mit dem Geist des Zorns ist es hier einer der Geister Beliars (TestDan 1,7), der die Menschen gefangen nimmt. Das Netz, dessen er sich hierzu bedient, wird als Netz des Irrtums (τὸ δίκτυον) bezeichnet. Es besteht aus Lüge und Hass gegen 128 Vgl. S. Motyer, Father, 1997, 187. 129 Siehe oben Kapitel II, Abschnitt 2.3.4. 130 Zu Grauen, Grube und Garn als Bild des Verderbens vgl. W. Gesenius, Handwörterbuch, 1962, 639. 131 Zur Rekonstruktion des Textes vgl. G. J. Brooke, Exegesis, 1985, 87. 109 f.; A. Steudel, Midrasch, 1994, 45. 132 Übersetzung nach J. Becker, Testamente, 1974, 92 f.
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den Nächsten (Vater/Mutter/Bruder) und Gott (Prophet des Herrn) und kann somit ohne Frage als ein Sündennetz bezeichnet werden. Die Gefangenschaft durch den beliarischen Geist des Zorns bewirkt auch nach TestDan Gottlosigkeit und Gottesferne, denn von der Seele, die durch den Geist des Zorns fortwährend verwirrt wird, weicht der Herr und Beliar beherrscht sie (4,7). Schließlich führt sie zum Tod des Gefangenen, denn TestDan 1,9 verdeutlicht, dass derjenige, der vom Geist des Zorns geleitet seinen Bruder erschlägt, damit auch sich selbst vernichtet. Die Vorstellung von einer Gefangenschaft unter Beliar begegnet in TestDan noch an einer weiteren Stelle. Hat Dan, wie er in 5,6 feststellt, der Schrift Henochs des Gerechten entnommen, dass der Satan der Herrscher seiner Kinder ist, so sagt er vorher, dass seine Söhne sich den Söhnen Levis nähern und mit ihnen in allen Dingen sündigen werden (5,7). Am Ende aber, so weiß Dan, wird Gott133 gegen Beliar Krieg führen (5,10) und ihm die Gefangenen abnehmen, die ungehorsamen Herzen zum Herrn hinwenden (5,11).
2.8 Der Teufel als Menschenmörder Führt Johannes die menschliche Sünde auf das Wirken des Teufels zurück, so wirft dies auch Licht auf die Wesensbeschreibung des Teufels als ἀνθρωποκτόνος in V. 44. In der Literatur wird häufig festgestellt, durch diese Charakterisierung des Teufels werde hervorgehoben, dass er es ist, der „hinter dem mehrfach und besonders am Laubhüttenfest erwähnten Streben der Menschen steht, Jesus zu töten“,134 ebenso wie auch hinter dem Tötungsverlangen der Welt gegenüber denjenigen, die Jesus angehören.135 Diese Beobachtung ist ohne Frage zutreffend. Denn 8,38 wird explizit festgestellt, dass die Gesprächspartner Jesu, indem sie ihn töten wollen, das tun, was sie von ihrem Vater und somit dem Teufel gehört haben, und wenn der johanneische Jesus sich in V. 40 als einen ἄνθρωπον bezeichnet, der die von Gott gehörte Wahrheit verkündigt hat, so wird durch die Verwendung des Lexems ἄνθρωπος bereits die Charakterisierung des Teufels als ἀνθρωποκτόνος vorbereitet.136 Ferner zeigt sich im zweiten Teil des Evangeliums deutlich, dass es der Teufel ist, der als ἀνθρωποκτόνος agierend den gewaltsamen Tod Jesu in die Wege leitet, wenn er in Gestalt des Judas für die Verhaftung Jesu sorgt (13,2.27; 14,30; 18,1 ff.). Ebenso kann davon ausgegangen werden, dass der Evangelist den die Gemeinde treffenden Hass der Welt (15,18–16,4), der auch 133 Zu Gott als dem kriegführenden Subjekt in TestDan 5,10 vgl. J. Becker, Entstehungsgeschichte, 1970, 351 ff. 134 M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 264. Vgl. ferner etwa E. Gräßer, Teufelssöhne, 22000, 150; E. Zingg, Reden, 2006, 124; M. Theobald, Johannes, 2009, 604 f. 135 Vgl. M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 264. 136 Vgl. U. Schnelle, Johannes, 42009, 176.
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Morde umfasste, auf das Wirken des Herrschers dieser Welt als ἀνθρωποκτόνος ἀπ᾽ ἀρχῆς zurückführte. Übersehen werden darf jedoch nicht, dass der johanneische Teufel, indem er die Menschen zur Sünde anstachelt, noch in einer anderen, subtileren Weise als ἀνθρωποκτόνος agiert. Denn insofern die Sünde nach 8,21.24 letztlich den Tod des Sünders zur Folge hat, fungiert der Teufel nicht nur als Mörder Jesu und derjenigen Menschen, die zum Opfer der von ihm angeregten Gewalttaten werden, sondern auch als Mörder derer, die diese Gewalttaten, und damit Sünde begehen. Jene stürzt er in den physischen Tod, diese hingegen in den eschatologischen Tod, denn sie werden in ihrer Sünde sterben (8,21.24), und der Teufel beraubt sie somit der ζωὴ αἰώνιος. Interessant ist nun, dass der johanneische Teufel gerade gegen diejenigen als physischer ἀνθρωποκτόνος vorgeht, die er nicht (mehr) durch die Sünde als geistiger ἀνθρωποκτόνος in den eschatologischen Tod stürzen kann, gegen Jesus selbst und gegen die Jünger. Kündigt Jesus den Jüngern in 15,20–16,4 den sie treffenden Hass der Welt an, so tut er dies nach eigenem Bekunden, damit sie an diesem Hass, der sich im Synagogenausschluss und in Tötungen konkretisiert (16,2), keinen Anstoß nehmen (ἵνα μὴ σκανδαλισθῆτε; 16,1): Damit sie sich nicht von Jesus abkehren, sich wieder dem Kosmos zuwenden und seinem Herrscher unterwerfen.137 Als physischer ἀνθρωποκτόνος scheint der Teufel somit mit dem Ziel zu agieren, diejenigen, die seiner Herrschaft entrissen wurden, in Angst und Schrecken zu versetzen und sie auf diese Weise wieder unter seine Macht zu bringen, um sie als geistiger ἀνθρωποκτόνος durch die Sünde ins Verderben zu stürzen. Dieses Ziel des Teufels beim Vorgehen gegen die Gemeinde wird auch im Rahmen des Hohepriesterlichen Gebets deutlich. Im Blick auf den die Jünger treffenden Hass des Kosmos (17,14) bittet Jesus Gott hier nicht darum, die Jünger aus der Welt zu nehmen, sondern sie vor dem Bösen, und somit dem Teufel,138 zu bewahren (ἵνα τηρήσῃς αὐτοὺς ἐκ τοῦ πονηροῦ; 17,15). Dass dieses erbetene göttliche Bewahren nicht darauf ausgerichtet sein kann, dass den Jüngern in der Welt nichts Böses zustößt,139 ist angesichts der Vorhersage des sie treffenden Hasses der Welt in 15,18–16,4, an den ja im unmittelbaren Kontext erinnert wird (17,14), deutlich. Vielmehr steht das göttliche τηρεῖν in Kontinuität zur bewahrenden Tätigkeit, die Jesus in der Zeit seiner Anwesenheit bei den Jüngern ausübte (17,11 f.), und zielt somit darauf ab, zu verhindern, dass der Teufel aufgrund des die Jünger treffenden Hasses wieder Macht über sie gewinnt, ihre 137 Das Verb σκανδαλίζειν begegnet bei Joh nur in 16,2 und 6,61. Hier wie dort ist es von starkem Gewicht und meint „jemanden vom christlichen Glauben abbringen“ (C. K. Barrett, Johannes, 1990, 470; Vgl. auch K. Wengst, Gemeinde, 31990, 81). 138 Zum personalen Verständnis des Genitivs τοῦ πονηροῦ vgl. unten Anm. 856. 139 In diesem Sinne aber C. K. Barrett, Johannes, 1990, 493, der zur Stelle feststellt: „Der Tod Jesu bedeutet das Gericht des Fürsten dieser Welt (12,31; 14,30; 16,11), aber er hat immer noch die Macht, den Jüngern Böses zuzufügen, wenn sie ohne göttliche Hilfe bleiben.“
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Beziehung zu Christus und Gott löst und sie ins Verderben, die Gottesferne und den ewigen Tod stürzt, wie er es mit Judas, dem υἱὸς τῆς ἀπωλείας getan hatte (17,12). Im weiteren Verlauf vorliegender Arbeit wird sich zeigen, dass der Teufel mit „seinem“ gewaltsamen Vorgehen gegen den johanneischen Jesus ein durchaus ähnliches Ziel verfolgt: Er stürzt ihn in Todesangst, um auf diese Weise die Einheit Jesu mit Gott zu sprengen und über Jesus Macht zu gewinnen. Das Agieren des Teufels als physischer ἀνθρωποκτόνος erscheint somit im Johannesevangelium nur als teuflisches Mittel zum Zweck. Gegen diejenigen, die seinem Herrschaftsbereich nicht (mehr) angehören, geht er als physischer ἀνθρωποκτόνος vor, will sie dadurch in Angst und Schrecken versetzen, um sie zum Abfall von Jesus und Gott zu verleiten, somit (wieder) Macht über sie zu gewinnen und sie als geistiger ἀνθρωποκτόνος durch die Sünde in den eschatologischen Tod zu stürzen.
2.9 Der Teufel als Lügner Der Teufel ist nach johanneischem Verständnis die Ursache für das menschliche Tun der Sünde. Als ἀνθρωποκτόνος stachelt er die Menschen damit zu einem selbstzerstörerischen Verhalten an, denn gerade durch das Tun der Sünde ziehen die Menschen ihren eigenen Tod herbei. Charakterisiert der vierte Evangelist den Teufel in V. 44 als Lügner, so erklärt er damit wie es ihm gelingt, die Menschen zu diesem selbstzerstörerischen Tun der Sünde zu verleiten, und somit wie es ihm gelingt, zum ἀνθρωποκτόνος zu werden. Denn das menschliche Tun der Sünde hat – wie nun gezeigt werden soll – im vierten Evangelium seinen Grund und Ursprung in der Lüge des Teufels. Die VV. 31–47 schildern die Auseinandersetzung Jesu mit dem Teufel als einen Kampf um die Menschen, in dem sich beide Seiten des Wortes bzw. der Rede als Waffe bedienen. Wie es dem Teufel gerade mittels dieser Waffe, dadurch dass er gegenüber den Menschen die Lüge redet, gelungen ist, Macht über sie zu gewinnen, und er sie durch sein fortwährendes Lügen auch weiterhin zum Tun der Sünde anstachelt, so will Jesus die Menschen durch sein Wort, in dem sie die Wahrheit erkennen können, von eben diesem Tun der Sünde befreien. Um dies zu verdeutlichen, ist zunächst daran zu erinnern, dass das Verb ποιεῖν innerhalb des Abschnitts 8,31–47 von großem Gewicht ist und dass bei seiner Verwendung stets an ein Tun der Gesprächspartner Jesu gedacht ist.140 Von einem ποιεῖν Jesu ist 8,31–47 an keiner Stelle die Rede. Gerade umgekehrt verhält es sich mit dem Wortfeld „Rede/Sprache“, das innerhalb des Abschnitts ebenfalls von hervorgehobener Bedeutung ist.141 Der Terminus λόγος begegnet an drei Stel 140 Vgl. oben S. 172. 141 Vgl. Y. Ibuki, Wahrheit, 1972, 88.
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len (V. 31.37.43), und je einmal finden sich die Begriffe ῥῆμα (V. 47) und λαλιά (V. 43). Darüber hinaus ist das Verb λαλεῖν viermal belegt (VV. 38.40.44 [2mal]) und λέγειν wird inhaltlich relevant zweimal gebraucht (VV. 45 f.). Von einem Reden der Gesprächspartner Jesu oder von ihrem Wort ist dabei an keiner Stelle die Rede, vielmehr ist es von den beiden Gesprächsparteien einzig Jesus, der als Redender dargestellt wird. Die Zuordnung: „Juden“ – ποιεῖν vs. Jesus – λαλεῖν wird insbesondere V. 38 deutlich,142 wenn Jesus feststellt: ἃ ἐγὼ ἑώρακα παρὰ τῷ πατρὶ λαλῶ· καὶ ὑμεῖς οὖν ἃ ἠκούσατε παρὰ τοῦ πατρὸς ποεῖτε. Charakterisiert wird das ποιεῖν der Gesprächspartner Jesu letztlich als Sünde (V. 34), das Wort bzw. das Reden Jesu wird hingegen als Wahrheit qualifiziert (V.32.40.45 f.). Wichtig ist, dass das Wort Jesu, das die Wahrheit ist und in dem die Wahrheit zugänglich ist, als das Medium dargestellt wird, durch welches das ποιεῖν der Gesprächspartner Jesu beeinflusst werden kann. Denn denjenigen, die in Jesu Wort bleiben, wird verheißen, dass sie die Wahrheit erkennen und aus der Sündenknechtschaft befreit werden, so dass ihr gegenwärtiges Tun der Sünde beendet wird. Nun deutet sich in V. 38 bereits an, dass Jesus im Rahmen des Abschnitts 8,31–47 nicht der Einzige ist, der als Redender dargestellt wird. Die gleiche Rolle kommt vielmehr wie in V. 44 deutlich wird auch dem Teufel zu. Dessen λαλεῖν ist freilich das genaue Gegenteil des Redens Jesu: redet dieser die Wahrheit, so jener τὸ ψεῦδος und insofern in den VV. 31–47 Jesu Wort der Wahrheit als das Medium dargestellt wird, welches dem „die Sünde Tun“ der Gesprächspartner Jesu ein Ende bereiten kann, liegt es nahe, dass eben dieses „die Sünde Tun“ der Gesprächspartner Jesu seinen Grund und Ursprung in der dem Wahrheitswort Jesu entgegengesetzten lügnerischen Rede des Teufels hat. Dafür, dass die Lüge des Teufels Ursprung und Grund des menschlichen „die Sünde Tuns“ ist, spricht auch eine weitere Beobachtung, die zugleich dabei helfen kann, das Verhältnis von Lüge und Sünde noch genauer zu erfassen. Vollkommen zu Recht wird in der Literatur zumeist festgestellt, dass die Lüge im Rahmen der VV. 31–47 als Oppositum der Wahrheit anzusehen ist.143 Denn der Teufel wird ja in V. 44 zunächst durch die negative Feststellung, dass er nicht in der Wahrheit stand und keine Wahrheit in ihm ist, als Lügner charakterisiert, und es wurde bereits festgestellt, dass Jesus als derjenige, der die Wahrheit redet, dem Teufel als demjenigen, der die Lüge redet, gegenübersteht. Oppositum der Wahrheit ist aber nicht nur die Lüge, sondern gleiches gilt auch für die Sünde. Dies wird zum einen in V. 46 deutlich, denn es ist hier nicht – wie doch eigentlich zu erwarten wäre – die Tatsache, dass niemand Jesus eine Lüge nachweisen kann, aus der gefolgert wird, dass er die Wahrheit redet, sondern vielmehr die Tatsache, dass niemand ihn περὶ ἁμαρτίας überführen kann. Es zeigt sich zum Anderen in den 142 Vgl. ebd. 143 Vgl. z. B. R. Bultmann, Art. αλήθεια, 1933, 245; J. Becker, Johannes 1, 31991, 355; C. Urban, Menschenbild, 2001, 356.
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VV. 31–34. Denn der Sünde als den Menschen knechtende Größe (V. 34) steht hier die in Jesu Wort erkennbare Wahrheit als in die Freiheit führende Größe gegenüber (V. 31 f.). Die so geartete Gegenüberstellung von Sünde und Wahrheit in den VV. 31–34 stützt einerseits die Behauptung, dass die menschliche Sünde ihren Ursprung in der Lüge des Teufels hat, andererseits scheint sie ihr zu widersprechen. Gestützt wird die Behauptung, da es eben die Erkenntnis der Wahrheit ist, die der Sündenknechtschaft des Menschen ein Ende bereitet, und somit deutlich wird, dass die Wahrheit das entscheidende Gut ist, an dem es dem Knecht der Sünde mangelt. In dem Moment, da dieser durch die Lüge des Teufels verursachte Mangel behoben wird, ist der Herrschaft der Sünde der Boden entzogen, ist die Sünde ihrer Wurzel beraubt. In einem scheinbaren Widerspruch zu der Behauptung, die Sünde des Menschen habe ihren Grund und Ursprung in der Lüge des Teufels, steht hingegen die Formulierung in V. 34. Denn hier wird ja nicht gesagt, dass derjenige, der die Sünde tut, ein Knecht der Lüge ist, sondern es wird vielmehr festgestellt, dass jeder, der die Sünde tut, ein Knecht der Sünde ist. Als Grund und Ursprung der menschlichen Sünde wird somit nicht die Lüge, sondern die Herrschaft der Sünde und somit letztlich die Sünde selbst angegeben. Der Widerspruch hebt sich jedoch auf, wenn man bedenkt, dass „es einer der formalen Grundsätze des johanneischen Denkens“ ist, „[d]ass die Herkunft einer Sache ihr Wesen bestimmt“.144 Eben dies gilt natürlich auch für die Sünde. Sie ist dadurch, dass sie ihren Ursprung in der teuflischen Lüge hat, gewissermaßen selbst als Lüge qualifiziert, trägt ihren Ursprung als Wesen in sich und eben deshalb können sowohl Lüge als auch Sünde als Oppositum der Wahrheit gebraucht werden. Das lügnerische Wesen der Sünde zeigt sich in den VV. 31–34 jedoch nicht nur daran, dass Sünde hier als Gegenbegriff zu Wahrheit fungiert. Es wird vielmehr auch daran deutlich, dass der Knecht der Sünde sich seiner Unfreiheit offensichtlich in keiner Weise bewusst ist. Als Knechte der Sünde wähnen sich die Gesprächspartner Jesu als Freie (V. 33), weil ihnen die in der Sünde wirkende Lüge ihren wahren Status verbirgt und sie, die Blinden, glauben macht, sie seien sehend (9,39–41). Ganz deutlich wird das lügnerische Wesen der Sünde schließlich in V. 38. Jesus stellt hier fest, dass seine Gesprächspartner, indem sie ihn zu töten suchen und somit die Sünde tun, das tun, was sie vom Vater gehört haben. Kaum ist hier daran gedacht, dass ihnen die Tat selbst eingegeben wird – wie etwa in TestDan 1,7, wo einer der Geister Beliars, der Geist des Zorns, Dan mit den Worten „Nimm das Schwert, und mit ihm töte Joseph, […]“ zum Mord an seinem Bruder auffordert. Vielmehr muss das, was sie vom Vater gehört haben, das genaue Gegenteil von dem sein, was Jesus beim Vater gesehen bzw. von ihm gehört hat (VV. 38.40). V. 40 macht deutlich, dass das von Jesus beim Vater Gesehene und 144 M. Theobald, Johannes, 2009, 253.
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Gehörte die Wahrheit ist, und was die Juden vom Teufel gehört haben, ist somit die Lüge. Das Tun der Gesprächspartner Jesu wird dann aber nicht nur auf die Lüge des Teufels zurückgeführt, sondern selbst als Lüge qualifiziert. Indem die „Juden“ Jesus zu töten suchen und somit Sünde tun, tun sie die Lüge, die sie vom Teufel gehört haben. Ihr Tun ist gewissermaßen Tat gewordene Lüge und in der Tat zeigt sich das lügnerische Wesen der Sünde wohl nirgends so deutlich, wie im Bestreben der Juden, Jesus zu töten. Denn mörderisches Vorgehen gegen ihn, der nicht nur die Wahrheit redet, sondern die Wahrheit in Person ist (14,6), ist der Versuch, die Wahrheit grundsätzlich zu vernichten, und somit die Lüge schlechthin.
2.10 Die Lüge des Teufels Wurde die Lüge des Teufels soeben als Ursprung und Wesen der menschlichen Sünde bestimmt, so soll im Folgenden danach gefragt werden, von welcher Qualität die Lüge ist, dass sie die unter ihrem Einfluss stehenden Menschen zum Tun der Sünde treibt. Was bewirkt die teuflische Lüge bei den Menschen, dass diese durch ihr Tun ihren eigenen Tod herbeiführen? Fünf Eigenschaften der Lüge, die untereinander aufs engste zusammenhängen, und anhand derer sich eine Antwort auf diese Frage geben lässt, sollen im Folgenden vorgestellt werden. Grundlegend ist erstens, „dass die Lüge [im vierten Evangelium; F. T.] eine abgeleitete Wirklichkeit ist. Die erste und eigentliche Wirklichkeit ist die der Wahrheit […].“145 Dies zeigt sich daran, dass der Teufel in V. 44 d.e zunächst negativ als Lügner charakterisiert wird:146 d ἐν τῇ ἀληθείᾳ οὐκ ἔστηκεν, e ὅτι οὐκ ἔστιν ἀλήθεια ἐν αὐτῷ.
Man kann diese Aussage als eine negierte reziproke Immanenzformel verstehen:147 Im Gegensatz zu Jesus, in dem der Vater ist und der im Vater ist (10,38; 14,10 f. 20), steht der Teufel nicht in der göttlichen Wahrheit und ist diese göttliche Wahrheit nicht in ihm.148 Und wie die reziproken Immanenzformeln die „denkbar engste Gemeinschaft“ zwischen Jesus und Gott zum Ausdruck bringen,149 so deutet die negierte reziproke Immanenzformel die größtmögliche Trennung an: Der Teufel ist die personifizierte Gottesferne (ἐν τῇ ἀληθείᾳ οὐκ 145 M. Theobald, Johannes, 2009, 605 (Kursivierung im Original). 146 Vgl. ebd. 147 Vgl. M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 265. 148 Zu Recht stellt J. Blank, Wahrheitsbegriff, 1981, 208, fest: „Die Begründung ‚weil Wahrheit in ihm nicht ist‘, liefert nicht eigentlich den Grund für das οὐκ ἔστηκεν, sondern beschreibt seinen (sc. des Teufels) Zustand ‚von innen her‘“. 149 R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 393.
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ἔστηκεν)150 und Gottlosigkeit (οὐκ ἔστιν ἀλήθεια ἐν αὐτῷ)151, und das Eigentum und Wesen (τὸ ἴδιον) dieser Gottlosigkeit und Gottesferne ist, wie in der positiven Charakterisierung des Teufels als Lügner in V. 44f–i festgestellt wird, die Lüge. Heißt es hier: f g h i
ὅταν λαλῇ τὸ ψεῦδος, ἐκ τῶν ἰδίων λαλεῖ, ὅτι ψεύστης ἐστὶν καὶ ὁ πατὴρ αὐτοῦ,
so wird deutlich, dass der Teufel nicht nur nichts mit der göttlichen Wahrheit gemein hat und also die Gottlosigkeit und Gottesferne ist, sondern dass er diese Gottlosigkeit und Gottesferne, und damit letztlich sich selbst, auch aktiv ver breitet.152 Als Redender spricht sich der Teufel in der Lüge gewissermaßen selbst aus. Er verbreitet sein eigenes Wesen, die Gottlosigkeit und Gottesferne, indem er die Lüge spricht und durch sie die göttliche Wahrheit aktiv bestreitet153 und negiert.154 Die teuflische Lüge richtet sich somit auf und gegen die göttliche Wahrheit. Diese verbirgt sie den Menschen, und insofern sich die göttliche Wahrheit im johanneischen Jesus und seinem Wort offenbart, richtet sie sich auf diesen, auf die göttliche Wahrheit, die in ihm präsent ist und von der er ganz erfüllt ist. Die in Jesus präsente göttliche Wahrheit, seine göttliche Dimension, können die unter dem Einfluss der teuflischen Lüge stehenden Menschen nicht erkennen, und sie nehmen ihn eben deshalb als einen gewöhnlichen Menschen wahr, der menschliche Worte spricht. Dieser, die (in Jesus präsente) göttliche Wahrheit verbergende Charakter der teuflischen Lüge, ist ihre zweite hier zu nennende Eigenschaft. Dass es die teuflische Lüge ist, die den Menschen die göttliche Wahrheit in Jesus und seinem Wort nicht erkennen lässt, zeigen auch die drei begründenden ὅτι-Sätze in den VV. 43.45.47, die den Teufelsvers umrahmen und zueinander in
150 Eine gewisse Parallele zu der Wendung ἐν τῇ ἀληθείᾳ οὐκ ἔστηκεν findet sich in den qumranischen Hodayot. 1QH 12,14 (= Suk IV,14) heißt es im Blick auf die Verlorenen, die Ränke Belials sinnen und Gott mit geteiltem Herzen suchen: „(sie) stehen in deiner (sc. Gottes) Wahrheit nicht fest“ (hktmab wnwkn alw). Freilich ist hier nicht von Belial selbst, sondern von belialisch gesonnenen Menschen die Rede, und ihr Geschiedensein von der Wahrheit wird weit weniger absolut dargestellt als das des johanneischen Teufels. 151 Zu οὐκ ἔστιν ἀλήθεια ἐν αὐτῷ vgl. die pluralischen Formulierungen οὐκ ἔστιν ἐν αὐτοῖς ἀλήθεια καὶ κρίσις (1Mak 7,18) und οὐκ ἔστιν ἐν αὐτοῖς ἀλήθεια, καὶ ἐν τῇ ἀδικίᾳ αὐτῶν ἀπολοῦνται (3Esr 4,37). 152 Vgl. ähnlich M. Hasitschka, Befreiung, 1989, 266. 153 Vgl. H. Conzelmann, Art. ψεῦδος κτλ., 1973, 598, der die Lüge als „das aktive Bestreiten der Wahrheit“ bezeichnet. 154 Vgl. M. Theobald, Johannes, 2009, 605, nach dem die Lüge die Verleugnung der Wahrheit ist.
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Entsprechung stehen,155 so dass sie sich gegenseitig auslegen. Die erste Begründung argumentiert mit der Sprache (V. 43), die zweite mit der Wahrheit des Gesprochenen (V. 45), die dritte mit dem Ursprung der Hörenden (V. 47). Dabei greifen alle drei Begründungen ineinander und lassen sich nicht trennen. Aber sie lassen zusammen eine dritte Eigenschaft der Lüge des Teufels erkennen: sie verursacht die gestörte Kommunikation zwischen Jesus und den Menschen. Fragt Jesus in V. 43, warum die Juden seine Sprache nicht verstehen (διὰ τί τὴν λαλιὰν τὴν ἐμὴν οὐ γινώσκετε), so wird deutlich, dass sie und er unterschiedliche Sprachen sprechen. Als Grund für das Unvermögen der Juden gibt Jesus sogleich an, dass sie sein Wort nicht hören können (ὅτι οὐ δύνασθε ἀκούειν τὸν λόγον τὸν ἐμόν). Ἀκούειν ist hier kaum, wie etwa K. Wengst vermutet, als „ein Hören auf [das Wort Jesu; F. T.], in dem Sinn, dass es sich zu eigen gemacht und ihm gehorcht wird“156, zu verstehen.157 Sondern es ist durchaus daran gedacht, dass „die Juden“ das Wort Jesu in dem Sinne nicht hören können, dass sie seinen göttlichen Ursprung nicht erkennen können. Die entsprechenden Aussagen in den VV. 45.47 legen es nahe, dass τὸν λόγον τὸν ἐμόν hier als die Wahrheit (V. 45) und die göttliche Dimension (V. 47) zu verstehen ist, die in der menschlichen λαλιά Jesu begegnet und die „die Juden“ nicht wahrnehmen können.158 Diese Wahrnehmungsunfähigkeit „der Juden“ wird in V. 44 auf ihre Herkunft vom Teufel zurückgeführt, und wenn dieser hier breit als Lügner charakterisiert wird, so eben deswegen, weil seine Lüge diejenige Größe ist, aufgrund derer „die Juden“ die Wahrheit, das göttliche Wort in der menschlichen Rede Jesu nicht wahrnehmen können. Für dieses Verständnis spricht auch der zweite begründende ὅτι-Satz in V. 45. Im unmittelbaren Anschluss an die Charakterisierung des Teufels als Lügner konstatiert der johanneische Jesus hier, dass seine Gesprächspartner ihm gerade deswegen nicht glauben, weil er die Wahrheit redet (ὅτι τὴν ἀλήθειαν λέγω, οὐ πιστεύετέ μοι). Dabei stellt sich Jesus als die Wahrheit Redender durch sein einleitendes ἐγὼ δέ betont dem Teufel als dem die Lüge Redenden gegenüber,159 und diese Gegenüberstellung legt es nahe, dass „die Juden“ dem die Wahrheit Redenden Jesus eben deswegen nicht glauben, weil sie dem anderen Redenden, dem Teufel ihr Gehör schenken. Dieser spricht die die Wahrheit bestreitende und negierende Lüge, und wenn die Gesprächspartner Jesu dieser auf die Wahrheit gerichteten Lüge glauben, so leuchtet ein, dass sie Jesus gerade deswegen nicht glauben, weil er die Wahrheit spricht. 155 Vgl. ähnlich J. Becker, Johannes 1, 31991, 358. 156 K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 348. 157 Vgl. dagegen bereits R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 291, mit Anm. 1. 158 Vgl. C. K. Barrett, Johannes, 1990, 352. 159 Vgl. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 290; U. Wilckens, Johannes, 2 2000, 150; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 447; M. Theobald, Johannes, 2009, 605.
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Die Unfähigkeit der Gesprächspartner Jesu, sein Wort zu hören, wurde in V. 43 f. auf ihre Herkunft vom Teufel zurückgeführt. Der dritte begründende ὅτι-Satz in V. 47b.c gibt als Grund für ihr nicht Hören an, dass sie nicht aus Gott sind (διὰ τοῦτο ὑμεῖς οὐκ ἀκούετε, ὅτι ἐκ τοῦ θεοῦ οὐκ ἐστέ). Gesagt ist damit letztlich ein und dasselbe,160 denn diejenigen, die nicht aus Gott sind, sind nach johanneischem Denken aus dem Teufel. Eine dritte Möglichkeit ist nicht ge geben. Interessanterweise wird der vom johanneischen Jesus in V. 47a aufgestellte Grundsatz, dass (nur) der aus Gott Seiende die Worte Gottes hört, in 18,37 mit anderen Worten noch einmal wiederholt.161 Gegenüber dem ihn verhörenden Pilatus stellt Jesus fest: Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme (πᾶς ὁ ὢν ἐκ τῆς ἀληθείας ἀκούει μου τῆς ϕωνῆς). Das „Sein aus Gott“ kann somit auch als ein „Sein aus der Wahrheit“ bezeichnet werden,162 und man wird daraus schließen dürfen, dass das nicht aus Gott Sein, als ein Sein aus der Lüge zu verstehen ist. Eben dieses Sein aus der Lüge wird den Gesprächspartnern Jesu in V. 44 nachgesagt, wenn ihnen gesagt wird, dass sie den Teufel zum Vater haben, denjenigen, dessen Wesen die Lüge ist. Die teuflische Lüge ist somit eine abgeleitete Wirklichkeit, die sich auf und gegen die göttliche Wahrheit richtet, diese bestreitet und negiert. Menschen, die unter dem Einfluss dieser Lüge stehen, sind nicht in der Lage, die göttliche Wahrheit zu erkennen und insofern sich diese göttliche Wahrheit im Johannesevangelium in dem Menschen Jesus offenbart, können sie diese Dimension in ihm nicht erkennen. Sie nehmen ihn als einen gewöhnlichen Menschen wahr, der menschliche Worte spricht und sich selbst göttliche Ehren zuschreibt, ohne zu erkennen, dass es die Worte Gottes sind, die ihm diese Ehre als dem Träger der göttlichen Wahrheit zusprechen. Mit dieser Charakterisierung der teuflischen Lüge ist ihr Verständnis jedoch noch nicht hinreichend erfasst. Es ist vielmehr noch auf eine vierte Eigenschaft der teuflischen Lüge hinzuweisen, die für den vierten Evangelisten von großer Bedeutung ist: Die Lüge des Teufels gilt im vierten Evangelium nicht nur als eine Größe, die die Menschen blind für die göttliche Wahrheit macht. Sie ist vielmehr zugleich eine Größe, die in den von ihr Geblendeten den Wahn erzeugt, sehend zu sein (vgl. 9,41). Denn diejenigen, denen der vierte Evangelist nachsagt ἐκ τοῦ πατρὸς τοῦ διαβόλου zu sein und die aufgrund der Lüge ihres Vaters unfähig sind, die Wahrheit zu erkennen, nehmen sich selbst ja keinesfalls in dieser Weise wahr. Sie verstehen sich nicht als solche, die von der göttlichen Wahrheit radikal geschieden sind, sondern beanspruchen für sich im Gegenteil, mit dieser Wahrheit in besonders enger Beziehung zu stehen: Als Kinder Abrahams stehen 160 Vgl R. Bultmann, Johannes, 171962, 245. 161 Vgl R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 291; M. Theobald, Johannes, 2009, 607. 162 Vgl. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 291.
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sie mit Gott im Bund. Sie sind nicht aus Hurerei Geborene (ἡμεῖς ἐκ πορνείας οὐ γεγεννήμεθα), haben sich nicht von Gott ab- und einer anderen Macht zugewandt,163 so dass ihr Verhältnis zur göttlichen Wahrheit das eines Sohnes zum Vater ist (ἕνα πατέρα ἔχομεν τὸν θεόν; V. 41b). Die ihnen verheißene Freiheit meinen sie daher bereits zu besitzen (V. 33), und keinesfalls sehen sie sich als Menschen, die der teuflischen Lüge dienen, wenn sie den Gotteslästerer Jesus töten. Vielmehr verstehen sie ihr Vorgehen gegen diesen – ebenso wie ihr späteres Vorgehen gegen diejenigen, die ihm angehören – als ein dem Gesetz (19,7) und somit dem göttlichen Willen entsprechendes Verhalten, als einen Gottesdienst (16,2). Ist die Lüge des Teufels der Grund dafür, dass Jesu Gesprächspartner die in ihm und seinem Wort begegnende Wahrheit nicht wahrnehmen können und zugleich der Grund dafür, dass sie, die von der göttlichen Wahrheit radikal geschieden sind, meinen, die Wahrheit zu kennen und mit ihr in besonders enger Verbindung zu stehen, so lässt sich eine fünfte Eigenschaft der Lüge erkennen: die Orientierung an der Welt. Denn neben der teuflischen Lüge lässt sich dem Text noch ein scheinbar anderer Grund dafür entnehmen, dass „die Juden“ Jesu Sprache nicht verstehen. Im siebten und insbesondere im achten Kapitel des Johannesevangeliums begegnen zahllose der sogenannten johanneischen Missverständnisse. Gerade das letztgenannte Kapitel 8 kann, wie F. Vouga mit Recht bemerkt, über weite Strecken als ein großes Missverständnis angesehen werden.164 Bei den johanneischen Missverständnissen handelt es sich gewiss nicht nur um einfache literarische Stilmittel, „mittels derer der Autor seinen impliziten Leser konstruiert, um so den potentiellen aktuellen Leser vor dergleichen Missverständnissen zu bewahren,“165 vielmehr sind sie zugleich als Ausdruck johanneischer Theologie zu verstehen. Im Blick auf das Zustandekommen dieser Missverständnisse urteilt R. Bultmann: Die Zweideutigkeit johanneischer Begriffe und Aussagen, die zu Missverständnissen führen, liegt nicht darin, daß eine Vokabel zwei Wortbedeutungen hat, sodaß das Missverständnis eine falsche Bedeutung ergriffe; sondern darin, daß es Begriffe und Aussagen gibt, die in einem vorläufigen Sinne auf irdische Sachverhalte, in ihrem eigentlichen Sinne aber auf göttliche Sachverhalte gehen. Das Missverständnis erkennt die Bedeutung der Wörter richtig, wähnt aber, dass sie sich in der Bezeichnung irdischer Sachverhalte erschöpfe; es urteilt κατὰ ὄψιν (7,24), κατὰ σάρκα (8,15).166 163 Die Wendung ἡμεῖς ἐκ πορνείας οὐ γεγεννήμεθα ist vor dem Hintergrund prophetischer Metaphorik zu verstehen, wo das Bild ehelicher Untreue für den Abfall von Jahwe und Götzendienst steht (vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 347, mit Anm. 215; M. Theobald, Johannes, 2009, 601). 164 Vgl. F. Vouga, cadre, Paris 1977, 36. 165 H. Thyen, Missverständnisse, 2007, 689. 166 R. Bultmann, Johannes, 171962, 95, Anm. 2.; vgl. zustimmend etwa J. Becker, Johannes 1, 3 1991, 161.
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Zumindest im Blick auf die Missverständnisse im achten, aber auch im siebten Kapitel des Johannesevangeliums ist diesem Urteil Bultmanns m. E. zuzustimmen: Verweist Jesus etwa in 8,18 auf seinen Vater, der für ihn zeugt, so verstehen die Pharisäer dies ganz irdisch und fragen, wo sich denn dieser Vater aufhalte (8,19), damit sie ihn als Zeugen befragen können.167 Ähnlich irdisch urteilen „die Juden“ etwa in 7,33–36 und 8,21 f., wenn sie angesichts Jesu Ankündigung seines Weggangs, bei dem sie ihm nicht folgen können, mutmaßen, er wolle zu den Heiden gehen oder sich selbst töten, und Jesu göttliches ἐγώ εἰμι (8,24) missverstehen seine Gesprächspartner als ein rein menschliches und eben deshalb fragen sie nach dem fehlenden Prädikat.168 Ganz deutlich ist das Verhaftetsein der Gesprächspartner Jesu im Irdischen dann Ursache des Missverständnisses, wenn „die Juden“ in 8,51 ff. Jesu Verheißung des ewigen Lebens an diejenigen, die sein Wort bewahren, in einem ganz buchstäblichen und äußerlichen Sinn nehmen und wähnen, Jesus spreche „von einem unvergänglichen irdischen Leben.“169 Und auch wenn „die Juden“ angesichts Jesu Bericht über die Freude des seinen Tag sehenden Abrahams (8,56) meinen, der noch nicht fünfzigjährige Jesus spiele auf eine irdische Begegnung mit Abraham an (8,57), ist deutlich, dass sie ihn eben deswegen nicht verstehen, weil sie seine Worte κατὰ τὴν σάρκα (8,15) beurteilen. Wie die Frage Jesu in 8,43 διὰ τί τὴν λαλιὰν τὴν ἐμὴν οὐ γινώσκετε bringen nach dem soeben Gesagten auch die johanneischen Missverständnisse zum Ausdruck, dass Jesus und die auf dem Laubhüttenfest mit ihm debattierenden Juden unterschiedliche Sprachen sprechen. Als Grund für das Nichtverstehen der Sprache Jesu durch „die Juden“ wird in 8,43 zunächst angegeben, dass sie sein Wort nicht hören, dass sie die göttliche Dimension in seinen menschlichen Worten nicht wahrnehmen können. Auch die Missverständnisse zeigen, dass dieser Mangel an Sinn für die göttliche Dimension in der Rede Jesu dazu führt, dass „die Juden“ seine Sprache nicht verstehen. Doch eben diese Unfähigkeit „der Juden“ wird in den Missverständnissen auf einen scheinbar anderen Grund zurückgeführt als in 8,43 ff.: Ist dort die Lüge des Teufels der Grund für ihr nicht Hören können, so ist es im Rahmen der Missverständnisse das Urteilen „der Juden“ κατ ’ ὄψιν (7,24) und κατὰ τὴν σάρκα (8,15), das Verhaftetsein ihres Denkens im Irdischen, aufgrund dessen sie die göttliche Dimension der Worte Jesu nicht wahrnehmen. Interessant ist, dass auch die zweite oben dargestellte Eigenschaft der teuflischen Lüge, ihre Wirkung, in den von der göttlichen Wahrheit radikal Geschiedenen, den Wahn zu erzeugen, mit dieser Wahrheit in engster Beziehung zu stehen, auf das Urteilen der Menschen κατὰ τὴν σάρκα zurückgeführt werden kann. Dies wird gerade im Abschnitt 8,31–47 deutlich. Denn hier berufen sich „die 167 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 213. 168 Vgl. B. Lindars, John, Reprinted1987, 321; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 427. 169 R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 295.
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Juden“ ja auf ihre leibliche Abstammung von Abraham (8,33), und wähnen, aufgrund dieser seien sie Kinder Abrahams (8,39), die am Freiheit gewährenden Bund Gottes mit Abraham partizipieren, und so in enger Beziehung mit Gott stehen, ihn zum Vater haben (8,41). Angesichts des dargestellten Befundes legt sich die Vermutung nahe, dass die Lüge des Teufels und menschliches Urteilen κατ ’ ὄψιν (7,24) und κατὰ τὴν σάρκα (8,15) in engstem Zusammenhang miteinander stehen. Wie dieser Zusammenhang näher zu bestimmen ist, wird klar, wenn man das Verhältnis beachtet, in dem der johanneische Teufel zum Kosmos steht. Wurde oben festgestellt, dass der Teufel die Gottlosigkeit und Gottesferne ist, so ist deutlich, dass er als solche letztlich das Wesen des Todesbereichs der Sünde ist (VV. 21.24). Denn dieser Unheilsbereich, der mit dem Kosmos identisch ist, wurde oben170 als ein Bereich der Gottlosigkeit und Gottesferne erkannt. Der ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου) ist dann als personifizierte Gottlosigkeit und Gottesferne, als derjenige, dessen Wesen die Lüge ist, das Wesen, das bestimmende Prinzip seines gottlosen und gottesfernen Herrschaftsbereichs und fällt in diesem Sinne mit dem Kosmos letztlich zusammen. Für diese Sicht spricht auch, dass nach johanneischer Theologie der Sieg über die Welt und der Sieg über den Herrscher dieser Welt offensichtlich synonym sind. Deutlich wird dies insbesondere im großen Brief (vgl. 1Joh 2,13 f.; 5,4), es zeigt sich aber auch im Evangelium, wenn der johanneische Jesus in 14,30 konstatiert, dass der herannahende τοῦ κόσμου ἄρχων in ihm nichts vermag, keine Macht über ihn hat, und in dem deutlich auf 14,30 Bezug nehmenden Vers 16,33171 dann feststellt, dass er die Welt überwunden hat.172 Zu Recht kommentiert R. Schnackenburg daher zu 8,23: „Der Sache nach ist schon das gleiche gesagt wie in 8,44–47“,173 denn das εἶναι ἐκ τούτου τοῦ κόσμου bzw. εἶναι ἐκ τῶν κάτω in 8,23 entspricht dem εἶναι ἐκ τοῦ πατρὸς τοῦ διαβόλου aus 8,44. Diejenigen, die aus der Welt sind und die somit in ihrem Wesen ganz von der Welt bestimmt sind, nach Art und Weise dieser Welt leben, denken und handeln, sind in ihrem Wesen zugleich ganz vom Teufel und seiner Lüge bestimmt, leben, denken und handeln nach Art und Weise des Teufels und seiner Lüge, so dass die Lüge des Teufels und menschliches Urteilen κατ ’ ὄψιν (7,24) und κατὰ τὴν σάρκα (8,15) letztlich in eins fallen. Auch wenn sich die herausgearbeiteten Eigenschaften der teuflischen Lüge nicht scharf trennen lassen, so kann man doch festhalten: Diese Lüge ist (1) abhängig von der Wahrheit, deren negatives Gegenbild sie ist. Sie hat (2) zur Folge, 170 Vgl. oben Abschnitt 2.6. 171 Vgl. z. B. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 677. 172 Vgl. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 3, 1975, 188; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 677. 173 R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 1971, 252; vgl. ähnlich J. Becker, Johannes 1, 31991, 347; M. Theobald, Johannes, 2009, 579.
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dass die Menschen die göttliche Wahrheit (in Jesus) nicht wahrnehmen können und bewirkt damit (3) eine gestörte Kommunikation zwischen Jesus und den Menschen. Sie findet (4) ihre Steigerung in der Verblendung, wenn sie den Menschen nicht nur den Zugang zur göttlichen Wahrheit verschließt, sondern sie meinen lässt, eben diese Wahrheit zu kennen. Auch in diesem illusorischen Anspruch ist die Lüge ein Gegenbild zur Wahrheit und von ihr abhängig. Faktisch aber ist sie (5) durch johanneische Missverständnisse bestimmt, weil die Lüge nach „Augenschein“ und „nach dem Fleisch“ urteilt. Angesichts der erarbeiteten Eigenschaften der teuflischen Lüge ist deutlich, warum Menschen unter ihrem Einfluss die Sünde tun, wenngleich sie durch diese ihren Tod herbeiführen. Durch die Lüge des Teufels befinden sie sich in einem Zustand vollkommener Verblendung und Desorientierung, so dass sie die Sünde in dem Glauben tun, den Willen Gottes zu vollbringen. Sie orientieren sich an der gottlosen Welt und ihren Kategorien, meinen durch sie bei Gott und im Leben zu sein und merken nicht, dass sie in Wahrheit auf der Seite des Teufels stehen und sich im Zustand des Todes befinden. Dieser Todeszustand ist ihnen das Leben, weil sie das wahre Leben nicht wahrnehmen können, und der Teufel dessen Wesen die Lüge ist, ist ihnen die Wahrheit, weil sie die göttliche Wahrheit nicht erkennen können. In der Todesfinsternis in der sie sich aufgrund der teuflischen Lüge befinden, ist ihnen diese Lüge, ihr Urteilen in weltlichen Kategorien Orientierungspunkt und damit ist ihnen der Teufel das „Licht“, dem folgend sie meinen, nicht in der Finsternis zu sein. Kurz gesagt, der Teufel ist ihnen all das, was in Wahrheit Christus ist: Der Weg, die Wahrheit und das Leben; das Licht der Welt.
2.11 Zwischenergebnis Wie in 1Joh gilt der Teufel auch im vierten Evangelium als universaler Ver ursacher der Sünde. Die Sünde wird in Joh 8 zum einen dargestellt als etwas, was der Mensch tut, zum anderen als eine den Menschen versklavende Macht. Zudem konstituiert und qualifiziert die Sünde einen Bereich der Gottlosigkeit und Gottesferne, in dem sich der Mensch, von Gott als dem Urquell allen Lebens getrennt, im Zustand des Todes befindet. Dieser Unheilsbereich der Sünde steht dem von Jesus begründeten Heilsbereich gegenüber. Als universaler Verursacher der Sünde spielt der Teufel im vierten Evangelium eine Rolle, die ihm auch in 1Joh nachgesagt wird: Er steht in der Genealogie der menschlichen Unfreiheit an oberster Stelle, die menschliche Knechtschaft unter der Sünde ist sein Werk. Die johanneischen Schriften partizipieren mit diesem Gedanken an der in einigen frühjüdischen Texten belegten Vorstellung, nach der der Teufel Menschen in der Sünde gefangen nimmt und sie so in die Gottesferne und ins Verderben stürzt.
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Wird der Teufel in 8,44 als wesensmäßiger ἀνθρωποκτόνος charakterisiert, so agiert er in doppelter Weise. Zum einen wirkt er als physischer ἀνθρωποκτόνος, wenn er Jesu Tod herbeiführt und den Hass der Welt auf die Christen bewirkt, der auch zu Morden führt. Zum anderen aber wirkt er als eschatologischer ἀνθρωποκτόνος, denn indem er die Menschen zum Tun der Sünde anstiftet und sie in die Sündenknechtschaft stürzt, beraubt er sie der ζωὴ αἰώνιος. Als physischer ἀνθρωποκτόνος geht der Teufel dabei im Johannesevangelium gegen diejenigen vor, die er als eschatologischer ἀνθρωποκτόνος nicht (mehr) durch die Sünde in den „geistigen Tod“ führen kann. Sein Ziel ist es, sie in Angst und Schrecken zu versetzen und sie so zum Abfall von Gott zu bewegen, so dass er durch die Sünde wieder als eschatologischer ἀνθρωποκτόνος gegen sie vorgehen kann. Die Charakterisierung des Teufels als Lügner, auf der in 8,44 das Schwer gewicht liegt, dient im vierten Evangelium dazu, zu erklären, wie es dem Teufel gelingt, die Menschen zum selbstzerstörerischen Tun der Sünde zu verleiten. Wie Jesu als Wahrheit charakterisiertes Wort das Medium ist, welches die Menschen aus der Sündenknechtschaft befreit, so ist die als Lüge bestimmte Rede des Teufels das Medium, durch das er die Menschen zur Sünde treibt und sie in ihr ge fangen nimmt. Hat die Sünde ihren Ursprung in der teuflischen Lüge, so ist sie dadurch selbst als Lüge qualifiziert. Sie trägt ihren Ursprung als Wesen in sich und kann eben deshalb wie die Lüge als Oppositum zur Wahrheit angesehen werden. Die Sünde ist Tat gewordene Lüge, wobei sich das lügnerische Wesen nirgends so deutlich zeigt, wie im Bestreben „der Juden“, Jesus, der die Wahrheit in Person ist, zu töten und damit die Wahrheit zu vernichten. Die teuflische Lüge besitzt fünf Eigenschaften, die untereinander auf engste zusammengehören und sich nicht scharf voneinander trennen lassen. Sie ist erstens eine von der Wahrheit abgeleitete Wirklichkeit, ihr negatives Gegenbild. Zweitens hat sie zur Folge, dass die Menschen die (in Jesus präsente) göttliche Wahrheit nicht wahrnehmen können, und bewirkt damit drittens, dass die Kommunikation zwischen Jesus und den Menschen fehlschlägt. Die teuflische Lüge verbirgt den Menschen jedoch nicht nur die göttliche Wahrheit, sondern bewirkt viertens eine vollkommene Verblendung der Menschen, die, wenngleich von der göttlichen Wahrheit radikal geschieden, aufgrund der teuflischen Lüge meinen, diese Wahrheit zu kennen. Fünftens ist die teuflische Lüge im Johannesevangelium faktisch mit dem menschlichen Urteilen „nach dem Augenschein“, bzw. „nach dem Fleisch“, mit dem Denken nach Art und Weise dieser Welt identisch. Angesichts dieser Eigenschaften der teuflischen Lüge ist deutlich, warum die unter ihrem Einfluss stehenden Menschen die Sünde tun, wenngleich sie damit ihren eigenen Tod bewirken: Sie tun die Sünde in der Meinung, den Willen Gottes zu vollbringen. Denkt der vierte Evangelist bei der teuflischen Lüge an ein Denken nach Art und Weise dieser Welt, so verdeutlichen die johanneischen Missverständnisse, dass es eben diese Orientierung an der Welt ist, aufgrund
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derer die unter dem Einfluss der teuflischen Lüge stehenden Menschen die göttliche Wahrheit in Jesus nicht erkennen und seine Sprache nicht verstehen. Zugleich ist es das Urteilen nach dem Augenschein und nach dem Fleisch, das den Menschen in ihrer Finsternis Orientierung gibt, sie glauben macht, sie seien im Licht, im Leben und in engster Verbindung mit der Wahrheit. Die personifizierte Gottlosigkeit der Welt, der Teufel, erscheint ihnen als alles das, was Christus ist, als das Licht der Welt (8,12), als der Weg, die Wahrheit und das Leben (14,6).
3. Die Überwindung des Teufels 3.1 Der mythische Sieg über den Teufel und die ταραχή Jesu Ein wesentliches Charakteristikum des Johannesevangeliums ist seine hohe Christologie. „Die Herrlichkeit des Erhöhten schimmert überall durch das Wirken des Irdischen hindurch“,174so dass der johanneische Jesus gewiss nicht unzutreffend als über die Erde schreitender Gott bezeichnet wurde.175 Trotz dieses hoheitlichen Bildes, das das vierte Evangelium vom irdischen Jesus zeichnet, ist es doch zugleich die Schrift des Neuen Testaments, in der Jesus die heftigsten Gefühlsausbrüche zeigt: Am Grab seines Freundes Lazarus, den Jesus ebenso wie dessen Schwestern Martha und Maria liebte (11,3.5), ist Jesus so sehr aufgebracht (11,33), dass der kürzeste Vers des Neuen Testaments gar von seinem Weinen berichtet (11,35); er wird als leidenschaftlicher Eiferer für den Tempel dargestellt (2,17) und dreimal ist von einem Erschüttertsein Jesu (ταράσσειν) die Rede, das er selbst aktiv hervorbringt (11,33) oder das ihn passiv überkommt (12,27; 13,21). Interessanterweise findet sich die Rede von Jesu passivem Erschüttertwerden an beiden Stellen im unmittelbaren Umfeld eines Teufelsbeleges: Auf die Feststellung von Jesu ταράσσεσθαι in 12,27 folgt unmittelbar die Rede vom Sturz des Herrschers dieser Welt in 12,31, und sein ταράσσεσθαι in 13,21 steht im unmittelbaren Kontext der Bezeichnung des Verräters, wobei in 13,27 berichtet wird, dass Satan in Judas eingeht. Dasselbe gilt für den zweiten Beleg, der die erste Abschiedsrede umrahmenden Mahnung Jesu an seine Jünger μὴ ταρασσέσθω ὑμῶν ἡ καρδία [μηδὲ δειλιάτω] (14,1; 14,27); insofern er der Ankündigung des Herannahens des Herrschers dieser Welt (14,30) unmittelbar vorangeht, legt sich die Vermutung nahe, dass ταραχή und Teufel in einem inneren Zusammenhang stehen. Eben diese Vermutung soll im Folgenden zunächst anhand einer Besprechung der Aussage Jesu über den Sturz des Teufels in 12,31 und seiner von ihm selbst unmittelbar zuvor in 12,27 zum Ausdruck gebrachten ταραχή bestätigt und präzisiert werden. Dabei wird sich zeigen, dass 174 G. Theißen, Religion, 32003, 255. 175 Vgl. E. Käsemann, Jesu, 1966, 22; im Anschluss an F. C. Baur u. a.
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1. die Jesus angesichts seines bevorstehenden Todes überkommende ταραχή als teuflische Versuchung zu verstehen ist, durch die der Satan die Einheit zwischen Jesus und Gott (10,30) sprengen will, und dass 2. gerade dadurch, dass Jesus diese teuflische Versuchung besteht und er trotz ταραχή in Willenseinheit mit dem Vater bleibt, der Sturz des Herrschers dieser Welt (12,31) bewirkt wird. Die genannten Ergebnisse sollen anschließend anhand eines Blicks auf die vom Evangelisten in 13,21 erwähnte ταραχή Jesu und ihre Beziehung zur Ausscheidung des vom Satan besessenen Judas aus dem Kreis der Jünger, von der die Verse 13,21–30 berichten, bestätigt werden. Schließlich sind unter vorläufiger Aus lassung von 16,11 diejenigen Stellen zu besprechen, an denen Jesus im weiteren Verlauf des Evangeliums mit dem Satan konfrontiert wird.
3.1.1 Die Ankündigung des Teufelssturzes (Joh 12,20–36) Nachdem der johanneische Jesus die mit ihm debattierenden Juden als Teufelskinder bezeichnet hatte, ist vom Teufel erst wieder in 12,31 die Rede. An bedeutsamer Stelle, im Rahmen des zwischen den beiden Evangelienteilen überleitenden zwölften Kapitels und genauer, im Zuge der letzten durch das Herannahen einiger Hellenen eingeleiteten öffentlichen Rede Jesu (12,20–36), wird er dabei erstmals als ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου bezeichnet. Die Gliederung des Abschnittes 12,20–36 ist aufgrund des Anklingens zahl reicher verschiedener Motive176 nicht unproblematisch, doch bietet sich eine Orientierung an der Nennung der Zuhörer bzw. Gesprächspartner an, wonach sich die Rede Jesu, die nach den einleitenden VV. 20–22 ansetzt, in die drei Abschnitte VV. 23–28/VV. 29–33/VV. 34–36 unterteilen lässt.177 Thematisch ist die Szene ganz und gar bestimmt durch den Anbruch der Stunde der Verherrlichung des Menschensohnes (V. 23), die die Stunde der Passion und des Todes Jesu ist.178 War zuvor mehrmals hervorgehoben worden, dass Jesu Stunde (2,4; 7,30; 8,20) bzw. seine Zeit (7,6) noch nicht gekommen sei, so stellt Jesus in 12,23 nun fest: Ἐλήλυθεν ἡ ὥρα ἵνα δοξασθῇ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου. Kann dieser Vers „als Überschrift oder als Angabe des Hauptmotivs für den ganzen Abschnitt (12,20–36)“ angesehen werden,179 so wird das Thema vom Gekommensein der Stunde in zwei weiteren Versen wiederaufgenommen. Zunächst – wie durch das einleitende νῦν, die doppelte Rede von der ὥρα und die 176 Vgl. J. Blank, Krisis, 1964, 264. 177 Vgl. J. Gnilka, Johannesevangelium, 1983, 99; O. Groll, Finsternis, 2004, 195. 178 Vgl. z. B. C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 390; U. Wilckens, Johannes, 22000, 191; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 71; F. Siegert, Gestalt, 2008, 460. 179 J. Blank, Johannes Bd. 1b, 1981, 310.
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δόξα-Terminologie deutlich wird – in V. 27,180 sodann – wie das doppelte νῦν zeigt – in V. 31. Die Stunde Jesu wird somit zunächst als Stunde seiner Verherrlichung charakterisiert, sodann als Stunde, in der seine Seele erschüttert ist (Νῦν ἡ ψυχή μου τετάρακται; 12,27), und schließlich als die Stunde, in der das Gericht über die Welt ergeht und in der sich der Sturz des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου ereignet (νῦν ὁ ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου ἐκβληθήσεται ἔξω; 12,31).181 Soll im Folgenden die Frage beantwortet werden, wodurch dieser Teufelssturz bewirkt wird, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Stunde der Verherrlichung Jesu, die zugleich die Stunde des über die Welt ergehenden Gerichts ist, nicht deshalb die Stunde der Verherrlichung [und des Gerichts ist], weil es innerhalb dieser Stunde einen bestimmten Zeitpunkt der Verherrlichung [oder des Gerichts] gäbe, sondern weil sie als Ganze die Stunde der Verherrlichung [und des Gerichts] ist.182
Dass die Verherrlichung Jesu in diesem Sinne als Prozess und nicht als punktuelles Ereignis zu verstehen ist, zeigt sich bereits daran, dass die Zeit, in der sie sich ereignet, eben ab 12,23 – wie das Perfekt ἐλήλυθεν verdeutlicht – bleibend eingetreten ist. Die Zeit des Gerichts wird durch das V. 31 einleitende νῦν mit dieser Zeit der Verherrlichung synchronisiert,183 so dass auch das Gericht nicht ein Ereignis innerhalb der angebrochenen Stunde ist, sondern sich in der Stunde als Ganzer vollzieht.184 Das bedeutet jedoch nicht, dass „innerhalb dieser Stunde alles, was Jesus sagt, tut und erleidet, ein Moment seiner Verherrlichung [und des Gerichts] darstellt“,185 sondern vielmehr ist es das an späterer Stelle vorliegender Arbeit noch genauer zu bestimmende grundsätzliche Geschehen, durch das sich Verherrlichung und Gericht ereignen. Beginnt die Stunde der Verherrlichung des Menschensohnes und des über die Welt ergehenden Gerichts in 12,23, so ist im Folgenden nach ihrem Endpunkt zu fragen. Dies kann anhand einer Gliederung des Ausspruchs Jesu über das nun anbrechende Gericht und Jesu Erhöhung in 12,31 f. geschehen, durch die zu 180 Zum Rückbezug von V. 27 auf V. 23 vgl. beispielsweise R. Bultmann, Johannes, 171962, 327; B. Lindars, John, Reprinted1987, 430; R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 31980, 484; F. J. Moloney, John, 1998, 353; U. Wilckens, Johannes, 22000, 193; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 561; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 73. Kaum wird man aber die VV. 24–26 deshalb als einen den ursprünglichen Gedankengang störenden redaktionellen Nachtrag ansehen dürfen, wie beispielsweise J. Becker, Johannes 2, 1981, 382 f.; C. Dietzfel binger, Johannes 1, 22004, 398; M. Theobald, Johannes, 2009, 794 vermuten. 181 Zum Rückbezug von V. 31 auf VV. 27 und 23 vgl. z. B. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 565. 182 F. Schleritt, Passionsbericht, 2007, 284 [Kursivierung im Original]. 183 Vgl. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 565. 184 Zum Gericht als die ganze Stunde umfassendes Geschehen vgl. M. Theobald, Johannes, 2009, 812. 185 F. Schleritt, Passionsbericht, 2007, 284 [Kursivierung im Original].
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gleich die Frage geklärt werden soll, ob die κρίσις hier als Scheidung oder aber als Strafgericht zu verstehen ist. 3.1.1.1 Gliederung der Aussage in Joh 12,31 f. Bezüglich einer Gliederung des Ausspruchs Jesu in 12,31 f. hat J. Becker vorgeschlagen, die VV. 31b und 32 als „antithetische Parallelglieder“ zu verstehen, „die je einen Aspekt“ des Obersatzes V. 31a explizieren.186 Graphisch könnte die Struktur der Verse demnach folgendermaßen wiedergegeben werden: νῦν κρίσις ἐστὶν τοῦ κόσμου τούτου (V. 31a) d. h. 1. νῦν ὁ ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου ἐκβληθήσεται ἔξω (V. 31b) d. h. 2. κἀγὼ ἐὰν ὑψωθῶ ἐκ τῆς γῆς, πάντας187 ἑλκύσω πρὸς ἐμαυτόν (V. 32).188 Gegen diese Gliederung, nach der κρίσις hier als Scheidung zu verstehen wäre, bei der sich mit dem Hinausgeworfenwerden des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου und dem Ziehen des Erhöhten zwei entgegengesetzte Bewegungen gegenüberstehen, ist jedoch auf die parallele Struktur der VV. 31a und b zu verweisen,189 die dafür spricht, diese beiden Teilverse als Einheit zu verstehen, von der sich der Kondi tionalsatz in V. 32 als eine zweite Einheit deutlich abhebt.190 Da V. 32 mit dem adversativ zu verstehenden κἀγω ein neues Subjekt betont vorangestellt wird, liegt es nahe, die beiden Einheiten der Versfolge als einander antithetisch gegenübergestellt zu verstehen: „Spricht V. 31 vom Gericht, so stellt V. 32 dem das Heilsgeschehen zur Seite.“191 Zutreffend an der Gliederung Beckers ist jedoch, dass V. 31a als Obersatz von V. 31b zu verstehen ist und durch diesen expliziert wird. Denn dass der Sturz des Herrschers dieser Welt Bestandteil des Gerichts ist und keinesfalls ein dieses ergänzendes Geschehen, das nur zur gleichen Zeit von stattengeht, verdeutlicht 16,11. Eine besondere Funktion im Rahmen der Aussage hat V. 32a inne, insofern er beide Aussagehälften miteinander koordiniert.192 Zwar ist er Bestandteil der Darstellung des Heilsgeschehens, doch zeigt sich bereits daran, dass das für das Erhöhtsein Jesu verantwortliche Subjekt hier ebenso wenig explizit genannt wird, 186 Vgl. J. Becker, Johannes 2, 1981, 390. 187 Zur Bevorzugung der Lesart πάντας gegenüber der ebenfalls gut bezeugten Variante πάντα vgl. B. M. Metzger, Commentary, 31971, 238. 188 Vgl. ebd. 390 f. 189 Auf das beide Vershälften einleitende νῦν folgt jeweils das Subjekt, „wobei zusätzlich das Subjekt von V.31b die Wendung τοῦ κόσμου τούτου aus V.31a als adnominalen Genitiv in sich aufnimmt“ (A. Hammes, Ruf, 1997, 261). 190 Vgl. ebd. 191 M. Theobald, Johannes, 2009, 811 f. 192 Vgl. H. U. Weidemann, Tod, 2004, 206.
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wie das logische Subjekt der VV. 31a und b, dass V. 32a mit diesen Teilversen eng verbunden ist. Hebt das einleitende ἐάν die Aussage der Protasis als „conditio sine qua non“ des Ziehens Jesu hervor,193 so wird man den Aorist hier effektiv bzw. resultativ verstehen müssen.194 Es ist somit der Endpunkt bzw. das Ziel und Resultat des Erhöhtwerdens Jesu, und somit sein Erhöhtsein, das als Voraussetzung für sein heilvolles Wirken dargestellt wird. Geschaffen wird diese Voraussetzung durch den Vorgang der Erhöhung, der dann als Ziel und Endpunkt des Gerichts anzusehen ist. Es ergibt sich daher für die Aussage in V. 31 f. folgende Gliederung: I. νῦν κρίσις ἐστὶν τοῦ κόσμου τούτου (V. 31a) d.h νῦν ὁ ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου ἐκβληθήσεται ἔξω (V. 31b) II. κἀγὼ ἐὰν ὑψωθῶ ἐκ τῆς γῆς (V. 32a) πάντας ἑλκύσω πρὸς ἐμαυτόν (V. 32b).195 Aus der dargestellten Struktur der Aussage geht zunächst hervor, dass die in 12,31 genannte κρίσις nicht als Scheidung, sondern als Strafgericht zu verstehen ist. Sodann zeigt sie, dass die Zeit des Gerichts über den κόσμος, die mit der Zeit der Verherrlichung des Menschensohnes einhergeht, mit dem Erhöhtwerden Jesu zu Ende geht. Insofern der Erzählerkommentar τοῦτο δὲ ἔλεγεν σημαίνων ποίῳ θανάτῳ ἤμελλεν ἀποθνῄσκειν in 12,33 verdeutlicht, dass mit diesem Erhöht werden Jesu seine als Inthronisation zu verstehende Kreuzigung196 gemeint ist, umfasst die Zeit des Gerichts über diese Welt, ebenso wie die mit ihr einhergehende Zeit der Verherrlichung Jesu, somit die ganze Zeitspanne von der Ankunft der Hellenen bei Jesus (12,20–23) bis zu seinem Tod am Kreuz (19,30). Vollzieht sich das über diese Welt ergehende Gericht in der mit 12,23 an brechenden und 19,30 endenden Stunde Jesu als Ganzer, so ist zunächst ganz grundsätzlich die Möglichkeit gegeben, dass Jesu Umgang mit seiner ihn innerhalb dieser Stunde zweimal überkommenden ταραχή als eine wesentliche Ursache des sich im Rahmen dieses Gerichts vollziehenden Teufelssturzes an 193 Vgl. Th. Zahn, Johannes, 1u.21908, 511, Anm. 46; Ähnlich auch B. Weiss, Johannes-Evangelium, 81893, 443; Nach R. Bultmann, Johannes, 171962, 331, Anm. 1 kommt ἐάν einem temporalen ὅταν hier sehr nahe (vgl. auch E. Hoffmann/G.v. Siebenthal, GGNT, § 282, b.d; O. Groll, Finsternis, 2004, 202, mit Anm. 7). Mag dies auch zutreffen, so verliert ἐάν seinen konditionalen Aspekt gewiss nicht ganz. Wollte der Evangelist V. 32a strikt temporal verstanden wissen, so wäre kaum verständlich, weshalb er hier nicht – wie 8,28 – unter Verwendung von ὅταν auf das zeitlich noch in der Zukunft liegende Erhöhtsein Jesu hinweist. 194 Zum resultativen Aorist vgl. A. T. Robertson, Grammar, New York 1919, 834 f.; N. Turner, Grammar III, Edinburgh 1963,72. 195 Für einen ähnlichen Aufbau der Satzfolge vgl. A. Hammes, Ruf, 1997, 260f; O. Groll, Finsternis, 2004, 202; H. U. Weidemann, Tod, 2004, 205 f.; M. Theobald, Johannes, 2009, 811 f. 196 Zur Kreuzigung als Inthronisation Jesu vgl. unten Abschnitt 3.2.2.3.
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zusehen ist. Diese Möglichkeit soll unten zu einer Wahrscheinlichkeit erhoben werden. Zunächst jedoch soll eine in der Sekundärliteratur viel diskutierte Frage geklärt werden, die der vom Gericht sprechende V. 31 offen lässt. 3.1.1.2 Der traditionsgeschichtliche Hintergrund des Teufelssturzes Konstatiert Jesus in 12,31 nur knapp, dass der Herrscher dieser Welt jetzt hinausgeworfen werden wird (ἐκβληθήσεται ἔξω), so stellt er weder klar, aus welchem Bereich er dadurch entfernt wird, noch wo er sich nach seinem Hinauswurf befinden wird. Eine alte Auslegung, die sich in der Gegenwartsliteratur großer Beliebtheit erfreut, will diese Leerstelle füllen, indem sie auf den Sturz Satans verweist, von dem in Lk 10,18 und Apk 12,7 ff. berichtet wird.197 Sieht etwa J. Blank die in beiden Texten verarbeitete Tradition als traditionsgeschichtlichen Hintergrund von 12,31, der aber „für das Verständnis nicht entscheidend ist“,198 so gehen andere Exegeten davon aus, dass die insbesondere in Apk 12,7 ff. breit ausgeführte mythologische Tradition für das Verständnis von 12,31 unerlässlich ist: Auch hier sei Satan als Verkläger der Brüder (vgl. Apk 12,10) verstanden, der durch die Inthronisation Christi am Kreuz aus dem Himmel und auf die Erde gestürzt werde, wo er nun sein Unwesen treibe.199 Gerade die spatiale Rhetorik, auf die von Vertretern der genannten Auslegung gelegentlich verwiesen wird,200 kann jedoch dagegen angeführt werden, dass der johanneische Teufel noch bis zur Kreuzigung Christi als Verkläger in der „himmlischen Sphäre“201 bzw. im „göttlichen Bereich“202 beheimatet war:203 Es ist kaum wahrscheinlich, dass der Lügner und Menschenmörder schlechthin (vgl. 8,44) dem oberen Bereich, und 197 Bereits die Schreiber von Θ, it,sys, und sa haben ebenso wie Epiphanius den johanneischen Teufelssturz vor dem Hintergrund von Lk 10,18 und Apk 12,ff. gedeutet und das ἐκβληθήσεται ἔξω in 12,31 deshalb durch βληθήσεται κάτω ersetzt. Zieht R. A. Piper, Satan, 2000, 275, diese Variante als ursprüngliche Lesart zumindest in Erwägung, so geschieht dies offensichtlich gegen alle Regeln der Textkritik. 198 J. Blank, Krisis, 1964, 284. Ähnlich auch R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 3 1980, 493, der nicht ausschließen will, dass hinter 12,31, „abgeblaßte mythologische Vor stellungen von einem Kampf im Himmel“ stehen, wie sie sich Apk 12,7 finden, wobei er jedoch betont: „aber das Bild ist schon verflüchtigt, die Redeweise entmythisiert.“ 199 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 188 f.; R. A. Piper, Satan, 2000, 2733 ff.; J. H. Kalms, Sturz, 2001, 244–273. Besonders 252 f.; E. E. Popkes, Theologie, 2005, 344. 200 So wirft etwa E. E. Popkes, Theologie, 2005, 344, Anm. 50, C. K. Barrett vor, der die Wendung ἐκβληθήσεται ἔξω nicht räumlich, sondern im Sinne einer Entmachtung des Teufels versteht (vgl. C. K. Barrett, Johannes, 1990, 421), die Bedeutung der spatialen Rhetorik für die Christologie des Johannesevangeliums zu verkennen. 201 E. E. Popkes, Die Theologie, 2005, 344. 202 J. H. Kalms, Sturz, 2001, 256. 203 Mit vollem Recht betonen R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 31980,491 und J. Becker, Johannes 2, 1981, 393, dass der Himmel im Johannesevangelium einzig Gottes Wohnstätte ist.
Die Überwindung des Teufels
195
somit dem Bereich der Wahrheit und des Lebens zuzurechnen ist. Ferner zeigt 19,11, dass diejenigen, die Jesus unter dem Einfluss Satans an Pilatus übergaben, dies (anders als Pilatus) ohne Vollmacht von oben – und somit dem Bereich, an dem sich Satan zu diesem Zeitpunkt der Erzählung noch immer befinden müsste – getan haben. Schließlich bleibt bei dem dargestellten Verständnis von 12,31 unklar, weshalb Johannes nicht entsprechend formuliert und vom Sturz des κατήγωρ τῶν ἀδελϕῶν oder zumindest Satans berichtet, sondern vielmehr vom Sturz des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου. Die Tatsache, dass Johannes den Teufel gerade in 12,31 erstmals mit diesem seine Macht zum Ausdruck bringenden Titel bezeichnet, deutet doch darauf hin, dass der hier dargestellte Sturz des Teufels eben gerade seinen Sturz aus dieser Machtposition zum Ausdruck bringen will. Dürfen die Vorstellungen der Apokalypse aus den genannten Gründen kaum einfach auf 12,31 übertragen werden, so ist es ohnehin fraglich, ob der in der Apokalypse breit ausgemalte Mythos vom endzeitlichen Sturz des als Ankläger gedachten Satans aus dem Himmel überhaupt in einem engeren traditionsgeschichtlichen Zusammenhang mit 12,31 steht. Besser erklärt sich 12,31 m. E. vor dem Hintergrund einer anderen Teufelstradition, die freilich auch die Darstellung vom Teufelssturz in der neutestamentlichen Apokalypse beeinflusst haben könnte. Im Testament Judas (TestXII) und der Apokalypse des Mose finden sich Varianten vom endzeitlichen Teufelssturz, die in zentralen Punkten mehr Gemeinsamkeiten mit 12,31 aufweisen und daher m. E. als traditionsgeschichtlicher Hintergrund dieser Stelle zu bevorzugen sind. In beiden Texten ist die Variation einer Teufelstradition belegt, die auch an anderer Stelle des Johannesevangeliums verarbeitet wird und die der Evangelist somit in einer ihrer Varianten gekannt haben dürfte. Diese Teufelstradition, die neben den genannten Texten auch in der Assumptio Mosis und dem qumranischen Midrasch zur Eschatologie begegnet, soll in Kapitel 3.2.1.4 der vorliegenden Arbeit genauer vorgestellt werden. Dort erfolgt auch eine Besprechung der einzelnen frühjüdischen Texte, die hier vorausgesetzt wird. Im Folgenden soll einzig versucht werden zu zeigen, dass die in TestJud und ApkMos belegten Varianten des Teufelssturzes 12,31 in zentralen Punkten näher stehen als Apk 12,7 ff. und daher als traditionsgeschichtlicher Hintergrund dieses Verses wahrscheinlicher sind. Zunächst haben beide frühjüdischen Texte mit 12,31 ebenso wie mit Apk 12,7 ff. gemeinsam, dass sie den Sturz des Teufels durch ein Passiv von βάλλειν bzw. ein Kompositum desselben ausdrücken. Entgegen der neutestamentlichen Apokalypse, nach der der Teufel aus dem Himmel gestürzt wird, haben TestJud 25, ApkMos 39 und 12,31 gemeinsam, dass auch dort vollkommen unklar bleibt, an welchem Ort, sich der Teufel vor seinem Sturz befindet. Macht TestJud 25 über den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Teufels – ebenso wie TestXII insgesamt – keinerlei Angaben, so berichtet ApkMos 39 zwar davon, dass der Teufel gegenwärtig auf einem Thron residiert, wo sich dieser Thron aber befindet, bleibt vollkommen unklar. Der Text scheint daran kein
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Der Teufel im Johannesevangelium
Interesse zu haben, sondern gebraucht das Bild vom Thronsturz vielmehr primär, um darzustellen, dass der Teufel in der Gegenwart eine Machtposition innehat, die er in der Endzeit verlieren wird. Damit kommt bereits eine weitere Gemeinsamkeit zwischen ApkMos, TestJud und 12,31 ins Blickfeld, die in Apk 12,7 ff. keine Entsprechung findet. Lässt Apk 12,7 ff. den Teufel in seiner Rolle als Verkläger der Brüder vom Himmel stürzen, so stellen die beiden frühjüdischen Texte den Teufel wie 12,31 im Zu sammenhang mit ihrer Darstellung seines Sturzes als Herrscher dar.204 Für ApkMos 39 ist dies durch die bereits erwähnte Rede vom Thron des Teufels evident. Dass der Teufel auch in TestJud 25 als Herrscher vorgestellt ist, tritt nicht ganz so deutlich zu Tage, ist aber, wie hier unter Verweis auf die untenstehende Besprechung dieses Textes angemerkt sei, durchaus wahrscheinlich.205 Eine Vorstellung, die wieder von allen vier zu vergleichenden Texten geteilt wird, ist, dass mit dem Sturz des Teufels aus seiner gegenwärtigen Position, die von Gott bewirkte Einsetzung eines Anderen einhergeht. In 12,31 f. ist im unmittelbaren Anschluss an die Vorhersage des Teufelssturzes von der Erhöhung und damit der Inthronisation Christi die Rede,206 und von dieser berichtet auch Apk 12,5 (vgl. auch 12,10) im unmittelbaren Kontext des Teufelssturzes. In ApkMos 39 ist es dagegen die Inthronisation Adams, die mit dem Sturz des Teufels einhergeht. Nicht ganz so eindeutig ist die Vorstellung erneut in TestJud 25 greifbar. Aber auch hier dürfte – zumindest im Endtext – bei der Verheißung, dass die zwölf Patriarchen im neuen Äon über die Stämme herrschen, daran gedacht sein, dass sie damit die Position Beliars übernehmen. Eine letzte wesentliche Gemeinsamkeit, die ApkMos 39, TestJud 25 und 12,31 gegen Apk 12,7 ff. miteinander teilen, ist der Zusammenhang von Teufelssturz und Gericht. In allen drei Texten wird der Sturz des Teufels auf ein über ihn ergehendes göttliches Urteil zurückgeführt. In TestJud 25 steht diese Vorstellung deutlich im Hintergrund, wenn der Teufel auf ewig ins Feuer und damit an einen traditionellen Ort der endzeitlichen Strafe207 gestürzt werden soll. Explizit geäußert wird der Gerichtsgedanke ebenso wie in 12,31 auch in ApkMos 39, denn hier wird mit Blick auf den Sturz des Teufels festgestellt, dass dieser mit denjenigen, die auf ihn gehört haben, dann verurteilt (κατακριθήσεται) werden wird. Gemeinsamkeiten und Abweichungen der Darstellung des Teufelssturzes in ApkMos 39, TestJud 25 und Apk 12 zu 12,31 können tabellarisch wie folgt zusammenfassend dargestellt werden: 204 Zwar versteht auch Apk den Teufel als Herrscher, wie die ApkMos parallele Rede von seinem Thron zeigt. Im Zusammenhang mit der Darstellung des Teufelssturzes in Apk 12 ist jedoch nur seine Position als Verkläger der Brüder von Interesse. 205 Vgl. unten Abschnitt 3.2.1.4. 206 Vgl. unten Abschnitt 3.2.2.3. 207 Zum Feuer als Strafort vgl. ÄthHen 10,13; 91,9; 100,9; 4Esr 7,38; ApkBar(syr) 44,15; Mt 25,41; Apk 20,10.14 f.; 21,8; u. ö.
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Die Überwindung des Teufels ApkMos 39
TestJud 25
Apk 12
Sturz ausgedrückt durch βάλλειν bzw. Kompositum im Passiv
ü
ü
ü
Teufel stürzt als Herrscher
ü
ü (?)
û
Aus welchem lokalen Bereich der Teufel gestürzt wird, bleibt unklar
ü
ü
û
Sturz des Teufels geht einher mit „Inthroni sation“ eines bzw. mehrerer Anderen/r
ü
ü (?)
ü
Sturz des Teufels als über ihn ergehendes Gerichtsurteil
ü
ü
û
ü = Übereinstimmung ü (?) = Übereinstimmung nicht eindeutig belegt û = keine Übereinstimmung
Die Tabelle verdeutlicht, dass 12,31 mehr Parallelen mit ApkMos 39 und TestJud 25 aufweist als mit Apk 12,7 ff., und die hinter diesen Texten stehende Tradition ist daher als traditionsgeschichtlicher Hintergrund des johanneischen Teufelssturzes vorzuziehen. Der Evangelist dürfte diese Tradition dabei eher in einer ApkMos 39 ähnlichen Variante gekannt haben, da die Parallelen zwischen 12,31 und diesem Text deutlicher zu Tage treten. Auch die Verarbeitung der oben bereits angesprochenen Teufelstradition in Kapitel 16 zeigt die deutlichsten Gemeinsamkeiten mit ApkMos 39. Ob aber der Evangelist das mythische Bild vom Thronsturz des Teufels in 12,31 mitgedacht wissen will, oder ob das Bild der mythischen Tradition in 12,31 „verflüchtigt“ und der Mythos „entmythisiert“ ist,208 kann nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden. Für Ersteres könnte sprechen, dass ἐκβάλλειν – jedoch ohne ἔξω – in der griechischen Literatur durchaus gebraucht wurde, um den Sturz eines Herrschers von seinem Thron auszudrücken (vgl. Aeschylos, Prometheus 910; Epiphanius, Panarion 73,28,2). Für Zweiteres spricht hingegen, dass von einem Thron des Teufels im Johannesevangelium und den johanneischen Briefen – anders als in der Apokalypse (Apk 2,13) – an keiner Stelle die Rede ist, und dieses mythische Bild gerade auch in 12,31 nicht ausgeführt wird. Zumindest wird man aufgrund dieser Auslassung vermuten dürfen, dass dem Evangelisten die Vorstellung der Entmachtung des Teufels als Herrschers, die letztlich auch in ApkMos 39 im Zentrum steht, wichtiger war als die von seiner Tradition verwendeten mythischen Bilder. Dass die Entmachtung des Teufels bei Johannes nicht als eine absolute oder universale Entmachtung verstanden werden kann, ist evident. Der Evangelist 208 In diesem Sinne jedoch unter Voraussetzung von Apk 12,7 ff. als möglichem Vorstellungshintergrund von 12,31 R. Schnackenburg, Johannesevangelium 2, 31980, 492.
198
Der Teufel im Johannesevangelium
ist gewiss kein „hopeless romantic, who cannot recognize existing evil in the world.“209 Dass das Böse weiterhin existiert, malt er seiner Gemeinde vielmehr sehr deutlich vor Augen, wenn er ihr durch Jesu Mund den Hass der Welt „vorhersagt“ (15,18–16,4; vgl. auch 16,33; 17,15 f.), und die johanneische Gemeinde war sich darüber im Klaren, dass der Kosmos auch nach der Stunde der Verherrlichung Christi weiterhin unter dem Einfluss und der Macht des Teufels steht (1Joh 3,8; 4,4; 5,19). Die Frage, wie es möglich ist, dass Satan, auch nach seiner Entmachtung als ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου noch wirken und den Kosmos beherrschen kann, wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch zu beantworten sein. Zunächst jedoch soll gezeigt werden, dass die Entmachtung des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου, die Jesus in 12,31 als unmittelbar bevorstehend ankündigt, in einem Verhältnis zu Jesu Umgang mit seiner ihn nach 12,27 überkommenden ταραχή steht. Hierzu ist zunächst der umstrittenen Frage nachzugehen, wie die Wendung Νῦν ἡ ψυχή μου τετάρακται in 12,27 genau zu verstehen ist. 3.1.1.3 Jesu ταραχή als Todesangst? Lässt Johannes Jesus in 12,27a feststellen νῦν ἡ ψυχή μου τετάρακται, so dürfte er – ebenso wie im übrigen V. 27 und in 12,23; 14,30 f.; 18,11 – auf eine Gethse mane-Tradition zurückgreifen, die auch in den synoptischen Evangelien bezeugt ist (Mk 13,32–42 parr.)210 und ebenso im Hebräerbrief anklingt (Hebr 5,7). Die Wendung νῦν ἡ ψυχή μου τετάρακται in 12,27a entspricht dabei dem markinischen Psalmwort περίλυπός ἐστιν ἡ ψυχή μου ἕως θανάτου (Mk 14,34; vgl. Ps 41,6.12; 42,5 LXX). Nicht zuletzt aufgrund der semantischen Breite des Lexems ταράσσειν211 ist nun – wie bereits angeklungen ist – umstritten, ob die johanneische „Gethse 209 R. E. Brown, John 1, 1966, 477. 210 Dass Johannes eine Gethsemane-Tradition kannte und an den genannten Stellen aufgriff, wird aufgrund der zahlreichen Parallelen zu der synoptischen Gethsemane-Tradition (vgl. für diese Parallelen den Überblick bei R. Feldmeier, Krisis, 1987,39–41) von der überwiegenden Mehrheit der Forscher angenommen. Unter den Exegeten, die für Johannes eine Kenntnis der Synoptiker annehmen, und denen, die diese Kenntnis negieren, ist freilich umstritten, ob Johannes die Gethsemane-Tradition aus den synoptischen Evangelien selbst (so beispielsweise U. Wilckens, Johannes, 22000, 193; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 561; U. Schnelle, Johannes, 42009, 227), oder aus einer eigenen Tradition kannte (so beispielsweise B. Lindars, John, Reprinted1987, 431; H. U. Weidemann, Tod, 2004, 231 f.; M. Theobald, Johannes, 2009, 797). Ein eindeutiger Beweis kann hier – wie auch an anderen Stellen des Johannesevangeliums, die für die Frage nach der Abhängigkeit von den synoptischen Evangelien diskutiert werden – m. E. weder von der einen noch von der anderen Seite erbracht werden. 211 Das seit Homer Il 1, 579 belegte Verb ταράσσειν „bedeutet etwas aus der Beharrung, dem Gleichgewicht herausreißen und durcheinanderwirbeln, d. h. in Unordnung versetzen“. Dabei bezeichnet es sowohl „das Aufwühlen des Meeres und Erregen der Luft“ als auch starke Erregungen des Gemüts und das Umrütteln von Arznei, aber auch das Rütteln an Überzeugungen
Die Überwindung des Teufels
199
mane-Szene“ die Angst Jesu angesichts seiner Passion und seines Todes, die bei den Synoptikern so deutlich dargestellt wird, zum Ausdruck bringen will. Dagegen haben sich am pointiertesten C. Dietzfelbinger und J. Becker ausgesprochen. Für Dietzfelbinger zeigen Jesu Ablehnung, um Rettung aus der Stunde zu bitten, und sein aktives Herbeiziehen der Passion, dass V. 27a nicht als Ausdruck von Todesangst verstanden werden darf.212 Schlägt er deshalb für ταράσσειν die Übersetzung „‚in Erregung (oder in erregte Erwartung) geraten‘“ vor,213 so drückt der Begriff für Becker den Zorn Jesu über das traditionelle Missverständnis aus, nach dem von ihm erwartet wird, er müsse den Vater um Rettung aus der nun angebrochen Stunde bitten.214 Für Becker ist es letztlich die hohe Christologie des Johannesevangeliums, die es unmöglich macht, V. 27a als Ausdruck von Todesangst zu verstehen, denn solche zu empfinden ist dem johanneischen Jesus, wie Becker unter Verweis auf 5,26 und 14,27–31 behauptet, gar nicht möglich.215 Gegen die angeführten Deutungen ist jedoch anzumerken, dass der johanneische Jesus in 12,27 in Anlehnung an Ps 6,4 f. (καὶ ἡ ψυχή μου ἐταράχθη σϕόδρα … σῶσόν με ἕνεκεν τοῦ ἐλέους σου) formuliert,216 wobei auch Ps 41,7 LXX (πρὸς ἐμαυτὸν ἡ ψυχή μου ἐταράχθη) mitschwingen könnte.217 Wird der durch die Erschütterung der Seele beschriebene Zustand der Beter in diesen Psalmen als Situation der Schwäche, Todesnähe, Müdigkeit, Gottverlassenheit und Trauer angesichts äußerer Bedrängnisse dargestellt, so ist evident, dass die vor diesem Hintergrund zu interpretierende ταραχή Jesu in 12,27 nicht in der von Becker und Dietzfelbinger vorgeschlagenen Weise verstanden werden darf. Eine weitere recht verbreitete Auslegung versteht die ταραχή Jesu durchaus im Sinne von Erschütterung, will diese aber von jedem psychologischen Mo(H. Müller, Art. ταράσσω I, ThBNT 2, 1514). In LXX ist ταράσσειν eines „der PassepartoutWörter“ (F. Siegert, Gestalt, 2008, 441), das 121mal belegt ist und der Übersetzung von 46 unterschiedlichen hebräischen Begriffen dient. Die Bedeutungsspanne entspricht hier – wie auch in den Schriften des frühen Judentums – derjenigen der profanen Literatur. Es wird gebraucht, um das Aufwühlen des Wassers ebenso wie weitere Erregungen der Natur zum Ausdruck zu bringen, und kann bei Menschen deren „Zittern“, „Bestürzung“, „Schrecken“, „Trauer“ „sowie andere heftige Gemütsbewegungen“, auch Panik und Angst bezeichnen. Es kann ferner als Synonym von στάσις gebraucht werden (J. Frey, Art. ταράσσω II, ThBNT 2, 2000, 1514 f.). 212 Vgl. C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 391 f. 213 Ebd. 214 Vgl. J. Becker, Johannes 2, 1981, 387. 215 Vgl. ebd. 216 Vgl. beispielsweise B. Lindars, John, Reprinted1987, 430 f.; U. Wilckens, Johannes, 22000, 193; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 73; F. Siegert, Gestalt, 2008, 466; P. v. Gemünden, Angst, 2009, 296; M. Theobald, Johannes, 2009, 807. 217 Für die Beeinflussung von Joh 12,27 durch Psalm 41,7 LXX hat sich insbesondere J. Beutler ausgesprochen, nach dem der Doppelpsalm 41/42 LXX (MT: 42/43) „schon früh zur urchristlichen Deutung des Leidens, namentlich der Todesangst Jesu, diente“ (J. Beutler, Psalm 42/43, 1998, 80) und auch das 14. Kapitel des Joh ganz wesentlich geprägt hat, vgl. J. Beutler, Angst, 1984, passim.
200
Der Teufel im Johannesevangelium
ment freihalten und daher nicht als Todesangst, sondern streng theologisch als Erschütterung Jesu im Angesicht der Macht des Todes deuten.218 Zutreffend ist daran, dass Jesu ταράσσεσαι – wie noch zu zeigen sein wird – durchaus eine theologische Dimension besitzt, insofern es Folge der Auseinandersetzung des Gottessohnes mit dem Fürsten dieser Welt ist.219 Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass dem ταράσσεσθαι Jesu in 12,27a eine psycholgische Dimension gänzlich abzusprechen ist. Bleibt ohnehin recht undeutlich, wie eine unter Absehung anthropologischer und psychologischer Gegebenheiten streng theologisch zu verstehende ταραχή220 genauer vorzustellen ist, so spricht die Formulierung in 12,27a dafür, dass die ταραχή Jesu durchaus auch psychologisch zu verstehen ist: Denn Johannes hätte, wollte er die Stelle in keiner Weise als Ausdruck einer menschlichen Regung Jesu verstanden wissen, doch auch hier wie in 13,21 eher von einem Erschüttertwerden Jesu im Pneuma gesprochen221 und damit pointierter die theologische Dimension, die Erschütterung des Göttlichen angesichts des Widergöttlichen, zum Ausdruck gebracht. Dafür, dass die durch ταράσσεσθαι ausgedrückte Emotion als Todesangst zu verstehen ist222 und nicht nur „eine starke, innere Berührung, Ergriffenheit, Bewegung“223 bezeichnet, sprechen mehrere Gründe. Zunächst drückt das Verb ταράσσειν in passiver Form ebenso wie auch das Substantiv ταραχή in der zeitgenössischen paganen und jüdischen Literatur durchaus nicht selten den Aspekt der Angst aus und steht in enger Verbindung mit Begriffen aus dem Wortfeld odes Angst.224 Im Blick auf die ταραχή Jesu angesichts seines bevorstehenden T sind dabei insbesondere die Wendung ἐταράττετο τὴν ψυχήν mit der Diodor die Reaktion Alexanders auf die Vorhersage seines Todes beschreibt (Diod., Bibliotheca historica 17,112,4), und das Testament Abrahams von Interesse, in des 218 In diesem Sinne etwa W. Thüsing, Erhöhung, 21970, 78–82; J. Blank, Johannes Bd. 1b, 1981, 315; A. Hammes, Ruf, 1997, 270; U. Wilckens, Johannes, 22000, 194; J. Frey, Eschatologie III, 2000, 132; Ders., Vierte, 2003, 90 f. 219 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 439. 220 Vgl. ebd. 132. 221 Zwar ist die Formulierung in 12,27a von Ps 6,4 beeinflusst, aber Johannes fühlt sich bei seiner Rezeption der Schrift nicht einmal bei expliziten Zitaten sklavisch an deren Wortlaut gebunden (vgl. A. Obermann, Erfüllung, 1996, 334 f.). 222 Als Ausdruck von Todesangst wird 12,27a auch gedeutet von E. Haenchen, Johannesevangelium, 1980, 446 f.; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 562 f.; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 73, mit Anm. 63; P. v. Gemünden, Angst, 2009, 296; M. Theobald, Johannes, 2009, 806. 223 Nach R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 31980, 484, drückt ταράσσειν in 12,27 „zwar eine starke innere Berührung, Ergriffenheit, Bewegung, aber keine Todesangst aus.“ 224 Für die pagane Literatur vgl. z. B. Thukydides, Hist 3,79,3; Xenophon, Anabasis 2,4; Demosthenes, De falsa legatione 22,2; Aristoteles, Rhet 1382a. 1386b; Epictet, Diss 1,25; 2,1; Plutarch, Demetrios 37,1. Für die frühjüdische Literatur vgl. Ps 54,5; 63,9; 64,8 f.; 76,17; Tob 12,16; Jes 8,12; 13,7; LXX; Josephus, AntJud 2,100; 6,24; 9,13; 11,175; 12,164; 16,253; Philo, Abr 202.
Die Überwindung des Teufels
201
sen 13. Kapitel ταράσσειν ebenfalls zur Beschreibung der Angst vor dem Tod gebraucht ist (vgl. TestAbr 13,6.13, Rez. B). In den synoptischen Evangelien schließlich ist ταράσσειν an fast allen Belegstellen „intimately linked with a word denoting fear“.225 Die einzige Ausnahme ist Mt 2,3, wo das Erschrecken des Herodes über die Nachricht von dem neugeborenen König der Juden jedoch offensichtlich auch den Aspekt der Angst beinhaltet. Legt bereits dieser knappe begriffsgeschichtliche Überblick die Vermutung nahe, dass in 12,27a durchaus von Jesu Angst die Rede ist, so spricht dafür auch die Aufforderung des johanneischen Jesus an die Jünger in 14,27, die belegt, dass ταράσσεσθαι auch bei Johannes den Aspekt der Angst zum Ausdruck bringen kann:226 Erschütterwerden steht hier neben Furcht, ταράσσεσθαι neben δειλιάω. In diese Richtung deutet schließlich auch die unmittelbare Fortsetzung von 12,27a. Denn die durch die beiden folgenden Fragen227 καὶ τί εἴπω; Πάτερ, σῶσόν με ἐκ τῆς ὥρας ταύτης; ausgedrückte Möglichkeit, Jesus könne den Vater um Errettung aus dieser Stunde bitten, wird ja überhaupt nur wegen der Erschütterung Jesu in den Blick genommen. In ihr muss daher ein Aspekt liegen, der die Bitte um Verschonung auch für den johanneischen Jesus nahe legt, und dieser Aspekt kann angesichts der Situation, in der Jesus sich befindet, nichts anderes als Angst vor dem ihm bevorstehenden Schicksal und also Todesangst sein. 3.1.1.4 Die Bedeutung der ταραχή für das Verständnis der Stunde Jesu Berichtet somit auch Johannes von der Todesangst Jesu, so erhebt sich die Frage, ob diese in seinem Evangelium nur den Stellenwert einer mitgeschleiften Tradition hat, die kurz gestreift, aber nicht zum eigentlichen Thema gemacht wird,228 oder ob Jesu ταραχή für das Verständnis der angebrochenen Stunde Jesu von besonderer Bedeutung ist? Mehrere Gründe sprechen dafür, dass die letztgenannte Möglichkeit zutreffend ist. 225 S. Voorwinde, Emotions, 2005, 194. 226 Vgl. M. Theobald, Johannes, 2009, 806. 227 H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 562 f. argumentiert ausführlich dafür, weder καὶ τί εἴπω noch Πάτερ, σῶσόν με ἐκ τῆς ὥρας ταύτης als Fragen zu verstehen und übersetzt V. 27 mit: „Jetzt ist meine Seele erschüttert, und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Vater, mache du mich auch in dieser Stunde des Heils gewiß. Aber wohlan! Denn gerade dazu bin ich ja in diese Stunde gekommen!“ (ebd. 557). Betont Thyen zu Recht, dass auch die johanneische „Gethsemane-Szene“ von Jesu Todesangst berichtet (ebd. 562 f.), und bringt diese Angst mit seinem Übersetzungsvorschlag noch deutlicher zum Ausdruck, so kann dieser kaum überzeugen. Als problematisches Beispiel sei hier nur angeführt, dass die Präposition ἐκ in σῶσόν με ἐκ τῆς ὥρας ταύτης kaum „im Sinne der Wendung ἐκ νυκτός (bei Nacht) oder ἐξ ἡμέρας (im Laufe des Tages)“ (ebd. 562) verstanden werden darf. Denn das ἐκ steht hier ja gerade im Gegensatz zu dem εἰς in der unmittelbar folgenden Aussage διὰ τοῦτο ἦλθον εἰς τὴν ὥραν ταύτην. 228 In diesem Sinne beispielsweise K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 74 und E. Haenchen, Johannesevangelium, 1980, 446.
202
Der Teufel im Johannesevangelium
Für die Bedeutung der Erschütterung Jesu im Johannesevangelium spricht zunächst das häufige Vorkommen von ταράσσειν in den Kapiteln 12–16. Nachdem der Anbruch der Stunde in 12,23 konstatiert wurde, begegnet das im Johannesevangelium insgesamt sechsmal belegte Verb viermal, wobei zweimal die Erschütterung Jesu (12,27; 13,21) und zweimal die Erschütterung der Jünger (14,1.27) in den Blick genommen wird. Insbesondere die beiden letzten Belege heben die Bedeutung der Rede von der Erschütterung im Johannesevangelium hervor, insofern sie in der Aufforderung Jesu an seine Jünger, sich nicht erschüttern zu lassen [und nicht furchtsam zu sein], begegnen, durch die die erste Abschiedsrede gerahmt wird. Dass Jesu in 12,27 ausgedrückte ταραχή für das Verständnis seiner Stunde von Bedeutung ist, zeigt sich auch daran, dass Johannes die Form des Verbes ταράσσειν hier gegenüber Ps 6,4 LXX verändert und anstelle des Aorists ein Perfekt gebraucht. Dass sich diese Abweichung – wie Wengst vermutet – dadurch erklärt, dass Johannes „aus dem hebräischen Text übersetzt“,229 ist angesichts der hohen wörtlichen Übereinstimmung mit LXX kaum wahrscheinlich. Plausibler erscheint es, dass der Evangelist durch Verwendung des Perfekts den dura tiven Aspekt der ταραχή zum Ausdruck bringt. In Parallele zu V. 23, wo das Perfekt ἐλήλυθεν verdeutlicht, dass Jesu Existenz fortan unter der Bestimmung der angebrochenen Stunde steht,230 hebt das Perfekt τετάρακται in V. 27 hervor, dass Jesus sich in dieser Stunde fortdauernd im Zustand der ταραχή befindet.231 Dass ein die angebrochene Stunde fortdauernd charakterisierender Zustand für ihr Verständnis nicht bedeutungslos sein kann, ist evident. Für die Bedeutung der ταραχή Jesu spricht schließlich auch die unmittelbare Fortsetzung des Verses 27. Die aufgrund seiner ταραχή in den Blick genommene Möglichkeit, den Vater um Rettung aus der Stunde zu bitten, verwirft Jesus hier, weil er deshalb (διὰ τοῦτο) in diese Stunde gekommen ist, und bittet den Vater anstatt dessen, seinen Namen zu verherrlichen. Es ist hier durchaus lohnend, den Bultmannschen Vorwurf der Pedanterie auf sich zu nehmen und nach dem grammatischen Bezugsort von διὰ τοῦτο zu fragen.232 Diesen im sogleich nachfolgenden πάτερ, δόξασόν σου τὸ ὄνομα von 12,28 zu sehen,233 widerspricht johanneischem Sprachgebrauch, denn vorausweisendes διὰ τοῦτο findet sich im
229 K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 73 Anm. 64. 230 Vgl. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 563. 231 Vgl. W. Thüsing, Erhöhung, 21970, 81; R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 3 1980, 485, Anm. 1; S. Voorwinde, Emotions, 2005, 191. 232 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 327, Anm. 5: „Indessen ist es pedantisch, für das διὰ τοῦτο einen grammatischen Beziehungspunkt zu fordern.“ Nach ihm ist διὰ τοῦτο hier be ziehungslos und muss wie folgt umschrieben werden: „‚deswegen, nämlich um dieser Stunde willen‘ d. h. ‚um sie zu übernehmen‘.“ 233 So N. Chibici-Revneanu, Herrlichkeit, 2007, 183.
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Johannesevangelium stets in Verbindung mit ὅτι,234 das hier aber fehlt. Kaum überzeugend ist es auch διὰ τοῦτο als Wiederaufnahme des – selbst unter Voraussetzung des sekundären Charakters der VV. 24–26 – zu weit entfernten V.23 zu verstehen und den dortigen Finalsatz235 oder das Stichwort ὥρα236 als Bezugsort anzunehmen. Plausibler erscheint es hingegen, zunächst den in 12,27a genannten Zustand der Erschütterung als grammatischen Bezugspunkt von διὰ τοῦτο anzusehen. Dafür spricht, dass dieser im vorangehenden Kontext der am nächsten stehende mögliche Bezugsort ist. Sodann deutet auch die Formulierung in 12,27d in diese Richtung, denn hier ist nicht mehr wie noch V. 23 vom Gekommensein der Stunde die Rede, sondern davon, dass Jesus selbst in diese Stunde gekommen ist. Durch διὰ τοῦτο wird somit nicht auf die allgemeine Bedeutung dieser Stunde, nicht auf ihren Sinn und Zweck237 hingewiesen, sondern es wird begründet, warum Jesus in diese Stunde gekommen ist, welche Aufgabe er in ihr zu erfüllen hat. Die ταραχή Jesu ist daher als Bezugspunkt von διὰ τοῦτο keinesfalls „inhaltlich höchst unwahrscheinlich“,238 sondern plausibler als die Verherrlichung des Menschensohnes aus V. 23 oder die Verherrlichung des Gottesnamens in V. 28a. Denn beides ist nicht Aufgabe Jesu, sondern Werk Gottes. Die ταραχή kann hingegen problemlos mit der von Jesus in der angebrochenen Stunde zu erfüllenden Aufgabe in Zusammenhang gebracht werden: Für ihn gilt es, in dieser Stunde die ταραχή auszuhalten und trotz der in ihr begegnenden Versuchung, sich aus der Stunde retten zu lassen, weiterhin die sich gerade durch seine Passion und seinen Tod realisierende Verherrlichung des Namens Gottes zu wollen und somit in Willenseinheit239 mit dem Vater zu bleiben. Ist τετάρακται somit der grammatische Bezugspunkt von διὰ τοῦτο, so wird dieser durch die Bitte πάτερ, δόξασόν σου τὸ ὄνομα als logischem Bezugspunkt ergänzt. 234 Vgl. 5,16.18; 8,47; 10,17; 12,18; 12,39. 235 So M. Theobald, Johannes, 2009, 808, der διὰ τοῦτο sowohl auf den Finalsatz von V. 23 als auch auf die Verherrlichung des Gottesnamens in V. 28 bezieht und beide Bezüge als komplementär ansieht. 236 So Th. Knöppler, theologia crucis, 1994, 112, nach dem διὰ τοῦτο dann auch noch an die Aussage von V. 24 erinnert. 237 Gegen N. Chibici-Revneanu, Herrlichkeit, 2007, 183. 238 Ebd. 239 Bereits E. Käsemann, Jesu, 1966, 37 f., hat darauf hingewiesen, dass die Kategorie des „Gehorsams“ im vierten Evangelium nicht verwendet wird. In der Tat greift die Behauptung zu kurz, dass Jesus durch seine in 12,28a geäußerte Bitte πάτερ, δόξασόν σου τὸ ὄνομα seinen Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters zum Ausdruck bringt. Denn Gehorsam setzt voraus, dass der Wille des Gehorsamen von dem Willen desjenigen, dem er Gehorsam zollt, abweicht. Eben diese Willensdifferenz, die etwa in der von manchen (vgl. z. B. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 564.) als Prätext von 12,28a angesehenen synoptischen Einwilligung ἀλλ ’ οὐ τί ἐγὼ θέλω ἀλλὰ τί σύ (Mk 14,36, parr.) zum Ausdruck kommt, findet sich aber bei Johannes gerade nicht. Vielmehr bleibt der Wille Jesu trotz der in der ταραχή begegnenden Versuchung auf das gleiche Ziel gerichtet wie der Wille des Vaters. Anstatt die Kategorie des Gehorsams zu bemühen, ist es daher m. E. besser, hier von einer bleibenden Willenseinheit zu sprechen.
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Nach allem bisher Gesagten ist die als Todesangst zu identifizierende ταραχή Jesu, keine unbedeutende Randerscheinung in der johanneischen Passionsschilderung, keine „kleine Wolke, die einen Augenblick lang die Sonne zu verdunkeln scheint.“240 Sie ist vielmehr ein andauernder Zustand, den zu ertragen und – trotz der in ihm begegnenden Versuchung – in Willenseinheit mit dem Vater zu bleiben, die Aufgabe Jesu in der Stunde seiner Verherrlichung ist. Im Folgenden sollen nun zunächst Argumente dafür angeführt werden, dass die Jesus nach 12,27 überkommende Todesangst auf das Wirken des Teufels zurückzuführen ist. 3.1.1.5 Die ταραχή Jesu als Werk des Teufels Dafür, dass Jesu ταραχή auf das Wirken des Teufels zurückzuführen ist und dass seine trotz dieser ταραχή anhaltende Willenseinheit mit dem Vater in einer inneren Beziehung zum 12,31 genannten Sturz des Teufels steht, lässt sich auf mehreren Ebenen argumentieren. Traditionsgeschichtlich kann zunächst angeführt werden, dass es, insofern Jesus – wie oben dargestellt wurde – aufgrund seiner ταραχή in Versuchung gerät, um Rettung aus der angebrochenen Stunde zu bitten und damit entgegen dem Willen Gottes zu handeln, plausibel ist, diese Versuchung auf denjenigen zurückzuführen, der in der Tradition des frühen Juden- und Urchristentums als der Versucher schlechthin gilt. Sodann ist darauf zu verweisen, dass ταραχή bzw. ταράσσεσθαι in der Literatur des frühen Judentums gelegentlich als Folge des Bösen und des teuflischen Wirkens dargestellt wird.241 Dies gilt zunächst für die synonym zu στάσις gebrauchte ταραχή, die im Testament Benjamins unter die sieben Übel gerechnet wird, welche durch das Schwert Beliars in die Welt kommen (TestBenj 7,2). Nach dem Testament Levis sind es dann alle Arten von ταραχή, die demjenigen begegnen, der Böses (κακά) sät (TestLev 13,6). Eine als innere Verwirrung zu verstehende ταραχή wird nach TestSim 4,9 durch den Neid (ζῆλος) und weitere böse Geister (πνεύματα πονηρά) verursacht. Wie dort sind es mit Zorn (θυμός) und Lüge (ψεῦδος) auch im Testament Dans Geister Beliars, die sich gegenseitig zusammentun, um das Herz (καρδία) zu verwirren (ταράσσειν). Die Folge einer fortwährenden Verwirrung der Seele – so wird im selben Vers festgestellt – ist, dass der Herr von ihr weicht und sie von Beliar beherrscht wird (ταρασσομένης δὲ τῆς ψυχῆς συνεχῶς, ἀϕίσταται κύριος ἀπ᾽ αὐτῆς καὶ κυριεύει αὐτῆς ὁ Βελιάρ; TestDan 4,7). Nach dem Testament Gads schließlich ist es der mit Satan zusammen wirkende Geist des Hasses (TestGad 4,7), der den Sinn Gads verfinsterte, seine Seele in Aufruhr versetzte und ihn dadurch zu dem Versuch, Joseph zu
240 E. Haenchen, Johannesevangelium, 1980, 446. 241 Vgl. J. Frey, Art. ταράσσω II, ThBNT 2, 2000, 1515.
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töten, anstachelte (καὶ ἐξελθόντες μου τὸ πνεῦμα τοῦ μίσους ἐσκότιζέ μου τὸν νοῦν καὶ ἐτάρασσε τὴν ψυχήν μου τοῦ ἀνελεῖν αὐτόν; TestGad 6,2). Wie TestXII weiß auch TestHi darum, dass der Satan im Inneren eines Menschen ταραχή hervorrufen kann. Wenn er Hiobs Frau die Gedanken verwirrt (ταράσσοντα τοὺς διαλογισμούς) und sie auf diese Weise dazu antreibt, die Rechtschaffenheit ihres Mannes zum Schwanken zu bringen (TestHi 26,6), so ähnelt dies der vom Teufel bewirkten inneren ταραχή, von der auch die TestXII berichten. Die auf das Wirken Satans zurückgeführte μεγάλη ταραχή Hiobs hingegen, von der TestHi 19,1 berichtet, ähnelt in manchem der ταραχή des johanneischen Jesus. Hiob reagiert hier auf die Nachricht vom Tod seiner ersten Kinder – wie er seinen neuen Kindern mitteilt – mit äußerster Bestürzung (ἐταράχθην μεγάλῃ ταραχῇ; TestHi 19,1). Zurückgeführt wird diese ταραχή Hiobs letztlich auf das Wirken Satans, denn dieser ist es, der für den Tod der Kinder Hiobs verantwortlich ist (TestHi 18,1). Zwar stürzt Satan Hiob nicht in Todesangst, denn durch die Wendung ἐταράχθην μεγάλῃ ταραχῇ wird hier die tiefe Trauer Hiobs über den Verlust der eigenen Kinder zum Ausdruck gebracht. Jedoch ist auch Hiobs ταραχή im Sinne einer – von Satan bewirkten – Versuchung zu verstehen, durch die Hiob zum Nachgeben (TestHi 20,1) und somit zum Abfall von Gott gebracht werden soll. Ähnlich wie der johanneische Jesus besteht auch Hiob diese Versuchung, indem er sich dem Willen Gottes unterwirft und mit dem Hiob des Alten Testaments ausruft: ὁ κύριος ἔδωκεν, ὁ κύριος ἀϕείλατο· ὡς τῷ κυρίῳ ἔδοξεν, οὕτως καὶ ἐγένετο· εἴη τὸ ὄνομα κυρίου εὐλογημένον (TestHi 19,4; vgl. Hi 1,21 LXX).242 Insbesondere die letzte Aussage erinnert dabei an die Bitte Jesu aus 12,28,243 insofern auch hier der Gottesname in den Blick genommen wird. Indem Hiob die in der ταραχή be gegnende Versuchung auf diese Weise überwindet, gelingt ihm ein Teilerfolg in seinem Kampf mit dem Satan (20,1), in dem er dann auch den endgültigen Sieg erringen wird. Ist es somit traditionsgeschichtlich durchaus möglich, dass die in 12,27 konstatierte ταραχή auf den im unmittelbaren Anschluss genannten Teufel zurückgeführt wird, so spricht dafür auch das oben bereits erarbeitete enge Verhältnis, in dem Teufel und Tod im Johannesevangelium zueinander stehen. Weiß Jesus darum, dass er in dieser Gestalt dem Menschenmörder schlechthin (8,44) gegenübertritt, so ist unmittelbar einleuchtend, dass die Todesangst, die er im Zuge seiner Auseinandersetzung mit dem Teufel erfährt, auf dessen Wirken zurückzuführen ist.
242 Vgl. D. Rahnenführer, Testament, Diss1967, 76, inkl. Anm. 8, der bei der Besprechung der Stelle ebenfalls auf die Ähnlichkeit zu Mk 14,36 parr. hinweist und auch anmerkt, dass sich in 12,27 „auch der Verbalanklang ταράσσω findet“. 243 Vgl. ebd.
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Für eine Rückführung der ταραχή Jesu auf das Wirken des Teufels spricht sodann auch ein Blick auf die johanneische Verarbeitung der Gethsemane-Überlieferung. Gethsemane-Motive finden sich bei Johannes an den folgenden Stellen:244 Mk 14,34.35 f.41 f.
Joh 12,23.27 f. (18,11; 14,31/30) Gekommen ist die Stunde, dass der Menschensohn verherrlicht werde.
Meine Seele ist betrübt Bis zum Tod (Ps 42,6.12;43,5).
Jetzt ist meine Seele erschüttert (Ps 6,4) Und was soll ich sagen?
Und er betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorübergehe.
Vater, rette mich aus dieser Stunde? (Ps 6,5)
Abba, Vater, alles ist dir möglich. Lass diesen Kelch an mir vorübergehen.
(den Kelch, den der Vater mir gegeben hat, soll ich ihn nicht trinken? [= 18,11]
Aber nicht, wie ich will, sondern wie du.
Aber deswegen bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen.
Gekommen ist die Stunde, siehe, der Menschensohn wird in die Hände der Sünder ausgeliefert. Steht auf, wir wollen gehen!
(Steht auf, wir wollen weg von hier gehen! [=14,33])
Seht, der mich verrät ist nahe.
(Es kommt der Herrscher der Welt [= 14,30])
Auffällig ist, dass sich an allen Stellen, an denen Johannes Motive aus der Gethsemane-Überlieferung anbringt, im engeren Kontext ein Teufelsbeleg findet, bzw. so in 18,1–11, Judas, in den zuvor der Teufel eingegangen ist (13,27), erwähnt wird. Es ist daher deutlich, dass Gethsemane und der Satan für den vierten Evangelisten in einem engen Zusammenhang stehen. Hinzu kommt, dass die VV. 27 und 31 sowohl sprachlich als auch narrativ eng miteinander verbunden sind. Sprachlich weist das einleitende νῦν in VV. 27 und 31a.b jeweils zurück auf V. 23 und die dort erwähnte Stunde, setzt jedoch auch die beiden Verse selbst in ein enges Verhältnis zueinander. Dass dieses Verhältnis als eines von Ursache und Wirkung zu bestimmen ist, liegt dabei nahe. Denn
244 Die folgende Tabelle nach M. Theobald, Johannes, 2009, 796.
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die VV.27 f. schildern, wie dargelegt wurde, welche Aufgabe Jesus in der angebrochenen Stunde seiner Verherrlichung zu bestehen hat, und die VV. 31 ff. beschreiben die allgemeine Bedeutung der Stunde und die sich aus ihr ergebenden kosmischen Folgen. Dass dabei die kosmischen Folgen der Stunde auf der Erfüllung der Jesu gestellten Aufgabe basieren, ist evident. Narrativ sind die VV. 27 und 31 durch die Himmelsstimme in V. 28 eng miteinander verbunden. Diese ist die Antwort auf die von Jesus trotz seiner ταραχή geäußerte Bitte πάτερ, δόξασόν σου τὸ ὄνομα, und veranlasst Jesus dazu, in V. 31 die Bedeutung der nun angebrochenen Stunde hervorzuheben. Sollte dadurch nicht auch auf die Bedeutsamkeit des Umgangs Jesu mit seiner ταραχή hingewiesen sein? 3.1.1.6 Die Herrlichkeit Gottes und die teuflische Todesangst (Teil 1) In den beiden vorangehenden Unterkapiteln wurde zunächst dafür argumentiert, dass Jesus in 12,27 seine Todesangst zum Ausdruck bringt. Ferner wurde dargestellt, dass es Jesu zentrale Aufgabe in der nun angebrochenen Stunde seiner Verherrlichung ist, trotz dieser andauernden Todesangst in Willenseinheit mit dem Vater zu bleiben. Dieser Aufgabe stellt er sich und er hat sie bereits ein erstes Mal gemeistert, wenn er den Vater um Verherrlichung seines Namens bittet, denn er willigt damit ein in den Fortgang der Ereignisse, in seine Passion und seinen Tod, durch die der Vater nach dem Johannesevangelium seinen Namen verherrlicht. Sodann wurden Argumente angeführt, die dafür sprechen, dass Jesu Todesangst auf das Wirken des Teufels zurückzuführen ist und dass Jesu Umgang mit der ihm in dieser Todesangst begegnenden Versuchung im Zusammenhang mit dem Sturz des Herrschers dieser Welt steht. Im Folgenden soll nun dargestellt werden, wie dieser Zusammenhang genauer vorgestellt ist, inwiefern also durch die Überwindung der Jesu in seiner Todesangst begegnenden Versuchung der Teufel besiegt wird. Hierzu ist es nötig, die Bitte πάτερ, δόξασόν σου τὸ ὄνομα, die Jesus in seiner Todesangst ausspricht, ebenso wie die darauffolgende Antwort der Himmelsstimme noch etwas genauer zu reflektieren. Denn Bitte Jesu und Antwort Gottes bringen ein Spezifikum johanneischer Theologie zum Ausdruck, das m. E. für das Verständnis des Teufelssturzes von entscheidender Bedeutung ist: Gott verherrlicht sich selbst, bzw. seinen Namen durch Passion und Tod Jesu. Wie ist diese „provozierende semantische Verschränkung von Tod und Herrlichkeit“245 – die ja nicht nur im Zusammenhang der Verherrlichung Gottes, sondern auch der Verherrlichung des Menschensohnes begegnet – zu verstehen? In wiefern verherrlicht sich Gott durch den Tod Jesu?
245 A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 131 f.
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Versucht man diese Frage von 12,28 ausgehend zu beantworten, so ist es hilfreich, zunächst nach alttestamentlichem Vergleichsmaterial zu der Wendung δόξασόν σου τὸ ὄνομα zu suchen. Dabei stößt man zwar nicht auf wörtliche Parallelen, doch findet sich, abgesehen von einigen Stellen, an denen von einem menschlichen δοξάζειν des Namens Gottes die Rede ist (Ps 86 [85LXX],9.12; Jes 42,10; Mal 1,11; 2,2; Dan 3,26),246 an zwei Stellen die 12,28a sehr ähnliche Wendung τῷ ὀνόματί σου δὸς δόξαν (Ps 115,1 [113,9LXX]) bzw. δὸς δόξαν τῷ ὀνόματί σου (Dan 3,43LXX).247 An beiden Stellen ist es Gott, der um eine Verherrlichung seines Namens von einer sich in Bedrängnis befindenden Gruppe Gläubiger gebeten wird, und an beiden Stellen wird durch die genannte Wendung, um eine Machtoffenbarung gebeten, die zur Anerkennung der göttlichen Ehre und Macht führen soll: Im Rahmen des von LXX als Zusatz zum Danielbuch der hebräischen Bibel gebotenen Sündenbekenntnis Asarjas (Dan 3,24–45 LXX), bittet Asarja, der von Nebukadnezar aufgrund verweigerten Götzendienstes zum Tod im Feuerofen verurteilt wurde, Gott darum, ihn und seine Mitgefangenen aus dem Feuerofen zu befreien und durch diese Wundertat, seinem Namen Herrlichkeit zu geben (3,43), so dass alle erkennen, dass Gott alleine der Herr ist (3,45). In Ps 115,1 [113,9LXX] fordert hingegen eine ob der scheinbaren Ohnmacht ihres Gottes von den Völkern verspottete anonyme Gruppe Jahwetreuer, Jahwe durch die Wendung τῷ ὀνόματί σου δὸς δόξαν zu einem Machterweis auf,248 durch den der Spott der sich auf die nichtigen Götzen verlassenden Völker ein Ende haben wird. Insbesondere der letztgenannte Text könnte für das Verständnis der Bitte Jesu in 12,28a von besonderer Bedeutung sein. Als Bestandteil des Hallels (Ps 113–118) war dieser Psalm vermutlich bereits vor 70 n. Chr. Bestandteil der Passah-Liturgie und insbesondere mit diesem Fest eng verbunden: Das Hallel wurde sowohl „bei der Schlachtung der Passahlämmer im Tempel am Nachmittag des 14. Nisan“, als auch „bei der häuslichen Passahfeier am Abend des 14. Nisan“ und schließlich „am 1. Passahtag (15. Nisan)“ rezitiert.249 Es ist daher durchaus möglich, dass der Evangelist, indem er Jesus in 12,28a unmittelbar vor Beginn des Passahfestes die an Gott gerichtete Bitte δόξασόν σου τὸ ὄνομα sprechen lässt, auf die Wendung τῷ ὀνόματί σου δὸς δόξαν aus dem Hallel-Psalm 115 [113,9–26 LXX] anspielt. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit kann diese Möglichkeit für sich beanspruchen, da Johannes zum einen bereits im Rahmen des kurz zuvor erzählten Einzugs Jesu in Jerusalem – in Analogie zu den Synoptikern (Mk 11,9 parr) – aus einem Hallel-Psalm 118,[117LXX] 25 f. zitiert hat (12,13), wobei auch dort der Name Gottes erwähnt ist. Zudem stellt C. K. Barrett durchaus zu 246 Zu diesen Belegen und ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu 12,28 vgl. F. G. Untergaßmair, Im Namen, 1974, 227 ff. 247 Vgl. ebd. 231. 248 Treffend fasst E. Zenger, Psalm 115, 2008, 281, in seiner Analyse des Aufbauschemas von Ps 115,1 mit den Worten „Aufforderung an JHWH um seinen Machterweis“ zusammen. 249 Str.-Bill. I, 845. Ferner wurden die Hallel-Psalmen am „1. Pfingsttag, an den acht Tagen des Laubhüttenfestes u. an den acht Tagen des Tempelweihfestes“ rezitiert (ebd.).
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Recht fest, Jesu Bitte in 12,28a bringe zum Ausdruck, dass er seinem Lebensgrundsatz, nicht seine eigene, sondern die Ehre Gottes zu suchen, treu bleibt.250 Und eben dieser Grundsatz wird auch im genannten Psalmvers zum Ausdruck gebracht, wenn die anonymen Beter feststellen: Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Herrlichkeit (μὴ ἡμῖν, κύριε, μὴ ἡμῖν, ἀλλ’ ἤ τῷ ὀνόματί σου δὸς δόξαν). Betrachtet man überdies die rabbinische Diskussion um die Entstehung des Hallels, wie sie im Talmud (Pes 117a; vgl. Str.-Bill. I, 846 f.) belegt ist, so lassen sich weitere Beobachtungen anführen, die, wenn der Talmud die rabbinischen Standpunkte historisch zuverlässig überliefert, m. E. dafür sprechen, dass der johanneische Jesus in 12,28 auf Ps 115,1 [113,9LXX] anspielt: Äußert Jesus seine Bitte πατήρ, δόξασόν σου τὸ ὄνομα in größter ταραχή, so stimmen die Rabbinen größtenteils darin überein, dass das Hallel erstmals von einer sich in großer Not befindenden Gruppe gesprochen worden sei. Dabei zitieren bereits die ältesten in Pes 117a genannten Rabbinen – etwa R. Eliezer (um 90 n. Chr.), R. Jehuda (um 90); R. Eleasar ben Asarja (um 100) – für dieses Verständnis stets Ps 115,1, jedoch in spezifischer Weise. Immer spricht die jeweilige von den Rabbinen als Erstbeter des Hallels genannte Gruppe in Bedrängnis zunächst die Worte: „Nicht uns Jahwe, (nicht uns)“. Die darauf erfolgende Antwort: „Um meinetwillen will ich es tun“ verkündet hingegen stets der Heilige Geist. Könnte nicht die Himmelsstimme, die in 12,28 auf die Bitte Jesu antwortet, eine Reminiszenz an diese Antwort des Heiligen Geistes sein?
Wenngleich die angestellten Überlegungen eine Anspielung von 12,28 auf den Hallel-Psalm 115 nur wahrscheinlich machen und nicht beweisen können, so ist doch deutlich, dass sich in einer Notsituation befindliche Beter mit der Wendung τῷ ὀνόματί σου δὸς δόξαν bzw. δὸς δόξαν τῷ ὀνόματί σου, die dem johanneischen δόξασόν σου τὸ ὄνομα sehr ähnlich ist, in LXX um einen wundervollen Machterweis Gottes bitten, durch den ihre Notsituation beendet, die Gottheit Gottes anerkannt und die Nichtigkeit der Götzen offenbar wird. M. E. bringt der johanneische Jesus – freilich angepasst an die Besonderheiten johanneischer Theologie – einen ähnlichen Wunsch zum Ausdruck, wenn er sich in der Not seiner Todesangst mit der Bitte δόξασόν σου τὸ ὄνομα an seinen Vater wendet. Um dies zu verdeutlichen, muss im Folgenden zunächst kurz der m. E. zentrale Aspekt des johanneischen Verständnisses von Jesu Tod dargestellt und sodann die Bedeutung des göttlichen Namens im Johannesevangelium reflektiert werden.
250 Vgl. C. K. Barrett, Johannes, 1990, 419; ferner N. Chibici-Revneanu, Herrlichkeit, 2007, 185.
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Exkurs 1: Der einzigartige Tod Jesu aus Liebe Hierzu ist zunächst kurz die zentrale Bedeutung zu betonen, die dem Verständnis des Todes251 Jesu als Lebenshingabe für die Seinen aus Liebe zukommt. Die Bedeutung dieser Interpretation des Todes Jesu für den vierten Evangelisten deutet sich bereits im Rahmen der Bildrede vom guten Hirten an, wenn der johanneische Jesus sich in einem Ich-Bin-Wort als den guten Hirten bezeichnet, der sein Leben für die Schafe lässt (10,11), und seine Lebenshingabe im folgenden Kontext der Hirtenrede noch zwei weitere Male thematisiert (10,15.17). Offensichtlich wird sie sodann im zweiten Hauptteil des Evangeliums (13,1–20,31). Fungieren die VV. 13,1–3 als Einleitung nicht nur der sich anschließenden Fußwaschung, sondern der zweiten Hälfte des Evangeliums als Ganzes, so ist V. 1 als in sich geschlossener Satz gegenüber den mit V. 4 eine Satzperiode bildenden VV. 2 und 3 innerhalb dieser Einleitung noch einmal deutlich hervorgehoben. Kann 13,1 daher geradezu als Überschrift über die Kapitel 13–20 betrachtet werden,252 so wird bereits hier deutlich, dass die sich vollendende Liebe Jesu, die durch die in betonter Schlussstellung positionierte Wendung ἐις τέλος ἠγάπησεν αὐτούς ausgedrückt wird, das zentrale Thema der folgenden johanneischen Passionsgeschichte ist.253 Dass der Ort, an dem sich diese vollendete Liebe Jesu letztgültig zeigt, das Kreuz ist, wird durch den Rückverweis des letzten Wortes Jesu τετέλεσται (19,30) auf das ἐις τέλος ἠγάπησεν αὐτούς aus 13,1 deutlich. In 15,13 wird Jesu Tod dann erneut als Lebenshingabe für die Seinen gedeutet und hier explizit als Zeichen größtmöglicher Liebe genannt.254 Diese größtmögliche Liebe Jesu wird – ein weiterer Hinweis auf die Bedeutung die der Liebesdeutung des Todes bei Johannes zukommt – in ein enges Verhältnis zur von den Jüngern im zweimal formulierten Liebesgebot (13,34 f.; 15,12–17) geforderten Liebe gesetzt: Die sich in Passion und Tod Jesu offenbarende Liebe ist sowohl Vorbild als auch Grund der gegenseitigen Liebe der Jünger.255 Wichtig ist nun, dass das Johannesevangelium die Fähigkeit zur liebenden Lebenshingabe als etwas ganz und gar außergewöhnliches und in vorösterlicher Zeit einma liges darstellt. Den Jüngern ist wahre Nachfolge Jesu, die sich gerade auch in der vollkommenen Erfüllung des Liebesgebotes, in der Fähigkeit sein Leben für die Freunde 251 Die Literatur zum Verständnis des Todes Jesu im Johannesevangelium ist uferlos. Für einen Überblick über die wichtigsten in der Forschung vertretenen Positionen vgl. H. U. Weidemann, Tod, 2004, 4–26. 252 Vgl. W. Bauer, Johannesevangelium, 31933, 167; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 584; Ähnlich auch O. Hofius, Fußwaschung, 2009, 157, nach dem 13,1 das „Vorzeichen zu dem ganzen Komplex Joh 13,1–19,42 […]“ bildet. 253 Vgl. H. Thyen, Niemand, 1979, 473. 254 Gegen die von M. Dibelius, Joh 15,13, 1953, 217, vertretene These, „[d]ie Bedeutung des Wortes ‚Liebe‘ in dem Spruch 15,13“ sei „nicht die johanneische, sondern eine populärere, allgemeinere“ und der „Opfertod aus Liebe“ sei bei Johannes nicht von Bedeutung, vgl. H. Thyen, Niemand, 1979, 467–481, der Joh 15,13 m. E. zurecht als „Schlüssel“ für das johanneische Verständnis der Sendung und des Todes ansieht (vgl. ebd. 470). 255 Vgl. J. Augenstein, Liebesgebot, Diss1992, 80, der ebd. 13 f./60, auf die Doppeldeutigkeit des 13,34 und 15,12 verwendeten καθώς hinweist. Καθώς kann sowohl als Vergleichspartikel als auch kausal verstanden werden, und Augenstein stellt im Zuge seiner Besprechung von 13,34 fest, dass sich beide Übersetzungsmöglichkeiten hier nicht gegenseitig ausschließen müssen (ebd. 13 f.).
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geben zu können, realisiert und daran erkennbar wird (12,25 f.; 13,35; 15,9–17), erst in nachösterlicher Zeit möglich.256 Narrativ entfaltet wird diese Exklusivität der Fähigkeit Jesu, sein Leben für andere zu lassen, durch die Ankündigung der Petrusverleugnung (13,36 ff.): Wenngleich Petrus Gegenteiliges beteuert, weiß Jesus doch darum, dass er derzeit noch nicht in der Lage ist, sein Leben für ihn zu geben und ihm in den Tod nachzufolgen,257 sondern dass er ihn vielmehr im Moment der Gefahr für Leib und Leben verleugnen wird (13,38; vgl. 18,15–27). Nach Ostern aber wird er zu einer in den Tod führenden Nachfolge fähig sein (13,36).258 Die Exklusivität der Selbsthingabe Jesu zeigt sich ferner in 16,29–33, denn auch hier verheißt Jesus den selbstbewusst ihr religiöses Wissen und ihren Glauben postulierenden Jüngern, dass sie Jesus in der Stunde der Gefahr alleine lassen und sich in ihr Eigenes zerstreuen werden (16,32), d. h., „daß sie ihre Gemeinschaft mit Jesus preisgeben [werden], daß […] jeder von ihnen sich selbst der Nächste“ sein wird.259 Wie einzigartig die Fähigkeit Jesu, sein Leben zu lassen, für den vierten Evangelisten ist, wird schließlich daran deutlich, dass sie neben der Vollmacht zum Gericht (5,27), der Vollmacht, sein Leben wieder zu nehmen (10,18), und der Vollmacht über alles Fleisch (17,2) ebenfalls als ihm von Gott gegebene ἐξουσία bezeichnet wird (10,18). Fragt man, wodurch Jesus im Gegensatz zu allen Anderen zur aus Liebe erfolgenden Hingabe des eigenen Lebens befähigt ist, so liefert der eben genannte Text 1 6,29–33 auf diese Frage eine erste Antwort: Wenngleich es äußerlich den Anschein haben mag, dass er, der von den Seinen in der Stunde der Not verlassen wurde, alleine ist, so ist er es in Wahrheit nicht, denn der Vater ist mit ihm und lässt ihn nicht alleine (16,32; vgl. 8,16.29). Deswegen, weil Jesus in vorösterlicher Zeit der einzige ist, der in Beziehung mit Gott ist, weil nur Jesus Gott kennt (1,18; 7,28 f.; 8,55) und ihn legitimerweise Vater nennen darf,260 weil er der exklusive Geistträger und der einzige ist, in dem der Vater ist (10,38; 14,10 f.; u. ö.), in dem er bleibt und wirkt (14,10), weil Jesus letztlich mit Gott eins ist (10,30), deshalb ist er der Einzige, der die Macht hat, sein Leben hinzugeben (10,18). Dass es diese Einheit des Sohnes mit dem Vater ist, die ihn dazu befähigt, zeigt sich insbesondere daran, dass die Jünger nach Ostern, nachdem sie in diese Einheit miteinbezogen sind (17,21–26), nachdem auch sie in einer Vater-Kind Beziehung zu Gott stehen (19,17; 1Joh 3,1 f.), nachdem auch sie den Geist empfangen haben (20,22) und in alle Wahrheit geführt wurden (16,13), in der Lage sind, sich unterein ander zu lieben, wie Jesus sie geliebt hat und also ihr Leben füreinander lassen können. 256 Vgl. z. B. C. Hoegen-Rohls, Johannes, 2004, 138. 257 Ἀκολουθήσεις δὲ ὕστερον in 13,36 bezieht sich hier sehr wahrscheinlich auf das Martyrium Petri, von dem die johanneische Gemeinde offensichtlich wusste (vgl. 21,18 f.). Dafür spricht auch, das ἀκολουθεῖν bereits 12,26 im Sinne von „Nachfolge in den Tod“ gemeint war. Aber auch wenn mit ἀκολουθήσεις δὲ ὕστερον hier die Nachfolge im Sinne des nachösterlichen Glaubens gemeint sein sollte, so ergibt sich aus dem Kontext, dass das Besondere dieses Glaubens, zu dem Petrus vor Ostern noch nicht in der Lage war, darin besteht, dass er sich auch angesichts lebensbedrohlicher Gefahren bewährt und somit letztlich dazu befähigt, das Leben für den Glauben und somit für Jesus hinzugeben. 258 H. U. Weidemann, Tod, 2004, 138. 259 H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 676. 260 Erstmals Joh 19,17 wird Gott als Vater der Jünger bezeichnet, zuvor spricht Jesus von ihm stets nur als von „meinem Vater“.
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Die Einheit Jesu mit Gott, wie sie am pointiertesten in 10,30 ausgesprochen ist, meint dabei keine Einheit des Wesens, sondern will primär veranschaulichen, dass in Wort und Tat Jesu Gott selbst präsent ist und offenbar wird, dass Jesu Worte und Taten die Worte und Taten Gottes sind, der in ihm gegenwärtig ist und wirkt (14,10).261 Im Blick auf die aus Liebe erfolgende Lebenshingabe Jesu kann man daher feststellen, dass auch sie ein Werk Gottes ist und dass in Jesu größtmöglicher Liebe die Liebe Gottes am Werk ist, dass jene in dieser ihren Grund hat und von ihr getragen wird, so dass in der liebenden Hingabe Jesu die Liebe Gottes in ihrer Vollendung offenbar wird (3,16; 1Joh 4,9 f.).
Exkurs 2: Name Gottes im Johannesevangelium Der Name Gottes, um dessen Verherrlichung Jesus den Vater in 12,28a bittet, spielt insbesondere im Hohepriesterlichen Gebet eine hervorgehobene Rolle. War vom ὄνομα Gottes unter Einbeziehung von 12,28 zuvor viermal die Rede (5,43; 10,25; 12,13), so wird er in Kapitel 17 weitere viermal erwähnt (17,6.11.12.26). Gottes ὄνομα gilt dabei als eine Größe, die Jesus von Gott gegeben wurde (17,11) und die er den Seinen offenbar gemacht (17,6) bzw. kundgetan hat und kundtun wird (17,26), wobei zwischen ϕανεροῦν und γνωρίζειν kein Bedeutungsunterschied zu erkennen ist.262 Daneben wird Gottes ὄνομα im Hohepriesterlichen Gebet interessanterweise als eine Macht dargestellt, in der die Jünger vor dem Zugriff Satans geschützt sind. So bittet Jesus im Rahmen der Fürbitte um Bewahrung seiner Jünger (17,9–19) seinen hier mit dem Attribut „heilig“ titulierten Vater, die Jünger in seinem Namen zu bewahren. Das von Gott erbetene Verhalten steht dabei, wie V. 12 zeigt, in Kontinuität zum bewahrenden und behütenden Verhalten Jesu zur Zeit seines irdischen Wirkens. Wie dieser die Jünger im Namen Gottes bewahrte und so verhinderte, dass außer Judas noch ein anderer der ihm Anvertrauten in Satans Gewalt geriet (13,2.27) und von diesem zurück in seinen Herrschaftsbereich, in die Nacht (13,30), geführt wurde, so soll nun Gott die Jünger in seinem Namen bewahren und sie dadurch im gleichen Sinne vor dem – hier sehr wahrscheinlich personal zu verstehenden – Bösen263 schützen. Die Bewahrung der Jünger vor dem Bösen meint somit keinesfalls, dass sie durch den Namen Gottes vor dem ihnen widerfahrenden Bösen geschützt werden264 – dagegen spricht bereits, dass diejenigen, die nicht ἐκ τοῦ κόσμου sind, aber ἐν τῷ κόσμῳ leben, notwendiger 261 Vgl. F. Hahn, Theologie Bd. 1, Tübingen 22005, 609. 262 Vgl. C. K. Barrett, Johannes, 1990, 497; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 689. 263 Dass der Genitiv τοῦ πονηροῦ in 17,15 maskulin, nicht neutrisch zu verstehen ist, und Gott die Jünger somit vor dem Zugriff des Teufels behüten soll, stellt R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 3, 1975, 209 unter Verweis auf die Ähnlichkeit zu 1Joh 5,18 f. zu Recht fest. Für ein maskulines Verständnis plädieren ferner u. a. C. K. Barrett, Johannes, 1990, 493; U. Wilckens, Johannes, 22000, 264; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 695. R. Bultmann, Johannes, 171962, 389, Anm. 3 bleibt bezüglich der Frage, ob τοῦ πονηροῦ maskulin oder neutrisch zu verstehen sei, ebenso wie K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 370 unentschieden. 264 In diesem Sinne aber C. K. Barrett, Johannes, 1990, 493, der zur Stelle feststellt „[…] er [sc. Der Fürst dieser Welt; F. T.] hat immer noch die Macht, den Jüngern Böses zuzufügen, wenn sie ohne göttliche Hilfe bleiben […]“.
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weise Bedrängnis haben (16,33) und vom Hass der Welt getroffen werden (15,18–16,4; 17,14). Vielmehr bewahrt der Name Gottes die Jünger davor, dass der Böse aufgrund dieser Bedrängnisse wieder Gewalt über sie gewinnen und „ihre Verbindung zu Gott aufbrechen“ kann,265 um sie wieder in die Welt und somit seinen Herrschaftsbereich zurückzuziehen. Bereits von dieser apotropäischen Funktion des göttlichen ὄνομα fällt m. E. Licht auf die vom johanneischen Jesus in der Situation seiner Bedrängnis gesprochene Bitte πάτηρ, δόξασόν σου τὸ ὄνομα. Doch bevor der Blick sogleich auf diese Bitte gerichtet werden kann, ist zunächst darauf einzugehen, was genau der vierte Evangelist meint, wenn er von Gottes ὄνομα spricht. Das Johannesevangelium spricht vom göttlichen ὄνομα entsprechend biblischem Sprachgebrauch. Wie im Alten Testament der mve Gottes für dessen Person stehen kann, weil sich in diesem Gott selbst offenbart,266 so gilt gleiches auch für das Johannesevangelium: Der göttliche mve bzw. das göttliche ὄνομα meint hier wie dort das der Welt zugewandte und offenbarte Wesen Gottes.267 Bei diesem aber denkt der vierte Evangelist in Parallele zum Verfasser des 1Joh primär an die Liebe (1Joh 4,8.16).268 Denn diese göttliche Liebe ist es ja, die sich durch Jesu Sendung und insbesondere seinen Tod offenbart, und in diesen Ereignissen wendet sich Gott der Welt als Liebender zu.269 Dafür, dass mit dem göttlichen ὄνομα tatsächlich dieses göttliche, der Welt zugewandte Liebeswesen gemeint ist, spricht auch, dass in 5,42 f. und in 17,26 im unmittelbaren Kontext einer Erwähnung des göttlichen ὄνομα auch die Liebe Gottes genannt wird. Bezeichnend ist dabei insbesondere 17,26, denn die Offenbarung des göttlichen ὄνομα und die Vermittlung der göttlichen Liebe durch Jesus sind hier eng aufeinander bezogen:270 Die göttliche Wesensart wird durch die Offenbarung Jesu und ihre Rezeption bei den Glaubenden in diese (sc. die Jünger) eingesenkt, so daß die Liebe Gottes, mit der er seinen Sohn liebt, in ihnen präsent wird, in ihnen wohnt und weiterwirkt.271 Das göttliche ὄνομα wird ferner dadurch als göttliche Liebe ersichtlich, dass Jesus im Rahmen der eben besprochenen Bitte, um Bewahrung der Jünger im göttlichen Namen (17,9–19), die eschatologische Freude anspricht, die ihnen diese seine in der Welt gesprochene Bitte bescheren soll (17,13). War von dieser eschatologischen Freude bereits 265 U. Schnelle, Johannes, 42009, 282. 266 Vgl. H. Bietenhard, Art. ὄνομα κτλ., 1954, 257. 267 Vgl. C. Dietzfelbinger, Abschied, 1997, 303; K. Scholtissek, In ihm sein, 2000, 330. An einen bestimmten Namen Gottes – etwa „πάτηρ“ (so etwa H. Bietenhard, Art. ὄνομα κτλ., 1954, 271) oder „ἐγώ εἰμι“ (so etwa H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 690 f.; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 194) – den Jesus den Menschen offenbarte, dürfte kaum gedacht sein. 268 Vgl. M. Hengel, Hoheitstitel, 1975, 97: „Die Aufgabe des monogenēs theόs, […], ist es, Gottes innerstes Wesen den Menschen mitzuteilen, und dieses Wesen ist Liebe“. 269 Vgl. z. B. E. E. Popkes, Theologie, 2005, passim, der ebd. 355 für das Johannesevangelium von einer „dramaturgische[n] Christologie der Liebe“ spricht, „da die Worte und Taten Jesu die menschgewordene Liebe Gottes verkörpern.“ 270 Vgl. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 3, 1975, 225. 271 Ebd.
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mehrmals im Johannesevangelium die Rede (15,11; 16,20 ff.24; vgl. auch 3,29; 8,56), so bezieht sich 17,13 insbesondere zurück auf 15,9–11.272 Ist es dort das Bleiben (μένειν) der Jünger in der Liebe Jesu, die auch hier ihren Grund in der Liebe Gottes hat und diese offenbart,273 das zur Folge haben soll, dass Jesu Freude in den Jüngern ist und ihre Freude eine Vollkommene wird, so ist in 17,12 f. das ὄνομα Gottes an die Stelle dieser Liebe getreten, wenn es hier Gottes Bewahren der Jünger in seinem ὄνομα ist, durch das Jesu Freude in den Jüngern sich vervollkommnen soll. Die vorangehenden Ausführungen über die Bedeutung des Liebestodes und das göttliche ὄνομα zusammenfassend bleibt festzuhalten: 1. Der Tod Jesu ist im Johannesevangelium verstanden als Liebestod für die Seinen, als Akt der größtmöglichen Liebe. 2. Zu dieser größtmöglichen Liebe ist in vorösterlicher Zeit nur Jesus fähig, weil nur er in Beziehung mit Gott ist, weil seine Liebe von der göttlichen Liebe getragen wird und es letztlich die Liebe Gottes ist, die in Jesu Liebe wirkt. 3. An diese Liebe Gottes als das der Welt in Jesus zugewandte Wesen Gottes denkt der vierte Evangelist, wenn er von Gottes ὄνομα spricht. 4. Das ὄνομα hat eine apotropäische Funktion: Es bewahrt vor der Macht des Satans. ✳ ✳ ✳
Mit Hilfe dieser Ergebnisse kann nun gezeigt werden, inwiefern der johanneische Jesus mit seinen Worten πάτερ, δόξασόν σου τὸ ὄνομα um einen Machterweis Gottes bittet, durch den dieser seine göttliche Macht offenbaren und die Nichtigkeit des Herrschers dieser Welt erweisen soll, um dadurch dessen Sturz zu bewirken. Denn, wenn Jesu Tod im Johannesevangelium als aus Liebe erfolgende Lebenshingabe zu verstehen ist, dann ist die ihn in seiner Stunde überkommende Todesangst eine Macht, die der Realisierung dieser größtmöglichen Liebe im Wege steht. Wird ferner die Todesangst auf das Wirken des Teufels zurückgeführt, und ist es sodann die in Jesus wirkende göttliche Liebe, die sich in Jesu Lebenshingabe offenbart und ihm diese Lebenshingabe erst ermöglicht, dann stehen sich in der johanneischen Gethsemane-Szene die göttliche Macht der Liebe und die teuflische Macht der Todesangst in einem Machtkampf gegenüber. Hätte Jesus der durch seine Todesangst veranlassten Versuchung nachgegeben, wäre die Bitte πάτερ, σῶσόν με ἐκ τῆς ὥρας ταύτης sein letztes Wort gewesen, so hätte sich die Todesangst als eine gegenüber der Liebe überlegene Macht gezeigt, und der Herrscher dieser Welt somit über Gott gesiegt. Doch die Bitte um Rettung ist nicht Jesu letztes Wort. Vielmehr wird sie als zu ergreifende Möglichkeit verworfen und durch die Bitte πάτερ, δόξασόν σου το ὄνομα ersetzt. Aufgrund des Gebrauchs der dieser Bitte sehr ähnlichen Wendung τῷ ὀνόματί σου 272 Vgl. K. Scholtissek, In ihm sein, 2000, 331, der Joh 17,13c als relecture von Joh 15,9–11 ansieht. 273 Vgl. J. Heise, Bleiben, 1967, 89.
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δὸς δόξαν bzw. δὸς δόξαν τῷ ὀνόματί σου in LXX wurde oben vermutet, dass der johanneische Jesus den Vater mit diesen Worten um eine Tat bittet, durch die Jesu Notsituation beendet und Gottes Macht offenbar wird. Hier zeigt sich nun, dass dieses Verständnis einen guten Sinn ergibt: Bittet Jesus den Vater darum, die Macht seines Namens zu offenbaren, so bittet er ihn nach dem oben zur Bedeutung des göttlichen Namens Gesagten darum, die Macht seiner Liebe zu erweisen. Dieser Machterweis soll eben dadurch geschehen, dass die in Jesus wirkende göttliche Liebe es ihm ermöglicht, die ihm vom Teufel in der nun angebrochenen Stunde in den Weg gestellte Hürde der Todesangst zu überwinden und trotz ihrer weiterhin in Willenseinheit mit dem Vater zu bleiben, sein Leben für die Seinen lassen zu wollen und gerade dadurch in seiner Passion und seinem Tod zum Offenbarer der göttlichen Liebe und ihrer Macht zu werden. Die Bitte Jesu wird erhört, und indem Jesus somit letztlich kraft der in ihm wirkenden göttlichen Liebe trotz Todesangst sein Leben für die Seinen lassen wird und auf diese Weise die göttliche Liebe und ihre Macht offenbart, verliert der Herrscher dieser Welt seine Macht: In der Welt ist eine ihm überlegene Macht erschienen und hat ihn überwunden. Dass die Bitte Jesu erhört wird, bringt die Himmelsstimme, die als Antwort auf sie ergeht, in doppelter Weise zum Ausdruck: Zunächst stellt Gott durch sie im Aorist fest, dass er seinen Namen bereits verherrlicht hat (ἐδόξασα), sodann konstatiert er im Futur, dass er ihn abermals verherrlichen wird (πάλιν δοξάσω). Für das Verständnis dieser bitemporalen Aussage274 ist nun wichtig, dass Jesu Bitte in dem Moment, da er sie ausspricht bereits ein erstes Mal in Erfüllung gegangen ist. Denn indem Jesus den Vater um die sich in seiner Passion und seinem Tod ereignende Verherrlichung des göttlichen Namens bittet, hat er die Möglichkeit der Flucht aus der Stunde für den Moment schon verworfen, und sein Wille bleibt in Einheit mit dem des Vaters auf seine liebende Lebenshingabe gerichtet. Von der Macht der göttlichen Liebe, um deren Erweis er bittet, ist er bereits im Moment der Bitte ergriffen und getragen.275 Fragt man zunächst, was unter der bereits erfolgten Verherrlichung, die durch die Himmelsstimme konstatiert wird, zu verstehen ist, so sind Antworten, die darin eine Anspielung auf die Verherrlichung durch die gesamte öffentliche Wirksamkeit Jesu,276 oder präziser durch die zur Zeit dieser öffentlichen Wirksamkeit vollbrachten σημεῖα277 sehen, kaum überzeugend. Denn die Himmelsstimme insgesamt ist ja bestätigende Antwort auf die in einer konkreten Situation gesprochene Bitte Jesu und muss daher auch im Rahmen dieser konkreten 274 Zum Begriff vgl. J. Frey, Eschatologie II, 1998, 134 ff. 275 Zur Vorgängigkeit der Gebetserhörung vgl. H. Kohler, Kreuz, 1987, 235. 276 So beispielsweise R. Bultmann, Johannes, 171962, 328; J. Blank, Krisis, 1964, 278 f.; C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 392; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 74. 277 So beispielsweise C. K. Barrett, Johannes, 1990, 419.
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Situation ausgelegt werden.278 Aus welchem Grund sollte der Evangelist, Gott mit einem Verweis, auf Jesu angesichts seiner in Todesangst geäußerten Bitte, der Vater möge seinen Namen in der nun angebrochenen Stunde verherrlichen, mit einem Verweis darauf antworten lassen, dass er seinen Namen, bereits zur Zeit der öffentlichen Wirksamkeit Jesu oder durch die von Jesus vollbrachten σημεῖα verherrlicht habe? Plausibler erscheint es m. E., dass der Aorist ἐδόξασα auf die eben erwähnte Vorgängigkeit der Gebetserfüllung Bezug nimmt und also die Bitte Jesu selbst bereits als Akt darstellen will, durch den der Vater seinen Namen verherrlicht hat:279 Gott stellt fest, dass er die Macht seiner in Jesus wirkenden Liebe soeben offenbar gemacht hat, als Jesus sich trotz seiner Todesangst nicht zu der Bitte πάτερ, σῶσόν με ἐκ τῆς ὥρας ταύτης sondern zu der Bitte πάτερ, δόξασόν σου το ὄνομα und damit zur Annahme der anbrechenden Stunde entschied. Worauf aber bezieht sich dann das futurische δοξάσω? Ist an die Verherrlichung des göttlichen Namens in der nachösterlichen Zeit280 oder an dessen jetzt anstehende Verherrlichung durch Passion und Kreuz Jesu gedacht?281 M. E. liegt eine andere Vermutung näher, die jedoch erst dargelegt werden soll, nachdem im folgenden Kapitel mit 13,21–30 eine weitere Stelle besprochen wurde, an der ebenfalls vom Teufel und Jesu ταραχή die Rede ist.
3.1.2 Die ταραχή Jesu und die Ausscheidung des Verräters (Joh 13) Bei dem Abschnitt, der durch die erneute Erwähnung von Jesu ταράσσεσθαι eingeleitet wird und in dessen Folge der johanneische Jesus die jetzt erfolgte Verherrlichung des Menschensohnes und Gottes konstatiert, handelt es sich um den Bericht über die Ausscheidung des Verräter aus dem Kreis der Jünger (13,21–30). Dieser findet sich im unmittelbaren Anschluss an die Erzählung von der Fußwaschung und deren zweiter Deutung, mit der der zweite Hauptteil des Evange liums beginnt.
278 Ähnlich W. Thüsing, Erhöhung, 21970, 194 ff. 279 Vgl. ebd. 196. Über die Bitte Jesu in 12,28a und die darin zum Ausdruck kommende Annahme der Stunde hinaus bezieht sich der Aorist ἐδόξασα dann aber nach Thüsing auch auf das irdische Werk Jesu insgesamt und insbesondere auf „dessen Vollendung im Tode“ (ebd.). 280 Vgl. z. B. ebd. 281 So z. B. R. Bultmann, Johannes, 171962, 328; C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 392; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 564.
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3.1.2.1 Die Vorbereitung der Ausscheidung und das Herz des Judas Die große Bedeutung, die Johannes der 13,21–30 geschilderten Szene beimisst, ergibt sich bereits daraus, dass sie im Rahmen der Fußwaschungserzählung mehrmals vorbereitet wird: Dreimal wird hier auf Judas und seine Tat hingewiesen (13,2.10 f.18 ff.), wobei der Leser bereits in 13,2 darauf aufmerksam gemacht wird, dass diese Tat letztlich auf das Wirken des Teufels zurückzuführen ist. Die Verse 13,1–3, in deren Rahmen der Teufel hier erwähnt wird, fungieren als Einleitung nicht nur der Fußwaschung, sondern der Kapitel 13–20 insgesamt.282 Vielleicht erklärt sich aus diesem einleitenden Charakter der Verse „die überladen erscheinende und angesichts der bei Johannes gewohnten Diktion überraschende Satzperiode“,283 die nicht wenige Exegeten zu literarkritischer Arbeit verleitet hat.284 In jedem Fall aber deutet die Tatsache, dass der Teufel im Rahmen dieser Einleitung Erwähnung findet, die enorme Bedeutung an, die der Evangelist dieser Gestalt für das Verständnis der nun anbrechenden Passions ereignisse beimisst. Was aber wird in V. 2 über den Teufel festgestellt? Welches Verhalten wird ihm nachgesagt? Diese Fragen sind keineswegs einfach zu beantworten, denn der Vers weist bereits textkritisch einige Probleme auf, von denen das für die vorliegende Arbeit interessanteste, die Frage nach der grammatischen Form des Namens „Judas“ betrifft. Die Masse der Handschriften bietet den Genitiv Ἰούδα der sich dann häufig im unmittelbaren Anschluss an καρδίαν findet,285 so dass sich ein recht unproblematischer Text ergibt, nach dem der Teufel Judas zum Zeitpunkt des Mahles bereits ins Herz gelegt hatte, Jesus zu verraten. Nicht wenige, gewichtige Textzeugen lesen hingegen den Nominativ Ιούδας286 und positionieren diesen am Ende des Verses, im Anschluss an ἵνα παραδοῖ αὐτὸν. Wollte R. Bultmann in der letztgenannten Variante eine Beseitigung des Widerspruchs zwischen den VV. 13,2 und 27 erblicken, und sah somit den Genitiv Ιούδα als ursprüngliche Lesart,287 so spricht sich die überwiegende Mehrheit der Editionen und Kommentatoren aufgrund der Bewertung dieser Variante als lectio difficilior m. E. zu Recht für den Nominativ Ιούδας als ursprüngliche Lesart aus.288 282 Zum einleitenden Charakter der Verse vgl. z. B. K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 96. U. Wilckens, Johannes, 22000, 205; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 583. 283 H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 583. 284 Vgl. z. B. R. Bultmann, Johannes, 171962, 352 f.; R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 3, 1975, 7 ff.; C. Dietzfelbinger, Johannes 2, 22004, 10.17. 285 So etwa A D K Δ Θ Π f 1 28 33 700 892 Û. 286 So etwa î66 a B L (W) X Ψ 0124 1241. 287 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 353, Anm. 4; vgl. ferner z. B. J. Becker, Johannes 2, 3 1991, 500; H. J. Klauck, Judas, 1987, 81, Anm. 202. 288 Vgl. z. B. W. Bauer, Johannesevangelium, 21925, 162 f.; R. Schnackenburg, Johannesevangelium 3, 1975, 18, mit Anm. 37; B. Lindars, John, Reprinted1987, 449; C. K. Barrett, Johannes, 1990, 431; B. M. Metzger, Commentary, 31971, 239 f.
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Wie aber ist V. 2 dann zu verstehen? Kaum dürfte daran gedacht sein, dass der Teufel sich selbst ins Herz gelegt und somit beschlossen hatte, dass Judas Jesus verraten sollte.289 Denn dann wäre ein medialer Gebrauch von βάλλειν zu erwarten.290 Trotz der ungewöhnlichen Wortstellung, die sich aus dem Wunsch des Verfassers ergeben dürfte, den vollen Namen des Verräters betont am Ende des Satzes zu positionieren,291 erscheint es plausibler, den Vers so zu verstehen, dass der Teufel Judas den Gedanken ins Herz legt, Jesus zu verraten. Dafür spricht zunächst, dass die Vorstellung, der Teufel könne das Herz eines Menschen bzw. seine Gedanken beeinflussen, in der frühjüdisch-urchristlichen Tradition belegt ist,292 und auch in der profanen Literatur an einigen Stellen davon die Rede ist, dass den Menschen von metaphysischen Wesen etwas in den Sinn oder das Herz geworfen wird.293 Aber auch das vom Evangelisten gezeichnete Bild des Teufels insgesamt deutet in diese Richtung. Denn der johanneische Teufel wirkt – wie oben bereits dargestellt wurde294 – anders als etwa der synoptische nicht durch Dämonen, sondern nur durch Menschen und 13,2 deutet an, wie es ihm gelingt, Macht über die Menschen zu gewinnen: Indem er ihre Herzen beeinflusst. Für nicht wenige Exegeten besteht zwischen der Darstellung in 13,2, nach der der Teufel Judas den Gedanken, Jesus zu verraten, bereits vor dem Essen ins Herz gegeben hatte, und der Erzählung von 13,27, nach der der Satan in Judas einging, als er beim Mahl den Bissen von Jesus gereicht bekommen hatte, ein Widerspruch, der sie dazu veranlasst, beide Aussagen auf unterschiedliche Hände zurückzuführen.295 Zwar ist es richtig, dass beide Verse zueinander in einer gewissen Spannung stehen. Der Gegensatz ist jedoch nur ein relativer – zwischen dem Eingeben eines Planes durch Satan und dem Eingehen Satans selbst in eine Person besteht ein Unterschied296 – und sollte schon deshalb nicht literarkritisch gelöst werden. Die Spannung erklärt sich vielmehr dadurch, dass der Evangelist bei seiner Darstellung der satanischen Einflussnahme auf Judas einen Spagat zwischen mehreren apologetischen Anliegen zu leisten hatte. Durch die Darstellung in 13,26 f. intendiert der vierte Evangelist unter anderem den Gedanken abzuwehren, Jesus sei gegen seinen Willen in den Tod geführt worden, sei 289 So bereits H. A. Meyer, Johannes, 21852, 329; vgl. ferner z. B. C. K. Barrett, Johannes, 1990, 431; U. Busse, Johannesevangelium, 2002, 203, mit Anm. 531. Auch R. Bultmann, Johannes, 171962, 353, Anm. 4, versteht die – wie bereits dargestellt – von ihm als sekundär bewertete Variante in diesem Sinne. 290 Vgl. W. Bauer, Johannesevangelium, 21925, 163. 291 Vgl. z. B. B. Weiss, Johannes-Evangelium, 81893, 453; R. Schnackenburg, Johannesevangelium 3, 1975, 18. 292 Vgl. z. B. TestHi 26,6; 47,10; TestDan 1,7; MartJes 3,11; 5,1; Apg 5,3. 293 Vgl. Neuer Wettstein I,2, 2001, 634. 294 Vgl. oben S. 152. 295 Vgl z. B. R. Schnackenburg, Johannesevangelium 3, 1975, 17 f.; J. Becker, Johannes 2, 3 1991, 500; H. J. Klauck, Judas, 1987, 81. 296 Vgl. H. J. Klauck, Judas, 1987, 81.
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in seiner Passion ohnmächtiges Opfer gewesen.297 Deswegen schildert er Jesus geradezu als den Initiator seines eigenen Todes, der die Ereignisse willentlich in Gang bringt, indem er Judas den Bissen gibt, nach dem dann der Satan in Judas einfährt, und den in ihn eingegangenen Satan mit den Worten Ὅ ποιεῖς ποίησον τάχιον auffordert, zur Tat zu schreiten. Diese Art der Darstellung konnte jedoch einen anderen Gedanken provozieren, den Johannes ebenfalls abzuwehren suchte. Hatte Jesus mit der Übergabe des Bissens an Judas nicht einen der Seinen dem Satan ausgeliefert, ihn ins Verderben gestürzt und damit entgegen dem Willen des Vaters gehandelt (vgl. 6,37.39)? Dass Jesus eben dies nicht getan hat, stellt Johannes klar, indem er durch die Erwähnung der teuflischen Einflussnahme auf Judas in 13,2 zum Ausdruck bringt, dass der Teufel bereits zuvor Macht über Judas gewonnen hatte. Für sich genommen könnte auch die Darstellung in 13,2 für den vierten Evangelisten zum Problem werden. Denn wenn es dem Teufel gelungen war trotz Jesu Gegenwart, Macht über Judas, einen Jünger aus dem Zwölferkreis zu gewinnen, dann konnte das als ein Beleg dafür gedeutet werden, dass der Teufel, anders als es der johanneische Jesus behauptet hatte, doch dazu in der Lage war, dem guten Hirten und dessen Vater ihre Schafe zu entreißen (10,28–30). Dieses Verständnis wehrt der vierte Evangelist nicht nur dadurch ab, dass er Jesus im Folgenden als Initiator des tatsächlichen Eingehens Satans in Judas darstellt. Vielmehr hat er es bereits lange zuvor in 6,67–71 unmöglich gemacht. In diesem Abschnitt wird Judas innerhalb des vierten Evangeliums erstmals namentlich erwähnt, und Johannes weist sogleich darauf hin, dass eine Verbindung zwischen ihm und dem Teufel besteht. Insofern der Abschnitt damit ebenfalls die Ausscheidung des Verräters vorbereitet, soll er an dieser Stelle in einem Exkurs besprochen werden. Exkurs 3: Judas als ein Teufel in Joh 6 Der Abschnitt 6,67–71 ist nicht nur diejenige Stelle, an der Judas erstmals namentlich genannt wird, sondern zugleich diejenige, an der erstmals im vierten Evangelium vom Teufel die Rede ist. Im Anschluss an das von Petrus gegenüber Jesus ausgesprochene Bekenntnis „Du bist der Heilige Gottes“ stellt Jesus allgemein fest, dass einer aus dem Zwölferkreis ein διάβολος ist. Der vierte Evangelist erläutert dann sogleich in einem Erzählerkommentar, dass Jesus dabei an Judas, den Sohn des Simon Iskariot, dachte, der einer der Zwölf war und Jesus verraten sollte. Der Abschnitt beschließt die literarische Einheit von Joh 6.298 Im Zentrum dieser Einheit steht die johanneische Brotrede (6,22–59), die von Zeichenhandlungen (6,1–21) und der Reaktion der Jünger auf die Brotrede umrahmt wird.299 Dieser Rahmen kann 297 Vgl. ebd. 85. 298 Zu Joh 6 als literarischer Einheit vgl. T. Popp, Grammatik, 2001, 256–276; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 331f; U. Schnelle, Johannes, 42009, 128, mit Anm. 1. 299 Vgl. ähnlich U. Wilckens, Johannes, 22000, 95; C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 144; U. Schnelle, Johannes, 42009, 128, die jedoch die Brotrede erst in 6,25 bzw. 6,26 beginnen lassen.
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nochmal in einen äußeren (wunderbare Brotvermehrung [6,1–15]; Reaktion des Zwölferkreis auf Jesu Rede [6,67–71]) und einen inneren Rahmen untergliedert werden (Seewandel [6,16–21]; Reaktion auf Jesu Rede im Jüngerkreis [6,60–66]).300 Die beiden Joh 6 beschließenden Rahmenteile sind einander dabei insofern zugeordnet, als zunächst die Reaktion des weiteren Jüngerkreises auf Jesu Rede dargestellt wird (6,60–66), sodann die Reaktion auf diese Rede im Zwölferkreis (6,67–71). Zugleich stehen beide Szenen zueinander im Kontrast, da die Jünger des weiteren Kreises mit Abfall von Jesus auf dessen Rede reagieren, die Jünger des Zwölferkreises hingegen mit dem von Petrus ausgesprochenen Bekenntnis zu Jesus.301 Bemerkenswert ist nun, dass auf Judas in beiden Joh 6 beschließenden Abschnitten verwiesen wird. In 6,60–66 ist jedoch vom Teufel keine Rede, und Judas wird auch nicht namentlich genannt. Angesichts der Jünger, die an der Brotrede Jesu Anstoß nehmen und sich von ihm abwenden, konstatiert der Evangelist nur knapp, dass Jesus von Anfang an wusste, wer unter seinen Jüngern „diejenigen sind, die nicht glauben, und wer derjenige ist, der ihn ausliefern wird“ (6,64). Die Nebeneinanderstellung von ungläubigen Jüngern und Verräter ist gewiss kein Zufall, zumal die Erwähnung des Judas hier gänzlich unmotiviert erfolgt.302 Vielmehr soll durch sie zum Ausdruck gebracht werden, dass auch Judas ein Ungläubiger ist und seine Tat seinem Unglauben entspringt.303 Wenn jedoch einige Exegeten Judas deswegen als „Extremfall“ der ungläubigen Jünger304 oder als Illustration des Unglaubens „in seiner extremsten Form“ bezeichnen,305 so ist dies nicht unproblematisch und bedarf zumindest der Präzisierung. Denn der Unglaube des Judas unterscheidet sich nicht nur in der Form, sondern in der Qualität von dem, der Jesus angesichts der Brotrede verlassenden Jünger. Dies verdeutlichen die auf 6,64 folgenden Verse. Der Unglaube derer, die angesichts der Brotrede an Jesus Anstoß nehmen und sich von ihm abwenden (6,66), wird in 6,65 darauf zurückgeführt, dass es ihnen von Gott nicht gegeben worden ist, zu Jesus zu kommen. Bei Judas aber verhält sich das anders, wie seine Erwähnung im Abschnitt 6,67–71 zeigt. Mit Nachdruck wird in 6,67–71 betont, dass Judas εἷς ἐκ τῶν δώδεκα ist (6,71) und die rhetorische Frage Jesu οὐκ ἐγὼ ὑμᾶς τοὺς δώδεκα ἐξελεξάμην306 verdeutlicht, dass die Zwölf, von denen bei Johannes nur hier und in 20,24 die Rede ist, von Jesus erwählt sind. Dabei hat die Rede von der Erwählung der Zwölf durch Jesus hier nichts mit der synoptischen Einsetzung des Zwölferkreises gemeinsam, die bei Lk mit dem Verb ἐκλέγομαι beschrieben wird (Lk 6,13). Vielmehr steht sie in 6,70, wie auch an den übrigen Stellen, an denen sie bei Johannes begegnet (13,18; 15,16; 15,19), in einer Linie mit prädestinatorischen Aussagen,307 die gerade in Joh 6 gehäuft vorkommen. Die 300 Vgl. ähnlich P. Dschulnigg, Jesus, 2000, 156. 301 Vgl. M. Theobald, Johannes, 2009, 488. 302 Vgl. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 31980, 108. 303 Vgl. H. J. Klauck, Judas, 1987, 72; P. Dschulnigg, Jesus, 22002, 158; J. Leonhardt-Balzer, Bilder, 2012, 235. 304 Vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 271. 305 Vgl. H. J. Klauck, Judas, 1987, 72; P. Dschulnigg, Jesus, 22002, 158. 306 Zum Verständnis der zitierten Wendung als rhetorische Frage vgl. z. B. C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 186; K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 276; M. Theobald, Johannes, 2009, 495. 307 Vgl. C. Dietzfelbinger, Johannes 2, 22004, 214.
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jenigen, die Jesus erwählt hat, sind eben diejenigen, die vom Vater zu ihm gezogen werden (6,44), denen es der Vater gegeben hat, zu ihm zu kommen (6,65), und die der Vater Jesus gegeben hat (6,37.39).308 Für diese Interpretation, nach der es dann eben auch Judas vom Vater gegeben ist, zu Jesus zu kommen, spricht zum einen, dass Judas auch im Hohepriesterlichen Gebet unter diejenigen gerechnet wird, die der Vater Jesus gegeben hat (17,6.12). Zum anderen aber wird sie dadurch bestätigt, dass Petrus sein Bekenntnis in 6,68 f., wie der vierte Evangelist noch deutlicher herausarbeitet als die Synoptiker,309 als Stellvertreter der Zwölf spricht.310 Petrus spricht dann aber auch für Judas, wenn er Jesus auf dessen Frage „Wollt ihr nicht auch weggehen?“ antwortet: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Worte ewigen Lebens hast du. Und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist.“ Wenn es richtig ist, dass das Petrusbekenntnis zugleich ein Judasbekenntnis ist, dann unterscheidet sich der Unglaube des johanneischen Judas eben dadurch von dem Unglauben der in 6,60–66 von Jesus abfallenden Jünger, dass es ein paradoxer Unglaube ist, ein Unglaube trotz erkennenden Glaubens. Judas hat erkannt, dass Jesus „an Gottes innerstem und eigenstem Wesen“ teilhat,311 und ebenso, dass die menschliche Sehnsucht nach Leben nur bei Jesus gestillt wird. Trotz dieser Erkenntnis wendet er sich gegen Jesus312 und den in ihm präsenten Gott und bevorzugt sehenden Auges den Verbleib des Kosmos in der Todesfinsternis vor seinem Sein im Licht des Lebens. In diesem Verhalten entspricht Judas dem johanneischen Teufel, so dass er als dessen „menschliche[s] Äquivalent“313 bezeichnet werden kann. Judas steht daher nicht auf einer Ebene mit den ungläubigen Jüngern aus 6,60–66, die sich von einem von ihnen nicht verstandenen Jesus abwenden. Ebenso wenig ist er der Repräsentant der Juden aus 8,44. Denn diese suchen Jesus zu töten, weil sie aufgrund ihrer Verblendung durch die teuflische Lüge die göttliche Wahrheit in Jesus nicht erkennen. Sie gehen in der Meinung gegen ihn vor, Gott damit einen Dienst zu tun. Judas hingegen handelt teuflischer. Er liefert einen Jesus aus, den er als von Gott gesandten Lebensbringer erkannt hat. Stellt der johanneische Jesus in 6,70 mit Blick auf Judas fest ἐξ ὑμῶν εἷς διάβολός ἐστιν, so steht dies in einer gewissen Spannung zu den Aussagen über die Verbindung zwischen Judas und Teufel in 13,2 und 13,27. Denn dort wird Judas als Gefäß und Werkzeug des Teufels dargestellt, hier hingegen wird er selbst als ein Teufel bezeichnet.314’ Diese scharf wirkende Bezeichnung des Judas als Teufel erklärt sich dadurch, dass der vierte Evangelist hier das synoptische Petrusbekenntnis verarbeitet hat, 308 Vgl. U. Wilckens, Johannes, 22000, 110. 309 Vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 273 f. 310 Vgl. z. B. R. Bultmann, Johannes, 171962, 345; U. Wilckens, Johannes, 22000, 110; K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 273 f.; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 381 f.; M. Theobald, Johannes, 2009, 495. 311 Vgl. R. Schnackenburg, Johannesevangelium 2, 31980, 112. 312 Vgl. C. Dietzfelbinger, Johannes 1, 22004, 187: „[Judas] ist nicht von einem nicht ganz verstandenen Jesus fortgegangen, sondern er hat den von ihm verstandenen Jesus ausgeliefert.“ 313 J. Leonhardt-Balzer, Bilder, 2012, 239, für die der johanneische Judas jedoch das menschliche Äquivalent des metaphysischen Gegners Jesu ist, weil er „das Symbol der Gegnerfigur [ist], das Unglauben, Betrug an den Brüdern und Verrat an dem Meister vereint“. 314 Vgl. E. E. Popkes, Antichristen, 2005, 235.
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das er – ob nun aus den Evangelien oder aus der Tradition – gekannt haben dürfte.315 Wie in der synoptischen Tradition Petrus als Satan angeredet wird, so wird im Johannesevangelium Judas als Teufel dargestellt, wobei das vierte Evangelium Judas dadurch ebenso wenig als den leibhaftigen Teufel kennzeichnet wie die synoptische Tradition Petrus als diabolus incarnatus ansieht.316 Vielmehr stellt J. Leonhardt-Balzer mit Blick auf den johanneischen Judas zutreffend fest: „Der Mensch Judas ist ein Teufel als der, der Jesus ausliefert.“317 Ergänzend hinzufügen muss man jedoch sogleich, dass Judas für Johannes dennoch nicht erst durch seine Tat zu einem Teufel wird. Eben dies verdeutlicht der vierte Evangelist, wenn er Jesus in 6,70, lange bevor der Teufel dem Judas ins Herz gibt, Jesus zu verraten, nicht etwa feststellen lässt, dass sich Judas als ein Teufel erweisen wird, oder dass er zu einem Teufel werden wird, sondern dass er ein Teufel ist. Dem Leser wird dadurch klar gemacht, dass Judas, wenngleich er ein von Jesus Erwählter ist, der erst in 13,2 und 27 tatsächlich satanisch aktiviert wird, doch nicht erst dort das Lager wechselt, sondern vielmehr schon von Anfang an auf der Seite des Teufels steht.318 Beugt der vierte Evangelist auf diese Weise dem Vorwurf vor, Jesus habe sich als dem Teufel unterlegen erwiesen, da er einen der Seinen, die ihm anvertraut waren, vor dessen Zugriff nicht bewahren konnte, so wehrt er in 6,64 und 6,70 f. noch einen weiteren Vorwurf ab, der angesichts der Tat des Judas gegenüber Jesus erhoben werden konnte: Wie war es möglich, dass Jesus seinen eigenen Verräter erwählt hatte? Sprach das nicht massiv gegen ihn?319 Johannes beantwortet solche Einwände in den VV. 64 und 70 f. zunächst mit dem Verweis auf Jesu wunderbares Vorauswissen. Er stellt klar, dass Jesus sich in Judas nicht getäuscht hat, sondern dass er von Anfang an wusste, wer dieser Judas ist und was er tun wird. In Joh 6 bleibt dabei fraglich, ob Jesus Judas erwählt hat, obwohl oder gerade weil er dies alles wusste. Die Antwort, die Johannes auf diese Frage gibt, findet sich in 13,18 und 17,12. Die Erwählung des Verräters wird an beiden Stellen darauf zurückgeführt, dass die Schrift erfüllt werden musste (ἵνα ἡ γραϕὴ πληρωθῇ), wobei die Schriftstelle, an die dabei gedacht ist, an beiden Stellen Ps 41,10 ist.320 Diese zitiert der vierte Evangelist in 13,18 in freier Form mit den Worten ὁ τρώγων μου τὸν ἄρτον ἐπῆρεν ἐπ’ ἐμὲ τὴν πτέρναν αὐτοῦ. Wurde Judas somit erwählt, damit er als derjenige, der Jesu Brot isst, seine Ferse gegen ihn erhebt, so ist deutlich, dass Jesus ihn 315 Viele derjenigen Exegeten, die nicht davon ausgehen, dass Johannes eines der synop tischen Evangelien kannte, nehmen das synoptische Petrusbekenntnis als traditionsgeschichtlichen Hintergrund der johanneischen Szene. Vgl. z. B. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 31980, 112 f.; H. J. Klauck, Judas, 1987, 74 f.; K. Wengst, Johannesevangelium 1, 22004, 272 f. 316 Vgl. oben S. 127. 317 Vgl. J. Leonhardt-Balzer, Bilder, 2012, 235 (Hervorhebung von mir, F. T.). 318 Vgl. C. Böttrich, Judasgestalt, 2012, 166. 319 Zu diesem Vorwurf als Hintergrund von Joh 6,64 und 6,70 f. vgl. z. B. R. Bultmann, Johannes, 171962, 343, Anm 3; R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium 2, 31980, 108.112; H. J. Klauck, Judas, 1987, 72 ff.; M. Meiser, Judas, 2004, 45 f. K. Wengst, Johannesevangelium 1, 2 2004, 271; 276. 320 Ps 41,10 wird zwar in 17,12 nicht explizit zitiert, doch ist es angesichts des Zitats in 13,18 sehr wahrscheinlich, dass auch 17,12 an diese Schriftstelle gedacht ist (vgl. z. B. R. Schnackenburg, Johannesevangelium 3, 41982, 207; C. K. Barrett, Johannes, 1990, 492).
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nicht erwählt hat, obwohl er wusste, wer Judas ist, sondern gerade weil er dies wusste. Judas wurde von Jesus also „zu eben der Funktion erwählt, die er nachher auch erfüllt: durch seinen Verrat die Passion einzuleiten.“321 ✳ ✳ ✳
3.1.2.2 Die ταραχή Jesu in Joh 13,21: Prophetische Erregung oder Todesangst? Nachdem nach 13,2 auch in 13,10 f. und 13,18 ff. auf Judas und seine Tat hin gewiesen wird, ohne dass dabei jedoch der Teufel Erwähnung findet, beginnt der Bericht über die Ausscheidung des Judas aus dem Kreis der Jünger in 13,21. Eben in diesem einleitenden Vers ist erneut von der ταραχή Jesu die Rede. Die Formulierung weicht dabei von der in 12,27 ab. Anstelle des dortigen Perfekts wird hier der Aorist gebraucht, und es ist nicht die ψυχή Jesu, die sich im Zustand der Erschütterung befindet, sondern – wie in 9,33 – das πνεῦμα. Insbesondere die letzte Abweichung scheint R. Bultmann dazu veranlasst zu haben, die Rede von Jesu ταράσσεσθαι in 13,21 in anderer Weise zu verstehen als in 12,27. Schlägt er für 12,27 eine Übersetzung mit „‚mir ist angst‘“322 vor, so konstatiert er zu 12,31: „Jesus redet als Prophet“323 und fügt in einer Fußnote hinzu, dass nicht „die seelische Erschütterung Jesu“ dargestellt werde, sondern sein „pneumatische[s] Reden“.324 Bultmanns Interpretation, der sich einige Exegeten angeschlossen haben,325 basiert dabei nicht unwesentlich darauf, dass er, wie er in seinem Kommentar zu 6,33 feststellt, ταράσσειν neben ἐμβριμᾶσθαι unter die „voces mysticae“ rechnet, durch welche „die pneumatische Erregung des θεῖος ἄνθρωπος“ zum Ausdruck gebracht werde.326 Die meisten der wenigen Belege, die er und sein Gewährsmann C. Bonner327 für dieses Verständnis von ταράσσειν anführen, sind m. E. jedoch zweifelhaft. So finden sich unter den drei Texten, die Bonner im Blick auf ταράσσειν bespricht auch zwei Stellen aus Plutarchs Schrift De defectu oraculorum. Dabei ist der Terminus ταράσσειν an der ersten Stelle (p 435 c) gar nicht belegt.328 An der zweiten Stelle (p 438 A–B) schließlich ist 321 J. Leonhardt-Balzer, Bilder, 2012, 236. 322 R. Bultmann, Johannes, 171962, 327. 323 Ebd. 367. 324 Ebd. Anm. 2. 325 Vgl. H. J. Klauck, Judas, 1987, 83; P. Dschulnigg, Jesus, 22002, 172; C. Hoegen-Rohls, Johannes, 2004, 300. 326 R. Bultmann, Johannes, 171962, 310, Anm. 4. 327 C. Bonner, Traces, 1927, 171–181. 328 Plutarch, De defectu oraculorum p 435 c, berichtet davon, dass es im delphischen Kult nicht ausreichend war, wenn das geopferte Tier im Zuge der Begießung mit dem Trankopfer lediglich mit dem Kopf wackelte (οὐ γὰρ ἀρκεῖ τὸ διασεῖσαι τὴν κεϕαλὴν). Vielmehr musste die Bewegung und das Zittern des Tieres heftig sein, und sich in Verbindung mit einem G eräusch
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zwar davon die Rede, dass die Pythia am Ende eines Orakels vollkommen außer sich (παντάπασιν ἐκταραχθεῖσα) aus dem Orakelraum stürzt und sich zu Boden wirft. Doch handelt es sich hier um die Beschreibung eines außergewöhnlichen Opfers, in dessen Folge die Pythia stirbt, und in dessen Verlauf es ihr, da sie von einem das Reden hindernden Dunst ergriffen wurde, gerade nicht gelingt ein deutliches Orakel hervorzubringen. Bei ihrem durch ἐκταράσσεσθαι beschriebenen Zustand handelt es sich demzufolge nicht um einen fruchtbaren Zustand pneumatischer Erregung, sondern um vollkommene und unproduktive Raserei, die – wie der Text verdeutlicht – sogar die anwesenden Priester des Orakels in Angst versetzt. Es bleibt dann von den bei Bonner genannten Texten lediglich ein Beleg aus einem griechischen Zauberpapyrus,329 an dem ταράσσειν einen Zustand beschreibt, der im Sinne einer ekstatischen Erregung verstanden werden kann. Fügt Bultmann diesem Zauberpapyrus schließlich mit CH 13,4.6 noch zwei weitere Stellen aus dem Corpus Hermeticum als Belege für eine μανία und ein ταραχθῆναι des Offenbarungsempfängers hinzu,330 so findet sich entgegen seiner Behauptung ταράσσειν an keiner dieser Stellen. Ist es daher zumindest fraglich, ob ταράσσειν tatsächlich als terminus technicus zur Beschreibung pneumatischer Erregung anzusehen ist, so sprechen auch die drei Belege in LXX, an denen von einem auf πνεῦμα bezogenen ταράσσεσθαι die Rede ist (3Kön 20,4.5; Jes 19), dagegen, dass die Verratsansage Jesu in 13,21 durch die Wendung ἐταράχθη τῷ πνεύματι als pneumatische Rede charakterisiert wird. Denn stets ist dort von einer Erschütterung im menschlichen Geist, als dem Sitz des Gefühls die Rede, nicht aber von einer pneumatischen Regung. Bereits begriffsgeschichtlich ist es somit unwahrscheinlich, dass durch die Wendung ἐταράχθη τῷ πνεύματι in 13,21 Jesu pneumatische Erregung zum Ausdruck gebracht werden soll. Und auch die Intention, die der Evangelist mit der Vorankündigung des Verrats verfolgt, verbietet m. E. dieses Verständnis. Denn dieser sucht durch die Betonung des Vorherwissens Jesu, dem Vorwurf zu wehren, „es könne nicht der Messias sein, wer seinen eigenen Verräter erwählt habe“,331 und diese Apologie ist bedeutend wirkungsvoller, wenn Jesus stets und über den ganzen Körper ausbreiten (ἀλλὰ πᾶσι δεῖ τοῖς μέρεσι τὸν σάλον ὁμοῦ καὶ τὸν παλμὸν ἐγγενέσθαι μετὰ ψόϕου τρομώδους). Geschah dies nicht, so meinte man, das Orakel lehne es ab, eine Antwort zu geben. Vermutet nun C. Bonner, Traces, 1927, 177, m. E. zu recht, dass das Erzittern des Tieres als Zeichen für die Anwesenheit mantischer Kräfte verstanden wurde, so geht doch seine Vermutung, die Worte ἀλλὰ πᾶσι δεῖ τοῖς μέρεσι … μετὰ ψόϕου τρομώδους, seien „simply a detached philosophical description of a phenomen, which, when it shows itself in a human being and a prophet, John describes by the words ενεβριμήσατο τῷ πνεύματι καὶ ἐταράξεν ἐαυτόν“ m. E. zu weit. Und zwar nicht nur, weil die Worte ἐμβριμᾶσθαι und ταράσσειν in dem Zitat Plutarchs nicht begegnen. 329 Der große Pariser Zauberpapyrus: Bibliothèque Nationale, Suppl. Grec 574, Linien 620 f., in: K. Preisendanz (Hg.), Magicae, 1928, 94 f. 330 R. Bultmann, Johannes, 171962, 310, Anm. 4. 331 K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 110.
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von Anfang an darum weiß, wen er erwählt hat (vgl. 6,64) und dies nicht nur im Zustand der pneumatischen Erregung kundtun kann. Spricht somit vieles gegen das Verständnis Bultmanns von 13,21, so ist es, wenn die oben angestellten Überlegungen richtig sind, wahrscheinlich, dass die hier genannte ταραχή trotz abweichender Formulierung in gleicher Weise zu verstehen ist, wie die von Jesus in 12,27 konstatierte. Denn wenn nach 12,27 der rechte Umgang mit der als Todesangst zu verstehenden ταραχή die Jesus in seiner Stunde gestellte Aufgabe ist, wird man auch die 13,21 im Rahmen der Schilderung dieser Stunde erwähnte ταραχή in diesem Sinne zu verstehen haben, und den hier durch ταράσσεσθαι bezeichneten Zustand Jesu nicht von dem in 12,27 genannten differenzieren dürfen. Für ein übereinstimmendes Verständnis von Jesu ταραχή in 12,27 und 13,21 spricht auch, dass der Kontext beider Verse einige Ähnlichkeiten aufweist: Hier wie dort ist Jesus mit seinem bevorstehenden Tod unmittelbar konfrontiert,332 und auf beide Erwähnungen seiner ταραχή folgt im Text unmittelbar eine Erwähnung des Teufels (12,31; 13,27) – wobei beide Male von dessen „Entfernung“ berichtet wird. Zudem wird sowohl 12,27–31 als auch 13,21–30 an einer Stelle das Miss- bzw. Unverständnis der Anwesenden betont: Rätselt die anwesende Menge in 12,29 über die Himmelsstimme und ihre Be deutung, so verstehen die Jünger in 13,28 f. die Bedeutung der Worte, mit denen Jesus Judas beauftragt, nicht und rätseln über ihre Bedeutung. Schließlich ist 12,27 f. wie B. Lindars mit Recht bemerkt, „closely related“ mit der Aussage über die nun erfolgte Verherrlichung des Menschensohnes und Gottes in ihm (13,31),333 die durch die einleitenden Worte ὅτε οῦν ἐξῆλθεν eng mit dem Weggang des Verräters und somit dem Abschnitt 13,21–30 verbunden ist. Sprechen alle diese Parallelen dafür, dass Jesu in 13,21 beschriebene ταραχή nicht anders als die in 12,27 von ihm selbst zum Ausdruck gebrachte – und somit als Todesangst – zu verstehen ist, so dürfte sich der Gebrauch von πνεῦμα in 13,21 im Gegensatz zu ψυχή in 12,27 schlicht durch die Vorliebe des vierten Evangelisten für Synonyma erklären.334 In diese Richtung deutet auch, dass ταρράσσεσθαι in 14,1.27 in Verbindung mit καρδία gebraucht wird, ohne dass sich daraus ein Bedeutungsunterschied gegenüber der Rede vom ταρράσσεσθαι der ψυχή oder des πνεῦμα ergibt.335
332 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 439; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 110. 333 B. Lindars, John, Reprinted1987, 461. 334 Zur Vorliebe des Evangelisten für Synonyma vgl. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 543; 600; u. ö. 335 Vgl. J. Beutler, Psalm 42/43, 1998, 27.
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3.1.2.3 Die Herrlichkeit Gottes und die teuflische Todesangst (Teil 2) Wird in 13,21 somit Jesu Todesangst erwähnt, so erhebt sich die Frage, welche Bedeutung diese Erwähnung im Rahmen des Abschnitts 13,21–30 hat. Beim Versuch, diese Frage zu beantworten, hilft zunächst die bereits erwähnte „close relation“ zwischen 12,27 f. – und hier insbesondere der Himmelsstimme – und 13,31 weiter. Denn im Rahmen der bitemporalen Aussage von 13,31 f. wird die Aussage über die jetzt erfolgte Verherrlichung des Menschensohnes (νῦν ἐδοξάσθη ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου) ergänzt durch die Feststellung καὶ ὁ θεὸς ἐδοξάσθη ἐν αὐτῷ in 13,31. Insofern auch hier letztlich an eine Selbstverherrlichung Gottes im Menschensohn gedacht ist, da das logische Subjekt des passiven ἐδοξάσθη niemand anderes als Gott ist,336 legt sich m. E. die Vermutung nahe, dass hier die Erfüllung der in 12,28 durch die Himmelsstimme zum Ausdruck gebrachten göttlichen Zusage: „ich werde wieder verherrlichen“ konstatiert wird. Dafür spricht auch ein erneuter Blick auf die Himmelsstimme in 12,28. Denn das aoristische und das futurische δοξάζειν werden dort, durch das καὶ… καί, das dem von Johannes sonst gerne verwendeten καθὼς … οὕτως zumindest nahe kommt,337 eng miteinander verbunden.338 Der Gebrauch von πάλιν vor δοξάσω macht schließlich deutlich, dass das zukünftige δοξάζειν Gottes dem bereits erfolgten entspricht.339 Man wird diese Entsprechung so verstehen dürfen, dass Gott das Ereignis der Verherrlichung des göttlichen Namens in einer dem ἐδόξασα entsprechenden Art und Weise wiederholen wird – dass er es Jesus also abermals ermöglichen wird, trotz seiner Todesangst den Weg der Liebe weiterzugehen, um sein Leben für die Seinen zu lassen. Dann aber bietet sich der Abschnitt 13,21–30 bereits aufgrund seiner oben genannten kontextuellen Ähnlichkeiten mit 12,27–31 als Ort an, an dem das πάλιν δοξάσω der Himmelsstimme in Erfüllung gegangen ist. Da sich – wie im Folgenden gezeigt werden soll – auch die vom johanneischen Jesus in 13,31 konstatierte Selbstverherrlichung Gottes im Menschensohn340 im Rahmen des Abschnitts 13,21–30 ereignet hat, liegt es m. E. durchaus nahe, dass diese nun in Erfüllung gegangene Selbstverherrlichung Gottes mit der in 12,28 angekündigten identisch ist.
336 Vgl. z. B. G. B. Caird, Glory, 1969, 265–277; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 603, die gar das zweite ἐδοξάσθη in V. 31 nicht als wirkliches Passiv verstehen, sondern als ein reflexives Intransitivum, so das H. Thyen, ebd. V.31 wie folgt paraphrasiert: „Jetzt ist der Sohn des Menschen dadurch verherrlicht, daß sich Gott in ihm verherrlicht hat.“ 337 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 328, Anm. 2, nach dem das καὶ… καί an dieser Stelle dem johanneischen καθὼς (…οὕτως) entspricht. 338 Ebd. 339 Ebd. 340 Zum lokalen Verständnis vgl. z. B. G. B. Caird, Glory, 1969, 271; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 603.
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Zahlreiche Ausleger stellen m. E. zu Recht fest, dass die aoristischen Aussagen in 13,31 in einem Zusammenhang mit der Entfernung des Judas stehen,341 von dem im vorangehenden Abschnitt 13,21–30 berichtet wurde und der in 13,31 – eigentlich unnötigerweise342 – erneut festgehalten wird. Diese Entfernung des Judas lässt sich problemlos als dem ἐδόξασα der Himmelsstimme entsprechender Vorgang verstehen. Kaum dürfte nämlich daran gedacht sein, dass es die Entfernung selbst ist, durch die sich die in 13,31 konstatierte Verherrlichung ereignet hat,343 sondern sie ist vielmehr Folge dieser Verherrlichung. Wie der Vater in 12,27 f. seinen Namen eben dadurch verherrlicht hat, dass er es Jesus ermöglichte trotz seiner Todesangst, weiterhin die sich durch seine Passion und seinen Tod realisierende Verherrlichung des Namens Gottes zu wollen, so verherrlicht Gott seinen Namen (12,28) bzw. sich (13,31) im Rahmen der Verse 13,21–30 dadurch in Jesus, dass er es Jesus ermöglicht, trotz Todesangst seinen Tod zu arrangieren und den in Judas eingefahrenen Satan mit den Worten ὃ ποιεῖς ποίησον τάχιον dazu aufzufordern, diesen Tod schnell herbeizuführen. Ein weiteres Mal offenbart Gott damit die Überlegenheit seiner in Jesus wirkenden Liebe über den Teufel und die von diesem verursachte Todesangst, wobei als Folge dieser Selbstverherrlichung Gottes im Menschensohn dann auch der Menschensohn selbst verherrlicht worden ist (13,31), denn er partizipiert an der Macht der in ihm wirkenden göttlichen Liebe und ist durch sie ermächtigt, den Teufel und die von diesem bewirkte Todesangst zu überwinden. Die vorgeschlagene Auslegung erhält dadurch eine gewisse Stütze, das Jesu Worte ὃ ποιεῖς ποίησον τάχιον eine nahezu wörtliche Entsprechung im Testament Hiobs haben und dort von Hiob in einer sehr ähnlichen Situation gesprochen werden. Hatte der in einen Bettler verwandelte Satan gegenüber Hiob soeben die Drohung ausgesprochen, dass er ihn zugrunde richten werde (TestHi 7,12, so leitet Hiob seine Antwort in 7,13 mit den Worten ὃ ποιεῖς ποίησον ein und fügt hinzu: „Denn, was immer du mir zufügen magst, ich bin bereit, auszuhalten, was du mir auflädst“. Wie Judas im Johannesevangelium so erwidert auch Satan im TestHi nichts auf diese Aufforderung, son-
341 Vgl. z. B. W. Thüsing, Erhöhung, 21970, 234; A. Stimpfle, Blinde, 1990, 130; 228; Th. Knöppler, theologia crucis, 1994, 171; H. U. Weidemann, Tod, 2004, 101 f.; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 604 f.; N. Chibici-Revneanu, Herrlichkeit, 2007, 206f; J. T. Nielsen, Dimension, 2009, 128 f. Anders aber J. Frey, Eschatologie II, 1998, 135, der unter Verweis darauf, dass der Weggang des Judas „durch das tiefsymbolische ἦν δὲ νύξ mit einem finsteren, negativen Akzent (vgl. 9,4) versehen wurde,“ einen Bezug der Verherrlichungsaussage in 13,31 auf den „Weggang des Verräters“ leugnet. Sein Argument ist jedoch, bedenkt man die paradoxe Ver bindung von Tod und Verherrlichung im Johannesevangelium, kaum überzeugend. 342 Vgl. H. U. Weidemann, Tod, 2004, 101. 343 So aber A. Stimpfle, Blinde, 1990, 130, der im Weggang des Judas, die sich vollziehende κρίσις (Scheidung) sieht; und H. U. Weidemann, Tod, 2004, 110, der die Verherrlichung des Menschensohnes und Gottes in ihm auf den Weggang des Judas zurückführt, da durch diesen der Jüngerkreis von satanischer Präsenz gereinigt werde.
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dern wendet sich ab, um wenig später zurückzukehren und mit seinem zerstörerischen Werk zu beginnen. Da die Wendung ὃ ποιεῖς ποίησον [τάχιον] wörtlich an keiner weiteren Stelle der – vom Johannesevangelium unbeeinflussten – griechischen Literatur belegt ist,344 legt sich aufgrund der nahezu wörtlichen Übereinstimmung der Worte Jesu und Hiobs, sowie ihrer ähnlichen kontextuellen Einbindung die Vermutung nahe, dass beide Stellen in Abhängigkeit voneinander stehen könnten. Diese Vermutung erhärtet sich aufgrund weiterer weniger deutlich zu Tage tretender sachlicher Parallelen, die sich zwischen 13,21–30 und insbesondere dem siebten Kapitel des TestHi finden lassen. 1. Gibt Jesus Judas im Johannesevangelium einen Bissen Brot (vgl. V. 18: ὁ τρώγον μου τὸν ἄρτον) aus seinen Händen, so lässt Hiob dem Satan auf dessen Bitte, ein Brot aus den Händen Hiobs zu bekommen, ein verbranntes Brot übergeben. 2. Wie bei Johannes agiert Satan auch im Testament Hiobs in Gestalt eines Menschen, wobei Satan nach 13,27 in Judas einfährt, im TestHi 7 dagegen von einer Verwandlung Satans in einen Bettler (6,4) die Rede ist. 3. Die Torhüterin, die im Testament Hiobs im Auftrag Hiobs mit Satan interagiert, erkennt die satanische Identität des mit ihr kommunizierenden Bettlers ebenso wenig (7,6, wie die Jünger um die satanische Identität des Judas wissen (13,28 f.). Wenngleich D. Rahnenführer als Ergebnis seiner Dissertation über das Verhältnis des Testament Hiobs zum Neuen Testament feststellt, dass sich „in der Satanologie über zahlreiche traditionelle Züge hinaus doch auch zusätzliche Berührungspunkte zwischen dem T[estament]H[iobs] und dem N[euen]T[estament]“ ergeben,345 wird man bereits aufgrund der unsicheren Datierung des Testament Hiobs, so wie aufgrund der – abgesehen von der Wendung ὃ ποιεῖς ποίησον [τάχιον] – fehlenden terminologischen Übereinstimmungen kaum von einer literarischen Abhängigkeit der johanneischen Darstellung in 13,21–30 von TestHi 7 ausgehen dürfen. Da jedoch anzunehmen ist, dass der Verfasser des Testament Hiobs „das meiste Material für seine Erzählung wohl aus der reichen Hiob-Haggadah des antiken Judentums übernommen“ hat,346 machen die angeführten Parallelen es m. E. durchaus wahrscheinlich, dass auch der Verfasser des vierten Evangeliums bei seiner Darstellung in 13,21–30 auf diese Tradition zurückgegriffen und sie mit einer ihm bekannten Variante der urchristlichen Tradition von der Kennzeichnung des Verräters verbunden hat. Liest man die Worte Jesu ὃ ποιεῖς ποίησον τάχιον vor dem Hintergrund einer TestHi 7 verarbeiteten Hiob-Haggada, so wird die oben vorgeschlagene Deutung dadurch insofern gestützt, als diese Worte Jesus nicht nur als Herr des Geschehens erscheinen lassen, der den Ablauf der Ereignisse, die zu seinem Tode führen, selbst bestimmt, sondern insbesondere auch Jesu Entschlossenheit und seinen bleibenden Willen betonen, Passion und Tod, und somit das, was Satan ihm zufügen wird, aus Liebe zu den Seinen (13,1), auf sich zu nehmen und durchzustehen.
344 Vgl. TLG, Advanced Full Text Search nach 1. ποιεῖς und 2. ποίησον (Entfernung: ein Wort). 345 D. Rahnenführer, Hiob, 1971, 86. 346 B. Schaller, Testament, 1979, 307.
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Wenngleich in V. 32 sogleich deutlich werden wird, dass die Verherrlichung des Menschensohnes noch nicht zu ihrem Ende gekommen ist, so legt doch der triumphierende347 und feierliche Klang der Worte νῦν ἐδοξάσθη ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου καὶ ὁ θεὸς ἐδοξάσθη ἐν αὐτῷ nahe, dass bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Erzählung Wesentliches geschehen ist. Ist es richtig, dass die V. 31 zum Ausdruck gebrachte bereits geschehene Verherrlichung des Menschensohnes und Gottes in ihm Ursache und Folge der Überwindung des Teufels und der von ihm bewirkten Todesangst sind, so besteht dieses Wesentliche darin, dass die entscheidende Schlacht gegen den Teufel nun geschlagen, der entscheidende Sieg errungen ist. Das bedeutet freilich nicht, dass der Satan nach johanneischer Theologie bereits vor Jesu Tod entmachtet wurde. Das Gericht über den Teufel ereignet sich im Johannesevangelium vielmehr in der Stunde Jesu als Ganzer, und diese endet mit Jesu Erhöhung am Kreuz. Doch an den beiden soeben besprochenen Stellen wird narrativ dargestellt, worin das grundsätzliche Geschehen dieser Stunde besteht, durch das der Teufel seine Macht verliert: Die göttliche Liebe erweist sich als stärker als die teuflische Todesangst. Nicht auf theologischer, aber auf narrativer Ebene ist der entscheidende Sieg über den Teufel bereits errungen. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass dafür mit 14,27–31 und 18,1–11 auch die weiteren Abschnitte sprechen, an denen Jesus mit dem Satan konfrontiert wird.
3.1.3 Die weitere Konfrontation Jesu mit dem Satan im Rahmen der Passionsgeschichte (Joh 14,27–31; 18,1–11) 3.1.3.1 Friede statt Angst (Joh 14,27–31) Nachdem in 13,27 f. davon berichtet wurde, dass Satan in Judas eingegangen war und Jesus ihn mit den Worten ὃ ποιεῖς ποίησον τάχιον dazu aufforderte, sein finsteres Werk zu vollbringen, ist vom Teufel erstmals wieder in 14,30 f. die Rede. Mit dem Verweis auf das Herannahen des Herrschers dieser Welt (ὁ τοῦ κόσμου ἄρχων), wie der Teufel hier nach 12,31 zum zweiten Mal genannt wird, begründet (γάρ) Jesus, warum er nicht mehr viel mit den Jüngern reden wird, und erläutert diese Begründung sodann mit einer unten zu besprechenden, nur schwer sicher zu übersetzenden Aussage über das Verhältnis des Teufels zu Jesus und den Sinn der bevorstehenden Passionsereignisse. Anders als in 12,31 und 13,27 ist im Kontext der Erwähnung des Teufels in 14,30 von einer ταραχή Jesu keine Rede. Im Gegenteil: Der Vers ist Bestandteil des die erste Abschiedsrede beschließenden Abschnittes 14,27–31, an dessen Beginn der johanneische Jesus seine Jünger mit den Worten μὴ ταρασσέσθω ὑμῶν ἡ καρδία μηδὲ δειλιάτω zu einer Unerschrockenheit und Furchtlosigkeit des Herzens auffordert, die ihren Grund in dem Frieden Jesu hat, den die 347 Vgl. B. Lindars, John, Reprinted1987, 461.
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ser ihnen hinterlassen wird (14,27; vgl. auch 14,1). Aus dem Jesus, der angesichts seiner ihm in der Stunde der Verherrlichung bevorstehenden Auseinandersetzung mit dem Teufel stets in ταραχή geriet, ist somit ein Jesus geworden, der angesichts des herannahenden Herrschers dieser Welt einen Frieden sein Eigen nennt (εἰρήνην τὴν ἐμήν), den er anderen hinterlassen kann und dessen Charakteristikum es ist, dass er ταραχή und δειλία des Herzens überwindet.348 Dieser ταραχή und δειλία überwindende Friede Jesu ist, wie der Abschluss der zweiten Abschiedsrede verdeutlichen wird, der Friede dessen, der den κόσμος und damit auch seinen Herrscher (vgl. 1Joh 2,13.15; 4,4; 5,4 f.) besiegt hat (16,33). Wenn der johanneische Jesus diesen Frieden bereits 14,27 als seinen Frieden bezeichnen kann, so ist anzunehmen, dass die entscheidende Schlacht zu diesem Zeitpunkt schon geschlagen, der Sieg über den Kosmos und seinen Herrscher bereits errungen ist. Zugleich liegt es nahe, dass Jesus diesen Sieg eben durch die Überwindung seiner eigenen ταραχή errungen hat: Gerade deswegen ist es das Spezifikum des den Jünger vermachten Friedens Jesu, dass er die ταραχή überwindet, weil Jesus die Welt und ihren Herrscher dadurch besiegt hat, dass er die von diesem ausgehende ταραχή überwunden hat, und die Jünger im Glauben an diesem Sieg partizipieren. Dass Jesus nicht mehr viel mit den Jüngern reden wird (14,30a), führt er in 14,30b auf das Herannahen des Herrschers dieser Welt zurück und fügt sogleich hinzu: καὶ ἐν ἐμοὶ οὐκ ἔχει οὐδέν (14,30c). Die Übersetzung dieser Wendung ist umstritten und war, wie die Varianten ἐν ἐμοὶ εὑρήσει οὐδέν349 und ἐν ἐμοὶ οὐκ ἔχει οὐδὲν εὑρεῖν,350 bereits den Abschreibern unklar. Sie kann auf das hebräische yl[ wl !yaw bzw. ~wlk ylca wl !yaw zurückgeführt werden und meint dann: er hat kein Anrecht an mir oder keinen Anspruch auf mich.351 Einige Übersetzer geben die Wendung dagegen wider mit: Er hat keine Macht bzw. keine Gewalt über mich.352 Beide Übersetzungen sind ohne Frage möglich und es sei hier angemerkt, dass sie letztlich beide zum Ausdruck bringen, dass der „Kampf zwischen Gott und der widergöttlichen Macht […] im Grunde schon entschieden“ ist.353 Dennoch ist m. E. einer dritten Übersetzungsmöglichkeit der Vorzug zu geben.
348 Dass es sich bei dem Frieden Jesu zumindest primär um einen inneren Frieden handelt, betonen m. E. zu Recht B. Weiss, Johannes-Evangelium, 81893, 493 f.; C. K. Barrett, Johannes, 1990, 456; P. v. Gemünden, Angst, 2009, 303, inkl. Anm. 140. 349 Gelesen von K al f syhmg ac2 pbo. 350 Gelesen von D a. 351 So etwa Str.-Bill. II, 563; R. Bultmann, Johannes, 171962, 488, Anm. 2; C. K. Barrett, Johannes, 1990, 457; C. Dietzfelbinger, Abschied, 1997, 69. 352 Vgl. z. B. R. Schnackenburg, Johannesevangelium 3, 41982, 94.99 f.; U. Schnelle, Johannes, 4 2009, 258. 353 R. Bultmann, Johannes, 171962, 488.
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Versteht man ἔχειν im Sinne von „vermögen“,354 so muss man das ἐν ἐμοί nicht wie Bultmann unter Verweis auf 1Kor 14,11 erwägt mit „[i]n meinem Fall (was mich betrifft)“355 übersetzen. Auch ist es nicht notwendig, für die Wendung einen Semitismus anzunehmen und sie mit „Gegen mich vermag er nichts“ wiederzugeben.356 Da der Blick auf seine bevorstehende Auseinandersetzung mit dem ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου bei Jesus bislang immer eine ταραχή τῆς ψυχῆς bzw. τοῦ πνεύματος ausgelöst und somit etwas in seinem Innern bewirkt hatte, in 14,27–31 nun aber von einer solchen ταραχή keine Rede ist, sondern Jesus hier vielmehr im Besitz eines ταραχή und δειλία des Herzens überwindenden Friedens ist, liegt es m. E. näher das ἐν ἐμοί zunächst ganz wörtlich und in lokalem Sinne zu verstehen. Jesu Aussage ἐν ἐμοὶ οὐκ ἔχει οὐδέν ist dann mit „in mir vermag er nichts“ zu übersetzen. Sie bringt zum Ausdruck, dass das Herannahen des Herrschers dieser Welt in ihm keine ταραχή mehr hervorruft. Jesus stellt hier somit nicht nur fest, dass der Herrscher dieser Welt keine Macht über ihn hat, sondern zugleich, warum er keine Macht über ihn hat. Mit dem Verweis auf das Herannahen des Herrschers dieser Welt in V. 30b begründet (γάρ) Jesus, warum er nicht mehr viel mit den Jüngern reden wird. Ist das eben dargestellte Verständnis der Wendung ἐν ἐμοὶ οὐκ ἔχει οὐδέν in V. 30c zutreffend, so dürfte das die beiden Teilverse 30b und c verbindende καί kaum adversativ, sondern vielmehr kopulativ aufzufassen sein, so dass V. 30c, ebenso wie der folgende V. 31, die Begründung aus V. 30b fortführt: Jesus wird nicht mehr viel mit den Jüngern reden, weil der Fürst dieser Welt herannaht und weil dieser in Jesus nichts vermag – d. h. ihn nicht in Todesangst stürzt, so dass er die Flucht ergreifen und den Vater um Rettung aus der Stunde bitten könnte – sondern weil Jesus ihm vielmehr mit seinen Jüngern entgegen gehen will (ἐγείρεσθε, ἄγωμεν ἐνθεῦθεν), um sich ihm auszuliefern.357 Eben daran dass Jesus mit seinen Jüngern aufbricht, um sich dem Herrscher dieser Welt und seinem mörderischen Wirken auszuliefern, soll die Welt erkennen, dass Jesus den Vater liebt358 354 Zu dieser Bedeutung von ἔχειν vgl. ebd. Anm. 2. 355 Vgl. ebd. 356 So J. Jeremias, Salbungsgeschichte, 1936, 76. 357 Der bloße Verweis auf das Kommen des Herrschers dieser Welt ist noch keine hinreichende Begründung dafür, dass Jesus nicht mehr viel mit den Jüngern reden wird. Erst wenn erläuternd hinzufügt wird, dass Jesus angesichts des herannahenden Herrschers dieser Welt nicht in Angst und Schrecken gerät und sich dem Zugriff des Herrschers dieser Welt nicht entziehen, sondern sich diesem vielmehr ausliefern will, wird deutlich, warum sein Herannahen die Kommunikation Jesu mit den Jüngern beendet. 358 Die Übersetzung von V. 31 ist umstritten. Es ist möglich, das ἀλλ ’ ἵνα elliptisch zu verstehen und nach ποιῶ einen Punkt zu setzen. Ἀλλ ’ ἵνα wird bei diesem Verständnis zumeist nicht als Satzeinleitung angesehen, sondern an V. 30 angeschlossen. Die Übersetzung lautet dann etwa folgendermaßen: „… er hat keinen Anspruch auf/keine Gewalt über mich, aber (dies geschieht), damit die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe […]. Steht auf und lasst uns von hier weggehen.“ (In diesem Sinne z. B. R. Bultmann, Johannes, 171962, 488, mit Anm. 3.; U. Schnelle,
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und dass er tut, wie der Vater ihm geboten hat. Sie kann daran zugleich erkennen, dass ihr Herrscher es nicht vermocht hat, Jesus zu überwinden, ihn aus der Liebeseinheit mit dem Vater zu lösen und ihn von dessen Gebot abzubringen. 3.1.3.2 Die Demonstration der Ohnmacht des Teufels (Joh 18,1–11) Im Bericht von der Gefangennahme Jesu (18,1–11) wird der Teufel nicht erwähnt. Dennoch sind diese Verse hier kurz zu besprechen. Denn in der Gestalt des Judas, an der der Evangelist freilich nur in der ersten Hälfte der Szene interessiert ist, ist der ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου bei Jesu Gefangenname ungenannt zugegen. H. U. Weidemann versteht diese Begegnung zwischen Judas und Jesus vor (vgl. 18,4 – ἐξῆλθεν) dem jenseits des Kidron gelegenen Garten (18,1) im Anschluss an I. de la Potterie gar als „als die große Begegnung der zwei Mächte, […], den Endkampf zwischen Gut und Böse“359 und als „‚decisive act in the c osmic conflict between God and evil‘“.360 Und in der Tat, der satanische Judas tritt auf, als wolle er in die Schlacht ziehen. Anders als bei den Synoptikern ist es kein kleiner mit Schwertern und Knüppeln bewaffneter Haufen, der zur Festnahme Jesu erscheint (Mk 14,43; Mt 26,47; Lk 22,47.52). Vielmehr nimmt (λαβών) Judas, als wäre er ein römischer Machthaber, die ganze auf der Burg Antonia stationierte römische Kohorte (σπεῖρα)361 – etwa 500/600 Soldaten362 – und darüber hinaus noch die Diener der Hohenpriester und Pharisäer, um Jesu Verhaftung zu besorgen: Es ist die ganze in Jerusalem ansässige Macht des κόσμος, die dessen ἄρχων hier aufbietet, die als Macht der Finsternis mit künstlichen Lichtern (μετὰ ϕανῶν καὶ λαμπάδων) auszieht, um das Licht der Welt zu finden.363 Von einer Entscheidung oder gar einem Endkampf kann dennoch keine Rede sein. Der Grund dafür liegt nicht primär darin, dass, wie Weidemann selbst feststellt, der Evangelist „gerade keinen Kampf Jesu mit Judas [schildert]“, sondern Jesus Petri Kampf mit Malchus unterbindet (18,10 f.).364 Vielmehr spricht gegen WeiJohannes, 42009, 258; u. a.). Näher liegend ist es m. E., die V. 31 beschließende Aufforderung ἐγείρεσθε, ἄγωμεν ἐντεῦθεν mit U. Wilckens, Johannes, 22000, 220; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 616; u. a. als Nachsatz zu einem mit αλλ ’ ἵνα eingeleiteten Satz zu verstehen, und also zu übersetzen: „Aber damit die Welt erkennt, dass ich den Vater liebe und tue, wie er mir geboten hat: Steht auf, lasst uns von hier weggehen.“ 359 I. de la Potterie, Passion, 1987, 255. 360 H. U. Weidemann, Tod, 2004, 208, Anm. 55, der hier eine Aussage von J. L. Kovacs, Ruler, 1995, 234, zitiert und diese anders als Kovacs auf Joh 18,1–11 bezieht. 361 Die Verwendung des Artikels (ἡ σπεῖρα) zeigt an, dass es sich um eine bekannte Größe handelt, was wahrscheinlich macht, dass Johannes hier an die auf der Burg Antonia stationierte Einheit dachte (vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 216; H. U. Weidemann, Tod, 2004, 250). 362 Vgl. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 708. 363 H. U. Weidemann, Tod, 2004, 251. 364 Vgl. ebd., 255 [Kursivierung im Original].
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demanns These seine eigene Feststellung, dass die Konfrontation zwischen Jesus und dem Herrscher dieser Welt in dem Augenblick bereits entschieden ist, da Jesus sich ihr nicht mehr entzieht, sondern sie herausfordert. Er sieht damit durchaus Richtiges, verkennt aber, dass dieser Augenblick eben nicht der Moment vor dem Garten ist, in dem Jesus sich gegenüber seinen Feinden mit den Worten ἐγώ εἰμι selbst zu erkennen gibt.365 Vielmehr entzieht sich Jesus der Konfrontation mit dem Herrscher dieser Welt nicht mehr, seitdem seine Stunde gekommen ist (12,23),366 seit er trotz ταραχή den Vater um die Verherrlichung des göttlichen Namens gebeten hat (12,27). Und spätestens dadurch, dass Jesus den satanischen Judas mit den Worten ὃ ποιεῖς ποίησον τάχιον zur Tat in die Nacht schickt, fordert er diese Konfrontation mit dem Herrscher dieser Welt heraus, die in Jesu ταραχή ohnehin vorweggenommen bereits stattfindet und dadurch, dass Jesu trotz dieser ταραχή in Willenseinheit mit dem Vater bleibt, bereits entschieden wurde. Gegen das Urteil R. Bultmanns367 betont H. U. Weidemann368 mit Recht, dass die Erwähnung des Judas in V. 5 keinesfalls unmotiviert ist. Unterbricht der Evangelist die Erzählung nach Jesu absolutem ἐγώ εἰμι und vor der Erwähnung der Reaktion der Häscher auf diese göttliche Epiphanie369 für einen Augenblick, um festzustellen, dass auch Judas bei ihnen stand (εἱστήκει δὲ καὶ Ἰούδας ὁ παραδιδοὺς αὐτὸν μετ’ αὐτῶν), so will er damit gewiss hervorheben, dass auch dieser, und somit der in ihm präsente ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου, angesichts des göttlichen ἐγώ εἰμι zurückweicht und zu Boden stürzt (ἀπῆλθον εἰς τὰ ὀπίσω καὶ ἔπεσαν χαμαί; V. 6).370 Demonstriert wird dadurch die Macht und Überlegenheit des im göttlichen Namen agierenden Jesu über seine Feinde und damit zugleich die Ohnmacht des Herrschers dieser Welt gegenüber Jesus.371 Wichtig ist aber, dass es sich eben nur um eine Demonstration dieser Ohnmacht handelt, die der johanneische Jesus in 14,30 bereits konstatiert hatte. Es ist die Ohnmacht des Teufels gegenüber demjenigen, der ihn bereits besiegt hat, indem er seine stärkste Waffe, die Todesangst überwunden hat und ihm nunmehr entgegen 365 Vgl. ebd. 366 Nach Weidemann ebd. Anm. 66, entzieht sich Jesus der Auseinandersetzung mit der Welt und ihrem Herrscher noch in 12,36. Doch wenn es hier heißt, dass Jesus wegging und sich vor seinen Gesprächspartnern verbarg, so ist dieser Rückzug Jesu kaum in diesem Sinne zu verstehen. Denn anders als in 8,59; 10,39 und 11,54 verbirgt sich Jesus in 12,36 nicht vor einer Menge, die gewaltsam gegen ihn vorgeht und rettet sich dadurch vor dem Tod. Vielmehr verbirgt er sich hier ohne jeden äußeren Anlass und entzieht sich somit kaum ein letztes Mal dem Zugriff durch die Welt. Die Erwähnung des Rückzugs Jesu in 12,36 hebt vielmehr hervor, dass das öffentliche Wirken Jesu nun zu Ende ist. 367 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 495. 368 H. U. Weidemann, Tod, 2004, 253. 369 Vgl. z. B. R. Bultmann, Johannes, 171962, 495; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 709. 370 Vgl. H. U. Weidemann, Tod, 2004, 253. 371 Vgl. ähnlich ebd. 254.
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gehen kann, ohne in Todesangst zu geraten, die hier dargestellt wird. Die Begegnung Jesu mit Judas vor dem Garten ist eben deswegen nicht als „Endkampf zwischen Gut und Böse“ oder „decisive act in the cosmic conflict between God and evil“ zu verstehen, weil der Sieg bereits errungen wurde, die Entscheidung schon gefallen ist, und zwar eben durch das Geschehen von dem in 12,27 f. und 13,21– 30 berichtet wird. Was vor dem Garten geschieht ist, dass die Folgen dieses Sieges dargestellt werden. Der in Judas präsente ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου fällt mit seiner ganzen Macht vor der Macht, die sich im Menschensohn verherrlicht hat, zu Boden, vor der Macht, die er nicht überwinden konnte und die nun ihr ἐγώ εἰμι spricht.
3.1.4 Fazit Im Johannesevangelium wird der Teufel in der Stunde Jesu, welche die Stunde seiner Passion und seines Todes, zugleich aber auch die Stunde seiner Verherrlichung ist, entmachtet. Dabei wird diese Entmachtung, die als Gericht ver standen ist, nicht durch ein punktuelles Ereignis im Rahmen dieser Stunde bewirkt. Das Gericht ereignet sich vielmehr in der Stunde als Ganzer und es ist das sich in dieser Stunde ereignende grundsätzliche Geschehen, durch das der Teufel entmachtet wird. Die johanneische Entmachtung des Teufels, sein Hinausgeworfenwerden (12,31), ist nicht vor dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund des Teufels sturzes zu lesen, von dem in Apk 12,7 ff. berichtet wird. Der Teufel stürzt im vierten Evangelium nicht wie in der Apokalypse des Johannes als Verkläger der Brüder (vgl. Apk 12,10) aus dem Himmel, um nun auf Erden sein Unwesen zu treiben. Besser erklärt sich die Aussage über das Hinausgeworfenwerden des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου in 12,31 vor dem Hintergrund der Varianten vom endzeitlichen Teufelssturz, die in ApkMos 39 und in TestJud 25 überliefert sind. Die deutlichsten Gemeinsamkeiten zeigt 12,31 f. dabei mit ApkMos 39, und es liegt daher nahe, dass der vierte Evangelist den Mythos vom endzeitlichen Teufelssturz in einer dieser Schrift ähnlichen Variante gekannt hat. Dabei zeigt sich, dass er noch weniger als bereits diese von ihm verwendete Tradition an der Frage interessiert ist, aus welchem Bereich der Teufel gestürzt wurde. Aller Nachdruck liegt bei ihm auf der Feststellung, dass die Macht des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου in der Stunde Jesu gebrochen wurde. Wesentliche Ursache dieser Entmachtung des Teufels ist für den vierten Evangelisten Jesu Umgang mit seiner ihn in seiner Stunde überkommenden ταραχή, die im Rahmen des Berichts über diese Stunde zweimal explizit erwähnt wird (12,27; 13,21). An beiden Stellen erliegt Jesus dieser ταραχή nicht, sondern bleibt in der Liebes- und Willenseinheit mit dem Vater: Er bittet nicht um Rettung, sondern um Verherrlichung des göttlichen Namens (12,28) und er fordert den Verräter zu raschem Tun auf (13,27). In beiden Fällen setzt sich der Wille Jesu und
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Gottes zum Heil gegen die Absicht des Satans durch, dieses Heil zu verhindern. Denn Jesu ταραχή ist als auf das Wirken des Teufels zurückzuführende Todesangst zu verstehen, in der Jesus die Versuchung begegnet, sich aus seiner Stunde retten zu lassen, sich somit aus der Willenseinheit mit Gott zu lösen und entgegen dessen Willen zu handeln. Diese Todesangst auszuhalten und trotz der in ihr begegnenden Versuchung in Willenseinheit mit dem Vater zu bleiben, weiterhin sein Leben für die Seinen lassen zu wollen, ist die von Jesus in seiner Stunde zu erfüllende Aufgabe. Kraft der in ihm wirkenden göttlichen Liebe gelingt es Jesus, diese Aufgabe zu meistern, und eben dadurch wird der ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου entmachtet. Denn Jesu Tod ist im Johannesevangelium als Liebestod für die Seinen verstanden, als Akt der größtmöglichen Liebe, zu dem Jesus nur in der Lage ist, weil es die Liebe Gottes ist, die in Jesu Liebe wirkt. Der Realisierung dieser größtmöglichen Liebe stellt sich die Jesus überkommende teuflische Todesangst in den Weg, so dass sich die göttliche Macht der Liebe und die teuflische Macht der Todesangst in einem Machtkampf gegenüberstehen. Gott aber erweist in Jesus die Übermacht seiner Liebe, er verherrlicht sich und seinen Namen in Jesus und damit zugleich den Menschensohn, der an der Macht der in ihm wirkenden göttlichen Liebe partizipiert, die teuflische Todesangst überwindet und so den Teufel besiegt und entmachtet.
3.2 Das Ende der λύπη und die anthropologische Entmachtung des Teufels (Joh 16) Die letzte im Folgenden zu behandelnde Aussage über den hier ein weiteres Mal mit seinem Titel ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου bezeichneten Teufel findet sich Joh 16,11, im Rahmen des vierten Parakletspruchs (16,8–11). Dieser ist wiederum in den größeren Abschnitt Joh 16,4b–33 eingebettet, durch den die zweite Abschiedsrede beschlossen wird. Die Aussage über den Teufel in Joh 16,11 unterscheidet sich von den übrigen Aussagen, die seit dem Anbruch der Stunde der Verherrlichung in 12,23 über den Teufel getätigt wurden. Denn dort war stets von seinem Wirken im Rahmen der Erzählung die Rede (13,2; 13,27; 14,30), und sein Schicksal der Entmachtung wurde aus der Perspektive der erzählten Zeit als noch bevorstehendes Ereignis in den Blick genommen (12,31). Von diesem Schicksal handelt auch Joh 16,11, doch wird es hier – wie insbesondere das Perfekt κέκριται zeigt – aus nachösterlicher Perspektive in den Blick genommen. Diese Besonderheit bedingt es, dass Joh 16,11 von den übrigen Teufelsstellen gesondert zu behandeln ist. Wenngleich die Figur des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου nur 16,11 explizit genannt wird, so ist sie doch im ganzen Abschnitt ungenannt anwesend und für dessen Verständnis von zentraler Bedeutung. Dies zeigt sich bereits daran, dass V. 33, als der den Abschnitt beschließende Vers, in dem das Ziel und der Grund
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des in 16,4b–33 Gesagten zusammenfassend dargestellt wird,372 mit seinem ἐγὼ νενίκηκα τὸν κόσμον auf V. 11 und die Aussage über das bereits erfolgte Gericht über den Herrscher dieser Welt zurückverweist. An beiden Stellen ist es „ein und dieselbe Sache, [die] von ihren beiden Aspekten her festgestellt wird.“373 Insbesondere aber zeigt sich die hervorgehobene Bedeutung, die dem ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου für das Verständnis des Abschnitts zukommt, an dem gehäuften Vorkommen des Terminus λύπη/λυπεῖν, der 16,4b–33 fünfmal belegt ist und der als „das zentrale Leitwort“374 der Rede angesehen werden kann. Der Terminus, der innerhalb des Johannesevangeliums – abgesehen vom Nachtragskapitel 21, wo sich das Verb λυπεῖν in V. 17 findet – nur in Kapitel 16 begegnet, wird hier erstmals in V. 6 genannt, wo von der λύπη die Rede ist, die das Herz der Jünger aufgrund Jesu Ankündigung seines Gangs zum Vater erfüllt. Wiederaufgenommen wird der Begriff dann in V. 20 und er bildet im Verbund mit seinem Oppositum, der χαρά, den insbesondere die VV. 20–24 bestimmenden Gegensatz.375 Insofern die Formulierung ἵνα ἡ χαρὰ ὑμῶν ᾖ πεπλερωμένη in V. 24 recht deutlich im Gegensatz zu dem ἡ λύπη πεπλήρωκεν ὑμῶν τὴν καρδίαν aus V. 6 steht, zeigt sich, dass der Gegensatz von λύπη und χαρά über die VV. 20– 24 hinausgehend, auch in den VV. 6–24 von Bedeutung ist, sie die innere Bewegung der Jünger von λύπη zu χαρά zum Gegenstand haben. Schließlich wird V. 21 mit θλῖψις ein Begriff eingeführt, der in „enger inhaltlicher Beziehung zur λύπη“376 steht und sich auch in V. 33 findet, so dass das Thema λύπη den ganzen Abschnitt wie ein roter Faden durchzieht. Dadurch aber wird auch der Teufel zu einer im ganzen Abschnitt ungenannt anwesenden Gestalt, denn Teufel und λύπη standen in der frühjüdischen und urchristlichen Tradition in einem engen Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis ist – bevor der Blick auf Joh 16 gerichtet werden kann – im Folgenden aufzuzeigen, denn es wurde von der Forschung m. W. bislang nicht beachtet. Dabei wird insbesondere auf eine Tradition näher einzugehen sein, in der die λύπη als Folge teuflischen Wirkens erscheint. Sollen dabei die vier einzelnen zu dieser Tradition gehörenden Motive erarbeitet werden, so wird im Anschluss zu zeigen sein, dass alle diese Motive auch im Johannesevangelium begegnen, so dass davon auszugehen ist, dass die genannte Tradition dem vierten Evangelisten bekannt war, und er sie in seiner Schrift verarbeitet hat. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse kann sodann dargestellt werden, dass die Umwandlung der λύπη der Jünger in χαρά, die Jesus ihnen in Joh 16 ankündigt, in engem Zusammenhang mit der Entmachtung des Teufels steht. Die Besprechung des vierten und fünften Parakletspruchs (16,8–11. 13–15) wird 372 Vgl. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 264; J. Frey, Eschatologie III, 2000, 220. 373 T. Onuki, Gemeinde, 1984, 144; vgl. auch A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 265. 374 A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 213. 375 Vgl. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 213. 376 Ebd. 264.
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zeigen, dass das hier geschilderte Wirken des Geistes die Jünger erst erkennen lässt, dass sich diese Entmachtung ereignet hat und die Jünger in den dadurch gewordenen Heilsbereich bleibend einführt. Der Paraklet bricht dabei zugleich die Wirkung der teuflischen Lüge auf die Jünger. Sein Wirken kann daher als eine anthropologische Entmachtung des Teufels verstanden werden, die auf die kosmische Entmachtung des Teufels folgt und diese voraussetzt. Eben diese durch den Parakleten bewirkte anthropologische Entmachtung des Teufels ist es, durch die sich die λύπη der Jünger in χαρά wandelt und deren Notwendigkeit erklärt, dass der Teufel, wenngleich bereits entmachtet, weiterhin wirken kann.
3.2.1 Der Teufel und die λύπη in der Tradition des frühen Juden- und Urchristentums 3.2.1.1 Der Begriff λύπη und seine Bedeutung Zunächst ist festzustellen, dass die von Bauer/Aland vorgeschlagenen Übersetzungen des griechischen Begriffs λύπη mit „Trauer“, „Kummer“ oder „Herzeleid“377 sein Bedeutungsspektrum nur unvollständig wiedergeben, denn λύπη (λυπεῖν) ist in LXX nicht geläufige oder auch nur bevorzugte Wiedergabe eines bestimmten hbr Wortes, sondern wird für eine ganze Anzahl von Wörtern gebraucht, die Leid, Schmerz, Unwille uä bezeichnen.378
So wird etwa !Agy", das acht mal mit ὀδύνη wiedergegeben wird, vier mal mit λύπη übersetzt und für h['r", das zumeist mit κακός, aber auch mit πονηρός übersetzt wird, erscheinen λύπη und λυπεῖν je zwei Mal. An einer Stelle wird das in der Regel durch πενθεῖν wiedergegebene lbea" mit λυπεῖν übersetzt und je fünfmal steht λυπεῖν für hr"x", das zumeist durch θυμοῦν oder ὀργίζειν wiedergegeben wird, und für @c;q", das zehnmal mit ὀργίζειν übersetzt wird. Schließlich dient λυπεῖν zweimal zur Übersetzung für das sechsmal mit ὀργίζειν und achtmal mit ταράσσειν wiedergegebene zg;r".379 Dementsprechend weit geht die Bedeutung des Begriffs auseinander: Er kann die körperliche Anstrengung und Mühe (Gen 3,17; Prv 10,22) wie die Schmerzen (Gen 3,16; Da 3,50) bezeichnen; vor allem aber das Leid, den Kummer zB über den Tod von Verwandten (Gen 42,38; 44,29.31 (’A); Sir 38,17 ff.), über missratene Kinder (Prv 10,1; Sir 22,4 ff.), die Trauer über das Unglück Jerusalems oder des Volkes (Thr 1,22; Tob 2,3 vl πένθος; 14,4 a), aber auch die Angst (Jes 32,11; ψ 54,3) und den Unwillen, den Zorn (1 Βασ 29,4; 4 Βασ 13,19; Jon 4,1.4.9).380 377 W. Bauer, Wörterbuch, 61988, 977 f. 378 R. Bultmann, Art. λύπη κτλ., 1942, 319. 379 Vgl. ebd. 380 Ebd.
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Umfasst das Bedeutungsspektrum von λύπη somit ein weites Feld menschlichen Elends, so leuchtet unmittelbar ein, dass dieser Begriff geeignet war, die Folgen teuflischen Wirkens zu benennen. Sollen diejenigen Texte, in denen λύπη als Folge teuflischen Wirkens angeführt wird, gleich ausführlich vorgestellt werden, so ist zuvor kurz zu erwähnen, dass sich auch einige frühjüdische und urchristliche Texte finden, in denen λύπη und Teufel in einem anderen Verhältnis zueinander stehen. 3.2.1.2 Die Verteufelung der λύπη Zu nennen sind hier zunächst einige Schriften, in denen λύπη als zu fliehendes Laster dargestellt wird. So fordert etwa Jesus Sirach seine Leser dazu auf, λύπη weit von sich entfernt zu halten, da sie bereits viele ins Verderben gestürzt hat (καὶ λύπην μακρὰν ἀπόστησον ἀπὸ σοῦ πολλοὺς γὰρ ἀπώλεσεν ἡ λύπη καὶ οὐκ ἔστιν ω’ϕέλεια ἐν αὐτῇ; Sir 30,23). Zwar soll ein Verstorbener beklagt und bitterlich beweint werden, doch mahnt Sirach, sich nach ein oder zwei Tagen381 wieder trösten zu lassen (Sir 38,17). Denn, so erklärt er, von λύπη geht der Tod aus, und die Traurigkeit wird die Kraft beugen (ἀπὸ λύπης γὰρ ἐκβαίνει θάνατος καὶ λύπη καρδίας κάμψει ἰσχύν; Sir 38,18). Sirach selbst spricht zwar nicht vom Teufel,382 und für ihn steht λύπη daher auch nicht in Beziehung zu ihm, doch erinnern seine Ausführungen über λύπη durchaus an Aussagen über den Teufel, die sich in anderen Schriften des frühen Judentums finden. Eine indirekte Verteufelung der λύπη findet sich dann im Testament Dans, denn hier werden der λύπη Folgen zugeschrieben, die an anderer Stelle desselben Testamentes auf Beliar zurückgeführt werden. So gilt der Geist des Zorns nach TestDan 1,7 f. als einer der Geister Beliars (7 καὶ ἓν τῶν πνευμάτων τοῦ Βελιὰρ συνήργει μοι λέγων· Λάβε τὸ ξίϕος τοῦτο, καὶ ἐν αὐτῷ ἄνελε τὸν ’Ιωσήϕ, καὶ ἀγαπήσει σε ὁ πατήρ σου ἀποθανόντος αὐτοῦ. 8 τοῦτό ἐστι τὸ πνεῦμα τοῦ θυμοῦ […]), der nach 3,6 gemeinsam mit der Lüge immer von der Rechten Satans ausgeht (τοῦτο τὸ πνεῦμα [sc. ὁ θυμὸς] ἀεὶ μετὰ τοῦ ψεύδους ἐκ δεξιῶν τοῦ σατανᾶ πορεύεται, ἵνα ἐν ω’μότητι καὶ ψεύδιε γίνωνται αἱ πράξεις αὐτοῦ). In 4,6 ermahnt Dan seine Kinder dann, sich aufgrund eines erlittenen Verlustes nicht zu betrüben und begründet dies damit, dass λύπη Zorn und Lüge erweckt. Ähnlich negativ wird λύπη auch im Hirten des Hermas bewertet. Sie ist das Laster, vor dem im zehnten Gebot gewarnt wird und gilt als schlimmer als alle anderen Geister, da sie den Menschen verdirbt und den heiligen Geist vertreibt 381 Nach Sir 22,11 dauert die Trauerzeit entsprechend israelitischer Tradition sieben Tage (vgl. Gen 50,10; 1Sam 31,13; 1Chr 10,12; Jdt 16,24), doch scheint die zweitägige Trauer „eher Sirachs eigener, sehr zurückgenommener Form der Totenklage zu entsprechen.“ (O. Wischmeyer, Kultur, 1995, 114, Anm. 89). 382 Zwar findet sich das Lexem σατανᾶς Sir 21,27, doch dürfte hier an einen menschlichen Widersacher gedacht sein (vgl. J. Marböck, Sirach, 2010, 257 f.).
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(ἡ λύπη πάντων τῶν πνευμάτων πονηροτέρα ἐστὶ καὶ δεινοτάτη τοῖς δούλοις τοῦ θεοῦ καὶ παρὰ πάντα τὰ πνεύματα καταϕθείρει τὸν ἄνθρωπον καὶ ἐκτρίβει τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον; HermMand 10,1 [40,2]). Zwar kennt der Hirt des Hermas wie Paulus auch eine positive λύπη, die den Übeltäter zur Buße führt und somit den heiligen Geist wieder rettet (10,1 [40,2]; X,2 [41,3 f.]), offensichtlich aber überwiegt der negative Aspekt der λύπη. Dies zeigt sich auch383 daran, dass sie auch in dieser Schrift zumindest indirekt in Beziehung zum Teufel gesetzt wird: Wird die λύπη in HermMand 10,1[40,1] als Schwester des Zweifels (διψυχία) und des Jähzorns (ὀξυχολία) vorgestellt, so dürfte auch sie eine Tochter des Teufels sein, denn als solche wird der Zweifel in HermMand 9,9 bezeichnet (καὶ γὰρ αὕτη ἡ διψυχία θυγάτηρ ἐστὶ τοῦ διαβόλου). In anderer Weise bestimmten die Valentinianer das Verhältnis von λύπη und Teufel. Im ersten Buch seiner Schrift gegen die Häresien berichtet Irenäus, dass die materielle Substanz (ὑλική οὐσία) nach ihrer Lehre aus den drei Affekten Furcht (ϕόβος), Trauer (λύπη) und Verwirrung (ἀπορία) besteht (AdvHaer 1,5,4). Die λύπη galt den Valentinianern dabei als diejenige Größe, aus der nicht nur die Geister der Bosheit und die Dämonen mit ihren Dienern, sondern auch der Teufel und somit die ganze geistige Substanz der Bosheit entstanden war: ’Εκ δὲ τῆς λύπης τὰ πνευματικὰ τῆς πονηρίας διδάσκουσι γεγονέναι· ὅθεν τὸν Διάβολον τὴν γένεσιν ἐσχηκέναι, ὅν καὶ κοσμοκράτορα καλοῦσί, καὶ τὰ δαιμόνια, καὶ τοὺς ἀγγέλους, καὶ πᾶσαν τὴν πνευματικὴν τῆς πονηρίας ὑπόστασιν. Die radikal negative Bewertung und teilweise Satanisierung der λύπη in den bislang besprochenen Texten dürfte zumindest größtenteils auf den Einfluss hellenistischen Denkens und hier insbesondere der stoischen Affektenlehre zurückzuführen sein. Denn die Stoa rechnete λύπη neben ϕόβος, ἐπιθυμία und ἡδονή unter die „vier generischen Affekte“, aus denen sich die übrigen Affekte ableiten lassen.384 Betrachteten die Stoiker die Affekte als auf falschen Urteilen beruhende seelische Krankheiten, um deren Abtötung der Weise bemüht war, so galt λύπη als „Auflösung des ganzen Menschen“ (quasi solutionem totius hominis),385 und zumindest Cicero konnte sie im Vergleich mit den drei übrigen Affekten als das schlimmste Übel (malum maius) für den Menschen bezeichnen.386
383 Für die vorwiegend negative Bewertung der λύπη im Hirten des Hermas vgl. auch HermSim 15,3, wo sie in einem zwölfgliedrigen Lasterkatalog an fünfter Stelle genannt wird. 384 Vgl. C. Halbig, Affektenlehre, 2004, 49 ff. 385 So Chrysipp nach Cicero, TD 3,61. 386 Vgl. Cicero, TD 4,82. Vgl. auch R. Kassel, Untersuchungen, 1958,17, nach dem λύπη unter den vier generischen Affekten der Stoa „als besonders bedrohlich“ gelte und „erkennbar eine Sonderstellung“ einnehme.
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3.2.1.3 Der Teufel und die λύπη Adams und Evas Die nun zu behandelnde Vorstellung, dass das Wirken des Teufels primär λύπη hervorruft, findet sich insbesondere in zwei unterschiedlichen Themen komplexen.387 Der erste, in dem sie weniger deutlich zu Tage tritt, ist die Situation Adams und Evas, nachdem sie das Paradies verlassen mussten. Diese wird sowohl von ApkMos als auch von VitAd durch den Begriff λύπη bzw. dessen lateinische Übersetzungen „tristitia“ und „dolor“ beschrieben. So lässt etwa ApkMos 9,1 Adam sein von Krankheiten bestimmtes außerparadiesisches Leben (vgl. 8,2) durch die Worte ἐν μεγάλῃ λύπῃ εἰμί zusammenfassen. Ursache der Krankheiten und somit der μεγάλη λύπη Adams ist in ApkMos letztlich kein anderer als der Teufel, denn dieser ist es, der die Übertretung des göttlichen Paradiesgebotes durch Adam und Eva ursprünglich veranlasst hat. Von der μεγάλη λύπη des außerparadiesischen Menschen weiß auch die VitAd zu berichten. In dieser Schrift, die auch an Stellen, an denen sie nicht mit ApkMos übereinstimmt, auf eine griechische Vorlage zurückgeht,388 ist es die erste Tat Adams und Evas nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies, sich ein Zelt zu bauen, in dem sie sieben Tage trauernd und klagend in magna tristitia verleben (1,1). Auch VitAd ist es der Teufel, der letztlich für diese magna tristitia verantwortlich ist, denn durch ihn wurden Adam und Eva ihrer Wohnung im Paradies und damit ihrer geistlichen Freude (laetitia spiritali; 10,3) entfremdet. Zumindest Evas λύπη wird in VitAd durch eine zweite Begegnung mit dem Teufel noch vergrößert. Beschließen Adam und Eva aufgrund ihrer paradiesischen Gebotsübertretung, Buße zu tun, so will sich Adam dazu 40 Tage fastend in den Jordan stellen, Eva aber, die zu einer gleich großen Buße nicht in der Lage ist, soll 37 Tage schweigend im Tigris stehen (vgl. VitAd 6 f.). Dem Teufel gelingt es nun, indem er sich in die Lichtgestalt der Engel verwandelt (transfiguravit se in claritatem angelorum; 9,1), Eva abermals zu überlisten und sie zum vorzeitigen Abbruch ihrer Buße zu bewegen. Von Adam, der den Teufel trotz seiner Verwandlungskunst sofort erkennt, darauf hingewiesen, dass es keineswegs ein ihr die göttliche Annahme der Bußleistung verkündigender Engel, sondern der Teufel war, der sie dazu brachte, ihre Buße vorzeitig abzubrechen, stürzt Eva zu Boden, und es verdoppeln sich ihr Schmerz, ihr Seufzen und ihr Trauern (duplicatus est dolor et gemitus et planctus ab ea; 11,1). Der Terminus dolor, der von G. Anderson und M. Stone an dieser Stelle treffend mit „grief “ übersetzt wird, steht in der Vulgata häufig an Stellen, 387 Außerhalb der im Fließtext zu behandelnden Themenkomplexe begegnet λύπη auch in TestJud 23,1 und TestHi 7,8 als Folge satanischen Wirkens. Nach TestJud 23,1 gerät Juda in λύπη, weil seine Kinder dem Königtum schaden werden, indem sie u. a. den Dämonen des Irrtums (δαίμοσι πλάνης) Gefolgschaft leisten werden. TestHi 7,8 ist es die Türhüterin Hiobs, die aufgrund ihrer Interaktion mit Satan in μεγάλη λύπη gerät. 388 Vgl. O. Merk/M. Meiser, Leben, 1998, 760.
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an denen sich in LXX der Begriff λύπη findet.389 Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass in der griechischen Vorlage von VitAd 11,1 von der durch den Teufel bewirkten Verdopplung der λύπη Evas die Rede war.390 Die Vorstellung, dass die Situation des aufgrund teuflischer Verführungskunst aus dem Paradies vertriebenen Menschen vor allem als Situation großer λύπη zu verstehen ist, hat ihren Grund in der Septuaginta-Übersetzung der Urgeschichte und hier insbesondere in der Übersetzung von Gen 3,16 f. Bereits an dieser Stelle wird die postlapsarische Situation Adams und Evas vom Übersetzer insbesondere durch den Terminus λύπη charakterisiert: So kündigt Gott Eva in seiner an sie gerichteten Strafrede an, dass er ihre λύπας sehr vermehren wird und dass sie ἐν λύπαις Kinder gebären wird (Gen 3,16 LXX). An Adam gerichtet stellt Gott sodann fest, dass die Erde für seine Arbeit verflucht ist und dass Adam von ihr ἐν λύπαις essen wird (Gen 3,17 LXX). Im Rahmen der Urgeschichte findet sich schließlich mit Gen 5,29 LXX noch ein weiterer Vers, in dem die postlapsarische Menschheitsgeschichte als ganz wesentlich durch λύπη bestimmt dargestellt wird. Unter Wiederaufnahme von Gen 3,17 sagt Lamech hier über seinen Sohn Noah: οὗτος διαναπαύσει ἡμᾶς ἀπὸ τῶν ἔργων ἡμῶν καὶ ἀπὸ τῶν λυπῶν τῶν χειρῶν ἡμῶν καὶ ἀπὸ τῆς γῆς ἧς κατηράσατο κύριος ὁ θεός. Diese mit der Geburt Noahs verbundene Hoffnung leitet bereits über zum zweiten Themenkomplex, innerhalb dessen die Vorstellung vom Teufel als Verursacher von λύπη in den frühjüdischen Schriften begegnet. 3.2.1.4 Die Tradition von der Entmachtung des Teufels und der Verwandlung der λύπη in χαρά Wird in den eben genannten Schriften die durch den Teufel verursachte postlapsarische Situation Adams durch den Terminus λύπη charakterisiert, so wird an einigen Stellen des frühjüdischen Schrifttums die Verheißung ausgesprochen, dass die durch den Teufel in diesem Äon bei den Gerechten bewirkte λύπη von Gott in χαρά verwandelt werden wird. Es handelt sich bei diesen Stellen um das 39. Kapitel der Apokalypse des Mose, einen Auszug aus dem sog. qumranischen Midrasch zur Eschatologie (4Q 177 10,8–10), das 10. Kapitel der Assumptio Mosis und einen Auszug aus dem 25. Kapitel des Testament Judas. Werden die genannten Textstellen im Folgenden ausführlicher besprochen, so geschieht dies, weil in ihnen einige Motive begegnen, die sich auch im Johannesevangelium nachweisen lassen. Dabei handelt es sich um 1. das Motiv der Trauer verursachenden Herrschaft des Teufels, 2. das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse, 389 Vgl. Gen 3,16; Gen 42,38; Spr 10,10; Spr 14,13; Jes 35,10; Jes 50,11; Jes 51,11. 390 Dafür spricht auch, dass VitaAd 35,1 die in ApkMos 9,1 genannte λύπη Admas mit dolor übersetzt.
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3. das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse, 4. das Motiv vom Gottesgericht über den Teufel. Vollständig begegnen diese Motive innerhalb der genannten frühjüdischen Texte nur im 39. Kapitel der ApkMos. Zudem werden sie in den übrigen Texten häufig in abgewandelter oder verkürzter Form dargeboten. Dennoch verdeutlichen die Parallelen m. E., dass alle Texte sich einer offensichtlich recht verbreiteten Tradition bedienen, nach der der Teufel für die gegenwärtige λύπη der Gerechten verantwortlich ist, und die Verwandlung dieser λύπη in χαρά in engem Zusammenhang mit dem Ende des Teufels steht. Es wird zu zeigen sein, dass sich auch das Johannesevangelium dieser primär in apokalyptischen Kreisen beheimateten Teufelstradition bedient, sie aber in spezifischer Weise verändert und für seinen Entwurf einer präsentischen Eschatologie fruchtbar gemacht hat. Wurde bereits festgestellt, dass die genannten Motive einzig in ApkMos 39 vollständig belegt sind, so sollen sie im Folgenden zunächst anhand dieses Textes aufgezeigt werden. Anschließend werden Parallelen und Abweichungen der Motive in den übrigen Texten besprochen, und schließlich ist zu zeigen, dass die aufgeführten Motive auch im Johannesevangelium begegnen. ApkMos 39 ApkMos 39 beinhaltet eine Rede Gottes vor dem noch nicht bestatteten Leichnam Adams. Hatten die Engel nach Adams Tod bei Gott um Vergebung für ihn gebeten, so wurde dieser Bitte stattgegeben. Der Leichnam Adams wird daraufhin im acherontischen See dreimal gewaschen (37,3) und sodann auf göttlichen Befehl vom Erzengel Michael ins Paradies gebracht (37,5 f.). Schließlich versammelt sich das ganze himmlische Heer, Gott inbegriffen, vor dem Leichnam Adams, und Gott hält die besagte Rede, die in Kapitel 39 mit folgendem Wortlaut wiedergegeben wird (ApkMos 39,1–3):391 1 Καὶ ἐλυπήθη (sc. ὁ θεός F. T.) σϕόδρα ἐπ᾽ αὐτῷ καὶ λέγει αὐτῷ ὁ θεός· Ἀδάμ, τί τοῦτο ἐποιήσας; εἰ ἐϕύλαξας τὴν ἐντολήν μου, οὐκ ἄν ἐχαίροντο οἱ καταγαγόντες σε εἰς τὸν τόπον τοῦτον. 2 Πλὴν λέγω σοι, ὅτι τὴν χαρὰν αὐτῶν ἐπιστρέψω εἰς λύπην, τὴν δὲ λύπην σου ἐπιστρέψω εἰς χαράν· καὶ ἐπιστρέψω σε εἰς τὴν ἀρχήν σου καὶ καθίσω σε εἰς τὸν θρόνον τοῦ ἀπατήσαντός σε, 3 ’Εκεῖνος δὲ εἰσβληθήσεται εἰς τὸν τόπον τοῦτον, ἵνα ἴδῃ σε καθήμενον ἐπάνω αὐτοῦ. τότε κατακριθήσεται αὐτὸς καὶ οἱ ἀκουσάντες αὐτοῦ, καὶ λυπηθήσεται ὁρῶν σε καθήμενον ἐπὶ τοῦ θρόνου αὐτοῦ. 39, 1 Und Gott wurde sehr traurig über ihn und spricht zu ihm: Adam, warum hast du das getan? Hättest du mein Gebot eingehalten, dann würden sich nicht freuen, die dich heruntergebracht haben zu diesem Ort. 2 Allein ich sage dir, dass ich ihre 391 Text und Übersetzung nach J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 514.
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Freude wieder in Trauer wenden werde und deine Trauer wieder in Freude; und ich werde dich wieder zu deiner ursprünglichen Herrschaft bringen und werde dich auf den Thron deines Verführers setzen. 3 Jener aber wird geworfen werden an diesen Ort, damit er dich über ihm sitzen sieht; dann wird er selbst verurteilt werden und die auf ihn gehört haben, und er wird trauern, da er dich auf seinem Thron sitzen sehen wird.
1. Das Motiv der Trauer verursachenden Herrschaft des Teufels Spricht Gott gegenüber Adam von dem θρόνος τοῦ ἀπατήσαντός σε, so meint er damit eindeutig den Thron des Teufels, da ἀπατᾶν in ApkMos terminus technicus für das Vorgehen des Teufels gegen den Menschen ist (vgl. 15,1; 16,5; 23,4 f.; 30,1). Dieses auch in der Apokalypse des Johannes (vgl. Apk 2,13) begegnende Motiv vom Thron des Teufels verdeutlicht, dass der Teufel als Herrscher verstanden wird. Bei seiner Herrschaft handelt es sich – wie die Verwendung des Verbs ἐπιστρέϕειν im Verbund mit ἀρχή zeigt392 – um die Herrschaft, die ursprünglich Adam innehatte. Man wird annehmen dürfen, dass dabei nicht nur an die ursprüngliche Herrschaft Adams über die Tiere, von der ApkMos 24,3 die Rede ist, sondern auch an die Herrschaft über die Erde gedacht ist. Zwar ist von dieser in ApkMos nicht die Rede, doch dürfte der Verfasser über sie aus Gen 1,28LXX informiert gewesen sein. Die ursprüngliche Herrschaft Adams über die Erde wäre dann in ApkMos mit dem Sündenfall auf den Teufel übergegangen, und dieser würde somit als gegenwärtiger Herrscher über die Erde verstanden. In jedem Fall aber hat der Teufel bis zur Wiederherstellung der ursprünglichen Machtverhältnisse eine Machtposition gegenüber Adam inne und wird als Herrscher über ihn verstanden. Denn gegenwärtig ist es der Teufel, der auf dem Thron sitzt, und dieser befindet sich über (ἐπάνω) dem Ort, an dem Adam sich aufhält. Als Auswirkung dieser Herrschaft des Teufels wird die λύπη genannt, die sie bei Adam hervorruft. Dabei ist Adam jedoch an dieser Stelle der ApkMos nicht als Repräsentant der ganzen Menschheit zu verstehen, sondern er repräsentiert – zumindest in ApkMos 39 – die Gerechten,393 sodass es die Gruppe der Gerechten ist, bei denen die Herrschaft des Teufels nach Meinung des Verfassers λύπη bewirkt. 392 Vgl. ebd. 517: „Das Wort ἀρχή im Zusammenhang mit ἐπιστρέψω evoziert den Gedanken einer recapitulatio – es wird die ἀρχή Adams im Sinne seines ursprünglichen Zustandes wiederhergestellt.“ 393 Vgl. ebd., 521, der bezüglich der Gerichtsankündigung über die Gruppe derjenigen, die auf den Teufel gehört haben (οἱ ἀκουσάντες αὐτοῦ), in 39,3 feststellt: „Diese Angabe ist sicher bewußt offengehalten; es geht nicht etwa nur um die Schlange. Vielmehr öffnet sich hier der Text auf den Leser hin: Er kann hier eine Warnung hören, aber auch einen Trost: Denjenigen, die er in seiner Gegenwart als ‚Hörer des Teufels‘ anzusehen geneigt ist, wird es dereinst nicht sehr gut gehen. Damit befindet sich Adam freilich auch strukturell in der Situation derer, die nicht auf den Teufel hören, sich also an Gottes Gebote halten: Adam ist – jedenfalls jetzt – ein Gerechter.“
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2. Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse Der gegenwärtigen λύπη Adams wird explizit die gegenwärtige Freude derer gegenübergestellt, die seine Situation verschuldet haben (VV. 1 f.). Wer alles unter diejenigen zu rechnen ist, die Adam εἰς τὸν τόπον τοῦτον gebracht haben und sich darüber freuen, wird nicht festgestellt, doch die VV. 2 f. verdeutlichen, dass primär an den Teufel gedacht ist.394 Gott jedoch verheißt Adam, dass er die gegenwärtigen, emotionalen Verhältnisse diametral umkehren wird: Die gegenwärtige durch den Teufel verursachte λύπη Adams wird er wieder in χαρά verwandeln. Durch die Verwendung des Verbes ἐπιστρέϕειν wird dabei auch hier verdeutlicht, dass es sich um die Wiederherstellung des ursprünglichen emotionalen Zustandes Adams handelt. Mit dieser Umkehr des emotionalen Zustandes Adams geht die Umkehr des emotionalen Zustandes des Teufels einher, die in die entgegengesetzte Richtung verläuft: Seine gegenwärtige χαρά wird von Gott in λύπη verkehrt werden. 3. Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse Die Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse basiert auf der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse: Adam wird von Gott auf den Thron gesetzt, den gegenwärtig der Teufel sein Eigen nennt, und damit wieder in seine Herrschaft eingeführt werden. Aus dieser Inthronisation Adams resultiert die λύπη des Teufels (39,3) und daher wird man auch die künftige χαρά Adams auf diese zurückführen dürfen. Dass es sich bei der endzeitlichen Herrschaft Adams, wie oben bereits angemerkt wurde, um die Herrschaft handelt, die er vor dem Sündenfall ausübte, zeigt sich nicht nur durch die erneute Verwendung des Verbes ἐπιστρέϕειν, sondern auch durch das Spiel mit der Doppeldeutigkeit des Terminus ἀρχή, der hier mit „ursprüngliche Herrschaft“ zu übersetzen ist.395 Die Inthronisation Adams durch Gott geht einher mit der ebenfalls von Gott bewirkten Enthebung des Teufels von seinem gegenwärtigen Thron und seinem Sturz, seinem Hinabgeworfenwerden an den Ort, an dem sich Adam gegenwärtig befindet. 4. Das Motiv vom Gottesgericht über den Teufel Die genannte Entmachtung des Teufels wird explizit als ein Gottesgericht bezeichnet, das über den Teufel und diejenigen, die auf ihn gehört haben, ergeht. Als Folge dieses Gerichts wird u. a. angesehen, dass er Adam auf seinem gegenwärtigen Thron sitzen sehen wird.
394 Vgl. ebd. 517. 395 Zur vorgeschlagenen Übersetzung und zum Spiel mit dem Terminus ἀρχή vgl. J. Dochhorn, Apokalypse, 2005, 514; 517.
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4QMidrEschat Drei der vier aufgezeigten Motive begegnen auch in einem Abschnitt des sog. qumranischen Midrasch zur Eschatologie (MidrEschat), in den oben396 bereits eingeleitet wurde. In dem von den Bedrängnissen der Endzeit handelnden und das rettende Eingreifen Gottes vorhersagenden Abschnitt 4Q 177 10,8–10, der leider nur lückenhaft erhalten ist, heißt es:397 [(?) $Xwxb lXwmw l[y]lb tlXmmb lbatm hyh rXa rwa lrw[gb] lXwm [ ] 8 [tlXmmb] lbatm hyh rXa [ ]pk lwm [ l]arXy law ~ymxrh yhwl[a ]… bwX lba yXarl [ ]. w wnmm hb[ ] 9 dw[[ ]~krbw ~lw[l ~hl xlsnw l[yl[b y]xwrb wllwg[t]h rXa[ ] 10 [~]hycq yal[(?)pk ]~krbw ~lw[l dym
8 […] der Herrscher [über das L]os des Lichtes, welcher in Trauer ist während der Herrschaft Bel[ials, und der Herrscher über die Finsternis (?),] welcher in Trauer ist [während der Herrschaft (des Lichts[?], Michaels[?], Melchisedeks[?])]398 9 […]. von ihm und. […] in Bezug auf die Häupter der Trauer wendet … [… Go]tt des Erbarmens und den Gott Israe[ls …] … gemäß. [..] 10 […], in denen sich gew[ä]lzt haben wegen der Geist[er Be]lials, und es wird ihnen vergeben für immer, und er segnet sie […] beständig (?) für immer, und er segnet sie [gemäß den Wund]ern (?) ih[rer Zeiten
1. Das Motiv der Trauer verursachenden Herrschaft Belials Trotz der nicht unerheblichen Textverderbnis lässt sich in Z. 8 noch recht ein deutig erkennen, dass Belial in einer bestimmten Periode der Weltgeschichte Herrschaft ausübt, wobei der Verfasser insbesondere an seine eigene Gegenwart gedacht haben wird. Deutlich wird sodann, dass als primäre Auswirkung dieser Herrschaft Trauer (lba) angesehen wird, und zwar zunächst beim „Herrscher über das Los des Lichts“. Dieser dürfte mit dem 4Q 177 11,12 genannten „Engel seiner (sc. Gottes) Wahrheit“ zu identifizieren sein und somit ein metaphysisches Wesen bezeichnen.399 Aufgrund der pluralischen Rede von den „Häupter[n] der Trauer“ in Z. 9, bei denen, wie der erhaltene Kontext nahelegt, wohl an die Anhänger der Gemeinde zu denken ist, darf vermutet werden, dass diese gemeinsam mit ihrem metaphysischen Anführer während der Herrschaft Belials in Trauer sind.
396 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 2.3.5. 397 Text und Übersetzung nach A. Steudel, Qumran II, 206 f. 398 Zu diesen Ergänzungsmöglichkeiten vgl. Ebd. 207, Anm. 47 [S. 272]. 399 Gegen F. W. Röcker, Belial, 2009, 108, der vermutet, es könne der Leiter der Gemeinde gemeint sein.
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2. Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse Akzeptiert man nun die oben angeführte Rekonstruktion des Textes durch A. Steudel, so findet sich auch 4QMidrEschat der Gedanke, dass die gegen wärtigen emotionalen Verhältnisse in der Zukunft von Gott umgekehrt werden sollen. Das Motiv begegnet hier jedoch in abgewandelter Form. Explizit erwähnt wird nur die Trauer der jeweils beherrschten Partei, dass die gegenwärtige Trauer des Herrschers über das Los des Lichts und der zu ihm gehörenden Menschen in Freude verwandelt wird, ist nicht explizit gesagt. Doch impliziert der erhaltene Text diesen Gedanken m. E. deutlich und angesichts der Wendung „in Bezug auf die Häupter der Trauer wendet … [… Go]tt dess Erbarmens“ könnte er im ursprünglichen Text auch explizit ausgesprochen gewesen sein. 3. Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse Auch in 4QMidrEschat ist mit der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse die Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse aufs engste verbunden. Wie die gegenwärtige Trauer des dxy und seines metaphysischen Anführers in der Herrschaft Belials ihren Grund hat, so wird umgekehrt die zukünftige Trauer Belials damit begründet, dass der Herrscher über das Los des Lichts durch Gottes Eingreifen zur Herrschaft gelangen wird. 4. Das Motiv vom Gottesgericht über den Teufel Das Motiv vom Gottesgericht findet sich in 4QMidrEschat nicht. Assumptio Mosis Auch in der Assumptio Mosis wird als wesentliche Folge teuflischen Wirkens die Trauer genannt. Diese Schrift lässt sich in ihrer Endgestalt mit einiger Sicherheit in die Zeit zwischen 4 v. und 30 n. Chr. datieren, da sie den Tod Herodes’ des Großen voraussetzt und die Weissagung in 6,7, nach der dessen Söhne nicht so lange herrschen werden wie dieser, im Jahre 30 n. Chr. falsifiziert wurde.400 Die Assumptio ist in nur einer lateinischen Handschrift überliefert, die als Über setzung eines griechischen Textes zu charakterisieren ist.401 Dieser könnte wiederum auf ein hebräisches Original zurückgehen, was sich jedoch nicht erweisen lässt.402
400 Vgl. E. Brandenburger, Himmelfahrt, 1976, 60. 401 Zur Begründung vgl. J. Tromp, Assumption, 1993, 78–81. 402 Für ein hebräisches Original hat insbesondere R. H. Charles, Assumption, 1897, 38–45, argumentiert und viel Zustimmung erhalten (so beispielweise von E. Brandenburger, Himmelfahrt, 1976, 59). Dagegen hat J. Tromp, Assumption, 1993, 81–85 gezeigt, dass keines der von Charles angeführten Argumente ein sicherer Beweis für ein hebräisches Original der Assumptio Mosis ist.
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AssMos gibt die letzten Worte Moses wieder, durch die er Josua die kommende Geschichte Israels prophezeit. Berichtet „Moses“ dabei ab Kapitel 7 von den Ereignissen der letzten Zeiten, so beendet er seine Prophezeiung in Kapitel 10 mit einem Ausblick auf den Anbruch der Gottesherrschaft. Diesen beginnt er wie folgt (AssMos 10,1.8–10):403 1 Et tunc parebit regnum illius in omni creatura illius. Et tunc zabulus404 finem habebit, et tristitia[m] cum eo adducetur. 2 Tunc implebuntur manus nuntii qui est in summo constitutus, qui protinus vindicavit illos ab inimicis eorum. […] Tunc felix eris, tu Israhel, et ascendes supra cervices et alas aquilae, et implebuntur. 9 Et altavit te Deus, et faciet te herere caelo stellarum, loco habitationis ejus. 10 Et conspiges a summo, et vides inimicos tuos in terram et cognosces illos et gaudebis et agis gratias et confiteberis creatori tuo. 1 Und dann wird seine Herrschaft über seine ganze Schöpfung erscheinen, und dann wird der Teufel ein Ende haben, und die Trauer wird mit ihm weggenommen sein. 2 Dann werden die Hände des Boten, der an die höchste Stelle gestellt ist, gefüllt werden, der sie sogleich an ihren Feinden rächen wird. […] 8 Dann wirst du glücklich sein, Israel, und du wirst auf die Nacken und Flügel des Adlers hinaufsteigen, und so werden sie ihr Ende haben. 9 Und Gott wird dich er höhen, und er wird dir festen Sitz am Sternenhimmel verschaffen, am Ort ihrer Wohnung. 10 Und du wirst von oben herabblicken und deine Feinde auf Erden sehen und sie erkennen und dich freuen, und du wirst Dank sagen und dich zu deinem Schöpfer bekennen.
1. Das Motiv der Trauer verursachenden Herrschaft des Teufels Offensichtlich ist, dass in AssMos als wesentliche Folge teuflischen Wirkens die Trauer angesehen wird, wobei lateinisch „tristitia“ Übersetzung des Terminus λύπη in der griechischen Vorlage sein dürfte.405 Dabei ist es auch in AssMos nicht die ganze Menschheit, die durch das Wirken des Teufels in Trauer gestürzt wird, sondern einzig Israel und somit die literarische Identifikationsgröße des impliziten Lesers.
403 Text nach J. Tromp, Assumption, 1993, 18; Die Übersetzung folgt über weite Strecken wörtlich E. Brandenburger, Himmelfahrt, 1976, 76 f., weicht aber an einigen Stellen leicht ab. 404 Für „zabulus“ als orthographische Variante von „diabolus“ vgl. J. Tromp, Assumption, 1993, 31; 33. 405 Vgl. ebd. 229: „probably λύπη […] perhaps πένθος […]“.
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Nicht ganz eindeutig lässt sich hingegen die Frage beantworten, ob der Teufel in AssMos als Herrscher zu verstehen ist, denn da er im erhaltenen Text der AssMos nur in 10,1 erwähnt wird,406 ist seine Rolle in dieser Schrift, nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen. Wenig plausibel ist es jedoch ihn mit O. Camponovo in der „Funktion des Anklägers im Thronrat Gottes“407 zu verstehen. Vielmehr deutet die antithetische Aussage in 10,1 daraufhin, dass der Teufel hier als von Gott unabhängiger Herrscher zu verstehen ist, dessen Herrschaft mit dem Erscheinen der Herrschaft Gottes zu Ende geht.408 2. Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse findet sich in AssMos in abgewandelter Form. Explizit ist nur die Rede von der Umkehr des gegenwärtigen Zustandes Israels. Israels Trauer wird mit dem Ende des Teufels hinweg genommen werden und Israel wird, so verheißen die V. 8–10, glücklich sein (felix eris) und sich freuen (gaudebis): Israels Trauer zur Zeit der Wirksamkeit des Teufels wird somit im Eschaton in Freude verwandelt werden. Dass auch der gegenwärtige emotionale Zustand der Feinde Israels umgekehrt werden wird, stellt der Text nicht explizit fest, doch dürfte dieser Gedanke durchaus mitschwingen. Denn wenn nach V. 2 der Bote Gottes in der Funktion des göttlichen Richters409 an den Feinden Israels Rache nehmen wird, so wird man vermuten dürfen, dass diese, die zuvor über Israel herrschten (7,3) und sich an ihren Gastmählern und Schlemmereien erfreuten,(7,4) an dem Tag, den Kapitel 10 verheißt, in große Trauer versetzt werden. 3. Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse Ist nicht mit letzter Sicherheit zu sagen, ob der Teufel in AssMos als Herrscher vorgestellt wird, so lässt sich noch schwerer bestimmen, inwiefern die gegen wärtigen Herrschaftsverhältnisse am Ende der Tage umgekehrt werden. Stellt der Text in 10,1 fest, dass Gottes Herrschaft über seine ganze Schöpfung erscheinen wird, so darf das nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass Gott die Weltherrschaft zuvor nicht innehatte. Vielmehr ist er bereits zuvor der auf seinem 406 Zum verlorenen Ende der AssMos und dem Disput zwischen Michael und dem Teufel (vgl. z. B. Jud 9), der hier vermutlich zu lesen war vgl. ebd. 270–281. 407 O. Camponovo, Königtum, 1984, 170; Im Anschluss an Camponovo plädiert für dieses Verständnis des Teufels in AssMos auch W. Zager, Gottesherrschaft, 1996, 95. Das Argument Camponovos ist, dass AssMos 4,3 „sehr wahrscheinlich auf die Trauer des Exils hingewiesen wird“. Hieraus schließt er, tristitia meine die Plagen, welche über Israel aufgrund seiner Sünden, die der Teufel vor Gott zur Anklage gebracht habe, gekommen seien (O. Camponovo, Königtum, 1984, 170). In 4,3 aber ist zwar – wenn die von den meisten Forschern angenommene Konjektur maiestitia für maiestas richtig sein sollte – die Rede von der Trauer des Exils, diese wird aber gerade nicht durch den Terminus tristitia ausgedrückt. 408 Ähnlich J. Becker, Das Heil Gottes, 1964, 100. 409 Vgl. E. Brandenburger, Himmelfahrt, 1976, 76, Anm. 2a.
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„erhabenen Thron“ sitzende „König“ (4,2), der die Geschichte aller Völker von Anfang bis zum Ende bis ins Kleinste vorherbestimmt hat (12,4) und die ganze Welt mit Barmherzigkeit und Gerechtigkeit beherrscht (11,17). Das Erscheinen der göttlichen Herrschaft, das für die Endzeit angekündigt wird, meint somit nicht deren Aufrichtung, sondern ihr für alle Geschöpfe sichtbares Hervortreten.410 Die hintergründigen metaphysischen Herrschaftsverhältnisse wandeln sich daher nicht. Vielmehr werden die eigentlichen metaphysischen Herrschaftsverhältnisse offenbar, wodurch sich die irdischen Herrschaftsverhältnisse ändern bzw. ein Ende haben, denn die Herrschaft der gottlosen Menschen (7,2) über Israel auf Erden ist dann vorüber. Geht mit dem Ende ihrer Herrschaft über Israel nicht nur das Ende des Teufels, sondern auch die Vernichtung ihrer Götzen einher (10,7), so ist es nahe liegend, Teufel und Götzen in Beziehung zueinander zu setzen und zu vermuten, dass dadurch, dass die Herrschaft der gottlosen Menschen über Israel zu Ende geht, auch die scheinbare Herrschaft ihrer Götzen und des hinter ihnen stehenden Satans beendet wird. 4. Das Motiv vom Gottesgericht über den Teufel Von einem über den Teufel ergehenden Gottesgericht spricht der Text nicht explizit. Dafür, dass das Ende des Teufels jedoch durchaus als Folge eines solchen Gerichtsaktes vorgestellt sein dürfte, spricht die Verwendung des Terminus adducetur in V. 1. Dieser dürfte hier Übersetzung von ἀπάγειν in der griechischen Vorlage sein,411 und somit einen Begriff wiedergeben, der terminus technicus der Gerichtssprache ist und u. a. das Abführen des Verhafteten oder Verurteilten bedeuten kann.412 TestJud 25,3–5 Ein weiterer Beleg für eine auf Βελιάρ zurückgeführte λύπη findet sich im 25. Kapitel des Testament Judas, welches Bestandteil der TestXII ist.413 Innerhalb des Kapitels lässt sich ein prosaischer (25,1 f.) von einem rhytmisch gegliederten, poetischen Abschnitt (25,3–5) unterscheiden. Die Abschnitte sind vermutlich auf unterschiedliche Hände zurückzuführen und dürften beide nicht zum Grundstock der TestXII gehört haben.414 Sind die VV. 3–5, in denen Βελιάρ als Verursacher von λύπη erscheint, wahrscheinlich jünger als die VV. 1 f., so dürften sie dennoch nicht als Weiterschreibung derselben zu bewerten sein, „denn ab gesehen vom literarischen Unterschied (Poesie in V. 3–5 kontra Prosa in V. 1–2), 410 Vgl. W. Zager, Gottesherrschaft, 1996, 94; J. Tromp, Assumption, 1993, 229. 411 Vgl. J. Tromp, Assumption, 1993, 35 f. 412 Vgl. W. Bauer, Wörterbuch, 61988, 158. 413 Zu den Einleitungsfragen zu dieser Schrift vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 2.3.6. 414 Vgl. J. Becker, Entstehungsgeschichte, 1970, 323 ff.; J. H. Ulrichsen, Grundschrift, 1991, 174 f.
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ist die Testamentfiktion in V. 3–5 aufgegeben, und das Interesse begrenzt sich nicht mehr auf die Stammväter.“415 Aufgrund der an Mt 5,3 erinnernden Wendung οἱ ἐν πτωχείᾳ διὰ κύριον πλουτισθήσονται in V. 4b, ist es nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass die VV. 3–5 auf eine christliche Hand zurückzuführen sind. Zwar hat insbesondere J. Becker dem Urteil M. de Jonges, V. 4b sei „definitely Christian“416 m. E. zu Recht widersprochen,417 und auch J. H. Ulrichsen führt die VV. 3–5 auf einen jüdischen Verfasser zurück.418 Es sei hier jedoch angemerkt, dass es für die Zwecke vorliegender Arbeit von untergeordnetem Interesse ist, ob es sich bei den VV. 3–5 um einen frühjüdischen Text oder um eine christliche Interpolation handelt. Denn in beiden Fällen ist der Abschnitt als sachlich relevanter Beleg für die in den bisherigen Texten erkannte Tradition zu bewerten (TestJud 25,3–5):419 καὶ ἔσται εἷς λαὸς κυρίου καὶ γλῶσσα μία· καὶ οὐκ ἔσται ἔτι πνεῦμα πλάνης τοῦ Βελιάρ, ὅτι ἐμβληθήσεται ἐν τῷ πυρὶ εἰς τὸν αἰῶνα καὶ ἐπέκεινα. 4 καὶ οἱ ἐν λύπῃ τελευτήσαντες ἀναστήσονται ἐν χαρᾷ, καὶ οἱ ἐν πτωχείᾳ διὰ κύριον πλουτισθήσονται, (…) καὶ οἱ διὰ κύριον ἀποθανόντες ἐξυπνισθήσονται ἐν ζωῇ. 5 καὶ οἱ ἔλαϕοι ’Ιακὼβ δραμοῦνται ἐν ἀγαλλιάσει, καὶ οἱ ἀετοὶ ’Ισραὴλ πετασθήσονται ἐν χαρᾷ· οἱ δὲ ἀσεβεῖς πενθήσουσι, καὶ οἱ ἁμαρτωλοὶ κλαύσονται, καὶ πάντες οἱ λαοὶ δοξάσουσι κύριον εἰς αἰῶνας.
3
3 Und es wird ein Volk des Herrn sein und eine Sprache, und der Geist der Verführung Beliars wird dort nicht sein, denn er wird für immer ins Feuer geworfen werden. 4 Und die in Trauer starben, werden in Freude aufstehen, und die um des Herrn willen Armen werden reich werden. Und die um des Herrn willen starben, werden aufgeweckt werden zum Leben. 5 Und die Hirsche Jakobs werden mit Frohlocken laufen, und die Adler Israels werden mit Freuden fliegen, [und die Frevler werden trauern und die Sünder klagen], und alle Völker werden den Herrn für immer preisen.
1. Das Motiv der Trauer verursachenden Herrschaft des Teufels Dass die Teufelsgestalt in TestXII als Herrscher verstanden wird, ist kaum zu bezweifeln: Explizit ist TestDan 6,2.4 von der Herrschaft des Feindes (βασιλεία τοῦ ἐχθροῦ) die Rede. Dieser wird ferner als ὁ ἄρχων τῆς πλάνης (TestSim 2,7; Test-
415 J. H. Ulrichsen, Grundschrift, 1991, 174; vgl. auch J. Becker, Entstehungsgeschichte, 1970, 324. 416 M. de Jonge, Testaments, 1953, 32. 417 J. Becker, Entstehungsgeschichte, 1970, 324, Anm. 3. 418 J. H. Ulrichsen, Grundschrift, 1991, 329 ff. Einzig im Blick auf die angeführte Wendung in 4b konstatiert er, dass es unsicher sei, ob sie auf einen christlichen Interpolator zurückzuführen ist (vgl. ebd. 315). 419 Text nach M. De Jonge, Patriarchs, 78; Übersetzung nach J. Becker, Testamente, 1974, 77 f.
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Jud 19,4) bezeichnet und gilt als Herrscher derjenigen Menschen, die sich durch ihn und seine πνεύματα zur Sünde verführen lassen (TestDan 5,6 f.). Aber auch wenn es sich bei TestJud 25,3–5 um eine ursprünglich von TestXII unabhängige jüdische Tradition handeln sollte, liegt es nahe, dass Beliar von dieser Tradition als Herrscher verstanden wurde: Ist es eine Konsequenz der Überwindung Beliars, dass εἷς λαὸς κυρίου sein wird, so wird damit festgestellt, dass das ganze Volk von Gott beherrscht werden wird und sich keiner mehr unter der Herrschaft der anderen Macht, unter der Herrschaft Beliars befinden wird. V. 4a verdeutlicht, dass λύπη eine wesentliche Folge der Herrschaft Beliars ist. Dass es auch hier nur die Gerechten sind, die von dieser λύπη betroffen sind, ergibt sich daraus, dass die in λύπη Verstorbenen in einer Reihe stehen mit den um des Herrn willen Armen und den Märtyrern, die um des Herrn willen starben. 2. Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse Dass der emotionale Zustand der zur Zeit der Herrschaft Beliars in Trauer verstorbenen im Eschaton umgekehrt und in Freude verwandelt wird, lässt sich V. 4a deutlich entnehmen. V. 5c sagt vorher, dass die Frevler trauern und die Sünder klagen werden, doch könnte es sich bei diesem Teil des Verses um einen Nachtrag handeln.420 Unter Voraussetzung seiner Ursprünglichkeit ließe sich, wenngleich dies nicht explizit gesagt wird, vermuten, dass die Sünder zur Zeit der Herrschaft Beliars in χαρά sind. Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse wäre somit zumindest implizit vollständig belegt. Handelt es sich bei V. 5c hingegen tatsächlich um einen Nachtrag, so ist TestJud 25 nur die endzeitliche Verwandlung der λύπη der Gerechten in χαρά, nicht aber die Umwandlung der χαρά der Sünder in λύπη im Blick. 3. Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse Nach TestDan 5,13 wird Gott am Ende der Zeit inmitten Israels seine Königsherrschaft ausüben (βασιλεύων). Um diese Königsherrschaft zu realisieren, muss Gott jedoch zunächst Krieg gegen Beliar führen (5,11). Dass Beliar dabei als Herrscher vorgestellt ist, ist deutlich, denn unmittelbar zuvor konstatiert Dan in 5,6 gegenüber seinen Kindern: „Ich las in der Schrift Henochs des Gerechten, dass euer Herrscher der Satan ist“ (ὁ ἄρχων ὑμῶν). Zwar wird Satan hier explizit nur als Herrscher über die Kinder Dans bezeichnet. Da jedoch auch von Levis Söhnen gesagt wird, dass sie von bösen Geistern zur Sünde verführt werden (5,6) und von Dans Söhnen, dass sie habsüchtig sein und fremdes Eigentum wie Löwen rauben werden, ist deutlich, dass auch diese Stämme, und mit ihnen letztlich ganz Israel, von Satan beherrscht sein wird. Diese Herrschaft Satans bzw. Beliars bricht Gott durch seinen Krieg gegen Beliar, so dass er selbst als König in Is 420 Vgl. J. Becker, Entstehungsgeschichte, 1970, 324, inklusive Anm. 1; Ders., Testamente, 1974, 78, Anm. 5b.
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rael herrscht. Es ist somit deutlich, dass die Herrschaftsverhältnisse hier von Gott umgekehrt werden. Interpretiert man TestJud 25,3–5 im Rahmen dieser eschatologischen Vorstellungen der TestXII, wird man davon ausgehen dürfen, dass an eine solche Umkehr der Herrschaftsverhältnisse auch hier gedacht ist, dass das Volk, das nach dem Eingreifen Gottes εἷς λαὸς κυρίου sein wird, zuvor unter der Herrschaft Beliars stand. Handelt es sich bei TestJud 25,3–5 um eine ehemals unabhängige Tradition, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob in ihr eine Umkehr der Herrschaftsverhältnisse anvisiert war. Wurde jedoch oben festgestellt, dass der Abschnitt 25,3–5 auch gelöst von seinem Kontext ein Verständnis von Beliar als Herrscher nahe legt, so dürften die Verse auch wenn sie einst unabhängig von TestXII existierten, die Vorstellung von einem endzeitlichen Herrschaftswechsel enthalten. 4. Das Motiv vom Gottesgericht über den Teufel TestJud 25 wird zwar ein über Beliar ergehendes Gericht nicht explizit erwähnt. Da dieser jedoch nach V. 3 ins Feuer und somit an den traditionellen Strafort der im Gottesgericht Verurteilten geworfen werden wird,421 ist es offensichtlich, dass der Gedanke, er werde von Gott gerichtet werden TestJud 25 zu Grunde liegt. Tabellarisch kann die voranstehende Besprechung über die Verwendung der vier Motive in den frühjüdischen Texten wie folgt zusammengefasst werden: Trotz aller Abweichungen und Unsicherheiten sind die aufgezeigten Motiv parallelen zwischen den besprochenen Texten doch deutlich, und es ist davon auszugehen, dass sie sich alle einer offensichtlich recht verbreiteten Teufelstradition bedienen, nach der die Herrschaft des Teufels bei den Gerechten λύπη verursacht und die Verwandlung dieser λύπη in χαρά in engem Zusammenhang mit dem Ende des Teufels steht. Dass diese Tradition auch im Johannesevangelium verarbeitet wurde, soll im Folgenden dargestellt werden. Hierzu wird zunächst zu zeigen sein, dass sich im vierten Evangelium alle vier Motive finden, die auch im 39. Kapitel der ApkMos belegt sind.
421 Zum Feuer als Strafort der im Gottesgericht Verurteilten vgl z. B. ÄthHen 10,13; 91,9; 100,9; 4Esr 7,38; ApkBar(syr) 44,15; Mt 25,41; Apk 20,10.14.f.; 21,8; u. ö.
ApkMos 39
λύπη des Repräsentanten der Gerechten (Adam) als Auswirkung der Herrschaft des Teufels
Verheißung Gottes, die λύπη Adams in χαρά und die χαρά des Teufels in λύπη zu verwandeln
Motiv
der Trauer verursachenden Herrschaft des Teufels
der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse Motiv in abgewandelter Form belegt.
Israels Trauer wird mit dem Ende des Teufels hinweg genommen werden, und Israel wird glücklich sein (felix eris) und sich freuen (gaudebis)
Nach dem Eingreifen Gottes wird nicht mehr der Herrscher über das Los des Lichts (und die zu ihm gehörenden Menschen) trauern, sondern Belial (und die zu ihm gehörenden Menschen).
„tristitia“ (λύπη) Israels als wesentliche Folge teuflischen Wirkens, aber Rolle des Teufels (als von Gott unabhängiger Herrscher dessen Herrschaft mit dem Erscheinen der Herrschaft Gottes zu Ende geht?) nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen
AssMos 10,1.8–10
Motiv in abgewandelter Form belegt.
Trauer (lba) beim „Herrscher über das Los des Lichts“, dem „Engel seiner (sc. Gottes) Wahrheit“ und bei den Anhängern der Gemeinde als Folge der Herrschaft des Teufels
4Q 177 10,8–10
Text
Wenn V. 5c Nachtrag: nur endzeitliche Verwandlung der λύπη der Gerechten in χαρά, nicht aber die Umwandlung der χαρά der Sünder in λύπη
Motiv implizit vollständig belegt, wenn von der Ursprünglichkeit des V. 5c ausgegangen wird: Die Sünder sind zur Zeit der Herrschaft Beliars in χαρά
λύπη der Gerechten als eine wesentliche Folge des Wirkens Beliars In Test XII ist Beliar als Herrscher verstanden. Auch wenn Abschnitt ursprünglich unabhängige Tradition ist, dürfte Beliar dieser Tradition als Herrscher gegolten haben.
TestJud 25,3–5
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Inthronisation Adams geht einher mit der von Gott bewirkten Enthebung des Teufels von seinem gegenwärtigen Thron und seinem Sturz, seinem Hinabgeworfenwerden an den Ort, an dem sich Adam gegen wärtig befindet.
Entmachtung als Gottesgericht über den Teufel und die Seinen
Motiv
der Umkehr der gegenwärtigen Herrschafts verhältnisse
vom Gottesgericht über den Teufel
Motiv nicht belegt
Die zukünftige Trauer Belials wird damit begründet, dass der Herrscher über das Los des Lichts durch Gottes Eingreifen zur Herrschaft gelangen wird.
4Q 177 10,8–10
Keine explizite Erwähnung eines Gottesgerichtes, aber Verwendung des Terminus adducetur in V. 1, der als terminus technicus für das Abführen des Verhafteten oder Verurteilten fungiert.
Nicht Umkehr der Herrschaftsverhältnisse, sondern Offenbar werden der eigentlichen metaphysischen Herrschaftsverhältnisse und dadurch Änderung/bzw. Ende der irdischen Herrschaftsverhältnisse: Ende der Herrschaft der gottlosen Menschen (7,2) über Israel und Vernichtung ihrer Götzen (10,7)
AssMos 10,1.8–10
Text
Keine explizite Erwähnung eines Gottesgerichts, aber Verbringung des Teufels ins Feuer und somit an den traditionellen Strafort der im Gottesgericht Verurteilten
Interpretiert man den Abschnitt im Kontext der eschatologischen Vorstellungen von Test XII, ist das Motiv belegt. Versteht man den Abschnit als ehemals eigenständige Tradition ist das Motiv nicht sicher, aber wahrscheinlich belegt.
TestJud 25,3–5
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Die Überwindung des Teufels
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3.2.2 Die Tradition von der Entmachtung des Teufels und der Verwandlung der λύπη in χαρά im Johannesevangelium 3.2.2.1 Das Motiv der Trauer verursachenden Herrschaft des Teufels Dass der Teufel im Johannesevangelium als Herrscher verstanden wird, ist aufgrund seiner Titulierung als ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου (12,31; 14,30; 16,11) evident und bedarf hier keiner weiteren Erörterung mehr.422 Dass seine Herrschaft λύπη verursacht, wird der nun folgende Blick auf die λύπη Belege im 16. Kapitel des Johannesevangeliums zeigen. Das Substantiv λύπη begegnet in Joh 16 viermal (VV. 6.20 ff.). Darüber hinaus ist einmal das Verb λυπεῖν im Futur der 2. Person Plural belegt (V. 20) und schließlich begegnen je einmal die Verben κλαίειν und θρηνεῖν (V. 20). Stets wird durch diese Begriffe der emotionale Zustand der Jünger bezeichnet, und es ist – wenn es richtig ist, dass die λύπη der Jünger in Joh 16 auf das Wirken des Teufels zurückgeführt wird – somit in Parallele zu den besprochenen frühjüdischen Texten einzig die Gruppe der „Gerechten“, die Gruppe mit der sich der implizite Leser identifiziert, bei der das Wirken des Teufels λύπη verursacht. Zurückgeführt wird diese λύπη der Jünger zunächst auf Jesu Tod. Das zeigt sich bereits Joh 16,6, wo die die Herzen der Jünger erfüllende λύπη durch die einführende Wendung ἀλλ ’ ὅτι ταῦτα λελάληκα zunächst423 auf Jesu Ankündigung seines nun unmittelbar bevorstehenden Weggangs zum Vater aus V. 5 und somit auf die Ankündigung seines Todes424 zurückgeführt wird. Sodann verdeutlichen auch die VV. 16.20–23 den Tod Jesu als Ursache der λύπη der Jünger. Die erste in V. 16 genannte kurze Zeitspanne (μικρόν), nach deren Ablauf die Jünger Jesus nicht mehr sehen werden, bezeichnet – berücksichtigt man die Erzählsituation, nach der Jesu Tod unmittelbar bevorsteht, ebenso wie die vorangehenden Aussagen über das μικρὸν in 7,33; 13,33; 14,19 – recht eindeutig die „Frist vom Jetzt des Redenden bis zum Karfreitag.“425 Mit dem Tod Jesu beginnt die zweite kurze Zeitspanne, von der V.16 spricht. Eben diese zweite Frist, in der Jesus seinen Jüngern aufgrund seines Todes entzogen ist, wird von Jesus in den VV. 20–22 als Zeit der λύπη der Jünger, als Zeit, in der diese weinen (κλαίειν) und wehklagen (θρηνεῖν)426 werden (V. 20), bezeichnet, so dass der Tod Jesu recht offensichtlich der Grund dieser λύπη ist. 422 Zum Titel ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου vgl. oben Kapitel III, Abschnitt 1. 423 Zum doppelten Bezugspunkt des ταῦτα in V. 6 und zur λύπη der Jünger als Reaktion auf Jesu Vorhersage des sie treffenden Hasses vgl. unten Anm. 1022. 424 Zum Weggang Jesu als sondersprachlichem Ausdruck für Jesu Tod vgl. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 134, Anm. 78; 122.213.218. 425 C. Dietzfelbinger, Freude, 1980, 432. 426 Die Begriffe κλαίειν und θρηνεῖν dienen Jer 22,10 (LXX) zur Darstellung der Totenklage. In diesem Kontext wird κλαίειν auch Joh 11,31 ff. und θρηνεῖν 2Kön 1,17 (LXX) gebraucht (vgl. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 672). Ferner ist auf das Weinen (κλαίειν) Maria Mag
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Hat die λύπη der Jünger ihren Grund in Jesu Tod, so leuchtet auf den ersten Blick ein, dass sie auf die Herrschaft und das Wirken des Teufels zurückzuführen ist. Denn der Teufel ist es ja, der als Vater der Lüge (8,44) bewirkt, dass der von ihm beherrschte κόσμος die in der Person Jesu gegenwärtige Wahrheit hasst (3,20; 7,7; 15,18; 15,24 f.), und der als ἀνθρωποκτόνος ἀπ ’ ἀρχῆς (8,44) den κόσμος zur Ermordung Jesu anstachelt. Er ist es schließlich auch, der Judas, den Plan Jesus auszuliefern, ins Herz gibt (13,2) und anschließend in diesen eingeht (13,27), um höchstpersönlich dafür zu sorgen, dass Jesus seinen Feinden ausgeliefert (14,30; 18,1) und somit hingerichtet wird. Wird Jesu Tod im Johannesevangelium somit auf die Herrschaft und das Wirken des Teufels zurückgeführt, so ist letztlich auch die aus diesem Tod resultierende λύπη der Jünger sein Werk. Auf den zweiten Blick jedoch zeigt sich, dass diese Deutung nicht unproblematisch ist. Denn zum einen ist die Herrschaft des Teufels über den κόσμος nicht die letztgültige Ursache des Todes Jesu. Dieser hat seinen wahrhaftigen Grund vielmehr in der Liebe Gottes (3,16) und Jesu, dem sein Leben von niemandem genommen wird, sondern der es aufgrund dieser Liebe aus freien Stücken dahingibt (10,18). Zum anderen wird der Teufel als Herrscher dieser Welt ja gerade durch Jesu liebende Lebenshingabe und seine Erhöhung ans Kreuz entmachtet (12,31 f.). Kann dann die mit Jesu Tod erst anbrechende λύπη der Jünger auf die Herrschaft des Teufels zurückgeführt werden, die doch zu dieser Zeit bereits gebrochen ist? Diese Probleme, die der zweite Blick verursacht, lösen sich, wenn man bedenkt, dass eben dieser die wahren Hintergründe und Folgen des Todes Jesu aufdeckende zweite Blick auf Jesu Tod den Jüngern in vorösterlicher Zeit noch nicht möglich war, sondern ihnen vielmehr erst durch den Parakleten eröffnet wird.427 Zur von Joh 16 erzählten Zeit und zum Zeitpunkt des Todes Jesu stehen die Jünger Jesu Tod und seinem Nutzen für sie mit Unverständnis gegenüber (16,4b–7. 17 f.). Davon, dass die Macht des Teufels durch Jesu Passion und Tod gebrochen ist, ahnen sie nichts. Vielmehr bewerten sie Jesu Tod mit den gleichen Maßstäben, die auch der κόσμος, dem sie als noch nicht aus dem Geist Geborene letztlich auch noch angehören (3,5 ff.), anlegt. Wie der κόσμος meint, Jesus durch seinen Tod besiegt zu haben, und sich deshalb freut (16,20), so sind auch die Jünger – bei denen diese Sicht freilich zu einer gegenteiligen Reaktion führt – der Überzeugung, dass Jesu Tod als sein definitives Ende und seine Niederlage, und zugleich als Sieg des κόσμος und dessen ἄρχων zu bewerten ist.428 Als der ψεύστης schlechthin (8,44) hat der eigentlich bereits entmachtete ἄρχων dalenas am Grab Jesu zu verweisen (20,11.13.15), das geradezu als erzählerische Darstellung des Weinens und Wehklagens der Jünger angesehen werden kann (vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 176). 427 Vgl. unten Abschnitt 3.2.4. 428 Vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 178: „Derselbe Grund – der als definitives Ende verstandene Tod Jesu – führt hier (V. 16,20; F. T.) zu einer gegenteiligen Reaktion.“
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τοῦ κόσμου τούτου die Jünger noch immer in seiner Gewalt, gaukelt ihnen – ebenso wie dem κόσμος – seine Niederlage als seinen Sieg vor und stürzt sie eben dadurch in λύπη. Ist die λύπη der Jünger als Reaktion auf Jesu Tod somit durchaus als vom Teufel verursachte Größe zu verstehen, so erscheint sie Joh 16,6 zugleich429 als Reaktion auf den von Jesus 15,18–16,4a vorhergesagten Hass der Welt, der die Jünger in Zukunft treffen wird. Insofern es die nachösterliche johanneische Gemeinde ist, die diesen Hass der Welt in seinen 16,2 genannten Konkretionen in ihrer Gegenwart erfährt, ist die λύπη der textinternen Jünger hier gewiss transparent für die λύπη der textexternen Leser.430 Diese sind es, deren Herzen aufgrund der sie von Seiten der Welt treffenden Aggression, die auch Tötungen umfasst (16,2), von λύπη erfüllt werden und die – wie der Evangelist fürchtet – Anstoß nehmen (16,1) und vom Glauben abfallen könnten.431 Wird die λύπη der johanneischen Gemeinde somit auf den sie treffenden Hass der Welt zurückgeführt, so ist auch hier letztlich das Wirken des Teufels ihr eigentlicher Grund. Denn dieser ist es ja, der nach wie vor über den im Unglauben verharrenden κόσμος herrscht und der als der Böse für den die Gemeinde treffenden Hass und die ihr in diesem Hass begegnende Versuchung verantwortlich ist (17,14 ff.). Eine solche teuflische Versuchung ist nun nach Ansicht des Evangelisten auch die λύπη, die die Herzen der johanneischen Christen aufgrund des sie treffenden Hasses erfüllt und sie an Jesus und dem Sinn seines Weggehens zweifeln lässt. Dass der vierte Evangelist die λύπη der Jünger als eine vom Teufel verursachte Größe verstanden wissen wollte, könnte auch die durchaus auffallende Formulierung ἡ λύπη πεπλήρωκεν ὑμῶν τὴν καρδίαν in V. 6 andeuten. Bemerkenswert ist diese in doppelter Hinsicht. Zum einen gebraucht der johanneische Jesus den abstrakten Begriff λύπη hier in Entsprechung zu Paulus in 2Kor 2,7, aber entgegen dem üblichen Sprachgebrauch der LXX und der neutestamentlichen Schriften, determiniert.432 Es liegt daher nahe, dass er an eine ganz bestimmte λύπη dachte, die das Herz seiner Jünger erfüllt, und diese bestimmte λύπη dürfte, wie die noch aufzuzeigenden Parallelen zwischen der eben besprochenen frühjüdischen Teufelstradition und dem Johannesevangelium wahrscheinlich machen, eben die vom Teufel verursachte λύπη sein. Ungewöhnlich ist sodann, dass die λύπη als Subjekt hier mit dem aktiven Prädikat πεπλήρωκεν verbunden ist, so dass sie als aktiv Handelnde dargestellt wird und „ein fast persönliches Gewicht 429 Das ταῦτα in V. 6 hat einen doppelten Bezugspunkt, insofern es sich neben dem νῦν δὲ ὑπάγω πρὸς τὸν πέμψαντά με Jesu aus V. 5 auch auf seine Vorhersage des die Jünger treffenden Hasses (15,18–16,4a) zurückbezieht. Vgl. z. B. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 219, mit Anm. 13. 430 Vgl. z. B. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 219; J. Frey, Eschatologie III, 2000, 180; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 169. 431 Zu σκανδαλίζειν im Sinne von zum Abfall vom Glauben bewegen vgl. oben Anm. 730. 432 Zum zumeist artikellosen Gebrauch von λύπη in den Schriften der LXX und des Neuen Testaments vgl. oben Anm. 404.
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bekommt.“433 Vor dem postulierten traditionsgeschichtlichen Hintergrund kann vermutet werden, dass die λύπη durch diese Formulierung als auf das Wirken Satans zurückgeführte dämonische Größe dargestellt werden soll. Plausibel erscheint diese Vermutung auch deshalb, weil die durch das Verb πληροῦν im Aktiv ausgedrückte Vorstellung, dass Satan oder eine dämonische Macht das Herz oder allgemeiner das Innere eines Mensch erfüllt, in frühjüdischen und urchristlichen Texten durchaus belegt ist (vgl. TestGad 5,1;434 Apg 5,3; HermMand 10,3) und weil die johanneische Aussage in 13,2, nach der der Teufel Judas den Plan ins Herz gelegt hat, Jesus auszuliefern, dieser Vorstellung sachlich zumindest sehr nahe kommt (vgl. auch 13,27). Interessant ist auch die sich an V. 6b unmittelbar anschließende Formulierung Jesu in V. 7a. Denn zum einen wird hier Jesus durch das auf ἀλλ ’ folgende betonte ἐγώ435 der personifizierten λύπη geradezu gegenüber gestellt, und zum anderen erinnert das ἀλλ ’ ἐγὼ τὴν ἀλήθειαν λέγω ὑμῖν sehr stark an Jesu ἐγὼ δὲ ὅτι τὴν ἀλήθειαν λέγω aus 8,45 und somit an die Aussage, mit der Jesus sich als den Verkünder der Wahrheit dem Teufel als dem Lügner schlechthin (8,44) entgegenstellt. Ist diese parallele Formulierung kein bloßer Zufall, sondern gewollt, so könnte auch 16,6 f. ein ähnlicher Gegensatz im Blick sein. Der johanneische Jesus insistiert darauf, dass er, im Gegensatz zum Teufel und der von ihm bewirkten dämonischen λύπη, die die Jünger von der Sinn und Nutzlosigkeit des Todes Jesu überzeugen will, die Wahrheit über seinen Tod verkündet, wenn er feststellt, dass dieser den Jüngern einen Nutzen bringt. Mögen die angestellten Überlegungen zur Formulierung in V. 6b spekulativ bleiben, so ist doch deutlich geworden, dass die λύπη als Reaktion auf Jesu Tod und auf den die johanneische Gemeinde treffenden Hass der Welt in Joh 16, in Parallele zu den besprochenen Vergleichstexten, auf die Herrschaft und das Wirken des Teufels zurückgeführt wird. Ferner ist es, ebenfalls in Parallele zu diesen Texten auch Joh 16 nur die Gruppe der „Gerechten“, die Gruppe, mit der sich der implizite Leser identifiziert, bei denen der Teufel λύπη bewirkt. Eine bedeutende Besonderheit in Joh 16 besteht jedoch darin, dass der Teufel bei dieser Gruppe λύπη zu einem Zeitpunkt bewirkt, da seine Herrschaft de facto bereits gebrochen ist. Möglich ist dies, weil sein Sturz sich nicht am Ende der Tage durch ein allen Menschen offenbares Eingreifen Gottes ereignet, sondern vielmehr in der Geschichte von Gott durch ein Geschehen herbeigeführt wird, das auf den ersten Blick nicht wie der Sturz, sondern wie der Sieg des Teufels erscheint, durch Jesu
433 C. K. Barrett, Johannes, 1990, 472. 434 Hier ist es der dämonisierte, mit dem Satan zusammenwirkende (TestGad 4,7) Geist des Hasses, der das Herz des Menschen mit teuflischem Gift (ἰοῦ διαβολικοῦ) füllt. 435 Gegen R. Bultmann, Johannes, 171962, 430, Anm. 4, nach dem das ἐγώ „ohne Ton“ ist. Emphatisch versteht das ἐγώ hingegen etwa auch H. C. Kammler, Geistparaklet, 1996, 126.
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Passion und Tod. Die wahren Hintergründe dieses Geschehens erschließt den Jüngern erst der Geist, und eben dadurch verwandelt sich, wie noch gezeigt werden soll, ihre λύπη in χαρά. 3.2.2.2 Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse Wie in allen besprochenen frühjüdischen Vergleichstexten außer ApkMos 39 begegnet das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen emotionalen Verhältnisse auch Joh 16 in verkürzter Form. Zwar wird in V. 20 – in Entsprechung zu ApkMos 39, wo die Zeit der λύπη Adams als Zeit der χαρά des Teufels dargestellt wird – explizit festgestellt, dass sich der (vom Teufel beherrschte) κόσμος in der Zeit des Weinens (κλαίειν) und Klagens (θρηνεῖν) der Jünger freuen wird (ὁ δὲ κόσμος χαρήσεται). Jedoch wird nicht ausdrücklich gesagt, dass dieser emotionale Zustand des κόσμος zur Zeit der χαρά der Jünger in sein Gegenteil verwandelt werden wird. Vielmehr liegt alles Interesse des Textes auf der Umkehr des emotionalen Zustands der Jünger. So begegnet die Verheißung, dass das angekündigte λυπεῖν der Jünger (ὑμεῖς λυπηθήσεστε) nur von kurzer Dauer sein (V. 16) und sich sodann in χαρά verwandeln wird (ἀλλ ’ ἡ λύπη ὑμῶν εἰς χαρὰν γενήσεται), erstmals im zweiten antithetischen Parallelismus von V. 20.436 Das sich anschließende kleine Gleichnis von der gebärenden Frau (V. 21) hat einzig den Sinn, diese verheißene Umkehr des emotionalen Zustandes der Jünger zu verdeutlichen,437 und ist kaum für eine weitergehende allegorische Ausdeutung offen. Schließlich wiederholt die Applicatio des Gleichnisses (V. 22)438 erneut, dass die λύπη der Jünger in χαρά umschlagen wird, wobei ihre χαρά – ebenso wie zuvor die ihre Herzen erfüllende λύπη V. 6 – als eine Freude des Herzens dargestellt wird (καὶ χαρήσεται ὑμῶν ἡ καρδία), die ihnen niemand nehmen kann, und die, wie V. 24 ergänzt, eine vollkommene sein soll (ἵνα ἡ χαρὰ ὑμῶν ᾖ πεπληρωμένη). Als Zeitpunkt der Umkehr des gegenwärtigen emotionalen Zustands der Jünger gibt V. 22 den Moment an, da Jesus sie wiedersehen wird (πάλιν δὲ ὄψομαι ὑμᾶς) und es wird, nachdem nun noch darzustellen ist, dass auch das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse im Johannesevangelium belegt ist, zu zeigen sein, dass er bei diesem Wiedersehen an Ostern denkt. 436 Bei V. 20 handelt es sich strukturell um einen doppelten antithetischen Parallelismus: „a κλαύσετε καὶ θρηνήσετε ὑμεῖς, b ὁ δὲ κόσμος χαρήσεται· a’ ὑμεῖς λυπηθήσεσθε, b’ ἀλλ’ ἡ λύπη ὑμῶν εἰς χαρὰν γενήσεται.“ (A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 244, Anm. 112). 437 Vgl. R. Schnackenburg, Johannesevangelium 3, 1975, 177; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 179. 438 Zu V. 22 als Applicatio des Gleichnisses von der gebärenden Frau vgl. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 245.
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3.2.2.3 Das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse Dass der Teufel durch Jesu Passion und Tod als ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου entmachtet wird, wurde oben439 bereits dargelegt, so dass diese Seite des Motivs der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse hier vorausgesetzt werden kann. Es begegnet aber auch die andere Seite dieses Motivs, denn mit der Entmachtung des Herrschers dieser Welt geht die Inthronisation Jesu als βασιλεύς am Kreuz einher. Dass Passion und Kreuz Jesu im Johannesevangelium als seine Inthronisation zum König verstanden sind, wird insbesondere Joh 18,28–19,22 deutlich.440 Hatte sich Nathanael bereits Joh 1,49 mit den Worten σὺ βασιλεὺς εἶ τοῦ ’Ισραήλ zu Jesus bekannt und war die Jerusalemer Bevölkerung Jesus mit Palmzweigen entgegen gegangen, um ihn als den βασιλεὺς τοῦ Ἰσραήλ (Joh 12,13; vgl. 12,15) einzuholen (ὑπάντησις), so findet sich der βασιλεύς Titel, der bei Joh anders als in den synoptischen Evangelien nur auf Jesus angewendet wird, in dem genannten Abschnitt in auffälliger Dichte441 und bildet im Verbund mit weiterer Inthronisationsmotivik sein Zentrum.442 Nachdem Jesus vor Pilatus sein Königtum proklamiert (18,33–38; besonders 37), huldigen ihm die römischen Soldaten als dem βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων, krönen ihn mit dem Dornenkranz und legen ihm sein herrscherliches Gewand an (19,1–3). So ausgestattet wird Jesus zweimal dem Volk präsentiert und von Pilatus als ἄνθρωπος und βασιλεύς akklamiert (19,5.14), worauf das Volk jeweils mit dem Kreuzigungsruf als negativer Akklamation antwortet (19,6.15). Mit dem Kreuz besteigt Jesus sodann den Thron seiner Herrlichkeit (19,16b–18) und sein Königtum wird durch den in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache abgefassten titulus c rucis ’Ιησοῦς ὁ Ναζωραῖος ὁ βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων der ganzen Welt bekannt gemacht (19,19–22). Gegen die Interpretation von Joh 18,28–19,22 vor dem Hintergrund eines altorientalischen Königsrituals wurde, nicht zuletzt aufgrund der Unsicherheiten bezüglich der Rekonstruktion dieses Rituals und der Schwierigkeiten den johanneischen Text dessen einzelnen Elementen zuzuordnen, Kritik erhoben.443 Und 439 Vgl. oben Abschnitt 3.1.1.2. 440 Im Sinne einer Königsinthronisation verstehen den Pilatusprozess (und den Kreuzigungsbericht) etwa F. Hahn, Prozess Jesu, 1970, 40, mit Anm. 46; A. Dauer, Passionsgeschichte, 1972; 111; 249–275; J. Blank, Verhandlung, 1981, 170 ff.; M. Hengel, Reich Christi, 1991, 173 f.; J. Frey, Eschatologie III, 2000, 271–276. Bei der Zuordnung der johanneischen Textabschnitte zu den einzelnen Stufen der Inthronisation herrscht jedoch keine Einigkeit. Der überzeugendste Zuordnungsvorschlag findet sich m. E. bei J. Frey, Eschatologie III, 2000, 273, an dem sich die folgende Darstellung im Fließtext im Wesentlichen orientiert. 441 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 271. 442 Vgl. ebd., 273. 443 Vgl. etwa M. Lang, Synoptiker, 1999, 120 f.; U. Schnelle, Johannes, 42009, 300.
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in der Tat lässt sich keine völlige Übereinstimmung mit einem altorientalischen oder alttestamentlichen Königsritual nachweisen. Die Inthronisationsinszenierung der johanneischen Darstellung dürfte aber, wie J. Frey zu Recht feststellt, dennoch durch „die Fülle der einzelnen Motive in Verbindung mit dem auffällig dichten Gebrauch der Königstitulatur […] für antike Leserinnen und Leser hinreichend verdeutlicht“ worden sein,444 so dass sie Passion und Kreuzigung Jesu als „zynisch-antijüdische Königsparodie“ verstanden, durch „die in ironischer Verkehrung die wahre Würde Jesu zur Darstellung“ gebracht wird.445 Dafür, dass der vierte Evangelist Jesu Kreuzigung als seine Inthronisation zum βασιλεύς verstanden wissen wollte, kann auch auf seine charakteristische Verwendung des Begriffs ὑψοῦν verwiesen werden. Zwar verteilen sich die lediglich fünf Belege dieses Terminus im gesamten Evangelium auf nur drei unterschiedliche Abschnitte (3,14. [2mal]; 8,28; 12,32.34), doch ist er dennoch „von nicht zu unterschätzendem Gewicht.“446 In der urchristlichen Tradition wird durch ὑψοῦν stets der auf die Kreuzigung folgende Akt der Inthronisation des Auferstandenen zur Rechten Gottes verstanden (Apg 2,33; 5,31; vgl. Phil 2,9: ὑπερυψοῦν).447 Im Johannesevangelium hingegen ist es die Kreuzigung selbst, die mit diesem Begriff bezeichnet wird. Das deutet sich bereits Joh 3,14 an, wenn die von Mose in der Wüste durchgeführte Erhöhung der ehernen Schlange an einer Stange (Num 21,4–9; vgl. auch SapSal 16,5–7) als Typos der Erhöhung Jesu dargestellt wird, es wird noch deutlicher, wenn Joh 8,28 Jesu Gegner als Subjekt seiner Erhöhung genannt werden und zeigt sich schließlich Joh 12,32 f. ganz eindeutig daran, dass Jesu Aussage κἀγὼ ἐὰν ὑψωθῶ ἐκ τῆς γῆς, πάντας ἑλκύσω πρὸς ἐμαυτόν (12,32) durch den Erzählerkommentar in 12,33 als Ankündigung der Todesart (ποίῳ θανάτῳ), die Jesus erleiden sollte, dargestellt wird. Verwendet der vierte Evangelist somit einen traditionell für die himmlische Inthronisation gebrauchten Begriff zur Bezeichnung des Kreuzestodes Jesu, so liegt es nahe, dass er beide Ereignisse zusammendenkt: Jesu Inthronisation ereignet sich am Kreuz. Der Gedanke ist dabei weniger paradox als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn, wenn es richtig ist, dass Jesus den Sieg über den κόσμος und seinen Herrscher durch seine Passion erringt, indem er trotz Todesangst sein Leben aus Liebe für die Seinen lässt und so die Übermacht der göttlichen Liebe erweist, so wird durch das Kreuz ja in der Tat das erhabene Thronen Jesu über den κόσμος und seinen Herrscher zum Ausdruck gebracht. Wird der Teufel durch Jesu Passion und Tod entmachtet, und Jesus zugleich am Kreuz inthronisiert, so ist das Motiv der Umkehr der gegenwärtigen Herrschaftsverhältnisse im Johannesevangelium vollständig belegt. 444 J. Frey, Eschatologie III, 2000, 274. 445 Ebd. 273. 446 H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 208. 447 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 277.
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3.2.2.4 Das Motiv vom Gottesgericht über den Teufel Dass auch das Motiv vom Gottesgericht über den Teufel im Johannesevangelium belegt ist, kann kaum übersehen werden. Wurde im Rahmen der Frage nach dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund von 12,31 bereits festgestellt,448 dass der Sturz des Teufels in Joh 12,31 auf das über ihn ergehende göttliche Gericht zurückgeführt wird, so zeigt sich dieser Zusammenhang von Gottesgericht und Teufelssturz noch deutlicher im unten noch zu besprechenden vierten Parakletspruch, nach dem der Paraklet bezüglich des Gerichts aufdecken wird, dass der Fürst dieser Welt bereits gerichtet ist (16,11). Alle vier Motive, die im 39. Kapitel der ApkMos begegnen, finden sich auch im Johannesevangelium. Es ist daher deutlich, dass die oben aufgezeigte frühjüdische Teufelstradition im vierten Evangelium verarbeitet wurde. Im Rahmen der Besprechung des Motivs der Trauer verursachenden Herrschaft des Teufels hat sich gezeigt, dass die λύπη der Jünger – und somit der Gerechten – auch im Johannesevangelium auf das Wirken des Teufels zurückgeführt wird. Festgestellt wurde jedoch auch, dass dieser Zusammenhang zwischen Wirken des Teufels und λύπη der Gerechten im vierten Evangelium weniger deutlich zu Tage tritt als in den frühjüdischen Vergleichstexten. Denn die λύπη der Gerechten beginnt im vierten Evangelium gerade in dem Moment, da der Teufel entmachtet wird. Aus diesem Grund ist es im Johannesevangelium auch weniger offensichtlich, dass die Verwandlung der λύπη der Gerechten in χαρά in engem Zusammenhang mit der Entmachtung des Teufels steht. Im Folgenden wird daher zu zeigen sein, dass dieser Zusammenhang durchaus besteht. Denn der Zeitpunkt, an dem sich die λύπη der johanneischen Jünger in χαρά verwandelt, ist zwar nicht der Moment, in dem der Teufel auf kosmischer Ebene entmachtet wird, aber es ist der Moment, in dem den Jüngern sich diese kosmische Entmachtung erschließt und ihnen angeeignet wird. Der Entmachtung des Teufels auf kosmischer folgt im Johannesevangelium seine Entmachtung auf anthropologischer Ebene. Um diese Behauptung zu präzisieren und zu begründen, ist im Folgenden zunächst der umstrittenen Frage nachzugehen, an welchen Zeitpunkt bei dem Joh 16,16 ff. angekündigten Wiedersehen zwischen Jesus und den Jüngern zu denken ist, für den die Verwandlung der λύπη der Jünger in χαρά von Jesus vorhergesagt wird.
3.2.3 Der Zeitpunkt des Umschlags der Trauer in Freude? Die Frage nach dem Zeitpunkt des Joh 16,16 ff. angekündigten Wiedersehens zwischen Jesus und den Jüngern wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Lesen einige Ausleger den Text als Ankündigung der Parusie Christi in klassischem Sinne, so verstehen ihn andere als Vorhersage der Ostererscheinungen. Für einen 448 Vgl. oben Abschnitt 3.1.1.2.
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Bezug auf die Parusie wird dabei häufig auf die Wendung ἐν ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ in VV. 23.26 als einem in der urchristlichen Literatur „festgesprägte(n) Ausdruck für die Wiederkunft Christi“449 verwiesen (vgl. Mt 7,22; Lk 10,12; 2Tim 1,12.18). Jedoch hat A. Dettwiler zu Recht darauf hingewiesen, dass es methodisch problematisch ist, sich zur Stützung der „Parusiethese“ auf die Verwendung „apokalyptisch geprägte(r) Ausdrücke, Wortfelder oder Motivkombinationen“ zu berufen, da „mögliche Reinterpretationsvorgänge auf joh Ebene […] dadurch ausgeklammert (werden).“450 Da sich zudem an denjenigen Stellen des Johannesevangeliums, die recht eindeutig auf den „jüngsten Tag“ Bezug nehmen, wie etwa Joh 6,39 f.44.54.; 11,24; 12,48, stets die Wendung (ἐν) τῇ ἐσχάτῃ ἡμέρᾳ, nicht aber ἐν ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ findet,451 ist der Gebrauch letztgenannter Wendung in den VV. 23.26 kaum ein schlagkräftiges Argument dafür, dass bei dem Wiedersehen der Gemeinde mit Jesus an dessen Parusie gedacht ist. Ebensowenig können dann auch zwei weitere für die Parusiethese angeführte Argumente überzeugen, nach denen das 16,21 verwendete überwiegend in der frühjüdischen Apokalyptik gebräuchliche Bild von der gebärenden Frau, ebenso wie die Verwendung des Verbs ὀρᾶν, das in der urchristlichen Literatur häufig mit Parusiebezug gebraucht wird (vgl. 1Joh 3,2; Mk 13,26; 14,62), dafür sprechen, dass Joh 16,16 ff. an das Wiedersehen bei der Parusie gedacht ist.452 Denn ὀρᾶν wird im Johannesevangelium (vgl. Joh 20,18.20.25.29) ebenso wie in der übrigen urchristlichen Literatur (vgl. Mk 16,7; Mt 28,7.10; Lk 24,23.34; Apg 13,31; 1Kor 15,5–8) auch im Kontext der Ostererscheinungen gebraucht,453 und die Verwendung des primär in apokalyptischen Kreisen beheimateten Bildes von der kreisenden Frau spricht – aufgrund der eben genannten methodischen Einwände gegen diese Argumen tation – nicht ohne weiteres für die Parusiethese. Gegen die Parusiethese und für Ostern als Zeitpunkt des in 16,16 ff. anvisierten Wiedersehens zwischen Jesus und den Jüngern, sprechen hingegen einige m. E. durchaus schlagende Argumente. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass es hier ebenso wie Joh 14,18–22 einzig um ein Wiedersehen zwischen Jesus und den Jüngern geht. Davon, dass die Welt etwas von der anvisierten Wiederkunft Jesu wahrnimmt, ist nicht die Rede.454 Zeigt sich bereits daran, dass Joh 16,16 ff. kaum an das Wiedersehen bei der Parusie gedacht sein kann, so geht es in den VV. 23 f. um Gebete der Gemeinde und deren Erhöhrung in der Zeit nach dem Wiedersehen. Gebete aber sind in der Zeit nach der Parusie nicht mehr notwen-
449 A. Wikenhauser, Johannes, 31961, 297; vgl. auch U. Schnelle, Abschiedsreden, 1989, 75; J. Frey, Eschatologie III, 2000, 208. 450 A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 240. 451 Vgl. T. Onuki, Gemeinde, 1984, 154, Anm. 334; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 241. 452 So aber U. Schnelle, Abschiedsreden,1989, 75; J. Frey, Eschatologie III, 2000, 208. 453 Vgl. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 241. 454 Vgl. T. Onuki, Gemeinde, 1984, 154.
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dig.455 Gegen die Parusiethese spricht sodann, dass die Feststellung in V. 22, nach der niemand den Jüngern ihre mit dem Wiedersehen eintretende Freude nehmen kann, voraussetzt, dass es noch einen Gegenüber gibt, der dies zumindest versucht, dass also „der Gegensatz zwischen den Jüngern und der Welt auch ‚an jenem Tag‘ fortdauern wird.“456 Ferner liegt es nahe, dass die durch die beiden in V. 16 mit μικρὸν … καὶ πάλιν μικρόν bezeichneten Zeiträume einander in ihrer Dauer zumindest einigermaßen entsprechen, und es wäre mehr als nur Ironie, sondern purer Zynismus des Erzählers, wenn er am Ende des ersten Jahrhunderts und lange nach dem Tod (zumindest der meisten) seiner Jünger Jesus im Blick auf den Zeitpunkt seiner endzeitlichen Parusie von einem μικρόν sprechen ließe.457
Spricht all dies negativ dagegen, dass bei dem 16,16 ff. anvisierten Wiedersehen an die Parusie gedacht ist, so sprechen positiv für die Osterthese insbesondere die terminologischen und motivischen Parallelen zwischen 16,16 ff. und dem johanneischen Osterbericht: War Joh 20,11.13.15 das κλαίειν Marias am Grab betont worden (vgl. 16,20), so berichtet Joh 20,20 von der anbrechenden Freude (Aorist) der Jünger, beim Sehen des Auferstandenen (ἐχάρησαν οὖν οἱ μαθηταὶ ἰδόντες τὸν κύριον) und bezieht sich damit deutlich auf die ihnen Joh 16,20–24 verheißene Freude. Zweimal grüßt der auferstandene Jesus die Jünger ferner mit dem Friedensgruß (20,19.21) und vermittelt ihnen dadurch eben den Frieden, den er ihnen 14,27 und 16,33 verheißen hatte.458 Da zudem in 20,19 mit ὀψίας τῇ ἡμέρᾳ ἐκείνῃ τῇ μιᾷ σαββάτων die Zeitangabe ἐν ἐκείνῃ τῄ ἡμέρᾳ aus 16,23 und 16,26 anklingt und auch der Begriff ὀρᾶν im Osterkontext mehrmals verwendet wird (20,18.20.25.29), zeigt sich, dass gerade auch diese von den Vertretern der Parusiethese für ihre Deutung in Anspruch genommenen Begriffe dafür sprechen, dass Joh 16,16–33 das Wiedersehen an Ostern im Blick ist.459 Die angeführten Argumente für einen Bezug von Joh 16,16 ff. auf das österliche Wiedersehen zwischen Jesus und den Jüngern sind schlagend, und die von den Vertretern der Parusiethese gegen diese Sicht vorgebrachten Gründe können m. E. kaum überzeugen. So berufen sich einige auf die Wiederaufnahme der bereits in den VV. 5 und 10 gebrauchten Wendung ὑπάγω πρὸς τὸν πατέρα in V. 17 und behaupten, der durch sie zum Ausdruck gebrachte Hingang Jesu zum Vater umfasse „das ganze Geschehen seiner ‚Stunde‘, Kreuz, Auferstehung und den ‚Aufstieg‘ (20,17).“460 Insofern das in V. 16 angekündigte Wiedersehen sich erst 455 Vgl. J. Becker, Johannes 2, 31991, 600. 456 T. Onuki, Gemeinde, 1984, 154. 457 Vgl. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 670. 458 Vgl. J. Becker, Johannes 2, 31991, 599; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 176; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 241 f., mit Anm. 100. 459 Vgl. J. Becker, Johannes 2, 31991, 599; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 241. 460 J. Frey, Eschatologie III, 2000, 216.
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nach dem so verstandenen Hingang Jesu zum Vater vollziehen wird, könne somit nicht an Ostern gedacht sein. Gegen diese Argumentation ist jedoch anzuführen, dass gerade Joh 16,5–7 verdeutlicht, dass Jesu ὑπάγειν πρὸς τὸν πατέρα einzig durch seinen Tod erfolgt und nicht noch durch einen nachträglichen Aufstieg zum Vater ergänzt wird, von dem das vierte Evangelium ja auch nichts berichtet.461 Denn das ὑπάγειν πρὸς τὸν πέμψαντά με (V. 5) bzw. das ἀπέρχεσθαι (16,7 [2mal]) und πορεύεσθαι (V. 7) Jesu wird hier als Bedingung dafür genannt, dass der Paraklet zu den Jüngern kommt, dass Jesus ihn zu den Jüngern sendet. Der Heilige Geist (πνεῦμα ἅγιον) aber wird den Jüngern von Jesus an Ostern gegeben (20,22), und man kann dies nicht anders verstehen, als dass sich eben jetzt die Parakletverheißungen der Abschiedsreden erfüllen. In keinem Fall ist es nämlich möglich die Geistmitteilung, von der 20,22 berichtet, vom Kommen des Parakleten zu unterscheiden. Denn erstens wird der Heilige Geist, mit dem der johanneische Jesus die Jünger 20,22 anhaucht (πνεῦμα ἅγιον) in 14,26 mit dem Parakleten identifiziert (ὁ δὲ παράκλητος, τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον) und zweitens berichtet das Johannesevangelium neben 20,22 von keiner weiteren Geistverleihung. Schließlich impliziert drittens jede Differenzierung zwischen der österlichen Geistmitteilung und der Sendung des Parakleten eine Unvollständigkeit der erstgenannten Geistgabe. Dagegen aber spricht, dass durch die Verwendung des Verbs ἐνεϕύσησεν in Joh 20,22 deutlich auf den Schöpfungsbericht der Genesis (vgl. Gen 2,7LXX: καὶ ἐνεϕύσησεν εἰς τὸ πρόσωπον αὐτοῦ πνοὴν ζωῆς, καὶ ἐγένετο ὁ ἄνθρωπος εἰς ψυχὴν ζῶσαν) bzw. Ez 37,9 angespielt ist, und die österliche Geistgabe somit als eine endzeitliche Neuschöpfung verstanden ist.462 Erfüllen sich nun Joh 20,22 die Parakletverheißungen, so muss, da das Kommen des Parakleten ja den Hingang Jesu zum Vater zur Bedingung hat, der an Ostern bei den Jüngern weilende Jesus zugleich der bereits zum Vater gegangene Jesus sein, der den Parakleten vom Vater her (παρὰ τοῦ πατρός;463 15,26) zu den Jüngern sendet, während er zugleich vor ihnen steht und sie mit dem Geist anhaucht (15,22). Dieses Zugleich des beim Vater und bei den Jüngern Seins des österlichen Jesus deutet bereits die Besonderheit des johanneischen Osterverständnisses an, durch die ein weiterer, gegen den Bezug von Joh 16,16 ff. auf Ostern vorgebrachter Einwand entkräftet wird. Denn es ist zwar gewiss richtig, dass Joh 16,16 ff. nicht nur eine kurze Wiedervereinigung im Blick ist, auf die eine
461 Begründet Jesus seine Maria gegebene Anweisung „Halte mich nicht fest“ in 20,17 mit den Worten οὔπω γὰρ ἀναβέβηκα πρὸς τὸν πατέρα, so gilt das οὔπω, wie R. Bultmann, Johannes, 171962, 533 m. E. zurecht feststellt „im Grunde nicht von Jesus, sondern von Maria: sie kann noch nicht in Gemeinschaft mit ihm treten, ehe sie ihn als den erkannt hat, der, den weltlichen Bedingungen enthoben, beim Vater ist.“ 462 Vgl. z. B. H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 767 f.; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 2 2007, 311 f. 463 Zum Verständnis der Wendung παρὰ τοῦ πατρός vgl. F. Porsch, Pneuma, 1974, 273.
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erneute, dann durch die Parusie zu behebende Trennung folgt.464 Doch wider spricht dies nicht einem Bezug von 16,16 ff. auf Ostern. Denn die „joh[anneische] Erfahrung von Ostern […] ist eine Erfahrung des Geistes“465 und somit Ursprung einer bleibenden Vereinigung mit Jesus. Dass die johanneische Ostererfahrung eine geistige ist, zeigt sich insbesondere Joh 14,16 ff. Durch das unvermittelte Nebeneinander der Rede vom Kommen des Parakleten (14,16 f.) und dem Kommen Jesu (14,18–20) wird hier zum Ausdruck gebracht, dass es sich dabei nicht um zwei voneinander zu unterscheidende Geschehnisse, sondern um ein und dasselbe Ereignis handelt: Das Kommen Jesu ereignet sich im Kommen des Geistes.466 Neben der unmittelbar aufeinanderfolgenden Darstellung beider Themenkomplexe sprechen für diese Sicht weitere Beobachtungen. Zunächst ist auf die strukturelle Ähnlichkeit der beiden Aussagereihen in den VV. 16 f. und 18–20 zu verweisen, die A. Dettwiler wie folgt beschreibt: (1) Beide Textsequenzen (werden) mit der Verheissung einer Sendung resp. eines Kommens eingeleitet; (2) auf diese Verheissung folgt jeweils eine Näherbestimmung durch einen WeltGemeinde-Vergleich; (3) zur Beschreibung des Verhältnisses zur angekündigten Grösse wird jeweils das gleiche verbum sentiendi (θεωρεῖν) verwendet; (4) die Behauptung des positiven Verhältnisses der Gemeinde zur angekündigten Grösse wird jeweils durch einen nachfolgenden Begründungssatz abgerundet (V17e/19c); (5) die positive Wahrnehmung der Gemeinde wird jeweils durch das gleiche verbum cognoscendi (γινώσκειν) ausgelegt (V17d/20a); (6) die Lebensrealität der zugesagten Grösse wird jeweils durch räumliche Kategorien – als ein In-Sein in der Gemeinde – interpretiert (V17e/20c.d.).467
Sodann ist darauf zu verweisen, dass das Kommen Jesu, das die VV. 18–20 ankündigen, recht deutlich auf den Ostertag zu datieren ist. Dafür spricht nicht nur, dass auch im johanneischen Osterbericht zweimal von Jesu Kommen zu den Jüngern die Rede ist (ἦλθεν ὁ Ἰησοῦς 20,19; ἔρχεται ὁ Ἰησοῦς 20,26),468 sondern auch, dass mit der Wendung ὅτι ἐγὼ ζῶ in 14,19 deutlich das Osterkerygma anklingt.469 Doch kann sich das angekündigte Kommen Jesu hier kaum auf die Ostererscheinungen beschränken, „[d]enn das Kap. 20 geschilderte Zusammen 464 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 216. 465 A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 180. 466 Vgl. z. B. R. Bultmann, Johannes, 171962, 477; A. Stimpfle, Blinde, 1990, 204; J. Becker Johannes, 2, 31991, 556 ff.; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 180. 467 A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 191 f. 468 Vgl. W. Bauer, Johannesevangelium, 31933, 184. 469 Vgl. z. B. R. Bultmann, Johannes, 171962, 478f; J. Becker, Johannes 1, 31991, 557; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995,193; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 139.
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sein des Auferstandenen mit den Seinen war ein vorübergehendes, das den Ausdruck οὐκ ἀϕήσω ὑ. ὀρϕ. nicht rechtfertigt.“470 Diese Wendung setzt vielmehr eine bleibende Anwesenheit Jesu bei den Jüngern voraus, und gleiches gilt auch für die Feststellung, dass die Welt Jesus nach einer kurzen Zeit nicht mehr sehen wird, die Jünger ihn aber sehen werden (14,19). Denn bei der Aussage ὁ κόσμος με οὐκέτι θεωρεῖ ist ja an einen fortdauernden Zustand gedacht, und in Entsprechung dazu muss daher auch bei dem österlichen θεωρεῖν der Jünger ein beständiges Sehen Jesu im Blick sein. Lässt sich dieses beständige österliche Sehen der Jünger am zwanglosesten als ein Sehen im Geist verstehen, so muss letztlich auch das dieses Sehen ermöglichende österliche Kommen Jesu als ein geistiges verstanden werden.471 Das 14,18 angekündigte Kommen Jesu ist somit als sein Kommen im Geist zu verstehen. Dieses Kommen Jesu zu den Jüngern ereignet sich an Ostern. Es liegt daher nahe, dass der joh Osterbericht – wenngleich Ostern für den vierten Evangelisten gewiss auch historisches Ereignis war – doch zumindest primär ein Bild dafür ist, was geschieht, wenn sich die Parakletverheißungen erfüllen,472 wenn ein Mensch aus dem Geist geboren wird. Die johanneische Ostererfahrung ist dann in der Tat „kein historisch-punktuelles, vergangenes Ereignis“,473 das nur von dem begrenzten Kreis der ersten Jünger erlebt wurde. Vielmehr wird „[d]ie Begrenzung der Ostererscheinungen auf den historischen Kreis der ersten Jünger und Zeugen […] aufgesprengt“474 und Ostern selbst „in gewissem Sinne enthistorisiert.“475 Ostern ist immer dann, wenn ein Mensch aus dem Geist geboren wird, und jeder aus dem Geist Geborene ist ein Osterzeuge. Auch in Joh 16 ist das dargestellte johanneische Osterverständnis vorausgesetzt. Dies zeigt sich zunächst daran, dass auch hier auf die Rede vom Kommen des Parakleten unvermittelt die Feststellung vom Wiedersehen zwischen Jesus und den Seinen folgt. Zum anderen wird es neben einigen weiteren strukturellen Parallelen zwischen den VV. 4 ff. und 16 ff.476 insbesondere dadurch deutlich, dass die λύπη der Jünger angesichts des Todes hier wie dort erwähnt wird, dass aber die Überwindung dieser λύπη, die sich nach den VV. 20–22 zum Zeitpunkt des Wiedersehens zwischen Jesus und den Jüngern ereignet, in den VV. 7 ff. zumindest indirekt auf den Zeitpunkt des Kommens des Parakleten datiert wird. Denn wenn Jesus den angesichts seines Todes in λύπη geratenen 470 W. Bauer, Johannesevangelium, 31933, 184. 471 Vgl. ebd. 184. 472 Vgl. ebd. 199: „weil […] die Erscheinungen des Auferstandenen vor den Jüngern ihm (sc. dem Johannes; F. T.) ein Bild sind für eine dauernde Vereinigung mit ihnen geistiger Art, die im Grunde wieder nichts anderes ist als das Kommen des Geistes zu den Gläubigen […].“ 473 A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 195 (Kursivierung im Original). 474 C. Dietzfelbinger, Abschied, 1997, 77. 475 A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 195. 476 Vgl. ebd. 240.
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Jüngern sagt, dass sein Tod in Wahrheit ein Nutzen für sie ist, so konstatiert er damit ja letztlich, dass dieser Tod für sie in Wahrheit kein Grund zur Trauer, sondern ein Grund zur Freude ist (vgl. 14,28).477 Der Nutzen des Todes Jesu für die Jünger besteht darin, dass der Paraklet zu ihnen kommen wird (V. 7). Folglich muss sich ihre λύπη im Moment, da dieser tatsächlich zu ihnen kommt, und sie dem Nutzen des Todes Jesu nicht mehr mit Unverständnis gegenüberstehen können, in Freude wandeln. Die λύπη der Jünger verwandelt sich somit sowohl im Moment des Kommens des Parakleten als auch im Moment ihres österlichen Wiedersehens mit Jesus in Freude. Der Grund dafür ist, dass beide Geschehnisse sich in ein und demselben Moment ereignen und letztlich ein und dasselbe Ereignis sind. Für diese Sicht sei nun nur noch darauf verwiesen, dass das Verb ἀπαγγέλλειν, das in V. 25 Jesu mit Ostern einsetzende offene Verkündigung bezeichnet, dem Verb ἀναγγέλλειν entspricht, durch das in VV. 13–15 die Verkündigung des Geistes benannt wird. Da beide Stellen auch thematisch miteinander verwandt sind – hier wie dort wird das derzeitige Unverständnis der Jünger thematisiert, das ab Ostern beendet sein wird478 – wird auch hier deutlich, dass sich das mit Ostern einsetzende ἀπαγγέλλειν Jesu eben im ἀναγγέλλειν des Geistes ereignet. Bei dem in 16,16 ff. angekündigten Wiedersehen zwischen Jesus und den Jüngern ist nach dem soeben Gesagten nicht das Wiedersehen bei der Parusie im Blick, sondern vielmehr das österliche Wiedersehen. Einher mit diesem Wiedersehen geht das Kommen des Parakleten zu den Jüngern, wobei beide Ereignisse letztlich miteinander identisch sind. Denn das österliche Sehen Jesu ist ein Sehen im Geist und Ursprung einer bleibenden Vereinigung mit Jesus. Das österliche Wiedersehen mit Jesus und, damit identisch, das Kommen des Parakleten zu den Jüngern ist somit auch der Zeitpunkt, an dem sich die λύπη der Jünger in χαρά wandelt. Ihren Grund hat diese Umkehr des emotionalen Zustands der Jünger m. E. in der Tätigkeit, die der Paraklet nach dem vierten und fünften Parakletspruch ab Ostern ausüben wird. Denn wie oben festgestellt wurde, wird die λύπη der Jünger im Johannesevangelium in Entsprechung zu den besprochenen frühjüdischen Vergleichstexten auf die Herrschaft und das Wirken des Teufels zurückgeführt. Es liegt deshalb nahe, dass auch das Ende dieser λύπη in einem kausalen Zusammenhang mit dem Ende des Teufels, seiner Ent machtung, steht. Diese Entmachtung des Teufels ist ein zentrales Thema sowohl des vierten als auch des fünften Parakletspruchs. Im vierten Parakletspruch ist 477 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 430. 478 Durch die Unterscheidung zwischen dem Reden Jesu in Rätseln in vorösterlicher Zeit und seinem offenen Reden in nachösterlicher Zeit in 16,25 soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die Redeweise Jesu in nachösterlicher Zeit verändern wird. Was sich hingegen verändert, ist die Verstehensfähigkeit der Jünger. Diese wird in dem erforderlichen Maße anwachsen, so dass Jesu Rede für sie ab Ostern keine Rätselrede mehr, sondern offene Verkündigung sein wird (Vgl. z. B. C. Dietzfelbinger, Johannes 2, 22004, 177).
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dies recht deutlich, denn der Herrscher dieser Welt wird hier explizit erwähnt, und es wird festgestellt, dass er bereits gerichtet ist (16,11). Dass der Machtverlust des Teufels auch im fünften Parakletspruch ein zentrales Thema ist, wird unten darzustellen sein. Zunächst jedoch soll der vierte Parakletspruch besprochen werden, so dass verständlich wird, was genau der Paraklet leistet, wenn er dem Kosmos bezüglich der κρίσις aufdeckt, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
3.2.4 Der vierte Parakletspruch Für die Interpretation des vierten Parakletspruchs wird als entscheidend an gesehen, ob unter dem ἐλέγχειν τὸν κόσμον eine auf die Welt gerichtete Tätigkeit des Parakleten zu verstehen ist, oder aber eine auf die Jünger gerichtete. Exegeten, die sich für die erstgenannte Lösung entscheiden, denken etwa daran, dass die Gemeinde durch ihre geistgeleiteten Predigten479 die Welt ihres Irrtums überführt und sie eventuell gar zum Glauben bringt.480 Exegeten, die für die letzgenannte Lösung votieren, denken an ein sich in der Gemeinde481 oder im Innern der Jünger482 vollziehendes Geschehen, das vom κόσμος unbemerkt vonstatten geht. Fraglich ist jedoch, ob es richtig ist, in einer auf die Welt gerichteten Tätigkeit des Parakleten und einer auf die Jünger bzw. die Gemeinde gerichteten Tätigkeit einen Gegensatz zu sehen. Wird auf diese Frage zurückzukommen sein, so ist hier zunächst denjenigen Exegeten zuzustimmen, nach denen das parakletische ἐλέγχειν als eine auf die Jünger gerichtete Tätigkeit zu verstehen ist. Für diese Sicht spricht zum einen, dass an allen übrigen Parakletstellen (14,16 f.26; 15,26; 16,13 ff.) ausschließlich an dessen innergemeindliches Wirken gedacht ist483 und auch 16,7 zweimal explizit festgehalten wird, dass der Paraklet zu den Jüngern kommen (ἐλεύσεται πρὸς ὑμᾶς), bzw. von Jesus zu ihnen gesandt werden wird (πέμψω αὐτὸν πρὸς ὑμᾶς). Das ἐλεύσεται πρὸς ὑμᾶς aus V. 7 wird dabei durch das καὶ ἐλθὼν ἐκεῖνος in V. 8 wieder aufgenommen, wodurch der Eindruck entsteht, dass das ἐλέγχειν des Parakleten sich direkt an die Jünger richtet, und nichts daran denken lässt, dass die ἔλεγξις erst durch die künftige Tätigkeit der Jünger geschieht.484 Für ein innergemeindliches Wirken des Parakleten spricht sodann die Formulierung in V. 10, wo es eben nicht, wie bei einer auf die außergemeindliche Welt bezogenen ἔλεγξις zu erwarten wäre, heißt: ὅτι πρὸς τὸν πατέρα ὑπάγω καὶ οὐκέτι θεωροῦσιν με, sondern ὅτι […] οὐκέτι θεωρεῖτέ
479 Vgl. z. B. J. Blank, Krisis, 1964, 335 f. 480 So etwa W. Thüsing, Erhöhung, 21970, 143 f. 481 Vgl. z. B. H. C. Kammler, Geistparaklet, 1996, 129 f.; J. Frey, Eschatologie III, 2000, 184 f. 482 In diesem Sinne etwa F. Porsch, Pneuma, 1974, 280–285; I. de la Potterie, Vérité, 1977, 399–406. 483 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 183 f. 484 Vgl. I. de la Potterie, Vérité, 1977, 412.
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με.485 Näherliegend als diese Formulierung in dem Sinne zu erklären, dass „selbst die Feststellung der auf die Welt bezogenen Überführungsfunktion [sc. des Parakleten/F. T.] (…) hier einem innergemeindlichen Anliegen (dient)“,486 ist es, sie als einen Hinweis dafür zu deuten, dass das ἐλέγχειν des Parakleten eben ein auf die Gemeinde bezogenes Geschehen ist. Um angesichts der Formulierung in 16,8 überhaupt die Möglichkeit für ein auf die Gemeinde gerichtetes Verständnis des parakletischen ἐλέγχειν zu eröffnen, verweisen Vertreter dieser Deutung darauf, dass der κόσμος als Objekt des parakletischen ἐλέγχειν nicht notwendigerweise dessen Adressat sein muss. Denn das bedeutungsbreite Verb ἐλέγχειν, durch das „die ganze Skala des Vorgehens in einem Prozeßverfahren bezeichnet werden [kann]“487 und hier im Sinne einer Überführung des κόσμος bzw. des objektiven Nachweises seiner Schuld oder seines Irrtums zu verstehen ist,488 bezeichnet einen Vorgang, bei dem die Anwesenheit des ἐλεγχόμενος nicht notwendig vorausgesetzt ist. Sein Irrtum oder seine Schuld kann ihm auch in seiner Abwesenheit nachgewiesen werden und dieser Vorgang somit von ihm unbemerkt vonstattengehen.489 Aber auch wenn man den Kosmos nicht nur als Objekt, sondern zugleich als Adressaten der überführenden Tätigkeit des Parakleten versteht, kann man diese als ein innergemeindliches bzw. genauer als ein in den Jüngern sich ereignendes Geschehen verstehen. Denn auch die Jünger sind doch bis zu dem Zeitpunkt, da sie „von oben her neu“ geboren werden (ἄνωθεν; 3,3),490 noch nicht ἐκ τῶν ἄνω, sondern vielmehr ἐκ τῶν κάτω und somit ἐκ τούτου τοῦ κόσμου (8,23). Wie jeder andere gehören auch sie zum Kosmos, so lange sie nur aus dem Fleisch Gezeugte sind (3,6). Der Moment, ab dem sie dies nicht mehr sind, ist Ostern. Denn erst an Ostern haucht sie der Geisttäufer Jesus (1,33) mit heiligem Geist an (20,22) und bewirkt so, dass sie aus dem Geist geboren werden (3,5) und von nun an aus dem Geist Gezeugte (3,6), neue Schöpfung, sind. Gehen nun an Ostern auch die Parakletverheißungen in Erfüllung, so kann man das ἐλέγχειν τὸν κόσμον ge wissermaßen als Bestandteil dieser Zeugung aus dem Geist verstehen. Denn mit 485 Vgl. F. Porsch, Pneuma, 1974, 284; I. de la Potterie, Vérité, 1977, 412 f. 486 T. Onuki, Gemeinde, 1984, 147. 487 F. Porsch, Pneuma, 1974, 281. Hat ἐλέγχειν die juridische Grundbedeutung „jemandes Schuld, Unrecht oder Irrtum aufdecken bzw. nachweisen“, so unterscheidet Porsch ebd. die folgenden Bedeutungsvariationen: 1. „eine Untersuchung anstellen, eine Rechtssache prüfen; 2. „jemandem einem Verhör unterziehen; eine Meinung nachprüfen oder der Kritik unter werfen“; 3. „(das Ergebnis einer Untersuchung) ans Licht stellen, an den Tag bringen, dartun, enthüllen“, dabei auch „jemanden seines Irrtums, seines Unrechts überführen; den Nachweis seiner Schuld erbringen“ und ihn dadurch „zum Schweigen [zu] bringen, [zu] beschämen“, 4. „tadeln, zurechtweisen“, „Strafen verhängen, bestrafen“. 488 Vgl. F. Porsch Pneuma und Wort, FThSt 16, Frankfurt a. M. 1974, 281 f.; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 223. 489 Vgl. F. Porsch, Pneuma, 1974, 282. 490 Zur Übersetzung vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 123; 130.
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der Zeugung aus dem Geist geht offensichtlich eine neue Wahrnehmung einher. Die βασιλεία τοῦ θεοῦ, die die Jünger als aus dem Fleisch Geborene bislang nicht sehen konnten (3,3), weil sie eine βασιλεία ist, die nicht ἐκ τοῦ κόσμου τούτου ist (18,36) und somit κατ ’ ὄψιν (7,24) oder κατὰ τὴν σάρκα (8,15) nicht wahrnehmbar, nehmen sie als aus dem Geist Gezeugte nun wahr und gelangen damit zugleich in sie hinein (3,5). Die den Kosmos überführende Tätigkeit des Parakleten, von der 16,8–11 berichtet, ist ein wesentlicher Grund für diese neue, nicht mehr weltliche Wahrnehmung der aus dem Geist gezeugten Jünger. Sie zielt, wie im Folgenden dargestellt werden soll, darauf ab, den Jüngern den Irrtum ihrer eigenen weltlichen Bewertung der Passion und des Todes Jesu aufzudecken, so dass man sagen kann, dass es der Kosmos in den Jüngern ist, der im Zuge ihrer Geburt aus dem Geist durch den Parakleten überführt wird. Bewerteten diese Jesu Passion und Tod bislang als seine Niederlage, so erkennen sie nun als aus dem Geist Gezeugte, dass diese Ereignisse eigentlich sein Sieg waren. Sie nehmen den Gekreuzigten als βασιλεύς wahr und sehen damit zugleich die βασιλεία τοῦ θεοῦ, in der er herrscht. Der die VV. 8–11 umfassende vierte Parakletspruch ist auffällig straff ge staltet.491 In V. 8 wird im Sinne einer Überschrift492 zunächst dargestellt, dass der Paraklet gegenüber dem Kosmos einer überführenden Tätigkeit nachgehen wird und sodann werden mit ἁμαρτία, δικαιοσύνη und κρίσις die drei Sachverhalte genannt bezüglich derer diese parakletische ἔλεγξις vonstatten gehen wird. Dass es sich bei ἁμαρτία, δικαιοσύνη und κρίσις nicht um Anklagepunkte handelt, ist evident, denn „dies wäre möglich für ἁμαρτία, aber nicht für δικαιοσύνη und κρίσις“.493 Vielmehr sind es – wie der artikellose Gebrauch verdeutlicht – die drei Begriffe selbst, die zur Debatte stehen:494 Der Paraklet wird den Jüngern aufdecken, was es mit ἁμαρτία, δικαιοσύνη und κρίσις in Wahrheit auf sich hat und eben dadurch ihre bisherige weltliche Wahrnehmung bezüglich dieser drei Sachverhalte des Irrtums überführen. Was der Paraklet bezüglich ἁμαρτία, δικαιοσύνη und κρίσις aufdecken wird, expliziert495 Jesus dann in den VV. 9–11. Dabei ist deutlich, dass die δικαιοσύνη unter den drei Sachverhalten von besonderer Bedeutung ist. Denn durch den Gebrauch des von einem doppelten δέ (VV. 10.11) gefolgten μέν (V. 9) und die Umstellung des zweiten δέ in V. 11 gegenüber dem ersten in V. 10 (περὶ δικαιοσύνης δέ – περὶ δὲ κρίσεως) steht δικαιοσύνη sowohl in Opposition zu ἁμαρτία als auch 491 Vgl. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 221; J. Frey, Eschatologie III, 2000,183. 492 Vgl. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 221. 493 J. Frey, Eschatologie III, 2000, 184, Anm. 22. 494 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 433; T. Onuki, Gemeinde, 1984, 145; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 224. 495 Dass das ὅτι in den Versen 9–11 jeweils explikativ zu verstehen ist, wird von der überwiegenden Mehrheit der Exegeten mit Recht betont, vgl. z. B. R. Bultmann, Johannes, 171962, 434, Anm. 3; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 223 f.; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 660.
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zu κρίσις.496 Daher empfiehlt es sich, zunächst einen Blick auf das ἐλέγχειν des Parakleten περὶ δικαιοσύνης zu werfen, das in V. 10 ausgeführt wird. Die in V. 10 getroffene Aussage περὶ δικαιοσύνης δέ, ὅτι πρὸς τὸν πατέρα ὑπάγω καὶ οὐκέτι θεωρεῖτέ με ist freilich schwierig zu erhellen. Die Schwierigkeit besteht nicht zuletzt darin, den Sinn des Lexems δικαιοσύνη zu bestimmen, das im Johannesevangelium lediglich hier und in V. 8 belegt ist. Muss die Bedeutung von δικαιοσύνη somit aus dem Kontext erschlossen werden, so legt es die in V. 10 gegebene Erläuterung ὅτι πρὸς τὸν πατέρα ὑπάγω zunächst nahe, dass es die δικαιοσύνη Jesu ist, die der Paraklet den Jüngern aufdecken wird.497 Die δικαιοσύνη Jesu deckt der Paraklet den Jüngern auf, indem er ihnen erschließt, was sie zuvor nicht verstanden, dass Jesu Tod nicht sein Ende, sondern sein ὑπάγειν πρὸς τὸν πατέρα ist. Das diesbezügliche Unverständnis der Jünger wird im unmittelbaren Kontext zum einen durch ihr Rätselraten in V. 17: τί ἐστιν τοῦτο ὅ λέγει ἡμῖν· […] ὅτι ὑπάγω πρὸς τὸν πατέρα, sodann durch Jesu dem Parakletspruch unmittelbar vorangehende Feststellung zum Ausdruck gebracht, dass angesichts seines angekündigten Weggangs keiner der Jünger die Frage stelle, wo er denn hingehe (V. 5).498 Sie fragen nicht nach dem Wohin, weil sich diese Frage für sie nicht stellt, denn sie verstehen Jesu Ankündigung seines Weggehens als Ankündigung seines Todes und bewerten diesen nach Art und Weise dieser Welt, als sein definitives Ende. Eben deswegen fragen sie Jesus nicht nach dem Ziel seines Weggangs, weil „rein menschlich gesprochen […] die Frage nach dem ‚Wohin‘, sofern sie sich auf ein ‚Wohin‘ nach dem Tode richtet, zweck- und ergebnislos [ist], weil [sie] ohne Antwort [ist].“499 Die nichtgestellte Frage ποῦ ὑπάγεις beantwortet den Jüngern nun der Paraklet, indem er ihre weltliche Beurteilung des Todes Jesu des Irrtums überführt und sie so verstehen lässt, dass Jesu Tod nicht sein Ende, sondern seine Rückkehr zum Vater ist, und da die Rede von Jesu ὑπάγειν πρὸς τὸν πατέρα mit den Aussagen über seine Erhöhung und sein Verherrlichtwerden beim Vater sachlich identisch ist,500 damit zugleich, „dass sein Tod nicht nur die ‚Erhöhung‘ (im lokal- gegenständlichen Sinne) am Kreuz, sondern als Erhöhung zum Vater Einsetzung in seine Herrschaft [und Verherrlichung; F. T.] ist.“501 Die δικαιοσύνη Jesu, die der Paraklet den Jüngern aufdeckt, meint dann nicht seine „sittliche Vollkommenheit“ und „Schuldlosigkeit“.502 Vielmehr kommt die 496 Vgl. I. de la Potterie, Vérité, 418. 497 Vgl. z. B. F. Porsch, Pneuma, 1974, 286 f.; I. de la Potterie, Vérité, 417; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 224; H. C. Kammler, Geistparaklet, 1996, 131 f.; J. Frey, Eschatologie III, 2000, 185. 498 Vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 168. 499 J. Blank, Krisis, 1964, 333. 500 Vgl. A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 225, Anm. 39. 501 J. Frey, Eschatologie III, 2000, 184, Anm. 22. 502 So etwa B. Weiss, Johannes-Evangelium, 81893, 441.
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Bedeutung von δικαιοσύνη hier entsprechend biblischer Tradition „den Vorstellungen von ‚Sieg‘, ‚Triumph‘, ‚Herrlichkeit‘“ nahe,503 und es ist somit der eschatologische Sieg des Gekreuzigten über die Welt (16,33), den der Paraklet den Jüngern aufdeckt, indem er ihnen darlegt, dass Jesu Gang in den Tod ein Gang zum Vater war, d. h. der Gang in einen Tod, in dem Gott so präsent war, dass Jesus von göttlicher Herrlichkeit umstrahlt bereits in diesem Tod verherrlicht und als βασιλεύς inthronisiert wurde. Jesu Tod, der den Jüngern zuvor seine Niederlage zu sein schien, erkennen sie dank der parakletischen ἔλεγξις als seinen Sieg, sie erkennen die Präsenz Gottes in diesem Tod und dadurch, dass Jesus, nicht die Welt, im Recht war. Der positive Nachweis der siegreichen Gerechtigkeit Jesu, der in V. 10 dargestellt wird, ist „der zentrale Punkt in dem ‚ἐλέγχειν‘ des Parakleten“504 und „die Grundlage der beiden negativen Erweise des Unrechts der Welt und ihres Herrschers“505 in den Versen 9 und 11. Gerade daran, dass der Paraklet den Jüngern aufdeckt, dass Gott in Passion und Tod auf der Seite Jesu war, dass Jesus in diesem Tod als βασιλεύς inthronisiert wurde, erkennen sie, dass die Sünde darin besteht, nicht an Jesus zu glauben, und dass diejenigen, die auch weiterhin nicht an Jesus glauben,506 bereits gerichtet sind (3,18), dass ihre Sünde bleibt (9,41) und sie dem Sterben in ihrer Sünde entgegen gehen (8,21.24). Zugleich erkennen die Jünger, dass sie, die nun durch das Wirken des Geistes, zu diesem βασιλεύς gehören, der die Sünde der Welt davon getragen hat (1,29), sich nicht mehr im Unheilsbereich der Sünde befinden, sondern dass sie dem von Jesus eröffneten Heilsbereich angehören,507 der βασιλεία in der er als βασιλεύς herrscht. Ebenso ergibt sich auch die V. 11 behandelte ἔλεγξις des Parakleten περὶ κρίσεως aus V. 10. Zunächst ist festzustellen, dass hier ganz deutlich wird, dass das parakletische ἐλέγχειν als ein Aufdecken dessen zu verstehen ist, was sich in Jesu Passion und Tod tatsächlich ereignet hat. Denn das vollendete Gerichtsgeschehen, auf das der Paraklet hinweist, ist, wie die terminologischen Parallelen ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου und κέκριται bzw. κρίσις τοῦ κόσμου τούτου zeigen, eben das Gerichtsgeschehen, das sich nach 12,31 im νῦν der Stunde Jesu ereignet hat.508 503 F. Porsch, Pneuma, 1974, 287, der auf A. Descamps, Les Justes, 1950, 57–93, verweist. Vgl. auch R. Bultmann, Johannes, 171962, 434 f., Anm. 7, nach dem der Zusammenhang von Gerechtigkeit und Sieg im orientalischen Sprachgebrauch ganz deutlich ist. 504 Vgl. F. Porsch, Pneuma, 1974, 287. 505 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 185, Anm. 25. 506 Das Präsens οὐ πιστεύουσιν bringt den Unglauben als eine fortdauernde Haltung der Welt zum Ausdruck. 507 Vgl. F. Porsch, Pneuma, 1974, 286: „Dies ist der Nachweis, den der Paraklet hinsichtlich der Sünde bringen wird. Durch das Wirken des Parakleten weiß der Glaubende, daß er nicht in der Sünde, sondern im Heil ist, und daß andererseits gerade die ihn anklagende Welt in der Sünde ist.“ 508 Vgl. J. Frey, Eschatologie III, 2000, 188, mit Anm. 39.
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Dadurch, dass der Paraklet den Jüngern aufdeckt, dass Jesus in seiner Stunde die Welt besiegt hat (16,33), verdeutlicht er ihnen zugleich, dass die Gegenseite in dieser Stunde die eschatologische Niederlage erlitten und ihre Macht verloren hat; dass sie gerichtet wurde.509 Die ἔλεγξις des Parakleten περὶ κρίσεως komplettiert somit die neue diametral umgekehrte Wahrnehmung der Jünger vom Tod Jesu, und angesichts des erarbeiteten traditionsgeschichtlichen Hintergrundes ist davon auszugehen, dass es gerade dieser Aspekt der ἔλεγξις des Parakleten ist, der dafür sorgt, dass die λύπη der Jünger sich in χαρά verwandelt. Bislang bewerteten sie Jesu Tod nach weltlichen Maßstäben und verstanden ihn als Sieg des Herrschers dieser Welt. Stürzte sie dieser vermeintliche Sieg des Teufels in λύπη, so ist es eben der Moment, in dem ihnen vom Geist der Irrtum ihrer weltlichen Bewertung des Todes Jesu nachgewiesen wird, in dem sich ihre λύπη in χαρά verwandelt, weil sie erkennen, dass sich in Jesu Stunde nicht der Sieg des Teufels ereignet hat, sondern dass diese Stunde das über ihn ergehende Gericht war, durch das er entmachtet wurde. Was der Paraklet zu Folge des vierten Parakletspruchs leistet, ist, dass er den Jüngern aufdeckt, was sich in Jesu Tod und Passion in Wahrheit ereignet hat. Dies vollbringt er dadurch, dass er ihre weltliche Beurteilung dieser Ereignisse des Irrtums überführt. Durch sein Wirken beseitigt er somit den Einfluss der teuflischen Lüge auf die Jünger, denn weltliches Urteilen κατ ’ ὄψιν (7,24) oder κατὰ τὴν σάρκα (8,15) ist ja – wie oben dargestellt wurde510 – im Johannesevangelium Folge der teuflischen Lüge. Indem der Paraklet den Jüngern den Irrtum dieses Denkens aufdeckt und sie so erkennen lässt, dass der Herrscher dieser Welt von Jesus besiegt und entmachtet wurde, bringt er diese Entmachtung für sie zur Geltung und bewirkt, dass sie für sie Realität wird. Davon, dass der Paraklet die Macht der teuflischen Lüge über die Jünger bricht, dass er sie aus der Gefangenschaft befreit, in der sie sich aufgrund dieser Lüge befanden, und dass er sie zudem davor bewahrt, erneut unter den Einfluss der teuflischen Lüge zu geraten, hebt, wie nun darzustellen ist, der johanneische Jesus auch im fünften Parakletspruch hervor.
509 Vgl. ebd. 185, Anm. 25; 187 f. 510 Siehe oben Abschnitt 2.10.
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3.2.5 Der fünfte Parakletspruch Der fünfte Parakletspruch steht mit dem vorangehenden vierten in enger Verbindung.511 Wie dieser steht auch jener unter dem Vorzeichen von V. 7512 und entfaltet den Nutzen, „der im ὑπάγειν Jesu begründet liegt und im Kommen des Geistparakleten zu der Christusgemeinde besteht.“513 In dem einleitenden V. 12 hebt Jesus zunächst die vorösterliche Unfähigkeit der Jünger zur vollen Erkenntnis hervor.514 Wie Petrus zum Zeitpunkt der Fußwaschung Jesu Tun nicht erfasst (οὐκ οἶδας ἄρτι) und es erst μετὰ ταῦτα und somit ab Ostern verstehen wird (13,7),515 so können hier die Jünger das Viele (πολλά), das Jesus ihnen noch zu sagen hat, jetzt nicht ertragen und somit nicht verstehen516 (οὐ δύνασθε βαστάζειν ἄρτι; 16,12). Dazu werden sie vielmehr erst nach dem Kommen des Geistes in der Lage sein (ὅταν δὲ ἔλθῃ ἐκεῖνος). Denn dieser wird sie in die ganze Wahrheit führen (ὁδηγήσει ὑμᾶς ἐν τῇ ἀληθείᾳ πάσῃ bzw. εἰς τὴν ἀλήθειαν πᾶσαν; V. 13). Der Gedanke ist dabei nicht, dass der Geist die in Jesu geschehene Offenbarung inhaltlich durch eine von der Person Jesu getrennte Offenbarung ergänzt,517 sondern vielmehr, dass er ihnen die ganze Wahrheit, die in Jesu Person und Werk offenbar geworden ist, überhaupt erst erschließt518 und zwar dadurch, dass er ihnen die Präsenz Gottes in Jesus aufdeckt.519 Wurde das vom Geist geleistete ὁδηγεῖν soeben als ein Führen der Jünger in die ganze Wahrheit gedeutet, so ist dieses Verständnis nicht sicher. Mit ὁδηγήσει ὑμᾶς ἐν τῇ ἀληθείᾳ πάσῃ und εἰς τὴν ἀλήθειαν πᾶσαν sind zwei Text varianten überliefert, von denen sich keine mit Sicherheit als ursprünglich erweisen lässt.520 Aber auch bei einer Lösung des textkritischen Problems könnte die Frage, ob hier von einem Führen des Geistes „in die“ oder „in der“ ganzen Wahrheit gesprochen wird, nicht ganz sicher beantwortet werden. Denn wie die Prä 511 Vgl. H. C. Kammler, Geistparaklet, 1996, 136; H. Thyen, Johannesevangelium, 2005, 659. 512 Vgl. H. C. Kammler, Geistparaklet, 1996, 136, der zu Recht darauf hinweist, dass sich dies „sprachlich darin [zeigt], daß in V. 13 nicht der Ausdruck ὁ παράκλητος erscheint, sondern das Demonstrativpronomen ἐκεῖνος, das sich – wie das ἐκεῖνος von V. 8 – auf ὁ παράκλητος V. 7b zurückbezieht.“ (Ebd., Anm. 223). 513 Ebd. 514 Vgl. H. C. Kammler, Geistparaklet, 1996, 137; A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 231. 515 Vgl. z. B. U. Wilckens, Johannes, 22000, 208; U. Schnelle, Johannes, 42009, 237. 516 Βαστάζειν scheint hier, wie A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 231, Anm. 65, mit Recht bemerkt, der Bedeutung „verstehen“ sehr nahe zu kommen. 517 So z. B. W. Bauer, Johannesevangelium, 31933, 197; U. B. Müller, Parakletenvorstellung, 1974, 72 f. 518 Vgl. H. C. Kammler, Geistparaklet, 1996, 137 f. 519 Vgl. K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 173 f. 520 Für ἐν τῇ ἀληθεία zeugen etwa a D L W Θ 1 33 565 579 al it. Für εἰς τὴν ἀλήθειαν hingegen zeugen neben dem Mehrheitstext auch A B pc vgst Or ψ 068 f 13.
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position εἰς in der Koine die Funktion der Präposition ἐν übernehmen kann,521 so kann umgekehrt ἐν im Sinne von εἰς gebraucht werden.522 Eine Entscheidung scheint hier jedoch auch nicht notwendig, denn beide Aspekte, der des Führens in die Wahrheit und des Führens in der Wahrheit klingen an. Zwar bemerkt A. Dettwiler zu Recht, dass durch die mit dem Verb ὁδηγεῖν anklingende WegMetapher das parakletische Leiten als Prozess dargestellt wird, so dass Dettwiler Wahrheit hier nicht als „Zielpunkt“ des vom Paraklet geleisteten ὁδηγεῖν versteht, sondern vielmehr „als Raum, in dem sich dieses Anleiten vollzieht.“523 Doch insofern in V. 12, wie auch Dettwiler feststellt, die vorösterliche „Unmöglichkeit […] des Verstehens der Jesusoffenbarung“ anklingt, „die durch das Wirken des Parakleten aufgehoben“ wird,524 muss der Paraklet die Jünger, um sie dauerhaft im Raum der Wahrheit leiten zu können, in diesen Raum zunächst einmal punktuell hineinführen. Führt der Paraklet die Jünger somit zunächst in die Wahrheit, so kann man auch formulieren, dass sie dank der Tätigkeit des Parakleten die Wahrheit erkennen. R. Brown stellt daher zu Recht einen Bezug zwischen 16,13 und 8,31 f. her, indem er konstatiert: „In viii 31–32 Jesus had promised: ‚If you abide in my word, you are truly my disciples; and you will know the truth.‘ This is fulfilled in and through the Paraclete.“525 Die Jünger, an die sich der johanneische Jesus in 16,12–15 richtet, sind – zumindest auf textinterner Ebene – eben diejenigen, die die Bedingung von 8,31 erfüllt haben. Sie sind in Jesu Wort geblieben und hierfür ernten sie nun beim Kommen des Geistes die Früchte. Erkennen sie dank des Wirkens des Geistes die ganze Wahrheit, so heißt dies vor dem Hintergrund von 8,31 ff. zugleich, dass sie durch seine Präsenz und sein Wirken aus der Sündenknechtschaft befreit werden und somit nicht mehr unter dem Einfluss der teuflischen Lüge stehen. Als der Geist, „der die Wirklichkeit Gottes als in Jesus präsent erschließt und seiner Treue vergewissert“,526 beseitigt der Paraklet die Wirkung der teuflischen Lüge auf die Jünger. Denn wie oben527 festgestellt wurde, ist es ja die wesentliche Folge der teuflischen Lüge, dass sie die Menschen diese Präsenz der göttlichen Wahrheit in Jesus nicht wahrnehmen lässt. Führt der Paraklet die Jünger zunächst in die Wahrheit, so leitet er sie sodann in dieser Wahrheit, d. h. er „bewahrt die Gemeinde sozusagen in dem Lebensraum, der durch die Wahrheit und Wirklichkeit der Präsenz Gottes in Jesus
521 Vgl. B-D-R § 205. 522 Vgl. W. Bauer, Wörterbuch, 61988, 524. 523 A. Dettwiler, Gegenwart, 1995, 232. 524 Ebd. 231. 525 R. E. Brown, John 2, 1971, 715; vgl. auch R. Bultmann, Johannes, 171962, 442, der zur Stelle feststellt: „Die Verheißung ist keine andere als die von 8,31 f.“ 526 K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 173. 527 Vgl. oben Abschnitt 2.10.
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eröffnet und gegeben ist“.528 Negativ kann man formulieren, der Paraklet bewahrt sie davor, diesen Bereich der Wahrheit zu verlassen und sich erneut dem Kosmos, dem Bereich der Lüge zuzuwenden. Das parakletische Leiten der Jünger im Bereich der Wahrheit kann dann verstanden werden als die Art und Weise, durch die Gott Jesu Bitte aus dem Hohepriesterlichen Gebet erfüllt, die Jünger ἐκ τοῦ πονηροῦ zu bewahren und somit davor, vom Teufel wieder in seinen Machtbereich, den Bereich der Lüge, geführt zu werden (17,15). Die „positive Kehrseite“529 dieser Bitte um Bewahrung vor dem Bösen lautet im Hohepriesterlichen Gebet: ἁγίασον αὐτοὺς ἐν τῇ ἀληθείᾳ (17,17) und da das Heiligen in der Wahrheit hier meint, dass Gott den Jüngern einen festen Stand in seiner Wahrheit verschafft, ihnen ein bleibendes Sein in Jesus ermöglicht,530 entspricht es ziemlich genau dem vom Parakleten geleisteten Führen der Jünger in der ganzen Wahrheit. Expliziert Jesus seine Bitte um Heiligung in der Wahrheit im Hohepriesterlichen Gebet durch die Feststellung ὁ λόγος ὁ σὸς ἀλήθειά ἐστιν (17,17), so klingt auch im fünften Parakletspruch an, dass der Paraklet, die Jünger eben dadurch im Bereich der Wahrheit bewahrt, dass er ihnen das Wort Gottes verkündigt und ihnen somit ein Bleiben in diesem Wort ermöglicht. Denn das, was der Geist der Gemeinde verkündigt, redet er nicht von sich aus (16,13), sondern er empfängt es von Jesus (16,14) und damit letztlich von Gott (16,15), so dass im Wort des Geistes das Wort Gottes in der Gemeinde laut wird. Der in der Gemeinde wirkende Geist wird hier als das genaue Gegenbild des in der Welt wirkenden Teufels gezeichnet, der die Lüge, die er redet ἐκ τῶν ἰδίων spricht (8,44). Durch die im fünften Parakletspruch beschriebene Tätigkeit des Parakleten geht zum einen die Verheißung Jesu aus 8,31 f. in Erfüllung: Die Jünger erkennen durch ihn die Wahrheit, die Lüge des Teufels verliert ihren Einfluss auf sie. Zum anderen erfüllt Gott durch das in 16,12–15 beschriebene Wirken des Parakleten Jesu Bitte, die Jünger vor dem Teufel zu bewahren. Wenngleich der Teufel im fünften Parakletspruch nicht explizit erwähnt wird, ist sein Machtverlust hier somit dennoch ein zentrales Thema und zwar wie im vierten Parakletspruch in dem Sinne, dass der Paraklet die Entmachtung des Teufels, die sich in Jesu Passion und Tod bereits ereignet hat, für die Jünger bleibend zur Geltung bringt. Denn der Bereich der Wahrheit, in den der Paraklet die Jünger führt und in dem er sie vor dem Teufel bewahrt, ist, wie oben mit den Worten K. Wengsts formuliert wurde, der „Lebensraum, der durch die Wahrheit und Wirklichkeit der Präsenz Gottes in Jesus eröffnet und gegeben ist“531 und somit ein Lebensraum, der das Leben und Sterben Jesu voraussetzt. Man kann diesen von Jesus eröffneten 528 K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 173. 529 T. Zahn, Johannes, 5u61921, 612. Vgl. auch U. Wilckens, Johannes, 22000, 264; K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 200. 530 Vgl. U. Wilckens, Johannes, 22000, 265. 531 K. Wengst, Johannesevangelium 2, 22007, 173.
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Lebensraum der Wahrheit, in den der Paraklet die Jünger führt und in dem er sie bewahrt, verstehen als die βασιλεία Jesu, in der er als βασιλεύς herrscht. Denn in 18,36, der einzigen Stelle, an der von dieser βασιλεία Jesu im Johannesevangelium die Rede ist,532 steht sie in einem sehr engen Bezug zur Wahrheit. Bestimmt Jesus seine βασιλεία hier gegenüber Pilatus negativ als eine solche, die nicht ἐκ τοῦ κόσμου τούτου ist, so führt er im folgenden Vers 37 positiv aus, ein βασιλεύς welcher Art er ist.533 Dabei stellt er fest, dass er dazu geboren wurde und in die Welt gekommen ist, dass er die Wahrheit bezeuge und konstatiert, dass jeder, der aus der Wahrheit ist, seine Stimme hört. Zu Recht bemerkt C. Dietzfelbinger im Blick auf diese Ausführungen, die βασιλεία werde hier auf Wahrheit hin interpretiert,534 und ebenfalls zutreffend kommentiert F. F. Bruce, Jesus stelle seine βασιλεία als „kingdom of truth“ vor.535 In dieses/m Reich der Wahrheit, das zwar nicht nicht ἐκ τοῦ κόσμου τούτου ist, seinen Ursprung nicht in dieser Welt hat und deshalb nicht von der Art dieser Welt ist,536 das aber doch durch das Zeugnis Jesu in der Welt eröffnet und gegeben ist, als weltfremdes Reich in der Welt präsent ist,537 führt und bewahrt der Geist der Wahrheit die Jünger. Mitten in der Welt lebend, sind auch sie, wie Jesus, die Bitte um Bewahrung vor dem Bösen im Hohepriesterlichen Gebet umrahmend feststellt, damit nicht mehr von dieser Welt (17,14.16) und unterstehen nicht mehr dem ἄρχων dieser Welt. Sie sind vielmehr Bürger einer anderen βασιλεία, der βασιλεία Jesu, welche die auf Erden präsente βασιλεία τοῦ θεοῦ ist, der sie als aus dem Geist Geborene angehören (3,5), und unterstehen einem βασιλεύς, in dem Gott herrscht, und der seine Übermacht über den ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου in Passion und Tod bewiesen und somit auf Erden ein Reich errichtet hat, in dem dieser keine Macht hat. Man kann das das Heil aneignende Wirken des Parakleten, wie es im vierten und fünften Parakletspruch dargestellt wird, verstehen als zweite Stufe einer auf zwei Ebenen vonstatten gehenden Entmachtung des Teufels. Ähnlich der endzeitlichen Vernichtung der Frevelmacht in der Sektenregel, die sich, wie oben dargestellt wurde,538 zunächst auf kosmischer, dann auf anthropologischer Ebene ereignet, folgt auch im Johannesevangelium auf die universale Entmachtung des Teufels auf kosmischer Ebene seine individuelle Entmachtung auf anthropologischer Ebene. Auf kosmischer Ebene wurde der Teufel durch Jesu Passion und Tod 532 Vgl. aber die Rede von der βασιλεία τοῦ θεοῦ in 3,3.5. 533 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 506; C. Dietzfelbinger, Johannes 2, 22004, 275; U. Schnelle, Johannes, 42009, 299. 534 Vgl. C. Dietzfelbinger, Johannes 2, 22004, 275. 535 F. F. Bruce, John, 1983, 353 f. Vom „Reich der Wahrheit“ spricht auch E. Haenchen, Johannesevangelium, 1980, 536. Ebenso bereits Luther, der im Blick auf Joh 18,36 f. feststellt: „Christus aber spricht: Ich hab ein Reich, das ist die Wahrheit, […]“ (M. Luther, Psalmen, 1959, 134). 536 Vgl. R. Bultmann, Johannes, 171962, 506. 537 Vgl. M. Hengel, Reich Christi, 1991, 169. 538 Vgl. oben S. 53.
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entmachtet. Er hat seinen Status als ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου verloren, und zwar insofern als in Jesus eine Macht in der Welt erschienen ist, die ihn besiegt hat. Innerhalb seines Machtbereichs existiert nun die βασιλεία eines βασιλεύς der ihm überlegen ist. Weil aber der Thron dieses βασιλεύς das Kreuz ist, und weil der Sieg, den er errungen hat nach weltlichen und somit letztlich teuflischen Kriterien als Niederlage erscheint, bleibt seine Macht, sein König-Sein und damit auch seine βασιλεία den Menschen verschlossen. Es bedarf einer zweiten Entmachtung des Teufels auf anthropologischer Ebene, damit die Menschen den Gekreuzigten als βασιλεύς erkennen. Diese Entmachtung des Teufels auf anthropologischer Ebene bewirkt der Paraklet. Er entreißt die Jünger, zu denen er an Ostern kommt, der teuflischen Macht der Lüge, lässt sie die Wahrheit erkennen und macht sie zu „Bürgern“ in Jesu βασιλεία, so dass sie, wenngleich sie weiterhin inmitten des Machtbereichs des ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου leben, doch unter dem Schutz und Schirm eines mächtigeren Herrschers stehen. Vor dem Hintergrund der oben erarbeiteten Tradition von der Entmachtung des Teufels und der Verwandlung der λύπη in χαρά, derer sich das Johannesevangelium – wie dargestellt wurde – bedient, kann dann kaum bezweifelt werden, dass es eben diese durch den Parakleten bewirkte Entmachtung des Teufels auf anthropologischer Ebene ist, durch welche die österliche Verwandlung der λύπη der Jünger in χαρά verursacht wird. Zudem beantwortet sich, wenn es neben der Entmachtung des Teufels auf kosmischer Ebene noch seiner Entmachtung auf anthropologischer Ebene bedarf, die Frage, wie es möglich ist, dass der Satan auch nach seiner Entmachtung noch wirken und den Kosmos beherrschen kann. Nur über diejenigen, die durch den Geist zu Bürgern der βασιλεία Jesu gemacht werden, hat der Teufel seine Macht verloren. Die Sünde aller anderen bleibt (9,41) und damit auch die Macht der teuflischen Lüge über sie, die Ursache dieser Sünde ist und in ihr wirkt. Sie gehören nach wie vor zum κόσμος οὗτος, unterstehen dessen ἄρχων und wissen nichts von einem noch größeren βασιλεύς und seiner in der Welt präsent gewordenen βασιλεία. Der Teufel redet ihnen durch die Lüge ein, Jesus sei am Kreuz besiegt und in seinem Anspruch widerlegt worden und treibt sie zum Vorgehen gegen diejenigen, die ihm anhängen.
3.2.6 Fazit Wenngleich der Teufel in 16,4b–33 nur einmal explizit erwähnt wird, ist er doch im gesamten Abschnitt ungenannt zugegen und für dessen Verständnis von fundamentaler Bedeutung. Denn die λύπη von der hier mehrmals die Rede ist und die als das Leitwort des Abschnitts fungiert, steht in der Tradition des frühen Juden- und Urchristentums in enger Verbindung mit dem Teufel: Die λύπη wird mit teuflischen Zügen gezeichnet, regelrecht verteufelt und als Tochter des Teufels dargestellt. Sie kann von den Valentinianern als die Substanz bezeichnet
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Der Teufel im Johannesevangelium
werden aus der der Teufel entstand und in frühjüdischen Texten wird sie darüber hinaus als die wesentliche Folge des teuflischen Wirkens und der teuflischen Herrschaft angesehen. Dass auch die in Joh 16,4b–33 genannte λύπη der Jünger als Folge der Herrschaft des Teufels zu verstehen ist, zeigt sich daran, dass der vierte Evangelist hier eine frühjüdische Traditionslinie verarbeitet hat, die in je abgewandelter Weise auch in ApkMos 39, 4Q 177 10,8–10, AssMos 10 und TestJud 25,3–5 belegt ist und nach der 1. die Herrschaft des Teufels bei den Gerechten Trauer verursacht, sich aber 2. diese Trauer in Freude verkehren wird, wenn 3. der endzeitliche Herrschaftswechsel stattgefunden hat, und somit 4. der Teufel gerichtet wurde. Im vierten Evangelium hat sich dieser endzeitliche Herrschaftswechsel auf kosmischer Ebene in Passion und Tod Jesu ereignet. Hier hat Jesus – und in ihm Gott – den Teufel als den ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου besiegt und entmachtet, und Jesus wurde am Kreuz als βασιλεύς inthronisiert. Da jedoch Jesu Sieg nach weltlichen und somit letztlich teuflischen Kriterien als Niederlage erscheint, stürzt er die Jünger, die in vorösterlicher Zeit noch der Welt angehören und unter dem Einfluss der teuflischen Lüge stehend nach Art und Weise der Welt urteilen, zunächst in λύπη. Erst am Tag ihres Wiedersehens mit Jesus, und damit an Ostern, wird ihre λύπη in χαρά verwandelt. Seinen Grund hat dieser emotionale Umschlag in der im vierten und fünften Parakletspruch dargestellten Tätigkeit des Geistes, die dieser ab Ostern ausübt. Diese Tätigkeit kann als Entmachtung des Teufels auf anthropologischer Ebene bezeichnet werden. Er überführt den Kosmos in den Jüngern, ihre weltliche Beurteilung von Passion und Tod Jesu, des Irrtums und beseitigt damit die Macht der teuflischen Lüge über die Jünger. Durch dieses Wirken des Parakleten erkennen die Jünger, was sich in Jesu Passion und Tod in Wahrheit ereignet hat: Sie erkennen, dass der Teufel in der Stunde Jesu gerichtet und entmachtet wurde, und nehmen den Gekreuzigten als siegreichen βασιλεύς wahr, der am Kreuz thront. Als aus dem Geist Geborene gehören sie von nun an zu dessen βασιλεία (vierter Parakletspruch). Führt der Paraklet die Jünger in die ganze Wahrheit (fünfter Parakletspruch), so geht durch ihn für sie in Erfüllung, was Jesus seinen Gesprächspartnern in 8,31 f. verheißen hatte: Sie erkennen die Wahrheit, werden aus der Sündenknechtschaft und damit letztlich aus der Herrschaft des Teufels, die er durch seine Lüge ausübt, befreit und in die βασιλεία der Wahrheit hineingeführt. Bewahrt der Paraklet die Jünger ferner in dieser βασιλεία, so erfüllt Gott durch ihn, was Jesus im Hohepriesterlichen Gebet erbeten hatte: Er bewahrt sie vor dem Bösen und somit vor dem Teufel.
IV. Auswertung
Die Teufelsvorstellung des vierten Evangeliums ist fest in der frühjüdisch-urchrist lichen Satanologie verwurzelt. Jedoch werden die überkommenen Teufelstraditionen des frühen Judentums und des Urchristentums vom vierten Evangelisten nicht eins zu eins übernommen, sondern in spezifisch theologischer Intention verarbeitet. Im Folgenden sollen zunächst die verschiedenen Spuren der frühjüdisch-urchristlichen Teufelstradition im vierten Evangelium, die zum einen im Verlauf der Arbeit festgestellt wurden und die zum anderen erst ein zusammenschauender Blick auf die einzelnen Teile vorliegender Arbeit erkennen lässt, dargestellt werden. Vor diesem Hintergrund erfolgt anschließend eine zusammenfassende pointierte Deutung der Besonderheiten der johanneischen Teufelsvorstellung.
1. Spuren frühjüdisch-urchristlicher Teufelstradition im vierten Evangelium 1. Die Verwurzelung des johanneischen Teufels in der frühjüdisch-urchristlichen Teufelstradition zeigt sich zunächst an den Bezeichnungen, mit denen der Teufel im vierten Evangelium versehen wird. Neben σατανᾶς (13,27) und διάβολος (6,70; 8,44; 13,2) als klassischen Teufelsbezeichnungen der früh jüdisch-urchristlichen Tradition verwendet der vierte Evangelist mit ὁ πονηρός (17,15) einen Begriff, der zwar im frühen Judentum nicht als Teufelsbezeichnung begegnet, im Neuen Testament aber auch an anderer Stelle in diesem Sinne verwendet wird (Mt 6,13, 13,19, 13,38; Eph 6,16; 2Thess 3,3). Eine Besonderheit ist freilich die johanneische Titulierung des Teufels als ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου), jedoch hat auch dieser Titel Vorläufer im früh jüdisch-urchristlichen Schrifttum und ist als spezifisch johanneische Verarbeitung frühjüdisch-urchristlicher Teufelstitulatur anzusehen.1 2. Der Teufelstitel ἄρχων τοῦ κόσμου (τούτου), die Charakterisierung des Teufels als Menschenmörder und Lügner seit mythischer Vorzeit, aber auch seine enge Verbindung mit der kosmischen Macht der Finsternis zeigen ganz deutlich, dass der Teufel im vierten Evangelium in Parallele zu den Teufelsfiguren anderer frühjüdisch-urchristlicher Texte als kosmische Macht und mythische Person aufgefasst ist.
1 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitt 1
282
Auswertung
3. Der vierte Evangelist teilt mit Paulus die Vorstellung einer Knechtschaft der Menschen unter der Sünde. Anders als Paulus aber führt Johannes diese Sündenknechtschaft des Menschen auf den Teufel zurück. Dieser steht somit im vierten Evangelium in Entsprechung zu einigen frühjüdischen Texten (Jub; CD; TestDan) in der Genealogie des menschlichen Gefangenseins in der Sünde an oberster Stelle.2 4. Wenngleich der Teufel außer in Joh 8,44 an keiner anderen Stelle des früh jüdisch-urchristlichen Schrifttums explizit als ψεύστης oder ἀνθρωποκτόνος bezeichnet wird, so ist diese Charakterisierung des johanneischen Teufels doch nicht untypisch. Vielmehr finden sich in den frühjüdisch-urchristlichen Texten zahlreiche Stellen, die eine enge Verbindung des Teufels mit der Lüge, mit Tod und Menschenmord verdeutlichen.3 Dabei ist es zum einen der physische, zum anderen aber auch der eschatologische Tod des Menschen, den der Teufel verursacht. In dieser doppelten Hinsicht wirkt auch der johanneische Teufel als Menschenmörder.4 5. Die teuflische Lüge ist und bewirkt nach dem Johannesevangelium eine Orien tierung der Menschen an der Welt, ein Urteilen κατ’ ὄψιν (7,24) bzw. κατὰ τὴν σάρκα (8,15). Darin gleicht der johanneische Teufel zum einen dem markinischen Satan,5 der bei den Jüngern ein menschliches, an einer weltlichen Werteordnung orientiertes Denken bewirkt, zum anderen aber auch dem paulinischen Gott dieser Welt, der die Menschen dadurch verblendet, dass er bei ihnen ein rein an weltlichen Kriterien orientiertes Denken hervorruft.6 6. Wird die ταραχή, die Jesus angesichts seines Todes überkommt, im Johannesevangelium als Werk des Teufels dargestellt, so steht dies insofern in der Tradition frühjüdischer Teufelsvorstellungen, als die innere ταραχή eines Menschen auch in frühjüdischen Texten gelegentlich mit dem Teufel in Zusammenhang gebracht wird. Im Testament Hiobs wird diese innere ταραχή ähnlich dem Johannesevangelium als teuflische Versuchung zum Abfall von Gott verstanden.7 Angemerkt sei hier noch, dass sich zwischen der Teufelsvorstellung des vierten Evangeliums und der des Testament Hiobs daneben weitere Parallelen benennen lassen. Dies gilt sowohl für einzelne Details als auch für die Gesamtkonzeption der Teufelsvorstellung. Bezüglich der Details ist neben der Inter pretation der ταραχή Hiobs bzw. Jesu als teuflischer Versuchung darauf zu verweisen, dass Jesu an Judas gerichtete Aufforderung ὃ ποιεῖς ποίησον τάχιον (13,27) eine nahezu wörtliche Parallele im Testament Hiobs hat (TestHi 7,13).
2 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitt 2.7 3 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitt 2.2 4 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitt 2.8 5 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 3.2.1.5 6 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 3.1.6 7 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitt 3.1.1.5
Spuren frühjüdisch-urchristlicher Teufelstradition im vierten Evangelium
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Dabei sind auch Hiobs Worte ὃ ποιεῖς ποίησον an den Satan gerichtet und fordern diesen dazu auf, mit seinem zerstörerischen Werk zu beginnen. Bezüglich der Gesamtkonzeption können die folgenden Parallelen benannt werden: Im Johannesevangelium wie im Testament Hiobs a. stehen dem Teufel keine Dämonen zur Seite; b. gibt sich der Teufel durch Täuschung bzw. Lüge vor den Menschen als Gott aus und genießt göttliche Verehrung durch die Menschen; c. geht der Teufel gegen den Protagonisten mit Gewalt vor, weil dieser der göttlichen Verehrung des Teufels ein Ende bereiten will; d. besiegt der Protagonist den Teufel, indem er dessen Anschläge standhaft erträgt, ohne sich von Gott abbringen zu lassen; e. steht dieser Sieg des Protagonisten über den Teufel in einem engen Zusammenhang mit seinem Sieg über die Welt; f. hinterlässt der Protagonist seinen Angehörigen ein Gut, das diesen Einblick in die himmlische Wahrheit vermittelt, und bewirkt, dass sie nicht mehr nach Art und Weise dieser Welt urteilen, so dass auch sie die Welt überwunden haben und vor dem Teufel geschützt sind. 7. Die auf das Wirken des Teufels zurückgeführte versucherische ταραχή Jesu wird im vierten Evangelium – anders als im Testament Hiobs – als Todesangst verstanden. Dies steht in Parallele zum Lukasevangelium, das ebenfalls darum weiß, dass Jesu Todesangst eine vom Teufel bewirkte Versuchung ist, durch die Jesus zum Abfall von Gott gebracht werden soll.8 Der Gedanke, dass der Teufel Menschen in Angst versetzt, um sie zu prüfen und zum Abfall von Gott zu bewegen, begegnet explizit auch in der Sektenregel (1QS 1,17).9 8. Die Entmachtung des Teufels schildert das vierte Evangelium unter Aufnahme einer frühjüdischen Tradition vom endzeitlichen Teufelssturz, die in ApkMos 39 und TestJud 25 belegt ist. Diese Tradition schildert den Sturz des Teufels ebenso wie das Johannesevangelium a.) als Sturz aus seiner Herrschaftsposition, wobei b.) unklar bleibt, aus welchem lokalen Bereich er gestürzt wird. Der Sturz des Teufels wird c.) auf ein über ihn ergehendes Gericht zurückgeführt und mit ihm einher geht d.) die Inthronisation eines Anderen.10 9. In Entsprechung zu einigen frühjüdischen und urchristlichen Texten steht der Teufel auch im vierten Evangelium in einem engen Verhältnis zur λύπη der Menschen. In ApkMos und VitaAd wird die durch den Teufel verursachte postlapsarische Situation Adams durch den Terminus λύπη charakterisiert, und auch Paulus stellt die λύπη als Folge teuflischen Wirkens dar. Darüber hinaus begegnet in ApkMos 39, 4Q 177 10,8–10, AssMos 10 und
8 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 3.2.3.2 9 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 2.3.3.2 10 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitt 3.1.1.2
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Auswertung
TestJud 25,3–5 eine Tradition des endzeitlichen Teufelssturzes, nach der a.) die Herrschaft des Teufels bei den Gerechten Trauer verursacht; sich b.) diese Trauer in Freude verkehrt, wenn c.) ein eschatologischer Herrschaftswechsel stattgefunden hat und d.) der Teufel gerichtet wurde. Diese Tradition wurde vom vierten Evangelisten bei seiner Darstellung des Teufelssturzes aufgenommen und an seine Theologie angepasst.11 10. Die Entmachtung des Teufels erfolgt im Johannesevangelium auf zwei Ebenen: Der universalen Entmachtung des Teufels auf kosmischer Ebene, die sich in der Stunde Jesu ereignet, folgt eine individuelle Entmachtung des Teufels auf anthropologischer Ebene, die der Paraklet (= der Geist der Wahrheit) bei seinem Kommen zu den Jüngern bewirkt. Durch diese individuelle Entmachtung verliert die Lüge des Teufels ihren Einfluss auf die Jünger, und sie erkennen die Wahrheit. Diese johanneische Darstellung einer Entmachtung des Teufels auf unterschiedlichen Ebenen hat eine enge Parallele in der Sektenregel (1QS 4,18–23). Auch dort wird die Frevelmacht zunächst durch Gott auf kosmischer Ebene vernichtet, sodann erfolgt eine Vernichtung der Frevelmacht auf anthropologischer Ebene. Diese geschieht durch den Geist der Heiligkeit bzw. den Geist der Wahrheit, der die Erwählten von allen Gräueln der Lüge reinigt, so dass sie „Einsicht gewinnen … in die Erkenntnis des Höchsten und die Wahrheit und Weisheit der Söhne des Himmels“ (1QS 4,22).12
2. Besonderheiten der johanneischen Teufelsvorstellung und ihre Deutung Der Teufel ist im vierten Evangelium ohne Frage als kosmische Macht und mythische Person vorgestellt. Eine Besonderheit ist jedoch, dass er als solche – anders als etwa der Satan der synoptischen Versuchungsgeschichte – niemals als Leibhaftiger die Bühne betritt. Eine weitere Besonderheit ist, dass ihm anders als den Teufelsfiguren der synoptischen Evangelien und vieler frühjüdisch-urchristlicher Schriften, keine Dämonen zur Verfügung stehen, durch die er wirken könnte: Er ist nicht der ἄρχων τῶν δαιμονίων sondern der ἄρχων τοῦ κόσμου τουτοῦ und damit letztlich der Herrscher der Menschen, durch die er einzig in den Lauf der Geschichte eingreifen kann. Über Menschen hat der Teufel Macht, weil er ihr Inneres beeinflussen kann. Deutlich wird dies nicht nur, wenn er Judas den Gedanken ins Herz legt, Jesus zu verraten (13,2). Es zeigt sich vielmehr vor allem daran, dass der Teufel im vierten Evangelium insbesondere in psychischen
11 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitte 3.2.1.4, 3.2.2 12 Vgl. oben Kapitel II, Abschnitt 2.3.3.1
Besonderheiten der johanneischen Teufelsvorstellung und ihre Deutung
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Motiven wirksam ist. Dabei lassen sich drei Dimensionen psychischen Wirkens des johanneischen Teufels erkennen, die untereinander eng verbunden sind. 1. Das Wirken des johanneischen Teufels hat erstens eine kognitive Dimension. Durch die Lüge verändert der Teufel die Wahrnehmungsfähigkeit der Menschen. Er macht sie blind und taub für die göttliche Wahrheit, bewirkt aber zugleich, dass sie sich als Sehende erleben, lässt sie in dem Glauben, mit der Wahrheit in engster Verbindung zu stehen. Dem Teufel gelingt dies, weil seine Lüge ein gewisses Denken bewirkt und ist. Menschen, die in dieser Lüge leben, denken nach Art und Weise dieser Welt, urteilen κατ ’ ὄψιν (7,24) oder κατὰ τὴν σάρκα (8,15) und versichern sich auf diese Weise ihrer, wie der vierte Evangelist meint, nicht vorhandenen Nähe zu Gott.13 2. Das Wirken des Teufel hat zweitens eine ethische Dimension: Er bewirkt bei den Menschen ein verfehltes Verhalten, treibt sie dazu, die Sünde zu tun. Dieses verfehlte Tun der Menschen hängt freilich mit ihrem verfehlten Denken aufs engste zusammen. Die Menschen tun die Sünde, weil sie unter dem Einfluss der teuflischen Lüge stehend glauben, dem Willen Gottes zu entsprechen. 3. Drittens hat das Wirken des Teufels eine affektive Dimension, die sich wiederum in drei Ebenen untergliedern lässt. a. Zunächst wirkt der Teufel als physischer ἀνθρωποκτόνος in Hass und Aggression: Er ist es, der dafür sorgt, dass die Menschen Jesus und die Christen ablehnen, sie hassen und mit tödlicher Gewalt gegen sie vorgehen.14 b. Sodann wirkt der Teufel bei denen, die dieser von ihm bewirkte Hass der Welt trifft, in der ταραχή, der Todesangst. Diese ist seine letzte Waffe, durch die er auch Jesus ins Straucheln bringen will.15 c. Schließlich ist der johanneische Teufel auch im Affekt der λύπη, der Trauer, am Werk. Er bewirkt diese bei den Jüngern dadurch, dass er Jesus ermordet. Unter dem Einfluss seiner Lüge, durch die der Teufel auch die Jünger noch gefangen hält, beurteilen diese Jesu Tod ganz weltlich. Sie nehmen seinen Tode daher nicht als seinen Sieg, sondern als seine Niederlage wahr und werden so in tiefe Trauer gestürzt.16 Im Vergleich mit den synoptischen Evangelien besteht eine weitere Besonderheit der johanneischen Teufelsvorstellung darin, dass Jesu Tod hier auf das Wirken des Teufels zurückgeführt wird. Zwar begegnet diese Vorstellung auch im Lukasevangelium, doch ist deutlich, dass sie im vierten Evangelium von größerer Bedeutung ist als dort. Denn – dies ist eine weitere Besonderheit der johanneischen Teufelsvorstellung gegenüber den synoptischen Evangelien und Paulus – der Tod 13 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitt 2.10 14 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitt 2.8 15 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitte 3.1.1.3 bis 3.1.1.5 16 Vgl. oben Kapitel III, Abschnitte 3.2.1, 3.2.2
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Auswertung
Jesu ist im Johannesevangelium als das Ereignis verstanden, durch das der Teufel gerichtet und entmachtet wird. Im Rahmen seiner präsentischen Eschatologie verkündet der vierte Evangelist, dass die Entmachtung des Teufels, die von einigen Kreisen des frühen Judentums und des Urchristentums für das Ende der Zeit erwartet wurde, sich schon in der Gegenwart ereignet, der Teufel seine Macht als ἄρχων auf kosmischer Ebene bereits verloren hat. Zurückgeführt wird diese bereits geschehene Entmachtung des Teufels auf den kosmischen Kampf, der sich in Jesu Passion und Tod ereignet hat: In Jesu Liebe, die ihn ans Kreuz führt, ist Gott am Werk, in seiner Todesangst, die ihn angesichts des Kreuzes zurückschrecken lässt, der Teufel, so dass sich schließlich im realisierten Liebestod Jesu die Übermacht Gottes über den Teufel erweist. Innerhalb des teuflischen Machtbereichs thront nun am Kreuz ein König, der dem Teufel überlegen ist, gibt es ein Königreich, in dem der Teufel keine Macht hat. Durchaus aber ist der Teufel auch nach seiner Entmachtung noch in der Welt am Werk. Hierin besteht eine weitere Besonderheit, durch die sich die johanneische Teufelsvorstellung von der anderer frühjüdischer und urchristlicher Gruppen unterscheidet, die den Sturz Satans am Ende der Geschichte erwarteten. Freilich ergibt sich diese Besonderheit notwendig daraus, dass der endzeitliche Teufelssturz in die Geschichte hereingeholt wird, in die Geschichte einer auch nach Jesu Tod fortwährend bösen Welt, deren Hass die johanneischen Christen erfuhren und von der sie bedrängt wurden. Dieses fortwährende Wirken des Teufels in der Welt ist für den vierten Evangelisten möglich, weil die unter seinem Einfluss stehenden Menschen von seiner Entmachtung gar nichts mitbekommen haben. Denn um zu erkennen, dass der Teufel durch Jesu Tod auf kosmischer Ebene bereits entmachtet wurde, bedarf es einer Entmachtung des Teufels auf anthropologischer Ebene. Diese bewirkt der Paraklet, der die Macht der teuflischen Lüge über den Einzelnen bricht, und ihn Jesu Tod als Sieg über den Teufel erkennen lässt. Die johanneischen Christen, die diese Entmachtung des Teufels auf anthropologischer Ebene hinter sich haben, kann der Teufel zwar von außen noch bedrängen, jedoch haben sie in Jesus einen Frieden, der stärker ist als alle Todesangst, so dass der Teufel sie durch äußere Bedrängnis nicht zum Abfall von Jesus bewegen kann. Mit der Vorstellung einer auf zwei Ebenen erfolgenden Entmachtung des Teufels entspricht das Johannesevangelium in gewisser Weise einer im frühen Christentum recht verbreiteten Ansicht von einer in mehreren Schritten erfolgenden endzeitlichen Überwindung des Teufels17 und verändert diese zugleich. Auch 17 Nach J. Dochhorn ist eine solche ausdifferenzierte Eschatologie das Spezifikum aller christlichen Überlieferungen vom endzeitlichen Teufelssturz. Im Christentum erscheine der endzeitliche Sturz des Teufels „anders als in den jüdischen Belegen nicht als des Teufels endgültige Entmachtung und auch nicht als das Ende der gegenwärtig-lebensweltlichen Unheilssgeschichte, sondern als ein in der Endgeschichte früher datierendes Ereignis, das zunächst einmal in der himmlischen Welt für die ‚richtigen‘ Verhältnisse sorgt.“ Der endgültige Sieg über
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nach den synoptischen Evangelien, die hier vermutlich einen authentischen Zug der Lehre Jesu fortsetzen (Lk 10,18),18 hat der Satan seinen entscheidenden Machtverlust bereits erlitten: Der Starke ist zur Zeit des Wirkens Jesu bereits gebunden (Mk 3,27; Mt 12,29), seine Macht im Himmel hat er schon verloren (Lk 10,17–20). Ganz zu Ende ist es mit ihm jedoch noch nicht. Vielmehr setzt er sein Wirken auch als bereits Geschlagener fort, und erst beim Gericht am Ende der Zeit wird er endgültig vernichtet werden (Mt 25,41).19 Diese Vorstellung einer in mehreren Schritten erfolgenden Überwindung des Teufels begegnet auch in der Johannesapokalypse. Dort wird der Teufel zunächst aus dem Himmel gestürzt (Apk 12,7 ff.), dann auf Erden überwunden, für tausend Jahre gebunden (19,19– 20,6) und schließlich, nachdem er für kurze Zeit wieder losgelassen wurde, in einem großen Krieg endgültig besiegt und ins ewige Feuer geworfen (Apk 20,7– 10).20 Das Johannesevangelium verändert diese urchristliche Konzeption, nach der es die Überwindung des Teufels auf kosmischer Ebene ist, die sich in mehreren Schritten ereignet, dahingehend, dass es die einzelnen Schritte auf unterschiedliche Ebenen verlagert. Bezüglich des Teufels im Johannesevangelium bleibt somit abschließend festzuhalten, dass er zeitlich wie sachlich auf zwei Ebenen agiert: Der Satanssturz ist kosmisch schon in der nahen Vergangenheit geschehen, muss aber anthropologisch im einzelnen Menschen in der Gegenwart jeweils neu realisiert werden. In der temporalen Spannung zwischen naher Vergangenheit und Gegenwart sowie der sachlichen Polarität zwischen einer kosmischen und einer in den Menschen sich vollziehenden Befreiung vom Satan liegt das Besondere der johanneischen Teufelsgestalt. Deswegen wird das Wirken des Teufels, der nirgendwo leibhaftig begegnet, so stark „psychologisiert“: Er wirkt durch Lüge, Aggression und Todesangst im Menschen. Er bleibt eine mythologische Gestalt, aber sein Wirken wird konzentriert auf Christus und die Menschen.
den Teufel stehe nach frühchristlicher Überzeugung noch aus (J. Dochhorn, Prophetie, 2010, 306.). Neben Apk 12 findet Dochhorn dieses Schema auch in Lk 10,18, im sogenannten FreerLogion des Codex Freerianus (Mk 16,14), in Joh 12,31 und bei Paulus (Röm 8,31–39; 16,20) Bezüglich des Johannesevangeliums, der genannten paulinischen Textstellen und des Freer- Logions ist diese Sicht jedoch m. E. wenig überzeugend. (Vgl. oben S. 114, Anm. 464) 18 Lk 10,18 wird von den meisten Exegeten als authentisches Jesuswort angesehen. Vgl. J. Ringleben, Jesus, 2008, 60, sowie die ebd., Anm. 164 genannte Literatur. 19 Wenngleich nur Mt die endgültige Vernichtung des Teufels am Ende der Zeit explizit anspricht, so wird man doch davon ausgehen dürfen, dass auch Mk und Lk mit einer endgültigen Vernichtung des Teufels am Jüngsten Tag rechnen. 20 Vgl. G. Theißen, Monotheismus, 2011, 56 f.
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Literaturverzeichnis
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Stellenregister I. Altes Testament Genesis Gen 1,2 46 Gen 1,28LXX 243 Gen 2,7LXX 265 Gen 2,17 65 Gen 3 65 f., 76, 87, 156, 159 Gen 3,4f. 159 Gen 3,7 159 Gen 3,15 95 Gen 3,16 103, 237, 241 Gen 3,16f. 241 Gen 3,16 LXX 241 Gen 3,17 237, 241 Gen 3,17 LXX 241 Gen 3,22 159 Gen 4 156 Gen 4,1–6 65 Gen 5,29 103 Gen 5,29 LXX 241 Gen 6 87 Gen 6,1–4 35 Gen 7,11 57 Gen 15,1 75 Gen 15,9–11 83 Gen 21,17 75 Gen 42,38 237, 241 Gen 44,29 237 Gen 44,31 237 Gen 46,3 75 Gen 49 60 Gen 50,10 238 Exodus Ex 3–14 39 Ex 4,24 28, 36, 87 Ex 7,11 55 Ex 12,29–33 36 Ex 16,35 120 Ex 22 55 Ex 24,18 120 Ex 34,28 120 Ex 34,29–35 105
Leviticus Lev 16 25 Lev 18,7f. 108 Lev 20,6 58 Lev 20,27 58 Numeri Num 21,4–9 261 Num 22,22–35 27 Num 22,32 27 Deuteronomium Dtn 1,3 120 Dtn 2,7 120 Dtn 9,9 120 Dtn 9,11 120 Dtn 9,18 120 Dtn 9,25 120 Dtn 13,14 32 f. Dtn 15,9 32, 34 Richter Ri 6,23 75 Ri 19,22 32 Ri 20,13 32 1. Samuel 1Sam 1,16 32 1Sam 2,12 32 f. 1Sam 10,27 32 1Sam 25,17 32 1Sam 25,25 32 1Sam 30,22 32, 34 1Sam 31,13 238 2. Samuel 2Sam 16,7 32 2Sam 16,7f. 33 2Sam 20,1 32 f. 2Sam 22,5 32 f. 2Sam 23,6 32 2Sam 24 30 2Sam 24,1 31
308 1. Könige 1Kön 1,2 123 1Kön 11,14 30 1Kön 11,23 30 1Kön 11,25 30 1Kön 21,10 32 f., 157 1Kön 21,13 32, 157 2. Könige 2Kön 1,2 123 2Kön 1,3 123 2Kön 1,6 123 2Kön 1,15 75 2Kön 1,16 123 2Kön 1,17 255 2Kön 19,6 75 2Kön 23,8 25 1. Chronik 1Chr 10,12 238 1Chr 21 30 f. 1Chr 21,1 30 f. 2. Chronik 2Chr 10,15 31 2Chr 13,7 32 f. 2Chr 18 31 2Chr 18,18–22 31 Jesaja Jes 11,6–8 120 Jes 13,21 25 f. Jes 14 77 Jes 14,12–15 67 f. Jes 14,13f. 68 f., 77 Jes 19 224 Jes 23,13 26 Jes 24,17 57, 174 Jes 24,18bf. 57 Jes 24,18f. 57 Jes 25,8 102 Jes 27,1 26 Jes 32,11 237 Jes 34,14 25 f. Jes 35,10 241 Jes 42,10 208 Jes 50,11 241 Jes 51,11 241 Jes 54,3 237 Jes 65,25 120
Stellenregister Jeremia Jer 22,10 255 Jer 50,39 26 Ezechiel Ez 37,9 265 Jona Jon 2,4 32 Jon 4,1 237 Jon 4,4 237 Jon 4,9 237 Sacharja Sach 3 26, 30 f. Sach 3,1 26, 28 Sach 3,1–7 28 Sach 3,2 28 Maleachi Mal 1,11 208 Mal 2,2 208 Psalmen Ps 6,4 200, 206 Ps 6,4f. 199 Ps 6,4 LXX 202 Ps 6,5 206 Ps 18,5 32 Ps 18,17 32 Ps 41,6 198 Ps 41,7 LXX 199 Ps 41,9 32 Ps 41,10 222 Ps 41,12 198 Ps 42,5 LXX 198 Ps 42,6 206 Ps 42,12 206 Ps 43,5 206 Ps 74,14 26 Ps 86 208 Ps 88,8 32 Ps 88,18 32 Ps 101,3 32 Ps 104,26 26 Ps 109,6 28, 30 Ps 113–118 208 Ps 115,1 208 f.
Stellenregister Hiob Hi 1,6 29 Hi 1,6–12 29, 142 Hi 1,7 29 Hi 1,8–12 121 Hi 1,21 LXX 205 Hi 1f. 30 f. Hi 2,1 29, 293 Hi 2,1–6 142 Hi 2,1–7 29 Hi 2,2 29, 289 Hi 2,3 29 Hi 2,3–6 121 Hi 3,8 26 Hi 34,18 32 Hi 40,15 26 Hi 40,25 26
Spr 10,22 237 Spr 14,13 241 Spr 16,27 32 Spr 19,28 32, 34
Sprüche Spr 6,12 32 Spr 10,1 237 Spr 10,10 241
Nahum Nah 1,11 32 f. Nah 2,1 32
Daniel Dan 3,24–45 LXX 208 Dan 3,26 208 Dan 3,43 208 Dan 3,43LXX 208 Dan 3,45 208 Dan 3,50 237 Dan 10,12 75 Hosea Hos 2,20 120 Hos 9,7f. 36
II. Literatur des frühen Judentums a. Apokryphen 3. Esra 3Esr 4,37 181 Judit Jdt 16,24 238 1. Makkabäerbuch 1Mak 7,18 181 1Makk 6,8 103 3. Makkabäerbuch 3Makk 7,11 95 Sirach Sir 21,27 238 Sir 22,4ff. 237 Sir 22,11 238 Sir 25,24 65 Sir 30,23 103, 238 Sir 38,17 238 Sir 38,17ff. 237 Sir 49,6 74
Tobit Tob 2,3 237 Tob 7,17 103 Tob 12,17 75 Tob 14,4 237 Weisheit Salomos SapSal 64–67, 87, 89 SapSal 1,13 65 SapSal 1,14 65 SapSal 2,23 64 f. SapSal 2,24 64–66 SapSal 16,5–7 261 b. Pseudepigraphen Apokalypse Abrahams ApkAbr 82 ApkAbr 1–8 83 ApkAbr 9,1–15,1 83 ApkAbr 9–31 83 ApkAbr 13 125 ApkAbr 13,1 84
309
310
Stellenregister
ApkAbr 13,3f. 84 ApkAbr 13,6 83 ApkAbr 13,6ff. 35 ApkAbr 13,7 83 ApkAbr 13,8 83 ApkAbr 13,9 84 ApkAbr 13,11 84 ApkAbr 13,12 83 ApkAbr 14,2 83 f. ApkAbr 14,4 83 f., 132 ApkAbr 20,4 84 ApkAbr 22,6 35, 83 ApkAbr 23 83 f. ApkAbr 23,1 83 ApkAbr 23,5 66, 83 ApkAbr 23,8 35, 83 ApkAbr 24,4 83 ApkAbr 25,2–29,19 83 ApkAbr 27,3 83
ApkMos 23,5 75 ApkMos 24,3 76, 243 ApkMos 25,4 72 ApkMos 28,4 72 f. ApkMos 30,1 75 f., 94, 158, 243 ApkMos 37,3 242 ApkMos 37,5f. 242 ApkMos 39 70, 74 f., 93, 195–197, 234, 242 f., 252 f., 259, 262, 280, 283 ApkMos 39,1–3 242 ApkMos 39,1f. 244 ApkMos 39,2 94, 158 ApkMos 39,2f. 244 ApkMos 39,3 244
Apokalypse Moses ApkMos 69 f., 72, 79, 86, 88 f., 94, 98 ApkMos 2,4 72 ApkMos 7,1 76 ApkMos 7,2 72 ApkMos 7f. 66 ApkMos 8,2 240 ApkMos 9,1 240 f. ApkMos 9,3 94, 158 ApkMos 15,1 72, 75, 94, 158, 243 ApkMos 15,2 76 Apk Mos 15–20 66 ApkMos 15–21 75 ApkMos 15–30 76 ApkMos 16,3 159 ApkMos 16,4 75 ApkMos 16,5 75, 94, 158, 243 ApkMos 17,3 72, 76 ApkMos 17,4 74 ApkMos 18,2 75, 159 ApkMos 18,3 159 ApkMos 18,3–5 159 ApkMos 19,3 73 ApkMos 19,3–20,3 74 ApkMos 20,1 74 ApkMos 21,2 74 ApkMos 21,3 74 f. ApkMos 21,4 75 ApkMos 23,3 76 ApkMos 23,4 94
Ascensio Jesajae AscJes 1,1–3,12 149 AscJes 1,3 149 AscJes 1,8 124 AscJes 1,8f. 124 AscJes 1,11 124 AscJes 2,1 124 AscJes 2,2 124 AscJes 2,3 124 AscJes 2,4 124, 149 AscJes 2,7 124 AscJes 3,13–4,22 149 AscJes 4,2 149 AscJes 4,11 124 AscJes 5,1 124 AscJes 5,1–16 149 AscJes 5,4 124 AscJes 10,29 149
Apokalypse des Sedrach ApkSedr 4,5 75, 94, 158 ApkSedr 5,2f. 70 ApkSedr 6,5 74
Assumptio Mosis AssMos 4,2 249 AssMos 4,3 248 AssMos 6,7 246 AssMos 7 247 AssMos 7,2 248 f. AssMos 7,3 248 AssMos 7,4 248 AssMos 10 248, 280, 283 AssMos 10,1 248 AssMos 10,1.8–10 247, 253
Stellenregister AssMos 10,7 249 AssMos 10,8–10 248 AssMos 11,17 249 AssMos 12,4 249 Baruch (syrische Baruchapokalypse) ApkBar(syr) 44,15 196, 252 Baruch (griechische Baruchapokalypse) ApkBar(gr) 4,8 66 ApkBar(gr) 9,7 66 4. Esra 4Esr 7,38 196, 252 (äthiopisches) Henochbuch ÄthHen 1–36 35 ÄthHen 7,1 83 ÄthHen 9,6 83 ÄthHen 10,4 136 ÄthHen 10,8 35 ÄthHen 10,13 196, 252 ÄthHen 12,4 83 ÄthHen 15,1 75 ÄthHen 15,8–12 35 ÄthHen 37–71 84, 111 ÄthHen 40,7 85 ÄthHen 40,9 85 ÄthHen 53,3 85 ÄthHen 54,6 85 ÄthHen 56,1 85 ÄthHen 62,11 85 ÄthHen 63,1 85 ÄthHen 65,1–69,25 66 ÄthHen 65,6 85 ÄthHen 66,1 85 ÄthHen 91,9 196, 252 ÄthHen 100,9 196, 252 (slawisches) Henochbuch slHen 86 slHen 7,3 78 slHen 14–35 77 slHen 18,3 79 slHen 18,3–6 78 slHen 24 78 slHen 24,3 78 slHen 27–32 77 slHen 29,1–6 77 slHen 29,4 77, 79 slHen 29,4–6 77, 79
slHen 30,11 74 slHen 31,3–6 78 slHen 32,6 66 Jannes und Jambres JannJamb 5,45 58 Jubiläenbuch Jub 1,20 37, 124 Jub 1,20f. 173 Jub 7,26 39 Jub 10,1 38, 148 Jub 10,8 39, 124 Jub 10,9 39 Jub 10,10 39 Jub 10,11 25, 36, 124 Jub 10,18 153 Jub 11 125 Jub 11, 1–6 37 Jub 11,5 124 Jub 11,11 37 Jub 15,28–34 166 Jub 15,33 25, 124, 132 Jub 17,16 36 Jub 17,16–18,12 121 Jub 20,2 39 Jub 23,29 37 Jub 40,9 37 Jub 46,2 37 Jub 48,5 39 Jub 48,9 39 Jub 48,9–11 56 Jub 48,11 39 Jub 48,12 39 Jub 48,14 40 Jub 48,15 37 Jub 48,17 40 Jub 48,18 37 Jub 48f. 87 Jub 49,2 37, 40, 57 Jub 50,5 37 Testament Abrahams TestAbr 6.13 201 TestAbr 11,4–8f. 74 TestAbr 13 201 Testament Hiobs TestHi 81 TestHi 3,3 75, 81, 94, 158 TestHi 3,6 75, 94, 158
311
312
Stellenregister
TestHi 4,10 93 TestHi 4,4–11 80 TestHi 7 228 TestHi 7,1–4 158 TestHi 7,8 240 TestHi 7,12 227 TestHi 7,13 282 TestHi 8,1ff. 81 TestHi 17,1–6 81 TestHi 17,4 81, 89 TestHi 18,1 205 TestHi 19,1 205 TestHi 19,4 205 TestHi 20,1 81, 205 TestHi 20,2 143 TestHi 23 82 TestHi 23,11–26,6 81 TestHi 26,6 75, 94, 158, 205, 218 TestHi 27,3–5 82 TestHi 27,5f. 21 TestHi 28,1 82 TestHi 28,5 82 TestHi 28,6 82 TestHi 28,8 82 TestHi 32 82 TestHi 33 82 TestHi 34,4 82 TestHi 36,3 82 TestHi 41,4–6 82 TestHi 41,5 81 TestHi 44 82 TestHi 46ff. 82 TestHi 47,4 82 TestHi 47,6 82 TestHi 47,9 82 TestHi 47,10 72, 81 f., 218 TestHi 47,11 82 TestHi 48,2 82 TestHi 48,3 82 TestHi 49,1 82 TestHi 49,2 82 TestHi 50,2 82 Testamente der Zwölf Patriarchen TestXII 25, 40, 60–64, 75, 86, 88 f., 148 f., 158, 195, 205, 249–252 TestRub 3,2 62, 158 TestRub 3,5 158 TestSim 2,7 62, 75, 148, 158, 250 TestSim 4,9 204 TestSim 5,3 61
TestSim 6,6 62, 158 TestLev 3,3 63 TestLev 9,1 61 TestLev 13,6 204 TestLev 19,1 61 TestJud 14,8 62, 158 TestJud 19,4 62, 75, 148, 158, 251 TestJud 20,1 62, 158 TestJud 20,1f. 61 TestJud 23,1 240 TestJud 25 195–197, 234, 251 f., 283 TestJud 25,1–2 249 TestJud 25,1f. 249 TestJud 25,3 62 f., 252 TestJud 25,3–5 249–253, 280, 284 TestJud 25,4 63, 250 f. TestJud 25,5 251 TestIss 4,4 62, 158 TestIss 7,4 158 TestIss 7,7 62 TestSeb 9,7 62, 158 TestDan 1,3 158 TestDan 1,7 174, 179, 218 TestDan 1,7f. 238 TestDan 1,9 175 TestDan 2 174 TestDan 2,1 158 TestDan 2,4 57, 158 TestDan 3,6 25, 62, 158, 238 TestDan 4,6 238 TestDan 4,7 63, 149, 158, 175, 204 TestDan 5,1 61, 158 TestDan 5,6 62, 148, 175, 251 TestDan 5,7 175 TestDan 5,10 175 TestDan 5,11 175, 251 TestDan 5,13 63, 251 TestDan 6,1 62 TestDan 6,2 62, 250 TestDan 6,3 62 TestDan 6,3f. 72 TestDan 6,4 62, 250 TestDan 6,8 158 TestNaph 3,1 61 f. TestNaph 3,1–5 62 TestNaph 8,4 62, 121 TestNaph 8,6 62 TestGad 4,7 25, 62, 204, 258 TestGad 5,1 158, 258 TestGad 6,2 205 TestAss 95
Stellenregister TestAss 3,2 62, 95 TestAss 5,3 158 TestAss 6,2 62, 158 TestJos 7,4 62 TestBen 3,3 62 f., 143 TestBen 6,4 158 TestBen 7,2 204 Vita Adae et Evae VitaAd 68, 70 f. VitaAd 12,1 71, 74 VitaAd 14,3 71 VitaAd 16,1 74 VitaAd 16,2 71 VitaAd 16,3 72 VitaAd 17,1 74 VitaAd 35,1 241 VitAd 79, 84, 86, 89, 94, 98 VitAd 1,1 240 VitAd 9,1 25, 240 VitAd 9,2–4 159 VitAd 10,3 240 VitAd 11,1 240 f. VitAd 11,3 74 VitAd 12–17 66 VitAd 14,3–16,4 69 VitAd 15,2f. 70 VitAd 15,3 69 VitAd 29,4–7 70 VitAd 44 71 c. Schriften vom Toten Meer Damaskusschrift (CD) CD 41, 55, 87 CD 1,15 157 CD 3,20 74 CD 4,12–19 56 f., 174 CD 4,13 57, 174 CD 4,15 57 CD 4,17 57 CD 4,17f. 57 CD 4,20–5,6a 57 CD 4,21 57 CD 5,17–19 55 CD 5,18 58 CD 6,15 58 CD 8,2f. 56 CD 12,2f. 58 CD 13,14 58
CD 16,3–4 56 CD 19,13 56 CD 19,13–16 57 CD 20,2–8 109 CD 20,15 157 Pescher Habakuk (QpHab) QpHab 2,2 157 QpHab 5,11 157 Gemeinderegel (QS) 1QS 41, 47, 53 f., 87 1QS 1,13,12 53 1QS 1,16–18 53, 89 1QS 1,17 283 1QS 1,18 47 1QS 1,24 47 1QS 1,24ff. 53 1QS 2,4–18 109 1QS 2,4f. 53 1QS 2,5 47 1QS 2,19 47, 149 1QS 2,19–25a 54 1QS 3,13–4,26 41, 47, 61 1QS 3,15 51 1QS 3,19 50 1QS 3,20 55 1QS 3,21ff. 149 1QS 3,23–26 50 1QS 3,26 51 1QS 4,1 51 1QS 4,3–6 51 1QS 4,9 157 1QS 4,9–11 51 1QS 4.9–11 51 1QS 4,18–23 51, 284 1QS 4,19 52 1QS 4,20 52 1QS 4,20–22 52 1QS 4,22 284 1QS 4,22b-23a 52 1QS 4,23 74 1QS 6,24–7,25 109 1QS 8,20–9,2 109 1QS 10,21 47, 54 1QS 10,21f. 157 1QS 10,21ff. 55 Kriegsregel (1QM) 1QM 41, 43, 60, 87, 89 1QM 1,1 45
313
314 1QM 1,5 45 1QM 1,10f. 44 1QM 1,11 45 1QM 4,2 44 f. 1QM 7,6 44 1QM 12,1 44 1QM 12,4 44 1QM 12,7 44 1QM 13,2 44 f. 1QM 13,4 44 f. 1QM 13,5 45 1QM 13,10 44 f. 1QM 13,11 44 f. 1QM 13,11–12 45 1QM 13,12 44 1QM 14,9 44 1QM 14,10 44 1QM 15,1 45 1QM 15,5 44 1QM 15,9–11 46 1QM 15,9b-11 46 1QM 15,10 46 1QM 16,11 43 f. 1QM 17,1 45 1QM 17,4 46 1QM 17,4–5a 46 1QM 17,4–8 46 1QM 17,5f. 43 1QM 17,6 45 1QM 17,6 44 1QM 17,6f. 44 1QM 18,1 45 Hodajot (1QH) 1QH 41 f., 87 1QH 4,15 74 1QH 8,26–29 42 1QH 10 16f. 42 1QH 10,20–25 43 1QH 10,24 43 1QH 11,29–34 42 f. 1QH 11,34 43 1QH 12,10 157 1QH 12,10–13 42 1QH 12,14 181 1QH 15, 4 42
Stellenregister 4QMidrEschat 4Q 174 41, 59 4Q 174 2,7–9 60 4Q 174 2,14 56, 59 4Q 174 2,15 59 4Q 174 3,7–9 174 4Q 174 3,8 59 f. 4Q 174, 3,8 132 4Q 174 3,9 59, 174 4Q 174 9,4 59 4Q 177 41, 59 4Q 177 9,9–16 60 4Q 177 10,8 60 4Q177 10,8 149 4Q 177 10,8–10 60, 241, 245, 253, 280, 283 4Q 177 11,9 245 4Q 177 11,11 60 4Q 177 11,12 245 d. Rabbinische Texte Mischna P. Aboth 3,7 166 P. Aboth 6,2 166 Midraschim LevR 18,18 150 e. Hellenistisch-Jüdische Autoren Josephus Antiquitates Judaicae AntJud 1,41 66 AntJud 2,100 66 AntJud 6,24 66 AntJud 9,13 66 AntJud 11,175 66 AntJud 12,164 66 AntJud 16,253 66 Philo De Abrahamo Abr 202 200 Legum Allegoriarum Leg 3,115 95
Stellenregister
III. Neues Testament Matthäusevangelium Mt 2,3 201 Mt 3,7 133 Mt 3,7–10 166 Mt 4,1 130 Mt 4,1–12 117 Mt 4,3 130 Mt 4,5 130 Mt 4,8 130 Mt 4,10 130 f. Mt 4,11 121, 130, 139 Mt 5,3 250 Mt 5,37 131 Mt 6,13 131, 281 Mt 7,22 263 Mt 9,3f. 133 Mt 9,32 134 Mt 9,33 134 Mt 9,34 134 Mt 10,6 136 Mt 10,9–13 136 Mt 10,16–25 134 Mt 10,25 134, 146 Mt 12,22–30 117 Mt 12,22–37 134 Mt 12,24 134 Mt 12,26 130, 135 Mt 12,29 135, 146, 287 Mt 12,34 133 Mt 12,35 133 Mt 12,38 133 Mt 13,18–23 117, 126 Mt 13,19 131, 281 Mt 13,24–30 117, 132 Mt 13,36–43 132 Mt 13,38 131–133, 135, 281 Mt 13,39 130, 132 Mt 13,41 133 Mt 13,41f. 135 Mt 16,1 131 Mt 16,1–4 133 Mt 16,13–23 117 Mt 16,23 130 f. Mt 19,3 131 Mt 22,15–20 133 Mt 22,18 131 Mt 23,33 133 Mt 25,41 112, 117, 130, 135, 146, 196, 252, 287
Mt 26,47 232 Mt 27,40 131 Mt 28,7 263 Mt 28,10 263 Markusevangelium Mk 1,10 120 Mk 1,11 120 Mk 1,12f. 117, 120–122 Mk1,12f. 120 Mk 1,13 122, 139 Mk 1,18 125 Mk 1,25 128 Mk 1,45 125 Mk 2,2 125 Mk 3,12 128 Mk 3,21 123 Mk 3,22 123, 134, 148 Mk 3,22–27 117 Mk 3,22–30 122, 134 Mk 3,24 124 Mk 3,25 124 Mk 3,26 123 f. Mk 3,27 124, 287 Mk 3,28–30 123 Mk 3,31–35 122 Mk 4,3–9 125 Mk 4,4 125 Mk 4,13–20 117, 125 Mk 4,15 131 Mk 4,17 126 Mk 4,19 126 Mk 5,12f. 138 Mk 5,41 127 Mk 8,11 119 Mk 8,27–33 117, 127 f. Mk 8,29 127 Mk 8,30 128 Mk 8,31 127 Mk 8,31–33 127 Mk 8,31ff. 130 Mk 8,32 127 f. Mk 8,33 127 f., 145 MK 8,33 118 Mk 8,35 129 Mk 9,25 128 Mk 9,30–32 128 Mk 9,33–37 128 f. Mk 10,2 119
315
316 Mk 10,32–34 128 Mk 10,37 129 Mk 10,41 129 Mk 10,42–45 129 Mk 11,9 208 Mk 12,15 119 Mk 13,26 263 Mk 13,32–42 198 Mk 14,1f. 137 Mk 14,3–9 138 Mk 14,34 198, 206 Mk 14,36 203, 205 Mk 14,41f. 206 Mk 14,43 232 Mk 14,62 263 Mk 15,22 127 Mk 15,34 127 Mk 16,7 263 Mk 16,14 287 Mk 16,20 125 Lukasevangelium Lk 1,2 125 Lk 1,13 75 Lk 3,17 143 Lk 3,31 117 Lk 4,1–13 117 Lk 4,5–8 141 Lk 4,8 141 Lk 4,13 139 f. Lk 6,13 220 Lk 6,19 142 Lk 8,11–15 117, 126 Lk 8,12 143 Lk 8,13 140 Lk 8,26–33 138 Lk 8,32f. 138 Lk 8,37 142 Lk 9,37–43 138 Lk 9,38 142 Lk 10,1–12 137 Lk 10,12 263 Lk 10,17 144 Lk 10,17–20 117, 136 f., 146, 287 Lk 10,18 22, 136, 147, 194, 287 Lk 10,18f. 137 Lk 10,19 136 Lk 11 136 Lk 11,4 140 Lk 11,18 142 Lk 11,20 136 f., 143, 146
Stellenregister Lk 11,22–30 117 Lk 13,10–17 136 f. Lk 13,11 137 Lk 13,16 117, 137 Lk 14–23 136 Lk 21,12–19 144 Lk 21,15 144 Lk 22,1f. 137 Lk 22,3 117 f., 138–140, 143 Lk 22,3–6 138 Lk 22,21–38 142 Lk 22,28 140 Lk 22,31 144 Lk 22,31f. 142 Lk 22,39–46 144 Lk 22,40 140 Lk 22,43f. 140 LK 22,44 141 Lk 22,46 140 Lk 22,47 232 Lk 22,48 138 Lk 22,52 232 Lk 22,53 136, 138, 140 Lk 24,23 263 Lk 24,34 263 Johannesevangelium Joh 1,18 211 Joh 1,29 273 Joh 1,33 270 Joh 1,49 260 Joh 2,4 190 Joh 2,14 152 Joh 2,17 189 Joh 3,3 270 f. Joh 3,5 270 f., 278 Joh 3,6 270 Joh 3,14 261 Joh 3,16 212, 256 Joh 3,18 273 Joh 3,20 256 Joh 3,29 214 Joh 3,36 171 Joh 5,3–4 23 Joh 5,16 203 Joh 5,18 162, 203 Joh 5,26 199 Joh 5,27 211 Joh 5,43 212 Joh 6,1–15 220 Joh 6,1–21 219
Stellenregister Joh 6,4 228 Joh 6,6 119 Joh 6,16–21 220 Joh 6,22–59 219 Joh 6,25 219 Joh 6,26 219 Joh 6,33 223 Joh 6,37 219, 221 Joh 6,39 219, 221 Joh 6,44 221, 263 Joh 6,54 263 Joh 6,60–66 220 f. Joh 6,61 176 Joh 6,64 220, 222, 225 Joh 6,65 220 f. Joh 6,66 151, 220 Joh 6,67–71 219 f. Joh 6,70 148, 151, 220–222, 281 Joh 6,70f. 222 Joh 6,71 151, 220 Joh 7,1 162 Joh 7,6 190, 228 Joh 7,7 256 Joh 7,19 152 Joh 7,20 153 Joh 7,24 184–186, 271, 274, 282, 285 Joh 7,28f. 211 Joh 7,30 190 Joh 7,33 255 Joh 7,33–36 185 Joh 7,53–8,11 23, 161 Joh 8 18 Joh 8,12 189 Joh 8,15 184–186, 274, 282, 285 Joh 8,16 211 Joh 8,18 185 Joh 8,19 185 Joh 8,20 190 Joh 8,21 170, 176, 186, 273 Joh 8,23 186, 270 Joh 8,24 170, 176, 185 f., 273 Joh 8,28 193, 261 Joh 8,29 211 Joh 8,31 178, 276 Joh 8,31–32 276 Joh 8,31–34 179 Joh 8,31–47 177 f. Joh 8,31–59 164 Joh 8,31f. 165, 276 f., 280 Joh 8,31ff. 276 Joh 8,32 165, 178
317
Joh 8,32–36 165 Joh 8,33 166, 179, 184, 186 Joh 8,34 171–173, 178 f. Joh 8,34–36 164 Joh 8,35 171 Joh 8,37 152, 178, 298 Joh 8,37f. 164 Joh 8,38 175, 178 f. Joh 8,38–47 18 Joh 8,39 168, 186 Joh 8, 40 175, 179 Joh 8,40 152, 178 f. Joh 8,40f. 20 Joh 8,41 184, 186 Joh 8,41b-42 165 Joh 8,43 178, 181 f., 185 Joh 8,43–47 165 Joh 8,43f. 183 Joh 8,43ff. 185 Joh 8, 44 155, 157, 178 Joh 8,44 18–21, 132, 148, 151–157, 175, 177 f., 180–183, 186, 188, 194, 205, 221, 256, 258, 277, 281 f., 295, 302 Joh 8,45 181 f., 258 Joh 8,45f. 178 Joh 8, 46 178 Joh 8, 47 178 Joh 8,47 181–183, 203 Joh 8,48 153 Joh 8,52 153 Joh 8,55 211 Joh 8,56 185, 214 Joh 8,57 185 Joh 8,59 233 Joh 9,33 223 Joh 9,39–41 179 Joh 9,41 183, 273, 279 Joh 10,11 210 Joh 10,15 210 Joh 10,16 151 Joh 10,17 203, 210 Joh 10,18 211, 256 Joh 10,20 153 Joh 10,25 212 Joh 10,28–30 219 Joh 10,29 151 Joh 10,30 190, 211 f. Joh 10,38 180, 211 Joh 10,39 233 Joh 11,3 189 Joh 11,5 189
318
Stellenregister
Joh 11,24 263 Joh 11,31ff. 255 Joh 11,33 189 Joh 11,35 189 Joh 11,54 233 Joh 12,13 208, 212 Joh 12,15 260 Joh 12,18 203 Joh 12,20–22 190 Joh 12,20–23 193 Joh 12,20–36 19, 21, 151, 190, 300 Joh 12,23 19 f., 151, 190 f., 193, 198, 202 f., 206, 233, 235 Joh 12,23–28 190 Joh 12,24–26 191, 203 Joh 12,25f. 211 Joh 12,26 211 Joh 12,27 21, 189, 191, 198–205, 207, 223, 225, 233 f. Joh 12,27–31 225 f. Joh 12,27f. 206, 225–227, 234 Joh 12,28 202 f., 205, 208 f., 212, 216, 226 f., 234 Joh 12,28a 208 Joh 12,29 225 Joh 12,29–33 190 Joh 12,31 19 f., 22, 148, 151 f., 176, 189–198, 204, 223, 225, 229, 234 f., 255, 262, 273, 287 Joh 12,31–33 20 Joh 12,31f. 191 f., 196, 234, 256 Joh 12,32 151, 192 f., 261 Joh 12,32f. 261 Joh 12,33 261 Joh 12,34 261 Joh 12,34–36 190 Joh 12,36 233 Joh 12,36ff. 211 Joh 12,39 203 Joh 12,48 263 Joh 13,1 210, 228 Joh 13,1–3 210, 217 Joh 13,1–19,42 210 Joh 13,1–20,31 210 Joh 13,2 118, 148, 151 f., 175, 210, 212, 217–219, 221–223, 235, 256, 258, 281, 284 Joh 13,3 210 Joh 13,6 211, 224 Joh 13,7 275 Joh 13,10f. 217, 223 Joh 13,18 220, 222
Joh 13,18ff. 217 Joh 13–20 217 Joh 13,21 21, 189 f., 200, 202, 216, 223–226, 234 Joh 13,21–30 190, 216 f., 225–228, 234 Joh 13,23 206 Joh 13,26f. 218 Joh 13,27 118, 148, 151 f., 175, 189, 206, 212, 217 f., 221 f., 225, 228 f., 234 f., 256, 258, 281 f. Joh 13,27f. 229 Joh 13,28 207 Joh 13,28f. 225, 228 Joh 13,30 212 Joh 13,31 206 f., 225–227, 229, 296 Joh 13,32 229 Joh 13,33 255 Joh 13,34 210 Joh 13,34f. 210 Joh 13,35 211 Joh 13,38 211 Joh 14,1 189, 202, 225 Joh 14,6 180, 189 Joh 14,10 211 f. Joh 14,10f. 180 Joh 14,16f. 266 Joh 14,16ff. 266 Joh 14,18 267 Joh 14,18–20 266 Joh 14,18–22 263 Joh 14,19 255, 267 Joh 14,20 180 Joh 14,26 265, 269 Joh 14,27 189, 201 f., 225, 230, 264 Joh 14,27–31 22, 199, 229, 231 Joh 14,28 268 Joh 14,30 148, 151, 175 f., 186, 189, 206, 229–231, 233, 235, 255 f. Joh 14,30f. 198, 229 Joh 14,31 206, 231 f. Joh 14,33 206 Joh 15,9–11 214 Joh 15,9–17 211 Joh 15,11 214 Joh 15,12 210 Joh 15,12–17 210 Joh 15,13 210 Joh 15,16 220 Joh 15,18 256 Joh 15,18–16,4 175 f., 198, 213, 257 Joh 15,19 220 Joh 15,20–16,4 176
Stellenregister Joh 15,22 265 Joh 15,26 265, 269 Joh 16 22 f., 235 f., 255–259, 267, 296 Joh 16,1 176, 257 Joh 16,2 176, 184, 257 Joh 16,4–7 256 Joh 16,4–33 235 f., 279 f. Joh 16,4ff. 267 Joh 16,5 255, 264 f., 272 Joh 16,5–7 265 Joh 16,6 236, 255, 257–259 Joh 16,6–24 236 Joh 16,6f. 258 Joh 16,7 258, 265, 268 f. Joh 16,7ff. 267 Joh 16,8 269–272, 275 Joh 16,8–11 235 f., 271 Joh 16,9 271, 273 Joh 16,9–11 271 Joh 16,10 264, 269, 271–273 Joh 16,11 19, 22, 148, 151 f., 176, 190, 192, 235 f., 255, 262, 269, 271, 273 Joh 16,12 275 f. Joh 16,12–15 276 f. Joh 16,13 211, 275–277 Joh 16,13–15 236, 268 Joh 16,14 277 Joh 16,15 277 Joh 16,16 255, 259, 264 Joh 16,16–33 264, 296 Joh 16,16ff. 262–266, 268 Joh 16,17 236, 264, 272 Joh 16,17f. 256 Joh 16,20 236, 255 f., 259, 264 Joh 16,20–22 255, 267 Joh 16.20–23 255 Joh 16,20–24 236, 264 Joh 16,20ff. 214 Joh 16,21 236, 259, 263 Joh 16,22 259, 264 Joh 16,23 263 f. Joh 16,23f. 263 Joh 16,24 236, 259 Joh 16,25 268 Joh 16,26 263 f. Joh 16,29–33 211 Joh 16,32 211 Joh 16,33 186, 198, 213, 230, 235 f., 264, 273 f. Joh 17,2 211 Joh 17,6 212, 221 Joh 17,9–19 212 f.
Joh 17,11 212 Joh 17,11f. 176 Joh 17,12 177, 212, 221 f. Joh 17,12f. 22, 152, 214 Joh 17,13 213 f. Joh 17,14 176, 213, 278 Joh 17,14ff. 257 Joh 17,15 131, 148, 151, 176, 277, 281 Joh 17,15f. 198 Joh 17,16 278 Joh 17,17 277 Joh 17,21–26 211 Joh 17,26 212 f. Joh 18,1 232, 256 Joh 18,1–11 22, 206, 229, 232 Joh 18,1ff. 148 Joh 18,3 151 Joh 18,4 232 Joh 18,5 233 Joh 18,6 233 Joh 18,11 198, 206 Joh 18,15–27 211 Joh 18,28–19,22 260 Joh 18,33–38 260 Joh 18,36 271, 278 Joh 18,36f. 278 Joh 18,37 183, 260, 278 Joh 19,1–3 260 Joh 19,5 260 Joh 19,6 260 Joh 19,7 184 Joh 19,11 195 Joh 19,14 260 Joh 19,15 260 Joh 19,16–18 260 Joh 19,17 211 Joh 19,19–22 260 Joh 19,30 193, 210 Joh 19,34 20 Joh 20,1 205 Joh 20,11 256, 264 Joh 20,13 256, 264 Joh 20,15 256, 264 Joh 20,17 264 f. Joh 20,18 263 f. Joh 20,19 264, 266 Joh 20,20 263 f. Joh 20,21 264 Joh 20,22 211, 265, 270 Joh 20,24 220 Joh 20,25 263 f.
319
320 Joh 20,26 266 Joh 20,29 263 f. Joh 20,30f. 24 Joh 21,18f. 211 Joh 31–47 174, 177 f., 185 Apostelgeschichte Apg 1,18 138 Apg 2,5–11 145 Apg 2,33 261 Apg 4,4 125 Apg 5,3 117, 138, 144, 218, 258 Apg 5,5 138 Apg 5,16 144 Apg 5,31 261 Apg 6,4 125 Apg 8,7 144 Apg 10,37 136 Apg 10,38 117, 136–138, 143, 146 Apg 10,39 136 Apg 10,40f. 136 Apg 13,10 117 Apg 13,31 263 Apg 17,5–9 92 Apg 17,6 91 Apg 18,11 99 Apg 19,11f. 144 Apg 20,19 140 Apg 26,18 117, 138, 143 f. Römerbrief Röm 5,12 173 Röm 5,12–8,10 173 Röm 6–8 173 Röm 6,16 173 Röm 6,17 173 Röm 6,20 173 Röm 6,23 173 Röm 7,1 149 Röm 7,8 173 Röm 8,31–39 287 Röm 8,33 116 Röm 8,33f. 116 Röm 9,2 100, 103 Röm 14,15 100, 102 Röm 16 116 Röm 16,17 94 Röm 16,17–19 94 Röm 16,17–20 93 f., 116, 173 Röm 16,18 94 Röm 16,18a 95
Stellenregister Röm 16,19 94 Röm 16,20 90, 94–96, 287 1. Korintherbrief 1Kor 1,18 108 1Kor 1,18–2,16 130 1Kor 1,23 130 1Kor 2,6 150 1Kor 2,6–16 108 1Kor 2,7 108 1Kor 2,8 150 1Kor 5 115 1Kor 5,1 109, 113 1Kor 5,1–5 101 1Kor 5,1–13 20 1Kor 5,5 90 f., 108–111 1Kor 5,7 113 1Kor 5,9 113 1Kor 6,9 114 1Kor 6,18 114 1Kor 6,19 114 1Kor 7,1–7 113 1Kor 7,2 113 1Kor 7,2–5 114 1Kor 7,5 90, 114 1Kor 7,6 114 1Kor 7,7 114 1Kor 7,7a 113 1Kor 9,5 113 1Kor 10,1 111 1Kor 10,8 111 1Kor 10,10 90 f. 1Kor 10,12 111 1Kor 11,29–32 109 f. 1Kor 11,30–32 111 1Kor 12,4–11 114 1Kor 14,11 231 1Kor 15,5–8 263 1Kor 15,24–27 96 1Kor 15,54 102 1Kor 15,56 173 1Kor 18–30 108 2. Korintherbrief 2Kor 1,1–2,13 97, 100 2Kor 1,3 100 2Kor 1,3–7 100 2Kor 2,1 100 2Kor 2,1–13 100 2Kor 2,2 100 2Kor 2,3 100
Stellenregister 2Kor 2,4 96 f., 99 f. 2Kor 2,5 99, 101 2Kor 2,5–11 99 f., 103 f., 116 2Kor 2,7 100 f., 103, 257 2Kor 2,8 100 2Kor 2,8–11 100 2Kor 2,10 101 2Kor 2,11 90, 101 2Kor 2,12 100 2Kor 2,14–7,4 97, 99, 104 2Kor 3,4–4,6 105 2Kor 3,4–18 105 2Kor 3,7–4,6 107 2Kor 3,12–18 105 2Kor 4,1 107 2Kor 4,1–6 105, 107 f. 2Kor 4,2 106 f. 2Kor 4,3 107 f. 2Kor 4,3–5 105 2Kor 4,4 90, 104, 116, 150 2Kor 4.5 100 2Kor 4,6 105 f. 2Kor 4,7 106 2Kor 4,7–5,13 105 2Kor 4,16 106–108 2Kor 4,16–18 105, 107 2Kor 4,18 106 f. 2Kor 5,4 102 2Kor 5,11 107 2Kor 5,11–13 107 2Kor 5,12 107 2Kor 6,10 100 2Kor 6,13 90 2Kor 6,14 25 2Kor 6,14–7,1 90 f. 2Kor 6,15 91 2Kor 7,2 90 2Kor 7,5–11 100 2Kor 7,5–13 103 2Kor 7,5–16 97, 100 2Kor 7,6 100 2Kor 7,7 100 2Kor 7,8 100 2Kor 7,9 100 2Kor 7,10 100, 102 f. 2Kor 7,11 100 2Kor 7,12 99 2Kor 7,13 100 2Kor 8 97, 100 2Kor 9 97, 99 2Kor 9,7 100
2Kor 10,10 97 2Kor 10–13 97, 99 2Kor 11,5 97 2Kor 11,12 97 2Kor 11,13 98 2Kor 11,13–15 93, 96 f., 116 2Kor 11,14 76, 90, 94, 98 f., 173 2Kor 12,2–4 112 2Kor 12,5–7 112 2Kor 12,6b 112 2Kor 12,7 90, 112 2Kor 12,7a 112 2Kor 12,9 112 2Kor 12,11 97 2Kor 12,11ff. 97 2Kor 12–15 91 Galaterbrief Gal 2,17 173 Epheserbrief Eph 2,2 148 Eph 4,25 159 Eph 6,12 150 Eph 6,16 131, 281 1. Thessalonicherbrief 1Thess 1,1 91 1Thess 1,6 92, 125 1Thess 2,13f. 92 1Thess 2,17f. 92 1Thess 2,18 90, 92 1Thess 2,18ff. 93 1Thess 2,19 93 1Thess 2,20 93 1Thess 3,2f. 92 1Thess 3,3 92 f. 1Thess 3,5 90, 92 1Thess 4,13 100, 103 2. Thessalonicherbrief 2Thess 2,1–12 159 2Thess 2,3 159 2Thess 2,8 159 2Thess 2,9f. 159 2Thess 2,11 159 2Thess 3,3 131, 281 Philipperbrief Phil 2,9 261 Phil 2,27 100
321
322 1. Timotheusbrief 1Tim 1,20 110 f. 2. Timotheusbrief 2Tim 1,12 263 2Tim 1,18 263 Hebräerbrief Hebr 2,14 149, 152 Hebr 5,7 198 1. Petrusbrief 1Petr 5,8 161 1. Johannesbrief 1Joh 2,13 131, 230 1Joh 2,13f. 186 1Joh 2,14 131 1Joh 2,15 230 1Joh 3,2 263 1Joh 3,4 172 1Joh 3,4–10 172 1Joh 3,6 172 1Joh 3,8 154 f., 172 f., 198 1Joh 3,10 132 1Joh 3,12 131 1Joh 3,15 156 1Joh 4,4 198, 230
Stellenregister 1Joh 4,8 213 1Joh 4,16 213 1Joh 5,4 186 1Joh 5,18 131 1Joh 5,18f. 212 1Joh 5,19 131, 198 2. Johannesbrief 2Joh 12,3 191 Johannesapokalypse Apk 2,13 149, 197, 243 Apk 12 196 f., 287 Apk 12,5 196 Apk 12,7 135, 194 Apk 12,7ff. 22, 194–197, 234, 287 Apk 12,9 112, 135 Apk 12,10 194, 196, 234 Apk 12,10–12 20 Apk 12,ff. 194 Apk 14f. 196 Apk 19,19–20,6 287 Apk 19,20 135 Apk 20,7 56 Apk 20,7–10 287 Apk 20,10 135, 196, 252 Apk 20,14.f 252 Apk 21,8 196, 252
IV. Christliche Schriften und Autoren außerhalb des Neuen Testaments Barnabasbrief Barn 18,2 149 Caverna Thesaurorum CavThes 3,1–7 70 1. Clemensbrief 1Clem 3,3–4,7 65 Hirt des Hermas Mandata HermMand 9,9 239 HermMand 10,1 239 HermMand 10,3 258 Similitudines HermSim 15,3 239
Ignatius von Antiochien An die Epheser Ign Eph 17,1 149 Ign Eph 19,1 149 An die Magnesier Ign Magn 1,3 149 An die Traller Ign Trall 4,2 149 An die Römer Ign Röm 7,1 149 An die Philadelphier Ign Philad. 6,2 149
Stellenregister Irenäus von Lyon Adversus Haereses AdvHaer 1,5,4 239
Quaestiones Bartholomaei QuBarth 4,52–57 70 Tertullian Adversus Marcionem Marc 2,10 78 Marc. 5,17 68
Origenes De Principiis De Principiis 1,5,5
V. Pagane Schriften und Autoren Aristoteles Ars rhetorica Rhet 1382a 200 Rhet 1386b 200 Cicero Tusculanae Disputationes TD 3,61 239 TD 4,82 239 Corpus Hermeticum CH 13,4 224 CH 13,6 224 Demosthenes De falsa legatione De falsa legatione 22,5 200 Diodor Bibliotheca historica Bibliotheca historica 17,112,4 200 Epiktet Dissertationes Diss 1,25 200 Diss 2,1 200
Homer Ilias Il 1, 579 198 Plutarch De defectu oraculorum De defectu oraculorum p 435 c 223 De defectu oraculorum p 438 A-B 223 De Iside et Osiride De Iside et Osiride 47 46 Demetrios Demetrios 37,1 200 Thukydides Historiae Hist 3,79,3 200 Xenophon Anabasis Anabasis 2,4 200 Memorabilia Memorabilia I 6,12 97
323