Das Lösungsrecht nach gutgläubigem Erwerb: Ein Mittel zum Ausgleich von Ausfallrisiko und Sachzuordnung, unter vergleichender Berücksichtigung des deutschen und französischen Rechts 9783161529603, 9783161526220

Matthias Winter widmet sich mit dem gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten einem klassischen Thema des Zivilrechts. D

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German Pages 450 [452] Year 2014

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Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Gegenstand und Anlass der Untersuchung
B. Methodik und Gang der Untersuchung
C. Überblick zum europäischen Hintergrund
Teil 1: Die Ausgangsposition
1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis
A. Die Beteiligten und ihre Beziehungen untereinander
I. Die Position des Eigentümers
1. Der Eigentümer
2. Die Beziehungen des Eigentümers zu den anderen Beteiligten
a) Die Beziehung zum Veräußerer
aa) Gewolltes Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft
bb) Ungewolltes Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft
b) Die Beziehung zum Erwerber
II. Die Position des Veräußerers
1. Der Veräußerer
2. Die Beziehungen des Veräußerers zu den anderen Beteiligten
a) Die Beziehung zum Eigentümer
b) Die Beziehung zum Erwerber
III. Die Position des Erwerbers
1. Der Erwerber
2. Die Beziehungen des Erwerbers zu den anderen Beteiligten
a) Die Beziehung zum Veräußerer
b) Die Beziehung zum Eigentümer
IV. Weitere Beteiligte
1. Weitere Hauptbeteiligte
a) Weitere Eigentümer?
b) Weitere Veräußerer (Veräußerungsketten)
c) Weitere Erwerber?
2. Nebenbeteiligte
V. Zusammenfassung
B. Die Ergebnisvarianten
I. Das Zusammenspiel von dinglichen Rechten und schuldrechtlichen Ansprüchen
II. Die erste Entscheidung: Zuweisung des Eigentums
III. Die zweite Entscheidung: Zuweisung des Ausfallrisikos für den Ausgleichsanspruch
1. Anspruchsinhaber und -gegner des eigentumkompensierenden Ausgleichsanspruchs
2. Das Risiko der Nichtrealisierbarkeit des Ausgleichsanspruchs
3. Die Veränderungen durch ein Lösungsrecht
2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation
A. Gutgläubiger Erwerb
I. Der gutgläubige Erwerb im französischen Recht
1. Die Grundregel des gutgläubigen Erwerbs im Code civil: Art. 2276 Abs. 1 C.c.
a) Bewegliche körperliche Sachen, an denen privates Eigentum möglich ist
b) Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft in Form der possession
aa) Animus domini
bb) Tatsächliche Sachherrschaft
cc) Mängelfreiheit
c) Gutgläubigkeit des Erwerbers
aa) Das Erfordernis der Gutgläubigkeit
bb) Der „gute Glaube“ in der Rechtsanwendung
d) Rechtsfolge Eigentumserwerb
2. Modifikationen der Grundregel im Falle des Diebstahls und Verlusts, Art. 2276 Abs. 2 und Art. 2277 C.c.
a) Gestohlene und verlorene Sachen
b) Frist von drei Jahren für Eigentumserwerb
c) Art. 2277 C.c.
aa) Voraussetzungen des Art. 2277 C.c.
bb) Rechtsfolge des Art. 2277 Abs. 1 C.c.
3. Die Problematik der Rückerlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Eigentümer – das Kriterium der dépossession volontaire auf Seiten des Erwerbers
a) Die Rückerlangung der Sache durch den Eigentümer und die Folgen im Rahmen des Art. 2276 Abs. 1 C.c.
aa) Die Entscheidungen der Cour de Cassation
(1) Die Ungereimtheiten aufgrund des „Garagistenfalls“
(2) Die späteren Entscheidungen
bb) Würdigung des aktuellen Stands der Rechtsprechung
b) Die Rückerlangung der Sache durch den Eigentümer und die Folgen im Rahmen der Art. 2276 Abs. 2, 2277 C.c.
aa) Die französische Rechtsprechung
bb) Rechtliche Würdigung der Rechtsprechung
II. Der gutgläubige Erwerb im deutschen Recht
1. Die Grundregeln des gutgläubigen Erwerbs im BGB: §§ 932–934 BGB
a) Bewegliche körperliche Sachen im Sinne der §§ 929 ff
b) Wirksame Einigung gem. § 929 S. 1 BGB
c) Verkehrsgeschäft
d) Übergabe der Sache
aa) Der Besitz
bb) Die verschiedenen Übergabevarianten
cc) Die Einbeziehung Dritter in die Übergabe
e) Gutgläubigkeit
aa) Gutgläubigkeit hinsichtlich des Eigentums des Veräußerers
bb) Bösgläubigkeit aufgrund positiver Kenntnis
cc) Bösgläubigkeit aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis
(1) „Unverdächtige“ Geschäftsvorgänge mit besonderen verdachtsauslösenden Umständen
(2) Geschäftsvorgänge mit typischen Gefahren im Hinblick auf eine Verfügung durch einen Nichtberechtigten
dd) Die Beweislast des Eigentümers
f) Die Rechtsfolge des sofortigen Eigentumserwerbs
2. Modifikationen der Grundregel im Falle des Abhandenkommens, § 935 BGB
a) Kein gutgläubiger Erwerb abhanden gekommener Sachen nach § 935 Abs. 1 BGB
aa) Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB
(1) Die Freiwilligkeit des Besitzverlusts
(2) Erfassung der besitzrechtlichen Situation
b) Rückausnahme des § 935 Abs. 2 BGB
aa) Kein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei Geld und Inhaberpapieren
bb) Kein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei öffentlicher Versteigerung oder Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB
(1) Öffentliche Versteigerung
(2) Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB
B. Ersitzung
I. Die Ersitzungsregelung im römischen Recht
1. Die ersitzungsfähigen Sachen
2. Gutgläubiger Erwerb des Eigenbesitzes aufgrund eines zureichenden Erwerbsgrundes (possessio, titulus, bona fides)
3. Ersitzungszeit
4. Rechtsfolgen
II. Die ergänzenden Ersitzungsregelungen im deutschen und französischen Recht
1. Der Eigentumserwerb aufgrund Ersitzung im deutschen Recht
2. Die Ersitzung (prescription acquisitive) im französischen Recht
C. Verjährung und Verwirkung des Herausgabeanspruchs
I. Verjährung
1. Die ergänzenden Verjährungsregeln im deutschen Recht
2. Die ergänzenden Verjährungsregeln im französischen Recht
II. Verwirkung
Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision
1. Kapitel: Der Interessenvergleich
A. Die individuellen Interessen im Dreieck
I. Die Interessen des Eigentümers
1. Wertinteresse
2. Nutzungsinteresse
3. Ideelles Interesse
4. Die Sonderbewertung der Interessen des Eigentümers zu Sicherungszwecken
II. Die Interessen des Veräußerers
III. Die Interessen des Erwerbers
1. Wertinteresse des Erwerbers
2. Künftiges Nutzungsinteresse
3. Ideelle Interessen des Erwerbers?
B. Die Allgemeininteressen
I. Die Gewährleistung des Eigentums
1. Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums
2. Das Eigentum als zivilrechtlich absolutes Recht
II. Der Verkehrsschutz
1. Der Verkehr und sein Schutz
a) Der Begriff des Verkehrs und des Verkehrsschutzes
b) Der gutgläubige Erwerb zum Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs
c) Entwicklungen im Bereich des Verkehrs
2. Der Verkehrsschutz und Verfassungsrecht
III. Die Wechselwirkung zwischen Eigentums- und Verkehrsschutz
IV. Besondere Staatsinteressen
C. Vergleich und Abwägung
I. Die (zusätzlichen) Abwägungskriterien
1. Vertrauensschutz
2. Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Kontinuität
3. Gerechtigkeit
II. Der Interessenvergleich
1. Der individuelle Interessenvergleich
2. Der Vergleich der Allgemeininteressen
2. Kapitel: Die Vielfalt der Steuerungsparameter – eine bewertete Bestandsaufnahme
A. Der Leitgedanke der Offenkundigkeit
B. Umstände im Wahrnehmungsbereich des Erwerbers
I. Der Gegenstand des gutgläubigen Erwerbs: die bewegliche Sache
1. Die Abgrenzung zu unbeweglichen Sachen und zu Rechten
2. Die Notwendigkeit der Individualisierbarkeit der Sache
3. Sachen, deren Umlauffähigkeit von besonderer Bedeutung ist
a) Geld
b) Wertpapiere
4. Sachen, deren Umlauffähigkeit von geringerer Bedeutung ist
II. Sachbeziehungen des Veräußerers als Indiz des Eigentums
1. Der Rechtsschein der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft
a) Die Kritik an der Art der „Qualifizierung“
aa) Problematische Aspekte bei der possession als Rechtsscheinträger
bb) Problematische Aspekte beim Besitz als Rechtsscheinträger
(1) Die Verschaffung des mittelbaren Besitzes im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs
(2) Gutgläubiger Eigentumserwerb ohne Besitz auf Veräußerer- und Erwerberseite
(3) Die Besitzverschaffungsmacht als Rechtsscheinträger im deutschen Recht
cc) Zusammenfassung zur „Qualifizierung“ der tatsächlichen Sachherrschaft im französischen und deutschen Recht
b) Die Kritik an der Schlussfolgerung von der tatsächlichen Sachherrschaft auf das Eigentum
2. Registrierung beweglicher Sachen
a) Register mit Bedeutung für Eigentumsübertragungen
b) Register zu Zwecken außerhalb von Eigentumsübertragungen
aa) Register mit öffentlich-rechtlicher Zwecksetzung
bb) Register im Zusammenhang mit Kreditsicherungsrechten
cc) Spezielle Register und die registerähnliche Erfassung von Eigentümern
(1) Die Wertpapiersammelbank und das Verwahrungsbuch bei girosammelverwahrten Wertpapieren
(2) Die Erfassung abhanden gekommener Kunstwerke
(3) Sonderregister
3. Urkunden, Dokumente und Plaketten als Eigentumsindizien
a) Begleitdokumentation als Eigentumsindiz
b) Kennzeichnung der Sache selbst
4. Zusammenfassende Würdigung
III. Umstände, die das zugrunde liegende Kausalgeschäft betreffen
1. Die Frage der Entgeltlichkeit des Geschäfts zwischen Veräußerer und Erwerber
2. Eine besondere Öffentlichkeit beim Geschäft zwischen Veräußerer und Erwerber
a) Die privilegierten Verkaufssituationen
b) Die gewerberechtliche Unterstützung der Privilegierung
IV. Umstände, die der Person des Veräußerers oder des Erwerbers anhaften
1. Eigenschaften des Veräußerers
2. Eigenschaften des Erwerbers
C. Umstände außerhalb des Wahrnehmungsbereichs des Erwerbers
I. Sonderbehandlung bestimmter Sachen
1. Die Herausnahme bestimmter Sachen aus dem ordentlichen zivilrechtlichen Rechtsverkehr (res extra commercium)
2. Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen
a) Die Sonderbehandlung in den untersuchten Rechtsordnungen
b) Die Wirkung der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen
aa) Wirkung bei der Rechtsfolge
bb) Wirkung bei der Erfassung des Sachverhaltes
cc) Verhaltenssteuernde Wirkung?
(1) Verhaltenssteuerung beim Erwerber
(2) Verhaltenssteuerung beim Eigentümer
II. Sonderbehandlung besonderer Eigentümer
1. Sonderbehandlung von „Verbrauchereigentümern“?
2. Sonderbehandlung von Minderjährigen
3. Sonderbehandlung von öffentlichen Eigentümern?
D. Kennen und Kennenmüssen von Umständen: die Gutgläubigkeit
I. Ausprägungen der fehlenden Gutgläubigkeit
1. (Materielle) Kenntnis
2. (Grob) Fahrlässige Unkenntnis
II. Die Wirkungen des Gutgläubigkeitskriteriums
1. Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit
2. Definition von Sorgfaltsanforderungen bei einzelnen Verkehrsarten
3. Korrektur der Grobstruktur des Rechtsscheinträgers
E. Sonstige Steuerungsparameter
I. Der Zeitablauf
1. Bestandsaufnahme
a) Der Zeitablauf beim Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs
b) Auswirkungen des Zeitablaufs durch Anwendung anderer Rechtsinstitute (Ersitzung und Verjährung)
2. Die Änderung der gesetzgeberischen Motivationslage mit zunehmendem Zeitablauf
a) Die Zeitkomponente beim gutgläubigen Erwerb
b) Die unterschiedlichen Zielrichtungen von Ersitzung und Verjährung
c) Die Kritik an der Verjährung der Vindikation
d) Bewertung des Zusammenspiels von gutgläubigem Erwerb, Ersitzung und Verjährung
aa) Die verschiedenen Vorschläge zur Kombination der Institute
bb) Der primäre Lösungsansatz über das Institut des gutgläubigen Erwerbs
cc) Die Änderung der Interessen auf der Zeitachse
II. Berücksichtigung von Sondersituationen
1. Der verstärkte Eigentümerschutz aufgrund von Kriegswirren am Beispiel der Sonderreglungen für Wertpapiere
2. Der Sonderschutz von Kulturgütern und Kunstwerken
a) Der existierende Sonderschutz von Kulturgütern am Beispiel des deutschen Rechts
b) Ein (weitergehender) Sonderschutz für Eigentümer von Kulturgütern und Kunstwerken?
F. Zusammenfassung
Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung des Eigentums an der Sache
1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen nach der Verteilung des Ausfallrisikos und der Zuordnung des Eigentums durch das Lösungsrecht
A. Begriff und Erscheinungsformen des Lösungsrechts
I. Begriff
II. Erscheinungsformen
B. Das Lösungsrecht im deutschen und französischen Recht
I. Das Lösungsrecht im deutschen Recht
1. Keine spezialgesetzliche Verankerung des Lösungsrechts im BGB
2. Kein Lösungsrecht auf schuldrechtlichem Weg
a) Kein Eigentumserwerb des Erwerbers
b) Eigentumserwerb des Erwerbers
3. Lösungsrechte auf deutschem Gebiet vor Inkrafttreten des BGB
4. Das Lösungsrecht in den Entwürfen des BGB
a) Die Entwürfe zum BGB
b) Gründe gegen eine Verankerung des Lösungsrechts im BGB
5. Verbliebene Aktualität des Lösungsrechts in Deutschland
a) Lösungsrecht nach Landesrecht, Art. 94 Abs. 2 EGBGB
b) Behandlung des Lösungsrechts im Kollisionsrecht
II. Das französische Lösungsrecht nach Art. 2277 C.c
1. Grundsätzliches zum Lösungsrecht gem. Art. 2277 C.c.
2. Die Folgen des Lösungsrechts: Ausgleichsansprüche und Risikotragung
a) Ausgleichsansprüche in Konstellationen, in denen ein Lösungsrecht gem. Art. 2277 C.c. nicht eingreift
aa) Ausgleichsansprüche im Falle eines erfolgreichen gutgläubigen Eigentumserwerbs des Erwerbers nach Art. 2276 Abs. 1 C.c.
bb) Ausgleichsansprüche im Falle eines gescheiterten gutgläubigen Erwerbs ohne das Recht, die Erstattung der Kaufpreissumme zu verlangen
b) Ausgleichsansprüche in Konstellationen, in denen ein Lösungsrecht gem. Art. 2277 C.c. gegeben ist
aa) Tatsächliche Erstattung des Kaufpreises durch den Eigentümer
(1) Weitere Ansprüche des Erwerbers
(2) Ansprüche des Eigentümers
(a) Deliktsrechtliche Ansprüche
(b) Ansprüche gegen den Veräußerer aufgrund Forderungsübergangs vom Erwerber auf den Eigentümer
(c) Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung
(d) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag
(3) Ansprüche des Veräußerers gegen die vorherigen Veräußerer im Rahmen von Veräußerungsketten und gegen den Dieb bzw. Finder
bb) Rückerlangung der Sache durch den Eigentümer ohne Erstattung des Kaufpreises
c) Vergleich der Ausgleichsansprüche und der Risikotragung
3. Sonderfall der Einzelrechtsnachfolge nach einem erstattungsberechtigten Erwerber
4. Gesamtbewertung des französischen Lösungsrechts
C. Bewertung
I. Flexibilität durch Lösungsrecht
II. Komplexität durch Lösungsrecht
III. Lösungsrecht und Ökonomie
IV. Zwischenergebnis
2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos
A. Die Ausgangssituation
B. Das Abhandenkommen einer Sache als Kriterium zur abweichenden Verteilung des Ausfallrisikos?
I. Begründungsansätze für die abweichende Beurteilung im Falle abhanden gekommener Sachen
1. Verschuldensprinzip
2. Veranlassungsprinzip
3. Gedanke der Gefahrbeherrschung und Zurechnung
4. Unwertgehalt bei gestohlenen oder verlorenen Sachen
5. Historische Erklärung; historische Rechtfertigung?
II. Der Interessenvergleich bei abhanden gekommenen Sachen
1. Die individuellen Komponenten bei der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen
2. Die Veränderung der generellen Interessen
a) Senkung der insgesamt zu erwartenden Schäden?
b) Einschränkende Wirkung auf Diebstahl und Hehlerei?
aa) Die tatsächliche Bedeutung von Diebstahls- und Hehlereidelikten
bb) Die Auswirkungen der Zuweisung des Ausfallrisikos auf den Handel mit abhanden gekommenen Sachen und den Verkehr generell
(1) Die erwartete größere Sorgfalt des Erwerbers und die Reduzierung der Nachfrage
(2) Die Belastung des Verkehrs generell
III. Zwischenergebnis: Keine Sonderzuweisung des Ausfallrisikos aufgrund des Abhandenkommens der Sache
C. Weitere Ansatzpunkte für die Zuweisung des Ausfallrisikos
I. Besondere Veräußerungssituationen als Kriterium der Zuweisung des Ausfallrisikos?
II. Eine abweichende Zuweisung anhand der Art der Sache?
III. Eine abweichende Zuweisung anhand der Eigenschaften des Eigentümers?
3. Kapitel: Die Zuordnung der Sache
A. Die Ausgangssituation
B. Das Affektionsinteresse des Eigentümers als Kriterium der Sachzuordnung
I. Die Schwierigkeiten der tatbestandlichen Erfassung von Affektionsinteressen
1. Verschiedene Lösungsansätze
2. Beispiele zum Umgang mit Affektionsinteressen im deutschen Recht
a) Affektionsinteressen im deutschen Schadensersatzrecht
b) Affektionsinteressen im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht
II. Die Differenzierung anhand der Art der Sache als geeigneter Steuerungsparameter
1. Regelkriterien für Sachen mit Affektionsinteresse
a) Häufigkeit und Individualisierungsgrad der Sache
b) Haltbarkeit (Lebensdauer) einer Sache
c) Häufigkeit und Geschwindigkeit der Eigentümerwechsel
d) Wert und Wertbeständigkeit der Sache
e) Zweckbestimmung und Adressatenkreis einer Sache
2. Sachkategorien, bei denen Affektionsinteressen typischerweise bestehen bzw. typischerweise fehlen
a) Sachen mit starkem potenziellen Affektionsinteresse
aa) Kunstwerke
bb) Schmuck, Antiquitäten
cc) Haustiere
dd) Fahrzeuge, insb. Pkw und Fahrräder?
ee) Sachen von wissenschaftlichem Interesse und Sachen, die der Religionsausübung dienen
b) Sachen mit geringem potenziellen Affektionsinteresse
aa) Geld
bb) Inhaberpapiere und sonstige Wertpapiere
III. Der Regelungsvorschlag
C. Sonderzuordnung von öffentlichen Sachen
D. Sachzuordnung anhand sonstiger Steuerungsparameter
I. Die Vermutung eines ideellen Interesses des Eigentümers von abhanden gekommenen Sachen
II. Der Unwertgehalt des Abhandenkommens als Sachzuordnungsgrund
E. Zwischenergebnis
4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel für den Interessenausgleich
A. Lösungsrecht oder Rückkaufsrecht?
I. Die Unterschiede zwischen dem vorgeschlagenen Lösungsrecht i.w.S. (Rückkaufsrecht) und dem französischen Lösungsrecht
II. Rückkaufsrecht statt Lösungsrecht i.e.S.
B. Der Rückkaufspreis
I. Der Ansatz des halben Kaufpreises
II. Kaufpreis vs. Marktwert
C. Aspekte des Zeitablaufs
I. Zeitliche Beschränkung des Rechts
1. Grundsätzliches zur zeitlichen Beschränkung des Rückkaufsrechts
2. Sonderaspekte zu den einzelnen Sachen
II. Frist zur Ausübung des Rückkaufsrechts
D. Weitere Regelungsaspekte
5. Kapitel: Die Sonderfragen beim unentgeltlichen Erwerb
A. Der unentgeltliche Erwerb vom Nichtberechtigten
I. Die Verteilung des Ausfallrisikos
II. Die Zuordnung der Sache
III. Zwischenergebnis
B. Der unentgeltliche Erwerb einer mit einem Rückkaufsrecht belasteten Sache von einem Dritten
I. Ausgangslage
II. Die Berücksichtigung des gutgläubigen Vorerwerbers
Schluss
A. Ergebnis
I. Die Steuerung der Ordnungsaufgabe des Ausgleichs des dem gutgläubigen Erwerb zugrunde liegenden Anspruchsgeflechts aus der Mehrpersonenkonstellation
II. Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuweisung des Eigentums
B. Regelungsvorschlag
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 301 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Matthias Winter

Das Lösungsrecht nach gutgläubigem Erwerb Ein Mittel zum Ausgleich von Ausfallrisiko und Sachzuordnung, unter vergleichender Berücksichtigung des deutschen und französischen Rechts

Mohr Siebeck

Matthias Winter, geboren 1973, Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg und der Université Rennes 1; Referendariat in Nürnberg mit Wahlstation in New York; Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Erlangen; seit 2005 als Rechtsanwalt tätig.

e-ISBN 978-3-16-152960-3 ISBN 978-3-16-152622-0 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Vorwort Vorwort Vorwort

Diese Arbeit lag im Wintersemester 2012/2013 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät – Fachbereich Rechtswissenschaft – der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation vor. Die Arbeit wurde mit dem Rödl-Promotionspreis 2013 und einem Förderpreis der Schmitz-Nüchterlein-Stiftung ausgezeichnet. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Mathias Rohe, M.A., gebührt an erster Stelle mein herzlicher Dank. In meiner Zeit als Wissenschaftlicher Assistent an seinem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, auf die ich noch heute sehr gerne zurückblicke, wurde das Fundament dieser Arbeit gelegt. Er hat die Arbeit angeregt, ließ mir bei der Umsetzung den nötigen Freiraum und stand mir stets mit wertvollen Hinweisen zur Seite. Herrn Prof. Dr. Robert Freitag, Maître en droit (Bordeaux) danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Dank schulde ich ferner meinen ehemaligen Institutskollegen, Herrn Dr. Folko Bührle und Herrn Dr. Uwe Frommhold, für den wissenschaftlichen und freundschaftlichen Gedankenaustausch während unserer gemeinsamen Assistentenzeit. Mein Freund und Kollege, Herr Prof. Dr. Benjamin von Bodungen, stand mir in der Endphase der Arbeit stets motivierend zur Seite. Der Université Rennes 1 und meinen dortigen akademischen Kollegen, besonders Herrn Professor Xavier Volmerange, danke ich für die vielfältige Unterstützung anlässlich meiner Forschungsaufenthalte in Frankreich sowie unseren Austausch zum französischen Recht. Bei den Herausgebern möchte ich mich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe bedanken. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Ehefrau Annette. Ohne ihre stete Unterstützung und Bereitschaft, der Anfertigung dieser Arbeit einen Platz in unserem Familienleben einzuräumen, wäre deren Fertigstellung nicht möglich gewesen. Ihr und unseren Kindern ist diese Arbeit daher gewidmet. Frankfurt, Dezember 2013

Matthias Winter

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht

Einleitung .................................................................................................. 1 A. Gegenstand und Anlass der Untersuchung ............................................ 2 B. Methodik und Gang der Untersuchung .................................................. 6 C. Überblick zum europäischen Hintergrund ........................................... 10

Teil 1: Die Ausgangsposition ............................................................... 15 1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis ....................... 19 A. Die Beteiligten und ihre Beziehungen untereinander........................... 19 B. Die Ergebnisvarianten ......................................................................... 32 2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation........... 43 A. Gutgläubiger Erwerb ........................................................................... 43 B. Ersitzung........................................................................................... 108 C. Verjährung und Verwirkung des Herausgabeanspruchs..................... 117

Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision ......... 123 1. Kapitel: Der Interessenvergleich........................................................ 125 A. Die individuellen Interessen im Dreieck ........................................... 126 B. Die Allgemeininteressen ................................................................... 135 C. Vergleich und Abwägung.................................................................. 152 2. Kapitel: Die Vielfalt der Steuerungsparameter – eine bewertete Bestandsaufnahme ..................................................... 161 A. Der Leitgedanke der Offenkundigkeit ............................................... 162 B. Umstände im Wahrnehmungsbereich des Erwerbers ......................... 165 C. Umstände außerhalb des Wahrnehmungsbereichs des Erwerbers ...... 213 D. Kennen und Kennenmüssen von Umständen: die Gutgläubigkeit...... 230 E. Sonstige Steuerungsparameter........................................................... 240 F. Zusammenfassung............................................................................. 263

VIII

Inhaltsübersicht

Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung des Eigentums an der Sache ............................................................... 265 1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen nach der Verteilung des Ausfallrisikos und der Zuordnung des Eigentums durch das Lösungsrecht..................................................................... 267 A. Begriff und Erscheinungsformen des Lösungsrechts ......................... 267 B. Das Lösungsrecht im deutschen und französischen Recht ................. 269 C. Bewertung......................................................................................... 306 2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos......................................... 313 A. Die Ausgangssituation ...................................................................... 314 B. Das Abhandenkommen einer Sache als Kriterium zur abweichenden Verteilung des Ausfallrisikos? ............................. 316 C. Weitere Ansatzpunkte für die Zuweisung des Ausfallrisikos............. 343 3. Kapitel: Die Zuordnung der Sache ..................................................... 349 A. Die Ausgangssituation ...................................................................... 349 B. Das Affektionsinteresse des Eigentümers als Kriterium der Sachzuordnung............................................................................ 351 C. Sonderzuordnung von öffentlichen Sachen ....................................... 369 D. Sachzuordnung anhand sonstiger Steuerungsparameter..................... 373 E. Zwischenergebnis ............................................................................. 375 4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel für den Interessenausgleich ............................................................... 376 A. Lösungsrecht oder Rückkaufsrecht? .................................................. 376 B. Der Rückkaufspreis........................................................................... 381 C. Aspekte des Zeitablaufs .................................................................... 385 D. Weitere Regelungsaspekte ................................................................ 388 5. Kapitel: Die Sonderfragen beim unentgeltlichen Erwerb ................... 390 A. Der unentgeltliche Erwerb vom Nichtberechtigten............................ 390 B. Der unentgeltliche Erwerb einer mit einem Rückkaufsrecht belasteten Sache von einem Dritten................................................... 394 Schluss................................................................................................... 397 A. Ergebnis ............................................................................................ 397 B. Regelungsvorschlag .......................................................................... 401 Literaturverzeichnis ............................................................................... 405 Sachverzeichnis ..................................................................................... 423

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis......................................................................... XXI

Einleitung ................................................................................................ 1 A. Gegenstand und Anlass der Untersuchung ............................................ 2 B. Methodik und Gang der Untersuchung .................................................. 6 C. Überblick zum europäischen Hintergrund ........................................... 10

Teil 1: Die Ausgangsposition ............................................................... 15 1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis ....................... 19 A. Die Beteiligten und ihre Beziehungen untereinander ........................... 19 I. Die Position des Eigentümers ...................................................... 19 1. Der Eigentümer ....................................................................... 19 2. Die Beziehungen des Eigentümers zu den anderen Beteiligten ............................................................................... 21 a) Die Beziehung zum Veräußerer .................................................... 21 aa) Gewolltes Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft .................................................................... 22 bb) Ungewolltes Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft .................................................................... 22 b) Die Beziehung zum Erwerber ...................................................... 23

II. Die Position des Veräußerers ....................................................... 23 1. Der Veräußerer ........................................................................ 23 2. Die Beziehungen des Veräußerers zu den anderen Beteiligten ............................................................................... 24 a) Die Beziehung zum Eigentümer ................................................... 24 b) Die Beziehung zum Erwerber ...................................................... 24 III. Die Position des Erwerbers .......................................................... 25 1. Der Erwerber ........................................................................... 25 2. Die Beziehungen des Erwerbers zu den anderen Beteiligten .... 26 a) Die Beziehung zum Veräußerer .................................................... 26

X

Inhaltsverzeichnis b) Die Beziehung zum Eigentümer ................................................... 27 IV. Weitere Beteiligte ........................................................................ 27 1. Weitere Hauptbeteiligte ........................................................... 27 a) Weitere Eigentümer? ................................................................. 28 b) Weitere Veräußerer (Veräußerungsketten) ...................................... 28 c) Weitere Erwerber? .................................................................... 29 2. Nebenbeteiligte ........................................................................ 30 V. Zusammenfassung ....................................................................... 31

B. Die Ergebnisvarianten ........................................................................ 32 I. Das Zusammenspiel von dinglichen Rechten und schuldrechtlichen Ansprüchen............................................... 32 II. Die erste Entscheidung: Zuweisung des Eigentums ...................... 34 III. Die zweite Entscheidung: Zuweisung des Ausfallrisikos für den Ausgleichsanspruch ......................................................... 36 1. Anspruchsinhaber und -gegner des eigentumkompensierenden Ausgleichsanspruchs .................................... 36 2. Das Risiko der Nichtrealisierbarkeit des Ausgleichsanspruchs ................................................................ 38 3. Die Veränderungen durch ein Lösungsrecht ............................. 41 2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation ........... 43 A. Gutgläubiger Erwerb .......................................................................... 43 I. Der gutgläubige Erwerb im französischen Recht .......................... 45 1. Die Grundregel des gutgläubigen Erwerbs im Code civil: Art. 2276 Abs. 1 C.c. ............................................................... 47 a) Bewegliche körperliche Sachen, an denen privates Eigentum möglich ist .............................................................................. 48 b) Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft in Form der possession ...... 50 aa) Animus domini .................................................................... 50 bb) Tatsächliche Sachherrschaft ................................................... 51 cc) Mängelfreiheit .................................................................... 51 c) Gutgläubigkeit des Erwerbers ...................................................... 54 aa) Das Erfordernis der Gutgläubigkeit .......................................... 55 bb) Der „gute Glaube“ in der Rechtsanwendung .............................. 57 d) Rechtsfolge Eigentumserwerb ...................................................... 59

2. Modifikationen der Grundregel im Falle des Diebstahls und Verlusts, Art. 2276 Abs. 2 und Art. 2277 C.c. ................... 61 a) Gestohlene und verlorene Sachen ................................................. 61 b) Frist von drei Jahren für Eigentumserwerb ...................................... 62 c) Art. 2277 C.c. .......................................................................... 64 aa) Voraussetzungen des Art. 2277 C.c. ......................................... 65 bb) Rechtsfolge des Art. 2277 Abs. 1 C.c. ...................................... 68

Inhaltsverzeichnis

XI

3. Die Problematik der Rückerlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Eigentümer – das Kriterium der dépossession volontaire auf Seiten des Erwerbers.............. 70 a) Die Rückerlangung der Sache durch den Eigentümer und die Folgen im Rahmen des Art. 2276 Abs. 1 C.c. ............................................ 70 aa) Die Entscheidungen der Cour de Cassation ............................... 71 (1) Die Ungereimtheiten aufgrund des „Garagistenfalls“ .............. 71 (2) Die späteren Entscheidungen ............................................. 73 bb) Würdigung des aktuellen Stands der Rechtsprechung ................... 74 b) Die Rückerlangung der Sache durch den Eigentümer und die Folgen im Rahmen der Art. 2276 Abs. 2, 2277 C.c. .................................... 75 aa) Die französische Rechtsprechung ............................................ 76 bb) Rechtliche Würdigung der Rechtsprechung ............................... 78

II. Der gutgläubige Erwerb im deutschen Recht................................ 81 1. Die Grundregeln des gutgläubigen Erwerbs im BGB: §§ 932–934 BGB ..................................................................... 81 a) Bewegliche körperliche Sachen im Sinne der §§ 929 ff. ..................... 81 b) Wirksame Einigung gem. § 929 S. 1 BGB ...................................... 85 c) Verkehrsgeschäft ...................................................................... 85 d) Übergabe der Sache ................................................................... 86 aa) Der Besitz .......................................................................... 86 bb) Die verschiedenen Übergabevarianten ...................................... 88 cc) Die Einbeziehung Dritter in die Übergabe ................................. 88 e) Gutgläubigkeit.......................................................................... 90 aa) Gutgläubigkeit hinsichtlich des Eigentums des Veräußerers .......... 91 bb) Bösgläubigkeit aufgrund positiver Kenntnis ............................... 91 cc) Bösgläubigkeit aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis ................. 91 (1) „Unverdächtige“ Geschäftsvorgänge mit besonderen verdachtsauslösenden Umständen ....................................... 94 (2) Geschäftsvorgänge mit typischen Gefahren im Hinblick auf eine Verfügung durch einen Nichtberechtigten ................. 94 dd) Die Beweislast des Eigentümers .............................................. 98 f) Die Rechtsfolge des sofortigen Eigentumserwerbs ............................ 99

2. Modifikationen der Grundregel im Falle des Abhandenkommens, § 935 BGB .............................................................. 99 a) Kein gutgläubiger Erwerb abhanden gekommener Sachen nach § 935 Abs. 1 BGB ............................................................ 100 aa) Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB ............................. 100 (1) Die Freiwilligkeit des Besitzverlusts ................................. 100 (2) Erfassung der besitzrechtlichen Situation ........................... 101 b) Rückausnahme des § 935 Abs. 2 BGB ......................................... 105 aa) Kein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei Geld und Inhaberpapieren ........................................................... 105 bb) Kein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei öffentlicher Versteigerung oder Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB ........ 106

XII

Inhaltsverzeichnis (1) Öffentliche Versteigerung ............................................... 106 (2) Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB ............................. 107

B. Ersitzung........................................................................................... 108 I. Die Ersitzungsregelung im römischen Recht .............................. 109 1. Die ersitzungsfähigen Sachen ................................................ 109 2. Gutgläubiger Erwerb des Eigenbesitzes aufgrund eines zureichenden Erwerbsgrundes (possessio, titulus, bona fides) ... 111 3. Ersitzungszeit......................................................................... 111 4. Rechtsfolgen .......................................................................... 112 II. Die ergänzenden Ersitzungsregelungen im deutschen und französischen Recht ............................................................ 112 1. Der Eigentumserwerb aufgrund Ersitzung im deutschen Recht ................................................................ 112 2. Die Ersitzung (prescription acquisitive) im französischen Recht .......................................................... 115 C. Verjährung und Verwirkung des Herausgabeanspruchs..................... 117 I. Verjährung ................................................................................. 117 1. Die ergänzenden Verjährungsregeln im deutschen Recht ....... 118 2. Die ergänzenden Verjährungsregeln im französischen Recht . 119 II. Verwirkung ................................................................................ 121

Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision ......... 123 1. Kapitel: Der Interessenvergleich........................................................ 125 A. Die individuellen Interessen im Dreieck ........................................... 126 I. Die Interessen des Eigentümers ................................................. 127 1. Wertinteresse ......................................................................... 127 2. Nutzungsinteresse .................................................................. 128 3. Ideelles Interesse.................................................................... 128 4. Die Sonderbewertung der Interessen des Eigentümers zu Sicherungszwecken ........................................................... 130 II. Die Interessen des Veräußerers .................................................. 132 III. Die Interessen des Erwerbers ..................................................... 133 1. Wertinteresse des Erwerbers .................................................. 133 2. Künftiges Nutzungsinteresse .................................................. 134 3. Ideelle Interessen des Erwerbers? .......................................... 134 B. Die Allgemeininteressen ................................................................... 135 I. Die Gewährleistung des Eigentums............................................ 136 1. Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums ........... 136 2. Das Eigentum als zivilrechtlich absolutes Recht .................... 140

Inhaltsverzeichnis

XIII

II. Der Verkehrsschutz.................................................................... 140 1. Der Verkehr und sein Schutz.................................................. 140 a) Der Begriff des Verkehrs und des Verkehrsschutzes ....................... 140 b) Der gutgläubige Erwerb zum Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs .................................................... 142 c) Entwicklungen im Bereich des Verkehrs ...................................... 146

2. Der Verkehrsschutz und Verfassungsrecht ............................. 148 III. Die Wechselwirkung zwischen Eigentums- und Verkehrsschutz .......................................................................... 150 IV. Besondere Staatsinteressen ........................................................ 151 C. Vergleich und Abwägung.................................................................. 152 I. Die (zusätzlichen) Abwägungskriterien...................................... 152 1. Vertrauensschutz.................................................................... 152 2. Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Kontinuität .................... 154 3. Gerechtigkeit ......................................................................... 155 II. Der Interessenvergleich.............................................................. 157 1. Der individuelle Interessenvergleich ...................................... 157 2. Der Vergleich der Allgemeininteressen.................................. 158 2. Kapitel: Die Vielfalt der Steuerungsparameter – eine bewertete Bestandsaufnahme ..................................................... 161 A. Der Leitgedanke der Offenkundigkeit ............................................... 162 B. Umstände im Wahrnehmungsbereich des Erwerbers ......................... 165 I. Der Gegenstand des gutgläubigen Erwerbs: die bewegliche Sache ................................................................. 165 1. Die Abgrenzung zu unbeweglichen Sachen und zu Rechten... 166 2. Die Notwendigkeit der Individualisierbarkeit der Sache ........ 167 3. Sachen, deren Umlauffähigkeit von besonderer Bedeutung ist ......................................................................... 170 a) Geld ..................................................................................... 170 b) Wertpapiere ........................................................................... 171 4. Sachen, deren Umlauffähigkeit von geringerer Bedeutung ist ......................................................................... 172 II. Sachbeziehungen des Veräußerers als Indiz des Eigentums ....... 173 1. Der Rechtsschein der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft........................................................................ 173 a) Die Kritik an der Art der „Qualifizierung“ .................................... 173 aa) Problematische Aspekte bei der possession als Rechtsscheinträger ........................................................ 173 bb) Problematische Aspekte beim Besitz als Rechtsscheinträger ........ 175 (1) Die Verschaffung des mittelbaren Besitzes im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs ............................................... 175

XIV

Inhaltsverzeichnis (2) Gutgläubiger Eigentumserwerb ohne Besitz auf Veräußerer- und Erwerberseite .................................... 177 (3) Die Besitzverschaffungsmacht als Rechtsscheinträger im deutschen Recht ....................................................... 179 cc) Zusammenfassung zur „Qualifizierung“ der tatsächlichen Sachherrschaft im französischen und deutschen Recht ............... 181 b) Die Kritik an der Schlussfolgerung von der tatsächlichen Sachherrschaft auf das Eigentum ................................................ 182

2. Registrierung beweglicher Sachen ......................................... 185 a) Register mit Bedeutung für Eigentumsübertragungen ...................... 185 b) Register zu Zwecken außerhalb von Eigentumsübertragungen ........... 187 aa) Register mit öffentlich-rechtlicher Zwecksetzung ..................... 187 bb) Register im Zusammenhang mit Kreditsicherungsrechten ........... 190 cc) Spezielle Register und die registerähnliche Erfassung von Eigentümern ............................................................... 193 (1) Die Wertpapiersammelbank und das Verwahrungsbuch bei girosammelverwahrten Wertpapieren ............................ 193 (2) Die Erfassung abhanden gekommener Kunstwerke ............... 195 (3) Sonderregister .............................................................. 198

3. Urkunden, Dokumente und Plaketten als Eigentumsindizien . 198 a) Begleitdokumentation als Eigentumsindiz .................................... 199 b) Kennzeichnung der Sache selbst ................................................. 200 4. Zusammenfassende Würdigung.............................................. 201 III. Umstände, die das zugrunde liegende Kausalgeschäft betreffen..................................................................................... 205 1. Die Frage der Entgeltlichkeit des Geschäfts zwischen Veräußerer und Erwerber ....................................................... 206 2. Eine besondere Öffentlichkeit beim Geschäft zwischen Veräußerer und Erwerber ....................................................... 208 a) Die privilegierten Verkaufssituationen ......................................... 208 b) Die gewerberechtliche Unterstützung der Privilegierung .................. 210 IV. Umstände, die der Person des Veräußerers oder des Erwerbers anhaften .............................................................. 212 1. Eigenschaften des Veräußerers............................................... 212 2. Eigenschaften des Erwerbers.................................................. 212 C. Umstände außerhalb des Wahrnehmungsbereichs des Erwerbers ...... 213 I. Sonderbehandlung bestimmter Sachen ....................................... 214 1. Die Herausnahme bestimmter Sachen aus dem ordentlichen zivilrechtlichen Rechtsverkehr (res extra commercium)......... 214 2. Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen ................ 215 a) Die Sonderbehandlung in den untersuchten Rechtsordnungen ........... 215 b) Die Wirkung der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen ... 218 aa) Wirkung bei der Rechtsfolge ................................................ 218 bb) Wirkung bei der Erfassung des Sachverhaltes .......................... 219

Inhaltsverzeichnis

XV

cc) Verhaltenssteuernde Wirkung? ............................................. 221 (1) Verhaltenssteuerung beim Erwerber .................................. 221 (2) Verhaltenssteuerung beim Eigentümer ............................... 222

II. Sonderbehandlung besonderer Eigentümer ................................ 223 1. Sonderbehandlung von „Verbrauchereigentümern“? .............. 223 2. Sonderbehandlung von Minderjährigen.................................. 224 3. Sonderbehandlung von öffentlichen Eigentümern? ................ 225 D. Kennen und Kennenmüssen von Umständen: die Gutgläubigkeit...... 230 I. Ausprägungen der fehlenden Gutgläubigkeit.............................. 230 1. (Materielle) Kenntnis ............................................................. 230 2. (Grob) Fahrlässige Unkenntnis............................................... 231 II. Die Wirkungen des Gutgläubigkeitskriteriums........................... 233 1. Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit............................ 234 2. Definition von Sorgfaltsanforderungen bei einzelnen Verkehrsarten......................................................................... 234 3. Korrektur der Grobstruktur des Rechtsscheinträgers .............. 237 E. Sonstige Steuerungsparameter........................................................... 240 I. Der Zeitablauf ............................................................................ 240 1. Bestandsaufnahme ................................................................. 241 a) Der Zeitablauf beim Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs ........... 241 b) Auswirkungen des Zeitablaufs durch Anwendung anderer Rechtsinstitute (Ersitzung und Verjährung) ................................... 241

2. Die Änderung der gesetzgeberischen Motivationslage mit zunehmendem Zeitablauf ................................................. 242 a) Die Zeitkomponente beim gutgläubigen Erwerb ............................. 243 b) Die unterschiedlichen Zielrichtungen von Ersitzung und Verjährung .. 243 c) Die Kritik an der Verjährung der Vindikation ................................ 246 d) Bewertung des Zusammenspiels von gutgläubigem Erwerb, Ersitzung und Verjährung ......................................................... 249 aa) Die verschiedenen Vorschläge zur Kombination der Institute ...... 249 bb) Der primäre Lösungsansatz über das Institut des gutgläubigen Erwerbs .................................................... 250 cc) Die Änderung der Interessen auf der Zeitachse ......................... 252

II. Berücksichtigung von Sondersituationen ................................... 254 1. Der verstärkte Eigentümerschutz aufgrund von Kriegswirren am Beispiel der Sonderreglungen für Wertpapiere ...... 255 2. Der Sonderschutz von Kulturgütern und Kunstwerken........... 257 a) Der existierende Sonderschutz von Kulturgütern am Beispiel des deutschen Rechts ............................................................... 258 b) Ein (weitergehender) Sonderschutz für Eigentümer von Kulturgütern und Kunstwerken? ......................................................... 259

F. Zusammenfassung............................................................................. 263

XVI

Inhaltsverzeichnis

Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung des Eigentums an der Sache ............................................................... 265 1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen nach der Verteilung des Ausfallrisikos und der Zuordnung des Eigentums durch das Lösungsrecht ............................................. 267 A. Begriff und Erscheinungsformen des Lösungsrechts ......................... 267 I. Begriff ....................................................................................... 267 II. Erscheinungsformen................................................................... 268 B. Das Lösungsrecht im deutschen und französischen Recht ................. 269 I. Das Lösungsrecht im deutschen Recht ....................................... 269 1. Keine spezialgesetzliche Verankerung des Lösungsrechts im BGB.................................................................................. 269 2. Kein Lösungsrecht auf schuldrechtlichem Weg...................... 269 a) Kein Eigentumserwerb des Erwerbers .......................................... 270 b) Eigentumserwerb des Erwerbers ................................................. 270 3. Lösungsrechte auf deutschem Gebiet vor Inkrafttreten des BGB................................................................................. 273 4. Das Lösungsrecht in den Entwürfen des BGB........................ 276 a) Die Entwürfe zum BGB ............................................................ 276 b) Gründe gegen eine Verankerung des Lösungsrechts im BGB ............ 277 5. Verbliebene Aktualität des Lösungsrechts in Deutschland ..... 280 a) Lösungsrecht nach Landesrecht, Art. 94 Abs. 2 EGBGB .................. 280 b) Behandlung des Lösungsrechts im Kollisionsrecht ......................... 281 II. Das französische Lösungsrecht nach Art. 2277 C.c.................... 284 1. Grundsätzliches zum Lösungsrecht gem. Art. 2277 C.c. ........ 284 2. Die Folgen des Lösungsrechts: Ausgleichsansprüche und Risikotragung .................................................................. 286 a) Ausgleichsansprüche in Konstellationen, in denen ein Lösungsrecht gem. Art. 2277 C.c. nicht eingreift .............................................. 287 aa) Ausgleichsansprüche im Falle eines erfolgreichen gutgläubigen Eigentumserwerbs des Erwerbers nach Art. 2276 Abs. 1 C.c. ...... 287 bb) Ausgleichsansprüche im Falle eines gescheiterten gutgläubigen Erwerbs ohne das Recht, die Erstattung der Kaufpreissumme zu verlangen ..................................................................... 288 b) Ausgleichsansprüche in Konstellationen, in denen ein Lösungsrecht gem. Art. 2277 C.c. gegeben ist .................................................. 289 aa) Tatsächliche Erstattung des Kaufpreises durch den Eigentümer .... 290 (1) Weitere Ansprüche des Erwerbers .................................... 290 (2) Ansprüche des Eigentümers ............................................ 291 (a) Deliktsrechtliche Ansprüche ....................................... 291 (b) Ansprüche gegen den Veräußerer aufgrund Forderungsübergangs vom Erwerber auf den Eigentümer ................. 292

Inhaltsverzeichnis

XVII

(c) Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung .............. 294 (d) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ............... 295 (3) Ansprüche des Veräußerers gegen die vorherigen Veräußerer im Rahmen von Veräußerungsketten und gegen den Dieb bzw. Finder ................................................................. 295 bb) Rückerlangung der Sache durch den Eigentümer ohne Erstattung des Kaufpreises ................................................................. 295 c) Vergleich der Ausgleichsansprüche und der Risikotragung ............... 300

3. Sonderfall der Einzelrechtsnachfolge nach einem erstattungsberechtigten Erwerber ........................................... 301 4. Gesamtbewertung des französischen Lösungsrechts............... 304 C. Bewertung......................................................................................... 306 I. Flexibilität durch Lösungsrecht.................................................. 306 II. Komplexität durch Lösungsrecht................................................ 308 III. Lösungsrecht und Ökonomie...................................................... 309 IV. Zwischenergebnis ...................................................................... 310 2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos......................................... 313 A. Die Ausgangssituation ...................................................................... 314 B. Das Abhandenkommen einer Sache als Kriterium zur abweichenden Verteilung des Ausfallrisikos? ............................. 316 I. Begründungsansätze für die abweichende Beurteilung im Falle abhanden gekommener Sachen..................................... 316 1. Verschuldensprinzip............................................................... 317 2. Veranlassungsprinzip ............................................................. 319 3. Gedanke der Gefahrbeherrschung und Zurechnung ................ 320 4. Unwertgehalt bei gestohlenen oder verlorenen Sachen........... 321 5. Historische Erklärung; historische Rechtfertigung? ............... 322 II. Der Interessenvergleich bei abhanden gekommenen Sachen ...... 323 1. Die individuellen Komponenten bei der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen .............................................. 324 2. Die Veränderung der generellen Interessen ............................ 326 a) Senkung der insgesamt zu erwartenden Schäden? ........................... 327 b) Einschränkende Wirkung auf Diebstahl und Hehlerei? .................... 329 aa) Die tatsächliche Bedeutung von Diebstahlsund Hehlereidelikten .......................................................... 331 bb) Die Auswirkungen der Zuweisung des Ausfallrisikos auf den Handel mit abhanden gekommenen Sachen und den Verkehr generell ..................................................... 335 (1) Die erwartete größere Sorgfalt des Erwerbers und die Reduzierung der Nachfrage ........................................ 335 (2) Die Belastung des Verkehrs generell ................................. 337

XVIII

Inhaltsverzeichnis

III. Zwischenergebnis: Keine Sonderzuweisung des Ausfallrisikos aufgrund des Abhandenkommens der Sache ................... 338 C. Weitere Ansatzpunkte für die Zuweisung des Ausfallrisikos............. 343 I. Besondere Veräußerungssituationen als Kriterium der Zuweisung des Ausfallrisikos?............................................. 343 II. Eine abweichende Zuweisung anhand der Art der Sache? .......... 346 III. Eine abweichende Zuweisung anhand der Eigenschaften des Eigentümers? ....................................................................... 347 3. Kapitel: Die Zuordnung der Sache ..................................................... 349 A. Die Ausgangssituation ...................................................................... 349 B. Das Affektionsinteresse des Eigentümers als Kriterium der Sachzuordnung............................................................................ 351 I. Die Schwierigkeiten der tatbestandlichen Erfassung von Affektionsinteressen............................................................ 352 1. Verschiedene Lösungsansätze ................................................ 352 2. Beispiele zum Umgang mit Affektionsinteressen im deutschen Recht ................................................................ 354 a) Affektionsinteressen im deutschen Schadensersatzrecht ................... 354 b) Affektionsinteressen im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht ......... 357 II. Die Differenzierung anhand der Art der Sache als geeigneter Steuerungsparameter ........................................... 358 1. Regelkriterien für Sachen mit Affektionsinteresse ................. 359 a) Häufigkeit und Individualisierungsgrad der Sache .......................... 359 b) Haltbarkeit (Lebensdauer) einer Sache ......................................... 359 c) Häufigkeit und Geschwindigkeit der Eigentümerwechsel ................. 360 d) Wert und Wertbeständigkeit der Sache ......................................... 360 e) Zweckbestimmung und Adressatenkreis einer Sache ....................... 361 2. Sachkategorien, bei denen Affektionsinteressen typischerweise bestehen bzw. typischerweise fehlen ............................ 361 a) Sachen mit starkem potenziellen Affektionsinteresse ...................... 362 aa) Kunstwerke ...................................................................... 362 bb) Schmuck, Antiquitäten ........................................................ 363 cc) Haustiere ......................................................................... 364 dd) Fahrzeuge, insb. Pkw und Fahrräder? ..................................... 364 ee) Sachen von wissenschaftlichem Interesse und Sachen, die der Religionsausübung dienen ......................................... 365 b) Sachen mit geringem potenziellen Affektionsinteresse .................... 365 aa) Geld ............................................................................... 366 bb) Inhaberpapiere und sonstige Wertpapiere ................................ 367

III. Der Regelungsvorschlag ............................................................ 368

Inhaltsverzeichnis

XIX

C. Sonderzuordnung von öffentlichen Sachen ....................................... 369 D. Sachzuordnung anhand sonstiger Steuerungsparameter..................... 373 I. Die Vermutung eines ideellen Interesses des Eigentümers von abhanden gekommenen Sachen ........................................... 373 II. Der Unwertgehalt des Abhandenkommens als Sachzuordnungsgrund........................................................... 375 E. Zwischenergebnis ............................................................................. 375 4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel für den Interessenausgleich ............................................................... 376 A. Lösungsrecht oder Rückkaufsrecht? .................................................. 376 I. Die Unterschiede zwischen dem vorgeschlagenen Lösungsrecht i.w.S. (Rückkaufsrecht) und dem französischen Lösungsrecht.............................................................................. 377 II. Rückkaufsrecht statt Lösungsrecht i.e.S. .................................... 378 B. Der Rückkaufspreis........................................................................... 381 I. Der Ansatz des halben Kaufpreises ............................................ 381 II. Kaufpreis vs. Marktwert............................................................. 382 C. Aspekte des Zeitablaufs .................................................................... 385 I. Zeitliche Beschränkung des Rechts ............................................ 385 1. Grundsätzliches zur zeitlichen Beschränkung des Rückkaufsrechts............................................................... 385 2. Sonderaspekte zu den einzelnen Sachen................................. 386 II. Frist zur Ausübung des Rückkaufsrechts.................................... 387 D. Weitere Regelungsaspekte ................................................................ 388 5. Kapitel: Die Sonderfragen beim unentgeltlichen Erwerb ................... 390 A. Der unentgeltliche Erwerb vom Nichtberechtigten............................ 390 I. Die Verteilung des Ausfallrisikos .............................................. 391 II. Die Zuordnung der Sache........................................................... 392 III. Zwischenergebnis ...................................................................... 393 B. Der unentgeltliche Erwerb einer mit einem Rückkaufsrecht belasteten Sache von einem Dritten................................................... 394 I. Ausgangslage ............................................................................. 394 II. Die Berücksichtigung des gutgläubigen Vorerwerbers ............... 394

XX

Inhaltsverzeichnis

Schluss .................................................................................................. 397 A. Ergebnis ............................................................................................ 397 I. Die Steuerung der Ordnungsaufgabe des Ausgleichs des dem gutgläubigen Erwerb zugrunde liegenden Anspruchsgeflechts aus der Mehrpersonenkonstellation ............................. 397 II. Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuweisung des Eigentums ............................................................................ 399 B. Regelungsvorschlag .......................................................................... 401 Literaturverzeichnis ............................................................................... 405 Sachverzeichnis ..................................................................................... 423

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a.A. andere Ansicht a.a.O. am angegebenen Ort ABl. EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis ADHGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 aE am Ende a. F. alte Fassung AG Amtsgericht AKB Allgemeine Bedingungen für die Kraftverkehrsversicherung AktG Aktiengesetz ALR Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (1794) Alt. Alternative AnwKBGB Anwaltkommentar BGB AO Abgabenordnung Art. Artikel; Article (bei frz. Quellenangaben) ArtLReg Art Loss Register Az. Aktenzeichen BayAGBGB Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze Bd. Band Begr. Begründung bzw. Begründer BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BIJUS Internetprojekt zur Förderung der Kommunikation zwischen deutschen und französischen Juristen BMI Bundesminister(ium) des Inneren BMJ Bundesminister(ium) der Justiz BR Bundesrat bspw. beispielsweise BT-Drucks. Drucksache des Deutschen Bundestages Bull. civ. Bulletin des Arrêts Chambres civiles (Cour de Cassation) Bull. crim. Bulletin des Arrêts Chambre criminelle (Cour de Cassation) BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht CA Cour d’appel Cass. civ. Cour de Cassation, Chambre civil

XXII Cass. com. Cass. crim. Cass. req. C.c. C.com. Code du patr. Cons. cons. C.pén. D. D.A. DB D.C. DCFR DepotG d.h. DH Dig. DNotZ D.P. dt. EGBGB EGMR EGV Einf. Einl. EMRK EU EuGH EUV EuZW evtl. EWG f. FAZ ff. Fn. FS FZV GDV gem. GewO GG ggfs. GmbHG grds. Grünh. Zeitschr. HambWegG HGB

Abkürzungsverzeichnis Cour de Cassation, Chambre commerciale Cour de Cassation, Chambre criminelle La chambre des requêtes de la Cour de Cassation française Code civil Code de commerce Code du patrimoine Conseil constitutionnel Code pénal Recueil Dalloz Dalloz analytique (1941–1944) Der Betrieb Recueil critique Dalloz (dans le recueil Dalloz) (1941–1944) Draft Common Frame of Reference Depotgesetz das heißt Recueil Dalloz hebdomadaire (bis 1941) justinianische Digesten Deutsche Notar-Zeitung Dalloz périodique (dans le Recueil Dalloz) (bis 1941) deutsch Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführung Einleitung Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Fußnote Festschrift Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung grundsätzlich Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begr. von Grünhut Hamburgisches Wegegesetz Handelsgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis Hrsg. HWaG i.e.S Inf. rap. insb. InsO i.S.d. InvG IPRax i.V.m. i.w.S. JCP JCP E JCP G JCP N JuS JZ Kap. Kfz KG KOM(Jahr) KOM(Jahr) endg. KultGüRückG KultSchG K&R L. LG LM LuftVG LuftZVO MDR m.E. MittRh-NotK MoMiG Mrd. MüKo MüKo-AktG MüKo-HGB m.w.Nachw. n. F. NJW NJW-RR Nr. Nrn. NZG OHG OLG OVG Pkw

XXIII

Herausgeber Hamburgisches Wassergesetz im engeren Sinn Informations rapides insbesondere Insolvenzordnung im Sinne des/der Investmentgesetz Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts in Verbindung mit im weiteren Sinn Jurisclasseur périodique (Semaine juridique) Semaine juridique édition Entreprises Semaine juridique édition Générale Semaine juridique édition Notariale Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kraftfahrzeug Kammergericht Bericht der Kommission (Jahr) Endgültiger Bericht der Kommission (Jahr) Kulturgüterrückgabegesetz Kulturgutschutzgesetz Kommunikation und Recht Loi Landgericht Lindenmaier/Möhring Luftverkehrsgesetz Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Milliarde Münchener Kommentar zum BGB Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch mit weiteren Nachweisen Neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Personenkraftwagen

XXIV Prot. RabelsZ Rdnr. RegE Rép. civ. Dalloz Req. RFID RG RGZ RheinZ RL RTD civ. S. S. SachenRBerG. ScheckG SchiffRG SchuMoG sog. somm. StGB StVG StVZO SZ T. TGI Trib. civ. Trib. com. u.a. Ulp. Unidroit VersR vgl. VHB VIZ VO Vorb. vs. WG WM z.B. ZEuP ZfRV ZGB ZIP ZPO

Abkürzungsverzeichnis Protokoll Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Randnummer Regierungsentwurf Répertoire civil Dalloz Requête Radio Frequency Identification Reichsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht Richtlinie Revue trimestrielle de droit civil Satz (bei Gesetzeszitaten) Seite (bei Literaturangaben) Sachenrechtsbereinigungsgesetz Scheckgesetz Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sogenannt sommaire Strafgesetzbuch Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung Süddeutsche Zeitung Tome Tribunal de Grande Instance Tribunal civil Tribunal de commerce und andere / unter anderem Ulpian International Institut for the Unification of Private Law/ Institut International pour l’Unification du Droit Privé Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung vergleiche Allgemeine Hausrat-Versicherungsbedingungen Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht Verordnung Vorbemerkung versus Wechselgesetz Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht) zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Schweizer Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung

Abkürzungsverzeichnis ZRG ZRP z. T. ZVglRWiss

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

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Einleitung Einleitung Einleitung

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten hat für die Universität Erlangen in den vergangenen Jahrzehnten in zwei Fällen eine besondere praktische Bedeutung erlangt. Im Jahr 1992 ersteigerte die Universität Erlangen bei Christie’s in London für DM 1,87 Millionen ein historisches coloriertes Blumenbuch mit Pflanzenaquarellen des Nürnberger Arztes Joachim Camerarius (1534– 1598) (Camerarius Florilegium), das anlässlich seiner Präsentation vom damaligen bayerischen Kultusminister als „Schatz, wahre Kostbarkeit und Prunkstück“ bezeichnet wurde. Unbekannt war im Moment des Erwerbs und der Präsentation, dass das Buch seinem Eigentümer bereits Ende der 80er Jahre gestohlen worden war. Der Eigentümer hatte zunächst den Verlust nicht bemerkt, forderte das Buch nach Aufklärung des Sachverhaltes im Jahr 1997 aber wieder zurück. Inzwischen ist das Buch als Dauerleihgabe der Universität Erlangen überlassen.1 Im Jahr 2004 schließlich wurde aufgedeckt, dass der Hausmeister der Universitätsbibliothek Erlangen über mindestens 20 Jahre hinweg eine Vielzahl von wertvollen Büchern, darunter z.B. das „Kräuterbuch“ von Leonhart Fuchs (1543), die „Geschichte der einheimischen Gewürze der Schweiz“ von 1768 und eine bebilderte Pflanzenlehre von Casimir Schmidel von 1762, entwendet und an Antiquariate verkauft hatte.2 Die soeben geschilderten Sachverhalte berühren neben Fragen des Strafrechts eine klassische Frage des Zivilrechts. Um sicherzugehen, dass aufgrund des jeweiligen Erwerbsvorgangs auch tatsächlich das Eigentum an der Sache erworben werden kann, müsste ein Erwerber eigentlich Kenntnis von sämtlichen die Sache betreffenden tatsächlichen und rechtlichen Vorgängen haben. Dies würde alle Umstände aus der Entstehung der Sache

1 Vgl. u.a. Erlanger Nachrichten v. 11./12.01.1997, S. 13; Nürnberger Zeitung v. 26.02.1997, S. 5; Süddeutsche Zeitung v. 05.03.1997, Regionalteil Bayern. 2 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 19.11.2006, S. 70; zu einem Fall bei der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen, bei der ein Mitarbeiter Bücher im Gesamtwert von 20 bis 40 Millionen Euro entwendete vgl. Süddeutsche Zeitung v. 05.06.2004, S. 10 und Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 13.09.2007, S. 12.

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und jeglicher Eigentums- und Besitzübergangsvorgänge mit einschließen.3 Dass der absolute Eigentumsnachweis im Rechtsverkehr an seine tatsächlichen Grenzen stößt, wurde schon unter dem römischen Recht erkannt, das diesem Konflikt eine kurze Verjährung entgegensetzte. Später, vermutlich im Mittelalter, wurde für diese Herausforderung des absoluten Eigentumsnachweises im römischen Recht der Begriff des „teuflischen Beweis“ (probatio diabolica) geprägt.4 Im BGB wird dem Problem mit den Regelungen des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten begegnet.5

A. Gegenstand und Anlass der Untersuchung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist das Recht des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen unter besonderer Beachtung des Lösungsrechts, das in seiner häufigsten Form in bestimmten Konstellationen die Herausgabe der gutgläubig erworbenen Sache an den Eigentümer von der Erstattung des vom Erwerber gezahlten Kaufpreises durch den Eigentümer abhängig macht.6 Die Untersuchung abstrahiert die betroffenen Interessen und gesetzlichen Steuerungsparameter und bezieht die Ergebnisse aus einer Analyse des deutschen und des französischen Rechts in ihre Überlegungen mit ein. Das Ziel der Untersuchung ist dabei die Entwicklung eines Regelungsansatzes zum gutgläubigen Erwerb. Die Untersuchung vollzieht sich vor dem Hintergrund der fortschreitenden europäischen Rechtsvereinheitlichung.7 Der europäische Rechtsangleichungsprozess bringt neuen Schwung in eine Vielzahl von klassischen Rechtsfragen, die in den nationalen Rechtsordnungen möglicherweise 3 Dazu zählen bspw. das Alter, die Geschäftsfähigkeit, etwaige Umstände einer Bevollmächtigung, der Personenstand der Beteiligten, etwaige Diebstähle und Unterschlagungen sowie der oder die Orte, an denen Eigentumsübertragungen stattfinden sollten. Je länger eine Sache im Umlauf ist, desto zahlreicher und vielfältiger wären die erforderlichen Informationen. Jeder dieser Umstände könnte einer wirksamen Eigentumsübertragung entgegenstehen. 4 Zur Herkunft des Begriffs probatio diabolica vgl. Kiefner, ZRG 81 (1964), 212, 212 Fn. 2 m.w.Nachw. 5 Bei dem geschilderten Sachverhalt der Entwendung von Büchern aus der Universitätsbibliothek Erlangen liegt es allerdings nahe, davon auszugehen, dass sich den Erwerbern der Bücher die probatio diabolica nur in einem reduzierten Maße gestellt hat, wenn man berücksichtigt, dass die Bücher wohl durch Stempel oder ähnliche Kennzeichen als Bibliothekseigentum gekennzeichnet waren. 6 Zu den verschiedenen Erscheinungsformen eines Lösungsrechts vgl. unten S. 268 f. Zur Bezeichnung der Beteiligten im Rahmen eines gutgläubigen Erwerbs vgl. unten S. 19 ff. 7 Ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand findet sich am Ende der Einleitung (S. 10).

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schon seit Jahrzehnten gesetzgeberisch unberührt und wissenschaftlich aufgrund fehlender Anreize unberücksichtigt geblieben waren. Der Bereich des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen beschäftigt sich mit solch klassischen Rechtsfragen. Sowohl der deutsche als auch der französische Gesetzgeber haben die entsprechenden Regelungen seit Inkrafttreten der jeweiligen Kodifizierungen nur marginal verändert.8 Die Gerichte äußern sich zu den nationalen Kernvorschriften des gutgläubigen Erwerbs ebenfalls vergleichsweise selten, was darauf hindeutet, dass sowohl die Untergerichte als auch die sonstigen Rechtsanwender sich weitgehend auf die existierenden Normen eingestellt haben. So betrafen von den 3192 im Jahr 2009 beim Bundesgerichtshof (BGH) eingegangenen Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden nur 10 (0,31 %) den Besitz oder das Eigentum an beweglichen Sachen, einschließlich der Regelungen zum gutgläubigen Erwerb.9 Die geringen Fallzahlen korrespondieren allerdings nicht mit der großen Bedeutung der entsprechenden Regelungen, denn deren soziale Funktion besteht gerade darin, Prozesse zu verhindern.10 Auffallend, wenngleich wenig überraschend, ist zudem, dass sich die deutsche Rechtswissenschaft, insbesondere während der Zeit der Erarbeitung des BGB und unmittelbar nach Inkrafttreten des BGB, kritisch mit dem im BGB verankerten System des gutgläubigen Erwerbs auseinandergesetzt hat. Sie hat dabei zu einem höheren Anteil, als dies heute der Fall ist, grundsätzlich andere Systeme oder zumindest wesentliche Systemänderungen de lege ferenda gefordert.11 Für die vorliegende Untersuchung sind diese Werke daher wieder von aktueller Bedeutung. Im weiteren Verlauf hat sich die Diskussion um die Regelungen des gutgläubigen Erwerbs in Deutschland merklich reduziert12 und bspw. auf die Anwendung und Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale beschränkt,13 bzw. mit der zunehmenden Anerkennung der Bedeutung der Grundrechte für das Zivilrecht auf verfassungsrechtliche Fragestellungen konzentriert.14 8

Vgl. nachfolgend für den Code civil S. 45 und für das BGB S. 81. BGH, Übersicht über den Geschäftsgang bei den Zivilsenaten des Bundesgerichtshofes im Jahre 2009 –Jahresstatistik –, S. 6 und 20. 10 Vgl. auch Carbonnier, Biens, Nr. 235, der dort auch darauf hinweist, dass bei sozial bedeutenden Gegenständen die Zahl der Prozesse proportional deutlich höher ist. 11 Vgl. hierzu u.a. die im weiteren Verlauf dargestellten Stellungnahmen von von Lübtow, Brandt und Heck. 12 Insofern bereits eine Ausnahme ist die grundsätzliche Erörterung zum gutgläubigen Erwerb von Hübner aus dem Jahr 1955. 13 Vgl. u.a. Dünkel (1970) zur öffentlichen Versteigerung; Wolff (1967) zu abhanden gekommenen Sachen, Imbusch (1999) zu gestohlenen Sachen, Jacob (2007) zum Begriff der groben Fahrlässigkeit. 14 U.a. Hager, Verkehrsschutz, S. 9–87 (1990); Peters, S. 1 ff. (1991); Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 1 ff. (2005). 9

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Der Prozess der europäischen Rechtsvereinheitlichung hat hier neue Impulse gesetzt, denn mit der Aussicht auf eine mögliche künftige europäische Normsetzung oder einer europäisch veranlassten Rechtsvereinheitlichung sind auch die bekannten, akzeptierten und lange Zeit unberührten Regelungssysteme der nationalen Rechtsordnungen einer erneuten grundsätzlichen und rechtspolitischen Überprüfung zu unterziehen.15 Hier setzt die vorliegende Untersuchung an und fragt, ausgehend vom zugrunde liegenden Interessenkonflikt, nach einer sachgerechten Auflösung desselben. Die existierenden und seit über 100 (BGB) bzw. 200 (Code civil) Jahren funktionierenden Regelungen können dabei einen ersten Ansatz bilden. Es bleibt aber die Frage, ob diese Regelungen auch unter den nunmehr bestehenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Verhältnissen weiterhin eine zufriedenstellende Lösung des entsprechenden Interessenkonflikts darstellen können. Dabei kann die Berücksichtigung eines Lösungsrechts besondere Dienste leisten, ermöglicht es doch durch den ihm eigenen Ansatzpunkt ausdifferenzierte Lösungen und eine Abschichtung der betroffenen Rechtsfragen.16 Zudem bietet sich vor dem europäischen Hintergrund besonders die Methode der Rechtsvergleichung an, da die Vorarbeiten zu einer europäischen Rechtsangleichung in der Regel die existierenden nationalen Regelungen analysieren, die schließlich durch eine europäische Normierung ersetzt oder angeglichen werden sollen.17 Das Lösungsrecht selbst war sowohl unter historischen, als auch unter aktuellen und rechtsvergleichenden Gesichtspunkten ebenfalls bereits Gegenstand vertiefender Untersuchungen.18 Der Schwerpunkt lag dabei regelmäßig auf einer Analyse der Anwendung des Lösungsrechts in einer bestimmten Konstellation (Rückausnahme im Rahmen der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen), wie sie bspw. auch im französischen oder Schweizer Recht verwirklicht ist. Das Lösungsrecht kann aufgrund seines Wirkmechanismus die Auflösung des Interessenkonflikts aber noch viel grundsätzlicher regeln.19 15

In diese Richtung z.B. auch Prisching, S. 1 ff. (2006). Vgl. hierzu unten S. 267 ff., insbesondere S. 306 ff. 17 So stellt die Kommission im Rahmen des „gemeinsamen Referenzrahmens“ für das europäische Vertragsrecht fest, dass auf die geltenden nationalen Rechtsordnungen zurückgegriffen werden sollte, um etwaige gemeinsame Nenner zu finden, gemeinschaftliche Grundsätze zu entwickeln und gegebenenfalls die besten Lösungen zu ermitteln; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein kohärentes europäisches Vertragsrecht – ein Aktionsplan, ABl. EG Nr. C 63/1 vom 15.03.2003, Rdnr. 63. 18 Vgl. u.a. Felgentraeger, Völkl und Geyrhalter (letzterer unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Sachenrechts). 19 Ansätze dazu finden sich insbesondere in älteren Untersuchungen, z.B. bei Hübner, Brandt, von Lübtow, auf die im weiteren Verlauf noch näher einzugehen ist. 16

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Im Rahmen der Rechtsvergleichung bietet es sich hier im Besonderen an, das französische Recht bei der Untersuchung näher zu betrachten. Das französische Recht verfügt mit dem Code civil von 1804 über die traditionsreichste noch in Kraft befindliche Kodifizierung im Bereich der Europäischen Union,20 deren Ausgestaltung eine Vielzahl weiterer europäischer Kodifikationen beeinflusst hat.21 Überdies sieht der Code civil gerade für den Bereich des gutgläubigen Erwerbs einige bemerkenswerte Unterschiede zum deutschen Recht vor, einschließlich eines Lösungsrechts. Hier kann gleichzeitig auf über 200 Jahre Erfahrung in der Rechtsanwendung zurückgeblickt werden.22 Schließlich werden aufgrund seiner historischen rechtlichen Bedeutung, aber auch aufgrund der bedeutenden Stellung Frankreichs innerhalb der Europäischen Union, die im Code civil gefundenen Regelungen und Ergebnisse auch bei einem europäischen Rechtsangleichungsprozess nicht unberücksichtigt bleiben können. Diese Bedeutung des Code civil, verbunden mit der Bedeutung des deutschen Rechts gibt gerade der deutsch-französischen Rechtsvergleichung eine Sonderstellung.23 Diese beiden Rechtsordnungen haben „am nachhaltigsten die neuzeitliche kontinentaleuropäische Rechtsentwicklung beeinflusst“ und es wird erwartet, dass sie auch weiter der Motor eines künftigen gemeinsamen europäischen Zivilrechts sein werden.24 Gleichzeitig wurde aber zum gutgläubigen Erwerb im Allgemeinen und zum Lösungsrecht im Besonderen schon sehr viel gesagt, was es unmöglich macht, im Rahmen dieser Untersuchung auf jeden der mit diesen Rechtsinstituten im Zusammenhang stehenden Aspekte erschöpfend einzu20

Es handelt sich um das „unter den Händen der Vernunftrechtler in einem großen Abstraktionsprozess verwandelte römische Recht des bürgerlichen Zeitalters. Damit war dem Code ein geistesgeschichtlich-philosophisches Fundament von gemeineuropäischem Rang zugewiesen worden“; Hattenhauer, S. 38. 21 Dies geschah insbesondere durch die vergleichende Berücksichtigung des Code civil im Rahmen anderer nationaler Rechtssetzungsprozesse, unabhängig davon, ob die Ansätze des Code civil sich letztlich auch in den anderen Rechtsordnungen wieder finden. Zu den besonders durch den Code Civil beeinflussten Rechtsordnungen zählen u.a. Belgien, Italien und Spanien; vgl. u.a. Coste-Floret, in: Commission de Réforme du Code civil, Travaux Année 1945–1946, 34, 37 ff. In Deutschland galt der Code civil in den linksrheinischen Gebieten bis zum Inkrafttreten des BGB; vgl. Sonnenberger, ZVglRWiss 103 (2004), 127, 127. 22 Der Code civil ist am 21. März 1804 in Kraft getreten. Vgl. unten S. 45. 23 Neben der reinen Anzahl aktueller rechtsvergleichender Untersuchungen zum deutschen und französischen Recht sticht hervor, dass bereits sehr früh der wissenschaftliche Vergleich dieser beiden Rechtsordnungen eine bedeutende Rolle gespielt hat (zum Einfluss des Code civil und der rechtsvergleichenden Analyse im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zum BGB vgl. unten S. 276 ff.). Allein im weit verstandenen Umfeld des hier untersuchten Themenbereichs sind dies bspw. die Untersuchungen von Roux (1871), S. 62 ff. und El Moghazy (1927), S. 12 ff. zu nennen. 24 Ferid/Sonnenberger, Band 1/1, Vorwort S. 5 m.w.Nachw.

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gehen. Nicht zuletzt, weil vorliegende Arbeit im Grundansatz sämtliche Kategorien beweglicher Sachen erfasst. Dabei handelt es sich um ein weites Feld, das von individuellen Kunstwerken bis hin zu massenhaft vorkommenden Wertpapieren des modernen Kapitalmarkts reicht.25 Im Hinblick auf bestimmte Sachen hat sich die wissenschaftliche Diskussion, und in einigen Aspekten sogar die rechtliche Behandlung, teilweise vom allgemeinen Zivilrecht entfernt, so dass diese in der vorliegenden Untersuchung nur in ausgewählten Aspekten und nicht in vollem Umfang erfasst werden können.26 Außen vor bleiben zudem aufgrund des hier verfolgten Schwerpunkts vertiefte Auseinandersetzungen mit verwandten Aspekten, wie z.B. verschiedene kollisionsrechtliche oder kreditsicherungsrechtliche Fragestellungen.27

B. Methodik und Gang der Untersuchung Methodischer Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung ist die rechtsvergleichende Analyse des deutschen und französischen Rechts zur Regelung der dem gutgläubigen Erwerb zugrunde liegenden Interessenskonstellation. Daraus entwickelt sich der Gang der Darstellung. Die rechtsvergleichende funktionale Analyse zweier Rechtsordnungen im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand setzt an dem zugrunde liegenden sozialen Konflikt (vielfach einer bestimmten Interessenkollision verschiedener Beteiligter) an, der das Bedürfnis nach einer rechtlichen Regelung auslöst, und fragt danach, wie das Recht diesen Konflikt lösen und

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Vgl. zur Vielfalt der beweglichen Sachen unten S. 165 ff. Vgl. zur Behandlung von Wertpapieren insbesondere im Rahmen des modernen Effektengiroverkehrs unten S. 82 ff. und S. 193 ff. Neben der Beeinflussung durch kapitalmarktrechtliche Vorschriften sind historische Sonderregeln, wie z.B. im französischen Recht zur Erfassung in den Kriegswirren abhanden gekommener Wertpapiere (vgl. unten S. 255 f.), zu berücksichtigen. Zum Kulturgüterschutz bspw. unten S. 257 ff. und zur Behandlung von Kunstwerken unten S. 257 f. und S. 362 f. Ebenso keine nähere Berücksichtigung finden können Fragen im Umgang mit der Behandlung von Beschlagnahmen von Kunstwerken durch die Nationalsozialisten während des NS-Regimes oder der Umgang mit in Folge des Zweiten Weltkriegs erlangter Beutekunst. Für die Zwecke dieser Untersuchung wird eine im Wesentlichen störungsfreie Eigentums- und Verkehrsordnung vorausgesetzt, wie sie unter der Herrschaft eines Unrechtsstaats oder in einer von Kriegswirren geprägten Situation nicht gewährleistet ist; vgl. dazu auch unten S. 255 f. und S. 338 ff. 27 Zur Berücksichtigung des Kreditsicherungsrechts im Rahmen dieser Arbeit vgl. unten S. 20 f., S. 130 ff. und S. 190 ff. Zur kollisionsrechtlichen Behandlung ausländischer Lösungsrechte im deutschen Recht vgl. S. 281 ff. 26

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ordnen möchte (Ordnungsaufgabe).28 Davon ausgehend kann untersucht und verglichen werden, wie die verschiedenen Regelungen diese Ordnungsaufgabe in ihrem jeweiligen gesetzgeberischen, gewohnheitsrechtlichen, gerichtlichen und rechtswissenschaftlichen Gesamtkontext lösen, ohne sich dabei auf den formellen Vergleich zweier spezifischer Normenkomplexe zu beschränken.29 Eine Folge dieser über die Systematik der einzelnen Rechtsordnung hinausgehenden funktionalen Betrachtungsweise ist, dass sich eine solche Betrachtung von den dem jeweiligen nationalen Recht spezifischen Systembegriffen lösen muss und sowohl für die entsprechende Ordnungsaufgabe als auch für die im nationalen Recht verwendeten Regelungselemente beschreibende Oberbegriffe gefunden und verwendet werden müssen. Auch hier ist die Funktion eines nationalen Tatbestandmerkmals im Rahmen der Ordnungsaufgabe zu erfassen, ohne sich den hinter dem nationalen Begriff stehenden rechtlichen Gehalt vollumfänglich zu Eigen zu machen.30 In der vorliegenden Arbeit werden daher Begriffe wie die „qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft“ (die unter anderem den deutschen „Besitz“ mit umfasst), der „Vermögenseinsatz“ (um Zahlungen und Eigentumswerte gleichermaßen zu erfassen) und „Kontaktperson“ (zur Bezeichnung der Beziehung zweier Beteiligter, die vertraglicher oder eher tatsächlicher Natur sein kann) verwendet.31 Die Erkenntnis über die Auflösung der Ordnungsaufgabe im jeweiligen nationalen Recht stellt den ersten grundsätzlichen Schritt des rechtsvergleichenden Vorgehens dar. Um die dadurch gewonnenen Erkenntnisse fruchtbar zu machen, sind diese gemeinsam im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den dahinter stehenden Konflikt zu würdigen, wodurch sich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Rechtsordnungen herauskristallisieren. Auf der Basis dieser vertieften Analyse kann schließlich eine eigenständige Bewertung des der Ordnungsaufgabe zugrunde liegenden Interessenkonflikts vorgenommen werden. Dieser Vorgang ist auch einer rein nationalen Wertungsjurisprudenz nicht fremd, wird aber bei der Rechtsvergleichung durch zusätzliche fremdrechtliche Modelle und besondere Erfahrungsschätze angereichert.32 28

Vgl. auch Zweigert/Kötz, § 3 II (S. 33); Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, § 13 Rdnr. 11 ff. (S. 280 f.). 29 Vgl. Rabel, Aufgabe und Notwendigkeit der Rechtsvergleichung, S. 4 f.; Koch/ Magnus/Winkler von Mohrenfels, § 13 Rdnr. 11 ff. (S. 280 f.). 30 Vgl. auch Zweigert/Kötz, § 3 II (S. 33 f.) im Hinblick auf die Aufgabenbeschreibung. 31 Zur „qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft“ vgl. insb. unten S. 173 ff.; zum „Vermögenseinsatz“ insb. S. 36 ff. und 126 ff.; zur „Kontaktperson“ insb. S. 38 ff. 32 Im Bereich des gutgläubigen Erwerbs wird im deutschen Recht teilweise bereits grundsätzlich kritisiert, dass keine ausreichende Interessenbewertung stattgefunden habe.

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Ergänzend werden bei dieser Arbeit auch die von der ökonomischen Analyse des Rechts33 zur Verfügung gestellten Werkzeuge berücksichtigt, ohne dass die ökonomische Analyse allerdings den Leitgedanken der Untersuchung darstellt oder ihr per se eine erhöhte Entscheidungskompetenz zugesprochen werden soll.34 Ökonomische Aspekte sind aber neben außerökonomischen Aspekten (bspw. gesellschaftspolitischen Anliegen und technischen Zwängen) insbesondere dort zu berücksichtigen, wo mehrere außerökonomisch gleichwertige Lösungsmöglichkeiten bestehen.35 Im Rahmen dieser Untersuchung werden die ökonomischen Aspekte an der jeweils relevanten Stelle des Interessenvergleichs und der Bewertung der Steuerungsparameter berücksichtigt. Dort kann das Instrumentarium der ökonomischen Analyse zusätzliche Klarheit über die Auswirkungen eines Vgl. z.B. Giehl, AcP 161 (1962), 357, 358: „finden wir anstelle einer gebotenen Wertung des Interessenszwiespaltes zwischen Eigentümer und Erwerber (…) eine starre Gesetzesmechanik“ oder Dünkel, S. 2, der die BGB-Regelung als „Zufallsprodukt“ der Geschichte bezeichnet. 33 Die ökonomische Analyse beleuchtet die Gestaltung von Rechtsinstituten unter dem Blickwinkel ihrer ökonomischen Funktionen und wirtschaftlichen Auswirkungen, Horn, Rdnr. 131. 34 Der Stellenwert der ökonomischen Analyse des Rechts in der Rechtswissenschaft und bei der Rechtssetzung ist aufgrund der Konzentration der Beurteilung auf die ökonomische Effizienz und der mangelnden Berücksichtigung außerökonomischer Gesichtspunkte seit jeher umstritten (vgl. u.a. Horn, Rdnr. 132; Reimann, § 63 3. (S. 266)). Die ökonomische Analyse fußt zudem in vielen Bereichen auf theoretischen Annahmen zu menschlichem Verhalten oder zur Entwicklung eines Markts, die nicht völlig der Realität entsprechen; vgl. die Wiedergabe dieser Kritik in Salje, Rechtstheorie 15 (1984), 277, 289. Diese Defizite werden auch von führenden Vertretern der ökonomischen Analyse nicht geleugnet. So stellt Posner klar, dass die Ökonomie einige Fragen nicht beantworten kann, so bspw. die Frage, ob die existierende Einkommens- und Vermögensverteilung gut oder schlecht, gerecht oder ungerecht ist. Ebenso wenig die Frage, ob eine effiziente Ressourcenzuteilung (Ressourcenallokation) sozial und ethisch wünschenswert ist. Aus diesen Gründen sei die Kompetenz des Ökonomen in der Diskussion über das Rechtssystem beschränkt; Posner, S. 14 f. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise und die dadurch verstärkte wirtschaftswissenschaftliche Diskussion um die Geeignetheit eines homo oeconomicus und dessen rein rationales Verhaltensmuster als Leitbild individueller Entscheidungen dürfte die Grundprämisse der ökonomischen Analyse des Rechts weiter geschwächt haben. An Bedeutung gewonnen hat im Bereich der Wirtschaftswissenschaften zuletzt die Theorie der Verhaltensökonomik (Behavioral Economics), die gerade darauf aufbaut, dass das Handeln des Einzelnen nicht ausschließlich rational gesteuert wird, sondern u.a. auch von Neigungen, Ängsten und Emotionen (vgl. Plickert, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.07.2009, S. 10; Lotter, brand eins, 05/2010, S. 36 ff.) bzw. Vertrauen, Fairness, Korruption und unmoralischem Verhalten, Geldillusion und Geschichten (Akerlof/Shiller, S. 24 ff.) beeinflusst wird. 35 Salje, Rechtstheorie 15 (1984), 277, 290. Grundmann spricht (in Bezug auf Einzelfallentscheidungen) von der Suche nach praktischer Konkordanz zwischen rechtsethischen und ökonomischen Aspekten, RabelsZ 61 (1997), 423, 451 f.

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Regelungsansatzes auf den Interessenvergleich und die Wirkung eines Steuerungsparameters bringen.36 Insgesamt wird sich im Laufe der Untersuchung zeigen, dass im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs schon seit jeher ökonomische Elemente, und zwar in der Ausprägung des Verkehrsschutzes, eine maßgebliche Rolle spielen.37 Aus der Methode der funktionalen Rechtsvergleichung ergibt sich der Ablauf der Untersuchung. In Teil 1 (Die Ausgangsposition) der Untersuchung werden der den Regelungen zum gutgläubigen Erwerb zugrunde liegende Interessenkonflikt, die jeweiligen Beteiligten und die Ergebnisvarianten analysiert. Die Auflösung dieses Geflechts aus verschiedenen Interessen sowie schuldrechtlichen und sachenrechtlichen Beziehungen ist die Ordnungsaufgabe der Regelungen zum gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen. Da verschiedene gegenwärtige und historische Rechtsinstitute diese Ordnungsaufgabe adressieren, folgt eine Darstellung dieser verschiedenen Lösungsvarianten. Im Vordergrund stehen hierbei die Regelungen des deutschen und französischen Rechts. Insbesondere verfügt das französische Recht mit dem Lösungsrecht des Erwerbers über ein besonderes Werkzeug zur Behandlung des Interessenkonflikts. Aufgrund seiner Bedeutung für das französische und das deutsche Recht im Allgemeinen und seiner Bedeutung im Bereich des gutgläubigen Erwerbs im Speziellen wird zudem der Lösungsansatz des römischen Rechts dargestellt. Dabei sind nicht nur die speziellen Rechtsinstitute des gutgläubigen Erwerbs, sondern auch die Ersitzungsund Verjährungsregeln zu beachten. Teil 2 (Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision) der vorliegenden Darstellung beschäftigt sich mit den betroffenen Interessen. Im Rahmen dieses Interessenvergleichs ist zwischen den betroffenen individuellen Interessen der einzelnen Beteiligten und den betroffenen generellen Interessen einer Rechtsordnung zu unterscheiden. Von Bedeutung ist hierbei insbesondere das besondere Interesse des Verkehrsschutzes. Gerade hier spielen auch allgemeine ökonomische Interessen eine Rolle. In die Interessenbewertung fließen anschließend beide Aspekte ein. Weiterhin werden in Teil 2 die verschiedenen Steuerungsparameter, die zur Lösung der Ordnungsaufgabe in den untersuchten Rechtsordnungen verwendet werden, von den jeweiligen nationalen Regelungen abstrahiert und kritisch 36

Die ökonomische Analyse eignet sich auf diese Weise, um etwaige den Regelungen zugrunde liegende Aspekte zu verdeutlichen, vgl. Reimann, § 63 3. (S. 266). 37 Wenn bspw. bei Schäfer/Ott, 18. Kap. 2. (S. 572 ff.) vom gutgläubigen Erwerb als Mittel zur Verteilung von Informationsaufwendungen die Rede ist, so steckt darin im Kern die bekannte Problematik der probatio diabolica. Die von der ökonomischen Analyse vorgenommene besondere Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Aspekte korrespondiert mit der Berücksichtigung genereller Interessen wie dem Verkehrsschutzinteresse.

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auf ihre Geeignetheit zum Interessenausgleich bewertet. Daraus ergeben sich die für eine Regelung relevanten gesetzgeberischen Bausteine. Dabei zeigt sich, dass neben den beiden Grundbausteinen der Berücksichtigung einer besonders qualifizierten Sachherrschaft an der Sache und der Gutgläubigkeit des Erwerbers im Hinblick auf die Berechtigung des Veräußerers eine Vielzahl in den nationalen Rechtsordnungen immer wiederkehrender sonstiger Bausteine die Auflösung der Ordnungsaufgabe steuert. Teil 3 (Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung des Eigentums an der Sache) schließlich beginnt mit einer genaueren Betrachtung des Lösungsrechts. Seine Erscheinungsformen und seine Bedeutung im deutschen und französischen Recht werden dabei näher erläutert. Vor dem Hintergrund eines möglichen Einsatzes eines Lösungsrechts wird ein sachgerechter Ausgleich der zuvor identifizierten relevanten Interessen angestrebt. Dabei werden die Interessen und Parameter zur Verteilung des Ausfallrisikos des schuldrechtlichen Rückgriffsanspruchs getrennt von den Interessen und Parametern zur Zuordnung des Eigentums an der Sache beleuchtet. Nicht zuletzt wird dabei die fortdauernde Tauglichkeit des Kriteriums der Sonderbehandlung gestohlener oder sonst abhanden gekommener Sachen untersucht. Auf der Grundlage der hierbei erzielten Ergebnisse wird letztlich ein Regelungsvorschlag für ein System des gutgläubigen Erwerbs entwickelt. Dabei wird insbesondere zu sehen sein, dass einem Lösungsrecht in Form eines Rückkaufsrechts eine maßgebliche Rolle bei der Feinsteuerung des Interessenausgleichs zukommt.

C. Überblick zum europäischen Hintergrund Der Einfluss des Rechtsangleichungs- und Rechtsvereinheitlichungsprozesses der Europäischen Union38 auf das Recht der Mitgliedstaaten ist vielfältig und betrifft nahezu alle Rechtsgebiete; auch das Privatrecht. So hat in Deutschland nicht zuletzt die Notwendigkeit der Umsetzung europäischer Richtlinien Anlass zu einer schon zuvor lange diskutierten umfangreichen Änderung des BGB im Wege des Schuldrechtsmodernisierungsge-

38 Weitere internationale Bestrebungen zur Rechtsvereinheitlichung mit Bezug zum gutgläubigen Erwerb wurden bspw. von Unidroit verfolgt. 1968 wurde ein 1974 zunächst modifizierter und anschließend fallen gelassener Entwurf zum gutgläubigen Eigentumserwerb bei Waren vorgestellt, der sich die Suche nach der besten Lösung zum Ziel gesetzt hatte, vgl. Sauveplanne, L’unification du droit 1967/1968, 140 ff., insb. 150 Fn. 2 (französisch) bzw. 151 Fn. 2 (englisch). Später wurde ein Teil davon für die UnidroitKonvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter vom 24.06.1995 verwendet; siehe auch Karner, S. 47 f. Zum Unidroit-Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung vgl. unten S. 192 ff.

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setzes geführt.39 Es ist zu erwarten, dass auch künftig maßgebliche Änderungen des nationalen Zivilrechts europäisch veranlasst sein werden. Aktuell existiert eine Vielzahl von Initiativen und Bestrebungen der Europäischen Union zur weiteren Zivilrechtsharmonisierung, die eng mit parallelen wissenschaftlichen Überlegungen verknüpft sind.40 Neben den inhaltlichen Fragen und rein rechtstechnischen Aspekten, wie z.B. Kompetenznorm, Sprache und Umsetzungsvariante,41 spielen hier grundsätzliche Fragen zum Für und Wider einer europäischen Privatrechtsvereinheitlichung eine Rolle.42 Für die Zwecke dieser Untersuchung soll hier ein kur39 Vgl. u.a. Däubler-Gmelin, NJW 2001, 2281 ff. In Frankreich haben sich die Autoren Zenati-Castaing und Dross/Mallet-Bricout in ihren jeweiligen Kommentaren zur geplanten französischen Reform des Sachenrechts bspw. dafür ausgesprochen, auf eine rein national motivierte Rechtsänderung zu verzichten und ggfs. die europäisch motivierte Entwicklung abzuwarten und daran mitzuwirken; Zenati-Castaing, RTD civ. 2009, S. 211 ff. (insb. unter 1., 2. und 32.); Dross/Mallet-Bricout, D. 2009, S. 508 ff. (unter VI.). 40 So finden sich schon in den ersten Entschließungen des Europäischen Parlaments Aufforderungen, die Wissenschaft einzubinden und zu unterstützen; Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Bemühungen um eine Angleichung des Privatrechts der Mitgliedstaaten vom 26.05.1989, ZEuP 1993, 613, 614. Darüber hinaus erteilen die europäischen Institutionen Aufträge an wissenschaftliche Einrichtungen zur Vorbereitung verschiedener Maßnahmen. Neben individuellen wissenschaftlichen Forschungen und der unten näher erläuterten Study Group on a European Civil Code sind u.a. folgende wissenschaftliche Zusammenschlüsse und Arbeitsgruppen zu nennen: die Lando-Kommission um Ole Lando und die von ihr erarbeiteten Principles of European Contract Law (PECL), die European Group on Tort Law (Tilburg-Gruppe), die International Working Group on European Trust Law, die Trento-Gruppe (The Common Core of European Private Law), die Society of European Contract Law (SECOLA), die Commission on European Family Law (CEFL), die Working Group on the Approximation of the Civil Procedure Law (Storme-Gruppe), die Academy of European Private Lawyers (GandolfiGruppe), European Research Group on Existing EC Private Law (Acquis-Gruppe), die Working Group on Uniform Terminology for European Private Law, die Project Group Restatement of European Insurance Contract Law. 41 Vgl. zu diesen Problemkreisen u.a. W.-H. Roth, S. 31 ff.; Basedow, AcP 200 (2000), 445, 473 ff. ders. in JuS 2004, 89 ff.; Tilmann/van Gerven, in: Europäisches Parlament (Hrsg.), Untersuchung der Privatrechtsordnungen der EU, S. 185 ff.; DaunerLieb, NJW 2004, 1431, 1433 f. (die besonders die Sprachenfrage als „das größte praktische Problem“ bezeichnet). 42 Vgl. zum aktuellen Stand der Diskussionen um ein einheitliches Europäisches Zivilgesetzbuch bspw. Mittwoch, JuS 2010, 767, 770. Die grundsätzlichen Fragen sind hier zu großen Teilen mit jenen vergleichbar, die sich anlässlich der Einführung gesamtdeutscher Kodifikationen gestellt haben und die dem berühmten Meinungsaustausch zwischen Thibaut („Über die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland“, 1814) und Savigny („Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“, 1814) zugrunde lagen. Insbesondere die Argumente von Thibaut (Vereinheitlichung zersplitterten Rechts (S. 12, 15 ff.), Fortentwicklung existierenden Rechts (S. 13 ff.), Stärkung der Gemeinschaft (S. 14, 33 ff.), länderübergreifende Aus-

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zer Überblick zu den europäischen Entwicklungen mit einem möglichen Bezug zum Recht des gutgläubigen Erwerbs genügen. Ein mögliches Fernziel der europäischen Bemühungen ist ein einheitliches Europäisches Zivilgesetzbuch.43 Im Sachenrecht und besonders auf dem Gebiet des gutgläubigen Erwerbs existiert bislang nur eine geringe Anzahl an Rechtsangleichungsoder Rechtsvereinheitlichungsmaßnahmen.44 Neben dem Wiener Aktionsplan von 199845 ist hier an vorderster Stelle der im Wesentlichen von der

bildung und Berufstätigkeit (S. 65)) sind auch in der gegenwärtigen Debatte relevant. Zu Argumenten für ein Europäisches Zivilgesetzbuch vgl. Bericht des Europäischen Parlaments über die Annäherung des Zivil- und Handelsrechts der Mitgliedstaaten (KOM(2001) 398 – C5-0471/2001 – 2001/2187(COS)), A5-0384/2001, Begründung, S. 11 f.; Staudenmayer, EuZW 2001, 485, 486; Möllers, JZ 2002, 121, 126. Kritisch äußern sich zum Vorhaben eines einheitlichen Europäischen Zivilgesetzbuchs u.a. Kronke, S. 4 ff.; Bergel, FS für Sonnenberger, 2004, 761, 763 ff.; Dauner-Lieb, NJW 2004, 1431, 1431. 43 Auf institutioneller Seite hat die Diskussion über ein Europäisches Zivilgesetzbuch ihren Ursprung beim Europäischen Parlament, vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26.05.1989, ZEuP 1993, 613, 614; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06.05.1994, ZEuP 1995, 669; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16.3.2000, ABl. C 377/323 vom 29.12.2000, Rdnr. 28. Die Justizkommissarin Reding hat das Vorhaben ebenfalls auf ihre Agenda gesetzt, EuZW 2010, 82; Vgl. auch zuletzt Europäische Kommission, Grünbuch der Kommission – Optionen für die Einführung eines Europäischen Vertragsrechts für Verbraucher und Unternehmen (KOM(2010) 348 endg.); zur Geschichte eines einheitlichen europäischen Zivilrechts einschließlich seiner römisch geprägten Wurzeln siehe bspw. Gebauer, insb. S. 13 ff. 44 Der gemeinschaftliche Besitzstand (acquis communautaire) auf dem Gebiet des Sachenrechts ist nicht sehr ausgeprägt; vgl. z.B. Rat der Europäischen Union, Entwurf eines Berichts des Rates über die Notwendigkeit einer Angleichung der zivilrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten vom 29.10.2001, 13017/01, Rdnr. 13. Einige Richtlinien betrafen sachenrechtliche Aspekte, so z.B. Richtlinie 93/7/EWG vom 15.3.1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (siehe auch unten S. 254 ff.), Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten, zuletzt geändert durch Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 (u.a. Regelungen zur Bestellung von Sicherheiten an beweglichen Sachen in Form von Wertpapieren), Richtlinie 2000/35/EG vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Regelungen zum Eigentumsvorbehalt). 45 Der sog. Wiener Aktionsplan umfasste insbesondere die „Prüfung der Möglichkeit einer Rechtsangleichung in bestimmten Bereichen des Zivilrechts, wie bspw. die Einführung international einheitlicher privatrechtlicher Vorschriften für den gutgläubigen Erwerb von beweglichen Sachgütern“ als binnen fünf Jahren zu ergreifende Maßnahme im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen; Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vom 3.12.1998 („Wiener Aktionsplan“), ABl. EG Nr. C 19/1 vom 23.01.1999, Rdnr. 41 lit. f.

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Study Group on a European Civil Code46 erarbeitete47 und im Februar 2009 herausgegebene wissenschaftliche Referenzrahmen (Draft Common Frame of Reference, DCFR) zu nennen, der sich in seinem VIII. Buch auch mit der Eigentumsübertragung beweglicher Sachen, einschließlich des gutgläubigen Erwerbs, beschäftigt (Acquisition and loss of ownership of goods (Book VIII)). 48 Der DCFR soll nach der Absicht der Verfasser die Basis eines von der Kommission geforderten politischen Referenzrahmens (Common Frame of Reference) sein.49 Im Schwerpunkt beschäftigt sich der DCFR, wie schon vorherige Bemühungen (vgl. insbesondere die Principles of European Contract Law der Lando-Gruppe), aber mit einer Vereinheitlichung des Vertragsrechts und nicht des Sachenrechts.50

46 Vgl. dazu die mit Beendigung des Projekts seit 2009 nicht mehr aktualisierte Webseite , zuletzt abgerufen am 26.10.2010; Zur Geschichte, Finanzierung und anderen Fragen siehe u.a. von Bar, Die Study Group on a European Civil Code, in: Europäisches Parlament (Hrsg.), Untersuchung der Privatrechtsordnungen der EU, 1999, S. 135 ff. 47 Die Study Group on a European Civil Code hat sich für die Zwecke der Entwicklung des wissenschaftlichen Referenzrahmens mit der European Research Group on Existing EC Private Law (Acquis-Gruppe) zusammengetan; vgl. von Bar/Clive/SchulteNölke, DCFR-Outline Edition, S. 3; dazu auch Martens, EuZW 2010, 527, 528. 48 Von Bar/Beale/Clive/Schulte-Nölke, DCFR-Outline Edition, S. 421 ff. Für dieses zeichnet das Working Team on Transfer of Moveable Property unter der Leitung von Brigitta Lurger (Universität Graz) verantwortlich ( zuletzt abgerufen am 26.10.2010). 49 Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein kohärentes europäisches Vertragsrecht – ein Aktionsplan vom 12.02.2003 (KOM(2003) 68 endg.). 50 Zum Schwerpunkt des Vertragsrechts im Bereich der europäischen Privatrechtsvereinheitlichung vgl. auf institutioneller Ebene auch Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Europäischen Vertragsrecht vom 11.07.2001 (KOM(2001), 398); Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein kohärentes europäisches Vertragsrecht – ein Aktionsplan vom 12.02.2003, (KOM(2003) 68 endg.); Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstands – weiteres Vorgehen vom 11.10.2004 (KOM(2004) 651 endg.); Bericht der Kommission – Erster jährlicher Fortschrittsbericht zum europäischen Vertragsrecht und zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands vom 23.09.2005 (KOM(2005) 456 endg.); Zweiter Fortschrittsbericht zum Gemeinsamen Referenzrahmen vom 25.07.2007 (KOM(2007) 447 endg.); Europäische Kommission, Grünbuch der Kommission – Optionen für die Einführung eines Europäischen Vertragsrechts für Verbraucher und Unternehmen (KOM(2010) 348 endg.), S. 12; Allenfalls im Hinblick auf Aspekte des Kreditsicherungsrechts wurde hier ein Bezug zum Sachenrecht beweglicher Sachen hergestellt.

Teil 1

Die Ausgangsposition Teil 1: Die Ausgangsposition Teil 1: Die Ausgangsposition

Dem gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen1 liegt folgender Basissachverhalt zugrunde: Ein Nichtberechtigter verfügt zugunsten eines Erwerbers über das Eigentum an einer beweglichen Sache des Eigentümers. Das charakteristische Merkmal dieses Sachverhalts ist die Verfügung durch einen Nichtberechtigten, also durch eine Person, die weder Eigentümer noch sonst zur Verfügung über das Eigentum befugt ist. Mit Ausnahme der fehlenden Verfügungsberechtigung handelt es sich um Rechtsgeschäfte, die im Übrigen fehlerfrei sind.2 Andere mögliche Störungen, wie bspw. fehlende Geschäftsfähigkeit, fehlerhafte Bevollmächtigung, Willensmängel, Sittenwidrigkeit3 oder Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot4, die rechtlich zur Unwirksamkeit der Übereignung vom Nichtberechtigten an den Erwerber führen können, werden im Folgenden nicht näher erörtert 1

Die nachfolgend beschriebene Situation wird im Folgenden als „Konstellation des gutgläubigen Erwerbs“ bezeichnet, auch wenn das jeweils in Bezug genommene Recht diese nicht über eine eigenständige Rechtsfigur des „gutgläubigen Erwerbs“ auflöst (so z.B. das römische Recht; vgl. dazu unten S. 109 ff.). 2 Ähnlich die Beschreibung von Frotz zum österreichischen Recht: „Die Vorschriftengruppe [zum gutgläubigen Erwerb] betrifft im allgemeinen die Frage des Eigentumserwerbs an Mobilien, über die jemand aufgrund eines gültigen Titelgeschäfts zwischen ihm und dem potenziellen Erwerber im eigenen Namen verfügt, wobei die zum Eigentumserwerb nach heute herrschender Meinung notwendige Einigung der Parteien über den Eigentumsübergang (der sog. dingliche Vertrag) ebenfalls gültig ist, die ‚Übergabeerfordernisse‘ (...) eingehalten worden sind, der Verfügende aber weder Eigentümer der Sache, noch von diesem zu der konkreten Verfügung ermächtigt ist.“ FS Kastner, 131, 141. 3 In der deutschen Jurisprudenz wird die Frage diskutiert, ob § 138 BGB überhaupt auf den dinglichen Vertrag anwendbar ist oder ob diese Norm nicht vielmehr wertneutral ist, vgl. hierzu u.a. Baur/Stürner, § 5 Rdnr. 51. 4 Unter Geltung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips stellt sich im deutschen Recht ebenso die Frage, ob dabei zudem das Verfügungsgeschäft unwirksam sein kann. Die mögliche Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts beurteilt sich dabei nach dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes. So ist ein Verfügungsgeschäft wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam, wenn die Umstände, aufgrund derer sich die Verbotswidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts ergibt, zugleich und unmittelbar auch das Erfüllungsgeschäft berühren, BGHZ 115, 123, 130.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

und sind von der Konstellation der fehlenden Verfügungsberechtigung, insbesondere des fehlenden Eigentums des Veräußerers, zu unterscheiden. Allerdings können diese Aspekte insoweit an der Konstellation beteiligt sein, als dass die Störungen der vorangegangenen Rechtsgeschäfte überhaupt erst dazu geführt haben, dass der nunmehr Verfügende als Nichtberechtigter verfügt.5 Dennoch betrifft die dem gutgläubigen Erwerb zugrunde liegende Konstellation nicht nur das Sachenrecht, denn bei der Auflösung dieser Konstellation ist mit der sachenrechtlichen Zuordnung auch über mögliche schuldrechtliche Ausgleichsansprüche zu entscheiden. So muss die sachenrechtliche Entscheidung über die Eigentümerstellung mit den schuldrechtlichen Grundgeschäften, die einen Eigentumserwerb beabsichtigen, sowie mit eventuellen Ausgleichs- und Entschädigungsvorschriften in Einklang zu bringen sein. Damit entsteht zwischen sämtlichen an der Konstellation beteiligten Personen ein bunter Strauß von schuldrechtlichen und sachenrechtlichen Beziehungen und Ansprüchen. Das Schuld- und das Sachenrecht werden jedoch von unterschiedlichen Grundsätzen regiert. Während bei einer rein schuldrechtlichen Problematik ein Ausgleich unter den Beteiligten gesucht werden kann, muss bei sachenrechtlichen Fragestellungen aufgrund der absoluten Wirkungen von Sachenrechten auch auf die schutzwürdigen Interessen anfänglich unbeteiligter Dritter Rücksicht genommen werden. Dabei spielt der sachenrechtliche Grundsatz der Publizität eine entscheidende Rolle.6 Die Erörterung der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs kann sich somit nicht allein auf die Betrachtung der Interessen der unmittelbar Beteiligten beschränken. Wie sich schon aus der obigen Beschreibung des Basissachverhalts ergibt, bilden die drei unmittelbar Beteiligten – Eigentümer, Veräußerer und Erwerber – und ihre Verbindungen untereinander den Kern des rechtlichen Beziehungsgeflechts, das aus der Verfügung des Veräußerers resultiert. Zusätzlich können weitere Personen direkt oder indirekt in die Betrachtung mit einzubeziehen sein. Dabei spielen sowohl objektive als auch subjektive Umstände eine Rolle. Hierauf wird noch näher einzugehen sein.7 Eine Lösung der Konstellation muss sich an der zu regelnden Aufgabe und den daraus resultierenden denkbaren Ergebnissen orientieren (1. Kapitel). Dafür haben sich in den vergangenen Jahrhunderten in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedliche Institute herausgebildet, die – von

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Hierzu siehe auch unten die Erörterungen zur Bedeutung des Abstraktionsprinzips für den gutgläubigen Erwerb (Teil 1, 1. Kapitel, Fn. 10) und die Behandlung in Frankreich auf der Basis des Konsensprinzips (vgl. dazu auch S. 22 und S. 55). 6 Zum Publizitätsprinzip vgl. unten S. 162 ff. 7 Vgl. unten S. 125 ff.

Teil 1: Die Ausgangsposition

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Rechtsordnung zu Rechtsordnung unterschiedlich – teilweise kombiniert und teilweise alternativ Anwendung finden (2. Kapitel).

1. Kapitel

Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis 1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

Die Konstellation des gutgläubigen Erwerbs führt zu einem sachenrechtlichen Mehrpersonenverhältnis (A.). Zur Auflösung dieses Mehrpersonenverhältnisses muss über die Zuordnung des Eigentums und über etwaige Ausgleichsansprüche entschieden werden (B.).

A. Die Beteiligten und ihre Beziehungen untereinander Die Konstellation des gutgläubigen Erwerbs betrifft mindestens drei Personen: den Eigentümer, den Veräußerer und den Erwerber (Grundkonstellation). Diese drei Personen verfolgen unterschiedliche Interessen; bei zwei Beteiligten, dem (ursprünglichen) Eigentümer und dem (vermeintlichen) Erwerber, kollidieren die Interessen unmittelbar. Sowohl der (ursprüngliche) Eigentümer als auch der (vermeintliche) Erwerber beanspruchen beide das Eigentum an derselben Sache. Darüber hinaus können eine Reihe anderer Personen eingebunden sein.

I. Die Position des Eigentümers 1. Der Eigentümer Der Eigentümer ist der ursprüngliche Inhaber des durch die Vorgänge bedrohten Eigentums an der beweglichen Sache. Im Rahmen dieser Untersuchung wird dabei durchgängig vom Eigentümer gesprochen, obwohl man zunächst nur feststellen kann, dass es sich um den ursprünglichen Eigentümer handelt. Aufgrund der zur Konstellation des gutgläubigen Erwerbs führenden Vorgänge hat er nach der anwendbaren Rechtsordnung möglicherweise sein Eigentum verloren. Das zivilrechtliche Eigentum1 verleiht dem Eigentümer – in den Grenzen von Gesetz und Rechten Dritter – eine allumfassende Herrschaftsge1 Die Ausgestaltung des Eigentums ist ein prägendes Merkmal einer Gesellschaftsordnung und entsprechend ist der Begriff des Eigentums Gegenstand vielfältiger, nicht ausschließlich rechtswissenschaftlicher, Diskussionen und Analysen. Im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs geht es im Schwerpunkt um den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

walt über die Sache.2 Nach § 903 BGB bspw. kann der Eigentümer, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Insbesondere die negative Seite dieser Herrschaftsgewalt, andere von jeder Einwirkung auszuschließen, ist beim gutgläubigen Erwerb betroffen, verfügt doch ein anderer, der Veräußerer, ohne Willen des Eigentümers über das Eigentumsrecht. Nicht eindeutig zu bewerten ist in diesem Zusammenhang die Einordnung der Position eines deutschen Sicherungseigentümers. Einerseits ist dieser aufgrund der regelmäßig zugrunde liegenden schuldrechtlichen Gestaltung nicht mit einer unbeschränkten umfassenden Herrschaftsmacht ausgestattet. Ein Sicherungseigentümer erwirbt formal zwar das Vollrecht „Eigentum“, unterliegt bei der Ausübung der sich daraus ergebenden Rechte aber fiduziarischen Bindungen gegenüber dem Sicherungsgeber, die es ihm gerade nicht erlauben, von dieser umfassenden Herrschaftsmacht Gebrauch zu machen.3 In Konsequenz dieser Struktur steht im deutschen Insolvenzrecht dem Sicherungseigentümer im Falle der Insolvenz des Sicherungsgebers lediglich ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO zu; zudem wird steuerlich (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO) und bilanziell die Sache zunächst auch weiterhin dem Sicherungsgeber zugeordnet.4 Andererseits ist es aber auch gerade das Wesen dieser Treuhand, dass dem Treuhänder tatsächlich zivilrechtlich mehr Rechtsmacht zusteht, als er nach den zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen ausüben darf. Auch der Sicherungseigentümer ist Eigentümer i.S.d. § 903 BGB.5 Dementsprechend ist auch ein Sicherungseigentümer ein Eigentümer im Rahmen der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs.6 Nicht zuletzt ist eine Verfügung des Sicherungsgebers (samt entsprechendem gutgläubigen Erwerb eines Zur Bedeutung des Eigentums für den Eigentümer vgl. unten S. 127 ff. und S. 140. Zu verfassungsrechtlichen Aspekten vgl. unten S. 136 ff. 2 Vgl. u.a. Wolff/Raiser, § 51 II (S. 173). 3 Hier liegt eigennütziges Treuhandeigentum vor; Palandt/Bassenge, § 930 Rdnr. 13. Entsprechend seiner wirtschaftlichen Funktion als Pfandrecht (vgl. Bamberger/Roth/ Kindl, § 930 Rdnr. 12 m.w.Nachw.) wird das Sicherungseigentum daher auch als „besitzloses Pfandrecht“ bezeichnet, was es nach der herrschenden Meinung (vgl. Baur/Stürner, § 57 Rdnr. 10) aber nicht zum akzessorischen Recht macht. Der Sicherungseigentümer unterliegt vielfältigen Bindungen aus dem Sicherungsvertrag und kann – abhängig von der vertraglichen Gestaltung – lediglich im Verwertungsfall zum schuldrechtlich unbeschränkten Volleigentümer werden; zur Zulässigkeit entsprechender Verfallklauseln im Rahmen der Sicherungsübereignung vgl. u.a. Palandt/Bassenge, § 930 Rdnr. 33. 4 Vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, Bankrechts-Hdb., § 95 Rdnr. 12. 5 Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, Bankrechts-Hdb., § 95 Rdnr. 57 f. 6 Allerdings sind die Interessen eines Sicherungseigentümers anders zu bewerten als jene solcher Eigentümer, die ihr Eigentum nicht nur zu Sicherungszwecken auf der Basis einer Treuhandabrede innehaben. Vgl. dazu unten S. 130 ff.

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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Dritten) eines der größten Risiken für den Bestand des Sicherungseigentums. Ähnlich ist die Situation im Rahmen des Eigentumsvorbehalts. Im Falle eines Kaufs unter Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts bspw. erfolgt die Übereignung der Kaufsache unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung, so dass der Verkäufer bis zur entsprechenden Tilgung der Kaufpreisforderung Eigentümer der Sache bleibt. Das Eigentumsrecht dient dem Eigentümer ab dem Moment des Verkaufs lediglich zur Sicherung der Kaufpreiszahlung. Die weiteren mit dem Eigentum verbundenen Rechte (Nutzung, Fruchtziehung) liegen beim Veräußerer (wobei dieser regelmäßig gewissen Einschränkungen unterliegt, um das Sicherungsinteresse des Vorbehaltseigentümers zu wahren).7 Auch der Vorbehaltseigentümer ist Eigentümer im Sinne der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs. 2. Die Beziehungen des Eigentümers zu den anderen Beteiligten a) Die Beziehung zum Veräußerer Bei der dem gutgläubigen Erwerb zugrunde liegenden Konstellation ist der Eigentümer nicht Inhaber der tatsächlichen Herrschaft über die Sache. Dies ist zunächst – bis zur Verfügung durch denselben – der Veräußerer. Das Eigentumsrecht und die tatsächliche Sachherrschaft8 fallen auseinander. Dieses Auseinanderfallen kann auf den unterschiedlichsten Gründen beruhen. Dabei lassen sich insbesondere zwei Konstellationen unterscheiden:

7 Soweit der Vorbehaltserwerber berechtigt ist, als Nichteigentümer über die Sache zu verfügen, spricht man regelmäßig von einem verlängerten Eigentumsvorbehalt; vgl. dazu und zu weiteren Varianten Vieweg/Werner, § 11 Rdnr. 12 ff. Ob dieser dabei – wie es in der üblichen Ausgestaltung in Deutschland der Fall ist – ein dingliches Recht an der Sache in Form eines Anwartschaftsrechts (zu diesem Begriff insb. BGH NJW 1955, 544, 544 und Medicus/Petersen, Rdnr. 456) erwirbt, ist im Zusammenhang dieser Untersuchung nur am Rande von Bedeutung. Im Gegensatz dazu entsteht bei der in der Praxis üblichen Ausgestaltung der Sicherungsübereignung in Deutschland gerade kein Anwartschaftsrecht. Lediglich in Einzelfällen wird eine Übereignung vereinbart, die unter der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) der vollständigen Tilgung der besicherten Forderung steht, was zur Entstehung eines Anwartschaftsrechts beim Sicherungsgeber führt. Soweit in einer der genannten Varianten ein Anwartschaftsrecht entsteht, ergeben sich weitere Fragen, die über den Umfang dieser Analyse hinausgehen, wie z.B. Fragen zum gutgläubigen lastenfreien Erwerb des Eigentums bzw. des gutgläubigen Erwerbs des Anwartschaftsrechts. 8 Zu näheren Ausführungen zur Bedeutung der tatsächlichen Sachherrschaft vgl. unten S. 173 ff.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

aa) Gewolltes Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft Das Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft kann zum einen auf einer vertraglichen Abrede zwischen Eigentümer und Veräußerer beruhen. Dabei handelt es sich um ein geplantes Auseinanderfallen der rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen zur Sache. Hierbei lassen sich wiederum zwei Untergruppen identifizieren. So kann die Überlassung der tatsächlichen Sachherrschaft Ziel der schuldrechtlichen Vereinbarung sein. Typische Gebrauchsüberlassungsverträge sind Leih-, Miet-, Pacht- oder Leasingverträge. Die Überlassung der tatsächlichen Sachherrschaft kann aber auch anlässlich einer sonstigen vertraglichen Vereinbarung erfolgen wie z.B. im Rahmen eines Dienstvertrags, Werkvertrags oder einer ähnlichen Vereinbarung. Wie anhand der Sicherungsübereignung und dem Eigentumsvorbehalt gesehen, kann die Zielrichtung der schuldrechtlichen Vereinbarung aber auch darin liegen, einem anderen das Eigentum aus Sicherungsgründen einzuräumen (so bei der Sicherungsübereignung) bzw. das Eigentum zu belassen. Eine Zwischenstellung nimmt die Vereinbarung eines Faustpfandes ein. Hier wird zur Absicherung einer Forderung die tatsächliche Sachherrschaft übertragen und das Eigentumsrecht verbleibt beim Sicherungsgeber. bb) Ungewolltes Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft Das Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft kann aber auch ohne Willen des Eigentümers bzw. des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft zustande gekommen sein. In erster Linie sind hier die Fälle des Verlusts und des Diebstahls zu nennen.9 Zu dieser Fallgruppe gehören aber auch jene Fälle, bei denen von den Parteien eigentlich ein Eigentumsübergang beabsichtigt war, ein solcher aber aufgrund rechtlicher Störungen nicht zustande kam. Die Störung kann hier sowohl aus der Einflusssphäre des Eigentümers, als auch aus der Einflusssphäre des Veräußerers kommen. Im deutschen Recht wären dies bspw. Fälle der fehlenden Geschäftsfähigkeit bei der Übereignung, die Anfechtung des Verfügungsgeschäfts oder das spätere Auftauchen eines neuen Testaments (woraus sich ergibt, dass der zuvor angenommene Eigentumserwerb tatsächlich nicht stattgefunden hat). Unter Geltung des Konsensprinzips (so z.B. in Frankreich) kommt hinzu, dass auch Mängel des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts direkt auf die Übereignung durch-

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Dazu ausführlich im weiteren unten, insb. S. 215 ff. und 316 ff.

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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schlagen und den (vermeintlichen) Erwerber so zum nichtberechtigten Veräußerer machen.10 b) Die Beziehung zum Erwerber Im Regelfall besteht zwischen Eigentümer und Erwerber zunächst keinerlei rechtsgeschäftliche oder sonstige Beziehung, die zur Entstehung der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs beigetragen hat.11

II. Die Position des Veräußerers 1. Der Veräußerer Der Veräußerer verfügt über das Eigentum an der beweglichen Sache, ohne dazu berechtigt zu sein. Die Verfügung des Veräußerers löst den gutgläubigen Erwerb aus. Ob diese Verfügung auch rechtlich zu einem Eigentümerwechsel führt, hängt von den rechtlichen Rahmenbedingungen und den tatsächlichen Umständen ab. In dieser Untersuchung wird im Weiteren im Einklang mit der Terminologie der §§ 932–935 BGB 12 von dem Veräußerer gesprochen, obwohl dieser Begriff nicht in allen Varianten passend erscheint. So legt der Begriff der Veräußerung eine entgeltliche Übertragung des Eigentums nahe. Dies ist aber nicht immer der Fall. Daher würde insbesondere im Sinne des 10

Die Regelungen zum gutgläubigen Erwerb kommen in Frankreich auch dann zur Anwendung, wenn der Eigentumserwerb aufgrund eines Fehlers im zugrunde liegenden Rechtgeschäft nicht beständig ist, vgl. Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 100. So z.B. wenn ein Kaufvertrag, der nach Art. 1583 C.c. ohne weitere Übergabe den Übergang des Eigentums bewirkt, nachträglich aber mit rückwirkendem Effekt beseitigt wird (vgl. Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 32). Nicht zuletzt zeigt sich hier die Wechselwirkung zwischen der Geltung des Abstraktionsprinzips und der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs. Unter Geltung des Abstraktionsprinzips, das Mängel des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts eben nicht zwingend auf die Übereignung durchschlagen lässt, wird eine große Anzahl potenzieller Verfügungen durch Nichtberechtigte gar nicht erst ausgelöst. Der vom Eigentümer Erwerbende ist zwar unter Umständen zur Rückübereignung der Sache verpflichtet und entsprechend den anwendbaren schuldrechtlichen Vorschriften (Bereicherungsrecht, Deliktsrecht) zu Ausgleichszahlungen an den (ursprünglichen) Eigentümer verpflichtet. Er erwirbt aber dennoch das Eigentum an der Sache und kann im Weiteren als (sachenrechtlich) Berechtigter darüber verfügen. Ebenso bleiben vorangegangene Verfügungen wirksam. Die Folgen der Störung des Kausalgeschäfts beschränken sich also im Grundsatz auf die an diesem Geschäft beteiligten Personen. Mit der Geltung des Abstraktionsprinzips ist damit bereits ein Verkehrsschutz, insbesondere von Zweiterwerbern, verwirklicht, vgl. MüKo/Oechsler § 929 Rdnr. 10. 11 Davon zu trennen ist die nach Abschluss der Vorgänge etwaig bestehende Vindikationslage und die dadurch erzeugten rechtlichen Beziehungen. 12 § 932 Abs. 1 S. 1 BGB enthält die Formulierungen „nach § 929 erfolgte Veräußerung“ und „wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört“.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

deutschen Trennungs- und Abstraktionsprinzips der Begriff des Verfügenden nahe liegen. Auch hier müsste man dann allerdings wiederum von dem etwaig Verfügenden sprechen, da es nicht in allen Fällen zu einer erfolgreichen Verfügung kommt.13 2. Die Beziehungen des Veräußerers zu den anderen Beteiligten a) Die Beziehung zum Eigentümer Die Beziehung des Veräußerers zum Eigentümer entspricht spiegelbildlich der Beziehung des Eigentümers zum Veräußerer, wie sie oben dargelegt wurde.14 Soweit zwischen Eigentümer und Veräußerer eine vertragliche Beziehung existiert, auf deren Grundlage der Veräußerer zur Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft berechtigt ist (ohne gleichzeitig zur Verfügung über das Eigentum ermächtigt zu sein), führt die spätere Verfügung des Veräußerers zu einer Störung der Vertragsbeziehung. Nicht zwingend muss es sich dabei um eine bewusste Störung handeln. Der Veräußerer kann sich auch schlichtweg nicht mehr erinnern, dass er über eine fremde Sache verfügt. Auch das ungewollte Auseinanderfallen von Eigentum und tatsächlicher Sachherrschaft ist dem Veräußerer nicht immer bewusst, insbesondere in den Fällen der unerkannten Störung der vorangegangenen Eigentumsübertragung. Anders dagegen die Fälle der zielgerichteten Entziehung der tatsächlichen Sachherrschaft in Form des Diebstahls – hier geht die Aktion, die zur Konstellation des gutgläubigen Erwerbs führt, eindeutig gezielt vom Veräußerer aus. Im Hinblick auf die Rechtsposition des Eigentümers und eine mögliche Entziehung des Eigentums handelt der Veräußerer also nicht in jedem Fall bewusst, vorsätzlich oder böswillig.15 b) Die Beziehung zum Erwerber Die Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber enthält ein charakterisierendes Merkmal: der Veräußerer möchte die Sache an den Erwerber übereignen. Dies setzt zum einen voraus, dass zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber eine rechtsgeschäftliche Bindung existiert, auf deren

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Darüber hinaus existiert eine Diskussion darüber, ob im Rahmen des gutgläubigen Eigentumserwerbs über das Eigentum des Eigentümers verfügt wird oder ob beim Erwerber vielmehr ein originärer Rechtserwerb eintritt; vgl. hierzu unten S. 44. 14 Vgl. S. 21. 15 Ob man davon sprechen kann, dass der Veräußerer „meist böswillig“ handelt, so Prisching, S. 26, kann wohl ohne genauere empirische Erfassung nur schwer beurteilt werden.

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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Grundlage die Übereignung an den Erwerber stattfinden soll.16 Jede Form von Rechtsgeschäft, in dessen Rahmen eine Übereignung stattfinden soll, ist hierbei möglich. Dies umfasst regelmäßig entgeltliche (z.B. Kauf, Mietkauf, Tausch, Sachdarlehen), aber auch unentgeltliche (Schenkung) Vorgänge. Entsprechend den vorherigen Erläuterungen, wonach sich der Veräußerer nicht zwingend seiner Nichtberechtigung bewusst ist, handelt er im Rahmen der Übereignung an den Erwerber auch nicht zwingend mit dem Willen, diesem den Eigentumserwerb lediglich im Wege der Gutgläubigkeit zu ermöglichen. Ein gesetzlicher Eigentumserwerb des Erwerbers, bspw. aufgrund Erbfalls oder auf der Basis der Verbindungs-, Vermischungs- oder Verarbeitungsregeln, scheidet für den gutgläubigen Erwerb aus.17 Zum anderen setzt die Konzentration auf die Frage des gutgläubigen Erwerbs voraus, dass sämtliche sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen des rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs vorliegen – je nachdem, worin diese gemäß einer nationalen Rechtsordnung bestehen mögen.18

III. Die Position des Erwerbers 1. Der Erwerber Der Erwerber möchte das Eigentum an der beweglichen Sache erwerben. Er ist in der Grundkonstellation des gutgläubigen Erwerbs der Endpunkt der Vorgänge. Es hängt von den konkreten Umständen und der Ausgestaltung eines Systems des gutgläubigen Erwerbs ab, ob bei ihm tatsächlich ein Eigentumserwerb stattfindet. Häufig wird er oder eine seiner Hilfspersonen19 zudem auch Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft sein.

16 Dies ist unabhängig davon, ob man den gutgläubigen Eigentumserwerb selbst als originären oder abgeleiteten Eigentumserwerb verstehen möchte (dazu unten S. 44). 17 Siehe dazu auch unten S. 168 f. Auch in diesen Fällen kann sich jedoch weiterhin die hier geschilderte Konstellation auswirken, so bspw., wenn bei der Verbindung nach deutschem Recht aufgrund von § 947 Abs. 1 BGB zunächst Miteigentum des ursprünglichen Eigentümers und eines Diebes entsteht und die neue Sache anschließend an einen gutgläubigen Dritten übereignet wird; vgl. dazu unten Teil 2, 2. Kapitel Fn. 37. 18 Streng genommen könnte unter Geltung des BGB und des dort verankerten Abstraktionsprinzips auch dann ein gutgläubiger Eigentumserwerb stattfinden, wenn das Kausalgeschäft aus mehreren Gründen unwirksam ist. Diese Untersuchung unterstellt jedoch die Rechtsfehlerfreiheit des Geschäfts zwischen Veräußerer und Erwerber – abgesehen von der fehlenden Berechtigung zur Eigentumsverfügung –, um die hierfür wesentliche Fragestellung nicht mit anderen Aspekten zu vermengen und um die Vergleichbarkeit mit anderen Rechtsordnungen zu gewährleisten. 19 Vgl. dazu sogleich unten S. 30 ff.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Die Bezeichnung des Erwerbers ist im Hinblick auf Veräußerungsketten nicht immer eindeutig.20 Zwei verschiedene Aspekte, die sich möglicherweise nicht in derselben Person vereinen, können hier von Bedeutung sein. Zunächst ist ein Erwerber im Rahmen der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs eine Person, die von einem Nichtberechtigten erwirbt. Hat zuvor beim jeweiligen Veräußerer bereits ein gutgläubiger Eigentumserwerb stattgefunden, so handelt es sich um einen Erwerb vom Berechtigten. Ein solcher Erwerber ist im Rahmen der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs nach aktuellem Recht regelmäßig nicht mehr zu berücksichtigen.21 Unerheblich ist dagegen, ob der Erwerb durch den Erwerber zum Erfolg führt und diesen zum Berechtigten macht, denn dies würde das Ergebnis der jeweiligen Subsumtion (insbesondere hinsichtlich der Frage der Gutgläubigkeit) vorwegnehmen. Entscheidend ist, dass er von einem Nichtberechtigten erwirbt. Im Rahmen dieser Untersuchung soll für die Qualifizierung als Erwerber im Rahmen der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs noch ein weiteres Kriterium hinzukommen. Als Erwerber soll nämlich nur derjenige erfasst werden, von dem der Eigentümer die Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt herausverlangt. Dieser prozessuale Aspekt gibt an, zu welchem Zeitpunkt die Vorgänge zwischen welchen Beteiligten zu beurteilen sind. Davor liegende Erwerbsvorgänge vom Nichtberechtigten werden als Glied einer Veräußerungskette erfasst. Der Aspekt des Herausgabeverlangens gegenüber dem aktuellen Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft liegt insbesondere auch der französischen Regelung zugrunde.22 Entsprechend der üblichen Bezeichnung – und ohne die Subsumtion unter die jeweils anwendbare Rechtsnorm vorwegzunehmen – soll im Nachfolgenden also diejenige Person als Erwerber bezeichnet werden, die zum einen von einem Nichtberechtigten erwirbt und gegen die der Eigentümer zum anderen einen Anspruch auf Herausgabe geltend macht. 2. Die Beziehungen des Erwerbers zu den anderen Beteiligten a) Die Beziehung zum Veräußerer Auch hier ist die Position des Erwerbers zum Veräußerer das Spiegelbild jener des Veräußerers zum Erwerber. Der Erwerber möchte vom Veräußerer das Eigentum erwerben. Die Grundlage dafür bietet ein zwischen beiden Parteien abgeschlossenes (wirksames) Rechtsgeschäft. Von großer Bedeutung sind im Rahmen dieses Rechtsgeschäfts die näheren Umstände, 20

Näher zu Veräußerungsketten vgl. unten S. 28 ff. Zur möglichen Berücksichtigung eines solchen Zweiterwerbers, der seinerseits bereits von einem Berechtigten erwirbt, vgl. unten S. 29 f. 22 Vgl. unten S. 47 f. 21

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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insbesondere ob sich der Erwerber über die Berechtigung des Veräußerers informiert hat oder informieren hätte müssen. Je strenger eine Rechtsordnung die Anforderungen an einen gutgläubigen Eigentumserwerb festlegt, desto größer müssen die Bemühungen des Erwerbers sein.23 b) Die Beziehung zum Eigentümer Im Rahmen der Vorgänge besteht zunächst keinerlei Beziehung zwischen Erwerber und Eigentümer. Kommt es allerdings zu einer Aufdeckung der Situation, sieht sich der Erwerber mit einem Herausgabeverlangen des Eigentümers in Bezug auf die erworbene Sache konfrontiert. Sollte ein gutgläubiger Erwerb gescheitert sein, so existiert im Übrigen – je nach nationaler Ausgestaltung – noch ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber. 24

IV. Weitere Beteiligte Die soeben geschilderte Grundkonstellation beschränkt sich auf drei Personen. In die tatsächlichen Vorgänge im Rahmen einer Konstellation des gutgläubigen Erwerbs ist häufig jedoch eine Vielzahl weiterer Personen eingebunden. Dabei ist zwischen zwei Kategorien zu unterscheiden. Handelt es sich um Personen, die selbst in der Rolle des Eigentümers, Veräußerers oder Erwerbers sind, werden diese nachfolgend als (weitere) Hauptbeteiligte erfasst (1.). Darüber hinaus können aber auf Seiten von jedem der drei Beteiligten der Grundkonstellation weitere Personen (zusätzlich) mit einbezogen sein. Diese nachfolgend als Nebenbeteiligte bezeichneten Personen nehmen dann einzelne Rechte bzw. Aufgaben des jeweiligen Hauptbeteiligten wahr (2.). 1. Weitere Hauptbeteiligte Weitere Hauptbeteiligte können im Grundsatz an jeder Stelle mit einbezogen werden. Die Grenzen sind hier allerdings nicht zwingend und eine Einordnung in eine der oben genannten drei Hauptkategorien könnte z.T. auch anders begründet werden.

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Je größer die Bemühungen sind, desto höher sind unter dem Blickwinkel der ökonomischen Theorie des Rechts die sog. Informationskosten des Erwerbers. Eine Untersuchung zum Spannungsverhältnis der Informationskosten zu den Kontrollaufwendungen des Eigentümers unter dem Blickwinkel der ökonomischen Analyse des Rechts im Zusammenhang mit der Ersitzung bei Grundstücken findet sich bei Netter/Hersch/Manson, International Review of law and economics 1986, 217 ff. 24 Für das deutsche Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vgl. u.a. BGH NJW 1995, 2627, 2627.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

a) Weitere Eigentümer? Eine Einbeziehung weiterer Alleineigentümer25 erscheint zunächst nur schwer denkbar. Das Eigentum an der Sache steht grundsätzlich nur einer Person zu und nur diese Person kann aufgrund des gutgläubigen Erwerbs durch den Erwerber das Eigentum an der Sache verlieren. Man könnte allerdings überlegen, ob man einen Sicherungseigentümer als weiteren Eigentümer erfassen möchte. Dies gilt speziell dann, wenn man eine Lage vor Augen hat, bei der ein ursprünglicher Eigentümer, der selbst die tatsächliche Sachherrschaft bereits an einen Dritten weitergegeben hat (bspw. im Rahmen eines Mietvertrags), die Sache einem Sicherungsnehmer zur Sicherheit übereignet. Nimmt man nun an, dass der Sicherungsgeber über eine ordentliche Bonität verfügt und bei einem regelmäßigen Verlauf der Dinge die besicherte Forderung wird zurückzahlen können, so wird sich ein solcher Sicherungsgeber in der Rolle des Eigentümers sehen, ohne rechtlich Eigentümer zu sein. Er würde sich hier im Wesentlichen auf die Eigentümerinteressen berufen wollen, ist doch das Eigentumsrecht des Sicherungsnehmers (des aktuellen zivilrechtlichen Eigentümers) ein inhaltlich beschnittenes und fiduziarisch gebundenes Recht, das die mit dem Eigentum verbundenen Interessen und Funktionen nicht voll ausschöpft.26 Aus dieser Aufspaltung der Funktionen des Eigentums zwischen dem Sicherungsgeber und dem Sicherungsnehmer resultiert im Gegenzug, dass man für die Betrachtung der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs unter Umständen beide zusammen in der Rolle des Eigentümers sehen muss. Dies gilt umso mehr, wenn die Verfügung durch einen Dritten, also weder durch den Sicherungsgeber noch durch den Sicherungsnehmer, vorgenommen wird. Etwas anderes gilt in Situationen, in denen gerade der Sicherungsgeber über das Eigentum verfügt und sich damit über die Rechte des Sicherungsnehmers hinwegsetzen möchte. Hier findet sich der Sicherungsgeber in der Situation des Veräußerers. b) Weitere Veräußerer (Veräußerungsketten) Der Hauptfall der Einbeziehung weiterer Beteiligter liegt vor, wenn die Sache Gegenstand mehrerer Veräußerungen ist, bis sie in die Hände des Erwerbers (von dem der Eigentümer die Herausgabe geltend macht)27 gelangt. Eine solche Veräußerungskette kann aus wenigen oder vielen Glie25

Miteigentum und Gesamthandseigentum sind in diesem Zusammenhang nicht relevant und sollen hier zunächst ausgeblendet bleiben. 26 Zum eingeschränkten Rechteumfang des Sicherungsnehmers vgl. oben S. 20 f. und zur inhaltlichen Beschränkung auf Wertinteressen vgl. unten S. 130 ff. 27 Wie oben erläutert (S. 25 ff.) handelt es sich beim Erwerber um eine Person, die zum einen die Sache von einem Nichtberechtigten erwirbt und von der der Eigentümer zum anderen die Herausgabe verlangt.

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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dern bestehen. Je länger eine solche Kette ist, desto schwieriger wird es bei Kenntnis eines der beiden Endpunkte (d.h. des ersten oder des letzten Veräußerers), das jeweils andere Ende der Kette zu ermitteln. Dies wird insbesondere für die Frage der Risikoverteilung von Bedeutung sein. Eine solche Veräußerungskette entsteht bspw. dann, wenn die jeweiligen Zwischenerwerber nicht gutgläubig sind, so dass dort ein Eigentumserwerb jedenfalls nicht eintritt. Nicht zuletzt hängt die Länge einer solchen Kette auch vom rechtlichen Umfeld ab. Ist eine Sache vom gutgläubigen Erwerb ausgeschlossen, bspw. weil sie gestohlen wurde und das anwendbare Recht einen gutgläubigen Erwerb gestohlener Sachen generell ausschließt, so wird sie länger werden, als wenn ein gutgläubiger Erwerb leichter eintritt. Je schneller ein tatsächlicher Eigentumserwerb eintritt, desto kürzer ist die Veräußerungskette. Schließlich ist auch der Fall zu berücksichtigen, dass zwischenzeitlich zwar ein gutgläubiger Erwerb stattgefunden hat, dies aber für den aktuellen Erwerber nicht nachweisbar ist. Hierzu sogleich nachfolgend unter dem Gliederungspunkt „Weitere Erwerber?“. Im Falle von Veräußerungsketten wird daher aus dem einen Veräußerer der oben dargestellten Grundkonstellation (vgl. S. 23 ff.) eine Mehrzahl von Veräußerern. In dieser Situation entspricht derjenige Veräußerer, der (rechtlich und tatsächlich) mit dem Eigentümer verbunden ist, also nicht demjenigen Veräußerer, von dem der Erwerber die Sache erwirbt. c) Weitere Erwerber? Als Erwerber in einer Dreipersonenkonstellation wurde nach obiger Analyse derjenige bezeichnet, der von einem Nichtberechtigten erwirbt und von dem der Eigentümer die Herausgabe begehrt. Daneben kommen in erweiterten Konstellationen zusätzliche Personen in Betracht, die grundsätzlich als Erwerber zu berücksichtigen sein könnten. Das betrifft zunächst natürlich die Person, bei der ein gutgläubiger Erwerb letztlich eintritt. Jeder weitere Erwerber („Zweiterwerber“) in einer Kette würde dann von einem Berechtigten erwerben. Der Erwerb vom Berechtigten kann jedoch aus einer Untersuchung des gutgläubigen Erwerbs nicht gänzlich herausgehalten werden. Insbesondere in drei Fällen ist der Zweiterwerber in die Interessenanalyse mit einzubeziehen. Erstens dann, wenn durch die vorherigen Vorgänge ein auf der Sache lastendes dingliches Recht entstanden sein könnte, das durch den gutgläubigen Eigentumserwerb nicht beseitigt wäre. 28 Zweitens ist ein Zweiterwerber dann mit einzubeziehen, wenn er sich trotz des Erwerbs vom Berechtigten schuldrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt sehen könnte (vgl. 28

Vgl. dazu bspw. unten S. 376 ff.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

hierzu z.B. im deutschen Recht die Problematik des sog. Rückerwerbs vom Nichtberechtigten29). Schließlich könnte drittens ein weiterer Erwerber aus prozessualen Gesichtspunkten mit einzubeziehen sein. Auch wenn der Erwerber, von dem ein vorheriger Eigentümer Herausgabe verlangt, seinerseits von einem Berechtigten erworben hat, so muss er dies gegebenenfalls nachweisen können. D.h. ein solcher Zweiterwerber müsste nachweisen, dass sein Veräußerer selbst entweder seinerseits bereits von einem Berechtigten erworben oder bereits die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs erfüllt hatte. Dies kann im Einzelfall problematisch sein, so dass er sich ggfs. auf die Normen des gutgläubigen Erwerbs berufen muss, obwohl er materiell vom Berechtigten erwirbt (dies aber nicht nachweisen kann). 2. Nebenbeteiligte Nebenbeteiligte sind Personen, die zwar an den Vorgängen um die Konstellation des gutgläubigen Erwerbs beteiligt sind, dabei jedoch keine der oben genannten Rollen eigenständig ausfüllen, sondern als Hilfsperson für einen Hauptbeteiligten auftreten. Sie handeln oder „besitzen“ als Stellvertreter, Gehilfe, „Geheißperson“ oder in vergleichbarer Weise. Ein weiterer Nebenbeteiligter im Sinne dieser Untersuchung wäre auch ein Versicherer, der bspw. aufgrund einer Erstattung des Sachwerts das Eigentum an einer gestohlenen Sache erlangt.30 Häufig wird eine abhängige Beziehung zu einem Hauptbeteiligten vorliegen. Sie können an allen Positionen der Vor29

Vgl. dazu unten S. 99 f. Dem könnte man entgegenhalten, dass man das Versicherungsunternehmen dann grundsätzlich auch in der Position des hauptbeteiligten Eigentümers erfassen könnte. Dies würde aber der – in diesem Zusammenhang – untergeordneten Rolle des Versicherers nicht Rechnung tragen. Zwar hat auch dieser ein Wertinteresse an der Sache, um etwaige Erlöse gegebenenfalls zur Minimierung des eigenen wirtschaftlichen Schadens einsetzen zu können. Die Kalkulation der Versicherungsprämie durch den Versicherer berücksichtigt aber bereits die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Schadensreduzierung nicht in jedem Fall stattfindet. Zudem erwirbt der Versicherer den Anspruch jedenfalls erst nach Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft und teilweise sogar erst ausdrücklich nach einem etwaigen Wiederauftauchen der Sache. Die vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) empfohlenen „Allgemeine HausratVersicherungsbedingungen (VHB 2008) (Versicherungssummenmodell) (Version 01.01. 2008 – GDV 630)“ sehen in Abschnitt A § 18 Abs. 3 lit. a bspw. vor, dass der entschädigte Versicherungsnehmer im Falle der Wiedererlangung der Sache entweder die Entschädigungssumme an den Versicherer zurückzahlt oder die Sache dem Versicherer „zur Verfügung stellt“, also übereignet. Nicht eindeutig sind hier die vom GDV empfohlenen Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2008 – Stand 09.07.2008), die unter A.2.10 im Bereich der Kaskoversicherung jedenfalls nach Ablauf von einem Monat nach einer schriftlichen Schadensanzeige den Eigentumsübergang auf den Versicherer vorsehen (wobei unklar bleibt, ob dies nur dann geschehen soll, wenn das Fahrzeug tatsächlich wieder aufgefunden wird). 30

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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gänge beteiligt sein. Das Verhalten des Nebenbeteiligten ist regelmäßig im Rahmen des Verhaltens „seines“ Hauptbeteiligten zu berücksichtigen. Vornehmlich geht es dann um die Zurechnung der Handlungen oder der Kenntnisse des Nebenbeteiligten. Bei möglichen rechtlichen Ausgleichsansprüchen sind Nebenbeteiligte in der Regel nicht selbständig einzubeziehen. Soweit Ansprüche auch gegen Nebenbeteiligte bestehen, ergeben sich diese regelmäßig aus dem Innenverhältnis zum jeweiligen Hauptbeteiligten und sind im Rahmen der grundsätzlichen Auflösung der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs nicht gesondert zu berücksichtigen. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, in denen Nebenbeteiligte zu Hauptbeteiligten werden, bspw. indem ein Besitzdiener (i.S.d. § 855 BGB) sich zum unmittelbaren Besitzer „aufschwingt“ und die Sache des Eigentümers veräußert. Nebenbeteiligte können aber auch für mehrere Hauptbeteiligte gleichzeitig auftreten. Dies ist insbesondere bei solchen Nebenbeteiligten der Fall, die mit einem besonderen Vertrauen oder einer besonderen Sachkunde ausgestattet sind. Ein solcher besonders qualifizierter Nebenbeteiligter ist bspw. die Wertpapiersammelbank, die für alle Beteiligte im Rahmen einer Übertragung von Effekten im Effektengiroverkehr auftritt.31

V. Zusammenfassung Es ist demnach festzuhalten, dass charakteristisches Merkmal der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs das Bestehen eines Dreipersonenverhältnisses ist. Über Veräußerungsketten und Hilfsbeteiligte kann auch ein darüber hinausgehendes Mehrpersonenverhältnis entstehen. Ein reines Zweipersonenverhältnis reicht jedoch zur Begründung der hierfür typischen Konstellation nicht aus, auch wenn sich dort ähnliche Fragen der Eigentumszuordnung und von Ausgleichs- und Herausgabeansprüchen stellen können (so bspw. im Rahmen der auch auf Zweipersonenverhältnisse anwendbaren Rechtsinstitute der Ersitzung und Verjährung, vgl. unten S. 108 ff. und S. 117 ff.).32

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Zur Einschaltung von Wertpapiersammelbanken vgl. bspw. unten S. 82 ff. und S. 255 ff. 32 Zur Verschiedenheit der im Rahmen der Zweipersonenbeziehung relevanten Eigentumsvermutung von der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs vgl. auch Dross, D. 2007, 706 ff. (unter III.).

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Teil 1: Die Ausgangsposition

B. Die Ergebnisvarianten Eine Auflösung der soeben geschilderten Konstellation des gutgläubigen Erwerbs führt zu einer limitierten Anzahl von Ergebnisalternativen, insbesondere in der Grundkonstellation mit drei Hauptbeteiligten. Diese Alternativen ergeben sich aus der Kombination der in Betracht kommenden dinglichen Rechte und schuldrechtlichen Ansprüche (I.). Vorrangig erscheint dabei zunächst die Beantwortung der Frage, welchem Beteiligten das Eigentum an der Sache zuzuweisen ist (II.). Darüber hinaus sind mögliche Ausgleichs- und Ersatzansprüche zu verteilen (III.).

I. Das Zusammenspiel von dinglichen Rechten und schuldrechtlichen Ansprüchen Aus den soeben aufgezeigten Positionen der Hauptbeteiligten und den zwischen diesen bestehenden vertraglichen und sonstigen Verbindungen ergibt sich ein Netz aus ineinander verschränkten schuldrechtlichen und dinglichen Beziehungen. Bei der Auflösung der Konstellation gilt es, die Prinzipien und Wertungen des Schuld- und des Sachenrechts miteinander in Einklang zu bringen. Die Schwierigkeit einer solchen Abstimmung zwischen schuldrechtlichen und sachenrechtlichen Aspekten liegt in der unterschiedlichen Zielrichtung und den unterschiedlichen Prinzipien, die beide Systeme verfolgen.33 Das Schuldrecht berücksichtigt in erster Linie die Interessen derjenigen, die durch ein bestimmtes (gesetzliches oder vertragliches) Schuldverhältnis miteinander verbunden sind. Im Bereich vertraglicher Schuldverhältnisse gewährt es zudem einen großen Spielraum für privatautonome Regelungen. Interessen unbeteiligter Dritter bleiben hier zunächst außen vor. Bei der oben aufgezeigten Konstellation bedeutet dies, dass im Rahmen des (gesetzlichen oder vertraglichen) Schuldverhältnisses zwischen Eigentümer und Veräußerer die Interessen des Erwerbers unberücksichtigt bleiben. Umgekehrt spielen im Rahmen der Vertragsbeziehung zwischen Veräußerer und Erwerber die Interessen des Eigentümers keine Rolle. Es handelt sich auf der schuldrechtlichen Seite insbesondere auch nicht um ein 33 Die Notwendigkeit, schuld- und sachenrechtliche Ansprüche aufeinander abzustimmen, ist für sich genommen keine Besonderheit. So ist z.B. bei jeder schuldrechtlichen Beziehung, die die Übereignung einer Sache zum Gegenstand hat, eine solche Abstimmung vorzunehmen. Zu Wertungs- und Normenkonflikten der schuldrechtlichen Gestaltungsfreiheit mit der sachenrechtlichen Eigentumszuordnung vgl. auch Röthel, NJW 2005, 625 ff., insbesondere 626 f. (dort anhand des gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestands der Verarbeitung). Zu den Schwierigkeiten im Umgang mit der Überlagerung von sachen- und schuldrechtlichen Ansprüchen im französischen Recht vgl. bspw. Cass. civ., 26.11.1956, JCP 1957, II, 9919.

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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Netz von auf einander abgestimmten bilateralen Verträgen zwischen den Beteiligten, die sich zu einer mehrgliedrigen Leistungsbeziehung zusammensetzen und die letztlich einen einheitlichen Zweck verfolgen. 34 Der Eigentümer und der Erwerber verfolgen vielmehr entgegengesetzte Interessen, da beide das Eigentum an derselben Sache begehren, das aber nur einem von beiden zugewiesen werden kann.35 Die sachenrechtliche Dimension der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs wird durch die sachenrechtlichen Grundsätze der Publizität und der Absolutheit geprägt, die – unabhängig von einer Berücksichtigung schuldrechtlicher Aspekte – bereits ihrerseits miteinander in Konflikt geraten. Die Absolutheit besagt, dass das dingliche Recht „von der Rechtsordnung mit einer Wirkung gegenüber jedermann ausgestattet und von ihr gegen jeden rechtswidrigen Eingriff geschützt“ ist.36 Ein gutgläubiger Eigentumserwerb eines Dritten steht dazu im Widerspruch. Andererseits besagt der Grundsatz der Publizität, dass die sachenrechtliche Zuordnung an offenkundige tatsächliche Verhältnisse anknüpfen soll, an für jedermann erkennbare Lebenssachverhalte und nicht nur an interne und lediglich den Beteiligten zugängliche Vorgänge. 37 Dieses Prinzip streitet grundsätzlich zunächst einmal für einen gutgläubigen Erwerb des Erwerbers. In der Verwirklichung des Publizitätsprinzips wird häufig das wesentliche Argument einer Zuweisung des Eigentums an den gutgläubigen Erwerber gesehen.38 Bei einer idealen Auflösung der Konstellation verbleibt in dem gesetzlichen Netz aus Herausgabe- und Ausgleichsansprüchen im Ergebnis kein oder nur ein möglichst geringer Schaden. Soweit ein solcher entsteht, sollte dieser einem der Beteiligten bewusst und auf der Grundlage klarer Entscheidungskriterien zugewiesen werden. Ein ideales Ausgleichssystem kombiniert die Zuordnung des dinglichen Rechts „Eigentum“ und die sich daraus ergebenden dinglichen Ansprüche (Vindikationsanspruch) mit schuldrechtlichen Ansprüchen auf Ausgleichs- bzw. Ersatzzahlungen in der Art und Weise, dass die jeweiligen Interessen bestmöglich gewahrt sind. Im deutschen Recht wird dieses Zusammenspiel insbesondere am Verhältnis der Gutglaubensvorschriften zum Bereicherungsrecht deutlich. 34

Der Gedanke eines Systems mit einem einheitlichen Netzgedanken und des daraus entstehenden Systems von Netzverträgen lässt sich daher für die Konstellation des gutgläubigen Erwerbs nicht weiter fruchtbar machen. Zu den Merkmalen solcher mehrgliedriger Leistungsbeziehungen vgl. Rohe, Netzverträge, S. 66. 35 Zudem bestehen zwischen Eigentümer und Veräußerer nicht zwingend vertragliche Beziehungen (vgl. oben S. 22 ff.). 36 Baur/Stürner, § 2 Rdnr. 2. 37 MüKo/Quack, Einleitung Sachenrecht (3. Aufl.), Rdnr. 45. 38 MüKo/Gaier, Einl. zum Sachenrecht, Rdnr. 21. Einzelheiten zum Publizitätsgrundsatz vgl. auch unten S. 162 ff.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Eine vollständige Erfassung der Rechtsfolgen erfordert neben der Erörterung der sachenrechtlichen Ergebnisse auch eine Einbeziehung der bereicherungsrechtlichen Ansprüche.39 Daher kann man die Problematik auch nicht auf einen Konflikt zwischen Eigentümer und Erwerber reduzieren,40 denn dies würde mögliche schuldrechtliche, insbesondere vertragliche Beziehungen zwischen Eigentümer und Veräußerer bzw. Veräußerer und Erwerber außer Betracht lassen. Soweit das ideale Ausgleichssystem Ersatzansprüche zuspricht, ist die Realisierbarkeit dieser Ersatzansprüche von entscheidender Bedeutung. Das reale Risiko, rechtliche Ansprüche nicht durchsetzen zu können, muss seinerseits bei der Gewährung der Ansprüche berücksichtigt werden. Auch das mit der Gewährung der schuldrechtlichen Ersatzansprüche verbundene Risiko muss bewusst verteilt werden (dazu unter III.).

II. Die erste Entscheidung: Zuweisung des Eigentums Zumeist steht im Blickpunkt des Interesses der Regelung zunächst die Zuordnung des Eigentums. Welchem Hauptbeteiligten (Eigentümer, Veräußerer oder Erwerber) soll das Eigentum zugeordnet werden? 41 Nur einem der Beteiligten kann das Eigentum zuerkannt werden. Das Recht kennt mit dem Miteigentum und dem Gesamthandseigentum zwar theoretische Möglichkeiten, das Eigentum auf mehrere Personen zu verteilen. Eine Regelung, die einen gutgläubigen Erwerber zum Miteigentümer (zusammen mit dem ursprünglichen Eigentümer) macht, dient jedoch nicht dem effektiven Schutz des Warenverkehrs42 und stößt bei der Handhabung an ihre praktischen Grenzen: In welchem Verhältnis sollen ursprünglicher Eigentümer und Erwerber die Miteigentumsanteile erwerben? Was geschieht bei Veräußerungsketten? Erwirbt ein weiterer Erwerber den Miteigentumsanteil des vorherigen Erwerbers oder kommt es zu einem weiteren Miteigentumsanteil? Die Gewährung von Miteigentumsanteilen würde der Befriedungsfunktion des Rechts und der Suche nach effizienten Lösungen zuwider laufen. Das Gesamthandseigentum, das in seiner Ausge39 Exemplarisch die Erörterung von Hager in, Canaris u.a. (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof, 777 ff. 40 Zumindest vorrangig auf dieses Verhältnis abzielend aber Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 177 ff. 41 Die rechtstechnische Umsetzung dieser Zuordnung muss zunächst wieder unberücksichtigt bleiben. Das Eigentum kann einerseits bereits auf sachenrechtlicher Ebene oder auf schuldrechtlicher Ebene nachträglich zugeordnet werden. Beispiel für letzteres ist im deutschen Recht der Anspruch auf Rückübereignung aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB bei unentgeltlichen Verfügungen. Völlig unbedeutend ist die technische Umsetzung allerdings nicht, da sie sich auf die Risikoverteilung im Zeitraum der Vorgänge auswirkt. 42 Zu dessen Bedeutung im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs vgl. unten S. 140 ff.

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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staltung noch weniger umlauffreundlich ist, insbesondere da eine Verfügung eines Einzelnen über seinen Anteil an dem gesamthänderisch gehaltenen Eigentum nicht möglich ist, scheidet aus diesen Gründen erst recht aus. Es wäre noch unpraktikabler und uneffizienter. Beide Varianten sind daher weder interessengerecht noch praktikabel und sollen als Alternativen bereits von der weiteren Analyse ausgenommen bleiben. Es bedarf zudem einer autoritären Zuweisung des Eigentums durch das Gesetz. Eine privatautonome Gestaltung scheidet hier schon deshalb aus, da beim Eigentümer und beim Erwerber gegenläufige Interessen vorliegen und diese beiden im Rahmen der Vorgänge, wie gezeigt, zunächst nicht schuldrechtlich miteinander verbunden sind. Würde man bereits im Rahmen der Veräußerungsvorgänge eine privatautonome Regelung zulassen wollen, so wäre diese immer eine Regelung zu Lasten Dritter (bei der sich im Übrigen immer die Frage nach dem Vorrang stellen würde). Ein Eigentümer würde anlässlich der Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft, bspw. an einen Mieter, immer den Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs vereinbaren wollen. Im Gegensatz dazu würde ein Erwerber immer einen – möglichst leichten – gutgläubigen Erwerb vereinbaren wollen, um sich dagegen abzusichern, dass es sich bei seinem Veräußerer um einen Nichtberechtigten handelt.43 Wem soll das Eigentum an der Sache im Falle einer Konstellation des gutgläubigen Erwerbs nun also zugewiesen werden? Jedenfalls nicht dem Veräußerer.44 Gründe, die für einen Eigentumserwerb des Veräußerers sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Der Veräußerer war vor der von ihm vorgenommenen Rechtshandlung nicht Eigentümer (sonst wäre es keine Verfügung eines Nichtberechtigten) und will durch die vorgenommenen Handlungen auch gar nicht Eigentümer werden, sondern im Gegenteil den Eigentumserwerb des Erwerbers herbeiführen.45 Somit kommen für eine Eigentumszuweisung an der fraglichen Sache nur noch der Eigentümer und der Erwerber in Betracht. Wird das Eigentum 43

Wobei die Möglichkeiten der privatautonomen Gestaltung im Zusammenhang mit dinglichen Rechten aufgrund der Absolutheit der Sachenrechte und dem damit verbunden Grundsatz des Typenzwangs grundsätzlich sehr beschränkt sind. Da es hier allerdings nicht um die Ausgestaltung des Eigentums, sondern um die Zuweisung des dinglichen Rechts „Eigentum“ geht, wären die aus dem Typenzwang resultierenden Beschränkungen kein Hinderungsgrund. Vgl. dazu auch MüKo/Gaier, Einl. zum Sachenrecht, Rdnr. 11. 44 So auch Peters, S. 42. 45 Bestenfalls ist der Veräußerer gutgläubig bezüglich seiner eigenen Eigentümerstellung, d.h. er hält sich für den wahren Eigentümer und meint, als Berechtigter über die Sache zu verfügen. Aber auch eine solche „Gutgläubigkeit“ hinsichtlich der eigenen Berechtigung führt jedenfalls nicht zu einer Eigentumszuweisung an den Veräußerer. Davon zu trennen ist die Frage eines möglichen Eigentumserwerbs in Folge einer Rückabwicklung der Übereignung an den (gutgläubigen) Erwerber. Zur Problematik dieses sog. Rückerwerbs durch den Nichtberechtigten im deutschen Recht vgl. unten S. 99 f.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

durch die gesetzliche Regelung (weiterhin) dem Eigentümer zugewiesen, so kann dieser die Herausgabe der Sache (Rückübertragung der tatsächlichen Sachherrschaft) an sich oder seine Hilfsperson vom Erwerber verlangen. Wird die Sache dem Erwerber zugewiesen, so besteht keine Möglichkeit des ursprünglichen Eigentümers zur Vindikation und auch die tatsächliche Sachherrschaft bleibt beim Erwerber (oder seinen Hilfspersonen). Schließlich kommen nicht nur eindeutige dauerhafte Eigentumszuweisungen an den Eigentümer oder den Erwerber in Betracht. Die Zuweisung kann auch auf die Art und Weise erfolgen, dass einem Beteiligten zwar grundsätzlich das Eigentum zuerkannt wird, dieses Eigentumsrecht aber anders als sonst nicht mit einem kompensationslosen Vindikationsanspruch ausgestattet wird bzw. unter bestimmten Umständen eine Pflicht zur Rückübereignung statuiert wird. Solche Varianten werden bspw. durch die Statuierung eines Lösungsrechts, wie z.B. in Art. 2277 C.c., ermöglicht.46

III. Die zweite Entscheidung: Zuweisung des Ausfallrisikos für den Ausgleichsanspruch Bei der Auflösung der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs ist zudem eine Entscheidung über die Zuweisung eines schuldrechtlichen Ausgleichsanspruchs für den Verlust bzw. den fehlgeschlagenen Erwerb des Eigentums (eigentumkompensierender Ausgleichsanspruch) zu treffen.47 Ausgleichsansprüche zwischen den Beteiligten werden im Übrigen auch von den Gerichten bei der Erörterung des gutgläubigen Erwerbs regelmäßig mit einbezogen. So hat der BGH in seinen Erörterungen zur Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs im Rahmen der Übergabe durch Geheißpersonen ausdrücklich damit argumentiert, dass andernfalls bereicherungsrechtliche Ansprüche48 des Eigentümers gegen den Erwerber bestehen würden, ohne dass dieser einen Kaufpreis in Abzug bringen könne.49 1. Anspruchsinhaber und -gegner des eigentumkompensierenden Ausgleichsanspruchs Auf den ersten Blick erscheinen die Lösungsalternativen auch hier wieder klar vorbestimmt zu sein. Abhängig von der Entscheidung über die Eigen46

Zum französischen Lösungsrecht vgl. S. 64 ff. und S. 284 ff. Zu den grundsätzlichen Varianten vgl. S. 267 ff. 47 Darüber hinaus sind im Netz der Ansprüche zwischen den Beteiligten gemäß den jeweiligen schuldrechtlichen Grundlagen weitere Nutzungs-, Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche denkbar. 48 Zu Details des Geheißerwerbs vgl. unten S. 88 f. und 177 ff. 49 BGH NJW 1974, 1132, 1134. Zur Kritik an dieser Argumentation vgl. auch unten Teil 2, 2. Kapitel Fn. 70.

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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tumszuweisung (Eigentümer oder Erwerber) ist demjenigen der beiden, dem nicht das Eigentum an der Sache zugesprochen wird, im Gegenzug regelmäßig zumindest ein eigentumkompensierender Ausgleichsanspruch zu gewähren. Die Zuweisung des Ausgleichsanspruchs scheint sich quasi automatisch als Folge der Zuweisung des Eigentums an den jeweils anderen zu ergeben. In der Dreipersonenkonstellation ergibt sich damit (ohne Berücksichtigung eines Lösungsrechts)50 folgende Situation: Erwirbt der Erwerber das Eigentum an der Sache, so hat der Eigentümer aufgrund des Eigentumsverlusts Ansprüche gegen den Veräußerer.51 Verbleibt das Eigentum hingegen beim Eigentümer – muss der Erwerber die Sache also wieder herausgeben –, so muss sich der Erwerber mit seinem eigentumkompensierenden Ausgleichsanspruch an den Veräußerer wenden.52 Anspruchsgegner ist damit in beiden Fällen der Veräußerer. Anspruchsinhaber ist derjenige, der nicht das Eigentum erhält.53 Etwas anders ist die Situation im Falle von Veräußerungsketten. Hier führen beide Ansprüche – der des Eigentümers bzw. andernfalls jener des Erwerbers – nicht unmittelbar zum gleichen Veräußerer. Der „erste Veräußerer“, also derjenige, der mit dem Eigentümer in einer Verbindung steht, ist nicht auch der „letzte Veräußerer“, von dem der Erwerber erworben hat. Der Eigentümer steht (ungewollt) in Verbindung mit dem Anfang der Veräußerungskette, wohingegen der Erwerber das letzte Glied der Veräußerungskette darstellt.54

50 Zu dessen Einordnung hinsichtlich des eigentumkompensierenden Ausgleichsanspruchs vgl. unten S. 41 f. 51 Die genaue Ausgestaltung der Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche hängt dabei von dem zwischen Eigentümer und Veräußerer bestehenden Schuldverhältnis ab. Wie oben erläutert, kann es sich bei der Beziehung zwischen dem Eigentümer und Veräußerer um ein vertragliches Schuldverhältnis oder um ein gesetzliches Schuldverhältnis handeln. 52 Diese Ansprüche können ihre Grundlage insbesondere in dem zwischen Veräußerer und Erwerber bestehenden vertraglichen Schuldverhältnis haben. 53 Vgl. auch Müller, ZfRV 1963, 2, 4, der ebenfalls davon ausgeht, dass der wesentliche Unterschied darin besteht, wer von dem Veräußerer Ersatz fordern darf. 54 Beispiel: Dem Eigentümer E wird eine Sache von dem Dieb D geklaut, der sie über seinen Hehler H zunächst an V veräußert. V schließlich veräußert die Sache anschließend an den gutgläubigen Erwerber K. E verlangt von K die Herausgabe der Sache. Hat K (gutgläubig) Eigentum an der Sache erworben, so scheitert der Herausgabeanspruch des E und er muss sich mit seinem Ausgleichsanspruch an den Dieb D wenden. Hat ein Eigentumserwerb des K nicht stattgefunden (bspw. weil die anwendbare Rechtsordnung gestohlene Sachen vom gutgläubigen Erwerb ausschließt), so muss K die Sache herausgeben und sich für einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch an V (und dieser für etwaige eigene Ansprüche an H) wenden.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Ein vom Erwerber in Anspruch genommener „letzter Veräußerer“ wird sich daraufhin mit seinem Veräußerer auseinandersetzen müssen. Die Kette wird bei einer Geltendmachung des Anspruchs durch den Erwerber potenziell in zeitlich umgekehrter Reihenfolge aufgerollt. Inwieweit in den einzelnen Beziehungen tatsächlich Ansprüche bestehen, hängt letztlich von den Umständen des Einzelfalls des jeweiligen Schuldverhältnisses ab (Art der vertraglichen Beziehung, Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit auf Seiten der Beteiligten usw.) Bei einer Inanspruchnahme des „ersten Veräußerers“ durch den Eigentümer wird eine Geltendmachung von Rückgewähr- oder Schadensersatzansprüchen innerhalb der Vertragsbeziehungen entlang der Veräußerungskette – diesmal in chronologischer Reihenfolge – regelmäßig nicht stattfinden. Schließlich ist der „erste Veräußerer“ jener Beteiligte, der zuerst als Nichtberechtiger verfügt und dabei häufig seinerseits zunächst keinen Vermögenseinsatz erbracht hat. Er ist durch die Verfügung als Nichtberechtigter zunächst in Höhe der von ihm bei der Veräußerung erlangten Gegenleistung „bereichert“. Muss er nun dem Eigentümer einen eigentumkompensierenden Ausgleich leisten, so wird er seinerseits nur schwer bei seinem Erwerber Rückgriff nehmen können. Auch in den Sachverhaltskonstellationen, in denen der Veräußerer zunächst einen eigenen Vermögenseinsatz erbracht hat und anschließend unbewusst und ungewollt als Nichtberechtigter verfügt (bspw. weil aufgrund der fehlenden Geschäftsfähigkeit des Eigentümers eine Übereignung an ihn fehlgeschlagen ist), wird es nicht zu einer Geltendmachung von Ansprüchen entlang der Veräußerungskette kommen. Ein solcher Veräußerer wird versuchen müssen, seinen eigenen Vermögenseinsatz im bilateralen Verhältnis zum Eigentümer anlässlich dessen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen. Was bedeutet es aber nun für den jeweiligen Beteiligten, auf den Ausgleichsanspruch verwiesen zu werden? 2. Das Risiko der Nichtrealisierbarkeit des Ausgleichsanspruchs Wird der eigentumkompensierende Ausgleichsanspruch55 erfüllt, so verbleibt weder beim Eigentümer noch beim Erwerber ein wirtschaftlicher Schaden. Die Zuweisung des Ausgleichsanspruchs anstelle des Eigentums bedeutet aber (auch bei rein wertmäßiger Betrachtung)56 noch mehr, als nur den Austausch einer Sache gegen den wirtschaftlichen Gegenwert. Der 55

Die Existenz eines solchen Ausgleichsanspruchs, der den Verlust bzw. den fehlgeschlagenen Eigentumserwerb auszugleichen sucht, wird dabei (für jede anwendbare Rechtsordnung) vorausgesetzt. 56 Zur Bedeutung ideeller Interessen vgl. sogleich am Ende dieses Abschnitts und unten S. 128 ff., S. 134 f. und insbesondere S. 351 ff.

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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Ausgleichsanspruch muss nämlich erst noch realisiert werden, bevor er als wirtschaftlich gleichwertiger Ersatz dienen kann. Für die Realisierbarkeit des Ausgleichsanspruchs ergeben sich zwei wesentliche Risiken. Zum einen trägt der Anspruchsinhaber das Insolvenzrisiko des Anspruchsgegners.57 Ist der Anspruchsgegner zahlungsunfähig, so ist der Anspruch wirtschaftlich wertlos. Teilweise wird in der Literatur hier angemerkt, dass dieses Risiko in den Fällen des gutgläubigen Erwerbs besonders ausgeprägt sei, da die pflichtwidrige Verfügung oft genug nur das Resultat einer prekären wirtschaftlichen Lage sei,58 bzw. „in der Regel (…) die Leistungsfähigkeit der Schuldigen zu wünschen übrig [lasse].“59 Ob dies ohne genauere empirische Daten so zutrifft, kann hier zunächst dahinstehen. Zum anderen muss der Anspruchsgegner auch erreichbar sein.60 Daran fehlt es bereits, wenn der Anspruchsgegner entweder von vornherein unbekannt ist oder zwar bekannt, aber nicht auffindbar ist. Verfügt der Veräußerer bewusst über die Sache eines Nichtberechtigten (z.B. der Dieb oder der unterschlagende Mieter), so erscheint dieses Risiko noch mal erhöht. Im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seines Vorgehens wird ein solcher Veräußerer regelmäßig versuchen Vorkehrungen zu treffen, um einer Geltendmachung der entsprechenden Ersatzansprüche gegen ihn zu entkommen. Das Nichtrealisierbarkeitsrisiko setzt sich also aus diesen beiden Elementen zusammen.61 Dieses Nichtrealisierbarkeits- oder Ausfallrisiko hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein, abhängig davon, wer der Anspruchsinhaber des Ausgleichsanspruchs ist. Besonders deutlich wird dies bei Veräußerungsketten. Geht man davon aus, dass das Durchlaufen der Veräußerungskette eine bestimmte Zeit in Anspruch nimmt, so liegt im Moment der Anspruchsgeltendmachung die Einbeziehung des „ersten Veräußerers“ (der „Kontaktperson“ des Eigentümers) in die Konstellation des gutgläubigen Erwerbs schon länger zurück als die Einbeziehung des „letzten Veräußerers“ (der „Kontaktperson“ des Erwerbers). Daraus kann sich eine Erhöhung des Nichtrealisierbarkeitsrisikos für den Eigentümer ergeben. Neben diesem rein zeitlichen Aspekt kann aber auch eine Rolle spielen, dass der „erste Veräußerer“ in den unterschiedlichsten Rechtsbeziehungen zum Eigentümer stehen kann und möglicherweise sogar bewusst als Nichtberechtigter verfügt (was die so57

Vgl auch Peters, S. 110; Hager, Verkehrsschutz, S. 2 f.; Terré/Simler, Rdnr. 444. Peters, S. 9. 59 Heck, § 60 1. d) (S. 253). 60 Vgl. auch Hübner, S. 12. 61 Die bloße Bezeichnung als Insolvenzrisiken, z.B. Hager, Verkehrsschutz, S. 2 f.; Neuner, JuS 2007, 401, 401, greift demnach zu kurz. 58

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Teil 1: Die Ausgangsposition

eben erwähnten Konsequenzen für die Auffindbarkeit dieses „ersten Veräußerers“ haben könnte), wohingegen der „letzte Veräußerer,“ der mit dem Erwerber einen Vertrag über die Übereignung der Sache schließt, gegenüber dem Erwerber mit einem Grundmaß an Offenheit auftreten muss (sonst wäre schon das Kriterium der Gutgläubigkeit des Erwerbers fraglich).62 Bei Situationen, in denen Veräußerungsketten vorliegen, ist das Nichtrealisierbarkeitsrisiko des Ausgleichsanspruchs also tendenziell höher, wenn dieser vom Eigentümer geltend zu machen ist. Dies besagt aber noch nichts darüber, ob ihm nicht vielleicht mit guten Gründen dieses Risiko aufzubürden ist.63 Mit der Entscheidung über die Zuweisung des Eigentums und der damit verbundenen immanenten Zuweisung des eigentumkompensierenden Ausgleichsanspruchs an einen Beteiligten wird also auch entschieden, wer in diesem Netz aus schuldrechtlichen und dinglichen Ansprüchen das wirtschaftliche Risiko trägt.64 Realisiert sich das mit dem Ausgleichsanspruch verbundene Ausfallrisiko, so entsteht in diesem Netz eine Vermögenseinbuße beim Eigentümer oder beim Erwerber (bzw. im Falle von Veräußerungsketten möglicherweise bei einem Zwischenerwerber).65 Der gesetz62

Dem kann man wiederum entgegenhalten, dass auch der gutgläubige Erwerber möglicherweise nicht mehr in der Lage ist, den Veräußerer aufzuspüren, z.B. im Falle des Verkaufs durch fliegende Händler oder über das Internet (Identitätstäuschung des Veräußerers). 63 Vgl. dazu insb. unter S. 313 ff. 64 Nach Müller (ZfRV 1963, 2, 4) ist dies die eigentlich zu entscheidende rechtspolitische Frage. Die sachenrechtliche Entscheidung, wer Eigentümer ist, sei demgegenüber nur ein Mittel technischer Durchsetzung der rechtspolitischen Entscheidung der Verteilung des Risikos der Zahlungsunfähigkeit. Zuerst sei das Risiko der Zahlungsunfähigkeit zuzuweisen und erst als Folge dieser Zuweisung ergebe sich die Frage der Zuweisung des Eigentums. 65 Da die Verweisung auf den risikobehafteten Ausgleichsanspruch zu einem Vermögensschaden bei dem Anspruchsgläubiger führen kann, gab es Überlegungen, einen gerechten Ausgleich dadurch zu erreichen, dass man den Anspruch und damit auch den möglichen Schaden zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber hälftig aufteilt; Stricker, S. 42 ff. Zu Recht wurde dieser Ansatz überwiegend kritisiert, denn in der Tat bedeutet ein solches Vorgehen, den gordischen Knoten zu zerhauen, statt ihn zu entwirren (von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 229). Diese Lösung würde jedoch noch nicht einmal vollständig den „Knoten zerhauen“, denn die Frage nach der Eigentumszuweisung müsste dennoch beantwortet werden. Soll der Eigentümer vom Erwerber noch einmal den halben Wert erhalten, oder soll der Erwerber als Ausgleich für einen gescheiterten Erwerb vom Eigentümer den halben Kaufpreis ersetzt bekommen? Zudem sprechen auch prozessökonomische Gesichtspunkte gegen ein solches Vorgehen, da bei einer Schadensteilung beide verbliebenen Beteiligten Ersatzansprüche gegen den Dritten geltend machen müssten und notfalls beide dafür einen Prozess anstrengen müssten (vgl. auch Brandt, S. 268 freilich in Bezug auf die Konstellation eines leichtsinnig handelnden Eigentümers). Es gab auch Lösungsrechte „zum halben Preis“: vgl. Olzen, Jura 1990, 505, 508 m.w.Nachw. Des Weiteren siehe unten S. 381 ff.

1. Kapitel: Das sachenrechtliche Mehrpersonenverhältnis

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geberische Verweis eines Beteiligten auf den eigentumkompensierenden Ausgleichsanspruch anstelle des Eigentums bedeutet dann im Ergebnis die Zuweisung des wirtschaftlichen Schadens. Auf der anderen Seite bedeutet die Zuweisung des Eigentums an der Sache für den von dieser Zuweisung Begünstigten, dass er diesen Vermögensschaden in Höhe des aktuellen Sachwerts nicht tragen muss. Schließlich wird der entsprechende Wert bereits durch die Sache selbst verkörpert. Vergleicht man auf dieser rein wirtschaftlichen Ebene66 die beiden Entscheidungen, so erhält der Begünstigte der Eigentumszuweisung mit dem Eigentum auch den entsprechenden wirtschaftlichen Wert, wohingegen der Anspruchsinhaber des Ausgleichsanspruchs um die Realisierbarkeit des Anspruchs bangen muss.67 3. Die Veränderungen durch ein Lösungsrecht Das Ergebnis dieser Analyse ändert sich jedoch wesentlich, wenn eine Rechtsordnung zur Entscheidung berufen ist, die ein Lösungsrecht kennt, wie dies bspw. bei der französischen Rechtsordnung und dem Lösungsrecht nach Art. 2277 C.c. der Fall ist.68 Der oben geschilderte Automatismus, wonach die Zuweisung des Eigentums gleichsam auch über die Aufbürdung des Nichtrealisierbarkeitsrisikos hinsichtlich des eigentumkompensierenden Ausgleichsanspruchs an den jeweils anderen Prätendenten entscheidet, wird durch ein Lösungsrecht durchbrochen. Liegt der Anwendungsfall des Lösungsrechts vor, so muss der Erwerber die Sache nur dann an den Eigentümer herausgeben, wenn ihm im Gegenzug der von ihm gezahlte Kaufpreis erstattet wird. Hier wird dem Eigentümer also das Eigentum zugewiesen, ohne dass der Erwerber das Nichtrealisierbarkeitsrisiko hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs trägt. Durch die Zahlung der Lösungssumme vom Eigentümer an den Erwerber nimmt der Eigentümer dem Erwerber das mit dem Ausgleichsanspruch verbundene Ausfallrisiko ab. Es ist dadurch gewährleistet, dass der entsprechende 66 Wie bereits erwähnt berücksichtigt diese Betrachtung das Eigentum letztlich nur mit seinem Wertinteresse, jedenfalls aber nicht damit verbundene Affektionsinteressen (dazu S. 128 ff. und S. 351 ff.). Dies erkennt auch Müller (ZfRV 1963, 2, 4) an, der seine entsprechenden Ausführungen auf den (Regel)fall anderweitig beschaffbarer Sachen beschränkt. 67 In diese Richtung auch Savatier anlässlich einer Entscheidung der Cour de Cassation (in: Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130): Es gehe bei der Entscheidung über einen gutgläubigen Erwerb auch darum, einem von zwei ehrlichen Beteiligten den Schaden der Zahlungsunfähigkeit des Veräußerers (in dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um einen Dieb) aufzuerlegen. Die Zahlungsunfähigkeit des Diebes erzeugt zwingend ein Opfer. Im Anschluss geht es nur darum festzustellen, wer zum Opfer wird. 68 Ausführlich zum französischen Lösungsrecht siehe unten S. 64 ff. und S. 284 ff.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

wirtschaftliche Schaden jedenfalls nicht beim (gutgläubigen) Erwerber eintritt, sondern der Eigentümer das entsprechende Ausfallrisiko trägt (obwohl er mit dem Eigentum an der Sache auch den darin verkörperten Sachwert zugewiesen bekommen hat). Ausführlich zur Funktionsweise des Lösungsrechts im Zusammenhang mit den Entscheidungen über die Zuweisung des Eigentums und die Zuweisung des Ausgleichsanspruchs in Teil 3.

2. Kapitel

Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation 2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

Als Ausfluss des rechtlichen Eigentums kann ein Eigentümer seine Sache von einem Dritten herausverlangen; er kann sie vindizieren.1 Infolge der oben geschilderten Vorgänge kann eine Rechtsordnung diesen Anspruch allerdings ausschließen oder einschränken. Dafür stehen verschiedene Rechtsinstitute zur Verfügung. Der Ausschluss der Vindikation kann sich durch eine Regelung des gutgläubigen Erwerbs (A.) sowie der (unter Umständen verkürzten) Ersitzung (B.) oder der Verjährung oder Verwirkung (C.) ergeben, wobei den beiden letztgenannten Instituten nur eine ergänzende Bedeutung zukommt. In der Anwendung der einzelnen Institute ergeben sich Unterschiede in der Umsetzung. Diese Unterschiede betreffen insbesondere Fragen des Zeitablaufs und der Zuordnung des Eigentums.

A. Gutgläubiger Erwerb Das Institut des gutgläubigen Erwerbs löst den oben genannten Interessenkonflikt zwischen Eigentümer, Veräußerer und Erwerber am direktesten. Es tritt bei Erfüllung der jeweiligen gesetzlich normierten Voraussetzungen regelmäßig ein sofortiger2 Rechtserwerb des Erwerbers ein, wobei es sich regelmäßig um das vollwertige Eigentum handelt.3 Der gutgläubige Erwerb ist in einer Vielzahl von Rechtsordnungen vorgesehen, so u. a. in Deutschland,4 Frankreich,5 Italien, Japan, Niederlande, Österreich, Schweiz und Spanien.6

1

Für das deutsche Recht vgl. § 985 BGB. Ausnahmen ergeben sich bspw. im Rahmen des Art. 2276 Abs. 2 C.c., dazu unten S. 62 f. 3 Vgl. zum französischen Recht unten S. 59 f. und zum deutschen Recht unten S. 99 f. 4 Insbesondere §§ 932–936 BGB, § 366 HGB; Zur deutschen Regelung sogleich unten S. 81 ff. 5 Insbesondere Art. 2276, 2280, 1141. C.c.; dazu sogleich unten S. 45 ff. 6 Eine Darstellung verschiedener Rechtsordnungen (u.a. Schweiz, Japan, Österreich, Italien, Spanien, Portugal, England, USA, Niederlande) findet sich bei Thorn, S. 46 ff. 2

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Nicht nur in Deutschland7 wurde bereits in der Vergangenheit8 die Frage des Wesens dieses Eigentumserwerbs intensiv diskutiert. Handelt es sich dabei um einen originären oder einen derivativen Eigentumserwerb? 9 Für den originären Eigentumserwerb spricht,10 dass das Handeln des Veräußerers alleine für einen Eigentumserwerb durch den Erwerber nicht ausreicht. Vielmehr muss das Vertrauen bzw. der gute Glaube des Erwerbers in die Verfügungsberechtigung des Veräußerers hinzukommen. Ebenso auf einen originären Erwerb deutet die Tatsache hin, dass der Rechtsübergang ohne Mitwirkung des bisherigen Rechtsinhabers erfolgt.11 Für den derivativen Eigentumserwerb spricht wiederum, dass für einen erfolgreichen Eigentumserwerb zum Erfordernis der Gutgläubigkeit des Erwerbers gerade die Notwendigkeit eines Übertragungsaktes hinzukommen muss. Demnach wäre der Rechtsgrund für den Eigentumserwerb ein angestrebter Übertragungsvorgang (derivativer Erwerb) und nicht nur ein eigenes Handeln des Erwerbers oder ein rein tatsächlicher Vorgang. 12 Andere begründen den derivativen Eigentumserwerb damit, dass erst der Rechtsschein der Verfügungsberechtigung des Veräußerers die Legitimation für diese Übertragung liefert.13 Daher wird auch von der „Legitimationstheorie“ gesprochen.14 Überwiegend wird heute im deutschen Recht von einem abgeleiteten Rechtserwerb ausgegangen. 15 Aufgrund des unklaren Wesens wird teilweise allerdings auch ein Mischtatbestand befürwortet.16 Überdies ist die Einordnung eines nationalen Systems abhängig von der konkreten nationalen Ausgestaltung und Formulierung der jeweiligen Gesetzesbestimmungen. Im französischen Recht wird so aufgrund der ursprünglichen systematischen Einordnung und aufgrund der unterschied7

Zur Diskussion in Frankreich u.a. Carbonnier, Biens, Nr. 236. Ausführliche Diskussionen finden sich bereits bei Planck/Brodmann, Vorbem §§ 932–935, Anm. 5; Hübner, S. 44 ff. 9 Vgl. zu dieser Diskussion schon Ercklentz, S. 91 ff. 10 Staudinger/Wiegand, Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 40. 11 Ebenfalls für einen originären Rechtserwerb Gernhuber, § 8 I 9 (S. 69) („Fall der Rechtsverdrängung“); Larenz, AT (7. Aufl.), § 13 V (S. 238). 12 Schwab/Prütting, Rdnr. 441; Im französischen Recht ist zwar nicht der Übertragungsvorgang der tatsächlichen Sachherrschaft entscheidend, sondern der Zustand der Ausübung der Sachherrschaft auf Seiten des Erwerbers; auch diesem Zustand muss aber eine Übertragungshandlung vorausgehen. 13 So Westermann, § 45 IV (S. 372). 14 Vgl. bei von Gierke, § 32 III a (S. 92); MüKo/Quack (4. Aufl.), § 932 Rdnr. 59. 15 So u.a. MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 69; Schwab/Prütting, Rdnr. 441. 16 Schon Ercklentz, S. 103 (allerdings mit einer Betonung des originären Elements); Von Gierke, § 32 III c (S. 93); Hübner, S. 51 f.: „Das Schema [Zweiteilung originärderivativ] wirkt wie ein Käfig, in dem auch die Einsichtsvollsten nur im Kreise zu gehen vermögen.“; auch Mayer-Maly sieht in Bezug auf die römischrechtliche Ersitzung eine Mittelstellung gegeben, § 13 VIII 1 (S. 68). 8

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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lichen Grundkonzeption17 ein originärer Eigentumserwerb befürwortet.18 Eine unterschiedliche Lösung oder eine unterschiedliche Bewertung der involvierten Interessen ist mit dieser – je nach Standpunkt abweichenden – Einordnung der Rechtsnatur dieses Eigentumserwerbs jedoch nicht verbunden. Nicht zuletzt daran zeigt sich, dass die genaue dogmatische Einordnung für die Zwecke dieser Untersuchung anhand der Ordnungsaufgabe dahinstehen kann, denn sie ist ohne große praktische Relevanz und trägt zum Ergebnis der Auflösung des Interessenkonflikts nichts bei.19 Für diese Untersuchung sind insbesondere die französischen Regeln des Code civil (I.) und die deutsche Regeln nach dem BGB (II.) relevant.

I. Der gutgläubige Erwerb im französischen Recht Die französischen Regelungen zum gutgläubigen Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten finden sich im Wesentlichen im Code civil (C.c.). Einige ergänzende Sonderbestimmungen ergeben sich aus Nebengesetzen. Der Code civil ist in den Jahren 1803 und 1804 zunächst in 36 Einzelgesetzen verabschiedet worden und nach seiner Zusammenfassung unter der Bezeichnung Code civil des Français20 am 21. März 1804 in Kraft getreten.21 Die essentiellen Bestimmungen fanden sich dabei bis zum Jahr 2008 unter den bekannten Artikelnummern der Art. 2279, 2280 C.c. sowie Art. 1141 C.c. Inhaltlich sind die Bestimmungen seit 1804 im Großen und Ganzen unverändert geblieben.22 Allerdings wurde durch die Reform des franzö17

Das französische Recht stellt weniger auf den Vorgang der Übertragung ab, sondern betrachtet im Schwerpunkt, was der Erwerber letztlich erlangt hat und fragt danach, ob diese erlangte Form der tatsächlichen Sachherrschaft die Wirkung des Art. 2276 C.c. herbeiführt. Vgl. hierzu unten S. 50 ff. 18 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1539 f.: „le possesseur … acquiert une propriété neuve“ und „mode originaire“; Cornu, Les biens, Rdnr. 120 Fn. 9: „titre …, qui naît sur la tête du possesseur“. 19 Hübner, S. 45; Hager, Verkehrsschutz, S. 5; MüKo/Quack (4. Aufl.), § 932 Rdnr. 64 Fn. 124; zur möglichen Relevanz im Prozessrecht, diese aber ablehnend Staudinger/ Wiegand, Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 41. 20 Von 1807 bis 1814 (Beginn der Restauration) hieß er Code Napoléon. Während der Restauration trug er den Namen Code civil und ab 1852 wieder den Namen Code Napoléon. Er wurde anschließend zwar nicht erneut umbenannt, trägt heute aber aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Gewohnheit auch offiziell den Namen Code civil, Cornu, Introduction, Rdnr. 291. 21 Cornu, Introduction, Rdnr. 278; Die Zusammenfassung erfolgte am 30 Ventôse im Jahr XII nach dem Französischen Revolutionskalender. Dies entspricht dem 21. März 1804. 22 Lediglich Art. 2277 Abs. 2 C.c. wurde durch Gesetz vom 11. Juli 1892 angefügt. Die nie umgesetzten Reformarbeiten der Jahre 1946-1955 zum Code civil hatten für diesen Bereich keine wesentlichen Änderungen vorgesehen. Einige allgemeine Änderungen

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Teil 1: Die Ausgangsposition

sischen Verjährungs- und Ersitzungsrechts vom 17. Juni 2008 die Nummerierung der hier relevanten Bestimmungen geändert,23 da diese systematisch im Code civil unter der Rubrik der erwerbenden Verjährung (prescription acquisitive)24 eingeordnet sind und somit formell von der Neuordnung betroffen waren. Im Vorfeld der Reform des Verjährungsrechts war zwar gefordert worden, die entsprechenden Nummern dieser beiden Artikel aufgrund ihrer Verwurzelung im nationalen Gedächtnis und der nationalen Kultur beizubehalten.25 Der Gesetzgeber hat sich jedoch schließlich zu einer durchgehenden Neunummerierung der betroffenen Abschnitte entschlossen. Die Regelungen der Art. 2279, 2280 C.c. finden sich nun inhaltsgleich in Art. 2276 C.c. (Art. 2279 C.c. a.F.) und Art. 2277 C.c (Art. 2280 C.c. a.F.). Im Laufe der mehr als 200 Jahre haben sich durch die Rechtsprechung Entwicklungen und Präzisierungen ergeben, so dass sich die Regelung heute26 wie nachfolgend dargestellt präsentiert. Anzumerken ist, dass derzeit in Frankreich unter der Leitung der Association Henri Capitant zudem Vorarbeiten für eine Reform des Sachenrechts (im Folgenden: Avant-Projet Réforme droit des biens) durch eine Gruppe französischer Juristen stattfinden. Ein erster Bericht ist am 31. Oktober 2008 der Direction des Affaires Civiles et du Sceau du Ministre de la

im Recht der possession hätten kleinere Auswirkungen auf das Recht des gutgläubigen Erwerbs gehabt, vgl. Commission de Réforme du Code Civil, Travaux Année 1946–1947, S. 932 ff. 23 Loi n° 2008-561 du 17 juin 2008 portant réforme de la prescription en matière civile. Die hauptsächlichen Anliegen der Reform waren dabei die systematische Trennung von Verjährung (prescription extinctive) und Ersitzung (prescription acquisitive), die Vereinheitlichung und Verkürzung der Verjährungsfristen, die Integration internationaler und europäischer Entwicklungen sowie die Berücksichtigung privatautonomer Absprachen im Bereich der Verjährung, vgl. Brenner/Lécuyer, JCP N 2009, 1118 Nr. 5; Fricero, Procédures Nr. 7, Juli 2009, Etude 6, Nr. 2. 24 Zur prescription acquisitive als Ersitzung näher unten S. 115 ff. 25 Malaurie in Avant-Projet de Réforme du Droit des Obligations (Articles 2234 à 1386 du Code civil) et du Droit de la Prescription (Articles 2234 à 2281 du Code civil), Rapport à Monsieur Pascal Clément Garde des Sceaux, Ministre de la Justice 22 Septembre 2005, abgerufen am 9.3.2010 unter „http://lesrapports.ladocumentationfrancaise.fr/ BRP/054000622/0000.pdf“, Livre Troisième, Titre XX Exposé des motifs Nr. 18: „Il a été jugé utile de maintenir le numéro de l’article 2279, enraciné dans la culture et la mémoire nationales, comme les articles 544 et 1134.“ 26 Zur geschichtlichen Entwicklung der französischen Regelung vgl. u.a. Cabassol, S. 54 ff.; Ledieu, S. 1 ff.; Planiol/Ripert, Traité élémentaire, Nr. 2461 ff.; Patault, Rdnr. 246 ff. und die weiteren Verweise in Feenstra, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 1995, 355, 355 Fn. 2.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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Justice übergeben worden.27 Darin werden auch Änderungen im Bereich des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen angeregt. 28 1. Die Grundregel des gutgläubigen Erwerbs im Code civil: Art. 2276 Abs. 1 C.c. Die wesentlichen Voraussetzungen ergeben sich bzw. wurden aus der sehr knappen Bestimmung des Art. 2276 Abs. 1 C.c.: „En fait de meubles, la possession vaut titre“ entwickelt (dt. „Bei beweglichen Sachen gilt der Besitz als Titel“).29 Diese Regelung geht, wie auch die Bestimmungen des Art. 2276 Abs. 2, Art. 2277 Abs. 1 C.c., zurück auf die Rechtsprechung des Pariser Châtelet seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts und auf die Arbeiten von Bourjon.30 Aus dieser Regel wird heute nicht nur das Grundprinzip zum gutgläubigen Erwerb (im Französischen als „fonction acquisitive“ bezeichnet), sondern zusätzlich noch eine Regel zur Eigentumsver-

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Association Henri Capitant, „Proposition de Réforme du Livre II du Code Civil relatif aux Biens“ (Version du 19 Novembre 2008), IV (S. 14), abgerufen zuletzt am 7. April 2010 unter (im Folgenden: Avant-Projet Réforme droit des biens). Kritisch zum Gesetzgebungsbedarf generell und zum konkreten Vorhaben: Zenati-Castaing, RTD civ. 2009, S. 211 ff. (insb. unter 1., 2. und 32.); Dross/MalletBricout, D. 2009, S. 508 ff. (unter VI.). 28 Vgl. zu den vorgeschlagenen Änderungen bspw. unten S. 56 f., Teil 1, 2. Kapitel Fn. 34, Teil 1, 2. Kapitel Fn. 87, Teil 2, 2. Kapitel Fn. 56, S. 210 und Teil 3, 2. Kapitel Fn. 120. 29 Deutsche Übersetzung nach Heinsheimer/Merk, S. 794. Entsprechend der hier zitierten Übersetzung wurde die Bezeichnung „Besitz“ verwendet, wenngleich der Besitz ein Rechtsbegriff des BGB ist und als solcher nicht der französischen possession entspricht. Beiden Begriffen gemeinsam ist die Beschreibung eines Zustands der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft an einer Sache in Verbindung mit der Erfüllung weiterer, je nach Rechtsordnung verschiedener, Anforderungen. Zusammenfassend lassen sich beide als Form einer qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft bezeichnen. Vgl. dazu unten S. 173 ff. Diese weithin bekannte Formulierung würde bei Umsetzung der vorgeschlagenen Sachenrechtsreform verschwinden, vgl. Art. 566 Avant-Projet Réforme droit des biens (oben Teil 1 Fn. 27). 30 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1519, 1523; Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 10; Patault, Rdnr. 253; Poincaré, S. 171 ff. Planiol/Ripert, Traité élémentaire, Nr. 2473 relativiert die Bedeutung von Bourjon. Zwar sei dies der älteste Text, der sie wiedergebe, er habe die Regel aber nicht entwickelt, sondern sie nur unter Berufung auf die dazu bereits im Schrifttum existierende ständige Auffassung wiedergegeben. Zur Rückführung auf das Pariser Châtelet und der Rückführung auf Bourjon, vgl. Merk, RheinZ 1914, 81, 203 ff., insb. S. 210 und S. 214.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

mutung im Zweipersonenverhältnis31 (im Französischen als „fonction probatoire“ bezeichnet) abgeleitet.32 Die Bedeutung der Norm und ihre Voraussetzungen erschließen sich nicht allein aus ihrem Wortlaut. In der Formulierung spiegelt sich wieder, dass die Gesetzesverfasser bei Art. 2276 Abs. 1 C.c., wie bei den gesamten Art. 2276, 2277 C.c., eine prozessuale Sichtweise einnahmen. Sie hatten die Situation vor Augen, dass sich der Inhaber der tatsächlichen Gewalt an einer beweglichen Sache einer Herausgabeklage des Eigentümers gegenübersieht.33 Man ist also von einer (prozessualen) Zweipersonenbeziehung ausgegangen und hat auf diese Weise jene Fälle mitgeregelt, in denen ein Dritter zur Konstellation beigetragen hat, indem dieser Dritte die Sache als vermeintlich Berechtigter an den jetzigen Inhaber der Sachgewalt veräußert hat. Geht es nicht um die Einbeziehung der Veräußerung durch einen Dritten, so ist Art. 2276 Abs. 1 C.c. nicht in seiner fonction acquisitive betroffen. Art. 2276 Abs. 1 C.c. wirkt in dieser reinen Zweipersonenkonstellation dann in seiner fonction probatoire, also als bloße Eigentumsvermutung.34 Art. 2276 Abs. 1 C.c. ermöglicht einen gutgläubigen Eigentumserwerb von beweglichen körperlichen Sachen (a), an denen der Erwerber die tatsächliche Sachherrschaft in Form der possession inne hat (b), wenn er im Moment der Erlangung der possession gutgläubig war (c). a) Bewegliche körperliche Sachen, an denen privates Eigentum möglich ist Art. 2276 C.c. erfasst die beweglichen körperlichen Sachen („meubles“).35 Die beweglichen Sachen sind in den Art. 527 ff. C.c. näher beschrieben und von den unbeweglichen Sachen i.S.d. Art. 517 ff. C.c. abzugrenzen.36 31

Zu dieser Funktion bspw. Saunier, S. 72 ff.; Cornu, Les biens, Rdnr. 123 ff.; Terré/ Simler, Rdnr. 426. 32 Zur Abgrenzung der beiden Funktionen und für eine Betonung der fonction acquisitive des Art. 2276 C.c., Dross, RTD civ. 2006, 27 ff. (insbesondere Nrn. 22 und 42 ff.) und zur Abgrenzung der beiden Funktionen unter Berücksichtigung der Zweipersonenund Dreipersonenbeziehungen vgl. Dross, D. 2007, 706 ff. (unter III.). 33 Carbonnier, Biens, Nr. 227. 34 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1525 und 1541. Der Regelungsvorschlag des AvantProjet Réforme droit des biens (vgl. oben Teil 1 Fn. 27) sieht eine Trennung der beiden Funktionen vor. Vgl. Art. 555 des Vorschlags (fonction probatoire) und Art. 556 des Vorschlags (fonction acquisitive). 35 U.a. Malaurie/Aynès, Nr. 574; Atias, Nr. 346 m.w.Nachw. 36 Zur Abgrenzung der beweglichen Sachen von solchen Sachen, die zwar ihrer Natur nach beweglich sind, aber in ihrem Zweck mit einer unbeweglichen Hauptsache verbunden sind und wegen dieser Verbundenheit als unbeweglich qualifiziert werden vgl. Beysen, S. 191 m.w.Nachw.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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Ebenfalls nicht erfasst werden Forderungen37 und Immaterialgüterrechte.38 Ausgeschlossen ist auch die Anwendung auf Sachgesamtheiten, wie die „fonds de commerce“39 oder die „souvenirs de famille“40. Sonderregeln existieren in jenen Fällen, in denen die Übereignung mit besonderen Formalitäten (insbesondere einer Registrierung) verbunden ist, wie dies bei Schiffen und Luftfahrzeugen der Fall ist.41 Die Mehrzahl der französischen Wertpapiere42 unterliegt nicht mehr den Regeln über bewegliche Sachen, da sie nicht mehr in körperlicher Form vorliegen, sondern bei den zuständigen Wertpapierstellen nur noch als Rechnungsposten geführt werden.43 Soweit Wertpapiere noch in körperlicher Form existieren, unterliegen sie im Wesentlichen den durch die Dekrete Nr. 56–27 vom 11. Januar 1956 und Nr. 64–1183 vom 27. No-

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U.a. Cass. req., 25.11.1929, DH 1930, 3. Zum propriété littéraire et artistique Cass. civ., 26.02.1919, D.P. 1923, 1, 215. Ein Teil der französischen Lehre spricht sich aktuell dafür aus, Art. 2276 C.c. auch auf unkörperliche Sachen anzuwenden, soweit dort inzwischen eine qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft im Sinne der französischen possession anerkannt ist; vgl. Terré/Simler, Rdnr. 431. Dies wird durch die Cour de Cassation bislang abgelehnt; Cass. com., 7.03.2006, D. 2006, 2897. Dingliche Rechte an beweglichen Sachen wie der französische Nießbrauch (usufruit) oder das französische Pfand (gage) fallen hingegen unter Art. 2276 Abs. 1 C.c., obwohl es sich nur um Rechte handelt, Civ., 19.06.1928, D.P. 1929, 1, 45. 39 Cass. civ., 02.03.1960, Bull. civ. I, Nr. 141. Bei den fonds de commerce handelt es sich um eine Gesamtheit von vermögenswerten Rechten eines Handelsunternehmens, wobei aber nur die immateriellen Teile wie Kundenstamm, Mietrechte, Firmenname etc. erfasst sind, Simler/Delebecque, Rdnr. 680. 40 Cass. civ., 29.11.1994, Bull civ. I, Nr. 354. Dabei handelt es sich um eine vor allem erbrechtlich relevante besondere Sachgesamtheit und nicht um einzelne individualisierte Gegenstände; vgl. auch unten Teil 3 Fn. 65. 41 Cornu, Les biens, Rdnr. 120, 119 (S. 305); Malaurie/Aynès, Nr. 574; Zu Einzelheiten vgl. unten S. 185 f. Die Registrierung bei PKW hat lediglich einen verwaltungsrechtlichen Hintergrund und ist kein zivilrechtliches Übereignungserfordernis; Cass. civ., 01.03.1988, Bull. civ. I, Nr. 59; Carbonnier, Biens, Nr. 227. Zur möglichen Bedeutung solcher Register im Rahmen der Gutgläubigkeit vgl. unten S. 57 f. 42 Keine Wertpapiere sind Banknoten, Art. L. 122-1 Abs. 3 C.mon.et.fin. 43 Nach dem Dekret Nr. 83-359 vom 2. Mai 1983 sind Wertpapiere weitestgehend nicht mehr in körperlicher Form auszugeben und bereits ausgegebene Wertpapiere sind entsprechend umzuwandeln. Für den Bereich des gutgläubigen Erwerbs entfaltete das Dekret nach seinem Art. 23 fünf Jahre nach seiner Veröffentlichung, also seit dem 3. Mai 1988 seine Wirkung. Zu diesem Zeitpunkt war die Mehrzahl der vorhandenen Wertpapiere bereits umgewandelt worden. Nur in Ausnahmefällen existieren heute noch Wertpapiere in körperlicher Form, so bei ausländischen Wertpapieren, tilgbaren Schuldverschreibungen und Staatsanleihen im Bereich des Post- und Fernmeldewesens; vgl. Cornu, Les biens, Rdnr. 122, Terré/Simler, Rdnr. 446 f. und Dross, Jurisclasseur civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 62 ff. 38

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Teil 1: Die Ausgangsposition

vember 1964 aufgestellten Sonderregeln.44 Eine besondere Stellung nehmen im französischen Recht ebenso die öffentlichen Sachen ein, die nicht am Privatrechtsverkehr teilnehmen.45 b) Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft in Form der possession Das französische Recht stellt hinsichtlich des Erfordernisses der tatsächlichen Sachherrschaft auf die Erlangung derselben in Form der possession durch den Erwerber ab.46 Die possession ist ein facettenreicher zentraler Begriff des französischen Sachenrechts. Sie spielt in vielen Bereichen eine Rolle und ist in Art. 2255 C.c. (Art. 2228 C.c. (a.F.)) nur ansatzweise beschrieben. Es handelt sich dabei um eine Form der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft (wie der Besitz im deutschen Recht).47 Eine possession erfordert neben dem corpus, der tatsächlichen Sachherrschaft, einen animus, einen bestimmten Willen im Hinblick auf die Sache. Eine possession, die im Rahmen von Art. 2276 Abs. 1 C.c. einen gutgläubigen Erwerb bewirken kann, erfordert einen animus domini, einen Willen, die Sachherrschaft für sich auszuüben (aa). Die tatsächliche Sachherrschaft (corpus–Element) darf zudem keine rein fiktive (bb) und muss frei von Fehlern sein (cc). aa) Animus domini Die possession verlangt in Anlehnung an die römischen Wurzeln48 einen Willen, die Sachherrschaft über die Sache für sich (als Eigentümer) auszuüben (animus domini).49 Abzugrenzen ist der possesseur dabei vom bloßen 44

Hierzu siehe unten S. 255 ff. Darüber hinaus existieren noch Sonderregeln für bestimmte Formen verbriefter Guthaben aus Lebensversicherungs- und Sparverträgen, Art. L.160-1 und Art. L.160-2 Code des assurances. 45 Vgl. dazu unten S. 225 ff. und 369 ff. 46 Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied bei der Komponente der tatsächlichen Sachherrschaft zum deutschen Recht, das auf die Übergabe der tatsächlichen Sachherrschaft (in Form des Besitzes) vom Veräußerer an den Erwerber abstellt. Vgl. dazu unten S. 86 ff. und S. 173 ff. 47 Die unterschiedliche Ausformung einer qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft durch den deutschen Besitz und die französische possession sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, vgl. Ortscheidt, S. 18 ff.; Minuth, insbesondere S. 46 ff. und S. 189 ff. 48 Auch das römische Recht kannte keinen Fremdbesitz, Wesel, Rdnr. 138. 49 Terré/Simler, Rdnr. 156. Hierin liegt ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der französischen possession und dem deutschen Besitz. Beim Besitz des BGB reicht ein allgemeiner Besitzwille aus, der auch ein Fremdbesitzwille sein kann. Im Bereich des gutgläubigen Erwerbs ist dieser Unterschied jedoch nicht von entscheidender Bedeutung, da auch nach der Konzeption des BGB für den gutgläubigen Eigentumserwerb ein Eigenbesitz erforderlich ist. Zur Herleitung dieser Unterschiede aus einem klassischen Streit zwischen Savigny und Ihering und zur inzwischen stark reduzierten Bedeutung dieses

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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Inhaber der tatsächlichen Gewalt an der Sache ohne den Willen, als Eigentümer zu besitzen (détenteur précaire). Im Bereich des gutgläubigen Erwerbs ist diese Voraussetzung zunächst unproblematisch, da der Erwerber schließlich das Eigentum an der Sache erwerben möchte.50 bb) Tatsächliche Sachherrschaft Der Erwerber muss die Sache tatsächlich beherrschen (possession réelle).51 Das Innehaben eines Kraftfahrzeugbriefs oder eines Lagerscheins reicht dafür nicht aus.52 Allerdings kann die possession indirekt ausgeübt werden, solange der possesseur über die Sache disponieren kann.53 Entscheidend ist nämlich nicht, dass der possesseur tatsächlich die materielle Gewalt über die Sache ausübt, sondern dass er noch den Willen und die Macht hat, die possession auszuüben.54 Die possession bleibt somit erhalten, wenn ein Dritter die tatsächliche Gewalt als détenteur précaire innehat und den possesseur als solchen anerkennt.55 Im Einzelnen ergeben sich hier einige Unklarheiten aufgrund einiger Entscheidungen der Cour de Cassation. Bei diesen Entscheidungen geht es um die Frage, ob die tatsächliche Ausübung der possession in dem Moment, in dem der Erwerber sich auf Art. 2276 C.c. berufen möchte, noch gegeben sein muss. Hierzu vgl. näher unten S. 70 ff. cc) Mängelfreiheit Damit die possession des Erwerbers zu einem Eigentumserwerb nach Art. 2276 C.c. führen kann, muss sie – zumindest nach der Rechtsprechung – zudem frei von Mängeln („exempte des vices“) sein. Diese Mängelfreiheit untergliedert sich wiederum in mehrere Aspekte. Als Ausgangspunkt ist Art. 2261 C.c. (Art. 2229 C.c. (a.F.)) heranzuziehen, der bestimmte weitere Anforderungen an den Besitz stellt. Art. 2261 C.c. nennt eine fort-

Unterschiedes vgl. Ortscheidt, S. 132 ff. und Terré/Simler, Rdnr. 157 ff. insb. Rdnr. 158: „L’opposition du subjectivisme français et de l’objectivisme allemand a perdu une grande part de son importance, spécialement depuis qu’en droit français, la situation du détenteur précaire a été très améliorée sous l’influence de la jurisprudence et – au sujet de la protection possessoire – de la législation.“ 50 Einen Sonderfall stellt die tatsächliche Sachherrschaft des Pfandgläubigers dar. Dieser muss nicht als ihm gehörend besitzen, um sich für die Wirkung seines Pfandrechts auf Art. 2276 C.c. berufen zu können, Cass. req., 12.03.1888, D.P. 88, 1, 404. 51 Cass. civ., 12.02.1921, DP 1922, 1, 28. 52 Cornu, Les biens, Rdnr. 120 Fn. 14. 53 Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 100. 54 Terré/Simler, Rdnr. 434; Malaurie/Aynès, Nr. 578. 55 Cass. civ., 16.01.1980, D. 1980, 232; Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1420; Planiol/ Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 149; Malaurie/Aynès, Nr. 491.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

gesetzte und ununterbrochene, friedliche, öffentliche sowie unzweideutige possession als Eigentümer.56 Inwieweit die dort genannten Kriterien auch für den gutgläubigen Erwerb relevant sind, wird unterschiedlich beurteilt. Das Schrifttum ist in dieser Frage gespalten.57 Teilweise wird das Erfordernis der mängelfreien possession auch für den gutgläubigen Erwerb gefordert.58 Andere lehnen dieses Erfordernis besonders bei der fonction acquisitive des Art. 2276 C.c. ab,59 insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich beim gutgläubigen Erwerb nach Art. 2276 C.c., trotz seiner systematischen Stellung, nicht mehr um eine Form der sofortigen Ersitzung („prescription instantanée“) handelt und die Art und Weise der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft im Zeitverlauf daher nicht relevant sein kann. Die durch die Reform von 2008 bewirkten Änderungen unterstützen nach einer systematischen Auslegung wiederum die Ansicht, dass das Erfordernis der mängelfreien possession auch für Art. 2276 C.c. relevant ist.60 Einige Entscheidungen der Cour de Cassation haben ein Erfordernis der fehlerfreien possession auch im Rahmen der hier untersuchten fonction acquisitive bejaht, insbesondere zwei Entscheidungen aus den neunziger Jahren.61 Im Wesentlichen geht es dabei um die Notwendigkeit einer unzweideutigen possession („possession non-équivoque“) und die Abgrenzung dieses Merkmals zum Erfordernis der Gutgläubigkeit. Eine Zweideu56 Art. 2261 C.c.: „… il faut une possession continue et non-interrompue, paisible, publique, non équivoque, et à titre de propriétaire.“ 57 Vgl. Zenati, RTD civ. 1998, 408, 409 und Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 101. 58 U.a. Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1531; Terré/Simler, Rdnr. 435; Bergel/Bruschi/ Cinamonti, Nr. 225. 59 Gegen ein solches Kriterium unabhängig davon, ob es sich um die fonction acquisitive oder die fonction probatoire des Art. 2276 C.c. handelt: Zenati/Revet, Nr. 188; Carbonnier, Biens, Nr. 233. Eine Unterscheidung anhand der betroffenen Funktion des Art. 2276 C.c. mit einer Ablehnung für die fonction acquisitive nehmen vor: Planiol/ Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 381; Malaurie/Aynès, Nr. 578; Dross, D. 2007, 706 ff. (unter II.). 60 Art. 2276 C.c. befindet sich nun im 2. Kapitel des 3. Buchs (Titre XXI), der mit Ersitzung (prescription acquisitive) überschrieben ist, und in diesem Abschnitt wiederum sind Art. 2276 C.c. und Art. 2277 C.c. die einzigen beiden Vorschriften der Section 3; diese Section 3 wiederum wird als Ersitzung (prescription acquisitive) im Bereich der Mobilien bezeichnet; vgl. unten S. 55 f. So auch Dross, Jurisclasseur civil Art. 2276 et 2277, Nr. 85, der allerdings bezweifelt, dass dies vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Dieser Punkt ist eng verknüpft mit dem dogmatischen Grundverständnis der fonction acquisitive des Art. 2276 C.c. Vgl. zur Diskussion um die Einordnung als „prescription instantanée“ unten S. 59 ff. 61 Cass. com., 05.03.1996, RTD civ. 1997, 472; Cass. civ., 14.05.1996, JCP G 1996, I, 3972, Nr. 2. Die Mehrzahl der Entscheidungen betraf allerdings die fonction probatoire des Art. 2277 Abs. 1 C.c.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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tigkeit der possession ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn die vom Erwerber vorgenommenen Handlungen nicht klar seinen animus domini zum Ausdruck bringen und sich auch anders als durch einen Anspruch auf das Eigentum an der Sache erklären könnten.62 Über den Umweg der unzweideutigen possession wirft die Rechtsprechung dem Erwerber vor, hinsichtlich der Eigentumslage seines Veräußerers unsicher gewesen zu sein, so dass der Erwerber selbst als Folge daraus einen unzureichenden animus domini habe.63 Der Unterschied zwischen der Beurteilung einer unzweideutigen possession und dem guten Glauben ist nach der Rechtsprechung, dass das Kriterium einer possession non-équivoque darauf abzielt, wie Dritte die Form der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft beim Erwerber wahrnehmen, wohingegen der Aspekt des guten oder bösen Glaubens auf die innere Einstellung des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft abstellt.64 So hat die Cour de Cassation bspw. angenommen, dass eine zweideutige possession vorliegt, wenn ein Erwerber ein Kfz erwirbt, ohne sich den Fahrzeugbrief (in Form der französischen carte grise) übergeben zu lassen.65 Die Art der Rechtsanwendung dieses Kriteriums ist dabei trotz der scheinbar klaren Vorgaben nicht immer eindeutig und führt zur Vermengung verschiedener Aspekte. Es wird nicht klar zwischen der notwendigen possession des Erwerbers und der zuvor vorhandenen Sachherrschaft auf Seiten des Veräußerers unterschieden. Liegt beim Veräußerer keine fehlerfreie possession vor, so kann dies beim Erwerber zur Bösgläubigkeit führen, aber nicht seine possession beeinträchtigen. Dadurch vermengt die Rechtsprechung nicht zuletzt die Aspekte des animus domini des Erwerbers (die Einstellung des Erwerbers zu der Sache) und des guten Glaubens (die Einstellung des Erwerbers zur Berechtigung des Veräußerers).66 In anderen Fällen wurde das Kriterium dazu verwendet zu unterscheiden, ob der (vermeintliche) Erwerber tatsächlich eine possession erlangt hatte oder nur ein bloßer détenteur précaire gewesen sei.67 62

Terré/Simler, Rdnr. 180. Zenati, RTD civ. 1998, 408, 414. 64 Cass. civ., 13.06.1963, Bull. civ. I, Nr. 317. 65 Cass. civ., 14.05.1996, Bull. civ. I, Nr. 199; Cass. civ., 30.08.2008, D. 2008, 2935. 66 Zenati, RTD civ. 1998, 408, 411 ff.; Revet, RTD civ. 2009, 144. Obwohl die Rechtsprechung in der früheren Entscheidung klargestellt hat, dass sich die Frage der mängelfreien possession des Erwerbers unabhängig vom guten Glauben des Erwerbers beurteilt, Cass. civ., 13.06.1963, Bull. civ. I, Nr. 317. 67 Zenati, RTD civ. 1998, 408, 412. Dies betraf insbesondere Sachverhalte, bei denen sich ein Familienmitglied auf seine possession berief, ohne dass es dem Gericht möglich war, die tatsächlichen Verhältnisse in der Familie aufzuklären. Hier ging es dem Gericht darum, eine zu tiefe Erforschung des Privatlebens zur Feststellung der tatsächlichen Lage an der Sache zu vermeiden, Carbonnier, Biens, Nr. 237. 63

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Die weiteren Kriterien einer mängelfreien possession sind beim gutgläubigen Erwerb in der Regel unproblematisch bzw. gerade nicht erforderlich.68 Nicht zuletzt begründen damit auch jene Stimmen in der Literatur ihre Ansicht, die ein solches Erfordernis jedenfalls für die fonction acquisitive des Art. 2276 C.c. gänzlich ablehnen.69 Ein besonderes Merkmal des Fortdauerns der tatsächlichen Sachherrschaft und der Öffentlichkeit der tatsächlichen Sachherrschaft kann z.B. nicht gefordert werden, da diese Kriterien speziell auf eine Innehabung der possession in einer bestimmten Art und Weise für einen gewissen Zeitraum abzielen, sich also auf eine Ersitzung mit der Zeit und nicht auf einen sofortigen Eigentumserwerb beziehen.70 Die possession muss im Rahmen von Art. 2276 Abs. 1 C.c. gerade nicht von einer gewissen Dauer sein, da sich die Wirkung des gutgläubigen Erwerbs sofort entfaltet.71 Ebenso braucht die possession beim Erwerber aufgrund des sofortigen Erwerbs danach nicht öffentlich oder sichtbar sein.72 Dass die possession friedlich („paisible“) erworben sein muss, bedarf ebenfalls keiner besonderen Voraussetzung, da bei einem gewaltsamen Erwerb der possession entweder die Gutgläubigkeit ausgeschlossen ist, oder aber ein Diebstahl vorliegt.73 Das Erfordernis, als Eigentümer die tatsächliche Sachherrschaft auszuüben („à titre de propriétaire“), ist bereits über das Erfordernis des animus domini abgedeckt.74 Zusammenfassend stellt das Kriterium der fehlerfreien possession keine zusätzlichen Hürden auf, da bei einer Mangelhaftigkeit in der Regel auch andere Merkmale des Art. 2276 Abs. 1 C.c. nicht erfüllt sind.75 Lediglich die Zuordnung bestimmter Sachverhaltsaspekte zu den Tatbestandsmerkmalen ändert sich, wenn man wie die Rechtsprechung eine possession nonéquivoque fordert und diese Elemente nicht schon unter der Gutgläubigkeit erfassen möchte. c) Gutgläubigkeit des Erwerbers Obwohl im Wortlaut des Art. 2276 C.c. nicht erwähnt, ist auch im französischen Recht die Gutgläubigkeit des Erwerbers erforderlich.

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Vgl. zu den weiteren Kriterien einer mängelfreien possession die Hinweise zu Art. 2261 C.c. oben S. 51 f.; Zur fehlenden Erforderlichkeit Revet, RTD civ. 2009, 144. 69 Vgl. Dross, D. 2007, 706 ff. (unter II.). 70 Carbonnier, Biens, Nr. 120; Dross, D. 2007, 706 ff. (unter II.). 71 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1531; Terré/Simler, Rdnr. 435. Zur Rechtsfolge des gutgläubigen Eigentumserwerbs vgl. unten S. 59 ff. 72 Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 381; Zenati, RTD civ. 1998, 408, 411. 73 Terré/Simler, Rdnr. 435; Vgl. Dross, D. 2007, 706 ff. (unter II.). 74 Carbonnier, Biens, Nr. 120. 75 Simler, Les biens, Rdnr. 112.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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aa) Das Erfordernis der Gutgläubigkeit Die Rechtsprechung76 hat mit weitgehender Zustimmung des Schrifttums77 bereits sehr früh unter Hinweis auf den Spezialfall des Art. 1141 C.c. klargestellt, dass es für den Erwerb vom Nichtberechtigten einer Gutgläubigkeit des Erwerbers bedarf. Art. 1141 C.c. erfasst einen Spezialfall des Erwerbs vom Nichtberechtigten78 und damit von Art. 2276 C.c., nämlich die sukzessive Veräußerung einer beweglichen Sache durch den Verkäufer an zwei verschiedene Personen. Nach dem französischen Recht der Eigentumsübertragung, das dem reinen Konsensprinzip folgt, ist bereits der erste Käufer durch die bloße Einigung und ohne Übergang der tatsächlichen Sachherrschaft Eigentümer geworden, vgl. Art. 1138 Abs. 2 C.c.79 Für den häufigsten Fall des Kaufvertrags findet sich das Konsensprinzip in Art. 1583 C.c. Die zweite Veräußerung durch den ursprünglichen Eigentümer ist somit eine Veräußerung durch einen Nichtberechtigten. Art. 1141 C.c. bestimmt in diesem Fall ausdrücklich, dass der gutgläubige zweite Erwerber Eigentümer der Sache wird, wenn die Sache in seine tatsächliche Sachherrschaft gelangt.80 Im Zuge der französischen Reform des Verjährungs- und Ersitzungsrechts aus dem Jahr 2008 hat das Kriterium der Gutgläubigkeit unerwartete Aktualität erlangt. Bei einer systematischen Analyse der neu sortierten Vorschriften wirft nun nämlich das Verhältnis des Art. 2258 C.c. zu Art. 2276 C.c. Probleme auf. Der Art. 2276 C.c. findet sich jetzt unter dem Kapitel II der Ersitzung („De la prescription acquisitive.“). Dieses Kapitel II gliedert sich in drei Sektionen: Sektion 1 enthält generelle Bestimmungen zur Ersitzung, Sektion 2 regelt die Ersitzung bei Immobilien und Sektion 3 die Ersitzung bei Mobilien.81 Die Sektion 3 besteht dabei nur aus den Art. 2276 und 2277 C.c.

76 Cass. req., 01.02.1893, S. 94, 1, 86; Req. 21.11.1927, D. 28, 1, 172; CA Paris, 15.02.1961, D 1961, somm. 43; CA Paris, 13.07.1984, D. 1985, Inf. rap. S. 396. 77 Vgl. Cornu, Les biens, Rdnr. 120. Auf ein Kriterium der Gutgläubigkeit verzichten möchte Poincaré, S. 186 ff. 78 Roux, S. 89 ff.; Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 381; Terré/Simler, Rdnr. 425; Malaurie/Aynès, Nr. 579. 79 In der Praxis wird das reine Konsensprinzip häufig von den Parteien abbedungen, Malaurie/Aynès, Nr. 553. 80 Art. 1141 C.c.: „Si la chose qu’on s’est obligé de donner ou de livrer à deux personnes successivement, est purement mobilière, celle des deux qui en a été mise en possession réelle est préférée et en demeure propriétaire, encore que son titre soit postérieur en date, pourvu toutefois que la possession soit de bonne foi.“ 81 „Section 1: Des conditions de la prescription acquisitive.“, „Section 2: De la prescription acquisitive en matière immobilière.“ „Section 3: De la prescription acquisitive en matière mobilière.“

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Der erste Artikel dieses Kapitels II, der noch vor dem Beginn der Sektion 1 aufgeführt ist, ist Art. 2258 C.c. Art. 2258 C.c. beschreibt die Ersitzung als eine Möglichkeit des Eigentumserwerbs auf der Basis der possession, ohne dass es eines Titels bedarf und ohne dass diesem Eigentumserwerb die Bösgläubigkeit entgegen gehalten werden kann.82 Ein Eigentumserwerb aufgrund Ersitzung findet nach Art. 2258 C.c., der Grundnorm der Ersitzung, also auch bei einem bösgläubigen Inhaber der possession statt. Art. 2276 C.c. befindet sich in Sektion 3 des Kapitels II und erscheint damit systematisch als eine der Grundnorm des Art. 2258 C.c. untergeordnete Spezialregelung. Art. 2276 C.c selbst enthält, wie gesehen, aber kein ausdrückliches Gutgläubigkeitserfordernis, das die Grundnorm des Art. 2258 C.c. abbedingen könnte. Auf der Basis der systematischen Auslegung könnte man nun zu dem Ergebnis kommen, dass beim Eigentumserwerb nach Art. 2276 C.c. seit der Reform des 17. Juni 200883 keine Gutgläubigkeit des Erwerbers mehr erforderlich ist.84 Dieses mögliche Ergebnis der systematischen Auslegung wird allerdings von der französischen Literatur (zu Recht)85 entschieden verworfen. Der Reformgesetzgeber hatte nicht die Absicht, die Anwendungsvoraussetzungen der wortlautgleich von Art. 2279 C.c. (a.F.) nach Art. 2276 C.c. verschobenen Regelung zu ändern.86 Es ist daher davon auszugehen, dass sich hinsichtlich des Gutgläubigkeitskriteriums durch die Reform des Verjährungs- und Ersitzungsrechts keine Änderung ergeben hat. Das Avant-Projet Réforme droit des biens sieht in seinem Regelungsentwurf den guten Glauben als ausdrückliches Tatbestandsmerkmal eines 82 Art. 2258 C.c.: „La prescription acquisitive est un moyen d’acquérir un bien ou un droit par l’effet de la possession sans que celui qui l’allègue soit obligé d’en rapporter un titre ou qu’on puisse lui opposer l’exception déduite de la mauvaise foi.“ 83 Vor der Reform des Verjährungs- und Ersitzungsrechts waren die Vorschriften weniger systematisch gegliedert. Insbesondere stand die Vorgängernorm des Art. 2258 C.c., der Art. 2262 C.c. (a.F.) systematisch auf gleicher Ebene, sozusagen parallel, zu Art. 2279 C.c. (a.F.). Beide Vorschriften fanden sich unter dem „Titre XX: De la prescription et de la possession; Chapitre V: Du temps requis pour prescrire.“ Art. 2262 C.c. (a.F.) stand dabei unter „Section 2: De la prescription trentenaire.“ und Art. 2279 C.c. (a.F.) unter „Section 4: De quelques prescriptions particulières“. Die systematische Vorrangfrage stellte sich dort nicht. Vgl. auch Mallet-Bricout/ Reboul-Maupin, D. 2008, S. 2458 ff. (unter I.C.1). 84 Vgl. die entsprechende Diskussion bei Mallet-Bricout/ Reboul-Maupin, D. 2008, S. 2458 ff. (unter I.C.1) und Simler, Petites Affiches, 02.04.2009, Nr. 66, S. 34 ff. (unter II.). Die Problematik ist eng verknüpft mit der fehlenden Zeitangabe für eine Ersitzung beweglicher Sachen. Im Übrigen vgl. unten S. 115. 85 Zur Notwendigkeit der Gutgläubigkeit vgl. unten S. 233. 86 Dross, Jurisclasseur Civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 110; zustimmend Mallet-Bricout/ Reboul-Maupin, D. 2008, S. 2458 ff. (unter I.C.1). Ebenso Simler, Petites Affiches, 02.04.2009, Nr. 66, S. 34 ff. (unter II.): „Ce serait évidemment inacceptable.“

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sofortigen Eigentumserwerbs auf der Basis der Erlangung der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft vor.87 bb) Der „gute Glaube“ in der Rechtsanwendung Gutgläubig ist, wer glaubt, dass er seine Rechte vom rechtmäßigen Eigentümer erlangt.88 Nach Art. 2274 C.c. wird der gute Glaube vermutet. Derjenige, der unter Berufung auf sein Eigentum die Sache herausverlangt, muss die Bösgläubigkeit des possesseur nachweisen.89 Dabei ist es jedoch ausreichend, wenn Umstände dargelegt werden können, die beim Erwerber Zweifel an der Legitimität der possession des Veräußerers hätten wecken müssen.90 Der Glaube an das Eigentum des Veräußerers muss also zweifelsfrei sein, d.h. es dürfen keine Umstände vorgelegen haben, die beim Erwerber Zweifel an der Berechtigung des Eigentümers hätten aufkommen lassen müssen.91 Zu den beachtenswerten Umständen zählen die Art, der Wert und der Kaufpreis der Sache sowie die übrigen Veräußerungsumstände.92 Der Erwerber muss die elementaren Vorsichtsmaßnahmen beachten und je nach Situation Informationen über die Identität des Veräußerers und die Herkunft des behaupteten Eigentums einholen.93 Die Anforderungen an den Erwerber bestimmen sich dabei nach seinem Alter, seiner Ausbildung, seinem Beruf und dem sozialen Milieu, dem er entstammt.94 Hätten beim

87 Avant-Projet Réforme droit des biens (vgl. oben Teil 1 Fn. 27), Regelungsvorschlag Art. 556: „Le possesseur de bonne foi (…) devient propriétaire dès son entrée en possession.“ Der Regelungsvorschlag beseitigt im Übrigen die Probleme der systematischen Auslegung, in dem er die Regelung nicht mehr im Rahmen der Ersitzung aufführt, sondern nur unter der possession (Titre III: De la Propriété, de la Possession et de la détention; Chapitre II – De la possession et de la détention; Section 1 – De la possession; § 3 Des règles propres à la possession des meubles.). Dort ist nach Ansicht der Verfasser des Regelungsentwurfes die systematisch richtige Stellung für die Regelung zum gutgläubigen Erwerb, die daher aus dem Bereich der Ersitzung herauszunehmen ist; Avant-Projet Réforme droit des biens, II. 3. 88 Ripert/Boulanger, Nr. 2837; Cornu, Les biens, Rdnr. 120; Carbonnier, Biens, Nr. 229. 89 Cass. req., 25.03.1901, D. 07, 1, 342; Cass civ., 13.02.1980, RTD civ. 1980, 786. 90 U.a. Cass. req., 03.03.1896, D. 97, 1, 495; Cass. civ., 16.06.1971, D. 71, 566. 91 Cass. civ., 25.03.1965, Bull. civ. I, Nr. 206; Cass. com., 22.11.1960; Bull. civ. III, Nr. 372; Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 99; Dross, Jurisclasseur Civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 116. 92 Cass. civ., 01.06.1977, Bull. civ. I, Nr. 261, S. 206 f. 93 U.a. Cass req., 03.03.1896, D. 97, 1, 495; Cass. civ., 02.02.1965, Bull. civ. I, Nr. 92, S. 69; Cass. civ., 06.12.1989, Bull.civ. I, Nr. 385, S. 259. Vgl. auch Atias, Nr. 347 und Carbonnier, Biens, Nr. 229. 94 Vgl. Atias, Rdnr. 347 m.w.Nachw.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Erwerber Zweifel aufkommen müssen, so wird die dadurch entstehende Unsicherheit mit der Bösgläubigkeit gleichgesetzt.95 Eine praktisch wichtige Rolle spielen hier die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Übereignung von Kraftfahrzeugen (Kfz), wenngleich, wie oben erläutert,96 die dabei relevanten Aspekte in der Rechtsprechung teilweise auch unter dem Gesichtspunkt der unzweideutigen possession (possession non-équivoque) behandelt werden. Die Cour de Cassation gibt in einer älteren Entscheidung zumindest vor, eine Trennung zwischen dem Kriterium der Gutgläubigkeit und der unzweideutigen possession vorzunehmen. Dort hatte die Cour de Cassation ausgeführt, dass die Beurteilung einer possession non-équivoque von der Beurteilung des guten Glaubens unabhängig ist. Das Kriterium einer possession non-équivoque ziele darauf ab, wie Dritte die Form der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft beim Erwerber wahrnehmen, wohingegen der Aspekt des guten oder bösen Glaubens auf die innere Einstellung des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft abstellt.97 Richtiger erscheint es, sämtliche Aspekte, die mit dem Schein der Berechtigung des Veräußerers zusammenhängen, in Gänze beim Kriterium der Gutgläubigkeit zu verorten.98 Unabhängig davon, an welchem Tatbestandsmerkmal (possession nonéquivoque oder guter Glaube) man dies festmachen möchte, erfordert die Rechtsprechung materiell für einen erfolgreichen gutgläubigen Erwerb eines Kfz, dass sich der Erwerber die carte grise übergeben oder wenigstens vorlegen lässt. Die Übergabe oder wenigstens die Vorlage durch den Veräußerer der aus verwaltungsrechtlichen Gründen notwendigen carte grise ist eine unerlässliche Voraussetzung zur Registrierung oder Eigentümerumschreibung eines Kfz und damit auch im Rahmen des Erwerbs eines Kfz erforderlich.99 Andererseits hat die Cour in einer weiteren Entscheidung festgestellt, dass im gewerblichen Handel mit Kfz eine verzögerte Übergabe (zwei Wochen später) der Fahrzeugpapiere üblich sei und dass Autovermieter Fahrzeuge häufig in kurzen Zeitabständen verkaufen. Damit ist ein Erwerber, der sich die Papiere nur zeigen und nicht übergeben lässt, dennoch gutgläubig ist, auch wenn in den Papieren noch ein vom Veräußerer verschiedener Voreigentümer genannt ist.100

95

Zenati, RTD civ. 1998, 408, 410. Vgl. oben S. 51 f. 97 Cass. civ., 13.06.1963, Bull. civ. I, Nr. 317. 98 Dies entspricht im Ergebnis auch jener Ansicht, die das Erfordernis einer mängelfreien possession beim gutgläubigen Erwerb gänzlich ablehnt; vgl. oben S. 51 f. 99 Cass. civ., 30.10.2008, D. 2008, 2935 (unter dem Gesichtspunkt der zweideutigen possession). Zum Handel mit Kfz vgl. auch unten S. 187 ff. und S. 234 ff. 100 Cass. com., 24.04.2007, Bull. civ. IV, Nr. 115. Zum Vergleich mit der zuvor genannten Entscheidung (Cass. civ., 30.10.2008, D. 2008, 2935) und kritisch gegenüber der 96

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Die Gutgläubigkeit muss dabei im Moment des Erwerbs der possession vorliegen.101 Eine nachträglich eintretende Bösgläubigkeit kann das entstandene Eigentum nicht mehr beseitigen. Wird der Erwerber aber bösgläubig, bevor er die possession erlangt, so ist ein gutgläubiger Erwerb nicht mehr möglich.102 Dies gilt auch dann, wenn er im Moment des Abschlusses des Kaufvertrags noch gutgläubig war. Zwar geht beim Erwerb vom Berechtigten nach Art. 1583 C.c. das Eigentum bereits aufgrund des Kaufvertragsabschlußes über, beim Erwerb vom Nichtberechtigten ist aber dennoch die tatsächliche Erlangung der possession für die Beurteilung der Gutgläubigkeit maßgeblich.103 Anzumerken ist, dass im Übrigen kein gültiger tatsächlicher Eigentumserwerbstitel des Erwerbers notwendig ist, so dass sowohl ein Putativtitel, als auch ein fehlerbehafteter Titel ausreichend sind.104 Allerdings ist der possesseur, der die Sachherrschaft ganz ohne Eigentumserwerbstitel erlangt, in der Regel nicht gutgläubig. Der Erwerber muss schon an die Gültigkeit des Eigentumserwerbs glauben, so dass eine Gutgläubigkeit auch ausscheidet, wenn dem Erwerber sonstige Fehler des Eigentumserwerbstitels bekannt sind.105 d) Rechtsfolge Eigentumserwerb Der Wortlaut des Art. 2276 C.c. spricht als Rechtsfolge nur aus, dass in Folge der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen ein Titel vorliegt. aus Erwerbersicht großzügigeren Entscheidung vom 24.04.2007, Périnet-Marquet, JCP G, 2009, I, 127 Nr. 7. 101 U.a. Cass. civ., 06.06.1886, DP 87, 1, 25; Cass. com., 07.01.1953, Bull. civ. sect. com., Nr. 10, S. 8. 102 Cass. civ., 27.11.2001, D. 2002, 671. 103 Vgl. auch die Anmerkung zu Cass. civ., 27.11.2001, von Mallet-Bricout, D. 2002, 2505, 2506. 104 Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 382. Nicht Gegenstand dieser Untersuchung und daher nur am Rande erwähnt sei, dass Art. 2276 Abs. 1 C.c. somit über die Ermöglichung des Erwerbs vom Nichtberechtigten hinaus, trotz weiterer Mängel im Erwerbsvorgang, insbesondere im Rahmen des nach dem französischen Recht nicht getrennt zu beurteilenden Kausalvorgangs, einen Eigentumserwerb des Erwerbers ermöglicht. Im deutschen Recht stellt sich dieses Problem aufgrund des Trennungs- und Abstraktionsprinzips nicht in diesem Ausmaß. Da die Eigentumsübertragung getrennt zu beurteilen ist, schlagen Mängel des Kausalgeschäfts regelmäßig nicht auf die Übereignung durch, unabhängig davon, ob es sich um ein Geschäft mit einem Berechtigten oder einem Nichtberechtigten handelt. Zur Problematik der Mängel des Kausalgeschäfts und des sog. Putativtitels im Bereich des gutgläubigen Erwerbs vgl. auch Thorn, S. 112 ff. 105 Mazeaud/Chabas, Biens, Nrn. 1533, 1536, der nur für den Fall eines Fehlers, der zu einer relativen Unwirksamkeit führt, trotz Kenntnis von dieser Fehlerhaftigkeit eine Gutgläubigkeit bejaht, (Nr. 1533 Fn. 3). Pauschaler gegen eine Bösgläubigkeit trotz Kenntnis vom Mangel Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 382.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Aufgrund des knappen Wortlauts des Art. 2276 Abs. 1 C.c. wird dies unterschiedlich gedeutet. Zum einen wird vertreten, es handele sich um eine sofortige Verjährung bzw. eine Ersitzung, die von der Voraussetzung des Zeitablaufs befreit sei („prescription instantanée“). Begründet wird dies mit der systematischen Stellung des Art. 2276 C.c. im Rahmen des Titels „De la prescription“ (Von der Verjährung bzw. Ersitzung) (zu Art. 2279 C.c. (a.F.)) bzw. seit der Reform aus dem Jahr 2008 im Rahmen des Titels „De la prescription acquisitive“ (Von der Ersitzung).106 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass eine Ersitzung ohne Ersitzungszeit ein Widerspruch in sich sei, denn das Wesentliche an der Ersitzung sei der Zeitablauf.107 Andere gehen von einer unwiderleglichen Eigentumsvermutung aus.108 Dagegen spricht, dass eine Vermutung kein Titel mehr ist109 und zu weiteren Unsicherheiten führen würde.110 Schließlich wird angenommen, es handele sich um eine Form des Eigentumserwerbs aufgrund der bloßen Kraft des Gesetzes.111 Das ist aber auch bei der Ersitzung und der unwiderleglichen Vermutung der Fall.112 Auch der Gedanke, es handele sich um einen Eigentumserwerb unter der auflösenden Bedingung, dass das Recht eines möglichen Vindikationsgläubigers nicht anerkannt wird,113 kann nicht überzeugen, denn die Frage, wie eine nachträgliche Überprüfung des Sachverhalts den Vorgang bewertet, ist davon zu trennen, ob materiell die Voraussetzungen des Eigentumserwerbs im Moment der Erlangung der possession gegeben sind. Überwiegend wird daher ein originärer Eigentumserwerb angenommen, der wie die Ersitzung auf der Innehabung der tatsächlichen Sachherrschaft beruht, aber andere Voraussetzungen und Wirkungen hat.114

106 Demolombe, Nr. 622; Baudry-Lacantinerie/Tissier, Nr. 830. Zu verbleibenden Unklarheiten, insbesondere unter Berücksichtigung des im Rahmen der Reform bewusst unterbliebenen Hinweises auf ein Zeitelement in Art. 2258 C.c., dem Grundtatbestand der Ersitzung, Mallet-Bricout/Reboul-Maupin, D. 2008, S. 2458 ff. (unter I.C.1) und Simler, Petites Affiches, 02.04.2009, Nr. 66, S. 34 ff. (unter II.). 107 Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 386; Carbonnier, Biens, Nr. 236; Cornu, Les biens, Rdnr. 120 Fn. 12. 108 Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 94 Fn. 3 unter Hinweis auf die von Aubry/Rau vertretene frühere Auffassung. 109 Carbonnier, Biens, Nr. 236. 110 Cornu, Les biens, Rdnr. 120 Fn. 12. 111 Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 388; Baudry-Lacantinerie/Tissier, Nr. 831; Ripert/Boulanger, Nr. 2833. 112 Carbonnier, Biens, Nr. 236. 113 Muller, RTD civ. 1989, 697, 714. 114 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1540; andererseits wird in der französischen Literatur auch kritisch angemerkt, dass die Reform von 2008 zu einer Wiederauferstehung der abzulehnenden Theorie der sofortigen Ersitzung geführt haben könnte, da zumindest

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Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass unter dem Begriff „Titel“, wie er in Art. 2276 Abs. 1 C.c. genannt ist, der Eigentumstitel zu verstehen ist.115 Sind die Voraussetzungen des Art. 2276 Abs. 1 C.c. erfüllt, so findet ein sofortiger Eigentumserwerb statt.116 Aufgrund des Erwerbs des „neuen“ Eigentums wird es auch ohne jegliche Belastung erworben.117 2. Modifikationen der Grundregel im Falle des Diebstahls und Verlusts, Art. 2276 Abs. 2 und Art. 2277 C.c. Art. 2276 Abs. 2 C.c. verhindert einen sofortigen gutgläubigen Erwerb eines Erwerbers und ermöglicht in Abweichung von Art. 2276 Abs. 1 C.c. die erfolgreiche Herausgabeklage gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt, wenn es sich um eine gestohlene oder verlorene Sache handelt: „Jedoch kann, wer eine Sache verloren hat, oder wem sie gestohlen worden ist, während dreier Jahre von dem Tage des Verlusts oder des Diebstahls an, diese von dem, in dessen Händen er sie findet, herausverlangen, unbeschadet des jenem zustehenden Rückgriffes gegen den, von dem er die Sache hat.“118

Ohne dies ausdrücklich zu sagen, gilt die Privilegierung, nach drei Jahren die Sache doch erwerben zu können, nur für den gutgläubigen Erwerber, denn der bösgläubige Erwerber einer gestohlenen oder verlorenen Sache oder gar der Dieb oder Finder selbst, soll nicht besser stehen (durch die Beschränkung der Herausgabe auf drei Jahre gem. Art. 2276 Abs. 2 C.c.) als ein gutgläubiger Erwerber.119 a) Gestohlene und verlorene Sachen Art. 2276 Abs. 2 C.c. verweist auf die gestohlene Sache. Der Diebstahlsbegriff entspricht dabei jenem des französischen Strafgesetzbuchs120 formell (auf der Basis einer systematischen Analyse) nun eine solche sofortige Ersitzung existiere; Grimonprez, Rép. civ. Dalloz, Prescription Acquisitive, Nr. 8. 115 Cornu, Les biens, Rdnr. 119 (S. 306) „… la possession (…) vaut titre de propriété“. 116 Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 384; Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1540; Carbonnier, Biens, Nr. 228, 230; Terré/Simler, Rdnr. 429. Wie oben erläutert, geht das französische Schrifttum hier von einem neuen, originären Eigentumsrecht aus, Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 109. 117 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1539. 118 Deutsche Übersetzung nach Heinsheimer/Merk, S. 794; der französische Originaltext des Art. 2276 Abs. 2 C.c. lautet: „Néanmoins celui qui a perdu ou auquel il a été volé une chose, peut la revendiquer pendant trois ans, à compter du jour de la perte ou du vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve; sauf à celui duquel il la tient.“ 119 Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 391, 398; Terré/Simler, Rdnr. 443; Cornu, Les biens, Rdnr. 121. 120 Malaurie/Aynès, Nr. 581; Terré/Simler, Rdnr. 439.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

(Art. 311-1 Nouveau Code Pénal): „Le vol est la soustraction frauduleuse de la chose d’autrui“.121 Die tatsächliche Sachherrschaft an der Sache muss also infolge einer Handlung verloren gegangen sein, die strafrechtlich einen Diebstahl darstellt.122 Nicht erfasst vom Merkmal der gestohlenen Sache wird der Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft infolge der Unterschlagung durch einen Dritten, dem die Sache überlassen wurde123 oder infolge der betrügerisch veranlassten Herausgabe der Sache.124 Der Verlust ist dabei der Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft, der auf eine Unachtsamkeit des Eigentümers oder eines Dritten oder auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, wobei der Eigentümer oder der Dritte keinen Willen zum Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft hatte und auch auf sein Eigentum nicht verzichten wollte.125 b) Frist von drei Jahren für Eigentumserwerb Die Sperre vom gutgläubigen Eigentumserwerb für gestohlene und verlorene Sachen wird nach Art. 2276 Abs. 2 C.c. jedoch auf drei Jahre beschränkt. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift beginnt die Frist an dem Tag zu laufen, an dem die Sache gestohlen wurde oder verloren gegangen ist.126 So ist im Falle einer verlorenen Sache bspw. nicht relevant, wann diese gefunden wurde (und damit in den Warenkreislauf zurückgekehrt ist). Nach ganz überwiegender Ansicht der Rechtsprechung und der Literatur handelt es sich bei dieser Frist um eine „délai préfix“, eine französische Form der Ausschlussfrist, die weder verlängert noch un121

„Diebstahl begeht, wer eine fremde Sache arglistig entwendet“ Übersetzung durch BIJUS in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Zuletzt abgerufen am 27.02.2010 unter . 122 Dennoch ist die zivilrechtliche Lage insgesamt getrennt von der strafrechtlichen Würdigung zu beurteilen, Cornu, Les biens, Rdnr. 120. 123 U.a. Cass. req., 16.07.1884, S. 86, 1, 407; Cass. civ., 09.01.1996, JCP G 1996, I, 3972, Nr. 6. Das französische Strafgesetzbuch spricht hier in Art. 314-1 Code Pénal vom „Abus de confiance“. Dies wird zwar häufig mit Untreue übersetzt, ist jedoch von der eine Vermögensbetreuungspflicht voraussetzenden Untreue (vgl. Wessels/Hillenkamp, Rdnr. 750) im Sinne des § 266 StGB des deutschen Rechts zu unterscheiden. Nach deutscher strafrechtlicher Würdigung entspricht der hier geschilderte Vorgang einer veruntreuenden Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 2 StGB. Der französische Art. 314-1 steht als Untreue im Kapitel der „détournements“ (der Unterschlagungen) und erfasst die widerrechtliche Aneignung einer von einem Dritten zur Rückgabe oder anderweitiger Verwendung überlassenen beweglichen Sache. 124 „Escroquerie“ (frz.), Art. 313-1 ff. Code Pénal; U.a. Cass. civ., 19.06.1928, D. 29, 1, 45. 125 Vgl. Dross, Jurisclasseur Civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 46 f. 126 Die Frist beginnt selbst dann zu laufen, wenn die Sache einem Minderjährigen gestohlen wird, Bordeaux, 22.01.1974, D. 84, 542.

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terbrochen werden kann.127 Insbesondere liegt keine Ersitzungsfrist vor. Dies zeigt sich vor allem daran, dass es für einen Fristablauf nicht darauf ankommt, wie lange ein Sachinhaber die Sache schon in seiner Gewalt hat. Entscheidend ist vielmehr allein, wer die Sache am Stichtag des Fristablaufs tatsächlich innehat, auch wenn er erst an diesem Tag die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat.128 Eine durchgehende dreijährige Sachherrschaft ist nicht notwendig. Auch eine Form der Verjährungsfrist129 ist nicht gegeben, da die Frist weder gehemmt noch unterbrochen werden kann, auch nicht durch Gründe, die eine Verjährungsfrist unterbrechen oder hemmen können.130 Im Übrigen sind der materielle Rechtsverlust des Eigentümers und der Erwerb des Eigentums durch den Erwerber nicht mit einer Verjährung zu erklären.131 Bei der Festlegung des Zeitraumes von drei Jahren orientierte man sich am römischen Recht, wobei der Dreijahreszeitraum zur Entstehungszeit des Code civil regelmäßig auch in Frankreich gefordert wurde.132 Zudem entsprach dies auch der damals geltenden strafrechtlichen Verjährungsfrist.133 Fraglich ist, welche Rechtsposition der possesseur innehat, solange die drei Jahre noch nicht verstrichen sind. Art. 2276 Abs. 2 C.c. enthält diesbezüglich keine Aussage. Es ist der Vorschrift nicht zu entnehmen, dass der Erwerber nicht Eigentümer wird, sondern nur, dass der (vorherige) Eigentümer sein Herausgaberecht auch gegenüber einem gutgläubigen Erwerber behält. Teilweise wird daher angenommen, dass Art. 2276 Abs. 2 C.c. den sofortigen Eigentumserwerb verhindert und somit eine Art der Ersitzung stattfinde.134 Der Qualifizierung als Ersitzung steht jedoch entgegen, dass – 127 U.a. Cass. crim., 30.10.1969, JCP G 1970, II, 16333; Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1553; Malaurie/Aynès, Nr. 583; Carbonnier, Biens, Nr. 231. Zur Rechtsnatur auch Carbonnier, Obligations, Nr. 358. 128 Cass. civ., 05.12.1876, D.P. 77, 1, 165; Ripert/Boulanger, Nr. 2847; Mazeaud/ Chabas, Biens, Nr. 1553; Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 393. 129 So aber noch Planiol/Ripert, Traité élémentaire, Nr. 2485. 130 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1553; Cornu, Les biens, Rdnr. 121; Terré/Simler, Rdnr. 440. 131 Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 115. Zu weiteren Ansätzen der Beschreibung der Frist als „délai de déchéance“, „délai de forclusion“ oder „délai de procédure“ vgl. Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 116. 132 Bigot-Préameneu in seiner Präsentation des Gesetzentwurfs des Code civils gegenüber der Gesetzgebenden Versammlung (Corps legislatif) in den Materialien zum Code civil, Fenet, 15. Band, 20. Titel, S. 600. Zum römischen Recht vgl. unten S. 109 ff. 133 Goupil-Préfeln in seiner Rede vor der Gesetzgebenden Versammlung (Corps législatif) nach der Stellungnahme des Tribunal, wiedergegeben in den Materialien zum Code civil, Fenet, 15. Band, 20. Titel, S. 608. 134 Cuillieron, RTD civ. 1986, 504, 509.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

wie oben erläutert – die drei Jahre keine Ersitzungszeit für den Erwerber darstellen. Andere argumentieren, dass das Eigentum in diesem Fall unter der auflösenden Bedingung des Erfolgs des Herausgabeverlangens durch den Eigentümer steht.135 Hat das Verlangen Erfolg, so wird nach dieser Ansicht das Eigentum rückwirkend beseitigt.136 Weiterhin wird vertreten, dass zwar grundsätzlich ein Eigentumserwerb des Erwerbers stattfinde, der allerdings nicht gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer wirke.137 Teilweise wird unter der ergänzenden Berücksichtigung der aus dem Garagistenfall resultierenden Problematik138 ein sofortiges, aber fragiles Eigentumsrecht angenommen.139 Die überwiegende Meinung geht jedoch davon aus, dass der Diebstahl oder der Verlust dazu führen, dass für drei Jahre die Regel des gutgläubigen Eigentumserwerbs gänzlich lahm gelegt wird und dementsprechend für diese Zeit kein gutgläubiger Eigentumserwerb stattfindet.140 Allerdings bleibt es dabei, dass die Gutgläubigkeit im Moment der Erlangung der possession vorliegen muss. Die nachträgliche Kenntniserlangung innerhalb der drei Jahre schadet nicht.141 c) Art. 2277 C.c. Von besonderem Interesse im Rahmen dieser Untersuchung ist Art. 2277 C.c., der in gewissen Situationen ein Lösungsrecht vorsieht. Art. 2277 C.c. lautet: „Si le possesseur actuel de la chose volée ou perdue l’a achetée dans une foire ou dans un marché, ou dans une vente publique, ou d’un marchand vendant des choses pareilles, le propriétaire originaire ne peut se la faire rendre qu’en remboursant au possesseur le prix qu’elle lui a coûté. Le bailleur qui revendique, en vertu de l’article 2102, les meubles déplacés sans son consentement et qui ont été achetés dans les mêmes conditions, doit également rembourser à l’acheteur le prix qu’ils lui ont coûté.“142

135

Goubeaux, JCP 1970, II, 16333. Muller, RTD civ. 1989, 697, 714. 137 Saleilles, S. 342. 138 Vgl. dazu unten S. 71 ff. 139 Muller, RTD civ. 1989, 697, 711 ff. 140 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1555. 141 Cass. crim., 24.11.1977, D. 1978, 42; anders Goubeaux, JCP 1970, II, 16333. 142 Die deutsche Übersetzung nach Heinsheimer/Merk, S. 794 ff. besagt: „Hat der gegenwärtige Besitzer der gestohlenen oder verlorenen Sache sie auf einer Messe, einem Markte oder bei einem öffentlichen Verkaufe, oder von einem Kaufmann, der mit dergleichen Sachen handelt, gekauft, so kann der ursprüngliche Eigentümer sie nur herausverlangen, wenn er dem Besitzer den Preis erstattet, den sie ihn gekostet hat. 136

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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Wurde die gestohlene oder verlorene Sache, die nach Art. 2276 Abs. 2 C.c. innerhalb der drei Jahre herausverlangt werden kann, von einem gutgläubigen Erwerber auf einer Messe, einem Markt oder bei einem öffentlichen Verkauf oder bei einem Kaufmann, der Sachen gleicher Art handelt, gekauft, so kann der Eigentümer sie herausverlangen, wenn er dem Erwerber den Preis bezahlt, den auch dieser für den Erwerb gezahlt hat. Es handelt sich um ein Lösungsrecht, wodurch der Eigentümer in der Lage ist, seine Sache wiederzuerlangen, aber gleichzeitig dem Erwerber dessen Erwerbskosten ersetzen muss. In Erweiterung der zuvor skizzierten Ausgangssituation des gutgläubigen Erwerbs liegt der von Art. 2277 C.c. erfassten Situation als Regelfall sogar eine Vierpersonenkonstellation zugrunde. Auch hier sind Eigentümer und Erwerber beteiligt. Allerdings sind dazwischen noch der Dieb bzw. Finder und der professionelle Veräußerer in einer der genannten Verkaufssituationen beteiligt. Dieser hat die Sache entweder direkt oder über weitere Zwischenstationen143 vom Dieb erhalten. Nur in Ausnahmefällen wird ein professioneller Veräußerer, der im Rahmen einer Messe, eines Markes, eines öffentlichen Verkaufs oder als Händler, der Waren gleicher Art verkauft, selbst auch der Dieb oder Finder sein. Ohne dies ausdrücklich zu sagen kommt Art. 2277 (wie auch Art. 2276 Abs. 2 C.c.) nur dem gutgläubigen Erwerber zugute.144 Der bösgläubige Inhaber gestohlener und verlorener Sachen wird nicht besser behandelt, als der bösgläubige Sachinhaber nicht verlorener oder gestohlener Sachen. Hervorzuheben ist die Beschränkung dieser Möglichkeit auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Diebstahls oder Verlusts der Sache. Die Frist ist zwar in Art. 2277 C.c. nicht noch einmal erwähnt, ergibt sich aber durch den Zusammenhang mit Art. 2276 Abs. 2 C.c. Nach Ablauf der drei Jahre tritt unabhängig von den Erwerbsumständen ein vollständiger gutgläubiger Erwerb des Eigentümers ein, so dass eine Herausgabepflicht des Erwerbers nicht mehr besteht und dementsprechend Art. 2277 C.c. keine Anwendung mehr findet. aa) Voraussetzungen des Art. 2277 C.c. Im Einzelnen gibt Art. 2277 Abs. 1 C.c. dem Käufer, der einen Kauf in einer bestimmten Verkaufssituation tätigt, ein Recht zur Erstattung des Der Vermieter und der Verpächter, die auf Grund des Artikels 2102 die ohne ihre Zustimmung entfernte und unter den gleichen Voraussetzungen verkaufte Fahrnis zurückfordern, haben dem Käufer ebenfalls den Preis zu erstatten, den sie ihn gekostet haben.“ 143 Zwischenstationen, die selbst nicht die Wirkungen des Art. 2277 C.c. auslösen, sind für die rechtliche Erörterung der sich aus Art. 2277 C.c. ergebenden Problematik weitgehend bedeutungslos, Mourmant, S. 91. 144 Terré/Simler, Rdnr. 443.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Kaufpreises. Art. 2277 Abs. 2 C.c. enthält ein Sonderrecht zugunsten des Vermieters bzw. des Verpächters. Das Recht auf Rückerstattung des Kaufpreises besteht nur zugunsten des Käufers.145 Ein Pfandrechtsinhaber, dem eine gestohlene oder verlorene Sache als Pfand übergeben wurde, hat keinen Anspruch, vom Vindikationsgläubiger – dem Eigentümer – die Zahlung der Geldsumme zu verlangen, die er an den Pfandrechtsschuldner gezahlt hat.146 Darüber hinaus wird auch eine Anwendung auf Tauschvorgänge befürwortet, da Art. 1707 C.c. die Anwendung der Kaufrechtsregeln auf den Tausch vorsieht.147 Das Recht auf Erstattung des Kaufpreises setzt jedoch den Erwerb im Rahmen einer bestimmten Verkaufssituation voraus. Art. 2277 Abs. 1 C.c. nennt hier ausdrücklich den Markt, die Messe, den öffentlichen Verkauf oder den Erwerb von einem Kaufmann, der mit dergleichen Sachen handelt. Zwei Merkmale sind dabei wesentlich. Zum einen wird eine Öffentlichkeit des Verkaufsvorgangs vorausgesetzt. Die konkrete Verkaufssituation muss auch sonstigen Dritten offen stehen,148 so bspw. bei Versteigerungen durch einen Träger eines öffentlichen Amts (Vollstreckungsorgane, Notar).149 Ein Verkauf auf einer Messe liegt daher nicht vor, wenn der Gegenstand (hier ein Pferd) nicht auf dem Messegelände gezeigt wurde. Die Privilegierung beruht auf dem Gedanken, dass der Verkaufsvorgang unter den Augen und in Kenntnis aller stattfindet, so dass auch der Eigentümer Gelegenheit hat, seine Sache wiederzuerkennen. Ist dies der Fall, so ist die Herkunft der Sache unverdächtig.150 Zum anderen ist der Wettbewerb von Anbietern und Nachfragern ein charakteristisches Merkmal dieser Situationen.151 Man geht von einem echten, lauteren Handel aus. Nicht zuletzt ist dies für die zu zahlende Lösungssumme erheblich. Bildet eine solche Situation zwar den äußeren Rahmen, kommt das Geschäft aber aufgrund und zu den Konditionen vorheriger Gespräche zustande, so ist Art. 2277 C.c. nicht anwendbar.152 145

Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1556. Cass. civ., 11.05.1898, D.P. 98, 1, 504. Anders bei Art. 2276 C.c.; auf diesen kann sich auch ein Pfandrechtsgläubiger berufen. 147 Poincaré, S. 260. 148 CA Poitiers, 09.05.1944, D.A. 1944, 101. Das Abhandenkommen der Sache beruhte hier auf den kriegsbedingten Umständen während der deutschen Besatzungszeit. Weitere Entscheidungen beschäftigen sich ebenfalls mit der Frage, ob der Erwerb von aufgefundenen Gegenständen von den deutschen Besatzungstruppen einen öffentlichen Verkauf darstellt, Amiens, 09.12.1942 und Dijon, 21.01.1943, D.C. 1944, 30, 30 f. 149 Mazeaud/Chabas, Biens, Rdnr. 1554. 150 Pau, 28.01.1948, JCP 1949, II, 4758. 151 Pau, 28.01.1948, JCP 1949, II, 4758. 152 Pau, 28.01.1948, JCP 1949, II, 4758. 146

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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In Bezug auf den Begriff des Markts wurde entschieden, dass eine Wertpapierbörse einen solchen Markt für Wertpapiere darstellt.153 Ebenso handelt es sich nach einer Entscheidung der Cour d’Appel Lyon bei einem Gebrauchtwarenmarkt („marché aux puces“), der auch nicht gewerblichen Verkäufern offen steht und zudem auch als Umschlagsplatz gestohlener Ware bekannt ist, nicht um einen Markt i.S.d. Art. 2277 C.c. Ein Markt in diesem Sinne kann nämlich nur ein Ort sein, an dem reguläre Transaktionen mit etablierten Händlern abgewickelt werden.154 Am schwierigsten zu beurteilen und am häufigsten Gegenstand von Rechtsprechung zu Art. 2277 C.c. ist der Begriff des Kaufmanns, der mit Sachen der gleichen Art handelt. Hier werden verschiedene Kriterien genannt. Die Rechtsprechung erkennt dabei einem Kaufmann diese Eigenschaft nur dann zu, wenn er sein Geschäft unter einwandfreien, regulären Umständen ausübt.155 Unter Kaufmann ist dabei eine Person zu verstehen, deren Beruf es ist Waren zu kaufen, um sie anschließend mit Gewinn weiterzuverkaufen. Es handelt sich gerade nicht um den vagen Begriff eines Händlers oder Geschäftsmanns im Allgemeinen ohne Nennung der konkreten Art der abgeschlossenen Handelsgeschäfte. 156 So muss ein solcher Händler regelmäßig solche Geschäfte abschließen und darf dies nicht nur gelegentlich tun.157 Ein Werkstattbetreiber, der zwar aus dem Handelsregister gelöscht war, sein Werkstattschild aber noch hängen hatte und einen Wagen verkaufte, wurde aber als ein solcher Kaufmann i.S.d. Art. 2277 C.c. angesehen.158 Insofern ist auch das äußere Erscheinungsbild maßgeblich für die Beurteilung.159 Ein Käufer, der ein Auto in einer „Chouchou Bar“ erwirbt, profitiert nicht von Art. 2277 Abs. 1 C.c.160 153

Paris, 09.12.1839, S. 40, 1, 113, 114. CA Lyon, 08.11.2001, JCP G 2003, IV, 1203 bestätigt durch Cass. civ., 31.05.2005, Az. 02-11.137. Hier schied eine Anwendung von Art. 2277 C.c. auch deshalb aus, weil der Käufer den Kaufpreis von 100.000 FF in bar bezahlt hat, was nach Art. L 112-6 Abs. 1 des Code monétaire et financier (auf den Sachverhalt war noch die vergleichbare Vorgängernorm des Gesetzes vom 22.10.1940 anwendbar) bei gewerblichen Händlern nicht gestattet ist, wenn die zu bezahlende Summe über 5000 FF liegt. Eine Ausnahme gilt nach Art. L 112-6 Abs. 2 lit. b Code monétaire et financier für Transaktionen zwischen Privaten. 155 Cornu, Les biens, Rdnr. 121. 156 CA Paris, 07.02.1950, D. 1951, 456. Im entschiedenen Fall wurde eine Anwendung von Art. 2277 C.c. verneint, da der Kauf durch einen auf Kommissionsbasis handelnden Zwischenhändler realisiert wurde. 157 Pau, 28.01.1948, JCP G 49, 4758. 158 Cass. civ., 22.11.1988, Bull.civ. I, Nr. 331, S. 224. 159 Robert, Anm. zu CA Lyon, 08.06.1989 und Cass. civ., 22.11.1988, D. 1990, Somm., 86, 87. 160 CA Lyon, 08.06.1989, D. 1990, Somm., 86. 154

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Häufig Gegenstand der Rechtsprechung und Diskussion sind Erwerbsvorgänge unter Beteiligung eines brocanteur, einem französischen Trödelund Gebrauchtwarenhändler, wie er auf französischen Landstraßen allgegenwärtig ist. So fragen sich Terré/Simler ganz offen, ob nicht ein Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Diebstahlsfälle und der Entwicklung der Trödelhändler besteht.161 Obwohl sich in Art. 2277 Abs. 1 C.c. nur der Hinweis auf Waren „gleicher Art“ befindet, hat die Rechtsprechung eine privilegierte Erwerbssituation verneint, wenn der Händler im Wesentlichen Ramsch und geringwertige Ware verkauft und sich bei ihm insbesondere kein wertvoller Gegenstand befindet.162 Aus dem Kriterium der Waren „gleicher Art“ wurde auf diese Weise das Kriterium der Waren „gleichen Werts“.163 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Art. 2277 C.c. von großer praktischer Bedeutung ist, da die Mehrzahl der Verkäufe beweglicher Gegenstände in einer dieser Situationen stattfinden.164 Die Beweislast dafür, dass eine solche Verkaufssituation vorlag, liegt beim Erwerber.165 Ergänzend sei auf den 1892166 angefügten Art. 2277 Abs. 2 C.c. hingewiesen, der ein Erstattungsrecht auch dem Vermieter oder Verpächter zuspricht, der sein Folgerecht aus Art. 2102 C.c. ausübt. bb) Rechtsfolge des Art. 2277 Abs. 1 C.c. Sind die Voraussetzungen des Art. 2277 Abs. 1 C.c. erfüllt, so gibt Art. 2277 Abs. 1 C.c. dem Erwerber und Vindikationsschuldner das Recht, die Sache nur gegen Erstattung seines Kaufpreises herauszugeben. Entscheidend ist der Kaufpreis, den der Inhaber der Sache gezahlt hat. Im Rahmen von Veräußerungsketten zuvor gezahlte Kaufpreise sind irrelevant. Insbesondere hat der Erwerber keinen Anspruch auf Erstattung des Werts der Sache.167 Eine Verzinsung des Betrags oder ein Inflationsausgleich erfolgt ebenfalls nicht, da er bis zur Herausgabe der Sache zur Nutzung berechtigt war.168 Das genaue Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Kaufpreiser161

Terré/Simler, Rdnr. 441. TGI Pau, 03.07.1979, D. 1981, Inf. rap., 232. 163 Robert, Anm. zu TGI Pau, 03.07.1979, D. 1981, Inf. rap., 232. 164 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1555. 165 Trib. civ. Hazebrouck, 15.03.1901, D.P. 1902, 2, 11. 166 Gesetz vom 11. Juli 1892. 167 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1557; Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 131. 168 Poincaré, S. 259; Cabassol, S. 97; Ledieu, S. 136; Moldoveanu, S. 135. Aufgrund der Beschränkung der grundsätzlichen Vindikationsmöglichkeit auf drei Jahre können diese Beträge unter normalen gesamtwirtschaftlichen Umständen regelmäßig keine großen Ausmaße erlangen. Im Übrigen besteht die Möglichkeit des Regresses gegen den Verkäufer, Vgl. dazu unten S. 286 ff. 162

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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stattung und dem Recht, die Herausgabe zu verweigern, ist allerdings aufgrund einiger Entscheidungen sehr umstritten, vgl. dazu unten S. 75 ff. Daneben kann der Erwerber vom Eigentümer auch noch den Ersatz der Vertragskosten und der notwendigen und nützlichen Aufwendungen verlangen (bei letzteren begrenzt durch den dadurch erreichten Mehrwert).169 Eine Einschränkung macht Göler von Ravensburg, die eine Lösegeldpflicht als nicht bestehend ansieht, „wenn ein persönliches Interesse an der Sache als solcher mitspielt oder wenn der neue Besitzer einen extrem niedrigen Preis für die betreffende Sache bezahlt hat.“170 Bei einem extrem niedrigen Preis kann man je nach Sachverhalts- und Beweislage möglicherweise auf eine Bösgläubigkeit des Erwerbers schließen. Der bösgläubige Besitzer kann sich nicht auf Art. 2277 C.c. berufen. Die Einschränkung eines persönlichen Interesses ist allerdings weder mit dem Wortlaut oder der Gesetzessystematik zu erklären, noch lassen sich in der französischen Rechtsprechung dahingehende Urteile finden.171 Die Situation stellt sich nun also folgendermaßen dar: Der Eigentümer einer z.B. gestohlenen Sache macht innerhalb von drei Jahren sein Eigentum gegenüber dem Erwerber geltend und verlangt nach Art. 2276 Abs. 2 C.c. berechtigterweise die Herausgabe seiner Sache. Der zur Herausgabe verpflichtete Erwerber hingegen hat die Sache bei einem Kaufmann, der mit Waren gleicher Art im Sinne des Art. 2277 Abs. 1 C.c. handelt, erworben und verlangt somit seinerseits berechtigterweise die Erstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises. Dem Herausgabeanspruch aus dem Eigentum steht der Erstattungsanspruch aus Art. 2277 Abs. 1 C.c. gegenüber. Es ist nahe liegend, in dieser Situation ein Zurückbehaltungsrecht des Erwerbers anzunehmen. Dies ist im Grundsatz auch anerkannt. Der Erwerber kann die Herausgabe der Sache verweigern, solange ihm der Kaufpreis noch nicht erstattet worden ist.172 Dennoch bestehen im französischen Recht noch einige Unklarheiten. Diese beruhen auf mehreren Entscheidungen, die unter dem Stichwort des „Garagistenfalls“ im gesamten Bereich des gutgläubigen Erwerbs und insbesondere im Bereich des Lösungsrechts für einige Unklarheiten und Verwirrung gesorgt haben.

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Vgl. Poincaré, S. 258; Cabassol, S. 97; Ledieu, S. 136. Göler von Ravensburg, S. 124. 171 Möglicherweise beruht diese Aussage auf dem generellen Gedanken, dass in Situationen, in denen ein persönliches Interesse des Eigentümers an der Sache besteht oder der gezahlte Kaufpreis sehr niedrig war, der Eigentümer gerade dazu bereit sein wird, dem Erwerber die Kaufpreissumme zu erstatten. Im Übrigen wird er geneigt sein, auf die Ausübung dieses Rechts zu verzichten. 172 Terré/Simler, Rdnr. 441. 170

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Teil 1: Die Ausgangsposition

3. Die Problematik der Rückerlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Eigentümer – das Kriterium der dépossession volontaire auf Seiten des Erwerbers Die soeben dargestellten Grundsätze wurden durch einige Entscheidungen der französischen Cour de Cassation in Frage gestellt, was im französischen und auch im deutschen Schrifttum zu Irritationen und neuen Überlegungen geführt hat.173 Die umstrittenen Entscheidungen betreffen Konstellationen, in denen der Eigentümer die tatsächliche Sachherrschaft an der Sache wieder zurückerlangt hat, nachdem zuvor zugunsten des Erwerbers eine Situation der Art. 2276 f. C.c. gegeben war. In der Regel hing die Rückerlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Eigentümer mit einem Vorgehen der Polizei- und Justizbehörden zusammen, welche die Sache aufgrund einer vom Eigentümer gemeldeten Straftat (Diebstahl, Unterschlagung, Betrug) verfolgt hatten. Die aufgespürte Sache wurde sodann in Verwahrung genommen oder beschlagnahmt und anschließend dem Eigentümer zurückgegeben bzw. der Erwerber wurde mehr oder weniger förmlich aufgefordert, die Sache direkt wieder an den Eigentümer zurückzugeben.174 Jedenfalls hat im Ergebnis der Eigentümer aufgrund des Eingreifens der Polizei- oder Justizbehörden die tatsächliche Sachherrschaft an der Sache wieder erlangt. Die Entscheidungen beeinflussen sowohl die Anwendung von Art. 2276 Abs. 1 C.c. (a), als auch die Anwendung von Art. 2276 Abs. 2, 2277 C.c., wenn es sich um gestohlene Sachen gehandelt hat (b). Diese Rechtsprechung hat daher auch weitreichende Folgen im gesamten Ausgleichssystem der vorliegenden Mehrpersonenkonstellation, insbesondere auch auf die weiteren Ausgleichsansprüche der Beteiligten. Vgl. dazu im dritten Teil im Rahmen der Analyse des französischen Lösungsrechts (unten S. 265 ff.). a) Die Rückerlangung der Sache durch den Eigentümer und die Folgen im Rahmen des Art. 2276 Abs. 1 C.c. Hat der Eigentümer die Sache zurückerlangt, stellt sich die Frage, ob der Erwerber, der die Sache zuvor gutgläubig gem. Art. 2276 Abs. 1 C.c. erworben hat, diese vom ursprünglichen Eigentümer wieder herausverlangen kann. Die Antwort erscheint nach der Grundkonzeption des gutgläubigen Erwerbs eindeutig. Durch einen erfolgreichen gutgläubigen Erwerb erlangt der Erwerber das vollwertige Eigentum an der Sache. Es wirkt absolut ge173 Zum französischen Schrifttum siehe im folgenden unten; zum deutschen Schrifttum vgl. z.B. Römer, S. 99 ff., S. 151 ff.; Minuth, S. 152 ff. 174 Vgl. auch Muller, RTD civ. 1989, 697, 699 f.; zu den Details der jeweiligen Sachverhalte vgl. die weitere Schilderung sogleich.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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genüber jedermann, auch gegenüber dem vorherigen Eigentümer. Das Eigentum ist nicht von minderer Güte und geht weder durch den Nichtgebrauch noch durch den bloßen Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft verloren.175 Ein unfreiwilliger Verlust kann dann wieder nur dadurch erfolgen, dass die Voraussetzungen eines Eigentumserwerbs bei einem Dritten gegeben sind, bspw. durch einen weiteren gutgläubigen Erwerb, eine Ersitzung oder einen sonstigen gesetzlichen Eigentumserwerb. Aufgrund des vollwertigen Eigentumserwerbs mit allen Rechten, einschließlich des Vindikationsrechts, müsste der Erwerber die Sache auch vom ursprünglichen Eigentümer unter Berufung auf sein erworbenes Eigentum herausverlangen können. aa) Die Entscheidungen der Cour de Cassation (1) Die Ungereimtheiten aufgrund des „Garagistenfalls“ Am bekanntesten ist eine Entscheidung der Cour de Cassation aus dem Jahr 1972,176 die unter dem Stichwort „Garagistenfall“ auch in Deutschland diskutiert wurde. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde. Der Eigentümer beauftragte den Veräußerer, seinen Pkw zu verkaufen und übergab diesem die dafür notwendigen Papiere. Der Veräußerer verkaufte den Pkw jedoch in eigenem Namen und auf eigene Rechnung an den gutgläubigen Erwerber. Die vom Eigentümer informierte Polizei fand den Pkw schließlich beim Erwerber und forderte diesen nachdrücklich177 auf, den Pkw dem ursprünglichen Eigentümer zurückzugeben. Dieser Aufforderung kam der Erwerber zunächst nach. Anschließend verlangte er jedoch unter Berufung auf seinen Eigentumserwerb gem. Art. 2276 Abs. 1 C.c. die Herausgabe der Sache, hilfsweise Wertersatz. Der Kassationshof hat einen Herausgabeanspruch des Erwerbers gegen den Eigentümer abgelehnt; ebenso einen Wertersatz. Der Erwerber habe im Moment des Herausgabeverlangens nicht mehr die possession innegehabt und der Verlust der possession sei auch nicht erzwungen gewesen, so dass er sich jetzt nicht mehr auf Art. 2276 Abs. 1 C.c. berufen könne.178 Wesentliches Entscheidungskriterium ist somit nach der Cour de Cassation die Frage, ob der Erwerber die possession an der Sache freiwillig verloren hat. Ist dies der Fall, so kann der Erwerber jetzt keine Herausgabe mehr verlangen. 175

Bénabent, Anmerkung zu Cass. civ., 05.10.1972, JCP G 1973, II, 17485. Cass. civ., 05.10.1972, D. 1973, 1 = JCP G 73, II, 17485. 177 So Bredin, Anmerkung zu Cass. civ., 05.10.1972, RTD civ. 1973, 149, 149: „…fortement suggérée par la police…“. 178 Cass. civ., 05.10.1972, D. 1973, 1: „ayant perdu la possession de la voiture, ne pouvait revendiquer le bénéfice de l’article 2279 du Code civil“. 176

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Die Aufbereitung dieser Entscheidung bereitete dem französischen Schrifttum179 einige Schwierigkeiten, insbesondere da zum Zeitpunkt der Geschehnisse die strafrechtliche Rechtslage in Frankreich noch vorsah, dass als Hehler auch bestraft werden konnte, wer nachträglich davon erfährt, dass die Sache aus einer Straftat herrührt und diese dennoch weiter behält. Für den Erwerber bestand also die ernsthafte Gefahr strafrechtlicher Sanktionen, so dass er zwischen den beiden Übeln (Herausgabe der Sache oder strafrechtliche Verfolgung) das Geringere wählte, nämlich die Herausgabe der Sache. Nicht zuletzt aufgrund dieses Urteils wurde angeregt, die zivil- und strafrechtliche Situation zu harmonisieren.180 Dies geschah schließlich im Jahr 1974 durch eine Entscheidung des Kassationshofs, in der die strafrechtliche Würdigung an die zivilrechtliche Wertung angepasst wurde und auch für die Strafbarkeit auf die Gutgläubigkeit im Moment des Erwerbs abgestellt wurde.181 Im Hinblick auf Art. 2276 Abs. 1 C.c. wurde der Cour de Cassation zurecht vorgeworfen, sie habe verkannt, dass der Erwerber durch Art. 2276 Abs. 1 C.c. Eigentümer geworden sei.182 Die Lösung der Cour de Cassation liefe auf eine völlig andere Interpretation des Art. 2276 Abs. 1 C.c. hinaus, nämlich darauf, dass Art. 2276 Abs. 1 C.c. nur dazu führe, zeitweilig den Vindikationsanspruch des Eigentümers auszuschließen, ohne bei diesem zu einem Verlust des Eigentums zu führen.183 Nicht zuletzt würde durch eine solche Konstruktion der durch Art. 2276 Abs. 1 C.c. beabsichtigte Erwerber- bzw. Verkehrsschutz stark eingeschränkt. Insbesondere, wenn der Erwerber nicht dauerhaft selbst die tatsächliche Herrschaft über die Sache ausüben kann oder möchte, wird Art. 2276 Abs. 1 C.c. häufig belanglos.184 Sollte es sich bei dem im Rahmen von Art. 2276 Abs. 1 C.c. erworbenen Recht lediglich um ein relatives Recht handeln, dass gegenüber jedem Dritten, nicht aber gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer geltend gemacht werden kann?185 Kann Art. 2276 Abs. 1 C.c. nur als Verteidigung gegenüber der Herausgabeklage des Eigentümers, nicht aber als Grundlage eines Rechtserwerbs dienen, auf den sich ein späteres eigenes Vindika-

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Die Texte der französischen Urteile selbst können hierzu wenig beitragen, da diese aus einem einzigen Entscheidungssatz bestehen. Eine ausführliche und dogmatische Begründung ist in französischen Urteilen nicht enthalten, so dass das Nachvollziehen dieser Entscheidungen in Frankreich traditionell dem Schrifttum obliegt. 180 So u.a. Bredin in seiner Anmerkung zu diesem Urteil, RTD civ. 1973, 149, 150. 181 Cass. crim., 24.11.1977, D. 1978, 42. 182 Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 49. 183 Bénabent, Anmerkung zu Cass. civ., 05.10.1972, JCP G 1973, II, 17485. 184 Bénabent, Anmerkung zu Cass. civ., 05.10.1972, JCP G 1973, II, 17485. 185 Bénabent, Anmerkung zu Cass. civ., 05.10.1972, JCP G 1973, II, 17485.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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tionsverlangen des Erwerbers stützt?186 Handelt es sich bei der gutgläubigen possession um eine Art Einrede gegen das Herausgabeverlangen?187 Zur Erklärung dieser Rechtsprechung nimmt Muller zwei Eigentumsrechte an. Ein auflösend bedingtes Eigentum des Erwerbers und ein aufschiebend bedingtes Eigentumsrecht des Eigentümers. Das Eigentum des Erwerbers soll unter der auflösenden Bedingung stehen, dass der Erwerber die possession an der Sache freiwillig verliert. Das Eigentum des Eigentümers soll unter der aufschiebenden Bedingung stehen, dass er die Sache durch eine freiwillige Übertragung der possession durch den Erwerber wieder zurückerlangt.188 Diese Ansicht versucht zwar durch eine aufwendige Konstruktion die Lösung der Rechtsprechung zu erklären, zur Begründung der Rechtsprechung ist sie aber nicht in der Lage. Und auch die Erklärung an sich passt nicht zu der im Bereich des Eigentums angezeigten klaren Regelung der Rechtslage. (2) Die späteren Entscheidungen Weitere Entscheidungen der Cour de Cassation haben die Rechtsprechung im Garagistenfall teilweise relativiert, ohne sie jedoch vollständig aufzuheben. So hat die Cour de Cassation in einer Entscheidung aus dem Jahr 1980 einen Herausgabeanspruch des Erwerbers gegenüber dem Eigentümer, der im Moment der Klage die tatsächliche Sachherrschaft zurückerlangt hatte, aufgrund eines Eigentumserwerbs gem. Art. 2276 Abs. 1 C.c. bejaht.189 Ein Erwerber hatte einen Pkw von einem Händler erworben, der diesen seinerseits lediglich unter Eigentumsvorbehalt vom Hersteller erworben hatte. Der Händler (Veräußerer) zahlte dem Hersteller allerdings nicht die geschuldete Summe. Als der Erwerber das Fahrzeug wegen einiger Änderungen in eine Werkstatt brachte, bemächtigte sich der Hersteller dort wieder des Wagens. Auf das gerichtliche Vorgehen des Erwerbers hin wurde der Hersteller (Eigentümer) zur Herausgabe des Wagens verurteilt, da der Erwerber nach Art. 2276 Abs. 1 C.c. das Eigentum erlangt und aufgrund der Vorgänge auch nicht seine possession verloren habe. In einem weiteren Sachverhalt, der im Jahr 1981 bei der Cour de Cassation zur Entscheidung anstand, ging es um ein unterschlagenes Bild, das an einen gutgläubigen Erwerber veräußert wurde. Später wurde es von der Polizei bei einem Verwahrer des Erwerbers beschlagnahmt und in Zwangsverwaltung gegeben.190 Der Erwerber hat anschließend unter Berufung auf 186

Bénabent, Anmerkung zu Cass. civ., 05.10.1972, JCP G 1973, II, 17485. Muller, RTD civ. 1989, 697, 703. 188 Muller, RTD civ. 1989, 697, 702 ff. 189 Cass. civ., 16.01.1980, D. 1980, 232. 190 Cass. civ., 03.11.1981, Bull. civ. I, Nr. 324. 187

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Teil 1: Die Ausgangsposition

seinen Eigentumserwerb gem. Art. 2276 Abs. 1 C.c. die Herausgabe verlangt. Dem hat die Cour de Cassation hier stattgegeben, da der Erwerber die possession nicht verloren habe, sondern trotz der Vorgänge immer noch possesseur sei. Bei einer weiteren Entscheidung war die zuvor unterschlagene und von einem Erwerber gutgläubig erworbene Sache, ein Oldtimer-Kfz, nicht nur von der Polizei beschlagnahmt, sondern anschließend sogar an den ursprünglichen Eigentümer herausgegeben worden.191 Dem Herausgabeverlangen des Erwerbers gegenüber dem Eigentümer hat die Cour de Cassation hier stattgegeben. Dabei hat sie ausgeführt, dass die Beschlagnahme durch die Polizei und die Herausgabe an den Eigentümer nur zu einem unfreiwilligen Verlust der Sachherrschaft geführt habe, so dass der Erwerber auch hier weiterhin possesseur geblieben sei.192 Der Kassationshof hat also in den letzten Jahren einen freiwilligen Verlust der possession verneint und den Erwerber weiter als possesseur betrachtet, wenn die tatsächliche Sachherrschaft aufgrund einer Beschlagnahme durch die Polizei wieder beim Eigentümer lag. bb) Würdigung des aktuellen Stands der Rechtsprechung Damit liegt, wie erläutert, keine Aufgabe der Rechtsprechung zum Garagistenfall vor. Es werden lediglich an das Kriterium der „Freiwilligkeit der dépossession“ strengere Anforderungen gestellt. Das Kriterium des freiwilligen Verlusts an sich wurde aber beibehalten und bleibt angesichts der Rechtsfolge des gutgläubigen Erwerbs (Eigentumserwerb) nicht nachvollziehbar. Ein Abstellen auf die Freiwilligkeit der dépossession kommt zum einen im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs in Betracht, wenn es für die Anwendung von Art. 2276 Abs. 2 C.c. um die Art und Weise des Verlusts der Sachherrschaft des Eigentümers geht. Auf Seiten des Erwerbers kommt es nur auf die Art und Weise der Erlangung der Sachherrschaft an. Man könnte daran denken, den Erwerber als Eigentümer einer zweiten Gutgläubigkeitskonstellation anzusehen, bei der der ursprüngliche Eigentümer der Erwerber ist. Dies würde bedeuten, dass der Eigentümer des ersten Vorgangs im zweiten Erwerbsvorgang seine eigene Sache gutgläubig erwerben würde. Dann käme es für einen möglichen gutgläubigen Erwerb tatsächlich darauf an, wie der Erwerber als Eigentümer die possession an der Sache verloren hat. Ein gutgläubiger Erwerb des ursprünglichen Eigentümers kann jedoch nicht vorliegen. Es fehlt bereits an der typischen Dreipersonenkonstellation um die „fonction acquisitive“ des Art. 2276 Abs. 1 C.c. 191 192

Cass. civ., 09.01.1996, JCP G 1996, I, 3972. Cass. civ., 09.01.1996, JCP G 1996, I, 3972, Nr. 6.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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anwenden zu können. Vielmehr liegt eine reine Zweipersonenkonstellation vor, auch wenn noch weitere Personen, insbesondere im Falle der Beschlagnahme durch Polizei- oder Sicherheitsbehörden, eine Rolle spielen. Diese weiteren Personen treten nicht als Hauptbeteiligte auf, sondern sind bloße Nebenbeteiligte. In einer Zweipersonenkonstellation ist allenfalls die Eigentumsvermutungswirkung (fonction probatoire) des Art. 2276 Abs. 1 C.c. relevant. Im Übrigen scheidet ein solcher gutgläubiger Erwerb auch deshalb aus, weil der Eigentümer gerade nicht daran glaubt, dass er die Sache vom wahren Berechtigten erhält, sondern er hält sich selbst nach wie vor für den Eigentümer. Er möchte kein Eigentum erwerben, sondern lediglich wieder die Sachherrschaft über sein Eigentum ausüben. Schließlich würde es im Rahmen von Art. 2276 Abs. 2 C.c. auch nicht auf den Verlust der possession, sondern nur auf den Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft ankommen. Das Kriterium der „dépossession volontaire“ lässt sich also nicht mit einem weiteren gutgläubigen Erwerb erklären. Zum andern könnte sich das Merkmal der Freiwilligkeit der Aufgabe der possession ergeben, wenn man in der freiwilligen Aufgabe der Sachherrschaft entweder einen Verzicht oder eine unentgeltliche Rückübereignung des Erwerbers sieht. Für beides fehlt es aber an einem entsprechenden Willen des Erwerbers.193 Er möchte in aller Regel im Rahmen der Vorgänge weder auf sein Eigentum verzichten, 194 noch die Sache unentgeltlich an den Eigentümer rückübereignen. Sollte man darin dennoch einen Verzicht sehen, so müsste dieser zumindest aufgrund eines Willensmangels (Rechtsirrtum, Drohung) anfechtbar sein, insbesondere wenn der Verzicht auf Druck der Polizei zustande kam.195 Ein Verzicht auf die Wirkungen des Art. 2276 Abs. 1 C.c. durch den Erwerber kommt ebenfalls nicht in Betracht, da der Eigentumserwerb nach Art. 2276 Abs. 1 C.c. unabhängig vom Willen des Erwerbenden stattfindet.196 Es bleibt dabei, dass sich das von der Rechtsprechung aufgestellte Kriterium der dépossession volontaire nur schwer erklären lässt und eine maßgebliche Einschränkung des Verkehrs- bzw. Erwerberschutzes bewirkt.197 b) Die Rückerlangung der Sache durch den Eigentümer und die Folgen im Rahmen der Art. 2276 Abs. 2, 2277 C.c. Bei gestohlenen Sachen, die innerhalb der Dreijahresfrist wieder an den Eigentümer zurückgelangen, ist die Ausgangslage etwas anders. Art. 2276 Abs. 2 C.c. verhindert hier zunächst den Eigentumserwerb des Erwerbers. 193

Bénabent, Anmerkung zu Cass. civ., 05.10.1972, JCP G 1973, II, 17485. Muller, RTD civ. 1989, 697, 702. 195 Carbonnier, Biens, Nr. 237. 196 Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 110. 197 Bénabent, Anmerkung zu Cass. civ., 05.10.1972, JCP G 1973, II, 17485. 194

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Allerdings spricht Art. 2277 Abs. 1 C.c. dem Erwerber unter den oben genannten und hier jeweils vorliegenden Voraussetzungen eine Kompensation für die Herausgabe in Form der Erstattung des Kaufpreises zu. Hat der Eigentümer die Sache zurückerlangt, ohne dass eine Erstattung des Kaufpreises erfolgt ist, so stellt sich nun die Frage, ob der Erwerber diesen auf der Basis des Art. 2277 C.c. nachträglich noch vom Eigentümer verlangen kann. Zunächst erscheint die Antwort auch hier wieder eindeutig, ist doch nicht ersichtlich, wodurch der einmal entstandene Erstattungsanspruch wieder untergegangen sein soll. aa) Die französische Rechtsprechung Die hier zu erörternden Entscheidungen betreffen Situationen, in denen der Erwerber die Erstattung des Kaufpreises verlangt, nachdem die Sache bereits wieder an den Eigentümer zurückgelangt ist. Die Cour d’Appel Paris hatte im Jahr 1950 folgenden Sachverhalt zu entscheiden:198 Ein Strafgericht forderte eine gutgläubige Erwerberin eines gestohlenen LKW auf, diesen dem ursprünglichen Eigentümer herauszugeben. Dieser Aufforderung kam die Erwerberin nach. Nach erfolgter Rückgabe verlangte sie die Rückerstattung des Kaufpreises gem. Art. 2277 C.c. Die Cour d’Appel Paris lehnte eine Erstattungspflicht des Eigentümers ab. Unter anderem199 führte sie aus, dass die Möglichkeit der Erwerberin, sich den Kaufpreis erstatten zu lassen, nichts anderes sei als die Ausübung eines „droit de rétention“, also eines Zurückbehaltungsrechts gegenüber dem Vindikationsgläubiger. Dieses Zurückbehaltungsrecht verlange notwendigerweise, dass der Erwerber im Moment der Vindikation noch die possession an der Sache innehabe. Da dies nicht der Fall sei, sei hier das Zurückbehaltungsrecht und mit ihm der Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises untergegangen.200 Außerdem weist das Gericht noch darauf hin, dass die Erwerberin schon vor der Anordnung der Herausgabe durch das Strafgericht angekündigt habe, sich einer Rückgabe des LKW an seinen rechtmäßigen Eigentümer nicht zu widersetzen und sich selbst an den Verkäufer halten zu wollen. Auf diese Weise habe sie gänzlich auf alle Rechte an der gestohlenen Sache verzichtet, insbesondere auch auf jede Form der possession.201 Handelt es sich bei der Feststellung der Notwendigkeit der Innehabung der tatsächlichen Sachherrschaft im Moment der Geltendmachung des Erstattungsrechts in dieser Entscheidung noch um ein Argument unter mehre198

CA Paris, 07.02.1950, D. 1951, 456. Im konkreten Fall hatte sie zudem einen Erwerb bei einem „marchand vendant des choses pareilles“ abgelehnt, CA Paris, 07.02.1950, D. 1951, 456, 457. 200 CA Paris, 07.02.1950, D. 1951, 456, 457 f. 201 CA Paris, 07.02.1950, D. 1951, 456, 458. 199

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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ren, das möglicherweise dadurch in seiner Bedeutung zu relativieren wäre, so wurde dieses Kriterium allerdings zum tragenden Aspekt in weiteren Entscheidungen. Die Cour de Cassation entschied später, dass ein Erwerber, der die Sache auf Anweisung der Polizei dem Eigentümer zurückgegeben hatte, nicht mehr die Erstattung der Kaufpreissumme gem. Art. 2277 Abs. 1 C.c. verlangen konnte, da er im Moment dieses Verlangens nicht mehr die possession an der Sache innehabe.202 Die Cour d’Appel Paris wiederum entschied, dass einem Erwerber ebenfalls keine Erstattung der Kaufpreissumme mehr zustehe, wenn er die Sache auf Anweisung des Ermittlungsrichters (juge d’instruction) wieder an den Eigentümer zurückgegeben habe.203 Eine Erstattungspflicht bejaht wurde durch die Cour de Cassation hingegen in folgendem Fall: Ein gestohlener Pkw war von der Polizei bei einem gutgläubigen Erwerber beschlagnahmt worden und ohne dessen Zustimmung wieder an den Eigentümer bzw. an die Versicherung als Rechtsnachfolgerin des Eigentümers herausgegeben worden. Die Cour de Cassation nimmt hier an, dass durch die Beschlagnahme kein Verlust der possession des Erwerbers gegeben sei.204 Der Erwerber bleibt aufgrund seines bloßen Willens possesseur, so dass der Inhaber der Sachgewalt nur ein détenteur précaire sein kann.205 Der Erwerber konnte sich also weiterhin auf Art. 2276 C.c. und Art. 2277 C.c. berufen. In die gleiche Richtung geht eine Entscheidung der Cour de Cassation aus dem Jahr 2006.206 Hier hatte ein Erwerber eine gestohlene Statue gutgläubig von einem Antiquitätenhändler erworben, die ihm von den Polizeibehörden im weiteren Verlauf wieder abgenommen wurde. Diese übergaben die Statue an den ursprünglichen Eigentümer. Auch hier hat die Cour ein Recht auf die Erstattung des Kaufpreises bejaht, da der Erwerber die possession nur aufgrund des Einschreitens der Polizeibehörden und somit nicht freiwillig verloren habe. Anzumerken ist, dass es sich hier um eine denkmalgeschützte Sache handelte, für die im Bereich des Eigentumserwerbs Sonderregeln greifen, die aber in Art. L.622-17 Abs. 2 Code du patrimoine ein vergleichbares Lösungsrecht vorsehen.207 202

Cass. civ., 22.02.1956, D. 1956, 286. CA Paris, 27.01.1981, D. 1981, Inf. rap., 510. 204 Cass. civ., 22.11.1988, Bull. civ. I, Nr. 331, S. 224 f. 205 Zenati, RTD civ. 1990, 519, 522, der die Weitergabe des Pkw als bloße Tatsachenhandlung („processus de pur fait“) bezeichnet. 206 Cass. civ., 16.05.2006, Bull. civ. I, Nr. 242, S. 212. 207 Aufgrund der verbleibenden Unterschiede zwischen Art. 2277 C.c. und Art. L.62217 Abs. 2 Code du patrimoine erfährt die Entscheidung aber auch Kritik, insbesondere da die Cour für die Erstattungspflicht auf die possession des Erwerbers abstellt, obwohl Art. L.622-17 Abs. 2 Code du patrimoine nicht auf die possession abstellt (Art. L.622-17 Abs. 2 S. 1 Code du patrimoine: „L’acquéreur ou sous-acquéreur de bonne foi, entre les 203

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Im Gegensatz dazu wurde eine Erstattungspflicht der Eigentümerin in einem Fall abgelehnt, in dem die Erwerberin ein gestohlenes Gemälde freiwillig an die Eigentümerin zurückgegeben hat.208 Aufgrund der freiwilligen Rückgabe bestünden keine Rechte aus Art. 2277 C.c. mehr.209 Somit ist festzuhalten, dass eine Erstattung der Kaufpreissumme vom Erwerber nach der französischen Rechtsprechung nur dann verlangt werden kann, wenn der Erwerber im Moment der Geltendmachung des Lösungsrechts noch die possession an der Sache innehat.210 Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn zuvor eine freiwillige Rückgabe an den Eigentümer erfolgt ist. In diesem Aspekt der freiwilligen Rückgabe sind die Entscheidungen im Einklang mit der Rechtsprechung zu Art. 2276 Abs. 1 C.c. So bleibt noch die Frage, wie die Verknüpfung des Rechts auf die Lösungssumme des Erwerbers mit der Beibehaltung der possession zu erklären ist. bb) Rechtliche Würdigung der Rechtsprechung Die französische Rechtsprechung wird mit dem Wortlaut des Art. 2277 Abs. 1 C.c. begründet. Dabei wird zunächst davon ausgegangen, dass der grundsätzlich sehr weit reichende Anwendungsbereich des Art. 2277 C.c. eine strenge Auslegung des Wortlauts erfordere. 211 Solches ergebe sich auch aus dem Charakter als Ausnahmevorschrift. 212 In Art. 2277 Abs. 1 C.c. ist davon die Rede, dass der Eigentümer die Sache unter den genannten Umständen nur herausverlangen kann, wenn er dem Erwerber den Kaufpreis erstattet („… ne peut se la faire rendre qu’en remboursant …“). Art. 2277 C.c. greift also nur im Falle der Verteidigung gegen eine Vindikationsklage, dient aber nicht als Angriffsmittel.213 Eine eigenständige Geltendmachung des Anspruchs auf Erstattung des Kaufpreises durch den Erwerber sei nicht möglich. Des Weiteren spricht Art. 2277 Abs. 1 C.c. davon, dass der gegenwärtige possesseur („possesseur actuel“) die Erstattung seines Kaufpreises fordern könne, wenn er die Sache in einer der genannten Situationen erworben habe. Sei die freiwillige Rückgabe der Sache bereits erfolgt, so sei der Besitzer im Moment der mains duquel l’objet est revendiqué, a droit au remboursement de son prix d’acquisition.“); vgl. Valette, D. 2007, 132 (II. B.). 208 Cass. civ., 07.11.1995, Az. P 93-15.840, Jurisdatanr. 1995-003081. Die Entscheidung betraf in erster Linie die Frage des Rückgriffs der Erwerberin gegen den Veräußerer (vgl. dazu unten S. 286 ff.), die hier relevante Frage wurde dabei jedoch im soeben geschilderten Sinne inzident beantwortet. 209 Cass. civ., 07.11.1995, Az. P 93-15.840, Jurisdatanr. 1995-003081. 210 Vgl. die soeben genannten Urteile, u.a. Cass. civ., 22.02.1956, D. 1956, 286. 211 CA Paris, 07.02.1950, D. 1951, 456, 457. 212 Lalou, Anmerkung zu CA Paris, 07.02.1950 und 03.01.1951, D. 1951, 456, 459. 213 Lalou, Anmerkung zu CA Paris, 07.02.1950 und 03.01.1951, D. 1951, 456, 459.

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Geltendmachung des Art. 2277 Abs. 1 C.c. eben nicht mehr der gegenwärtige possesseur. Die Cour d’Appel Paris hat in ihrer Entscheidung vom 7. Februar 1950 zudem angeführt, dass aufgrund des Verlusts der possession kein Zurückbehaltungsrecht des Erwerbers mehr existiere und die Forderung auf Kaufpreiserstattung der Ausdruck dieses Zurückbehaltungsrechts sei, der folglich mit untergehe.214 Diese Argumentation wurde so explizit dann zwar nicht mehr verwendet, in der Sache blieb es aber dabei. Dieser Punkt wird zu Recht stark kritisiert. Das Verhältnis einer Forderung zu dem für den Forderungsinhaber daraus möglicherweise resultierenden Zurückbehaltungsrecht („droit de rétention“) ist nämlich – auch in Frankreich – anders zu bewerten, als die französische Rechtsprechung dies tut. Ist der Erwerber noch possesseur der Sache, so existiert zunächst beides. Ein Forderungsrecht des Erwerbers auf Erstattung des Kaufpreises und zudem ein Zurückbehaltungsrecht des Erwerbers an der Sache, solange seine Forderung noch nicht erfüllt ist. Das Recht auf Erstattung des Kaufpreises wird dem Erwerber eingeräumt, der auf den handelsüblichen Geschäftsverkehr vertraut hat. Das Zurückbehaltungsrecht ist eine Garantie um die Durchsetzung dieser Forderung zu sichern. Diese Garantie beruht auf der tatsächlichen Sachherrschaft an der Sache und geht somit unter, wenn die Sachherrschaft verloren geht.215 Die Sache kann insbesondere nicht zurückverlangt werden, nur um anschließend wieder das Zurückbehaltungsrecht geltend machen zu können. Das Zurückbehaltungsrecht ist mit dem Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft an der Sache untergegangen. Im Zusammenspiel mit dem Zurückbehaltungsrecht ist die Forderung das führende Recht. Erlischt die Forderung, so geht damit das zugehörige Zurückbehaltungsrecht ebenfalls unter. Erlischt aber das Zurückbehaltungsrecht, die Garantie, so bleibt das Hauptrecht, die Forderung, sehr wohl bestehen.216 Dies wird durch die hier dargestellte Rechtsprechung nicht beachtet. Das Recht auf Rückerstattung des Kaufpreises müsste somit weiterexistieren, wenn der Eigentümer seine Sache wiedererlangt hat, es ist nur nicht mehr durch die Garantie des Zurückbehaltungsrechts gesichert.217 Auch der immer wieder anzutreffende Verweis auf den Ausnahmecharakter des Art. 2277 C.c. und die daraus resultierende Notwendigkeit der engen Auslegung ist nicht überzeugend. Die Ausnahme vom Eigentumsschutz ergibt sich schon aus der grundsätzlichen Möglichkeit des gutgläu214

CA Paris, 07.02.1950, D. 1951, 456, 457 f. Simler/Delebecque, Rdnr. 568. 216 Vgl. u.a. Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1557; Terré/Simler, Rdnr. 441. 217 Terré/Simler, Rdnr. 441. 215

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Teil 1: Die Ausgangsposition

bigen Erwerbs nach Art. 2276 Abs. 1 C.c.; dieser repräsentiert das Grundprinzip des gutgläubigen Erwerbs. Die Sonderbehandlung gestohlener und verlorener Sachen gem. Art. 2276 Abs. 2 C.c. stellt von diesem Grundprinzip die Ausnahme dar.218 Diese Ausnahme wird durch die Regelung in Art. 2277 C.c. wiederum eingeschränkt, so dass man sich im Ergebnis dadurch wieder dem Grundprinzip des Art. 2276 Abs. 1 C.c. nähert. Innerhalb der Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs steht dem Prinzip des Erwerberschutzes durch Art. 2276 Abs. 1 C.c und Art. 2277 C.c. also die Ausnahme des Art. 2276 Abs. 2 C.c. gegenüber. Art. 2277 C.c. unterstützt im Ergebnis das Grundprinzip des Art. 2276 Abs. 1, so dass die dadurch bewirkte Einschränkung der Ausnahme (Art. 2276 Abs. 2 C.c.) nicht zwingend restriktiv auszulegen ist. Die beiden Vorschriften bilden vielmehr ein austariertes Gesamtgefüge, in das aufgrund einer durch hoheitliche Machtausübung bewirkten Herausgabe der Sache kein Eingriff erfolgen sollte.219 Die Rechtsprechung hat weitreichende Auswirkungen mit gravierenden Folgen für den Erwerber im Bereich der weiteren Ausgleichsansprüche gegen den Veräußerer. Zu diesem Punkt vgl. unten im Rahmen des Lösungsrechts S. 295 ff. Zusammenfassend kann heute somit davon ausgegangen werden, dass die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 2276 Abs. 1 C.c. zu einem sofortigen vollen Eigentumserwerb führt, der freiwillige Verlust der possession an den ursprünglichen Eigentümer (dépossession volontaire) in der französischen Rechtsprechung aber so behandelt wird, dass dadurch der Eigentümer wieder das Eigentum an der Sache innehat. Bei gestohlenen Sachen scheitert innerhalb der Dreijahresfrist des Art. 2276 Abs. 2 C.c. ein Eigentumserwerb zwar von vornherein. Die freiwillige Aufgabe der possession ohne gleichzeitige Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz der Lösungssumme nach Art. 2277 C.c. führt hier aber dazu, dass der Erwerber auch später keinen Erstattungsanspruch nach Art. 2277 C.c. gegen den Eigentümer mehr geltend machen kann, sondern diesen gänzlich verloren hat. Die Annahme einer „dépossession volontaire“ unterliegt in der Rechtsanwendung durch die Gerichte und unter Zustimmung der Literatur inzwischen strengeren Voraussetzungen als noch vor 30 Jahren. Das Kriterium aber bleibt.

218 219

Moldoveanu, S. 102. Mallet-Bricout/Reboul-Maupin, D. 2006, S. 2363 ff. (I. C.).

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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II. Der gutgläubige Erwerb im deutschen Recht Die deutschen Regelungen zum gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 932–936 BGB. 220 Hinzu kommen insbesondere §§ 366 f. HGB und einige Nebenbestimmungen. 221 Auch im deutschen Recht haben diese Bestimmungen seit Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 nahezu keine Änderung erfahren. Durch Verordnung vom 21. Dezember 1940 wurde § 932a BGB betreffend den gutgläubigen Erwerb nicht eingetragener Seeschiffe eingefügt. Durch Art. 1 Abs. 2 S. 3 des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes222 wurden amtliche Überschriften eingefügt und mit Wirkung zum 5. August 2009 wurde § 935 Abs. 2 BGB dahingehend ergänzt, dass Versteigerungen nach § 979 Abs. 1a BGB den öffentlichen Versteigerungen gleichgestellt wurden.223 1. Die Grundregeln des gutgläubigen Erwerbs im BGB: §§ 932–934 BGB Der Kern der Regelung zum gutgläubigen Erwerb im deutschen Recht findet sich in § 932 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB: „§ 932. Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten. (1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. (...) (2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.“

a) Bewegliche körperliche Sachen im Sinne der §§ 929 ff. Die §§ 929 ff. BGB, einschließlich der §§ 932 ff. BGB, sind nur auf bewegliche körperliche Sachen anwendbar. Bewegliche Sachen i.S.d. §§ 929 ff., 932 ff. BGB sind körperliche Sachen (§ 90 BGB), die nicht Grundstücke oder Grundstücksbestandteile sind.224 Tiere zählen zu den beweglichen Sachen in diesem Sinne. § 90a BGB ändert daran für den gutgläubigen Erwerb nichts. Auch Geldscheine und Geldmünzen sind bewegliche Sachen, die unter die relevanten Vorschriften zum gutgläubigen Er220 Zur Geschichte und Herkunft vgl. insbesondere Schubert, Entstehung, 149 ff., 157 ff., 165 ff. sowie unten S. 276 ff. 221 Vgl. bspw. § 365 Abs. 2 HGB, § 68 Abs. 1 AktG, Art. 16 Abs. 2 WG. Zu weiteren landesrechtlichen Sonderbestimmungen vgl. S. 280 f. 222 Gesetz vom 26.11.2001, BGBl. 2001 I S. 3138. 223 Gesetz über die Internetversteigerung in der Zwangsvollstreckung und zur Änderung anderer Gesetze vom 30. Juli 2009, veröffentlicht im BGBl. Teil. I, S. 2474 am 4. August 2009. Nach Art. 9 des Gesetzes trat die in Art. 4 bewirkte Ergänzung des § 935 Abs. 2 BGB am Tag nach der Verkündung in Kraft. Zu der Änderung vgl. auch unten S. 107. 224 RGZ 55, 281, 284.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

werb beweglicher Sachen fallen,225 was sich bereits aus der ausdrücklichen Erwähnung in § 935 Abs. 2 BGB ergibt. Mangels „Körperlichkeit“ fallen Immaterialgüterrechte, Forderungen und sonstige Rechte nicht unter die §§ 932 ff. BGB. Rechte werden durch Abtretung gem. §§ 398, 413 BGB übertragen. Abgrenzungsschwierigkeiten können sich hier bei verbrieften Privatrechten in Form der Wertpapiere226 ergeben. Nach den Vorschriften über bewegliche Sachen werden dabei Wertpapiere in Form der Inhaberpapiere227 und der Orderpapiere228 übereignet.229 Die Anwendung der §§ 929 ff. BGB gilt jedenfalls, soweit es sich bei den Wertpapieren um Einzelurkunden handelt. Einzelurkunden stellen in vielen Wertpapierbereichen heute jedoch die Ausnahme dar. Bei den inzwischen regelmäßig vorliegenden Wertpapieren in Form der Globalurkunden, insbesondere bei girosammelverwahrten230 Dauerglobalur225 BGH NJW 1990, 1913, 1913 zur Anwendbarkeit der Regelungen zur Übereignung beweglicher Sachen. Für Geld ergibt sich die Anwendbarkeit der Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb im Übrigen schon aus der ausdrücklichen Erwähnung in § 935 Abs. 2 BGB. 226 „Ein Wertpapier ist eine Urkunde, in der ein privates Recht in der Weise verbrieft ist, dass zur Geltendmachung des Rechts die Innehabung der Urkunde erforderlich ist.“ Hueck/Canaris, § 1 I (S. 1). Zu unterschiedlichen Wertpapierbegriffen im Wirtschaftsverkehr, gesetzlichen Regelungen und der Rechtswissenschaft vgl. Zöllner, § 3 (S. 14 ff.). 227 Inhaberpapiere sind Wertpapiere, bei denen grundsätzlich jeder Inhaber das verbriefte Recht geltend machen kann; Zöllner, § 2 II 1 (S. 9). 228 Orderpapiere sind Wertpapiere, die den Berechtigten einerseits namentlich benennen, andererseits aber eine Übertragung durch eine einseitige schriftliche Erklärung in Form des Indossaments zulassen; Palandt/Sprau, Einf v § 793 Rdnr. 4. 229 Die in dem Inhaber- oder Orderpapier verkörperte Forderung wechselt ihren Gläubiger mit der Übereignung des Wertpapiers. Dies gilt nicht für Wertpapiere in Form der Rektapapiere (die wie Namenspapiere den Berechtigten namentlich benennen, vgl. Palandt/Sprau, Einf v § 793 Rdnr. 2), bei denen die §§ 932 ff. BGB keine Anwendung finden, sondern sich die Rechtsübertragung durch Abtretung (§§ 398, 413 BGB) vollzieht. Das Eigentum an der Urkunde geht bei solchen Papieren gem. § 952 BGB mit der Abtretung des darin verbrieften Rechts an den Abtretungsempfänger über; Palandt/Bassenge, § 952 Rdnr. 2. Die entsprechenden Schuldurkunden i.S.d. § 952 BGB stellen keine selbständigen Gegenstände des Rechtsverkehrs dar; Neuner, JuS 2007, 401, 403. Zu den Rektapapieren zählen u.a. die Anweisung gem. §§ 783 ff. BGB, der Hypothekenbrief und der Sparbrief. Namensaktien hingegen werden üblicherweise als Orderpapiere verstanden, MüKo-AktG/Heider, § 10 Rdnr. 25; Zöllner, § 2 II 3. d) aa) (S. 13); Hueck/Canaris, § 25 I 2 b) (S. 215 f.). 230 Die Sammelverwahrung von Wertpapieren des Kapitalmarkts stellt inzwischen die rechtliche Regelform dar (§ 5 Abs. 1 S. 1 DepotG). Eine Sonderverwahrung kann – soweit aufgrund der Ausgestaltung des Wertpapiers (Globalurkunde vs. Einzelurkunde) überhaupt möglich – vom Inhaber als Hinterleger verlangt werden (§§ 2 Abs. 1 S. 1, 5 Abs. 1 S. 1 DepotG). In der Praxis ist dies heute die absolute Ausnahme (Eder, NZG 2004, 107, 109). Eine Girosammelverwahrung liegt vor, wenn die Sammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank (§ 1 Abs. 3 DepotG) erfolgt; MüKo-HGB/Einsele,

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kunden,231 wie sie im Falle der Kapitalmarktpapiere (sog. Effekten) vorliegen, ist die Anwendbarkeit der §§ 929 ff., 932 ff. BGB schwieriger zu beurteilen.232 Für die rechtliche Beurteilung sind beide Abgrenzungsmerkmale, die Art der Verbriefung (Einzelurkunde vs. Globalurkunde vs. Dauerglobalurkunde) und die Art der Verwahrung (Einzelverwahrung vs. Sammelverwahrung vs. Girosammelverwahrung) zu beachten und im Rahmen der §§ 929 ff. BGB zu würdigen. Aus der Gestaltung des Wertpapiers als Globalurkunde folgt zunächst, dass dem einzelnen Inhaber eines verbrieften Rechts nur ein Miteigentumsanteil an der Globalurkunde zusteht.233 Schon aufgrund des Charakters ist strittig, ob die §§ 932 ff. BGB überhaupt anwendbar sind, denn bei der Übereignung durch einen Miteigentümer bestehe kein Rechtsschein hinsichtlich seiner Anteilsgröße. 234 Aus der Verwahrung bei einer Wertpapiersammelbank, die für den Inhaber des Miteigentumsanteils über seine Depotbank erfolgt, ergibt sich ein (mehrfach) gestuftes Besitzverhältnis: die Wertpapiersammelbank ist unmittelbare Fremdbesitzerin, die Depotbank ist mittelbare Fremdbesitzerin erster Stufe und der Miteigentümer ist mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe.235 Der Rechteinhaber hat hier letztlich nur mittelbaren Mitbesitz an seinem Miteigentumsanteil an der Dauerglobalurkunde. Die Übertragung dieses Mitbesitzes erfolgt durch die Anweisung des Rechteinhabers an die Wertpapiersammelbank, die über seine Depotbank

Depotgeschäft Rdnr. 50. In Deutschland gibt es aktuell nur einen zugelassenen Zentralverwahrer, die Clearstream Banking AG. 231 Gem. § 9a Abs. 1 DepotG ist eine Sammelurkunde (auch Globalurkunde genannt), ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, wobei jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnte. Von einer Dauerglobalurkunde spricht man, wenn der Emittent des jeweiligen Wertpapiers im Verhältnis zum Inhaber des verbrieften Rechts den Anspruch auf Auslieferung von Einzelurkunden auf Dauer ausgeschlossen hat; für Aktien vgl. § 10 Abs. 5 AktG, der mindestens eine Dauerglobalurkunde voraussetzt (Hüffer, § 10 Rdnr. 10). 232 Die Vermutung von Imbusch, S. 132, dass mit dem Wachsen der Aktienmärkte ein vermehrter Erwerb gestohlener Aktien verbunden sein kann, ist schon aufgrund der Ausgestaltung der Papiere nicht überzeugend. 233 Vgl. § 6 Abs. 1 DepotG. 234 Koller, DB 1972, 1857, 1860. 235 U.a. BGH NJW 1997, 2110, 2111; Canaris, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2020; MüKo/ Schmidt, § 1008 Rdnr. 30; Eder, NZG 2004, 107, 110. A.A. im Hinblick auf die besitzrechtliche Einordnung MüKo-HGB/Einsele, Depotgeschäft Rdnr. 91 ff. unter Hinweis auf den möglichen Ausschluss der Lieferung effektiver Stücke in § 9 Abs. 3 S. 2 DepotG (z.B. i.V.m. § 10 Abs. 5 AktG) und die grundsätzliche Systematik des DepotG, die (wenn überhaupt) nicht die Herausgabe des Bruchteilseigentums an sich, sondern nur einen Anspruch auf Herausgabe einer gewissen Menge an Anteilen gewähre.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

erfolgt, künftig der Depotbank des Erwerbers den Besitz zu mitteln.236 Der geänderte Besitzmittlungswillen der Wertpapiersammelbank (dem Zentralverwahrer) dokumentiert sich in der Umbuchung des Rechts bei der Wertpapiersammelbank.237 Die generelle Anwendbarkeit der Vorschriften zur Übereignung beweglicher Sachen schließt dann auch die Anwendbarkeit der Vorschriften (und nach überwiegender Ansicht auch die Möglichkeit der Erfüllung dieser Voraussetzungen) zum gutgläubigen Erwerb ein.238 Im Einzelnen ist bei der sachenrechtlichen Behandlung der Wertpapiere, insbesondere der sammelverwahrten Globalurkunden, noch vieles streitig und stark von den Erfordernissen und Handlungsweisen der Praxis geprägt. Die rechtliche Erfassung der praxisüblichen tatsächlichen Vorgänge ist dabei dogmatisch nicht immer zweifelsfrei möglich und Gegenstand intensiver Diskussionen, die hier im Einzelnen nicht wiedergegeben werden können.239 Dennoch wird nach der überwiegenden Ansicht ein gutgläubiger Erwerb anerkannt. Nicht zuletzt wird hier ergebnisorientiert argumentiert, in dem man betont, dass die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs einer Notwendigkeit der Praxis entspreche.240 Auch wenn durch das sog. MoMiG241 das GmbHG in § 16 Abs. 3 GmbHG seit Inkrafttreten der Änderung am 1. November 2008 einen gutgläubigen Erwerb eines GmbH-Anteils ermöglicht, so handelt es sich bei einem Geschäftsanteil einer GmbH weiterhin um ein Recht und nicht um eine bewegliche Sache. Die Übertragung von Geschäftsanteilen erfolgt nach den Regeln der Übertragung für Rechte, also durch Abtretung (§ 15 GmbHG, §§ 398, 413 BGB). Die gesetzliche Regelung eines redlichen Erwerbs eines GmbH-Anteils ist eine Ausnahmeregel zum gutgläubigen Erwerb von Rechten,242 die mit den Regelungen zum gutgläubigen Erwerb

236 BGH NJW 1999, 1393, 1393; Kümpel/Wittig/Will, Rdnr. 18.112 f. und 18.193 f.; Eder, NZG 2004, 107, 111. 237 Canaris, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2020. Alternativ sind auch Übereignungen unter Verwendung der Übergabeformen nach §§ 930, 931 BGB denkbar. Zu den verschiedenen Ansichten und Alternativen im Einzelnen, u.a. MüKo-HGB/Einsele, Depotgeschäft Rdnr. 106 ff. und Kümpel/Wittig/Will, Rdnr. 18.111 ff. und 18.193 f. 238 Canaris, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2125 und 2017 ff. Kümpel/Wittig/Will, Rdnr. 18.195; Eder, NZG 2004, 107, 112. 239 Vgl. hierzu und den dabei relevanten Problemkreisen die Darstellungen von Einsele, insbesondere S. 30 ff. und 89 ff. und Lehmann, S. 147 ff. und S. 423 ff. 240 Vgl. Koller, DB 1972, 1905, 1905; Hueck/Canaris, § 1 III (S. 16) mit Hinweis auf eine Notwendigkeit zur entsprechenden Rechtsfortbildung. 241 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl. 2008, Teil I S. 2026. 242 Dabei knüpft die Regelung an die beim Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste an, sieht gleichzeitig aber wieder Einschränkungen vor. Vgl. zur Gesellschafterliste, Hasselmann, NZG 2009, 409, 410.

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beweglicher Sachen nicht vergleichbar ist und in dieser Untersuchung im Weiteren außen vor bleibt.243 b) Wirksame Einigung gem. § 929 S. 1 BGB Wie jede Übereignung im deutschen Recht bedarf auch der gutgläubige Erwerb einer wirksamen dinglichen Einigung nach § 929 S. 1 BGB über den Eigentumsübergang. Aufgrund des in Deutschland geltenden Trennungs- und Abstraktionsprinzips244 beurteilt sich die Wirksamkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts, insbesondere der entsprechenden Willenserklärung, unabhängig vom zugrunde liegenden obligatorischen Kausalgeschäft. Anders als im französischen oder auch römischen Recht stellt sich daher nicht die Frage nach der Behandlung eines Eigentumsübergangs aufgrund eines Putativtitels, solange etwaige Rechtsmängel nicht auch die dingliche Einigung erfassen.245 c)Verkehrsgeschäft Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Anwendung der §§ 932 ff. BGB ist, dass es sich bei dem der Übereignung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft um ein Verkehrsgeschäft handelt.246 Ein solches liegt nach dem BGH vor, wenn auf der Erwerberseite mindestens eine Person beteiligt ist, die nicht auch auf der Veräußererseite beteiligt ist.247 Dabei ist sowohl die

243

Vgl. zu den Unterschieden auch Mayer, DNotZ 2008, 403, 415 f. Siehe dazu auch schon oben Teil 1, 1. Kapitel Fn. 10. 245 Zur Behandlung im französischen Recht, S. 57 ff.; zur Behandlung im römischen Recht, S. 111 f. 246 Dieses zusätzliche Kriterium ist heute trotz einzelner Kritik in der Literatur weitestgehend anerkannt. Oechsler (MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 35 ff.) kritisiert, dass hier „eine Reihe rechtlicher Einzelfragen vermengt und unter Missachtung des Systems des BGB einer pauschalen Lösung zugeführt wird.“ Hierbei bezieht er sich auf die Rechtsfragen der Wissenszurechnung, der Rückabwicklung unentgeltlicher Verfügungen und der Nachweisproblematik hinsichtlich der Bösgläubigkeit des Erwerbers. Hager (Verkehrsschutz, S. 119 ff.) sieht in diesem Kriterium die Rechtfertigung eines Ergebnisses, das aufgrund sich unterscheidender Fallkonstellationen gewünscht sei. Er meint, das Erfordernis des Verkehrsgeschäfts komme im Ergebnis einer Sanktionierung des „Kennenmüssens“ gleich, die Begriffe der persönlichen und rechtlichen Identität würden das System des BGB missachten und im Übrigen unscharf sein und gleichsam seien die herangezogenen Begründungsformeln, wie „Schutzbelange des Rechtsverkehrs“ unzureichende Formeln ohne ausreichende materielle Absicherung. Wittkowski möchte nach seiner Untersuchung der Lehre des Verkehrsgeschäfts dieses (jedenfalls für den Bereich des von ihm untersuchten Immobilienerwerbs gem. § 892 BGB) zusätzliche Erfordernis ebenfalls streichen und plädiert für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung über § 816 Abs. 1 BGB; Wittkowski, S. 121 ff., 192 ff. 247 Siehe u.a. BGH NJW 2007, 3204, 3205 m.w.Nachw. 244

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Teil 1: Die Ausgangsposition

persönliche Identität als auch die wirtschaftliche Identität schädlich für die Anwendbarkeit der Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb.248 d) Übergabe der Sache Das deutsche Recht fordert für eine wirksame Eigentumsübertragung beweglicher Sachen auch eine Übergabe der Sache, was in der Regel249 bedeutet, dass der Erwerber den Besitz an der Sache erlangt (aa). In Abhängigkeit von der besitzrechtlichen Ausgangslage sieht das BGB auch beim gutgläubigen Erwerb verschiedene Übergabevarianten vor (bb). Die schwierigsten Sachverhalte im Bereich des gutgläubigen Erwerbs betreffen dabei die Einbeziehung Dritter in den Übertragungsvorgang in Form der Besitzdiener, mittelbaren Besitzer und Geheißpersonen (cc). aa) Der Besitz Das Korrelat zur possession des französischen Rechts ist im deutschen Recht der Besitz. Auch hier handelt es sich um eine juristisch qualifizierte Form der tatsächlichen Sachherrschaft. Das BGB kennt verschiedene Besitzarten und -unterscheidungen, die für die einzelnen Fallkonstellationen des gutgläubigen Erwerbs eine Rolle spielen können.250 Die Unterscheidung nach dem Grad der Sachbeziehung ist rechtlich am bedeutsamsten. Ausgangspunkt ist dabei der unmittelbare Besitz. Das BGB definiert den Begriff nicht, sondern regelt in § 854 BGB mit dem Erwerb des Besitzes nur einen Teilaspekt. Das Ringen um die richtige Definition des Besitzes weist weit bis ins 19. Jahrhundert zurück.251 Für die Zwecke dieser Untersuchung genügt jedoch zunächst der weitgehend anerkannte Begriff der herrschenden Meinung. Demnach stellt der unmittelbare Besitz die von einem Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft dar.252 248 Ein gutgläubiger Erwerb einer Sache wäre sonst trotz persönlicher Identität möglich, bspw. wenn der Veräußerer unbewusst als Nichtberechtigter verfügt. In dem Fall, der RGZ 117, 257, 265 f. zugrunde lag, ging es bspw. um die Übertragung eines Grundstücks von einer Erbengemeinschaft auf eine personengleiche OHG. Um einen Fall der wirtschaftlichen Identität ging es in RGZ 119, 126, 129 ff. Dort wollten die beiden alleinigen Aktionäre lastenfreies Eigentum auf die AG übertragen. 249 Ausnahmen sind bspw. der Geheißerwerb auf Erwerberseite, vgl. unten S. 177 ff. 250 Nach dem Grad der Sachbeziehung wird zwischen dem mittelbaren und dem unmittelbaren Besitz unterschieden, nach der Willensrichtung der Beteiligten zwischen Eigen- und Fremdbesitz, nach der sozialen Einordnung der Beteiligten zwischen Besitzer und Besitzdiener und nach der Beschränkung der Besitzrechte durch andere zwischen Allein- und Mitbesitz; vgl. Baur/Stürner, § 7 Rdnr. 3 ff. 251 Vgl. Staudinger/Bund, Vorbem zu §§ 854-872 Rdnr. 34 ff. 252 Sosnitza, S. 6 ff. und S. 374; BGH NJW 1958, 1286, 1286 f.; BGH NJW 1987, 2812, 2813; Staudinger/Bund, § 854 Rdnr. 3 ff.; MüKo/Joost, § 854 Rdnr. 3 und 8.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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Die tatsächliche Herrschaftsgewalt wiederum beurteilt sich nach der Verkehrsauffassung, wobei entsprechend den Anschauungen des täglichen Lebens alle Umstände des Einzelfalls zusammenfassend zu werten sind.253 Der Herrschaftswille zeigt sich im Rahmen des Besitzerwerbs als Besitzbegründungswille. Dies ist ein nach außen erkennbarer Sachherrschaftswille, wobei ein genereller, nicht auf eine bestimmte Sache gerichteter Wille ausreicht.254 Damit ergeben sich bereits beim unmittelbaren Besitz neben der reinen Sachgewalt zwei rechtlich zu wertende Qualifizierungselemente: die Beurteilung der tatsächlichen Sachherrschaft nach der Verkehrsanschauung und der zusätzlich erforderliche Herrschaftswille. Der Besitzbegriff nach dem BGB weicht darüber hinaus noch in anderen Aspekten von der rein tatsächlichen Gewalt an der Sache ab. Trotz einer tatsächlichen Sachherrschaft ist nach dem BGB derjenige nicht Besitzer, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen im Rahmen eines privaten oder öffentlichen Verhältnisses ausübt, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat (sog. Besitzdiener, vgl. § 855 BGB). Im Gegenzug räumt das BGB auch ohne tatsächliche Sachherrschaft demjenigen die Besitzerstellung in Form des sog. mittelbaren Besitzes ein (vgl. § 868 BGB), der gegen den unmittelbaren Besitzer einen echten oder vermeintlichen Herausgabeanspruch hat, wenn dieser unmittelbare Besitzer zugleich einen entsprechenden Besitzmittlungswillen zeigt, d.h. seine Sachherrschaft aufgrund des Rechtsverhältnisses zum (dann) mittelbaren Besitzer erkennbar abschwächt und teilweise dem (dann) mittelbaren Besitzer zugesteht.255 Die Figur des mittelbaren Besitzes ermöglicht jedenfalls beim Erwerb vom Berechtigten eine Übereignung, bestehend aus Einigung und Übergabesurrogat nach § 930 BGB, ohne dass sich die äußerliche Sachgewalt des unmittelbaren Besitzers ändert. Nicht zuletzt die Sicherungsübereignung verwendet regelmäßig diese Übereignungsvariante. Im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs hat dies zu einer andauernden Diskussion über die sachgerechte Bewertung und Einbettung des mittelbaren Besitzes in die Prinzipien des gutgläubigen Erwerbs geführt.256 Eine weitere Ausnahme des Besitzes ohne tatsächliche Sachherrschaft stellt der Erbenbesitz gem. § 857 BGB dar. Hier werden die Erben selbst ohne entsprechende tatsächliche Sachherrschaft, Kenntnis oder einen entsprechenden Willen als Besitzer angesehen.257

253

BGH NJW 1987, 2812, 2813. RGZ 106, 135, 136; BGH NJW 1987, 2812, 2813. 255 BGH NJW 1955, 499, 499. 256 Vgl. dazu unten S. 88 ff. und S. 175 ff. 257 BGH JZ 1953, 706, 706. 254

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Teil 1: Die Ausgangsposition

bb) Die verschiedenen Übergabevarianten Wie bei einer Übereignung vom Berechtigten kennt das BGB auch im Bereich des gutgläubigen Erwerbs verschiedene Übergabevarianten. Die §§ 932–934 BGB modifizieren dabei die entsprechenden Übergabevarianten der §§ 929–931 BGB. § 932 Abs. 1 S. 1 BGB bezieht sich auf eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB und setzt demnach voraus, dass der Veräußerer jeglichen Besitz aufgibt und der Erwerber eine Form des Besitzes erlangt.258 § 932 Abs. 1 S. 2 BGB ergänzt die Übereignung kurzer Hand dahingehend, dass eine Einigung über den Eigentumsübergang nur dann genügt, wenn der Erwerber den Besitz vom Veräußerer erlangt hat. § 933 BGB modifiziert die Übereignungsvoraussetzungen des § 930 BGB im Falle des gutgläubigen Erwerbs dahingehend, dass die bloße Vereinbarung eines Besitzkonstituts zwischen Veräußerer und Erwerber für einen Erwerb vom Nichtberechtigten nicht ausreicht, sondern es für einen gutgläubigen Eigentumserwerb zusätzlich noch der Übergabe der Sache vom Veräußerer an den Erwerber bedarf. Auch hier muss der Veräußerer wieder jeglichen Besitz aufgeben. § 934 BGB, der sich auf das Übergabesurrogat der Abtretung des Herausgabeanspruchs des § 931 BGB bezieht, hat zwei Alternativen. Ist der Veräußerer bei der Abtretung des Anspruchs selbst mittelbarer Besitzer, so erwirbt der Erwerber bereits mit der Abtretung des Anspruchs Eigentum an der Sache (§ 934 Alt. 1 BGB). Ist der Veräußerer nicht mittelbarer Besitzer, so bedarf es neben der Abtretung zusätzlich noch der Erlangung des (mittelbaren) Besitzes durch den Erwerber (§ 934 Alt. 2 BGB). Zwei Aspekte sind diesen Übergabevarianten gemeinsam. Zum einen kommt es beim gutgläubigen Erwerb, anders als beim Erwerb vom Berechtigten, in jedem Fall darauf an, dass der Veräußerer jeglichen Besitz verliert. Zudem wird in den §§ 932 ff. BGB klargestellt, dass die Gutgläubigkeit des Erwerbers nicht nur im Zeitpunkt der Einigung, sondern auch im Zeitpunkt der Erfüllung der Übergabevoraussetzungen vorliegen muss. cc) Die Einbeziehung Dritter in die Übergabe Die bisherige Darstellung berücksichtigt die Einbeziehung Dritter in den zum gutgläubigen Erwerb erforderlichen Übergabevorgang nicht in besonderem Maße. Die Mehrzahl der Fälle der Übergabe unter Einbeziehung Dritter lässt sich dabei nahtlos in das System des gutgläubigen Erwerbs einfügen. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Sachverhaltskonstellationen unter Einbeziehung Dritter in die Übergabe ergeben sich aber auch einige dogmatische und rechtspolitische Diskussionen über die rechtliche Bewer258

Palandt/Bassenge, § 932 Rdnr. 4 i.V.m. § 929 Rdnr. 11.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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tung des Verhaltens der Dritten. Zwei Problemkreise sind dabei besonders relevant. Zum einen stellen sich bei der Einbeziehung von Dritten (als Nebenbeteiligte) Fragen zum eigentlichen Rechtsscheinträger im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs nach dem BGB.259 Zum anderen ist das Verhalten von solchen Dritten, die als Hauptbeteiligte in das Geschehen eingreifen (z.B. bei der Veräußerung einer Sache durch einen Besitzdiener) im Rahmen der Subsumtion unter den Begriff des Abhandenkommens des § 935 Abs. 1 BGB zu bewerten.260 Zunächst ergeben sich bei der Berücksichtigung von Besitzdienern, mittelbaren Besitzern und Dritten, die auf Geheiß einer Person tätig werden, aber weder Besitzdiener noch Besitzmittler sind, folgende Ergebnisse im Rahmen der §§ 932–934 BGB. Handelt ein Besitzdiener bei der Übergabe für den (nichtberechtigten) Veräußerer, so ist der Veräußerer unmittelbarer Besitzer für die Zwecke der Übergabe. Wird die Sache tatsächlich einem Besitzdiener des Erwerbers übergeben, so liegt ein Erwerb des unmittelbaren Besitzes des Erwerbers vor. Dies gilt bei sämtlichen Übergabetatbeständen, bei denen es auf den Besitz und nicht lediglich auf die Abtretung ankommt (§§ 932 Abs. 1 S. 1, 932 Abs. 1 S. 2, 933, 934 Alt. 2 BGB). 261 Zu betonen ist, dass eine andere Situation vorliegt, wenn jemand als Besitzdiener des Berechtigten die Sache selbst veräußern möchte, sich dabei als Eigentümer ausgibt und somit zum unmittelbaren Besitzer aufschwingt.262 Hier wäre der Besitzdiener ein Hauptbeteiligter in der Rolle des Veräußerers. Die gleiche Situation liegt im Grundsatz beim mittelbaren Besitz und der Übergabe durch bzw. an den Besitzmittler vor. Auch hier wird die tatsächliche Sachübergabe durch den Besitzmittler des Veräußerers unter gleichzeitiger Beendigung des Besitzmittlungsverhältnisses zum Veräußerer diesem zugerechnet und der Erwerb durch den Besitzmittler des Erwerbers als ausreichender Besitzerwerb des Erwerbers erachtet.263 Entsprechend den bei § 929 BGB geltenden Grundsätzen ist z.B. das Übergabeerfordernis des § 932 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB erfüllt, wenn der Erwerber den mittelbaren Besitz erwirbt, solange der Veräußerer jeglichen Besitz verliert, d.h. solange der Besitz nicht durch den Veräußerer gemittelt wird.264 Besonders mit dem mittelbaren Besitz beschäftigen sich die Tatbe259

Vgl. unten S. 175 ff. Vgl. unten S. 101 ff. 261 Palandt/Bassenge, 932 Rdnr. 4 (i.V.m. § 929 Rdnr. 11 und 22), 933 Rdnr. 4, 934 Rdnr. 4. 262 Im deutschen Recht stellen sich in so einer Konstellation Fragen nach dem Vorliegen eines „Abhandenkommens“; vgl. unten S. 101 ff. 263 Palandt/Bassenge, 932 Rdnr. 4 (i.V.m. § 929 Rdnr. 11 und 22), 933 Rdnr. 4, 934 Rdnr. 4. 264 Vgl. BGH NJW 2005, 359, 363; Palandt/Bassenge, § 929 Rdnr. 22. 260

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Teil 1: Die Ausgangsposition

stände des §§ 933, 934 BGB. Wie oben erläutert reicht für einen gutgläubigen Erwerb die Vereinbarung eines Besitzkonstituts nach § 930 BGB alleine nicht aus. § 933 BGB verlangt hier zusätzlich die Übergabe in der Form, dass der Veräußerer ebenfalls selbst jeglichen Besitz verliert. § 934 Alt. 1 BGB erfasst zudem ausdrücklich den Fall, dass es sich bei dem Veräußerer um einen mittelbaren Besitzer handelt. Hier geht das Eigentum bereits mit der Abtretung des Herausgabeanspruchs über, so dass damit der Veräußerer seinen eigenen mittelbaren Besitz beendet und beim Erwerber neuen mittelbaren Besitz begründet.265 Schließlich ist die Einbeziehung in den Übergabevorgang von solchen Dritten möglich, die weder als Besitzdiener, noch als Besitzmittler für den Erwerber oder Veräußerer fungieren, gleichsam aber dennoch auf Geheiß des jeweiligen Hauptbeteiligten entweder diesem Hauptbeteiligten die tatsächliche Sachherrschaft verschaffen (auf Veräußererseite) oder Entgegennehmen (auf Erwerberseite). Für die Charakterisierung als Besitzdiener fehlt diesen Dritten regelmäßig eine erforderliche Weisungsabhängigkeit und für die Charakterisierung als Besitzmittler entweder ein Herausgabeanspruch oder schlicht der Wille, für den jeweiligen Hauptbeteiligten den Besitz zu mitteln. Solche Personen werden als sog. Geheißpersonen266 beteiligt. Vorkommen können diese etwa bei Veräußerungsketten, wenn ein Erwerber einen Veräußerer anweist, direkt an seinen nächsten Erwerber zu übereignen.267 e) Gutgläubigkeit Für einen Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß der § 932 ff. BGB muss der Erwerber zudem gutgläubig sein. § 932 Abs. 2 BGB bestimmt dabei, dass der Erwerber nicht in gutem Glauben ist, „wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.“

265

Zum vieldiskutierten Verhältnis von § 933 BGB zu § 934 Alt. 1 BGB vgl. unten S. 175 ff. 266 Schmidt, JuS 1987, 67, 67 f. 267 Hier wird der zweite Erwerber in der Beziehung zwischen dem Veräußerer und dem Ersterwerber auf Erwerberseite als Geheißperson des Ersterwerbers tätig und der Veräußerer in der Beziehung zwischen dem Ersterwerber und dem zweiten Erwerber auf Veräußererseite als Geheißperson des Ersterwerbers. Martinek bezeichnet dies als zweistufigen Kombinationsfall, der in der Praxis der bedeutsamste Fall der Einbeziehung von Geheißpersonen sei, AcP 188 (1988), 573, 574. Vgl. dort auch zur Schilderung weiterer Kombinationsfälle bis hin zu mehrgliedrigen Veräußerungsketten und den dort möglichen „Geheißketten“. Zur rechtlichen Problematik der Einbeziehung von Geheißpersonen vgl. unten S. 177 ff.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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aa) Gutgläubigkeit hinsichtlich des Eigentums des Veräußerers Der Erwerber muss gutgläubig in Bezug auf das Eigentum des Veräußerers sein. Lediglich im Bereich des Handelskaufs ist nach § 366 Abs. 1 HGB darüber hinaus ein guter Glaube an die Verfügungsmacht eines veräußernden Kaufmanns geschützt, wenn der Erwerber den Veräußerer zwar nicht für den Eigentümer, wohl aber für verfügungsberechtigt hält. Insbesondere nicht geschützt wird der Erwerber in seinem guten Glauben an die sonstigen Erfordernisse eines Eigentumserwerbs, bspw. die Geschäftsfähigkeit des Veräußerers. bb) Bösgläubigkeit aufgrund positiver Kenntnis Eine Gutgläubigkeit scheidet aus, wenn dem Erwerber bekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört (§ 932 Abs. 2 BGB). Ausweislich des Wortlautes des § 932 Abs. 2 BGB muss sich die Kenntnis dabei auf die rechtliche Eigentumsposition an der Sache beziehen und nicht nur auf einen Sachverhalt, aus dem sich diese Rechtsfolge ergibt. Bedeutsam ist dies insbesondere in den Fällen, in denen der Erwerber zwar den Sachverhalt kennt, der zum fehlenden Eigentum des Veräußerers führt, daraus aber rechtlich falsche Schlüsse zieht und (fälschlicherweise) vom Eigentum des Veräußerers ausgeht. Entscheidend ist dann, ob diese rechtliche Bewertung des Erwerbers auf grober Fahrlässigkeit beruht (dann liegt keine Gutgläubigkeit vor) oder nicht.268 cc) Bösgläubigkeit aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis Grob fahrlässig handelt nach der Rechtsprechung, wer die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.269 Danach beurteilen sich die Anforderungen, die im Interesse des wahren Eigentümers an die Prüfungspflicht des Erwerbers zu stellen sind.270 Es handelt sich dabei nach überwiegender Ansicht um einen objektivierten Begriff, 271 der über typisierte Sorgfaltsanforderungen berufsspezifischen und gruppentypischen Fähigkeiten Rech-

268

BGH NJW 1961, 777, 777 f. So insb. RGZ 141, 129, 131; BGHZ 10, 14, 16; BGH NJW 1980, 2245, 2246; BGH NJW 2005, 1365, 1366. Die Frage, ob ein Handeln tatsächlich ein „grob“ fahrlässiges Handeln darstellt, ist eine tatrichterliche Frage, wobei das Gericht dem grundsätzlichen Unterschied zwischen gewöhnlicher und grober Fahrlässigkeit Rechnung tragen muss; BGHZ 10, 14, 16 f. 270 RGZ 141, 129, 131. 271 Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 20. 269

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Teil 1: Die Ausgangsposition

nung trägt.272 Bezieht man diesen Sorgfaltsmaßstab auf die konkrete Situation, gelangt man schließlich zu einer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.273 Die dabei entstehende Hauptfrage ist, welche (weiteren) Erkundigungen und Nachforschungen ein Erwerber vornehmen muss, um nicht in grob fahrlässiger Unkenntnis zu handeln. Die gesetzliche Konzeption setzt solche Erkundigungen des Erwerbers im ersten Schritt nicht voraus, da sie zunächst auf den objektiven Rechtsscheinträger Besitz bzw. die Besitzverschaffungsmacht274 abstellt sowie die Gutgläubigkeit und nicht die Bösgläubigkeit als Regelfall darstellt.275 Der Erwerber darf also grundsätzlich auf die Besitzlage vertrauen.276 Nachforschungsobliegenheiten277 ergeben sich somit lediglich als Ausnahme aus den Umständen des Einzelfalls.278 Die Ausfüllung des Maßstabs der groben Fahrlässigkeit ist ein Schwerpunkt der Rechtsprechung im Bereich des gutgläubigen Erwerbs. Eine Vielzahl von Kriterien findet bei der Beurteilung des Einzelfalls Berück272

Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 49. Vgl. Westermann, § 46 2 c (S. 376 ff.); Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 51 spricht von einer „fallbezogene[n] Anwendung des objektiviert/typisierten Fahrlässigkeitsbegriffs.“ Es kann aufgrund dieser Einzelfallbezogenheit jedenfalls für die Zwecke dieser Untersuchung und wohl auch im Hinblick auf die Ergebnisse der Rechtsanwendung dahinstehen, bis zu welchem Grad rein subjektive Elemente für die Beurteilung einer etwaigen grob fahrlässigen Unkenntnis auf Erwerberseite herangezogen werden können. Vgl. zu subjektiven Elementen u.a. Jacob, S. 48 ff. 274 Vgl. zum Rechtsscheinträger unten S. 173 ff. 275 Zur Wirkung des Gutgläubigkeitskriteriums als Einschränkung des Rechtsscheinträgers vgl. unten S. 237 ff. 276 MüKo/Quack (4. Aufl.), § 932 Rdnr. 45. 277 Es wird in der Literatur diskutiert, ob es sich dabei um „bloße“ Obliegenheiten handelt oder um echte Pflichten. Bezogen auf die Rechtsfolge des § 932 BGB ist von einer Obliegenheit auszugehen, da ein Unterlassen etwaig erforderlicher Nachforschungen zunächst nur zum Ausschluss des gutgläubigen Eigentumserwerbs durch den Erwerber führt. Die Durchführung der Nachforschungen liegt also in seinem Interesse und führt zu einem rechtlichen Nachteil im Sinne eines ausbleibenden Eigentumserwerbs. So auch Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 43, 87; Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 18; Bartels, AcP 205 (2005), 687, 689 f. Betrachtet man allerdings die weiteren Rechtsfolgen unter Hinzuziehung möglicher Ansprüche des Eigentümers gegen einen (dann) bösgläubigen Erwerber, so kann man auch von einer Pflicht sprechen, da die Inbesitznahme ohne Eigentumserwerb aufgrund der unterbleibenden Nachforschungen die Schadensersatzpflichten gegenüber dem Eigentümer aus § 990 BGB und § 823 Abs. 1 BGB auslösen kann. Darauf weist insbesondere MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 41 hin. Für die konkrete Betrachtung im Rahmen des § 932 BGB ist es aber dennoch sachgerecht von Obliegenheiten zu sprechen, wenngleich die Nichtvornahme der Nachforschungen unter anderen Normen als Pflichtverletzung erscheint. Einigkeit besteht aber darüber, dass trotz der unterschiedlichen Natur der groben Fahrlässigkeit die Maßstäbe des § 276 Abs. 2 BGB Anwendung finden können; vgl. dazu auch die Begriffsbestimmung in BGHZ 10, 14, 16. 278 Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 24 und 29. 273

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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sichtigung. Diese erfassen u. a. die Art und Gestaltung des Erwerbsgeschäfts, den Wert der Sache, die Veräußerungssituation, die Abwicklung des Geschäfts, die Person und soziale Stellung des Erwerbers, die Verkehrsauffassung über die Legitimation des Veräußerers, die Erklärungen, das Auftreten, das Umfeld, die Vermögenslage und sonstige erkennbare Umstände in der Person des Veräußerers sowie das Vorliegen bzw. das Fehlen von bestimmten Urkunden und Dokumenten.279 Es gibt Ansätze, die Vielzahl der bei der Betrachtung des Einzelfalls herangezogenen Kriterien in verschiedene Fallgruppen zu systematisieren. Die rechtliche Bedeutung dieser Systematisierungen ist dabei beschränkt.280 Henssler spricht von einem „beweglichen System mit gleitenden Übergängen“. Er hält eine Einordnung in Fallgruppen für rechtstechnisch und praktisch nicht möglich und eine unterschiedliche dogmatische Behandlung für willkürlich.281 Unabhängig von der Frage, welche konkreten Rechtsfolgen man an die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Kategorien knüpfen möchte282 und im Bewusstsein des fließenden Übergangs, lassen sich dennoch zwei grundsätzliche Kategorien unterscheiden. Den Ausgangspunkt bildet hier der jeweils in Frage stehende „Verkehr“. Handelt es sich um einen Geschäftsvorgang ohne typische Risiken und Störungen, so sind konkrete Verdachtsumstände erforderlich, um eine zusätzliche Nachforschungsobliegenheit des Erwerbers auszulösen. Allerdings gibt es eben auch Geschäftsvorgänge, die aufgrund ihrer Art oder ihres Objekts bereits generell typische Risiken einer Verfügung durch einen Nichtberechtigten mit sich bringen, ohne dass es weiterer Indizien bedarf.283 Hier ist bereits ohne das Hinzutreten weiterer konkreter Umstände der Erwerber in gewissem Umfang zu Nachforschungen angehalten. Die erste Kategorie ist in ihrer Betrachtung daher noch einzelfallbezogener als die zweite.284 279 Diese Aufzählung entspricht im Wesentlichen dem Katalog aus Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 21 (dort mit einzelnen Rechtsprechungsnachweisen zu den jeweiligen Kategorien). Ähnliche Situationen nennt MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 48 ff. Zur rechtlichen Bedeutung dieser Fallgruppen als eine Art „‚Checkliste‘ für den Rechtsanwender“ vgl. Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 54; Zu Fallgruppen MüKo/Quack (4. Aufl.), § 932 Rdnr. 32. 280 Vgl. Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 54, der darauf hinweist, dass angesichts der Einzelfallbezogenheit des Kriteriums verallgemeinerungsfähige Gesichtspunkte nicht entwickelt werden können. 281 Vgl. Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 24 aE. 282 MüKo/Quack (4. Aufl.), § 932 Rdnr. 41 ff. möchte in der Art einer Indizwirkung an die Einordnung unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe legen. 283 Vgl. auch Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 71 ff. 284 Teilweise werden in der Literatur zwischen diesen beiden Kategorien Unterschiede in der Behandlung gemacht. So fordert Quack in MüKo/Quack (4. Aufl.), § 932 Rdnr. 47 entgegen der Rechtsprechung für die Kategorie der verkehrstypischen Gefahrensituation einen ursächlichen Zusammenhang zwischen unterlassener Nachforschung und Unkennt-

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Teil 1: Die Ausgangsposition

(1) „Unverdächtige“ Geschäftsvorgänge mit besonderen verdachtsauslösenden Umständen Auch bei nicht bereits generell „gefährlichen“ Geschäftsvorgängen im Hinblick auf eine mögliche Verfügung durch einen Nichtberechtigten (dazu sogleich unter (2)) kommen die oben genannten Kriterien zur Anwendung, wenn ein besonderer Umstand ein Verdachtsmoment begründet. Besonders viele verdachtsauslösende Umstände finden sich in einem Sachverhalt, der einer Entscheidung des OLG München zugrunde lag. Ein Erwerber hatte in diesem Fall eine wertvolle Gragnani-Geige (Wert des Gegenstands) aus dem Jahr 1781 von einer Privatperson (Eigenschaft des Veräußerers) gegen Barzahlung (Zahlungsmodalität) in einem Lokal in der Nähe des Münchener Hauptbahnhofs (Verkaufsort außerhalb eines üblichen Geschäftsbetriebs) für einen Preis deutlich unter dem Verkehrswert (Kaufpreis) erworben. Darüber hinaus hatte der Erwerber darauf verzichtet, die Anschrift der Verkäuferin festzustellen. Das OLG München stellte bei diesem Sachverhalt eine grob fahrlässige Unkenntnis des Erwerbers von der fehlenden Berechtigung der Veräußerin fest.285 Verdachtsauslösend kann weiterhin sein, wenn eine Privatperson mehrere (höherwertige) Neuwaren verkauft.286 Im Ergebnis findet auch außerhalb typischerweise besonders kritischer Geschäftsvorgänge (im Hinblick auf eine Verfügung durch einen Nichtberechtigten) eine Gesamtbetrachtung der Umstände statt, die im Einzelfall zur Feststellung einer groben Fahrlässigkeit führen kann.287 (2) Geschäftsvorgänge mit typischen Gefahren im Hinblick auf eine Verfügung durch einen Nichtberechtigten Bei bestimmten Geschäftsvorgängen haben sich Sorgfaltsanforderungen, insbesondere Nachforschungsobliegenheiten entwickelt, denen ein Erwerber nachkommen muss, um sich auf einen gutgläubigen Erwerb berufen zu können.

nis über die wahre Eigentumslage. Vgl. zum Erfordernis des ursächlichen Zusammenhangs auch unten S. 234 ff. 285 OLG München NJW 2003, 673, 673. 286 Vgl. BGH NJW 1996, 314, 314. Hier ging es um den ebenfalls „generell“ gefährdungsträchtigen Kfz-Handel. Der Umstand der Veräußerung von höherwertigen Neuwaren durch einen Privatmann ist aber auch außerhalb des Kfz-Handels ein potenziell verdachtsauslösender Umstand. 287 Vgl. allgemein zum Kriterium der Gutgläubigkeit und der dadurch bewirkten Gesamtwürdigung der Umstände unten S. 233 ff.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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Zu nennen sind hier insbesondere der Kfz-Handel und der Umgang mit Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung. 288 Beim Kfz-Handel289 muss sich der Erwerber als Mindestanforderung regelmäßig die Zulassungsbescheinigung Teil II (den früheren Fahrzeugbrief)290 vorlegen und übergeben lassen.291 Liegt der Brief vor, ist der Veräußerer aber dort nicht eingetragen, so muss sich der Erwerber beim eingetragenen Halter über die Berechtigung vergewissern. Auch hier gibt es aber keine absoluten Regeln, sondern es entscheiden letztlich die Umstände und Verdachtsmomente des Einzelfalls.292 Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung spielen insbesondere dann eine Rolle, wenn es sich um Sachen oder Situationen handelt, in denen solche Kreditsicherungsinstrumente nach der Praxis regelmäßig zum Einsatz kommen.293 Die Rechtsprechung verpflichtet einen Erwerber in jenen Geschäftsbereichen, in denen typischerweise der einfache oder verlängerte Eigentumsvorbehalt zur Anwendung kommt, Nachforschungen über die Berechtigung des Veräußerers anzustellen. So handle ein Erwerber mindestens fahrlässig (ob eine „grobe“ Fahrlässigkeit vorliegt, unterliegt der weiteren Beurteilung durch den Tatrichter), wenn er keine Erkundungen über einen Eigentumsvorbehalt einzieht, wo es doch erfah288 Grundsätzlich anders als die Rechtsprechung und sonstige herrschende Lehre Wiegand in Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 74 ff. insbesondere Rdnr. 76, unter Hinweis auf die nicht gegebene erhöhte Schutzwürdigkeit des Vorbehalts- oder Sicherungseigentümers im Hinblick auf den nur „transistorischen Charakter“ der Eigentümerstellung in diesen Fällen sowie die rein „zweckgebundene Zuordnung der Sachsubstanz, die funktionell betrachtet besitzlose Pfandrechte oder eine Teilung des Eigentums darstellen“ und dem daraus resultierenden Vorrang des Verkehrsschutzes vor den Sicherungsinteressen. In konsequenter Anwendung dieser Grundsätze sieht Wiegand daher Nachforschungspflichten zur Auflösung der Interessenkollision dann als gerechtfertigt an, wenn auch auf Erwerberseite lediglich ein solches eingeschränktes Eigentümerinteresse besteht, der Erwerber selbst das Eigentum also nur zu Sicherungszuwecken erwerben möchte. (a.a.O., Rdnr. 78). Zur „eingeschränkten“ Eigentümerstellung des Sicherungs- und Vorbehaltseigentümers vgl. auch oben S. 20 f. und unten S. 130 ff. 289 Nachweise der ausdifferenzierten Rechtsprechung finden sich u.a. bei Jacob, S. 87 ff.; Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 139 ff.; Palandt/Bassenge, § 932 Rdnr. 13 f. 290 Zum Inhalt der Zulassungsbescheinigung Teil II vgl. auch unten S. 187 ff. 291 BGH NJW 1975, 735, 736; BGH NJW 1996, 2226, 2227. Ein fehlender Kraftfahrzeugbrief weist nämlich insbesondere auf ein bestehendes Sicherungsrecht eines Dritten hin, da Vorbehalts- und Sicherungseigentümer üblicherweise den Brief zurückbehalten oder sich übergeben lassen; BGHZ 68, 323, 325; BGH NJW 1994, 2022, 2023. 292 Vgl. bspw. BGH NJW 1975, 735, 736 f., die Schilderung bei OLG Schleswig NZV 2007, 627, 628 und Staudinger/Wiegand, § 932 Rn 154 und 157. So steht z.B. beim Neuwagenkauf die Nichtvorlage des Briefs nicht zwingend der Gutgläubigkeit entgegen; OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 1461, 1461; OLG Frankfurt NJW-RR 1999, 927, 928. 293 Vgl. zur Kasuistik der Rechtsprechung im Einzelnen u.a. MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 58 f.; Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 26 ff.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

rungsgemäß in kaufmännischen Kreisen üblich sei, die Ware unter Eigentumsvorbehalt zu verkaufen, besonders in Fällen, in denen der Kaufpreis nur aus einem Erlös aus einem Weiterverkauf gedeckt werden kann.294 Aufgrund des möglichen Eigentumsvorbehalts handelt ein Erwerber bspw. dann grob fahrlässig, wenn er die Abtretung seiner Kaufpreisforderung wirksam ausschließt, denn einem Erwerber muss sich aufdrängen, dass ein Verkäufer nur gegen gleichzeitige Abtretung der Kaufpreisforderung an seinen Lieferanten zur Verfügung berechtigt ist. 295 Im Hinblick auf das Bestehen einer bloßen Sicherungsübereignung sind die Anforderungen geringer, da hier nach der Rechtsprechung kein genereller Erfahrungssatz dahingehend existiert, wann grundsätzlich damit zu rechen ist, dass eine Sache Gegenstand einer Sicherungsvereinbarung ist.296 Hier können sich Nachforschungsobliegenheiten oder andere Sorgfaltspflichten nur aus anderen oder zumindest weiteren Kriterien ergeben, bspw. der Nichtvorlage einer Kfz-Zulassungsbescheinigung Teil II. Im Zusammenhang mit Kreditsicherheiten ist besonders das Verhältnis von Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung zu beachten. So soll bei der Sicherungsübereignung einer Sache der Sicherungsnehmer nur dann gutgläubig sein, wenn er mit Fug von der vollständigen Tilgung des Kaufpreises ausgehen kann.297 Der Sicherungsnehmer muss also Nachforschungen über einen etwaigen Eigentumsvorbehalt im Hinblick auf das Sicherungsgut anstellen.298 Weiterhin existieren besondere Sorgfaltsanforderungen im Bereich des Kunsthandels. Dieser soll aus den Alltagsgeschäften in einer Weise herausragen, dass vom Erwerber besondere Wachsamkeit erwartet werden könne.299 Die Annahmen eines „Herausragens“ aus den Alltagsgeschäften erscheint jedenfalls beim nur gelegentlich einen Kunstgegenstand erwerbenden Erwerber gerechtfertigt. Dennoch gibt es auch Stimmen, die gerade beim gelegentlich erwerbenden privaten Kunstsammler keine generelle Nachforschungsobliegenheit annehmen möchten.300 Beim professionellen Kunsthandel kann sicherlich nicht mehr davon gesprochen werden, dass 294

BGHZ 10, 14, 17 unter Einbeziehung der in RGZ 143, 14, 18 und RGZ 147, 321, 331 aufgestellten Leitgedanken; vgl. dazu auch BGH NJW 1980, 2245, 2246 f. 295 Insbesondere BGH NJW 1980, 2245, 2247. 296 Serick, § 23 III 2 (S. 256) und in dessen Folge BGH DB 1970, 248, 248 f. und BGH JZ 1970, 187, 187. 297 Vgl. hierzu auch die oben (Teil 1, 2. Kapitel Fn. 288) genannte Unterscheidung von Wiegand, der für das Naheliegen von Nachforschungsobliegenheiten im Zusammenhang mit der Sicherungsübereignung danach differenziert, ob der Erwerber selbst nur zum Zwecke der Kreditsicherung erwerben möchte oder nicht. 298 Bülow, Rdnr. 1357. 299 So MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 64. 300 Anton, S. 415 f.

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der Erwerb des Gegenstands aus den Alltagsgeschäften herausragt. Andererseits wird gerade von Teilnehmern am professionellen Kunsthandel eine besondere Versiertheit und Sachkenntnis erwartet, so dass hier teilweise auf eine branchenspezifische Sorgfalt und Gefährdungslage (verkehrstypische Gefahrensituation) abgestellt wird, die zu einer generellen Nachforschungs- und Provenienzforschungsobliegenheit im professionellen Kunsthandel führe.301 Ergeben sich aufgrund des Einzelfalls oder aufgrund der typischen Gefährdungssituation im Rahmen eines Geschäftsvorgangs Nachforschungsobliegenheiten und ist der Erwerber diesen nicht nachgekommen, so fehlt es beim Erwerber an der Gutgläubigkeit. Darauf, ob der Erwerber bei Durchführung dieser Nachforschungsobliegenheiten von der Nichtberechtigung des Veräußerers Kenntnis erlangt hätte, kommt es im Übrigen nicht an.302 Nachdem sich Nachforschungsobliegenheiten nur ausnahmsweise aus den Umständen des Einzelfalls ergeben, liegt gleichzeitig in ihrer Nichtbeachtung regelmäßig auch ein Sorgfaltsverstoß in ungewöhnlich großem Maße vor, der demzufolge auch gleichzeitig zur Annahme einer groben Fahrlässigkeit führt.303 Zu erwähnen ist weiterhin, dass ein Erwerber auch bösgläubig ist, wenn er nach Ausschöpfung aller im Einzelfall erforderlichen Nachforschungen zwar keine positive Kenntnis über die fehlende Berechtigung des Veräußerers hat, die Verdachtsmomente hinsichtlich des Fehlens einer Verfügungsberechtigung aber so groß sind, dass er den Schluss hätte ziehen müssen, dass es sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um einen berechtigten Veräußerer handelt.304 Ein Erwerber darf sich nicht über ihm bekannte und offen liegende, mühelos erkennbare Verdachtsgründe hinwegsetzen.305 In anderen Worten, grob fahrlässig handelt auch, wer auf der Basis des erreichten Erkenntnisstands die Augen vor der fehlenden Berechtigung des Veräußerers verschlossen hat. Auch in einem solchen Fall wäre es für einen Erwerber geboten, vom Geschäft mit diesem Veräußerer Abstand zu nehmen.306 301

Insbesondere Anton, S. 419 ff. und S. 1198 f. und Müller-Katzenburg, Internationale Standards, S. 322 ff. Zum Erwerb von Kunstgegenständen auch unten S. 195 ff. 302 Zur Frage des Kausalitätserfordernisses bei unterlassenen Nachforschungen trotz bestehender Obliegenheit vgl. auch unten S. 234 ff. 303 Vgl. MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 47. 304 Vgl. zur Bedeutung des „Zweifels“ als „subjektives non liquet“ und der Frage, des Umschlagens des Zweifels in Gut- oder Bösgläubigkeit ausführlich Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 195 ff. 305 Vgl. BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457 f.; KG MDR 2003, 1350, 1351. 306 Die Gerichte fügen dies zwar teilweise in einen Kontext von weiteren Nachforschungsobliegenheiten (vgl. KG MDR 2003, 1350, 1351: „In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, dem Erwerber eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Verfügungsbe-

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Teil 1: Die Ausgangsposition

dd) Die Beweislast des Eigentümers Durch den Wortlaut der § 932 Abs. 1 S. 1 BGB „es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist“ und § 932 Abs. 2 „ist nicht in gutem Glauben, wenn (…)“ wird klargestellt, dass grundsätzlich der Eigentümer den fehlenden guten Glauben des Erwerbers nachweisen muss.307 Angesichts der möglichen Schwierigkeiten bei der prozessgerechten Sachverhaltsaufarbeitung (besonders bei Veräußerungsketten) ist die Verteilung der Beweislast eine wesentliche Entscheidung. Wiegand bezeichnet sie als die „vielleicht entscheidende Bevorzugung des Erwerbers“, da es um eine schwer beweisbare innere Tatsache gehe.308 Der Eigentümer muss demnach einen Sachverhalt darlegen und beweisen, aus dem sich ein Schluss auf den Wissenstand des Erwerbers ziehen lässt oder der die Ungewöhnlichkeit des Erwerbsvorgangs erkennen lässt, so dass sich daraus Nachforschungsobliegenheiten des Erwerbers ergeben hätten.309 Nicht zuletzt ergibt sich hier wieder eine enge Verknüpfung mit den soeben skizzierten Nachforschungsobliegenheiten, da bei Vorliegen einer tatsächlichen Situation, die zur Entstehung solcher Nachforschungsobliegenheiten führt, eine tatsächliche Vermutung für die grobe Fahrlässigkeit des Erwerbers spricht.310

rechtigung aufzuerlegen.“) Allerdings hatte sich der Erwerber in diesem Fall den (schlecht gefälschten) Kfz-Brief zeigen lassen. Geht man davon aus, dass auch nach der Durchführung aller für einen Erwerber möglichen Nachforschungen bei diesem zwar keine positive Kenntnis von der Nichtberechtigung vorliegen muss, aber doch erhebliche Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers verbleiben können, so handelt der Erwerber grob fahrlässig, wenn er sich dennoch auf die Verfügungsberechtigung des Veräußerers verlässt. 307 Die Beweislastfrage war bei der Entstehung des BGB nicht unumstritten. Mit knapper Mehrheit (9:8 Stimmen) entschied man sich schließlich unter Berufung auf das Verkehrsinteresse für die Beweislast des Eigentümers (Schubert, Entstehung, S. 165 mit Hinweis auf die Protokolle, Prot. II, Bd. 3, S. 207–208). 308 Wiegand, JuS 1974, 201, 208. Auch heute noch wird dies teilweise kritisiert. So möchte Peters (S. 52 f.) – der allerdings dem gutgläubigen Erwerb insgesamt skeptisch gegenübersteht – die Beweislast beim Erwerber sehen. Das Beweisthema liege nämlich in der Sphäre des Erwerbers. Der bisherige Eigentümer stehe hier vor erheblichen Schwierigkeiten, weil jeglicher näherer Kontakt zu dem Erwerber fehle und weil er dem Erwerbsgeschäft auch nicht beigewohnt habe. Er könne nur sehr allgemein Verdachtsmomente für den Erwerber benennen. Zudem streite für den Erwerber schon der Besitz. Es sei daher ausreichend, dem Eigentümer aufzuerlegen, sein früheres Eigentum voll nachzuweisen. 309 MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 66. 310 Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 51.

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f) Die Rechtsfolge des sofortigen Eigentumserwerbs Der Eigentumserwerb auf der Grundlage der §§ 932 ff. BGB führt nach dem BGB zum vollständigen Eigentumserwerb. Der Eigentumserwerb ist insoweit ein „sofortiger“, d.h. er tritt mit Erfüllung der rechtsgeschäftlichen Anforderungen nach §§ 932 ff. BGB (Einigung, Übergabe nach §§ 932–934 BGB) unmittelbar und ohne weitere Zuwartefrist ein. Im Übrigen ist es für die Beurteilung der Übereignung selbst unerheblich, ob ihr ein entgeltliches oder unentgeltliches Kausalgeschäft zugrunde liegt.311 Es mag für die Zwecke dieser Untersuchung dahinstehen, ob dies eher ein originärer oder ein abgeleiteter Eigentumserwerb ist. Entscheidend ist, dass ein vollwertiges Eigentum erworben wird, das in seinen Wirkungen entsprechend den sachenrechtlichen Grundsätzen absolut ist und somit gegenüber jedem Dritten, insbesondere auch gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer wirkt. In bestimmten Einzelfällen wird diese Folge in der Literatur diskutiert. So beim sog. „Rückerwerb des Nichteigentümers“, bei dem der Veräußerer die Sache vom gutgläubigen Erwerber zurückerwirbt. Systemgerecht hat der BGH312 in diesem Fall mit Zustimmung eines großen Teils der Literatur313 den Veräußerer trotz Kenntnis sämtlicher Umstände, also der eigenen Nichtberechtigung und des zwischenzeitlich gutgläubigen Erwerbs, Eigentum vom Berechtigten erwerben lassen. Dies ist letztlich die Konsequenz aus der stringenten Anwendung der Gutglaubensvorschriften, von denen mit Rücksicht auf die sachenrechtlichen Grundprinzipien nur in absoluten Ausnahmefällen abgewichen wird. Wie die Entscheidungen der Gerichte zeigen, lassen sich die daraus resultierenden Wertungswidersprüche unter Zuhilfenahme des Schuldrechts zufriedenstellend lösen.314 2. Modifikationen der Grundregel im Falle des Abhandenkommens, § 935 BGB § 935 Abs. 1 BGB schließt einen gutgläubigen Erwerb aus, wenn „die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war.“ (Satz 1). Dies gilt nach Satz 2 auch, wenn der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war und die Sache seinem Besitzmittler abhanden gekommen ist. Eine Einschränkung findet die Regelung in § 935 Abs. 2 BGB beim Erwerb von Geld, Inhaberpapieren und von Sa311

Zur Bedeutung der Unentgeltlichkeit, insbesondere im Hinblick auf schuldrechtliche Ausgleichsansprüche vgl. unten S. 206 f. und 270 ff. 312 BGH NJW-RR 2003, 170, 171. 313 MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 24 f. m.w.Nachw.; Westermann, § 47 II 3 (S. 391); Palandt/Bassenge, § 932 Rdnr. 17. 314 BGH NJW-RR 2003, 170, 171. Zur Gegenansicht vgl. insbesondere Baur/Stürner, § 52 Rdnr. 34; Wolff/Raiser, § 69 IV (S. 257).

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chen im Wege der öffentlichen Versteigerung bzw. einer Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB. a) Kein gutgläubiger Erwerb abhanden gekommener Sachen nach § 935 Abs. 1 BGB Dabei stellt sich in der Rechtsanwendung vor allem die Frage, wann eine Sache im Sinne der Vorschrift abhanden gekommen ist und wem diese Sache abhanden gekommen sein muss. aa) Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB Das Gesetz spricht hier von „gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen.“ Schon aus dem Wortlaut (vgl. „sonst“) ergibt sich, dass der Begriff des Abhandenkommens der Oberbegriff ist, der die beispielhaft genannten Fälle Diebstahl und Verlust mitumfasst.315 Generell wird unter Abhandenkommen der Verlust des unmittelbaren Besitzes an der Sache ohne (aber nicht notwendigerweise gegen) den Willen des Eigentümers oder seines Besitzmittlers verstanden.316 Dies umfasst zweifelsfrei den Diebstahl vom Eigentümer oder seinem Besitzmittler sowie den Verlust beim Eigentümer oder seinem Besitzmittler.317 Zwei Aspekte sind hierbei von zentraler Bedeutung: die Beurteilung der Freiwilligkeit des Besitzverlusts und die Aufarbeitung der besitzrechtlichen Lage. (1) Die Freiwilligkeit des Besitzverlusts Der Verlust des unmittelbaren Besitzes muss ohne Willen des Eigentümers bzw. Besitzmittlers erfolgt sein.318 Der dabei maßgebliche Wille ist nicht rechtsgeschäftlicher Natur, so dass die direkte Anwendung der Vorschriften zur Wirksamkeit von Willenserklärungen ausscheidet. Eine Anfechtung scheidet somit ebenfalls aus wie die direkte Anwendung der §§ 104 ff. BGB bei der Bewertung der Besitzaufgabe durch Geschäftsunfähige oder beschränkt geschäftsfähige Personen.

315

Vgl. auch Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 4; MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 2; Westermann, § 49 I 1 (S. 401); Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 2 d. 316 Vgl. RGZ 101, 224, 225; Wolff/Raiser, § 69 I 1 (S. 251). 317 Die Aufzählung dieser beiden Formen erfolgt insofern beispielhaft, vgl. Staudinger/ Wiegand, § 935 Rdnr. 4; Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 2. 318 Zur Sonderproblematik der Aufarbeitung der Beschlagnahmungen des Nazi-Regimes im Bereich sog. „entarteter Kunst“ vgl. Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 18 und MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 12. Trotz der generellen Unanwendbarkeit des § 935 BGB im Rahmen staatlicher Hoheitsakte (dazu u.a. BGHZ 4, 10, 33) wird die Anwendung des § 935 Abs. 1 BGB in diesen Fällen befürwortet.

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Hinsichtlich geschäftsunfähiger Personen wird dabei allgemein von einer Unbeachtlichkeit eines entsprechenden Willens ausgegangen, so dass bei der Weggabe einer Sache durch einen Geschäftsunfähigen dennoch ein Abhandenkommen anzunehmen ist und die Sache folglich nicht gutgläubig erworben werden kann.319 Kontroverser diskutiert wird die Frage, wie ein beschränkt Geschäftsfähiger zu behandeln ist. Nach der Rechtsprechung, mit Zustimmung der überwiegenden Ansicht der Literatur, wird hierbei auf die Urteilsfähigkeit der beschränkt geschäftsfähigen Person im Einzelfall abgestellt.320 Nicht zuletzt ergebe sich dies durch die Parallelwertung des Gedankens aus § 828 BGB, bei dem bei beschränkt geschäftsfähigen Personen – anders als bei Geschäftsunfähigen (§ 827 BGB) – die Verantwortlichkeit nicht pauschal ausgeschlossen, sondern auf die Einsichtsfähigkeit im Einzelfall abgestellt werde. Von Bedeutung ist weiterhin, dass ein entsprechender Wille auch dann gegeben ist, wenn dieser durch Irrtum oder Täuschung herbeigeführt wurde.321 In diesem Fall wäre ein Abhandenkommen ausgeschlossen. Nach dem BGH ist eine unfreiwillige Besitzaufgabe dann gegeben, wenn eine freie Willensbildung durch Ausübung physischer Gewalt oder einer schweren Drohung gar nicht mehr möglich war.322 (2) Erfassung der besitzrechtlichen Situation Der Wortlaut des § 935 Abs. 1 S. 1 BGB fordert nicht nur generell, dass die Sache abhanden gekommen ist, sondern sieht vor, dass ein Abhandenkommen gerade beim Eigentümer oder gem. § 935 Abs. 1 S. 2 BGB beim Besitzmittler vorliegt.323 Anlass zur Diskussion geben daher insbesondere die Fälle, in denen der Besitz einem unmittelbaren Eigenbesitzer entzogen wird, der selbst nicht Besitzmittler ist, bspw. weil er sich (irrtümlich) selbst für den Eigentümer hält. Nach dem Wortlaut des § 935 Abs. 1 BGB 319 Motive der 1. Kommission, S. 348 f., in: Mugdan, S. 194; OLG München NJW 1991, 2571, 2571. MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 7 weist ausdrücklich auf die Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 105a BGB hin. 320 Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 10; MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 7; Erman/Michalski, § 935 Rdnr. 4; Neuner, JuS 2007, 401, 404. Die Gegenansicht beruft sich hingegen insbesondere auf den Minderjährigenschutz, vgl. Kindl, S. 349 f. Zur Unterscheidung zwischen geschäftsunfähigen und beschränkt geschäftsfähigen Personen auch schon die Erste Kommission bei den Gesetzgebungsarbeiten zum BGB, Motive der 1. Kommission, S. 348 f., in: Mugdan, S. 194. 321 BGHZ 4, 10, 38; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1761, 1761; Wieling, Sachenrecht Bd. 1, § 10 V 3a S. 401); Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 6. 322 BGHZ 4, 10, 38 f. Anderer Ansicht ist Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 11. Vgl. hierzu unten S. 219 f. Zu weiteren Differenzierungen und Ansichten vgl. Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 6. 323 OLG Düsseldorf JZ 1951, 269, 269.

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und der entsprechenden Rechtsanwendung durch die Gerichte liegt in diesem Fall kein Abhandenkommen vor.324 Darüber hinaus setzt das Abhandenkommen am Verlust des unmittelbaren Besitzes an. Unproblematisch zu bewerten ist zunächst die Einbindung des Instituts des mittelbaren Besitzes. Wird dem Besitzmittler der unmittelbare Besitz ohne seinen Willen entzogen, so liegt schon nach § 935 Abs. 1 S. 2 BGB ein Abhandenkommen vor. Etwas schwieriger, im Ergebnis aber auch eindeutig, ist die Beurteilung einer Verfügung durch einen (insoweit) nichtberechtigten Besitzmittler als unmittelbaren Besitzer. Berücksichtigt man auch hier die Wertung des § 935 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach bei dem mittelbaren Besitz auf den unmittelbar besitzenden Besitzmittler abzustellen ist, so liegt bei einer unberechtigten Verfügung durch den Besitzmittler selbst gerade kein Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB vor. Hier verwirklicht sich gerade jenes Loyalitätsrisiko, das der Eigentümer mit der Gewährung unmittelbaren Besitzes im Rahmen eines Besitzmittlungsverhältnisses aus freien Stücken eingegangen ist.325 Bei der Einbindung von Besitzdienern ist zunächst ebenfalls unproblematisch, wenn die Sache dem Besitzdiener selbst abhanden kommt, denn dann liegt regelmäßig auch ein entsprechender Verlust des Besitzes beim

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OLG Düsseldorf JZ 1951, 269, 269. Dies wird u.a. von Neuner kritisiert, der hierbei insbesondere auf den Fall abstellt, dass der unmittelbare Eigenbesitzer als Veräußerer aufgrund einer (z.B. wegen Täuschung, § 142 Abs. 1 BGB) erfolgten Anfechtung des Verfügungsgeschäfts zum (nichtberechtigten) unmittelbaren Eigenbesitzer wird. Würde durch den Eigentümer hier nur das Verpflichtungsgeschäft mit dem unmittelbaren Besitzer angefochten, so bliebe es dabei, dass bei diesem ein Abhandenkommen vorläge. Dies hätte zur Konsequenz, dass der (ursprüngliche) Eigentümer dadurch ebenfalls geschützt wäre, hätte er doch den Anspruch auf Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den (gutgläubigen) Erwerber gem. §§ 812, 818 Abs. 1 BGB. Dieser Schutz dürfe, so Neuner, nicht dadurch verloren gehen, dass der (ursprüngliche) Eigentümer auch das Verfügungsgeschäft anfechte, denn diese Möglichkeit zur Anfechtung (auch) des dinglichen Geschäfts im Falle der arglistigen Täuschung diene alleine dem Getäuschten und wäre für denjenigen, der vom Dieb gutgläubig erwerbe, ein reines „Zufallsgeschenk“, denn ohne diese Anfechtung des Verfügungsgeschäfts durch den ursprünglichen Eigentümer würde ein Abhandenkommen der Sache vorliegen, das den gutgläubigen Erwerb durch den Letzterwerber ausschließen würde, JuS 2007, 401, 405. MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 4 sieht hier ebenfalls die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 935 Abs. 1 S. 2 BGB erfüllt, da dies zum einem dem Rechtsgedanken des § 935 Abs. 1 S. 2 BGB entspräche und es dem gutgläubigen Erwerber nicht zugute kommen soll, dass der Besitzstörer sich in der Person des Eigentümers getäuscht habe. Diesen Ansichten wird entgegengehalten, dass ein Eigentümer, der sich der Sache freiwillig begibt, keinen Vorrang vor den Erwerbsinteressen gutgläubiger Dritter verdient; Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 3; Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 6; zustimmend auch Raiser, JZ 1951, 270, 270 f. 325 MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 3.

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unmittelbaren Besitzer vor. Eine Ausnahme ist insoweit der Fall, dass dies mit Willen des Eigentümers geschieht. Kontrovers diskutiert wird im deutschen Recht allerdings die Frage, ob auch bei einer Verfügung durch einen dazu nichtberechtigten Besitzdiener ein Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB vorliegt. Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre liegt auch in der Weggabe der Sache durch den Besitzdiener ein Abhandenkommen beim Besitzherrn vor, denn im Rahmen des § 935 Abs. 1 BGB sei auf den Willen des Besitzherrn abzustellen.326 Dieses Ergebnis resultiert aus der konsequenten Berücksichtigung der Stellung des Besitzherrn als unmittelbarer Besitzer i.S.d. § 854 BGB und der Stellung des Besitzdieners nach § 855 BGB als „Nichtbesitzer“ im Rechtssinne. Allerdings existieren auch kritische Stimmen, die das Verhältnis von Besitzdiener zum Besitzherrn für die Zwecke des § 935 Abs. 1 BGB mit dem Verhältnis von Besitzmittler, also dem unmittelbaren Besitzer zum mittelbaren Besitzer gleichstellen wollen.327 Der Zweck der Grundnorm des § 855 BGB, auf dem die Konzeption des Besitzdieners beruht, sei es lediglich, dem Besitzdiener die Besitzschutzansprüche zu versagen. 328 Der Zweck der Rechtsfigur des Besitzdieners sei es aber nicht, den Besitzherrn von dem auch hier freiwillig eingegangenen Loyalitätsrisiko der weisungswidrigen Verfügung des Besitzdieners zu Lasten gutgläubiger Erwerber zu schützen.329 Für die Zwecke des § 935 Abs. 1 BGB mache es keinen Unterschied, ob der freiwilligen Überlassung der tatsächlichen Sachherrschaft ein weisungsgebundenes Verhältnis oder bspw. ein Verwahrvertrag zugrunde liege.330 Von einigen Autoren wird zudem darauf hingewiesen, dass das weisungswidrige Handeln eines Besitzdieners genauso wenig erkennbar sei,

326 U.a. RGZ 71, 248, 253; OLG München NJW 1987, 1830, 1830; Zur Lehre vgl. u.a. Baur/Stürner, § 52 Rdnr. 39; Wilhelm, Rdnr. 965 ff.; Witt, AcP 201 (2001), 165, 180 ff. 327 Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 14; MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 10; Hager, Verkehrsschutz, S. 250 f. und 404 f.; Ernst, S. 32 ff. 328 Wieling, Sachenrecht Bd. 1, § 10 V 3c (S. 405). 329 Vgl. MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 10. 330 Vgl. Ernst, S. 34 f.; Zu weiteren im Detail leicht unterschiedlichen Ansichten vgl. auch Witt, AcP 201 (2001), 165, 172 ff. Nicht zuletzt spielt in dieser Diskussion auch der jeweilige Standpunkt im Hinblick auf die Motivation für die Ausnahmeregelung bei abhanden gekommenen Sachen eine Rolle; vgl. dazu unten S. 316 ff. So argumentiert Neuner vom Standpunkt der von ihm vertretenen Unterscheidung aufgrund Gefahrbeherrschung für eine Zulassung des gutgläubigen Erwerbs und damit gegen ein Abhandenkommen bei einer (nichtberechtigten) Verfügung des Besitzdieners, da der Besitzherr selbst die Gefahr der Unterschlagung durch den Besitzdiener beherrschen könne, JuS 2007, 401, 405.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

wie das abredewidrige Handeln eines Besitzmittlers.331 Hierzu ist anzumerken, dass diese fehlende Wahrnehmbarkeit332 bereits dem Konzept des Ausschlusses abhanden gekommener Sachen vom gutgläubigen Erwerb innewohnt. Im Ergebnis geht es im Hinblick auf diese Argumentationslinie bei der Frage des Abhandenkommens beim Besitzdiener weniger um die Wahrnehmbarkeit der Besitzdienerstellung, sondern darum, die sachgerechte Bestimmung der Reichweite des Ausschlusses des gutgläubigen Erwerbs nach § 935 Abs. 1 BGB zu bestimmen.333 Die Gerichtspraxis zeigt, dass sich hieraus auch ein erheblicher Spielraum bei der Rechtsanwendung ergibt, da die Einordnung des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft als Besitzdiener oder Besitzmittler nicht klar vorgezeichnet ist.334 Schließlich nimmt im Rahmen des Abhandenkommens auch noch der Erbenbesitz nach § 857 BGB eine Sonderstellung ein. Die Wegnahme einer Sache ohne Willen des (wahren) Erben stellt ein Abhandenkommen dar.335 Gerade in dieser Konsequenz liege der eigentliche Zweck des § 857 BGB.336 331 Mit der Erkennbarkeit argumentiert z.B. Wieling, Sachenrecht Bd. 1, § 10 V 3c (S. 405). Dazu auch Müller-Erzbach, AcP 142 (1936), 5, 29 ff. 332 Martinek führt diesbezüglich aus, dass der Begriff des Besitzdieners auch das Herrschaftsverhältnis berücksichtigt, das sich aus den Sachbeziehungen konstituiert und nach der Lebensanschauung zu beurteilen ist. Entsprechend sei auch die Offenkundigkeit eines Besitzwechsels zu beurteilen, so dass in der Änderung des Abhängigkeitsverhältnisses des Inhabers der tatsächlichen Sachgewalt und der durch den Besitzdiener erfolgenden Ergreifung des unmittelbaren Besitzes ein „offenkundiger“ Besitzwechsel liege, AcP 188 (1988), 573, 584 f. Witt ergänzt insofern, dass der Besitzwechsel nicht im Moment des inneren Willensentschlusses des Besitzdieners über die Sache in Form eines unmittelbaren Eigenbesitzers zu verfügen eintritt, sondern erst mit der weisungswidrigen Handlung (z.B. der Veräußerung) selbst (AcP 201 (2001), 165, 178 f). Selbst wenn man hierin aber eine „Offenkundigkeit“ im Sinne des Besitzrechts sehen möchte, so bleibt der Wechsel des Herrschaftsverhältnisses an der Sache durch Änderung der Willensrichtung beim (bisherigen) Besitzdiener für den Erwerber der Sache jedenfalls nicht wahrnehmbar. Siehe hierzu auch die unter Teil 2, 2. Kapitel Fn. 17 zitierte Erläuterung von Wieling. 333 Darauf weist auch Witt in AcP 201 (2001), 165, 182 hin. Vgl. auch Westermann JuS 1961, 79, 82 und Westermann (5. Aufl.), § 49 I 6 (S. 238 f.), der im Ergebnis schließlich die Wahrnehmbarkeit aufgreift, indem er den nach außen nicht erkenntlichen und dem Einfluss des Besitzherrn tatsächlich entzogenen Besitzdiener für § 935 BGB dem Besitzmittler gleichstellt. 334 Vgl. die Beispiele bei MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 11. 335 Palandt/Bassenge, § 857 Rdnr. 4; MüKo/Joost, § 857 Rdnr. 9. Darüber hinaus stellt es auch ein Abhandenkommen dar, wenn der Scheinerbe (z.B. aufgrund eines bislang unerkannt ungültigen Testaments) den unmittelbaren (Verkehrs-)Besitz an der Sache ergreift. Der Schutz des Erwerbers (insbesondere auch vor der Wirkung des § 935 Abs. 1 BGB) wird hier durch eine spezielle erbrechtliche Gutglaubensvorschrift erreicht (§ 2366 BGB), die an den Erbschein als Rechtsscheinstatbestand anknüpft. 336 MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 5.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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b) Rückausnahme des § 935 Abs. 2 BGB aa) Kein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei Geld und Inhaberpapieren Von den §§ 929 ff. BGB generell und von § 935 Abs. 2 BGB im Speziellen ist nur Geld in Form der beweglichen körperlichen Sache, also Bargeld, d.h. Geldscheine und Geldmünzen erfasst.337 Buchgeld und elektronisches Geld (sog. E-Geld)338 fällt nicht darunter. Unter den Begriff des „Geldes“ ist jeder staatliche oder von einer staatlich ermächtigten Stelle beglaubigte Wertträger mit konkreter Zahlungsmittelfunktion.339 Der Begriff ist insbesondere nicht beschränkt auf den Euro als derzeit einziges gültiges inländisches Zahlungsmittel, sondern erfasst auch Bargeld in ausländischen Währungen, soweit diese (noch) Zahlungsmittelfunktion haben.340 Des Weiteren ist nach § 935 Abs. 2 BGB ein gutgläubiger Erwerb an abhanden gekommenen Wertpapieren in Form der Inhaberpapiere möglich.341 Wie oben erläutert, handelt es sich bei Inhaberpapieren um Wertpapiere, bei denen der Aussteller die Leistung dem jeweiligen Inhaber des Papiers verspricht. Dazu gehören bspw. Inhaberaktien (§ 10 Abs. 1 Alt. 1 AktG), Inhaberschuldverschreibungen (§§ 793 ff. BGB), Inhaberkarten und -marken gem. § 807 BGB (z.B. Eintrittskarten, Fahrscheine oder Briefmarken) oder auch auf den Inhaber lautende Anteilsscheine von Investmentvermögen (§ 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 InvG). Nicht umfasst sind Orderpapiere, auch wenn die Übertragung dieser Papiere grundsätzlich den §§ 929 ff. BGB, einschließlich der §§ 932 ff. BGB, folgt. Für diese Order337

Teilweise werden auch die Begriffe Geldzeichen (Staudinger/Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff. Rdnr. A19 ff.) und Sachgeld (Claussen, § 1 Rdnr. 6; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Schefold, Bankrechts-Hdb., § 115 Rdnr. 31) verwendet. 338 Buchgeld umfasst auch elektronisches Geld (E-Geld). Bei E-Geld handelt es sich rechtlich um eine Forderung (vgl. § 1 Abs. 14 KWG: „Werteinheiten in Form einer Forderung …“). 339 MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 15; Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 17, der auf die in Bezug auf §§ 146 ff. StGB aufgestellten Kriterien des BGH (NJW 1984, 1311, 1312) verweist. In diesem Zusammenhang kam es dem BGH für die Gelddefinition nicht auf einen allgemeinen Annahmezwang der entsprechenden Wertträger an, dazu kritisch Staudinger/Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff. Rdnr. A24. Die alleinige staatliche Ermächtigung und die Zweckbestimmung als Zahlungsmittel machen Geld im Übrigen nicht zu einer öffentlichen Sache, Staudinger/Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff. Rdnr. A21. Zu öffentlichen Sachen siehe unten S. 225 ff. 340 Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 17; MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 15. Für Deutschland ergibt sich hier insbesondere die Frage, inwieweit die Deutsche Mark noch als „Geld“ i.S.d. § 935 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Obwohl sie in Deutschland bei der Bundesbank unbeschränkt in Euro tauschbar ist, handelt es sich nicht mehr um ein gesetzliches Zahlungsmittel (§ 1 Satz 1 DM-Beendigungsgesetz). 341 Zu den praxisrelevanten Fragen der Ausgestaltung der Wertpapiere und der Art der Verwahrung vgl. oben S. 82 ff.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

papiere gelten teilweise aber spezielle Regelungen (vgl. § 16 Abs. 2 WG, § 21 ScheckG und §§ 365, 367 Abs. 1 S. 2 HGB), die zu ähnlichen Ergebnissen führen. Die Ausnahme des § 935 Abs. 2 BGB wird durch § 367 HGB beim Erwerb von Inhaberpapieren durch einen Kaufmann, der Bankier- oder Geldwechslergeschäfte betreibt, wiederum modifiziert. Nach § 367 Abs. 1 HGB ist der gute Glaube eines solchen Erwerbers ausgeschlossen, wenn zur Zeit der Veräußerung der Verlust des Papiers im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht und seit dem Ablauf des Jahres, in dem die Veröffentlichung erfolgt ist, nicht mehr als ein Jahr verstrichen war. In § 367 Abs. 2 HGB wird davon erneut eine Ausnahme gemacht, wenn der Erwerber die Veröffentlichung infolge besonderer Umstände nicht kannte und seine Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht.342 Freilich sind sowohl § 935 Abs. 2 BGB als auch § 367 HGB in ihrer praktischen Bedeutung inzwischen sehr gering, da sie bei sammelverwahrten Globalurkunden aufgrund der Verwahrung der Urkunde durch die Wertpapiersammelbank in der Regel keine Rolle spielen.343 bb) Kein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei öffentlicher Versteigerung oder Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB Darüber hinaus ermöglicht das BGB einen gutgläubigen Erwerb an abhanden gekommenen Sachen, wenn diese Sachen im Wege der öffentlichen Versteigerung oder der Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB erworben wurden. (1) Öffentliche Versteigerung Für die Bestimmung der besonderen Verkehrssituation „öffentliche Versteigerung“ wird die Legaldefinition des § 383 Abs. 3 BGB herangezogen. Demnach liegt eine öffentliche Versteigerung vor, wenn die Versteigerung durch einen für den Versteigerungsort bestellten Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich erfolgt. Öffentlich angestellt ist dabei auch, wer kein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis hat, aber nach § 34b Abs. 5 GewO öffentlich bestellt ist. Nach § 34b Abs. 5 S. 1 GewO muss es sich dabei um eine besonders sachkundige natürliche Person handeln. Nach 342

Rechtstechnisch wird § 367 Abs. 1 HGB als eine im Vergleich zu § 932 Abs. 1 BGB beweislastumkehrende Vermutung der Bösgläubigkeit gesehen, die durch den Erwerber nur unter den Voraussetzungen des § 367 Abs. 2 HGB widerlegt werden kann, MüKo-HGB/Welter, § 367 HGB, Rdnr. 3; Großkomm. HGB/Canaris, § 367 HGB Rdnr. 1. Nach anderer Ansicht handelt es sich bei § 367 Abs. 1 HGB um eine Fiktion der Bösgläubigkeit, Ebenroth/Boujong/Joost/Stroh, § 367 Rdnr. 1. 343 Vgl. auch MüKo-HGB/Welter, § 367 HGB Rdnr. 5 f.

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§ 34b Abs. 5 S. 2 GewO ist der Versteigerer darauf zu vereidigen, dass er seine Aufgaben gewissenhaft und unparteiisch erfüllt. Dabei sind bspw. Fundversteigerungen (§ 966 Abs. 2 BGB, § 979 Abs. 1 BGB) erfasst, aber auch sonstige aufgrund des „Vertrauen[s] auf die unter öffentlicher Autorität vorgenommenen Veräußerungen“344 einschließlich freiwilliger Versteigerungen, wenn die Voraussetzungen des § 383 Abs. 3 BGB gegeben sind.345 Versteigerungen im Rahmen von öffentlich-rechtlichen Verwertungsmaßnahmen (z.B. § 817 ZPO) sind keine öffentlichen Versteigerungen im Rahmen von § 383 Abs. 3 BGB und fallen daher nicht unter § 935 Abs. 2 BGB. Hier findet der Eigentumserwerb aufgrund eines staatlichen Hoheitsaktes statt und nicht infolge einer rechtsgeschäftlichen Übereignung.346 Ebenso wenig erfüllen Versteigerungen im Internet,347 bspw. unter Nutzung von eBay, die Kriterien einer öffentlichen Versteigerung nach § 383 Abs. 3 BGB.348 Es findet hier keine Versteigerung durch einen bestellten Gerichtsvollzieher, Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer statt; der jeweilige Internetanbieter stellt nämlich nur die Verbreitungs- und Informationsplattform zur Verfügung.349 (2) Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB Zudem ist seit dem 5. August 2009 der Erwerb im Rahmen einer Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB privilegiert. Auch hier gilt der Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs für abhanden gekommene Sachen nicht. Dies betrifft die Versteigerung von Fundsachen durch eine Behörde oder öffentliche Verkehrsanstalt im Wege einer allgemein zugänglichen 344

Motive der 1. Kommission, S. 349, in: Mugdan, S. 194. Dünkel, S. 69 f.; BGH NJW 1990, 899, 900. 346 BGH NJW 1992, 2570, 2571 m.w.Nachw. 347 Zur Internetversteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB siehe sogleich unten. 348 Unterschiedlich wird die Frage beurteilt, ob es sich dabei um eine gewerberechtlich erlaubnispflichtige Versteigerung nach § 34 b GewO handelt. Vgl. dazu Tettinger/ Wank, § 34b GewO Rdnr. 4. Jedenfalls handelt es sich nicht um eine öffentliche Versteigerung i.S.d. § 34b Abs. 5 GewO und damit auch nicht um eine öffentliche Versteigerung iSv. § 383 Abs. 3 BGB und § 935 Abs. 2 BGB. Der Vertrag kommt nach deutschem Recht auch nicht in der Form einer Versteigerung gem. § 156 BGB zustande, sondern als Kaufvertrag gegen Höchstgebot innerhalb einer festgelegten Zeitspanne; BGH NJW 2005, 53, 54. 349 eBay Europe S.à r.l., Luxemburg als Anbieter der Plattform eBay.de beschreibt ihre Leistung in ihren AGB (gültig ab 2. Januar 2007, abgerufen zuletzt am 16.02.2008) in § 1 Nr. 1 wie folgt „Die eBay-Website ist ein Marktplatz, auf dem von natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften, die ein Mitgliedskonto angemeldet haben (…), Waren und Leistungen aller Art (…) angeboten, vertrieben und erworben werden können (…). eBay bietet selbst keine Artikel an, gibt keine Gebote ab und nimmt Gebote und Annahmen nicht entgegen.“ 345

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Internetversteigerung. Zudem findet § 979 BGB Anwendung bei Versteigerungen durch öffentliche Behörden von Sachen, deren Empfangsberechtigter unbekannt ist (bspw. bei der Versteigerung von nicht mehr zuzuordnendem Diebesgut).350 Die Einzelheiten dazu werden entsprechend der Vorgaben des § 979 Abs. 1b BGB durch Bundes- oder Landesverordnung geregelt, um sicherzustellen, dass nur solche Versteigerungsplattformen genutzt werden, die einen ordnungsgemäßen Ablauf gewährleisten.351 Insbesondere ist auch hier zu beachten, dass es sich dabei um Versteigerungen durch die entsprechenden öffentlichen Institutionen handelt und die umgangssprachlich als Versteigerungen bezeichneten Vertragsabschlüsse über Internetmarktplätze (wie eBay etc.) weiterhin nicht erfasst sind. Anders als im Rahmen der öffentlichen Versteigerung ist eine Versteigerung nach § 979 Abs. 1a BGB nicht auf freiwilliger Basis möglich, d.h. solche Versteigerungen werden immer von den entsprechenden Behörden initiiert. Insgesamt ist bei der Rückausnahme in § 935 Abs. 2 BGB zu beachten, dass die allgemeinen Merkmale des gutgläubigen Erwerbs nach §§ 932 ff. BGB insofern weiterhin von Bedeutung sind, es also insbesondere auf die Gutgläubigkeit eines Erwerbers ankommt. Die Möglichkeit, sich auf die Ausnahme des § 935 Abs. 2 BGB zu berufen, nimmt nur die Hürde des Ausschlusses nach § 935 Abs. 1 BGB, entbindet den Erwerber aber nicht von den grundsätzlichen Erfordernissen, insbesondere den zu beachtenden Sorgfaltspflichten im Rahmen eines gutgläubigen Erwerbs.

B. Ersitzung Die Auflösung der eingangs geschilderten Dreipersonenkonstellation, die aus der Veräußerung einer Sache durch einen Nichtberechtigten resultiert, wird schließlich auch durch die Ersitzungsregeln (mit-)geregelt. Der historisch prominenteste Fall ist dabei das römische Recht mit seiner kurzen Ersitzung (usucapio). Aber auch im aktuellen deutschen und (mit Einschränkungen) französischen Recht ist die Ersitzung ergänzend relevant.

350

Vgl. auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/13444, S. 9. So die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/13444, S. 9. Vgl. z.B. die Bayerische Verordnung zur Regelung von Versteigerungen im Internet vom 25. November 2009, die in § 2 Abs. 1 – wie andere Bundesländer regelmäßig auch – Justiz Auktion () als Versteigerungsplattform bestimmt. 351

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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I. Die Ersitzungsregelung im römischen Recht Bezeichnend für das römische Recht352 ist der bekannte Satz, wonach keiner mehr Rechte übertragen kann, als er selbst innehat: nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet.353 Im Ergebnis wird bei konsequenter Anwendung dieser Regel das Eigentum dem bisherigen Inhaber garantiert und eine Veräußerung gegen seinen Willen durch die Vindikation gegenüber jedermann sanktioniert.354 Eine Regelung zum sofortigen gutgläubigen Erwerb gab es nicht. Den Verkehrsbedürfnissen wurde aber durch die usucapio355 Rechnung getragen, einer Ersitzung mit kurzen Fristen,356 die einen zeitlich verzögerten gutgläubigen Erwerb ermöglichte. Diese Ersitzung war in einer prozessualen Variante357 bereits im Zwölftafelgesetz in XII T. 6,3 enthalten.358 Nach klassischem römischem Recht war der Eigentumserwerb des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft durch Ersitzung möglich, wenn fünf Voraussetzungen erfüllt waren (res habilis, titulus, fides, possessio, tempus).359 Ein wesentlicher Anwendungsbereich dieser Ersitzung im klassischen römischen Recht war dabei der Erwerb vom Nichteigentümer.360 1. Die ersitzungsfähigen Sachen Ersitzungsfähig waren grundsätzlich körperliche Sachen.361 Allerdings wurden davon wieder eine ganze Reihe von Sachen ausgenommen. Uner352

Entsprechend dem Schwerpunkt dieser Untersuchung werden hier die allgemeinen Grundzüge der jeweiligen Regelungen dargelegt, ohne detailliert auf die vielfachen Diskussionen zu den einzelnen Regelungen und Tatbestandsmerkmalen einzugehen. Zur intensiven rechtsgeschichtlichen Analyse des römischen Rechts im Bereich des gutgläubigen Erwerbs vgl. Göhlert, S. 23 ff., 104 ff. 353 Ulp 46 Dig. 50, 17, 54. 354 Huwiler, FS Bader, 75, 78. 355 Zur Analyse der Bezeichnung, Göhlert, S. 108 ff. 356 Kaser/Knütel, § 24 Rdnr. 3. 357 Der Besitzer wurde nach Fristablauf vom Nachweis des rechtmäßigen Erwerbs der Sache befreit, Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 101 I. 1. (S. 419). 358 Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 34 I. (S. 135 f.); Kunkel/Schermaier, § 2 II 2. a (S. 35 f.). Dazu kamen noch einige Sonder- insbesondere Ausschlussvorschriften nach weiteren Tafelbestimmungen, vgl. dazu Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 34 II (S. 136 ff.). Ausführlich zum altrömischen Recht und zum wahrscheinlichen Inhalt des Zwölftafelgesetzes betreffend die Ersitzung, Göhlert, S. 40 ff. 359 Kaser/Knütel, § 25 Rdnr. 7; Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 76 ff.). 360 Der zweite Anwendungsfall war gegeben wenn eine res mancipi (vom Eigentümer) nur im Wege der traditio übereignet worden ist und nicht nach den formalen Regeln der mancipatio, was einen tatsächlichen sofortigen Eigentumserwerb zunächst verhinderte, Kaser/Knütel, § 25 Rdnr. 7 und § 24 Rdnr. 6 ff. 361 Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 78) mit Hinweis auf Gaius (D 41, 3, 9). Im Rahmen dieser Untersuchung wird nur die Ersitzung beweglicher Sachen relevant. Nach römischem

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sitzbar waren Sachen außerhalb des Rechtsverkehrs (res extra commercium), von einer Frau ohne Zustimmung ihres Vormundes veräußerte Sachen (im frührömischen Recht) sowie Fiskalsachen (dies wiederum erst seit dem 2. Jhdt. n. Chr.).362 Die für die heutige Betrachtung jedoch bedeutendste Ausnahme bestand in der Unersitzbarkeit gestohlener oder gewaltsam besessener Sachen.363 Der Ausschluss gestohlener Sachen von der Ersitzung ist wohl bereits aus dem Zwölftafelgesetz hervorgegangen. 364 Später (ca. 70 v. Chr.) wurden durch die leges Iulia und Plautia auch geraubte Sachen für nicht ersitzungsfähig erklärt.365 Insgesamt führte dies zum Ausschluss der Ersitzung in einer Vielzahl von Fällen, denn der Ausschluss gestohlener Sachen war über den Begriff des furtum sehr weit. Im Begriff des furtum war nicht nur der heutige Diebstahl, sondern auch die Unterschlagung und der Betrug enthalten,366 so dass bspw. auch der Verkauf fremder Sachen eingeschlossen war.367 Für eine Vielzahl von Fällen, in denen der gutgläubige Erwerb heute bspw. im deutschen Recht eingreift, fand die römische Ersitzung somit keine Anwendung.368 Göhlert spricht davon, dass aufgrund der Ausdehnung des furtum-Begriffs nur noch wenige Konstellationen verblieben seien, in denen der Erwerber durch die usucapio das Eigentum an der Sache erlangen konnte und der praktische Nutzen für den Erwerber in der Beweiserleichterung im Sachverfolgungsprozess gelegen habe. Der Anspruchsgegner musste nämlich nachweisen, dass die Sache als res furtiva anzusehen war.369

Recht waren davon aber grundsätzlich auch Immobilien erfasst. Für sie galten teilweise besondere Regelungen, insbesondere eine längere Ersitzungsfrist von zwei Jahren, MayerMaly, § 13 X 1 (S. 77). 362 Nach römischem Recht waren dies der Vorplatz eines Grabes oder die Stätte einer Leichenverbrennung, Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 77 f.). Zu res extra commercium später noch unten S. 214 ff. 363 Die Ergänzung „gewaltsam besessen“ ergibt sich nach Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 78) aus einer lex Plautia de vi aus der Zeit zwischen 87 und 63 v. Chr. 364 Die Quelle soll dabei XII T. 8, 17 sein, wobei der genaue Wortlaut strittig ist, da der Satz nachträglich durch eine lex Atinia erweitert worden ist, Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 34 II 2 (S. 137). Vgl. dazu auch Göhlert, S. 60 f. und 97 ff. 365 Kaser/Knütel, § 25 Rdnr. 8. 366 El Moghazy, S. 2 f.; zu den verschiedenen Reichweiten des Begriffs des furtum zu den verschiedenen Zeiten des römischen Rechts, vgl. Göhlert, S. 119 ff. 367 Kaser/Knütel, § 25 Rdnr. 8. 368 Römer, S. 40 f. 369 Göhlert, S. 174 f.

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2. Gutgläubiger Erwerb des Eigenbesitzes aufgrund eines zureichenden Erwerbsgrundes (possessio, titulus, bona fides) Der Erwerber musste die römische possessio an der Sache haben, was zunächst die mit Eigenbesitzwillen ausgeübte tatsächliche Gewalt voraussetzte und zudem, dass der Erwerb der possessio auf einem Grund beruht, der nach ius civile an sich einen Eigentumserwerb bewirkt hätte (titulus).370 Als Erwerbsgrund kamen u. a. ein Kauf, eine Schenkung, eine Mitgiftbestellung, eine Schuldbegleichung oder ein Vermächtnis in Betracht.371 Strittig war, ob ein vermeintlicher Erwerbsgrund, an den der Erwerber glaubte (Putativtitel), ausreichte. Nach Celsus und Diokletian war dies nicht der Fall. Julian hingegen hielt einen Putativtitel für ausreichend.372 Ebenso war unklar ob der Kreis der möglichen Titel ein offener373 oder ein geschlossener war.374 Auch bei der usucapio musste die Gutgläubigkeit (bona fides) des Erwerbers vorliegen. Diese war gegeben, wenn der Ersitzende bei Erwerb des Eigenbesitzes von der Rechtsmäßigkeit des Eigenbesitzes überzeugt war, also davon ausging, kein anderes Recht zu verletzen.375 Nachträgliche Zweifel schadeten nicht.376 3. Ersitzungszeit Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Ersitzung und dem gutgläubigen Erwerb liegt in dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne bis zum Eintritt des Eigentumserwerbs. So ermöglichte auch die usucapio keinen sofortigen Eigentumserwerb sondern setzte voraus, dass der Erwerber die Sache für eine bestimmte Zeit in seiner possessio hatte. Für bewegliche Sachen galt dabei zunächst eine Ersitzungszeit von einem Jahr.377 Unter Justinian betrug die Ersitzungszeit schließlich drei Jahre.378 In jedem Fall begann sie aber neu zu laufen, wenn vor Ablauf der Ersitzungszeit ein Ver370

Kaser/Knütel, § 25 Rdnr. 9; Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 79). Wesel, Rdnr. 138; Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 79). 372 Zu dieser Diskussion vgl. Mayer-Maly, § 13 X 1. (S. 79 f.); Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 101 I. 3. (S. 421); Kaser/Knütel, § 25 Rdnr. 10; Liebs, 3. Kap. 2. d (S. 176). 373 So Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 101 (S. 421 Fn. 19). 374 Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 79). 375 Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 80). Wobei zunächst nur der gute Glaube an das Eigentum relevant war, später allerdings auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis ausreichte. 376 Mala fides superveniens non nocet, Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 80). 377 Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 101 I. 5. (S. 423). Unklar ist, ob sich diese Frist bereits aus dem Zwölftafelgesetz ergab, vgl. Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 77). 378 Kaser, Das Römische Privatrecht II, § 243 II 1 (S. 286). 371

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lust der possessio eingetreten war.379 Im Unterschied zur Ausschlussfrist in Art. 2276 Abs. 2 C.c. begann die Ersitzungszeit für jeden einzelnen Erwerber erst dann zu laufen, wenn dieser die possessio an der Sache erlangt hatte. Die seit dem Verlust der Sachherrschaft durch den Eigentümer verstrichene Zeit war irrelevant. 4. Rechtsfolgen Waren die Voraussetzungen der usucapio erfüllt, so konnte der Erwerber die rei vindicatio des Eigentümers abwehren, da er selbst Eigentümer geworden war. Während des Ablaufs der Ersitzungszeit hingegen konnte sich der Erwerber gegen den Eigentümer nicht wehren.380 Auch die Ausgleichsansprüche, die entstehen, wenn der Erwerber die Sache wieder an den Eigentümer herausgeben muss, wurden im römischen Recht berücksichtigt. Der Erwerber konnte vor Ablauf der Ersitzungszeit unter bestimmten Umständen im Prozess seinen Vormann auffordern ihm beizustehen. Musste er die Sache dennoch an den Kläger herausgeben, so konnte er gegebenenfalls von seinem Vormann mit der actio auctoritatis den doppelten Betrag verlangen, den er für die Sache als Kaufpreis bezahlt hatte.381

II. Die ergänzenden Ersitzungsregelungen im deutschen und französischen Recht Neben den Regelungen zum gutgläubigen Erwerb kommt den Ersitzungsregeln im deutschen Recht zumindest eine ergänzende Bedeutung zu. Beim französischen Recht ist die Bedeutung hingegen geringer. 1. Der Eigentumserwerb aufgrund Ersitzung im deutschen Recht Nach § 937 Abs. 1 BGB erwirbt das Eigentum, wer eine Sache zehn Jahre im Eigenbesitz (§ 872 BGB) hat. Nach § 937 Abs. 2 BGB ist dazu ebenfalls die Gutgläubigkeit des Erwerbers erforderlich. Im Moment des Besitzerwerbs schadet ihm dabei sowohl die Kenntnis, als auch die grob fahrlässige Unkenntnis von seiner eigenen Berechtigung, wohingegen im wei379

Mayer-Maly, § 13 X 1 (S. 77). Allerdings konnte er sich auch vor dem Ablauf der Ersitzungszeit gegen den Entzug der tatsächlichen Sachherrschaft durch Dritte (also nicht durch den Eigentümer) schützen. Dies geschah durch die actio Publiciana (Wesel, Rdnr. 138). Diese fingierte im Verhältnis zu Dritten den Ablauf der Ersitzungszeit (Mayer-Maly, § 13 IV (S. 64)). Diese Klageart konnte auch der wirkliche Eigentümer verwenden, dem es so erspart blieb, den unter Umständen schwierigen Eigentumsnachweis zu führen. Der Nachweis eines korrekten Erwerbsgeschäfts war dafür ausreichend (Mayer-Maly, § 13 IV (S. 64)). 381 Kaser/Knütel, § 27 Rdnr. 4. 380

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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teren Verlauf der Ersitzungszeit lediglich die positive Kenntnis von der eigenen Nichtberechtigung einem Eigentumserwerb im Wege steht. Auch hier gilt wieder, dass die bewusste Nicht-Wahrnehmung dessen, was sich jedem aufgedrängt hätte, als positive Kenntnis zu betrachten ist.382 Ebenso ist bösgläubig, wer sich bewusst der Erlangung der Kenntnis entzieht.383 Für die Beurteilung der Gutgläubigkeit können dabei im Grundsatz die gleichen Maßstäbe wie bei § 932 Abs. 2 BGB herangezogen werden.384 Anders als bei § 932 Abs. 2 BGB, wo der gute Glaube im Hinblick auf das Eigentum des Veräußerers erforderlich ist, geht es bei der Ersitzung um den guten Glauben an die eigene Berechtigung.385 Glaubt ein Erwerber an die Erlangung des Eigentums aufgrund eines Erwerbs vom Berechtigten, so ist er auch gutgläubig im Sinne von § 937 BGB. 386 Es genügt für einen Eigentumserwerb aufgrund Ersitzung nicht, wenn der Eigenbesitz zu Beginn und zum Ende des Zehnjahreszeitraums vorliegt.387 Vielmehr muss der Eigenbesitz auch ununterbrochen sein, d.h. der Eigenbesitz darf nicht verloren gehen (vgl. § 940 Abs. 1 BGB). Liegt eine Unterbrechung vor, so beginnt nach Unterbrechung der Beendigung gemäß § 942 BGB eine neue Ersitzung. Zwei Punkte sind hier zu beachten. Zum einen liegt nach § 940 Abs. 2 BGB keine Unterbrechung vor, wenn der Eigenbesitzer den Besitz ohne seinen Willen verliert388 und ihn innerhalb eines Jahres oder infolge einer innerhalb eines Jahres erhobenen Klage zurückerlangt. Des Weiteren besteht nach § 943 BGB die Möglichkeit, dass auch bei einer Unterbrechung die Ersitzungszeit des Rechtsvorgängers angerechnet wird, wenn auch bei diesem die entsprechenden Ersit-

382

BGHZ 26, 256, 259 f. Erman/Ebbing, § 937 Rdnr. 7 und MüKo/Baldus, § 937 Rdnr. 29, jeweils unter Hinweis auf eine analoge Anwendung des § 162 BGB. 384 Dies erfolgt in der gleichen Art und Weise, wie sie auch im Rahmen des § 990 Abs. 2 BGB berücksichtigt werden; letztere Vorschrift ist hier zunächst sachnäher. Allerdings werden auch dort wieder die Grundsätze des § 932 Abs. 2 BGB herangezogen, modifiziert im Hinblick auf die jeweilige Anwendungsvorschrift (§ 937 Abs. 2 BGB, § 990 Abs. 2 BGB); vgl. Staudinger/Wiegand, § 937 Rdnr. 7 ff. und MüKo/Baldus, § 937 Rdnr. 25 ff. 385 Vgl. Baur/Stürner, § 53 Rdnr. 88. 386 Vgl. Palandt/Bassenge, § 937 Rdnr. 1. 387 Nach § 938 BGB wird allerdings widerleglich vermutet, dass jemand, der eine Sache am Anfang und am Ende eines Zeitraums in Eigenbesitz hatte, diesen auch in der Zwischenzeit innehatte. 388 Anders als bei der Beurteilung im Rahmen des Abhandenkommens des § 935 Abs. 1 BGB liegt ein unfreiwilliger Besitzverlust (des mittelbaren Eigenbesitzers) auch bei der Weggabe durch einen unmittelbar besitzenden Besitzmittler vor; vgl. u.a. Soergel/ Henssler, § 937 Rdnr. 2. 383

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Teil 1: Die Ausgangsposition

zungsvoraussetzungen vorlagen. § 943 BGB erfasst dabei sowohl die Einzel- als auch die Gesamtrechtsnachfolge.389 Ein Eigentumserwerb eines Dritten390 unterbricht die Ersitzungszeit.391 Wird über die Sache verfügt und erwirbt ein Dritter daran Eigenbesitz, so wird die Ersitzungszeit ebenfalls unterbrochen, auch wenn das Verfügungsgeschäft später angefochten wird.392 Handelt es sich dabei bspw. um eine abhanden gekommene Sache, an der auch der Zweiterwerber wegen der Sperrwirkung des § 935 Abs. 1 BGB kein Eigentum erwerben konnte und kommt die Sache nach einer Anfechtung des Verfügungsgeschäfts zurück an den Ersitzenden, kommt eine Anrechnung der ursprünglichen eigenen Ersitzungszeit und der Ersitzungszeit des Zweiterwerbers nach § 943 BGB in Betracht. Nach Ablauf der Ersitzungszeit tritt automatisch die Rechtsfolge des Eigentumserwerbs ein. D.h. es bedarf weder eines objektiven, nach außen wahrnehmbaren, Erklärungsaktes, noch eines entsprechenden subjektiven Willens des Eigenbesitzers. Dies würde dem Erfordernis des gutgläubigen Eigenbesitzes widersprechen. Der Erwerber geht ja bereits davon aus, Eigentümer zu sein. Im Zusammenhang mit der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs ist Folgendes hervorzuheben: Ein Eigentumserwerb aufgrund Ersitzung kann auch an abhanden gekommenen Sachen stattfinden. Der § 937 Abs. 1 BGB findet also insbesondere dort seinen Anwendungsbereich, wo § 935 Abs. 1 BGB einem sofortigen gutgläubigen Eigentumserwerb im Wege steht. Allerdings ist eine Ersitzung darüber hinaus auch in anderen Fällen möglich, in denen ein Eigentumserwerb (vom Berechtigten oder Nichtberechtigten) des Ersitzenden gescheitert war, bspw. im Falle fehlender Geschäftsfähigkeit des Veräußerers. Auch hier greift die Ersitzung. Zudem ist für den Eigenbesitz im Rahmen der Ersitzung der mittelbare Besitz ausreichend, so dass eine Ersitzung auch dort eintreten kann, wo § 933 BGB aufgrund feh389

Abzugrenzen ist die Fortsetzung des Eigenbesitzes des Erblassers durch den (wahren) Erben von dem Besitz des Erbschaftsbesitzers. Für letzteren gilt § 2026 BGB, wonach sich ein Erbschaftsbesitzer gegenüber dem wahren Erben bis zur Verjährung des Erbschaftsanspruchs nicht auf die Ersitzung berufen kann. 390 Sollte es sich um eine abhanden gekommene Sache handeln (§ 935 Abs. 1 BGB), kommt dies freilich nur in Betracht, wenn die Weiterveräußerung im Wege der öffentlichen Versteigerung stattfindet. Allerdings ist nicht in jedem Fall der Grund für das fehlende Eigentum des Ersitzenden die Wirkung des § 935 Abs. 1 BGB. Dazu sogleich im Text. 391 Soergel/Henssler, § 940 Rdnr. 4. 392 Die Anfechtung wirkt nach § 142 Abs. 1 BGB zwar ex tunc, aber der Besitz an der Sache beurteilt sich unabhängig von dieser Wirkung. Vor der Anfechtung hatte der (vermeintliche) Erwerber den Eigenbesitz an der Sache und eben nicht mehr der Anfechtende.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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lender Übergabe vom Veräußerer einen gutgläubigen Eigentumserwerb scheitern lässt.393 2. Die Ersitzung (prescription acquisitive) im französischen Recht Im französischen Recht war bis zur Reform des Verjährungsrechts und der damit einhergehenden Rechtsänderung im Jahr 2008394 in Art. 2262 C.c. (a.F.) eine prescription trentenaire vorgesehen, bei der umstritten war, ob es sich um eine Form der Verjährung (prescription extinctive)395 oder eine Form der Ersitzung (prescription acquisitive)396 handelte.397 Die Rechtsprechung und die überwiegende Meinung in der Literatur gingen dabei zuletzt von einer Form der Ersitzung (prescription acquisitive) aus, die zu einem Eigentumserwerb398 führt, wenn die Voraussetzungen, insbesondere die entsprechende mängelfreie possession, gegeben waren.399 Gleichzeitig wurde die Vindikation als unverjährbar betrachtet.400 Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Erfordernis einer unzweideutigen possession (possession non-équivoque), da sich hier, wie erläutert, Abgrenzungsfragen zum Tatbestandsmerkmal der Gutgläubigkeit ergeben.401 Das Kriterium der unzweideutigen possession erfordert, dass der 393

MüKo/Baldus, § 937 Rdnr. 24. Vgl. dazu oben S. 45 ff. 395 Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 85; Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 384; Ripert/Boulanger, Nr. 2838. 396 Cass. civ., 13.12.2000, D. 2000, 2154; Carbonnier, Biens, Nrn. 122 und 230. Diese wurde auch als usucapio bezeichnet, vgl. Simler, Les biens, Rdnr. 120. 397 Der Code civil regelte beide Formen entsprechend der historischen Vorbilder im gemeinen Recht (dazu auch Finkenauer, S. 1 ff. m.w.Nachw.) in einem gemeinsamen Abschnitt, wobei manche Vorschriften auf beide Arten der prescription – Ersitzung und Verjährung – gleichermaßen Anwendung fanden, andere dagegen, abhängig vom Sachzusammenhang, nur auf die eine oder andere Art; vgl. Kleinschmidt, RIW 2008, 590, 591. Dabei kam es immer wieder zu Zuordnungs- und Abgrenzungsfragen, wie im Bereich des Art. 2262 C.c. 398 Nach französischem Recht tritt der Eigentumserwerb dabei rückwirkend mit dem Beginn der entsprechenden possession ein; Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 748; Cass. civ., 10.07.1996, Bull. civ. III, Nr. 180; Grimonprez, Rép. civ. Dalloz, Prescription acquisitive, Nr. 160 f. 399 U.a. Cass. civ., 19.03.2009, Bull. civ. 2009, I, Nr. 60. 400 Cass. civ., 23.01.2007, Az. Nr. 06-10491; Cass. civ., 02.06.1993, D. 1994, 582; Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 103; Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1550; Malaurie/Aynès, Rdnr. 582. 401 Vgl. oben S. 51 ff. So hat die Cour de Cassation bspw. angenommen, dass eine zweideutige possession vorliegt, wenn ein Erwerber ein Kfz ohne den unentbehrlichen Fahrzeugbrief (in Form der französischen carte grise) vorlegen lässt; Cass. civ., 14.05.1996, Bull. civ. I, Nr. 199. In einer früheren Entscheidung hatte die Cour de Cassation allerdings auch bestimmt, dass die Beurteilung einer possession non-équivoque unabhängig ist von der Beurteilung des guten Glaubens. Das Kriterium einer possession 394

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Teil 1: Die Ausgangsposition

Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft diese in einer Weise ausübt, die auf einem animus domini beruht, er sich also wie ein echter Eigentümer verhält, wobei ihm allerdings die Vermutung eines solchen Willens aus Art. 2256 C.c. zugute kommt.402 War dies beim gutgläubigen Erwerb nach Art. 2276 C.c. noch von untergeordneter Bedeutung, so spielt die Abgrenzung bei der Ersitzung eine wichtigere Rolle, da ein Gutgläubigkeitserfordernis hier gerade nicht besteht. Soweit im Rahmen der Bestimmung einer unzweideutigen possession also solche Kriterien gefordert werden, die typischerweise bei der Gutgläubigkeit eine Rolle spielen, können sie im Wege der Prüfung der erforderlichen mängelfreien possession auch einem Eigentumserwerb im Wege der Ersitzung entgegenstehen.403 Da das französische Recht schon vor der Reform die heute in Art. 2276 Abs. 2 C.c. aufgeführte Möglichkeit enthielt, eine verlorene oder gestohlene Sache nach dem Ablauf von drei Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Abhandenkommens, gutgläubig zu erwerben, hatte die dreißigjährige Ersitzung ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich in jenen Fällen, in denen ein Eigentumserwerb nach Art. 2276 C.c. an der fehlenden Gutgläubigkeit des Erwerbers gescheitert war.404 Die Reform von 2008 hat das Ersitzungsrecht (prescription acquisitive) nun klar vom Verjährungsrecht getrennt und in zwei verschiedenen Abschnitten geregelt,405 wobei allerdings, wie gesehen,406 der gutgläubige Erwerb nach wie vor unter der Ersitzung erfasst ist. Daneben gibt es nun für Mobilien keine ausdrückliche Ersitzungsregel mehr. Ein Teil des früheren Art. 2262 C.c. (a.F.), der von manchen als Ersitzungsregel verstanden wurde, bildet nun die (ebenfalls oben bereits erwähnte) Grundvorschrift der Ersitzung, Art. 2258 C.c., ohne dass dort aber eine Ersitzungsfrist geregelt wird. Nach seinem Wortlaut kann es sich nicht mehr um eine konkrete Ersitzungsbestimmung handeln, sondern bedarf einer ergänzenden Bestimmung, welche insbesondere die Ersitzungszeit festlegt. Für Immobilien wird diese in Art. 2272 C.c. nunmehr auf dreißig, bzw. im Falle der non-équivoque zielt auf die Wahrnehmung der possession durch Dritte ab, wohingegen der Aspekt des guten oder bösen Glaubens auf die innere Einstellung des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft abstellt; Cass. civ., 13.06.1963, Bull. civ. I, Nr. 317. 402 Cass. civ., 19.03.2009, Bull. civ. 2009, I, Nr. 60; Grimonprez, Rép. civ. Dalloz, Prescription acquisitive, Nr. 41. 403 Ein weiteres Merkmal einer mängelfreien possession ist die friedliche possession („possession paisible“). Nach Art. 2263 Abs. 1 C.c. kann die gewaltsame Erlangung der possession nicht als Basis für eine Ersitzung dienen. So scheidet insbesondere im Zweipersonenverhältnis ein Eigentumserwerb des Diebes aufgrund der prescription acquisitive aus. 404 Carbonnier, Biens, Nrn. 122 und 230; Malaurie/Aynès, Rdnr. 582. 405 „Titre XX: De la prescription extinctive.“; „Titre XXI: De la possession et de la prescription acquisitive.“ 406 Vgl. oben S. 45 ff.

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Gutgläubigkeit auf zehn Jahre bestimmt. Für Mobilien findet sich hingegen nur die Bestimmung des Art. 2276 C.c., bei dem es sich aber materiell nicht um eine (verkürzte) Ersitzung, sondern um einen eigenständigen gutgläubigen Eigentumserwerb handelt.407 Es stellt sich daher die Frage, ob es für bewegliche Sachen im geänderten Recht über den gutgläubigen Erwerb nach Art. 2276 C.c. hinaus weiterhin eine Form der Ersitzung gibt, die dann eingreift, wenn die Voraussetzungen des Art. 2276 C.c. nicht erfüllt sind. Da, wie oben gesehen, für Art. 2276 C.c. insbesondere weiterhin die Gutgläubigkeit erforderlich ist, betrifft dies auch hier im Speziellen den Fall eines bösgläubigen Besitzers. Obwohl sich Art. 2272 C.c. nach seinem Wortlaut nur auf Immobilien bezieht, sehen die führenden französischen Kommentatoren die dreißigjährige Frist weiterhin auch bei Mobilien als anwendbar an.408 Da Art. 2276 C.c., wie bislang schon unter Geltung des Rechts vor der Reform von 2008, nicht alle Umstände erfasse, seien in diesen Situationen die Regeln für die Immobiliarersitzung anzuwenden, die die Grundregeln der Ersitzung festlegten.409 Dementsprechend wird weiterhin von der Möglichkeit einer dreißigjährigen Ersitzung beweglicher Sachen ausgegangen. Dabei bleibt es insbesondere weiterhin beim Erfordernis der mängelfreien possession des Erwerbers.

C. Verjährung und Verwirkung des Herausgabeanspruchs Eine Beeinträchtigung des Eigentümerrechts kann sich schließlich auch durch die Rechtsinstitute der Verjährung und Verwirkung ergeben.

I. Verjährung Die Verjährung verhindert die Geltendmachung von Rechten oder Ansprüchen, wie z.B. die Geltendmachung des aus dem Eigentum resultierenden Herausgabeanspruchs. Nachdem die hier untersuchten Systeme zur Auflösung des Ausgangskonflikts (zeitlich betrachtet) zunächst andere Rechtsinstitute (gutgläubiger Erwerb, kurze Ersitzung) zur Verfügung stellen, hat die Anwendung der Verjährungsvorschriften in diesen Rechtsordnungen allenfalls ergänzenden Charakter, der allerdings nicht frei von rechtspolitischer Kritik ist. 407

Dazu ebenfalls oben S. 45 ff. Dross, Jurisclasseur civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 50; Grimonprez, Rép. civ. Dalloz, Prescription Acquisitive, Nr. 12 und Nr. 52. 409 Grimonprez, Rép. civ. Dalloz, Prescription Acquisitive, Nr. 12; in diesem Sinne auch Leveneur, JCP E 2008, 2289 ff. (in den letzten beiden Absätzen). 408

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Teil 1: Die Ausgangsposition

1. Die ergänzenden Verjährungsregeln im deutschen Recht Bei fortschreitendem Zeitablauf nach dem gutgläubigen Erwerb und der Ersitzung hat die Verjährung410 einen ergänzenden Einfluss auf die Auflösung der aufgezeigten Interessenkollision.411 Im deutschen Recht verjährt der Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 BGB gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB nach 30 Jahren.412 Die Verjährung beginnt nach § 200 S. 1 BGB mit der Entstehung des Anspruchs. Weiterhin besteht auch im Rahmen der Verjährung die Möglichkeit der Anrechnung von Zeiten, die nicht auf den aktuellen Schuldner des Eigentumsherausgabeanspruchs entfallen. Gelangt eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht – und dazu zählt auch der Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 BGB – durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten,413 kommt gemäß § 198 BGB die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zu Gute. Dies gilt auch für die mehrfache Besitzübertragung, so dass zugunsten des letzten Besitzers auch die Besitzzeit sämtlicher Vorbesitzer wirkt.414 Rechtstechnisch ist die Verjährung eine Einrede (§ 214 Abs. 1 BGB), die vom Schuldner erhoben werden muss und ein Leistungsverweigerungsrecht begründet. Die Verjährung führt aber nicht zum Eigentumsübergang. 415 Das Eigentum verbleibt beim Eigentümer, der Herausgabeschuldner ist aber dauerhaft zur Verweigerung der Herausgabe berechtigt (sog. dominium sine re).416 410 Zur Entwicklung der Verjährung an sich und zur klaren Trennung von der langen Ersitzung im 19. Jahrhundert vgl. Kaser/Knütel, § 4 Rdnr. 12 ff. 411 Nicht zuletzt liegt in einer Versagung der Herausgabe der Ursprung der kurzen Ersitzung und damit auch des gutgläubigen Erwerbs, vgl. Hübner, S. 24, der unter Berücksichtigung der dort zitierten Arbeiten von von Gierke und Kasers die Ersitzungslösung nur als Reflex auf prozessuale Ansätze zurückführt. 412 Zur Diskussion um die Berechtigung der Verjährung der Vindikationsklage vgl. unten S. 246 ff. 413 Staudinger/Dilcher, (12. Auflage), § 221 Rdnr. 4 weist entsprechend daraufhin, dass besser von Besitznachfolge zu sprechen ist. Dies ist insbesondere im Bereich der Eigentumsherausgabeklage zutreffend, denn wenn diese trotz einer „Rechtsnachfolge“ weiterhin gegeben ist, liegt gerade kein Rechtsübergang, sondern allenfalls ein Besitzübergang vor. An einer Rechtsnachfolge fehlt es aber, wenn ein – am Maßstab des § 858 BGB zu beurteilender – unfreiwilliger Besitzwechsel stattfindet; vgl. Staudinger/Peters/ Jacoby, § 198 Rdnr. 6. 414 MüKo/Grothe, § 198 Rdnr. 2; Soergel/Niedenführ, § 198 Rdnr. 2. 415 Teilweise wird gefordert, dass dem Herausgabeschuldner in entsprechender Anwendung der §§ 1169, 1254 BGB ein Anspruch auf Übereignung bzw. ein Anspruch auf Verzicht des Eigentums zu seinen Gunsten zustehe; MüKo/Baldus § 986 Rdnr. 7 m.w.Nachw. 416 U.a. Planck/Knoke, § 194 Anm. 3; Siehr, ZRP 2001, 346, 347 (unter Hinweis auf die Verwendung dieses Begriffs durch das Schweizer Bundesgericht); Remien, AcP 201

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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Im Hinblick auf die Konstellation des gutgläubigen Erwerbs ist dabei von Bedeutung, dass die Verjährung selbst zugunsten eines bösgläubigen Erwerbers wirkt, der aufgrund seiner Bösgläubigkeit das Eigentum an der Sache weder im Wege des gutgläubigen Erwerbs nach den §§ 932 ff. BGB, noch im Wege der Ersitzung gemäß § 937 ff. BGB erlangen könnte. Die Bösgläubigkeit eines Beteiligten ist auch für die zugunsten des Besitzers wirkende Anrechnung der Besitzzeiten von Vorbesitzern im Rahmen des § 198 BGB unerheblich.417 War einem Besitzvorgänger aufgrund seiner Bösgläubigkeit der Eigentumserwerb im Wege der Ersitzung verwehrt, so findet die verstrichene Besitzzeit dieses bösgläubigen Vorbesitzers für den aktuellen Besitzer keine Anrechnung im Rahmen der Ermittlung der abgelaufenen Ersitzungszeit, denn § 943 BGB erfordert für die Rechtsnachfolge in die Ersitzungszeit auch die Erfüllung der Ersitzungsvoraussetzungen beim Rechtsvorgänger. Die verstrichene Zeit kann dem aktuellen Besitzer als Besitznachfolger aber im Rahmen der Verjährungszeit dennoch zugute kommen. 2. Die ergänzenden Verjährungsregeln im französischen Recht Wie oben erläutert418, war im Code civil vor der Rechtsänderung im Jahr 2008 in Art. 2262 C.c. (a.F.) eine prescription trentenaire vorgesehen, bei der Teile der Literatur davon ausgingen, dass es sich um eine Form der Verjährung (prescription extinctive) handelte. Die Rechtsprechung419 und der überwiegende Teil der Literatur sah in Art. 2262 C.c. (a.F.) zuletzt allerdings eine Form der Ersitzung und betrachtete die Vindikation selbst als unverjährbar. Die Reform aus dem Jahr 2008 hat das französische Verjährungsrecht grundlegend modifiziert und im Bereich der Verjährung der Vindikationsklage zu Unklarheiten geführt. So regelt Art. 2224 C.c. einerseits nun, dass ein Anspruch in Bezug auf Mobilien nach fünf Jahren verjährt („Les actions personnelles ou mobilières se prescrivent par cinq ans …“); die Frist beginnt dabei erst in dem Moment zu laufen, in dem der Anspruchsinhaber den Sachverhalt kennt oder kennen müsste. Andererseits bestimmt Art. 2227 C.c. in seinem Satz 1, dass das Eigentumsrecht nicht verjährt, um in Satz 2 zu bestimmen, dass auf Immobilien bezogene dingliche Ansprüche nach dreißig Jahren (ab Kenntnis oder Kennenmüssen des Sach(2001), 730, 737 dort auch mit Hinweisen zu sonstigen dafür verwendeten plakativen Begriffen: „nudum ius“, „wehrloses dingliches Recht“, „Halbheit des Rechts“, „Rechtskrüppel“. 417 Die Redlichkeit ist im gesamten Bereich der Verjährung unerheblich; Staudinger/ Peters/Jacoby, § 198 Rdnr. 5. 418 Vgl. S. 115 ff. 419 Cass. civ., 02.6.1993, D. 1994, 582; Cass. civ., 23.01.2007, Az. Nr. 06-10491.

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Teil 1: Die Ausgangsposition

verhalts) verjähren.420 Bereits in der französischen Originalfassung ergeben sich hier sprachliche Unklarheiten,421 die in der französischen Literatur weitere Fragen aufwerfen, insbesondere was das Verhältnis von Art. 2224 C.c. und Art. 2227 C.c in Bezug auf die Verjährung von Vindikationsansprüchen bei Mobilien anbelangt. Der Ausgangspunkt ist hierbei Art. 2227 S. 1 C.c., der ohne Unterscheidung zwischen Mobilien und Immobilien die Unverjährbarkeit des Eigentumsrechts feststellt. Allerdings wird in Bezug auf Immobilien eine dreißigjährige Verjährung für „actions réelles immobilières“ geregelt. Für Mobilien findet sich bezüglich einer solchen action réelle dort nichts. Unklar ist somit, ob der Eigentumsherausgabeanspruch damit als „action réelle mobilière“ unverjährbar ist oder aber als „action mobilière“ in den Anwendungsbereich des Art. 2224 C.c. fällt.422 Im Ergebnis gehen Teile der Literatur davon aus, dass auch der Vindikationsanspruch in Bezug auf Mobilien weiterhin unverjährbar ist, da der Gesetzgeber die Rechtsprechung zur Unverjährbarkeit des Eigentumsrechts festschreiben wollte und die entsprechenden Entscheidungen der Rechtsprechung sich auf bewegliche Sachen bezogen hatten.423 Andere meinen wiederum, dass angesichts des weiten Wortlauts des Art. 2224 C.c. der Vindikationsanspruch für Mobilien nunmehr nach fünf Jahren verjährt (obwohl sie diesem Ergebnis selbst ablehnend gegenüberstehen).424 Im Hinblick auf die frühere Rechtslage, bei der von der grundsätzlichen Unverjährbarkeit des Vindikationsanspruchs (in Folge der Unverjährbarkeit des Eigentumsrechts) ausgegangen wurde, würde dies eine entscheidende Änderung bedeuten.

420 Art. 2227 C.c.: „Le droit de propriété est imprescriptible. Sous cette réserve, les actions réelles immobilières se prescrivent par trente ans à compter du jour où le titulaire d’un droit a connu au aurait dû connaître les faits lui permettant de l’exercer.“ 421 Mallet-Bricout/ Reboul-Maupin, D. 2008, S. 2458 ff. (unter I.C.): „l’usage cumulé des termes droit et action laisse dubitatif.“ 422 Mallet-Bricout/Reboul-Maupin, D. 2008, S. 2458 ff. (unter I.C.); grundsätzlich zur Unklarheit der in Art. 2224 C.c. erfassten Ansprüche auch Brenner/Lécuyer, JCP N 2009, 1118 Nr. 18 ff. 423 Leroyer, RTD civ. 2008, 563 ff.; Simler, Petites Affiches, 02.04.2009, Nr. 66, S. 34 ff. (unter I.) mit der Argumentation, dass Art. 2227 S. 1 C.c. lex specialis zu Art. 2224 C.c. sei. 424 Mallet-Bricout/Reboul-Maupin, D. 2008, S. 2458 ff. (unter I.C.): „solution choquante au regard du nouveau délai de prescription de droit commun…“. Es wird in der Gesamtschau der Vorschriften insbesondere auch nicht klar, ob die Verjährung im französischen Recht demnach grundsätzlich nur dem Anspruch die Durchsetzbarkeit versagt (conception processualiste; vgl. dazu auch das deutsche Recht) oder regelmäßig auch das Recht selbst zum Erlöschen bringen möchte (conception substantialiste); Amrani-Mekki, JCP 2008, I, 160 Nr. 25 f.

2. Kapitel: Die rechtlichen Institute zur Lösung der Konstellation

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II. Verwirkung Schließlich kommt ein Verlust des Rechts oder des Herausgabeanspruchs425 aufgrund Verwirkung in Betracht. In der französischen Literatur und Rechtsprechung wird dies, soweit erkennbar, nicht näher erörtert, was nicht zuletzt an der Regel des Art. 2276 Abs. 2 C.c. liegen mag, der einen Eigentumserwerb nach drei Jahren auch bei gestohlenen und verlorenen Sachen ermöglicht. Auch im deutschen Recht findet die Verwirkung im Bereich der dem gutgläubigen Erwerb zugrunde liegenden Interessenkollision nur einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend macht und sich der Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde.426 Im Hinblick auf die Konstellation des gutgläubigen Erwerbs kommt die Verwirkung eines Herausgabeanspruchs427 in den untersuchten Rechtsordnungen Deutschland und Frankreich allerdings in der Regel nicht zum Tragen, wenngleich dies aufgrund der Einzelfallbezogenheit des Rechtsinstituts jedenfalls im deutschen Recht nicht völlig ausgeschlossen ist.428 In anderen Rechtsordnungen, z.B. der US-amerikanischen Rechtsordnung,429 ist dies anders, was aber auch damit zusammenhängen mag, dass diese Rechtsordnungen nicht in gleicher Weise über ein System aus gutgläubigem Erwerb, Ersitzung und Verjährung verfügen. Existiert aber ein derart abgestuftes System, so ist für eine zusätzliche Anwendung der Verwirkung 425

Die Verwirkung betrifft im Grundsatz alle Ansprüche; Staudinger/Peters/Jacoby, Vorbem zu §§ 194–225 Rdnr. 22. 426 RGZ 158, 100, 107 f.; BGHZ 25, 47, 52; BGHZ 105, 290, 298 (u.a.). Im deutschen Recht ist die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens bei § 242 BGB zu verorten; Staudinger/Peters/Jacoby, Vorbem zu §§ 194–225 Rdnr. 18. 427 Aufgrund der zeitlosen Wirkung der dinglichen Rechtsposition kommt nicht eine Verwirkung des Eigentums, sondern allenfalls eine Verwirkung des Herausgabeanspruchs in Betracht, vgl. MüKo/Roth, § 242, Rdnr. 295. 428 Vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rdnr. 313; In BGHZ 10, 69, 75 hat der BGH die grundsätzliche Anwendbarkeit des Treu und Glaubens Grundsatzes für sachenrechtliche Ansprüche bestätigt, jedenfalls soweit es sich um schuldrechtsähnliche Ansprüche handelt. Dort wurde einem Eigentümer die Berufung auf den Eigentumsherausgabeanspruch nach § 985 BGB gegenüber einem (gutgläubigen) Erwerber eines Anwartschaftsrechts versagt, solange der Erwerber noch die Möglichkeit hat, dieses Anwartschaftsrecht zum Vollrecht erstarken zu lassen. 429 Dort wurde in zwei Fällen ein Herausgabeanspruch wegen eingetretener Verwirkung verneint, da der bestohlene Eigentümer sich nicht sorgfältig genug um die Suche bzw. Wiedererlangung des Eigentums gekümmert hatte; Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551, 2556 mit Hinweisen zu den beiden Entscheidungen (O’Keeffe vs. Snyder und DeWeerth vs. Baldinger).

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Teil 1: Die Ausgangsposition

nur sehr wenig Raum.430 Im Rahmen dieser Untersuchung wird das Rechtsinstitut der Verwirkung im Folgenden nicht weiter berücksichtigt. Vielmehr wird es im folgenden Teil 2 darum gehen, die betroffenen Interessen der hier identifizierten Hauptbeteiligten (Eigentümer, Veräußerer, Erwerber) einer charakteristischen Situation des gutgläubigen Erwerbs sowie etwaiger relevanter übergeordneter Interessen näher zu analysieren. Die soeben geschilderten zur Lösung der Ordnungsaufgabe herangezogenen nationalen Rechtsinstitute stellen dabei eine ganze Reihe von Feinsteuerungselementen zur Verfügung, um die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen.

430

Bei dinglichen Rechten tritt die Ersitzung regelmäßig an die Stelle der Verwirkung; MüKo/Roth, § 242 Rdnr. 300, der zudem darauf hinweist, dass aufgrund der Gefahr der Aushöhlung des dinglichen Rechts bei der Anwendung der Verwirkung auf Ansprüche, die für das Recht von wesentlicher Bedeutung sind, wie etwa der Eigentumsherausgabeanspruch für das Eigentumsrecht, höchste Vorsicht geboten sei. Eine Anwendbarkeit der Verwirkung wird nur in den Fällen bejaht, in denen sich die Herausgabe für den Besitzer als schlechthin unerträglich darstellt, vgl. BGH NJW 2007, 2183, 2184 (bezogen auf einen Herausgabeanspruch an einem Grundstück und Verneinung der Verwirkung). Im Hinblick auf die Möglichkeit der Verjährung des Vindikationsanspruchs im deutschen Recht ist ein Rekurs auf das Institut der Verwirkung abzulehnen; MüKo/Baldus, § 937 Rdnr. 47. Je weiter die Verjährungsfrist unterschritten werden soll, desto höhere Anforderungen gelten für den Vertrauenstatbestand, Jauernig/Mansel, § 242 Rdnr. 59.

Teil 2

Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision

Nachdem in Teil 1 der dem gutgläubigen Erwerb zugrunde liegende soziale Konflikt und die Auflösungsalternativen des deutschen, französischen und – überblicksartig – römischen Rechts dargestellt wurden, beleuchtet Teil 2 die berührten individuellen und allgemeinen Interessen sowie die zur Steuerung des sozialen Konflikts verwendeten Kriterien rechtsordnungsübergreifend.

1. Kapitel

Der Interessenvergleich 1. Kapitel: Der Interessenvergleich

Die dargestellten verschiedenen rechtlichen Institute können jeweils für sich oder in Kombination miteinander zur „Auflösung“ der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs herangezogen werden. Wie bereits geschildert, kann die Konstellation dabei nicht in einer für alle Seiten zufriedenstellenden Weise aufgelöst werden. Die aus der Konstellation resultierenden Belastungen in Form der Sachentziehung, der Auferlegung von Ausfallrisiken oder der Belastung mit zusätzlichem Abwicklungsaufwand müssen unter den Hauptbeteiligten aufgeteilt werden. Um dabei eine möglichst „optimale“ Auflösung des Konflikts zu erreichen, sind die beteiligten Interessen zu würdigen und gegeneinander abzuwägen. Diese Frage stellt sich sowohl bei einer rein nationalen Betrachtung, als auch beim funktionalen Rechtsvergleich mit seiner Suche nach der sachgerechten Lösung der Ordnungsaufgabe. Zu dem Interessenvergleich (erste Stufe) kommt also noch entscheidend die Bewertung der involvierten Interessen anhand bestimmter (zu bestimmender) Maßstäbe als zweite Stufe hinzu.1 Erst die Bewertung der beteiligten Interessen ermöglicht es, die widerstreitenden Interessen zu vergleichen und die dabei entstehenden Zielkonflikte sachgerecht auszugleichen. Die Abgrenzung zwischen Interessenvergleich und Abwägungsvorgang ist dabei nicht trennscharf möglich. Der Vergleich der Interessen wird zeigen, dass neben den individuellen Interessen der Beteiligten auch Allgemeininteressen zu berücksichtigen sind. Insbesondere die im Rahmen der Allgemeininteressen zu würdigenden Aspekte werden häufig aber auch im Rahmen der Bewertungsmaßstäbe herangezogen. Wesentliche Bewertungsmaßstäbe bei der rechtlichen Abwägung kollidierender Interessen sind die Gerechtigkeit, die Rechtssicherheit und die Zweckmäßigkeit (Fundamentalprinzipien).2 Diese Fundamentalprinzipien sind aber gleichermaßen All1

Vgl. dazu auch die Kritik an der Interessensjurisprudenz, wie bei F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 123 f. geschildert: „geht es doch nicht an (…) Maßstab und Gemessenes in einen Topf zu werfen“. 2 Zum grundsätzlichen Verhältnis der als Fundamentalprinzipien bezeichneten Grundwertungen Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit zueinander und dem methodisch zu erreichenden Ausgleich, vgl. F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 318 ff., insb. 323.

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gemeininteressen, deren Beachtung im Rahmen einer rechtlichen Betrachtung stets, also unabhängig von der konkret betrachteten Konstellation oder Ordnungsaufgabe zu erfolgen hat.3 Bei der Frage der Zweckmäßigkeit erlangen hier bspw. auch ökonomische Kriterien an Bedeutung;4 solche sind aber auch generell schon bei dem Allgemeininteresse des Verkehrschutzes zu berücksichtigen. Im Folgenden werden zunächst die individuellen Interessen der Beteiligten untersucht und im Anschluss die hier berührten Allgemeininteressen. Im Rahmen der Abwägung werden unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, der Gerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit5 weitere Aspekte zu thematisieren sein.

A. Die individuellen Interessen im Dreieck Die Hauptbeteiligten (Eigentümer, Veräußerer und Erwerber) sind in ihren jeweiligen individuellen Interessen in erster Linie aufgrund des möglichen Verlusts bzw. fehlgeschlagenen Erwerbs des Eigentums an der Sache betroffen. Das „Eigentum an der Sache“ entspricht dabei der Sache selbst, denn das Recht „Eigentum“ ordnet dem Eigentümer die Sache unter Ausschluss aller anderen Personen zu.6 Darüber hinaus geht es den Beteiligten um die etwaige Notwendigkeit, einen schuldrechtlichen Rückgriffsanspruch gegen einen anderen Hauptbeteiligten geltend machen zu müssen und – falls dies der Fall sein sollte – diesen auch möglichst erfolgreich geltend machen zu können. Die wertmäßige Betrachtung hängt vom jeweiligen Vermögenseinsatz des Hauptbeteiligten ab. Dieser Vermögenseinsatz kann durch den Sachwert (Eigentümer) oder durch Zahlungen (Erwerber) erbracht werden. Weitere Komponenten eines Ausgleichsanspruchs wären 3 Ähnlich kann eine verfassungsrechtliche Verankerung eines Rechts als Wertungsmaßstab herangezogen werden oder das dort geschützte Recht (bspw. das Eigentumsrecht) als zu berücksichtigendes Allgemeininteresse. Im Ergebnis mögen hier nur wenige Unterschiede bestehen, da bei jedem Vergleich auch eine Abwägung erfolgen muss, bei der entweder bereits im Rahmen der Interessenanalyse oder auf der Stufe der Bewertung zwar möglichst objektive, zumindest in der Detailbewertung im Endergebnis aber subjektive Maßstäbe heranzuziehen sind. 4 F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 331. 5 Soweit hierbei überhaupt eine getrennte Untersuchung möglich ist, spielt doch die Zweckmäßigkeit bereits bei den Allgemeininteressen, insbesondere beim Verkehrsschutz, eine entscheidende Rolle. 6 Vgl. u.a. Wilhelm, Rdnr. 65. Im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB besteht eine vergleichbare Situation. Das dort geschützte Eigentum erfasst nicht nur das Interesse am Recht, sondern zudem das Interesse an der Sache selbst; vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 3 b (S. 387).

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bspw. Forderungen im Zusammenhang mit Nutzungen, Verwendungen oder entgangenem Gewinn.

I. Die Interessen des Eigentümers Kommt es zu einem Eigentumserwerb des Erwerbers, so verliert der Eigentümer sein Eigentum an der Sache und damit die Sache selbst. Das zu berücksichtigende Interesse des Eigentümers ist somit jenes am Erhalt des Eigentums (Erhaltungsinteresse).7 Drei wesentliche Komponenten des Erhaltungsinteresses sind dabei zu unterscheiden: der mit der Sache verbundene Vermögenswert, die mit der Sache verbundene Nutzungsmöglichkeit und ein an der Sache bestehendes ideelles Interesse des Sachinhabers. 1. Wertinteresse Das Eigentum an einer Sache stellt für den Eigentümer einen Vermögenswert dar. Verliert er durch einen Eigentumserwerb des Erwerbers sein Eigentum, so ist sein Vermögen um den Wert der Sache gemindert. Entscheidend ist zunächst der Wert im Moment des Eigentumsverlusts. Der (unfreiwillige) „Vermögenseinsatz“8 des Eigentümers im Rahmen der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs ist der Wert der Sache. Die Wertbestimmung der Sache ist besonders dann schwierig, wenn für diese Sache kein Markt- oder Börsenpreis existiert. Die Konstellation des gutgläubigen Erwerbs hat zudem eine Zeitkomponente. Nach dem Verlust der Sache kann sich deren Wert verändern. Der Wert der Sache kann durch Abnutzung oder eine entsprechende Marktentwicklung abnehmen oder aufgrund der Marktentwicklung zunehmen.9 Neben dem Moment des Verlusts der Sache ist als zweiter Zeitpunkt im Rahmen dieser Untersuchung jener Zeitpunkt relevant, in dem der Sachverhalt aufgedeckt wird und der Eigentümer die Herausgabe der Sache verlangt.

7 Z.B. Picker, AcP 188 (1988), 511, 549. Andere sprechen in diesem Zusammenhang von einem Beharrungsinteresse (so z.B. Westermann, § 45 I 2, (S. 364)). 8 Der Vermögenseinsatz ist unfreiwillig, denn selbst in den Fällen, in denen der Eigentümer die tatsächliche Sachherrschaft bewusst weggibt, sollte nicht über das Eigentum verfügt werden. Aber auch in den Fällen, in denen über das Eigentum verfügt werden sollte, die Übertragung aber aus anderen Gründen unwirksam ist (z.B. Geschäftsunfähigkeit, Anfechtung), sieht die Rechtsordnung diese Weggabe nicht als bewussten Vermögenseinsatz. 9 Außen vor bleiben hier Wertsteigerungen der Sache aufgrund von Modifikationen des Erwerbers, da die entsprechenden Aufwendungen des Erwerbers bei dessen Vermögenseinsatz zu berücksichtigten sind. Abzugrenzen sind solche Modifikationen zudem von jenen, die ihrerseits einen gesetzlichen Eigentumserwerb, bspw. aufgrund entsprechender Verarbeitungsvorschriften, auslösen.

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Wird ein solches Herausgabeverlangen versagt, so kann der Eigentümer nicht von zwischenzeitlich erfolgten Wertsteigerungen profitieren. 2. Nutzungsinteresse Das Eigentum ist aber mehr als ein bloßer Rechnungsposten im Vermögen des Eigentümers. Mit dem Verlust des Sacheigentums einher geht der Verlust der Möglichkeit, die Sache nach Belieben10 zu benutzen. Eine solche Nutzung kann auf verschiedenste Weisen erfolgen. Der Eigentümer kann die Sache direkt entsprechend ihrer Funktion gebrauchen (Verwendung eines Pkw zum Fahren) oder aber zu einem anderen beliebigen von ihm bestimmten Zweck (z.B. Verwendung eines Pkw als Ausstellungsraum). Zur Nutzung gehört auch das Genussrecht, d.h. das Recht, Früchte aus der Sache zu ziehen. Zudem kann der Eigentümer die Sache indirekt gebrauchen und wirtschaftliche Nutzungen daraus ziehen, indem er einem anderen die Sache zur Nutzung überlasst (Vermietung eines Pkw). Dieses wirtschaftliche Nutzungsinteresse findet regelmäßig auch seine Berücksichtigung im Rahmen der Wertermittlung einer Sache, da deren Wert eben auch von solchen Nutzungsmöglichkeiten bestimmt wird.11 Je nach Intensität und Dauer der Nutzbarkeit kann ein erheblicher Teil des Werts einer Sache in der künftigen Nutzbarkeit bestehen.12 3. Ideelles Interesse Neben den Wert- und Nutzungsinteressen kann auch noch ein ideelles Interesse an der Sache treten, das Affektionsinteresse. Das Affektionsinteresse wird dabei regelmäßig als Liebhaberinteresse beschrieben,13 das den „rein 10 Abgesehen von bestehenden privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Beschränkungen, vgl. § 903 BGB und Art. 545 C.c. 11 Zwar ist die direkte Nutzung der Sache durch den Eigentümer nicht erst durch den gutgläubigen Erwerb unmittelbar beeinträchtigt, denn vor einem etwaigen Erwerb eines Dritten lag die tatsächliche Herrschaft über die Sache regelmäßig bereits bei einem Dritten, so dass diesem auch schon tatsächlich die Möglichkeit der direkten Nutzungsziehung zustand (wenn unter Umständen auch nur für eine kurze Zeit). Rechtlich ist er allerdings erst durch den gutgläubigen Erwerb gehindert, die Sache auch künftig wieder zu benutzen. Zudem könnte, wie beschrieben, bereits die Überlassung der Sachherrschaft die Nutzungsziehung durch den Eigentümer darstellen (z.B. Vermietung). 12 Zur künftigen Nutzbarkeit als Wertkomponente vgl. auch Lawson, AcP 159 (1960), 97, 101 ff. 13 Köbler, Stichwort Affektionsinteresse. „Affektion“ wird häufig als „Wohlwollen, Liebe, Reizung“ (Köbler, Stichwort Affektion), „Wohlwollen, Neigung“ (Duden, Fremdwörterbuch, Stichwort Affektion) oder „Wohlwollen, Neigung, Gunst; Liebhaberei“ (Brockhaus Enzyklopädie, Band 1, Stichwort Affektion), „Wohlwollen, Neigung, Gunst“ Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 1, Stichwort Affektion), umschrieben, der „Affektionswert“ als „Liebhaberwert“ (Köbler, Stichwort Affektionswert und Duden,

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persönlichen Erinnerungswert oder Gefühlswert“ gegenüber einer Sache darstellt.14 Im deutschen Recht ist dieses ideelle Interesse an einer Sache auch als verfassungsrechtliche Ausprägung des Eigentums im Sinne von Art. 14 GG anerkannt. Zum Eigentum und der damit nach dem BVerfG verbundenen freien Entfaltung der Persönlichkeit15 gehört, dass dem Bürger jene Dinge erhalten bleiben, die er selbst – unabhängig von ihrem materiellen Wert – am höchsten schätzt.16 Das ideelle Interesse des Eigentümers, die innere Beziehung zu der Sache, wird somit Teil der Persönlichkeit des Eigentümers.17 Das Affektionsinteresse kann auch als Spezialausprägung des Nutzungsoder Genussinteresses an einer Sache betrachtet werden. Der Genuss an einer Sache besteht nicht nur in der funktionalen Nutzung einer Sache im Sinne ihrer objektiven Zweckbestimmung, sondern darüber hinaus in einem Erfreuen an der Sache selbst, sei es mit oder ohne Nutzung und aufgrund welcher Motive auch immer. Sachen können aus einer Vielzahl von Gründen geeignet sein, auf den Eigentümer einzuwirken und dessen Gemütslage zu beeinflussen. Eine solche Beeinflussung kann sich bspw. aus der Geschichte der Sache (z.B. Familienbesitz), der Herstellungszeit oder -art (z.B. durch eine besondere Technik oder während eines besonderen Lebensabschnitts), der Person des Herstellers (z.B. Familienmitglieder) oder dem äußeren Erscheinungsbild der Sache (z.B. Kunstwerk, Urlaubsphotos) ergeben.18 In der Folge haben diese Sachen für den Eigentümer einen größeren subjektiven Wert als den rein objektiven Wert der Sache. 19 Auch hier verschwimmen in manchen Bereichen die Grenzen der verschiedenen Interessen, so wenn sich für die Liebhaberei ein Markt gebildet hat. Dann geht es nicht mehr nur um ein individuelles Affektionsinteresse, bei dem die besondere Wertschätzung ausschließlich in der Person des Ge-

Fremdwörterbuch, Stichwort Affektionswert). Seine Wurzel hat der Begriff der Affektion in lat. affectio, der Einwirkung oder Beeinflussung (Brockhaus Enzyklopädie, Stichwort Affektion). 14 Köbler, Stichwort Liebhaberinteresse, wobei dieser dort im Wesentlichen auf eine Schädigung der Sache abstellt und im Falle des gutgläubigen Erwerbs die „Beschädigung“ in der Entziehung der Sache besteht. Für das Begriffsverständnis ergeben sich daraus keine Unterschiede. 15 BVerfGE 79, 292, 303 f. 16 Peters, S. 47. 17 BVerfGE 79, 292, 304 f.; Prisching, S. 69. 18 Vgl. auch die Aufzählungen bei Cornu, Les biens, Rdnr. 18. 19 So auch die Umschreibung des Affektionswerts in Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 1, Stichwort Affektionswert.

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schädigten begründet ist, sondern um ein marktgängiges Affektionsinteresse;20 ein solches findet dann auch beim Wertinteresse Berücksichtigung. Das Eigentumsinteresse besteht somit grundsätzlich aus drei möglichen Komponenten, dem Wertinteresse in Höhe des jeweiligen Sachwerts, dem Nutzungsinteresse und einem ideellen Interesse. Abhängig von der Art der konkreten Sache, dem jeweiligen Eigentümer und den sonstigen individuellen Gegebenheiten21 können die verschiedenen Interessen beim Eigentümer unterschiedlich stark ausgeprägt sein und entsprechend auch unterschiedlich stark das Restitutionsverlangen des Eigentümers veranlassen. 4. Die Sonderbewertung der Interessen des Eigentümers zu Sicherungszwecken Die vorgenannte Interessenbewertung ist nicht vollumfänglich übertragbar auf jene Eigentümer, die die Eigentümerstellung nur aus Sicherungsinteressen innehaben, also auf Sicherungsnehmer einer Sicherungsübereignung und solche Eigentümer, deren Eigentum nur noch bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises durch einen Erwerber besteht (beide im Folgenden hier gemeinsam „untechnisch“ als Sicherungseigentümer bezeichnet). Einem Sicherungseigentümer kommt es weniger auf die Sache an sich, als vielmehr ausschließlich auf den darin verkörperten Wert an.22 Bei den Sicherungseigentümern besteht jeweils nur ein Wertinteresse. Sie haben weder ein Nutzungsinteresse noch ein Affektionsinteresse an der Sache. Deutlich wird dies schon dadurch, dass solche Eigentümer jedenfalls bis zum Verwertungsfall nicht die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache ausüben und schon deswegen keine Nutzungen aus der Sache ziehen können, soweit die Nutzungen auf dem Gebrauch der Sache beruhen. Die tatsächliche Sachherrschaft liegt beim Sicherungsgeber (bzw. Vorbehaltskäufer beim Eigentumsvorbehalt) und nur dieser kann dementsprechend solche Nutzungen aus der Sache ziehen. Dies ist im Rahmen der hier relevanten Sicherungsgeschäfte auch gerade beabsichtigt, schließlich soll die Sache dem Sicherungsgeber bzw. Vorbehaltskäufer für sein wirtschaftliches Tätigwerden zur Verfügung stehen, um nicht zuletzt damit die Rückführung der besicherten Forderung zu erleichtern. Zudem liegt das Eigentum bei planmäßigem Verlauf der Geschäfte nicht dauerhaft beim Sicherungseigentümer. Mit der Befriedigung der gesicher20 Diese Unterscheidung trifft Oetker bezüglich des Schadensersatzrechts in MüKo/ Oetker, §249 Rdnr. 25. 21 So kann der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs bspw. auch eine gewollte Veräußerung des Eigentümers zugrunde liegen, die aber aus rechtlichen Gründen gescheitert ist. 22 Vgl. auch Günther, S. 41.

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ten Forderung endet das Sicherungseigentum. Da also bei planmäßigem Verlauf ein künftiger Verlust der Eigentümerstellung erwünscht ist, können auch keine besondere Affektionsinteressen des Sicherungseigentümers im Hinblick auf die Sache existieren. Künftige Nutzungsinteressen und ein potenzielles Affektionsinteresse sind daher allenfalls als Wertfaktoren relevant, wenn dadurch im Falle der Verwertung der Sache ein höherer Verwertungsertrag erzielt werden kann. Zwar kann – je nach Ausgestaltung und in den Grenzen des anwendbaren Rechts – ausnahmsweise auch der Sicherungsnehmer selbst das Eigentum an der Sache behalten, dieses künftige „Volleigentum“ ist beim ursprünglichen Eigentumserwerb und während der Stellung als Sicherungseigentümer jedoch nicht beabsichtigt. Selbst im Bereich des Wertinteresses ist das Interesse eines Sicherungseigentümers geringer als das Wertinteresse eines sonstigen Eigentümers, da das Wertinteresse des Sicherungseigentümers durch die Höhe der gesicherten Forderung begrenzt ist. Selbst wenn der realisierbare Wert der Sache und damit der Wert des Eigentums größer ist als der Betrag der gesicherten Forderung (einschließlich Kosten, Zinsen und etwaige Schadensersatzposten), so wäre im Verwertungsfalle ein Mehrerlös regelmäßig an den Sicherungsgeber abzuführen. Auch Wertsteigerungen der Sache sind demnach für einen Sicherungseigentümer lediglich indirekt, durch Erhöhung der Sicherheit im Verwertungsfall, relevant. Seine Vermögensmehrung möchte der Sicherungseigentümer über die besicherte Forderung erreichen und nicht über die als Sicherheit erlangte Sache, wie dies bspw. bei Anlageobjekten der Fall wäre. Bei der Verwendung des Eigentums als Kreditsicherungsrecht wird also das Eigentum aufgespalten und eine funktionsbedingte Zuordnung der einzelnen damit verbundenen Interessen an die verschiedenen Rechtsträger Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer vorgenommen.23 Der Sicherungseigentümer erhält nur den Wert in Höhe der gesicherten Forderung zugeordnet und der Sicherungsgeber bzw. Vorbehaltskäufer erhält die sonstigen Interessen zugeordnet, also Nutzungsinteressen, etwaige Affektionsinteressen und Wertinteressen, soweit sie die gesicherte Forderung übersteigen. Gleichermaßen zu beachten ist im Zusammenhang mit zu Kreditsicherungszwecken übertragenem Eigentum, dass auch die Stellung des Sicherungsgebers im Rahmen einer Sicherungsübereignung oder die eines Vorbehaltskäufers im Rahmen eines Eigentumsvorbehalts (wiederum untechnisch im Folgenden als „Sicherungsgeber“ bezeichnet) als Nicht-Eigentümer hier besonders zu würdigen ist. Der Sicherungsgeber nimmt nämlich diejenigen mit der Sache verbundenen Eigentümerinteressen wahr, die für den Sicherungsnehmer nicht von Interesse sind. Der Sicherungsgeber hat also auch als Nicht-Eigentümer ein Nutzungs- und ggfs. ein Affektionsin23

Vgl. Stadler, S. 102.

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teresse. Darüber hinaus hat er das Wertinteresse an der Sache, soweit der Wert der Sache die besicherte Forderung übersteigt. Wie ist der Sicherungsgeber also nun im Rahmen des hier untersuchten Mehrpersonenverhältnisses einzuordnen?24 Im Ergebnis ist zwischen den Konstellationen zu unterscheiden, in denen der Sicherungsgeber selbst der nichtberechtigte Veräußerer ist und solchen Situationen, in denen ein Dritter der Veräußerer ist (und der Sicherungsgeber auch kein vorheriger Veräußerer im Rahmen einer Veräußerungskette war). Ist der Sicherungsgeber selbst der Veräußerer, so will er gerade keine Nutzungs- oder Affektionsinteressen mehr wahrnehmen. Gleichzeitig erstarkt dadurch aber nicht die Position des Sicherungseigentümers. Dieser ist ausschließlich in einem Wertinteresse in Höhe der besicherten Forderung betroffen. Handelt es sich bei dem Sicherungsgeber aber nicht gleichzeitig um den Veräußerer, so bedarf es einer gemeinsamen Betrachtung der Interessen des Sicherungsgebers und des Sicherungsnehmers, um sämtliche mit dem Eigentum an einer Sache verbundenen Interessen abzudecken. Erst in der Kombination von Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer sind Wertinteressen, Nutzungsinteressen und Affektionsinteressen betroffen. Darin spiegelt sich letztlich die funktionale Aufspaltung des Eigentums im Rahmen der Verwendung des Eigentumsrechts als Kreditsicherungsrecht wider.25 Festzuhalten ist, dass ein Sicherungsnehmer also in allen Fällen lediglich ein nach oben begrenztes Wertinteresse an der Sache hat und sein Vermögenseinsatz im Rahmen des Mehrpersonenverhältnisses der Höhe der besicherten Forderung entspricht.

II. Die Interessen des Veräußerers Der Veräußerer, der ein Entgelt erhält, wird in seinen Vermögensinteressen berührt. In der reinen Dreipersonenkonstellation stellt sich für ihn die Frage, wem er einen vermögensmäßigen Ausgleich leisten muss. Muss er dem Eigentümer den Wert ersetzen oder einem Erwerber den Kaufpreis zurückerstatten? Auf der Basis der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verhältnisse können im Einzelfall noch Schadensersatzpflichten hinzutreten. Bei Veräußerungsketten ist zwischen den Veräußerern innerhalb der Kette zu unterscheiden. Ist der Eigentumserwerb wirksam, so ist zunächst der „erste“ Veräußerer in der Kette dem Eigentümer zum Wertersatz verpflichtet. Muss der Erwerber die Sache herausgeben, so ist der „letzte“ Veräuße-

24

Vgl. hierzu auch schon oben S. 28 ff. Die genaue bilaterale Aufteilung der Interessen und Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber ist im Übrigen für Fragen dieser Untersuchung mit Blick auf etwaige Drittinteressen nicht im Einzelnen relevant. 25

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rer in der Kette zeitlich zuerst ausgleichspflichtig. In beiden Fällen sind aber im Wesentlichen Vermögensinteressen im Spiel. Komplexer ist die Lage bei einer unentgeltlichen Verfügung durch den Veräußerer. Wird dem Eigentümer die Sache zugesprochen, so wird die Zuwendung des unentgeltlich verfügenden Veräußerers beseitigt. Dies bedeutet dann keinen Eingriff in die Wertinteressen des Veräußerers, wenn dieser selbst keinen Vermögenseinsatz erbracht hat, um an die Sache zu gelangen (Dieb, Unterschlagender). Hat der Veräußerer aber selbst einen Vermögenseinsatz erbracht (z.B. wenn er die Sache vom Eigentümer erworben wollte, die Übereignung aber rechtlich unwirksam ist), so ist auch der Veräußerer in seinen Wertinteressen in Höhe seines Vermögenseinsatzes berührt. Insbesondere bei Konstellationen mit mehr als drei Hauptbeteiligen (Veräußerungsketten) dürfen bei der Interessenbetrachtung im Falle der unentgeltlichen Verfügung nicht nur die Interessen des Eigentümers und des Erwerbers betrachtet werden, denn hier kann der unentgeltlich Verfügende zuvor in der Position des Erwerbers gewesen sein. Der Vermögenseinsatz eines unter Umständen herausgabepflichtigen unentgeltlich Erwerbenden läge dann in dem Vermögenseinsatz des unentgeltlich Verfügenden. Dieser und der (unentgeltliche) Letzterwerber wären also gemeinsam zu betrachten.26 Daher zeigen sich hier unter Umständen sogar Nutzungs- oder ideelle Interessen auf Seiten des Veräußerers. So ist auch das Verschenken einer Sache eine Nutzung und kann mit erheblichen ideellen Interessen verbunden sein. Neben der rein vermögensmäßigen Betrachtung spielen die Interessen des Veräußerers an der Sache selbst jedenfalls keine entscheidende Rolle, hat er doch bereits von sich aus das Eigentum an der Sache dem Erwerber verschaffen wollen.

III. Die Interessen des Erwerbers Dem Erhaltungsinteresse auf Seiten des Eigentümers korrespondiert auf Seiten des Erwerbers in erster Linie das Erwerbsinteresse. Auch hier können wieder mehrere Elemente eine Rolle spielen. 1. Wertinteresse des Erwerbers Auch beim Erwerber ist der Wert der Sache relevant. Der Erwerber möchte aufgrund der Vorgänge das Eigentum an der Sache erwerben. Schlägt der Erwerbsvorgang fehl, so kann der Erwerber nicht, wie beabsichtigt, den in 26

Die unentgeltliche Verfügung wäre eine Art „interner Vorgang“ auf Erwerberseite. Zur Behandlung von Konstellationen, denen eine unentgeltliche Verfügung zugrunde liegt, vgl. auch S. 206 f.

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der Sache verkörperten Vermögenswert erlangen. Einzelheiten sind wiederum vom zugrunde liegenden Kausalgeschäft abhängig. Liegt dem beabsichtigten Eigentumserwerb ein Kaufvertrag zugrunde, so besteht für den Erwerber die Gefahr, dass er den Kaufpreis aufgewendet hat, ohne die Sache zu erlangen. In diesem Fall besteht ein Wertinteresse in Höhe des Kaufpreises und nicht unbedingt in Höhe des objektiven Werts der Sache. Der „Vermögenseinsatz“ des Erwerbers ist in diesen Fällen der Kaufpreis. Im Regelfall werden Kaufpreis und Wert der Sache ähnlich groß sein. Liegt der Verfügung ein unentgeltlicher Vorgang oder aber ein Sicherungsgeschäft zugrunde, so besteht das Wertinteresse in Höhe des objektiven Sachwerts bzw. der gesicherten Forderung.27 2. Künftiges Nutzungsinteresse Abhängig von der Motivation des Erwerbers, das Eigentum an der Sache zu erwerben, verfolgt dieser damit auch ein Interesse, die Sache künftig nach seinem Belieben zu nutzen.28 Der Eigentümer und der Erwerber können dabei verschiedene konkrete Nutzungsabsichten mit der Sache verbinden. Von der Dauer der tatsächlichen Sachherrschaft auf Seiten des Erwerbers bis zu einem Rückgabeverlangen des Eigentümers hängt es ab, wie sehr die Sache bereits vom Erwerber benutzt worden und in dessen regelmäßige (bspw. betriebliche) Abläufe im Moment des Herausgabeverlangens bereits eingebunden ist. 3. Ideelle Interessen des Erwerbers? Hinsichtlich etwaiger ideeller Interessen des Erwerbers ist die Ausgangslage ebenfalls nicht immer eindeutig. Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass der Erwerber im Moment des Erwerbs noch keine längere persönliche Bindung zu dieser Sache haben kann. Der Erwerber hat schließlich seine Beziehung zur Sache soeben erst begründet.29 Allerdings kann auf Seiten 27 Eine Beteiligung von Sicherungsnehmern an der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs findet im Übrigen auf Erwerberseite nur ausnahmsweise statt, da es regelmäßig bereits an der Erlangung der erforderlichen qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft fehlt. 28 Vgl. auch die Aussage von Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 175, dass das Verkehrsinteresse (vertreten durch den Erwerber) dem Güterumsatzinteresse entspricht und das Eigentümerinteresse dem Gütergenussinteresse, Günther, S. 13: „Falsch ist aber, dass auf Seiten des Erwerbers nur Güterumsatzinteressen unter Ausschluss der Gütergenussinteressen stehen, denn der Erwerber erwirbt (...) das Rad, um darauf zu fahren. Er vereinigt also Güterumsatz- und Gütergenussinteresse in sich, das erstere zum Zweck des letzteren.“ 29 Daraus folgert Peters (S. 47), dass ein schutzwürdiges Affektionsinteresse nur auf Seiten des Eigentümers bestehen kann.

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des Erwerbers dann die ideelle Ebene zu berücksichtigen sein, wenn der Erwerber eine besondere Vorfreude hinsichtlich des Eigentumserwerbs an der Sache empfindet, so z.B. wenn er genau diese zur Komplettierung einer Sammlung benötigt. Zudem können sich persönliche Bindungen im Laufe der Zeit einstellen. Je länger der Erwerber die Sache in seiner Sachherrschaft hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch bei ihm ein Affektionsinteresse betroffen ist, wenn er die Sache später an einen Eigentümer herausgeben müsste.30

B. Die Allgemeininteressen Eine privatrechtliche Regelung ist nicht nur anhand ihrer Auswirkungen auf betroffene Einzelinteressen zu beurteilen. Vielmehr sind auch die betroffenen Allgemeininteressen31 und die Auswirkungen auf die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung bei der rechtspolitischen Bewertung einer Regelung zu berücksichtigen.32 Gesellschaftspolitisch relevante Allgemeininteressen sind nämlich nicht nur mit Mitteln des öffentlichen Rechts, sondern auch mit solchen des Privatrechts zu verfolgen.33 Anders als im öffentlichen Recht, bei dem ein öffentlicher Rechtsträger einem Individuum ein Recht oder einen Anspruch gewährt, erfolgt die Berücksichtigung von Allgemeininteressen im Wege des Privatrechts in der Regel – so wie hier im Bereich des gutgläubigen Erwerbs –, indem einem Privatrechtssubjekt (hier dem Erwerber) auf Kosten eines anderen Privatrechtssubjekts (hier des Eigentümers) ein Recht gewährt wird.34 Es ist einem Gesetzgeber nicht verwehrt, auf diese Art im Wege des Privatrechts zur Steuerung von All30 So auch Prisching, die ein mögliches ideelles Interesse des Erwerbers ebenfalls in Betracht zieht, Prisching, S. 70. 31 Für diese Kategorie der Interessen werden verschiedene Begriffe verwendet. Peters spricht bspw. von „überindividuellen Interessen“ (Peters, S. 69 ff.), Leuschner von „Allgemeinwohlinteressen“ (Verkehrsinteresse, S. 51 und AcP 205 (2005), 205 ff.) und von überindividuellen Zwecken (Verkehrsinteresse, S. 153 und S. 214) und Prisching von „kollektiv-öffentlichen Interessen“ (Prisching, S. 63). 32 Im Rahmen der ökonomischen Analyse findet Vergleichbares statt, wenn auch mit dem Schwerpunkt der ökonomischen Folgen im Rahmen der Funktionsfähigkeitsanalyse, Salje, Rechtstheorie 15 (1984), 277, 287 f. 33 Eine Grenze ergibt sich dort, wo eine in seiner Intensität gleichwertige, öffentlichrechtliche Verfolgung des Allgemeininteresses in Betracht kommt, welche die daraus resultierenden Belastungen besser (insbesondere weniger zufällig) auf die Allgemeinheit verteilen kann, Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 233 mit näherer Darstellung der Diskussion. 34 Dass die Zuteilung von Rechten im Privatrecht an einen Beteiligten erkennbar zu Lasten eines ganz bestimmten anderen geht, ist im Privatrecht unvermeidbar, F. Bydlinski, System und Prinzipien, S. 93; F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 361.

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gemeininteressen einzugreifen. Dem Privatrecht kommt auch im Hinblick auf Allgemeininteressen eine Steuerungsfunktion zu. Wie die Vornahme des Interessenausgleichs mit den Mitteln des öffentlichen Rechts, findet auch die Interessensteuerung im Wege des Privatrechts ihre Grenze im Verfassungsrecht.35 An der objektiven Wertordnung der Verfassung hat sich das gesamte Recht auszurichten.36

I. Die Gewährleistung des Eigentums Im Falle des erfolgreichen redlichen Erwerbs durch den Erwerber ist der Eigentümer in seinem Eigentumsrecht betroffen, da er dieses unfreiwillig verliert. Auf genereller Ebene bedeutet dies, dass das Recht Eigentum durch die privatrechtliche Regelung entzogen wird. Dies ist ein bedeutender Einschnitt in die Rechtsposition des Eigentümers, stellen Eigentum und Freiheit doch die Grundwerte des bürgerlichen Rechtsstaats und der modernen Verkehrs- und Marktwirtschaft dar.37 Durch die Eigentumsgarantie wird dem Grundrechtsträger ein Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sichergestellt und auf diese Weise eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung ermöglicht.38 Dementsprechend wird das Eigentum in den freiheitlichen Rechtsordnungen auch verfassungsrechtlich besonders geschützt, bspw. im deutschen Recht durch Art. 14 GG bzw. auf europäischer Ebene durch Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotokolls zur EMRK und Art. 17 der EU-Grundrechtscharta. 1. Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums Der Eingriff des Privatrechtsgesetzgebers muss sich im deutschen Recht an Art. 14 GG messen lassen.39 Aus dem Privatrecht resultierende Eingriffe in 35

Canaris, AcP 184 (1984), 201, 212 ff.; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 207 ff. Im Hinblick auf die Grundrechtsbindung in Deutschland: BVerfGE 7, 198, 205; BVerfGE 73, 261, 269. Diese grundrechtliche Bindung des Privatrechtsgesetzgebers ist heute weitgehend anerkannt. Siehe u.a. Hager, Verkehrsschutz, S. 10 ff. m.w.Nachw. zur Diskussion. Gegenstand der Diskussion ist insbesondere der Umfang der Einflussnahme der Grundrechte auf das Privatrecht. 37 Horn, Rdnr. 129 m.w.Nachw. 38 U.a. BVerfGE 24, 367, 389; BVerfGE 88, 366, 377. 39 Auch der EuGH hat das Eigentumsgrundrecht als den nationalstaatlichen Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten immanent anerkannt und ermöglicht gesetzgeberische Beschränkungen, die dem allgemeinen Wohl dienenden Zielen entsprechen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH NJW 1980, 505, 506). Praktisch dürfte zwischen europäischer und bundesdeutscher Rechtsprechung kein Unterschied mehr bestehen (Maunz/Dürig/Herzog/Papier, Art. 14 Rdnr. 293 f. (Stand: Juli 2010). Im französischen Recht existiert ebenfalls eine verfassungsrechtliche Verankerung der Eigentumsgarantie. Hier sind gesetzgeberische Einschränkungen möglich, soweit sie nicht den 36

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die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition sind im Grundsatz somit rechtfertigungsbedürftig.40 Art. 14 GG erfasst (neben anderen vermögenswerten Rechten) gerade das privatrechtliche Eigentum und gewährleistet dabei das Privateigentum als Rechtseinrichtung, die dem Rechtsinhaber einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich sichert und ihm damit die eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens durch Innehabung, Nutzung und Verwaltung sowie Verfügung über die geschützten vermögenswerten Rechte ermöglicht.41 Die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie ist zudem auch keine bloße Wertgarantie, die in jedem Fall durch die Gewährung von Ausgleichsansprüchen sichergestellt werden kann, sondern fordert im Grundsatz die Erhaltung des Zuordnungsverhältnisses und der Sachsubstanz.42 In neuerer Zeit haben sich verschiedene Untersuchungen speziell mit der Vereinbarkeit des gutgläubigen Erwerbs (i.S.d. BGB) mit Art. 14 GG43 beschäftigt,44 auf deren Erkenntnisse im Rahmen dieser Untersuchung zurückgegriffen werden kann. Entscheidend war dabei die Frage, ob die Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG darstellen.45 Eine solche InhaltsSinn und die Tragweite des Rechts entstellen (Cons. Const., 29.07.1998, JCP G 98, I, 171). 40 Vgl. u.a. Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 208. 41 Vgl. zum entsprechenden Zweck des Schutzumfangs des grundrechtlichen Eigentums BVerfGE 83, 201, 208 f.; BVerfGE 89, 1, 6; BVerfGE NJW 2005, 879, 880 f. 42 U.a. BVerfG NJW 1985, 2633, 2633. Im Übrigen ist für den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz unerheblich, ob der Eigentümer seine Sache unentgeltlich erlangt hat, vgl. dazu Hager, Verkehrsschutz, S. 47 f. 43 Zum Prüfung der BGB-Vorschriften unter dem Gesichtspunkt des vorkonstitutionellen Rechts vgl. Hager, Verkehrsschutz, S. 62 f. Zudem werden die Vorschriften auch einer in den Erwägungen vergleichbaren Prüfung am Maßstab des Verbots der Ungleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG unterzogen, vgl. Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 212 ff. 44 So insbesondere Hager, Verkehrsschutz, S. 459 (auf der Basis seiner Kollisionslösung und unter Ausschluss des gutgläubigen unentgeltlichen Erwerbs); Peters, S. 1 ff., insb. S. 17 ff. und Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 1 ff. und derselbe in AcP 205 (2005), 205 ff. Hübner hat 1955 noch vorsichtig Verwunderung geäußert, dass „die Kritik an der zivilrechtlichen ‚Enteignungsnorm‘ (…) sehr zurückhaltend [geblieben ist]“, Hübner, S. 13. Zweigert hat 1955 die Frage Hübners der Verfassungsgemäßheit der Regelungen zum gutgläubigen Erwerb noch für eine „verwegene“ gehalten (Zweigert, RabelsZ (1958), 1, 15). Wilhelm spricht heute von einer „in neuerer Zeit im Zivilrecht ausgebrochenen Grundgesetz-Hysterie.“ (Wilhelm, Rdnr. 917 Fn. 1617). 45 Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 162 f. und derselbe in AcP 205 (2005), 205, 210 ff. Eine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG wird jedenfalls abgelehnt, da es schon am vom BVerfG vorausgesetzten konkreten individuellen Eingriff in das Eigentumsrecht fehlt, vgl. BVerfGE 52, 1, 27 f.; MüKo/Quack (4. Aufl.), §§ 932 ff. Rdnr. 2; Ruffert, S. 382 f. Zur Diskussion dazu vgl. Hager, Verkehrsschutz, S. 56 ff., der eine Kollisionslösung verfolgt und dabei auch eine Bezeichnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung

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und Schrankenbestimmung ist zulässig, wenn sie nicht weitergeht als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient, was wiederum bedeutet, dass sie verhältnismäßig sein muss.46 Im Ergebnis ist die Verhältnismäßigkeit der gegenwärtigen BGB Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb zu bejahen.47 Der BGH hat sich zur Verfassungsmäßigkeit eines gutgläubigen Eigentumserwerbs einer abhanden gekommenen Sache im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung (§ 935 Abs. 2 BGB) ebenfalls positiv geäußert: „Dieses vom Gesetz gewollte Ergebnis der Privilegierung des gutgläubigen Erwerbers in der öffentlichen Versteigerung hält sich innerhalb der gesetzlich möglichen Schranken der Eigentumsgarantie nach Art. 14 I GG.“48

Eine Ausnahme soll insbesondere nach Peters und Leuschner allerdings bei der vom BGB gewährten Möglichkeit des unentgeltlichen redlichen Eigentumserwerbs bestehen (§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB gewährt lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch). Dieser wird aus verfassungsrechtlicher Sicht kritisch betracht.49 Ebenfalls kritisch betrachtet werden unter einem verfassungsrechtlichen Blickwinkel die Vorschriften des BGB zur Verjährung des Vindikationsanspruchs, insbesondere wenn sich dieser gegen einen bösgläubigen Besitzer richtet.50 anerkennt, solange das Bewusstsein besteht, dass es sich hier um die Abgrenzung zweier verfassungsrechtlich anerkannter Güter (Eigentumsrecht des Eigentümers und Erwerbsanspruch des Erwerbers) handelt (S. 77 f.). Kritisch zur Rechtfertigung über die Kollisionslösung von Wilmowsky, § 8 II 1 (S. 353 f.). Peters sieht im gutgläubigen Erwerb mangels Enteignung „denknotwendig“ eine Inhalts- und Schrankbestimmung (S. 39), hält aber eine mittelbare Berücksichtigung des Art. 14 Abs. 3 GG für geboten (S. 34 ff.). 46 BVerfGE 100, 226, 240 f. 47 Vgl. insb. Hager, Verkehrsschutz, S. 79 ff. (auf der Grundlage der von ihm propagierten Kollisionslösung). Auf der Grundlage einer Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung unter mittelbarer Anwendung der Gedanken des Art. 14 Abs. 3 GG bewertet Peters die Verfassungsgemäßheit eines unentgeltlichen gutgläubigen Eigentumserwerbs kritisch (S. 115 ff.), sieht diese aber beim entgeltlichen gutgläubigen Erwerb trotz Bedenken „noch“ gegeben (S. 118 ff., insb. 123). Explizit unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 167 ff. und AcP 205 (2005), 205, 243 f. 48 BGH NJW 1990, 899, 900. 49 Zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen zum unentgeltlichen gutgläubigen Erwerb Peters, S. 117 f. und Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 203 f. und S. 216 f., der die Möglichkeit des Eigentumserwerbs durch den unentgeltlichen Erwerber (mit bloßer schuldrechtlicher Ausgleichspflicht nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB) im Rahmen seiner Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 932 ff. BGB aufgrund überindividueller Rechtfertigung (Verkehrsinteresse) als nicht erforderlich und damit nicht verhältnismäßig und somit verfassungswidrig deklariert. Kritisch ebenfalls Hager, Verkehrsschutz, S. 136 ff. 50 Remien (AcP 201 (2001), 730, 751 f.): „Die Lösung der Vindikationsverjährung führt (…) nicht ganz, aber doch im Wesentlichen zu einer Enteignung, und dies ohne dass dem Eigentümer Nachlässigkeit vorgeworfen werden könnte. Das widerspricht der Eigentumsgarantie (…).“ und (S. 756): „Geschieht dies [Streichung der Vindikationsver-

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Aus den genannten Erörterungen ergibt sich zudem nicht, dass die aktuelle gesetzliche Lösung des BGB die unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einzige Möglichkeit darstellt. Vielmehr besteht weiterhin ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Dieser umfasst sowohl die Möglichkeit einer Einschränkung, als auch einer Erweiterung des gutgläubigen Erwerbs, bspw. durch die Einführung eines Lösungsrechts.51 Auf europäischer Ebene hat der Europäische Gerichtshof der Menschenrechte (EGMR) in einem Urteil der Großen Kammer aus dem Jahr 2007 die britischen Regelungen zur Immobiliarersitzung nicht als Verstoß gegen Artikel 1 (Schutz des Eigentums) des Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)52 angesehen.53 Zwar bedeute eine Ersitzung eines Dritten einen Einschnitt in das Eigentumsrecht des bisherigen Eigentümers. Dies sei jedoch keine rechtswidrige Entziehung des Eigentums,54 sondern eine nach Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotokolls zur EMRK zulässige nationale Ausgestaltung der Nutzung des Eigentums zum Wohle der Allgemeininteressen.55 Zuvor schon hatte der EGMR in einem Urteil der Bundesrepublik Deutschland einen großen Spielraum im Bereich der Ausgestaltung des privaten Sachenrechts zugesprochen, um wirtschaftliche und soziale öffentliche Zielsetzungen zu verfolgen.56

jährung im Gesetzgebungsverfahren] nicht, so bleibt die Hoffnung auf die Eigentumsgarantie des Verfassungsrechts (…) eines Tages im Wege des Art. 100 GG.“ Nach MüKo/ Baldus, § 937 Rdnr. 47 ist „jedenfalls de lege ferenda eine Lösung innerhalb des zivilrechtlichen Systems vorzugswürdig.“ Vgl. zur Diskussion um die Vindikation der Verjährung insbesondere unten S. 246 ff. 51 Hager, Verkehrsschutz, S. 81. 52 Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 20.03.1952. Zur Bedeutung der EMRK als allgemeinen Rechtsgrundsatz auf europäischer Ebene vgl. Art. 6 Abs. 2 EUV; zur näheren Wirkung der EMRK und der Urteile des EGMR und zum Rang der EMRK im deutschen Recht, vgl. Rebhahn, AcP 210 (2010), 489, 490 ff. und 532 ff. 53 Jenseits der Frage der Vereinbarkeit mit der EMRK äußert von Wilmowsky Bedenken zur Frage der Vereinbarkeit der Regelungen mit den europäischen Grundfreiheiten, von Wilmowsky, § 8 I (S. 349 ff.). 54 Das angefochtene Urteil der 4. Kammer des EGMR hatte noch unter dem Gesichtspunkt der Entziehung des Eigentums (Art. 1 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK) einen Verstoß gegen Art. 1 des Zusatzprotokolls angenommen; vgl. EGMR, Urteil v. 15.11.2005, Az. 44302/02 (J.A. Pye (Oxford) Ltd/United Kingdom), Nr. 62, 76. 55 EGMR, Urteil v. 30.08.2007, Az. 44302/02 (J.A. Pye (Oxford) Ltd/United Kingdom), Nr. 66 und 79. 56 EGMR, Urteil v. 30.06.2005, Az. 46720/99, 72203/01, 72552/01 (Jahn u.a./Bundesrepublik Deutschland), Nr. 91.

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2. Das Eigentum als zivilrechtlich absolutes Recht Auch zivilrechtlich ist das Eigentum sowohl in Deutschland (§ 903 BGB) als auch in Frankreich (Art. 544 C.c.) als umfassendstes und stärkstes dingliches Recht ausgestaltet, das einem Rechtsträger bezüglich einer Sache zustehen kann.57 Das Eigentum gewährt dabei die positive Befugnis, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und die negative Befugnis, andere von jeder Einwirkung auszuschließen (vgl. dazu auch den Wortlaut des § 903 BGB).58 Das privatrechtliche Eigentum führt so zu einer Ordnung der rechtlichen Verhältnisse und damit zu Rechtssicherheit. Dennoch verhindert diese starke zivilrechtliche Stellung nicht, dass das Eigentum sowohl inhaltlichen Schranken unterliegt (vgl. schon den Wortlaut der Vorschriften § 903 BGB und Art. 544 C.c.) als auch in seinem Bestand durch andere zivilrechtliche Normen eingeschränkt werden kann. Neben der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs sehen auch andere privatrechtliche Normen einen unfreiwilligen Eigentumsverlust des Eigentümers vor und ordnen aus verschiedenen Gründen (Rechtssicherheit, Wiedereingliederung in Wirtschaftskreislauf, Berücksichtigung von Aufwand des Erwerbers) das Eigentum an der Sache einem anderen Rechtssubjekt zu. Dies ist insbesondere bei den gesetzlichen Vorschriften zum Fund, zur Aneignung und zur Verarbeitung, Verbindung und Vermischung der Fall.

II. Der Verkehrsschutz Neben der Bedeutung des Eigentumsrechts ist als weiteres Allgemeininteresse der Verkehrsschutz zu beachten. Besonders dieser wird zur Rechtfertigung des Instituts des gutgläubigen Erwerbs herangezogen. 1. Der Verkehr und sein Schutz a) Der Begriff des Verkehrs und des Verkehrsschutzes Der Verkehrsschutz ist ein schwer fassbarer Begriff. Bereits die Umschreibung des zu schützenden Verkehrs ist schwierig. Handelt es sich hierbei um den gesamten Geschäftsverkehr, den Handelsverkehr, den Rechtsver-

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Zum deutschen Recht vgl. Wolff/Raiser, § 51 II (S. 173): „umfassendste Herrschaftsrecht, das die Rechtsordnung an einer Sache zulässt.“ Die Motive des BGB sprechen vom „vollkommensten und wichtigsten“ dinglichen Recht, Motive der 1. Kommission, S. 22, in: Mugdan, S. 13. Zum französischen Recht u.a. Malaurie/Aynes, Nr. 400 ff.; Atias, Nr. 95 ff. 58 Für die Bedeutung des Eigentums sind beide Formen, die positive und die negative Befugnis, von entscheidender Bedeutung, Wieling, Sachenrecht Bd. 1, § 8 II 1 c (S. 273 f.).

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kehr oder den Warenverkehr?59 Die Beschränkung auf den Geschäftsverkehr würde nicht-geschäftliche Übereignungsvorgänge ausnehmen, die Beschränkung auf den Handelsverkehr solche außerhalb des Handels und beim Begriff des Warenverkehrs stellt sich die Frage, ob nur bewegliche Sachen, die unter den Begriff der „Waren“ fallen, geschützt werden sollen. Geht man umgekehrt davon aus, dass der gutgläubige Erwerb allgemein die rechtsgeschäftlich veranlasste Übereignung beweglicher Sachen betreffen soll, so ist der Begriff des Rechtsverkehrs der passendste Verkehrsbegriff im Bereich des gutgläubigen Erwerbs. Der Umschlag der Sachen und die damit verbundenen Eigentümerwechsel sind bei beweglichen Sachen von grundlegender Bedeutung und ermöglichen erst, dass diese beweglichen Sachen ihren gesellschaftlichen Nutzen bringen können.60 Die volkswirtschaftliche Dimension des Verkehrs an sich lässt sich aufgrund des weiten Begriffs ebenfalls nur schwer fassen. Im Bereich des „Handels“, der nur einen Teil des hier relevanten Rechtsverkehrs darstellt, ergab sich bspw. im Jahr 2001 in der Bundesrepublik Deutschland ein Gesamtumsatz von 1070 Mrd. Euro.61 Tatsächlich geht es dabei in der Mehrzahl der Fälle um die Abwicklung von Kaufverträgen. Es geht somit beim gutgläubigen Erwerb um den Schutz des Rechtsverkehrs. Unter dem Blickwinkel des gutgläubigen Erwerbs lässt sich der Verkehrsschutz als Bestreben, „den Güterumlauf von Störungen durch unerwartet von außen eingreifende Eigentumsansprüche freizuhalten“ beschreiben.62Auch hierfür stehen mit dem Gewerberecht und seinen spezialgesetzlichen Ausprägungen öffentlich-rechtliche Normen zur Verfügung.63 Wie dies auch beim Schutz des Eigentums der Fall ist, so wird allerdings der Verkehrsschutz nicht nur über öffentlich-rechtliche Normen, sondern zudem über das Zivilrecht erreicht. Hierbei spielt vornehmlich jener Teil des Zivilrechts eine Rolle, der den Güteraustausch regelt. Im Zivilrecht ist die Berücksichtigung des Verkehrsschutzes aufgrund seiner begrifflichen Unschärfe und Weite seit langem ein diskutierter Faktor der Rechtsgestaltung.

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Vgl. zu Unterscheidungen bzw. unterschiedlicher Begriffsverwendung bspw. Wolff/ Raiser, § 68 II 1 (S. 249 f.); Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 12 ff. (14); MüKo/Quack (4. Aufl.), § 932 Rdnr. 1 (Rechtsverkehr); Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 2 (Geschäftsverkehr). 60 „La circulation est au meuble ce que la productivité est à l’immeuble: le fondement de son utilité sociale“, Patault, Rdnr. 246. 61 Statistisches Bundesamt, Datenreport 2004, S. 310. 62 Hübner, S. 41. 63 Vgl. bspw. für den Handel mit gebrauchten Sachen § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GewO im deutschen Recht.

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„Der Verkehrsschutzgedanke gehört zu jenen verselbständigten Begriffen des ‚abstrakten Privatrechts‘, das die zweite Hälfte des 19. Jhdts. kennzeichnet. (…) Als Argument leistet das Verkehrsinteresse nicht viel, da es praktisch neutral und für jede Regelung verwendbar ist.“64

So setzt die Kritik am gutgläubigen Erwerb auch häufig am Punkt des Verkehrsschutzes an: „Ich glaube nun aber, dass man das Gewicht dieser Argumente [Raschheit und Verlässlichkeit des Verkehrs] gemeinhin überschätzt. Das Schlagwort ‚Verkehr‘ ist allmählich zu einem Schlachtgeschrei geworden, das zuweilen die Munition ersetzen muss. Von der Suggestion dieses Schlagwortes müssen wir uns freihalten.“65

Aufgrund dieses groben Verkehrs- und Verkehrsschutzbegriffs bietet es sich an, bei der Analyse des Schutzes zwischen den verschiedenen Verkehrssituationen zu unterscheiden, bspw. zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen oder zwischen dem Rechtsverkehr unter Privaten und dem Handelsverkehr.66 Möglich sind demzufolge auch gesetzliche Differenzierungen nach der Art und der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Verkehrs, was dazu führt, dass bspw. unterschiedliche Sorgfaltsanforderungen für den bürgerlich-rechtlichen Verkehr und für den Handelsverkehr ohne Wertungswiderspruch möglich sind.67 Auch können gewisse Verkehrssituationen noch einmal gesondert erfasst werden, wie bspw. die Veräußerungssituationen des Art. 2277 C.c. im französischen Recht oder der Verkehr mit Inhaberpapieren im deutschen Recht (§ 935 Abs. 2 BGB). b) Der gutgläubige Erwerb zum Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs Aus der Weite des Begriffs des Verkehrsschutzes lassen sich zwei besonders bedeutende Elemente identifizieren. Ein effizienter Verkehr erfordert Sicherheit und Leichtigkeit.68 An diesen Aspekten setzt der Verkehrsschutzmechanismus des gutgläubigen Erwerbs an. 64

Wiegand, JuS 1974, 201, 210 Fn. 113. Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 175. Allerdings stützt Reichel sich bei seinen Erwägungen dann wieder maßgeblich auf den Vertrauensschutz, der begrifflich nicht wesentlich präziser ist und im Ergebnis einer Betonung des Verkehrsbedürfnisses nahezu gleichkommt, vgl. Hübner, S. 54 f. 66 U.a. Hager, Verkehrsschutz, S. 88 ff.; Peters, S. 77 ff. 67 Frotz, FS Kastner, 131, 142. So schützt bspw. § 366 HGB im deutschen Recht bei Handelsgeschäften auch den guten Glauben an die Verfügungsberechtigung des Veräußerers. 68 Vgl. auch Wolff/Raiser, § 68 II 1 (S. 249); Baur/Stürner, § 52 Rdnr. 8; Staudinger/ Wiegand, Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 3; zum möglichen Zielkonflikt zwischen Sicherheit und Leichtigkeit auch Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 227 f. der durch den gutgläubigen Erwerb die „Leichtigkeit durch Sicherheit“ verwirklicht sieht. 65

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Der Verkehr erfordert Rechtssicherheit. Die verkehrsbeteiligten Personen müssen darauf vertrauen können, dass die beabsichtigten Transaktionen wirksam sind und dauerhaft wirksam bleiben. Dadurch wird der Verkehr kalkulierbar und verlässlich. Der gutgläubige Erwerb steigert die Sicherheit des Rechtsverkehrs. Die behaupteten Eigentumsrechte eines Veräußerers können nämlich, wie bereits erläutert, vielfach gar nicht nachgeprüft werden. So vollziehen sich Übereignungen beweglicher Sachen häufig von Hand zu Hand ohne schriftliche Dokumente oder Zeugen. Zudem sind manche bewegliche Sachen schwierig zu identifizieren und Gegenstand häufiger Eigentümerwechsel.69 Bei einem Großteil der im Rechtsverkehr betroffenen Sachen (bspw. in Ladengeschäften oder im Großhandel) bestehen demzufolge keine oder nur sehr aufwendige und langwierige (zur Leichtigkeit vgl. auch sogleich unten) Möglichkeiten der Kontrolle der Eigentumsverhältnisse oder von etwaigen Verfügungsbeschränkungen.70 Bestünde bei Transaktionen beweglicher Sachen aber die Gefahr, dass sie nach längerer Zeit nachträglich rückabzuwickeln wären, so würde eine große Unsicherheit entstehen.71 Durch Rückgriff auf den gutgläubigen Erwerb können bestimmte Verkehrssituationen, bei denen dies aufgrund ihrer gesellschaftlichen Bedeutung notwendig erscheint, vom Gesetzgeber mit einer besonderen Sicherheitsgewähr auszustatten sein.72 Hervorzuheben ist dabei, dass der gutgläubige Erwerb innerhalb des konkreten Erwerbsvorganges zwischen Veräußerer und Erwerber zwar nur die fehlende Berechtigung ersetzt, aber hinsichtlich vorheriger Erwerbsvorgänge eine Ausweitung der Fehlerfolge auf weitere Erwerbsvorgänge verhindert.73 Hat der Veräußerer vom Berechtigten erworben, leidet das vorangehende Erwerbsgeschäft aber an anderen rechtlichen Mängeln (z.B. Anfechtbarkeit, Geschäftsunfähigkeit), so schlagen diese rechtlichen Mängel durch den redlichen Erwerb nicht auf das folgende Erwerbsgeschäft durch, das selbst zwar einen Erwerb vom Nichtberechtigten darstellt, im Übrigen aber rechtlich einwandfrei zustande gekommen ist.74 Die Leichtigkeit des Verkehrs ist gegeben, wenn Geschäfte schnell und kostengünstig abgewickelt werden können. Dies wird insbesondere da69 Vgl. Bigot-Préameneu in seiner Präsentation des Gesetzentwurfs des Code civils gegenüber der Gesetzgebenden Versammlung (Corps legislatif) in: Fenet, 15. Band, 20. Titel, S. 600 und u.a. auch Terré/Simler, Rdnr. 426; Patault, Rdnr. 251; Carbonnier, Biens, Nr. 228. 70 Peters, S. 80; vgl. auch Cornu, Les biens, Rdnr. 119; Terré/Simler, Rdnr. 68. 71 Giehl, AcP 161 (1962), 357, 369; Vgl. dazu auch Hager, Verkehrsschutz, S. 59 f. 72 Vgl. dazu im Rahmen der Parameterdiskussion unten S. 208 ff. 73 So auch der Hinweis von Hager, Verkehrsschutz, S. 460. 74 Die Einzelheiten hängen hier allerdings von der jeweiligen nationalen Ausgestaltung der grundsätzlichen schuldrechtlichen Erwerbs- und sachenrechtlichen Übereignungsvorgänge ab.

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durch verwirklicht, dass der Transaktionsaufwand niedrig gehalten wird. Weniger Transaktionsaufwand in Form einer reduzierten Anzahl von erforderlichen Kontrollen (Kontrolle der Innehabung der behaupteten Rechte; Kontrollen vorangegangener schriftlicher Dokumentation) oder Formalitäten (Erstellung schriftlicher Nachweise) führt zu einer schnelleren und kostengünstigeren Abwicklung. Eine Regelung zum gutgläubigen Eigentumserwerb entbindet (unter gewissen Voraussetzungen und in gewissem Umfang) von dieser Nachweis- bzw. Prüfpflicht, indem sie es ermöglicht, dass sich ein Erwerber auf bestimmte äußere Anzeichen stützen darf und im dadurch bestimmten Umfang von weiteren Kontrollobliegenheiten befreit wird. Die Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb ermöglichen so einen Verkehr mit dieser Sache ohne förmliche Nachweise und Übereignungsformalitäten.75 Der Handelsverkehr mit seinen großen Mengen und seiner hohen Umlaufgeschwindigkeit hat ein besonderes Bedürfnis nach Leichtigkeit der Verkehrsabwicklung. Sonderregelungen, wie z.B. § 366 HGB im deutschen Recht, ermöglichen diesem Verkehr eine solche besondere Leichtigkeit. Ohne ein System des gutgläubigen Erwerbs könnte eine Übereignung der Sache durch einen Nichtberechtigten die Wirksamkeit sämtlicher nachfolgender Übereignungsvorgänge beinträchtigen. Ein gutgläubiger Erwerb hingegen lässt alle weiteren Verfügungen als Eigentumserwerbsvorgänge vom Berechtigten geschehen. Eine Kette unwirksamer Rechtsübertragungen mit lähmenden Folgen für den Güterumsatz wird so vermieden.76 Nicht zuletzt würden dadurch zahllose Prozesse hervorgerufen, die mit ihren Kosten den Wert der umstrittenen Sachen übersteigen würden.77 Hervorzuheben ist dabei, dass der so bewirkte Verkehrsschutz dem gesamten Rechtsverkehr zu Gute kommt. Die Mehrzahl der Veräußerungsvorgänge im Rechtsverkehr stellen Veräußerungen durch den Berechtigten dar. Gerade diese sollen in ihrer Leichtigkeit nicht durch die geringere Anzahl von Veräußerungen durch Nichtberechtigte gefährdet werden.78 Den soeben genannten Aspekten (Sicherheit des Verkehrs durch Gewährleistung des Eigentumserwerbs und Erhöhung der Leichtigkeit durch die Reduzierung von Prüfpflichten) liegen ökonomische Aspekte zugrunde.

75 Vgl. u.a. Atias, Nr. 345; im Rahmen einer historischen Betrachtung stellt Patault bereits hinsichtlich des 18. Jahrhunderts fest, dass „l’exigence de l’écrit se heurte à une quasi-impossibilité matérielle“, Rdnr. 251. 76 Baur/Stürner, § 52 Rdnr. 9. 77 Bigot-Préameneu in seiner Präsentation des Gesetzentwurfs des Code civils gegenüber der Gesetzgebenden Versammlung (Corps legislatif) in: Fenet, 15. Band, 20. Titel, S. 600. 78 In den neueren Untersuchungen betonen dies u.a. auch Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 236 f. u. 243 und Prisching, S. 19.

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Im Rahmen der Begrifflichkeit der ökonomischen Analyse 79 geht es dabei um die Senkung von Transaktionskosten. Nach dem Coase-Theorem der ökonomischen Analyse des Rechts sind Transaktionskosten, wozu auch Informationskosten gehören, die durch einen detaillierten Eigentumsnachweisprozess hervorgerufen werden, zu vermeiden.80 Je mehr Informationen der Erwerber benötigt, um einen gewollten Eigentumserwerb sicherzustellen, desto höher sind die dadurch verursachten Kosten. Durch eine Regelung zum gutgläubigen Erwerb werden die Transaktionskosten prinzipiell verringert, da der absolute Eigentümernachweis nicht mehr geführt werden muss.81 Der Grad, mit dem die Transaktionskosten sich verringern, hängt von der jeweiligen Ausgestaltung einer Regelung ab. Je weniger Tatbe-

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Zur Tauglichkeit der Methoden der ökonomischen Analyse im Bereich des gutgläubigen Erwerbs vgl. oben S. 6 ff. 80 Das Coase-Theorem beschreibt ein bedeutendes Untersuchungskriterium im Bereich der ökonomischen Analyse des Rechts, wenn es um die Notwendigkeit des Abbaus von Transaktionskosten geht (vgl. dazu u.a. Eidenmüller, S. 97 ff.). Es besagt, dass unter der Annahme, dass Informations-, Koordinations- und Rechtsübertragungskosten gleich null sowie Handlungsrechte frei übertragbar sind, sich im Laufe der Zeit durch marktmäßige Austauschvorgänge immer die gleiche Verteilung der Handlungsrechte einstellt (Idealzustand). Dies geschehe unabhängig davon, wie diese Rechte originär verteilt waren. Die Effizienz eines Rechtssystems beurteile sich demnach nach dem Grad des Erreichens eines solchen Idealzustands. (Unter Handlungsrechten (property rights) versteht die ökonomische Analyse Rechte, die sich auf jeglichen Gebrauch jeder Art von Gütern beziehen; dies schließt das Eigentum mit ein; vgl. zu diesem Begriff insb. Assmann/ Kirchner/Schanze, Einleitung zur Neubearbeitung 1992, in Assmann/Kirchner/Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Rechts, S. X (besonders auch die kritische Anmerkung in Fn. 3).) Aus dem Coase-Theorem folgt daher, dass das Ausbleiben des Idealzustands seine Ursache in den Informations- und Koordinationskosten (Transaktionskosten) hat; Schäfer/Ott, 3. Kap., 8.2 u. 8.3 (S. 102 ff.) (zu kritischen Elementen dieses CoaseTheorems vgl. dort 3. Kap., 8.4 (S. 104 ff.)). Unterscheidet man nun die originäre Verteilung der Handlungsrechte und die sich durch anschließende Austauschvorgänge einstellende Verteilung der Handlungsrechte, so ist die originäre Verteilung durch die Rechtsordnung umso mehr von Bedeutung, je höher die Transaktionskosten sind, da letztere verhindern, dass sich durch Marktvorgänge der Idealzustand einstellt; Schäfer/Ott, 3. Kap., 8.4.2 (S. 105). Insgesamt ergeben sich daraus zwei grundlegende Anliegen: Zum einen sind die Transaktionskosten möglichst niedrig zu halten, um zu erreichen, dass sich der Idealzustand möglichst leicht im Wege von Marktvorgängen einstellen kann. Zum anderen ist auf eine originäre Zuteilung von Handlungsrechten durch die Rechtsordnung besonders dort zu achten, wo hohe Transaktionskosten bestehen. Hier besteht folglich das Anliegen, den Idealzustand bereits möglichst weitgehend durch die originäre Zuteilung durch die Rechtsordnung zu verwirklichen; Schäfer/Ott, 3. Kap., 8.9 (S. 112 f.) unter Hinweis auf einen Vorschlag Posners. 81 Zum Verkehrsinteresse als „Synonym für das Streben nach Transaktionskostenminimierung“ auch Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 230. Eine Abschätzung der volkswirtschaftlichen Folgen unternimmt auch Neundörfer, S. 306 ff.

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standsmerkmale zu erfüllen sind, desto niedriger sind die Transaktionskosten. Die auf Seiten des Erwerbers bewirkte Senkung der Transaktionskosten wird auch nicht durch Steigerung der Kosten des Eigentümers im Rahmen von im Wirtschaftsverkehr erforderlichen Gebrauchsüberlassungsverträgen erzeugt.82 Eine solche von Peters angenommene Steigerung würde aus gesamtökonomischer Sicht letztlich keinen Vorteil bringen. Im Falle des Vorhandenseins einer Regelung zum gutgläubigen Erwerb mag der Eigentümer zwar geneigt sein, die Kontrollen zu erhöhen, um unredliches Verhalten der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft zu vermeiden. Diese Kontrollmöglichkeiten sind aber zum einen auch ohne Anwendbarkeit eines gutgläubigen Erwerbs notwendig und zum anderen in ihrer praktischen Wirksamkeit beschränkt. Da eine Vielzahl von Sachen nach einer Veräußerung durch einen Nichtberechtigten nicht wieder auftaucht, ist ein Eigentümer jedenfalls gehalten, bei Gebrauchsüberlassungsverträgen bestimmte Kontrollmechanismen vorzusehen. Zudem kann schon aus praktischen Gründen nicht jede Veräußerung durch Nichtberechtigte verhindert werden, da entsprechende Kontrollmöglichkeiten und Identifikationsmöglichkeiten gerade nicht zur Verfügung stehen. Schließlich finden Veräußerungen durch Nichtberechtigte auch nicht nur in solchen Konstellationen statt, in denen der Veräußerer die Sache vom Eigentümer im Rahmen eines Gebrauchsüberlassungsvertrags bekommen hat (so z.B. bei unerkannter Unwirksamkeit vorangegangener Veräußerungen). Darüber hinaus bleibt das Risiko des missbräuchlichen oder absprachewidrigen Umgangs mit der Sache durch den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft im Rahmen von Gebrauchsüberlassungsverträgen auch ohne ein System des redlichen Erwerbs bestehen.83 c) Entwicklungen im Bereich des Verkehrs Im Hinblick auf eine mögliche Neujustierung des Interessenausgleichs sind auch etwaige Entwicklungen, die sich im Rechtsverkehr seit Inkrafttreten der entsprechenden Regelungen ergeben haben, zu berücksichtigen. An82

Peters fordert eine stärkere Berücksichtigung des Schutzes der Gebrauchsüberlassungsverträge und sieht eine Belastung der mit der Besitzüberlassung verbundenen Verträge in dem Umfang gegeben, in dem das Verkehrsinteresse durch den gutgläubigen Erwerb geschützt wird; Peters, S. 72 ff. 83 Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 235. So auch Neundörfer, S. 322 ff. m.w.Nachw. zu Diskussionsbeiträgen zu diesem Punkt. Das gesteigerte Risiko im Zusammenhang mit typischen Situationen, die zur Überlassung der tatsächlichen Sachherrschaft führen (z.B. Eigentumsvorbehalt), lässt sich im Übrigen mit dem Kriterium der Gutgläubigkeit und den dort begründeten Nachforschungspflichten in solch typischen Situationen minimieren.

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ders als im Bereich des Schuldrechts mit seinen privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten kann das starre Sachenrecht solche Entwicklungen ohne Gesetzesänderungen nur bedingt aus sich selbst heraus durch privatautonome Gestaltungen nachvollziehen.84 Zur genauen Bedeutung des Verkehrs im Allgemeinen und des Verkehrs durch Nichtberechtigte im Besonderen sowie zum durch den gutgläubigen Erwerb bewirkten Verkehrsschutz (der sich, wie erläutert, auf den ganzen Verkehr insbesondere einschließlich aller Verfügungen durch Berechtigte erstreckt) existieren keine verlässlichen und aussagekräftigen Zahlen. Die genaue Berechtigung eines solchen Verkehrsschutzes ließe sich nur anhand einer breit angelegten Rechtstatsachenforschung ermitteln.85 Ebenso verhält es sich mit präzisen Aussagen zu den Entwicklungen im Bereich des Verkehrs seit Inkrafttreten der entsprechenden deutschen (1900) und französischen (1804) Regelungen. Einige Aspekte zu den Entwicklungen, die sich aufgrund des technischen Fortschritts und durch die Entwicklung und den Einsatz von Informationstechnologien ergeben, können aber festgehalten werden. Aufgrund der erweiterten technischen Möglichkeiten (Mikroelektronik, Mikromechanik, Nanotechnologie u. a.) existieren heute viele (physisch) kleine bewegliche Sachen von bedeutendem Wert. Zudem hat der Einbau wertvoller kleiner Sachen in größere bewegliche Sachen (Fahrzeuge, Maschinen etc.) dazu geführt, dass auch größere Sachen durchschnittlich wertvoller geworden sind. Dies gilt insbesondere im Verhältnis von Mobilien zu Immobilien. Heute kann nicht mehr mit einer solchen Eindeutigkeit festgestellt werden, dass Immobilien durchschnittlich wertvoller sind als Mobilien, wie dies noch um das Jahr 1900 der Fall war. Dies führt aber auch dazu, dass Unternehmer und Privatleute gezwungen sind, stärker bewegliche Sachen zur Finanzierung und Kreditsicherung86 einzusetzen bzw. zur Finanzierung der Anschaffungskosten (oder anstelle einer Anschaf84 Zum Eindringen der schuldrechtlichen Vertragsfreiheit in das Sachenrecht über fiduziarische Rechtsstellungen und Bedingungen (§ 158 BGB) durch besitzlose Mobiliarsicherheiten und die dadurch bewirkte Verdinglichung obligatorischer Rechte (Sicherungseigentum) und dingliche Wirkung obligatorischer Bindungen (Besitz) vgl. Wolf, NJW 1987, 2647, 2650. 85 Wiegand, JuS 1974, 201, 210. Auf das Fehlen empirischer Daten zur volkswirtschaftlichen Bedeutung eines gutgläubigen Erwerbs wird regelmäßig hingewiesen, vgl. Thorn, S. 263 oder Peters, S. 82 (im Hinblick auf den Verkehr unter Privatleuten). 86 Vgl. auch Baur/Stürner, § 14 Rdnr. 6 und § 56 Rdnr. 9. Allgemein haben in sämtlichen europäischen Rechtsordnungen die besitzlosen Mobiliarsicherheiten eine größere Bedeutung erlangt. Diese sind im Übrigen nicht Gegenstand dieser Untersuchung, vgl. dazu bspw. Wolf, NJW 1987, 2647, 2650; Kieninger, S. 23 ff.; Röthel, JZ 2003, 1027, 1030. Zur zunehmenden Bedeutung aufgrund der Zunahme von Umlaufvermögen vgl. Drobnig, Recht der Kreditsicherheiten, in: Europäisches Parlament (Hrsg.), Untersuchung der Privatrechtsordnungen der EU, 1999, 59, 74.

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fung) auf andere Finanzierungsformen auszuweichen. Durch diesen vermehrten Einsatz von Eigentumsvorbehalt,87 Sicherungsübereignung, Mietmodellen,88 Leasing und ähnlichen Formen kommt es auch häufiger zu einem Auseinanderfallen von tatsächlicher Sachherrschaft und Eigentum. Durch den Einsatz moderner Informationstechnologien (computergestützte Marktplätze und Datenbanken, Logistiksoftware) kommt es zu einer deutlichen Erweiterung des räumlichen Markts und zu einem schnelleren Umschlag der beweglichen Güter, die demzufolge über größere Entfernungen hinweg bewegt werden.89 Im Speziellen hat die Zunahme des Handels über das Internet bzw. dessen grafische Oberfläche World Wide Web zu einer Zunahme des Versandhandels geführt.90 Ebenfalls zugenommen hat aufgrund des Handels über das Internet der Handel zwischen Privatpersonen (bspw. durch den Handel über Online-Marktplätze wie eBay). Dieser umfasst in der Regel insbesondere den Handel mit gebrauchten Sachen. Waren solche Transaktionen bisher im Wesentlichen auf Annoncen in Kleinanzeigen und auf Flohmärkte beschränkt, so steht nun eine jederzeit geöffnete und mit geringem Kostenaufwand erreichbare Plattform zur Verfügung. Gerade auf diesem dadurch sehr großen Markt kommt es zu einem intensiven Verkehr mit gebrauchten Gegenständen. Das Ergebnis dieser Entwicklungen ist, dass aufgrund der Verkehrsveränderungen (Umlaufgeschwindigkeit, Reichweite, Höhe des Vermögenseinsatzes, Handel mit Gebrauchtwaren) ein Verkehrsschutz zumindest weiterhin aktuell, wenn nicht sogar noch bedeutender geworden ist. Andererseits entfernt sich der aktuelle Verkehr durch das zunehmende Auseinanderfallen von tatsächlicher Sachherrschaft und Eigentum an einer Sache weiter von der Grundprämisse des redlichen Erwerbs.91 2. Der Verkehrsschutz und Verfassungsrecht Die verfassungsrechtlichen Fragestellungen im Bereich des Verkehrsschutzes werden bei den deutschrechtlichen Untersuchungen regelmäßig nur 87 Bereits 1972 wies Frotz in Österreich darauf hin, dass in den 20 Jahren davor in Österreich in etwa doppelt so viele höchstrichterliche Entscheidungen zum gutgläubigen Mobiliarerwerb ergangen waren, wie in den 140 Jahren davor, wobei er der zunehmenden Verwendung des Eigentumvorbehalts einen maßgeblichen Anteil an diesem Anstieg zuschreibt; Frotz, FS Kastner, 131, 131. Vgl. auch Giehl, AcP 161 (1962), 357, 365. 88 Giehl, AcP 161 (1962), 357, 364. 89 Vgl. auch Giehl, AcP 161 (1962), 357, 364. 90 Der E-Commerce als internetbasierte Form des Versandhandels hat dabei dazu geführt, dass die Umsätze im Versandhandel 2002 seit längerer Zeit erstmals wieder gewachsen sind, Statistisches Bundesamt, Datenreport 2004, S. 314. 91 Zum Auseinanderfallen von tatsächlicher Sachherrschaft und Eigentum vgl. unten S. 182 ff. und zur Berücksichtigung von Verkehrsumständen im Rahmen der Gutgläubigkeit vgl. unten S. 234 ff.

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inzident im Bereich der Verhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffs aufgeworfen. Das Verkehrsinteresse stellt dabei einen legitimen Zweck dar, da es mit seiner Senkung der Transaktionskosten und der daraus resultierenden besseren Ressourcennutzung (Steigerung der Allokationseffizienz) Wohlfahrtsgewinne begünstigt.92 Ein direkter verfassungsrechtlicher Schutz des Rechtsverkehrs wird hingegen selten erörtert.93 Man könnte sich dabei die Frage stellen, ob durch Ausnahmen vom redlichen Erwerb ein verfassungsrechtlich geschützter Verkehr zu Gunsten der Eigentumsgewährleistung über das zulässige Maß hinaus eingeschränkt wird. Soweit dies untersucht wird, werden Ausnahmeregeln zum gutgläubigen Erwerb zu Lasten eines gutgläubigen Erwerbers für verfassungskonform erachtet.94 Eine Besonderheit stellen die Ausführungen von Neundörfer dar. Diesen muss man wohl so verstehen, dass er die Ausnahme vom redlichen Erwerb für abhanden gekommene Sachen (§ 935 Abs. 1 BGB) für verfassungsrechtlich unzulässig ansieht. Die Einschränkung des Eigentumsrechts (Art. 14 GG) durch den redlichen Erwerb lasse sich nur mit ihrem volkswirtschaftlichen Nutzen rechtfertigen. Da aber die Einschränkung durch § 935 Abs. 1 BGB dazu führe, dass dieser volkswirtschaftliche Nutzen und damit die verfassungsrechtliche Rechtfertigung verloren ginge, müsse diese Einschränkung als unzulässig angesehen werden.95 Dem Schluss der Beseitigung des volkswirtschaftlichen Nutzens ist nicht zuzustimmen. Zwar wird der ökonomische Vorteil durch eine Ausnahme vom gutgläubi-

92

Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 232. Als individuelle Komponente des Verkehrsschutzes wird auch ein möglicher verfassungsrechtlicher Schutz des Anspruchs des Erwerbers gegen den Veräußerer auf Übertragung des Eigentums diskutiert, da der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG auch eine solche privatrechtliche Forderung als vermögenswertes Recht umfasse, Hager, Verkehrsschutz, S. 48 m.w.Nachw., der diesen Anspruch im Rahmen der von ihm verfolgten Kollisionslösung dem Eigentum des Eigentümers gegenüberstellt, vgl. Hager, Verkehrsschutz, S. 79. 94 Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 209 unter Hinweis darauf, dass dem erfolglosen Erwerber noch seine vertraglichen Ansprüche gegen den Vertragspartner verbleiben. 95 Neundörfer, S. 345. Unklar bleibt an dieser Stelle die von diesem getroffene Schlussfolgerung: Ist das System des gutgläubigen Erwerbs mit einer solchen Ausnahmebestimmung damit insgesamt ungeeignet zur Einschränkung des Art. 14 GG und folglich verfassungswidrig oder ist die Ausnahmebestimmung an sich verfassungswidrig (obwohl sie grundsätzlich einen Schutz des Art. 14 GG bewirkt), so dass damit – ohne diese Ausnahmebestimmung – eine verfassungswidrige Einschränkung des Art. 14 GG übrig bleibt. Allerdings bezeichnet Neundörfer die Bestimmung des § 935 BGB in seiner Zusammenfassung (Neundörfer, S. 393) als verfassungswidrig. Dies geht zu weit. Die Folgerung müsste vielmehr sein, dass ein so ausgestaltetes System des gutgläubigen Erwerbs dann nicht geeignet ist, eine Einschränkung des Art. 14 GG zu bewirken. 93

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gen Erwerb gemindert, er ist aber immer noch größer als ganz ohne eine System des gutgläubigen Erwerbs.

III. Die Wechselwirkung zwischen Eigentums- und Verkehrsschutz Bei der Betrachtung der Allgemeininteressen ist hervorzuheben, dass zwischen dem Eigentumsschutz und dem Verkehrsschutz eine Wechselwirkung besteht. Zwar ist der Verkehrsschutz zunächst für den Erwerber und der Schutz des Eigentums für den Eigentümer relevant, aber der Verkehrsschutz selbst bedarf auch einer ausreichend starken Eigentumsgewährleistung und umgekehrt bedarf eine Eigentumsgewährleistung auch eines gewissen Verkehrsschutzes. Ein Erwerber hat an einem schutzlosen und möglicherweise in der Folge auch wirtschaftlich nutzlosen Eigentum kein Interesse. Er möchte vielmehr selbst eine ausreichend starke Rechtsposition erwerben. Beim Eigentümer wiederum besteht ein Interesse an der Verkehrsfähigkeit. Mit Ausnahme eines Eigentümers, der an einer Sache rein ideelle Interessen verfolgt, ist es auch im Interesse eines Eigentümers, die Verfügungsfähigkeit über die Sache zu erhalten und somit deren Umlauffähigkeit zu gewährleisten. So wurde bereits von der Ersten Kommission im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten zum BGB festgestellt, dass „der in dem einen oder anderen Falle einen einzelnen Eigenthümer treffende Verlust in keinem Verhältnisse zu dem allen Eigenthümern aus der Befähigung zu einem den Erwerber sicherstellenden Veräußerungsakte erwachsenden Vortheile“

steht.96 Es handelt sich somit beim Eigentumsrecht und dem Verkehrsschutz nicht um zwei vollständig entgegengesetzte Interessen. Zwischen beiden Aspekten besteht eine Wechselwirkung.97 Eine absolute Privilegie-

96

Motive der 1. Kommission, S. 344, in: Mugdan, S. 191. Vgl. dazu auch Wellspacher, S. IX: „Was der Festigkeit des Eigentums auf der einen Seite genommen wird, wird ihr auf der anderen gegeben.“ und Hager, Verkehrsschutz, S. 3: „Seine [des Eigentümers] Sache ist primär deswegen verkehrsfähig, weil die Rechtsordnung den Erwerber sogar dann schützt, wenn der Veräußerer nicht berechtigt war. Eine andere Regelung würde den Umlauf und damit letztlich auch den Belang des Eigentümers, über seine Sache möglichst ungehindert verfügen zu können, beeinträchtigen.“ und S. 80. Dies kritisiert Quack da er meint, dies komme dem wirklichen Eigentümer so zugute, wie die „Strafbarkeit des Diebstahls dem Dieb nützt.“ MüKo/Quack (4. Aufl.), § 932 Rdnr. 1 Fn. 2. Die Kritik ist berechtigt, bezieht man die Aussage Hagers nur auf den individuellen Einzelfall. Betrachtet man aber die Aussage auf das Eigentum generell (i.S.d. der Gesamtheit der Eigentümer), so ist die Aussage Hagers zutreffend. Die Eigentümer profitieren dadurch, dass sie bei keiner Veräußerung (und die Mehrzahl der Veräußerungen erfolgt als Veräußerung vom Berechtigten) ihr Eigentum nachweisen müssen. 97

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rung einer der beiden Seiten erscheint schon aufgrund dieser Wechselbeziehung nicht als optimale Lösung.98

IV. Besondere Staatsinteressen Weiterhin können besondere staatliche Interessen temporär oder dauerhaft eine Veränderung der Interessenlage herbeiführen.99 Eine Berücksichtigung solcher Sonderinteressen erfolgt durch die nationalen Gesetzgeber regelmäßig über Sonderregelungen. Im Bereich des gutgläubigen Erwerbs besondere Bedeutung hat dabei die Behandlung kriegsbedingter Umstände gewonnen. Zur Aufarbeitung von kriegsbedingten unruhigen Zeiten wurden regelmäßig die Eigentumsrechte auf Kosten der Umlauffähigkeit und des Verkehrsschutzes gestärkt. Die französische Sondergesetzgebung zu Wertpapieren entwickelte sich aufgrund der Folgen des Kriegs 1870/71. Die durch kriegsbedingte Umstände in fremde Hände gelangten Wertpapiere sollten dort nach Möglichkeit nicht verwertungsfähig sein.100 Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Sondergesetze verabschiedet, um die negativen Folgen der kriegerischen Umstände auf das Vermögen und damit auch die Eigentumsrechte der Betroffenen einzugrenzen.101 Losgelöst von der Aufarbeitung besonderer temporärer Zustände können sich dauerhafte staatliche Anliegen ergeben, so wie bspw. beim Schutz nationalen Kulturguts. Gegenstände von großer geschichtlicher oder kultureller Bedeutung werden dabei besonders geschützt. Ein solcher Schutz kann nicht nur durch öffentlich-rechtliche Normen, z.B. Ausfuhrverbote, erreicht werden, sondern auch durch eine besondere Behandlung im Rahmen privatrechtlicher Erwerbsvorgänge. 98 Dies sagt allerdings noch nichts darüber aus, in welcher Art und durch welches Rechtsinstitut dieser Wechselwirkung Rechnung getragen werden soll. 99 Terré/Simler, Rdnr. 445. 100 Zur französischen Wertpapiergesetzgebung vgl. insb. unten S. 255 ff. 101 Siehe z.B. die Ordonnance vom 21. April 1945, welche die Rückerlangung von geraubten und geplünderten Sachen durch die ursprünglichen Eigentümer erleichtern sollte; dazu Malaurie/Aynes, Nr. 573. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wurden ebenfalls besondere sachenrechtliche Regelungen notwendig, um Konflikte in der Eigentumszuweisung zu regeln. Besondere Regelungen mit Bezug zum gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen wurden dabei allerdings nicht getroffen. Durch Art. 8 des Einigungsvertrags gilt das BGB seit dem 3.10.1990 auch im Gebiet der ehemaligen DDR. Anpassungsregelungen wurden in Art. 230 ff. EGBGB getroffen. Die Regelungen zum Sachenrecht finden sich in Art. 233 EGBGB. Die Eigentumsregeln finden nach Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB Anwendung vom Tag des Wirksamwerden des Beitritts an. Sonderregeln werden nur im Hinblick auf Grundstücke getroffen: Art. 233 § 2 Abs. 2 – Art. 233 §16 EGBGB. Zum gutgläubigen lastenfreien Erwerb von Grundstücken vgl. zudem § 111 SachenRBerG.

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C. Vergleich und Abwägung Eine Regelung zum gutgläubigen Erwerb muss die betroffenen individuellen Interessen und die berührten Allgemeininteressen vergleichen und gegeneinander abwägen.

I. Die (zusätzlichen) Abwägungskriterien Wie zu Beginn dieses Kapitels erläutert,102 ist der Übergang von zu berücksichtigenden Allgemeininteressen zu Abwägungskriterien fließend. Derselbe Gesichtspunkt kann entweder als Allgemeininteresse oder als Abwägungskriterium Berücksichtigung finden, ohne dass damit ein wesentlicher qualitativer Unterschied verbunden ist. Entsprechend der vornehmlichen Behandlung in der Literatur werden nachfolgende Kriterien im Rahmen der Abwägung berücksichtigt: 1. Vertrauensschutz Im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs spielt der Vertrauensschutz generell eine bedeutende Rolle.103 So reduziert sich nach Picker die Konstellation entscheidend auf die Vertrauensfrage „welche der beiden Parteien dank ihrer Beziehung zur Sache den besseren Vertrauensgrund hat.“104 Beim Vertrauensschutz handelt es sich um ein fundamentales Prinzip einer jeden Rechtsordnung,105 um ein legitimes gesetzgeberisches Ziel, das die Rechtsordnung in weiten Bereichen maßgeblich beeinflusst und dem somit auch eine rechtfertigende Wirkung beizumessen ist.106 Allerdings ergibt sich auf der Ebene des individuellen Interessenvergleichs im Rahmen des von den beiden Hauptbeteiligten aufgebrachten Vertrauens kein wesentlicher Unterschied. Sowohl der Eigentümer als auch der Erwerber bringen regelmäßig gleichermaßen Vertrauen in ihre Geschäftspartner auf, so dass diesbezüglich „Vertrauen gegen Vertrauen“ 102

Vgl. oben S. 125 ff. Vgl. bspw. Wiegand, JuS 1978, 145, 148 ff.; Westermann, JuS 1963, 1 ff. (Vertrauen auf den Rechtsschein). 104 Picker, AcP 188 (1988), 511, 551 f., der die klassischen Gesichtspunkte von Bestandsschutz und Verkehrsschutz als nicht vergleichbar ansieht. 105 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 3 ff., der zwischen dem positiven (der Vertrauende erhält einen Anspruch auf „Vertrauensentsprechung“) und dem negativen Vertrauensschutz (der Vertrauende wird durch Schadensersatzansprüche so gestellt, als hätte er nicht vertraut) unterscheidet. Demnach wäre der gutgläubige Erwerb unter den positiven Vertrauensschutz zu fassen, da der Erwerber als Vertrauender bei Erfüllung der statuierten Voraussetzungen so gestellt wird, wie es seinem Vertrauen entspricht (Eigentumserwerb). 106 Peters, S. 58. 103

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steht.107 Aber auch bei der generellen Interessenbetrachtung kann der Gedanke des generellen Vertrauensschutzes zur Auflösung des Interessenkonflikts nicht viel Zusätzliches beitragen. Zwar schützt der gutgläubige Erwerb im Ergebnis auch das Vertrauen des Erwerbers in das Eigentum oder die Verfügungsberechtigung des Geschäftspartners und das Vertrauen potenzieller Erwerber in den Geschäftsverkehr. Dieser Vertrauensschutz rechtfertigt sich aber nicht aus sich allein heraus, sondern der Vertrauensschutz erfolgt, um den Verkehr zu schützen. Insbesondere wird alleine aus dem Gesichtspunkt des Vertrauens keine Erklärung geliefert, warum das Vertrauen des Erwerbers gegenüber dem Vertrauen des Eigentümers bevorzugt werden sollte.108 Nicht zuletzt aus den Grundsätzen des Vertrauensschutzes ergibt sich jedoch, dass der Verkehr nicht in jedem Fall, sondern nur im Rahmen eines redlichen und auf gewissen gerechtfertigten äußeren Annahmen gestützten Vertrauens schützenswert ist. In den gängigen Systemen des redlichen Erwerbs wird dem Vertrauensschutz über das Kriterium der Gutgläubigkeit und den Anforderungen an den Rechtsscheinträger (Besitz, possession) denn auch Rechnung getragen.109 Das Vertrauen darf nämlich kein „blindes“ sein, sondern bedarf einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage.110 Leuschner weist zudem darauf hin, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Grund besteht, dem Vertrauen „‚als solche[m]‘, d.h. unabhängig davon, ob aus einer Enttäuschung weitere Nachteile entstehen“, eine grundrechtliche Relevanz zuzuordnen.111 Hinter dem Vertrauensschutz verbirgt sich wiederum die Rücksichtnahme auf die Verkehrssicherheit.112 Diejenigen, die den Vertrauensschutz sehr hoch ansiedeln, betonen ebenfalls den Verkehrsschutz.113

107

Hübner, S. 55; so auch Peters, S. 67: „Letztlich müssen sich beide Seiten darauf verlassen, dass ihr Geschäftspartner Handlungen unterlässt, die in jedem Fall pflichtwidrig, bei Vorsatz sogar strafbar sind.“ Die Bilanz des „gleichen Vertrauens“ ergibt sich allerdings nicht im Rahmen von gestohlenen oder verlorenen Sachen. Diese Situation ist diesbezüglich ein Sonderfall. 108 Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 220; Vgl. auch die Gegenüberstellung der Vertrauenspositionen bei Picker, AcP 188 (1988), 511, 551 ff. 109 So Baur/Stürner, § 52 Rdnr. 10 die bei der Rechtfertigung des redlichen Erwerbs von einer Kumulierung des Gedankens der Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit dem Vertrauensgedanken sprechen; Rebe, AcP 173 (1973), 186, 187, der den Vertrauensschutz neben dem Verkehrsschutz als einen tragenden und begrenzenden Rechtsgedanken des gutgläubigen Erwerbs bezeichnet. 110 Peters, S. 60. 111 Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 221. 112 Brox, Rdnr. 28. 113 Hübner, S. 55.

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2. Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Kontinuität Ein wesentliches Abwägungskriterium ist die Rechtssicherheit. Hinter dem Begriff der Rechtssicherheit stehen eine Reihe verschiedener Aspekte:114 Rechtsfrieden, Rechtsklarheit, Rechtsbestimmtheit, Rechtszugänglichkeit, Rechtsdurchsetzung, Rechtskontinuität in der Zeit, Rechtskonzentration, Verkehrssicherheit und Vertrauensschutz.115 Aus dem Gedanken der Rechtssicherheit ergeben sich zunächst allgemeine Anforderungen an gesetzliche Regelungen. Die Rechtssicherheit erfordert klare und eindeutige Gesetze, so dass sich die Rechtsunterworfenen in ihrem Verhalten darauf einrichten können.116 Die rechtliche Bewertung eines Sachverhaltes soll möglichst prognostizierbar sein. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, betreffend den Eigentumserwerb an einer Sache, nimmt mit der Zeit zu, da es nicht wünschenswert ist, dass eine vermeintliche und nach außen auch als solche erscheinende Rechtsposition von der tatsächlichen Rechtslage über einen langen Zeitraum hinweg abweicht. Es steigt also im Laufe der Zeit das Interesse daran, denjenigen, der sich für den Eigentümer hält und sich gegenüber Dritten so verhält, auch als Eigentümer anzusehen. Mit zunehmender Zeit gewinnt die Rechtssicherheit im Sinne des Rechtsfriedens an Bedeutung.117 Die Möglichkeit der vollständigen Rückabwicklung und der Beweisbarkeit tatsächlicher Vorgänge nimmt im Laufe der Zeit ab. Die Kontinuität einer gesetzlichen Regelung ist ebenfalls Teil der Rechtssicherheit und wird im Zusammenhang mit der Regelung zum gutgläubigen Erwerb häufig genannt.118 Dies war auch im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten des BGB der Fall. Dort wurde mit der Fortführung der deutschrechtlichen Tradition argumentiert.119 Die historische Kontinuität 114 Scholz, S. 3 f. definiert die Rechtssicherheit allgemein als „einen Rechtszustand, welcher die Lebensgüter möglichst vollständig und wirkungsvoll schützt und diesen Schutz unparteiisch und gerecht verwirklicht, daher auch mit den entsprechenden Rechtsschutzeinrichtungen versehen ist und das Vertrauen der Rechtsuchenden in gerechte Handhabung des Rechts genießt.“ Zusammenfassend ergänzt er: „Rechtssicherheit ist das gewährleistete Vertrauen in das Bestehen des Rechts und in seine unparteiische und gerechte Handhabung.“, S. 4. 115 Vgl. mit jeweils leicht unterschiedlichen Aufzählungen Münch, NJW 1996, 3320, 3320 f.; Scholz, S. 8 ff.; F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 327 f. Einige der genannten Aspekte wurden hier bereits erörtert. So verlangt die inhaltliche Komponente der Rechtssicherheit den Schutz wichtiger Rechtsgüter der Bürger, wozu auch der Schutz des Eigentums zählt; Horn, Rdnr. 22. Andererseits strebt die Rechtssicherheit auch die Verkehrssicherheit an; Scholz, S. 40 ff. 116 Horn, Rdnr. 22. 117 Vgl. auch die Darstellung bei Schoen, NJW 2001, 537, 543. 118 Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 174 m.w.Nachw.; vgl. auch die Wiedergabe der Diskussion bei Hübner, S. 16 ff. 119 Vgl. Schubert, Entstehung, S. 174 f. sowie unten S. 277.

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alleine kann eine gesetzliche Regelung jedoch nicht rechtfertigen,120 denn sie besagt nichts über Sinn und Unsinn einer Regelung und nichts darüber, ob sie den aktuellen Gegebenheiten121 noch angemessen ist.122 Das Leben und die Rechtsanschauungen sind in dauerndem Fluss, so dass es nicht zu vermeiden ist, „die Gesetze fortlaufend den veränderten Verhältnissen anzupassen, um der Gegenwart und dem jeweiligen Zeitgeist gerecht zu werden, sei es, dass man das Gesetz förmlich ändert, sei es, dass man es so elastisch gestaltet, dass der Richter es den neuen Verhältnissen und neu auftauchenden Rechtslagen gegenüber gerecht anwenden kann.“123 Ändern sich die Lebensbedingungen, die Umstände oder die Bedürfnisse oder erkennt man Schwächen einer existierenden Regelung, so darf eine Änderung nicht unter Berufung auf die Rechtssicherheit im Sinne einer Kontinuität verhindert werden. Dies würde zum Stillstand der Rechtsentwicklung führen.124 Demnach können in unterschiedlichen Epochen und Umständen die Aspekte des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit unterschiedlich zu gewichten sein. In Zeiten von Unruhe (Krieg) gewinnt der Eigentumsschutz und die Möglichkeit für Eigentümer, ihre Güter wiederzuerlangen, an Bedeutung. In Friedenszeiten fordern Handelsinteressen eine Sicherheit des Erwerbs.125 3. Gerechtigkeit Schließlich ist auch die Gerechtigkeit als oberstes Ziel des Rechts zu berücksichtigen.126 Am vollkommensten ist die Gerechtigkeit durch die Ermöglichung einer Einzelfallgerechtigkeit gewährleistet.127 Daraus ergibt sich jedoch ein Spannungsverhältnis zur Rechtssicherheit, die ebenfalls der 120

Reichel meint: Die bloße Überlieferung von den „Altvorderen“ macht es noch nicht vernünftig (Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 174 mit einem Hinweis auf eine römische Quelle gleichen Inhalts: Non omnium, quae a maioribus constituta sunt, ratio reddi potest (Jul. D. 1,3,20).) 121 Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 174. 122 Nicht die historische Herkunft, sondern alleine ein praktisches Bedürfnis für eine Regelung ist entscheidend. So dann auch schon die Zweite Kommission im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten zum BGB, Protokolle der 2. Kommission, S. 4029 f., in: Mugdan, S. 693. 123 Scholz, S. 27 f. 124 Zur Elastizität einer Regelung vgl. auch die Erörterungen im Rahmen der Gutgläubigkeit, S. 233 ff. 125 Malaurie/Aynès, Nr. 572. 126 Zu großen Teilen wurden materielle Aussagen zur Gerechtigkeit bereits anhand der oben genannten Interessen berücksichtigt. Diese Aussagen finden sich nämlich in den grundlegenden Prinzipien und Wertungen der positiv gegebenen Rechtsordnung, wie den Grundrechten, dem Grundsatz der Privatautonomie oder auch dem Vertrauensschutz, vgl. Horn, Rdnr. 417. 127 Scholz, S. 6.

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Verwirklichung von Gerechtigkeit dienen soll.128 Eine rein einzelfallbezogene Interessenermittlung und -abwägung führt zu völliger Rechtsunsicherheit und ist für eine gesetzliche Regelung nur eingeschränkt tauglich.129 „Das Gesetz ist nicht der richtige und vor allem nicht der einzige Ort, für jede auch nur theoretisch denkbare Fallkonstruktion umfassende Einzelfallgerechtigkeit zu garantieren.“130 Es gilt daher für jede gesetzliche Regelung das angemessene Maß zwischen der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit und der Gewährleistung prognostizierbarer, allgemein erkennbarer Ergebnisse (Rechtssicherheit) zu finden.131 Eine Hilfestellung können bspw. Fallgruppen132 geben. Dort, wo zudem ein weiterer Spielraum notwendig ist, kann dieser unter Zuhilfenahme von Generalklauseln oder unbestimmter Rechtsbegriffe geschaffen werden, welche die Entscheidung in bestimmten Fällen auf den Richter verlagern, der diesen Spielraum näher auszuformen hat.133 Dabei gibt es Rechtsgebiete, die mehr einer starren Regelung – zur Betonung der Rechtssicherheit im Sinne der Prognostizierbarkeit und Erkennbarkeit – und solche, die mehr einer dehnbaren Regelung – zur Betonung der Einzelfallgerechtigkeit – bedürfen.134

128

Vgl. Münch, NJW 1996, 3320, 3320 (unter dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprin-

zips).

129

Rohe, Geltungsgründe, S. 212. Herzog, NJW 1999, 25, 26; diese würde zu einem ständigen Wettlauf mit dem praktischen Leben führen, das immer noch um eine Fallvariante reicher wäre, Herzog, a.a.O. 131 Vgl. zu diesem klassischen Zielkonflikt die Erwägungen der Bundesregierung bei der Begründung des Entwurfes zum Verjährungsrecht im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung „Es ist offensichtlich, dass ein Verjährungsrecht, dessen Regeln in diesem Sinne Berechenbarkeit und Voraussehbarkeit gewährleisten wollen, im Einzelfall zu Ergebnissen führen kann, die unbillig erscheinen mögen. Dem ließe sich nur dadurch entgegenwirken, dass im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit kasuistische und differenzierende Regeln geschaffen werden, die verschiedene Ansprüche verschiedenen Verjährungsfristen unterstellen. Dafür würde jedoch – wie gerade die Erfahrungen mit dem geltenden Recht belegen – ein zu hoher Preis bezahlt, weil jede Abgrenzung zwischen verschiedenen Ansprüchen und den für sie maßgeblichen Verjährungsfristen praktische Probleme schafft, die nur dort in Kauf genommen werden sollten, wo dies aus besonders stichhaltigen Gründen unabweisbar erscheint.“ Begr. RegE zum SchuMoG BT-Drs. 14/6040 S. 96. 132 Zum Einsatz von Fallgruppen vgl. z.B. unten S. 358 ff. 133 Vgl. Herzog NJW 1999, 25, 26 der dort auch darauf hinweist, dass eine Pauschalierung auch aus Gerechtigkeitselementen sinnvoll ist, um den für Gesetze notwendigen Spielraum zum Atmen zu geben. Besondere Einzelfälle müssen durch die Rechtsprechung gelöst werden und können nicht normiert werden, da es sonst zu inneren Widersprüchen kommen würde; Rohe, Geltungsgründe, S. 213. 134 Scholz, S. 6. 130

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Bei der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs geht es auf der ersten Ebene um die Zuweisung des dinglichen Rechts Eigentum. Dieses ist absolut, wirkt also gegen jedermann, auch gegen unbeteiligte Dritte. Diese haben ein Interesse an einer klaren Rechtslage. Als eine das Eigentum betreffende Regelung bedarf eine Regelung zum gutgläubigen Erwerb daher einer sicheren und somit in gewissem Umfang starren Regelung. Die Entscheidung auf zweiter Ebene – die Zuweisung des Ausfallrisikos – soll dabei in der Gesamtschau gerechte Ergebnisse ermöglichen.135

II. Der Interessenvergleich Im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs stehen sich sowohl die individuellen Interessen der Beteiligten, als auch die darüber hinausgehenden Allgemeininteressen gegenüber. 1. Der individuelle Interessenvergleich Aus dem individuellen Interessenvergleich ergibt sich keine Entscheidung zugunsten des Eigentümers oder des Erwerbers.136 Beide Beteiligten bringen einen Vermögenseinsatz: der Eigentümer in Höhe des Sachwerts und der Erwerber in Höhe des an den Veräußerer geleisteten Gegenwerts. Eine Ausnahme bildet auch hier der schon mehrmals angesprochene unentgeltliche Erwerb vom Nichtberechtigten.137 Auch im Bereich des Nutzungsinteresses lässt sich kein genereller Unterschied zwischen dem Interesse des Erwerbers und des Eigentümers feststellen. Der Eigentümer möchte die Sache weiterhin nutzen, der Erwerber erwirbt diese zur (künftigen) Nutzung. Eine allgemeine Aussage, welches der beiden Nutzungsinteressen höher zu bewerten ist, ist nicht möglich. Beide Interessen sind durch die Zuweisung von Ausgleichsansprüchen grundsätzlich wirtschaftlich kom-

135

Vgl. zur Kompensation des Eigentumsverlusts durch die Gewährung wirtschaftlicher Ausgleichsansprüche bspw. auch die Verarbeitungs-, Vermischungs- oder Fundregeln. 136 Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 12 ff. insb. 14 (der gutgläubige Erwerb ist auf Basis des individuellen Interessenvergleichs allenfalls bei zurechenbarer Veranlassung des Rechtsscheins des Verfügenden durch den Eigentümer zu rechtfertigen); Wolff/Raiser, § 68 II 1 (S. 249); Baur/Stürner, § 1 Rdnr. 12; Giehl, AcP 161 (1962), 357, 370; Hager, Verkehrsschutz, S. 460. Die individuellen Interessen des Veräußerers (soweit er nicht selbst als Erwerber zu berücksichtigen ist) sind hier nicht in Betracht zu ziehen; vgl. auch Hübner, S. 78; Peters, S. 43; Zweigert RabelsZ 23 (1958), S. 12 ff.; Hager, Verkehrsschutz, S. 46 ff. Ein anderes Ergebnis des individuellen Interessenvergleichs ergibt sich auch nicht aus einer verfassungsrechtlichen Betrachtung; Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 225. 137 Vgl. u.a. Wolff/Raiser, § 68 II 1 (S. 250); Vgl. dazu auch unten S. 206 f.

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pensierbar, wenngleich diese Ausgleichsansprüche auch mit einem Ausfallrisiko versehen sind. Ein etwaig bestehendes ideelles Interesse des Eigentümers findet hingegen beim Erwerber in der Regel keine ausreichende Entsprechung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich ein solches aus einer schon länger andauernden Eigentümerstellung des Eigentümers ergibt. Die Hoffnung und Vorfreude auf Seiten des Erwerbers stellt demgegenüber zumindest kein gleichgewichtiges Korrelat dar. Je länger der Erwerber allerdings, im Glauben Eigentümer zu sein, die tatsächliche Sachherrschaft ausübt, desto stärker können sich auch auf Seiten des Erwerbers legitime ideelle Interessen entwickeln. Generell keine Berücksichtigung können ideelle Interessen bei Sicherungseigentümern finden, da für diese lediglich die Wertkomponente einer Sache relevant ist und Nutzungsinteressen und besonders ideelle Interessen nicht bestehen.138 2. Der Vergleich der Allgemeininteressen Bei den Allgemeininteressen stehen sich im Wesentlichen das Eigentum und der Verkehrsschutz gegenüber, die allerdings selbst wiederum miteinander verbunden sind. Auf Seiten des Eigentums darf die aufgrund der ausführlichen Untersuchungen jüngerer Zeit mögliche Kürze der hier erfolgten Darstellung der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich beim Eigentum um ein wesentliches Recht mit starkem verfassungsrechtlichen Schutz handelt, das bei der Abwägung der beteiligten Interessen entsprechend zu berücksichtigen ist. Der Verkehrsschutz wiederum ist schwieriger greifbar zu machen. Es verwundert daher auch nicht, dass besonders unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel, bei dem sich der klar ausgestaltete Eigentumsschutz und der eher diffuse Verkehrsschutz gegenüberstehen, in der Regel eine Stärkung des Eigentumsschutzes befürwortet wird (und sei es nur, wenn es um den Ausschluss des gutgläubigen unentgeltlichen Erwerbs geht).139 Dennoch ergibt sich auch beim Vergleich der Allgemeininteressen ein Ausschlag zugunsten eines Schutzes des legitimen Verkehrs.140 Genaue 138

Vgl. dazu oben S. 130 ff. Vgl. u.a. Hager, Verkehrsschutz, S. 81 ff., der allerdings beim unentgeltlichen Erwerb eine schuldrechtliche Lösung (bspw. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB) für ausreichend erachtet; Peters, insb. S. 115 ff. 140 Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 15; Hager, Verkehrsschutz, S. 460; Baur/Stürner, § 1 Rdnr. 12; Giehl, AcP (161), 1962, 357, 369; Wolff/Raiser, § 68 II 1 (S. 249 f.) mit Bedenken soweit auch der Verkehr außerhalb des Warenverkehrs unter Kaufleuten und im Einzelhandel geschützt wird; Schwab/Prütting, Rdnr. 423. Eine Befürwortung eines stärkeren Eigentumsschutzes ergibt sich aus manchen Untersuchungen unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Erwägungen (vgl. z.B. Peters, S. 115 ff.) oder aufgrund der (be139

1. Kapitel: Der Interessenvergleich

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Wirkungen des Instituts des gutgläubigen Erwerbs können aufgrund der fehlenden empirischen Daten tatsächlich nur vermutet werden.141 Jedoch ist es wichtig, so wie immer wieder zu Recht deutlich hervorgehoben,142 den Blick nicht nur auf die Veräußerungen durch Nichtberechtigte, sondern auf die gesamte Anzahl von Veräußerungsvorgängen zu werfen. Entscheidend ist alleine, dass andernfalls sämtliche Veräußerungsvorgänge mit einem größeren Risiko für den Erwerber belastet sind. Mit einem möglichen gutgläubigen Erwerb kann sich ein Erwerber auf gewisse äußere Anzeichen regelmäßig verlassen, es sei denn, er hatte Anlass an der Berechtigung des Veräußerers zu zweifeln (Gutgläubigkeit). Das Risiko, das ein Erwerber so noch zu tragen hat, reduziert sich erheblich. Andernfalls wäre jeder Erwerber gezwungen, sich – je nach Umfang des Geschäfts und damit hervorgerufenem Bedürfnis nach Erwerbssicherheit143 – mehr oder weniger Umstände darlegen zu lassen, die für eine Berechtigung des Veräußerers sprechen. Bei der Vielzahl der Veräußerungsvorgänge würde aber schon ein geringer Zusatzaufwand pro Veräußerungsvorgang zu erheblichen Einschränkungen führen. Durch den Verkehrsschutz profitieren letztlich sämtliche Teilnehmer am Rechtsverkehr, auch wenn sie als Eigentümer der Sache einem Risiko unterliegen. Selbst derjenige, bei dem sich dieses Risiko verwirklicht, profitiert „auf lange Sicht so stark vom Institut des gutgläubigen Erwerbs (…), dass auch [er] letztlich in einer Gesamtbetrachtung zumindest nicht zu den Verlierern [gehört].“144 Dieses Ergebnis verstärkt sich insbesondere mit dem Zeitablauf. Hier gewinnen die Rechtssicherheit und der Rechtsfrieden eine zunehmende Bedeutung, wonach der äußere Schein der tatsächlichen Rechtslage anzupassen ist (vgl. oben S.154 ff.).145 Das Ergebnis des Vergleichs der Allgemeininteressen ist nicht neu, wird aber durch die tatsächlichen Entwicklungen im Bereich des Warenverkehrs noch verstärkt. Noch mehr als zu Zeiten der ersten Kodifikationen in diesem Bereich sind bewegliche Sachen nicht ortsgebunden und können frei haupteten) veränderten wirtschaftlichen und sozialen Umstände (Muller, RTD civ. 1989, 697, 704 ff. und Göler von Ravensburg, S. 129 f.). 141 Thorn, S. 263. Vgl. auch Neundörfer, S. 306. 142 U.a. Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 236 f. u. 243 und Prisching, S. 19. 143 Zur Frage des Verhältnisses von drohendem Schaden und Eingehung des Risikos vgl. u.a. Neundörfer, S. 306 ff. 144 Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 243. 145 Der redliche Erwerb basiert auf der Annahme, dass die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft regelmäßig mit der wahren Verfügungsbefugnis übereinstimmt. Existiert aber zudem eine solche Regel zum gutgläubigen Erwerb, so führt dies dazu, dass diese Annahme erst recht richtig ist, denn dort, wo sie aufgrund einer vorangegangenen Veräußerung durch einen Nichtberechtigten nicht richtig war, wird sie durch den Eigentumserwerb des Gutgläubigen bei weiteren Verfügungen wieder richtig; vgl. Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1519.

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Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision

zirkulieren, bedarf es einer hohen Geschwindigkeit der kommerziellen Transaktionen, die keine großen Formalitäten (insbesondere schriftliche Abwicklung) vertragen und stehen nur in eingeschränktem Umfang Beweismöglichkeiten hinsichtlich des Eigentums an beweglichen Sachen zur Verfügung.146 Die Überprüfung des Eigentumsrechts führt zu Verzögerungen, die mit der Geschwindigkeit des Handels nicht zu vereinbaren sind.147 Den durch eine abstrakte dingliche Regelung bewirkten Rechts- und damit Gerechtigkeitseinbußen kann durch eine schuldrechtliche Ausgleichspflicht Rechnung getragen werden, die eine einzelfallbezogenere Abwägung ermöglicht.

146 147

So die von Ledieu 1897 geschilderte Begründung, Ledieu S. 146 ff. Ledieu, S. 147.

2. Kapitel

Die Vielfalt der Steuerungsparameter – eine bewertete Bestandsaufnahme 2. Kapitel: Die Vielfalt der Steuerungsparameter

Aus der Interessenbetrachtung ergibt sich eine Vielzahl von mehr oder weniger stark berührten Interessen und zu berücksichtigenden Abwägungskriterien. Im internationalen und historischen Vergleich ergibt sich so eine Vielzahl von Tatbestandsmerkmalen, die zur Steuerung des Interessenausgleichs herangezogen werden (Steuerungsparameter). Diese Parameter ermöglichen die gesetzliche Feinsteuerung. Einen Einblick in diese Vielfalt gibt die obige Schilderung des französischen, deutschen und römischen Rechts. Die dabei verwendeten Steuerungsparameter setzen an verschiedenen Aspekten an und werden mit unterschiedlichen Wirkungen ausgestattet. Eine abschließende Untersuchung sämtlicher Steuerungsparameter ist nicht möglich.1 Es ergibt sich aber ein Bild grundsätzlicher Bausteine. Diese Bausteine werden von den jeweiligen Bauherrn (Gesetzgebern) in unterschiedlicher Weise kombiniert, woraus sich eine Vielfalt an Varianten gesetzlicher Regelungen ergibt.2

1

Viele der Kriterien waren bereits Gegenstand vertiefter Untersuchungen, vgl. u.a. Dünkel (1970) zur öffentlichen Versteigerung; Wolff (1967) zu abhanden gekommenen Sachen, Imbusch (1999) zu gestohlenen Sachen, Jacob (2007) zum Begriff der groben Fahrlässigkeit. 2 Leuschner merkt an, dass die existierenden Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb noch eine Reihe denkbarer Unterscheidungsmerkmale außer Acht gelassen haben und kommt zu dem Ergebnis: „Auch wenn jede abstrakt-generelle Norm stets ein bestimmtes Maß an Generalisierung voraussetzt, gehen die Regelungen des gutgläubigen Erwerbs weit über das Maß der zwingend notwendigen Generalisierung hinaus.“, Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 214. In dieser Aussage spiegelt sich das Spannungsverhältnis zwischen der Verwirklichung individueller Gerechtigkeit und einer aus praktischen Gründen notwendigen Verallgemeinerung generell-abstrakter Normen des Privatrechts. Absolute individuelle Gerechtigkeit lässt sich nur bei der absoluten Einzelfallanalyse erreichen. Im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs existieren aber bereits, wie in diesem Abschnitt zu sehen sein wird, eine ganze Reihe von Steuerungsparametern, um einen individuell gerechten Interessenausgleich zu verwirklichen, ohne die Steuerung der generellen Interessen (Verkehrsschutz, Eigentum) aus dem Auge zu verlieren. In Anbetracht der möglichen Vielzahl der Betroffenen (Veräußerungsketten) und der Notwendigkeit verlässlicher sachenrechtlicher Zuordnungen halten sich die existierenden Normen auch im Rahmen der

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Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision

Im Rahmen des Interessenvergleichs hat sich der Verkehrsschutz als tragende Begründung für den gutgläubigen Erwerb herausgestellt. Der Verkehrsschutz setzt wesentlich voraus, dass der Verkehr keine „negativen unvorhersehbaren Überraschungen“ erlebt. Anders formuliert: die Umstände und Risiken müssen den Verkehrsbeteiligten erkennbar sein. Der Erkennbarkeit trägt im Sachenrecht grundsätzlich der Publizitätsgrundsatz Rechnung. Ausgehend von diesem Grundsatz werden im Folgenden die verschiedenen Steuerungsparameter dargestellt.

A. Der Leitgedanke der Offenkundigkeit Ein tragender Grundsatz des Sachenrechts ist das Publizitätsprinzip,3 teilweise auch sachenrechtliches Offenkundigkeitsprinzip genannt.4 Es besagt, dass die sachenrechtliche Zuordnung eines Gegenstands, d.h. daran bestehende dingliche Rechte und dingliche Herrschaftsverhältnisse, gegenüber der Allgemeinheit erkennbar sein müssen.5 Die Notwendigkeit des nach außen wirkenden Vorgangs ergibt sich aus der absoluten Wirkung der Sachenrechte. Anders als im Schuldrecht geht es bei dinglichen Rechten nicht nur um relative Wirkungen zwischen den Parteien, sondern um Wirkungen gegenüber jedermann, auch gegenüber unbeteiligten Dritten. Bestehende dingliche Rechte und Änderungen in ihrer Zuordnung müssen nach Möglichkeit für diese Dritten auch erkennbar, also „publik“ sein.6 Dies geschieht im deutschen Recht bei Rechtsübertragungen bspw. durch einen tatsächlichen, nach außen grundsätzlich sichtbar werdenden Vorgang, 7 wodurch die nicht sichtbaren bloßen (inneren) Willensvorgänge wahrnehmbar gemacht werden sollen.8 So ist bei sachenrechtlichen Verfügungen im deutschen Recht auf der Basis des Traditionsprinzips, dessen Bestandteil die Publizität ist,9 zur Vollendung der Verfügung neben der Einigung noch ein weiterer nach außen sichtbarer Umstand (Übergabe, Eintragung) erforderlich.10 Dennoch ist die Einhaltung des Publizitätsgrundsatzes bei sachenrechtlichen Vorgängen keine zwingende Voraussetzung. Das französische Recht zulässigen Generalisierung. Aus verfassungsrechtlichen Gründen noch mehr Feinsteuerungselemente zu fordern erscheint nicht zwingend. 3 Vgl. RGZ 77, 201, 208; BGHZ 44, 27, 32. 4 So z.B. Einsele, JZ 1990, 1005, 1006. 5 RGZ 77, 201, 208; BGHZ 44, 27, 32; Westermann, § 3 I 2 (S. 18). 6 Martinek, AcP 188 (1988), 573, 576. 7 Baur/Stürner, § 4 Rdnr. 10; Einsele, JZ 1990, 1005, 1006. 8 Süß, FS Wolff, 1952, 141, 144. 9 Süß, FS Wolff 1952, 141, 144 f. 10 Medicus/Petersen, Rdnr. 26.

2. Kapitel: Die Vielfalt der Steuerungsparameter

163

lässt nach Art. 711, Art. 1138 Abs. 2 bzw. Art. 1583 C.c. – anders als das deutsche Recht mit seinem Traditionsprinzip – unter Geltung des Konsensprinzips bspw. eine Übereignung der Sache ohne Übergabe oder Übergabesurrogat auf der Grundlage des bloßen Abschlusses des Vertrags zu.11 Andererseits findet das Publizitätsprinzip auch im französischen Recht bei der Zweitveräußerung durch den Verkäufer wieder Anwendung. Veräußert derselbe Verkäufer die Sache nämlich ein zweites Mal, so wird nach Art. 1141 C.c. der Zweiterwerber Eigentümer der Sache, wenn er die tatsächliche Sachherrschaft an der Sache erlangt, und das, obwohl nach Art. 1583 C.c. bereits eine Übereignung an den Ersterwerber stattgefunden hat.12 Das deutsche Recht verwirklicht den Offenkundigkeitsgrundsatz ebenfalls nicht durchgehend. Klar erkennbar ist die Durchbrechung des Offenkundigkeitsprinzips bei den Rechtsinstituten des Eigentumsvorbehalts und der Sicherungsübereignung. Oechsler merkt entsprechend bei seiner Kommentierung zur Sicherungsübereignung an, dass das Publizitätsprinzip im Bereich des Mobiliarsachenrechts nur so ausgestaltet sei, „dass der Erwerber die Rechtsübertragung erkennen kann, nicht aber Dritte. (…) Ein allgemeines Transparenzprinzip kennt das BGB darüber hinaus nicht.“13 Zudem setzen die rechtgeschäftlichen Übereignungstatbestände zwar regelmäßig eine Besitzübergabe voraus, ermöglichen aber gleichzeitig eine Übergabe durch Besitzkonstitut (vgl. § 930 BGB). Entsprechend kommt Quantz bei seiner Untersuchung der rechtsgeschäftlichen Übereignungstatbestände vom Berechtigten zu dem Ergebnis, dass die Übertragung des Eigenbesitzes nur die Ernsthaftigkeit des Übereignungswillens manifestieren möchte und gewisse Publizitätseffekte im Falle der tatsächlichen Übertragung eine unwesentliche Nebenerscheinung seien.14 In Anbetracht der bestehenden gesetzlichen Einschränkungen im französischen und deutschen Recht kann dem Gedanken der Offenkundigkeit keine absolute Geltung zugesprochen werden. Andererseits sind Einschränkungen der Offenkundigkeit kritisch zu bewerten und nach Möglichkeit zu vermeiden. Im Falle der deutschen Sicherungsübereignung führt die fehlende Publizität sogar zu internationaler Missachtung. Insbesondere

11

Art. 711 C.c.: „Le propriété des biens s’acquiert et se transmet par (…) l’effet des obligations.“ 12 Vgl. oben S. 55. 13 MüKo/Oechsler, Anh. §§ 929–936 Rdnr. 5 (im Rahmen der Erörterung der Sicherungsübereignung). 14 Quantz. S. 153 f. Zum Besitz im Rahmen der Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb im deutschen Recht sogleich unten S. 175 ff.

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Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision

wurde die Sicherungsübereignung in der Vergangenheit mit dieser Begründung gerade in Frankreich nicht anerkannt.15 Der Offenkundigkeitsgedanke ist demnach weiter als Leitgedanke jeder sachenrechtlichen Regelung in Betracht zu ziehen. Dies gilt in dem hier erörterten Themenkreis umso mehr, als der Erwerb vom Nichtberechtigten seine Legitimation gerade aus dem Verkehrsschutz erfährt und die Offenkundigkeit ebenfalls den Verkehrsschutz im Blick hat.16 Soll der Verkehrsschutz effektiv verwirklicht werden, so muss die sachenrechtliche Offenkundigkeit der Leitgedanke der Regelung sein.17 Dies entspricht dem Ursprungsgedanken des redlichen Erwerbs, den Erwerber von umfangreichen Nachforschungen zu befreien. Auch aus ökonomischen Gründen ist das Augenmerk auf die Offenkundigkeit zu richten. Offenkundige Elemente führen zur Senkung der Transaktionskosten, da die notwendigen Informationen leicht zugänglich („offenkundig“) zur Verfügung stehen. Niedrige Transaktionskosten sind aber jedenfalls nach der ökonomischen Theorie eine Voraussetzung dafür, dass sich eine – unter ökonomischen Gesichtspunkten – optimale Güterverteilung einstellt.18 Betrachtet man die in den verschiedenen Rechtsordnungen eingesetzten oder diskutierten Steuerungsparameter, so ist zu unterscheiden zwischen jenen, die im Wahrnehmungsbereich des Erwerbers liegen (B.) und solchen, die außerhalb des Wahrnehmungsbereich des Erwerbers liegen (C.). Darüber hinaus ist die tatsächliche Kenntnis bzw. das Kennenmüssen von 15

Cass. civ., 08.07.1969, JCP 1970 II, 16182 (Nichtanerkennung der deutschen Sicherungsübereignung, da ein vergleichbares publizitätsloses Mobiliarsicherungsrecht in Frankreich nicht bekannt sei). Ob dies in Anbetracht der Einführung des Sicherungseigentums in Frankreich auch aktuell noch gilt, kann bezweifelt werden, vgl. Sonnenberger/Classen, Nr. 90 (S. 151). 16 Einsele spricht vom Schutz des Rechtsverkehrs im Allgemeinen durch den Offenkundigkeitsgrundsatz, wohingegen der schuldrechtliche Offenkundigkeitsgrundsatz nur dem Schutz des Vertragspartners diene, JZ 1990, 1005, 1014. Süß unterscheidet zwischen der Publizierung als der Kundgabe einer wirklich erfolgten Übertragung und dem durch den entsprechenden Realakt (Besitzübertragung) begründeten Rechtsschein der Eigentumsübertragung: „Mit der Publizierung steht in engstem Zusammenhang – ohne deshalb mit ihr identisch zu sein – die Funktion des Realaktes als Rechtsschein.“, FS Wolff, 1952, 141, 144 (mit Fn. 3). 17 Vgl. z.B im Zusammenhang mit der Erörterung der Bewertung der Stellung des Besitzdieners im Rahmen des Abhandenkommens Wieling, Sachenrecht Bd. 1, § 10 V 3c (S. 405): „Der gutgläubige Erwerb stützt sich auf die Rechtsscheinsbasis, welche als etwas Wahrnehmbares auf ein nicht wahrnehmbares Recht verweist und so das Vertrauen in dieses Recht rechtfertigt. Offenbar sinnlos wäre es, als Rechtsscheinsbasis wiederum etwas nicht Wahrnehmbares zu bestimmen, denn wie sollte etwas nicht Wahrnehmbares als Vertrauensbasis dienen können?“. 18 Eine leichte Wahrnehmbarkeit führt zu geringen Informationskosten des Erwerbers und damit zu niedrigeren Transaktionskosten, was die effiziente Verteilung der Sachen begünstigt; vgl. u.a. Krimphove, ZfRV 1998, 185, 197.

2. Kapitel: Die Vielfalt der Steuerungsparameter

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Umständen durch den Erwerber relevant (D.). Eine Betrachtung der sonstigen Steuerungsparameter vervollständigt das Bild (E.).

B. Umstände im Wahrnehmungsbereich des Erwerbers Umstände im Wahrnehmungsbereich des Erwerbers stehen im Einklang mit dem Publizitätsgrundsatz und tragen damit dem Verkehrsschutz in besonderer Weise Rechnung. Aus der Sicht des Erwerbers können sie „störungsfrei“ in das System des gutgläubigen Erwerbs eingebettet werden. Solche Umstände sind zum einen jene, die der Sache selbst anhaften (I.), Beziehungen des Veräußerers zur Sache (II.), Umstände, die das zugrunde liegende Kausalgeschäft zwischen Veräußerer und Erwerber betreffen (III.) und Umstände, die der Person des Veräußerers oder des Erwerbers anhaften (IV.)

I. Der Gegenstand des gutgläubigen Erwerbs: die bewegliche Sache Die „Sache“ als Gegenstand der beabsichtigten Eigentumsübertragung ist zentrales Objekt einer etwaigen rechtlichen Auseinandersetzung im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs. Die Sache selbst ist für den Erwerber wahrnehmbar und Umstände oder Aspekte, die in der Sache selbst begründet sind oder dieser anhaften, können von jedermann, also auch von Außenstehenden als potenziell künftige Beteiligte wahrgenommen werden.19 Die Sache ist Träger dieser Merkmale und mit der Übergabe der Sache werden diese Sachmerkmale von einem Beteiligtem zum nächsten transportiert. So kann ein Erwerber anhand der Sache in der Regel beurteilen, ob für die Übereignung dieser Sache Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb zur Anwendung kommen können, welche Vorschriften dies wären und welche Voraussetzungen diese Vorschriften für einen gutgläubigen Eigentumserwerb vorsehen.20 Ein Erwerber kann anhand der Sache bspw. beurteilen, ob er sich an der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft des Veräußerers orientieren kann oder ob er alternativ oder zusätzlich einen Einblick in 19

Das setzt allerdings voraus, dass die nationale Rechtsordnung die „Wahrnehmung der Sache“ auch erfordert. Dies ist im deutschen Recht unter der Anerkennung des mittelbaren Besitzes im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs nicht immer der Fall, vgl. z.B. zum Verhältnis von § 933 BGB und § 934 BGB unten S. 175 ff. und besonders Picker, AcP 188 (1988) 511, 521 f. 20 Auch Erleichterungen eines gutgläubigen Erwerbs lassen sich so erkennen, bspw. im deutschen Recht bei Geld oder Inhaberpapieren gemäß § 935 Abs. 2 BGB.

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Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision

Spezialregister21 nehmen muss, um den Eigentumserwerb bzw. einen lastenfreien Eigentumserwerb zu gewährleisten. Sachen kommen in einer Mannigfaltigkeit von Form, Gestalt, Größe, chemischen und physikalischen Eigenschaften und Verwendungszwecken vor, wobei die meisten Unterscheidungen im aktuellen Privatrecht nicht explizit mit eigenen Tatbestandsmerkmalen erfasst werden.22 So weisen Baur/Stürner darauf hin, dass schon allein aufgrund der Verschiedenheit der funktionellen Bedeutung der Sachen (z.B. „Konsumgüter“ – „Produktionsgüter“ – „Geld“) eine gemeinsame Wertung kaum möglich sei, aber ein Gesetzgeber nicht anhand der verschiedenen Funktionen der Sachen im Wirtschaftskreislauf wird differenzieren können. 23 Der Gesetzgeber „wird sich begnügen [müssen], eine für alle diese Güter mehr oder weniger passende technische Regelung zu treffen, die im Wesentlichen sich mit dem Schutz des Eigentums und dessen Übertragung befasst.“24 Anlass dieser Untersuchung ist das Recht des gutgläubigen Erwerbs beweglicher körperlicher Sachen. Wird ein Rechtsobjekt25 von der entsprechenden Rechtsordnung nicht als bewegliche körperliche Sache eingeordnet, so scheidet ein gutgläubiger Erwerb nach den hier untersuchten Vorschriften, insbesondere unter Anknüpfung an die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft, von vornherein aus. Festzuhalten ist, dass die Einordnung eines Rechtsobjekts als bewegliche körperliche Sache von einer Rechtsordnung nicht speziell im Hinblick auf die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit der Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs getroffen wird, sondern damit eine generelle Unterwerfung dieses Gegenstands unter eine Vielzahl von Rechtsvorschriften einhergeht. 1. Die Abgrenzung zu unbeweglichen Sachen und zu Rechten Bei der Einordnung einer Sache als bewegliche körperliche Sache handelt es sich nicht um eine Weichenstellung, die zielgerichtet im Hinblick auf den gutgläubigen Erwerb erfolgt. Deutlich wird dies insbesondere bei der Abgrenzung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen und bei der Abgrenzung von Sachen zu Forderungen und Rechten. 21

Zu Beispielen im deutschen und französischen Recht, vgl. unten S. 185 ff. Larenz/Wolf, § 20 Rdnr. 18 f. In der französischen Literatur nimmt Atias (Nr. 36 ff.) bspw. eine Klassifizierung nach folgenden Kategorien vor: Wert der Sachen, Langlebigkeit (stabilité) der Sachen, politische Bedeutung der Sachen, Austauschbarkeit, Verbrauchbarkeit, Funktion etc., ohne dass diese Unterscheidung allerdings im geltenden französischen Recht zu unterschiedlichen privatrechtlichen Regelungen führt. 23 Nicht zuletzt kann sich die Funktion der Sache in der Hand und abhängig vom Willen des Eigentümers auch verändern. 24 Baur/Stürner, § 2 Rdnr. 15. 25 Zum Begriff des Rechtsobjekts und des umfassenderen Begriffs des Rechtsgegenstands vgl. Larenz/Wolf, § 20 Rdnr. 1. 22

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Unbewegliche Sachen werden nicht zuletzt aufgrund ihrer Bedeutung für die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung eines Landes in der Regel gänzlich einem gesonderten sachenrechtlichen Regime unterworfen. Dies betrifft die Übereignung unbeweglicher Sachen generell und schließt den gutgläubigen Erwerb im Speziellen mit ein. Hier erfolgt insbesondere eine enge Verzahnung mit den entsprechenden Regelungen für Grundstücksregister. Abgrenzungsschwierigkeiten können auftreten, soweit einzelne Sachen, die kein Grundstück sind, von Rechts wegen dem Grundstück in der Weise zugeordnet werden, dass sie Bestandteil des Grundstücks werden und nicht mehr Gegenstand besonderer Rechte sein können (vgl. §§ 93, 94 BGB im deutschen Recht) und als Folge dann auch nicht dem Regime des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen unterfallen.26 Die Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb erfassen weiterhin nur körperliche Gegenstände.27 Nicht fassbare Gegenstände wie Elektrizität, Daten (Software, Musikdateien) können als körperliche Sache behandelt werden, wenn sie abgesondert der Beherrschung zugänglich sind (z.B. Datenspeicher). Von Relevanz ist zudem die Abgrenzung der Sachen von Forderungen und Rechten, insbesondere in den Fällen, in denen diese Forderungen und Rechte in einem Wertpapier verbrieft sind und auf dieses Wertpapier die Vorschriften zur Übereignung beweglicher Sachen, einschließlich der Vorschriften zum redlichen Erwerb, Anwendung finden.28 2. Die Notwendigkeit der Individualisierbarkeit der Sache Im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Individualisierbarkeit der Sache, denn Gegenstand eines Herausgabeverlangens unter Berufung auf das Eigentum kann nur eine konkrete Sache sein. Erschwernisse bei der Identifizierbarkeit einer beweglichen Sache bestehen insbesondere bei nicht unterscheidbaren Massenwaren. Hier stellt sich für einen Eigentümer zum einen das Problem, dass er für ein erfolgreiches Herausgabeverlangen die konkrete Sache als die Seine identifizieren können muss. Verstärkt wird diese Problematik in den Fällen, in denen einzelne Rechtsträger eine Vielzahl dieser nicht unterscheidbaren Massen-

26

Zur Abgrenzung von wesentlichen Bestandteilen von Grundstücken zu Scheinbestandteilen im deutschen Recht und zur Anwendbarkeit der Vorschriften zur Übereignung beweglicher Sachen vgl. BGH NJW 1957, 457, 457. 27 Zur Verkehrsfähigkeit von Immaterialgüterrechten und Diskussionen um einen gutgläubigen Erwerb vgl. Woeste, S. 174 ff. 28 Vgl. zu diesen Themenkreisen im Zusammenhang mit dem Erfordernis der beweglichen körperlichen Sache oben S. 48 ff. (französisches Recht) und S. 81 ff. (deutsches Recht).

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waren gleichzeitig besitzen.29 Kann ein Eigentümer die Sache nicht mehr im Rechtsverkehr generell oder konkret bei diesem Erwerber individualisieren, so kann er sein theoretisch zur Verfügung stehendes Eigentumsrecht praktisch nicht mehr geltend machen. Ein Herausgabeanspruch des Eigentümers ist dann schon aus diesem Grund nicht durchsetzbar, unabhängig davon, ob zuvor ein gutgläubiger Eigentumserwerb des Erwerbers eingetreten ist oder nicht.30 In der Praxis hilft hier bspw. eine individuelle Seriennummer eines Gegenstands, wie sie von Herstellern bei bestimmten Sachen aus organisatorischen (Vertriebsüberwachung) oder rechtlichen, insbesondere haftungsrechtlichen, öffentlich-rechtlichen (Überwachung gefährlicher Gegenstände bspw. Waffen) oder gewährleistungsrechtlichen Gründen vergeben wird. Eine solche Seriennummer schafft mit der Identifizierung der Sache die Voraussetzung für eine Geltendmachung spezieller Eigentumsrechte.31 Aktuelle technische Entwicklungen erleichtern zudem auch bei Massenwaren ohne gegenstandsspezifische Herstellernummer die Identifizierung der Sache. So ermöglichen es sog. RFID-Chips mit vergleichsweise geringem Aufwand, auch eine Vielzahl im Übrigen nicht unterscheidbarer Massenwaren zu kennzeichnen.32 Eine weitere Problematik entsteht im Bereich der Individualisierbarkeit, wenn die Sache mit anderen Sachen vermischt wird oder wenn eine Umarbeitung der Sache dergestalt stattfindet, dass die umgearbeitete Sache eine neue Sache mit eigenständigen Rechten darstellen könnte. Hier ergibt sich eine Schnittstelle zu den nationalen gesetzlichen Eigentumserwerbstatbe29 Die Frage der Individualisierbarkeit und damit Zuordnung zu einem bestimmten (ursprünglichen) Eigentümer ist eng verbunden mit später erörterten Problematik der Kenntlichmachung der Eigentümerstellung. Vgl. dazu unten S. 198 ff. 30 Vgl. auch Dross, Jurisclasseur Civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 97 im Hinblick auf alltägliche Gattungswaren. Cornu meint, dass noch zu erhellen wäre, ob die Rechtsordnungen, die noch dem römischen System folgen, tatsächlich praktische Schwierigkeiten bekommen (Handelsprobleme, Häufigkeit der Prozesse) oder ob andere Faktoren, wie die Schwierigkeit, das Vindikationsobjekt zu identifizieren, diese Unterschiede praktisch abmildern, Cornu, Les biens, Rdnr. 119 Fn. 4. 31 Was freilich nicht vor Missbräuchen durch Fälschung oder Entfernung der Nummern schützt. 32 RFID steht für Radio Frequency Identification. Der RFID-Chip ermöglicht unter Verwendung entsprechender Lesegeräte die funkbasierte Verfolgung und Auswertung der auf dem Chip gespeicherten Informationen. Diese Technik ist z.B. bei Autoschlüsseln, Zutrittskarten (Karten der Fußballweltmeisterschaft 2006), Skipässen und Bibliotheksbüchern im Einsatz („Das Internet der Dinge“, abgerufen am 10.11.2004 unter ). Die Technik ermöglicht im Prinzip eine Individualisierung sämtlicher Gegenstände: „Eine Binärzahl mit 256 Stellen würde ausreichen, um alle Atome auf Erden durchzunummerieren“; FAZ vom 19.10.2004, S. T6.

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ständen aufgrund Vermischung, Verbindung und Verarbeitung. Kommt es in Anwendung der Vorschriften des gesetzlichen Eigentumserwerbs zum Entstehen einer neuen Sache, bspw. weil die Sache zu einem wesentlichen Bestandteil eines Grundstücks wird (vgl. für das deutsche Recht33 § 946 BGB) oder so verarbeitet wird, dass die Rechtsordnung von einer neuen Sache ausgeht (vgl. § 950 BGB) oder eine Verbindung bzw. Vermischung in der Art und Weise stattfindet, dass eine Sache zur Hauptsache wird (vgl. § 947 Abs. 2), so erlischt die Sache als eigenständiges Rechtsobjekt und damit die an ihr bestehenden dinglichen Rechte (vgl. § 949 BGB). 34 Hinter dieser Rechtsfolge stehen im Rahmen der gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestände allerdings andere Regelungsgründe als dies im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs, einschließlich des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs, der Fall ist. Hinter den gesetzlichen Eigentumserwerbstatbeständen steht insbesondere das allgemeine Anliegen der Schaffung klarer Zuordnungsverhältnisse an einer Sache.35 Entsprechend setzen diese gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestände keine Dreipersonenkonstellation voraus, wie sie für den gutgläubigen Erwerb charakteristisch ist, sondern finden auch bereits in einem reinen Zweiparteienverhältnis Anwendung. Weiterhin spielt es beim Eigentumserwerb aufgrund Verarbeitung bspw. keine Rolle, ob der Verarbeiter gutgläubig ist oder die verarbeitete Sache abhanden gekommen war.36 Sollte es allerdings aufgrund der gesetzlichen Tatbestände zum Entstehen von Miteigentumsanteilen kommen, wie z.B. bei der Vermischung unter Anwendbarkeit des § 947 Abs. 1 BGB, so setzen sich die entsprechenden dinglichen Rechte an diesem Miteigentumsanteil fort (§ 949 BGB) und gleichermaßen auch die Anwendbarkeit der Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb.37 33 Die französischen Regelungen zur Verarbeitung, Verbindung etc. unterscheiden sich freilich von denen des deutschen Rechts. Sie berücksichtigen stärker eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien und ermöglichen einen weitergehenden Rückgriff auf die Regeln des Art. 2276 C.c. und sind daher insgesamt von geringerer Bedeutung; vgl. Ferid/Sonnenberger, Band 2 Rdnr. 3 B 125. 34 Die entsprechenden Ausgleichsansprüche zwischen den Beteiligten zur Kompensation des jeweils eingetretenen Rechtsverlusts bestimmen sich dann ebenfalls nach den spezialgesetzlichen Vorschriften, im deutschen Recht bspw. gem. §§ 951, 812 ff. BGB. 35 Vgl. Rothkegel, insb. S. 7, 20, 47 f.; vgl. auch Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4. e) (S. 142), der betont, dass hier die Zuweisung des Eigentums den Parteien nicht freisteht, da auch Dritte betroffen sein können. 36 Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4. a) (S. 141). 37 Dies ist nicht in allen Fällen unstreitig. So bspw., wenn bei der Verbindung nach deutschem Recht aufgrund von § 947 Abs. 1 BGB zunächst Miteigentum des ursprünglichen Eigentümers und eines Diebes entsteht und die neue Sache anschließend an einen gutgläubigen Dritten übereignet wird. Betrachtet man hier in konsequenter Anwendung der Vorschriften den § 935 Abs. 1 BGB als anwendbar, kommt es nicht zu einem vollständigen Eigentumserwerb auf Seiten des Erwerbers. Vielmehr behält der ursprüngliche

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3. Sachen, deren Umlauffähigkeit von besonderer Bedeutung ist Eng verbunden mit dem Aspekt der Individualisierbarkeit einzelner Sachen ist das Bedürfnis, bestimmte Sachen mit einer erhöhten Umlauffähigkeit auszustatten. Diese besondere Umlauffähigkeit bedeutet, dass der Erwerber bei diesen Sachen auf einen verlässlichen Rechtserwerb in besonderem Maße angewiesen ist. Dieser kann über Sonderregelungen zu den sonstigen Erwerbstatbeständen erreicht werden. Wie anhand der deutschen Regel sichtbar ist, betrifft dies insbesondere zwei Kategorien, nämlich Geld und Wertpapiere in Form der Inhaberpapiere.38 a) Geld Geld ist heute primäres Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel39 einer modernen Volkswirtschaft. Insbesondere da dem Geld kein eigentlicher Materialwert mehr in Form von Gold, Silber oder ähnlichem gegenübersteht, ist das Vertrauen in die Werthaltigkeit von Geld besonders schützenswert. Dazu zählt auch das Vertrauen eines Erwerbers in den rechtssicheren Erwerb des erhaltenen Geldes. Für den Bereich des gutgläubigen Erwerbs geht es hierbei nur um den Erwerb von Geld in Form der beweglichen Sache, also um Bargeld.40 Der volkswirtschaftlich mindestens ebenso bedeutende bargeldlose Zahlungsverkehr bleibt hier außen vor. Die Legitimität der Privilegierung des Geldes ist gerechtfertigt, da das öffentliche Verkehrsinteresse bei Bargeld und die Bedeutung der störungsfreien Umlauffähigkeit von Bargeld das private Integritätsinteresse des Eigentümers deutlich überwiegt.41 Daraus ergibt sich auch, dass Bargeld prinzipiell nur insoweit der besonderen Privilegierung bedarf, soweit es noch als gesetzliches Zahlungsmittel im In- oder Ausland Verwendung findet. 42 Sammlermünzen bedürfen daher keines besonderen Schutzes, es sei denn, diese dienen weiterhin als gültiges Zahlungsmittel,43 wie dies bspw. bei Sonderprägungen von Eigentümer seinen Miteigentumsanteil. So u.a. Wilhelm, Rdnr. 980; Tiedtke, 1. Teil, 1. Kap., 1. Abschn. X 5 (S. 58); Neuner, JuS 2007, 401, 406 (für den redlichen Erwerber „spiegelt sich in dem Nichterwerb des Miteigentumsanteils nur die prozentuale Gefahr des Ankaufs abhanden gekommener Sachen wider.“). Andere sprechen sich aufgrund der damit verbundenen Rechtsklarheit für einen Erwerb des Alleineigentums beim Erwerber aus, Palandt/Bassenge, § 949 Rdnr. 3. 38 § 935 Abs. 2 BGB, vgl. hierzu oben S. 105 f. 39 Claussen, § 1 Rdnr. 5. Siehe zu den Funktionen des Geldes Staudinger/Schmidt, Vorbem zu §§ 244 ff. Rdnr. A10 ff. 40 Vgl. hierzu bereits oben S. 105. 41 Vgl. auch MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 14. 42 Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 24. 43 Wobei der BGH (zu §§ 146 ff. StGB) anlässlich der Beurteilung des südafrikanischen Krügerrands hier noch zusätzlich verlangt, dass die entsprechende Münze diese

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Euromünzen44 oder bestimmten ausländischen Geldmünzen oder –scheinen (die im Inland in der Regel Sammlerzwecken dienen) der Fall ist.45 Letztlich ist die gesetzliche Privilegierung aber auch Ausfluss praktischer Erwägungen, fehlt es doch besonders bei Geldmünzen in der Regel an der notwendigen Individualisierbarkeit. So kennt das französische Recht bspw. keine ausdrückliche Privilegierung, d.h. grundsätzlich wäre hier kein gutgläubiger Erwerb bei gestohlenen Zahlungsmitteln möglich. Mangels Unterscheidbarkeit der Geldmünzen und -scheine haben sich hier jedoch bislang keine erkennbaren praktischen Probleme ergeben. 46 b) Wertpapiere Auch Wertpapiere unterliegen besonderen Voraussetzungen. Das gilt besonders für solche Wertpapiere, die gerade zum Umlauf bestimmt sind, d.h. bei denen ein Wechsel des Inhabers des Papiers einer Übertragung der Forderung gleichkommen soll. Das Bedürfnis einer erhöhten Umlauffähigkeit eines verbrieften Rechts wird dabei durch einen erweiterten Verkehrsschutz erreicht. Dieser erweiterte Verkehrsschutz wiederum beruht auf der Möglichkeit, die Forderungsinhaberschaft durch die Innehabung der tatsächlichen Sachherrschaft an dem Papier nachzuweisen (bzw. im Falle des Wertpapierverkehrs am Kapitalmarkt (auch) durch die Umbuchung im Verwahrungsbuch)47. Dies ist sowohl einem Eigentümer bewusst, als auch für einen Erwerber erkennbar.48 Der unten näher zu erläuternde Rechtsschein der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft über die jeweilige Funktion aufgrund ihrer Ausgestaltung auch erfüllen kann und nicht andere Erwägungen (z.B. steuerrechtlicher Natur) bei ihrer Bestimmung als gesetzliches Zahlungsmittel im Vordergrund stehen, BGH NJW 1984, 1311, 1312. 44 Vgl. für Deutschland insbesondere § 2 Abs. 2 Münzgesetz, wonach die deutschen Euro-Gedenkmünzen gesetzliches Zahlungsmittel im Inland sind. 45 LG Würzburg NJW 1988, 2191, 2191 (zu „Canada Maple Leaf ¼ Unze“-Goldmünzen). 46 Vgl. auch Cornu, Les biens, Rdnr. 121; Insofern mag die durch § 935 Abs. 2 BGB bewirkte rechtliche Privilegierung im deutschen Recht praktisch nicht von besonderer Relevanz sein. Die Anzahl der Fälle, in denen tatsächlich die Herausgabe der konkreten Banknote verlangt werden könnte, würde sich wohl in Grenzen halten. Allerdings ist es aufgrund der großen Bedeutung der Umlauffähigkeit von Banknoten notwendig, dass hieran ein gutgläubiger Erwerb zweifelsfrei, also unabhängig von der „Vorgeschichte“ der konkreten Banknote, möglich ist. Die Cour de Cassation hat im Übrigen klargestellt, dass nur individualisierte bewegliche Sachen in den Anwendungsbereich von Art. 2276 C.c. fallen und dieser daher auf – im gegebenen Sachverhalt – überwiesene Geldbeträge nicht anwendbar ist; Cass. civ., 10.02.1998, Az. 96-12.711. 47 Vgl. dazu unten S. 193 ff. 48 Gleichzeitig werden als Ausgleich zu dem erweiterten Verkehrsschutz den (regelmäßig) involvierten professionellen Beteiligten in gewissem Umfang besondere Sorgfaltspflichten auferlegt. Vgl. hierzu unten S. 212 f.

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Sache bezieht sich bei einer in einem Inhaberpapier verbrieften Forderung auf die Innehabung der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft an diesem Papier;49 dieses ist das Rechtsobjekt der Übereignung. Insgesamt wird die weitreichende Ermöglichung des gutgläubigen Erwerbs bei diesen Sachen mit erhöhtem Umlaufbedürfnis allgemein begrüßt.50 „Wenn eine Sache nicht durch ihr Dasein in der Hand des Besitzers oder Eigentümers nützt, sondern durch ihre Veräußerung, wenn sie überhaupt bestimmungsgemäß häufigem Umsatz unterworfen wird, so ist es zumindest denkbar, sie einer anderen rechtlichen Qualifikation zu unterziehen, als wenn sie in der Hand des Eigentümers durch ihr Dasein und durch ihre Nutzung stärkere persönliche Bindungen hervorruft.“51

Dies erkennen auch jene an, die dem gutgläubigen Erwerb sonst kritisch gegenüberstehen.52 Mit Blick auf die Zukunft ist im Übrigen zu erwarten, dass sich zumindest das Recht für kapitalmarktgehandelte Wertpapiere mittelfristig von den generellen sachenrechtlichen Regelungen löst.53 4. Sachen, deren Umlauffähigkeit von geringerer Bedeutung ist Im Gegensatz zu den soeben erörterten Sachen, bei denen die Umlauffähigkeit von erhöhter Bedeutung ist, existieren auch Sachen, bei denen die Bedeutung der Umlauffähigkeit vermindert ist und für die entsprechend ein erhöhter Eigentumsschutz existiert bzw. gefordert wird. Dies wird insbesondere bei Kunstwerken und Kulturgütern diskutiert, bei denen neben dem Umsatz-, Wert- und Genussinteresse auch noch eine besondere kulturelle Bedeutung zu berücksichtigen sein kann. Im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs haben sich in der Vergangenheit Fragen einer Sonderbehandlung von Kunstwerken und Kulturgütern besonders im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Kriegswirren und anderen Sondersituationen ergeben. Entsprechend werden die daraus resultierenden Aspekte gesammelt

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„Hat also jemand das Papier in seinen Händen, so spricht ein gewisser äußerer Anschein dafür, dass er der Berechtigte ist.“, Hueck/Canaris, § 1 II 1. (S. 9). 50 Im Rahmen der Erörterung der dogmatischen Probleme zum Effektenverkehr stellt Canaris bspw. fest, dass eine Versagung der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs „den Tod des Effektengiroverkehrs bedeuten [würde], weil der Erwerb von Effekten ohne das Bestehen eines Gutglaubensschutzes viel zu gefährlich wäre.“, Hueck/Canaris, § 1 III (S. 16). 51 Hübner, S. 139. 52 Z.B. von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 231; Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 185 f. oder Peters, S. 30. 53 Vgl. bspw. die Bestrebungen zur Rechtsangleichung und -fortentwicklung auf der Ebene der Europäischen Union durch eine Wertpapierrichtlinie (Securities Law Directive) oder die Bestrebungen durch das UNIDROIT-Wertpapierübereinkommen sowie die Forderungen in der Rechtswissenschaft, z.B. Lehmann, S. 228 ff. und S. 508 ff.

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im Rahmen dieser Untersuchung unten S. 257 ff. erörtert. Dies soll aber nicht verbergen, dass es sich bei einer etwaigen Sonderbehandlung von Kunstwerken und Kulturgütern um einen Steuerungsparameter handelt, der an den Gegenstand des gutgläubigen Erwerbs, die Sache selbst, anknüpft.

II. Sachbeziehungen des Veräußerers als Indiz des Eigentums Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die Problematik des Nachweises des Eigentums des Veräußerers bzw. die Überprüfung des Eigentums des Veräußerers durch den Erwerber. Worauf darf sich ein Erwerber bei seiner Annahme, er erwerbe vom wahren Eigentümer, stützen, ohne gezwungen zu sein, sämtliche Vorgänge in Bezug auf die Sache seit deren Entstehung nachzuprüfen? Welcher Umstand begründet den Rechtsschein des Eigentums des Veräußerers im Rahmen des hier relevanten Verkehrs? 1. Der Rechtsschein der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft Aus den obigen Darstellungen ergibt sich, dass die nationalen Rechtsordnungen, insbesondere das deutsche und das französische Recht, an die tatsächliche Sachbeziehung des Veräußerers bzw. die Erlangung derselben durch den Erwerber anknüpfen. Diskussionen ergeben sich dabei sowohl hinsichtlich der Art der Qualifizierung nach nationalem Recht (a), als auch in Bezug auf die grundsätzliche Anknüpfung des Rechtsscheins an die (entsprechend qualifizierte) tatsächliche Sachherrschaft (b). a) Die Kritik an der Art der „Qualifizierung“ Das deutsche und das französische Recht fordern unterschiedliche Merkmale für ihre nationalen Rechtsscheinträger und setzen diese im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs unterschiedlich ein. aa) Problematische Aspekte bei der possession als Rechtsscheinträger Die französische Regelung zum gutgläubigen Erwerb ist, nicht zuletzt aufgrund ihrer Entstehungszeit, weniger differenziert ausgestaltet als die deutsche Regelung. Sie vereint die Eigentumsvermutungsregel und den gutgläubigen Erwerb in wenigen Worten und setzt dabei an der Situation eines Herausgabeverlangens des Eigentümers vom gegenwärtigen possesseur an. Entsprechend geht es in der Konkretisierung dieser Vorschrift im Schwerpunkt um die Art der tatsächlichen Sachherrschaft auf Seiten des Erwerbers („possession vaut titre“). Um von der Regel des gutgläubigen Erwerbs profitieren zu können, muss der Erwerber eine possession erlangt haben, die frei von Mängeln sein muss („exempte des vices“), was in der Rechts-

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anwendung im Schwerpunkt erfordert, dass es sich um eine unzweideutige possession („possession non-équivoque“) handeln muss.54 Nach der französischen Rechtsprechung kommt es für die Beurteilung des Eigentumserwerbs und etwaiger Lösungsrechte zudem entscheidend darauf an, ob im weiteren Verlauf eine freiwillige Aufgabe der possession durch den Erwerber zugunsten des Eigentümers erfolgt ist („dépossession volontaire“). Die Ergebnisse der Rechtsanwendung für den Erwerber hängen entscheidend davon ab, ob das Verhalten des Erwerbers (Herausgabe der Sache auf Anforderung der Polizei- und Ordnungsbehörden; Übergabe der Sache zur Reparatur, Duldung der Beschlagnahme durch die Polizei) als eine freiwillige dépossession zu bewerten ist. Die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft spielt im französischen Recht tatbestandlich also zunächst nur auf Seiten des Erwerbers eine Rolle. Die vorherige qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft auf Veräußererseite und der Übertragungsvorgang derselben auf den Erwerber sind tatbestandlich nicht relevant. Sachverhaltselemente, die Zweifel an der Stellung des Veräußerers oder am Übergang der possession wecken, werden vielmehr im Rahmen der Gutgläubigkeit oder – in geringerem Maße– im Rahmen der Bewertung des erlangten Zustands der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft auf Erwerberseite („possession exempte des vices“) thematisiert.55 Zwar bedeutet die Innehabung der geforderten possession auf Seiten des Erwerbers, dass sein Veräußerer die Möglichkeit hatte, ihm diese zu verschaffen. Dennoch ist angesichts dieser sehr eingeschränkten Berücksichtigung der possession des Veräußerers zumindest fraglich, ob hier ein Rechtsscheintatbestand, an den der Erwerber die Berechtigung des Veräußerers knüpfen darf, überhaupt vorliegt. Die possession des Veräußerers ist hierfür jedenfalls nicht explizit relevant. So kommt Minuth zu der Beurteilung, dass es sich im französischen Recht weniger um eine Bewertung der Verschiebung der tatsächlichen Sachherrschaft, als vielmehr um eine Bewertung des Zustands der tatsächlichen Sachherrschaft auf Erwerberseite handelt.56

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Vgl. hierzu oben S. 52 ff. Vgl. auch oben S. 51 ff. 56 Minuth, S. 189 f. Eine marginale Veränderung in Bezug auf die Behandlung der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft sieht diesbezüglich der Entwurf des AvantProjet Réforme droit des biens (vgl. oben Teil 1, 2. Kapitel Fn. 27) vor, der in seinem Art. 556 Abs. 1 zwar weiterhin vom Zustand des Erwerbers als possesseur ausgeht, aber immerhin eindeutig darauf abstellt, dass der Eigentumserwerb im Moment der Erlangung der possession stattfindet. Art. 556 Abs. 1 des Entwurfs lautet: „Le possesseur de bonne foi d’un meuble corporel qui l’a acquis d’un non-propriétaire en devient propriétaire dès son entrée en possession.“ 55

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bb) Problematische Aspekte beim Besitz als Rechtsscheinträger Anders ist dies im deutschen Recht, das dem Übergabeerfordernis, und damit auch der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft auf Veräußererseite, auch tatbestandlich bereits eine große Bedeutung einräumt. Die Diskussionen beschäftigen sich hier insbesondere mit der Stellung des mittelbaren Besitzers sowie mit der Anknüpfung an einen Rechtsschein ohne jegliche Form des Besitzes durch die Einbindung sog. Geheißpersonen.57 (1) Die Verschaffung des mittelbaren Besitzes im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs Die Verschaffung des mittelbaren Besitzes im Rahmen der zu einem gutgläubigen Erwerb erforderlichen Übergabe ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Diese betreffen besonders das Verhältnis von § 933 BGB zu § 934 BGB.58 Im Rahmen der §§ 930, 933 BGB reicht die Vereinbarung eines Besitzkonstituts zwischen dem (nichtberechtigten) Veräußerer und dem Erwerber und die daraus resultierende Schaffung eines mittelbaren Besitzes beim Erwerber nicht aus, um dem gutgläubigen Erwerber das Eigentum zu verschaffen. Gemäß § 933 BGB ist nämlich zusätzlich erforderlich, dass die Sache dem Erwerber auch übergeben wird, was in erster Linie bedeutet, dass der Veräußerer sich jeglichen Besitzes entledigen muss.59 Bei §§ 931, 934 Alt. 1 BGB hingegen ist die bloße Abtretung des Herausgabeanspruchs ausreichend, ohne dass es einer Übergabe an den Veräußerer bedarf. Hierin wird von vielen ein Wertungswiderspruch zwischen § 933 BGB und § 934 Alt. 1 BGB gesehen.60 Der BGH sieht dies als konsequente Anwendung der gesetzlichen Vorschriften an, die auf zwei Prinzipien beruhen: der Gleichsetzung des mittelbaren Besitzes mit dem unmittelbaren Besitz und der Tatsache, dass es „für den gutgläubigen Erwerb genügt, wenn sich der Veräußerer seines 57 Ebenfalls problematisch kann die Einbindung von Besitzdienern in das Konzept des gutgläubigen Erwerbs sein. Der wesentliche Problemkreis betrifft hier jedoch die Frage, ob ein Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn ein Besitzdiener weisungswidrig über die ihm überlassene Sache verfügt (vgl. dazu oben S. 105). Im Hinblick auf die besitzrechtliche Situation tritt ein solcher Besitzdiener dem Erwerber als unmittelbarer Besitzer gegenüber, denn durch sein weisungswidriges Handeln hat er sich vom Besitzdiener zum unmittelbaren Besitzer aufgeschwungen. 58 U.a. Wacke, 50 ff.; Michalski, AcP 181 (1981) 384, 386 f.; Medicus, FS Hübner, 611, 612 f.; Picker, AcP 188 (1988) 511, 513 ff.; Kindl, AcP 201 (2001) 391, 397 f. Weitere Nachweise insbesondere auch bei Lohsse, AcP 206 (2006), 527, 528 ff. 59 Vgl. dazu bereits oben S. 89 f. Der Erwerb mittelbaren Besitzes auf Erwerberseite reicht aus, wenn nicht der Veräußerer selbst Besitzmittler ist. 60 Vgl. u.a. schon die deutlichen Worte bei Boehmer, § 23 (S. 32 ff.).

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Besitzes vollständig entledigt, gleichgültig, ob es sich hierbei um mittelbaren oder unmittelbaren Besitz handelt.“61 Die §§ 933, 934 BGB würden demnach von dem Grundsatz beherrscht, dass die Übertragung mittelbaren Besitzes durch den Veräußerer an den Erwerber für den gutgläubigen Erwerb ausreiche, nicht aber die Schaffung des mittelbaren Besitzes (mit dem Veräußerer als Besitzmittler). Die Übertragung des mittelbaren Besitzes (in der Konstellation des § 934 Alt. 1) setzt in Anwendung des § 870 BGB aber nur die Abtretung des Herausgabeanspruchs voraus.62 Allerdings bestätigt der BGH in diesem Urteil auch, dass es aufgrund der Vorschriften zu einer nicht ohne weiteres einsichtigen unterschiedlichen Beurteilung wirtschaftlich gleich liegender Sachverhalte kommt, je nach dem, ob § 933 BGB oder § 934 Alt. 1 BGB Anwendung findet.63 Kritisiert wird an dieser Handhabung der Vorschriften u. a. die Möglichkeit, im Rahmen des § 934 Alt. 1 BGB mittels Besitzkonstitut (Übertragung des mittelbaren Besitzes durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs des Veräußerers gegen den unmittelbaren Fremdbesitzer) einen gutgläubigen Eigentumserwerb herbeizuführen. Damit würde ein Eigentümer sein Recht verlieren, ohne dass eine nach außen tretende Handlung in Erscheinung treten müsse, so dass § 934 Alt. 1 BGB, anders als § 933 BGB, einen heimlichen Gutglaubenserwerb ermögliche.64 Ein geänderter Besitzmittlungswille des unmittelbaren Besitzers ist als solcher im Moment des Eigentumserwerbs durch den Erwerber nämlich nicht unmittelbar erkennbar, sondern erst wenn der unmittelbare Besitzer einem etwaigen Herausgabeverlangen des Erwerbers nachkommt. Es ist richtig, dass daraus Konflikte mit dem „Leitprinzip der Publizität durch Sachtradition“ resultieren.65 So weist Picker auch darauf hin, dass es

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BGH NJW 1968, 1382, 1384 (sog. Fräsmaschinenfall). Im Ergebnis zustimmend Michalski, AcP 181 (1981), 384, 386 ff.; Lohsse, AcP 206 (2006), 527, 554. 62 BGH NJW 1968, 1382, 1383. 63 BGH NJW 1968, 1382, 1384; als besonders auffallend merkte der BGH in dem zu entscheidenden Sachverhalt an, dass derjenige, der letztlich gutgläubig das Eigentum erwarb, der Sache selbst „fernergerückt war als der erste, der gemäß § 933 BGB kein Eigentum erwerben konnte.“; BGH NJW 1968, 1382, 1384. 64 Picker, AcP 188 (1988) 511, 521 ff. 65 Picker, AcP 188 (1988) 511, 513. Anschaulich formuliert Picker dort hinsichtlich der Frage des Verhältnisses von § 933 BGB zu § 934 BGB: „Es geht um die Frage, ob ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten und also eine Enteignung des wahren Berechtigten auch dann noch anerkannt werden kann, wenn sich die umstrittene Sache nach wie vor unverändert an der Stelle befindet, an der der Eigentümer sie deponiert hat. Thema ist also die Legitimität des Gutglaubenserwerbs, wenn sich die fragliche Rechtsverschiebung nicht zugleich auch in einer Verschiebung der Sache und folglich, was diese betrifft, in keinerlei äußerem Akt offenbart.“

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durch § 934 BGB bspw. möglich ist, dass der Erwerber gutgläubig Eigentum an der Sache erwirbt, ohne sie jemals gesehen zu haben.66 (2) Gutgläubiger Eigentumserwerb ohne Besitz auf Veräußererund Erwerberseite Hat der Veräußerer in den soeben erfassten Konstellationen in der Regel den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz, so geht das deutsche Recht sogar noch weiter, indem es einen gutgläubigen Eigentumserwerb ermöglicht, ohne dass der Veräußerer oder der Erwerber den Besitz Sache innehatte bzw. erlangt. Dies ist der Fall bei der Einschaltung von Geheißpersonen, also Dritten, die dem Veräußerer bzw. Erwerber weder den Besitz mitteln noch für diese als Besitzdiener handeln.67 Problematisch erscheint dies insbesondere auf Veräußererseite unter der Berücksichtigung der Funktion der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft als primärer Rechtsscheinträger. Der BGH stellte hierzu fest, dass eine Übergabe nicht notwendigerweise durch den veräußernden Nichteigentümer selbst geschehen müsse, sondern es genüge, „wenn der Besitz von einem Dritten als unmittelbarem Besitzer (…) auf Geheiß des Veräußerers übertragen wird; dabei ist auch nicht notwendig, dass der unmittelbare Besitzer Besitzmittler des Veräußerers ist.“68

Ergänzt wurde dies durch den BGH in einem späteren Urteil, in dem er diese Lösung als interessengerecht bestätigte, denn es mache für den Erwerber keinen Unterschied, ob er den von ihm gekauften Gegenstand direkt vom Verkäufer übergeben bekomme oder von einem Dritten ausgeliefert erhalte.69 An den diesen beiden Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten ist besonders hervorzuheben, dass sich die Geheißperson selbst über ihre Rolle als „Geheißperson für einen anderen“ irrte. In beiden Fällen handelte es sich bei der Geheißperson um den eigentlichen Eigentümer, der meinte, ein eigenes Geschäft zu erfüllen und eigenständig zu übereignen. Für den Erwerber stellte sich das Handeln des Dritten allerdings jeweils als ein Handeln auf Geheiß des Veräußerers dar. Diesbezüglich stellte der BGH ausdrücklich auf die Wahrnehmung des Erwerbers ab: „Der Empfänger kann nicht wissen, welche Absichten der Dritte mit seiner Lieferung verfolgt, wenn ihm das nicht hinreichend erkennbar gemacht wird. Für ihn ist allein bedeutsam, dass die Übergabe auf Veranlassung des Veräußerers tatsächlich erfolgt. Ob

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Picker, AcP 188 (1988) 511, 522 f. Vgl. dazu bereits oben S. 88 ff. 68 BGH NJW 1962, 299, 300 (sog. Kokshändler-Fall). 69 BGH NJW 1974, 1132, 1133. 67

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sich der Dritte dessen ‚Geheiß‘ auch wirklich unterworfen hatte, bleibt dem Empfänger naturgemäß verborgen.“70

Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs durch eine Übergabe unter Einbindung einer Geheißperson wurde von der Literatur bereits vor diesen Urteilen kritisiert71 und entsprechend sind auch die Entscheidungen des BGH auf Widerspruch gestoßen.72 Hauptansatzpunkt der Kritik war dabei die Tatsache, dass durch die Rechtsanwendung des BGH ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten stattfinden könne, ohne dass der Veräußerer jemals die tatsächliche Sachherrschaft oder die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft in Form des Besitzes innehatte.73 Dies sei mit den Grundprinzipien des gutgläubigen Erwerbs, der nun mal an die vom Besitz der Sache ausgehende Vermutung der Eigentümerstellung anknüpfe, nicht gerechtfertigt.74 Andererseits hat die Anerkennung der Möglichkeit des

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BGH NJW 1974, 1132, 1134. Der BGH (NJW 1974, 1132, 1134) bezieht dabei in seine Erörterung etwaige bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche mit ein, die sich bei einer Versagung des gutgläubigen Erwerbs ergeben würden. So begründet er sein Ergebnis auch damit, dass der Erwerber andernfalls bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche nach § 812 BGB oder § 816 BGB fürchten muss, ohne seine eigene Leistung an den Schuldner des Kaufvertrags in Abzug bringen zu können. Der Vertrauensschutz des Erwerbers als Empfänger einer Zuwendung, die er für eine Leistung des Schuldners halte, sei dann nur unvollkommen. Diese Analyse ist richtig, gleichwohl ist die Argumentation nicht so zwingend, wie es den Anschein hat. Zunächst scheint der BGH hier entweder einen Eigentumserwerb des Erwerbers direkt von dem Dritten oder einen Erwerb eines Dritterwerbers vorauszusetzen, denn andernfalls würde sich ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB ergeben. Nimmt man diesen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zum Vergleich, so zeigt sich aber, dass es sich bei der Nichtabzugsfähigkeit der an den Veräußerer erbrachten Leistungen um keine Besonderheit handelt. Dem Eigentumsherausgabeanspruch nach § 985 BGB können im Falle der Versagung eines (gutgläubigen) Eigentumserwerbs solche Leistungen an den Veräußerer nie entgegengehalten werden. Hier wäre die Situation bei einer Versagung des gutgläubigen Erwerbs keine andere, als wenn der Erwerb aus einem anderen Grunde scheitern würde, bspw. weil man von einem Abhandenkommen der Sache ausgeht. Eine andere Lösung würde einem Lösungsrecht entsprechen, das im deutschen Recht gerade nicht verwirklicht ist (vgl. hierzu auch unten S. 269 ff.). 71 U.a. von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 208 ff. insb217; Ernst Wolf, § 5 B IV d (S. 239 f.). 72 Von Caemmerer, JZ 1963, 586 ff. (kritisch insbesondere im Hinblick auf Scheingeheißpersonen). 73 Vgl. u.a. von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 208 ff. 74 Vgl. Ernst Wolf, § 5 B IV d (S. 239): „Einen guten Glauben an den Besitz gibt es nicht.“; teilweise wird noch differenziert zwischen Sachverhaltsvarianten, bei denen die Geheißperson wissentlich für den Veräußerer übergibt und solchen Varianten, bei denen die Geheißperson nicht auf den Geheiß des Veräußerers hin tätig wird, dies aber für den Erwerber so den Anschein hat (diesen Fall betrafen auch die oben zitierten Entscheidungen). Es sei nicht ausreichend, wenn die Geheißperson nur aufgrund einer Täuschung des

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gutgläubigen Erwerbs beim Erwerb durch Geheißpersonen auch Zustimmung gefunden.75 Handelt (auch) auf Erwerberseite eine Geheißperson, so stellt sich ebenfalls die Frage nach der Vereinbarkeit mit den §§ 932 ff. BGB. Bei der Einschaltung einer Geheißperson auf Erwerberseite erlangt der Erwerber selbst nämlich keinen Besitz. Der Erwerb durch eine Geheißperson des Erwerbers ist jedoch für die Zwecke der „Übergabe“ funktional gleichwertig zum Erwerb des unmittelbaren Besitzes durch den Erwerber selbst.76 (3) Die Besitzverschaffungsmacht als Rechtsscheinträger im deutschen Recht Was folgt aus diesen Streitfällen nun für die Beurteilung der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft als Rechtsscheinträger nach deutschem Recht? Die in den §§ 932 Abs. 1 S. 1, 932 Abs. 1 S. 2, 933 und 934 Alt. 1 BGB genannten Übergabealternativen setzen voraus, dass der Veräußerer zuvor im Besitz der Sache war, wobei das deutsche Recht hier regelmäßig auch den mittelbaren Besitz genügen lässt. Entsprechend hat der BGH zunächst den auf dem Besitz ruhenden Rechtsschein als Voraussetzung des gutgläubigen Erwerbs genannt.77 § 934 Alt. 2 BGB hingegen setzt keinen Besitz des Veräußerers voraus, sondern verlangt nur den entsprechenden Besitzerwerb des Erwerbers. Dies ist wiederum grundsätzlich auch im Einklang mit den sonstigen Vorschriften der §§ 932–934 BGB, die regelmäßig ebenfalls voraussetzen, dass der Erwerber eine bestimmte Form des Besitzes erlangt. Im Zusammenhang mit § 933 BGB und in Abgrenzung zu § 934 Alt. 1 BGB wurde dabei abgeleitet, dass der Erwerber eine solche Art des Besitzes erlangen muss, „dass sie jeden irgendwie gearteten Besitz des Veräußerers ausschließt.“78 Auf Veräußererseite bleibt aber der Sonderfall des § 934 Alt. 2 BGB zu würdigen. Berücksichtigt man darüber hinaus die Rechtsprechung zum gutgläubigen Erwerb unter Einbindung von Geheißpersonen, so ergibt sich, dass der Besitz alleine nicht das entscheidende Kriterium sein kann, ge-

Veräußerers handele, von Caemmerer, JZ 1963, 586, 588; Martinek, AcP 188 (1988), 573, 629 ff. 75 U.a. Wolff/Raiser, § 69 III 2 a (S. 254 f.); Westermann, § 47 I 1 (S. 385 f.); Staudinger/Wiegand, Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 18. 76 Vgl. im Ergebnis BGH WM 1969, 831, 832; zur Einschaltung von Geheißpersonen auf Erwerber- und Veräußererseite BGH NJW 1973, 141, 142; Wolff/Raiser, § 66 I 1 (S. 253 f.); so auch Martinek, AcP 188 (1988), 573, 640 f. unter Berufung auf die Verzichtbarkeit des Erwerberbesitzes. 77 BGHZ 10, 81, 86. 78 Baur/Stürner, § 52 Rdnr. 3; Vgl. auch BGHZ 56, 123, 129.

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nauso wenig, wie der Erwerb des Besitzes auf Erwerberseite; siehe z.B. die Einbindung der Geheißperson auf Erwerberseite. Entscheidend ist im deutschen Recht vielmehr, dass der Veräußerer in der Lage ist, dem Erwerber (oder dessen Geheißperson) den Besitz zu verschaffen. Der gutgläubige Erwerb im BGB beruht also nicht auf dem durch den Besitz des Veräußerers verursachten Rechtsschein, sondern auf dem durch die Möglichkeit des Veräußerers verursachten Rechtsschein, dem Erwerber den Besitz zu verschaffen (sog. Besitzverschaffungsmacht).79 Die Entscheidungen des BGH im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs unter Einbindung einer Geheißperson gehen sogar noch weiter. Dort bedurfte es noch nicht einmal einer wirklichen Besitzverschaffungsmacht, war sich die Geheißperson in den zugrunde liegenden Sachverhalten doch gar nicht darüber im Klaren, dass ihr Verhalten vom Erwerber als „Übergabe auf Geheiß des Veräußerers“ gewertet wird. Im Einklang mit der Kritik an dieser Entscheidung könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass hier nur der Schein der Besitzverschaffungsmacht als Rechtsscheinträger ausgereicht hat.80 Der BGH stellt dabei im Zusammenhang mit der Erörterung des Geheißerwerbs fest: „Die Vorschrift des § 932 BGB schützt den Erwerber, der auf Grund der Besitzlage an das Eigentum des Veräußerers glauben darf. Vom Erwerber aus gesehen übt aber nicht nur derjenige die tatsächliche Gewalt über die Sache (§ 854 BGB) aus, der sie selbst dem Erwerber übergibt, sondern auch derjenige, auf dessen Weisung die Sache dem Erwerber durch einen Dritten ausgefolgt wird. In beiden Fällen verdient und braucht der Erwerber Schutz.“81

Der BGH setzt also an dem Rechtsbegriff des Besitzes an, beschränkt sich in seiner weiteren Erwägung allerdings auf das Element der tatsächlichen Gewaltausübung über die Sache.82 Dieses Element der tatsächlichen Gewalt erweitert er – jenseits des Rechtsbegriffs des Besitzes – dahingehend, dass auch die Möglichkeit der Weisung an einen Dritten, der tatsächlicher Inhaber der Sachgewalt ist, als tatsächliche Gewalt des Veräußerers ausreicht, um einen Erwerber berechtigterweise an das Eigentum des Veräußerers glauben zu lassen. Der BGH löst sich für die Zwecke des gutgläubigen Erwerbs somit vom engeren Rechtsbegriff des Besitzes als Form der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft nach dem BGB. 79

Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 330; Rebe, AcP 173 (1973), 186, 194, Römer, S. 226 ff.; Hager, Verkehrsschutz, S. 245 ff.; Staudinger/Wiegand, Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 12; MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 6. 80 So Martinek, AcP 188 (1988), 573, 631. 81 BGH NJW 1962, 299, 300 f. 82 Hierbei zitiert er § 854 BGB. Dies erscheint jedoch nicht sachgerecht, da er gerade nicht den Rechtsbegriff des Besitzes in Bezug nimmt, sondern nur ein Teilelement daraus, die tatsächliche Gewalt.

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Die Loslösung vom Besitz als Rechtsscheinträger hin zur Besitzverschaffungsmacht erscheint für den modernen Wirtschaftsverkehr auch legitim, denn beim Eigentumserwerb kommt es „weniger auf statische Sachherrschaftsbeziehungen, (…) als vielmehr auf die Bewirkungsmacht für Änderungen der realen Verhältnisse an. Die tatsächliche Besitzverschaffungsmacht ist in der Tat der eigentliche Rechtsscheinträger und die wahre Legitimationsbasis des Veräußerers.“83

Gleichermaßen kommt es für einen gutgläubige Erwerb im deutschen Recht auch nicht darauf an, ob der Erwerber vom Rechtsschein des Veräußerers Kenntnis hat.84 cc) Zusammenfassung zur „Qualifizierung“ der tatsächlichen Sachherrschaft im französischen und deutschen Recht Sowohl im französischen wie auch im deutschen Recht ist die nationale Form der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft für einen gutgläubigen Erwerb bedeutend. In beiden Rechtsordnungen führen die Aspekte der Qualifizierung der tatsächlichen Sachherrschaft darüber hinaus zu Unklarheiten und Diskussionen in der Rechtswissenschaft. Diese Kritikpunkte hängen mit der dogmatischen Grundstruktur der jeweiligen Qualifizierung zusammen und resultieren zu einem großen Teil aus der Einbindung der jeweiligen Form der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft (possession bzw. Besitz), die ja für verschiedene Aspekte des jeweiligen nationalen Privatrechts von Bedeutung ist, in das System des gutgläubigen Erwerbs. Das Problem liegt also insbesondere darin, das jeweilige nationale Rechtsinstitut gerade auch mit den speziellen Erfordernissen des gutgläubigen Erwerbs in Einklang zu bringen. Hier sind, wie gesehen, Anpassungen bei der Handhabung der Qualifizierungselemente notwendig.85 83

Martinek, AcP 188 (1988), 573, 630. Wieling, Sachenrecht, § 10 II 2. (S. 121); Hager, Verkehrsschutz, S. 328 f. Kritisch und mit weiterführender Diskussion dazu auch Leuschner, der anmerkt, dass das Verkehrsinteresse durch ein Systemvertrauen gefördert werde, welches darauf gerichtet sei, dass Verkehrsteilnehmer im Rahmen von Erwerbsgeschäften vom Besitz des Verfügenden auf dessen Berechtigung schließen können. Die Entwicklung eines solchen Vertrauens erfordere aber gerade die Kenntnis des Erwerbers vom Besitz des Veräußerers, AcP 2005 (2005), 205, 239. 85 Von Lübtow (FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 211) kommt im Hinblick auf die Diskussionen um die Einordnung verschiedener Besitzaspekte zu dem Schluss, dass man „als methodisch festen Ausgangspunkt (…) der geschichtlichen Entwicklung Rechnung tragend die körperliche Sachherrschaft nehmen [muss], das rein physische Verhältnis einer Person zu einer Sache, und sich dann die Frage vorlegen, bis zu welchem Grade diese Sachherrschaft vergeistigt werden kann.“ Westermann (5. Aufl.), § 49 I 6 (S. 239) gelangt zu dem Ergebnis, dass der Rechtsschein nicht an den Besitz i.S.d. Rechtsbegriffs, sondern an die Ausübung der tatsächlichen Gewalt anknüpfe und folgert, dass auch für 84

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Die konkrete Verortung der jeweiligen nationalen qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft im System des gutgläubigen Erwerbs ist zudem unterschiedlich. Im französischen Recht geht es um die Innehabung der possession auf Seiten des Erwerbers, wohingegen im deutschen Recht die Verschaffung des Besitzes durch den Veräußerer im Mittelpunkt steht. b) Die Kritik an der Schlussfolgerung von der tatsächlichen Sachherrschaft auf das Eigentum Im Zusammenhang mit der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs noch bedeutender als die Kritik an und die Probleme mit der nationalen Umsetzung der Qualifizierung ist die Kritik an der grundsätzlichen Anknüpfung der Berechtigung des Veräußerers an die tatsächliche Sachherrschaft selbst. Zwar zeigen sich auch in den soeben wiedergegebenen Diskussionen um die Art der Qualifizierung verschiedene Aspekte, die mit der Tauglichkeit und Realitätsnähe des entsprechenden national ausgestalteten Rechtsscheinträger zusammenhängen. Grundsätzlicher wird die Kritik allerdings dort, wo die tatsächliche Sachherrschaft selbst als Anknüpfungspunkt für einen Schein der Berechtigung des Veräußerers in Frage gestellt wird. Diese Kritik berührt den Kern des gutgläubigen Erwerbs.86 Die Berechtigung der Verbindung des Erwerbervertrauens mit der tatsächlichen Sachherrschaft des Veräußerers wird wiederholt bezweifelt. Neu ist diese Kritik nicht, wurde die Legitimität der Verknüpfung von tatsächlicher Sachherrschaft und Verfügungsberechtigung doch bereits bei der Schaffung des BGB diskutiert.87 Auch Hübner weist vor mehr als 50 Jahren plastisch auf den sich daraus ergebenden Konflikt hin: „Wir stehen vor einer eklatanten Inkonsequenz: Allenthalben streifen die wirtschaftlichen Bedürfnisse im Streben nach einer Förderung des Güterumlaufs und einer Verbesserung der Kreditsicherung die Fesseln der Kundbarkeitsformen ab – nur dort, wo das Verkehrsden Besitzdiener der Rechtsschein spreche, solange dieser die tatsächliche Gewalt in einer Weise ausübe, die seine Gebundenheit nach außen nicht erkennen lassen. Hübner folgert aus seinen Untersuchungen ebenfalls, dass das Rechtsinstitut „Besitz“ als Anknüpfungspunkt für den gutgläubigen Erwerb ungeeignet ist und nur noch über die verschärften Anforderungen an die Gutglaubenserfordernisse gehalten wird. Das zeige aber, dass bereits der Ausgangspunkt der Anknüpfung an den Rechtsbegriff „Besitz“ nicht passe; vgl. Hübner, S. 56 ff., insbesondere S. 73 f. Im Ergebnis steht Hübner dem Besitz lediglich durch eine Ergänzung über sonstige faktische Umstände eine Wirkung als objektives Anknüpfungsmerkmal zu: „Es wird also nicht der Besitz schlechthin, sondern allenfalls ein durch stärkere typischere Anscheinsmerkmale intensivierter Besitz als Vertrauenstatbestand in Frage kommen.“ (Hübner, S. 90). 86 Diese Diskussion findet im Übrigen auch in Frankreich statt, obwohl dort, wie gesehen, zumindest die qualifizierte Form der tatsächlichen Sachherrschaft (possession) auf Veräußererseite kein direktes Tatbestandsmerkmal ist. 87 Hübner, S. 62.

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bedürfnis sich einen Nutzen verspricht, erhebt man den Publizitätsgrundsatz, indem man sein Fortbestehen fingiert, zur Grundlage eines Instituts. Hat die Rechtsordnung wirklich Grund, solche inneren Widersprüche zu dulden, nur weil historische Reminiszenzen den Blick trüben?“88

Rebe meint, dass der Besitz als Rechtsscheinträger von Anfang an nicht geeignet gewesen sei und dies in zunehmendem Maße immer weniger sei, je differenzierter die Arbeitsteilung in der Wirtschaft werde und je abhängiger die Wirtschaft von Krediten und den Kreditsicherungsmitteln des Eigentumsvorbehalts und des Sicherungseigentums sei.89 So auch Baur, der meint, dass „der Schluss vom Besitz auf das Eigentum noch weniger gerechtfertigt sei denn je.“90 Als Besonderheit ist unter dem Blickwinkel der tatsächlichen Sachherrschaft als Rechtsscheinträger noch zu berücksichtigen, dass sich das Auseinanderfallen von Rechtsschein und materieller Rechtslage, also von tatsächlicher Sachherrschaft und Eigentum, anders als bei übrigen Rechtsscheintatbeständen, auch nicht als „Störung“ auffassen lässt,91 da sowohl die genannten Kreditsicherungsmittel als auch die gesetzlich vorgesehenen Gebrauchsüberlassungsverträge (Miete, Leihe etc.) im Rahmen eines regelmäßigen Geschäftsverkehrs zu einem solchen Auseinanderfallen führen. Die wirtschaftlichen Erfordernisse des Güterumlaufs und der Kreditsicherung erfordern also ein Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz, andererseits haben aber §§ 932 ff. BGB zum Schutze eben dieses Wirtschaftsverkehrs das regelmäßige Zusammenfallen von Besitz und Eigentum als Ausgangspunkt. Diese Kritik kann aber die Grundanknüpfung des gutgläubigen Erwerbs an die tatsächliche Sachherrschaft aus verschiedenen Gründen dennoch nicht entscheidend in Frage stellen. Soweit im Rahmen der Kritik darauf hingewiesen wird, dass sich der gutgläubige Erwerb auf diese Weise nicht mit den Erfordernissen der publizitätslosen Kreditsicherung in Einklang bringen lässt, ist das Problem eher bei der Kreditsicherung und damit den Sicherungsnehmern zu verorten. Beim Eigentumsvorbehalt scheidet ein Konflikt häufig schon deshalb aus, weil der Eigentumsvorbehaltskäufer in vielen Fällen zur Weiterveräußerung berechtigt sein wird (unter Abtretung der entsprechenden Zahlungsansprüche an den Vorbehaltseigentümer). Soweit die Schnittstelle zur Sicherungsübereignung betroffen ist, also ein Sicherungseigentümer durch den möglichen gutgläubigen Eigentumserwerb eines Dritten gefährdet ist, 88

Hübner, S. 65. Rebe, AcP 173 (1973), 186, 193. 90 Baur/Stürner, 17. Aufl., § 51 Rdnr. 44, bzw. in der Folgeauflage § 51 Rdnr. 44, leicht verändert: „der Schluß vom Besitz auf das Eigentum (…) stets nur eingeschränkt gerechtfertigt [ist und war].“ 91 Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 181; Peters, S. 27. 89

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ist die Risikozuweisung bzw. Lösung auf Seiten der Sicherungsübereignung zu suchen. Ein publizitätsloses Pfandrecht ist bei aller wirtschaftlicher Notwendigkeit noch schwieriger mit dem Publizitätsgrundsatz und den Erfordernissen des Rechtsverkehrs in Einklang zu bringen. Die publizitätslose Sicherungsübereignung als Sicherungsmittel ist aus internationaler Perspektive eher ein Sonderweg, für den – zumindest im Hinblick auf bestimmte Wirtschaftsgüter – auch alternative Möglichkeiten bestehen.92 Im Rahmen der Bewertung der tatsächlichen Sachherrschaft als Anknüpfungspunkt für den Schein der Veräußererberechtigung ist zudem die Zuordnung des Risikos eines missbräuchlichen Verhaltens des Veräußerers zu berücksichtigen. Insbesondere in den von der Kritik angesprochenen Fällen der Kreditsicherung, aber auch in sonstigen Konstellationen, wird sich der Veräußerer bei der Verfügung über die fremde Sache häufig vorsätzlich oder zumindest fahrlässig über die Beschränkungen aus seiner Rechtsbeziehung zum Eigentümer hinwegsetzen. Die Möglichkeit eines solchen missbräuchlichen Verhaltens wird sich nie ganz ausschließen lassen. Vielmehr stellt sich dann die Frage, wem dieses Missbrauchsrisiko aufzubürden ist. Dem Eigentümer als Vertragspartner des Veräußerers oder dem gutgläubigen an der vertraglichen Beziehung zwischen Eigentümer und Veräußerer unbeteiligten Dritten? Hier erscheint die Zuordnung an den Eigentümer sachgerecht, mit der Folge, dass es beim zugunsten des Erwerbers wirkenden Rechtsschein des Veräußerers bleibt. Lässt man die Missbrauchsfälle bei der Betrachtung der Legitimität der Anknüpfung an die tatsächliche Sachherrschaft außen vor, so ergibt sich eine andere Gewichtung. In der Mehrzahl der Veräußerungsvorgänge wird ein nicht-missbräuchlich handelnder Veräußerer tatsächlich als Berechtigter verfügen, entweder weil er selbst Eigentümer ist oder von seinem Vertragspartner dazu ermächtigt wurde. Für den Regelfall erscheint die Anknüpfung an die tatsächliche Sachherrschaft daher als legitim. Für die Veräußerung durch einen Nichtberechtigten verbleiben dann (neben Diebstahlsfällen) insbesondere die Fälle, in denen der Veräußerer unbewusst als Nichtberechtigter handelt, bspw. weil ein vorheriger Übereignungsvorgang unerkannt fehlgeschlagen ist.93 Schließlich bleibt zu überlegen, welche Alternativen überhaupt möglich sind. Ein klassisches Mittel zur Identifikation des Eigentümers stellt die Registrierung von Sachen bzw. genauer die Registrierung der Eigentümerstellung an bestimmten Sachen dar. Dazu im Folgenden zugleich. An dieser Stelle ist zunächst festzuhalten, dass für den Regelfall (unter Ausklammerung missbräuchlichen Verhaltens eines vertraglich gebundenen

92 93

Vgl. z.B. zum französischen Recht auch unten S. 190 f. Vgl. dazu auch oben im Rahmen der Darstellung der Ausgangssituation S. 24.

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Veräußerers) die Anknüpfung des Scheins der Veräußererlegitimation an die tatsächliche Sachherrschaft auch unter heutigen wirtschaftlichen Umständen noch seine grundsätzliche Berechtigung hat.94 Wie im Weiteren zu zeigen sein wird, ermöglicht insbesondere das Kriterium der Gutgläubigkeit eine Relativierung der Schwächen dieser Anknüpfung.95 2. Registrierung beweglicher Sachen Als Alternative zur Anknüpfung an die tatsächliche Sachherrschaft kommt die Berücksichtigung einer Registereintragung in Betracht. Existiert ein Register mit Informationen zur Eigentümerstellung, auf die sich der Erwerber verlassen darf (positive Publizität), so spielt die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft keine entscheidende Rolle mehr. a) Register mit Bedeutung für Eigentumsübertragungen Echte Eigentumsregister für zivilrechtliche Zwecke96 sind im aktuellen Recht die Ausnahme. Die bekannteste Form der Registrierung von Eigentümerrechten ist die Eintragung von Rechten an Grundstücken im jeweiligen Register (Grundbuch, livre foncier).97 Aber auch bei beweglichen Sachen sehen Rechtsordnungen in bestimmten Fällen die Eintragung in ein Register vor. Dies ist insbesondere bei Flugzeugen und Schiffen der Fall. So bestimmt in Frankreich Art. L 121-11 Code de l’aviation civile, dass die Wirkung der Übereignung von Flugzeugen gegenüber Dritten von der Eintragung in ein spezielles Register abhängt. Art. 2276 C.c., der auf die possession abstellt, ist in diesem Fall nicht anwendbar.98 Ebenso wenig greift Art. 2276 C.c. beim Erwerb vom Nichtberechtigten von See- und Binnen-

94

Vgl. auch Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 182 f. Dazu unten S. 237 ff. 96 Wenn solche Register existieren, so sind die Register und der Registrierungsvorgang in der Regel auch noch für andere Zwecke – insbesondere öffentlich-rechtliche Zwecke – relevant. Sie ermöglichen bspw. Gemeinden und Finanzbehörden die Kontrolle der Einhaltung öffentlich-rechtlicher und steuerlicher Vorgänge. 97 Das deutsche Recht schreibt bei der Übereignung von Grundstücken die Eintragung ins Grundbuch vor, § 873 BGB. Im französischen Recht ist die öffentliche Eintragung der Rechtsänderung (publicité foncière) nur deklaratorisch, ist also keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Übereignung. Allerdings können die nicht eingetragenen Rechte bestimmten Dritten nicht entgegengehalten werden, Malaurie/Aynès (Aufl. 2002), Nr. 1203. 98 Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 90. 95

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schiffen gem. Art. 93 des Dekretes vom 27.10.196799 bzw. Art. 101 Code du domaine public fluvial et de la navigation intérieure.100 Für Schiffe existieren auch im deutschen Recht Register mit zivilrechtlicher Bedeutung im Hinblick auf das Eigentum. 101 Dabei unterscheidet das deutsche Recht ebenfalls zwischen See- und Binnenschiffen und zudem danach, ob das Schiff im Schiffsregister (See- bzw. Binnenschiffsregister) eingetragen ist oder nicht.102 Bei eingetragenen Binnenschiffen ist gem. § 3 Abs. 1 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (SchiffRG) zur Übereignung des Schiffes die Eintragung des Eigentumübergangs in das Binnenschiffsregister erforderlich. Bei eingetragenen Seeschiffen ist der Eigentümer zwar ebenfalls im Seeschiffsregister eingetragen, eine Übereignung wird aber auf der Grundlage einer bloßen Einigung vollzogen, ohne dass es einer Eintragung des neuen Eigentümers bedarf (vgl. § 2 Abs. 1 SchiffRG). Eine anschließende Berichtigung des Seeschiffsregisters ist aufgrund des öffentlichen Glaubens des Schiffsregisters vor allem im Interesse des (neuen) Eigentümers.103 Sowohl für eingetragene See- als auch Binnenschiffe gilt, dass einem Erwerber die positive Publizität des Schiffsregisters zur Verfügung steht. Nach § 16 Abs. 1 SchiffRG gilt zugunsten eines Erwerbers der Inhalt des Schiffsregisters (insbesondere soweit die Eigentümerstellung betroffen ist) grundsätzlich als richtig.104 99 Décret relatif au statut des navires et autres bâtiments de mer in der Fassung vom 03.10.1971; Rodière, Rdnr. 100 und bei Rdnr. 182: „c’est la fiche matricule qui vaut titre“. 100 Art. 2276 C.c. ist wiederum anwendbar, wenn es um Binnenschiffe unter 20t geht, die von der Eintragungspflicht in Art. 101 Code du domaine public fluvial et de la navigation inetérieure nicht erfasst werden, Cass. com., 20.11.1951, Bull. civ. sect. Com., Nr. 340 (S. 248); zum Ausschluss von Art. 2276 C.c. auch Rodière, Rdnr. 101. 101 Für Flugzeuge ergeben sich für die zivilrechtliche Übereignung keine Sonderbestimmungen. Diese werden gem. §§ 929 ff., 932 ff. BGB übereignet. Zu Registern für Luftfahrzeuge vgl. unten S. 190 ff. 102 Die Pflicht zur Eintragung eines Schiffes in das Schiffsregister richtet sich nach § 10 Schiffsregisterordnung (SchRegO). 103 Zur formellen Absicherung dient hier § 2 Abs. 2 SchiffRG, der bestimmt, dass jeder Beteiligte die Erteilung einer öffentlich beglaubigten Urkunde über die Übereignung verlangen kann. 104 Bei nicht eingetragenen See- und Binnenschiffen gelten die Regelungen für die Übereignung beweglicher Sachen §§ 929 ff. BGB, wobei § 929a Abs. 1 BGB für nicht eingetragene Seeschiffe auch hier entsprechend dem § 2 Abs. 1 SchiffRG die bloße Einigung (ohne Übergabe) für den Eigentumsübergang ausreichen lässt. Für den guten Glauben ist nach § 932a BGB allerdings auf den Zeitpunkt der Übergabe abzustellen. Für die Übergabe selbst gelten die Grundsätze des § 932 Abs. 1 BGB wonach zur Übergabe der vollständige Besitzverlust auf Seiten des Veräußerers erforderlich ist. Für nicht eingetragene Binnenschiffe gelten die §§ 929 ff., 932 ff. BGB in der gleichen Weise wie für andere bewegliche Sachen.

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In all jenen Fällen, in denen für die Eigentumsübertragung eine Registereintragung relevant wird, ist die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft in ihrer Bedeutung durch den Rechtsscheinträger der Registereintragung verdrängt. Die Registereintragung bewirkt hier den Verkehrsschutz.105 Die genauen Voraussetzungen für einen Erwerb vom Nichtberechtigten hängen dabei von der jeweiligen konkreten Ausgestaltung des Registers ab. Regelmäßig gilt aber der eingetragene Eigentümer – auch wenn er tatsächlich Nichteigentümer ist – gegenüber dem Erwerber als Berechtigter (positive Publizität), so dass auf der Basis der Eintragung ein gutgläubiger Eigentumserwerb möglich ist.106 b) Register zu Zwecken außerhalb von Eigentumsübertragungen Zu unterscheiden von diesen (auch) für die Eigentumsübertragung maßgeblichen Registern sind die Register, die ausschließlich zu anderen Zwecken bestehen. In Betracht kommen Register mit öffentlich-rechtlicher Zwecksetzung (aa), im Zusammenhang mit Kreditsicherungsrechten (bb), oder aus anderen speziellen Gründen (cc). aa) Register mit öffentlich-rechtlicher Zwecksetzung Einige Register mit öffentlich-rechtlicher Zwecksetzung enthalten Informationen über den Eigentümer einer Sache, die zumindest indirekt auch einem Erwerber zur Verfügung stehen. Dies ist sowohl im deutschen als auch im französischen Recht bei Kraftfahrzeugen der Fall.107 Kraftfahr105

Cornu, Les biens, Rdnr. 120. Im Gegenzug ist auch dem Eigentümer eine Einsichtnahme möglich und steht ggfs. ein Berichtigungsanspruch zu (vgl. z.B. § 18 SchiffRG). Im Ergebnis findet bei diesen Gegenständen eine Annäherung an die Behandlung von Grundstücken statt, was insbesondere auch mit den zur Verfügung gestellten Sicherungsmitteln zu tun hat (Flugzeughypothek, Schiffshypothek). Der Einsatz eines Registers führt nach Krimphove aus ökonomischer Sicht zu einer Senkung der Informationskosten des Erwerbers (Blick in das Register) und der Kontrollkosten des Eigentümers (Überwachung des Registers), Krimphove, ZfRV 1998, 185, 198. Im Hinblick auf eine verlässliche Entscheidungsgrundlage erscheinen die durch die Einsichtnahme des Erwerbers in das Register entstandenen Kosten in der Tat niedrig; ob sie aber niedriger sind als die bei der Anknüpfung an die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft entstehenden Kosten, ist angesichts der Vielgestaltigkeit der tatsächlichen Sachherrschaft in dieser Generalität wohl nicht zu sagen. 106 Marty/Raynaud, Nr. 426; für Schiffe in Frankreich vgl. Rodière, Rdnr. 100; Rodière/du Pontavice, Rdnr. 88. Für Schiffe in Deutschland Dobberahn, MittRh-NotK 1998, 145, 146 ff. 107 Auch in Frankreich hat die Registrierung bei Kraftfahrzeugen lediglich einen verwaltungsrechtlichen Hintergrund und ist kein zivilrechtliches Übereignungserfordernis. Sie ist nur zur Nutzung des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr erforderlich und erfolgt zudem nach dem bereits vollendeten Eigentumsübergang. Auch in Frankreich finden daher Art. 2276 f. C.c. auf Kfz wie für jede andere bewegliche Sache Anwendung; Béna-

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zeuge bedürfen der öffentlich-rechtlichen Zulassung. Die im Fahrzeugregister (§§ 31 ff. StVG) enthaltenen Informationen sind auch für den gutgläubigen Erwerb relevant, so z.B. die rechtlichen Verhältnisse in Bezug auf das Fahrzeug (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StVG), die Daten über den Fahrzeughalter (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a und lit. b StVG) und die Daten über denjenigen, an den ein Fahrzeug mit einem amtlichen Kennzeichen veräußert wurde (§ 33 Abs. 1 S. 2 lit. a und lit. b StVG). Darüber hinaus wird gem. § 12 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (FZV) eine Zulassungsbescheinigung Teil II (der frühere Fahrzeugbrief) ausgestellt, in den auch die Personalien dessen, für den das Fahrzeug zugelassen wird, einzutragen sind. Bei der Beantragung der Ausfertigung der Zulassungsbescheinigung Teil II ist die Verfügungsberechtigung über das Fahrzeug nachzuweisen (§ 12 Abs. 1 S. 1 FZV). Zudem sind Änderungen des Halters, insbesondere Informationen zu einem Erwerber des Fahrzeugs, der Behörde zur Berichtigung der Zulassungsbescheinigung mitzuteilen (§ 13 Abs. 4 FZV; § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FZV).108 Diese öffentlich-rechtlichen Informations- und Nachweispflichten bieten daher eine gewisse Gewähr für die Richtigkeit der im Fahrzeugregister enthaltenen Informationen. Eine Einschränkung der zivilrechtlichen Bedeutung ergibt sich allerdings daraus, dass in der Zulassungsbescheinigung nicht der Eigentümer, sondern der Halter des Fahrzeugs eingetragen wird. Dieser muss nicht mit dem Eigentümer personenidentisch sein,109 so dass demzufolge auch bei dem Ausweis des Veräußerers als eingetragener Halter eine Unsicherheit im Hinblick auf die Eigentümerstellung verbleibt.110 Die Schaffung des Fahrzeugbriefs beruht (auch) auf den Wünschen des Wirtschaftsverkehrs, eine Möglichkeit zur Sicherung des Eigentums zu schaffen.111 Trotz der verschiedenen im Fahrzeugregister und der Zulassungsbescheinigung Teil II enthaltenen Informationen zu Haltern und Erbent, Anmerkung zu Cass. civ., 05.10.1972, JCP G 1973, II, 17485; zum französischen Recht vgl. auch Carbonnier, Biens, Nr. 226. Als Beispiel sollen hier die Erörterungen zum deutschen Recht genügen, insbesondere da die Bescheinigung über die entsprechende Eintragung inzwischen europaweit harmonisiert wurde. 108 In den bis zum 28.02.2007 geltenden §§ 25 ff. StVZO war die Verknüpfung des öffentlichen Registers mit wirtschaftlichen Zwecken des Eigentümernachweises noch deutlicher sichtbar. Nach § 25 Abs. 4 S. 2 StVZO diente die Vorlage des Fahrzeugbriefs auch der Sicherung des Eigentums. Diese Norm wurde von den Gerichten neben der Pflicht zur Mitteilung der Erwerberdaten (§ 27 Abs. 3 StVZO a.F.) für die rechtliche Beurteilung der Aussagekraft des Fahrzeugbriefs herangezogen. 109 Vgl. dazu auch Hentschel, § 7 StVG Rdnr. 14; Schlechtriem, NJW 1970, 1993, 1994. 110 Vgl. BGHZ 68, 323, 326 zum alten Fahrzeugbrief. 111 Vgl. Schlechtriem, NJW 1970, 1993, 1993, der später auf S. 1994 formuliert: „Der ‚Rettungsring‘ Kraftfahrzeugbrief ist auch zugunsten von Erwerbern und Kreditgebern ‚ausgeworfen‘ worden.“

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werbern dienen das Fahrzeugregister und die Zulassungsbescheinigung Teil II aber ausdrücklich nicht der Regelung von zivilrechtlichen Sachverhalten. § 12 Abs. 6 S. 1 FZV stellt klar, dass die Zulassungsbehörde keine privatrechtlichen Sachverhalte entscheidet. Demzufolge findet sich auf dem amtlichen Formular für die Zulassungsbescheinigung Teil II der Hinweis „Der Inhaber der Zulassungsbescheinigung wird nicht als Eigentümer des Fahrzeugs ausgewiesen“.112 Die Rechtsprechung hat sich ebenfalls intensiv mit der Rechtsnatur des Fahrzeugbriefs bei Kraftfahrzeugen auseinandergesetzt. Auf der Basis der früheren §§ 25 Abs. 4 S. 2, 27 Abs. 3 StVZO wurde unter Hinweis auf die Ausführungsanweisung zur Verordnung, mit welcher der Fahrzeugbrief eingeführt wurde, anerkannt, dass der Fahrzeugbrief auch der Eigentumssicherung diene und durch das Einbehalten desselben ein Sicherungsinteresse zum Ausdruck gebracht werde.113 Es handelt sich beim Fahrzeugbrief aber dennoch nicht um ein Traditionspapier, bei dem die Übereignung des Papiers auch eine Übereignung der darin bezeichneten Sache bewirken würde.114 Weiterhin hat der BGH im Hinblick auf den früheren Fahrzeugbrief wiederholt bestätigt, dass eine Eintragung der Eigentumsverhältnisse selbst sogar unzulässig ist.115 Auch bei Luftfahrzeugen werden in Deutschland anlässlich der Verkehrszulassung Informationen zur Berechtigung in ein öffentliches Register, die Luftfahrzeugrolle, eingetragen, vgl. § 64 Abs. 1 LuftVG i.V.m. § 14 LuftVZO. Nach § 64 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 LuftVG dient die Eintragung auch der Erteilung von Auskünften, um Personen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer festzustellen oder zu bestimmen. Demzufolge sind den zuständigen Stellen gem. § 64 Abs. 5 S. 2 LuftVG Eigentümerwechsel mitzuteilen. Die dort gemachten Eintragungen genießen jedoch ebenfalls keinen öffentlichen Glauben, so dass auch hier nicht direkt auf die Eintragung vertraut werden darf.116 Zur Kontrolle der behaupteten Berechtigung des Veräußerers ist es jedoch auch bei der Übereignung von Flugzeugen üblich, dass der Veräußerer eine von ihm beim Luftfahrt-Bundesamt zu beantragende Stückauskunft vorlegt, die ihn als Eigentümer des Flugzeugs ausweist.

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Vgl. Anlage zur StVZO, Muster 2b (§ 23) „Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief)“ unter C.4c, wie sie am 1.10.2005 in Kraft getreten ist, BGBl. 2004 Teil I Nr. 51 vom 29.09.2004, 2374, 2385. 113 U.a. BGHZ 10, 122, 124 f.; BGH NJW 1978, 1854, 1854. 114 Vgl. u.a. BGHZ 10, 122, 125; BGH NJW 1978, 1854, 1854. Vielmehr findet im Hinblick auf den Fahrzeugbrief bzw. die heutige Zulassungsbescheinigung Teil II § 952 BGB „rechtsähnlich“ (so BGH NJW 1978, 1854, 1854) Anwendung, wonach das Recht am Papier dem Recht am Fahrzeug selbst folgt. 115 BGH NJW 1978, 1854, 1854. 116 Schölermann/Schmid-Burgk, WM 1990, 1137, 1139.

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Da die Informationen der öffentlichen Register, wie sie bspw. in der Zulassungsbescheinigung Teil II oder in der Stückauskunft wiedergegeben werden, und die mit diesen Eintragungen und Auskünften verbundenen Formalitäten eine gewisse Gewähr für die Richtigkeit der darin dokumentierten Eigentümerstellung bieten, werden sie im Rahmen einer Veräußerung zivilrechtlich nutzbar gemacht. Die entsprechenden Registrierungen werden dadurch aber nicht zum Rechtsscheinträger. Rechtsscheinträger bleibt auch in diesen Fällen die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft. Dem Rechtsverkehr wird lediglich ermöglicht, an den von öffentlichen Stellen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erlangten Informationen teilweise zu partizipieren.117 Dabei ist der Erwerber auf die Mitwirkung des Veräußerers angewiesen, da die Auskunftserteilung durch die registerführende Stelle hinsichtlich im Register verfügbarer Informationen grundsätzlich nur mit Zustimmung des Berechtigten erfolgt und ein entsprechender Nachweis nur dem Berechtigten erteilt wird.118 Soweit über die öffentlichrechtliche Eintragung ein Nachweis ausgestellt wird (z.B. Zulassungsbescheinigung Teil II), erhält diesen zunächst der Berechtigte. Der sorgfältige Erwerber muss den Veräußerer zur Vorlage und Übergabe des Eintragungsnachweises auffordern. Insoweit wird von „Reflexwirkungen“ der verwaltungsrechtlichen Urkunde im Zivilrecht gesprochen.119 Darüber hinaus wird durch die Aufnahme der Sache in das öffentliche Register die Individualisierbarkeit der Sache erleichtert und ein gutgläubiger Erwerb dadurch erschwert (und der Eigentümerschutz entsprechend gestärkt). Aufgrund der Eintragung in das Register erhält der Gegenstand eine in der Regel weltweit unverwechselbare Identifizierung, die im Register mit einer genauen Beschreibung des Gegenstands (Herstellernummer, Leistungsdaten, Ausrüstungsmerkmale etc.) verknüpft ist. bb) Register im Zusammenhang mit Kreditsicherungsrechten Weiterhin existieren eine Reihe von Register im Hinblick auf Kreditsicherungsrechte. In ihrer direkten Bedeutung betreffen diese den gutgläubigen lastenfreien Erwerb. Ein gutgläubiger Erwerb belasteten Eigentums kann, 117 Die Urkunde kann als Beweisurkunde dienen, so Hentschel, § 25 StVZO Rdnr. 3. Der Besitz der Urkunde verstärkt den Rechtsschein der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft; Schlechtriem, NJW 1970, 2088, 2092. 118 Vgl. § 34 FZV, § 64 Abs. 7–9 LuftVG. Als Ausnahme ist hier insbesondere § 64 Abs. 8 LuftVG zu beachten, der eine Weitergabe der Eigentümerinformationen an nichtöffentliche Stellen erlaubt, wenn der Empfänger glaubhaft macht, dass er die Daten zur Geltendmachung, Sicherung oder Vollstreckung oder zur Befriedigung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit dem Luftverkehr oder zur Erhebung einer Privatklage wegen im Luftverkehr begangener Verstöße benötigt. 119 Schlechtriem, NJW 1970, 1993, 1993 m.w.Nachw. Zur Interdependenz von Rechtsscheinträger und Gutgläubigkeitskriterium vgl. unten S. 237 ff.

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abhängig vom Umfang der Belastung, wirtschaftlich einem fehlgeschlagenen gutgläubigen Erwerb gleichkommen. Diese Register können zumindest auch für den gutgläubigen Eigentumserwerb selbst von Bedeutung sein, denn vergleichbar mit den soeben dargestellten aus öffentlichen Gründen geführten Registern können sich aus den für Kreditsicherungszwecke geführten Registern ebenfalls Rückschlüsse auf die Eigentümerstellung ergeben. Im französischen Recht besteht seit der Reform des Kreditsicherungsrechts im Jahr 2006 die Möglichkeit, ein Pfandrecht in Form des gage ohne Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft durch Eintragung der Verpfändung in ein Register bei dem für den Verpfänder zuständigen Gericht zu begründen (Art. 2337, 2338 C.c.).120 Ein Unterfall eines solchen Pfandrechts ist das bereits zuvor bekannte und nunmehr in Art. 2351 ff. C.c. geregelte besitzlose Pfandrecht für Kfz (gage portant sur un véhicule automobile). Ein vergleichbares Recht ist das gleichzeitig eingeführte Pfandrecht für Unternehmensinventar (gage des stocks; Art. L.527-1 ff. C.com.) Daneben existieren zahlreiche weitere Register im Zusammenhang mit Kreditsicherungsrechten. Sie erfassen Pfandrechte an bestimmten Gegenständen oder Sachgesamtheiten. Dies sind z.B.: warrant agricole (Art. L. 342-1 ff. C.rur.), warrant hotelier (Art. L. 523-1 ff. C.com.), warrant pétrolier (L. 524-1 ff. C.com.), warrant industriel (L. vom 12.09.1940), nantissement de l’outillage et du matériel d’équipement (Art. L. 525-1 ff. C.com.), hypothèque maritime (Art. 43 ff. der L. Nr. 67-5)121, hypothèque fluviale (Art. 95 ff. Code du domaine public fluvial et de la navigation intérieure) und hypothèque aérienne (Art. L. 122-1 ff. Code de l’aviation civile).122 Teilweise sind die Register jeweils mit einer positiven und negativen Publizität ausgestattet (hypothèque maritime, Art. 55 Abs. 1 der L. Nr. 67-5, hypothèque fluviale, Art. 112 Code du domaine public fluvial et de la navigation intérieure, hypothèque aérienne, Art. L. 122-7 und L. 122-13 Code de l’aviation civile). Im deutschen Recht ist als reines Register für Zwecke der Kreditsicherung insbesondere das beim Amtsgericht Braunschweig geführte Register 120 Die Registrierung muss die verpfändeten Sachen in einer Weise bezeichnen, die ihre Identifizierung ermöglicht, vgl. Art. 2 Nr. 4 des Dekret Nr. 2006-1804 vom 23.12.2006. 121 L. Nr. 67-5 vom 03.01.1967: Loi relative au statut des navires et autres bâtiments de mer. 122 Weitere Sicherungsrechte betreffen immaterielle Gegenstände und sollen hier daher nicht weiter thematisiert werden (nantissement du fonds de commerce (Art. L. 1421 ff. C. com.) nantissement des films cinématographiques, (Art. 31 ff. Code de l’industrie cinématographique), nantissement du droit d’exploitation des logiciels (Art. L. 132-34 Code de la porpriété intellectuelle) und nantissement judiciaire des droits d’associé (Art. 77 ff. der L. vom 09.07.1991).

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für Pfandrechte an Luftfahrzeugen zu nennen.123 In dieses Register können Flugzeugpfandrechte an in Deutschland registrierten Flugzeugen eingetragen werden (vgl. §§ 1, 5 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen (LuftfzRG)). Als Konsequenz aus der Eintragung eines Registerpfandrechts ist gem. § 98 Abs. 1 S. 2 LuftfzRG ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb nach § 936 BGB ausdrücklich ausgeschlossen.124 Unter dem Blickwinkel des verwendeten Registers bemerkenswert ist das von Unidroit erarbeitete Kapstädter „Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung.“125 Das Übereinkommen sieht zu registrierende Sicherungsrechte (besitzlose Pfandrechte, Eigentumsvorbehalt, Leasingstrukturen) für „bewegliche Ausrüstung“, insbesondere Flugzeuge, Eisenbahnrollmaterial und Weltraumvermögenswerte vor.126 Besondere Aufmerksamkeit verdient die Ausgestaltung des sehr modern konzipierten internationalen Registers. Die Eintragung, die Abfrage und die über die Abfrage erteilte Bescheinigung kann auf elektronischem Wege 24 Stunden am Tag und an jedem Tag im Jahr erfolgen.127

123 Davon zu unterscheiden ist die aus öffentlichen Gründen vom Luftfahrt-Bundesamt geführte Luftfahrzeugrolle. 124 Das vergleichbare Register für eingetragene Schiffe wird hier nicht weiter thematisiert, da in diesem Bereich bereits die Eigentumsübertragung unter Verwendung des Registers erfolgt. 125 „Convention on international interests in mobile equipement“ vom 16.11.2001, sog. Kapstädter Konvention. Das Übereinkommen ist von Deutschland und Frankreich zwar unterzeichnet, bislang aber noch nicht ratifiziert und in Kraft gesetzt, vgl. die Auflistung über den Status des Übereinkommens auf (abgerufen am 03.04.2011). Zu den Rechtsproblemen im Zusammenhang mit dem Übereinkommen generell und dem Register im Besonderen vgl. von Bodungen, S. 243 ff. 126 Vgl. Art. 2 Abs. 2 und 3, Art. 7 der Kapstädter Konvention. Die Eintragung in das Register ist keine konstitutive Entstehungsvoraussetzung, sondern dient nur der Absicherung eines Rechts, vgl. Art. 7 der Konvention. Art. 29 Abs. 3 der Kapstädter Konvention bestimmt, dass ein Erwerb des Gegenstands nur mit der Belastung eines eingetragenen Sicherungsrechts erfolgt (lit. a) und frei von nicht eingetragenen Rechten (lit. b). 127 Für die Eintragung vgl. Art. 17 Abs. 2 lit. i der Kapstädter Konvention i.V.m. dem jeweiligen Protokoll; für die Abfrage vgl. Art. 22 Abs. 1 der Kapstädter Konvention; für die Bescheinigung vgl. Art. 22 Abs. 2 der Kapstädter Konvention. Die Eintragung knüpft an den Gegenstand an, vgl. z.B. Art. XX Abs. 1 des Protokolls zum Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung betreffend Besonderheiten der Luftfahrzeugausrüstung. Zur ständigen Verfügbarkeit vgl. für Luftfahrzeuge Art. XX Abs. 4 des Protokolls zum Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung betreffend Besonderheiten der Luftfahrzeugausrüstung. Satz 2 dieser Bestimmung macht davon eine Ausnahme für die Eintragung. Der Registerführer ist für jede Ausrüstungskategorie (Flugzeuge, Rollmaterial etc.) verschieden (Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 der Kapstädter Konvention). Derzeit existiert insbesondere das Register für Luftfahrzeugausrüstung, das seit März 2006 von Dublin aus betrieben wird; vgl.

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Beim französischen gage für bewegliche Gegenstände aus dem Jahr 2006 kann der Inhalt des Registers sogar von jedermann kostenlos über das Internet abgerufen werden.128 Auch im Bereich der Sachen, für die registrierungsfähige Kreditsicherungsrechte bestellt werden können, fungiert die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft also nicht mehr als alleiniger Rechtsscheinträger. Diese Register können deklaratorische Hinweise auf die Eigentümerstellung zur Verfügung stellen.129 Zudem muss ein Erwerber diese Register zur Absicherung eines (gutgläubigen) lastenfreien Erwerbs und damit zur Absicherung eines wirtschaftlich vollwertigen Erwerbs der Sache konsultieren.130 cc) Spezielle Register und die registerähnliche Erfassung von Eigentümern Neben den hier erörterten echten zivilrechtlichen Eigentümerregistern, den öffentlich-rechtlichen Registern und den Registern für Kreditsicherungszwecke gibt es noch weitere Register, die die Beziehung des Veräußerers zur fraglichen Sache erkennen lassen. Dies betrifft insbesondere zwei Bereiche: Wertpapiere und Kunstwerke. (1) Die Wertpapiersammelbank und das Verwahrungsbuch bei girosammelverwahrten Wertpapieren Im Massenverkehr des Wertpapierhandels, insbesondere im Rahmen des massenweisen Effektengiroverkehrs am Kapitalmarkt,131 hat sich selbst die Urkunde noch als Hemmnis für einen schnellen, effizienten und kostenvon Bodungen, S. 252 f., 323 f. Zur Aufsicht und Bestellung des Registerführers dort S. 330 ff. 128 Art. 9 Abs. 3 des Dekret Nr. 2006-1804 vom 23.12.2006. 129 So z.B. das deutsche Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen. Hier ist in der ersten Abteilung, Spalte 2 der Eigentümer des Luftfahrzeugs einzutragen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Einrichtung und Führung des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen (LuftRegV)). Der Informationsfluss erfolgt dabei über das LuftfahrtBundesamt, dem der Eigentümerwechsel mitzuteilen ist und das anschließend das Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen entsprechend informiert. 130 Dies betrifft insbesondere auch das im Jahr 2006 eingeführte französische Pfandrecht (gage), für das Art. 2337 Abs. 3 C.c. beim Erwerb vom Pfandrechtsbesteller die Anwendung des Art. 2276 C.c. ausschließt, um bei erfolgter Registrierung des Pfandrechts einen gutgläubigen lastenfreien Eigentumserwerb zu verhindern. Bei den französischen Registerpfandrechten warrant, agricole, warrant hotelier, warrant pétrolier und warrant industriel war in der Vergangenheit ein gutgläubiger lastenfreier Eigentumserwerb möglich , obwohl dort von öffentlichen Stellen geführte Register existieren, in denen die Pfandrechte vermerkt werden (vgl. Simler/Delebecque, Rdnr. 659 ff.). Allerdings ist fraglich, ob dies nach Einführung des Art. 2337 Abs. 3 C.c. noch der Fall ist, vgl. Dross, Jurisclasseur Civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 118 und 120. 131 Dies betrifft insbesondere Aktien, Inhaberschuldverschreibungen, Pfandbriefe und Investmentanteile; vgl. Zöllner, § 3 I (S. 15), Hueck/Canaris, § 2 I 2 (S. 20).

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günstigen, aber gleichermaßen sicheren und verlässlichen Verkehr erwiesen.132 Zöllner hat dies mit einer „Zurückdrängung des Verkörperungselements bei den Wertpapieren“133 und Canaris mit dem „Funktionsverlust der Institution des Wertpapiers“ beschrieben.134 Jedenfalls im Bereich des Kapitalmarkthandels von Wertpapieren erfüllt die Urkunde nicht mehr den Zweck, die den Erfordernissen des Markts entsprechende Ausübung und Übertragung des Rechts zu gewährleisten.135 Einhergehend damit ist der Bedeutungsverlust der Innehabung der Urkunde in Form der „echten“ tatsächlichen Sachherrschaft. Bei girosammelverwahrten Wertpapieren spielt deshalb das Verwahrungsbuch (§ 14 DepotG) eine besondere Rolle. Beim Verwahrungsbuch handelt es sich nicht um ein Register im engeren Sinne, das (örtlich oder sachlich begrenzt) Informationen zu einer Vielzahl gleichartiger Gegenstände für auskunftsberechtigte Marktteilnehmer bereithält. Ein Verwahrungsbuch zeigt aber zwei Charakteristika, die dazu führen, dass die Beteiligten dem dokumentierten Inhalt ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen. So bedarf eine Übertragung von Effekten der Umbuchung im Verwahrungsbuch,136 von dessen Inhalt grundsätzlich zu jeder Zeit eine status quo Abfrage möglich ist. Zudem wird das Verwahrungsbuch von einem sachkundigen Dritten geführt, dem die verkehrsbeteiligten Parteien vertrauen und der für alle Parteien als Hilfsbeteiligter auftritt. Dieser registerähnliche Zustand ermöglicht eine sichere Abwicklung bei einem erhöhten Vertrauensschutz der Beteiligten. Zwar ist ein Eigentumserwerb vom Berechtigten auch außerhalb des Verwahrungsbuchs möglich, im deutschen Recht bspw. indem der bisherige Eigentümer ein weiteres Besitzmittlungsverhältnis zum Erwerber begründet, ohne dass es einer Umbuchung im Verwahrungsbuch bedarf. In der Praxis führt die Abwicklung von Wertpapierübereignungen im Bereich 132

Die Übertragung von Wertpapieren ist auf einen schnellen, effizienten und kostengünstigen aber gleichermaßen sicheren und verlässlichen Verkehr angewiesen. Das Massengeschäft erfordert niedrige Transaktionskosten, die durch Rationalisierung bewirkt werden. Dies bedeutet gleichzeitig aber auch, dass die Übertragungsvorgänge keinen zeitlichen Raum und keinen Kostenspielraum für individuelle Prüfungen der Berechtigung des Veräußerers lassen; vgl. insg. Hueck/Canaris, § 1 III (S. 14). Lediglich bei nicht kapitalmarktgehandelten Wertpapieren kann sich die Ausgangslage unterscheiden, wie z.B. beim außerbörslichen Aktienerwerb im Rahmen eines Unternehmenserwerbs. In die aufwändige und zeit- und kostenintensive Untersuchung des zu veräußernden Unternehmens wird dann auch die Geschichte der entsprechenden Aktien (d.h. Entstehung, vorherige Übertragungsvorgänge und sonstige anteilsrelevante Vorgänge) mit einbezogen. 133 Zöllner, FS Raiser, 249, 251 ff. 134 Hueck/Canaris in seiner Überschrift zu § 1 III (S. 14). 135 Hueck/Canaris, § 1 III (S. 18). 136 Vgl. oben S. 83 f.

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von girosammelverwahrten Globalurkunden in der Regel aber dazu, dass im Ergebnis eine Umbuchung im Verwahrungsbuch erforderlich ist. Im Grundsatz finden die generellen zivilrechtlichen Regelungen zum gutgläubigen Erwerb auch beim Erwerb von girosammelverwahrten Wertpapieren Anwendung. Bei der Anwendung der Gutgläubigkeitsvorschriften stellt sich aber insbesondere das Problem der Erkennbarkeit der tatsächlichen Sachherrschaft des Veräußerers (Mitbesitz an der verwahrten Urkunde) zur Begründung eines ausreichenden Rechtsscheins. Der Mitbesitz des Veräußerers an der Globalurkunde als Form der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft ist für einen Erwerber nicht wahrnehmbar. Allenfalls steht als Indiz ein Depotauszug seiner Depotbank zur Verfügung, der die Innehabung einer bestimmten Anzahl von Anteilen (Miteigentumsanteilen) zeigt. Daher wird neben der Übertragung des eher vergeistigten – da nicht konkret wahrnehmbaren – Mitbesitzes zusätzlich die Buchung im Verwahrungsbuch der Wertpapiersammelbank (vgl. § 14 DepotG) als Rechtsscheinträger herangezogen.137 Hier setzt auch die Kritik jener an, die die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs sammelverwahrter Globalurkunden im deutschen Recht verneinen. Die Anknüpfung an die Umbuchung als zusätzlichen Rechtsscheinträger überschreite die Grenzen der Rechtsfortbildung, denn u. a. vertraue die Wertpapiersammelbank bei der Umbuchung (zugunsten des Erwerbers) auf einen Rechtsschein, den sie selbst gesetzt habe.138 Ganz überwiegend wird aber das Bedürfnis anerkannt, dass ein gutgläubiger Erwerb girosammelverwahrter Wertpapiere möglich sein muss, so dass man auch dogmatische Probleme bei der Subsumtion des modernen Effektengiroverkehrs unter die entsprechenden nationalen Regelungen zu überwinden sucht.139 (2) Die Erfassung abhanden gekommener Kunstwerke Auch bei Kunstwerken existieren verschiedene Register, die einem Erwerber Auskunft über die Rechtsbeziehung des Veräußerers zur jeweiligen Sache geben können und so auf den durch die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft erzeugten Rechtsschein Einfluss nehmen können. Dies ist 137 Koller, DB 1972, 1905, 1905 f.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2027; zum Zeitpunkt der Besitzübertragung und der Bedeutung der Umbuchung Kümpel/Wittig/Will, Rdnr. 18.197 ff. Verschiedene Auffassungen existieren dabei darüber, ob diese Buchung anstelle des Mitbesitzes den entscheidenden Hinweis auf die Eigentümerstellung gibt (u.a. Hueck/Canaris, § 1 III 1 c (S. 16) oder ob die Buchung neben dem entsprechenden Mitbesitz erforderlich ist (Wieling, Sachenrecht Bd. 1, § 10 IV 7 c (S. 397)). 138 Vgl. MüKo-HGB/Einsele, Depotgeschäft, Rdnr. 113 ff. insb. 117. 139 Zusammenfassende Stellungnahme bei Eder, NZG 2004, 107, 112 (m.w.Nachw.): „Um die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs zu gewährleisten, für den der gutgläubige Erwerb ein unabweisbares Bedürfnis ist, muss konsequenterweise im Rahmen des Gutglaubenserwerbs die Depotbuchung neben den Mitbesitz treten.“

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z.B. das private Art Loss Register, zum anderen aber auch die von öffentlichen Stellen verwaltete Datenbank Lost Art Internet Database, die über abzurufen ist. Beide Register beschäftigen sich mit der Vergangenheit der Kunstwerke, insbesondere vorherigen Diebstählen, Unterschlagungen oder sonstigen unrechtmäßigen Entziehungen140 der tatsächlichen Sachherrschaft. Dies ist bei Kunstwerken von besonderer Relevanz, da sie zum einen sehr langlebig und häufig auch wertstabil sind.141 Beim Art Loss Register handelt es sich um eine private142 Datenbank, in der verschwundene Kunstwerke143 erfasst werden. „Verschwunden“ ist dabei der Oberbegriff für gestohlene, verlorene, unterschlagene oder auf andere Art ihrem Berechtigten entzogene Kunstwerke.144 Das Art Loss Register erfasst (auf Antrag)145 Werke, die mindestens einen Wert von € 1.000,- haben und eindeutig identifizierbar sind.146 Im April 2011 waren dort nach Angabe des Art Loss Registers 300.000 verschwundene Kunst140 Namentlich von Bedeutung ist dies aufgrund der unrechtmäßigen Entziehung von Kunstwerken durch die Nationalsozialisten („entartete Kunst“) und der Verbringung von Kunstwerken in andere Länder im Rahmen der Kriegswirren des Zweiten Weltkriegs („Beutekunst“). 141 Zu weiteren Charakteristika bei Kunstwerken vgl. unten S. 362 ff. 142 Die Anteilseigner sind Auktionshäuser, Händlervereinigungen und Versicherungen. Eine Liste der Anteilseigner war am 26.04.2005 abrufbar unter . 143 Kunstwerk i.S.d. ArtLReg ist als weit gefasst zu verstehen, für eine beispielhafte Aufzählung vgl. die Homepage des ArtLReg unter der Rubrik „FAQs.“ 144 Telefonische Auskunft der Geschäftsführerin des ArtLReg Seegers am 27.04.2005. Das ArtLReg spricht auf seiner Homepage am häufigsten von Diebstahl („theft“, „stolen“) aber auch ganz allgemein von fehlend („missing“); vgl. (abgerufen am 02.05.2005). So können auch durch Betrug oder Unterschlagung verschwundene Kunstwerke erfasst werden. Einschränkend müsste man zudem davon sprechen, dass sich die Gegenstände nicht in der Hand des „angeblich Berechtigten“ befinden, da bei der Aufnahme eines Gegenstands keine rechtliche Überprüfung der Berechtigung stattfindet. Die Aufnahme erfolgt auf Antrag desjenigen, der behauptet geschädigt worden zu sein. Ein absoluter Nachweis über das Verschwundensein kann, wie bei jeder Verlustmeldung, hierin nicht gesehen werden, denn durch die Aufnahme auf Antrag des Berechtigten ergeben sich auch Missbrauchsmöglichkeiten (z.B. Versicherungsbetrug). Nicht anders ist dies bei polizeilichen Diebstahlsmeldungen. 145 Die Aufnahme ist grundsätzlich kostenpflichtig in Höhe von € 30,- pro Werk, unabhängig vom Wert des Werks (Stand April 2005). Für Kunden beteiligter Versicherungen kann das Einstellen ggfs. kostenlos sein. Des Weiteren wird im Falle der erfolgreichen Rückführung des Werks eine wertabhängige prozentuale Provision zugunsten des ArtLReg fällig. Sämtliche Angaben beruhen auf der telefonischen Auskunft durch die Geschäftsführerin des ArtLReg (Seegers) am 27.04.2005. 146 An einer eindeutigen Individualisierbarkeit und Identifizierbarkeit fehlt es in der Praxis bspw. häufig bei alten Möbeln oder Vasen. In diesen Fällen erfolgt keine Aufnahme in das ArtLReg.

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werke registriert.147 Die Datenbank wird in erster Linie vom internationalen Kunstmarkt in Anspruch genommen. Auktionshäuser, Händler, Galerien, Versicherungen und Polizeibehörden können bzw. sollen148 bei ihrer jeweiligen Tätigkeit auf die Datenbank zurückgreifen.149 Eine Auskunft kann durch eine kostenpflichtige Anfrage (unter Angabe der vollständigen Identität des Anfragenden) beim Art Loss Register erlangt werden. Um eine Erkundschaftung durch Hehler zu vermeiden, ist keine freie Recherche möglich.150 Die Recherchen führt das Art Loss Register selbst aus und erteilt dem Anfragenden darüber eine schriftliche Bestätigung. Es handelt sich nicht um eine für jedermann, bspw. über das Internet, zugängliche Datenbank. Die Lost Art Internet Database wird von der Koordinierungsstelle Magdeburg betrieben, einer Einrichtung des Bundes und der Länder der Bundesrepublik Deutschland für Kulturgutdokumentation und Kulturgutverluste. Die Datenbank dient der Erfassung von Kulturgütern, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verbracht, verlagert oder – insbesondere jüdischen Eigentümern – verfolgungsbedingt entzogen wurden.151Die dort eingetragenen Such- und Verlustmeldungen beschäftigen sich also nicht mit allen Fällen der unrechtmäßigen Entziehung von Kulturgut, sondern dienen ausschließlich der Aufarbeitung der Taten des NS-Regimes und der Wirren des Zweiten Weltkriegs. Die Lost Art Internet Database ist über das Internet () abrufbar und für jedermann frei zugänglich. In ihr sind sowohl Fund- als auch Suchmeldungen zu Kulturgut (u. a. Gemälde, Münzen, Möbel, Musikinstrumente und Waffen) erfasst. Beide Register sind somit keine Eigentümerregister, die bei einem Eigentumserwerb zwingend zu konsultieren sind oder in denen gar konstitutiv eine Eintragung des Erwerbers erfolgen müsste. Bereits ihre Zielrichtung geht nicht dahin, sämtliche Kunstwerke zu erfassen (wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob dies überhaupt möglich wäre), sondern sie 147 (abgerufen am 03.04.2011). Es handelt sich dabei um die (jedenfalls im Jahr 2002) weltweit größte Datenbank dieser Art für den Kunstsektor (Seegers, Art-Investor, 453, 456). 148 So sieht der Verhaltenskodex des Deutschen Kunsthandelsverbands e.V. unter 2. bspw. vor: „Mitglieder sollen Kenntnisse über Datenbasen der verschiedenen Institutionen haben, die beim Auffinden von gestohlenen Kunstwerken weiterhelfen können. Diese Informationen sollten bei Bedarf konsultiert werden“, abgerufen am 27.04.2005 unter . 149 Für eine detaillierte Beschreibung der Funktionsweise vgl. Seegers, Art-Investor, 453, 456 ff. 150 Vgl. auch Cwitkovits, Parnass 2005, Heft 1, 12, 12. 151 zuletzt abgerufen am 17.03.2010.

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erfassen nur bestimmte Sonderkonstellationen. Unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes besteht die Schwäche der Register darin, dass keine Pflicht des Eigentümers besteht, eine mögliche Registrierung des Kunstwerks vorzunehmen. Im Falle des Art Loss Registers besteht also keine Pflicht, ein verschwundenes Kunstwerk zu melden.152 So hängt auch die Berufung auf einen etwaigen zur Verfügung stehenden zivilrechtlichen Schutz, bspw. über die Sonderbehandlung gestohlener Sachen, nicht von einer entsprechenden Meldung eines verschwundenen Gegenstands bei den Registern ab. Ein Erwerber kann durch einen Vergleich mit den dort registrierten Werken lediglich die Gefahr verringern, dass er ein gestohlenes Werk erwirbt, das er später wieder herausgeben muss.153 (3) Sonderregister Schließlich können in bestimmten Situationen für bestimmte weitere Sachen Sonderregister eingerichtet werden. So sieht das französische Recht zum Eigentümerschutz für abhanden gekommene Wertpapiere die Eintragung in ein besonderes Register vor.154 3. Urkunden, Dokumente und Plaketten als Eigentumsindizien Ergänzend zu den bereits erörterten verschiedenen Registerformen sind Bescheinigungen und Plaketten zu erwähnen, die ebenfalls auf eine Bezie152

Dies kritisiert auch Seegers, Art-Investor, 453, 459. Diese Kritik ist grundsätzlich richtig. Zu bedenken ist allerdings der Interessenkonflikt von Seegers, die als Geschäftsführerin der privaten Datenbank auch ein finanzielles Interesse an einer möglichst intensiven Nutzung der Datenbank hat. Zur Forderung nach einer „Meldepflicht“ vgl. unten S. 325 f. Rechtlich müsste man hier allerdings – je nach genauer Ausgestaltung – wohl eher von einer Meldeobliegenheit sprechen. 153 Soweit es auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers ankommt, könnte ein Unterlassen einer Registerabfrage einer Gutgläubigkeit entgegenstehen. Allerdings wird die Gutgläubigkeit bei diesen abhanden gekommenen Gegenständen im deutschen Recht wegen § 935 BGB nur relevant, soweit diese entweder im Wege der öffentlichen Versteigerung (§ 935 Abs. 2 BGB) erworben wurden oder bei denen kein Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB vorliegt (bspw. unterschlagene oder betrügerisch erlangte Gegenstände). Vgl. auch Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2551, 2556 Fn. 65. In Frankreich wird die Gutgläubigkeit nach Ablauf der Dreijahresfrist des Art. 2276 Abs. 2 C.c. relevant. Zur Gutgläubigkeit vgl. unten. S. 233 ff. 154 Das deutsche Recht kennt in diesem Zusammenhang kein Register, sondern möchte eine erhöhte Publizität über eine Veröffentlichung des Abhandenkommens von Inhaberpapieren, auf Order lautende Anleiheschuldverschreibungen sowie blankoindossierte Namensaktien und Zwischenscheine im Bundesanzeiger erreichen (vgl. § 367 HGB). Allerdings bleibt diese Information – anders als in einem Register – nach § 367 HGB nur für ein Jahr ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung relevant. Auf der Adressatenseite richtet sich die Norm zudem nur an professionelle Verkehrsbeteiligte, nämlich einen Kaufmann, der Bankier- oder Geldwechslergeschäfte betreibt.

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hung des Veräußerers zur Sache hinweisen möchten, ohne dass dahinter ein öffentliches oder privates Register steht. Solche Bescheinigungen und Plaketten geben nicht vor, den Inhalt einer Registrierung abzubilden, sondern zielen darauf ab, von sich heraus einen Hinweis auf die Beziehung des Veräußerers zum Eigentümer zu geben (Indiz), der im Rahmen der Beurteilung der Gutgläubigkeit des Erwerbers mit zu berücksichtigen ist. Solche Indizien können nur innerhalb derjenigen Verkehrskreise wirken, denen bekannt ist, dass im ordentlichen Rechtsverkehr für eine bestimmte Sache ein entsprechendes Begleitpapier vorzulegen ist. a) Begleitdokumentation als Eigentumsindiz Bei gewissen Sachen werden vom Hersteller Zusatzbescheinigungen ausgestellt, die zum einen auf eine bestimmte vom Hersteller vergebene Identifikationsnummer Bezug nehmen und zum anderen regelmäßig zusammen mit der Sache selbst, z.B. zu Garantiezwecken, übergeben werden. Ist der Veräußerer nicht in der Lage diese Bescheinigung mit zu übergeben, so kann dies ein Indiz für die fehlende Eigentümerstellung sein.155 Im Bereich des Kunst- und Kulturguthandels wird teilweise die Einführung eines „Kunstobjekt-Briefs“ gefordert, „der die ursprüngliche Herkunft eines Kulturguts, dessen Pedigree und damit alle weiteren Erwerbsvorgänge authentisch bezeugt.“156 Allerdings sind Urkunden schon per se als verlässlicher Rechtsscheinträger nur bedingt tauglich. Eine auf einem Papier verkörperte Erklärung ist nicht zwangsläufig stärker vertrauenswürdig als eine mündliche Erklärung.157 Die Verwendung eines solchen Steuerungsparameters erfordert zudem, dass dem Erwerber die Existenz der entsprechenden Bescheinigung 155 Anders als bei den oben genannten Zulassungsbescheinigungen steht hinter diesen Nachweisen keinerlei Register. Vgl. z.B. Giehl, der das Beispiel von Typenkarten von wertvollen Anlagegütern anführt und eine Übergabe der Karte an den Übergang der Berechtigung knüpft (bzw. für den Eigentumvorbehaltsverkäufer eine Zurückbehaltung der Typenkarte anregt), AcP 161 (1962), 357, 376. Die Varianten sind vielfältig und der Sprung vom mit Kennummer versehenen Garantiebeleg zum bloßen Kassenzettel ist nicht weit. Im Rahmen der Beurteilung der Gutgläubigkeit des Erwerbers wird von diesem beim Erwerb bestimmter Gegenstände (bspw. wertvoller technischer Gegenstände) verlangt, dass er sich den Kassenzettel des Veräußerers vorlegen lässt; vgl. Palandt/ Bassenge, § 932 Rdnr. 10. 156 Anton, S. 704 ff., insb. 711 u. S. 1203 (unter Hinweis auf existierende ‚Object Identification Systems (Object-ID)‘, die in Zusammenarbeit der internationalen Museumsgemeinschaft, den nationalen Polizei- und Zollbehörden, dem Kunsthandel und der Versicherungsindustrie entwickelt wurden). Nicht zuletzt würden hierbei aber wieder Abgrenzungsprobleme zwischen zu erfassenden Kunstwerken und sonstigen Sachen auftreten; vgl. dazu auch unten S. 259 ff. 157 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 14 f.

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überhaupt bekannt ist. Auch hier kann demzufolge zwischen bestimmten professionellen Verkehrskreisen bzw. Gegenständen, die im Rahmen solcher Verkehrskreise veräußert werden, und Alltagsgegenständen zu unterscheiden sein. b) Kennzeichnung der Sache selbst Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, die Sache selbst so zu markieren, dass die an ihr aufgebrachten Informationen Aufschluss über die Inhaberschaft von Rechten an dieser Sache geben.158 Die deutsche ZPO sieht in § 808 Abs. 2 S. 2 ZPO bspw. vor, dass gepfändete Sachen, die im Gewahrsam des Schuldners verbleiben, durch das Anlegen eines Siegels oder in sonstiger Weise gekennzeichnet werden, um die Belastung der Sache, die Pfändung, ersichtlich zu machen. Das Siegel ist seinerseits über strafrechtliche Vorschriften mit einem erhöhten Schutz gegen Entfernung ausgestattet (vgl. § 136 Abs. 2 StGB). Weiterhin ermächtigen verschiedene ausländische Sicherungsrechte den jeweiligen Sicherungsnehmer, die in der Sachherrschaft des Sicherungsgebers und im zivilrechtlichen Eigentum des Sicherungsgebers befindliche Sache mit Plaketten zu versehen.159 Dadurch kann der Sicherungsnehmer sein Recht gegenüber Dritten kundtun. Auch in anderen vertraglichen Beziehungen, in denen eine solche Möglichkeit nicht gesetzlich festgeschrieben ist, können die Parteien eine solche Markierung vorsehen. So ist insbesondere bei sonstigen Sicherungs- und Leasingvereinbarungen die Pflicht zur Kennzeichnung des Eigentümers der Sache auf dem Gegenstand selbst (z.B. durch eine hitzebeständige fest verbundene Metallplakette) eine in der Praxis verwendete Möglichkeit.160 Eine weitere Bestrebung zur Schaffung von Eigentümercodierungen findet sich in Deutschland bspw. bei dem vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-

158

Eine solche Kennzeichnung fordert Schantz, AcP 142 (1936), 67, 83. So kann der Sicherungsgeber beim nantissement de l’outillage et du matériel d’équipement verlangen, dass die mit dem Sicherungsrecht belasteten Gegenstände mit einer dauerhaften Kennzeichnung (plaque) versehen werden, die auf das bestehende Sicherungsrecht hinweist, Art. L. 525-4 C.com. Ist eine solche Plakette vorhanden, so kann ein Erwerber nicht mehr gutgläubig lastenfrei erwerben, Art. L. 525-7 Abs. 2 i.V.m. Art. L. 143-12 C.com. Ist eine Plakette nicht angebracht worden oder wurde sie – trotz verschärfter Strafvorschriften – entfernt, so ist ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb möglich (CA Grenoble, 30.11.1994, JCP G 1996, I, 3942, Nr. 14.; Simler/Delebecque, Rdnr. 670). 160 Wenngleich der Sicherungsnehmer oder Eigentümer sich mit einer solchen Forderung im Rahmen von Vertragsverhandlungen nicht immer durchsetzen kann; schließlich ist damit eine Offenlegung der Eigentümerlage „vor aller Welt“ (vgl. Giehl, AcP 161 (1962), 357, 376) verbunden, die nicht immer im Interesse der Beteiligten ist. Dadurch werden bspw. Geschäftsverbindungen und Finanzierungsmodelle offen gelegt. 159

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Club e.V. (ADFC) propagierten Codierungssystem für Fahrräder.161 Hier wird eine unverwechselbare Codierung fest an dem Fahrrad angebracht, die es z.B. Fahrradhändlern und Polizeibehörden ermöglicht, den Eigentümer des Fahrrads zu identifizieren.162 Den unter a) und b) erörterten Eigentümerindizien ist gemeinsam, dass sie aufgrund ihrer geringen formellen Anforderungen nur einen schwachen Rückschluss auf die Eigentumslage zulassen. Die Begleitdokumente haben – anders als Registerauszüge oder Zulassungsbescheinigungen – kein einheitliches Äußeres und sind daher missbrauchsanfällig (Fälschung). Gleichermaßen können Plaketten und Codierungen auch durch einen Nichtberechtigten angebracht oder entfernt werden.163 Dennoch können auch diese Indizien für einen gutgläubigen Erwerb von entscheidender Bedeutung sein.164 4. Zusammenfassende Würdigung Ausgangspunkt für den Anschein der Berechtigung des Veräußerers ist die (nach nationalem Recht qualifizierte) tatsächliche Sachherrschaft des Veräußerers über die Sache, die – von Ausnahmen aufgrund der nationalen Qualifikation abgesehen – für einen Erwerber regelmäßig wahrnehmbar ist. Der durch die tatsächliche Sachherrschaft erzeugte Schein der Eigentümerstellung ist allerdings aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten nur ein vergleichsweise schwacher Schein. Dies war schon bei Inkrafttreten der französischen und deutschen Regelungen der Fall und gilt mit Blick 161

Das Codierungssystem wäre im Prinzip auch auf andere Gegenstände übertragbar. Ein entsprechender Vorschlag wurde von der Friedberger Polizei (Hessen) gemacht. Die Initiative unter dem Stichwort FEIN (Friedberger Eigentümer Identifikations-Nummer) rief zur Codierung von Wertgegenständen auf, z.B. technische Gegenstände, Möbel und Schmuck, die häufiges Ziel von Eigentumskriminalität sind; vgl. die Darstellung auf abgerufen am 17.3. 2010. 162 Die Codierung, die entweder auf dem Fahrradrahmen eingraviert oder mit einer speziellen Klebefolie mit Ablöseschutz angebracht wird, setzt sich aus dem Kfz-Ortskennzeichen, einem sich aus der Adresse des Eigentümers ergebenden Straßenschlüssel sowie den Initialen des Eigentümers zusammen. (Informationen des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club e.V. (ADFC) vom 16.07.2004, abgerufen am 08.01.2005 unter ). Ein Rückgriff auf Datenbanken oder ähnliches erfolgt nicht, abgesehen davon, dass der Straßenschlüssel auf den Daten des Einwohnermeldeamts beruht. 163 Das System der Fahrradcodierung versucht dem bspw. durch das Erfordernis des Eigentümernachweises im Moment der Codierung durch vertrauenswürdige Codierungsstellen entgegenzuwirken, aber die Eigentümernachweise können wiederum gefälscht bzw. die Codierung insgesamt durch den Nichtberechtigten aufgebracht werden. 164 Vgl. ausführlich zu den Kriterien der Gutgläubigkeit und etwaigen Nachforschungsobliegenheiten unten S. 234 ff.

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auf die Entwicklungen im Wirtschaftsverkehr heute umso mehr. Entsprechend ist die Anknüpfung an die tatsächliche Sachherrschaft für den gutgläubigen Eigentumserwerb immer wieder Gegenstand von Kritik. Allerdings besteht ebenso ein grundsätzliches Bedürfnis, den Rechtsverkehr von langwierigen Ermittlungen der Eigentumslage freizuhalten. Welche Alternativen bieten sich hier an? Eine Alternative zur Anknüpfung an die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft stellen Register dar, in denen der Eigentümer einer Sache erfasst ist.165 Im Grundsatz ermöglicht die Einbeziehung eines Registers eine verlässlichere Bestimmung des Eigentümers.166 Die Einzelheiten sind hier natürlich von der konkreten Ausgestaltung des Registers abhängig. Im Idealfall 167 erfolgt ein Rückgriff auf ein Eigentümerregister mit konstitutiver Wirkung für die Eigentumsübertragung (z.B. Grundbuch für Grundstücke oder Schiffsregister für Binnenschiffe) oder positiver Publizität (z.B. Schiffsregister für Seeschiffe). Die Bestandsaufnahme hat zudem gezeigt, dass verschiedene weitere Register existieren, die bspw. aus öffentlich-rechtlichen Gründen oder zu Zwecken der Kreditsicherung geführt werden, die Auskunft über die Eigentümerstellung an einer konkreten Sache geben können. Informationen aus diesen Registern können ebenso wie auf der Sache selbst aufgebrachte Eigentümerinformationen oder spezifische Begleitdokumentation zu einer Sache als typische Anscheinsmerkmale herangezogen werden, die (im Zusammenspiel mit der Gutgläubigkeit)168 den Rechtsschein der tatsächlichen Sachherrschaft in bestimmten Verkehrsumständen ergänzen.169 Angesichts der technischen Weiterentwicklung könnte daran gedacht werden, in Zukunft verstärkt auf die Registrierung beweglicher Sachen und der daran bestehenden Eigentumsverhältnisse zu setzen.170 Das für Sicherungsrechte nach der Konvention von Kapstadt geführte moderne Register 165 Baur beobachtet eine Tendenz zur „Publizität durch Registrierung“; Baur/Stürner, § 51 Rdnr. 44 und § 14 Rdnr. 5 f. Er weist dabei insbesondere auf die oben angesprochenen Schiffsregister, aber auch auf Hochseekabel (Kabelpfandrechte) und landwirtschaftliches Inventar (Pachtkreditgesetz) hin. 166 So schon den Gesetzgebungsmaterialien zum BGB zu entnehmen, Motive der 1. Kommission, S. 345 ff., in: Mugdan, S. 191 ff. 167 Vgl. auch Malaurie/Aynès (Aufl. 2002), Nr. 1201, der – im Hinblick auf einen lastenfreien Erwerb – ein Register mit unwiderleglicher positiver und negativer Publizität als ideales Register bezeichnet. 168 Vgl. dazu unten S. 237 ff. 169 Zur Notwendigkeit der Intensivierung der tatsächlichen Sachherrschaft durch „typische Anscheinsmerkmale“ Hübner, S. 90 bzw. zur Ergänzung durch weitere „indica“ Wiegand, JuS 1974, 201, 206. Vgl. auch Rebe, AcP 173 (1973), 186, 195. 170 In Frankreich gibt es Forderungen, für gewisse Mobiliarübereignungen ein Registersystem einzuführen. Vorgeschlagen wird dies für Pkw, bei denen es bereits eine Registrierung zu Verwaltungszwecken gibt und für den Bereich der Kunstwerke, vgl. Muller, RTD civ. 1989, 697, 719.

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zeigt, dass eine jederzeitige, weltweite und schnelle Verfügbarkeit der darin enthaltenen Informationen mit den heutigen technischen Mitteln zuverlässig bewerkstelligt werden kann. Die modernen Individualisierungstechniken (RFID-Chips) ermöglichen zudem eine kostengünstige Individualisierung einer Vielzahl von Gegenständen.171 Die Anknüpfung an eine Registereintragung im Hinblick auf die Eigentümerinformation ist jedenfalls zuverlässiger als die Anknüpfung an die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft, wenngleich auch die in einem Register verfügbaren Informationen unrichtig sein können. Solche Unrichtigkeiten können sich zum einen aus einem fehlerhaften Registrierungsvorgang durch den Registerführer ergeben, indem bspw. der Gegenstand oder der Eigentümer inkorrekt erfasst wird. An den Registerführer sind somit strenge Sorgfaltsanforderungen zu stellen, die entsprechend gleichzeitig auch mit strengen Haftungsnormen des Registerführers172 zu unterlegen sind. Zum anderen können sich Unrichtigkeiten des Registers aus den Handlungen der Beteiligten ergeben. Leidet eine Übereignung an einem rechtlichen Mangel, der zur Unwirksamkeit des Eigentumsübergangs führt, so führt eine entsprechende Eintragung des Geschäfts bzw. des neuen Eigentümers zu einem unrichtigen Register. Dieser rechtliche Mangel kann dabei den Parteien bekannt (z.B. Formnichtigkeit im Rahmen der Beurkundung zu geringer Kaufpreise) oder unbekannt (z.B. unerkannte Geschäftsunfähigkeit eines Beteiligten) sein. Diese Unsicherheiten der Registereintragung treten auch bei den heute bereits verwendeten Registern auf, dennoch ist die Zuverlässigkeit von auf Register beruhenden Eigentümerinformationen deutlich höher als die bloße Anknüpfung an die tatsächliche Sachherrschaft. Allerdings sind der Registrierbarkeit von Sachen auch im modernen Wirtschaftsverkehr Grenzen gesetzt. Eine aktuelle und zuverlässige Datenbank, deren jederzeitige weltweite Erreichbarkeit technisch abgesichert ist und die von einem zuverlässigen Registerführer173 betreut wird, verursacht 171

Im Hinblick auf den im Vergleich zu unbeweglichen Sachen steigenden Vermögenswert und der zunehmenden Möglichkeit der Individualisierung sehen auch Simler/ Delebecque, Rdnr. 652 einen Ansatz für eine vermehrte Registerpublizität. 172 So sieht das moderne Register im Rahmen der Kapstädter Konvention nach deren Art. 28 Abs. 1 eine (mit Ausnahme der Verursachung durch höhere Gewalt) unbeschränkte Haftung des Registerführers vor, für den Ersatz desjenigen Schadens, der unmittelbar aus einem Fehler (bzw. Unterlassen) des Registerführers oder des internationalen Registrierungssystems resultiert, vgl. von Bodungen, S. 331 ff. 173 Die Sorgfaltsanforderungen spiegeln sich schließlich auch in einem entsprechend strengen Haftungsregime wieder, was auf Seiten des Registerführers neben dem Aufwand zur Darstellung der Sorgfalt auch eine entsprechende Versicherung erforderlich macht. Im Rahmen der Konvention von Kapstadt entfallen bei den Kosten des Registerführers für das Register für Luftfahrzeugausrüstung ca. 12,5 % alleine auf die Kosten der Versicherung, vgl. von Bodungen, S. 332 Fn. 1387.

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Kosten im Unterhalt. Gleichermaßen verursacht die Abfrage des Datenbestands Kosten (so gering diese auch sein mögen). Hinzu kommt die Notwendigkeit der Datenbankpflege, die es erforderlich macht, dass jede Übereignung (und unter Umständen auch Belastung) der Sache und sogar jede Änderung des Berechtigten (Namenswechsel, Adresswechsel, Rechtsformwechsel) erfasst wird. All dies führt zu erhöhten Transaktionskosten174 und zu einer Verzögerung der Abwicklung der Übereignungsvorgänge, wobei der Umfang der Verzögerung wiederum von der konkreten Registerausgestaltung abhängt. Das Innehaben der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft lässt sich im Gegensatz dazu schnell und (häufig) ohne größere zusätzliche Kosten beurteilen. Weiterhin müsste die Existenz des Registers und die Möglichkeit der Informationsabfrage den Transaktionsbeteiligten überhaupt bekannt sein. Die Liste praktischer Probleme lässt sich in viele Richtungen erweitern.175 In welcher Sprache wäre ein solches Register zu führen, insbesondere wenn sich bei den beweglichen Sachen nicht von vornherein ausschließen lässt, dass eine grenzüberschreitende Übereignung in Frage kommt? Kann die Kenntnis einer bestimmten Sprache bei den Beteiligten vorausgesetzt werden und kann im Inland die Einsicht in ein dann möglicherweise fremdsprachiges Register zum Erfordernis im Rahmen eines Übereignungsvorgangs bestimmt werden? Dies erfordert ein Mindestmaß an Sachkunde bei den Beteiligten. Bereits an diesem Problemaufriss lässt sich erkennen, dass eine Registrierung sämtlicher oder auch nur einer sehr großen Anzahl von Gegenständen nicht in Betracht kommen kann. Die Vorgänge sind zu häufig, die Sachen zu unterschiedlich, zu zahlreich und vielfach zu beweglich.176 Fehlt es an einer eindeutigen, wenig missbrauchsanfälligen Individualisierungsmöglichkeit, so besteht zudem die Gefahr, dass künftige Transaktionen über ähnliche Gegenstände durch eine zu ungenaue Registrierung behindert werden.177 Nicht in jedem Fall steht die zu erwartende zusätzliche Sicherheit, insbesondere für die Eigentümer, in einem ausgewogenen Verhältnis zum dadurch bewirkten Aufwand. Zudem besteht die Gefahr, dass mit einem verstärkten Einsatz von Registern auch die sonstigen Sorgfalts-

174 Vgl. auch Krimphove, ZfRV 1998, 185, 198; Vgl. auch Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 183. 175 Nicht zuletzt ergeben sich Grenzen aus dem zu beachtenden Datenschutz, der es im Gegenzug erforderlich machen kann, dass die Informationen nicht in vollem Umfang frei verfügbar sind. 176 Vgl. auch Atias, Nr. 37. 177 Aus diesem Grund ist bspw. im Art Loss Register eine Registrierung von Gegenständen, die nicht eindeutig identifizierbar sind, insbesondere alten Möbeln und Vasen, nicht möglich; Seegers in einer telefonischen Auskunft am 27.04.2005.

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anforderungen sinken, sich ein Erwerber also ausschließlich auf die Registereintragung verlässt und andere Anhaltspunkte nicht mehr wahrnimmt. 178 Dies bedeutet aber nicht, dass Register nicht in einigen Bereichen sinnvoll eingesetzt werden können und diese Bereiche nicht noch erweitert werden könnten. Die oben aufgeführten Beispiele zeigen dies. Dort wo die Güteranzahl beschränkt, die Übereignungsvorgänge nicht allzu häufig, das Umfeld besonders sachkundig und die Güter sehr wertvoll sind, können Register sinnvoll betrieben werden.179 Auch kann die verstärkte Heranziehung bereits aus anderen (insbesondere öffentlich-rechtlichen) Gründen existierender Register für die Verifizierung der Berechtigung des Veräußerers sinnvoll sein. Hier könnte man daran denken, diese über die Verwendung im Rahmen der Gutgläubigkeit hinaus (vgl. den Umgang mit der Zulassungsbescheinigung bei KfZ), schon beim Rechtsscheinträger selbst zu berücksichtigten. Angesichts der Vielfältigkeit gestohlener Sachen erscheint es weiterhin zweifelhaft, ob sich Register auch zu dem Zweck einsetzen lassen, für typischerweise diebstahlsgefährdete Sachen den Rechtsscheinträger der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft durch eine Registereintragung zu ersetzen. Hier wird es regelmäßig bei der Berücksichtigung von Spezialregistern im Rahmen der Gutgläubigkeit bleiben müssen (wie dies beim Art Loss Register der Fall ist). Allenfalls wenn sich bei einer Sache neben den obigen Merkmalen (Wert, geringere Umschlagsgeschwindigkeit, professionelle Transaktionsparteien) auch eine Diebstahlsanfälligkeit zeigt, kann dies eine weitere Motivation zur Einführung eines solchen Registers sein.

III. Umstände, die das zugrunde liegende Kausalgeschäft betreffen Neben den Umständen, die auf die Eigentümerstellung des Veräußerers hindeuten, knüpfen weitere Steuerungsparameter für den gutgläubigen Erwerb an Umstände an, die für den Erwerber wahrnehmbar sind. Dazu zählen insbesondere Parameter, die auf das zwischen dem Erwerber und Ver178 Die klare Beurteilung der Lage wäre ja auch gerade der Zweck eines solchen Registers. Anschaulich wird dies im deutschen Recht beim Vergleich des gutgläubigen Erwerbs beweglicher und unbeweglicher Sachen. Während beim gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen nach § 932 Abs. 2 BGB die positive Kenntnis und die grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung zur Bösgläubigkeit führen, ist im Bereich des gutgläubigen Erwerbs unbeweglicher Sachen nach § 892 Abs. 1 BGB nur die positive Kenntnis des Erwerbers erwerbsschädlich. 179 So im Ergebnis auch Neundörfer, S. 332; Schiffe und Flugzeuge sind leicht individualisierte Gegenstände, die nicht Objekte häufiger Übereignungen sind, einen festen Ausgangspunkt besitzen und bei denen der hohe Preis Veräußerungsketten nicht begünstigt, Simler/Delebecque, Rdnr. 688.

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äußerer stattfindende Kausalgeschäft abzielen. Allen in Frage kommenden Kausalgeschäften zwischen Veräußerer und Erwerber ist dabei gemeinsam, dass diese die Übereignung der Sache vom Veräußerer an den Erwerber zum Gegenstand haben. Unterschiede können sich ergeben bei der Frage der Entgeltlichkeit des Geschäfts (1.) und der Frage einer besonderen Öffentlichkeit des Kausalgeschäfts (2.).180 1. Die Frage der Entgeltlichkeit des Geschäfts zwischen Veräußerer und Erwerber In verschiedenen Rechtsordnungen ist für die Beurteilung eines gutgläubigen Erwerbs die Entgeltlichkeit des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts von Bedeutung, so auch im deutschen Recht. Das französische Recht kennt für den Erwerb selbst kein Tatbestandsmerkmal, das auf die Entgeltlichkeit abstellt. Allerdings ist die Entgeltlichkeit im Rahmen des Lösungsrechts nach Art. 2277 C.c. relevant. Hat der Erwerber unentgeltlich das Eigentum an einer verlorenen oder gestohlenen Sache erlangt, so kommt er im Falle einer Herausgabepflicht nicht in den Genuss der Lösungssumme, da die tatbestandlichen Erwerbssituationen des Art. 2277 C.c. sämtlich entgeltliche Erwerbsvorgänge voraussetzen. Die unterschiedliche Behandlung eines gutgläubigen Erwerbs abhängig von der Entgeltlichkeit des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts ergibt sich im deutschen Recht nicht direkt aus den §§ 932 ff. BGB, sondern – bei einem dinglich wirksamen Erwerb – aus der bereicherungsrechtlichen Rückübereignungspflicht nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB. 181 Ist eine Rückübereignung nicht (mehr) möglich, z.B. weil der Erwerber selbst (und zwar als Berechtigter) weiterverfügt hat, so hat er dem Eigentümer Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). Die Grundsatzentscheidung, den unentgeltlichen Erwerb nicht vollumfänglich zu schützen, erfährt in der deutschen Literatur weitgehend Zustimmung.182 Dies ist berechtigt, bedenkt man, dass sich die Berechtigung 180 Die Berücksichtigung von Umständen, die das zugrunde liegende Kausalgeschäft betreffen, ist auch im deutschen Recht, trotz Geltung des Trennungs- und des Abstraktionsprinzips möglich. Die Umstände des Kausalgeschäfts wirken so auch auf die prinzipiell getrennt zu beurteilende Übereignung ein, vgl. z.B. die Beurteilung der Gutgläubigkeit anhand der Begleitumstände eines Kausalgeschäfts oder die Privilegierung öffentlicher Versteigerungen. 181 Vgl. zur Verortung im Rahmen des Bereicherungsrechts und zur methodischen Trennung zwischen dinglicher Rechtslage und schuldrechtlichen Beziehungen Rothoeft, AcP 163 (1963), 215, 220 f., der entsprechend den absoluten Zuweisungsgehalt des Rechtserwerbs durch einen Gutgläubigen „nicht als Folge des guten Glaubens, sondern als Folge des vom Gutgläubigen gezahlten Entgelts“ sieht. 182 Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 178; Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 17 Fn. 54; Huwiler, FS Bader, 74, 76; Peters, S. 78 f.

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des gutgläubigen Erwerbs im Wesentlichen aus dem Allgemeininteresse des Verkehrsschutzes ergibt. Der durch unentgeltliche Verfügungen erfolgende Verkehr ist aber weder wirtschaftlich bedeutend, da er sowohl in seiner Häufigkeit, als auch in seinem Gegenstandswert nur einen sehr geringen Teil des Warenverkehrs ausmacht,183 noch aus anderen Gründen besonders schützenswert. Beim Interessenvergleich auf individueller Ebene zeigt sich, dass ein unentgeltlicher Erwerber keinen Vermögenseinsatz erbracht hat,184 um die Sache zu erwerben, dem Eigentümer aber der Verlust seines Eigentums droht. Allerdings stößt die Art und Weise der Umsetzung der Eigentümerbevorzugung durch einen bloßen schuldrechtlichen Rückübereignungsanspruch auf Kritik. Teile der Literatur halten eine dingliche Lösung durch Versagung des (gutgläubigen) Eigentumserwerbs und einen daraus resultierenden dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers für vorzugswürdig.185 Dies würde insbesondere dann zugunsten des Eigentümers wirken, wenn der unentgeltliche Erwerber seinerseits – dann weiterhin als Nichtberechtigter – unentgeltlich weiterverfügt. Zudem würde ein dinglicher Herausgabeanspruch den Eigentümer im Falle der Insolvenz des unentgeltlichen Erwerbers besser stellen, da er dann direkt zur Aussonderung der Sache berechtigt wäre.186 Teilweise wird die Eigentumszuweisung an den unentgeltlichen Erwerber sogar als verfassungswidrig angesehen.187 Andere hingegen sehen die schuldrechtliche Lösung als gerechtfertigt an, da dadurch primär der Verkehr in Person etwaiger Zweiterwerber geschützt werde, was im Einklang mit dem Abstraktionsprinzip stehe, das den Rechtsverkehr davon entlasten solle, schuldrechtliche Beziehungen Dritter zu berücksichtigen.188

183

Peters, S. 78. Ob man generalisierend davon sprechen kann, dass die Objekte unentgeltlicher Verfügungen „selbst weithin zu wenig wertvoll“ sind, wie Peters dies dort tut, sei dahingestellt. Der Gesamtverkehr ist jedenfalls nicht bedeutend. 184 In dem „Nicht-Behaltendürfen“ könnte man allenfalls einen ausgebliebenen Vermögensgewinn sehen. 185 Peters, S. 78 mit Fn. 104; siehe auch Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 178. Der DCFR sieht ebenfalls nur beim entgeltlichen Erwerb einen gutgläubigen Erwerb vor, Art. VIII.-3:101 (1) (c). 186 Zweigert, RabelsZ 23 (1958), 1, 17 Fn. 54: „Die deutsche Lösung (…) ist ein aus Konstruktionslust erdachter Umweg, der vor allem im Konkurs des Erwerbers nicht befriedigt.“ 187 Peters, S. 115 ff.; Wolf, JZ 1997, 1087, 1090 ff.; Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 203 f. und AcP 205 (2005), 205, 241 f. 188 Neuner, JuS 2007, 401, 402.

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2. Eine besondere Öffentlichkeit beim Geschäft zwischen Veräußerer und Erwerber a) Die privilegierten Verkaufssituationen Ein weiterer Steuerungsparameter knüpft ebenfalls an das zugrunde liegende Kausalgeschäft an und führt dabei zu einer Veränderung der Gesamtbewertung des Vorgangs, wenn die Veräußerung auf der Basis eines Erwerbsvorgangs stattfindet, der einer besonderen Öffentlichkeit unterliegt. So stellt im deutschen Recht § 935 Abs. 2 BGB auf die „öffentliche Versteigerung“ ab und ermöglicht den gutgläubigen Erwerb abhanden gekommener Sachen.189 Das französische Recht privilegiert in Art. 2277 C.c. die Messe, den Markt, den öffentlichen Verkauf und den Kauf von einem Kaufmann, der mit dergleichen Sachen handelt und billigt dem Erwerber beim Erwerb unter den aufgezählten Umständen durch die Lösungssumme einen wirtschaftlichen Ausgleich für die Herausgabe der Sache zu.190 Teilweise wird also ein besonderer Erwerbsort privilegiert, teilweise besondere Charakteristika der Person des Veräußerers.191 Ursprünglich wurde der Schutz besonderer Veräußerungssituationen, namentlich der öffentlichen Versteigerung, damit begründet, dass in einer solchen Situation der Eigentümer eine erhöhte Wahrscheinlichkeit habe, der Veräußerung der Sache zu widersprechen (Verschweigungsgedanke).192 Bereits zu Zeiten der Entstehung des BGB wurde die Sonderbehandlung der öffentlichen Versteigerung allerdings weniger auf den Verschweigungsgedanken gestützt, sondern darauf, dass die öffentliche Versteigerung mit einer besonderen Autorität vorgenommen wird.193 Die öffentliche Versteigerung folgt dabei einem klaren Verfahren,194 das eine höhere Gewähr für die Richtigkeit der dabei vorgenommenen Handlungen biete.195 Der ur189

Vgl. dazu bereits oben S. 106 ff. Vgl. dazu oben S. 64 ff. 191 Hübner, S. 142. Zu historischen Beispielen vgl. etwa Erster Teil, 15. Titel §§ 43, 44 ALR (Läden von Gildekaufleuten, Messen, Märkte, Leute, welche Sachen dieser Art unter obrigkeitlicher Erlaubnis öffentlich feil halten); zu weiteren internationalen Rechtsordnungen vgl. z.B. die weitere Darstellung bei Thorn, S. 177 ff. Die bekannte „Market overt“-Regelung des englischen Rechts (aus Section 22 Sale of Goods Act 1979) ist mit Wirkung zum 3.1. 1995 aufgehoben worden (vgl. Müller-Katzenburg, NJW1999, 2551, 2555 (Fn. 52). 192 Vgl. u.a. Hübner, S. 145. 193 Motive der 1. Kommission, S. 349, in: Mugdan, S. 194; Vgl. dazu auch BGH NJW 1990, 899, 900 unter Hinweis auf die Motive. 194 Günther, S. 37: „Schneidigkeit des Versteigerungsverfahrens“. 195 Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 186 spricht davon, dass „Behörden“ umsichtig und ohne Überstürzung arbeiten würden. Die öffentliche Versteigerung setzt aber keine Behörde als Versteigerer voraus (vgl. dazu sogleich und oben S. 106). Im Grundsatz lehnt Reichel aber (unter Zugrundelegung der von ihm geforderten Steuerung anhand 190

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sprüngliche Verschweigungsgedanke hat durch die ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen an Realitätsnähe verloren.196 Darüber hinaus wird zugunsten der Privilegierung auch angemerkt, dass die Steigerer in der Regel gar keine andere Möglichkeit haben, sich über die Vorgeschichte der zu versteigernden Sachen zu informieren.197 In den bei Art. 2277 C.c. aufgeführten Veräußerungssituationen, der Messe, dem Markt, einem öffentlichen Verkauf oder vom Händler, der mit dergleichen Sachen handelt, kommt dem Erwerber eine Privilegierung zugute, da man davon ausgeht, dass er mit besonderer Vorsicht gehandelt hat und über jeden Verdacht erhaben ist. Er konnte von der rechtmäßigen Herkunft der Waren ausgehen,198 so dass ein verstärkter guter Glaube vorliegt.199 Gemeinsam ist beiden Rechtsordnungen, dass die jeweiligen Privilegierungen bestimmter Verkaufssituationen nicht nur auf Zustimmung stoßen. So wird in Bezug auf die Regelung im BGB angemerkt, dass öffentliche Versteigerungen i.S.d. § 935 Abs. 2 BGB, wie gesehen,200 nicht in die hoheitliche Sphäre von Versteigerungen im Rahmen von Zwangsvollstreckungen fallen, sondern privatrechtlicher Natur bleiben und somit nicht von vornherein unter Berufung auf hoheitliches Tätigwerden gesonderten (nicht rein privatrechtlichen) Erwägungen unterstellt werden können.201 Darüber hinaus soll sich in der Praxis gezeigt haben, dass trotz öffentlicher Bestellung und Gewerbeaufsicht der Versteigerer hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse zuweilen „beide Augen verschließe.“202 In der französischen Jurisprudenz wird kritisiert, dass der Schutz des Markts und der des Verschuldens des Eigentümers) eine Privilegierung des Erwerbers anhand des Merkmals der öffentlichen Versteigerung ebenfalls ab; er erkennt lediglich an, dass sich in Fällen der öffentlichen Versteigerung meistens ein Verschulden des Eigentümers wird konstruieren lassen. 196 Neuner, JuS 2007, 401, 402. Die Begründung über den Verschweigungsgedanken wäre heute jedenfalls nicht mehr haltbar. Es ist ausgeschlossen, dass ein Eigentümer unter heutigen Umständen in der Lage ist, mit Sicherheit von der öffentlichen Versteigerung Kenntnis zu haben und somit die Möglichkeit hätte dazwischen zu treten. Vgl. auch Günther, S. 37: diese stellte die Unangemessenheit des Verschweigungsgedankens bereits bei den „heutigen Verhältnissen“ im Jahre 1937 fest. Die Beweglichkeit der Güter und Komplexität der äußeren Umstände hat seitdem weiter signifikant zugenommen. Zweifelnd auch Wolff/Raiser, § 69 I 4 Fn. 7 (S. 252), da die dem Verschweigungsgedanken zugrunde liegende Offenkundigkeit „heute“ (1957) oft fiktiv sei. 197 Heck, § 60 2. (S. 253 f.). 198 Carbonnier, Biens, Nr. 231. 199 Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 127. 200 Siehe oben S. 106 ff. 201 Hübner, S. 145 f. 202 Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3585, der daher bei der Frage der Gutgläubigkeit auch beim Erwerb im Rahmen von öffentlichen Versteigerungen Nachforschungsobliegenheiten befürwortet.

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Messen mittelalterlichen Handelsgewohnheiten entspräche und heute nicht mehr gerechtfertigt sei.203 Im Gegenteil würden heutzutage auf solchen Märkten besonders viele gestohlene Sachen umgesetzt.204 Andererseits wird in Frankreich auch heute noch dem Markt eine herausgehobene Stellung zugestanden, besonders in ländlichen Gegenden.205 Der Entwurf für eine Reform des französischen Sachenrechts (Avant-projet Réforme droit des biens) greift diese Kritik auf und schlägt als Auslöser für ein Lösungsrecht des Erwerbers anstelle der enumerierten Veräußerungssituationen den Hinweis auf normale Geschäftsumstände („circonstances commerciales normales“) vor.206 b) Die gewerberechtliche Unterstützung der Privilegierung Die besondere Autorität der Veräußerungssituation wird jedoch dadurch untermauert, dass für die zivilrechtlich privilegierten Veräußerungssituationen besondere gewerberechtliche Anforderungen statuiert werden. Dies ist sowohl bei „öffentlichen Versteigerern“ im deutschen Recht als auch bei Trödelhändlern im französischen Recht der Fall. Im deutschen Recht sieht die Gewerbeordnung in § 34b GewO i.V.m. der Versteigerungsverordnung (VerstV) für den öffentlichen Versteigerer besondere Erlaubnis-, Zuverlässigkeits- und Ausübungsanforderungen vor, die auch Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten über einzelne Geschäftsvorgänge und den jeweiligen Auftraggeber enthalten (§ 34b Abs. 8 Nr. 1 lit. c GewO i.V.m. § 8 VerstV). Ergänzt wird dies durch besondere Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften in § 10 VerstV. Auch im französischen Recht finden sich für die privilegierten Veräußerungssituationen, insbesondere für die Antiquitäten- und Gebrauchtwarenhändler (brocanteur), verschärfte gewerbe- und strafrechtliche Anforderungen. So müssen nach Art. 321-7 C. pen. bei einer Strafandrohung von bis zu 6 Monaten Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe bis zu EUR 30.000 Personen, die berufsmäßig oder privat Gebrauchtwaren verkaufen oder Waren nicht vom Hersteller oder Händler erwerben, ein tägliches Register

203

Muller, RTD civ. 1989, 697, 717. Dorhout-Mees, Mélanges Savatier, 265, 269; Muller, RTD civ. 1989, 697, 717. Sie weist dabei auch auf Entwicklungen im niederländischen Recht hin, wo man das Lösungsrecht für diese Situationen abgeschafft habe. 205 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1555. 206 Association Henri Capitant, Avant-projet Réforme droit des biens, Art. 556 Abs. 2 S. 2: „[Le propriétaire] doit en rembourser le prix lorsque le nouveau propriétaire l’a acquise dans des circonstances commerciales normales.“ 204

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führen, in dem der Gegenstand in identifizierbarer Weise beschrieben wird und die veräußernden oder eintauschenden Personen genannt werden.207 Im Ergebnis stellt sich dieser Steuerungsparameter als Konkretisierung des Verkehrsschutzes dar. In bestimmten Verkehrssituationen wird der Erwerber besonders geschützt, so dass er hier zunächst abstrakt auf die Legitimität des Veräußerungsvorgangs vertrauen darf. Allerdings entbindet ihn dies nicht gänzlich vom Gutgläubigkeitserfordernis.208 Gemeinsam ist den in diesem Unterabschnitt erörterten Verkaufssituationen, dass sie besonders den regelmäßigen, gewerbsmäßigen und öffentlich zugänglichen Verkehr begünstigen und nicht den verdeckten, gelegentlichen oder rein privaten Verkehr. Die entsprechende Absatzform wird dadurch für einen Kunden attraktiver und gegenüber anderen Absatzformen privilegiert. Schließlich ergibt sich infolge der Privilegierung ein geringeres Risiko, dass ein Erwerber die Sache kompensationslos (vgl. Art. 2277 C.c.) an einen dritten Eigentümer herausgeben muss und damit auch ein geringeres Risiko für den Veräußerer, dass ein Erwerber bei ihm Rückgriff nehmen wird. Im Gegenzug unterliegen diese Veräußerungssituationen aber einer stärkeren öffentlich-rechtlichen Kontrolle. Die Verkehrsgewohnheiten und die Schutzwürdigkeit besonderer öffentlicher Veräußerungssituationen ändern sich im Laufe der Zeit. So lässt sich die Bedeutung des Markts für den Handel mit beweglichen Sachen heutzutage sicherlich nicht mehr mit der Bedeutung zu früheren Zeiten (insb. Entstehung Code civil) vergleichen.209 Hier kann von Zeit zu Zeit gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf entstehen.

207 Dabei sind nach dem Art. R312-3 C.pén. der Name und die Nummer des Identitätsnachweises des Veräußerers aufzunehmen sowie das Objekt genau zu beschreiben. Diese Objektbeschreibung muss die grundsätzlichen Eigenschaften erfassen, insbesondere etwaige Seriennummern, Kürzel, Unterschriften Buchstaben, Monogramme und sonstige Merkmale, die zur Identifizierung der Sache beitragen können. Die ursprünglich bis 1987 geltenden Auflagen nach dem Gesetz aus dem Jahr 1898 (L. 15.02.1898) sahen noch weniger genaue Angaben vor. Zur Kritik daran vgl. Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130. Das deutsche Recht sieht in § 38 Abs. 1 Nr. 1 GewO bei Händlern bestimmter Gebrauchtwaren ebenfalls eine besondere Überwachungsbedürftigkeit. 208 Mit dieser Einschränkung ist auch die Aussage Cornus zu verstehen, der darauf hinweist, dass es sich im Grundsatz bei diesen Erwerbssituationen um einen Nachweis eines verstärkten guten Glaubens handelt: „Les circonstances de l’acquisition (une foire, un marché, une vente publique, un commerce ordinaire) sont comme la preuve de bonne foi renforcée …“ Cornu, Les biens, Rdnr. 121. 209 Vgl. auch von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 195. „Wer die Sache vor aller Augen auf dem Markt gekauft hat, kann sie nicht gestohlen haben. Die Umstände des Marktverkehrs brachten es auch mehr oder minder notwendig mit sich, dass der Käufer seinen Gewährsmann nicht kannte, weil in jenen Zeiten der Wanderhandel durch den von Markt zu Markt ziehenden Kaufmann das Normale war.“

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IV. Umstände, die der Person des Veräußerers oder des Erwerbers anhaften Verschiedene Steuerungsparameter setzen an besonderen Eigenschaften und Qualitäten der Beteiligten an. An dieser Stelle sind die Umstände im Wahrnehmungsbereich des Erwerbers von besonderem Interesse, also vornehmlich die Eigenschaften des Veräußerers. Hinzu kommen die Eigenschaften des Erwerbers selbst, die allerdings regelmäßig nicht bewusst in seiner Wahrnehmung liegen.210 1. Eigenschaften des Veräußerers Dieses Kriterium hat einen weiten Überschneidungsbereich mit dem oben aufgeführten Kriterium der besonderen Öffentlichkeit. Eine besondere Öffentlichkeit kann sich auch aus den beteiligten Personen ergeben. So z.B. im Falle des „marchand vendant des choses pareilles“. Besonders zu nennen ist hier ferner § 366 HGB des deutschen Rechts, der bei einem veräußernden Kaufmann den guten Glauben des Erwerbers an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers ausreichen lässt, soweit die Veräußerung bei Betrieb des Handelsgewerbes geschieht. Es handelt sich also jeweils um professionelle Veräußerer, die dabei ihrer regelmäßigen Geschäftstätigkeit nachgehen. Beim Erwerb von solchen Veräußerern sehen die Rechtsordnungen einen besonderen Schutz des Erwerbers vor. Er kann unter erleichterten (§ 366 HGB: guter Glaube an die Verfügungsbefugnis anstelle des Glaubens an die Eigentümerstellung) oder gesicherteren Bedingungen erwerben (Art. 2277 C.c.: Herausgabe nur gegen Erstattung der Kaufpreissumme). 2. Eigenschaften des Erwerbers Ausnahmsweise können auch besondere Eigenschaften des Erwerbers eine Rolle spielen. In Betracht kommt auch hier wieder entweder eine Berücksichtigung einer besonderen Professionalität oder einer „Laienhaftigkeit“. Ist der Erwerber besonders vertraut mit dem Erwerb beweglicher Sachen, wie dies bspw. bei einem Kaufmann anzunehmen ist, so kann dies zu strengeren Anforderungen an einen gutgläubigen Erwerb führen, da ihm eine besondere Sachkunde und Aufmerksamkeit zuzumuten ist. So setzt das deutsche Recht in § 367 HGB bspw. an der Professionalität des Erwerbers an und stellt für diesen beim Erwerb von Inhaberpapieren tatbestand210 Vgl. insbesondere zum Erfordernis der wirtschaftlichen und rechtlichen Personenverschiedenheit von Erwerber und Veräußerer (Verkehrsgeschäft), oben S. 85 f. Zur Differenzierung anhand besonderer Eigenschaften des Eigentümers vgl. unten S. 223 ff. Diese sind nicht im Wahrnehmungsbereich eines Erwerbers.

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lich strengere Anforderungen an die Gutgläubigkeit. Sowohl im deutschen als auch im französischen Recht wird die besondere Sachkunde zudem flexibel im Kriterium der Gutgläubigkeit berücksichtigt. Dort führt sie regelmäßig zu erhöhten Sorgfaltspflichten.211 Umgekehrt kann ein rein privates Handeln, ohne besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einem bestimmten Geschäftsfeld, zu einer Erleichterung der Erwerbsvoraussetzungen führen. Dies ergibt sich zum einen im Umkehrschluss aus der soeben erwähnten Verschärfung der Anforderungen für den professionellen Erwerber, aber in manchen Rechtsordnungen auch aus expliziten Bestimmungen.212 Die Sonderbehandlung bestimmter Veräußerungssituationen sowie bestimmter Veräußerer und Erwerber ist eng verknüpft mit der Bestimmung des zu schützenden Verkehrs. Je nachdem ergeben sich für die Beteiligten die geschilderten erleichterten oder erschwerten Anforderungen. Bspw. spricht sich Giehl für eine getrennte Betrachtung von bürgerlichrechtlichem und handelsrechtlichem Verkehr aus.213 Wenn sich die Rechtfertigung für den gutgläubigen Erwerb nur aus dem Verkehrsschutz ergebe, so sollte auch nur der schutzbedürftige Verkehr geschützt werden und dies ist – nach Ansicht Giehls – nur der Umsatzverkehr, also der Verkehr unter Kaufleuten und nicht der rein private bürgerlich-rechtliche Verkehr.214

C. Umstände außerhalb des Wahrnehmungsbereichs des Erwerbers Unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes besonders problematisch sind Steuerungsparameter, die für die Beteiligten, insbesondere den Erwerber, nicht erkennbar sind und zu einer Versagung des Eigentumserwerbs führen können. Sie bedürfen einer Rechtfertigung anhand der sonstigen berührten Interessen. Diese Umstände betreffen die Sonderbehandlung bestimmter Sachen (I.) und die Sonderbehandlung bestimmter Eigentümer (II.). Wie nachfolgend zu sehen sein wird, ist zwischen beiden Kategorien eine Abgrenzung nicht immer trennscharf möglich.

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Vgl. dazu unten S. 234 ff. Vgl. z.B. die bei Thorn geschilderte Besserstellung des Verbrauchererwerbers im niederländischen Recht, Thorn, S. 55. 213 Giehl, AcP 161 (1962), 357, 370. 214 Vgl. Giehl, AcP 161 (1962), 357, 370 ff. 212

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I. Sonderbehandlung bestimmter Sachen Verschiedene Sachen erfahren im Bereich des gutgläubigen Erwerbs eine Sonderbehandlung. Diese ergibt sich zum einen aus der Art bzw. dem Widmungszweck und zum anderen aus der Art und Weise des Verlusts der tatsächlichen Sachherrschaft auf Seiten des Veräußerers. 1. Die Herausnahme bestimmter Sachen aus dem ordentlichen zivilrechtlichen Rechtsverkehr (res extra commercium) Im französischen Recht scheidet ein gutgläubiger Erwerb von Sachen aus, wenn diese von vornherein einem privaten Eigentumsrecht und damit auch einem gutgläubigen Erwerb entzogen sind (sog. res extra commercium). Dies ist im französischen Recht insbesondere bei öffentlichen Sachen der Fall.215 Dazu ausführlicher unten S. 225 ff. Lediglich in eng begrenzten Bereichen existieren auch im deutschen Recht aufgrund spezialgesetzlicher Ausnahmen Sachen, die einem Privateigentum nicht zugänglich sind. So besteht bspw. nach Hamburger Landesrecht für Hochwasserschutzanlagen (§ 4a Abs. 1 S. 1 HWaG) und für alle öffentlichen Wege, Straßen und Plätze (§ 4 Abs. 1 HambWegG) öffentliches Eigentum, das diese Gegenstände dem Privateigentum entzieht. Da zwei Vollherrschaften an einer Sache nicht möglich sind, kann bei der Annahme öffentlichen Eigentums nicht auch gleichzeitig Privateigentum existieren.216 Das HWaG stellt in § 4a Abs. 2 ausdrücklich klar, dass durch das öffentliche Eigentum eine hoheitliche Sachherrschaft begründet wird, die in öffentlichem Eigentum stehenden Gegenstände dem Rechtsverkehr entzogen sind und die Vorschriften des BGB zu Eigentum und Besitz keine Anwendung finden. Zudem werden bestimmte gefährliche Sachen von nationalen Gesetzgebern zu nicht vermarktungsfähigen Objekten erklärt.217 Dies ist bspw. bei Kriegswaffen, Arzneimitteln und spaltbaren Stoffen der Fall.218 Die Sonderstellung der res extra commercium geht aber über die Fragestellung im Hinblick auf den gutgläubigen Erwerb weit hinaus, werden doch diese Sachen jeglichem Privateigentum entzogen, auch wenn sich in den Fällen, in denen der Erwerber die Eigenschaft als res extra commercium nicht erken-

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Cass. civ., 02.03.1994, D. 1994, IR, 73. Vgl. dazu auch unten S. 225 ff. und S. 369 ff. 216 BGHZ 9, 373, 382. 217 Vgl. Däubler, Kap. 6 Rdnr. 22. 218 Vgl. Art. 86 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, wonach spaltbare Stoffe automatisch in das Eigentum der Gemeinschaft verfallen; dazu Däubler, Kap. 6 Rdnr. 23.

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nen kann, eine dem gutgläubigen Erwerb vergleichbare Interessenlage zeigt.219 2. Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen Bei beweglichen körperlichen Sachen besteht stärker als bei anderen Sachen die Gefahr der unfreiwilligen Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft, insbesondere durch Diebstahl oder Verlust.220 Ein wesentlicher Steuerungsparameter in einer Vielzahl von nationalen Rechten ist die Art und Weise des Verlusts der tatsächlichen Sachherrschaft auf Seiten des Eigentümers. Entsprechend dem Ausgangspunkt dieser Untersuchung werden vornehmlich das deutsche und das französische Recht betrachtet (unter ergänzender Berücksichtigung des römischen Rechts).221 a) Die Sonderbehandlung in den untersuchten Rechtsordnungen Sowohl das französische Recht als auch das deutsche Recht kennen eine Sonderbehandlung von gestohlenen und verlorenen Sachen. Historisch betrachtet, war eine solche Sonderbehandlung bereits im Zwölftafelgesetz (XII T. 8, 17) und auch im späteren römischen Recht vorgesehen.222 Nach dem deutschen Recht führt § 935 Abs. 1 BGB zum dauerhaften Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs. Im französischen Recht schließt Art. 2276 Abs. 2 C.c. einen gutgläubigen Erwerb für drei Jahre vom Zeitpunkt des Diebstahls an aus. Für das deutsche Recht kommt noch der Oberbegriff der abhanden gekommenen Sachen hinzu, der Fälle jenseits des Diebstahls und 219 Für den gutgläubigen Erwerb von besonderer Bedeutung sind dabei insbesondere jene Fälle, in denen aufgrund der Klassifizierung als res extra commercium faktisch lediglich ein Erwerb vom Nichtberechtigten verhindert wird, ein Erwerb vom Berechtigten – ggfs. über weitere Zwischenschritte, z.B. eine Entwidmung – aber weiterhin möglich ist. Soweit dies bei sog. öffentlichen Sachen der Fall ist, ergibt sich die Sonderstellung gerade aus den besonderen Eigenschaften des Eigentümers. Vgl. dazu unten S. 225 ff. 220 Carbonnier, Biens, Nr. 226: „Cette vulnérabilité de la possession mobilière à la dépossession marque les droits des propriétaires d’une fragilité qui n’a pas d’équivalent dans les autres sortes de biens.“ 221 Diese Sonderbehandlung hat insbesondere in der deutschen Literatur zu einer Vielzahl von Untersuchungen und Versuchen, die Sonderbehandlung widerspruchsfrei in das Konzept des gutgläubigen Erwerbs einzuordnen, geführt. Die dabei entwickelten Theorien trennen häufig zudem nicht zwischen Analyse und rechtspolitischen Forderungen. Vgl. zu dieser Diskussion unten S. 316 ff. Für weitere internationale Sonderreglungen vgl. Thorn, S. 153 ff. 222 Vgl. dazu und zu den strittigen Fragen oben S. 109 ff. Der Begriff der gestohlenen Sachen wurde dabei als sehr weit gefasst verstanden. Später kam noch der Ausschluss der geraubten Sachen hinzu (oben S. 109 f.), wobei umstritten ist, zu welchem Zeitpunkt die Unterschlagung, einschließlich der Fundunterschlagung, vom Begriff des furtum erfasst war, Göhlert, S. 119 ff.

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des Verlusts erfassen kann, wie z.B. die Unterschlagung durch den Besitzdiener.223 Im Bereich verlorener Sachen ergibt sich wieder ein Überschneidungsbereich mit den gesetzlichen Eigentumserwerbstatbeständen. Nach deutschem Recht wird der Finder einer Sache gem. § 973 Abs. 1 S. 1 BGB Eigentümer, wenn seit der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde sechs Monate verstrichen sind und kein Empfangsberechtigter bekannt geworden ist. Dieser Eigentumserwerb überwindet auch die Sperrwirkung des § 935 Abs. 1 BGB, falls bspw. der Dieb die Sache verloren hat.224 Allerdings muss der Finder gem. § 977 BGB die Sache oder das Eigentumssurrogat wieder herausgeben, wenn der Eigentümer ein solches Recht innerhalb von drei Jahren geltend macht.225 Im französischen Recht ist die Situation komplexer. Einerseits erfasst der Code civil Fundsachen nur sehr rudimentär und andererseits existieren im französischen Recht verschiedene Spezialregeln. Es unterscheidet bei Fundsachen zwischen Gegenständen, die von Binnengewässern mitgeführt werden, solchen die vom Meer angespült werden und an Land gefundenen Gegenständen.226Hinsichtlich der in Binnengewässern mitgeführten oder vom Meer angespülten Gegenstände ist nach ein bzw. drei Monaten ein Aneignungsrecht des Staats vorgesehen.227 Bei an Land gefundenen Gegenständen hingegen ist für die eigentumsrechtliche Lage auch Art. 2276 C.c. von Bedeutung. In diesen Fällen hat der Finder zunächst die Pflicht, den Fund der Sache anzuzeigen und die Sache bei der zuständigen Behörde abzuliefern. Wird der wahre Berechtigte nicht ermittelt, so übergibt die Behörde den Gegenstand nach einer bestimmten Wartefrist (meist ein Jahr) 223

Zu den Einzelheiten vgl. bereits oben, S. 61 ff. (französisches Recht) und S. 100 ff. (deutsches Recht). 224 Vgl. auch Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 21; Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 22. 225 Die Fundvorschriften tragen also einerseits dem Bedürfnis Rechnung, die Sache wieder in das Wirtschaftsleben einzugliedern (Staudinger/Gursky, § 973 Rdnr. 1) und weisen das Eigentum und den Sachwert daher nach drei Jahren endgültig dem Finder zu. Durch die zwischenzeitliche Zuweisung des Eigentums soll noch keine Vermögensverschiebung zu Lasten des Berechtigten erfolgen (Bamberger/Roth/Kindl, § 977 Rdnr. 1). Auch in den Fundvorschriften spiegelt sich damit das Zusammenspiel von dinglichen Rechten (Eigentumszuweisung), dahinter stehenden Vermögenswerten (Bereicherungsanspruch) und dem Bedürfnis nach Rechtsfrieden (Zeitablauf). 226 Zudem existieren im französischen Recht in diesem Bereich weitere Sonderregeln. So werden bestimmte Verlustumstände herausgegriffen (Fundsachen bei Gericht, Zollbehörden, der Bahn und Sonderregeln für Hotels, Handwerker, Museen), als Folge derer die Sachen nach verschieden langen Wartezeiten zu versteigern sind und der Erlös für eine bestimmte Zeitspanne vom Eigentümer verlangt werden kann; Ferid/Sonnenberger, Band 2, Rdnr. 3 B 140. 227 Art. 2276 ist in diesen Konstellationen bedeutungslos; vgl. Ferid/Sonnenberger, Band 2, Rdnr. 3 B 139.

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dem Finder. Er wird dadurch allerdings noch nicht Eigentümer, sondern das Eigentum verbleibt beim ursprünglichen Eigentümer. Ein expliziter Eigentumserwerb ist auch im Übrigen nicht vorgesehen.228 Demzufolge stellt sich hier insbesondere die Frage, ob der Finder sich gegenüber dem Herausgabeverlangen des Eigentümers auf Art. 2276 C.c. berufen kann. Besonders relevant wird dies, wenn seit dem Verlust drei Jahre verstrichen sind und dem Eigentümer gegenüber einem Dritterwerber der Schutz des Art. 2276 Abs. 2 C.c. nicht mehr zugute kommen würde.229 Obwohl hier nur ein Zweipersonenverhältnis (Eigentümer-Finder) vorliegt, wird im französischen Schrifttum und älterer Rechtsprechung230 die Möglichkeit eines gutgläubigen Eigentumserwerbs des Finders auf der Basis der fonction acquisitive (die eigentlich ein Dreipersonenverhältnis voraussetzt)231 teilweise bejaht. Demnach soll durch die Rückgabe der Sache nach der Aufbewahrungszeit durch die Behörde an den Finder eine gutgläubig erlangte possession beim Finder vorliegen, so dass die Rechtsfolgen für den gutgläubigen Erwerb greifen sollen.232 Andere Stimmen des französischen Schrifttums verneinen in dieser Konstellation die Gutgläubigkeit des Finders hinsichtlich der Eigentumsposition, denn schließlich weiß der Erwerber als Finder, dass es sich nicht um eine Sache der Behörde sondern um eine verlorene fremde Sache handelt.233 Dem wird wieder ein subjektives Verständnis der Gutgläubigkeit entgegengehalten, als Folge dessen die Gutgläubigkeit des Erwerbers bejaht wird, wenn er daran glaubte, dass er durch die Rückgabe der Sache durch die Behörde an ihn Eigentum erwerben könne.234 Einigkeit besteht lediglich insoweit, dass ein unehrlicher Finder, der die Sache nicht der zuständigen Behörde übergibt, sich nicht auf Art. 2276 C.c. berufen kann; er ist in jedem Fall bösgläubig.235 Die Anwendung der fonction acquisitive des Art. 2276 C.c. erscheint hier insgesamt allerdings unangebracht, da die Behörde nicht ver228

Selbst in jenen Fällen, in denen im französischen Recht eine Versteigerung durch die Behörde vorgesehen ist, bleibt der Eigentumserwerb einer gefundenen Sache ausgeschlossen, Aubry/Rau/Esmein, § 183, Nr. 107. 229 Der Fall, dass der Finder als Veräußerer fungiert ist unproblematisch. Hier greift Art. 2276 Abs. 2 C.c. zweifelsfrei ein, so dass ein Erwerber nach Ablauf von drei Jahren seit dem Verlust das Eigentum an der Sache erwirbt, vgl. Cornu, Les biens, Rdnr. 128. 230 Trib. Com. Saint-Etienne, 8.11.1898, D.P. 1899, 2, 231. 231 Vgl. dazu oben S. 19 und S. 47 f. 232 Cornu, Les biens, Rdnr. 128. Die Behörde wäre hier also der Veräußerer im Rahmen der Dreipersonenkonstellation. 233 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1551. Die Folge wäre dann, dass die fonction acquisitive aufgrund der fehlenden Gutgläubigkeit des Erwerbers jedenfalls nicht zum Tragen kommt. 234 Mit Betonung der Notwendigkeit einer Einzelfallbetrachtung Beudant/LereboursPigeonnière, Nr. 751. 235 Cornu, Les biens, Rdnr. 128.

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gleichbar einem Veräußerer und der Erwerber nicht vergleichbar einem Erwerber im Rahmen der für die fonction acquisitive des Art. 2276 C.c. charakteristischen Dreieckskonstellation handelt. b) Die Wirkung der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen Besonderes Augenmerk gilt der Wirkung des Parameters der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen. aa) Wirkung bei der Rechtsfolge In ihrer Rechtsfolge führt die Sonderbehandlung grundsätzlich zu einem Ausschluss der Möglichkeit, das Eigentum an der Sache gutgläubig zu erwerben. Im Einzelnen sehen die untersuchten Rechtsordnungen leicht unterschiedliche Lösungen vor. Im deutschen Recht ist der Ausschluss vom gutgläubigen Erwerb gleichsam ewig, d.h. ohne zeitliche Grenze.236 Von Bedeutung ist dies insbesondere bei Veräußerungsketten. Die abhanden gekommene Sache bleibt mit einem „Makel“ behaftet und ein gutgläubiger Zweit- oder Dritterwerb kann ebenfalls nicht stattfinden. Im Zusammenspiel mit der pauschalen Wirkung des Kriteriums – es greift unabhängig von den Modalitäten des jeweils zugrunde liegenden Kausalgeschäfts ein – führt dies dazu, dass jeder Veräußerer in der Kette als Nichtberechtigter verfügt und jedem Erwerber der Eigentumserwerb versagt wird. Entsprechend ergibt sich eine Vielzahl von schuldrechtlichen Ausgleichsansprüchen entlang der Kette. Eine zeitliche Grenze kann sich im deutschen Recht bei einem gutgläubigen Eigenbesitzer allenfalls aus der Ersitzung nach § 937 Abs. 1 BGB ergeben, die einem entsprechenden Eigenbesitzer nach 10 Jahren das Eigentum zuerkennt.237 Ohne einen Rechtserwerb herbeizuführen, ermöglicht die Verjährung es einem unmittelbaren Eigenbesitzer, gem. § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB nach 30 Jahren die Herausgabe zu verweigern. Eine weitere Einschränkung der Ausschlusswirkung enthält § 935 Abs. 2 BGB für die Veräußerung im Wege der öffentlichen Versteigerung, da diese Erwerbsform die Aufhebung der Sperrwirkung des Abhandenkommens nach § 935 Abs. 1 BGB, d.h. die Beseitigung des „Makels“ ermöglicht.238 236 Vgl. u.a. auch Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 21; Westermann, § 49 II 1 (S. 407); Peters, S. 76; MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 20. 237 Zur Möglichkeit der Ersitzung vgl. oben S. 112 ff., zur Möglichkeit der Verjährung vgl. oben S. 117 ff. und zur generellen Bedeutung des Zeitablaufs für die Auflösung der sich aus der Grundkonstellation des gutgläubigen Erwerbs ergebenden Konflikte vgl. unten S. 240 ff. 238 Eine Beseitigung der Sperrwirkung des Abhandenkommens kann sich auch aus der im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter zu thematisierenden Anwendung international-privatrechtlicher Vorschriften ergeben, wenn bspw. unter Anwendung der Situsre-

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Im französischen Recht ist der Ausschluss der Eigentumserwerbsmöglichkeit an der Sache auf der Basis eines redlichen Erwerbs auf den Zeitraum von drei Jahren beschränkt. Anschließend entfaltet Art. 2276 Abs. 2 C.c. keine Sperrwirkung mehr. Entsprechend geringer ist die Bedeutung zusätzlicher Erwerbsgründe (Ersitzung) oder der Möglichkeit der Verweigerung der Herausgabe aufgrund Verjährung. Hinzu kommt für einen Erwerber die etwaige Abmilderung durch das Lösungsrecht nach Art. 2277 C.c. Gemeinsam ist beiden Rechtsordnungen, dass ein gesetzlicher Eigentumserwerb aus anderen Gründen (Fund, Verarbeitung etc.) weiterhin möglich bleibt.239 bb) Wirkung bei der Erfassung des Sachverhaltes Hierbei ist zunächst die Wirkung im Hinblick auf die Erfassung des zugrunde liegenden Sachverhalts zu betrachten. Das Kriterium der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen erfasst den Aspekt der Art und Weise des Verlusts der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft auf Seiten des Eigentümers. Die Erfassung des Vorgangs ist dabei eine vergleichsweise klare Entscheidung. Insbesondere Diebstahl und Verlust haben hier wenig Anlass zu Diskussionen gegeben. Grenzbereiche mit einem gewissen (Be-)Wertungsspielraum – der ebenfalls unabhängig von der Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber ist – ergeben sich im deutschen Recht allenfalls dort, wo es jenseits klarer Tatbestände (Diebstahl, Verlust) um die Bestimmung eines Abhandenkommens geht. So stellt sich die Frage, wann eine durch Drohung bewirkte Weggabe der Sache durch den unmittelbaren Besitzer nicht mehr als freiwillig anzusehen ist, so dass ein Abhandenkommen anzunehmen ist. Nach dem BGH ist die Grenze einer freiwilligen, wenngleich durch Täuschung, Irrtum oder Zwang bewirkten „freiwilligen“ Besitzaufgabe zu einer unfreiwilligen Besitzaufgabe erst dann überschritten, wenn durch Ausübung physischer Gewalt oder einer schweren Drohung eine freie Willensbildung gar nicht mehr möglich war.240 Wiegand hingegen sieht ein Abhandenkommen bei einer Drohung generell als gegeben, da dem verlierenden Besitzer bei einer Drohung die Zwangslage und die Unfreiwilligkeit seines Besitzverlusts bewusst sei.241 Weiterer Spielraum ergibt sich bei der Eingel ein gutgläubiger Erwerb an der Sache in einer Rechtsordnung stattfindet, die keine Ausnahme für abhanden gekommene Sachen macht. 239 Bei diesen findet bspw. § 935 BGB keine Anwendung, OLG Köln NJW 1997, 2187, 2188. 240 BGHZ 4, 10, 34 ff. Zu weiteren Differenzierungen und Ansichten vgl. Soergel/ Henssler, § 935 Rdnr. 6. 241 Staudinger/Wiegand, § 935 Rdnr. 11.

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ordnung der besitzrechtlichen Situation im deutschen Recht. Wird der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft als Besitzmittler angesehen, so stellt dessen Sachentziehung kein Abhandenkommen beim Eigentümer dar, wohingegen die Qualifizierung des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft als Besitzdiener dazu führt, dass beim Eigentümer ein Abhandenkommen vorliegt (mit der Folge einer Sonderbehandlung dieser Sache zu Lasten etwaiger gutgläubiger Erwerber). Hier weist Oechsler zu Recht darauf hin, dass der gleiche Sachverhalt in der Rechtsprechungspraxis – in Abhängigkeit von dem zu erzielenden Ergebnis – so oder so beurteilt werden kann.242 So hat das OLG Köln bei einer Probefahrt im Rahmen der Abwicklung eines privaten Verkaufs eines gebrauchten Kfz den Probe fahrenden Erwerber als Besitzdiener angesehen, mit der Folge, dass ein Dritter von diesem aufgrund der aus § 935 Abs. 1 BGB resultierenden Sperrwirkung kein Eigentum erwerben konnte.243 Das Kammergericht ging bei der Entziehung der tatsächlichen Sachherrschaft im Rahmen einer Probefahrt allerdings davon aus, dass ein gutgläubiger Eigentumserwerb eines Dritten grundsätzlich möglich ist (also ein Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB nicht vorliegt, so dass es sich bei dem Probefahrer auch nicht um einen Besitzdiener gehandelt haben kann) und hat einen Eigentumserwerb des Dritten im konkreten Fall „lediglich“ an der Gutgläubigkeit scheitern lassen.244 Völlig ohne Auswirkungen sind bei der Bestimmung der Sonderbehandlung die Umstände der nachfolgenden beabsichtigten Übereignung vom Veräußerer an den Erwerber. Weder die Art des Kausalgeschäfts, noch dessen Durchführung noch sonstige Umstände sind zu beachten, da ein Eigentumsübergang unabhängig von der Gut- oder Bösgläubigkeit des Erwerbers nicht mehr stattfinden kann.245 Diese Pauschalierung zeigt sich auch anlässlich der Diskussion um das Abhandenkommen einer Sache bei einer Verfügung durch einen dazu nicht berechtigten Besitzdiener. Wie oben erläutert,246 wird dabei auch die Wahrnehmbarkeit der Besitzdienerstellung diskutiert; im Ergebnis geht es aber um die sachgerechte Bestimmung der Reichweite des Ausschlusses des gutgläubigen Erwerbs aufgrund

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MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 11 (der für die Entscheidung des Kammergerichts Berlin allerdings versehentlich KGR 2002, 234 statt KGR 2003, 302 = MDR 2003, 1350 zitiert). 243 OLG Köln MDR 2006, 90, 90 f. 244 KG MDR 2003, 1350, 1351. 245 Eine Ausnahme kann sich allerdings ergeben, wenn weitere Steuerungsparameter eingreifen, die das Kriterium des Abhandenkommens überlagern, wie z.B. die Privilegierung von Geld und Inhaberpapieren oder der öffentlichen Versteigerung im deutschen Recht. 246 Vgl. oben S. 101 ff.

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nicht wahrnehmbarer Umstände nach § 935 Abs. 1 BGB.247 Die im deutschen Recht bei der Subsumtion unter das Abhandenkommen entstehenden Spielräume sind jedoch in der besonderen Ausgestaltung des § 935 Abs. 1 BGB begründet und nicht in dem Kriterium der Sonderbehandlung gestohlener Sachen selbst. Grundsätzlich handelt es sich bei diesem Steuerungsparameter um ein pauschal wirkendes Kriterium. Liegt ein Abhandenkommen vor, so ist der Wirkmechanismus des Kriteriums vergleichsweise undifferenziert im Hinblick auf die sonstigen Vorgänge, insbesondere etwaige Nachforschungen des Erwerbers oder Vorsichtsmaßnahmen des Eigentümers. Trotz dieser Wirkweise kann ein solches Kriterium aber auch beim Erwerber eine Steuerung des Verhaltens bewirken. cc) Verhaltenssteuernde Wirkung? Im Blickpunkt stehen hier die Auswirkungen auf das Verhalten eines Erwerbers und des Eigentümers. Dem Veräußerer dürfte das Abhandenkommen in der Regel entweder bewusst oder zurechenbar sein. Soweit es um Veräußerungsketten geht, ist ein Veräußerer zunächst in der Rolle des Erwerbers und wird hierdurch erfasst. (1) Verhaltenssteuerung beim Erwerber Welche Auswirkungen kann ein entsprechendes Verhalten auf den Erwerber haben? Der Erwerber muss unter Geltung eines Regimes, das den Ausschluss des Eigentumserwerbs vorsieht, die (ersatzlose) Herausgabe der Sache an den Eigentümer fürchten. Eine Rückwirkung auf das Verhalten des Erwerbers wird hier unter zwei Gesichtspunkten erwartet. Zum einen wird ein solcher Erwerber noch sorgfältiger auf die Umstände des Erwerbsprozesses achten. Findet eine Privilegierung des Eigentümers im Falle abhanden gekommener Sachen statt, so nützt ihm jegliche Berufung auf die eigene Sorgfalt beim Erwerbsvorgang nichts. Er muss die Sache herausgeben. Ohne eine solche Privilegierung müsste der Erwerber lediglich diejenige Sorgfalt nachweisen, die dem Eigentümer den Beweis der Bösgläubigkeit des Erwerbers unmöglich macht. Dies führt aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel (Beurteilung einer Vielzahl von Aspekten am Maßstab der Fahrlässigkeit) und der Beweislastverteilung aber dazu, dass der Anreiz zu einem sorgfältigen Verhalten auf Erwerberseite geringer ist. Angesichts der leichteren Geltendmachung des Eigentumsrechts durch den Eigentümer (er muss nur das Abhandenkommen beweisen, nicht aber eine etwaige Bösgläubigkeit des Erwerbers) ist auch mit einer häufigeren Inanspruchnahme des Rechts durch den Eigentümer zu rechnen, als 247

Darauf weist auch Witt in AcP 201 (2001), 165, 182 hin.

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dies bei einer bloßen Beschränkung auf die Gutgläubigkeit der Fall wäre. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Erwerber über die Umstände seines Erwerbsvorgangs erklären muss, nimmt zu. Ein Erwerber muss also, wenn er im Grundsatz bei abhanden gekommenen Sachen die Sache ohne Verweis auf seine eigene Sorgfalt herausgeben muss, eine solche Sorgfalt beim Erwerbsvorgang noch mehr im eigenen Interesse aufbringen und nicht nur im Hinblick auf eine etwaige Diskussion seiner Verhaltensweisen im Rahmen der vom Eigentümer zu beweisenden Bösgläubigkeit. Zum anderen wird der Erwerber infolgedessen bei der Auswahl seines Veräußerers besonders sorgfältig vorgehen. Schließlich ist die Person des Veräußerers und dessen Seriosität eines der Merkmale für die Beurteilung des Risikos, dass es sich um eine abhanden gekommene Sache handelt. Kommt es zu einer Geltendmachung eines Eigentumsrechts durch einen Eigentümer, ist der Veräußerer zudem Schuldner des schuldrechtlichen Ausgleichsanspruchs des Erwerbers, so dass die Erreichbarkeit und Zahlungsfähigkeit des Veräußerers für den Erwerber ein wichtiges Auswahlkriterium ist. In Frankreich ist der Aspekt der Auswahl des Veräußerers gesetzlich typisiert, denn bei Vorliegen der Voraussetzungen des Lösungsrechts (u. a. marchand vendant des choses pareilles) wird dem Erwerber das Ausfallrisiko sogar gänzlich abgenommen. (2) Verhaltenssteuerung beim Eigentümer Beim Eigentümer hingegen stellt sich die Situation anders dar. Die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen und der daraus resultierende verstärkte Eigentumsschutz ergibt sich unabhängig vom Verhalten des Eigentümers. Es ist unerheblich, ob der Eigentümer durch besonders sorgloses Verhalten ein Abhandenkommen erleichtert oder durch besonders sorgfältiges Verhalten ein solches erschwert hat. Die Sonderbehandlung des Eigentümers nimmt darüber hinaus keine Rücksicht auf das Verhalten des Eigentümers, nachdem die Sache abhanden gekommen ist. Die „ewige“ bzw. „dreijährige“ Wirkung der Sonderbehandlung bleibt ihm erhalten – es sei denn er genehmigt die Verfügung (vgl. z.B. im deutschen Recht im Kontext von § 816 Abs. 1 BGB) oder er gibt sein Eigentum auf (Dereliktion). Der Steuerungsparameter bietet in seiner Privilegierungswirkung nämlich keinen Spielraum für eine Bewertung des dem Abhandenkommen folgenden Verhaltens des Eigentümers. Der Eigentümer ist demnach nicht gehalten Maßnahmen zu unternehmen, um die Sache wieder zu erlangen oder gegenüber Dritten auf das Abhandenkommen der Sache aufmerksam zu machen. Infolge der Unerheblichkeit der Gutgläubigkeit des Erwerbers ist es nämlich auch unerheblich, ob diesem das Abhandenkommen der Sache zur Kenntnis gebracht wird. Wenngleich dies für den Erwerber angesichts der drohenden Konsequen-

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zen (kein Eigentumserwerb) wünschenswert wäre. 248 Diese Konsequenz wird bspw. im Zusammenhang mit dem für Kunstwerke geführten Art Loss Register kritisiert. Man würde sich dort auch eine Pflicht des Eigentümers wünschen, die abhanden gekommenen Kunstwerke dem Register zu melden.249

II. Sonderbehandlung besonderer Eigentümer Besondere Eigenschaften des Eigentümers fallen ebenfalls nicht in den Wahrnehmungsbereich des Erwerbers.250 Dieser hat regelmäßig nur Beziehungen zum Veräußerer. Eine Sonderbehandlung bestimmter Eigentümer steht somit außerhalb einer strengen Orientierung am Offenkundigkeitsgrundsatz und beruht auf anderen Wertungen, die möglicherweise eine Ausnahme vom Leitprinzip der Publizität rechtfertigen können. Bereits Hübner hat die Frage gestellt, ob das Interesse an der Eigentumserhaltung nach der Persönlichkeit des Rechtsinhabers gestuft werden könne, ein stärkeres und ein schwächeres Eigentum möglich sei.“251 1. Sonderbehandlung von „Verbrauchereigentümern“? In jüngerer Zeit werden im Rahmen von privatrechtlichen Beziehungen Privilegien regelmäßig den Verbrauchern gewährt.252 Im geltenden deutschen und französischen Recht ist eine Sonderbehandlung von „Verbrauchereigentümern“ nicht vorgesehen. Auch de lege ferenda ist eine solche Unterscheidung nicht wünschenswert. Verbraucherschützende Erwägungen haben ihren Ursprung regelmäßig in bestimmten Ungleichgewichten (Sachkunde, Erfahrung, Informationsasymmetrie) im Rahmen der schuldrechtlichen Beziehungen, bei denen ein Beteiligter die schuldrechtlichen Beziehungen aus rein privater Zweckverfolgung eingehen möchte, wohingegen es sich beim anderen Be248

Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass ein Erwerber schon alleine zur Wahrung seiner Gutgläubigkeit die nach den Umständen erforderlichen Nachforschungen anstellen muss, so dass er dabei auch evtl. Hinweise auf ein Abhandenkommen wahrnehmen könnte. 249 Seegers, Art-Investor, 453, 459. Vgl. dazu auch oben S. 195 ff. 250 Zur Steuerung anhand besonderer Eigenschaften des Erwerbers vgl. oben S. 212 ff. 251 Hübner, S. 43. Für ihn ist dies ein Ansatzpunkt, um die innere Berechtigung des gesamten Komplexes kritisch zu würdigen. 252 Privatrechtliche Maßnahmen, die ihren Ursprung im Bereich der Europäischen Union haben, beruhen auf Art. 3 Abs. 1 lit. t EG und sprechen damit besonders verbraucherschützende Fragen an; vgl. die verbraucherprivilegierenden Regelungen als Resultat der Umsetzung der verschiedenen EG-Richtlinien 85/577/EWG („Haustürwiderrufsrichtlinie“), 87/102/EWG („Verbraucherkredit“), 93/13/EWG („AGB“), 94/47/EG („Teilzeitwohnrechte“), 97/7/EG („Fernabsatz“) und 1999/44/EG („Verbrauchsgüterkauf“).

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teiligten in der Regel um jemanden handelt, der in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit handelt.253 Für die Zuweisung von drittwirksamen Sachenrechten eignet sich diese Differenzierung nicht. Nicht zuletzt wären die bereits aus dem Schuldrecht bekannten Abgrenzungsprobleme zu befürchten (Handeln professioneller Erwerber im privaten Bereich, Handeln zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit etc.). Dem besonderen Schutzbedürfnis von Verbrauchern kann über das Schuldrecht ausreichend Rechnung getragen werden. Dies äußert sich ggfs. in schuldrechtlichen Ausgleichs- und Rückübereignungsansprüchen, beeinträchtigt aber nicht die Rechtsposition unbeteiligter Dritter.254 2. Sonderbehandlung von Minderjährigen Beim Minderjährigenschutz ergibt sich im deutschen Recht eine ähnliche Problematik. Die entsprechenden Minderjährigenschutzvorschriften können zur Unwirksamkeit des Übereignungsvorgangs vom Eigentümer an den Veräußerer führen (kein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft i.S.d. § 107 BGB). Dies führt in erster Linie dazu, dass der Veräußerer im Weiteren als Nichtberechtigter handelt, lässt aber einen gutgläubigen Erwerb des Erwerbers prinzipiell zu. Allerdings ändert sich dies, wenn man in der Weggabe der Sache durch einen Minderjährigen ein Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB sieht. Wie erläutert, existieren im deutschen Schrifttum hierzu unterschiedliche Auffassungen.255 Die überwiegende Ansicht differenziert dabei zwischen Geschäftsunfähigen und beschränkt geschäftsfähigen Personen und nimmt bei Geschäftsunfähigen (unter Berücksichtigung der Ausnahme des § 105a BGB) 256 ein Abhandenkommen an, wohingegen bei beschränkt Geschäftsfähigen analog § 828 Abs. 3 BGB auf die Einsichtsfähigkeit im Einzelfall abgestellt wird. Bei dieser Frage streitet der Minderjährigenschutz mit dem Verkehrsschutz. Angesichts der „ewigen“ und weitreichenden Auswirkungen einer 253

Vgl. § 13 BGB: „Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“. 254 Vgl. dazu auch den DCFR, der den Verbraucherschutz (im Hinblick auf den europäischen Ansatz des DCFR wenig überraschend) bezüglich einer Rückausnahme zum Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei gestohlenen Sachen diskutiert, aber ebenfalls nicht für notwendig erachtet. Wenn im regelmäßigen Geschäftsverkehr gestohlene Güter verkauft werden, sind alle Erwerber gleichermaßen schutzwürdig. Zur Feinsteuerung kann das Gutgläubigkeitskriterium herangezogen werden, das es ermöglicht, flexibel die Sorgfaltsstandards zu bestimmen; von Bar/Clive, DCFR-Volume 5, Art. VIII.-3:101 (E) (S. 4837). 255 Vgl. dazu oben S. 101. 256 So zumindest MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 7 unter Hinweis auf die andernfalls bewirkte Risikoerhöhung für den Erwerber.

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Annahme eines Abhandenkommens auf unbeteiligte (Dritt-)Erwerber ist dieser abgewogenen Betrachtung zuzustimmen. Der Eigentumsschutz eines minderjährigen Eigentümers ist nicht in jedem Fall dem Verkehrsschutz vorzuziehen, insbesondere da dem Minderjährigen dadurch seine schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche nicht abgeschnitten werden. 3. Sonderbehandlung von öffentlichen Eigentümern? Weiterhin sind Privilegierungen öffentlicher Eigentümer festzustellen. Das französische Recht unterstellt eine ganze Reihe von Gegenständen, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, einem Sonderregime für öffentliche Sachen.257 Entscheidend für die Einordnung als öffentliche Sache ist dabei in der Regel,258 ob eine direkte Zweckbestimmung oder Widmung der Sache für die Allgemeinheit erfolgt ist.259 Als Folge der Klassifizierung als öffentliche Sache können diese Sachen regelmäßig nicht Gegenstand privater Eigentumsrechte sein („choses inaliénables“). Sie sind daher weder einem gutgläubigen Erwerb noch einer Ersitzung zugänglich. Da auch eine Verjährung der Herausgabeklage ausgeschlossen ist, können sie im Ergebnis dauerhaft vom Eigentümer (öffentliche Hand) vindiziert werden.260 Dazu gehören z.B. Bücher öffentlicher Bibliotheken oder Gegenstände aus öffentlichen Museen261 oder bestimmte denkmalgeschützte historische Gegenstände.262 257

Vgl. Art. L. 3111-1 Code général de la propriété des personnes publiques: „Les biens des personnes publiques (…) qui relèvent du domaine public, sont inaliénables et imprescriptibles.“; Art. L-1311-1 Code général des collectivités territoriales und verschiedene Bestimmungen im Code du patrimoine (dazu auch sogleich unten). 258 Die Vorschriften zu öffentlichen Sachen und die Konsequenzen aus dieser Einordnung sind Gegenstand verschiedener, leicht unterschiedlicher spezialgesetzlicher Regelungen. Diese Untersuchung beschränkt sich entsprechend auf die grundsätzlichen Aspekte der entsprechenden Einordnung. 259 Robert, Anm. zu Cass. crim. 16.06.1992, D. 1993, Somm., S. 35, 35. Soweit dies nicht der Fall ist, werden die Sachen der „domaine privée“ zugeordnet, für die unter verschiedenen Aspekten weiterhin Sonderregelungen existieren, vgl. z.B. Art. L. 3211-1 ff. Code général de la propriété des personnes publiques. 260 Cass. crim., 16.06.1992, D. 1993, Somm., S. 35. 261 Cass. crim., 04.02.2004, Bull. crim. 2004, Nr. 34 S. 143 (Gemälde eines kommunalen Museums); Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 91; Simler, Les biens, Rdnr. 111. 262 Art. L.622-15 Code du patr.: „Les objets classés au titre des monuments historiques appartenant à l’Etat sont inaliénables.“ Weitere Einzelheiten ergeben sich ebenfalls aus dem Code du patrimoine, der für verschiedene weitere Gegenstände öffentlicher Rechtsträger mit kultureller Bedeutung verschiedene Spezialregelungen (einschließlich besonderer Verfahren zur Veräußerung oder Entwidmung) vorsieht. Als unveräußerlich (inaliénable) werde bspw. zudem deklariert: „biens constituant les collections des musées de France appartenant à une personne publique“ (Art. L451-5 Code du patr.); Neben dem

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Die konkrete Handhabung sog. öffentlicher Sachen ist im deutschen Recht noch nicht in jeder Beziehung eindeutig geklärt. Als öffentliche Sachen werden im deutschen Recht solche Gegenstände angesehen, die einer öffentlichen Nutzung gewidmet sind.263 Im Rahmen des sog. Hamburger Stadtsiegelfalls hat der BGH allerdings klargestellt, dass öffentliche Sachen trotz dieser Klassifizierung Objekte des Privateigentums bleiben und nicht aus der Geltung des Bürgerlichen Rechts heraustreten; es handelt sich bei diesen insbesondere auch nicht um res extra commercium.264 Im konkreten Fall hatte der BGH explizit auf der Basis von §§ 932, 935 Abs. 2 BGB einen gutgläubigen privatrechtlichen Eigentumserwerb im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung an einem abhanden gekommenen mittelalterlichen Hamburger Stadtsiegel265 anerkannt. Nach der Entscheidung des BGH hat die Stadt Hamburg den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Dabei hat das VG Köln einer Herausgabeklage der Stadt Hamburg auf der Grundlage eines originären öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruchs266 zunächst mit der Begründung stattgegeben, dass der privatrechtliche Eigentumserwerb des Erwerbers nicht verhindere, dass die Sache weiterhin mit einer öffentlich rechtlichen Widmung belastet sei,267 die auch nicht im Wege eines gutgläubigen lastenfreien Erwerbs

Ausschluss privater Eigentumsrechte existieren eine Reihe weiterer Spezialregime. So werden verschiedene Rechte aus Gegenständen unverjährbar (imprescriptible) gestellt: „Les archives publiques“ (Art. L.212-1 Code du patr.), „Les archives classées comme archives historiques“ (Art. L.212-20 Code du patr.), „Les collections des musées de France“ (Art. L.451-3 Code du patr.), „Tous les objets mobiliers classés au titre des monuments historiques“ (Art. L.622-13 Code du patr.). Vgl. Dross, Jurisclasseur Civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 94; Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 92. 263 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 90 Rdnr. 34. Der Wegfall der öffentlichrechtlichen Eigenschaft einer Sache tritt mit der ausdrücklichen oder konkludenten Entwidmung ein; VG Köln, NJW 1991, 2584, 2585. Zu weiteren Einzelheiten des Begriffs der öffentlichen Sache und der Abgrenzung der öffentlichen Sachen von Sachen des Finanzvermögens, Papier, § 1 (S. 1 ff.). 264 BGH NJW 1990, 899, 900. Für die Behandlung als res extra commercium hatte ursprünglich O. Mayer (§ 35 S. 40 ff.) plädiert. 265 Bei dem Hamburger Stadtsiegel wurde eine öffentliche Sache aufgrund der Aufnahme in das Hamburger Stadtarchiv angenommen; vgl. VG Köln NJW 1991, 2584, 2585 und OVG Münster NJW 1993, 2635, 2635. 266 VG Köln NJW 1991, 2584, 2586. Andere stützen einen solchen Herausgabeanspruch auf eine analoge Anwendung der §§ 1027, 1065, 1090 Abs. 2 i.V.m. § 985 BGB. 267 Diese Belastung wird – im Einklang mit einer Vielzahl von Stimmen im Schrifttum – als einer öffentlichrechtlichen Dienstbarkeit vergleichbar angesehen, VG Köln NJW 1991, 2584, 2586; OVG Münster NJW 1993, 2635, 2635; Papier, § 1 5. (S. 9 ff.); dazu auch Wernecke, AcP 195 (1995), 445, 451 ff. m.w.Nachw. Unabhängig von der rechtlichen Konstruktion der Zweckbindung öffentlicher Sachen, würde eine alles verdrängende öffentlichrechtliche Dienstbarkeit das privatrechtliche Eigentum in seiner wesentlichen

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nach § 936 BGB untergehen könne.268 Das OVG Münster als Berufungsgericht hat das Urteil des VG Köln jedoch aufgehoben und einen Herausgabeanspruch auf der Basis der öffentlich-rechtlichen Widmung der Sache abgelehnt:269 Angesichts der Bedeutung der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG bedürfe es Rechtssätzen, die der Widmung einer Sache zur öffentlichen Sache eine Herausgabepflicht des zivilrechtlichen Eigentümers (einschließlich eines gutgläubigen Erwerbers) an den öffentlichen Rechtsträger beimessen.270 Einen solchen Rechtssatz hat das OVG Münster im konkreten Fall nicht gesehen, da weder eine spezialgesetzliche Regelung vorhanden war, noch entsprechendes Gewohnheitsrecht existiere und ein solcher Rechtssatz auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung gewonnen werden könne.271 Leider hat das BVerwG nicht zur weiteren Klärung des Verhältnisses von privatrechtlichem Eigentum und öffentlich-rechtlicher Widmung der Sache beigetragen, da es dieser Angelegenheit keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.272 Hier bleibt zunächst festzuhalten, dass aus zivilrechtlicher Sicht jedenfalls ein gutgläubiger Eigentumserwerb an solchen Gegenständen möglich ist. Welcher Wert diesem privatrechtlichen Eigentum an öffentlichen Sa-

Ausprägung der freien Verfügbarkeit durch den Eigentümer erheblich beeinträchtigen und letztlich das privatrechtliche Eigentum zu einer bloßen Hülle werden lassen. 268 VG Köln NJW 1991, 2584, 2585: „die Zweckbindung einer öffentlichen Sache [könne] nicht privaten Rechten Dritter gleichgestellt werden.“ Eine zwischenzeitlich erfolgte Ersitzung würde im Übrigen ebenso wenig zum Untergang der öffentlichrechtlichen Belastung führen. Des weiteren hat das VG Köln gegenüber Ansprüchen, die aus dem Recht der öffentlichen Sachen hergeleitet werden, die Anwendung der zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften abgelehnt, VG Köln NJW 1991, 2584, 2586. 269 OVG Münster NJW 1993, 2635, 2635 f. 270 OVG Münster NJW 1993, 2635, 2635 f. in Anlehnung an Papier (in der 3. Auflage § 1 6. d (S. 16)); kritisch dazu bspw. Wernecke, AcP 195 (1995), 445, 452 ff., die in der Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage die Gefahr sieht, dass sich Teile des beweglichen Verwaltungsvermögens im Hinblick auf den Rechtsverkehr nicht vom Vermögen einer Privatperson unterscheiden würden. Dies laufe dem Zweck der öffentlichen Sachen zuwider, denn diese dienen öffentlichen Aufgaben, deren Erfüllung dauerhaft gesichert sein müsse. Zudem sei die Einschränkung des gutgläubigen Erwerbs kein Eingriff in das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG), sondern nur eine „Modifikation der Verkehrsfähigkeit“, wenn zum Zeitpunkt der Widmung der öffentliche Rechtsträger selbst Eigentümer ist oder ein Dritteigentümer der Widmung zustimmt, AcP 195 (1995), 445, 465. Dem ist entgegenzuhalten, dass mit der Konstruktion der öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit insofern ein Eigentumseingriff vorliegt, als dass der Erwerber zivilrechtlich vollwirksames Eigentum innehat, mit der Sache aber dennoch nicht nach Belieben verfahren und andere von der Einwirkung ausschließen darf (vgl. § 903 BGB). 271 OVG Münster NJW 1993, 2635, 2635. 272 BVerwG NJW 1994, 144, 145. Dies wird zur recht kritisiert von Wernecke in AcP 195 (1995), 445, 446.

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chen unter Berücksichtigung des öffentlichen Rechts allerdings zukommt, ist derzeit noch nicht vollständig klar.273 Als Untergruppe der öffentlichen Sachen werden die Sachen angesehen, die einem kirchlichen Zweck gewidmet sind, sog. res sacrae. Dies ergebe sich aufgrund des Status der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV).274 Res sacrae sind ebenfalls nicht von vornherein dem Rechtsverkehr entzogen, sondern bei ihnen wird das privatrechtliche Eigentum durch den religiösen Zweck überlagert.275 Eine Sonderbehandlung von Sachen, die sich im Eigentum eines öffentlichen Rechtsträgers befinden, in Form eines Ausschlusses vom gutgläubigen Erwerb, bedeutet – nicht anders als die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen – einen starken Einschnitt in den gutgläubigen Erwerb und die von ihm geschützten Interessen des Erwerbers und des Verkehrsschutzes. Der gleichfalls „ewige“ Ausschluss der Sache vom gutgläubigen Erwerb belastet eine Vielzahl potenzieller weiterer Erwerber und damit den Rechtsverkehr erheblich, insbesondere da auch bei öffentlichen Sachen kein mit der Sache untrennbar verbundener Hinweis auf die „Öffentlichkeit“ existiert.276 Die Sonderbehandlung öffentlicher Eigentümer beruht im Wesentlichen auf zwei Aspekten. Zum einen dem Interesse an der Wahrung kulturell bedeutsamer Sachen277 oder Sachen, die einem öffentlichen Widmungszweck dienen, und zum anderen auf der schlichten Privilegierung des öffentlichen Rechtsträgers im Hinblick auf seine Vermögensinteressen. Be273 Grundsätzlich gilt die Theorie des modifizierten Privateigentums als herrschend, wonach prinzipiell privates Eigentum an öffentlichen Sachen möglich sei, dieses aber durch die öffentlichrechtliche Zweckbindung der Sache (vergleichbar einer Dienstbarkeit) überlagert werde, Papier, § 1 5. (S. 9 ff.); VG Köln NJ W 1991, 2584, 2585 f. Darüber hinaus wird im Grundsatz der Vorrang des öffentlichen Rechts gegenüber dem bürgerlichen Recht im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit bemüht, vgl. BGH NJW 1969, 1457, 1457. Was dies bei konkreten Fragen für die verschiedenen Klassen von öffentlichen Sachen, bspw. im Rahmen einer hier gezeigten Konstellation des gutgläubigen Erwerbs, genau bedeutet bleibt aber unklar. Insbesondere in welchen Fällen und in welchem Umfang aus der öffentlich-rechtlichen Belastung eine Herausgabepflicht des redlichen Erwerbers folgt. Zur weiteren Diskussion vgl. u.a. Wernecke, AcP 195 (1995), 445 ff. 274 Staudinger/Jickeli/Stieper, Vorbem zu §§ 90-103 Rdnr. 55 ff. Zur Kritik der Zuordnung der res sacrae zum öffentlichen Sachenrecht vgl. Schlink, NVwZ 1987, 633, 634 f. 275 Vergleichbar mit der Situation bei den sonstigen öffentlichen Sachen sind auch im Bereich der res sacrae Einzelheiten noch Gegenstand der Diskussion, vgl. dazu Schlink, NVwZ 1987, 633 ff. 276 Terré/Simler, Rdnr. 431. 277 Hierzu siehe auch oben S. 172 und unten S. 257 ff. und 369 ff.

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sonders dieser zweite Aspekt ist problematisch und als solcher bspw. auch vom OVG Münster erkannt worden – wird dem einzelnen unbeteiligten Erwerber doch zu Lasten der durch die entsprechende öffentliche Institution vertretenen Allgemeinheit eine Belastung aufgebürdet. In Frankreich ist der existierende Sonderschutz entsprechend seit längerer Zeit Gegenstand von Diskussionen. Bei den Reformüberlegungen in den Jahren 1946–1951 betraf ein großer und intensiver Teil der sachenrechtlichen Diskussionen die Problematik der öffentlichen Sachen.278 Dabei wurde ebenfalls auf die Gefahr für Dritte und damit den Handel abgestellt, da die „Öffentlichkeit“ der Sache nicht zu erkennen sei.279 Dennoch wollte man auch bei dem (nie umgesetzten) Reformprojekt auf die Kategorie der öffentlichen Sachen nicht gänzlich verzichten, da bei bestimmten Sachen staatspolitische Interessen existieren würden, denen der Vorrang gegenüber an sich schützenswerten privaten Interessen gebühre.280 Man bemühte sich hingegen um eine klarere Abgrenzung der zu schützenden öffentlichen Sachen (hier stellte man insbesondere auf Kunstwerke und historisch bedeutsame Gegenstände ab) von den sonstigen Sachen, was insbesondere bei Alltagsgegenständen Schwierigkeiten bereitete.281 Auch heute noch finden in Frankreich verschiedene Reformüberlegungen zu diesem Thema statt.282

278 Vgl. die Protokolle und Materialien zu den Reformarbeiten in: Commission de Réforme du Code civil, Travaux Année 1946-1947: Avant-projet de textes élaboré par le Secrétariat, Procès-verbal analytique de la séance du 22. novembre 1946, S. 634; Procèsverbal analytique de la séance du 7 janvier 1947, S. 644; Commission Plénière, Compterendu stenotypique de la séance du 5 juin 1947, S. 801 ff.; Compte-rendu stenotypique de la séance du 20 juin 1947, S. 822 ff.; Compte-rendu stenotypique de la réunion du 4 juillet 1947, S. 831 ff. 279 Vgl. die Wortmeldungen von Houin u. Mazeaud, Compte-rendu stenotypique de la réunion du 4 juillet 1947, S. 864 und S. 870. 280 „La considération qui domine toute la théorie du domaine public, c’est en effet, qu’au-dessus des intérêts privés les plus respectables et les plus légitimes, au-dessus des exigences mêmes de l’apparente équité, il existe une raison d’Etat qui impose strictement et à tous égards le maintien d’une affectation jugée essentielle à un intérêt public majeur. Rien ne saurait prévaloir contre cette affectation, pas même la bonne foi la plus avisée.“, Latournerie in seiner Wortmeldung in Compte-rendu stenotypique de la réunion du 4 juillet 1947, Commission de Réforme du Code civil, Travaux Année 1946-1947, S. 865. 281 Vgl. insb. die Diskussionen in: Compte-rendu stenotypique de la réunion du 4 juillet 1947, Commission de Réforme du Code civil, Travaux Année 1946-1947, S. 868 ff. 282 Vgl. Saujot, JCP G 2008, I, 137 ff., die sich mit verschiedenen Projekten, Vorschlägen und Berichten auseinandersetzt.

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D. Kennen und Kennenmüssen von Umständen: die Gutgläubigkeit Die subjektive Komponente der Regelungen, die Gutgläubigkeit des Erwerbers,283 stellt zusammen mit dem objektiven Anscheinstatbestand (qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft) das Grundgerüst der Regelungen zum gutgläubigen Erwerb und damit zur Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision dar.284

I. Ausprägungen der fehlenden Gutgläubigkeit Bei der Bewertung des Kriteriums sind die beiden Ausprägungen der fehlenden Gutgläubigkeit – (materielle) Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers – zu unterscheiden. 1. (Materielle) Kenntnis Kennt der Erwerber die wahre Rechtslage, so führt die Interessenbewertung beim individuellen Interessenvergleich klar zur Bevorzugung der Interessen des Eigentümers. Der Erwerber entfaltet in diesem Fall kein schutzwürdiges Vertrauen in die Richtigkeit des durch die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft begründeten Rechtsscheins.285 Für einen solchen Erwerber besteht schon gar kein Rechtsschein.286 Für ihn stellt sich 283 Binding, S. 28, 36 f., fordert unter Berufung auf die andernfalls bestehende Strafbarkeit des Handeln des Veräußerers, die nicht zum Eigentumserwerb führen dürfe (vgl. insb. S. 32 ff.), eine Gutgläubigkeit auch auf Seiten des Veräußerers. Dies überzeugt angesichts der Grundkonstellation und des Interessenvergleichs nicht. Im Wesentlichen geht es auf individueller Ebene um den Widerstreit von Eigentümer- und Erwerberinteressen, unter anderem gerade auch im Hinblick auf das Ausfallrisiko mit Rückgriffsansprüchen gegen den Veräußerer. Die Gutgläubigkeit des Veräußerers kann sich dabei auf den Umfang der Rückgriffsansprüche gegen ihn auswirken, nicht aber auf die Interessenbewertung zwischen Eigentümer und Erwerber. Im Hinblick auf die generellen Interessen, insbesondere den Verkehrsschutz, ist ein solches Kriterium ebenfalls ungeeignet. Der Verkehrsschutz beurteilt sich gerade aus Erwerbersicht. 284 Aus heutiger Sicht handelt es sich dabei um ein unabdingbares Kriterium; dieses fand zudem bereits bei der römisch-rechtlichen Ersitzung Anwendung (vgl. dazu oben S. 109 ff.). Dennoch haben ältere Rechte teilweise aus unterschiedlichen Gründen (das im Sachsenspiegel vorhandene, von der Gutgläubigkeit unabhängige Privileg des Erwerbs auf offenem Markt befreite vom Diebstahlsvorwurf) auf dieses Erfordernis verzichtet, vgl. Olzen, Jura 1990, 505, 508. 285 Wiegand, JuS 1974, 201, 207, der unter Hinweis auf Canaris, Vertrauenshaftung, (vgl. dort insb. S. 504 f.) betont, dass der gutgläubige Erwerb eben auch maßgeblich auf der Vertrauenshaftung beruhe. Zur Berücksichtigung des Vertrauens im Rahmen der Interessenkollision vgl. oben S. 152 ff. 286 Vgl. auch Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 16.

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auch nicht die Problematik der eingangs angeführten probatio diabolica. Gleichsam geht es auch beim generellen Interessenvergleich nur um den Schutz des redlichen Verkehrs. Dieser ist bei einem Erwerber, der trotz Kenntnis der wahren Rechtslage von einem Nichtberechtigten das Eigentum erwerben möchte, aber nicht betroffen. Auch der weitere Verkehr durch den Erwerber als späteren Veräußerer ist insofern nicht negativ betroffen, als die Rechtslage beim nächsten Erwerbsvorgang selbständig zu beurteilen ist und ein gutgläubiger Zweiterwerber bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen gutgläubig Eigentum erwerben kann. Für die Zwecke der Bewertung sind der (nachgewiesenen) positiven Kenntnis jene Fälle gleichzustellen, in denen der Erwerber materiell Kenntnis von der wahren Verfügungsberechtigung hat, und man lediglich aus prozessualen, insbesondere Beweisgründen, auf die (grob) fahrlässige Unkenntnis ausweicht, um die Gutgläubigkeit auszuschließen. Diese Anwendungsfälle der Anwendung der (grob) fahrlässigen Unkenntnis sind von den übrigen Anwendungsfällen der (grob) fahrlässigen Unkenntnis (insbesondere der sogleich anzusprechenden Verletzung von Sorgfaltspflichten) zu unterscheiden. Im Rahmen der „Kenntnis“ des Erwerbers ist es dabei unerheblich, aus welchen Umständen heraus sich die Kenntnis des Erwerbers begründet, d.h. ob es sich um Umstände handelt, die für einen Erwerber typischerweise wahrnehmbar sind oder um solche Umstände, die zwar regelmäßig nicht im Wahrnehmungsbereich des Erwerbers liegen, über die dieser konkrete Erwerber aber aus irgendwelchen Gründen Kenntnis erlangt hat. Der „kennende“ Erwerber wird auch nicht mit zusätzlichen Kosten oder Abwicklungsaufwand bei diesem Geschäftsvorgang belastet.287 Im Ergebnis ist ein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei positiver Kenntnis des Erwerbers vom wahren Sachverhalt unverzichtbar. „La loi peut en effet excuser l’erreur, mais non pas protéger la fraude“.288 2. (Grob) Fahrlässige Unkenntnis Zur Verneinung der Gutgläubigkeit führt nach nationalen Rechtsordnungen auch die fahrlässige Unkenntnis der wahren Rechtslage. Im französischen Recht ist die Gutgläubigkeit kein explizites Tatbestandsmerkmal des Art. 2276 C.c., aber nach einhelliger Ansicht für einen 287

So dass dies auch nicht unter dem ökonomischen Blickwinkel der Informationskosten relevant wird. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, bei denen der Erwerber erst nach Durchführung der ihm obliegenden Nachforschungen die Kenntnis erlangt. Diese werden für die Zwecke dieser Bewertung unter dem Blickwinkel der fahrlässigen Unkenntnis und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Nachforschungen erfasst. 288 Cabassol, S. 66. „Das Gesetz kann den Fehler entschuldigen, aber nicht den Betrug schützen“ (Übersetzung durch den Verfasser).

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Eigentumserwerb dennoch erforderlich.289 Demzufolge unterscheidet der Code civil nicht zwischen positiver Kenntnis und fahrlässiger Unkenntnis sowie zwischen verschiedenen Graden der Fahrlässigkeit (einfache, grobe oder sonstige Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung) des Erwerbers. Allerdings wird im französischen Recht ebenfalls berücksichtigt, ob beim Erwerber Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers hätten aufkommen müssen. Dafür sind die Art der Sache, der Wert der Sache und der Kaufpreis zu berücksichtigen, wobei sich die genauen Sorgfaltsanforderungen u. a. nach dem Alter, der Ausbildung und dem Beruf des Erwerbers richten. Das deutsche Recht verlangt zum Ausschluss der Gutgläubigkeit ein (mindestens) grob fahrlässiges Handeln des Erwerbers.290 Tatsächlich ist dieser formale Unterschied der nationalen Rechtsordnungen (grober Fahrlässigkeit vs. Fahrlässigkeit) aber nicht so bedeutend, wie er zunächst erscheinen mag. Was sich konkret hinter den Begriffen verbirgt, ergibt sich erst durch die Anwendung der Maßstäbe durch die nationalen Gerichte. Trotz der Unterschiede scheinen sich hier in den nationalen Rechtsordnungen ähnliche Linien zu ergeben. So tendiert bspw. die deutsche Rechtsprechung dazu, im Falle des Vorliegens einer Fahrlässigkeit auch grobe Fahrlässigkeit anzunehmen.291 Ergänzend ist anzumerken, dass der Grad der Fahrlässigkeit, der zum Ausschluss der Gutgläubigkeit führen soll, auch im deutschen Recht immer wieder diskutiert wurde. Dies geschieht allerdings vor dem Hintergrund der vom jeweiligen Autor propagierten Grundlösung. So bezeichnet von Lübtow die Unterscheidung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit als lebensfremd und spitzfindig;292 für diese Arten der Fahrlässigkeit gibt es nach seiner Ansicht keinen zuverlässigen Gradmesser.293 Demzufolge fordert er vor dem Hintergrund der von ihm befürworteten Ersitzungslösung, dass alleine die Kenntnis des fremden Eigentums zur Bösgläubigkeit führen solle. Im Hinblick auf etwaige Beweisschwierigkeiten relativiert er dies anschließend dahingehend, dass er es für die Annahme der geforderten Kenntnis ausreichen lassen will, dass so viele Verdachtsmomente vorliegen, dass jeder vernünftige Mensch die Möglichkeit ins Auge gefasst hätte, dass es sich um fremde, dem Veräußerer nicht gehörende Sachen handelt.294 Im Hinblick auf ein System des gutgläubigen Erwerbs mit sofortigem Eigentumserwerb schließt er sich unter Hinweis auf die erhöhte Gefährdung der Eigentümerinteressen durch ein System des gutgläubigen 289

Vgl. oben S. 55 ff. Vgl. oben S. 90 ff. 291 Jacob, S. 155 f. 292 Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 236. 293 Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 236; vgl. zur Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten der Fahrlässigkeit auch Brandt, 286 f. 294 Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 236. 290

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Erwerbs wiederum Reichel an, der seinerseits bereits leichte Fahrlässigkeit zur Bösgläubigkeit führen lassen will.295 Der bezüglich des gutgläubigen Erwerbs im Grundsatz ebenfalls skeptische Peters verlangt entsprechend, dass der Erwerber bei der Beurteilung der Berechtigung seines Veräußerers zumindest durchschnittliche Sorgfalt aufbringt.296 Angesichts des Vergleichs mit anderen Rechtsordnungen und der dabei erzielten Ergebnisse kann bezweifelt werden, dass durch eine Änderung des Fahrlässigkeitsmaßstabes in der tatsächlichen Rechtsanwendung substantiell andere Ergebnisse erzielt würden.

II. Die Wirkungen des Gutgläubigkeitskriteriums Wie bereits mehrfach betont, ist die Gutgläubigkeit ein notwendiges Kriterium für einen Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten. Deutlich wird dies insbesondere in den Fällen der positiven Kenntnis des Erwerbers von der Nichtberechtigung des Veräußerers, denn einem solchen Erwerber stellt sich auf individueller Ebene nicht das Problem der Prüfung der Berechtigung des Veräußerers (probatio diabolica) und auf genereller Ebene ist der Verkehr durch einen Bösgläubigen nicht schützenswert. Der Aspekt der fahrlässigen Unkenntnis dient dabei zum einen der prozessualen Unterstützung des Nachweises der positiven Kenntnis des Erwerbers, hat aber zudem bedeutsame weitere positive Steuerungsauswirkungen auf ein System des gutgläubigen Erwerbs. Das Kriterium der Gutgläubigkeit stellt in der Ausprägung der fahrlässigen Unkenntnis nämlich unter verschiedenen Gesichtspunkten eine Flexibilität bereit und ermöglicht eine Feinsteuerung der interessengerechten Auflösung der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs.297 Entsprechend ist die konkrete Handhabung und Beurteilung der Gutgläubigkeit Gegenstand einer facettenreichen Kasuistik in den verschiedenen Rechtsordnungen.298 Andere sprechen – eher kritisch – von

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Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 188 ff. insb. 193; dazu von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 236. 296 Peters, S. 130, der insbesondere den gutgläubigen Erwerb auf der Basis „normaler“, einfacher Fahrlässigkeit als verfassungswidrig ansieht, S. 130 Fn. 17. 297 So auch Wiegand in JuS 1974, 202, 209 und Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 37 und 40, wo Wiegand die Frage nach der Gutgläubigkeit zudem als „eigentliche Schlüsselfrage“ bezeichnet, die „zum Regulierungsinstrument“ geworden ist, Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 35. 298 Vgl. für das deutsche Recht oben S. 90 ff. und bspw. Jacob, S. 1, der darlegt, dass in 45 von bis dato 57 Revisionen im Bereich des gutgläubigen Erwerbs der gute Glaube des Erwerbers Gegenstand des Rechtsstreits war. Für das französische Recht vgl. oben S. 57 ff.

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einem „Ventil“, „durch das allzu große Spannungen ausgeglichen werden.“299 Die Wirkungen des Gutgläubigkeitskriteriums sind vielfältig. Drei Hauptaspekte sind hierbei zu betonen. 1. Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit Der Steuerungsparameter der Gutgläubigkeit ermöglicht aufgrund seiner Feinsteuerung eine (bessere) Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit. 300 Dies umfasst eine „individuelle“ Komponente des gerechten Ausgleichs der betroffenen Interessen in jenen Fällen, in denen eine Bösgläubigkeit aus der materiellen Kenntnis des Erwerbers von der wahren Rechtslage resultiert. Hier kann das Ergebnis nur zugunsten des Eigentümers ausfallen. Aber auch die Statuierung von Sorgfaltspflichten über das Kriterium der fahrlässigen Unkenntnis dient der Einzelfallgerechtigkeit. Schließlich werden bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit sämtliche Umstände des Einzelfalls gewürdigt. Dem steht im deutschen Recht insbesondere auch nicht entgegen, dass es sich dort im Grundsatz um einen objektiv-typisierten Fahrlässigkeitsbegriff handelt. Wie oben gezeigt, bleibt noch ausreichend Spielraum für die Berücksichtigung der Einzelfallaspekte.301 Ein Verkehrsteilnehmer, der die so bestimmten Sorgfaltsanforderungen nicht einhält, übt keinen Verkehr aus, der in den Schutzbereich des geschützten Verkehrs fällt. 2. Definition von Sorgfaltsanforderungen bei einzelnen Verkehrsarten Neben der umfassenden Würdigung des Einzelfalls ermöglicht das Kriterium der Gutgläubigkeit über die Sanktionierung fahrlässigen Verhaltens eine Statuierung von Sorgfaltsanforderungen für den Verkehr. Diese werden dabei nicht gleichermaßen für alle Verkehrsvorgänge bestimmt, sondern die Sorgfaltsanforderungen werden bezogen auf einzelne Ausprägungen des geschützten Verkehrs bestimmt. Zu nennen sind hier bspw. der Handel mit (insbesondere gebrauchten) Kfz, sowie Situationen, in denen auf Seiten des Veräußerers typischerweise Kreditsicherungsinstrumente zu beachten sein könnten bzw. solche Instrumente auf Seiten des Veräußerers 299

Hübner, S. 70. Zur Frage der Verwirklichung von Gerechtigkeit vgl. bereits oben S. 155 ff. 301 Vgl. oben S. 90 ff. Siehe bspw. auch die Stellungnahme des OVG Münster (NJW 1993, 2635, 2637) im Rahmen des sog. Hamburger Stadtsiegelfalls (oben S. 225 ff.) und der dortigen Ablehnung eines generellen Herausgabeanspruchs auf Basis der öffentlichrechtlichen Widmung der Sache unter Verweis auf die Möglichkeit der Erfassung des Sachverhalts auf zivilrechtlicher Ebene. Ein gutgläubiger Erwerb scheide demnach bei einer öffentlichen Sache aus, „deren fortdauernde Zweckbindung durch Widmung offenkundig ist oder sich aufdrängt (vgl. § 932 Abs. 2 BGB)“. 300

2. Kapitel: Die Vielfalt der Steuerungsparameter

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und des Erwerbers in Rede stehen.302 Gleiches gilt für den Kunsthandel, für den bspw. Anton eine Nachforschungsobliegenheit und die daraus resultierende Nachweispflicht des Veräußerers aufgrund der Dimension des illegalen Kunsthandels für „dringend geboten“ hält.303 Beim Kunsthandel kann weiterhin die Existenz des Art Loss Register304 zu berücksichtigen sein. Wird ein Kunstwerk erworben, ohne zuvor beim Art Loss Register angefragt zu haben, so soll dies vor manchen deutschen und französischen Gerichten dazu führen, dass die Gutgläubigkeit des Erwerbers nicht mehr gegeben sei.305 Einschränkend ist hier zu bedenken, dass durch die Statuierung einer solchen Sorgfaltspflicht ein Erwerber gezwungen wäre, die entgeltpflichtige Dienstleistung eines privaten Anbieters in Anspruch zu nehmen. Die Entstehung von Zeitaufwand und Kosten zur Feststellung der Berechtigung des Veräußerers ist dabei nicht per se schädlich (auch sonstige Recherchen verursachen Zeitaufwand und Kosten), ist aber im Verhältnis zum jeweiligen Geschäft wiederum im Einzelfall zu würdigen. Weiterhin sind im Rahmen der Ausgestaltung der Sorgfaltsanforderungen neue Entwicklungen in einzelnen Geschäftsbereichen zu beachten, z.B. im Internethandel. Der Fernabsatz generell und der Internethandel im Besondern birgt eine ganze Reihe von Spannungsfeldern im Zusammenhang mit dem gutgläubigen Erwerb.306 Dazu zählen die erleichterte Fernabsatzmöglichkeit für gebrauchte Waren unter fremden Dritten über Internetmarktplätze (z.B. eBay), die Schwierigkeit der Beurteilung der Seriosität eines Veräußerers, der dem Erwerber nur mit einer Webseite gegenübertritt (eine solche lässt sich mit vergleichsweise geringem Mitteleinsatz professionell gestalten), sowie die Vielfältigkeit der Preisbestimmung. 307 Auch 302

Vgl. zum Kfz-Handel und zu Kreditsicherungsinstrumenten im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs im deutschen Recht oben S. 94 ff.; zur Bedeutung der Zulassungsbescheinigung Teil II vgl. oben S. 187 ff. 303 Anton, S. 1198 f. Dieser tritt zudem für den sog. Kunstobjekt-Brief ein (vgl. oben S. 199), der über die Herkunft einer Sache Auskunft geben soll. Dabei führt er den Vergleich zum Kfz-Handel an. Ein nicht unerheblicher Unterschied zwischen Kunstwerken und Kfz besteht dabei allerdings darin, dass jedes Kfz aus öffentlich-rechtlichen Gründen in einem öffentlich-rechtlichen Register erfasst wird. Diese Registrierung wird im Zivilrecht über die Berücksichtigung der Aussagekraft der Kfz-Papiere beim Veräußerungsvorgang genutzt. 304 Vgl. oben S. 196. 305 Cwitkovits, Parnass 2005, Heft 1, 12, 12. Für eine Berücksichtigung in einer englischen Entscheidung (De Préval v. Adrian Alan Ltd.) siehe Seegers, Art-Investor 453, 458. 306 Vgl. auch hierzu bereits oben S. 146 ff. 307 Ein günstiger Verkaufspreis im Rahmen einer Onlineauktion kann bspw. auch durch das zufällige Ausbleiben anderer Bieter im relevanten Versteigerungszeitraum begründet sein. Der offene Ausgang einer lediglich mit Mindestgebot versehenen Onlineauktion im Gegensatz zum regelmäßig einseitig (unter Abzug möglicher Verhandlungs-

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Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision

hier können über den Steuerungsparameter der Gutgläubigkeit für die konkrete Absatzform angemessene Sorgfaltsanforderungen bestimmt werden. Die generelle Auswirkung des Gutgläubigkeitskriteriums auf die in einer bestimmten Verkehrssituation von einem Erwerber aufzubringende Sorgfalt zeigt sich weiterhin dadurch, dass – zumindest nach deutschem Recht – bereits die Nichtvornahme von entsprechenden Nachforschungen (soweit solche nach der Ausgestaltung durch die Rechtsprechung erforderlich sind) dazu führt, dass sich ein Erwerber dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit aussetzt und zwar unabhängig davon, ob die Durchführung der Nachforschungen auch tatsächlich zur Aufdeckung der wahren Berechtigungslage an der Sache geführt hätte.308 Es werden mithin Sorgfaltspflichten für den Verkehr als solchen statuiert, deren Nichteinhaltung nachteilige Konsequenzen für den einzelnen Verkehrsteilnehmer haben kann. Im Ergebnis ermöglicht die Beurteilung des Verhaltens des Erwerbers unter dem Gesichtspunkt der Fahrlässigkeit, typischen Risiken in einzelnen Geschäftsbereichen in flexibler Art und Weise Rechnung zu tragen. Dazu gehört die Möglichkeit der schnellen und angemessenen Berücksichtigung von Entwicklungen im Bereich einzelner Verkehrsarten bzw. dem Auftreten neuer Verkehrsformen (siehe Internethandel). Das Verhalten der Beteiligten wird durch die Konkretisierung der Sorgfaltsanforderungen in präventiver Art und Weise gesteuert,309 da ein Verkehrsteilnehmer bereits bei dem jeweiligen Geschäft die entsprechenden Anforderungen einhalten muss, wenn er sich später eventuell auf einen gutgläubigen Eigentumserwerb berufen möchte.

spannen) gesetzten Verkaufspreis schmälert die Indizwirkung des Preises. Aufgrund der Angebots- und Anbietervielfalt und der von anderen Mitsteigerern abhängigen Preisgestaltung kann der Erwerber allein aus dem Preis nicht unbedingt auf mangelnde Seriosität und damit auf fehlendes Eigentum oder eine fehlende Verfügungsbefugnis schließen. 308 RGZ 143, 14, 18 f. Insbesondere hat „die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der dem Erwerber obliegenden Nachforschung und der Erlangung der Kenntnis vom wahren Sachverhalt (…) bei der Anwendung der Vorschriften des § 932 Abs. 2 BGB außer Betracht zu bleiben.“; a.a.O., S. 19. Bestätigt durch den BGH in BGH NJW 1991, 1415, 1417; Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 24 weist darauf hin, dass der Wortlaut des § 932 Abs. 2 BGB „infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt“ diesbezüglich missverständlich ist. Anderer Ansicht entsprechend der Unterteilung nach konkreter Verdachtssituation und verkehrstypischer Gefahrensituation MüKo/Quack (4. Aufl.), § 932 Rdnr. 47, der im Bereich der verkehrstypischen Gefahrensituation einen ursächlichen Zusammenhang von unterlassenen Nachforschungen und Unkenntnis über die Eigentumslage fordert. Vgl. hierzu auch die Argumentation und Darstellung von Bartels, AcP 208 (2008), 687, 695 ff., der ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Erwerbswillige auf die fehlende Kausalität berufen können muss; AcP 208 (2008), 687, 713 f. 309 MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 30.

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3. Korrektur der Grobstruktur des Rechtsscheinträgers Aufgrund der soeben skizzierten Wirkungen des Gutgläubigkeitskriteriums (Statuierung von Sorgfaltspflichten für Verkehrsvorgänge) erfährt der vergleichsweise grob strukturierte und nach nationalem Recht formalisierte Rechtsscheinträger der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft eine feingliedrigere Korrektur. Wie gesehen, muss sich die jeweilige Bestimmung des Rechtsscheinträgers zum Teil berechtigte Kritik gefallen lassen.310 Würde sich ein Erwerb ausschließlich auf der Basis des objektiven Rechtsscheintatbestands vollziehen, so wäre die Kritik noch berechtigter. Deutlich wird dies durch einen Vergleich mit der Situation, die sich – jenseits der Fälle materieller positiver Kenntnis des Erwerbers311 – ergeben würde, wenn man die Gutgläubigkeit wegdenkt. Für einen gutgläubigen Erwerb würde es dann alleine auf das Vorliegen der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft selbst ankommen. Ob diese für die konkrete Form des Geschäftsvorgangs angemessen oder nach den verkehrstypischen Situationen nicht mehr ausreichend ist, wäre dann bedeutungslos. Das Kriterium der Gutgläubigkeit filtert die auf der Grundlage des objektiven Rechtsscheintatbestands erzielten „Zwischen-“ergebnisse.312 Durch die Beurteilung anhand der Gutgläubigkeit wird der Erwerber gezwungen, sämtliche für ihn wahrnehmbare Umstände zur Kenntnis zu nehmen und zu bewerten. Dazu gehören u. a. individuelle Kenntlichmachungen der Eigentümerstellung an der Sache selbst, private Datenbanken und Register (z.B. Art Loss Register) und die Umstände der Veräußerungssituation. Dies umfasst auch Umstände, die wenngleich nicht im konkreten Geschäftsvorgang, so doch aber bei anderen Arten von Geschäftsvorgängen ausdrückliches Tatbestandsmerkmal von Spezialnormen sind. So ist nach § 367 Abs. 1 HGB die Bekanntgabe des Verlusts im elektronischen 310

Vgl. oben S. 173 ff. Die Fälle der (materiellen) positiven Kenntnis des Erwerbers von der Rechtslage müssen bei der Frage nach dem Wechselspiel zum Rechtsscheinträger im Übrigen nicht näher berücksichtigt werden, da hier, wie oben erläutert, schon gar kein Rechtsschein zugunsten des Erwerbers besteht. Diese Bedeutung hebt auch Wiegand hervor, wenn er der „grob fahrlässigen Unkenntnis“ die entscheidende Rolle zuweist und die Kenntnis des Erwerbers als selbstverständlichen, praktisch bedeutungslosen Fall bezeichnet; Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 87. 312 Nicht zuletzt muss es demnach auch nicht überraschen, dass die Diskussionen um den gutgläubigen Erwerb dort besonders kontrovers geführt werden, wo man diesen Filter ausgestellt hat, bspw. indem man ein weiteres pauschales Kriterium eingeführt hat, das die Wirkung des pauschalen Rechtsscheinträgers aufhebt. So z.B. bei der Privilegierung abhanden gekommener Sachen. Hier stehen sich dann zwei „grobsteuernde Parameter“ gegenüber (mit einem Vorrang für das Abhandenkommen), die einer Feinsteuerung durch die Gutgläubigkeit keinen Raum mehr geben. Vgl. zum Abhandenkommen insbesondere auch oben S. 215 ff. und unten S. 323 ff. 311

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Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision

Bundesanzeiger bei der Beurteilung der Gutgläubigkeit eines Erwerbers eines Wertpapiers in Form eines Inhaberpapiers relevant. Handelt es sich im konkreten Fall nun um ein Wertpapier, das kein Inhaberpapier darstellt, so kann eine im Bundesanzeiger veröffentlichte Verlustmeldung, wenngleich es sich hier nicht um ein explizites Tatbestandsmerkmal handelt, dennoch über das Kriterium der Gutgläubigkeit zur Beurteilung des Sachverhalts herangezogen werden.313 Letztlich können alle Kriterien, die in anderen Veräußerungssituationen als gesondertes Tatbestandsmerkmal mit einer expliziten Rechtsfolge normiert sind, über die Gutgläubigkeit auch bei den tatbestandlich nicht betroffenen Sachverhalten berücksichtigt werden. Auch Sondersituationen lassen sich damit erfassen. Die Wechselwirkung bzw. das Spannungsverhältnis zwischen Rechtsscheinträger (qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft) und Gutgläubigkeit zeigt sich besonders anhand der Nachforschungsobliegenheiten. Darf ein Erwerber grundsätzlich auf den Rechtsschein vertrauen, dann können Nachforschungsobliegenheiten nur die Ausnahme darstellen. Je schwächer allerdings der Aussagewert des Rechtsscheinträgers ist, desto stärker sind die beim Geschäftsvorgang bestehenden Nachforschungsobliegenheiten. Deutlich wird dies an der Zahl gerichtlicher Entscheidungen zur Frage des Bestehens von Nachforschungsobliegenheiten in Geschäftsbereichen, in denen das Vorhandensein eines einfachen oder verlängerten Eigentumsvorbehalts nahe liegt.314 Die Rechtsprechung hat dabei vergleichsweise starke Nachforschungsobliegenheiten des Erwerbers statuiert, um der tatsächlichen Entwicklung der Besicherungsformen im Wirtschaftsleben und der dadurch bewirkten Einschränkung der Legitimationskraft der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft Rechnung zu tragen.315 Auch die Tatsache, dass die Rechtsprechung Nachforschungsobliegenheiten zum Schutz eines Sicherungseigentümers nur in geringerem Maße aufstellt, passt in dieses Bild. Die Situationen, die einer Sicherungsübereignung zugrunde liegen können, sind vielfältiger als jene typischer Eigentumsvorbehaltssituationen. Während die Notwendigkeit der Aufnahme eines „Warenkredits“ insbesondere bei Zwischenlieferanten regelmäßig gegeben ist, kann die Notwendigkeit zur Aufnahme eines Geldkredits durch entsprechende Besicherung im Wege der Sicherungsübereignung nicht in vergleichbarer Form typisiert werden. Zur Geldkreditaufnahme kann jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr gezwungen sein und zur Besicherung der 313

Vgl. Großkomm. HGB/Canaris, §367 Rdnr. 14) im Hinblick auf Orderpapiere. Vgl. dazu Wilhelm, Rdnr. 948 ff. 315 Vgl. auch Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 26. Nicht zuletzt sind die vielfältigen Möglichkeiten der Kreditsicherung ein häufig verwendeter Ansatz, um den gutgläubigen Erwerb aufgrund seiner Anknüpfung an die (qualifizierte) tatsächliche Sachherrschaft generell in Frage zu stellen. 314

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Kreditaufnahme stehen eine Vielzahl von Varianten zur Verfügung. Eine zielgerichtete Einschränkung der Rechtsscheinkraft der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft durch die Statuierung von Nachforschungsobliegenheiten zum Schutze des Sicherungseigentümers erscheint weder angemessen noch möglich. Hier bleibt es bei der Wirkung des Rechtsscheins. Der Sicherungsnehmer muss sich einen anderen Schutz suchen, z.B. über den Einbehalt des Kfz-Briefs, wenn es um die Besicherung durch Sicherungseigentum an einem Pkw geht. Durch die unterschiedlichen Anforderungen an die subjektive Komponente wird die pauschalisierende Vermutung des Rechtsscheintatbestands also den spezifischen tatsächlichen Umständen (Kfz-Handel, Kunsthandel etc.) angepasst.316 So wurden im Bereich des Erwerbs von Wertpapieren in der Nachkriegszeit unter Berücksichtigung der vorangegangenen Kriegswirren an den Erwerber schärfste Anforderungen gestellt, die bis zu der Annahme einer „tatsächlichen Vermutung der Bösgläubigkeit des Erwerbers“ führten.317 Im Hinblick auf den Einzelfall, aber insbesondere im Hinblick auf die näheren Umstände des speziellen Wirtschaftssektors wird so festgelegt, welcher Rechtsschein tatsächlich von der Innehabung der tatsächlichen Gewalt ausgeht. Der objektive Rechtsscheintatbestand (qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft) steht in einer Interdependenz zum subjektiven Gutgläubigkeitskriterium: „Je geringer die Rechtsscheinwirkung des Vertrauenstatbestands ist oder wird, desto strenger werden die Voraussetzungen für die Gutgläubigkeit bestimmt.“318 Das Gutgläubigkeitskriterium relativiert die unterschiedliche Bedeutung der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft als Rechtsscheinträger.319 Zusammenfassend lässt sich das Kriterium der Gutgläubigkeit als in individueller und genereller Hinsicht mächtiger und flexibler Steuerungsparameter beschreiben, der erhebliches Potenzial besitzt, um individuelle Gerechtigkeit320 und generelle Sorgfalt zu fördern. Erst in der Kombination mit dem flexiblen Gutgläubigkeitskriterium rechtfertigt sich der Einsatz der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft als Rechtsscheinträger.

316

So auch Wiegand, JuS 1974, 201, 208. Wiegand, JuS 1974, 201, 207 f. 318 So Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 37. Vgl. auch Wiegand, JuS 1974, 201, 206. 319 Vgl. Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 89. 320 Vgl. auch Staudinger/Wiegand, § 932 Rdnr. 89: „Mit Hilfe dieses Kriteriums findet der Interessenausgleich zwischen Eigentümer und Erwerber statt.“; siehe auch Soergel/Henssler, § 932 Rdnr. 29 aE. 317

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E. Sonstige Steuerungsparameter Neben den bisher behandelten Steuerungsparametern, die für den gutgläubigen Erwerb von erkennbarer Bedeutung sind und sich in den nationalen Rechtsordnungen entsprechend zum großen Teil auch in einzelnen Tatbestandsmerkmalen wieder finden, können weitere Aspekte auf die Auflösung der Interessenkollision einwirken. Wie die verschiedenen Rechtsinstitute (gutgläubiger Erwerb, Ersitzung, Verjährung) zeigen, ist besonders der Aspekt des fortschreitenden Zeitablaufs relevant (I.). Weiterhin spielt das Verschulden einzelner Beteiligter bei der Behandlung von Rechtsproblemen generell eine Rolle, so dass zu fragen ist, wie dies bei der Behandlung des gutgläubigen Erwerbs zu berücksichtigen ist (II.). Schließlich gibt es Situationen oder Aspekte, die sich von der der Ordnungsaufgabe des gutgläubigen Erwerbs zugrunde liegenden allgemeinen Situation so weit entfernen, dass eine Regelung sie gegebenenfalls gesondert adressieren muss (III.).

I. Der Zeitablauf Der bloße Zeitablauf321 hat ebenfalls eine Bedeutung für die Auflösung der hier untersuchten Konstellation. So können sich im Laufe der Zeit geänderte Rechtsfolgen ergeben, ohne dass sich an den sonstigen Umständen etwas ändert, d.h. ohne dass eine weitere Handlung stattfindet, sich die Kenntnis der Beteiligten von den Veräußerungs- und sonstigen Umständen verändert und ohne dass sich die Sache selbst verändert. Gerade bei Sachen, die keiner Abnutzung unterliegen und sich sonst mit der Zeit nicht wesentlich verändern wird der Aspekt des Zeitablaufs besonders bedeutend.322 Es ist daher nicht überraschend, dass die Frage der Neuzuordnung des Eigentums aufgrund längeren Zeitablaufs insbesondere bei Kunstwerken eine Rolle spielt.323Anders als bei Sachen, die einer Abnutzung oder einem Verbrauch unterliegen, kann sich bei Kunstwerken und Kulturgütern durch einen Wertgewinn im Laufe der Zeit zudem eine bedeutsame Veränderung der Eigentümer- bzw. Erwerberinteressen ergeben. Unabhängig von einem etwaigen Wertgewinn der Sache sind aber auch sonst mit fortschrei321

Zu generellen Aspekten des Zeitablaufs im Recht, Lawson, AcP 159 (1960), 97 ff. Vgl. zum Fall Stadt Gotha gegen Sotheby’s sogleich unten S. 246 ff. oder LG München, IPRax 1995, 43, wo es um die Verjährung eines Herausgabeanspruchs eines Kunstwerks ging, das von den Nationalsozialisten als „entartet“ beschlagnahmt wurde. Gerade bei Kunstwerken („entartete Kunst“, „Beutekunst“) geht es um die juristische Aufarbeitung von Wirren, die durch ein Unrechtsregime bzw. durch den zweiten Weltkrieg herbeigeführt wurden. Zu wertpapierrechtlichen Sonderregelungen zur Aufarbeitung von Kriegswirren vgl. sogleich unten S. 255 ff. 323 Vgl. auch Armbrüster, FS H.P. Westermann, 53, 54. 322

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tender Zeit die betroffenen Interessen anders zu bewerten und zwar sowohl die individuellen Interessen der Beteiligten als auch die betroffenen Allgemeininteressen. 1. Bestandsaufnahme Aus dem 1. Teil, 2. Kapitel ergibt sich bei den für diese Untersuchung relevanten Rechtsordnungen folgendes System der Berücksichtigung zeitlicher Parameter. a) Der Zeitablauf beim Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs Die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs führt zum sofortigen Eigentumserwerb. Unterschiede haben sich bei den betrachteten Rechtsordnungen unter dem Aspekt des Zeitablaufs ergeben, wenn die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb nicht erfüllt sind, im Speziellen, wenn es sich um eine verlorene oder gestohlene Sache handelt. Das deutsche Recht sieht – bei isolierter Betrachtung der Gutgläubigkeitsvorschriften – bei abhanden gekommenen Sachen (§ 935 BGB) einen dauerhaften („ewigen“) Ausschluss des Eigentumserwerbs nach dem Institut des gutgläubigen Erwerbs vor. Nach der französischen Regelung wird ein redlicher Eigentumserwerb einer verlorenen oder gestohlenen Sache nur für drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Verlierens oder des Diebstahls ausgeschlossen (Art. 2276 Abs. 2 C.c.).324 b) Auswirkungen des Zeitablaufs durch Anwendung anderer Rechtsinstitute (Ersitzung und Verjährung) Zudem haben die zeitabhängigen Institute der Ersitzung und Verjährung Auswirkungen auf die Dreipersonenkonstellation des gutgläubigen Erwerbs haben können. Das römische Recht kannte kein Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs mit einem sofortigen Eigentumswechsel, dafür aber mit der usucapio eine kurze Ersitzung. Bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen konnte nach einem Zeitraum von drei Jahren ein Eigentümerwechsel stattfinden.325 Die usucapio war im römischen Recht das funktionale Äquivalent zu einem sofortigen gutgläubigen Eigentumserwerb.326 324

Ähnliche Regelungen finden sich in Japan, der Schweiz, Polen und Rumänien. Auch dort findet bei abhanden gekommenen Sachen ein zeitlich hinausgezögerter gutgläubiger Erwerb statt, Looschelders/Bottek, VersR 2001, 401, 403 m.w.Nachw. 325 Vgl. zu den Details der Ersitzungsfrist der usucapio oben S. 111 ff. 326 Baur/Stürner, § 53 Rdnr. 86: „Ersatzfunktion“ der Ersitzung. Vgl. auch Schäfer/ Ott, 18. Kap. 1. (S. 572), der unter ökonomischen Blickwinkel in der Ersitzung als funktionales Äquivalent zum gutgläubigen Erwerb eine weitere Möglichkeit sieht, um eine

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Ergänzend greift die Ersitzung vor allem in Deutschland zugunsten eines gutgläubigen Eigenbesitzers einer abhanden gekommenen Sache ein, indem sie diesem nach zehnjährigem ununterbrochenen Eigenbesitz das Eigentum an der Sache zuweist.327 Im französischen Recht, mit seiner Dreijahresregel zum Erwerb gestohlener und verlorener Sachen, ist eine solche „mittlere“ zehnjährige Frist ohne Bedeutung. Seit der Reform des Code civil im Jahr 2008 ist eine lange Ersitzung im Code civil jedenfalls nicht mehr ausdrücklich enthalten.328 Zumindest im Hinblick auf die in Frankreich bestehende Möglichkeit, gestohlene und verlorene Sachen, anders als in Deutschland, nach drei Jahren gutgläubig erwerben zu können (Art. 2276 C.c.), ist diese auch weniger relevant. Im deutschen Recht kommt als weiteres zeitabhängiges Element die dreißigjährige Verjährung des Eigentumsherausgabeanspruchs hinzu. Damit scheitert insbesondere ein Herausgabeanspruch gegen einen bösgläubigen Besitzer.329 Im französischen Recht ist seit der Reform des französischen Verjährungsrechts unklar, ob der Vindikationsanspruch in Bezug auf Mobilien weiterhin unverjährbar ist oder nunmehr nach fünf Jahren verjährt, wobei überwiegend für eine Unverjährbarkeit plädiert wird.330 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs folgende zeitlichen Dimensionen von Bedeutung sind: sofort, drei Jahre, zehn Jahre und 30 Jahre. In der konkreten Rechtsanwendung können die Unterschiede im Fristbeginn und Fristablauf (Unterbrechung, Hemmung) zu erheblich vielgestaltigeren Ergebnissen führen. 2. Die Änderung der gesetzgeberischen Motivationslage mit zunehmendem Zeitablauf Den unterschiedlichen Zeitkomponenten liegen unterschiedliche Interessenbewertungen zugrunde. Bei längerem Zeitablauf treten andere Interessen hinzu oder in den Vordergrund. Die Berücksichtigung der jeweiligen Interessen ist dabei nicht unumstritten, insbesondere im Bereich der Verjährung der Vindikation.

effiziente Verteilung des Informationsaufwands zwischen den Beteiligten zu ermöglichen. 327 Vgl. zu weiteren Einzelheiten oben S. 112 ff. 328 Zum Streit um die Bedeutung des Art. 2262 C.c. (a.F.) siehe oben S. 115 f. 329 Zu Einzelheiten vgl. oben S. 118 f. Angesichts der geringen Bedeutung in den untersuchten Rechtsordnungen ist auf die Verwirkung hier nicht mehr besonders einzugehen. Auch bei dieser spielt das Zeitmoment neben dem Umstandsmoment die entscheidende Rolle. 330 Vgl. oben S. 119 f.

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a) Die Zeitkomponente beim gutgläubigen Erwerb Die Zeitkomponente ist beim gutgläubigen Erwerb, mit Ausnahme der Dreijahresregel in Art. 2276 Abs. 2 C.c., auf null reduziert. Sind die Voraussetzungen der entsprechenden Regelung erfüllt, so tritt ein sofortiger gutgläubiger Erwerb ein. Das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs hat gerade aufgrund dieser Wirkung immer wieder zu Kritik geführt. Einem Aspekt wurde dabei besondere Aufmerksamkeit zuteil. Der Eigentümer kann einen Eigentumserwerb des Dritten nur im Moment der Übereignung verhindern. Da die Einigung in der Regel ebenfalls kein sichtbarer Vorgang ist, bleibt ihm nur die Verhinderung der Übergabe bzw. die Zerstörung der Gutgläubigkeit des Erwerbers im Moment der Übergabe. Die Offenkundigkeit des Besitzwechsels zwischen Veräußerer und Erwerber schützt den Eigentümer dadurch in der Regel nicht vor dem Eigentumsverlust.331 Dies spielt bspw. in der Diskussion um die Frage der Heimlichkeit des Gutglaubenserwerbs und der Vermeidbarkeit des Rechtsverlusts durch den Eigentümer durch Überwachung der Sache eine Rolle.332 Aufgrund der sofortigen Wirkung des gutgläubigen Erwerbs ist es einem Eigentümer selbst bei der größten Sorgfalt in der Überwachung des tatsächlichen Verbleibs seiner Sachen (bspw. im Rahmen eines Gebrauchsüberlassungsvertrags) unmöglich, einen Eigentumserwerb eines gutgläubigen Erwerbers zu verhindern. In dem Moment, in dem der Eigentümer die Übergabe durch den Veräußerer bemerkt, hat er schon stattgefunden. Durch Art. 2276 Abs. 2 C.c. wird der Eigentümer hingegen zunächst für drei Jahre geschützt. Das Gesetz lässt ihm diese Zeit, um seine etwaigen Bemühungen zur Wiedererlangung der Sache erfolgreich zu gestalten. Anschließend werden die Interessen des Erwerbers höher bewertet. b) Die unterschiedlichen Zielrichtungen von Ersitzung und Verjährung Die Ersitzung und die Verjährung haben ebenfalls Einfluss auf die Konstellation des gutgläubigen Erwerbs, was im deutschen Recht besonders anschaulich ist. Die Ersitzung ermöglicht den Eigentumserwerb an abhanden gekommenen Sachen, und die Verjährung berechtigt zur Verweigerung der Herausgabe der Sache auch im Falle der Bösgläubigkeit. Hervorzuheben ist, dass durch die Anwendung der Vorschriften der Ersitzung und der Verjährung der hier betrachtete Interessenkonflikt zwar berührt, aber nicht zielgerichtet geregelt wird. Die Regeln erfassen auch – 331

Vgl. Lohsse, AcP 206 (2006), 527, 530. Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 184 „Der sofortige Erwerb entrechtet den Alteigentümer plötzlich, unversehens, von heut auf morgen, über Nacht sozusagen. Keinerlei Gegenwehr ist möglich.“ 332 Vgl. hierzu die Diskussion über das Verhältnis von § 933 zu § 934 Alt. 1 BGB oben S. 175 ff.

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aber nicht nur – den gutgläubigen Erwerb. So betreffen sie insbesondere auch reine Zweipersonenverhältnisse und nicht nur die für den gutgläubigen Erwerb charakteristischen Dreipersonenverhältnisse. Es bedarf keiner Veräußerung an einen Erwerber, sondern Ersitzung und Verjährung regeln auch das Verhältnis zwischen Eigentümer und Veräußerer. So kann ein Erwerber eine Sache bspw. nach § 937 Abs. 1 BGB ersitzen, wenn die zugrunde liegende Übereignung aufgrund eines Mangels in der Einigung nicht erfolgreich war, er es im Übrigen aber mit dem Berechtigten zu tun hatte. Die Regelungen der Ersitzung haben im deutschen Recht eine weitergehende Heilungswirkung als der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten, der eben nur den Mangel der Berechtigung des Veräußerers adressiert. Die Regelungen zur Verjährung und Ersitzung haben demnach nicht primär die Umlauffähigkeit und den Verkehr mit dieser Sache im Blick, was dementsprechend zum Erfordernis langer Besitzzeiten (10 Jahre, 30 Jahre) führt und auch in der Rechtsfolge keine auf die Umlauffähigkeit angepassten Lösungen umfasst. Die Ersitzung führt immerhin noch zu einem Eigentumserwerb. Die Verjährung hingegen führt nur zur Versagung des Eigentumsherausgabeanspruchs; das materielle Recht verbleibt im Übrigen beim Rechtsinhaber. Die Verjährung des Vindikationsanspruchs bewirkt also, dass beim Eigentümer ein Eigentum ohne durchsetzbaren Herausgabeanspruch zurückbleibt und er somit einen wesentlichen Teil des Inhalts seines Eigentumsrechts verliert.333 Es kommt zu einem dauerhaften Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz.334 Sowohl die Ersitzung als auch die Verjährung dienen in erster Linie der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden.335 Dabei ist vor allem die Beurteilung der Beweislage von Bedeutung.336 Mit fortschreitender Zeit wird es für einen Schuldner eines (behaupteten) Anspruchs schwieriger, sich gegen diesen zu verteidigen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen berechtigten oder unberechtigten Anspruch handelt, der gegen ihn geltend gemacht wird. Zeugen oder schriftliche Unterlagen sind möglicherweise nicht mehr verfügbar oder auffindbar und die präzise Erinnerung der Beteiligten, einschließlich der Zeugen, an die relevanten Vorgänge lässt mit der Zeit nach. Insbesondere im Hinblick auf unbegründete Ansprüche wird der 333

Remien, AcP 201 (2001), 730, 737. Vgl. hierzu die bereits oben (Teil 1, 2. Kapitel Fn. 416) erwähnten Begrifflichkeiten: „nudum ius“, „wehrloses dingliches Recht“, „Halbheit des Rechts“, „Rechtskrüppel“. 335 U.a. BGHZ 59, 72, 74 (zur Verjährung); zur Ersitzung: Westermann, § 51 I 2 (S. 413); Soergel/Henssler, § 937 Rdnr. 1; Bamberger/Roth/Kindl, § 937 Rdnr. 1. Ablehnend zum Rechtsfrieden durch Verjährung Staudinger/Peters/Jacoby, Vorbem zu §§ 194–225 Rdnr. 7, da dies beim Rechtsinhaber zu Verbitterung führe. 336 Im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Ersitzung und Verjährung in diesem Punkt, Baur/Stürner, § 53 Rdnr. 85. 334

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(vermeintliche) Schuldner also vor Beweisnot geschützt337 und ihm der Beweis erspart.338 Aber auch bei begründeten Ansprüchen besteht ein legitimes Interesse des Schuldners an einem Eigentumsübergang, denn mit dem Zeitablauf werden auch seine Regressmöglichkeiten erschwert. Es wird für ihn schwieriger, seinerseits mögliche Regressschuldner ausfindig zu machen oder auf andere Weise, z.B. durch die Bildung von Reserven, eine angemessene Risikovorsorge gegen die Geltendmachung von Ansprüchen zu betreiben.339 Diese Interessen summieren sich zu einem allgemeinen Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Es sollen klare Verhältnisse geschaffen werden.340 Mit der Ersitzung und Verjährung soll die rechtliche Lage somit dem angepasst werden, wie sie nach der tatsächlichen Lage erscheint,341 wenngleich dies aufgrund der eingeschränkten Rechtsfolge bei der Verjährung nur weniger stark umgesetzt wird. Darüber hinaus wird auf das Interesse abgestellt, Prozesse und damit eine Belastung der Gerichte zu vermeiden.342 Die Ersitzung mit der durch sie bewirkten Änderung der materiellen Rechtslage (es kommt zu einem Eigentumsübergang) und ihrer kürzeren Frist dient dabei, anders als die Verjährung, zudem der Verwirklichung des Verkehrsschutzes.343 Sie beseitigt die Diskrepanz zwischen vermeintlicher und wirklicher Rechtslage,344 bereinigt also die sachenrechtliche Situation.345 Dass die Verjährung im Hinblick auf den Gegenstand dieser Untersuchung zur primären Regelung der Interessenkollision beim gutgläubigen Erwerb nicht geeignet ist, ergibt sich daher schon aus dem dauerhaften Auseinanderfallen von Eigentumsrecht und tatsächlicher Sachherrschaft, was mit dem Anliegen des Verkehrsschutzes nicht vereinbar ist. Im Übrigen soll die Verjährung auch in keiner der untersuchten Rechtsordnungen 337 Begr. RegE zum SchuMoG BT-Drs. 14/6040 S. 96; Palandt/Ellenberger, Vor § 194 Rdnr. 8. 338 Vgl. BGHZ 17, 199, 206. 339 Begr. RegE zum SchuMoG BT-Drs. 14/6040 S. 96; Staudinger/Peters/Jacoby, Vorbem zu §§ 194-225 Rdnr. 5. 340 Armbrüster FS H.P. Westermann, 53, 61 f. Armbrüster gibt dort allerdings zu Bedenken, dass auch ein Allgemeininteresse daran bestehe, dass berechtigte Ansprüche als Ausprägung des Allgemeininteresses an der Bereitstellung eines wirkungsvollen Verfahrens zur Durchsetzung von Ansprüchen durchsetzbar sind. 341 Scholz, S. 47. 342 U.a. Peters/Zimmermann, 70, 193. Im Hinblick auf die anzustrebende gerechte Entscheidung und unter Berücksichtigung des Gewaltmonopols des Staats, das eine Einbindung der Gerichte zur Durchsetzung der Rechte erforderlich macht, wäre dieses Argument als alleinige Begründung nur schwer nachvollziehbar. 343 Staudinger/Wiegand, Vorbem zu §§ 937 ff., Rdnr. 2; Soergel/Henssler, § 937 Rdnr. 1; Bamberger/Roth/Kindl, § 937 Rdnr. 1. 344 Baur/Stürner, § 53 Rdnr. 85. 345 Remien, AcP 201 (2001), 730, 733.

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zielgerichtet die Auflösung der Interessenkollision um den gutgläubigen Erwerb übernehmen, sondern allenfalls ergänzend wirken. Das sich mit der Zeit verstärkende Spannungsverhältnis aus Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit wird also mit der fortschreitenden Zeit dahingehend aufgelöst, dass im Interesse des Rechtsfriedens die Rechtssicherheit den Vorrang gewinnt.346 c) Die Kritik an der Verjährung der Vindikation Im deutschen Recht hat die Möglichkeit der Verjährung der Vindikation, die gerade auch für einen bösgläubigen Besitzer wirkt, viel Kritik erfahren. Im Zusammenhang mit den hier betrachteten Konstellationen ist dies nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass das Gutgläubigkeitskriterium im Grundsatz sowohl aus individueller Sicht, als auch aus genereller Sicht unabdingbar ist. Der bösgläubige Erwerber ist ebenso wenig schutzwürdig wie der unredliche Verkehr.347 Betrachtet man die Verjährung unter dem Blickwinkel des dadurch bewirkten Schutzes des Bösgläubigen, so ist es eine sehr berechtigte Frage, ob dies ein angemessenes Ergebnis ist. Anschaulich ist hier der in der Literatur vielfach geschilderte Fall der Bundesrepublik Deutschland und der Stadt Gotha gegen Sotheby’s.348 Hier hatte die Bundesregierung im Namen der Bundesrepublik Deutschland vor dem Londoner High Court unter Berufung auf das Eigentumsrecht einen Herausgabeanspruch gegen den aktuellen Besitzer an einem Gemälde des holländischen Meisters Joachim A. Wtewael349 geltend gemacht. Das Gemälde hing zuvor in Gotha und war gegen Ende des Zweiten Weltkriegs verschwunden. Die Bundesregierung hat sich in diesem Verfahren darauf berufen, dass die Möglichkeit einer Verjährung der Eigentumsherausgabeklage gegen einen bösgläubigen Besitzer gegen den englischen ordre public verstoße. Das Gericht entschied zugunsten der Bundesrepublik Deutschland einerseits, dass die Verjährungsfrist nicht abgelaufen sei,350 stellte andererseits aber fest, dass eine bösgläubige Partei durch den Zeitablauf nicht begünstigt werden solle und es hier kein schutzwürdiges Vertrauen gebe, das der Rechtssicherheit Vorrang vor der materiellen Gerechtigkeit

346 Vgl. auch Heuer, NJW 1999, 2558, 2563. Besonders deutlich ist dies bei der Verjährung zu sehen, bei der weder Verschulden noch Redlichkeit des Anspruchsschuldners eine Rolle spielen. 347 Vgl. dazu auch oben S. 230 f. 348 City of Gotha and Federal Republic of Germany vs. Sotheby’s and Cobert Finance, abgedruckt in Carl/Güttler/Siehr, S. 78 ff. 349 Joachim A. Wtewael „Die heilige Familie mit dem heiligen John, der heiligen Elisabeth und den Engeln“ von 1603. 350 Carl/Güttler/Siehr, S. 201.

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einräumen würde.351 Allerdings gibt es Gerichtsentscheidungen anderer nationaler Gerichte, die in einem solchen Fall die Verjährung aufrechterhalten haben.352 Nicht zuletzt aufgrund der Argumentation der Bundesregierung im Fall Gotha wird es als unpassend betrachtet, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Reformierung des Verjährungsrechts im Rahmen der Schuldrechtsreform die Verjährung gegen den Vindikationsanspruch aufrechterhalten hat.353 So argumentiert Siehr, dass die Verjährung der Vindikation nur den Dieb und andere bösgläubige Besitzer schütze, da sonstige Erwerber wenigstens im Wege der Ersitzung (oder durch öffentliche Versteigerung gem. § 935 Abs. 2 BGB) Eigentum erwerben würden.354 Er bemängelt, dass somit ein Eigentümer sein Recht nicht mehr geltend machen könne, wenn es dem Dieb gelingt, die Sache 30 Jahre zu verbergen.355 Nach seiner Ansicht habe die entsprechende Verjährungsregel die Niederlande bspw. zu einem Paradies für Diebe gemacht.356

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Carl/Güttler/Siehr, S. 213 f. So schildert Schoen in NJW 2001, 537, 537 eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Niederlande vom 8.5.1998 zum Gemälde von Jan van der Heyden „Klooster in landschap“, in dem ein Herausgabeanspruch verjährt blieb. 353 Zwar wurde er in § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB erstmalig explizit kodifiziert, nach weit überwiegender Ansicht unterlag dieser aber auch bereits bei der Rechtslage bis zu diesem Zeitpunkt der damaligen regelmäßigen dreißigjährigen Verjährung (vgl. u.a. BGH NJW 1994, 1152, 1152; Palandt/Heinrichs (60. Aufl.), § 194 Rdnr. 6). Mit der Änderung der regelmäßigen Verjährung war nun nur die explizite Aufnahme des Anspruchs im Rahmen der dreißigjährigen Verjährung erforderlich, um die geltende Rechtslage aufrecht zu erhalten. Zur Diskussion der Haltung der Bundesregierung vgl. u.a. Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3586 f.; Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst, JZ 2001, 684, 693. Eine „dringend gebotene“ Modifikation der Verjährungsregel fordert auch Anton, S. 1207 f. 354 Siehr, ZRP 2001, 346, 347. In diese Richtung argumentieren ebenfalls Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3586 f.; Remien, AcP 201 (2001), 730, 750 ff.; AnwKBGB/Mansel/ Stürner, § 194 Rdnr. 7; MüKo/Baldus, § 937 Rdnr. 47. 355 Siehr, ZRP 2001, 346, 347; Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3586. Bei der Verjährung wird teilweise auch zugunsten einer Hemmung aufgrund höherer Gewalt argumentiert, vgl. Reich/Fischer, NJW 1993, 1417, 1420 f. (unter Berufung auf die Hemmung aufgrund höherer Gewalt nach § 203 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung; die entsprechende Regelung ist seit der Schuldrechtsmodernisierung allerdings nur in veränderter Form in § 206 BGB enthalten). Dagegen Heuer, NJW 1999, 2558, 2563, der eine Hemmung wegen „höherer Gewalt“ auch im Bereich der durch die Nationalsozialisten als sog. „entartete Kunst“ beschlagnahmten Kunstgegenstände ablehnt. Zur möglichen Hemmung bei Kunstgegenständen vgl. auch Schoen, NJW 2003, 537, 543. 356 Siehr ZRP 2001, 346, 347 mit Hinweis auf niederländische Quellen. Ein solcher Hinweis findet sich auch bei Remien, AcP 201 (2001), 730, 731. 352

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Zudem wird u. a.357 auf den sich dadurch ergebenden Widerspruch hingewiesen, dass der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Dieb nach Ablauf von 30 Jahren einredebehaftet sei, wohingegen eine Herausgabe weiterhin erfolgreich geltend gemacht werden kann, wenn die Sache dem Dieb seinerseits abhanden gekommen ist.358 In letzterer Konstellation findet keine Anrechnung der vorherigen Verjährungszeit gem. § 198 BGB359 statt.360 Der deutsche Gesetzgeber sah hingegen die Verjährbarkeit aus den oben genannten Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, insbesondere im Hinblick auf den dadurch ebenfalls bewirkten Schutzes des Gutgläubigen vor Beweisnot, weiterhin als geboten an.361 Wie schon im vor der Schuldrechtsmodernisierung geltenden Recht ist auch heute das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz hinzunehmen.362 Die gesetzgeberische Aufrechterhaltung der Vindikationsverjährung ist mit der Argumentation der Bundesregierung im Fall Gotha vereinbar. Zum einen ist bei formeller Betrachtung die Bundesregierung nicht der Gesetzgeber und zum anderen ging es im Fall Gotha um ein konkretes Gerichtsverfahren, bei dem es auch einer Regierung möglich sein muss, sämtliche nach dem anwendbaren Recht zur Verfügung stehenden Argumentationslinien zu verwenden, um den Prozess erfolgreich zu gestalten. Schließlich betraf die Argumentation einen Verstoß gegen den englischen und nicht den deutschen ordre public.363 357

Zu weiteren Widersprüchen in der Fristberechnung im Zusammenhang mit etwaigen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsansprüchen vgl. Remien, AcP 201 (2001), 730, 742 ff. und 755. 358 Remien, AcP 201 (2001), 730, 740; Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3586 m.w.Nachw. 359 Bamberger/Roth/Henrich, § 198 Rdnr. 4. Die Kritiken beziehen sich in der Regel noch auf die Vorgängernorm des § 221 BGB. 360 Dies würde als alleinige Begründung für eine Versagung der Verjährung der Vindikation nicht ausreichen. Auch wenn dem Eigentümer ein zweites Abhandenkommen der Sache während der Verjährungszeit zugute kommt und somit für ihn einen glücklichen Umstand darstellt, bedeutet dies nicht, dass bei einem einmaligen Abhandenkommen der Eigentümer zwingend ebenfalls zu schützen wäre. 361 Begr. RegE zum SchuMoG BT-Drs. 14/6040 S. 96, 100 und 105, wobei der Gesetzgeber auch anerkannte, dass die lange Verjährungsfrist zum Schutz der dinglichen Rechte notwendig sei. Vgl. auch sogleich unten S. 252 ff. 362 Vgl. zum Recht vor der Schuldrechtsmodernisierung BGHZ 139, 152, 166 m.w.Nachw.; Staudinger/Gursky, § 985 Rdnr. 73. Dazu wiederum unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel kritisch Remien (AcP 201 (2001), 730, 756), dem für die Streichung der Vindikationsverjährung „die Hoffnung auf die Eigentumsgarantie des Verfassungsrechts (…) eines Tages im Wege des Art. 100 GG.“ bleibt. 363 In derselben Handlung liegt nicht zwangsläufig ein Verstoß gegen die wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts, insbesondere die Grundrechte (vgl. Art. 6 EGBGB). Dies anerkennen auch Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst, JZ 2001, 684, 693.

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d) Bewertung des Zusammenspiels von gutgläubigem Erwerb, Ersitzung und Verjährung Bei der isolierten Betrachtung der Zeitkomponente zeigt sich eine differenzierte und über das Zusammenspiel der verschiedenen Rechtsinstitute komplexe Regelung des Interessenausgleichs im Zusammenhang mit dem gutgläubigen Erwerb.364 Das Ergebnis der Rechtsanwendung variiert bei einem im Übrigen unveränderten Sachverhalt mit dem bloßen Zeitablauf. Frühere Untersuchungen setzen bei ihren Änderungsvorschlägen besonders am Element des Zeitablaufs an. aa) Die verschiedenen Vorschläge zur Kombination der Institute Die verschiedenen Rechtsinstitute und damit verbundenen zeitlichen Gestaltungsmöglichkeiten wurden in der Literatur auch in der Vergangenheit zu verschiedenen Ansätzen kombiniert. Reichel tritt für einen verschärften gutgläubigen Erwerb und gleichzeitig für eine erleichterte Ersitzung ein.365 Ganz auf den gutgläubigen Erwerb möchte aber auch er nicht verzichten. Brandt möchte angesichts der langen Ersitzungszeit das Vindikationsrecht des Eigentümers beim gutgläubigen Erwerb gestohlener Sachen auf fünf Jahre beschränken.366 Hübner, der in seine Erwägungen die Vorschriften des französischen Rechts mit einbezieht, befürwortet eine Kombination aus dreijähriger Ersitzung verbunden mit einer materiellen fünfjährigen Ausschlussfrist für abhanden gekommene Sachen.367 Von Lübtow wiederum 364 Vgl. zur Bewertung eines Zusammenspiels der verschiedenen Institute auch Hübner, S. 81: „Nicht Verschmelzung, sondern ein eigener sachgerechter Aufbau der Institute muss das Ziel sein.“ 365 Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 184. 366 Brandt, S. 277. 367 Hübner, S. 129 ff. Die lange Verjährung würde nur ergänzend hinzutreten (S. 132). Nach Ansicht Hübners (S. 129 f.) ist eine materielle Ausschlussfrist im deutschen Recht im Grundsatz das Mittel, um eine dem französischen Art. 2276 Abs. 2 C.c. entsprechende Rechtsfolge zu erzeugen, obwohl der Ablauf einer materiellen Ausschlussfrist normalerweise zum Abschneiden von Gestaltungsrechten und nicht zum Ausschluss von Ansprüchen führt. Insbesondere sei im deutschen Recht die Verwirkung bereits anderweitig belegt. Der Ablauf der Ausschlussfrist für abhanden gekommene Sachen soll den bis dahin bestehenden besonderen Eigentümerschutz durch das Erlöschen des dinglichen Rechts bewirken. Dies sei sowohl für den Rechtsfrieden förderlich, da durch eine Ausschlussfrist keine Unsicherheit durch Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten entstehe und es nicht der einredeweisen Geltendmachung im Prozess bedürfe. Zudem sei der Zusammenhang mit der Ersitzung gewahrt, da nach dem Ablauf der Ausschlussfrist kein weiterer Erwerbsvorgang mehr eintreten müsste. Durch Fristablauf würde der Makel des Abhandenkommens geheilt und das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs könnte zum Tragen kommen; Hübner, S. 132, der diesbezüglich auch einen Vorschlag von Stillschweig berücksichtigt. Dieser hatte zwei Alternativen zur Beschränkung der Vindikationsmöglichkeit bei abhanden gekommenen Sachen angeführt, nämlich die Verkürzung

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plädiert für eine generelle fünfjährige Ersitzung. Danach soll ein vollständiger Eigentumserwerb eintreten, da nach dieser Zeit das Kontinuitätsinteresse des Erwerbers so hoch zu bewerten sei, dass der Schutz des Eigentümers zurücktreten müsse.368 Insoweit von Lübtow folgend, plädiert K. Wolff ebenfalls für eine fünfjährige Ersitzung, denn wenn sich der Eigentümer fünf Jahre lang nicht um sie gekümmert habe, erscheint der Anspruch auf die Sache nicht mehr so dringend und schutzwürdig.369 Schließlich findet sich noch eine Vielzahl an Personen, die wenigsten die Verjährung der Vindikation ausschließen möchten.370 Die oben genannten Stimmen beschränken sich auf jene Vorschläge, die eine Abkehr vom sofortigen gutgläubigen Erwerb in bestimmten Konstellationen für erstrebenswert halten. Es ist aber zu berücksichtigen, dass sowohl die Rechtsprechung als auch die Mehrzahl der Autoren der grundsätzlichen Möglichkeit eines sofortigen gutgläubigen Erwerb – in einem mehr oder weniger weiten Umfang – positiv gegenübersteht. Soweit in der Vergangenheit de lege ferenda eine Abkehr vom Rechtsinstitut des sofortigen gutgläubigen Erwerbs gefordert wird, beruht dies im Wesentlichen darauf, dem Eigentümer eine Chance zur Verhinderung des Eigentumsverlusts durch gutgläubigen Erwerb eines Dritten einzuräumen. In diesen Fällen wird ein Zeitraum von drei bis fünf Jahren für den Eigentumserwerb vorgeschlagen. Wie stellt sich dies heute dar? bb) Der primäre Lösungsansatz über das Institut des gutgläubigen Erwerbs Der erste Ansatzpunkt zur Auflösung des Interessenkonflikts liegt heute zu Recht im sofortigen Eigentumserwerb eines gutgläubigen Erwerbers. Die auf null verdichtete Zeitkomponente beim gutgläubigen Erwerb ergibt sich der Ersitzungsfrist oder die Beschränkung des Vindikationsrechts nach französischem (und Schweizer) Vorbild. Dabei befürwortet Stillschweig selbst eine Ausschlussfrist von drei bzw. fünf Jahren, da die Verkürzung der Ersitzungszeit nur eine Halbheit darstellen würde, schließlich würde deren Lauf erst bei Erwerb der Sache durch den gutgläubig Ersitzenden beginnen, Stillschweig, S. 129. Im Übrigen tritt Stillschweig für eine Ergänzung durch ein modifiziertes Lösungsrecht entsprechend § 333 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) ein, das dem Erwerber dann das Recht der Kaufpreiserstattung vom vindizierenden Eigentümer gewährt, wenn dieser die Sache sonst „schwerlich wieder erlangt haben würde“ (§ 333 AGBGB). Zur Einordnung des § 333 AGBGB in den Kontext der Lösungsrechte als eine Form der Extension der Geschäftsführung ohne Auftrag vgl. Armgardt, ZfRV 2007, 203, 205 ff. 368 Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 231. 369 K. Wolff, S. 36. 370 Vgl. hierzu die grundsätzlich kritischen Stimmen zur Verjährung der Vindikation oben S. 246 ff., insb. Siehr, ZRP 2001, 346, 347; Remien, AcP 201 (2001), 730, 731 ff.; Armbrüster, FS H.P. Westermann, 53, 65.

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aus der Zwecksetzung des Verkehrsschutzes. Durch den sofortigen Rechtserwerb wird unmittelbar die Rechtssicherheit hergestellt. Eine reine Verjährungslösung scheidet, unabhängig von den gewählten Fristen, schon aufgrund der unzureichenden Rechtsfolge aus. Ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz dient nicht der Umsetzung des Verkehrsschutzes,371 denn es reicht dafür nicht aus, den Erwerber lediglich prozessual zu begünstigen, sondern es ist eine materiell eindeutige Rechtszuordnung des Eigentums vorzunehmen.372 Eine kurze Ersitzung wird als primäres Regelungsinstrument dem relevanten Verkehrsschutz ebenfalls nicht gerecht.373 Schon bei Inkrafttreten der Regelungen des Code civil und des BGB sollte der Güterumlauf nicht mit vergangenen Vorgängen belastet werden. Dies gilt heute umso mehr, da man auch ohne größere empirische Untersuchungen zumindest wird sagen können, dass sich die Güterumlaufgeschwindigkeit im Vergleich zum beginnenden 19. Jhdt. (Code civil) bzw. 20. Jhdt. (BGB) in einer sich mehr und mehr differenzierenden Wirtschaft noch einmal erhöht hat. D.h. im gleichen Zeitraum finden zunehmend mehr Eigentümerwechsel statt. Insofern stellt sich der gutgläubige Erwerb auch als eine konsequente Weiterentwicklung des Verkehrsschutzes im Vergleich zur römisch-rechtlichen kurzen Ersitzung dar. Deutlich wird dies bei den wirtschaftlich relevanten Veräußerungsketten. Dort ist eine Eigentumszuweisung in einem möglichst frühen Stadium der Veräußerungskette notwendig, um komplexe Rückabwicklungsansprüche unter Einbeziehung mehrer Parteien zu vermeiden. Bei einem sofortigen Eigentumserwerb des gutgläubigen Erwerbers stellt sich der nächste Erwerb bereits als Erwerb vom Berechtigten dar. Unter dem Aspekt des Verkehrsschutzes sind Lösungen über eine kurzfristige Ersitzung demnach heute weniger denn je geeignet, um einen Verkehrsschutz zu verwirklichen.374 Der sofortige gut371

Die verschiedenen Regelungssysteme wurden auch schon im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum BGB betrachtet und auch dort hat man sich im Ergebnis für den gutgläubigen Erwerb entschieden, Motive der 1. Kommission, S. 341 ff., in: Mugdan, S. 189 ff. 372 Vgl. auch von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 230. 373 Zur ergänzenden Wirkung – soweit diese unter den nationalen Rechtsordnungen erforderlich sein sollte, vgl. unten S. 252 ff. 374 Vgl. auch Terré/Simler, Rdnr. 427 unter Vergleich mit den Umständen zur Zeit der römisch-rechtlichen usucapio. Dies konnte in einer Gesellschaft ihre Wirkungen entfalten, in der die Zirkulation beweglicher Sachen nicht sehr aktiv war. Vgl. dazu auch Hübner (S. 81), der darauf hinweist, dass der gutgläubige Erwerb dogmatisch auch nicht als Ersitzung mit aufs äußerste verkürzter Ersitzungszeit verstanden werden kann. In diesem Zusammenhang bezeichnet er die (ältere) französische Theorie der „prescription instantanée“ zur Erklärung des Art. 2276 C.c. als einen fehlleitenden Irrtum. Auch die französische Lehre lehnt diese Erklärung inzwischen ab, u.a. schon Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 386; siehe dazu auch Stillschweig, S. 111 ff.

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gläubige Erwerb entlastet nachfolgende Verkehrsvorgänge von Störungen vorangegangener Geschäfte und stärkt die Umlauffähigkeit einer Sache. Der Einwand der fehlenden rechtzeitigen Eingriffsmöglichkeit des Eigentümers reicht nicht aus, um eine andere primäre Lösung zu rechtfertigen. Eine rechtzeitige Aufdeckung der Vorgänge ist auch bei Geltung des sofortigen Eigentumserwerbs für den Eigentümer vorteilhaft. Zum einen kann dadurch der Nachweis erleichtert werden (Beweissicherung), dass die Umstände eben nicht die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs erfüllen (z.B. fehlende Gutgläubigkeit, Vorhandensein einer abhanden gekommenen Sache). Zum anderen erleichtert ein schnelles Eingreifen des Eigentümers selbst bei einem bereits eingetretenen Eigentumsverlust wenigstens die Geltendmachung schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche gegen den Veräußerer, was z.B. im deutschen Recht die Möglichkeit einschließt, das Erlangte herauszuverlangen (§ 816 Abs. 1 BGB). Die Sorgfalt des Eigentümers ist auch bei einem sofortigen Eigentumserwerb des Erwerbers nicht bedeutungslos. cc) Die Änderung der Interessen auf der Zeitachse Nimmt man den sofortigen gutgläubigen Eigentumserwerb als Ausgangspunkt, so stellt sich die Frage nach der Berücksichtigung der weiteren zeitabhängigen Rechtsinstitute Ersitzung und Verjährung. Deren Bedeutung hängt zunächst von der grundsätzlichen Ausgestaltung des gutgläubigen Erwerbs ab. Je weitreichender ein gutgläubiger Erwerb ermöglicht wird, desto geringer ist die Bedeutung einer zusätzlichen Ersitzungs- oder Verjährungsmöglichkeit. Je strenger allerdings die Voraussetzungen für den gutgläubigen Erwerb (vgl. z.B. § 935 BGB), desto bedeutsamer sind die weiteren Institute.375 Sowohl die individuellen als auch die generellen Interessen verändern sich mit Zeitablauf. Auf genereller Ebene streiten für eine ergänzende Ersitzung und Verjährung die oben erläuterten Kriterien der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens,376 auch wenn es dadurch zu einem Eigentumsübergang oder Neuzuordnung der Sachnutzungsberechtigung kommt.377 Auf individueller Ebene ist zu beachten, dass mit zunehmendem Zeitablauf das Beharrungsinteresse des Eigenbesitzers an Gewicht gewinnt.378 Mit zunehmender Zeit stellt sich ein Erwerber, insbesondere ein Erwerber, der die Sache selbst nutzt, verstärkt auf diese Sachnutzung ein. Dabei er375

Vgl. auch Hübner, S. 81. Zu der Verwirklichung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens vgl. oben S. 154 ff. 377 Neuner, JuS 2007, 401, 406. 378 Insb. von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 231: „das Kontinuitätsinteresse des Erwerbers nimmt zu.“; Baur/Stürner, § 53 Rdnr. 85. 376

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höht sich mit der zunehmenden Nutzung und Einbindung der Sache in die organisatorischen Abläufe des Erwerbers das mit einer plötzlichen Herausgabe verbundene Schadenspotential. Mit zunehmendem Zeitablauf können sich zudem verstärkt Affektionsinteressen des Erwerbers zu der Sache ergeben. Gleichzeitig nehmen möglicherweise die Bindungen des Alteigentümers zu seiner Sache ab, je länger er sie nicht mehr in Besitz hat.379 Anzumerken ist, dass sämtliche Rechtsinstitute die Zeitkomponente auf Seiten des Eigentümers nicht berücksichtigen. Es ist völlig unerheblich, wie lange der Eigentümer selbst das dingliche Recht innehatte und ob und wie lange er die Sache genutzt hat. Ein Eigentümer, der die Sache lediglich für eine Sekunde im Eigentum hatte, erhält den gleichen Schutz, wie ein langjähriger Eigentümer.380 Im Ergebnis zeigt sich, dass der individuelle Interessenvergleich zumindest gute Gründe bereithält, um dem Erwerber nach einer gewissen Zeit einen stärkeren Schutz zu gewähren. Die dafür angeführten Gründe mögen nicht in jedem Einzelfall zutreffen (vgl. hierzu schon die Diskussion zur Umsetzung der Gerechtigkeit), aber sie sprechen jedenfalls nicht gegen eine aus generellen Erwägungen erfolgende Neubewertung der Interessen im Laufe der Zeit. Insbesondere im Hinblick auf die Verjährung verbleibt allerdings ein kritischer Punkt bei der individuellen Interessenbetrachtung. Eine Verjährung kann nämlich auch gerade einem bösgläubigen Erwerber Schutz gewähren (vgl. z.B. das aktuelle deutsche Recht), den er anderweitig nicht bekommen hätte. Ein Bösgläubiger erscheint gegenüber dem Eigentümer beim individuellen Interessenvergleich aber nie schutzwürdig zu sein.381 Das Zusammenspiel von gutgläubigem Erwerb und Verjährung der Vindikation wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Schuldrechtsmodernisierung ausdrücklich diskutiert. Dabei kam der Rechtssausschuss zu der ebenfalls überzeugenden Analyse, dass die Regelung nicht nur den Bösgläubigen schütze, sondern ein gutgläubiger Erwerber gleichermaßen 379 Vgl. Hübner, S. 128 ff.; verallgemeinerungsfähige Aussagen zum Bestehen oder Nichtbestehen ideeller Interessen lassen sich nur in groben Umrissen treffen. 380 Zur Begründung des Rechtsverlusts bzw. der Einschränkung der Rechtsausübung wird dem Eigentümer teilweise auch vorgeworfen, dass er sich für seine Sache nicht ausreichend interessiert habe und keine (ausreichenden) Anstrengungen gemacht habe, die Sache wiederzuerlangen; vgl. u.a. BGHZ 59, 72, 74; Terré/Simler, Rdnr. 70; Scholz, S. 46 f.: „Wer so lange sein Recht (Eigentum) verkümmern ließ, verdient keinen Schutz.“ Dies mag nicht in jedem Fall zutreffend sein (Unauffindbarkeit der Sache trotz erheblicher Anstrengungen), spricht aber zumindest auch nicht für eine Stärkung oder Aufrechterhaltung der Rechtsposition des Eigentümers im Zeitablauf. 381 Zum Vergleich der individuellen Interessen auch Armbrüster, FS H.P. Westermann, 53, 63 f.; vgl. zur fehlenden Schutzwürdigkeit des Bösgläubigen schon oben S. 230 f.

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in Beweisnot geraten kann und damit zu dessen Gunsten gleichermaßen ein Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsfrieden besteht.382 Die Verjährung schützt auch im Kontext des gutgläubigen Erwerbs entgegen der Auffassung von Siehr, Armbrüster u. a.383 eben nicht nur den Dieb und andere bösgläubige Besitzer. Sie dient in der allgemeinen Betrachtung allen am Rechtsverkehr beteiligten Personen. Im Ergebnis stellen sowohl die Förderung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens durch eine Zulassung der Verjährung der Vindikation (vgl. § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB), als auch der Ausschluss der Verjährung der Vindikation (so (wohl) das französische Recht) einen gangbaren Weg dar. Im ersten Fall wäre das Risiko der Verjährung eines Anspruchs, die auch dem Bösgläubigen zugute kommt, hinzunehmen. Der Eigentümer hatte schließlich 30 Jahre Zeit, eine entsprechende Klage zu erheben. Insgesamt – und losgelöst von der Entscheidung zur Verjährung zugunsten eines Bösgläubigen – bewirken die vom Zeitablauf abhängigen Institute der Ersitzung und der Verjährung – aus anderen, dem jeweiligen Rechtsinstitut eigenen Motiven – eine ergänzende Feinsteuerung der durch das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs zielgerichtet adressierten Interessenkollision.

II. Berücksichtigung von Sondersituationen Schließlich gibt es noch Konstellationen, bei denen eine besondere Ausgangslage gegeben ist, die zu einer Sonderbehandlung führt. Ausgangspunkt einer solchen Sonderreglung waren dabei in der Vergangenheit – mit Auswirkungen bis zum heutigen Tage – häufig kriegerische Unruhen. Aber auch ein besonderes öffentliches, z.B. historisches oder kulturelles Interesse führt zu Sonderregelungen (wobei auf tatsächlicher Ebene auch bei dieser Kategorie häufig kriegerische Unruhen den Ausgangspunkt bilden). Die Sonderbehandlungen erfassen dabei gänzlich unterschiedliche Sachkategorien, nämlich einerseits höchst fungible Sachen, deren Umlauffähigkeit von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung ist (Wertpapiere) und andererseits höchst individuelle Sachen, deren Umlauffähigkeit rein wirt382 Rechtsausschuss zum SchuMoG BT-Drs. 14/7052, S. 179: „Tatsächlich schützt die Verjährung des Herausgabeanspruchs auch den gutgläubigen Erwerber. Dieser erwirbt zwar rein rechtlich gesehen wirksam das Eigentum durch Ersitzung oder durch Ersteigerung. Dies enthebt ihn aber nicht der Sorge, dass ihm böser Glaube entgegengehalten wird. Erst nach Ablauf der Verjährung kann auch der gutgläubige Erwerber sicher sein, dass ihm niemand mehr seine Rechte streitig macht. Dies gilt auch und gerade bei Kunstwerken. Gerade bei wertvollen Kunstwerken ist auch der gutgläubige Erwerber der Gefahr ausgesetzt, dass ihm böser Glaube vorgehalten und sein (wirksamer) Erwerb streitig gemacht wird.“ 383 Siehr, ZRP 2001, 346, 347; Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3586. Vgl. oben S. 246 ff.

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schaftlich von vergleichsweise geringer Bedeutung ist (Kunstwerke), aber bei denen besondere kulturelle Interessen zu einer abweichenden Bewertung führen. 1. Der verstärkte Eigentümerschutz aufgrund von Kriegswirren am Beispiel der Sonderreglungen für Wertpapiere Die Regelungen zum gutgläubigen Erwerb gehen von der Situation eines regelmäßigen Verkehrs in einem normalen, geordneten Umfeld aus. Bei allen Schwankungen setzt dies insbesondere ein Grundmaß an öffentlicher Sicherheit und Ordnung und eine funktionierende Rechtsordnung voraus. Das „Alltagsrecht“ gerät dort an seine Grenze, wo die Umwälzungen so groß sind, dass von einem normalen Zustand, besonders im Hinblick auf den Schutz der Eigentumsordnung, nicht mehr auszugehen ist. Dies ist insbesondere bei Kriegswirren der Fall. So unterscheiden Malaurie/Aynès bei der grundsätzlichen Betrachtung der gesetzlichen Regelungen zwei Phasen, die nach ihrer Ansicht in einem konjunkturellen Verhältnis stehen: Eine Phase des Friedens, in welcher der Verkehrsschutz die Vindikation einschränkt – eine solche Phase liegt den Erwägungen dieser Untersuchung hauptsächlich zugrunde – und eine Phase des Chaos, der Unruhe und der Plünderungen, in der der Eigentumsschutz stärker zu betonen ist.384 Die in der „Chaos-Phase“ eingetretenen Störungen der Eigentumsordnung enden aber nicht zeitgleich mit der Beendigung der ungeordneten Umstände, sondern wirken auch dann noch fort, wenn wieder „normale“ Umstände hergestellt sind. Die Dauer der Fortwirkung richtet sich dabei nicht nur nach der Intensität der vorherigen unruhigen Zeit, sondern auch nach der Langlebigkeit der betroffenen Güter. Die Rechtsordnung ist diesen Zuständen in der Vergangenheit mit einer Betonung des Eigentumsschutzes unter Einbeziehung bestimmter Sonderregeln begegnet. Exemplarisch kann hier der Sonderschutz für Wertpapiere im deutschen und französischen Recht genannt werden. Dies ist insbesondere deshalb beachtenswert, da bei Wertpapieren sonst gerade kein erhöhter Eigentumsschutz, sondern ein Bedürfnis nach einer erhöhten Umlauffähigkeit anerkannt wird. In Deutschland wurde zum Schutz der Eigentümer von in Kriegswirren abhanden gekommener Inhaberpapiere nach dem Zweiten Weltkrieg das sog. Affidavitverfahren eingeführt, wonach dem Erwerber bei Vorliegen einer Bescheinigung der Lieferbarkeit ein gutgläubiger Erwerb ermöglicht wurde, bei Fehlen dieser Bescheinigung aber der böse Glaube des Erwerbers als vermutet galt.385 Im Jahr 1949 trat schließlich zudem das Wertpapierbereinigungsgesetz in Kraft, das die nicht mit der 384 385

Malaurie/Aynès, Nr. 572. Baumbach/Duden, 24. Aufl., § 367 Nr. 3.

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Bescheinigung der Lieferbarkeit versehenen oder nach § 806 BGB auf einen Namen umgeschrieben Inhaberpapiere für kraftlos erklärte.386 In Frankreich wurde bereits nach dem Krieg von 1870/71387 und der durch die entstandenen Kriegswirren verursachten Zunahme von Diebstählen und Verlusten ein spezieller Eigentümerschutz bei Wertpapieren eingeführt,388 der dann in einem Dekret von 1956 übernommen und später durch ein Dekret von 1964 ergänzt wurde.389 Im Anwendungsbereich der Dekrete existiert ein umfassenderer Eigentümerschutz als in den Art. 2276 Abs. 2 C.c. vorgesehen. Der Eigentümer ist durch die Dekrete nicht nur im Falle des Verlusts oder des Diebstahls besonders geschützt, sondern in jedem Fall der Besitzentziehung, einschließlich der Besitzentziehung durch Betrug oder Untreue (Art. 1 Abs. 1 des Dekretes vom 11.01.1956).390 Der Eigentümerschutz wird dabei durch ein besonderes Publizitätssystem der betroffenen Wertpapiere erreicht.391 Im Falle des Verlusts kann der Eigentümer die Nummern der betroffenen Wertpapiere an die Ausgabegesellschaft und an die zuständige Wertpapierregulierungsstelle melden, die die Nummern im „Bulletin officiel des oppositions“ veröffentlich. Durch die Erfüllung dieser Formalitäten werden die Wertpapiere dann vom Anwendungsbereich der Art. 2276, 2277 C.c. ausgenommen392 und von Börsengeschäften sowie Dividenden- und Zinszahlungen ausgeschlossen.393 Nach einer Wartezeit von ein bis fünf Jahren kann der Eigentümer zunächst die Erträge verlangen und später sogar die Ausgabe neuer Wertpapiere.394 386

Palandt/Thomas, 41. Aufl., Einf v § 793 Nr. 5. Zur unruhigen tatsächlichen Lage in Frankreich im 15.-17. Jhdt. und der damit einhergehenden generellen Stärkung des Eigentümerschutzes („Meubles n’ont pas des suite par hypothèque“) sowie der Wiederherstellung der inneren Sicherheit im 18. Jhdt. und der darauf folgenden Rechtsprechung des Pariser Handelsgerichts, das die Vindikationsmöglichkeiten durch eine Rechtsprechung eingeschränkt hat, die später im heutigen Art. 2276 C.c. seinen Niederschlag gefunden hat, vgl. Malaurie/Aynès, Rdnr. 573. 388 Gesetz vom 15. Juni 1872; vgl. Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 107. 389 Dekret Nr. 56-27 vom 11.01.1956, in der durch das Dekret Nr. 93-225 vom 16.02.1993 geänderten Fassung. Dekret Nr. 64-1183 vom 27.11.1964. Letzteres betrifft vom Staat herausgegebene Wertpapiere. Für weitere Einzelheiten vgl. Aubry/Rau/ Esmein, § 183 Nr. 107; Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1559 ff.; Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 142 ff. 390 Soweit es sich um vom Staat ausgegebene Papiere handelt, die dem Dekret von 1964 unterfallen, so bezieht sich dort der Schutz nach dessen Art. 1 auf beschädigte, zerstörte, verlorene oder gestohlene Wertpapiere. 391 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1559. 392 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1562. 393 Art. 4 des Dekretes 56-27 idF. durch Dekret 93-225. 394 Art. 10, 14 des Dekretes vom 56-27 idF. durch Dekret 93-225. Exemplarisch für weitere Sonderregeln zur Aufarbeitung von Kriegswirren ist auch die Ordonnance Nr. 45-770 vom 21.04.1945 sowie Art. 28 des Gesetzes Nr. 47-1487 vom 13.08.1947, nach der es beraubten Eigentümern möglich war, für ein Jahr nach dem offiziellen Ende 387

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2. Der Sonderschutz von Kulturgütern und Kunstwerken Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Kriegswirren stellt sich auch die Frage eines Sonderschutzes von Kulturgütern und Kunstwerken.395 Schließlich waren nationale Kulturgüter schon seit jeher ein beliebtes Beutegut bei kriegerischen Auseinandersetzungen und Eroberungen. Die Problematik der Eigentumsentziehung im Zusammenhang mit den durch einen Krieg oder einen Unrechtsstaat hervorgerufenen Wirren zeigt sich bspw. heute noch anhand der oben im Rahmen der Ersitzung und Verjährung geschilderten Fälle zur sog. „entarteten Kunst“ und „Beutekunst“.

der Kampfhandlungen die Herausgabe der geraubten Sache geltend zu machen, ohne dass der Erwerber den Kaufpreis erstatten musste (wobei aber wiederum für Börsen- und Bankerwerb Ausnahmen vorgesehen waren.); Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 140. Auch außerhalb gesetzlicher Sonderregelungen haben sich kriegsbedingt erzeugte Umstände auf die Ergebnisse der Rechtsanwendung ausgewirkt. So betrafen die ersten Urteile zur einschränkenden Anwendung des den Erwerber privilegierenden Art. 2277 C.c. von 1950 (CA Paris, 07.02.1950, D. 1951, 456, 457) und von 1956 (Cass. civ., 22.02.1956, D. 1956, 286) Vorgänge, die sich 1941 (Urteil von 1950) und 1942 (Urteil von 1956) abspielten, also zu Zeiten kriegsbedingter Unruhen im Land. Vgl. zu den Urteilen oben S. 75 ff. 395 Ein Kunstwerk ist nach der ständigen Rechtsprechung eine eigenpersönliche geistige Schöpfung, die mit Darlegungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeiten hervorgebracht worden ist und deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach den im Leben herrschenden Anschauungen von Kunst gesprochen werden kann (vgl. BGH NJW 1955, 460, 462). Dies geschieht ohne Rücksicht darauf, ob das Werk neben dem ästhetischen noch einem praktischen Zweck dient (BGH NJW1957, 220, 221). Eine eindeutige Definition der Kunst bzw. eines Kunstwerks ist nicht möglich, da es zum Wesen der Kunst gehört, zu übersteigern und zu verzerren (BGH NJW 1990, 3026, 3027), also gesetzte Grenzen zu sprengen (Dreier/Schulze, § 1 Rdnr. 4) und zudem eine befriedigende Erklärung des Phänomens Kunst nicht gelungen ist (BVerfG NJW 1985, 261, 262 (im Hinblick auf die grundgesetzliche Begriffsbestimmung); Wandtke/Bullinger, § 2 UrhG Rdnr. 85). Soweit erkennbar nimmt auch Anton in seinem über 1000 Seiten starken Werk zum Gutglaubensschutz im Kunsthandel zu dieser Grundsatzfrage jedenfalls nicht ausführlich Stellung (vgl. Anton, Zivilrecht - Guter Glaube im internationalen Kunsthandel, 2010). Nach Sprecher (S. 1) sind Kulturgüter Gegenstände, die zum kulturellen Erbe einer Nation gerechnet werden, wie z.B. archäologische Fundstücke, repräsentative Werke nationaler Künstler und weitere Objekte ohne engen Bezug zum Belegenheitsstaat. Zur Definition von Kulturgut vgl. auch Art. 1 Nr. 1 der RL 93/7/EWG, Art. 1 Unesco Kulturgüterschutzabkommens von 1970 und Art. 2 des Unidroit Abkommens zu Kulturgütern von 1995. Nach Armbrüster ist ein Kulturgut eine bewegliche Sache von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert; vgl. Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3581. Ausführlich zur Definition des Kulturguts auf der Basis verschiedener Rechtsgrundlagen auch Spaun, S. 32 ff. Die Definitionen der beiden Begriffe „Kulturgut“ und „Kunstwerk“ überschneiden sich. Eine Sache kann Kulturgut und Kunstwerk zugleich sein, wobei aber nicht jedes Kulturgut ein Kunstwerk und nicht jedes Kunstwerk ein Kulturgut ist.

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Bei einem Sonderschutz von Kulturgütern und Kunstwerken spielt aber nicht nur die Aufarbeitung der Unrechts- und Unruhezustände eine Rolle, sondern hinzu kommt noch ein besonderes öffentliches Interesse am Erhalt und der öffentlichen Darbietung dieser Gegenstände, das dazu führt, die entsprechenden Gegenstände ggfs. aus dem regelmäßigen Rechtsverkehr herauszunehmen oder mit Sonderregelungen zu versehen.396 a) Der existierende Sonderschutz von Kulturgütern am Beispiel des deutschen Rechts Für Kulturgüter existiert im deutschen Recht mit dem Kulturgutschutzgesetz (KultSchG)397 eine öffentlich-rechtliche Regelung, die Kunstwerke und anderes Kulturgut, deren Abwanderung aus Deutschland einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde (vgl. § 1 Abs. 1 KultSchG) sowie Archive, archivarische Sammlungen, Nachlässe und Briefsammlungen mit wesentlicher Bedeutung für die deutsche politische, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte (vgl. § 10 Abs. 1 KultSchG) einer besonderen Regelung unterstellt, wenn diese Gegenstände in einem „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ und einem „Verzeichnis national wertvoller Archive“ eingetragen sind.398 Daraufhin wird der Wechsel der tatsächlichen Sachherrschaft der Sache und die Ausfuhr der Sache formellen und materiellen Beschränkungen unterworfen. Solange das Kulturgut in Deutschland verbleibt, ergeben sich daraus keine Einschränkungen der zivilrechtlichen Übereignungsvorschriften. Bei ausländischem Kulturgut, das zur Ausstellung nach Deutschland verbracht werden soll, kann die zuständige öffentliche Stelle allerdings eine rechtsverbindliche Rückgabezusage machen, in deren Folge dem Rückgabeanspruch des Verleihers keinerlei Rechte, einschließlich zivilrechtlicher Rechte, entgegengehalten werden können.399

396

Hier ergeben sich Überschneidungen mit den bereits bei den oben genannten Steuerungsparametern der Frage der Qualifizierung von Sachen als „res extra commercium“ und der Sonderbehandlung öffentlicher Eigentümer diskutierten Aspekten. 397 Gesetz zum Schutz Deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 6.8.1955 in der Neufassung vom 8.7.1999. 398 Die Einleitung der Eintragung und die Eintragung selbst wird im Bundesanzeiger ohne Nennung des Eigentümers und des Standortes der Sache öffentlich bekannt gemacht, vgl. §§ 4 Abs. 2, 6 Abs. 1, und § 11 Abs. 2 KultSchG. Das Gesetz findet nach § 18 Abs. 1 KultSchG auf Kulturgut, das sich im öffentlichen Eigentum befindet, zunächst regelmäßig keine Anwendung. 399 Insbesondere sind Herausgabeklagen, Arrestverfügungen, Pfändungen und Beschlagnahmen unzulässig (§ 20 Abs. 3 und Abs. 4 KultSchG).

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Ergänzt wird das KultSchG durch das Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG).400 Nach § 5 KultGüRückG richtet sich das Eigentum an geschütztem deutschen Kulturgut, das aufgrund der Bestimmungen dieses Gesetzes in das Bundesgebiet zurückgegeben wird, nach deutschen Sachvorschriften. Umgekehrt richtet sich das Eigentum an solchen entsprechend national eingestuften Kulturgutgegenständen nach erfolgter Rückgabe nach den Sachvorschriften des ersuchenden Staats (§ 9 KultGüRückG). Nach § 10 KultGüRückG kann dem Rückgabeschuldner dabei eine Entschädigung zustehen, wenn ihm die unrechtmäßige Verbringung weder bekannt noch grob fahrlässig unbekannt war. Der Kunst- und Antiquitätenhandel, sowie das Versteigerungsgewerbe unterliegen nach § 18 KultGüRückG darüber hinaus besonderen strafbewehrten Aufzeichnungs- und (auf die Aufzeichnung bezogenen) Aufbewahrungspflichten.401 b) Ein (weitergehender) Sonderschutz für Eigentümer von Kulturgütern und Kunstwerken? An verschiedenen Stellen dieser Untersuchung hat sich bereits gezeigt, dass besonders der Erfassung von Kunstwerken und Kulturgütern402 im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs eine besondere Rolle beigemessen wird.403 400

Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern. Zu diesem Gesetz und den internationalen Hintergründen vgl. Fuchs, IPRax 2000, 281, 281 ff.; Spaun, S. 33 ff., 205 ff. Zum von Deutschland nicht gezeichneten Unidroit-Übereinkommen über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter von 1995, vgl. bspw. Bergé, Journal du Droit International 2000, 215, 228 f. 401 Nach § 2a KultGüRückG existieren Sonderregelungen (verlängerte Fristen), wenn ein Staat durch innere Unruhen oder kriegerische Auseinandersetzungen gehindert war, das entsprechende nationale Verfahren einzuleiten oder öffentlich bekannt zu machen. 402 Angesichts der Überschneidungen und schwierigen Abgrenzbarkeit treffen die zur Forderung nach Sonderreglungen Anlass gebenden Charakteristika regelmäßig auf Kunstwerke und Kulturgüter gleichermaßen zu. 403 Vgl. z.B. oben S. 96 f., S. 172 f., S. 195 ff. S. 246 und soeben S. 257 ff. Der DCFR sieht in Art. VIII. – 3:101 (2) S. 2 einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs für Kulturgüter („Cultural objects“) vor. Kulturgüter sind in Art. VIII.-4:102 (Cultural objects) DCFR unter Verweis auf Art. 1 der RL 93/7/EG definiert. Nicht zuletzt mag diese Häufigkeit der Untersuchung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kunstwerken allerdings auch darin begründet sein, dass die Beschäftigung mit Kunst für viele eine persönliche Leidenschaft darstellt und die Auseinandersetzung mit der „Kunst“ insgesamt eine hohe gesellschaftliche Anerkennung erfährt. Nicht zwingend kann daher aus der Anzahl und Häufigkeit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung auf die tatsächliche rechtliche Bedeutung geschlossen werden.

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Die sich dabei ergebenden Fragen stellen einen Querschnitt der hier bereits behandelten Aspekte dar. So zeigen Kunstwerke in einigen Punkten besondere Charakteristika. Bei der Art der Sache spielt bspw. die bereits erwähnte Langlebigkeit und Individualität eine Rolle,404 im Rahmen der Veräußerungssituationen ist die Veräußerungsform der Versteigerung besonders relevant, bei der Untersuchung der Registrierungsmöglichkeiten hat sich gezeigt, dass bei Kunstwerken – nicht zuletzt in Folge der vergleichsweise guten Individualisierbarkeit – besondere Register existieren. Schließlich sind Kunstwerke häufig Gegenstand von Diebstählen405 bzw. auch sonst begehrtes Beute- und Raubgut im Rahmen kriegsbedingter ungeordneter Zustände. Nicht zuletzt sind Kunstwerke häufig gleichzeitig auch Kulturgüter. Daher wird verschiedentlich angedacht, für Kulturgut und/oder Kunstwerke ein zivilrechtliches Sonderregime aufzustellen.406 Zuletzt ist dies bspw. anlässlich der Änderung der Verjährungsregeln im BGB gefordert und im Gesetzgebungsverfahren auch vom Bundesrat aufgegriffen worden: „Der Bundesrat erwartet, dass die Bundesregierung zu der Frage, ob und in welcher Weise die Verjährung von Herausgabeansprüchen in Bezug auf NS-verfolgungsbedingt ent404

Nach langer Zeit werden nur noch Kunstwerke (und andere Kostbarkeiten) vindiziert; Siehr, ZRP 2001, 346, 346. 405 Spinellis, S. 299. 406 So diskutiert Mußgnug (Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 199, 207 f.) zivilrechtliche Sonderregelungen für inventarisiertes Museums- und Archivgut unter Abänderung der Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb (§ 935 Abs. 1 BGB), der Ersitzung (§ 937 BGB) und der Verjährung (befürwortet im Ergebnis aber trotz, nach seiner Ansicht überwindbarer, kollisionsrechtlicher Schwächen eine öffentlich-rechtliche Lösung). Anders Prisching, S. 34, die (zumindest internationale) Sonderregeln nicht für förderlich hält; für den – hier nicht thematisierten – Bereich des internationalen Privatrechts, vgl. u.a. Jayme, Nationales Kunstwerk und Internationales Privatrecht, S. 95 ff.; Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3581 ff. Jayme/Weller, IPRax 2005, 391 ff. Andere halten auch vor dem spezifischen Hintergrund kulturgut- und kunstwerkspezifischer Untersuchungen ein Sonderregime, jedenfalls im deutschen Recht, nicht für erforderlich, fordern aber die Berücksichtigung der Eigenheiten im Rahmen der existierenden Tatbestände (wie soeben erläutert): „Durch die Implikation guten Glaubens, spezieller Sorgfaltsanforderungen und ethischer Mindestverhaltensstandards ‚brechen‘ die kulturgüterspezifischen Wertentscheidungen zur Sachzuordnung kultureller Güter an ihre rechtmäßigen Zuordnungssubjekte ins kulturgüterspezifische Privatrecht ein. (…) Die außergewöhnliche Sachqualität kultureller Wertgegenstände als res sui generis aufgrund ihrer kulturellen Unikatfunktion und die besondere kulturpolitische Bedeutung von Kunstwerken für die Gesellschaft verlangen dabei regelmäßig eine Revision des bisher geltenden Rechtsempfindens, ohne jedoch der Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Intervention zu bedürfen.“ (Anton, S. 1186). Für Kulturgüter hält der DCFR eine Sonderreglung bereit: Art. VIII. – 3:101 (2) Satz 2 sieht einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs für Kulturgüter („Cultural objects“) vor. Diese sind in VIII.-4:102 (Cultural objects) unter Verweis auf Art. 1 der RL 93/7/EG definiert.

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zogenes und kriegsbedingt verlagertes Kulturgut einer Sonderregelung bedarf, baldmöglichst Stellung nimmt und ggfs. einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegt.“ 407

Zur Würdigung der Eigenheiten von Kunstwerken wird besonders beim Feinsteuerungskriterium der Gutgläubigkeit angesetzt.408 So wird angesichts der Diebstahlsgefährdung eine verkehrstypische Gefahrensituation angenommen,409 eine Einsichtnahme in Register gefordert bzw. ein Kunstobjekt-Brief propagiert,410 dem Erwerber regelmäßig eine besondere Sachkunde zugesprochen411 und das Bedürfnis nach einer schnellen Abwicklung verneint, da es sich nicht um ein normales Verkehrsgeschäft handele.412 Die Möglichkeit der Würdigung im Rahmen der Gutgläubigkeitsprüfung spricht einerseits dafür, dass der geltende Rechtsrahmen ausreichend Differenzierungspotenzial zur Verfügung stellt, um die besonderen Aspekte von Kulturgütern und Kunstwerken zu erfassen. Andererseits erscheint es auch legitim, angesichts des tendenziell geringeren Verkehrsschutzbedürfnisses und der hinzutretenden kulturellen Aspekte weitere Sonderregeln in Erwägung zu ziehen, wenn sich ein Verkehr bei bestimmten Gegenständen weit vom regelmäßigen (und durch die Vorschriften des redlichen Erwerbs geschützten) generellen Rechtsverkehr entfernt.

407 BR-Drs. 819/01 (Beschluss) S. 2; dazu auch Röthel, JZ 2003, 1027, 1034; Armbrüster, FS HP Westermann, S. 53 f. m.w.Nachw.; Finkenauer, JZ 2000, 241, 247; Jaeger, S. 112. Insbesondere die Kritik an der Verjährungsregel des BGB erfolgt vielfach vor dem Hintergrund der Untersuchung von Rechtsfragen in Bezug auf Kunstwerke, vgl. dazu insb. Siehr, ZRP 2001, 346, 346 f., Anton, S. 1207 f. und oben S. 246 ff. 408 Im Hinblick auf Kulturgüter stellt Spaun fest, dass auch bei Fehlen von Sonderregelungen für Kulturgüter über die Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen im Bereich der Gutgläubigkeit des Erwerbers, jedenfalls im professionellen, Kulturguthandel, ein strengerer Maßstab angelegt wird, Spaun, S. 252. 409 U.a. Müller-Katzenburg, Internationale Standards, S. 56 ff. Dazu bereits oben S. 96 f. 410 Vgl. oben im Rahmen des Art Loss Registers S. 234 ff.; zum Kunstobjekt-Brief, S. 199 und S. 234 ff. 411 U.a. Müller-Katzenburg, Internationale Standards, S. 322 ff.; Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3586. Entsprechend wird angenommen, dass ein Erwerber des „vergleichsweise überschaubaren Kunst- und Antiquitätenmarktes kaum [ein Kunstwerk oder eine Antiquität] wird arglos erwerben können,“ welches „im Zusammenhang mit politischen Umwälzungen oder aufsehenerregenden Straftaten aus dem Besitz des Berechtigten gekommen ist.“; MüKo/Baldus, § 937 Rdnr. 27 unter Hinweis auf Reich/Fischer, NJW 1993, 1417, 1420, die im Hinblick auf von den Nationalsozialisten beschlagnahmte sog. „entarte Kunst“ (hier insb. Paul Klees „Sumpflegende“) fragen: „Wer konnte innerhalb der sogenannten ‚Kunstkreise‘ im Zweifel über die Herkunft der Bilder und ihre widerrechtliche Beschlagnahme durch den NS-Staat und somit seinen ‚Nicht-EigentümerStatuts‘ sein, zumal ein Großteil der Werke der ‚entarteten Kunst‘ 1937 in München zur Schau gestellt wurden?“; andere Ansicht Kunze S. 182 ff. 412 Armbrüster, NJW 2001, 3581, 3586.

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Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision

Bei einer spezialgesetzlichen Regelung wäre allerdings besonders auf die schwierige Frage der entsprechend klaren Erfassung derjenigen Kunstwerke und Kulturgüter einzugehen, die einem gesonderten Schutz unterfallen sollen. Besonders die für eine Sonderregelung erforderliche generalisierende Abgrenzung von Kunstwerken und Kulturgütern zu ‚normalen‘ Sachen kann Schwierigkeiten bereiten.413 Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Kunstwerke und Kulturgüter kann jede Sache, einschließlich zunächst belangloser Alltagsgegenstände, aufgrund besonderer Umstände zum Kulturgut oder Kunstwerk werden. So kann der Hersteller oder ein vormaliger Nutzer der Sache zu einer relevanten Person der Zeitgeschichte werden und damit die Sache selbst zum Kulturgut werden lassen. Andere Beispiele wären die Verwendung der Sache als Requisite in einem bedeutenden Film oder der spätere Erfolg und die damit verbundene zeitgeschichtliche Bedeutung der Sache (Asterix-Erstausgabe, erstes Fertigungsstück des ersten erfolgreichen Heimcomputers) usw. Die Möglichkeiten sind hier nahezu unendlich. Die „Umqualifizierung“ kann dabei erst im Laufe der Zeit und sogar unbemerkt vom aktuellen Inhaber der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft eintreten. Aufgrund einer etwaigen Drittbetroffenheit bei der Sonderbehandlung bestimmter dinglicher Rechte kann die Klassifizierung auch nicht den am konkreten Geschäft beteiligten Personen oder dem Hersteller überlassen werden.414 Es bedarf in jedem Fall objektiver Kriterien für die Qualifikation als Kunstwerk oder Kulturgut. Diese herauszuarbeiten wäre die schwierige Aufgabe und möglicherweise eine der größten Hürden einer gesetzlichen Sonderregel.

413

Vgl. zur Problematik der Definition oben Teil 2, 2. Kapitel Fn. 395. Selbst die übereinstimmende Bestimmung der Sache als Kunstwerk durch die an einem konkreten Geschäft beteiligten Personen, bspw. Käufer und Verkäufer im Rahmen einer Kunstauktion, wäre nicht ausreichend, da von den dinglichen Aspekten der Geschäfte auch am Geschäft nicht direkt beteiligte Dritte betroffen sein können. Soweit diese durch die Klassifizierung der Sache als Kunstwerk nur zusätzlich geschützt und nicht negativ beeinträchtigt sein könnten, wäre jedenfalls in diesem Fall eine Einordnung möglich. Ob sich dies (keine negative Betroffenheit) aber verallgemeinern lässt, kann nur anhand der spezifischen Sonderregel beurteilt werden. In jedem Fall wäre auch bei der übereinstimmenden Kategorisierung als Kunstwerk durch die unmittelbar am Geschäft Beteiligten Vorsicht geboten. Gleichermaßen würde es nicht ausreichen, die Deutungshoheit über den Kunstwerk- bzw. Kulturgutcharakter ausschließlich seinem Hersteller zu überlassen. Wenn der Hersteller über seine eigene Klassifizierung der Sache den Schutzumfang an der Sache mitbestimmt, ist eine Missbrauchsgefahr zu befürchten. 414

2. Kapitel: Die Vielfalt der Steuerungsparameter

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F. Zusammenfassung Die dem gutgläubigen Erwerb zugrunde liegende Ordnungsaufgabe und der damit verbundene Ausgleich der Interessen wird in den nationalen Rechtsordnungen durch eine Vielzahl von Steuerungsparametern geregelt. Diese Steuerungsparameter bilden Bausteine, die von den nationalen Gesetzgebern für die Regelung des Themenkomplexes des gutgläubigen Erwerbs in unterschiedlicher Weise kombiniert werden.415 So berücksichtigt das deutsche Recht die besondere Öffentlichkeit der Veräußerungssituation der öffentlichen Versteigerung bspw. als Ausnahme des Ausschlusses abhanden gekommener Sachen vom gutgläubigen Erwerb, wohingegen das französische Recht die besondere Öffentlichkeit der Veräußerungssituation des öffentlichen Verkaufs dazu verwendet, dem Erwerber ein Lösungsrecht zuzusprechen. Nimmt man den beabsichtigten Verkehrsschutz als Ausgangspunkt, so ist die Erkennbarkeit des entsprechenden Kriteriums für einen Erwerber ein entscheidender Aspekt für die Geeignetheit des Steuerungsparameters. Dies sind insbesondere Steuerungsparameter, die an der Sache selbst, an dem zugrunde liegenden Geschäft oder an den Eigenschaften der an der Veräußerung an den Erwerber beteiligten Personen ansetzen. Unter dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes besonders problematisch sind jene Kriterien, die für einen Erwerber nicht wahrnehmbar sind. Bei diesen Steuerungsparametern ist ein sparsamer und sorgsamer Umgang durch den nationalen Gesetzgeber angezeigt. Hinzu kommt das unabdingbare Kriterium der Gutgläubigkeit (wenngleich sich auch hier im Detail, z.B. bei der Beweislast oder dem Fahrlässigkeitsmaßstab, Unterschiede ergeben können)416. Schließlich führt das generelle Interesse an Rechtssicherheit mit der Zeit zu einer Verschiebung der Interessenbewertung, so dass der entsprechende Zeitablauf beim gutgläubigen Erwerb selbst (vgl. die französische Regel zur dreijährigen Ausschlussfrist für gestohlene Sachen) oder über die ergänzenden Institute der Ersitzung und Verjährung Berücksichtigung findet. Soweit sich eine Situation ergibt, in der bestimmte Sachen aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände (Kriegswirren) oder einer besonderen Interessenlage (Kulturgüter) nicht mehr dem allgemeinen Inte-

415

Zu einer neueren Kombination, die eine Vielzahl dieser Steuerungsparameter aufgreift (Sonderbehandlung von gestohlenen Sachen, Sonderbehandlung von Kulturgütern, Sonderbehandlung bestimmter Veräußerungssituationen), vgl. z.B. den Vorschlag in Art. VIII.-3:101 des DCFR, Von Bar/Clive, DCFR-Volume 5, Art. VIII.-3:101. 416 Der DCFR bspw. legt die Beweislast der Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Erwerber keine Kenntnis haben konnte, zum Erwerber, Art. VIII.-3:101 (1) (d) S. 2 DCFR.

264

Teil 2: Die Steuerung des Ausgleichs der Interessenkollision

ressenausgleich bzw. dem allgemeinen Rechtsverkehr zuzuordnen sind, können spezialgesetzliche Regelungen angezeigt sein. Im Folgenden wird auf den Einsatz dieser Steuerungsparameter im Rahmen der Beurteilung der Fragen nach der Zuweisung des Ausfallrisikos und der Zuordnung der Sache einzugehen sein.

Teil 3

Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung des Eigentums an der Sache Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Aus den Erörterungen zu Teil 1 hat sich ergeben, dass sich in der Grundkonstellation drei Hauptbeteiligte gegenüberstehen (Eigentümer, Veräußerer und Erwerber), zwischen denen sich verschiedene schuld- und sachenrechtliche Beziehungen ergeben. Entkernt man die Diskussion um den gutgläubigen Erwerb zum einen um die Elemente, die mit den verschiedenen Begriffen des Innehabens der tatsächlichen Sachherrschaft zusammen hängen (Besitz, possession, subjektive Besitzelemente etc.) sowie um diejenigen Aspekte und Diskussionen, die mit der nachträglichen Rechtfertigung und dogmatischen Einordnung einer gefundenen Regel in das Gesamtsystem zusammenhängen, so bleiben im Rahmen der Auflösung der Konstellation zwei Fragen übrig: Wem soll das Eigentum an der Sache zugewiesen werden und wer soll das Ausfallrisikos im Hinblick auf schuldrechtliche Rückgriffsansprüche gegen den Veräußerer tragen? Zunächst ergeben sich dementsprechend im Hinblick auf die Grundsysteme die zwei Extreme der unbeschränkten Vindikation („ja“ der Herausgabe) und des vollständig möglichen gutgläubigen Rechtserwerbs („nein“ der Herausgabe) mit ihrer jeweiligen zwangsläufigen Folge der Verteilung des Ausfallrisikos. Im Falle der Vindikation liegt das Ausfallrisiko beim Erwerber und im Falle des gutgläubigen Eigentumserwerbs beim Eigentümer. Hier ermöglicht der Einsatz eines Lösungsrechts einen Kompromiss, im Sinne einer Pflicht der Herausgabe aber gegen Entschädigung („ja, aber“)1 oder eines Behaltendürfens gegen Ausgleichszahlung („nein, aber“) (1. Kapitel). Sollte aufgrund der beabsichtigten Verteilung des Ausfallrisikos und der Sachzuordnung eine Verwendung eines Lösungsrechts sinnvoll sein, so ergibt sich anschließend die Frage, auf Basis welcher Steuerungsparameter dessen Einsatz zu erfolgen hat (2.–5. Kapitel).

1

Dies sind die drei geschichtlich und aktuell immer wieder diskutierten Systeme. Bereits auf dem 15. deutschen Juristentag 1880 wurden diese drei Grundmodelle als die drei zu unterscheidenden Systeme diskutiert, vgl. das Einleitungsreferat von Reuling in: Verhandlungen des Fünfzehnten deutschen Juristentages, Zweiter Band, Zweite Sitzung der ersten Abteilung am 10. September 1880, S. 63.

1. Kapitel

Die getrennte Beantwortung der Fragen nach der Verteilung des Ausfallrisikos und der Zuordnung des Eigentums durch das Lösungsrecht 1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen

Der Einsatz eines Lösungsrechts kann das starre System der Verteilung von Sachzuordnung und Ausfallinteresse auflösen, indem einem Beteiligten die Sache zugeordnet werden kann, dieser aber gleichzeitig das Ausfallrisiko zu tragen hat, so z.B. wenn der Eigentümer die Sache herausverlangen kann, gleichzeitig aber zur Zahlung der Lösungssumme verpflichtet ist.

A. Begriff und Erscheinungsformen des Lösungsrechts I. Begriff Die Bezeichnung „Lösungsrecht“ erweckt den Eindruck, es handle sich um das Recht eines Beteiligten, eine Sache auszulösen. Nach diesem Verständnis würde ein Recht vorliegen, das dem Eigentümer gewährt wird. Allerdings wird in der Regel mit der Bezeichnung „Lösungsrecht“ tatsächlich die umgekehrte Situation erfasst, nämlich das Recht des Erwerbers, die Sache nur gegen Zahlung der Lösungssumme herausgeben zu müssen.1 Insoweit wäre richtigerweise von einer „Lösungspflicht“ des Eigentümers zu sprechen, denn das Recht des Eigentümers, die Herausgabe der Sache zu verlangen, ergibt sich regelmäßig schon aus der Grundkonstellation des gutgläubigen Erwerbs.2 Inzwischen ist der Begriff des Lösungsrechts aber als Bezeichnung des Rechts des beklagten Käufers üblich geworden.3 Der Einsatz eines Lösungsrechts führt, je nach Ausgestaltung des Grundsystems zum gutgläubigen Eigentumserwerb, zu einer Besserstellung des Erwerbers oder zu einer Besserstellung des Eigentümers im Vergleich zum Grundsystem. Eine Besserstellung des Erwerbers liegt vor, wenn in einem 1 So z.B. Wolff/Raiser, § 68 I 4 (S. 248); Frotz, FS Kastner, 131, 141; Feenstra, FS Kisch, 2378, 238. Anders bspw. Felgentraeger, S. 1. 2 Zu einer näheren Darstellung der möglichen Varianten vgl. sogleich unten S. 268 f. 3 Feenstra, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 1995, 355, 357.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

bestimmten Fall die Grundregelung zum gutgläubigen Erwerb einen Eigentumserwerb des Erwerbers versagt, der Erwerber aber aufgrund des „Lösungsrechts“ nur gegen Zahlung einer Lösungssumme zu einer Herausgabe der Sache an den Eigentümer verpflichtet ist. Dies ist bspw. nach der französischen Regelung der Art. 2276 Abs. 2, Art. 2277 C.c. der Fall.4 Eine Besserstellung des Eigentümers liegt hingegen vor, wenn in einem bestimmten Fall die Grundregelung zum gutgläubigen Erwerb zu einem Eigentumserwerb des Erwerbers führt, das „Lösungsrecht“ es aber dem Eigentümer ermöglicht, gegen Zahlung der Lösungssumme die Rückübereignung zu verlangen (Rückkaufsrecht des Eigentümers).5 Zur Beurteilung der Frage, welcher Beteiligte durch den Einsatz eines Lösungsrechts profitiert, ist demnach immer auf den Grundfall abzustellen, der sich ohne Lösungsrecht ergeben würde. Hier soll zunächst im Weiteren der Begriff des Lösungsrechts als allgemeine Bezeichnung verwandt werden, für alle Fälle, in denen gegen Zahlung der Lösungssumme eine Herausgabe der Sache vom Erwerber an den Eigentümer erfolgt.6

II. Erscheinungsformen Das Lösungsrecht kann – abhängig von der jeweiligen Grundkonstellation – in verschiedenen Erscheinungsformen vorkommen. Modifiziert das Lösungsrecht die im Grundsatz bestehende Herausgabepflicht (Herausgabe durch den Erwerber nur gegen Zahlung der Lösungssumme), so ändert sich an der primären Eigentumszuteilung nichts. Der vindikationsberechtigte Eigentümer ist nach der Grundkonstellation Eigentümer geblieben, muss nun allerdings zur Geltendmachung seines Eigentumsrechts noch die Lösungssumme zahlen. Hübner bezeichnet diese Form des Lösungsrechts als Institut sui generis, welche die sachenrechtliche Zuordnungsfunktion mit schuldrechtlichen Ausgleichselementen verbindet.7 Es läge kein Rückkauf vor, da weder die Höhe der Geldleistung, noch die Entscheidung, ob überhaupt ein Eigentumsübergang stattfinden solle, der 4

Der Grad der Besserstellung hängt hier im Übrigen vom vorgesehenen Grundsystem zum gutgläubigen Erwerb ab. Vgl. dazu auch die verschiedenen Entwürfe im Rahmen der Schaffung des BGB, unten S. 276 ff. 5 Hübner, S. 138 unterscheidet die Konstellationen ebenfalls und spricht von „Lösungsrecht statt Vindikation“ oder „Rückkaufsrecht statt Vindikationsversagung“. 6 So bspw. auch Völkl, S. 16 Fn. 5. Vgl auch Hübner, S. 134, der das Lösungsrecht allgemein beschreibt als „eine Regelung, die die Rückkehr der Sachsubstanz in die Hände des bisherigen Eigentümers davon abhängig macht, dass dieser dem Besitzer der Sache als Wertausgleich eine Entschädigung für das zum Erwerbe der Sache Geleistete gewährt.“ Teilweise wird in der Literatur ein neutraler Begriff der „Lösung“ vorgeschlagen, Ogris, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 3, S. 55 ff. 7 Hübner, S. 134, insb. Fn. 24.

1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen

269

freien Entscheidung der beiden Hauptprätendenten unterliege.8 Die Nichtausübung des Lösungsrechts führt lediglich dazu, dass der Erwerber die Sache nicht herausgeben muss. Er wird dadurch aber nicht zum dinglich Berechtigten. Ihre Schwächen zeigt diese Konstruktion insbesondere im Falle einer Weiterveräußerung oder eines Weiterschenkens. Hier verfügt der Erwerber wiederum als Nichtberechtigter. Abhängig von der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung eines Lösungsrechts würde das Lösungsrecht des Erwerbers (dieser muss Herausgabe nur gegen Zahlung leisten) bei einer derartigen Veräußerung untergehen, weiter bestehen oder sich verändern (z.B. Neubemessung der Lösungssumme anhand des Kaufpreises der Weiterveräußerung). Anders ist die Rechtsnatur eines Lösungsrechts in einer Konstellation zu beurteilen, in dem dem Erwerber zunächst das Eigentum zugesprochen wird, der Eigentümer aber berechtigt ist, gegen Zahlung der entsprechenden Summe ein Rückkaufsrecht auszuüben. Im Falle der Ausübung eines solchen Lösungsrechts kommt es zu einem weiteren Übereignungsvorgang (Übereignung gegen Zahlung). Das Lösungsrecht erscheint hier als in der Entscheidungshoheit des Eigentümers liegende Rückkaufsoption.

B. Das Lösungsrecht im deutschen und französischen Recht Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich im Schwerpunkt mit dem deutschen und dem französischen Recht. Die Bestandsaufnahme in Teil 1 hat hierbei gezeigt, dass im deutschen Recht, anders als im französischen Recht, ein Lösungsrecht aktuell nicht verwirklicht ist.

I. Das Lösungsrecht im deutschen Recht 1. Keine spezialgesetzliche Verankerung des Lösungsrechts im BGB Sowohl das aktuelle BGB, als auch die erste in Kraft getretene Fassung von 1900 sehen kein explizites Lösungsrecht vor. 9 2. Kein Lösungsrecht auf schuldrechtlichem Weg Das mit einem Lösungsrecht zu erzielende Ergebnis wird im geltenden deutschen Recht auch nicht über das Schuldrecht erreicht. Hier sind wiederum beide Grundkonstellationen (fehlgeschlagener Eigentumserwerb und erfolgreicher gutgläubiger Eigentumserwerb) zu betrachten. 8

Hübner, S. 134 Fn. 24. Zur verbliebenen aktuellen Gültigkeit aufgrund Art. 94 Abs. 2 AGBGB und im deutschen Kollisionsrecht vgl. unten S. 280 ff. 9

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

a) Kein Eigentumserwerb des Erwerbers Scheitert ein Eigentumserwerb des Erwerbers, so steht dem Eigentümer der Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 BGB zu. Der Erwerber kann diesem Anspruch nicht einen etwaigen an den Veräußerer gezahlten Kaufpreis entgegenhalten und zwar unabhängig davon, ob er beim Eigentumserwerb gutgläubig oder bösgläubig war. Im Rahmen der §§ 994 ff. BGB stellt der vom Erwerber an einen Veräußerer gezahlte Kaufpreis keine erstattungsfähige Verwendung auf die Sache dar, „denn Verwendungen sind nur solche Vermögensaufwendungen, die der Sache zugute kommen; der für den Erwerb einer Sache gezahlte Kaufpreis ist keine Verwendung, weil er dem Verkäufer, aber nicht der Sache zugute kommt.“ 10

Aus dem Bereicherungsrecht ergibt sich ebenfalls kein Ersatzanspruch des Erwerbers gegen den Eigentümer, da der Eigentümer durch eine Kaufpreiszahlung des Erwerbers an den Veräußerer nicht bereichert ist. b) Eigentumserwerb des Erwerbers Kommt es zu einem Eigentumserwerb des Erwerbers auf der Basis der §§ 932 ff. BGB, so sieht das deutsche Recht nur im Falle des unentgeltlichen Erwerbs eine Pflicht zur Rückübereignung vor (§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB). In allen übrigen Fällen hat der Eigentumserwerb des gutgläubigen Erwerbers Bestand. Insbesondere ist ein entgeltlicher gutgläubiger Eigentumserwerb des Erwerbers gegenüber dem Anspruch aus Eingriffskondition nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB kondiktionsfest. Peters möchte eine solche Eingriffskondiktion zwar durchgreifen lassen, indem er den gutgläubigen Erwerb des Erwerbers nicht als Rechtsgrund ansieht.11 In konsequenter Fortführung seines Ansatzes kommt er dabei zu dem überraschenden Ergebnis, 10

BGH NJW 1980, 2245, 2247 (Im zugrunde liegenden Fall war der Verkäufer aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts zur Übereignung nur gegen Abtretung der Kaufpreisforderung berechtigt. Da der Käufer beim Erwerb seinerseits wirksam ein Abtretungsverbot vereinbart hat (§ 354a HGB galt zur Zeit des Sachverhalts noch nicht), war er als bösgläubiger Erwerber anzusehen.) Dies gilt im Ergebnis sowohl bei einem gutgläubigen als auch bei einem bösgläubigen Erwerber. Für den Umfang sonstiger Verwendungsersatzansprüche bleibt die Unterscheidung zwischen gutgläubigen und bösgläubigen Erwerbern aber relevant. Ein gutgläubiger Erwerber kann bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen sämtliche notwendige und nützliche Verwendungen (§§ 994, 996 BGB) geltend machen. Der Ersatzanspruch bei einem bösgläubigen Erwerber reduziert sich hingegen nach § 994 Abs. 2 BGB entsprechend der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 684 S. 2, 670 BGB vs. §§ 684 S. 1, 818 BGB). 11 Peters, S. 106 ff.

1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen

271

dass eine Herausgabe beim entgeltlichen Erwerb nur Zug um Zug gegen die Erstattung der Erwerbsaufwendungen zulässig sei.12 Dies würde im Ergebnis einem Lösungsrecht entsprechen. Diese Meinung wird jedoch in der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur zu Recht abgelehnt. Die Zulassung der Eingriffskondiktion im Falle des erfolgreichen gutgläubigen Eigentumserwerbs des Erwerbers würde sonst dazu führen, dass der Gutglaubensschutz der §§ 932 ff. BGB bedeutungslos werden würde.13 Entsprechend gibt die in den Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb enthaltene Wertung des objektiven Rechts einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen.14 Ein Bereicherungsanspruch des Eigentümers besteht im Falle der entgeltlichen Veräußerung nur gegen den Veräußerer (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB).15 Lediglich im Falle des erfolgreichen unentgeltlichen Eigentumserwerbs des Erwerbers kann der Eigentümer aufgrund von § 816 Abs. 1 S. 2 BGB die Rückübereignung der Sache verlangen. Die Unentgeltlichkeit des Erwerbsvorgangs lässt hier den Verkehrsschutz zurücktreten.16 Allerdings fehlt es hier wegen der Unentgeltlichkeit an einem vom Erwerber gezahlten Kaufpreis, den er im Gegenzug dem Eigentümer entgegenhalten könnte. Auch hier kommt es also nicht zu einem Ergebnis, das einem Lösungsrecht entsprechen würde. Ein Teil der Lehre will § 816 Abs. 1 S. 2 BGB zudem analog für den Fall einer rechtsgrundlosen Verfügung durch den Veräußerer anwenden (sog. Einheitskondiktion).17 Eine rechtsgrundlose Verfügung liegt vor, wenn der Erwerber das Eigentum an der Sache von einem Nichtberechtigten zwar aufgrund eines unwirksamen (z.B. aufgrund Anfechtung oder Nichtigkeit) Verpflichtungsgeschäfts, aber sachenrechtlich wirksam erlangt hat. Nach der Anwendung dieser Ansicht müsste der Erwerber die Sache jedoch grundsätzlich kompensationslos an den Eigentümer herausgeben, was wiederum kein Äquivalent zum Lösungsrecht darstellen würde. 12

Peters, S. 108 f. BGHZ 36, 56, 60; BGHZ 37, 363, 368. 14 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 67 III 2. a (S. 139); vgl. auch BGH VIZ 2000, 113, 114, der dort insbesondere klarstellt, dass die Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb das Behaltendürfen rechtfertigen und der Vertrag zwischen Erwerber und Nichtberechtigtem keinen Rechtsgrund darstellt (so irreführend im Rahmen der Begründung noch BGH NJW 1971, 612, 614). 15 BGH 36, 56, 60; BGHZ 37, 363, 368. 16 BGH VIZ 2000, 113, 114. Zur Bedeutung der Unentgeltlichkeit im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs allgemein oben S. 206 f. 17 Grunsky, JZ 1962, 207, 209; Rothoeft AcP 163 (1964), 215, 247 f.; Kupisch, S. 97 (der dies allerdings mit einer Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB und nicht mit einer analogen Anwendung des § 816 Abs. 1 S. 2 begründet, vgl. a.a.O., Fn. 344 f.); zu einer weiteren Variante dieser Lehre vgl. Boehmer, S. 13 f. 13

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Innerhalb der Befürworter der Einheitskondiktion gibt es jedoch auch eine Ansicht, wonach es im Rahmen der nach dieser Ansicht grundsätzlich bestehenden Herausgabepflicht dem herausgabepflichtigen Erwerber zugestanden werden soll, seine gegenüber dem Veräußerer zustehenden Einwendungen und Einreden (insbesondere den Anspruch auf Rückzahlung eines etwaigen Kaufpreises) gegenüber dem Eigentümer geltend machen zu können.18 Im Ergebnis müsste der Erwerber die Sache dem Eigentümer also nur gegen Rückzahlung des Kaufpreises herausgeben. Die Lehre der Einheitskondiktion, einschließlich des soeben erwähnten Unterfalls, wird allerdings zu Recht von der herrschenden Lehre der sog. Doppelkondiktion abgelehnt.19 Die Einheitstheorie basiert auf der Gleichstellung der Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs mit der Unentgeltlichkeit des Erwerbs durch den Erwerber. Dabei handelt es sich jedoch um verschiedene Kriterien, die unter dem Blickwinkel des gutgläubigen Erwerbs unterschiedlich zu bewerten sind. Bei der Frage der Sonderbehandlung der Unentgeltlichkeit zu Lasten des Erwerbers und zugunsten des Eigentümers spielen im Rahmen der Gesamtkonstellation – wie oben gezeigt – übergreifende Erwägungen des Verkehrsschutzes eine Rolle. Im Hinblick auf den Rechtsgrund ist jedoch festzustellen, dass es bei der charakteristischen Dreipersonenkonstellation des gutgläubigen Erwerbs dem Erwerber immer an einem schuldrechtlichen Rechtsgrund gegenüber dem Eigentümer fehlt.20 Es macht daher auch keinen Unterschied, ob zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer ein Rechtsgrund besteht. Dies ist allein eine Frage des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs und nicht mit der im redlichen Erwerb begründeten Sonderbehandlung der Unentgeltlichkeit gleichzustellen. Die Rechtsfolgen für das Verhältnis Eigentümer und Erwerber bleiben somit auch beim (im Verhältnis zum Veräußerer) rechtsgrundlosen wirksamen Eigentumserwerb des Erwerbers die gleichen, wie sie sich bei einem Eigentumserwerb mit Rechtsgrund ergeben würden. Erwirbt der Erwerber rechtsgrundlos unentgeltlich, so greift § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, erwirbt er aber rechtsgrundlos entgeltlich, so gibt der gutgläubige Eigentumserwerb einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen gegenüber dem Eigentümer. Dies bedeutet wiederum nicht, dass die Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs für den Erwerber bedeutungslos ist. Vielmehr kann der Veräußerer den sich aus der Rechtsgrundlosigkeit ergebenen Bereicherungsanspruch geltend machen. Der Eigentümer wiederum kann die Abtretung 18

Kupisch, S. 97 f. U.a. von Caemmerer, FS Boehmer, 145, 155 ff.; Esser/Weyers, § 50 II 3 (S. 85 f.); Medicus/Petersen, Rdnr. 390a; MüKo/Schwab, § 816 Rdnr. 59, 68; Staudinger/Lorenz, § 816 Rdnr. 21 m.w.Nachw. 20 Staudinger/Lorenz, § 816 Rdnr. 17 ff. 19

1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen

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dieses Bereicherungsanspruchs vom Veräußerer verlangen. Der Bereicherungsanspruch des Veräußerers bleibt allerdings mit den Einreden des Erwerbers gegen den Anspruch des Veräußerers (Zurückbehaltungsrecht bis zur Rückerstattung der Gegenleistung, §§ 404, 273 BGB) behaftet.21 Im Ergebnis führt diese Doppelkondiktion (unter Verkürzung der Abwicklungsstufen) zu einer Rückübereignung der Sache an den Eigentümer gegen Erstattung des Kaufpreises. Die Rückübereignungspflicht des Erwerbers ergibt sich aber aus einem rechtsfehlerhaften Kausalgeschäft des Erwerbers mit dem Veräußerer und ist somit nicht in der Auflösung der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs begründet. Lediglich wirtschaftlich ergibt sich die Situation eines Lösungsrechts aus der Kombination zweier voneinander unabhängiger Defizite der verschiedenen Rechtsgeschäfte (Nichtberechtigung an der Sache und fehlerhaftes Kausalgeschäft zwischen Veräußerer und Erwerber). Es bleibt grundsätzlich dabei, dass der Eigentümer insoweit das tatsächliche Ausfallrisiko trägt, da er zunächst den Veräußerer belangen muss, um die Abtretung des Bereicherungsanspruchs gegenüber diesem geltend zu machen. Die Rechtsprechung hat sich hierzu bislang nicht klar geäußert,22 so dass – im Einklang mit der herrschenden Lehre – weiterhin davon auszugehen ist, dass eine Erweiterung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB auf rechtsgrundlose Verfügungen nicht in Betracht kommt. Ergänzend ist zu erwähnen, dass nach deutschem Recht auch deliktsrechtliche Ansprüche des Eigentümers gegen den gutgläubigen (einfach fahrlässig handelnden) Erwerber ausscheiden, da das Zubilligen eines solchen Anspruchs die §§ 932 ff. BGB entwerten und die Wertung der Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb umgehen würde.23 Teilweise wird auch argumentiert, dass die Gutglaubensvorschriften dem Handeln die Rechtswidrigkeit nehmen.24 3. Lösungsrechte auf deutschem Gebiet vor Inkrafttreten des BGB Eine Reihe von Untersuchungen25 hat sich speziell mit der Geschichte des Lösungsrechts beschäftigt. Dabei konnten einzelne Gesichtspunkte nicht 21

MüKo/Schwab, § 816 Rdnr. 60. Vgl. BGHZ 37, 363, 369, dessen Argumentation im Sinne einer Erweiterung des Begriffs der Unentgeltlichkeit verstanden werden kann. Anders wiederum BGHZ 47, 393, 395 ff.; Zu den Unklarheiten dieser Entscheidung vgl. Palandt/Sprau, § 816 Rdnr. 16; Staudinger/Lorenz, § 816 Rdnr. 16 u. 18. 23 MüKo/Oechsler, § 932 Rdnr. 68; Peters, S. 9 u.a. 24 Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 3. a (S. 386). 25 Ausführlich zur Geschichte des Lösungsrechts Felgentraeger und Völkl, und unter Auseinandersetzung mit den Untersuchungen von H. Meyer, Hinz und Völkl, Feenstra, FS Kisch, S. 237 ff. und ders. in, Etudes dédiées à Hans Ankum, 87 ff. 22

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

zweifelsfrei ergründet werden. Gesichert erscheint insoweit, dass ein Lösungsrecht bereits in den germanischen Volksrechten bekannt war.26 Dabei bleibt auch unklar, ob sich dieses aus germanischen Prinzipien wie der Publizität oder einem nicht-realisierbaren Gewährschaftsanspruch oder aber aus der allgemeinen Privilegierung des Marktverkehrs entwickelt hat.27 Insgesamt ergibt sich ein gemischtes Bild der Regelungen zum gutgläubigen Erwerb im Allgemeinen und des Lösungsrechts im Besonderen, so dass von einer eindeutigen Entwicklungslinie nicht gesprochen werden kann. Auch können im Rahmen dieser Untersuchung nur einzelne historische Kodifikationen beispielhaft herausgegriffen werden.28 Im Sachsenspiegel zwischen 1220 und 1230 war ein Lösungsrecht für Juden29 vorgesehen (Ssp. III 7 § 4),30 das später auch auf lombardische Kaufleute und allgemein dann auf Pfandleiher, Altwarenhändler und Schankwirte ausgedehnt wurde.31 Im lübischen Recht (ca. 1280) wurde das Lösungsrecht dann wohl generalisiert und später auch im Stadtrecht von München aufgenommen.32 Im Revidierten Lübischen Recht von 1586 war bei freiwilliger Besitzaufgabe ebenfalls in gewissen Konstellationen ein Lösungsrecht vorgesehen.33 26 Feenstra, FS Kisch, 237, 241 ff. Zur Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen in den germanischen Volksrechten, vgl. Göhlert, S. 184 ff. Bei einer Untersuchung des griechischen Rechts kommt Felgentraeger (S. 88 f.) zu dem Ergebnis, dass eine starke Vermutung dafür spräche, dass sich bereits im griechischen Recht ein Ausgleich in der Gestalt einer Rückerwerbsmöglichkeit zugunsten des Geschädigten entwickelte. Feenstra (Etudes dédiées à Hans Ankum, 87, 89) kann darin kein allgemeines Prinzip erkennen. 27 Zusammenfassend m.w.Nachw. Feenstra, FS Kisch, 237, 250 f.; dieser selbst kommt dabei zum Schluss, dass es sich möglicherweise nur um eine Gelegenheitslösung gehandelt habe und insgesamt der Gewährschaftsentzug (Unmöglichkeit den Vormann/ Veräußerer haftbar zu machen) das Hauptmoment darstelle, wohingegen die Publizität und die Marktprivilegierung nur von nachgeordneter Bedeutung gewesen seien. 28 Vgl. Hinz, S. 33 ff. 29 Zum Lösungsrecht im jüdischen Recht vgl. Felgentraeger, S. 90 mit Hinweis auf Traktat Baba qamma X 3 der Mischna. Zur abschätzigen Qualifizierung als „Jüdisches Hehlerrecht“ durch H. Meyer (insb. in Dt. Rechtswiss. Band 2. S. 102 ff.) und zur Widerlegung der unerträglichen rassenideologischen Herleitung von H. Meyer vgl. Feenstra, FS Kisch, 237, 238 f. 30 Olzen, Jura 1990, 505, 508; Feenstra, FS Kisch 237 ff.; Hinz, S. 36. 31 Olzen, Jura 1990, 505, 508. 32 Olzen, Jura 1990, 505. 509. 33 Von Lübtow, FS für den 41. Dt. Juristentag, 119, 191 f. der allerdings klarstellt, dass die Vindikation ohne Zahlung des Lösungsgeldes zulässig war, wenn es sich um geraubtes oder gestohlenes Gut handelte (S. 191 Fn. 353). Im Falle des Eingreifens des Lösungsrechts konnte die Höhe der Lösungssumme dabei nach dem Wert oder dem gezahlten Kaufpreis berechnet werden, wobei sich die zweite Berechnungsart durchgesetzt hat (von Lübtow, FS für den 41. Dt. Juristentag, 119, 192); vgl. auch Hinz, S. 36 ff.

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Andernorts gab es aber auch zu dieser Zeit Rechtsordnungen ohne Lösungsrecht. So hat die Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1522 (XXIII 7,9; XXIX 2) und von 1564 (XX 2 Satz 5) weitgehend die Ersitzungsregelung des römischen Rechts übernommen. Die Frankfurter Reformation und die Wormser Reformation haben ebenfalls kein Lösungsrecht vorgesehen.34 Das Bayerische Landesrecht von 1759 sah in II, 2 §§ 7 ff. die Vindikation gegenüber jedermann vor. Das preußische Allgemeine Landrecht enthielt ein Lösungsrecht. Es sah grundsätzlich weitgehende Vindikationsrechte gegen unredliche Erwerber (ALR I, 15, §§ 17, 18) und bei abhanden gekommenen Sachen auch gegen redliche Erwerber (vgl. ALR I, 15, §§ 24, 25) vor. Sachen, die vom Fiskus im Wege der öffentlichen Versteigerung oder von Gildekaufleuten erworben wurden (vgl. ALR, I, 15 §§ 42 und 43), sowie Geld und Inhaberpapiere (vgl. dazu und zum Umfang des Vindikationsausschlusses ALR, I, 15, § 45, 46 und § 47) waren dabei von der Vindikation ausgenommen. Allerdings gewährte ALR, I, 15, § 26 dem redlichen Erwerber abhanden gekommener Sachen Erstattung „alles dessen, was er dafür gegeben oder geleistet hat“. Gleiches galt zugunsten eines Erwerbers, der Sachen auf „Messen und Märkten, oder sonst von Leuten, welche Sachen dieser Art unter obrigkeitlicher Erlaubniß öffentlich feil haben“ erworben hatte, ALR, I, 15, § 44. Im Entwurf eines Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern aus den Jahren 1808/1809 sah Art. 2441 des Entwurfs eine Regelung entsprechend Art. 2276 C.c. vor, ohne aber ein Lösungsrecht vergleichbar mit Art. 2277 C.c. zu statuieren. Nach Art. 2242 des Entwurfs sollte die gestohlene oder verlorene Sache dem Eigentümer unentgeltlich zurückzugeben sein.35 Ein späterer Bayerischer Entwurf zu einem Zivilgesetzbuch von 1861 sah, aufbauend auf einem Grundprinzip der Vindikation (mit Ausnahmen für Geld und Inhaberpapiere), ein Lösungsrecht nach „Dritter Theil (Besitz und Rechte an Sachen)“ Art. 171 vor, wenn die Sache vom Eigentümer dem Veräußerer anvertraut worden war oder wenn sie vom Erwerber im Zuge einer öffentlichen Versteigerung erworben wurde. Das Sächsische BGB von 1863 wiederum sah in § 315 ein Lösungsrecht des Erwerbers vor.36

34

Vgl. Olzen, Jura 1990, 505, 510. Vgl. Schubert, Französisches Recht in Deutschland, S. 400. 36 Vgl. Frotz, FS Kastner 131, 141. Im Grundsatz ermöglichte das Sächsische BGB die Vindikation. Ausnahmen waren nach §§ 295, 296 Sächsisches BGB nur bei Geld und Inhaberpapieren vorgesehen. 35

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

4. Das Lösungsrecht in den Entwürfen des BGB a) Die Entwürfe zum BGB Der erste Teilentwurf zum Sachenrecht (1879) der sog. Ersten Kommission, die mit der Ausarbeitung des Gesetzbuchs betraut war, beließ dem Eigentümer grundsätzlich die Möglichkeit der Vindikation und sah einen gutgläubigen Erwerb nur ausnahmsweise bei Geld, Inhaberpapieren und im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung vor (§ 135 Abs. 2 des Teilentwurfs). Im Gegenzug sah der Teilentwurf dafür zugunsten eines Erwerbers in § 186 einen Lösungsanspruch vor, wonach der Erwerber zur Herausgabe der Sache nur gegen Erstattung des Kaufpreises verpflichtet sein sollte. Noch in den Beratungen der Ersten Kommission wurde der Entwurf dahingehend abgeändert, dass der schließlich am 16.12.1887 fertig gestellte und am 12.01.1888 dem Bundesrat vorgelegte37 sog. Erste Entwurf in dessen §§ 877–879 grundsätzlich einen gutgläubigen Erwerb ermöglichte. Für abhanden gekommene Sachen (§ 879 S. 2 Erster Entwurf) sowie für Geld, Inhaberpapiere oder in einer öffentlichen Versteigerung erworbene Sachen sah der Erste Entwurf Ausnahmen vor. Nach Ansicht der Kommission würde eine solche Regelung des gutgläubigen Erwerbs allerdings den Verkehr über die Maßen beeinträchtigen, denn auch der vorsichtigste Erwerber könne, ohne dass ihm ein Verschulden vorzuwerfen wäre, nicht alle Voraussetzungen der Wirksamkeit seines Erwerbs erkennen (so z.B. bei abhanden gekommenen Sachen).38 Daher sah der Erste Entwurf zudem einen Lösungsanspruch des Erwerbers vor. Nach § 939 des Ersten Entwurfs konnte der Erwerber die Erstattung des bezahlten Entgelts verlangen, wenn er die Sache herausgeben musste, weil es sich um eine abhanden gekommene Sache handelte. Hinsichtlich des Lösungsrechts wurden dabei die Vorbilder der ALR I 15 §§ 24–26, § 315 Sächs. BGB, § 654 Zür. BGB, Art. 151 Bayr. Entwurf III und Art. 2277 C.c. genannt.39 Die Zweite Kommission, die den Ersten Entwurf überarbeitete, hat allerdings zutreffend erkannt, dass die Hinweise auf das ALR und den Code civil den Lösungsanspruch, wie er im Ersten Entwurf vorgesehen war, nicht vollumfänglich tragen können, da sowohl im ALR als auch im Code civil dem Lösungsanspruch andere Konstellationen zu Grunde lagen. Das ALR kannte zum Schutze des Erwerbers nur den Lösungsanspruch ohne überhaupt einen Eigentumserwerb vorzusehen und Art. 2277 C.c. sieht keinen generellen Lösungsanspruch vor, sondern greift nur unter engeren Voraussetzungen, nämlich bei gewissen Verkaufssituationen, ein.40 Die 37

Schubert, Entstehung, S. 34. Motive der 1. Kommission, S. 418, in: Mugdan, S. 233. 39 Motive der 1. Kommission, S. 342 und 417, in: Mugdan, S. 190 und 233. 40 Protokolle der 2. Kommission, S. 4029, in: Mugdan, S. 693. 38

1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen

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Zweite Kommission strich im Ergebnis den Lösungsanspruch, so dass dieser im sog. Zweiten Entwurf von 1894/95 nicht mehr enthalten war. § 939 des Ersten Entwurfs fiel – nachdem zunächst im Rahmen mehrerer Anträge noch eine geänderte Fassung gebilligt wurde41 – schließlich ersatzlos weg. Im Übrigen wurden die Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb inhaltlich im Wesentlichen beibehalten.42 Der Wunsch der bayerischen Regierung, das Lösungsrecht wenigstens im Umfang des Art. 2277 C.c. und § 315 Sächs. BGB wieder einzufügen, blieb unberücksichtigt.43 Die Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb des zweiten Entwurfs wurden schließlich Gesetz und entsprechen den heute noch geltenden §§ 932–935 BGB. b) Gründe gegen eine Verankerung des Lösungsrechts im BGB Die Auseinandersetzung über das Lösungsrecht im Rahmen der Diskussion um das BGB kann möglicherweise auch heute noch Aufschluss über die Geeignetheit dieses Instituts geben. Angesprochen wurde dabei von der Zweiten Kommission zum einen die Frage nach dem deutschrechtlichen Charakter des Lösungsrechts: es handele sich nicht um altes deutsches Recht, sondern um ein vom internationalen Rechtsverkehr herausgebildetes Rechtsinstitut. Bereits damals hat die Zweite Kommission jedoch richtigerweise festgestellt, dass für die Angemessenheit und Geeignetheit einer Regelung nicht die historische Herkunft relevant ist, sondern alleine das praktische Bedürfnis für eine solche Regelung.44 Bei den Entwürfen zu einem Bürgerlichen Gesetzbuch ging es allerdings darum, die in den meisten deutschen Gebieten geltende Regelung zu suchen und zu übernehmen (und weniger darum, das Recht weiterzuentwickeln), so dass für die an der Gesetzgebung mitwirkenden Personen der „deutschrechtliche Charakter“ ein zu berücksichtigender Aspekt war.45 Aus der anfänglich am Interessenkonflikt orientierten Diskussion wurde so 41 Vgl. dazu die Anträge 1–4 im Rahmen der Beratungen der Zweiten Kommission. Der letztlich erfolgreiche Antrag 4 auf Streichung des Lösungsanspruchs beinhaltete noch einen Eventualantrag auf die Beschränkung des Lösungsrechts auf die Fälle des Erwerbs von einem Gewerbetreibenden in dessen Gewerbebetrieb. Zu einer Aufrechterhaltung des Lösungsanspruchs für diese Fälle bestehe aber ebenfalls keine Veranlassung, Protokolle der 2. Kommission, S. 4027 ff., in: Mugdan, S. 692 f. 42 Eine kleine Änderung erfuhr die Regelung über abhanden gekommene Sachen, da schließlich eine Sache in jedem Fall als abhanden gekommen gilt, wenn der Besitzdiener sie freiwillig weggibt, vgl. Schubert, Entstehung, S. 166. 43 Ebenso erfolglos wurde in der 2. Lesung beantragt, statt eines Lösungsanspruchs einen Eigentumserwerb für die Fälle des Erwerbs von einem Gewerbetreibenden in einem Gewerbebetrieb vorzusehen; zu beiden Aspekten vgl. Protokolle der 2. Kommission, S. 8552, in: Mugdan, S. 636 f. 44 Protokolle der 2. Kommission, S. 4029 f., in: Mugdan, S. 693. 45 Vgl. Schubert, Entstehung, S. 174 f.

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mit der Zeit eine sich vom Kern der Sache entfernende Diskussion.46 Die Position des gutgläubigen Erwerbs wurde zu einer (eher zufällig, wie Hübner ebenfalls zeigt) deutschrechtlichen: „War bisher das Verkehrsinteresse offen zugestanden der Maßstab, den die Neuerer berücksichtigt wissen wollten, so orientierte man sich jetzt an den Kriterien ‚deutsch‘ und ‚undeutsch‘.“47

Besonders deutlich sei dies bei der Ablehnung des Lösungsrechts geworden.48 Weitere gegen das Lösungsrecht erhobene Argumente zielen in erster Linie auf die grundsätzliche Verteilung des Ausfallrisikos und die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen im Besonderen ab und hängen weniger mit dem Rechtsinstitut des Lösungsrechts an sich zusammen. Wie erläutert, sah der Teilentwurf (bis auf die Ausnahmen des Erwerbs von Geld, Inhaberpapieren und von in öffentlicher Versteigerung erworbenen Sachen) keinen gutgläubigen Erwerb vor, sondern enthielt zum Schutz des Erwerbers und Verkehrs ausschließlich ein Lösungsrecht. Im Ersten Entwurf gab es dann zwar die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs, aber eine Ausnahme für abhanden gekommene Sachen. Für diesen Bereich war schließlich das Lösungsrecht vorgesehen. Somit war sowohl im Teilentwurf als auch im Ersten Entwurf ein umfassender wirtschaftlicher Schutz des Erwerbers vorgeschlagen worden. Dies ging der Zweiten Kommission im Ergebnis zu weit. Man sah darin eine zu starke Benachteiligung des Eigentümers.49 Nicht zuletzt zeigt sich auch anhand der verschiedenen Entwürfe wieder, dass die Regelungsalternativen und -vorschläge zum gutgläubigen Erwerb in einer mehr oder weniger fein abgestuften Kombination der verschiedenen bekannten Parameter bestehen. Zudem wurde argumentiert, durch ein Lösungsrecht werde der ärmere Eigentümer gegenüber dem reicheren Eigentümer schlechter gestellt. Der reichere Eigentümer sei in der Lage, die Lösungssumme zu zahlen, dem ärmeren Eigentümer stünde bei der Verfolgung seines Rechts eine solche Möglichkeit aber nicht zur Verfügung.50 Dies ist im Ergebnis insoweit richtig, als dass im Rahmen eines Lösungsrechts der reichere Eigentümer die Möglichkeit hätte, die Sache wieder zu erlangen, wohingegen der ärmere Eigentümer einen Lösungsanspruch möglicherweise nicht erfüllen könnte. Allerdings lag bei allen diskutierten Varianten das Ausfallrisiko beim Eigentümer und zwar unabhängig davon, über welche finanzielle 46

Hübner, S. 16 ff., insb. S. 31. Hübner, S. 31. 48 Hübner, S. 31 f. Vgl. dazu auch oben (Teil 3, 1. Kapitel Fn. 29) zur Frage des „jüdischen Hehlerrechts“. 49 Protokolle der 2. Kommission, S. 4029 f., in: Mugdan, S. 693. 50 Protokolle der 2. Kommission, S. 4030, in: Mugdan, S. 693. 47

1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen

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Mittel dieser verfügt. Dieses Risiko ergibt sich schon aus der Verfügung des Nichtberechtigten; wie schwer das Ausfallrisiko einen Eigentümer konkret belastet, ist nun mal in jedem Fall von dessen Vermögenssituation abhängig. Weiterhin wurde die Verwendung des Lösungsrechts als Einschränkung des Schutzes der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen kritisiert und darin entsprechend eine Begünstigung der Hehlerei gesehen.51 Schließlich wurde angeführt, dass diese Regelung dem unredlichen Besitzer einen Vorteil verschaffen würde.52 Können diese Gründe auch heute noch gegen die Anwendung eines Lösungsrechts sprechen? Die Fragen des grundsätzlichen Schutzes des Eigentümers und des Schutzes des Eigentümers von abhanden gekommenen Sachen hängen nicht spezifisch mit dem Lösungsrecht zusammen, sondern betreffen in erster Linie die Frage der generellen Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen und damit der generellen Verteilung des Ausfallrisikos, ohne aber zwingend die Geeignetheit des Lösungsrechts in Frage zu stellen. Sie sprechen somit nicht gegen das Institut des Lösungsrechts an sich. Ein Argument befasste sich allerdings mit dem Kompromisscharakter des Lösungsrechts. Dieser Charakter ist für das Lösungsrecht spezifisch und auch heute noch zu beachten. Da das Lösungsrecht nicht zu einem Eigentumserwerb, sondern nur zu einem Recht auf Erstattung der Kaufpreiszahlung führt, hat die Zweite Kommission im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten zum BGB das Lösungsrecht als Halbheit bezeichnet.53 Wenn man eine Person schützen wolle, so solle man dies über den Eigentumserwerb tun,54 nicht aber, indem man das Eigentum verweigert und dem Erwerber dennoch einen Zahlungsanspruch einräumt. Die Bezeichnung „Halbheit“ taucht auch bereits in den (allerdings von der Ersten Kommission nicht offiziell autorisierten)55 Motiven der Ersten Kommission auf. Dort wird argumentiert, dass man dem Lösungsrecht diesen Vorwurf gerade nicht machen dürfe. Es gehe nämlich einerseits zwar darum, dem Eigentümer sein Recht zu erhalten, andererseits aber darum, der Ausnahmebestimmung der Eigentümerprivilegierung ihre schädigende Wirkung für den Erwerber zu nehmen.56 Die Bezeichnung als „Halbheit“ hat zwar insofern einen zutreffenden Kern, als der Einsatz eines Lösungsrechts gerade zur Risikotrennung von Sachzuordnung (Eigentum) und Verteilung des Aus51

Protokolle der 2. Kommission, S. 4030, in: Mugdan, S. 693. Protokolle der 2. Kommission, S. 4030, in: Mugdan, S. 693. 53 Protokolle der 2. Kommission, S. 4030, in: Mugdan, S. 693. 54 Protokolle der 2. Kommission, S. 4030, in: Mugdan, S. 693. 55 Vgl. dazu Schubert, Entstehung, S. 34 f. 56 Motive der 1. Kommission, S. 418, in: Mugdan, S. 233. 52

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fallrisikos (wirtschaftliche Kompensation) führt, die „Halbheit“ ist aber keine negativ zu bewertende halbe Lösung des Interessenkonflikts, sondern der Einsatz dieser „Halbheit“ ermöglicht eine stärkere Feinsteuerung.57 Die Ablehnung des Lösungsrechts war bei der Erarbeitung des BGB keine unumstrittene Entscheidung und auch die Zweite Kommission hat in diesem Recht noch gewisse Vorteile erkannt. Letztlich ist aber unter Berufung auf das bereits entworfene HGB, in dem ein Lösungsanspruch nicht für notwendig erachtet worden war (§ 306 ADHGB von 1861)58 und unter Berücksichtigung einiger kritischer Stimmen aus Gebieten, in denen ein Lösungsrecht existierte, die Entscheidung getroffen worden, das Lösungsrecht nicht im BGB zu verankern.59 5. Verbliebene Aktualität des Lösungsrechts in Deutschland Im geltenden deutschen Recht ist ein Lösungsrecht noch unter zwei Gesichtspunkten relevant. a) Lösungsrecht nach Landesrecht, Art. 94 Abs. 2 EGBGB Zum einen sieht Art. 94 Abs. 2 EGBGB vor, dass nach Landesrecht ein Lösungsrecht für öffentliche Pfandleihanstalten möglich ist. Einige Landesgesetzgeber haben davon Gebrauch gemacht, und so sieht Art. 66 BayAGBGB bspw. vor, dass öffentliche Pfandleihanstalten in Bayern abhanden gekommene Sachen, an denen sie daher aufgrund von §§ 1207, 935 kein Pfandrecht erwerben konnten, nur gegen Zahlung der entsprechenden für die Inpfandnahme der abhanden gekommenen Sache ausgereichten Darlehenssumme samt Zinsen herausgeben müssen.60 Die praktische Be-

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Dazu später noch unten S. 306 ff. Auch bei den Vorläufern des ADHGB waren Lösungsrechte vorgesehen. So kannte der Württembergische Entwurf eines Handelsgesetzbuches für Deutschland von 1839 ein Lösungsrecht, vgl. Göhlert, S. 253 f. Derselbe schildert dort auch, dass der Vorschlag der preußischen Regierung in dritter Lesung zum ADHGB noch ein Lösungsrecht vorsah. Gesetz wurde schließlich ein Antrag Hamburgs, der eine Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen ohne ein Lösungsrecht vorsah. 59 Protokolle der 2. Kommission, S. 4030 in: Mugdan, S. 693. Im Rahmen der Beratungen zum ADHGB gab es aber auch Diskussionen zur Einführung eines Lösungsrechts. Zur dritten Lesung stellte Preußen den Antrag, der den Redlichkeitsschutz vorsah, aber bei gestohlenen oder verlorenen Sachen ein Lösungsrecht. Erst durch weitere Änderungen ist dieses Lösungsrecht dann verschwunden, vgl. dazu Hübner, S. 29 f. 60 Art. 66 BayAGBGB: „Erwirbt eine öffentliche Pfandleihanstalt nach § 935 Abs. 1, § 1207 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kein Pfandrecht, so kann sie die Herausgabe der Sache an den Berechtigten bis zur Bezahlung des auf die Sache gewährten Darlehens samt Zinsen verweigern. […]“. 58

1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen

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deutung ist freilich sehr gering, da öffentliche Pfandleihanstalten nur noch in sehr beschränktem Umfang existieren.61 b) Behandlung des Lösungsrechts im Kollisionsrecht Zum anderen müssen sich deutsche Gerichte bei der Anwendung fremden Sachrechts mit nach fremden Rechtsordnungen existierenden Lösungsrechten auseinandersetzen. Das Reichsgericht hatte dabei das französische Lösungsrecht aus Art. 2280 C.c. a.F. zu beurteilen.62 Im zugrunde liegenden Sachverhalt63 verlangte ein bestohlener Eigentümer eines Wertpapiers die Herausgabe des Papiers von einer Hamburger Beklagten. Das Wertpapier war zwischenzeitlich Gegenstand mehrerer Veräußerungsvorgänge, von denen jedoch keiner zu einem Eigentumserwerb eines Zwischenerwerbers oder der Beklagten geführt hatte. Jedenfalls ein Zwischenerwerber war dabei ein Pariser Bankhaus. Der Eigentumserwerb in Frankreich scheiterte an Art. 2279 Abs. 2 C.c a.F. (heute Art. 2276 Abs. 2 C.c.), da seit dem Diebstahl noch keine drei Jahre vergangen waren. Im Hinblick auf die beteiligten Berliner und Hamburger Zwischenerwerber wurde entweder ein Eigentumserwerb (auf der Basis der damaligen Art. 306, 307 HGB) aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis von der Nichtberechtigung des jeweiligen Veräußerers verneint (die jeweiligen Erwerber hatten die entsprechende polizeiliche Diebstahlsanzeige nebst entsprechender Veröffentlichung nicht beachtet)64 oder es konnte ein Eigentumserwerb eines bestimmten Zwischenerwerbers mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zumindest nicht positiv festgestellt werden.65 Allerdings ergab sich bei den nach französischem Recht zu beurteilenden Erwerbsvorgängen eine Situation, die dem Erwerber ein Lösungsrecht nach Art. 2280 C.c. a.F. (heute Art. 2277 C.c.) gewährt hätte. Das Reichsgericht hatte sich daher mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dieses Lösungsrecht bei der Herausgabeklage vor dem Hamburger Gericht Bestand hat oder Anwendung findet. Dies wurde im Ergebnis verneint. Das Reichsgericht führte dabei zunächst an, dass das Lösungsrecht des Erwerbers auch nach der französischen Rechtssystematik nicht bereits mit dem Erwerb der Sache, sondern erst mit dem Herausgabeverlangen des Eigentümers entstehe.66 Ein solches Herausgabeverlangen wurde aber nicht 61

Vgl. Landmann/Rohmer/Marcks, GewO (Stand: Mai 2009), § 34 Rdnr. 7. Unter den Anwendungsbereich des Art. 94 Abs. 2 fällt insbesondere das Leihamt Augsburg. 62 RGZ 41, 152 ff. 63 Dargelegt in RGZ 41, 152 ff. und RGZ 37, 69 ff. 64 Vgl. RGZ 41, 152, 153 ff. sowie zu den damaligen Art. 306 f. HGB die ausführliche Schilderung in RGZ 37, 69, 71 ff. 65 RGZ 41, 152, 157. 66 RGZ 41, 152, 156.

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in Frankreich, sondern erst nach weiteren Erwerbsvorgängen in Hamburg gegen die Beklagte erhoben. Das französische Lösungsrecht war daher nicht bereits entstanden. Weiter folgerte das Reichsgericht, dass für das nunmehr erhobene Herausgabeverlangen das französische Recht keine Anwendung mehr finde. Das Bestehen einer etwaigen Einrede des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft aus dem Lösungsrecht67 beurteile sich nämlich nach dem gleichen Recht, das auch auf das Herausgabeverlangen selbst anwendbar sei. Auf das vor dem Gericht in Hamburg geltend gemachte Vindikationsverlangen hinsichtlich eines in Hamburg befindlichen Wertpapiers sei aber nicht französisches Recht anwendbar.68 Eine Einrede auf der Grundlage des französischen Lösungsrechts komme daher ebenfalls nicht in Betracht. Der BGH hatte sich im Jahre 1987 mit dem Schweizer Lösungsrecht auseinanderzusetzen.69 Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Erwerber in der Schweiz einige dem Eigentümer zuvor abhanden gekommene Sammlermünzen erworben und sie anschließend nach Deutschland verbracht und dort weiterveräußert. Der Eigentümer hatte später die Herausgabe der Münzen verlangt. Auch hier stellten sich wieder einige Fragen zum Umgang mit einem ausländischen Lösungsrecht nach deutschem Recht, von denen jedoch die Mehrzahl im zugrunde liegenden Sachverhalt offen bleiben konnte. Unstreitig war dabei, dass der Erwerb in der Schweiz zunächst ein Lösungsrecht nach Art. 934 Abs. 2 des Schweizer Zivilgesetzbuchs (ZGB) auslöste. Entsprechend wurde auch hier die Frage aufgeworfen, ob dieses Lösungsrecht dem Erwerber auch dann noch zugute kommt, wenn er die Sache anschließend nach Deutschland verbringt und hier die Herausgabe der Sache vom Eigentümer verlangt wird.70 Da der 67 Das RG spricht hier davon, dass sich aufgrund des Lösungsrechts ein Zurückbehaltungsrecht des Erwerbers ergibt. 68 RGZ 41, 152, 156, wobei das RG den genauen Maßstab zur Bestimmung des anwendbaren Rechts offen gelassen hat, da die drei nach dem RG in Frage kommenden Anknüpfungsmomente (Personalstatut des Beklagten, der Lageort der Sache und der Ort des Prozessgerichts) alle zum selben Recht führen würden. 69 BGHZ 100, 321 ff. 70 BGHZ 100, 321, 325. Der BGH äußert sich hierzu nicht abschließend, lässt aber durch den im Weiteren unkommentierten Hinweis auf diese Ansicht zumindest eine gewisse Sympathie für die von ihm als herrschende Meinung bezeichnete Ansicht erkennen, wonach ein entstandenes Lösungsrecht nicht bereits durch einen schlichten Statutenwechsel (Verbringung nach Deutschland und Anwendung des deutschen Rechts auf der Grundlage der lex rei sitae) wieder untergehe. So u.a. Karrer, der im Lösungsrecht zwar kein beschränktes dingliches Recht sieht, auf das die lex rei sitae des Erwerbsvorgangs anzuwenden sei, der aber aus der wirtschaftlichen Funktion des Lösungsrechts heraus, nämlich dem Erwerber einen Ersatz für das Ausbleiben des Eigentumserwerbs zu gewähren, dennoch die bei Erwerb maßgebliche lex rei sitae anwenden möchte, S. 84. Vgl. auch Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), 100, 108 ff., Duden; Rechtserwerb vom Nichtberech-

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Erwerber die Sache allerdings in Deutschland an einen weiteren Erwerber weiterveräußert hatte, konnte diese Frage offen bleiben. Vielmehr stellte der BGH fest, dass auf diese Weiterveräußerung ausschließlich deutsches Sachenrecht zur Anwendung komme, und demnach bei dieser Weiterveräußerung ein Lösungsrecht nicht entstehen konnte (fehlende Veräußerungsbeständigkeit).71 Insbesondere betrachtet der BGH (jedenfalls) das Schweizer Lösungsrecht nicht als reallastartiges Recht, das auf der Sache laste; dieses hätte als wohlerworbenes Recht auch nach einem Statutenwechsel und nach einer erfolgten Weiterveräußerung bestehen bleiben können.72 Denn selbst das Schweizer Recht sehe einen solchen Übergang desselben Lösungsrechts auf den Rechtsnachfolger nicht vor, sondern mache das Bestehen eines Lösungsrechts von der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen durch den nächsten Erwerber abhängig. 73 Dazu, ob dies bei einer anderen Ausgestaltung des Schweizer Lösungsrechts (im Sinne einer Veräußerungsbeständigkeit) in Deutschland Anerkennung finden würde, hatte sich der BGH nicht zu äußern. Beide Entscheidungen haben im Ergebnis somit bereits das Vorliegen eines ausländischen Lösungsrechts verneint – das Reichsgericht im Hinblick auf die Entstehung des Lösungsrechts erst im Moment des Herausgabeverlangens unter Anwendung des Vindikationsstatuts, der BGH in dem tigten, S. 51 ff.; Wolff/Raiser, § 90 III 3 (S. 367) und § 90 V (S. 368). Anders als noch das RG (oben S. 281) stellt die herrschende Meinung insbesondere für die Frage der Anerkennung eines ausländischen Lösungsrechts also nicht darauf ab, ob das Herausgabeverlangen erst nach der Verbringung der Sache nach Deutschland geltend gemacht wurde (dieser Zeitpunkt war noch für das RG für das Entstehen des Lösungsrechts maßgeblich) und wendet auf diese Frage entsprechend nicht das Vindikationsstatut sondern das Veräußerungsstatut an, vgl. Benecke, ZVglRWiss 101 (2002), 362, 372. Das Lösungsrecht bedeute funktional eine vermittelnde Form des Gutglaubensschutzes, die unabhängig von dessen rechtstechnischer Ausgestaltung (Einrede) zu wahren sei, Coester-Waltjen/Mäsch, S. 131 und 132 f. (Lösungsrecht als funktionsäquivalent zu einem Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB). 71 BGHZ 100, 321, 326 f. Ein Eigentumserwerb des Erwerbers der Weiterveräußerung scheiterte an § 935 Abs. 1 BGB. Ein Lösungsrecht kommt nach deutschem Recht nicht in Betracht. 72 In diese Richtung Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), 108, 113 f. 73 BGHZ 100, 321, 327 f. Kritisiert wird dabei allerdings, dass der BGH nicht berücksichtigt, dass auch das Entstehen des Lösungsrechts nach Schweizer Recht zunächst eine öffentliche Versteigerung voraussetzt und erst dann bei jedem weiteren gutgläubigen Erwerber in Höhe des von diesem bezahlten Kaufpreises entstehen kann. Die Möglichkeit, überhaupt ein Lösungsrecht zu erwerben, ist somit in einem eingeschränkten Sinne veräußerungsbeständig. Benecke (ZVglRWiss 101 (2002), 362, 377) betrachtet es in diesem Fall daher unter Berücksichtigung des auch nach deutschem Recht existierenden Schutzes des Erwerbers im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung (§ 935 Abs. 2 BGB) als funktionsäquivalent, „ein derartig ausgestaltetes Lösungsrecht bei Versteigerung regelmäßig auch bei einer Weiterveräußerung mit übergehen zu lassen.“

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von ihm zu beurteilenden Sachverhalt aufgrund der fehlenden Veräußerungsbeständigkeit sowohl aus Sicht des deutschen Kollisionsrechts als auch aus Sicht des Schweizer Rechts selbst. Die Fragen der Behandlung eines bereits entstandenen Lösungsrechts aufgrund eines schlichten Statutenwechsels74 und der Veräußerungsbeständigkeit des Lösungsrechts, für den Fall, dass das zugrunde liegende nationale Recht dies vorsieht,75 sind dabei offen geblieben. Das Lösungsrecht ist dem deutschen Recht nach alledem nicht unbekannt. Historische Vorläufer (oder – soweit Kodifikationen nicht umgesetzt wurden – Vorschläge) im heutigen Anwendungsgebiet des BGB sahen ein Lösungsrecht vor, wenngleich es trotz einiger Diskussionen weder direkt noch indirekt im Wege schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche Eingang ins BGB selbst gefunden hat. Landesrechtliche Lösungsrechte sind heute noch möglich, aber praktisch unbedeutend. Weiterhin ist das Lösungsrecht kollisionsrechtlich für deutsche Gerichte relevant, wenn es um die Beurteilung ausländischer Lösungsrechte an in Deutschland befindlichen oder (weiter-)veräußerten Sachen geht.

II. Das französische Lösungsrecht nach Art. 2277 C.c. Das französische Lösungsrecht des Art. 2277 C.c. eignet sich besonders zur vergleichenden Betrachtung, da es, anders als die vorgenannten deutschen Beispiele, noch kein abgeschlossenes Kapitel der Rechtsgeschichte darstellt, sondern von 1804 bis heute geltendes Recht ist. 1. Grundsätzliches zum Lösungsrecht gem. Art. 2277 C.c. Die Tatbestandsmerkmale des Lösungsrechts gem. Art. 2277 C.c. wurden im Zusammenhang mit dem Grundsystem des gutgläubigen Erwerbs nach dem französischen Code civil bereits dargestellt.76 Es handelt sich um ein Recht im Sinne der oben zunächst geschilderten Konstellation, das durch seine konkrete Einbettung in das Gesamtsystem eine Privilegierung des Er74

Vgl. dazu oben Teil 3, 1. Kapitel Fn. 70. Karrer (S. 84 f.) plädiert hier für eine kumulative Anwendung der lex rei sitae zur Zeit des Erwerbs und der lex rei sitae zur Zeit der Weiterveräußerung an den sog. Nachmann. Nur wenn nach beiden Rechtsordnungen der Nachmann geschützt sei, soll insoweit eine Veräußerungsbeständigkeit gegeben sein. Der Schutz durch die Rechtsordnung, die auf die Weiterveräußerung Anwendung finde, sei notwendig, da ein entstandenes Lösungsrecht nicht reallastartig mit der Sache verbunden sei. Die Gewährung eines veräußerungsbeständigen Lösungsrechts nach der lex rei sitae zur Zeit des vorangegangenen Erwerbs sei erforderlich, denn sonst fehle dem nunmehr anwendbaren Sachstatut „der Anlass, auf Kosten des wahren Eigentümers den dortigen Handelsverkehr in einem Ausmaß zu begünstigen, das der ortszuständige Gesetzgeber nicht für nötig gehalten habe.“ 76 Vgl. oben S. 64 ff. 75

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werbers bewirkt. Nach Art. 2276 Abs. 2 C.c. ist ein gutgläubiger Erwerb einer gestohlenen oder verlorenen Sache für drei Jahre ausgeschlossen.77 Hat der Erwerber die Sache allerdings auf einer Messe, einem Markt oder bei einem öffentlichen Verkauf, oder von einem Kaufmann, der mit dergleichen Sachen handelt, gekauft, kommt während dieser drei Jahre das Lösungsrecht aus Art. 2277 Abs. 1 C.c. zum Tragen. Nicht zuletzt durch die Beschränkung auf diesen Dreijahreszeitraum erklärt sich die vergleichsweise geringe Anzahl an Entscheidungen französischer Gerichte zu dieser über 200 Jahre alten Norm. Das Lösungsrecht ist an die in Art. 2277 Abs. 1 C.c. genannten besonderen Verkaufssituationen gebunden. Privilegiert werden folglich nur jene Erwerber, die in einer der dort genannten Verkaufssituationen erwerben. Die Attraktivität dieser Verkaufsformen wird dadurch gesteigert.78 Dies war auch so beabsichtigt. So nennen die Gesetzgebungsmaterialien als Grund für die Einführung des Art. 2277 C.c. die Handelsinteressen: „intérêt du commerce exige que celui qui possède à ce titre ne puisse être évincé sans indemnité“.79 Die Interessen der Landwirtschaft und die damals existierende Gewohnheit, sich den Kaufpreis erstatten zu lassen, wurden nur ergänzend angeführt.80 Es werden somit primär die Händler geschützt, die die genannte Art von Geschäften betreiben („Handel mit dergleichen Sachen“) bzw. es werden die Institutionen Markt, Messe, öffentlicher Verkauf geschützt.81 Ein Parallelmarkt mit heimlichen Geschäften verdiene keinen Schutz.82 Der dadurch bewirkte Erwerberschutz ist mehr ein Reflex der Privilegierung dieser Handelsformen. Entsprechend wird der individuelle Aspekt zur Erklärung des Art. 2277 C.c. nur zusätzlich herangezogen.83 In einer solchen regelmäßigen, öffentlichen und dem Wettbewerb unterworfenen Verkaufssituation84 kann der Erwerber die un-

77

Für die Einzelheiten zu Art. 2276 Abs. 2 C.c. vgl. oben S. 61 ff. Vgl. zum genauen Umfang der Privilegierung und den Auswirkungen auf weitere Veräußerungsvorgänge insb. unten S. 301 ff. 79 Bigot-Préameneu in seiner Präsentation des Gesetzentwurfs des Code civils gegenüber der Gesetzgebenden Versammlung (Corps legislatif) in den Materialien zum Code civil, Fenet, 15. Band, 20. Titel, S. 600. 80 Goupil-Préfeln bei seiner Rede vor der Gesetzgebenden Versammlung (Corps législatif) nach der Stellungnahme des Tribunal, wiedergegeben in den Materialien zum Code civil, Fenet, 15. Band, 20. Titel, S. 609. 81 So auch Cornu, Les biens, Rdnr. 121, der betont, dass es um den Schutz spezieller Handelsformen geht: „Derrière l’acquéreur, c’est, pour l’intérêt public, un genre de commerce qui est protégé“. 82 Cornu, Les biens, Rdnr. 121. 83 Malaurie/Aynès, Nr. 584; Terré/Simler, Rdnr. 441. 84 Vgl. zu den allgemeinen Kriterien der Situationen oben S. 65 ff. 78

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ehrliche Herkunft der Sache nicht vermuten, so dass er mit einem verstärkten guten Glauben handelt.85 Die vom Eigentümer zu zahlende Lösungssumme ist der Kaufpreis, den der Erwerber an den Veräußerer gezahlt hat. Hinzu kommt die Erstattung bestimmter Kosten und Aufwendungen.86 Regelmäßig wird ein Eigentümer daher aus zwei Gründen dazu veranlasst, sein Eigentum herauszuverlangen. Einer dieser Gründe ist wirtschaftlicher, der andere persönlicher Natur.87 Unter ökonomischen Gesichtspunkten wird der Eigentümer sein Lösungsrecht geltend machen, wenn der objektive Wert der Sache größer ist als der vom Erwerber gezahlte Kaufpreis. Dies kann aufgrund eines von vornherein niedrigen Kaufpreises der Fall sein, oder aber weil ohne Zutun des Erwerbers, bspw. durch Marktvorgänge, eine Wertsteigerung eingetreten ist.88 In der Literatur wird davon ausgegangen, dass in den meisten Fällen der zu erstattende Kaufpreis dem Wert der Sache entspricht.89 Aus persönlichen Gründen wird der Eigentümer das Lösungsrecht geltend machen, wenn er gerade an dieser konkreten Sache ein besonderes Interesse hat, z.B. weil es sich um ein Erinnerungsstück handelt.90 Denkbar ist zudem, dass die Sache gerade für den Erwerber einen (subjektiv) größeren ökonomischen Wert besitzt, z.B. weil die Sache individuell auf seine Bedürfnisse abgestimmt ist. Liegt also eine Situation des Art. 2277 Abs. 1 C.c. vor und übt der Eigentümer sein Lösungsrecht aus, so erhält er die Sache zurück. Eine Rückübereignung ist nicht notwendig, da er das Eigentum nicht verloren hat. Allerdings muss er dafür dem Erwerber den Preis zahlen, den dieser für seinen Erwerb gezahlt hat. Der Eigentümer hat die Sache wieder, aber auch den wirtschaftlichen Schaden in Höhe der erstatteten Kaufpreissumme. Der Erwerber hat zwar die Sache nicht mehr, dafür aber den von ihm gezahlten Kaufpreis zurückerhalten. 2. Die Folgen des Lösungsrechts: Ausgleichsansprüche und Risikotragung Wie bereits mehrfach dargestellt, wird durch ein Lösungsrecht der andernfalls automatische Zusammenhang zwischen der Entscheidung über das 85 Ledieu, S. 134 f.; Moldoveanu, S. 133 f.; Carbonnier, Biens, Nr. 231; es handelt sich um einen verzeihbaren Fehler des Erwerbers, der zudem noch offensichtlich mit gutem Glauben handelt; Cabassol, S. 97. 86 Vgl. hierzu bereits oben S. 68 ff. 87 Vgl. auch Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 276; Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 122; Terré/Simler, Rdnr. 441. 88 Terré/Simler, Rdnr. 441. 89 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1557. 90 Terré/Simler, Rdnr. 441.

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Eigentum und der Entscheidung über die Tragung des Ausfallrisikos durchbrochen. Gleichzeitig wurde oben davon ausgegangen, dass ein Lösungsrecht die gesamte Abwicklung grundsätzlich komplexer macht als dies ohne Lösungsrecht der Fall wäre. Wie stellt sich nun also die Lage hinsichtlich der Ausgleichsansprüche im französischen Recht dar? a) Ausgleichsansprüche in Konstellationen, in denen ein Lösungsrecht gem. Art. 2277 C.c. nicht eingreift Als Vergleichsmaßstab dient die rechtliche Situation, die sich ergibt, wenn ein Lösungsrecht gem. Art. 2277 Abs. 1 C.c. nicht eingreift. Auch hier sind zwei verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Zum einen kommt ein erfolgreicher gutgläubiger Erwerb gem. Art. 2276 Abs. 1 C.c. (aa) und zum anderen eine entschädigungslose Herausgabepflicht des Erwerbers in Betracht (bb). aa) Ausgleichsansprüche im Falle eines erfolgreichen gutgläubigen Eigentumserwerbs des Erwerbers nach Art. 2276 Abs. 1 C.c. Die Situation stellt sich folgendermaßen dar: Der Erwerber hat das Eigentum an der Sache erlangt. Der Eigentümer hat das Eigentum an der Sache verloren, ohne dafür eine Gegenleistung bekommen zu haben. Er hat einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe des Sachwerts erlitten. Somit hat zunächst nur der Eigentümer Interesse daran, einen Ausgleichsanspruch geltend zu machen. In erster Linie muss sich der Eigentümer dabei an seinen Kontaktpartner (Vertragspartner oder Dieb/Finder) halten. Kommt es zu einem gutgläubigen Erwerb einer gestohlenen oder verlorenen Sache, weil die Dreijahresfrist des Art. 2276 Abs. 2 C.c. verstrichen ist, so hat der Eigentümer gegen den Dieb oder unehrlichen Finder die Möglichkeit, aus Deliktsrecht (Art. 1382 C.c.) vorzugehen. Dieser Anspruch ist jedoch häufig illusorisch, da praktisch nicht realisierbar.91 Wenn kein Fall der verlorenen oder gestohlenen Sache vorliegt, steht der Eigentümer mit dem (ersten) Veräußerer regelmäßig in vertraglichen Beziehungen. Hierfür kommt eine Vielfalt von Verträgen in Betracht (Verwahrung, Auftrag, Miete).92 Auf der Basis des jeweiligen Vertrags kann der Eigentümer dann nach dem französischen Recht gegen den (ersten) Veräußerer vorgehen. Bei Veräußerungsketten kommt auch ein Vorgehen gegen weitere Veräußerer in Betracht und zwar dann, wenn zuvor noch 91

Terré/Simler, Rdnr. 442. Siehe hierzu bereits oben bei der Erläuterung der Ausgangslage, S. 22. Sollte die Konstellation der Verfügung durch einen Nichtberechtigten überhaupt erst durch einen nichtigen Vertrag entstehen, bei dem eine gewollte Eigentumsübertragung scheitert, so liegt zumindest ein beabsichtigter Vertrag vor. 92

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kein gutgläubiger Erwerb stattgefunden hat, bspw. wenn der Zweitveräußerer bei seinem Erwerb selbst bösgläubig war. Veräußert er die Sache anschließend an einen gutgläubigen Erwerber, so dass erst dadurch der Eigentumsverlust des Eigentümers eintritt, so kann der Eigentümer auf der Basis des französischen Deliktsrechts (Art. 1382 f. C.c.) gegen den Zweitveräußerer vorgehen, was ein schuldhaftes Handeln im Sinne der französischen „faute“ (Art. 1383 C.c.) desselben voraussetzt. Im Falle eines erfolgreichen gutgläubigen Erwerbs spielt sich der Ausgleich also im Wesentlichen zwischen dem Eigentümer und seinem Kontaktpartner ab. Da der Erwerb des gutgläubigen Erwerbers voll wirksam ist, entstehen diesem keinerlei Nachteile mit der Ausnahme, dass er seinen gutgläubigen Erwerb möglicherweise in einem Prozess darlegen muss. Sämtliche Schäden entstehen nur beim Eigentümer. Die Abwicklung ist vergleichsweise unkompliziert und betrifft zentral den Eigentümer und die mit ihm tatsächlich verbundenen Personen. bb) Ausgleichsansprüche im Falle eines gescheiterten gutgläubigen Erwerbs ohne das Recht, die Erstattung der Kaufpreissumme zu verlangen Scheitert ein gutgläubiger Eigentumserwerb, etwa weil die Voraussetzungen des Art. 2276 Abs. 2 C.c. gegeben sind, oder der Erwerber bösgläubig ist, so stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Der Eigentümer hat weiter das Eigentum an der Sache inne und kann diese vom Erwerber herausverlangen. Sind zudem die Voraussetzungen des Lösungsrechts gem. Art. 2277 C.c. nicht erfüllt, so bekommt der Erwerber seinen Kaufpreis nicht vom Eigentümer erstattet. Der Eigentümer hat somit seine Sache wieder und der Erwerber hat durch die kompensationslose Herausgabe zunächst einen Schaden erlitten. Dieser besteht im Verlust des Werts der Sache, der regelmäßig in etwa dem gezahlten Kaufpreis entsprechen wird. Zudem können ihm durch die Herausgabe der Sache weitere Schäden entstanden sein, so z.B. Nutzungsausfallkosten, Vertragskosten etc. Trotz der Rückerlangung der Sache können auch dem Eigentümer weitere Schäden entstanden sein, bspw. Nutzungsausfall, Wertminderung oder Sachverfolgungskosten. Der Erwerber muss sich für die Geltendmachung seiner Schäden an seinen Vertragspartner halten. Aufgrund des zwischen ihm und dem Veräußerer bestehenden Rechtsgeschäfts sollte es zur Übereignung der Sache kommen. Der Eigentumsübergang ist jedoch fehlgeschlagen und der Erwerber musste die Sache wieder herausgeben. Auch hier kommen wieder zahlreiche verschiedene Rechtsgeschäfte (Kauf, Schenkung) in Betracht, aufgrund derer der Erwerber das Eigentum erwerben sollte. Im Falle des Art. 2276 Abs. 2 C.c. bleiben die Rechte des Erwerbers gegen den Veräußerer ausdrücklich weiter erhalten, Art. 2276 Abs. 2 HS. 2 C.c.

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Nimmt man den häufigen Fall eines Kaufvertrags zwischen Veräußerer und Erwerber als Beispiel,93 so kann der Erwerber aufgrund der französischen Rechtsmängelhaftung als „acheteur évincé“ auf der Basis einer „garantie d’éviction“ gem. Art. 1626, 1630 Nr. 1 C.c. den gezahlten Kaufpreis von seinem Veräußerer zurückverlangen und gem. Art. 1626, 1630 Nr. 2 – Nr. 4 C.c. seine weiteren Schäden, insbesondere Vertragkosten etc. geltend machen.94 Dieser Anspruch kann auch von einem bösgläubigen Erwerber geltend gemacht werden.95 Liegt eine Veräußerungskette vor, so muss der ersatzpflichtige Veräußerer sich seinerseits an seinen Veräußerer wenden und ebenfalls auf der Basis der Rechtsmängelhaftung gem. Art. 1626, 1630 C.c., die ihm entstanden Schäden geltend machen. Dem Eigentümer bleibt zum Ersatz seiner weiteren Schäden das Vorgehen auf deliktsrechtlicher Basis gegen den Dieb und den Finder oder auch einen fehlerhaft handelnden Veräußerer. Die Hauptschäden in Höhe des Sachwerts treten beim Erwerber ein. Dieser muss mit seinem Veräußerer rückabwickeln. Der Eigentümer muss seine zusätzlichen Schäden mit seiner Kontaktperson abwickeln. b) Ausgleichsansprüche in Konstellationen, in denen ein Lösungsrecht gem. Art. 2277 C.c. gegeben ist Wie stellt sich nun die Situation dar, wenn Art. 2277 C.c. eingreift? Dabei liegt zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer immer ein Kaufvertrag vor, der im Rahmen einer der privilegierten Konstellationen abgeschlossen wurde. Ein Sonderproblem ergibt sich aus der eingangs geschilderten Rechtsprechung der französischen Gerichte, wonach die nachträgliche Geltendmachung eines Lösungsrechts ausgeschlossen ist, wenn der Erwerber freiwillig die possession zugunsten des Eigentümers verloren hat.96 Demnach ist im Rahmen der Ausgleichsansprüche im französischen Recht zu unterscheiden zwischen den Situationen, in denen es tatsächlich zu der Erstattung der Kaufpreissumme durch den Eigentümer gekommen ist (aa) und den Situationen, in denen zwar eigentlich die Merkmale des Art. 2277 Abs. 1 C.c. erfüllt waren, es aber aufgrund einer „dépossession volontaire“ nicht zur Zahlung einer Lösungssumme kam (bb). Die sachenrechtliche Situation ist dabei in beiden Fällen die gleiche. Ein Eigentumserwerb des Erwerbers scheitert an Art. 2276 Abs. 2 C.c., so dass der Eigentümer in jedem Fall weiter das Eigentum an der Sache innehat. 93

Wobei im Rahmen dieser Konstellation dann davon auszugehen ist, dass dieser nicht im Rahmen einer im Art. 2277 C.c. genannten Verkaufssituation stattfindet. 94 Paris, 03.01.1951, D. 1951, 456, 458. Vgl. Terré/Simler, Rdnr. 444. 95 Terré/Simler, Rdnr. 444. 96 Vgl. hierzu S. 75 ff.

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aa) Tatsächliche Erstattung des Kaufpreises durch den Eigentümer Diese Situation entspricht dem in Art. 2277 Abs. 1 C.c. zugrunde gelegten Regelfall. Der Eigentümer hat dem Erwerber den Kaufpreis erstattet, um die Sache wieder zu erlangen. Er hat nun zwar seine Sache zurück, wirtschaftlich aber einen Schaden, der vom Kaufpreis abhängt, den der Erwerber an den Veräußerer gezahlt hat. Wirtschaftlich betrachtet musste der Eigentümer seine Sache zurückkaufen.97 Auch beim Erwerber sind trotz der Kaufpreiserstattung weitere Schäden möglich. (1) Weitere Ansprüche des Erwerbers Art. 2276 Abs. 2 C.c. hält die Rechte des Erwerbers gegen den Veräußerer ausdrücklich aufrecht. In Betracht kommt hier zunächst wieder die kaufrechtliche Rechtsmängelhaftung eines „acheteur évincé“ nach den Regeln der „garantie d’éviction“ (Art. 1626, 1630 C.c.).98 Hat der Erwerber durch die Verpflichtung zur Herausgabe einen Schaden erlitten, der durch die Erstattung des Kaufpreises nicht kompensiert werden konnte, so kann er diesen gegenüber seinem Veräußerer geltend machen. Auch wenn eine Situation des Art. 2277 C.c. vorliegt, ist somit nicht jeder Rückgriff gegen seinen Veräußerer ausgeschlossen.99 Bei den Ansprüchen ist zu trennen zwischen der Rückzahlung des Kaufpreises und der Geltendmachung sonstiger Schäden (Schadensersatz, Vertragskosten, sonstige Kosten).100 Der Anspruch gegen den Veräußerer auf Rückzahlung des Kaufpreises entsteht gar nicht erst, da der Kaufpreis gem. Art. 2277 C.c. durch den Eigentümer erstattet wird.101 Es bleiben dem Erwerber aber noch die Ansprüche auf Ersatz der Kosten (Art. 1630 Nr. 3) und auf Schadensersatz, einschließlich des Ersatzes der Vertragskosten (Art. 1630 Nr. 4 C.c.).102 Außer der Erstattung der Kaufpreissumme kann der Erwerber keine weiteren Ansprüche gegen den Eigentümer geltend machen. Art. 2277 C.c. ist ausdrücklich auf den Kaufpreis beschränkt. Ein weiteres schuldhaftes anspruchsbegründendes Verhalten des Eigentümers gegenüber dem Erwerber ist schwer vorstellbar.103

97

Cornu, Les biens, Rdnr. 121: „le propriétaire doit racheter sa chose.“ Siehe auch Malaurie/Aynès, Nr. 584; Terré/Simler, Rdnr. 444. 99 Tribunal civil de la Seine, 07.02.1951, D. 51, 465. 100 CA Paris, 03.01.1951, D. 1951, 456, 458. 101 Voirin, Anmerkung zu Cass. civ. v. 26.11.1956, JCP 1957, II, 9919. 102 Tribunal civil de la Seine, 07.02.1951, D. 51, 465. 103 Überlegenswert wäre der Fall, in dem der Eigentümer fahrlässigerweise den Diebstahl ermöglicht, was letztlich (nach einigen Zwischenstationen) zum Schaden des Erwerbers führt. Da nach dem französischen Deliktsrecht auch reine Vermögensschäden grundsätzlich erstattungsfähig sind, wäre ein solcher Anspruch theoretisch vorstellbar. 98

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Der Erwerber hat zudem Schadensersatzansprüche gegen den Dieb oder schuldhaft handelnden Finder aus Deliktsrecht. Ist der Wert der Sache im Moment der Herausgabe höher als der erstattete Kaufpreis, so kann er die Differenz vom Dieb verlangen. Die Erfolgsaussichten dieses Anspruchs sind, wie bereits mehrfach erläutert, sehr zweifelhaft.104 (2) Ansprüche des Eigentümers Der Eigentümer musste dem Erwerber den Kaufpreis erstatten. Er begehrt somit in erster Linie die Erstattung dieser Summe. Vom Erwerber kann er diese nicht verlangen, da er diesem gegenüber ja gerade zur Zahlung der Summe verpflichtet war. Als Anspruchsgegner kommen für ihn in erster Linie der Veräußerer und mögliche weitere Veräußerer im Rahmen von zuvor erfolgten Veräußerungen in Betracht. Es wird hier sehr häufig vom Dieb oder Finder ausgehend eine Konstellation der Veräußerungskette vorliegen, da der Erwerber bei Art. 2277 C.c. seinen Erwerb im Rahmen eines regelmäßigen Geschäftsvorgangs getätigt hat und nur in Ausnahmefällen anzunehmen ist, dass der Veräußerer die Sache selbst gestohlen oder gefunden hat.105 Der zur Herausgabe verpflichtete Erwerber ist in diesen Fällen das letzte Glied einer längeren Veräußerungskette. Rechtlich relevant sind somit die Ansprüche gegen die vorangegangenen Veräußerer, die selbst die Sache nicht gestohlen oder gefunden haben. Zunächst kommen wieder deliktsrechtliche Ansprüche in Betracht (a). Da diese aber ein Verschulden des Anspruchsgegners voraussetzen, werden auch Ansprüche aus einem gesetzlichen Forderungsübergang (b), Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (c) und Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (d) diskutiert. (a) Deliktsrechtliche Ansprüche Der Eigentümer kann im Rahmen dieser Konstellation gegen jeden vorgehen, durch dessen schuldhaftes (i.S.d. der französischen faute) Handeln er einen Schaden erlitten hat, Art. 1382 C.c.106 Im französischen Recht reicht dabei ein allgemeiner Vermögensschaden aus. Schuldhaft handelt auch ein

Allerdings sind dazu keine Stellungnahmen der Gerichte oder der französischen Literatur ersichtlich. 104 Vgl. auch Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 136. 105 Zu Veräußerungsketten vgl. u.a. die unten dargestellten neueren Entscheidungen Cass. civ. v. 07.11.1995, Az. P 93-15.840, Jurisdatanr. 1995-003081; Cass. civ., 13.01. 1998, Az. Nr. 96-10.324, Jurisdatanr. 1998-000254; Cass. civ., 03.12.2003, JCP G 2004, G, IV, 1224. 106 Cass. civ., 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 131; Planiol/Ripert/Picard, Traité pratique, Nr. 397; Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1558.

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Zwischenerwerber, der sich der Herkunft der Sache bewusst war oder der bezüglich der Herkunft der Sache hätte Zweifel haben müssen.107 Ein deliktischer Anspruch gegen gutgläubig und sonst schuldlos handelnde Veräußerer und Zwischenveräußerer ist hingegen ausgeschlossen. Da in vielen Fällen mangels faute des Veräußerers ein deliktsrechtlicher Anspruch ausgeschlossen ist, werden weitere Rechtsinstitute zur Geltendmachung der Ansprüche bemüht. (b) Ansprüche gegen den Veräußerer aufgrund Forderungsübergangs vom Erwerber auf den Eigentümer Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist Art. 2276 Abs. 2 C.c., der in seinem Halbsatz 2 die Ansprüche des Erwerbers gegen den Veräußerer ausdrücklich unberührt lässt. Schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 2276 Abs. 2 C.c. stehen diese Ansprüche allerdings nur dem Erwerber und nicht dem erstattenden Eigentümer zu. Möglicherweise könnte der Eigentümer durch die Erstattung der Kaufpreissumme aber die gewährleistungsrechtlichen Ansprüche des Erwerbers gegen den Veräußerer erworben haben. Dementsprechend wird diskutiert, ob durch die Kaufpreiserstattung nicht ein gesetzlicher Forderungsübergang nach Art. 1251 Nr. 3 C.c. (subrogation) stattgefunden hat. Dabei wird argumentiert, dass der Eigentümer durch die Erstattung des Kaufpreises in Wirklichkeit eine Schuld des Verkäufers erfülle und er folglich die Rechtsposition des von ihm entschädigten Erwerbers einnehme.108 Auch dies wird jedoch durch die Rechtsprechung abgelehnt. Aus den Art. 2276, 2277 und 1251 C.c. lässt sich kein Prinzip zur Erstattung des Kaufpreises entnehmen.109 Art. 1251 Nr. 3 C.c. setzt nämlich die Begleichung einer Schuld voraus, die einem anderen obliegt oder dem Erfüllenden zumindest gemeinsam mit anderen obliegt. Die zentrale Frage ist somit, ob die Erstattung der Kaufpreissumme aufgrund Art. 2277 Abs. 1 C.c. die Erfüllung einer Forderung darstellt, die dem Erwerber gegen den Veräußerer zusteht. Dann würde der Eigentümer nach Art. 1251 Nr. 3 C.c. in der Tat die Forderung erwerben. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die dem Erwerber vom Eigentümer geschuldete Leistung ist eine andere als die dem Erwerber vom Verkäufer aufgrund der Rechtsmängelhaftung geschuldete Leistung.110 Die beiden Verpflichtungen sind nicht gleich; vielmehr schließt die Erfüllung der ei107 Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 137; Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 105. 108 Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 273 f. 109 Cass. civ., 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 131. 110 U.a. Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 273 f.; Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 138.

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nen Verpflichtung das Fortbestehen der anderen aus. Damit besteht genau die gegenteilige Situation wie sie Art. 1251 Nr. 3 C.c. voraussetzt.111 Die Verpflichtung des Eigentümers nach Art. 2277 C.c. besteht als eigene Verpflichtung aus Gründen des Verkehrsschutzes und die Erfüllung dieser Verpflichtung führt nicht zum Erlöschen der Rechtmängelhaftung des Veräußerers. Vielmehr hindert die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung aus Art. 2277 C.c. bereits das Entstehen dieses Teiles der Veräußererhaftung.112 Weitgehend stimmt das französische Schrifttum dieser Lösung zu. Mit beachtlichen Argumenten trägt jedoch Savatier seine Kritik vor. Er stützt sich dabei auf den Sinn der Regelungen der Art. 2276 Abs. 2, 2277 C.c. Der Gesetzgeber habe sich bei gestohlenen und verlorenen Sachen durch Art. 2276 Abs. 2 C.c. dafür entschieden, im Grundsatz den Eigentümer zu schützen, indem dieser sein Eigentum behält und der Erwerber für drei Jahre das Ausfallrisiko der Rückgriffsforderung zu tragen hat. Die gesetzgeberische Entscheidung würde ihres Sinnes beraubt, wenn der nach Art. 2277 C.c. privilegierte Verkauf der Sache durch den (Zwischen-)Erwerber genügen würde, um diese Gefahr doch wieder dem Eigentümer zuzuweisen und den (Zwischen-)Erwerber vor jeglichen Ansprüchen des Eigentümers zu schützen.113 Auch Art. 2277 C.c. ändere daran nichts. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine eng zu interpretierende Ausnahmevorschrift der Grundregel des Art. 2276 Abs. 2 C.c. für gestohlene und verlorene Sachen,114 deren Sinn und Zweck es sei, den Erwerber zu privilegieren, der in einer dort beschriebenen öffentlichen Verkaufssituation erwirbt. Dem Käufer und nicht dem Verkäufer soll die Sicherheit und der Schutz gewährt werden.115 Dem Veräußerer, der diese Privilegierung nicht verdiene, ebenfalls diesen Schutz zugute kommen zu lassen, bedeute eine Verkennung des Sinns und Zwecks der Regelung und würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass das Opfer des Diebstahls (Eigentümer) belastet würde, obwohl der Gesetzgeber dieses über Art. 2276 Abs. 2 C.c. gerade schützen wollte.116 Art. 2277 C.c. soll nach Savatier den Erwerber durch den direkten Anspruch gegen den Vindikationsgläubiger schützen, aber dadurch nicht den in Art. 2276 Abs. 1 und Abs. 2 C.c. niedergelegten grundsätzlichen Inte111

Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 274. Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 138. 113 Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130; dies erkennt auch Gégout an, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 274, der aber die Voraussetzungen für einen gesetzlichen Forderungsübergang nach Art. 1251 Nr. 3 C.c. als nicht gegeben ansieht. 114 CA Paris, 07.02.1950, D. 1951, 456, 457. 115 Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130. 116 Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130. 112

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ressenausgleich beeinträchtigen. Das wirtschaftliche Risiko solle weiterhin von dem Erwerber, der selbst nicht unter den Konditionen des Art. 2277 C.c. erworben hat, getragen werden.117 In der Auslegung der Cour de Cassation diene Art. 2277 C.c. nach Savatiers Meinung dazu, das Handeln der häufig zwielichtigen Gebrauchtwarenhändler folgenlos sein zu lassen.118 Diese müssten nur in aller Eile die Sache weiterverkaufen, um vor den Ansprüchen des Eigentümers geschützt zu sein. Zwar müssen die Veräußerer auch gutgläubig sein und dürfen auch sonst nicht schuldhaft gehandelt haben, aber dies sei sehr schwer nachzuweisen.119 Der Ansatz Savatiers ist in sich überzeugend und konsequent, gibt aber insbesondere der Vorschrift des Art. 22277 C.c. einen Sinn und Zweck, den sie nach dem Gesetzgeber (in der Auslegung der überwiegenden Anzahl der Betrachter) nicht hat. Art. 2277 C.c. soll über den Weg der Erwerberprivilegierung gerade den veräußernden Handelsverkehr schützen. Das Ergebnis lässt sich zudem aus den existierenden konkreten Rechtsvorschriften nur schwer herleiten (vgl. insbesondere die Darstellung zu den Voraussetzungen des Art. 1251 Nr. 3 C.c.).120 (c) Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung In Betracht kommen weiterhin Ansprüche des Eigentümers gegen den Veräußerer aus ungerechtfertigter Bereicherung („actio de in rem verso“, „enrichessement sans cause“) Diese erfassen jedoch nur den Veräußerungsgewinn, den der Verkäufer aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis erzielt. Schon aus diesem Grund kann dies für den Eigentümer nur ein unbefriedigender Anspruch sein. 121 Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, der nach dem französischen Recht zudem subsidiär zu anderen Ansprüchen ist, setzt dabei u. a. voraus, dass ein rechtlicher Grund für diese Bereicherung fehlt.122 Nach der französischen Rechtsprechung stellt der Kaufvertrag zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer allerdings einen Rechtsgrund für den Veräußerungsgewinn dar, da dieser sich aus dem regulären Vorgang des normalen Geschäftsablaufs 117

Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130. Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130. 119 Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130. 120 In diesem Sinne ähnlich Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 273, der zugibt, dass ein Interesse des Eigentümers gegen den Veräußerer vorzugehen gegeben sein kann, dass die Prinzipien des gesetzlichen Forderungsübergangs aber keine Rechtfertigung eines solchen Forderungsübergangs ermöglichen. 121 Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 274; Mourmant, S. 78 f.; anderer Ansicht hierzu Savatier, Anmerkung zu Cass .civ. v., 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130. 122 Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 274 f. Vgl. dort auch zu den weiteren hier weniger problematischen Voraussetzungen. 118

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ergibt.123 Durch den Rückgriff des Gerichts auf den regelmäßigen Geschäftsverlauf kann im Einzelfall ein Anspruch gegeben sein, wenn ein solcher regelmäßiger Geschäftsverlauf nicht mehr vorliegt, bspw. bei einem sehr hohen Gewinn. (d) Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag Weiterhin werden im französischen Recht Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (gestion des affaires) – bislang erfolglos – diskutiert. Einem solchen Anspruch wird nämlich zum einen entgegen gesetzt, dass der Eigentümer durch die Erstattung des Kaufpreises kein Geschäft des Veräußerers vorgenommen habe, da der Eigentümer bei der Zahlung gem. Art. 2277 C.c. im eigenen Interesse handle.124 Der Veräußerer habe durch den Verkauf der Sache ebenfalls kein Geschäft des Eigentümers vorgenommen, was eine Herausgabe des Erlangten zur Folge haben könnte. Der Veräußerer hat keinen Willen zur Führung eines fremden Geschäfts, denn er glaubt als Eigentümer zu handeln und nicht für jemand anderen.125 Im Ergebnis bleibt es also dabei, dass der einzige Anspruch des Eigentümers zur Rückerlangung der erstatten Kaufpreissumme aus dem Deliktsrecht resultiert.126 (3) Ansprüche des Veräußerers gegen die vorherigen Veräußerer im Rahmen von Veräußerungsketten und gegen den Dieb bzw. Finder Jeder Veräußerer der selbst zum Schadensersatz aufgrund Rechtsmängelhaftung verpflichtet ist, kann diesen Schaden wieder auf vertraglicher Grundlage gegenüber seinem Veräußerer geltend machen. bb) Rückerlangung der Sache durch den Eigentümer ohne Erstattung des Kaufpreises Diese Sonderkonstellation resultiert aus der oben geschilderten Rechtsprechung, wonach der Erwerber sein Recht auf Erstattung der Kaufpreissum123

Cass. civ., 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 131. Diesem Ansatz tritt Savatier mit dem Argument entgegen, dass aus einem Kaufvertrag über gestohlene Sachen kein Rechtsgrund erwachsen könne. Der Veräußerer einer gestohlenen Sache habe kein Recht an der Sache und bekomme auch durch die Veräußerung kein Recht daran, so dass er auch hinsichtlich des Kaufpreises kein Recht erlange (Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 129 f.). 124 Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 275. 125 Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 275. Im Übrigen würde sich auch dieser Anspruch nur auf den Gewinn des Veräußerers beziehen, da dieser die Einkaufssumme abziehen könnte. Beim Einkauf wäre er dann als Geschäftsführer für den Eigentümer anzusehen, Mourmant, S. 74 f. 126 Mourmant, S. 87, die dieses Ergebnis rechtspolitisch kritisiert.

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me verliert, wenn der Eigentümer die Sache aufgrund einer freiwilligen Aufgabe der possession (dépossession volontaire) des Erwerbers wieder zurückerlangt hat. Liegt eine dépossession volontaire seitens des Erwerbers vor, so hat dies weitere Konsequenzen auf die Ausgleichsansprüche. Möchte der Erwerber nämlich nun seine Gewährleistungsansprüche (Rechtsmangel) gegen den Veräußerer geltend machen, so stellt sich die Frage, ob der Veräußerer dem Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises aus Art. 1630 Nr. 1 C.c. entgegenhalten kann, dass der Erwerber es versäumt habe, sein Recht aus Art. 2277 C.c. gegenüber dem Eigentümer geltend zu machen. Tatsächlich verweigert die Cour de Cassation den Rückgriff des Erwerbers gegen den Veräußerer, wenn der Erwerber es schuldhaft versäumt hat, sein Lösungsrecht aus Art. 2277 Abs. 1 C.c. gegen den Eigentümer geltend zu machen. So wird die freiwillige Rückgabe der Sache ohne Geltendmachung des Art. 2277 C.c. durch den Erwerber in der Regel als schuldhaftes Handeln angesehen, das nicht zu Lasten des Veräußerers gehen darf. 127 Der Erwerber hat im Falle der Situation des Art. 2277 C.c. bezüglich des Kaufpreises nur einen Schuldner, den Eigentümer.128 Liegt eine freiwillige Herausgabe ohne besondere Umstände vor, so verliert der Erwerber dadurch das Recht aus Art. 2277 C.c. gegen den Eigentümer und die vertraglichen Ansprüche gegen den Veräußerer.129 Letztlich liegt dies in dem dem Lösungsrecht zuerkannten Sinn und Zweck begründet und stellt eine konsequente Fortsetzung des durch diese Regelung bezweckten indirekten Schutz des Handelsverkehrs dar. Der Veräußerer einer privilegierten Erwerbssituation soll geschützt werden und nicht der Erwerber. Umgekehrt hat ein Gericht ein schuldhaftes Handeln des Erwerbers verneint und damit einen Anspruch des Erwerbers gegen den Veräußerer bejaht, als der Erwerber die Sache nur auf Druck der Polizei, die diesem keine Wahl ließ, zurückgab.130 Insgesamt sind demnach die konkreten Umstände des Einzelfalls entscheidend. So hat die Cour d’appel Paris eine Erstattungspflicht des Veräußerers gegenüber dem Erwerber mit dem Hinweis bejaht, dass der Veräußerer gegenüber dem Eigentümer nichts gewonnen hätte, wenn der Erwerber sein Lösungsrecht geltend gemacht hätte, da der Eigentümer sich im konkreten Fall seinerseits auf deliktsrechtlicher Grundlage an den Ver-

127

Gégout, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, S. 1931, 1, 273, 274.; Cohendy, Anmerkung zu Lyon, 07.11.1885, D.P. 1888, 2, 41, 41. 128 Cohendy, Anmerkung zu Lyon, 07.11.1885, D.P. 1888, 2, 41, 41. 129 Cass. civ., 07.11.1995, Az. P 93-15.840, Jurisdatanr. 1995-003081. 130 CA Paris, 03.01.1951, D. 1951, 456, 458.

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äußerer hätte halten können. Dieser sei nämlich bösgläubig gewesen.131 In dem einer anderen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt durchlief eine gestohlene Sache eine fünfgliedrige Veräußerungskette, bevor sie an den Eigentümer zurückgelangte.132 Ausgehend vom Letzterwerber war über die Rückzahlungsansprüche zu entscheiden. Das Gericht hat bei allen Veräußerern, mit Ausnahme des Letzterwerbers, jeweils ein Fehlverhalten ausgemacht, da diese es unterlassen hätten, die einfachen und elementarsten Erkundigungen zur Herkunft der Sache einzuholen. Das Gericht entschied daraufhin, dass jeder Veräußerer gegen den jeweiligen Vorveräußerer nur einen um jeweils ein Viertel geminderten Regressanspruch geltend machen kann.133 Drei Entscheidungen aus jüngerer Zeit illustrieren die Anwendung dieser Grundsätze. Dabei zeigt sich die Komplexität der Abwicklung der Rückerstattungs- und Entschädigungsansprüche in solchen Situationen, in denen mehrere Veräußerer im Rahmen einer Veräußerungskette sukzessive über eine gestohlene Sache verfügen. In einer Entscheidung der Cour de Cassation von 1998134 war ein gestohlener Pkw Gegenstand mehrerer Veräußerungen. Veräußerer 1 verkaufte den Pkw an Veräußerer 2 und dieser verkaufte ihn schließlich an den Erwerber. Dort wurde er von den Polizeibehörden sichergestellt. Die vom Erwerber geforderte Rückgabe des Pkw von den Polizeibehörden wurde durch richterlichen Beschluss abgelehnt. Vielmehr ordnete das Gericht die Herausgabe des Pkw an die Versicherung des Eigentümers als dessen Rechtsnachfolgerin an. Der Erwerber verlangte daraufhin von Veräußerer 2 die Rückerstattung des Kaufpreises auf der Grundlage der Rechtsmängelhaftung gem. Art. 1626 C.c. Veräußerer 1 beteiligte sich ebenfalls am Verfahren, da er im Falle des Unterliegens von Veräußerer 2 diesem den Kaufpreis auf der Basis der Rechtsmängelhaftung hätte zurückerstatten müssen. Veräußerer 2 verweigerte die Rückerstattung des Kaufpreises an den Erwerber mit dem Argument, der Erwerber hätte sich anlässlich der Herausgabe den Kaufpreis gem. Art. 2277 C.c. vom Eigentümer erstatten lassen können. Diese Auffassung teilte bereits das Berufungsgericht nicht. Dem Erwerber sei kein Verschulden bei der Geltendmachung des Art. 2277 C.c. vorzuwerfen, da das angerufene Gericht die vom Erwerber beantragte Rück-

131

CA Paris, 03.01.1951, D. 1951, 456, 458. CA Paris, 16.05.1990, D. 1991, Somm., 21. 133 Der Letzterwerber konnte den vollen Kaufpreis von seinem Veräußerer verlangen. Dieser vom vorhergehenden allerdings nur 3/4, letzterer von seinem Veräußerer nur die Hälfte und dieser von seinem Vorgänger nur 1/4. Robert, hat dies als Fall echter verteilender Gerechtigkeit bezeichnet, Anm. zu CA Paris, 16.05.1990, D. 1991, Somm., 21, 22. 134 Cass. civ., 13.01.1998, Az. Nr. 96-10.324, Jurisdatanr. 1998-000254. 132

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gabe abgelehnt habe.135 Somit müsse Veräußerer 2 den Kaufpreis erstatten. Diese Ansicht wurde durch die Cour de Cassation gestützt.136 Die Cour de Cassation ging dabei allerdings nur sehr pauschal auf die Vorgänge ein. Sie wies darauf hin, dass es hier um einen Streit zwischen Erwerber und Veräußerer ging, bei dem dem Erwerber die Sache durch die öffentliche Gewalt weggenommen wurde (acquéreur évincé) und bei dem die Anwendung des Art. 2277 C.c. (direkt) zwischen Erwerber und Veräußerer nicht in Frage kam.137 Diese Entscheidung kann durchaus kritisiert werden. Zwar hatte der Erwerber keine Möglichkeit, sich der Rückgabe selbst zu widersetzen, aber er hätte sich möglicherweise der entschädigungslosen Rückgabe widersetzen können. Es wird leider nicht weiter diskutiert, ob der Eigentümer durch die richterlich veranlasste Verfügung tatsächlich die possession erlangt hat – diese würde zum Ausschluss des Lösungsrechts führen – oder ob der Eigentümer im Einklang mit der oben geschilderten Rechtsprechung138 vielmehr nur détenteur wurde. In letzterem Fall hätte der Erwerber seine possession behalten und somit nach der Rückerlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Eigentümer (détenteur) weiterhin Art. 2277 C.c. geltend machen können.139 Im Prozess zwischen Erwerber und Veräußerer würde dies eine Haftung des Veräußerers zur Rückerstattung des Kaufpreises ausschließen. Eine zweite, ebenfalls nicht unstrittige Entscheidung der Cour de Cassation ist im Jahr 2003 ergangen.140 Erneut war ein gestohlener Pkw Gegenstand mehrerer Veräußerungen. Ein gewerblich handelnder Veräußerer 1 verkaufte das Auto an einen ebenfalls gewerblich handelnden Veräußerer 2. Dieser verkaufte es an einen privaten Erwerber. Nachdem der Pkw bereits veräußert war, bekommt Veräußerer 2 die Mitteilung, dass es sich dabei um einen Pkw handelt, der zuvor gestohlen worden war. Daraufhin heben Veräußerer 2 und der Erwerber den Kaufvertrag über den Pkw einvernehmlich auf. Veräußerer 2 erstattet dem Erwerber den Kaufpreis zurück und erhält im Gegenzug den Pkw zurück. Anschließend übergibt Veräußerer 2 den Pkw an die Versicherung des ursprünglichen Eigen135 CA Versailles, 10.11.1995, Jurisdatanr. 1995-047260, S. 8 f. des Urteils. Dort stellt die Cour d’Appel auch fest, dass der Erwerber keine Möglichkeit gehabt habe, sich der Beschlagnahme zu widersetzen. Ähnlich die Entscheidung der CA Dijon, 30.09.2003, Jurisdatanr. 2003-221844, S. 3. 136 Cass. civ., 13.01.1998, Az. Nr. 96-10.324, Jurisdatanr. 1998-000254. 137 Cass. civ., 13.01.1998, Az. Nr. 96-10.324, Jurisdatanr. 1998-000254. 138 Vgl. oben S. 76 ff. 139 So auch die Begründung des Revisionsklägers (Veräußerer 1), vgl. den angehängten Anschlussrevisionsantrag des Veräußerers 1 bei Cass. civ., 13.01.1998, Az. Nr. 9610.324, Jurisdatanr. 1998-000254, Anhang S. 2 u. 4. 140 Cass. com., 03.12.2003, JCP G 2004, G, IV, 1224.

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tümers (als Rechtsnachfolgerin des bestohlenen Eigentümers) und verlangt die Erstattung seines Kaufpreises von Veräußerer 1 auf der Basis der französischen Rechtsmängelhaftung. Veräußerer 1 verweigert die Kaufpreiserstattung und beruft sich darauf, dass Veräußerer 2 das Auto nicht freiwillig an die Rechtsnachfolgerin des Eigentümers hätte herausgeben dürfen, ohne gleichzeitig das Lösungsrecht aus Art. 2277 Abs. 1 C.c. geltend zu machen. Die Rechtsmängelhaftung von Veräußerer 1 sei aufgrund des Verschuldens des Veräußerers 2 erloschen. Die Cour de Cassation entschied diesen Fall zugunsten von Veräußerer 2. Ein Verschulden von Veräußerer 2 läge nicht vor, da die Voraussetzungen des Art. 2277 C.c. im Moment der Rückgabe des Pkw von Veräußerer 2 an die Versicherung nicht erfüllt gewesen seien. Veräußerer 2 wusste im Moment der Rückerlangung des Fahrzeugs von seinem Erwerber seinerseits nämlich, dass es sich um ein gestohlenes Fahrzeug handelte, so dass Veräußerer 2 nicht mehr die unbestrittene possession (mangelfreie possession) erlangen konnte.141 Veräußerer 2 konnte selbst also Art. 2277 C.c. nicht mehr gegenüber dem Eigentümer geltend machen. Daher kann er weiterhin die Rückerstattung auf der Basis der Rechtsmängelhaftung von seinem Veräußerer fordern. Veräußerer 1 musste den Kaufpreis an Veräußerer 2 zurückerstatten. Im Lichte der vorangegangenen Rechtsprechung ist diese Entscheidung zumindest bemerkenswert, denn man hätte hier Veräußerer 2 durchaus vorhalten können, dass er nicht verpflichtet gewesen sei, mit dem Erwerber eine freiwillige Aufhebungsvereinbarung zu schließen. Der Erwerber hätte nämlich seinerseits Art. 2277 C.c. gegenüber dem Eigentümer bzw. der Versicherung geltend machen können. Das Verhalten von Veräußerer 2 mag aus einer Vielzahl von Gründen nachvollziehbar sein (Reputation, Kundenpflege etc.), aber es wäre auf der Basis der vorherigen Rechtsprechung auch nicht überraschend gewesen, wenn die Cour de Cassation im Verhalten von Veräußerer 2 ein schuldhaftes Handeln erblickt hätte, das zum Ausschluss des Rückerstattungsanspruchs gegen Veräußerer 1 geführt hätte.142 Wiederum in eine andere Richtung geht eine Entscheidung der Cour de Cassation aus dem Jahr 2007.143 Hier hatte ein Erwerber eines gestohlenen Kfz an die Versicherung (als Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Eigentümers) zur Abwendung der Vindikation eine Summe von EUR 10.000 141

So die Begründung der Cour de Cassation in Cass. com., 03.12.2003, JCP G 2004, G, IV, 1224. In diesem Fall hätte man jedoch auch die Gutgläubigkeit oder die possession selbst, die einen animus domini voraussetzt, verneinen können. 142 Im Urteil selbst geht die Cour de Cassation auf diesen Aspekt nicht ein. Die französische Literatur hat sich zu diesem Urteil bedauerlicherweise, soweit ersichtlich, nicht im Detail geäußert. 143 Cass. civ., 03.04.2007, Az. 06-11.240.

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bezahlt, deren Erstattung er anschließend von seinem Veräußerer begehrte. Die Cour de Cassation lehnte eine Erstattungspflicht des Veräußerers ab und führte an, dass dies unabhängig davon sei, ob die Voraussetzungen des Art. 2277 C.c. zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber erfüllt gewesen seien (was im konkreten Fall strittig war). Durch die freiwillige Zahlung an die Versicherung (zur Erlangung des Eigentums am Kfz) anstelle der Berufung auf die eigene possession i.S.d. Art. 2276 Abs. 2 habe er auf diese possession verzichtet. Aufgrund dieses Verzichts habe er folglich auch die Rechte gegen seinen Veräußerer verloren, wie sie sich aus Art. 2276 Abs. 2 HS. 2 C.c. ergeben. Im Einzelnen bleibt es also bei Unstimmigkeiten oder zumindest Ungereimtheiten im Rahmen der französischen Rechtsprechung zu den Art. 2276, 2277 C.c., wenn die Sache vor Erstattung des Kaufpreises durch den Erwerber wieder an den Eigentümer zurückgelangt. c) Vergleich der Ausgleichsansprüche und der Risikotragung Somit lässt sich Folgendes feststellen: Liegt ein erfolgreicher gutgläubiger Erwerb vor, so erleidet zunächst nur der Eigentümer einen Schaden. Für den Ausgleich dieses Schadens ist er hauptsächlich auf den risikobehafteten Anspruch gegen seinen Kontaktpartner angewiesen. Soweit kein Fall des Diebstahls oder Verlusts vorliegt, kennt er diesen Kontaktpartner regelmäßig. Ausnahmsweise kann er auch gegen andere schuldhaft handelnde Beteiligte einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Der Erwerber hingegen ist nicht betroffen. Sein Erwerb ist vollwirksam. Ist der gutgläubige Erwerb fehlgeschlagen und kann der Erwerber keine Lösungssumme vom Eigentümer verlangen, so liegt der Hauptschaden zunächst beim Erwerber. Dieser muss versuchen, den risikobehafteten Ausgleichsanspruch gegenüber dem regelmäßig bekannten Veräußerer geltend zu machen. Der Veräußerer muss dabei dem Erwerber unter Umständen auch weitere durch die Sachentziehung entstandene Schäden ersetzen. Der Eigentümer muss mögliche weitere Schäden bei seinem Kontaktpartner oder anderen schuldhaft Handelnden geltend machen. Liegt ein Fall des Art. 2277 C.c. vor, so erlangt der Erwerber vom Eigentümer durch die Lösungssumme eine Kompensation für die Herausgabe der Sache in Höhe seines Kaufpreises. In dieser Höhe besteht demnach auch kein Anspruch gegen seinen Veräußerer mehr. Weitere Schäden kann der Erwerber gegenüber dem Veräußerer geltend machen. Der Eigentümer hat den wirtschaftlichen Schaden in Höhe der Lösungssumme, den er seinerseits in der Regel nicht gegenüber dem Veräußerer, sondern nur gegenüber seinem Kontaktpartner geltend machen kann.

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3. Sonderfall der Einzelrechtsnachfolge nach einem erstattungs-berechtigten Erwerber In Art. 2277 Abs. 1 C.c. ist nur davon die Rede, dass der aktuelle possesseur die Sache lediglich gegen Erstattung des Kaufpreises herausgeben muss. Was bedeutet dies für den Einzelrechtsnachfolger eines erstattungsberechtigten Vorerwerbers, wenn der Einzelrechtsnachfolger selbst nicht in einer nach Art. 2277 C.c. privilegierten Verkaufssituation erwirbt? Und macht es dabei einen Unterschied, ob dieser Einzelrechtsnachfolger selbst entgeltlich oder unentgeltlich erwirbt? Kann er sich ebenfalls auf Art. 2277 C.c. berufen oder kann der Eigentümer von ihm die Herausgabe der Sache ohne Zahlung einer Lösungssumme verlangen? Diese Fragen werden aktuell nicht explizit näher behandelt. Neuere Entscheidungen, die dazu ausdrücklich Stellung nehmen, sind nicht ersichtlich und die älteren Entscheidungen, die in der Untersuchung von Mourmant aus dem Jahr 1936 analysiert werden, sind nicht durch die Cour de Cassation ergangen.144 Die Frage an sich ist sowohl für die nähere Erfassung des Sinn und Zwecks der Privilegierung in Art. 2277 C.c., als auch für die Konzeption und Wirkungsweise des Lösungsrechts von Bedeutung. Folgender Sachverhalt liegt einer solchen Konstellation zugrunde: Einem Eigentümer wird eine Sache gestohlen oder er verliert sie. Im weiteren Verlauf gelangt sie an einen Veräußerer, der sie im Rahmen einer privilegierten Verkaufssituation an den (dann erstattungsberechtigten) (Vor-)Erwerber veräußert. Dieser verfügt nun seinerseits unentgeltlich oder entgeltlich, aber jedenfalls außerhalb einer in Art. 2277 C.c. genannten Verkaufssituation, über die Sache zugunsten eines weiteren Erwerbers, dem Letzterwerber. Von diesem verlangt der Eigentümer die Sache nun heraus. Kann sich der Letzterwerber nun seinerseits, als Rechtsnachfolgers des Vorerwerbers, auf das zugunsten des Vorerwerbers entstandene Lösungsrecht nach Art. 2277 C.c. berufen? Das Ergebnis hinsichtlich dieses möglichen Anspruchs aus dem Verhältnis des Letzterwerbers zum Eigentümer hat auch Auswirkungen auf den Vorerwerber und den Veräußerer. Muss der Letzterwerber die Sache nämlich kompensationslos herausgegeben, so wird er seinerseits versuchen, vom Vorerwerber Ersatz zu verlangen und dieser wiederum von seinem Veräußerer. Der Wortlaut des Art. 2277 Abs. 1 C.c. stellt nur auf die Erwerbsmodalitäten des aktuellen possesseurs, hier des Letzterwerbers, ab. Demnach wäre nur derjenige Erwerber erstattungsberechtigt, der selbst in einer besonderen Verkaufssituation erworben hat. Unter Berufung auf den Ausnahmecharakter des Art. 2277 C.c. im Rahmen der Vindikation abhanden gekommener Sachen haben die damit befassten Gerichte folglich entschie144

Mourmant, S. 94 ff.

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den, dass der Letzterwerber keine Erstattung verlangen kann.145 Gegenüber diesem sei zwar der Verdacht der Bösgläubigkeit nicht gerechtfertigt, wenn zuvor ein Erwerb in einer durch Art. 2277 C.c. erfassten Veräußerungssituation stattgefunden habe, Art. 2276 Abs. 2 C.c. schütze aber den Bestohlenen und dieser Schutz soll durch Art. 2277 C.c. nicht allzu weit eingeschränkt werden.146 Dieser Ansicht können andererseits die Auswirkungen auf den Vorerwerber sowie den Veräußerer entgegengehalten werden. Entsprechend wurde diese Rechtsprechung auch frühzeitig kritisiert.147 Durch die Verneinung einer Rechtsnachfolge wird der besondere Schutz, der sowohl dem erstattungsberechtigten Vorerwerber als auch dessen Veräußerer durch Art. 2277 C.c. gegeben wird, wieder genommen, wenn der Vorerwerber selbst die Sache außerhalb der Verkaufssituationen des Art. 2277 C.c. weiterveräußert. Der Eigentümer kann dann nämlich die Sache vom Letzterwerber ohne Erstattung der Kaufpreissumme herausverlangen, worauf dieser vom Vorerwerber die Rückzahlung des Kaufpreises auf der Grundlage der Rechtsmängelhaftung (Art. 1630 Nr. 1 C.c.) verlangen kann. Dieser könnte dann seinerseits gegen den Veräußerer vorgehen. Im Hinblick auf den Vorerwerber stehen sich somit zwei scheinbar widersprechende Prinzipien gegenüber. Art. 2277 C.c. befreit ihn vom Risiko einer entschädigungslosen Herausgabe aufgrund der Qualität seines Verkäufers, aber nicht von Rechtsmängelhaftungsansprüchen im Falle der Weiterveräußerung durch seinen Erwerber, wenn dieser selbst nicht in einer den Erwerber privilegierenden Verkaufssituation weiterveräußert.148 Dies kann vermieden werden, wenn man eine Einzelrechtsnachfolge in das Lösungsrecht aus Art. 2277 C.c. zulässt, was in der französischen Literatur daher auch vielfach gefordert wird. Von dem Moment an, in dem eine Veräußerung einer gestohlenen oder verlorenen Sache in einer gem. Art. 2277 C.c. privilegierten Situation stattfindet, soll der Eigentümer die Sache nur gegen Zahlung der Lösungssumme, die sich aus diesem privilegierten Verkaufsvorgang ergibt, herausverlangen können.149 Eine Ausnahme wird aber für den Fall gefordert, dass der privilegierte Erwerbspreis höher war, als der vom aktu145 Vgl. die bei Mourmant (S. 94 ff.) wiedergegebenen Entscheidungen des Trib. civ. Seine und CA Paris. 146 Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 104 Fn. 48. 147 Savatier, Anmerkung zu Cass. civ. v. 11.02.1931, D.P. 1931, 1, 129, 130. Vgl. zu dieser Thematik auch die Stellungnahmen in der deutschen Literatur. Duden (Rechtserwerb vom Nichtberechtigten, S. 47 f.), Römer (S. 164 ff.) und Geyrhalter (S. 44) gehen unter Berufung auf die nach ihrer Ansicht überwiegende Ansicht in der französischen Wissenschaft von einer Rechtsnachfolge in das Lösungsrecht aus. 148 Mourmant, S. 98 f. 149 Roux, S. 153; Poincaré, S. 259; Ledieu, S. 137; Mourmant, S. 99; Moldoveanu, S. 135 f.

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ellen possesseur bei dessen Erwerb gezahlte Preis. Letzterer soll die Obergrenze darstellen.150 Dem aktuellen possesseur soll durch den Erwerb außerhalb einer privilegierten Verkaufssituation nicht auch noch ein Gewinn erwachsen. Letztlich spiegelt sich in der Diskussion die Frage, wie weit der Schutzumfang des Art. 2277 C.c. gehen soll. Die Problematik stellt sich bei jeder Veräußerungskette, an deren Ende der letzte Erwerber nicht erstattungsberechtigt ist, aber bei der innerhalb der Kette wenigstens eine nach Art. 2277 C.c. privilegierte Veräußerung stattfand. Führt diese privilegierte Veräußerung zu einer Zäsur im Rahmen der Veräußerungskette in der Art, dass unabhängig von den weiteren Vorgängen um die Sache, der entsprechende Veräußerer und der entsprechende Erwerber, und in deren Folge auch vorherige Veräußerer und spätere Veräußerer und Erwerber, vor einer entschädigungslosen Herausgabe bzw. Rückgriffsansprüchen aufgrund Rechtsmängelhaftung dauerhaft geschützt bleiben? Nur wenn dies der Fall ist, würde Art. 2277 C.c. einen weitreichenden und dauerhaften Schutz für den Erwerber und den Veräußerer in dieser Situation begründen. Andernfalls wäre der Schutz nämlich von den weiteren Verfügungen über die Sache abhängig. Dies macht auch die Nähe zu den oben diskutierten Sachverhalten und Rechtsfragen (Rückgriff auf der Basis der Rechtsmängelhaftung), bei denen ebenfalls Veräußerungsketten vorlagen, deutlich. Trotz der fehlenden direkten Auseinandersetzung mit der Frage der Rechtsnachfolge in der jüngeren französischen Rechtsprechung könnte sich eine aktuelle Antwort der Rechtsprechung daher aus den geschilderten Entscheidungen der Cour de Cassation zu Veräußerungsketten ergeben.151 In die Richtung einer Verneinung einer Rechtsnachfolge in das Lösungsrecht deutet die Entscheidung der Cour de Cassation vom 3. Dezember 2003. Dort entschied die Cour im Rahmen der Beurteilung einer Rechtsmängelhaftung, dass der Veräußerer 2 kein Lösungsrecht mehr geltend machen konnte, weil im letzten Erwerbsvorgang die Voraussetzungen dazu nicht mehr gegeben waren. Obwohl dem Sachverhalt zu entnehmen ist, dass bei den vorherigen Veräußerungsvorgängen privilegierte Veräußerungssituationen vorlagen, die zu einer Entstehung des Lösungsrechts geführt hatten, berücksichtigt die Cour ein etwaiges Lösungsrecht des Veräußerers 2, das er aufgrund einer Einzelrechtsnachfolge erworben haben könnte, nicht. Es ist anzunehmen, dass die Rechtsprechung auch heute noch eine Rechtsnachfolge in das Lösungsrecht ablehnt.152 Entsprechend dürfte in der aktuellen Recht150

Poincaré, S. 259; Ledieu, S. 137; Moldoveanu, S. 136. Vgl. dazu S. 295 ff. 152 Die Entscheidungen der Cour de Cassation vom 13. Januar 1998 und vom 3. April 2007 bringen keinen Erkenntnisgewinn. In der Entscheidung vom 13. Januar 1998 bleibt 151

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sprechung die Unterscheidung zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Erwerb des Einzelrechtsnachfolgers belanglos sein, denn wenn schon bei der entgeltlichen Rechtsnachfolge kein Lösungsrecht zuerkannt wird, kann die Unentgeltlichkeit der Rechtsnachfolge keine andere Rechtsfolge ergeben. 4. Gesamtbewertung des französischen Lösungsrechts Das französische Lösungsrecht nach Art. 2277 C.c. hat seine Bedeutung nur im Hinblick auf den gutgläubigen Erwerb gestohlener oder verloren gegangener Sachen, die innerhalb von drei Jahren seit dem Verlust oder Diebstahl vom Eigentümer herausverlangt werden. Auslösendes Merkmal für das Lösungsrecht ist der Erwerb der Sache im Rahmen einer der in Art. 2277 C.c. genannten Verkaufssituationen. Die Vorschrift scheint dabei auf den ersten Blick auf den Schutz des Erwerbers abzuzielen, der eine der in Art. 2277 C.c. aufgeführten Geschäftsmöglichkeiten nützt. Die Rechtsanwendung durch die Gerichte zeigt allerdings, dass sich die konkrete Ausgestaltung der Regelung im Ergebnis überwiegend als eine Schutzvorschrift zugunsten der Veräußerer im Rahmen einer entsprechenden Verkaufssituation präsentiert. Rechtstechnisch wird dies über den Umweg des Erwerberschutzes bewirkt. Müsste der Veräußerer im Falle einer kompensationslosen Herausgabe durch den Erwerber andernfalls (d.h. ohne die Regelung des Art. 2277 C.c.) dessen Regressansprüche auf der Basis der Rechtsmängelhaftung fürchten, so wird dies durch Art. 2277 C.c verhindert. Dem Erwerber verbleibt durch die Zahlung der Lösungssumme durch den Eigentümer kein wirtschaftlicher Schaden im Hinblick auf die Kaufpreissumme selbst, den er vom Veräußerer fordern kann. Lediglich durch die Lösungssumme nicht abgedeckte Schadenspositionen könnten vom Erwerber gegen den Veräußerer geltend gemacht werden. Der Eigentümer selbst kann sich ebenfalls nicht an den Veräußerer wenden. Dies wäre für einen effektiven Schutz des Veräußerer allerdings nicht zwingend erforderlich, denn der Veräußerer würde schon dadurch profitieren, dass sein Erwerber vor einer kompensationslosen Herausgabe geschützt wird und der Rechtsverkehr dem Veräußerer somit einen Vertrauensvorschuss zubilligt. Der Erwerber wird folglich mit geringeren Sorgzum einen unklar, ob die Veräußerung von Veräußerer 1 an Veräußerer 2 im Rahmen einer nach Art. 2277 C.c. privilegierten Situation stattgefunden hat, auf die sich dann der Letzterwerber möglicherweise berufen könnte. Zum anderen sieht die Entscheidung ausdrücklich keinen direkten Einfluss des Art. 2277 C.c. auf die Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber, die hier streitgegenständlich war. Die Entscheidung vom 3. April 2007 stellt maßgeblich auf die Wirkung eines Verzichts des Letzterwerbers ab und kommt somit nicht mehr zu der möglicherweise aufschlussreichen Beurteilung der Ausgleichsansprüche bei Ablehnung eines Lösungsrechts des Letzterwerbers.

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faltsanforderungen belastet und die Veräußerungssituation für den Erwerber somit attraktiver.153 Von diesem Attraktivitätsgewinn profitieren alle Geschäfte des Veräußerers, insbesondere die Mehrzahl der berechtigten Veräußerungen. Diese gesteigerte Attraktivität seines Geschäfts ist für sich genommen bereits ein gewichtiger Vorteil für den Veräußerer, der durch die Anerkennung einer Rückgriffsmöglichkeit des Eigentümers gegen den Veräußerer in den Ausnahmefällen gestohlener oder verlorener Sachen nur geringfügig geschmälert werden würde. So hatte vor Inkrafttreten des Code civil das Châtelet de Paris einen Rückgriff auf den Händler zugelassen. Es tat dies zum einen aus sicherheitsrechtlichen Erwägungen heraus und zum andern, um die Händler zur Vorsicht anzuhalten.154 Eine Anwendung des Lösungsrechts im Sinne einer Fokussierung auf den Erwerberschutz wäre somit sachgerecht. Verstärkt wird der Schutz des Handelsverkehrs dadurch, dass somit auch weitere Rückgriffsansprüche im Rahmen von Veräußerungsketten zunächst vermieden werden.155 Durch das Lösungsrecht eines Erwerbers, der den Kaufpreis erstattet bekommt, und durch den dadurch bewirkten Ausschluss der Rechtsmängelhaftung seines Veräußerers werden im Ergebnis auch sämtliche Vorerwerber geschützt, die selbst nicht in einer privilegierten Situation erworben haben. Wäre der Eigentümer schneller gewesen und hätte er die Sache vor der (privilegierten) Weiterveräußerung von dem Veräußerer (dem Vorerwerber) selbst verlangt, so hätte sich der Veräußerer auch nicht auf Art. 2277 C.c. berufen können.156 Tatsächlich hat es ein Veräußerer somit in der Hand, durch die Veräußerung in einer privilegierten Verkehrssituation auf Kosten des Eigentümers in eine bessere Rechtsstellung zu gelangen.157 Berücksichtigt man nun zusätzlich die Rechtsprechung der französischen Gerichte, die den Veräußerer auch dann nicht zur Rückerstattung des Kaufpreises verpflichtet, wenn der Erwerber zwar keine Lösungssumme erhalten hat, es aber schuldhaft versäumt hat eine solche geltend zu machen, so wird deutlich, dass Art. 2277 C.c. primär den Schutz der dort genannten Handelssituationen bezweckt. Wie weitreichend der Schutzumfang des Art. 2277 C.c. letztlich ist, muss angesichts der unklaren Rechtslage zur Rechtsnachfolge in das Lösungsrecht zum Teil auch heute noch offen bleiben. Die französische Rechtswis153

Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1555. Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1558; Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 105 Fn. 55 m.w.Nachw. zur Rechtsprechung. 155 Mourmant, S. 57. 156 Moldoveanu, S. 136. 157 Diese Möglichkeit wird kritisiert und abgelehnt von Roux, S. 154 f. Im Ergebnis möchte er aber unter Hinweis auf bereicherungsrechtliche Aspekte nur den Veräußerungsgewinn der Herausgabepflicht unterwerfen. 154

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senschaft tendiert zu einer Zulassung der Rechtsnachfolge, was einer durch Art. 2277 C.c. privilegierten Veräußerung eine starke Zäsurwirkung innerhalb von Veräußerungsketten zusprechen würde. Ein privilegierter Vorgang innerhalb der Kette würde die Beteiligten in dem dort bewirkten Umfang dauerhaft vor Rückgriffsansprüchen aufgrund Rechtsmängelhaftung schützen. Die Entscheidungen der Rechtsprechung deuten jedoch darauf hin, dass eine Rechtsnachfolge in das Lösungsrecht keine grundsätzliche Anerkennung findet. Damit würde das Schicksal einer einem Veräußerer und einem Erwerber durch Art. 2277 C.c. gewährten Privilegierung von den weiteren Veräußerungsvorgängen abhängen. Ein eigentlich privilegierter Erwerber würde seinen Schutz verlieren, wenn ein späterer Erwerber in der Kette seinerseits die Sache außerhalb einer geschützten Verkehrssituation weiterveräußert und eine Rechtsnachfolge des Erwerbers nicht anerkannt wird. Dann kommt es zur Rechtsmängelhaftung in der Kette.158

C. Bewertung Die Betrachtung der praktischen Anwendung des Lösungsrechts in Frankreich hat einige Unklarheiten im Detail aufgezeigt, die für einen künftigen Einsatz eines Lösungsrechts zu beachten wären. Darüber hinaus lassen sich aus der bisherigen Untersuchung der Rechtsanwendung in Frankreich und der gesetzgeberischen Diskussionen in Deutschland, losgelöst von diesen konkreten Betrachtungen, folgende generelle Aspekte im Umgang mit einem Lösungsrecht identifizieren.

I. Flexibilität durch Lösungsrecht Das Lösungsrecht räumt dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu einer flexiblen Bewertung der involvierten Interessen und damit die Möglichkeit zu einer flexiblen Bewertung der Risikoverteilung im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs ein, da es die ansonsten bestehende starre Mechanik von Verteilung von Ausfallrisiko und Sachzuordnung aufhebt.159 Ohne Einsatz eines Lösungsrechts führt die Zuordnung des Eigentums an der Sache an einen der beiden in Frage kommenden Hauptbeteiligten, 158

Angesichts dieser Unklarheiten in der Feinabstimmung ist die Beschränkung der Vindikationsmöglichkeit und damit auch der Bedeutung des Lösungsrechts auf die Dreijahresfrist von umso größerer Bedeutung. 159 Scholz, S. 56 sieht in der Flexibilität ein Erfordernis des materiellen Rechts: „Sieht man aber in der Gerechtigkeit das Ziel des Rechts und begreift man daher unter Rechtssicherheit auch das Vertrauen darin, dass jedem ‚sein Recht‘ werde, so darf die Starrheit nur Ausnahme sein und muss selbst diese mit elastischen Ausnahmen umgeben werden.“

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Eigentümer oder Erwerber, zwangsläufig dazu, dass der andere Beteiligte das Ausfallrisiko betreffend den jeweiligen Vermögenseinsatz (Wert der Sache beim Eigentümer, Erwerbspreis beim Erwerber) zu tragen hat. Mit Einsatz eines Lösungsrechts hingegen lassen sich bezogen auf die Hauptbeteiligten „Eigentümer“ und „Erwerber“ verschiedene Varianten darstellen, wonach jedem von beiden zugleich das Eigentum an der Sache und das Ausfallrisiko zugeordnet werden kann. So kann dem Eigentümer die Rückerlangung der Sache gegen Übernahme des Ausfallrisikos ermöglicht werden. Diese Lösung wurde, beschränkt auf einen Zeitraum von drei Jahren für abhanden gekommene Sachen, die in besonderen Verkaufssituationen erworben wurden, in den Art. 2276 Abs. 2, Art. 2277 C.c. verwirklicht. Mit Einsatz des Lösungsrechts ist es allerdings auch möglich, das Eigentum an der Sache und das Ausfallrisiko dem Erwerber zuzuweisen, bspw. indem es dem Erwerber gestattet wird, den Herausgabeanspruch des Eigentümers dadurch abzuwehren, dass dieser den Vermögenseinsatz des Eigentümers ausgleicht.160 Soweit erkennbar, ist diese Lösung in keiner geltenden Rechtsordnung umgesetzt. Sie ist mit dem Institut des Lösungsrechts aber grundsätzlich möglich. Die Möglichkeit, die beiden zu beachtenden Fragen (Eigentumszuordnung und Ausfallrisiko) zu trennen, ergibt sich durch die Zuweisung des durch das Lösungsrecht erzeugten schuldrechtlichen Ausgleichsanspruchs. Gerade in dieser Aufspaltung der beiden Fragen liegt der entscheidende Vorzug des Lösungsrechts. Diese Differenzierungsmöglichkeit hat auf der Grundlage einer generellen Betrachtung letztlich zur Bezeichnung des Lösungsrechts als Halbheit,161 Kompromiss,162 Gefahrenteilung,163 Zwischenlösung164 und Mittel160 Allerdings würde der Erwerber demnach zweimal Zahlungen leisten. Der Erwerber leistet – in der häufigsten Variante des Kaufs – nämlich zunächst den Kaufpreis, um die Sache vom Veräußerer zu bekommen. Könnte er anschließend den Herausgabeanspruch des Eigentümers durch Zahlung einer „Lösungssumme“ abwehren, so müsste er dann die Lösungssumme leisten, um die Sache behalten zu dürfen. In der Gesamtbilanz ergibt sich jedoch kein Unterschied der beiden Konstellationen (Lösungsrecht des Eigentümers vs. Lösungsrecht des Erwerbers). In beiden Fällen hat der lösungsberechtigte Beteiligte nach Abschluss der Vorgänge das Eigentum an der Sache inne und dafür einen Lösungssumme bezahlt, der ein risikobehafteter Ausgleichsanspruch gegen einen anderen Beteiligten (im Falle des Erwerbers seinen Veräußerer und im Falle des Eigentümers dessen Kontaktperson, z.B. Dieb) gegenübersteht. Lediglich die mögliche Lösungssumme sowie die Ausgangssituation unterscheiden sich. Der Eigentümer hat zu Beginn der Vorgänge das Eigentum an der Sache, wohingegen der Erwerber zunächst über die Kaufpreissumme verfügt. 161 Protokolle der 2. Kommission, S. 4030, in: Mugdan, S. 693. Vgl. oben S. 277 ff. 162 Geyrhalter, Untertitel: „ein ‚vergessener‘ Kompromiß“. 163 Felgentraeger, S. 122.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

weg165 geführt. Bei einer individuellen Betrachtung wären diese Begriffe jedoch nicht angebracht, denn die Herausgabe gegen Zahlung mag dem Zahlenden im Einzelfall nicht als Kompromiss, Mittelweg oder Gefahrenteilung erscheinen.

II. Komplexität durch Lösungsrecht Die durch das Lösungsrecht erreichte Flexibilität führt andererseits zu einer erhöhten Komplexität. Ohne Einsatz des Lösungsrechts geht es im Verhältnis zwischen Eigentümer und Erwerber (abgesehen von Ausnahmefällen, in denen ein Schadensersatz im Raum steht) alleine um Herausgabeansprüche des Eigentümers und gegebenenfalls Verwendungsersatzansprüche des Erwerbers, sollte er zur Herausgabe der Sache verpflichtet sein. Ein schuldrechtlicher Ausgleich des jeweiligen Vermögenseinsatzes findet zwischen den Beteiligten Eigentümer und Erwerber nicht statt. Jeder der Beteiligten ist gehalten, sich an seinen Kontaktpartner zu wenden. Mit Aufnahme eines Lösungsrechts entstehen zusätzliche schuldrechtliche Beziehungen zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber im Hinblick auf den jeweiligen Vermögenseinsatz. Die ggfs. erforderliche rechtliche Klärung des Konflikts bedarf zusätzlicher Prüfungsvorgänge. Zudem nimmt der Zeitraum der rechtlichen Unsicherheit bezüglich des Eigentums an der Sache zu, insbesondere wenn das Lösungsrecht zusätzlich mit einer von der Eigentumszuweisung abweichenden zeitlichen Komponente versehen wird. Wird das Lösungsrecht anstelle eines vollumfänglichen Eigentumserwerbs des Erwerbers eingesetzt, so führt das Lösungsrecht – abhängig von seiner zeitlichen Ausgestaltung – zu einer mehr oder weniger langen Phase einer „rechtliche Belastung“ der Sache in Form von möglichen Rückübertragungsansprüchen des Eigentümers. Dem Verkehrsschutz als dem prinzipiellen Anliegen des redlichen Erwerbs ist eine solche andauernde Rechtsunsicherheit im Grundsatz nicht förderlich.166

164

Hübner, S. 134. Carbonnier, Biens, Nr. 235 aE. 166 So ist im DCFR ein Lösungsrecht nicht vorgesehen, da es der Rechtssicherheit und dem Verkehrsschutz zuwider laufe; von Bar/Clive, DCFR-Volume 5, Art. VIII.-3:101 (F) (S. 4838). 165

1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen

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III. Lösungsrecht und Ökonomie Der gutgläubige Erwerb rechtfertigt sich in erster Linie aus dem Gedanken des Verkehrsschutzes, so dass ökonomische Aspekte bei der Ausgestaltung eines entsprechenden Regelungssystems eine besondere Bedeutung haben.167 Nach der ökonomischen Theorie hat das Recht die Aufgabe, „die Tauschvorgänge des Markts möglichst zu erleichtern und damit die Allokationsaufgabe des Markts zu fördern.“168 Von Bedeutung für eine effiziente Güterverteilung sind dabei insbesondere freiwillige Austauschprozesse, bei denen die Verhandlungen und Vereinbarungen der Beteiligten die Effizienz des Austauschvorgangs gewährleisten sollen. Darüber hinaus ist der Effizienzgedanke aber auch bei einem unfreiwilligen Güteraustausch relevant, bei dem die Effizienz nicht durch einen marktmäßigen Tauschvorgang erreicht werden kann, sondern durch die gesetzliche Zuweisung zu gewährleisten ist.169 Der gutgläubige Erwerb ist ein unfreiwilliger Gütertausch, führt er doch zu einem, aus der Sicht des Eigentümers, unfreiwilligen Eigentumswechsel. Dabei dient das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs allerdings in seiner Zielrichtung gerade der Effizienz der freiwilligen Tauschvorgänge, denn seine Existenz führt zu verminderten Transaktionskosten (CoaseTheorem)170 in sämtlichen Austauschvorgängen, was die überwiegende Mehrheit der Erwerbsvorgänge vom Berechtigten mit einschließt.171 Ein Lösungsrecht führt in die Austauschbeziehungen der von einer Konstellation des gutgläubigen Erwerbs betroffenen Personen nun ein weiteres Freiwilligkeitselement ein. Solche Freiwilligkeitselemente sind im Grundsatz geeignet, eine effizientere Nutzung der Sache zu ermöglichen. Sie sind daher unter ökonomischen Gesichtspunkten positiv zu bewerten. Für das durch das Lösungsrecht bewirkte Freiwilligkeitselement sind hier allerdings Abstriche zu machen, denn es führt nur zu einer sehr eingeschränkten „Freiwilligkeit“. Zum einen ermöglicht es nur einem der Beteiligten, das Eigentum an der Sache an sich zu ziehen; der andere Beteiligte hat keine Möglichkeit, die Wahl des Berechtigten abzuwehren. Zum anderen ist die zu zahlende Lösungssumme gesetzlich bestimmt und ergibt sich – im Falle des Kaufpreises als Lösungssumme – bspw. durch den bereits erfolgten Vermögenseinsatz des anderen Beteiligten. Weder der Herausgabeberechtigte, noch der Herausgabeverpflichtete kann die Höhe der Lö167

Vgl. dazu oben S. 142 ff. Horn, Rdnr. 132. 169 Posner, in Assmann/Kirchner/Schanze (Hrsg.), S. 79, 87. 170 Zum Coase-Theorem und der daraus abgeleiteten Bedeutung der Informations- und Transaktionskosten vgl. oben Teil 2, 1. Kapitel Fn. 80. 171 Vgl. oben S. 142 ff. 168

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sungssumme nachträglich im Sinne der Effizienz verhandeln. Unter ökonomischen Gesichtspunkten nachteilig ist zudem die oben erwähnte zusätzliche Komplexität des schuldrechtlichen Beziehungsgeflechts bei Einsatz eines Lösungsrechts. Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist die Bewertung eines Lösungsrechts daher indifferent. Es lässt sich nicht eindeutig bestimmen, ob der Einsatz eines Lösungsrechts einen positiven oder negativen Einfluss auf die Effizienz der Austauschvorgänge hat. Es hängt vielmehr sowohl von der konkreten Ausgestaltung eines solchen Rechts, als auch von den Umständen des Einzelfalls ab, ob das Lösungsrecht zu einem Effizienzgewinn führt oder einen Effizienzverlust bedeutet.

IV. Zwischenergebnis Der Gesamtbefund über die Geeignetheit eines Lösungsrechts und dessen Auswirkungen kann dementsprechend nicht pauschal, sondern nur anhand einer konkreten gesetzlichen Regelung und im Vergleich zu der Rechtslage getroffen werden, die ohne Einsatz eines Lösungsrechts gelten würde. Das Lösungsrecht ermöglicht zusätzliche Spielräume; sein Einsatz im Rahmen einer rechtlichen Regelung ist jedoch aufgrund der negativen Auswirkungen durch die dadurch entstehende komplexere Regelung mit Augenmaß zu begrenzen. Daraus ergeben sich auch die unterschiedlichen Analysen des Schrifttums und der historischen Gesetzgeber. Bereits die Erste Kommission zur Schaffung des BGB hat erkannt, dass Schwierigkeiten bei der Festlegung der Voraussetzungen und des Inhalts des Lösungsrechts nicht dazu führen dürfen, den für zweckmäßig erachteten Weg nicht zu beschreiten.172 Dennoch hat die Zweite Kommission unter anderem mit Hinweis auf die zu erwartenden Streitigkeiten bei der Durchführung des Lösungsanspruchs diesen gestrichen.173 In der Literatur beschäftigt sich zwar die Mehrzahl der Auseinandersetzungen mit der Variante des Lösungsrechts als Ausnahme zum vollständig 172

Motive der 1. Kommission, S. 418, in: Mugdan, S. 233. Protokolle der 2. Kommission, S. 4030, in: Mugdan, S. 693. Die sonstigen Gründe, die zur Zeit der Schaffung des BGB gegen ein Lösungsrecht sprechen, sind dabei heute entweder nicht zu berücksichtigen (Frage nach dem deutschrechtlichen Charakter eines solchen Rechts) oder aber beschäftigen sich vornehmlich mit der Frage nach der richtigen Behandlung abhanden gekommener Sachen und nicht mit dem Lösungsrecht an sich (Förderung der Hehlerei, Benachteiligung des Eigentümers). In der Verwendung im Zusammenhang mit auf einem Markt erworbenen gestohlenen Sachen liegt schließlich auch der Ursprung des Lösungsrechts, Feenstra, FS Kisch, 237, 238 f. Fn. 11, der dort auch darauf hinweist, dass die Anwendung auf nicht gestohlene Sachen wohl auf einen spätere „vom römischen Recht beeinflusste Umbildung“ zurückzuführen ist. 173

1. Kapitel: Die getrennte Beantwortung der Fragen

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gescheiterten gutgläubigen Erwerb, wie sie bspw. in Art. 2277 C.c. verwirklicht ist; allerdings existieren auch Ansätze bzw. Vorschläge, die das Lösungsrecht als Ausnahme zum im Übrigen zulässigen gutgläubigen Erwerb einsetzen möchten. Besonders aufgrund des im Lösungsrecht enthaltenen Ausgleichspotenzials (Kompromisscharakter)174 forderten einige prominente, vornehmlich ältere, Literaturstimmen de lege ferenda die Verankerung eines solchen Rechts im BGB.175 Heck befürwortet einen Einsatz im deutschen Recht de lege ferenda in zweierlei Weise. Zum einen regt er an, den gutgläubigen Eigentumserwerb nach § 932 BGB dort durch ein Lösungsrecht zu beschränken, wo an der fraglichen Sache öffentliche Interessen bestehen, und zum anderen möchte er den sich aus § 935 BGB ergebenden Herausgabeanspruch dort beschränken, wo der Erwerber die Sache bspw. in einem offenen Laden erworben hat (vergleichbar dem Art. 2277 C.c.).176 Brandt differenziert anhand der Eigenschaft der fraglichen Sache und sieht einen sachgerechten Anwendungsbereich eines Lösungsrechts dort eröffnet (anstelle eines vollständigen Eigentumserwerbs), wo es nicht um einen Warenkauf, sondern um den möglichen gutgläubigen Erwerb (nicht gestohlener) Individualgüter geht.177 Von Lübtow befürwortet (im Rahmen seiner Ersitzungslösung) ein Lösungsrecht zur Berücksichtigung spezieller ideeller Interessen.178 Hübner beurteilt ein Lösungsrecht in den Fällen, in denen ein Eigentumserwerb des Erwerbers scheitert, kritisch und sieht einen Anwendungsbereich allenfalls dann, wenn es anstelle eines Eigentumserwerbs des Erwerbers eingesetzt wird.179 Römer wiederum befürwortet zum Schutz etwaiger Affektionsinteressen des Eigentümers einen generellen Einsatz des Lösungsrechts im Bereich des gutgläubigen Mobiliarerwerbs mit Ausnahme von gestohlenen Sachen.180 In einem derart ausgestalteten Recht sieht er

174

Hübner (S. 134) spricht unter Bezugnahme auf den Gedanken von Franken, (dort S. 393 f.) von einer „Milderungswirkung“ des Lösungsrechts. 175 Felgentraeger, S. 122 f. sowie u.a. die sogleich dargestellten Literaturstimmen. Vgl. im Übrigen die zusammenfassende Darstellung weiterer älterer Literaturstimmen bei Hübner, S. 134 ff. 176 Heck, § 60 c 8. (S. 256). 177 Brandt, S. 272 ff. (vgl. dazu auch unten S. 353). Als Individualgüter versteht er dabei „solche Güter, an denen der Eigentümer kein handelsmäßiges, sondern eben ein eigenes persönliches, gerade auf diese bestimmte Sache gerichtetes Interesse hat.“ Siehe zum darin enthaltenen Affektionsgedanken auch unten S. 351 ff. 178 Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 231; vgl. dazu im Detail auch unten S. 352 ff. 179 Hübner, S. 136 f. 180 Römer, S. 289 ff. Für gestohlene Sachen sieht Römer eine Schadensteilung vor, wonach der zur Vindikation berechtigte Eigentümer im Falle des Herausgabeverlangens die Hälfte des Zeitwerts erstatten solle; verzichtet der Eigentümer darauf, die Herausgabe

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

grundsätzlich eine „Befreiung vom geschichtlichen Ballast“ und das dritte Entwicklungsstadium des Rechtsinstituts des Lösungsrechts.181 Thorn sieht das Lösungsrecht kritisch und bezeichnet es (ebenfalls in einer der französischen Variante vergleichbaren Konstellation) als „einen halbherzigen Kompromiß (…), der den Alteigentümer faktisch enteignet, ohne gleichzeitig Klarheit hinsichtlich der dinglichen Rechtslage zu schaffen.“182 Abwägend mit dem Einsatz eines Lösungsrechts hat sich Prisching auseinandergesetzt. Ebenfalls ausgehend vom Einsatz des Lösungsrechts als Rückausnahme zur Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen sieht sie aufgrund der Komplexität der Regelung nur einen kleinen Anwendungsbereich sowie die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung.183 Allerdings erkennt sie ein Lösungsrecht insbesondere dann als sinnvoll an, wenn es in den entsprechenden Konstellationen grundsätzlich gegeben ist und nicht zusätzlich noch an privilegierte Erwerbssituationen anknüpft.184 Festzuhalten ist jedenfalls, dass ein Lösungsrecht nicht am Verfassungsrecht scheitert, sondern im verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bleibt.185 Ob ein Lösungsrecht in sinnvoller Weise verwirklicht werden kann, hängt also insbesondere davon ab, in welcher Weise und nach welchen Kriterien sich die beiden relevanten Fragen (Ausfallrisiko, Zuordnung der Sache) beantworten lassen.

zu verlangen, so soll Erwerber seinerseits verpflichtet sein, die Hälfte des Zeitwerts zu ersetzen, S. 296 und S. 298. 181 Römer, S. 282. 182 Thorn, S. 250, der bei seinen getrennten Erläuterungen zu Konstellationen eines Rückkaufsrechts ebenfalls keine grundsätzlich andere Bewertung vornimmt (S. 251 f.). 183 Prisching, S. 299. 184 Prisching, S. 300. 185 Vgl. dazu auch Hager, Verkehrsschutz, S. 81 (der in verschiedenen anderen Konstellationen den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum aus verfassungsrechtlichen Gründen durchaus beschränkt sieht; vgl. oben S. 136 ff.).

2. Kapitel

Die Verteilung des Ausfallrisikos 2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

Der Einsatz eines Lösungsrechts in Kombination mit dem gutgläubigen Erwerb ermöglicht es, das in der Drei- oder Mehrpersonenkonstellation des gutgläubigen Erwerbs entstehende Ausfallrisiko1 unabhängig von der Entscheidung über die Zuordnung des Eigentums an der Sache zu verteilen. Wie gesehen, stehen unter Einbeziehung des Lösungsrechts im Grundsatz sämtliche Varianten der Verteilung der beiden Aspekte zwischen Eigentümer und Erwerber zur Verfügung. Dies soll zum Anlass genommen werden, die sachgerechte Beantwortung der beiden Fragen unabhängig voneinander zu untersuchen. Im Wissen um die zusätzlichen Verteilungsvarianten, die das Lösungsrecht ermöglicht, kann anschließend ein System des gutgläubigen Erwerbs gebildet werden, das die Antworten auf die jeweilige Frage in eine entsprechende gesetzliche Konzeption fasst. Zunächst sollen die Steuerungsparameter zur Verteilung des Ausfallrisikos analysiert werden.2 Hinter der Frage der Verteilung des Ausfallrisikos steckt letztlich die Verteilung des wirtschaftlichen Schadens für den Fall, dass sich das Ausfallrisiko realisiert, d.h. für den Fall, dass ein Rückgriff des Rückgriffsberechtigten gegen den Ausgleichsverpflichteten nicht erfolgreich durchgesetzt werden kann. Dann entsteht im System der Mehrpersonenkonstellation ein Schaden, den es zu verteilen gilt. Verliert der Eigentümer seine Sache und kann er dafür vom Veräußerer keinen Ersatz erreichen, so besteht der wirtschaftliche Schaden im Wert der Sache (dem Vermögenseinsatz des Eigentümers). Muss der Erwerber die Sache herausgeben und kann er seinen Kaufpreis nicht vom Veräußerer zurückerlangen, so entsteht ihm ein wirtschaftlicher Nachteil in Höhe seines Kaufpreises (dem Vermögenseinsatz des Erwerbers). Die Zwischenvarianten der Schadenszuweisung lassen sich, wie gezeigt, unabhängig von der Sachzuordnung durch das Lösungsrecht erreichen. Erkennt man auf der Basis der vorstehenden Erörterungen (insbesondere im Hinblick auf ein entsprechendes Verkehrsbedürfnis) die grundsätzliche Berechtigung eines gutgläubigen Erwerbs an, so ergibt sich als Grundkon1

Zum Nichtrealisierbarkeits- oder Ausfallrisiko vgl. oben S. 36 ff. Vgl. Müller, ZfRV 1963, 2, 4, der dies als die eigentlich zu entscheidende rechtspolitische Frage beurteilt und die sachenrechtliche Zuordnung nur als technisches Mittel der Umsetzung der beabsichtigten Antwort begreift. Vgl. dazu schon oben S. 38 ff. 2

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

stellation Folgendes: Eine solche Regelung enthält wenigstens zwei Grundbausteine – die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft auf Veräußererseite (Rechtsscheinträger, deutsches Recht) bzw. Erwerberseite (französisches Recht)3 als objektives Berechtigungsindiz und das subjektive Kriterium der Gutgläubigkeit. Entsprechend verteilt sich das Ausfallrisiko. Sind die Anforderungen dieser beiden Grundbausteine erfüllt, so wird das Ausfallrisiko dem Eigentümer zugewiesen. Der diese Untersuchung abschließende Regelungsvorschlag (vgl. Schluss, B.) berücksichtigt dies in seinem § 1. Darüber hinaus bestehen eine Vielzahl weiterer Steuerungsparameter, die eine davon abweichende Verteilung des Ausfallrisikos rechtfertigen können. Im Rahmen der Suche nach den sachgerechten Antworten auf die beiden Fragen wird es also um jene Steuerungsparameter gehen, die neben dem Grundgerüst der tatsächlichen Sachherrschaft und der Gutgläubigkeit von den nationalen Rechtsordnungen zusätzlich zur Auflösung der Interessenkollision und damit zur Verteilung des Ausfallrisikos herangezogen werden. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für diese Verteilung werden die folgenden Steuerungsparameter näher betrachtet: das Abhandenkommen der Sache (B.), die besondere Veräußerungssituation (C. I.), die Art der Sache (C. II.) und die Eigenschaften des Eigentümers (C. III.). Unberücksichtigt bleibt an dieser Stelle eine Differenzierung anhand der Entgeltlichkeit des Vorgangs. Für die Zwecke der Verteilung des Ausfallrisikos stellt die Unentgeltlichkeit des Erwerbsgeschäfts, insbesondere mangels Ausfallrisiko beim Erwerber, einen Sonderfall dar, der im 5. Kapitel gesondert behandelt wird. Zunächst soll es hier nur um Situationen gehen, denen ein entgeltliches Kausalgeschäft zugrunde liegt.

A. Die Ausgangssituation Im geltenden deutschen und französischen Recht bewirken verschiedene Parameter eine Verteilung des Ausfallrisikos. Besonders im deutschen Recht, das ein Lösungsrecht nicht kennt, geschieht dies indirekt über den Weg der Sachzuordnung, da eine getrennte Zuordnung der beiden Aspekte gerade nicht erfolgt. So wird im Falle der abhanden gekommenen Sachen 3

Wie oben (S. 173 ff.) dargelegt besteht ein rechtstechnischer Unterschied in der tatsächlichen Komponente im französischen und im deutschen Recht. Während das deutsche Recht auf die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers abstellt, steht bei der französischen Regelung der Besitzzustand des Erwerbers im Moment des Herausgabeverlangens im Vordergrund. Lediglich indirekt wird dort bei der Beurteilung der unzweideutigen possession und der Gutgläubigkeit letztlich auch der vorherige Besitz des Veräußerers relevant.

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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nach § 935 Abs. 1 BGB die Sache dem Eigentümer und damit das Ausfallrisiko dem Erwerber zugeordnet. Als Ausnahme von § 935 BGB wird bei einem Erwerb im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung (und bei Geld und Inhaberpapieren) die Sache dem Erwerber zugesprochen und somit das Ausfallrisiko dem Eigentümer. Im französischen Recht mit seinem Lösungsrecht wird eine direkte Steuerung des Ausgleichsrisikos deutlicher, schließlich wird durch Art. 2277 C.c. dieses in bestimmten Veräußerungssituationen wieder dem Eigentümer zugewiesen, nachdem zuvor durch Art. 2276 Abs. 2 C.c. bei einer gestohlenen oder verlorenen Sache das Ausfallrisiko dem Erwerber zugewiesen worden war. In beiden Rechtsordnungen findet also der Steuerungsparameter der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen (Art. 2276 Abs. 2 C.c., § 935 Abs. 1 BGB) und jener der besonderen Veräußerungssituation Anwendung (Art. 2277 Abs. 1 C.c., § 935 Abs. 2 BGB). Die Analyse der grundsätzlichen Verteilung der Interessen im Rahmen der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs hat Folgendes gezeigt: Die individuellen Interessen sind bei einem gutgläubigen Erwerber mit jenen des Eigentümers vergleichbar. Allenfalls im Bereich des ideellen Interesses ergibt sich ein (möglicherweise über die Zeit zu relativierender) Ausschlag zugunsten des Eigentümers. Bei den generellen Interessen steht dem Eigentümerschutz der Verkehrsschutz gegenüber, der – auch unter Berücksichtigung des normalen störungsfreien Verkehrs – letztlich zugunsten des gutgläubigen Erwerbers streitet. Der Erwerber soll auf den Eigentumserwerb vertrauen können; der potenzielle wirtschaftliche Schaden soll aufgrund des Verkehrsschutzes gerade nicht beim Erwerber eintreten.4 Auf der Grundlage des Ergebnisses des Interessenvergleichs ergibt sich somit die Ausgangsprämisse, dass das Ausfallrisiko grundsätzlich dem Eigentümer aufzuerlegen ist, da der gutgläubige Erwerber aus Gründen des Verkehrsschutzes keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden soll. Im Folgenden ist zu fragen, ob und ggfs. welche Steuerungsparameter eine abweichende Verteilung des Ausfallrisikos rechtfertigen.

4 Wie schon mehrfach erwähnt, lassen sich diese beiden Aspekte im aktuellen deutschen Recht mangels Lösungsrechts nicht voneinander trennen.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

B. Das Abhandenkommen einer Sache als Kriterium zur abweichenden Verteilung des Ausfallrisikos? Das gebräuchlichste Kriterium zur abweichenden Verteilung des Ausfallrisikos stellt die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen dar. Gleichzeitig ist dieses eines der am häufigsten diskutierten Kriterien.5 Das Abhandenkommen einer Sache, bzw. der Verlust und der Diebstahl derselben führen sowohl in der französischen als auch in der deutschen Rechtsordnung zu einer Neuverteilung des Ausfallrisikos. Aufgrund der Art. 2276 Abs. 2 C.c. und § 935 Abs. 1 BGB trägt der Erwerber in diesen Situationen das Ausfallrisiko. Unter den Begriff des Abhandenkommens fallen im Wesentlichen gestohlene und verlorene Sachen. Das deutsche Recht, dem dieser Begriff entnommen ist, geht noch weiter und erfasst allgemein jeden unfreiwilligen Besitzverlust.6 Für die folgende Erörterung wird, unabhängig von den Detailunterschieden in den nationalen Rechtsordnungen, daher davon ausgegangen, dass zu den abhanden gekommenen Sachen im Wesentlichen verlorene, gestohlene, geraubte oder unter einer Drohung, die in ihrer Intensität der gewaltsamen Wegnahme vergleichbar ist, erlangte Sachen zu zählen sind, ohne dass dabei im Einzelnen die strafrechtliche Bewertung im Detail zu übertragen ist.7

I. Begründungsansätze für die abweichende Beurteilung im Falle abhanden gekommener Sachen Nachfolgende Begründungsansätze wurden und werden in den nationalen Rechtsordnungen verwendet, um die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen in das nationale Gesamtsystem zu integrieren. Allerdings verschwimmen bei den einzelnen Diskussionen und Untersuchungen die Grenzen zwischen der Analyse der existierenden Regelung und daraus ab-

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An der Frage der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen ist bspw. auch der Unidroit-Entwurf gescheitert, vgl. Spaun, S. 9. 6 Vgl. oben S. 100 ff. Probleme ergeben sich dabei im deutschen Recht insbesondere bei der Beurteilung der Drohung – man unterscheidet anhand der Intensität der Drohung – und bei der Einbindung der besitzrechtlichen Situation von Besitzmittlern und Besitzdienern. Auf die daraus resultierenden, im rein nationalen Recht begründeten Probleme soll bei dieser generellen und vom nationalen Recht losgelösten Betrachtung hier nicht weiter eingegangen werden. 7 Ein zivilrechtliches Abhandenkommen liegt auch vor, wenn der entsprechende strafrechtliche Tatbestand nicht voll verwirklicht ist. Zur Diskussion um das historische Begriffsverständnis der gestohlenen und verlorenen Sachen, bzw. des freiwilligen und unfreiwilligen Besitzverlusts vgl. Göhlert, S. 259 f.

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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geleiteten (rechtspolitischen oder dogmatischen) Forderungen zur Gesetzesänderung.8 1. Verschuldensprinzip Zum einen wird eine Orientierung gesetzlicher Regelungen anhand des Verschuldens der Beteiligten diskutiert. Dabei werden die Verschuldenskomponenten des Eigentümers und des Erwerbers beim gutgläubigen Erwerb abhanden gekommener Sachen thematisiert, die zur Konstellation des gutgläubigen Erwerbs geführt haben. Auf Eigentümerseite steht dabei im Mittelpunkt, dass ein „Verschulden“9 des Eigentümers im Falle abhanden gekommener Sachen, anders als bei sonstigen Konstellationen, fehlen könnte. Das Verschulden des Eigentümers wird in den sonstigen Fällen in der freiwilligen Weggabe der Sache durch den Eigentümer gesehen.10 Im Falle der unfreiwilligen Weggabe (Abhandenkommen) soll dieses Verschulden des Eigentümers gerade nicht gegeben sein.11 In diese Richtung gehen die Aussagen im Rahmen der Erarbeitung des BGB. Demnach könne sich der Eigentümer gegen die Veräußerung der Sache durch einen Nichtberechtigten, abgesehen von den Fällen der Entziehung der Sache, genügend dadurch schützen, dass er die Sache nicht aus der Hand gibt. Somit sei der Eigentümer an dem Irrtum des Erwerbers über das Eigentum des Veräußerers in höherem Grade Schuld als der Erwerber.12

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Vgl. auch Staudinger/Wiegand, Vorbem zu §§ 932 ff. Rdnr. 4 f. Nachfolgende Theorien beschäftigen sich teilweise auch mit Begründungsversuchen für den gutgläubigen Erwerb insgesamt. Hier werden diese Begründungsansätze nur in Bezug auf die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen dargestellt. Und auch hier können nur die jeweiligen Grundsysteme dargestellt werden. Die theoretische und dogmatische Auseinandersetzung damit findet seit über 100 Jahren statt. Dabei wurde eine Vielzahl von feinen Unterscheidungen getroffen und es wurden Mischsysteme propagiert, die hier nicht in aller Vollständigkeit dargestellt werden können. Einen Einblick dazu vermitteln Günther, S. 4 ff., von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 202 ff. und unter Berücksichtigung weiteren ausländischen Schrifttums Thorn, S. 66 ff. 9 Nachdem dieses „Verschulden“ des Eigentümers, wenn es denn vorliegt, durch einen gutgläubigen Erwerb des Erwerbers zu einem Verlust des Eigentums führt, würde es sich rechtstechnisch um eine Obliegenheit handeln. 10 Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 181 sieht nur so eine Begründung für den gutgläubigen Erwerb: „Die Gerechtigkeit fordert, […], eine Unterscheidung dahin, ob den Eigentümer ein Verschulden trifft oder nicht.“; zumindest wohl als Forderung ausgestaltet: von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 223 m.w.Nachw.; Terré/Simler, Rdnr. 439. 11 U.a. Ortscheidt, Jurisclasseur Civil, Art. 2279 et 2280, Nr. 89. 12 Motive der 1. Kommission, S. 344, in: Mugdan, S. 191. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nach dem Entwurf der Ersten Kommission für die Fälle des ausbleibenden

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Neben dem fehlenden Verschulden auf Eigentümerseite wird von manchen zudem ein Verschulden auf Erwerberseite angeführt. Der Eigentümer, dem die Sache gestohlen wurde oder der diese verloren hat, habe keinerlei Fehler begangen, wohingegen der Erwerber es versäumt habe, sich über den Zustand und die Ehrlichkeit seines Verkäufers zu informieren und zudem meistens die Sache noch unter Wert erwerbe. 13 Beide Ansatzpunkte, das fehlende Verschulden auf Eigentümerseite und das Verschulden auf Erwerberseite, überzeugen indes nicht. Auf Eigentümerseite ist dabei schon der Ausgangspunkt fraglich, wonach in einer freiwilligen Weggabe der Sache ein Verschulden des Eigentümers liege. Eine freiwillige Weggabe der Sache ist nach der Wirtschafts- und Rechtsordnung ein erwünschtes und legitimes Verhalten (vgl. Miete, Pacht, Leasing, Leihe),14 das auch nicht für den Zweck des gutgläubigen Erwerbs als typisches Verschulden behandelt werden kann. Insbesondere dann, wenn selbst die Überlassung an einen sorgfältig ausgewählten und überwachten und in der Vergangenheit stets zuverlässigen Vertrauensmann als Verschulden deklariert wird. Umgekehrt kann bei einer abhanden gekommenen Sachen nicht typischerweise von einem fehlenden Verschulden des Eigentümers ausgegangen werden. Besonders deutlich wird dies beim Verlust einer Sache, dem häufig zumindest ein fahrlässiges (wenn nicht gar leichtfertiges) Verhalten des Eigentümers vorausgegangen sein wird. Zudem kann im Einzelfall auch der Eigentümer durch besonders sorgloses Verhalten zu einem Diebstahl beitragen, indem er bspw. eine Sache nachts ungesichert an einem diebstahlsgefährdeten Ort abstellt.15 Weiterhin könnte es der Eigentümer schuldhaft versäumen, sich um die Wiedererlangung eines gestohlenen Gegenstands zu kümmern.16 Dennoch wird auch ein derart „schuldhaft“ handelnder Eigentümer durch eine Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen privilegiert.17 Die Annahme eines typischerweise schuldhaften Verhaltens des gutgläubigen Erwerbers kann ebenso wenig überzeugen. Kann der Sache ausnahmsweise angesehen werden, dass sie aus einem Diebstahl oder einem ähnlichen unfreiwilligen Besitzverlust herrührt oder deuten sonstige Umstände auf eine solche Herkunft hin, so fehlt es bereits an der GutgläubigEigentumserwerbs des Erwerbers wenigstens ein Lösungsanspruch vorgesehen war (ausführlich hierzu bereits oben S. 276 ff.). 13 Moldoveanu, S. 133 m.w.Nachw. 14 Vgl. dazu schon oben S. 182 ff. und insbesondere Leuschner, Verkehrsinteresse, S. 144; Peters, S. 50 f. 15 Vgl. u.a. Carbonnier, Biens, Nr. 231. 16 Vgl. zur Annahme der Verwirkung durch us-amerikanische Gerichte in einem solchen Fall Müller-Katzenburg, NJW 1999, 2552, 2556. 17 Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 94 Fn. 2.

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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keit. Das Verhalten eines gutgläubigen Erwerbers wird im Übrigen aber regelmäßig keinen Schuldvorwurf begründen können. Selbst der vorsichtigste Erwerber kann eine gestohlene Sache erwerben und somit von der Zuweisung des Ausfallrisikos im Falle abhanden gekommener Sachen nachteilig betroffen sein.18 Im Ergebnis lässt sich die Sonderbehandlung mit dem Verschuldensbeitrag der Beteiligten nicht rechtfertigen.19 1. Veranlassungsprinzip Das Veranlassungsprinzip geht von dem Gedanken aus, dass derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft an seiner Sache einem Dritten überlässt oder anvertraut, es auch veranlasst hat, dass nun bei diesem Besitzer der Rechtsschein eines diesem gar nicht zukommenden Rechts entsteht.20 Derjenige, der die Sachherrschaft an seiner Sache unfreiwillig verliert, hat demnach keine (willentliche) Veranlassung für einen solchen Rechtsschein gegeben und verliert folglich auch nicht das Eigentum.21 Hier greifen wieder ähnliche Einwände, wie sie sich schon im Rahmen des Verschuldens gezeigt haben. Auch ein Abhandenkommen kann vom Eigentümer „veranlasst“ sein (ungesicherter Pkw an diebstahlsgefährdetem Ort). Insbesondere das Verlieren einer Sache kann als besonders klarer Fall der Veranlassung durch den Eigentümer gesehen werden. Auch das Veranlassungsprinzip kann somit die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen nicht vollständig erklären22 und ist im Übrigen als alleiniges Kriterium auch nicht geeignet, um den Interessenausgleich zielgerichtet zu erreichen, da es zu sehr auf die Kausalität der Vorgänge abstellt.23 18

Motive der 1. Kommission, S. 418, in: Mugdan, S. 233. Stellvertretend für sehr viele so auch Rebe, AcP 173 (1973), 186, 199 f.; Neuner, JuS 2007, 401, 404. Die entsprechenden Stellungnahmen hierzu offenbaren allerdings auch, dass die Grenzen zwischen der Analyse des bestehenden Rechts und rechtspolitischen Forderungen fließend sind. Selbst von Befürwortern der Abgrenzung nach Verschuldensgesichtspunkten (insbesondere von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 224) wird anerkannt, dass dieses im deutschen, wie auch im französischen Recht, letztlich nicht (durchgehend) verwirklicht ist (Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 180), so dass die Betonung dieses Aspekts regelmäßig mit entsprechenden rechtspolitischen Forderungen verknüpft wird. 20 H. Meyer Publizitätsprinzip, S. 85 f.; Westermann, JuS 1963, 1, 6 f.; Musielak, JuS 1992, 713, 713 f.; Medicus, Jura 2001, 294, 296; Staudinger/Wiegand, Vorbem zu §§ 932 ff. Rn 22. Hier sehen die Begründung für den § 935 BGB bspw. Erman/Michalski, § 935 Rdnr. 1. 21 Vgl. die Darstellung der Motive des Gesetzgebers bei Musielak, JuS 1992, 713, 713 f.; Staudinger/Wiegand, Vorbem zu §§ 932 ff., Rdnr. 22. Vgl. auch Bénabent, Anmerkung zu Cass. civ. v. 05.10.1972, JCP G 1973, II, 17485; Carbonnier, Biens, Nr. 237. 22 Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 222 f. m.w.Nachw. 23 Canaris zum Veranlassungsprinzip: „Es stellt vielmehr ein Relikt reiner Kausalhaftung dar (…)“, Vertrauenshaftung, S. 476; Neuner, JuS 2007, 401, 404. 19

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

3. Gedanke der Gefahrbeherrschung und Zurechnung Vergleichbar mit dem Gedanken der Veranlassung ist die Zuweisung gewisser Risiken auf der Basis der Gefahrbeherrschung. Gibt der Eigentümer die Sache freiwillig aus der Hand, so erzeugt er die Gefahr des Rechtsscheins durch einen anderen.24 Das aus dieser Gefahr resultierende (Missbrauchs-)Risiko muss er dann tragen. Ist dem Eigentümer die Sache unfreiwillig abhanden gekommen, so hat er keine Gefahr geschaffen und er muss die daraus resultierende Gefahr eines Rechtsscheins eines Dritten nicht tragen.25 Ohne ausdrücklich ein Leitprinzip zu statuieren, deuten die Aussagen der Ersten Kommission im Rahmen des Ersten Entwurfs des BGB ebenfalls in diese Richtung, wenn es dort heißt, dass im Regelfall der Inhaber der Sache diese vom Eigentümer überlassen bekommt und es sich für diesen Fall rechtfertige, „den Eigentümer gegenüber einem gutgläubigen Erwerber die Gefahr einer unrechtmäßigen Verfügung des Inhabers tragen zu lassen.“26 Weitere Begründungsansätze haben eine ähnliche Zielrichtung. So möchte Hübner den Gedanken der Zurechnung angewendet sehen, wonach ein gutgläubiger Erwerb dann nicht eintreten solle, wenn dem Eigentümer der falsche Schein nicht zugerechnet werden könne („Wo Du zurechenbar den Schein erweckt hast, da sollst du den Nachteil tragen.“). 27 Verschuldensgesichtspunkte seien hier zu eng. Im Übrigen zieht aber auch Hübner bei der Bestimmung der Zurechnungskriterien allgemeine Grundsätze heran, insbesondere den Gedanken von der Gefahrbeherrschung und gelangt nicht zu einer konkreteren Ausgestaltung der Zurechnungskriterien.28 Darüber hinaus erkennt er an, dass auch bei dieser Lösung Einzelfälle nicht systemgerecht erfasst werden können, sondern dem Billigkeitsempfinden überlassen bleiben müssen.29 Nicht viel anders ist es bei einer weiteren Abwandlung, wonach aufgrund des freiwilligen Anvertrauens der Sache der Eigentümer das Risiko 24 Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1528 zum französischen Recht; zum deutschen Recht u.a. Neuner, JuS 2007, 401, 404. 25 U.a. Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 328 f.; Müller-Erzbach AcP 142 (1936), 20, 30; Brandt, S. 263; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 479 ff.; Rebe, AcP 173 (1973), 186, 200 f.; Neuner, JuS 2007, 401, 404. 26 Motive der 1. Kommission, S. 348, in: Mugdan, S. 193. 27 Hübner, S. 127; in eine ähnliche Richtung geht Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 1, der von einem Sphären- und Veranlassungsprinzip spricht: „Das Verhalten des Besitzmittlers ist der Sphäre dessen zuzurechnen, der ihn einschaltet.“. 28 Hübner, S. 97 ff., insbesondere S. 105 ff. und S. 124 ff.; so auch Dorff, S. 94 f. 29 Hübner, S. 109 f.: „Solche Tatbestände stellen jedoch Imponderabilien berücksichtigende Ausnahmen dar, die gegenüber jeder Struktur, und sei sie noch so sorgfältig gewählt, Platz greifen können.“

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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des Vertrauensmissbrauchs durch den Inhaber der Sachgewalt tragen müsse (Risikoprinzip).30 Auch dies ermöglicht keine eindeutige Erklärung für die Sonderbehandlung, da das Risiko eines Vertrauensbruchs sicherlich dem Eigentümer zugewiesen werden kann, aber z.B. offen bleibt, warum dieser nicht auch das Risiko des Verlusts der Sache tragen sollte. An all diesen Ansätzen wird im Wesentlichen kritisiert, dass der Eigentümer die Eingehung des Risikos einer anderweitigen Verfügung durch den Veräußerer in vielen Fällen nicht vermeiden kann.31 Hierfür werden ähnliche Gegenargumente gebracht, wie bei den Begründungsansätzen des Verschuldens oder der Veranlassung. Auch die Gefahr eines Abhandenkommens, insbesondere der Verlust einer Sache, kann in vielen Fällen dem Eigentümer zugerechnet werden.32 Schließlich würde bei dieser Erklärungsvariante im deutschen Recht auch weiterhin jede Legitimation hinsichtlich der Behandlung des Abhandenkommens durch einen (dazu nicht berechtigten) Besitzdiener fehlen.33 Zwischen den Begründungsversuchen über die Leitprinzipien der Veranlassung, Gefahrtragung und Zurechnung verschwimmen die Grenzen. Letztlich kann keines dieser Prinzipien die Privilegierung abhanden gekommener Sachen vollständig erklären. 4. Unwertgehalt bei gestohlenen oder verlorenen Sachen Nach einigen, vorwiegend älteren Stimmen in der Literatur, sei die Rechtsordnung bei gestohlenen Sachen so sehr geschädigt, dass man dies nicht hinnehmen dürfe.34 Der Erwerb vom Dieb verdiene keinen Schutz.35 Teilweise wird die Sonderregelung pauschal als notwendig betrachtet, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden.36 Dies überzeugt ebenfalls nicht, wenn man die privilegierten Fälle (Diebstahl, Verlust) mit den nicht privilegierten Fällen, insbesondere der durch betrügerisches Handeln erreichten Weggabe der Sache durch den Eigentümer vergleicht. So ergibt sich schon aus der Strafandrohung im deutschen

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Müller, ZfRV 1963, 2, 5 f.; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 479 ff. Hübner, S. 65, 106 f. 32 Vgl. von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 223. 33 Zur Diskussion um die Einordnung des Besitzdieners vgl. oben S. 101 f. 34 U.a. Kohler, S. 228 ff. Schultze sieht (unter Ablehnung jeglicher Argumentationslinien, die sich auf eine tatsächliche oder fiktive Publizität berufen) den Grund für die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen in dem zugrunde liegenden Bruch des Rechtsfriedens (Friedebruch), Schultze, FS Dahn I, 1, 57 ff. 35 Brandt, S. 268. Gegen diese verkürzte Formel greift schon der Einwand, dass dies den späteren Erwerb von einem Zweiten oder Dritten außer Betracht lässt, von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 220. 36 Robert, Anmerkung zum Urteil TGI Pau, 3. Juli 1979, D. 1981, Inf. rap. 232. 31

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

StGB,37 dass kein Rangverhältnis im Unwertgehalt von Diebstahl und Betrug besteht. Sowohl der einfache Diebstahl, als auch der einfache Betrug sind mit einer Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe versehen. Die Fundunterschlagung hat sogar eine geringere Strafandrohung, führt zivilrechtlich über § 935 Abs. 1 BGB aber dennoch zu einer Eigentümerprivilegierung.38 Andererseits wird die Unterschlagung durch den Besitzmittler strafrechtlich sanktioniert, ohne zu einer zivilrechtlichen Privilegierung des Eigentümers (kein Abhandenkommen i.S.d. § 935 Abs. 1 BGB) zu führen. Bei den Arbeiten der Ersten Kommission zur Erarbeitung des BGB wurde die prinzipielle Vergleichbarkeit der privilegierten Fälle mit dem Betrug gesehen. Dennoch wurde der Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft in Folge der rechtswidrigen Einwirkung auf den Willen des Sachinhabers durch Drohung oder Betrug nicht mit Diebstahls- oder Verlustfällen gleichgesetzt, da in diesen Fällen der willentliche Verlust der Sachherrschaft „wegen der obwaltenden rechtsgeschäftlichen Mängel nicht als Verlust ohne Willen erscheint und eine Ausdehnung der Ausnahmenorm über das ihr zu Grunde liegende Prinzip hinaus zu weit führen würde.“39

Ebenso wenig hat man im französischen Recht eine Ausweitung der Privilegierung auf Betrugsfälle vorgenommen, obwohl man zur Zeit der Erarbeitung des Code civil strafrechtlich schon zwischen Diebstahl und Betrug unterschieden hat.40 5. Historische Erklärung; historische Rechtfertigung? Schließlich wird die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen mit der historischen Herleitung erklärt. Die Sonderbehandlung gestohlener Sachen war bereits im Zwölftafelgesetz vorhanden,41 und auch zur Zeit der Entstehung der Kodifizierungen des Zivilrechts war der Diebstahl eine der

37 Das Strafrecht und das Zivilrecht müssen nicht zwangsläufig die gleichen Wertungen treffen. Aus der strafrechtlichen Strafandrohung ergeben sich aber zumindest Anhaltspunkte über den Unwertgehalt, der einer bestimmten Handlung beizumessen ist. 38 § 246 StGB: „… Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.“ Der Fundunterschlagende nützt lediglich eine sich ihm bietende Gelegenheit aus und hat regelmäßig keine vorgefertigte Absicht, eine kriminelle Handlung zu begehen. Da die Fundunterschlagung auch nicht mit Gewalt oder Tätlichkeiten verbunden ist, richtet sie auch nur einen geringen sozialen Schaden an; Roux, S. 142 f. 39 Motive der 1. Kommission, S. 348 f., in: Mugdan, S. 194. 40 Carbonnier, Biens, Nr. 238. 41 Vgl. oben S. 109 f.

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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großen Plagen, die bekämpft werden sollten.42 So sah bereits der Vorläufer der BGB-Regelungen, Art. 306 Abs. 4 ADHGB, eine Ausnahme vom gutgläubigen Erwerb für gestohlene Sachen vor. Dazu wurde wiederum auf den damals bekannten deutschrechtlichen Grundsatz des „Hand wahre Hand“ zurückgegriffen. Diese historische Verankerung erklärt zwar, warum insbesondere gestohlene Sachen im Rahmen des gutgläubigen Eigentumserwerbs in verschiedenen Rechtsordnungen eine Sonderbehandlung erfahren. Angesichts der fortschreitenden Veränderung der Gesellschaft kann die bloße historische Überlieferung einer Regelung auf Dauer jedoch keine ausreichende Begründung für eine Regelung darstellen.43 Die oben unter 1.–5. aufgezeigten Begründungsansätze scheitern (teilweise) schon an der mehr oder weniger widersprüchlichen Erklärung der Regelung. Darüber hinaus ist die Suche nach einem rechtstheoretischen Begründungsmodell für die Handhabung und Rechtfertigung der konkreten Regelung (bspw. §§ 932 ff. BGB) nur sehr eingeschränkt hilfreich.44 Eine materielle Begründung enthält eine rechtstheoretische Begründung regelmäßig nicht und ist daher allenfalls bei der Behebung von Auslegungsschwierigkeiten oder der Handhabung ungeregelter Fälle hilfreich. Demnach überzeugt keiner der aufgezeigten Begründungsansätze, um eine Sonderzuweisung des wirtschaftlich bedeutenden Ausfallrisikos nicht nur zu erklären, sondern auch materiell zu rechtfertigen.

II. Der Interessenvergleich bei abhanden gekommenen Sachen Wenngleich sich aus den soeben dargestellten Begründungsansätzen keine eindeutige Begründung für eine Sonderverteilung des Ausfallrisikos bei abhanden gekommenen Sachen ergibt, so lassen sich aus diesen Ansätzen dennoch einige Aspekte entnehmen, die auch im Bereich des individuellen und generellen Interessenvergleichs zu berücksichtigen sind.

42

Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 94; Patault, Rdnr. 247. Die rei vindicatio hat ihre Vorgeschichte im altrömischen Recht auch im Bereich der Diebstahlsverfolgung, Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 32 I. (S. 127). 43 Eine rein historische Begründung ablehnend schon Reichel, Grünh. Zeitschr. 1916, 173, 174 f.; Vgl. im Übrigen Baur/Stürner, § 52 Rdnr. 8; vgl. auch Guisan, S. 241 f. zum Schweizer Recht. Ebenso wenig kann sie eine dogmatische Rechtfertigung darstellen, Wiegand, JuS 1974, 201, 205. 44 Deutlich Ernst, FS Gernhuber, 95, 99: Ein ‚zwischen‘ Tatbestand und Wertung angesiedeltes ‚rechtssystematisch-dogmatisches Wirkungsprinzip‘ ist daneben [neben der wertenden Entscheidung des Gesetzgebers] ohne Sinn. Es handelt sich um eine reine Begriffskonstruktion mit dem Zweck, den gutgläubigen Erwerb rechtstheoretisch zu begründen.“

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

1. Die individuellen Komponenten bei der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen Der Interessenvergleich geht als Grundprämisse von einem gutgläubig handelnden Erwerber aus. Da es einer Sache per se nicht anzusehen ist, dass sie gestohlen, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist,45 wird also auch davon ausgegangen, dass keine sonstigen Indizien vorlagen, die eine unlautere Herkunft der Sache nahe liegend erscheinen ließen. Hier würde bereits die Gutgläubigkeit fehlen und jede weitere Abwägung wäre unnötig. An individuellen Aspekten der Bewertung des Handelns der Beteiligten setzen diejenigen an, die eine Unterscheidung der abhanden gekommenen Sachen mit dem Verschuldensprinzip rechtfertigen wollen. Allerdings ist bei abhanden gekommenen Sachen, wie gesehen, weder ein fehlendes Verschulden des Eigentümers, noch ein vorhandenes Verschulden des Erwerbers verallgemeinerungsfähig. Die individuellen Verschuldenskomponenten zeigen hier keine typische Abweichung vom Regelfall des gutgläubigen Erwerbs, die eine abweichende Verteilung des Ausfallrisikos rechtfertigen könnte. Genauso wenig kann, wie sich aus den Erörterungen zum Veranlassungsprinzip ergibt, davon ausgegangen werden, dass der Eigentümer im Falle abhanden gekommener Sachen typischerweise keinerlei Veranlassung zu der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs gegeben hat. Auch hier sind die Varianten zu vielfältig und schließen solche mit einem nicht unerheblichen Veranlassungsbeitrag des Eigentümers (z.B. Verlust der Sache) ein. Selbiges gilt für die Begutachtung der individuellen Handlungsbeiträge anhand der Gefahrbeherrschung und Zurechnung. Genauso wie bei der freiwilligen Weggabe einer Sache kann auch der unfreiwillige Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft auf eine vom Eigentümer geschaffene Gefahr zurückgehen und diesem zurechenbar sein. Eine weitere Steuerung des individuellen Verhaltens der Beteiligten durch dieses Kriterium ist ebenfalls fraglich. So besteht insbesondere kein Anreiz für den Eigentümer, zusätzliche Eigentumssicherungsvorkehrungen zu treffen. Im Gegenteil, der Eigentümer wäre aufgrund einer Zuweisung des Ausfallrisikos an den Erwerber weniger gehalten, weitere zur Verfügung stehende tatsächliche Möglichkeiten zur Sicherung seines Eigentums zu treffen. Der Eigentümer kann aber durch Eigentumssicherungsmaßnahmen (Alarmanlagen etc.) die Entstehung der Situation in manchen Fällen verhindern und damit ein potenzielles Schadensrisiko der Beteiligten von vornherein vermeiden. Darüber hinaus hat der Eigentümer die Möglichkeit,

45 Darauf wurde auch bereits vielfach hingewiesen, vgl. u.a. Hedemann, § 22 III d 1. (S. 142); von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 219.

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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sich gegen den Eintritt des Schadens zu versichern.46 Ergänzend führen die Versicherungsbedingungen zu einem Anreiz zur sorgfältigen Eigentumssicherung durch den Eigentümer, indem Versicherungsleistungen und Prämienzahlungen mit bestimmten Präventivmaßnahmen verknüpft werden.47 Diese Anreize haben sich im Kraftfahrzeugbereich als wirksam erwiesen. Dort wird teilweise die Höhe der erstattungsfähigen Summe an das Vorhandensein einer Wegfahrsperre geknüpft.48 Darüber hinaus führt die generelle Zuweisung des wirtschaftlichen Risikos an den Eigentümer dazu, dass dieser weniger Anreiz hat, Aufwendungen zu tätigen, um seine gestohlene oder abhanden gekommene Sache wieder zu finden und damit einen gutgläubigen Erwerb Dritter zu vermeiden. Eine solche „Meldepflicht“ des Eigentümers wurde im Bereich der Kunstgegenstände bereits mehrfach als angemessen betrachtet und gefordert.49 46

Anders Muller, die die Möglichkeit der Versicherung generell nicht berücksichtigen möchte, u.a. da es keine Pflicht sei zu versichern, die Erstattung nicht in voller Höhe erfolge (sondern nur der Zeitwert abzüglich Eigenbeteiligung erstattet werde) und ansteigende Fallzahlen (zu ihrer Argumentation der Diebstahlseinschränkung vgl. unten S. 329 ff.) zu höheren Versicherungsprämien führen würden; Muller, RTD civ. 1989, 697, 700 Fn. 9. 47 Vgl. auch BMI/BMJ, Erster Periodischer Sicherheitsbericht, S. 125. 48 Bei der HUK 24 werden im Rahmen der Ermittlung der erstattungsfähigen Summe bspw. 10 % vom Wert abgezogen werden, es sei denn, das Kfz verfügt über eine elektronische Wegfahrsperre. vgl. z.B. A.2.6.1 c AKB (Stand: 01.04.2008) der HUK24. Einzelne Fahrradversicherungen gewähren bspw. einen Prämienrabatt, wenn das Fahrrad codiert ist; vgl. die Darstellung der Versicherungsbedingungen der P&P Pergande & Pöthe GmbH für deren Fahrrad-Vollkaskoversicherung, (abgerufen am 24. März 2010). Im Hinblick auf versicherte Sachen kommt eine Verlagerung des Ausfallrisikos auf den Erwerber letztlich der Versicherung zugute, die so ihre Regressansprüche über den Erwerber geltend machen könnte und nicht auf die Verfolgung des Diebes angewiesen wäre. Schadensersatzansprüche (z.B. weil ein Dritter gutgläubig Eigentum erworben hat) gehen gem. § 67 VVG vom geschädigten Versicherungsnehmer auf die Versicherungsgesellschaft über. Ebenso geht das Eigentum einen Monat nach der Entwendung auf die Versicherung über (für Kraftfahrzeuge vgl. § 13 Abs. 7 S. 2 Allgemeine Bedingungen für die Kraftverkehrsversicherung (AKB)). Umgekehrt könnte die Risikozuweisung an den Eigentümer wiederum zu einem Anstieg der Prämien führen, wenn es dadurch Versicherungsgesellschaften erschwert wird, Regress zu nehmen. Ob dies aufgrund der Zahl der aktuell tatsächlich bei einem Erwerber herausverlangten Gegenstände wirklich der Fall wäre, ist nur schwer einzuschätzen. 49 Müller Katzenburg, NJW 1999, 2551, 2556 f.; Seegers, Art-Investor, 453, 459. Wie oben erläutert, hat der Eigentümer nach geltendem Recht bspw. keine Pflicht, ein abhanden gekommenes Kunstwerk in das Art Loss Register aufnehmen zu lassen. Teilweise wird zwar angenommen, die Inanspruchnahme des ALR sei inzwischen auch auf der Seite des Verlierenden (in diesem Fall durch Öffentlichmachung des Verlusts) „quasiverpflichtend“ (Cwitkovits, Parnass 2005, Heft 1, 12, 12). Dies kann allerdings nur für

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass im Rahmen eines gutgläubigen Erwerbs die Wahrscheinlichkeit des zeitnahen50 Wiedererlangens der Sache auch bei einer Zuweisung des Ausfallrisikos an den Erwerber nicht sehr hoch ist und eigene Sicherungs- und Wiedererlangungsmaßnahmen selbst bei einer Verlagerung des Ausfallrisikos auf den Erwerber für den Eigentümer somit weiter von Bedeutung sind. Unklar ist die genaue Bedeutung der Zuweisung des Ausfallrisikos für den einzelnen Erwerber, der ja generell schon zu sorgfältigem Handeln gezwungen ist, um sich nicht dem Vorwurf der Bösgläubigkeit auszusetzen. Es ist allerdings nicht undenkbar, dass er, wenn er das Ausfallrisiko trägt, insbesondere bei wertvollen Gegenständen, aus eigenem Interesse eine noch größere Sorgfalt an den Tag legen wird. 51 Er muss ja insbesondere bei einem späteren Herausgabeverlangen nicht nur befürchten, dass der Eigentümer den Nachweis der Bösgläubigkeit des Erwerbers erbringt, sondern dass er dieses Ausfallrisiko unabhängig von dem Umfang seiner sonstigen Anstrengungen und der prozessualen Beweislage tragen muss, wenn das bloße Abhandenkommen der Sache als Zuweisungsgrund fungiert.52 Insgesamt ergibt sich ein ausgewogenes Bild. Einer potenziellen Steuerung des Verhaltens des Eigentümers zur Vermeidung von Diebstählen steht eine potenziell erhöhte Sorgfalt des Erwerbers gegenüber. Weder die Betrachtung der individuellen Interessen oder Verhaltensweisen des Eigentümers, noch jener des Erwerbers führt daher aus individuellen Gründen zu einer Rechtfertigung der abweichenden Zuweisung des Ausfallrisikos zum Erwerber im Falle abhanden gekommener Sachen.53 2. Die Veränderung der generellen Interessen Andere Begründungsansätze setzen eher an den generellen Interessen an. So z.B. die Begründung über den unterschiedlichen Unwertgehalt, der den Handlungen der Beteiligten, insbesondere der Entziehung der qualifizierRechtsordnungen gelten, bei denen auch das Verhalten des Eigentümers (Verschulden, bzw. Einhaltung von Sorgfaltspflichten) relevant wird. Im deutschen und französischen Recht ist dies gerade nicht der Fall. 50 Dies ist besonders bei Sachen von Bedeutung, die mit der Zeit oder durch Abnutzung stark an Wert verlieren. 51 So Neundörfer, S. 330. 52 Vgl. dazu auch oben S. 221 ff. 53 Der Veräußerer ist hier individuell nicht zu würdigen, da es um eine Zuweisung seines Ausfallrisikos an einen der beiden anderen Beteiligten geht. Insbesondere kommt es auch nicht zum Entstehen der Problematik der Rückabwicklung innerhalb von Veräußerungsketten, wenn eine Sache nicht dauerhaft vom gutgläubigen Erwerb ausgenommen wird. Soweit Veräußererinteressen generell relevant sind, werden sie im Nachfolgenden unter den generellen Interessen mit abgehandelt. Gleiches gilt für etwaige Veräußerungsketten.

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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ten tatsächlichen Sachherrschaft beim Eigentümer zugrunde liegt. Auch hier konnte im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass den zum Abhandenkommen beim Eigentümer führenden Handlungen grundsätzlich ein höherer Unwertgehalt innewohnt. Der unterschiedliche Unwertgehalt (hinter dem letztlich Gerechtigkeitserwägungen stehen) kann die Sonderzuweisung des Ausfallrisikos bei abhanden gekommenen Sachen somit ebenfalls nicht rechtfertigen. Eine historische Erklärung ist aufschlussreich, kann aber selbst unter der Berücksichtigung des legitimen Interesses an Rechtskontinuität nicht dazu führen, dass die Regelung der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen nicht angetastet werden dürfe. Welche weiteren generellen Aspekte könnten aber geeignet sein, eine Einschränkung des Verkehrsschutzes durch Zuweisung des wirtschaftlichen Risikos an den Erwerber zu rechtfertigen? a) Senkung der insgesamt zu erwartenden Schäden? Es ist zu überlegen, ob sich in einer der beiden Konstellationen nicht möglicherweise ein geringerer Gesamtschaden einstellt als in der anderen. Ein solcher geringerer Gesamtschaden kann entweder darauf beruhen, dass der Schaden des einen Beteiligten tendenziell geringer ist als der des anderen Beteiligten oder aber darauf, dass die Gefahr, dass sich das Ausfallrisiko realisiert, in der einen Konstellation geringer ist als in der anderen. Zur Frage, ob sich in einer der beiden Konstellationen möglicherweise ein geringerer Gesamtschaden zeigt, lässt sich keine verallgemeinerungsfähige Aussage treffen. Die Schadenshöhe richtet sich bei den Beteiligten im Wesentlichen nach dem jeweiligen Vermögenseinsatz. Realisiert sich das Ausfallrisiko beim Eigentümer, so entsteht für ihn ein Schaden in Höhe des Sachwerts. Bei einer Realisierung auf Seiten des Erwerbers ergibt sich ein Schaden in Höhe der von ihm getätigten Erwerbsaufwendungen. Im Einzelfall kann hier der Vermögenseinsatz des Erwerbers geringer sein als der Sachwert oder der Wiederbeschaffungswert für den Eigentümer. Ein geringerer Vermögenseinsatz des Erwerbers und eine daraus resultierende, im Vergleich zum Sachwert niedrigere Lösungssumme, ist im Übrigen eine der beiden Konstellationen, in der anzunehmen wäre, dass ein Eigentümer in Frankreich von seinem Lösungsrecht Gebrauch machen würde.54 Eine pauschale Aussage, welche von beiden Schadenspositionen regelmäßig die größere ist, lässt sich nicht treffen. Zwar wird teilweise angenommen, dass sich besonders verlorene und gestohlene Sachen zu 54 Die zweite Hauptmotivation zur Ausübung eines Lösungsrechts besteht für einen Eigentümer dann, wenn er mit der Sache ein besonderes persönliches ideelles Interesse verbindet; vgl. Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1555; Dross, Jurisclasseur Civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 53; Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 127.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

einem niedrigeren Preis verkaufen, da der Finder oder Dieb sich bei den Verhandlungen über den Preis sehr entgegenkommend zeigt, weil er die Sache schnell loswerden möchte.55 Allerdings würde sich die gleiche Lage eines Veräußerers ergeben, der bewusst als Nichtberechtigter über die Sache verfügt und dem nicht ein Verlust oder ein Diebstahl der Sache zugrunde liegt (sondern bspw. eine Unterschlagung oder ein vom Veräußerer als solches erkanntes rechtsfehlerhaftes Geschäft vorausgegangen ist). Eine Regel, die auf einen generell niedrigeren Vermögenseinsatz des Erwerbers hindeutet und (insbesondere unter Berücksichtigung weiterer Kosten des Eigentümers für die Ausforschung des Sachverhalts und die Verhandlungen über die Rückgabe der Sache)56 zu einer in der Gesamtbilanz reduzierten wirtschaftlichen Belastung innerhalb der Dreipersonenkonstellation führt, kann hier jedoch nicht festgestellt werden. Zumindest nicht in der Art, dass sie – unter Ausblendung anderer wissentlicher Veräußerungen durch einen Nichtberechtigten – gerade zu einer Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen und einer Zuweisung des Ausfallrisikos an den Erwerber führt. Liegt der Vermögenseinsatz des Erwerbers wesentlich unter dem Sachwert oder kommen zu einem niedrigen Kaufpreis andere Umstände hinzu, so kann im Übrigen bereits an der Gutgläubigkeit des Erwerbers gezweifelt werden.57 Möglicherweise lässt sich aber eine verallgemeinerungsfähige Aussage darüber treffen, in welcher der beiden Varianten der Eintritt eines Schadens mit einer größeren Wahrscheinlichkeit vermieden werden könnte. Für welchen von beiden Beteiligten wäre das Ausfallrisiko also ein geringeres Risiko? Hier spricht zunächst einiges dafür, dass sich bei einer Risikozuweisung an den Erwerber ein geringeres Gesamtrisiko ergeben würde. Sowohl der Eigentümer, als auch der Erwerber muss sich für Rückgriffsansprüche an seine „Kontaktperson“ wenden.58 Für den Eigentümer bedeutet dies, dass er sich regelmäßig59 an den Finder, Dieb oder sonstigen Sachentzieher halten müsste. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass sie für den Eigentümer leicht erreichbar sind, insbesondere dann, wenn der Sachentziehung eine strafrechtliche Handlung zugrunde liegt, was häufig der Fall sein dürfte. Die Kontaktperson des Erwerbers ist der Veräußerer, also 55

Vgl. u.a. Cornu, Les biens, Rdnr. 121; Carbonnier, Biens, Nr. 231; Dorhout Mees, Mélanges Savatier, 265, 269; Völkl, S. 17. 56 Dies berücksichtigt Prisching (S. 296), wenn sie ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass die Fälle, in denen ein Vermögenseinsatz des Erwerbers (allerdings unter Erörterung der vom Eigentümer an den Erwerber etwaig zu zahlenden Lösungssumme) wesentlich unter dem Wert, dem Vermögenseinsatz des Eigentümers, liegt, eher selten sind. 57 Vgl. auch Malaurie/Aynès, Nr. 584. 58 Vgl. dazu auch oben S. 37 ff. 59 Spezielle besitzrechtliche Konstellationen wie die Verfügung durch einen Besitzdiener müssen hier ausgeklammert bleiben, vgl. zu den „Nebenbeteiligten“ oben S. 30 f.

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jemand, den sich der Erwerber selbst ausgewählt und mit dem er schon zuvor ein Rechtsgeschäft abgewickelt hat. Dieser dürfte für den Erwerber leichter erreichbar sein, als der Dieb oder Finder für den Eigentümer.60 Im Gegenzug ist allerdings die dadurch bewirkte Verkehrseinschränkung zu berücksichtigen, die insbesondere im Falle von Veräußerungsketten deutlich wird. Hier würde eine Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs des Erwerbers bei seinem Veräußerer dazu führen, dass dieser wiederum den Veräußerer in Anspruch nimmt, von dem er selbst erworben hat. Es kommt also zu einer Rückabwicklung entlang der Veräußerungskette, bis letztlich der Verursacher – der erste nichtberechtigte Veräußerer – erreicht ist. Abhängig von der Anzahl der Kettenglieder kann dies zu einer Vielzahl von schuldrechtlichen Abwicklungsvorgängen und damit zu einer erheblichen Verkehrseinschränkung führen. Zudem kann es im Zeitablauf dadurch zu unbeabsichtigten Verzerrungen bei der Möglichkeit der Geltendmachung der Ansprüche kommen, wenn die Frist zur Rechtsmängelhaftung für einen Veräußerer selbst schon abgelaufen ist, dieser aber wiederum seinem Erwerber noch zum Ersatz verpflichtet ist. b) Einschränkende Wirkung auf Diebstahl und Hehlerei? Die Zuweisung des Ausfallrisikos an den Erwerber wird insbesondere mit dem Ziel der einschränkenden Wirkung auf Diebstahl und Hehlerei begründet.61 Die Vermeidung von Diebstahl und Hehlerei ist zwar in erster Linie eine Angelegenheit das öffentlichen Rechts, insbesondere des Strafrechts und des Gewerberechts, aber das Zivilrecht kann hier eine unterstützende Steuerungsfunktion wahrnehmen. So können zivilrechtliche Elemente zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität eingesetzt werden, um u. a. „Anreizstrukturen für wirtschaftsdelinquentes Handeln“ zu verändern, indem präventive privatwirtschaftliche Kontrollen gefördert werden und die Deliktskosten für den Täter gesteigert werden.62 Umgekehrt ist es aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben dieser Rechtsgebiete jedoch nicht zwingend, dass sich die aus der jeweiligen Interessenbewertung in den verschiedenen Rechtsgebieten ergebenden Regelungen nahtlos aneinander

60

Vgl. Mourmant, S. 48 m.w.Nachw. Vgl. u.a. Römer (S. 267), der eine Sonderzuweisung bei gestohlenen Sachen als sinnvoll ansieht, da sie den Handel mit Diebesgut erschwere und gewährleiste, dass gestohlene Sachen nicht durch den Hehler wieder verkehrsfähig gemacht werden könnten. Bereits die Ausnahmeregelung des römischen Rechts wird darauf zurückgeführt, dass der Eigentümer vor vorsätzlichen Eingriffen in seine Rechte geschützt werden sollte und sich Verbrechen demzufolge nicht lohnen sollten; Göhlert, S. 176. 62 BMI/BMJ, Erster Periodischer Sicherheitsbericht, S. 160. 61

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

fügen.63 Durch die Gestattung eines gutgläubigen Eigentumserwerbs von einem strafbaren Veräußerer ist die Einheit der Rechtsordnung bspw. nicht verletzt. Grundsätzlich sind Widersprüche zwischen den verschiedenen Teilen der Rechtsordnung wie dem Privat- und dem Strafrecht zwar zu vermeiden, denn die Rechtswidrigkeit oder Erlaubtheit eines Verhaltens ist prinzipiell „anhand der gesamten Rechtsordnung unter Würdigung und Abwägung aller einschlägigen Interessen und Ausgleichung aller im Gesetz in Erscheinung tretenden Ordnungs- und Wertgesichtspunkte“ festzustellen.64 In beiden Bereichen, dem Straf- und dem Privatrecht, sind Individualinteressen und Allgemeininteressen zudem eng miteinander verbunden.65 Dennoch entsteht im Ergebnis kein Widerspruch, wenn es dem gutgläubigen Erwerber ermöglicht wird, das Eigentum wirksam zu erwerben, auch wenn sich der Veräußerer dabei bspw. wegen Unterschlagung strafbar macht. Anders wäre der Sachverhalt dann zu beurteilen, wenn ein bösgläubiger Erwerber, der sich durch diese Handlung der Hehlerei strafbar macht, ebenfalls das Eigentum zivilrechtlich wirksam erwerben könnte.66 Würde die Rechtsordnung auch in einem solchen Fall einerseits das Verhalten zivilrechtlich schützen, andererseits denselben Vorgang aber strafrechtlich verbieten (Hehlerei), so bestünde ein Widerspruch. Ein solcher Widerspruch hatte sich – vor der entsprechenden Rechtsänderung – im französischen Recht dadurch ergeben, dass der gutgläubige Erwerber zur Geltendmachung seines zivilrechtlichen Lösungsrechts einerseits gezwungen war, die Sache nicht freiwillig herauszugeben, andererseits durch eben dieses Verhalten aber einer Strafandrohung wegen Hehlerei ausgesetzt war.67 Soweit es aber darum geht, dass ein Verhalten, das bei einem Beteiligten, dem Veräußerer, strafrechtlich sanktioniert wird, beim anderen Beteiligten, dem Erwerber, dem selbst kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden kann, aber zivilrechtlich geschützt wird (z.B. durch die Zuweisung des Ausfallrisikos an den Eigentümer), steht einer solchen Konzeption nicht die Einheit der Rechtsordnung entgegen. Dennoch könnten positive Auswirkungen auf die Zahl der Diebstahls- und Hehlereidelikte den Einsatz einer solchen Sonderbehandlung begründen. Muller plädiert (im Jahr 63 Vgl. u.a. Hübner, S. 80 m.w.Nachw. Andere fordern eine Konkordanz zwischen Strafrecht und Privatrecht; Binding, insb. S. 37 f. 64 Engisch, S. 58. 65 Engisch, S. 58. 66 Allerdings kann auch im geltenden Recht aufgrund der verschiedenen zuständigen Gerichte und ggfs. getrennten Prozesse nicht ausgeschlossen werden, dass einem Eigentümer der Nachweis der Bösgläubigkeit in einem früheren Zivilprozess nicht gelingt, obwohl es im Strafprozess später zu einer Verurteilung wegen Hehlerei reicht, wenngleich dies aufgrund der tendenziell schärferen Anforderungen im Strafprozess („in dubio pro reo“) eher den Ausnahmefall darstellen dürfte. 67 Mittlerweile hat sich dieser Konflikt entschärft; vgl. dazu insgesamt oben S. 71 ff.

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1989), unter Berufung auf steigende Diebstahlszahlen, für eine Anpassung der zivilrechtlichen Regelungen an die nach ihrer Ansicht gegenwärtigen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen („circonstances économiques et sociales“), was eine Beibehaltung und Ausweitung der Privilegierung bestohlener Eigentümer bedeuten würde.68 aa) Die tatsächliche Bedeutung von Diebstahls- und Hehlereidelikten Bereits die Ausgangsprämisse der steigenden Diebstahlszahlen ist auch ohne intensive kriminologische Untersuchung fraglich. Zumindest anhand der in Deutschland verfügbaren Daten lässt sich diese Annahme nicht bestätigen. Immerhin 38,7 % der in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Straftaten waren im Jahr 2009 Diebstahlsfälle. 69 Dies ist allerdings die niedrigste Quote seit Beginn der Erhebung der gesamtdeutschen Statistik im Jahr 1993.70 Der aufgrund von vollendeten Diebstahlsfällen entstandene Schaden beläuft sich dabei auf ca. 2,0 Milliarden Euro.71 Ca. 27 % davon wiederum entfallen auf Diebstähle von Kfz, sowie aus Kfz.72 Beachtlich ist hier, dass sich diese Zahlen bspw. im Jahr 2003 gegenüber dem Jahr 1993 aufgrund technischer Präventionsmaßnahmen wie der elektronischen Wegfahrsperre auf weniger als ein Drittel reduziert hatten.73 Durch Fahrrad68

Muller, RTD civ. 1989, 697, 704 ff. Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht (Kurzbericht der Innenministerkonferenz), II. (S. 4), abgerufen am 17.04.2011 unter . In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden nur die der Polizei bekannt gewordenen und durch sie endbearbeiteten Straftaten erfasst, wobei allerdings insbesondere Verkehrsdelikte (mit Ausnahme der Verstöße gegen §§ 315, 315b StGB, § 22a StVG) und einige andere zahlenmäßig weniger bedeutende Delikte wie Staatsschutzdelikte nicht in der Statistik erfasst werden, vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, I. (S. 2). Die Statistik beruht zudem auf dem Erkenntnisstand bei Abschluss der polizeilichen Ermittlungen. Gerichte und Staatsanwaltschaften können zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, I. (S. 3). 70 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, III. (S. 6). Seit 1993 ist der schwere Diebstahl nach dieser Statistik um 56,4 % oder der einfache Diebstahl um 23 % gesunken, vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, IV.3 (S. 17). Die Gesamtzahlen sind im gleichen Zeitraum um 10,3 % gesunken, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, IV.2 (S. 16). 71 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – Jahrbuch, Anhang Tabelle 07 (S. 3), abgerufen am 17.04.2011 unter . Als Schaden wird der Verkehrswert des rechtswidrig erlangten Guts herangezogen; die etwa bei Einbrüchen entstanden Sachschäden wurden nicht berücksichtigt. 72 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – Jahrbuch, Anhang Tabelle 07 (S. 3). 73 1993 waren es noch 214 836 Fälle und 2003 nur noch 63 240 Fälle, Polizeiliche Kriminalstatistik 2003, 5.3 (S. 37) und 6 (S. 47), abgerufen am 02.01.2005 unter . Ähnlich ist das Bild bei den Verurteilungen wegen Einbruchdiebstahl: 1993: 25 061 und 2003: 15220 Fälle, Statistisches Bundesamt, Lange Reihen zur Strafverfolgungsstatistik: Verurteilte nach ausgewählten Straftaten, Geschlecht und Altersgruppen, abgerufen am 02.01.2005 unter . Schwierigkeiten in der Beurteilung ergeben sich wiederum durch vorgetäuschte Diebstahlsfälle zur Erlangung der Versicherungssumme, Polizeiliche Kriminalstatistik 2003, 3.8 (S. 178). 74 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – Jahrbuch, Anhang Tabelle 07 (S. 3). 75 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – Jahrbuch, 3.8 (S. 180). 76 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – Jahrbuch, 3.8 (S. 173) und BMI/BMJ, Erster Periodischer Sicherheitsbericht (2001), S. 125; in Letzterem wird der Rückgang im Übrigen allerdings auch auf die zurückgegangene Anzeigebereitschaft zurückgeführt, seit der Fahrraddiebstahl nicht mehr regelmäßig in der Hausratsversicherung enthalten ist. Vgl. zur Fahrradcodierung oben S. 200 f. und zur Berücksichtigung von Versicherungsbedingungen oben S. 324 ff. 77 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, IV (S. 14). 78 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – Jahrbuch, Anhang Tabelle 07 (S. 3). 79 Vgl. bspw. BMI/BMJ, Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht (2006), S. 33 ff. Das Dunkelfeld wird demnach auf 1:10 geschätzt. Anhand der Inventurdifferenzen des Handels von 1,16 % (2006) bzw. 1,2 % (2001) des Bruttoumsatzes wird nach Abzug anderer Verlustquellen (Bruch, Verderb der Waren, falsche Erfassung etc.) eine Schätzung vorgenommen, die den Kundendiebstahl zusammen mit dem Diebstahl durch Personal für ca. 60–75 % der Inventurdifferenz verantwortlich macht, BMI/BMJ, Erster Periodischer Sicherheitsbericht (2001), S. 117 f. Allerdings ist auch hier ein Rückgang der Fallzahlen festzustellen, nicht zuletzt aufgrund verbesserter Sicherungsmechanismen, BMI/BMJ, Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht (2006), S. 33 ff. 80 BMI/BMJ, Erster Periodischer Sicherheitsbericht (2001), S. 119. So sind z.B. Rasierklingen aufgrund ihrer geringen Größe und hohen Preises bei gleichzeitigem großen Bedarf sehr beliebt. „Die Beute landet im Ausland, auf Flohmärkten und wohl auch beim Internet-Auktionshaus eBay, wo seitenweise Großpackungen zu ersteigern sind“; Dworschak, Verräterische Etiketten, Der Spiegel vom 28. Juli 2003.

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Gutgläubigkeit. Schließlich ist für den gutgläubigen Erwerb besonders noch der Diebstahl in/aus Wohnungen von Bedeutung, da dort neben Bargeld vor allem auch persönliche Gegenstände wie Schmuck und Erinnerungsstücke sowie Antiquitäten entwendet werden.81 Dessen Anteil an den Diebstahlsfällen betrug im Jahr 2009 7,0 %82 (2,7 % der Gesamtfälle) und die Schadenssumme 378 Millionen Euro.83 Auch beim Wohnungseinbruch war infolge verbesserter Sicherungsmaßnahmen in den Jahren von 1993– 2009 ein Rückgang um fast 50 % zu verzeichnen.84 Der Anteil der Hehlerei beträgt zusammen mit Begünstigung, Strafvereitelung und Geldwäsche nur 0,4 % der Straftaten.85 Im Zusammenhang mit Hehlereidelikten ist auch die Entwicklung des Internethandels von Bedeutung. Er ist für Diebe und Hehler aufgrund der Möglichkeit des anonymen86 Handelns besonders interessant.87 Der genaue Umfang dieser Problematik lässt sich derzeit nur schwer erfassen. In der Presse werden verschiedene Einzelfälle berichtet, bei denen die bestohlenen Eigentümer ihre Sachen bei Onlineauktionen entdeckt haben oder die Polizei die Versteigerung der Diebesware im Internet feststellte.88 Insge81 Hinzu kommen noch Kreditkarten, Briefmarken- und Münzsammlungen, Videound Hifi-Elektronik, Fotoapparate, BMI/BMJ, Erster Periodischer Sicherheitsbericht (2001), S. 124. 82 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, IV (S. 14). 83 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – Jahrbuch, Anhang Tabelle 07 (S. 3). 84 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009, 3.7 (S. 165). Ebenfalls aufgrund ihrer Bedeutung für den gutgläubigen Erwerb gesondert zu erwähnen sind die Diebstahlsfälle von Antiquitäten, Kunst- und sakralen Gegenständen. Davon wurden im Jahr 2009 2055 Fälle registriert; dies entspricht weniger als 0,1 % der Diebstahlsfälle, Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, VIII (S. 40). Die Schadenssumme beläuft sich dabei aber immerhin auf 16,6 Millionen Euro (Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – Jahrbuch, Anhang Tabelle 07 (S. 3)). International wird der Kunstdiebstahl zu den einträglichsten Verbrechen gezählt, wobei der Wert aller gestohlenen Kunstwerke im Jahr 2004 auf ca. neun Milliarden Euro geschätzt wird (Basler, SZ vom 08.11.2004, S. 3). 85 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, VIII (S. 43). 86 Besonders problematisch sind dabei die öffentlich zugänglichen Anonymisierungsdienste, vgl. Bundeskriminalamt, Information zur Zentralstelle für anlassunabhängige Recherchen in Datennetzen (ZaRD), Juli 2004, S. 5, abgerufen am 07.01.2005 unter . Höhere kriminelle Energie führt zur Verwendung fremder Pseudonyme oder Nutzungsdaten, vgl. u.a. „Gauner im Netz: Wenn Tote plötzlich einkaufen“, Stuttgarter Nachrichten vom 02.08.2004, S. 10. 87 BMI/BMJ, Erster Periodischer Sicherheitsbericht (2001), S. 197. 88 Vgl. u.a. „Bande versteigert gestohlene Minicomputer im Internet“, Stuttgarter Zeitung vom 02.05.2003, S. 25; „Auktionen; Hehler und Sammler“, Focus vom 16.06.2003, S. 110; „Berliner Gauner – dümmer als die Polizei erlaubt“, Die Welt vom 29.11.2003; „Wiedersehen im Internet“, Frankfurter Rundschau vom 18.05.2004, S. 3; „Betrug bei Internet-Auktionen“ Hamburger Abendblatt vom 11.10.2004; „Diebe versteigern wertvolle Waren im Internet“, Berliner Morgenpost vom 11.12.2004. In einem Fall hat der bestohlene Eigentümer im Rahmen einer Auktion (nach eigenen Auskünften) sein eige-

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samt sind bisher nur vergleichsweise wenige Fälle bekannt, bei denen ahnungslose Erwerber die ersteigerten Sachen wieder herausgeben mussten.89 Im Vergleich bemerkenswert ist allerdings der 2009 aufgrund von Betrug (lediglich 15,8 % aller Fälle) entstandene Schaden von 2,2 Milliarden Euro und der aufgrund von Veruntreuungen (0,6 % der Fälle) entstandene Schaden von 1,1 Milliarden Euro.90 Die gesamte Schadenssumme aus Betrug und Veruntreuungen ist nach dem Bericht also mehr als 60 % größer, als jene bei den Diebstahlsfällen. Darüber hinaus steigen die Fallzahlen nes, ihm zuvor entwendetes Mobiltelefon erworben und dies erst bei Erhalt der Ware festgestellt. Allerdings wurde der Fall nicht weiter aufgeklärt; „Das kommt jetzt öfter vor; Berliner Skizzen“, Süddeutsche Zeitung vom 21.08.2004, S. SZ Wochenende IV. Die statistischen Daten sind noch sehr unvollständig. Zwar ermitteln die Polizeibehörden über die „Zentralstelle für anlassunabhängige Recherchen in Datennetzen“ (ZaRD) inzwischen anlassunabhängig auch im Internet, über 50 % der Fälle betreffen dabei jedoch die Verbreitung von Kinderpornografie. Aber immerhin sieben (1,2 %) von 600 im Jahr 2003 im Zuge solcher Recherchen erstatteten Anzeigen betrafen Fälle des Kunstdiebstahls und der Hehlerei, Bundeskriminalamt, Information zur Zentralstelle für anlassunabhängige Recherchen in Datennetzen (ZaRD), Juli 2004, S. 4, abgerufen am 07.01. 2005 unter . 89 In einem Fall wurde bei einer Anfrage wegen Garantieleistungen anhand der Seriennummer einer Festplatte durch den Hersteller festgestellt, dass die Festplatte zuvor gestohlen worden war, „Auktionen; Hehler und Sammler“, Focus vom 16.06.2003, S. 110. Eine strafrechtliche Entscheidung des AG Pforzheim (K&R 2007, 487, 487) sorgte zunächst für Verwunderung (vgl. z.B. Lischka, EBay-Schnäppchenjäger unter Hehlerei-Verdacht, Spiegel Online vom 25.07.2007, abgerufen am 01.03.2010 unter ). Ein Käufer hatte über eBay ein Navigationsgerät mit einem Neupreis von EUR 2137,- für EUR 671 erworben. Dabei handelte es sich um Diebesware, so dass der Käufer die Sache später wieder herausgeben musste. Vom AG Pforzheim wurde er zudem wegen Hehlerei verurteilt. Begründet wurde die Verurteilung mit dem eklatanten Unterschied von Neupreis und (dem im Wege der Auktion zustande gekommenen) Verkaufspreis, da dies den Käufer hätte misstrauisch machen müssen. Zudem hätte der Käufer sich aufgrund des Auktionsstartpreises von EUR 1,- die Frage nach der rechtmäßigen Herkunft stellen müssen. Schließlich kam nach Ansicht des AG Pforzheim erschwerend hinzu, dass das Gerät aus Polen verkauft wurde, was eine Rechtsverfolgung erschwere. Das LG Karlsruhe (K&R 2007, 663, 664) als Berufungsinstanz trat der Rechtsansicht des AG Pforzheim entgegen und hob die Verurteilung auf. Insbesondere stellte es fest, dass der Startpreis von EUR 1,- im Rahmen einer Versteigerung kein taugliches Indiz dafür sei, dass ein Teilnehmer es für möglich halte, dass es sich um Diebesgut handle, denn die Angabe eines geringen Startpreises könne auf den unterschiedlichsten Motiven beruhen. Ebenso wenig sei eine erhebliche Diskrepanz zwischen Zuschlagspreis und üblichem Marktpreis ein Indiz dafür, dass ein Auktionsteilnehmer mit Diebesgut rechnet, da der Zuschlagspreis weder vom Verkäufer noch vom Anbieter direkt zu beeinflussen sei. Etwas anderes müsse allerdings möglicherweise für ein „Sofortkauf“-Angebot gelten. Wenngleich es sich hier um Erwägungen im Rahmen eines Strafprozesses handelt, können die entsprechenden Aspekte auch für eine Beurteilung der Gutgläubigkeit fruchtbar gemacht werden. 90 Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – Jahrbuch, Anhang Tabelle 07 (S. 4 f.).

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beim Betrug seit 1993 nahezu kontinuierlich an und erreichten 2009 den höchsten Stand seit 1993.91 Der rudimentäre tatsächliche Befund zeigt deutlich, dass der Diebstahl heute nicht mehr, anders als noch zu Zeiten des römischen Rechts und des Inkrafttretens des Code civil,92 eine der großen Plagen ist, die es vordringlich zu bekämpfen gilt. Die Schadenssumme ist im Vergleich zu anderen, „prosperierenden“ Deliktsarten (z.B. dem Kreditkartenbetrug oder dem Computerbetrug) gering und von rückläufiger Tendenz. In der daraus resultierenden Verschiebung des Verhältnisses von Diebstahls- zu Vermögensdelikten zeigt sich der „Wandel der Delinquenzformen in der postmodernen Gesellschaft.“93 Nicht zuletzt beruht dabei der Rückgang der Diebstahlszahlen auf der Fortentwicklung und dem Einsatz technischer Sicherungsmaßnahmen, also Präventivmaßnahmen des Eigentümers. Deutlich wird dies besonders an der Reduktion von Kfz-Diebstählen (elektronische Wegfahrsperre, Alarmanlagen), Ladendiebstählen (Sicherungsetiketten) und Wohnungseinbrüchen (Alarmanlagen, Schließanlagen).94 Solche technischen Maßnahmen müssen aber vom Eigentümer ergriffen werden. Daher besteht ein größerer Anreiz zur Verwendung von dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Eigentumssicherungsmaßnahmen, wenn das Ausfallrisiko dem Eigentümer zugewiesen wird und nicht dem Erwerber. bb) Die Auswirkungen der Zuweisung des Ausfallrisikos auf den Handel mit abhanden gekommenen Sachen und den Verkehr generell Ein weiterer wesentlicher Begründungsansatz für eine Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen liegt darin, dass dieser Handel eben weniger lukrativ und entsprechend weniger häufig sei, wenn der Erwerber Gefahr läuft, beim Erwerb einer gestohlenen Sache wirtschaftlich Verluste zu erleiden. (1) Die erwartete größere Sorgfalt des Erwerbers und die Reduzierung der Nachfrage Das Scheitern eines Eigentumserwerbs an Diebesgut führt im Idealfall zu größerer Sorgfalt der an einer Transaktion beteiligten Personen. Ein Erwerber, der damit rechnen muss, dass ihm bei dem Geschäft ein wirtschaftlicher Schaden droht, wird versuchen, durch sorgfältiges Vorgehen den 91

Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 – IMK Kurzbericht, III (S. 6). Vgl. dazu Aubry/Rau/Esmein, § 183 Nr. 94; Patault, Rdnr. 247. 93 So – etwas vorsichtiger formuliert („scheint sich ein Wandel … anzudeuten“) – BMI und BMJ in BMI/BMJ, Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht (2006), S. 33. 94 Vgl. auch BMI/BMJ, Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht (2006), S. 37. 92

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Erwerb einer gestohlenen Sache zu vermeiden. Ohne dieses Kriterium würde es einem Erwerber ausreichen, diejenige Sorgfalt aufzuwenden, die ausreicht, um in einer möglichen rechtlichen Auseinandersetzung seine Gutgläubigkeit darzulegen. Mit einer solchen Regelung wird der Erwerber in „seinem eigensten Interesse auf möglichste Risikobeschränkung bedacht sein, d.h. er wird sich seinen Vormann genau ansehen und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit prüfen.“95 Handelt es sich beim Erwerber um jemanden, der selbst zum Zweck der Veräußerung erwirbt (Veräußerungsketten), so wird erwartet, dass dieser umso sorgfältiger handelt, möchte er doch vermeiden, seinen Vertragspartnern Sachen zu verschaffen, die diese anschließend wieder herausgeben müssen. Dies würde auch eine Rückwirkung auf die Frequentierung bestimmter Veräußerungssituationen haben. Hat ein Erwerber also die Wahl zwischen zwei Veräußerern, so wird er im Zweifel den Veräußerer wählen, von dem er im Ernstfall leichter Ersatz verlangen kann. Hier kann vermutet werden, dass dies auch im Zweifel der Veräußerer mit der besseren Reputation, der längeren Tradition und Präsenz und dem seriöseren und vermeintlich wirtschaftlich potenteren Hintergrund ist.96 Vertreter der ökonomischen Theorie des Rechts setzen an dem „Angebot und Nachfrage Mechanismus“ an. Nach deren Ansicht führt die Zuweisung des Ausfallrisikos bei abhanden gekommenen Sachen an den Eigentümer zu einer erhöhten Nachfrage nach diesen Sachen, denn Erwerber wären mit der Möglichkeit der Berufung auf einen gutgläubigen Erwerb eher geneigt, eine möglicherweise gestohlene Sache zu erwerben.97. Dies habe ein erhöhtes Angebot gestohlener Sachen zur Konsequenz.98 Damit einhergehend wird ein Absenken der Vorsichtsmaßnahmen auf Seiten des Erwerbers befürchtet, da er eben ein Ausfallrisiko nicht zu tragen hätte.99 Im Umkehrschluss daraus schließen jene Vertreter der ökonomischen Theorie des Rechts auf eine eindämmende Wirkung auf den Handel mit gestohlenen Sachen, wenn der Erwerber das wirtschaftliche Ausfallrisiko in diesem Fall tragen müsste. Schon hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Handel mit gestohlenen Waren nicht alleine dem Mechanismus aus Angebot und Nach95

Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 228. Vgl. zu einer möglichen Unterscheidung nach Veräußerungssituationen unten S. 343 ff. 97 Weinberg, Journal of Legal Studies 9 (1980), 569, 577 f. 98 Weinberg, Journal of Legal Studies 9 (1980), 569, 574 ff.; Schäfer/Ott, 18. Kap. 2. (S. 574). 99 Weinberg, Journal of Legal Studies 9 (1980), 569, 577 f. Zudem sieht man bei einer Zuweisung des Ausfallrisikos an den Eigentümer die Notwendigkeit zu höheren Kontrollkosten des Eigentümers durch erhöhte Sicherungsaufwendungen, Krimphove, ZfRV 1998, 185, 201. Vgl. dazu auch Neundörfer, S. 329. 96

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frage folgt, da auf Seiten des bewusst unredlich Handelnden in der Regel eine durch das Strafrecht ausgelöste Hemmschwelle bestehen dürfte, die erst überwunden werden muss. Dafür ist eine Vielzahl von persönlichen und gesellschaftlichen Lebensumständen (Vorkommen von Armut, soziale Absicherungssysteme, Vermögensverteilung innerhalb der Bevölkerung) relevant.100 (2) Die Belastung des Verkehrs generell Wiederum in den Begrifflichkeiten der ökonomischen Theorie des Rechts stehen dem aber andererseits erhöhte Informationskosten des Erwerbers gegenüber. Ist dieser aus Gründen des wirtschaftlichen Risikos gezwungen, sich noch genauer über die Herkunft des Gegenstands zu erkundigen (und im Zweifel den Erwerb zu unterlassen), so führt dies zu erhöhten Informationskosten.101 Infolge der erhöhten Informationskosten des Erwerbers kommt es zu steigenden Gesamttransaktionskosten, was nach dem Coase-Theorem102 negative Auswirkungen auf die effiziente Allokation der Güter haben soll. Krimphove kommt daher im Vergleich der erhöhten Kontrollkosten des Eigentümers (sollte ihm das Ausfallrisiko zugewiesen sein) und den erhöhten Informationskosten des Erwerbers (falls dieser das wirtschaftliche Risiko trägt) zu dem Ergebnis, dass die Schutz- und Kontrollkosten des Eigentümers geringer ausfallen dürften.103 Demnach müsste eine Zuweisung des wirtschaftlichen Ausfallrisikos an den Eigentümer erfolgen. In den verschiedenen Stellungnahmen wird ein weiterer entscheidender Punkt thematisiert. Die Zuweisung des Ausfallrisikos bewirkt nicht nur eine zielgerichtete Einschränkung des Handels mit abhanden gekommenen Sachen, sondern würde die Veräußerungsvorgänge generell, also auch jene Mehrzahl der Veräußerungsvorgänge, bei denen ein Erwerb vom Berechtigten stattfindet, belasten. Angesichts der bedeutenden Größenunterschiede des sonstigen Verkehrs im Vergleich zum Verkehr mit abhanden gekommenen Sachen wirken selbst geringe Einschränkungen dieses sonstigen Handels sehr schwer. Unter diesem Gesichtspunkt wurde bereits bei der Erarbeitung des ADHGB beantragt, auf eine Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen zu verzichten, da nur so der Verkehrsschutz effizient verwirklicht werde und es nicht zweckmäßig erscheine, „den Grundsatz zu durchlöchern und dem kaufmännischen Publikum das Gefühl der vollen Sicherheit, also gerade die bezweckte und heilsame Folge des 100

So auch Neundörfer, S. 329 f. Krimphove, ZfRV 1998, 185, 201. 102 Vgl. zum Coase-Theorem insb. oben Teil 2, 1. Kapitel Fn. 80. 103 Krimphove, ZfRV 1998, 185, 201. 101

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Rechtssatzes wieder zu nehmen.“104 Es bedarf entweder keiner nennenswerten negativen Beeinflussung dieses Handels oder eines überzeugenden zu erwartenden positiven Einflusses der Risikozuweisung an den Erwerber, um eine solche Risikozuweisung zu rechtfertigen. Ein weiteres Verkehrshemmnis kann sich aus der mangelnden Identifizierbarkeit der Sache ergeben. In Massen verfügbare Sachen lassen sich nicht immer eindeutig zurückverfolgen. Dies hat zum einen den für einen Erwerber günstigen Effekt, dass er eine von ihm erworbene abhanden gekommene Sache nicht herausgeben muss, wenn dem Eigentümer der Nachweis, dass es sich um eben jene ihm abhanden gekommene Sache handelt, nicht gelingt.105 Andererseits muss ein Erwerber auch ein Herausgabeverlangen eines Eigentümers fürchten, dem eine andere, aber gleiche Sache abhanden gekommen ist. Zwar kommt ihm hier regelmäßig die Beweislast zugute, aber allein die Konfrontation mit dem unberechtigten Herausgabeverlangen (vermeintlicher) Eigentümer verursacht bei einem Erwerber einen gewissen Aufwand.106

III. Zwischenergebnis: Keine Sonderzuweisung des Ausfallrisikos aufgrund des Abhandenkommens der Sache Weder die Begründungstheorien noch der weitere Interessenvergleich können demnach für abhanden gekommene Sachen einen eindeutigen Ausschlag zugunsten der vom Regelfall abweichenden Verteilung des Ausfallrisikos an den Erwerber zeigen. Insbesondere hat sich kein derart überwiegendes Interesse gezeigt, das die zur Einschränkung des gesamten Verkehrs, einschließlich des weitaus größeren Teils des Verkehrs vom Berechtigten, erforderliche Schwelle überschritten hätte. Erschwerend kommt 104 Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Protokoll der DLXI. Sitzung am 14. Dezember 1860, Anlage 1 Motive d), in: Schubert, Protokolle Berathung ADHGB, Band 9, S. 4615. Vgl. dazu u.a. auch Göhlert, S. 258. 105 Allerdings ist hier auch eine gewisse Informationsasymmetrie zu berücksichtigen. So kann der Eigentümer seine Sache entsprechend kennzeichnen, bspw. über die Verwendung von Funketiketten (RFID-Technik). Diese sollen auch zur Diebstahlssicherung eingesetzt werden (FAZ vom 19.10.2004, S. T6). Die dadurch verfügbaren Informationen kann der Erwerber regelmäßig aber nicht auswerten, da er entweder technisch den Code nicht lesen kann oder die dort enthaltene Information, z.B. mangels Register oder Datenbank, nicht zuordnen kann. 106 Eine weitere Einschränkung des generellen Verkehrs mit Sachen ergibt sich nach Krimphove auch daraus, dass ein risikotragender Erwerber, der später Verdacht schöpft, dass es sich um eine abhanden gekommene Sache handelt, gezwungen wäre, die Sache zu verbergen, zu verstecken oder unkenntlich zu machen und somit die Nutzung der Sache zu ihrem eigentlichen wirtschaftlichen Zweck zu unterlassen, was gesamtwirtschaftlich zur Ressourcenverschwendung führe; Krimphove ZfRV 1998, 185, 202, der diese Gefahr insbesondere für Kunstobjekte, Schmuck und Antiquitäten sieht.

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hinzu, dass es sich bei einer Unterscheidung anhand des Abhandenkommens einer Sache um einen für den Erwerber regelmäßig nicht wahrnehmbaren Umstand handelt, was für den Verkehr besonders einschränkend wirkt.107 Darüber hinaus führt eine „Belastung“ der Sache (im Sinne einer damit verbundenen dauerhaften Zuweisung des Ausfallrisikos an den jeweiligen Erwerber) zu erheblichen Störungen im Bereich mehrgliedriger Veräußerungsketten. Zwar hat eine Steuerung anhand des Kriteriums des Abhandenkommens auch positive Effekte, insbesondere kann sie eine noch größere Sorgfalt des Erwerbers bewirken. Diese positiven Effekte lassen sich aber ausreichend anderweitig kompensieren. Eine entscheidende Rolle kann hier die Beurteilung der Gutgläubigkeit des Erwerbers spielen. Soweit im Einzelfall nämlich – trotz der grundsätzlichen Nichtwahrnehmbarkeit dieser „Eigenschaft“ der Sache – vom Erwerber Umstände wahrgenommen werden können (Wert der Sache, Kaufpreis der Sache, Veräußerungssituation,108 sonstige Umstände), die auf ein Abhandenkommen der Sache, insbesondere einen Diebstahl109 hindeuten, werden diese Aspekte im geltenden Recht bereits im Rahmen der Gutgläubigkeitsbeurteilung berücksichtigt (auch wenn dies für die Entscheidung bei abhanden gekommenen Sachen nach aktuellem Recht nicht notwendig war). In einer Vielzahl der gerichtlich entschiedenen Fälle bestand lediglich keine Notwendigkeit, die Gutgläubigkeit des Erwerbers weiter zu thematisieren, weil ein gutgläubiger Erwerb jedenfalls daran gescheitert ist, dass es sich um eine abhanden gekommene Sache gehandelt hat (§ 935 Abs. 1 BGB, Art. 2276 Abs. 2 C.c.). 107

Vgl. dazu schon oben S. 162 und S. 215 ff. Anschaulich ist hier das Beispiel des Erwerbs einer Gragnani-Geige am Hauptbahnhof, bei der das OLG München eine Gutgläubigkeit des Erwerbers verneint hat (OLG München NJW 2003, 673, 673); dazu oben S. 94. 109 Für Fundgegenstände ist die Situation noch eindeutiger, wie sich nicht zuletzt schon aus der Berücksichtigung der sonstigen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Vorschriften ergibt. Prisching (S. 285 f.) sieht als mögliche Begründung für eine Gleichbehandlung der verlorenen Sachen mit den gestohlenen Sachen etwaige praktische Gründe, da der Nachweis ob eine Sache verloren wurde oder unbemerkt gestohlen wurde, nicht immer zu führen ist und dies unter Umständen nicht einmal dem Eigentümer selbst bekannt ist. Die sonstigen Erwägungen der Risikoverteilung und Zurechnung sprechen bei verlorenen Sachen aber so eindeutig gegen eine Sonderbehandlung der verlorenen Sachen, dass diese praktischen Gründe alleine – welche in stärkerer oder geringerer Ausprägung bei jedem Tatbestandsmerkmal existieren – eine solche nicht rechtfertigen können. So auch im Ergebnis Prisching, S. 286 sowie Poincaré, S. 237 und Roux, S. 141 f., die zumindest teilweise eine Privilegierung anerkennen möchte, für Sachen, die aufgrund höherer Gewalt verloren gegangen sind. Sie weist auch darauf hin, dass schon Bourjon, dessen Arbeiten die französische Gesetzgebung zum Code civil maßgeblich beeinflusst haben, nur für gestohlene und nicht auch für verlorene Sachen eine Sonderregelung als sinnvoll ansah. 108

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Es darf aber vermutet werden, dass auch ohne dieses für die Gerichte vergleichsweise leicht zu bestimmende objektive Kriterium in einer beträchtlichen Anzahl der Fälle der gutgläubige Erwerb sonst an dem subjektiven Tatbestandsmerkmal des guten Glaubens des Erwerbers gescheitert wäre. Viele Erwerber werden auch bislang schon ihre Zweifel haben.110 In diesen Fällen war es für das jeweilige erkennende Gericht aufgrund der Berufung auf die Herkunft der Sache lediglich nicht erforderlich, die schwierigere Begründung der fehlenden Gutgläubigkeit durch fahrlässiges Nichtwissen anzuführen. Im Grundsatz zeigte das Kriterium der Gutgläubigkeit bereits in der Vergangenheit ausreichend Flexibilität und eine ausreichende Differenzierungsmöglichkeit, um sowohl tatsächlichen generellen Verkehrsentwicklungen (und der dadurch bewirkten Einschränkung der objektiven Aussagekraft des Rechtsscheinträgers), den Entwicklungen im Bereich der Diebstahls- und Hehlereidelikte, als auch den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen. So haben sich im Bereich der Kfz-Branche Nachforschungsobliegenheiten herausgebildet, um den typischen Gefahren des Kfz-Handels entgegenzuwirken. Auf die gleiche Art wurde den Entwicklungen im Bereich des Warenkredits Rechnung getragen. 111 Für die Erfassung der Einzelfälle im Rahmen der Gutgläubigkeit werden darüber hinaus eine Vielzahl von Aspekten berücksichtigt, u. a. die Art der Sache (handelt es sich um eine Sache, die häufig Gegenstand von Diebstählen ist?), der Wert der Sache, die Person des Veräußerers, der Ort der Veräußerung, der Verkaufspreis usw.112 Durch die Feinsteuerung des Gutgläubigkeitskriteriums gelangt man in den aufgrund der Umstände kritischen Fällen zu einer Rückverweisung des Ausfallrisikos an den Erwerber, in einer Weise, die den Gesamtverkehr nicht wesentlich beeinträchtigt. Wenngleich die Bedeutung der Unterscheidung zwischen grober und einfacher Fahrlässigkeit bezüglich der Unkenntnis des Erwerbers von der Nichtberechtigung des Veräußerers in der Rechtspraxis aufgrund der schwierigen und nur in geringem Maße präzise bestimmbaren Einordnung einer Handlung unter eine Fahrlässigkeitskategorie gering zu sein scheint,113 kann – im Bedarfsfall – an eine Nachjustierung des Gutgläubigkeitskriteriums anhand der grundsätzlichen Fahrlässigkeitsschwelle gedacht werden. Insbesondere kann durch die (verstärkte) Anwendung des Gutgläubigkeitskriteriums auch das bei der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen möglicherweise bestehende zusätzliche Sorgfaltsinteresse des Er-

110

Vgl. auch Neundörfer, S. 329; Weinberg, Journal of Legal Studies 9 (1980), 572 f. Vgl. zum deutschen Recht oben S. 94 ff. 112 Vgl. hierzu oben S. 233 ff. 113 Vgl. dazu oben S. 231 f. 111

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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werbers bei der Veräußererauswahl kompensiert werden.114 Wie schon im Rahmen anderer Veräußerungsvorgänge steht auch für bestimmte Veräußerer oder Veräußerungsmodalitäten (z.B. Gebrauchtwarenhandel im Internet) die Statuierung von Nachforschungsobliegenheiten über den Weg der Rechtsprechung zur Verfügung. Soweit im Zusammenhang mit gewissen Veräußerungssituationen eine besondere Gefährdungslage erkannt wird, besteht zudem weiterhin die Möglichkeit, etwaige Lücken über das Gewerberecht zu schließen. Das Gewerberecht ist direkt und nicht nur über den Umweg der Nachfragesteuerung durch potenzielle Erwerber geeignet, entsprechende Sorgfaltsvorgaben zu treffen.115 Das vielfach erörterte Zusammenspiel von objektivem Rechtsscheinträger und subjektivem Gutgläubigkeitskriterium116 ist auch im Falle abhanden gekommener Sachen ausreichend und insbesondere flexibel genug, um im Hinblick auf die Verteilung des Ausfallrisikos dem Verkehrsschutz einerseits und den Eigentümerinteressen andererseits Rechnung zu tragen. Die historische begründete Privilegierung abhanden gekommener Sachen ist entwicklungsgeschichtlich überholt.117 Insbesondere die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von Diebstahlsdelikten ist seit der Ursprungszeit dieser Sonderbehandlung zurückgegangen. Darüber hinaus herrscht in Europa eine lange Zeit der Stabilität und des Friedens, so dass die Bedeutung von Verletzungen des Eigentums im Zusammenhang mit kriegsbedingten Unruhen glücklicherweise abnimmt. Wie bereits erwähnt, sind zwei konjunkturelle Phasen zu unterscheiden: eine Phase des Chaos, der Unruhe und der Plünderungen, in der der Eigentumsschutz stärker zu betonen ist und jene des Friedens, in welcher der Verkehrsschutz die Vin-

114 Wird bei abhanden gekommenen Sachen – wie bislang – das Ausfallrisiko hinsichtlich eines etwaigen Rückgriffsanspruchs dem Erwerber zugewiesen, so ist es, wie gesehen, nahe liegend, dass dieser mit einem verstärkten Eigeninteresse eine sorgfältigere Veräußererauswahl vornimmt, da er aufgrund der bloßen unrechtmäßigen Herkunft der Sache (z.B. Diebstahl) und ohne Rücksicht auf die eigene Sorgfalt die Herausgabe der Sache fürchten muss, was zur Folge hat, dass er sich bei seinem Veräußerer schadlos halten muss. 115 Zum Zusammenspiel mit dem Gewerberecht vgl. auch oben S. 210 f. 116 Vgl. dazu insb. (und m.w.Nachw.) Wiegand, JuS 1974, 202, 207 f.; Staudinger/ Wiegand, Vorbem. zu §§ 932 ff. Rdnr. 25 ff. und § 932 Rdnr. 37, 40 ff.; Westermann, § 46 2 c (S. 376 ff.). 117 So schon von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 225 im Jahr 1955. Neundörfer (S. 343 ff., 393) hält § 935 Abs. 1 BGB sogar für verfassungswidrig. Ob man aus verfassungsrechtlicher Sicht soweit gehen muss, ist angesichts des von der Verfassung gewährten Spielraums des Zivilrechtsgesetzgebers zumindest zweifelhaft. Vgl. u.a. auch Neuner (JuS 2007, 401, 407), der die deutschen Regelungen zum Eigentumserwerb an abhanden gekommenen Sachen als „suboptimal“ bezeichnet, welche sich „kaum als Vorbild für eine einheitliche europäische Regelung“ eignen würde.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

dikation einschränkt.118 Angesichts der berechtigten Ausrichtung des europäischen Zivilrechts auf Friedenszeiten ergibt sich auch hieraus eine Berechtigung zur Beseitigung der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen, die nach alledem wie ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten erscheint, in denen besonders die Diebstahlsproblematik gesellschaftlich und ökonomisch relativ bedeutend war. Der Diebstahl ist zwar nach wie vor einzudämmen, aber in seiner Bedeutung nicht mehr „die Plage, die es zu bekämpfen gilt.“119 Die bestehenden internationalen Erfahrungen mit einem Regime des gutgläubigen Erwerbs ohne eine solche Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen stehen dem nicht zwingend entgegen. Es ist daher bedauerlich, dass auch neuere Entwürfe und Vorschläge zu Bestimmungen des gutgläubigen Erwerbs in der Folge der historischen Wurzeln weiterhin eine Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen vorsehen.120 Einige Rechtsordnungen haben die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen und die damit verbundene wirtschaftliche Risikozuweisung an den Erwerber inzwischen aufgegeben und damit anscheinend keine größeren negativen Erfahrungen gemacht.121 Schweden hat diese zwar nachträglich wieder eingeführt,122 allerdings (wohl) nicht im Hinblick auf eine negative tatsächliche Entwicklung.123 Andere kritische Stimmen, wie die des Direk118

Malaurie/Aynès, Nr. 572. Vgl. oben S. 322 f. und 331 ff. 120 Der Entwurf zu einer Reform des französischen Sachenrechts sieht eine solche Sonderbehandlung für gestohlene und verlorene Sachen in seinem Art. 556 Abs. 2 des Avant-Projet Réforme droit des biens (vgl. oben Teil 1, 2. Kapitel Fn. 27) vor. Der DCFR sieht ebenfalls eine – wenngleich im Falle des Erwerbs von einem in seinem normalen Geschäftsverkehr handelnden Veräußerer abgeschwächte – Sonderbehandlung gestohlener Sachen vor, vgl. Art. VIII.-3:101 (2) S. 1 DCFR. 121 Thorn, S. 263 f. Allgemein zu den Regelungen in den verschiedenen Ländern vgl. Thorn, S. 159 (Niederlande), S. 459 (Quebec) und S. 464 (Louisiana). 122 Siehe dazu das schwedische Gesetz zum gutgläubigen Erwerb Lag om godtrosförvärv av lösöre von 1986, in das durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2003 (SOU 2003:161) erneut eine Unterscheidung zwischen abhanden gekommenen und nicht abhanden gekommenen Sachen eingeführt wurde; bei abhanden gekommenen Sachen scheidet nunmehr ein gutgläubiger Erwerb aus (vgl. § 3 Lag om godtrosförvärv av lösöre). 123 Zwar diente die Änderung von 2003 ausschließlich der Wiedereinführung der Unterscheidung zwischen abhanden gekommenen und nicht abhanden gekommenen Sachen. Nach Auskunft des schwedischen Justizministeriums erhielt die Gesetzgebungskommission dabei klare Instruktionen von der schwedischen Regierung, diese Unterscheidung wieder einzuführen, da die Vindikation gestohlener Sachen in anderen Ländern üblich sei und der Gedanke, dass man auch gestohlene Sachen gutgläubig erwerben könne, nicht die Akzeptanz der Bevölkerung gewonnen habe und die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs an gestohlenen Sachen zudem das falsche Signal im Hinblick auf die Verbrechensbekämpfung sei. Dem halten schwedische Rechtswissenschaftler (in einer Email119

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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tors des Art Loss Registers (Julian Radcliff), der in einem Zeitungsinterview feststellt, dass sich die Niederlande zu einem Lagerzentrum für Kunstdiebe entwickelt hätten, (unter anderem) weil der Dieb selbst nach 20 bzw. 30 Jahren Eigentum an den gestohlenen Gegenständen erwerben könne,124 beziehen sich vor allem auf Ersitzungs- und Verjährungsregelungen, aufgrund derer der Dieb selbst die Sache behalten darf, und nicht auf den sofortigen gutgläubigen Erwerb.

C. Weitere Ansatzpunkte für die Zuweisung des Ausfallrisikos Neben dem Abhandenkommen ergeben sich aus der Vielfalt der Steuerungsparameter noch weitere Aspekte, an die die Zuweisung des Ausfallrisikos zu knüpfen sein könnte.

I. Besondere Veräußerungssituationen als Kriterium der Zuweisung des Ausfallrisikos? Besondere Veräußerungssituationen dienen in beiden untersuchten Rechtsordnungen dazu, das Ausfallrisiko im Ergebnis dem Eigentümer zuzuweisen. Im deutschen Recht geschieht dies bei öffentlichen Versteigerungen durch § 935 Abs. 2 BGB und im französischen Recht bei Märkten, Messen und Kaufleuten, die mit Sachen dergleichen Art handeln über das Lösungsrecht in Art. 2277 C.c. In beiden Rechtsordnungen stellt dies eine Rückausnahme für den Fall abhanden gekommener bzw. verlorener und gestohkorrespondenz mit dem Verfasser zu diesem Thema) entgegen, dass es eigentlich keine sachlichen Gründe, insbesondere keine negativen Erfahrungen, gegeben habe, aufgrund derer diese Unterscheidung hätte eingeführt werden müssen. Vielmehr sei eine Reihe von populistischen Zeitungsartikeln über den Verlust des Eigentums an gestohlenen Sachen aufgrund gutgläubigen Eigentumserwerbs für die Stimmungslage verantwortlich, denen Fälle zugrunde lagen, bei denen ein Gericht – wenn man den Fall vor einem Gericht verhandelt hätte (was häufig nicht der Fall war) – wohl Bösgläubigkeit angenommen hätte. Insbesondere habe man bei solchen Fällen durch die Änderung der Regeln zum Verfahrensablauf bei der Polizei (Einführung einer Pflicht der Polizei, vor der Rückgabe der Sache an den Erwerber infolge nicht nachweisbarer Diebstahlsvorwürfe, den früheren Eigentümer über das Auftauchen seiner Sache zu informieren), bereits eine gewichtige Schwachstelle beseitigt. Diese Änderung ermöglicht es dem früheren Eigentümer die zivilrechtliche Frage der Gutgläubigkeit von einem Gericht prüfen zu lassen. Siehe zur weiteren Kritik an einer Gesetzesänderung unter Hinweis auf die Möglichkeit des Eigentümers, sich gegen den Eigentumsverlust zu versichern, Håstad, Swedish Law in the New Millenium, 411, 421. 124 Agence France Presse, vom 24.01.2005, „Les Pays-Bas sont ‚un entrepôt‘ pour les œuvres d’art volées.“

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lener Sachen dar. Das heißt, die Ausnahme der Zuweisung des Ausfallrisikos an den Erwerber bei abhanden gekommenen Sachen wird durch die Nutzung einer entsprechenden Veräußerungssituation wieder aufgehoben und es bleibt bei der grundsätzlichen Risikoverteilung des gutgläubigen Erwerbs, einschließlich der Zuweisung des Ausfallrisikos an den Eigentümer. In den entsprechenden Veräußerungssituationen erkennt das Gesetz somit an, dass der Erwerber beim Erwerb in einer der Situationen grundsätzlich125 eine ausreichende Sorgfalt hat walten lassen und bewirkt damit einen im Vergleich zu sonstigen Situationen erhöhten Verkehrsschutz.126 Durch diese Privilegierung des Erwerbers werden gleichzeitig die entsprechenden Veräußerer vor Rückgriffsansprüchen der Erwerber bewahrt. Nach der hier vertretenen Ansicht bedarf es keiner abweichenden Risikozuweisung im Falle abhanden gekommener Sachen, so dass auch die Rückausnahme für bestimmte schützenswerte Veräußerungssituationen keine Relevanz mehr hat. Allerdings könnte die Privilegierung bestimmter Veräußerungssituationen grundsätzlich auch ohne ein Kriterium des Abhandenkommens der Sache Berücksichtigung finden. Zum einen ist es denkbar, die Zuweisung des Ausfallrisikos an den Eigentümer überhaupt nur zuzulassen, wenn eine bestimmte Veräußerungssituation vorliegt. Dies würde jedoch im Ergebnis bedeuten, dass ein Erwerbsschutz generell nur in diesen ggfs. konkret aufgezählten Veräußerungssituationen besteht. Dies könnte jedoch zum einen potenzielle Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen privilegierten und nichtprivilegierten Veräußerungssituationen hervorrufen und darüber hinaus weiteren Entwicklungen im Verkehr hinderlich sein, da sich entwickelnde Veräußerungssituationen zunächst (solange bis sie ggfs. in den Katalog aufgenommen würden), für einen Erwerber grundsätzlich riskanter und damit in ihrer möglichen Entwicklung benachteiligt wären. Eine solche Festschreibung des aktuellen ordentlichen und vertrauenswürdigen Verkehrs wäre aufgrund seiner Hinderungswirkung für künftige Entwicklungen nicht im Sinne des Verkehrsschutzes. Zum anderen wäre daran zu denken, bei bestimmten als potenziell „gefährlichen“ (unter dem Blickwinkel eines Erwerbs vom Nichtberechtigten) erkannten Veräußerungssituationen – als Ausnahme von dem sonstigen Verkehr – das Ausfallrisiko dem Erwerber zuzuweisen. Dies würde die entsprechenden Veräußerungssituationen für den Erwerber ebenfalls risikoreicher machen und damit zu einer (gewünschten) Benachteiligung der entsprechenden Veräußerungssituationen führen. In Umkehrung der derzeitigen privilegierenden Behandlung einzelner Situationen würden also 125 126

Die konkrete Gutgläubigkeit ist weiterhin erforderlich. Vgl. oben S. 208 ff.

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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einzelne Situationen mit einem verminderten Vertrauensschutz und einem abstrakten „Misstrauen“ ausgestattet. Die Überlegungen zum gutgläubigen Erwerb schließen schon seit jeher die Frage nach der geeigneten Erfassung dubioser Veräußerungsformen mit ein.127 Aktuell scheint hier ein Handlungsbedarf auf der Basis der Grundüberlegungen zu den Verkehrssituationen nicht zwingend angezeigt.128 Sollten sich aber entsprechende Veräußerungssituationen herauskristallisieren, bei denen die straf- und gewerberechtlichen Vorschriften in Kombination mit der Feinsteuerung des gutgläubigen Erwerbs über die Gutgläubigkeit (einschließlich auf der Basis dieses Kriteriums statuierter Nachforschungsobliegenheiten) nicht mehr ausreichen, um die entsprechenden Veräußerungssituationen ausreichend zu überwachen und die Gefahr der Veräußerung von Gegenständen durch Nichtberechtigte zu minimieren, so wäre ein solcher Mechanismus ein möglicher Schritt. Zu denken wäre hier bei fortschreitender negativer Entwicklung bspw. an bestimmte Gebrauchtwarenmärkte oder besondere Verkehrsabwicklungsformen über das Internet (Abwicklungsformen, die eine anonymisierte Abwicklung besonders erleichtern oder Veräußerungen von Privatpersonen).

127

So wurde bei den Beratungen zum ADHGB im Rahmen der Diskussion um die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen auch diskutiert, ob gerade im Hinblick auf „Kleinhändler und Trödler“ aufgrund einer etwaigen geringeren Zuverlässigkeit dieser Personen eine spezielle Behandlung dieser Veräußerungssituationen erforderlich sei, Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Protokoll der DLXI. Sitzung am 14. Dezember 1860, Anlage 1 Motive d), in: Schubert, Protokolle Berathung ADHGB, Band 9, S. 4610 f. Andererseits wurde auch vorgebracht, dass bei „notorischen Diebeshöhlen“ bereits die Redlichkeit des Erwerbers fraglich sei, Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Protokoll der DLXI. Sitzung am 14. Dezember 1860, Anlage 1 Motive d), in: Schubert, Protokolle Berathung ADHGB, Band 9, S. 4615. Vgl. dazu u.a. auch Göhlert, S. 256. 128 Nach der hier vertretenen Ansicht ist eine größere Beeinträchtigung der Eigentümerrechte durch eine Abschaffung der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen im Grundsatz nicht zu erwarten. Dennoch könnte ein solcher Ansatz – Abschaffung der Sonderzuweisung des Ausfallrisikos im Falle abhanden gekommener Sache und (benachteiligende) Rückausnahme für bestimmte potenziell gefährliche Veräußerungssituationen – eine vermittelnde Lösung darstellen. Eine solche Regelung würde dann – entsprechend der gewünschten Zuordnung der Sache (vgl. 3. Kapitel) – vorsehen, dass beim Erwerb in den „kritischen Veräußerungssituationen“ entweder kein gutgläubiger Erwerb eintreten kann, oder aber der Erwerber die Sache nur gegen Zahlung eines Wertausgleichs an den Eigentümer behalten darf.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

II. Eine abweichende Zuweisung anhand der Art der Sache? Hier ergibt die Bestandsaufnahme, dass im deutschen Recht für bestimmte Arten von Sachen, nämlich Geld und Inhaberpapiere, aufgrund des für diese Sachen erhöhten Bedürfnisses an Verkehrsfähigkeit129 ebenfalls eine Rückausnahme von der Sonderzuweisung des Ausfallrisikos an den Erwerber bei abhanden gekommenen Sachen vorgenommen wurde. Im Ergebnis zeigt sich hier eine vergleichbare Situation wie bei der Zuweisung des Ausfallrisikos aufgrund bestimmter Veräußerungssituationen. Auf der Basis des hier verfolgten Ansatzes, dass es keiner Sonderzuweisung für abhanden gekommene Sachen bedarf, besteht zunächst auch kein Bedürfnis mehr für eine Rückausnahme für solche Sachen, deren Verkehrsfähigkeit in besonderem Maße zu gewährleisten ist. Eine generelle Zuweisung des Ausfallrisikos anhand der konkreten Art der Sache, indem man bspw. das Ausfallrisiko grundsätzlich dem Erwerber auferlegt und eine anderweitige Zuweisung des wirtschaftlichen Risikos an den Eigentümer nur bei Geld, Inhaberpapieren, Massenwaren und anderen als besonders verkehrsrelevant identifizierten Sachen vornimmt,130 erscheint angesichts der Vielgestaltigkeit der Sachen131 und des generellen Verkehrsschutzbedürfnisses nicht angezeigt. Umgekehrt könnte aber dann, wenn für bestimmte Sachen, die sich als besonders anfällig für eine Verfügung durch einen Nichtberechtigten erweisen oder für deren Handel diesbezüglich ein abstraktes „Misstrauen“ besteht, eine Sonderzuweisung des wirtschaftlichen Risikos an den Erwerber in Erwägung gezogen werden, um diesen zu besonderer Sorgfalt anzuleiten. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Feinsteuerung durch die Gutgläubigkeit, einschließlich etwaiger Nachforschungsobliegenheiten, keine ausreichende Aufarbeitung zweifelhafter Veräußerungsvorgänge ermöglicht.132 In Anbetracht der verkehrsbehindernden Wirkung133

129

Vgl. oben S. 170 ff. So hat Brandt (S. 272 ff.) bspw. den Begriff der „Ware“ als maßgebliches Objekt eines redlichen Erwerbs identifiziert. Die Wareneigenschaft soll dabei aus der Sicht des vindizierenden Eigentümers bestimmt werden (a.a.O., S. 274). Zu dessen Vorschlägen (gutgläubiger Erwerb bei Waren sowie Vindikation und Lösungsrecht bei „NichtWaren“) vgl. auch unten S. 353. Eine Abgrenzung zwischen „Waren“ und „Nicht-Waren“ ist jedoch nicht mit ausreichender Eindeutigkeit möglich; Hübner, S. 140. 131 Vgl. dazu oben S. 105 und S. 170 ff. 132 Wie bereits anhand der möglichen nachteiligen Berücksichtigung bestimmter Veräußerungssituationen dargestellt (vgl. oben Teil 3, 2. Kapitel Fn. 128), käme ein solcher Ansatz auch als Mittelweg in Frage, wenn man einerseits das Abhandenkommen einer Sache als generelles Kriterium abschafft, andererseits aber bei einzelnen Sachen einen größeren Sorgfaltsbedarf sieht. Eine solche Regelung würde dann – entsprechend der gewünschten Zuordnung der Sache (vgl. Teil 3, 3. Kapitel) – vorsehen, dass bei den „kri130

2. Kapitel: Die Verteilung des Ausfallrisikos

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einer solchen Sonderzuweisung des Ausfallrisikos wäre diese nur bei solchen Sachen angebracht, für die zwar einerseits die erhöhte Sorgfalt des Erwerbers wünschenswert wäre, für die andererseits aber nur ein vermindertes Verkehrsbedürfnis besteht. Zu denken wäre hier bspw. an Kunstwerke, Gebrauchtwaren134 oder (andere) besonders hehlereianfällige Sachen.135 Es kann nach der Untersuchung des Gutgläubigkeitskriteriums allerdings angenommen werden, dass sich durch die Statuierung verkehrstypischer Sorgfaltspflichten ausreichende Ergebnisse erzielen lassen, so dass die generelle Zuweisung des Ausfallrisikos an den Erwerber bei bestimmten Sachen nicht erforderlich erscheint. Anders ist dies im Hinblick auf die Zuweisung der Sache selbst aufgrund etwaiger Affektionsinteressen (dazu unten S. 351 ff.).

III. Eine abweichende Zuweisung anhand der Eigenschaften des Eigentümers? Bei der Analyse der verschiedenen Steuerungsparameter hat sich gezeigt, dass nationale Rechtsordnungen bestimmten Eigentümern teilweise einen Sonderschutz gewähren. Beim Schutz minderjähriger Eigentümer fließen hier bspw. Wertungen des Minderjährigenrechts ein, die hier – im Rahmen einer grundsätzlichen Abwägung, unabhängig vom Minderjährigenrecht – nicht weiter thematisiert werden sollen.136 Der Verbraucherschutz ist im Schuldrecht gut verortet und es ist kein Anlass ersichtlich, auch das drittwirksame Sachenrecht mit Verbraucherschutzaspekten, die sich regelmäßig bei einem bestimmten schuldrechtlichen Geschäft und nicht an einem

tischen Sachen“ entweder kein gutgläubiger Erwerb eintreten kann, oder aber der Erwerber die Sache nur gegen Zahlung eines Wertausgleichs an den Eigentümer behalten darf. 133 Insbesondere würde es ja für die Risikotragung durch den Erwerber keinen Unterschied machen, aus welchem Grund der Veräußerer als Nichtberechtigter handelt. Die Fälle, dass der Veräußerer unwissend als Nichtberechtigter handelt, z.B. weil die vorherige Übereignung unerkannt rechtsfehlerhaft ist, und dass er selbst als Hehler handelt, der die Sache durch einen Diebstahl oder Betrug erlangt hat, würden gleich behandelt. 134 Muller sah im Jahr 1989 den Handel mit gebrauchten Sachen, insbesondere Kunst, Antiquitäten, Pkw, Motorräder und Möbel, in Frankreich im Aufschwung und konstatierte eine Übereinstimmung der Geschmäcker der Diebe und Käufer; RTD civ. 1989, 697, 700. 135 Carbonnier (Rdnr. 235) kommt angesichts der im französischen Recht vorliegenden Gerichtsentscheidungen zum Ergebnis, dass im Zusammenhang mit Diebstahl- und Verlustvorgängen bestimmte Sachen häufiger Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung sind. Er nennt hier besonders Schmuck, Tiere (weniger als zur Zeit des Ancien Droit), Automobile und Fahrräder (als die „Tiere von heute“), Kunstwerke und sonstige Gebrauchtwaren. 136 Vgl. dazu auch oben S. 224 f.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

bestimmten Gegenstand manifestieren, zu belasten.137 Daher bleibt insbesondere der Schutz öffentlicher Eigentümer zu erörtern, der über die Rechtsinstitute der res extra commercium und der öffentlichen Sachen bewirkt wird.138 Hier wird vielfach der absolute Vorrang der öffentlichrechtlichen Zwecksetzung gegenüber den privatrechtlichen Eigentumsrechten gefordert, denn nur so könne die öffentlichrechtliche Aufgabenerfüllung in jedem Fall gewährleistet sein. Andererseits erkennt man auch im Bereich der öffentlichen Sachen die verfassungsrechtliche Bedeutung der Eigentumsgarantie und des Schutzes des Verkehrs an,139 so dass man einen Eingriff in das Privateigentum nur aufgrund gesetzlicher Grundlage und mit entsprechenden Entschädigungsregeln für zulässig erachtet. Bei einer Auferlegung des Ausfallrisikos an den Erwerber (z.B. indem öffentliche Sachen völlig vom gutgläubigen Erwerb ausgeschlossen wären) wäre schon fraglich, ob der Ausgleichsanspruch gegen den Veräußerer eine verfassungsrechtlich ausreichende Entschädigungsregel darstellt. Im Ergebnis würde eine generelle Verlagerung des Ausfallrisikos auf den Erwerber, unabhängig von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls und der Gut- oder Bösgläubigkeit der Beteiligten, eine schlichte Privilegierung des Staats (bzw. der von der entsprechenden öffentlichen Einrichtung vertretenen Allgemeininteressen) zu Lasten einzelner Erwerber (und damit letztlich zu Lasten des Verkehrs insgesamt) bedeuten. Gerade aufgrund der Rechtsetzungsmacht öffentlicher Eigentümer ist im Umgang mit rein vermögensprivilegierenden Sonderregeln zugunsten der öffentlichen Eigentümer – und eine solche stellt die Zuweisung des Ausfallrisikos dar, soweit daraus nicht zwingend die Sachzuordnung folgt – Zurückhaltung angebracht.140 Angesichts der möglichen Alternative der bloßen Sachzuordnung (vgl. dazu unten S. 369 ff.) erscheint eine abweichende Verteilung des Ausfallrisikos zugunsten der öffentlichen Hand nicht angemessen.

137

Vgl. zu „Verbrauchereigentümern“ oben S. 223 f. Zur Bestandsaufnahme im französischen und deutschen Recht vgl. oben S. 50, S. 214 und S. 225 ff. 139 Papier, § 1 6. d (S. 15 f.); OVG Münster NJW 1993, 2635, 2636 f.; vgl. oben S. 227. 140 Vgl. hierzu insbesondere oben S. 228 f., insbesondere die Erwägungen des OVG Münster. 138

3. Kapitel

Die Zuordnung der Sache 3. Kapitel: Die Zuordnung der Sache

Die zweite wesentliche Frage neben der Verteilung des Ausfallrisikos ist die Frage nach der sachgerechten Zuordnung der Sache. Wiederum kommen zwei Hauptbeteiligte in Betracht, denen die Sache zugewiesen werden könnte. Der Eigentümer, dessen Sache Gegenstand der Verfügung des Nichtberechtigten ist und der Erwerber, der das Eigentum an der Sache vom Veräußerer erwerben möchte. Welche der oben identifizierten Steuerungsparameter könnten geeignet sein, die Frage der Sachzuordnung sachgerecht zu regeln? Zu beachten ist dabei, dass die Frage der Verteilung des Ausfallrisikos, also der wirtschaftlichen Folgen im Hinblick auf etwaige Rückgriffsansprüche hier keine Rolle mehr spielt, sondern es nur darum geht, ob der Eigentümer das Eigentum an der Sache behalten (bzw. erneut erlangen) oder ob dem Erwerber das Eigentum an der Sache endgültig zugesprochen werden soll.

A. Die Ausgangssituation Im geltenden deutschen und französischen Recht wird auf der Basis der Grundbausteine der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft und der Gutgläubigkeit zunächst dem Erwerber das Eigentum zugewiesen (§§ 932 ff. BGB, Art. 2276 Abs. 1 C.c.), es sei denn die Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen greift ein und das Eigentum verbleibt beim Eigentümer. Davon wird im deutschen Recht nach § 935 Abs. 2 BGB für die besondere Veräußerungssituation der öffentlichen Versteigerung und für bestimmte Sachen (Geld und Inhaberpapiere) wieder eine Rückausnahme gemacht. Hier werden die Sachen dem Erwerber zugeordnet. Im französischen Recht findet zwar nach Art. 2277 C.c. unter wirtschaftlicher Betrachtung in den dort erfassten Veräußerungssituationen ebenfalls eine Rückausnahme statt. Es bleibt jedoch auch im Rahmen der Anwendung des Art. 2277 C.c. bei einer Sachzuordnung an den Eigentümer auf der Basis des Unterscheidungskriteriums des Abhandenkommens. Dieser kann die Sache gegen Zahlung der Lösungssumme herausverlangen. In der Regel werden zwei Gründe genannt, die einen Eigentümer unter Geltung des französischen Rechts dazu bringen könnten, sein Lösungsrecht auszuüben.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Zum einen ein besonderes Interesse an der Sache selbst und zum anderen eine Situation, in der die zu zahlende Lösungssumme (Vermögenseinsatz des entschädigungsberechtigten Erwerbers) geringer ist als der Marktpreis, der zur Wiederbeschaffung gezahlt werden müsste.1 Der Aspekt der unterschiedlichen Vermögenseinsätze der Beteiligten (Sachwert beim Eigentümer vs. Kaufpreis beim Erwerber) war bereits bei der Zuweisung des Ausfallrisikos zu würdigen.2 Für die Frage nach der Sachzuordnung bleibt aber der Aspekt eines etwaigen besonderen Interesses des Eigentümers zu beachten. Zunächst muss man sich aber fragen, warum überhaupt ein Eigentumserwerb des Erwerbers in Frage kommen kann, wenn doch die Möglichkeit besteht, die Dreipersonenkonstellation durch Zuweisung des Ausfallrisikos an den Eigentümer bei gleichzeitiger Sachzuordnung an den Eigentümer für den Erwerber im Grundsatz wirtschaftlich risikoneutral aufzulösen. Welche Berechtigung – neben dem wirtschaftlichen Ausfallrisiko – gibt es also, dem Eigentümer nicht nur das wirtschaftliche Risiko zuzuweisen, sondern diesem auch das Eigentum an der Sache zu „nehmen“ und dem Erwerber zuzuweisen? Auch hier streitet für einen Eigentumserwerb des Erwerbers das grundsätzliche Anliegen des Verkehrsschutzes. Zwar würde durch eine Zuweisung des Ausfallrisikos an den Eigentümer der wirtschaftliche Schaden eines Erwerbers im Hinblick auf seinen Vermögenseinsatz kompensiert, es würden aber darüber hinausgehende Schäden beim Erwerber entstehen können. So drohen bspw. solche Aufwendungen des Erwerbers leerzulaufen, die gerade im Hinblick auf die Verwendung der Sache getätigt wurden.3 Zudem können sich Schäden daraus ergeben, dass der Erwerber die Sache bereits in seine betrieblichen Prozesse eingebunden hat4 oder seinerseits bereits eine Verpflichtung zur Übereignung der Sache eingegangen ist (Weiterverkauf). Manche dieser wirtschaftlichen Nachteile lassen sich kompensieren, wenn es dem Erwerber gelingt, eine Ersatzsache zu beschaffen. Dies mag allerdings nicht in jedem Fall möglich sein und selbst wenn es dem Erwerber gelingt, eine Ersatzsache zu beschaffen, resultieren daraus regelmäßig zusätzliche Aufwendungen und eine zeitliche Verzögerung. Bis zum Erhalt der Ersatzsache wären aber betriebliche Abläufe weiterhin gestört, wenn 1

Vgl. auch Mazeaud/Chabas, Biens, Nr. 1555; Dross, Jurisclasseur Civil, Art. 2276 et 2277, Nr. 53; Djoudi, Rép. civ. Dalloz, Revendication, Nr. 127. 2 Vgl. dazu insbesondere oben S. 327 ff. 3 Von Bar/Clive, DCFR-Volume 5, Art. VIII.-3:101 (F) (S. 4838), die als Beispiel die Aufwendungen für eine Garage für ein erworbenes Auto nennen. 4 Vgl. auch von Bar/Clive, DCFR-Volume 5, Art. VIII.-3:101 (F) (S. 4838), die dies – neben anderen Argumenten – als Begründung zur Ablehnung eines generellen Lösungsrechts im DCFR anführen.

3. Kapitel: Die Zuordnung der Sache

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die Sache in diese eingebunden ist. Weiterhin würde der Erwerber in dieser Phase das Marktrisiko tragen und müsste ggfs. einen höheren Preis für die Ersatzsache zahlen. Aufgrund dieser weiteren möglichen Schäden müsste im Ergebnis nicht nur der Eigentümer im Hinblick auf die an den Erwerber gezahlte Lösungssumme beim Veräußerer Rückgriff nehmen, sondern es wäre zudem das Kausalverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber belastet, denn der Erwerber müsste versuchen, den Ersatz dieser Schäden bei seinem Veräußerer zu erlangen. Die Leichtigkeit und Schnelligkeit sowie das generelle Streben nach Effizienz in der Verkehrsabwicklung sprechen im Lichte des Verkehrsschutzes also zunächst auch für eine Eigentumszuweisung an den gutgläubigen Erwerber. Es bedarf zusätzlicher Gründe, um, abweichend von der Grundkonstellation, das Eigentum an der Sache nicht einem gutgläubigen Erwerber, sondern dem Eigentümer zuzuordnen. Wiederum ergeben sich die möglichen Kriterien für diese Sachzuordnung aus dem in Teil 2 aufgezeigten Interessenvergleich und den dort dargestellten Steuerungsparametern. Zu berücksichtigten sind dabei besonders das Affektionsinteresse des Eigentümers (B.) und die etwaige Sonderbehandlung öffentlicher Sachen (C.). Weitere Überlegungen auf der Basis der übrigen Steuerungsparameter, einschließlich des Einsatzes des Abhandenkommens zur Steuerung der Sachzuordnung, finden sich unter (D.).

B. Das Affektionsinteresse des Eigentümers als Kriterium der Sachzuordnung Während bei dem generellen Interessenvergleich ein anerkennenswertes Interesse am Verkehrsschutz den Ausgleich zugunsten des Erwerbers ergeben hat, hat sich auf der Seite der individuellen Interessen ein Überhang der Interessen des Eigentümers gegenüber dem Erwerber in Form eines möglichen Affektionsinteresses des Eigentümers gezeigt.5 Ein solches Affektionsinteresse des Eigentümers findet im Affektionsinteresse des Erwerbers kein oder ein erst im Laufe der Zeit anwachsendes Pendant. Eine 5

Vgl. oben S. 157 f. Dort hat sich auch gezeigt, dass beim Eigentum im Zusammenhang mit Sicherungsrechten in der Regel keine Affektionsinteressen bestehen, sondern der (Sicherungs-)Eigentümer ausschließlich Wertinteressen verfolgt. Dennoch können diese Konstellationen hier nicht von vornherein ausgeschlossen werden, da insbesondere bei Sicherungseigentümern auch die Interessen des Sicherungsgebers zu berücksichtigen sind, der bei normalem Verlauf der Dinge mit dem Rückerwerb seines Eigentums an der Sache rechnet und der seinerseits – trotz der Übereignung an den Sicherungsnehmer – damit Affektionsinteressen verbinden kann. Die mit dem Eigentum verbundenen Interessen sind insoweit lediglich zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer aufgespalten, vgl. oben S. 28 und S. 130 ff.

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Sachzuordnung an den Eigentümer würde – unabhängig von den übrigen wirtschaftlichen Risikopositionen – diesem Interessenbefund im Grundsatz Rechnung tragen. Auf der anderen Seite ist die Verkehrsbedeutung der Sache für die Beantwortung der Zuweisung der konkreten Sache entscheidend. Je größer die Verkehrsbedeutung einer Sache, desto mehr ist darauf zu achten, dass dieser Verkehr nicht durch die Abwicklung eines Rückkaufsrechts unnötigerweise belastet wird.

I. Die Schwierigkeiten der tatbestandlichen Erfassung von Affektionsinteressen Angesichts des höchstpersönlichen Charakters von Affektionsinteressen kann im Grundsatz jede Sache Gegenstand von Affektionsinteressen des Eigentümers sein. Ob tatsächlich eine persönliche Bindung des Eigentümers zu der konkreten Sache besteht und in welchem Maße dieses den Interessenvergleich verändert, hängt vom Einzelfall ab. Dabei können verschiedene Faktoren zusammenwirken, z.B. die Art der Sache, die Dauer der Innehabung des Eigentums, die Voreigentümer, die Erwerbssituation und vieles mehr. Eine alltägliche Massenware kann durch ihre „besondere Geschichte“, z.B. dem Zeitpunkt des Erwerbs (Hochzeitsreise), zu einer Sache werden, zu der der Eigentümer eine ganz besondere Bindung hat.6 Für einen Dritten hätte eine solche Sache voraussichtlich keine Eignung, ein Affektionsinteresse zu begründen.7 Die Umsetzung der Berücksichtigung der besonderen persönlichen Bindung des Eigentümers ist allerdings problematisch, muss sich eine gesetzliche Regelung doch sachgerecht zwischen den Polen der ausufernden kasuistischen Einzelfallgesetzgebung und des übermäßigen Gebrauchs von unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensspielräumen bewegen 8 und dabei dem Prinzip der Reduktion Rechnung tragen, also eine rechtliche Regelung mit möglichst wenig Regeln herbeiführen (Ökonomisierung der Regelungen).9 1. Verschiedene Lösungsansätze Ein Lösungsansatz zur Berücksichtigung möglicher Affektionsinteressen bestünde darin, einem Eigentümer generell ein Wahlrecht zu geben, das es 6

Zu den verschiedenen Motiven für ein Affektionsinteresse vgl. auch oben S. 128 ff. Eine solche individuelle Beziehung eines Eigentümers zu der konkreten Sache wäre zudem für einen Dritten regelmäßig auch nicht erkennbar. 8 Vgl. F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 627. Im Ergebnis geht es auch hier wieder um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. (a.a.O., S. 631). 9 Vgl. F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 625. 7

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ihm ermöglicht eine Sachzuordnung an sich zu bewirken. Er könnte somit im Einzelfall bestehende Affektionsinteressen durch die Ausübung des Wahlrechts zur Geltung bringen.10 Dies wäre eine klare und mit geringem gesetzgeberischen Aufwand zu bewirkende Lösung. Eine solche Lösung würde allerdings eine erhebliche Unsicherheit für den Rechtsverkehr bedeuten, da bei jeder Sache ein Herausgabeverlangen möglich wäre. Zudem würde dadurch eine bedeutende Missbrauchsgefahr entstehen, könnte der Eigentümer doch bei jeder Sache mit einer solchen Sachzuordnung drohen und den Erwerber dadurch mit einer Unsicherheit über das Behaltendürfen der Sache konfrontieren. Angesichts der Bedeutung des Verkehrsschutzes und des Störpotenzials einer Sachzuordnung an den Eigentümer für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist ein generelles Wahlrecht für den Eigentümer nicht angemessen.11 Verschiedene frühere Vorschläge in der Literatur können einem Affektionsinteresse ebenfalls Rechnung tragen.12 Brandt möchte bei der Sachzuordnung zwischen dem Warenkauf und dem Erwerb von Individualgütern differenzieren. Beim Warenkauf soll das Eigentum an der Sache dem Erwerber zugesprochen werden, wohingegen bei Individualgütern der Eigentümer das Recht auf die Sache erhalten solle.13 Dies führt jedoch zu schwierigen Abgrenzungsproblemen, da jede Sache, je nach den konkreten Erwerbsumständen, auch eine Ware sein kann. Von Lübtow wiederum hält (auf der Grundlage seiner Ersitzungslösung) eine Sachzuordnung an den Eigentümer (unter Zuweisung des Ausfallrisikos an den Eigentümer durch Einsatz eines Lösungsrechts) für geboten, wenn beim Eigentümer ein „spezielles berechtigtes Interesse an der Wiedererlangung gerade dieser Sache“ vorliegt.14 Ein solches spezielles berechtigtes Interesse soll dabei vorlie-

10 Das Lösungsrecht ist auch unter dem Gesichtspunkt der Affektionsinteressen Hübner (S. 136) „eine Erwägung wert“. Der Vorschlag Römers (dazu oben S. 311 f.) ist wohl ebenfalls so zu verstehen. Er möchte zur Berücksichtigung von Affektionsinteressen bei nicht-gestohlenen Sachen „generell“ ein Lösungsrecht gewähren (S. 292) und legt nicht näher dar, wie er dieses Affektionsinteresse tatbestandlich näher erfassen möchte. Seine Erörterungen sehen zwar eine Beschränkung auf ein „dargelegtes Affektionsinteresse“ vor (S. 289, S. 305); diese Einschränkung konkretisiert er im Übrigen aber nicht weiter. 11 Abhängig von der zeitlichen Ausgestaltung (vgl. dazu auch unten S. 385 ff.) bestünde zudem die Gefahr, dass anwachsende Interessen des Erwerbers nicht ausreichend berücksichtigt werden würden. 12 Zu Vorschlägen im Hinblick auf den Zeitablauf (Gutgläubiger Erwerb vs. Ersitzung vs. Verjährung) vgl. oben S. 249 ff. 13 Brandt, S. 272 f.: „Ich glaube nach dem bisher Gesagten, dass die völlige Abschneidung der Vindikation (der bisherige sogenannte gutgläubige Erwerb) auf den reinen Warenkauf beschränkt werden muss, dass man also überall dort, wo der Verlust von Individualgütern zu besorgen ist, zum Lösungsrecht zurückkehren sollte.“ 14 Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 231.

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gen, wenn es sich um einen besonders wertvollen und seltenen Gegenstand handelt, der nur schwer oder gar nicht anderweitig beschafft werden kann und wenn der Eigentümer mit der Sache einen Liebhaberwert oder Erinnerungswert verbindet.15 Für diesen Ansatz spricht, dass er die Sache nicht generell dem Eigentümer zuordnet, sondern dafür ein „spezielles berechtigtes Interesse“ des Eigentümers voraussetzt, das dieser ggfs. nachweisen müsste. Angesichts der Vielfalt der potenziellen Affektionsinteressen wird man bei einer entsprechenden gesetzlichen Regelung zur Berücksichtigung von Affektionsinteressen im Übrigen nicht gänzlich ohne einen unbestimmten Rechtsbegriff auskommen können. Das mit einem weiten unbestimmten Rechtsbegriff, der zudem auf subjektiven Kriterien beruht, verbundene Störpotenzial lässt sich aber verringern, wenn es gelingt, diesen unbestimmten Rechtsbegriff weiter zu präzisieren. 2. Beispiele zum Umgang mit Affektionsinteressen im deutschen Recht Die Berücksichtigung von Affektionsinteressen an Sachen ist den untersuchten Rechtsordnungen nicht fremd. Im französischen Recht erfährt das Lösungsrecht nach Art. 2277 C.c. auch deswegen Zuspruch, da die Sache für den Eigentümer möglicherweise mehr bedeutete als die Verkörperung des entsprechenden materiellen Werts.16 Im deutschen Recht sind Affektionsinteressen an Sachen derzeit zwar nicht im Bereich des gutgläubigen Erwerbs, wohl aber in anderen Rechtsgebieten relevant. a) Affektionsinteressen im deutschen Schadensersatzrecht Entsprechend der Systematik des Schadensersatzrechts ist zwischen der Berücksichtigung dieser Interessen im Rahmen der Naturalrestitution, des Wertersatzes und des Ersatzes von Nichtvermögensschäden zu unterscheiden. Für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Herstellungskosten bei der Naturalrestitution im Rahmen des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB können Affektionsinteressen in eingeschränktem Maße berücksichtigt werden. Unverhältnismäßig sind Herstellungskosten nämlich nicht schon dann, wenn die erforderlichen Kosten über den Wert der beschädigten Sache hinausgehen. In die Verhältnismäßigkeitsprüfung fließen beim geschützten Integritätsinteresse auch immaterielle Interessen des Geschädigten, einschließlich 15

Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 231. Vgl. oben und u.a. Poincaré, S. 258. Eine grundsätzliche Berücksichtigung des Affektionsinteresses als anerkennenswerte Beziehung einer Person zu einer Sache ist dem französischen Zivilrecht auch sonst nicht fremd: „On pourrait même observer que les lois civiles tendent à tenir compte de ces liens concrets et à éviter de les rompre“, Cornu, Les biens, Rdnr. 18. 16

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Affektionsinteressen,17 ein.18 Eine ausdrückliche Regelung findet sich für die Kosten der Heilbehandlung eines verletzten Tieres. Nach § 251 Abs. 2 S. 2 BGB sind die Heilbehandlungskosten eines Tieres auch dann zu ersetzen, wenn sie den Wert des Tieres erheblich übersteigen. Der wesentliche Grund für diese Regelung ist zwar im Tierschutz und dem Charakter der Tiere als Lebewesen zu sehen (vgl. Art. 20a GG). 19 Darüber hinaus werden durch diese Vorschrift aber auch die Affektionsinteressen des Tiereigentümers geschützt.20 Über den Wortlaut von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB hinaus kann zudem bei sonstigen ideellen Werten ein Ersatz der Wiederherstellungskosten über den wirtschaftlichen Wert hinaus in Betracht kommen. Dies wird besonders für Naturgüter oder Sachen mit besonderem historischem oder wissenschaftlichem Wert angenommen bzw. gefordert.21 Anders ist dies im Bereich der Reparatur von Kfz. Zwar gewährt die Rechtsprechung dem Geschädigten dort einen Ersatz des Reparaturaufwands bis zu einer Höhe von 130 % des Wiederbeschaffungswerts des Kfz. Der Geschädigte wird in diesen Fällen also nicht auf eine andere Sache verwiesen, sondern kann seine Sache wieder in Stand setzen lassen, obwohl dies im Vergleich die teurere Alternative ist. Nach Freundorfer22 (und ihm folgend dem BGH) berücksichtigt dieser 30 %-ige Aufschlag allerdings nicht etwaige Affektionsinteressen. Der BGH gewährt den 30 %igen Aufschlags aus rein wirtschaftliche Erwägungen. Die emotionale Bindung des Geschädigten an den Gegenstand spiele dabei keine Rolle: „Ein derartiges Affektionsinteresse [könne] schadensrechtlich keine Anerkennung finden.“23

17

Oetker, NJW 1985, 345, 347 f. OLG Celle NJW-RR 2004, 1605, 1606 unter Berufung auf Oetker, NJW 1985, 345, 347 f. 19 Begr. RegE BT-Drs. 11/5463 S. 1, MüKo/Oetker, § 251 Rdnr. 52. 20 MüKo/Oetker, § 251 Rdnr. 56. 21 Vgl. MüKo/Oetker, § 251 Rdnr. 68 m.w.Nachw. Dabei wird jedoch wiederum gefordert, dass es sich um eine Sache handelt, deren ideeller Wert allgemein anerkannt ist und es sich insbesondere nicht nur um ein rein persönliches Affektionsinteresse des Geschädigten handelt; MüKo/Oetker, a.a.O.; Bamberger/Roth/Schubert, § 251 Rdnr. 18. 22 Freundorfer, VersR 1992, 1332, 1333 bezeichnet ein solches Affektionsinteresse als „eigentlich unsinnige emotionale Bindung des Geschädigten an einen technischen Gegenstand“. 23 BGH NJW 2005, 1108, 1109. Andererseits nennt der BGH als Begründung für die Ersatzpflicht des gegenüber dem Sachwert erhöhten Herstellungsaufwands, dass das Integritätsinteresse des Geschädigten nur durch die Reparatur des dem Geschädigten vertrauten Fahrzeugs befriedigt werden kann. Dieses „Vertrautsein“ wird aber ebenfalls nicht mit Affektionsinteressen begründet, sondern wirtschaftlich bewertet. Der Geschädigte kenne bei seinem eigenen Fahrzeug den Wartungszustand des Fahrzeugs und die bislang aufgetretenen Mängel. 18

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Dem Ersatz des Affektionsinteresses als eigenständigem Schadensposten steht zunächst § 253 Abs. 1 BGB entgegen, der einen Ersatz immaterieller Schäden – und als solches wird das Affektionsinteresse allgemein eingeordnet – vorbehaltlich einer spezialgesetzlichen Regelung (einschließlich § 253 Abs. 2 BGB) grundsätzlich ausschließt.24 Indirekt wird dem Geschädigten über den Wertersatz25 nach § 251 Abs. 1 BGB jedoch ein Ausgleich zugesprochen, wenn mit der Sache ein marktgängiges Affektionsinteresse verbunden ist, für das, zumindest auf dem entsprechenden Liebhabermarkt, ein Marktpreis besteht und das deshalb geeignet ist, den Verkehrswert zu beeinflussen. Dies ist bspw. bei Briefmarken der Fall. Ein solches marktgängiges Affektionsinteresse spiegelt nur den abstrakten Liebhaber- oder Sammlerwert eines Gegenstands wieder und kann nicht den konkreten subjektiven Wert erfassen, den ein Eigentümer dieser Sache zuspricht, bspw. wenn aufgrund des Verlusts dieses Stücks seine Sammlung (entsprechend dem vom jeweiligen Sammler individuell bestimmten Sammelkonzept) nicht mehr vollständig ist oder wenn dieses Stück für ihn aus anderen Gründen (Erwerbsort, Erwerbszeit) besonders bedeutend war. Im Falle eines in jahrelanger Arbeit vom Geschädigten selbst hergestellten Modellboot-Unikats billigte der BGH dem Geschädigten einen Wertersatz zu, für dessen Ermittlung er mangels Marktwert der konkreten Sache dem Tatsachengericht vorgab, einen Vergleich mit ähnlichen Objekten, die einen Marktpreis haben, vorzunehmen.26 Das vom „Bastlerstolz“27 bestimmte Affektionsinteresse konnte dadurch allerdings nicht vollständig kompensiert werden.28

24 Vgl. u.a. Staudinger/Schiemann, Vorbem zu §§ 249 ff. Rdnr. 47. Angesichts der Regelung in § 253 Abs. 2 BGB, die u.a. einen Ersatz für Gesundheitsschäden festlegt, käme ab einem gewissen Grad der Betroffenheit auch ein indirekter Ersatz des Affektionsinteresses im Wege der Geltendmachung einer Gesundheitsverletzung durch Verletzung des ideellen Interesses in Betracht. Auch wenn es sich dabei nicht um ein Affektionsinteresse, sondern um einen sonstigen immateriellen Schaden gehandelt hat, so mag die ablehnende Entscheidung des OLG Saarbrücken (NJW 1998, 2912, 2912) einen Anhaltspunkt dafür geben, dass man auch den Weg des Ersatzes sonstiger immaterieller Schäden über die Gesundheitsgefährdung nicht beschreiten möchte. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine Braut von einem Gastwirt aufgrund des seelischen Schocks über die verdorbene Hochzeitsfeier Ersatz begehrt. Im Bereich der Höhe einer Vertragsstrafe kann das Affektionsinteresse wiederum Berücksichtigung finden, § 343 Abs. 1 S. 2 BGB. 25 Die Grenze zwischen einem Ersatz des Affektionsinteresses und einem Ersatz eines Vermögensschadens ist fließend; vgl. Staudinger/Schiemann, § 253 Rdnr. 14. 26 BGH JZ 1985, 39, 42. 27 Medicus, JZ 1985, 42, 43. 28 Staudinger/Schiemann, § 251 Rdnr. 101.

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b) Affektionsinteressen im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht Aufschlussreich ist des Weiteren ein Blick auf das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht. Dort werden potenzielle Affektionsinteressen von Eigentümern spezialgesetzlich erfasst. Dabei wird für die Differenzierung an der betroffenen beweglichen Sache angeknüpft. Insbesondere werden bestimmte Sachen (aus verschiedenen Gründen) für unpfändbar erklärt (§ 811 Abs. 1 ZPO, § 811c ZPO). Zu den unpfändbaren Sachen gehören Familienpapiere,29 Trauringe, Orden und Ehrenzeichen (§ 811 Abs. 1 Nr. 11 ZPO) und Bücher, die zum Gebrauch in der Kirche oder einer häuslichen Andacht bestimmt sind (sowie in einer „vorsichtigen Ausdehnung“30 andere religiös kultische Gegenstände, die der Religionsausübung dienen) (§ 811 Abs. 1 Nr. 10 ZPO). Die Unpfändbarkeit begründet sich für diese Sachen aus dem ideellen Wert für den jeweiligen Eigentümer.31 Gleiches gilt nach § 811c ZPO für die Unpfändbarkeit von Tieren, die im häuslichen Bereich32 und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden (Haustiere).33 Auch hier beruht die Unpfändbarkeit auf dem besonderen Affektionsinteresse des Tierhalters,34 das jedoch bei berechtigten Gläubigerinteressen nicht grenzenlos geschützt ist, wie die Einschränkung bei Tieren von hohem Wert zeigt (§ 811c Abs. 2 ZPO).35

29 Dabei handelt es sich um Urkunden, die eine Aussage über die persönlichen Verhältnisse des Schuldners treffen, wie Standesamtsurkunden. Ob darunter auch Briefe, Familienbilder, Fotoalben und sonstige private Papiere fallen, ist strittig. Tendenziell für eine Unpfändbarkeit u.a. Wieczorek/Schütze/Lüke, § 811 Rdnr. 51 und tendenziell dagegen u.a. MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rdnr. 40. 30 Stein/Jonas/Münzberg, § 811 Rdnr. 66. 31 Vgl. Wieczorek/Schütze/Lüke, § 811 Rdnr. 53. Lippross bezeichnet § 811 Abs. 1 Nr. 11 ZPO als den Schutz des ideellen Existenzminimums, S. 151 f. Die weiteren Pfändungsverbote dienen dem Schutz des Existenzminimums und der Erhaltung der beruflichen Einnahmefähigkeit. Bei solchen Sachen, die Gegenstand einer Austauschpfändung sein können (§ 811a ZPO) wird jedenfalls durch das Pfändungsverbot kein ideelles Interesse geschützt, denn dies wäre durch eine Austauschpfändung gleichermaßen beeinträchtigt. 32 Das Erfordernis des häuslichen Bereichs, also die räumliche Nähe zum Schuldner wird herangezogen, um die besondere Beziehung des Tierhalters zu seinem Tier zu erfassen, „weil in einem solchen Fall regelmäßig davon auszugehen ist, dass enge Beziehungen zwischen Schuldner und Tier bestehen“, Begr. RegE BT-Drs. 11/5463, S. 7. 33 Für Nutztiere ist aus Erwerbs- und Versorgungsgründen lediglich der Mindestbestand nach § 811 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu beachten. 34 Begr. RegE BT-Drs. 11/5463, S. 7. 35 Ausweislich der Regierungsbegründung soll dies aber vor allem eine Umgehung der Pfändungsvorschriften verhindern, „indem der Schuldner wertvolle Reitpferde, Rassehunde oder seltene Tierarten erwirbt, zu denen er keine engen emotionalen Beziehungen hat.“, Begr. RegE BT-Drs. 11/5463, S. 7.

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Grundsätzlich werden Affektionsinteressen im deutschen Zivilrecht also thematisiert und auch teilweise anerkannt. Problematisch ist eine Berücksichtigung der persönlichen Bindungen des Eigentümers zu einer Sache insbesondere dort, wo es nicht mehr um die zur Naturalrestitution benötigten Herstellungskosten geht, sondern eine Geldentschädigung für die Verletzung von Affektionsinteressen im Raum steht.36 Hier stellt sich die Frage des Werts solcher Affektionsinteressen in einem generelleren Maße – schließlich geht es um den absoluten Entschädigungswert dieser Interessen – als bei der Berücksichtigung im Rahmen der Naturalrestitution, bei der die Sache grundsätzlich wieder hergestellt werden kann (wenngleich zu erhöhten Kosten). Im Rahmen der Zuordnung der Sache an den Eigentümer in der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs stellt sich dieses Problem der absoluten Bewertung der ideellen Interessen nicht in gleichem Maße, da hier zuletzt ein Erwerbsvorgang stattgefunden hat, anhand dessen man den Wert für den Erwerber ermitteln kann und es insbesondere auf die geldmäßige Bezifferung des absoluten Werts der Affektionsinteressen des Eigentümers im Weiteren nicht ankommt.37

II. Die Differenzierung anhand der Art der Sache als geeigneter Steuerungsparameter Die Präzisierung eines besonderen Interesses unter Bewahrung einer ökonomischen Regelung wird dadurch erreicht, dass aus verschiedenen Regeln das Gemeinsame herausdestilliert wird.38 Es ist daher entscheidend, die Situationen eines anerkennenswerten ideellen Interesses des Eigentümers – soweit dies bei einer persönlichen Bindung möglich ist – in generalisierter, typisierter Weise zu erfassen. Für den gutgläubigen Erwerb besonders geeignet ist dabei eine Differenzierung anhand der Sache selbst. Die Sache ist Gegenstand des gutgläubigen Erwerbs und transportiert ihre Merkmale von einem Beteiligten zum anderen Beteiligten, so dass diese für alle Beteiligten grundsätzlich wahrnehmbar sind. Trotz der subjektiven Auslösemomente eines ideellen Interesses lassen sich aus der Vielfalt der Sachen solche Sachen identifizieren, bei denen das Bestehen eines Affektionsinteresses wahrscheinlicher ist, als bei anderen Sachen. 36

Vgl. Oetker, NJW 1985, 345, 348: „Aus dem Gesamtzusammenhang der §§ 249 ff. BGB lässt sich ableiten, dass das Affektionsinteresse bei einer Geldentschädigung nach § 251 Abs. 1 Alt. 1 BGB außer Betracht zu bleiben hat. Für die Naturalrestitution hingegen hat der Gesetzgeber das Affektionsinteresse des Geschädigten durch das Integritätsinteresse in begrenztem Umfang anerkannt.“ 37 Vgl. zur Bestimmung der Lösungssumme unten S. 381 ff. 38 Im Hinblick auf die Ökonomisierung F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 625.

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1. Regelkriterien für Sachen mit Affektionsinteresse Die Wahrscheinlichkeit eines potenziellen Affektionsinteresses lässt sich anhand gewisser Eigenschaften der Sache (Regelkriterien) bestimmen. Überlagern sich mehrere dieser Sacheigenschaften an einer konkreten Sache, so verstärkt sich die Wahrscheinlichkeit eines Affektionsinteresses. Umgekehrt gibt es Sachmerkmale, die ein Affektionsinteresse als tendenziell unwahrscheinlich erscheinen lassen. a) Häufigkeit und Individualisierungsgrad der Sache Ein für ein mögliches Affektionsinteresse relevantes Merkmal ist die Häufigkeit, mit der eine Sache vorkommt. Die Bandbreite der Häufigkeit beweglicher Sachen reicht von millionenfach produzierten Massensachen (z.B. alltäglicher Haushaltsgegenstand) über eine limitierte Anzahl von Stücken bis hin zum absoluten Einzelstück (z.B. Kunstwerk). Je größer die Anzahl der Sachen der gleichen Gattung ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass an der Sache ein Affektionsinteresse eines Eigentümers besteht. Bei Massenwaren kann angenommen werden, dass der Eigentümer keine besondere persönliche Bindung zu dieser Sache hat. Je geringer die Anzahl von individuellen Stücken einer Sache ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass an der konkreten einzelnen Sache ein Affektionsinteresse besteht. Hier besteht zudem eine enge Verbindung zum Individualisierungsgrad der Sache.39 Je größer der Individualisierungsgrad40 einer Sache ist, desto wahrscheinlicher sind persönliche Bindungen des Eigentümers an seinen Gegenstand. b) Haltbarkeit (Lebensdauer) einer Sache Ein weiteres Kriterium ist die Haltbarkeit einer Sache. Auch hier existiert innerhalb der Gesamtheit der beweglichen Sachen eine große Bandbreite. Sachen können aufgrund ihrer Beschaffenheit (z.B. Lebensmittel vs. Metallschraube) oder aufgrund ihrer Zweckbestimmung (Christbaumkerze vs. Buch) kurz- oder langlebig sein. Je langlebiger die Sache ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich an der konkreten Sache ein Affektionsinteresse eines Eigentümers entwickelt. Ist eine Sache sehr lange im Umlauf und „durchlebt“ sie verschiedenste Ereignisse, so ist es wahrscheinlicher, dass 39

Grundvoraussetzung ist in jedem Fall, dass die Sache soweit individualisierbar ist, dass ein Eigentümer sie konkret als die in Rede stehende Sache identifizieren kann. Zum Erfordernis der Individualisierbarkeit vgl. bereits oben S. 167 ff. 40 Der Individualisierungsgrad ist nicht zwingend gleichbedeutend mit der Häufigkeit der Sache. So können auch Massenwaren schon vom Hersteller (Sonderausstattung bei Pkw, Konfiguration bei Computern) oder vom erwerbenden Eigentümer individualisiert sein.

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sie für einen bestimmten Eigentümer eine besondere Bedeutung gewinnt, die über die primäre funktionale Bedeutung der Sache hinausgeht. c) Häufigkeit und Geschwindigkeit der Eigentümerwechsel Weitere relevante Merkmale sind die Häufigkeit von Eigentümerwechseln einer Sache im Laufe ihrer Haltbarkeitszeit sowie der regelmäßige Zeitabstand zwischen zwei Eigentümerwechseln. Je häufiger eine Sache ihren Eigentümer wechselt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Eigentümer daran eine besondere persönliche Beziehung knüpft. Gleiches gilt für die Umschlagsgeschwindigkeit der Sache. Je kürzer der Zeitabstand zwischen zwei Eigentümerwechseln, desto geringer ist auch hier die Wahrscheinlichkeit, dass sich während der Zeit des Innehabens der Eigentümerstellung beim Eigentümer ein Affektionsinteresse herausbildet.41 d) Wert und Wertbeständigkeit der Sache Weitere Kriterien zur Bestimmung eines potenziellen Affektionsinteresses sind der Wert und die Wertbeständigkeit einer Sache. Der anfängliche Wert einer Sache ist für sich alleine allerdings nicht aussagekräftig, da bspw. Industriegüter sehr wertvoll sein können oder ein Gegenstand schnell an Wert verlieren kann. Hier treten die Querverbindungen zu den anderen Merkmalen, insbesondere der Haltbarkeit und dem Individualisierungsgrad einer Sache deutlich zu Tage.42 Je wertbeständiger nämlich eine Sache ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Sache Gegenstand von 41

Dieses Merkmal ist über die Bedeutung für ein mögliches Affektionsinteresse hinaus (wie bereits an den entsprechenden Stellen erläutert) für den gutgläubigen Erwerb insgesamt von Bedeutung, denn es gibt Aufschluss darüber, wie groß die Relevanz eines gutgläubigen Erwerbs für diese Art von Sache ist. Je häufiger der Eigentümer einer Sache wechselt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Übereignungsvorgänge fehlschlägt (und in der Folge ein Nichtberechtigter handelt). Gleichermaßen wird es mit einer zunehmenden Anzahl von Eigentümerwechseln an einer Sache für einen Erwerber immer schwieriger, die Vorgänge zurückzuverfolgen, um den „wahren Eigentümer“ festzustellen (vgl. hierzu den Ausgangspunkt des gutgläubigen Erwerbs der probatio diabolica). Die Umschlagsgeschwindigkeit gibt zudem Aufschluss über die Verkehrsbedeutung einer Sache und die Möglichkeit für den Erwerber, eine ausführliche Prüfung der Berechtigung des Veräußerers durchzuführen, sowie die mögliche Länge einer Veräußerungskette und die entstehenden Behinderungen, sollte die Rechtsordnung das Ausfallrisiko dem Erwerber und bzw. oder die Sache dem Eigentümer zuordnen. 42 Eine rechtliche Differenzierung von Sachen anhand des bloßen Werts der Sache ist grundsätzlich problematisch. Zu recht differenzieren das aktuelle deutsche und französische Recht tatbestandlich nicht nach dem Wert einer Sache (wenngleich der regelmäßig erhöhte Wert einer Sache Hintergrund einer bestimmten Regelung sein kann, wie z.B. im Fall der Sonderregeln für Schiffe und Flugzeuge oder der Eigenständigkeit des Immobiliensachenrechts). Das verhindert die schwierige Setzung der Wertgrenze und schwierige Wertabgrenzungen und -berechnungen im Einzelfall, Atias, Nr. 36.

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Affektionsinteressen eines Eigentümers werden kann. Je stärker die regelmäßige Abnutzung einer Sache bei Ausübung des zweckbestimmten Gebrauchs derselben ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer besonderen persönlichen Beziehung des Eigentümers zu dieser Sache. Der Extremfall wäre hier eine Sache, die dem sofortigen tatsächlichen Verbrauch dient (Lebensmittel). e) Zweckbestimmung und Adressatenkreis einer Sache Schließlich sind die Zweckbestimmung und der Adressatenkreis einer Sache von Relevanz für ein mögliches Affektionsinteresse. Sachen können schon aufgrund ihrer Zweckbestimmung in größerem oder geringerem Maße dazu geeignet sein, besondere persönliche Beziehungen herzustellen. So ist etwa die Zweckbestimmung eines Gemäldes, dass es auf den Betrachter einwirkt und dieser eine besondere persönliche Beziehung zu dieser Sache aufbaut. Im Gegenzug steht die Zweckbestimmung des Verbrauchs der Sache (Brennstoff für Kraftwerke) einer besonderen persönlichen Beziehung des Eigentümers entgegen. Es kann also auch danach unterschieden werden, ob eine Sache, unter der Annahme einer Nutzung im Rahmen ihrer eigentlichen Zweckbestimmung, regelmäßig geeignet ist, eine emotionale Bindung des Eigentümers an dieser Sache zu bewirken. Die Zweckbestimmung einer Sache zeigt sich nicht zuletzt am regelmäßigen Adressatenkreis, wenn es zu einer Veräußerung der Sache kommt. Findet eine Veräußerung nur zwischen professionellen Marktteilnehmern in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit statt oder kommen zumindest auch Privatpersonen als typische Erwerber in Betracht? Dabei ist bei Privatpersonen eher ein Affektionsinteresse anzunehmen als bei rein professionellen Marktteilnehmern.43 2. Sachkategorien, bei denen Affektionsinteressen typischerweise bestehen bzw. typischerweise fehlen Wendet man die soeben skizzierten Kriterien an, so ergeben sich verschiedene Sachkategorien, bei denen typischerweise mit einem ideellen Interesse des Eigentümers zu rechnen ist sowie solche Kategorien, bei denen ein solches Affektionsinteresse typischerweise nicht besteht. Es zeigt sich dabei zudem, dass sich letztlich gerade jene Sachkategorien als besonders erörterungsbedürftig erweisen, die entweder bei gerichtlichen Auseinandersetzungen über einen gutgläubigen Erwerb eine prominente Rolle spielen oder im geltenden Recht als ausdrücklicher Steuerungsparameter Berücksichtigung finden. 43 Vgl. hierzu auch den Vorschlag von Brandt zur Differenzierung zwischen Waren und Individualgütern oben S. 353.

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Aus den vorstehenden Kriterien ergeben sich zwei Pole. Eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein bestehendes Affektionsinteresse ergibt sich bei stark individualisierten, seltenen, wertvollen Sachen mit langer Lebensdauer, hoher Wertbeständigkeit und wenigen Eigentümerwechseln, deren zweckbestimmte Nutzung auch auf eine persönliche Bindung des Eigentümers zu diesem Gegenstand abzielt und deren Adressatenkreis bei der Veräußerung aus einem hohen Anteil nicht gewerblich handelnder Personen besteht. Diesem Extrem kommen bestimmte Kunstwerke sehr nahe. Umgekehrt ergibt sich eine geringe Wahrscheinlichkeit eines Affektionsinteresses bei wenig individualisierten und wenig wertvollen Massengütern mit geringer Lebensdauer und starkem Verschleiß, häufigen Eigentümerwechseln, deren zweckbestimmte Nutzung keinen Zusammenhang zu einer persönlichen Bindung des Eigentümers erkennen lässt und deren Erwerberkreis aus einem hohen Anteil gewerblich handelnder Personen besteht. Diesem Pol kommen bspw. Verbrauchsgüter der Industrie sehr nahe. a) Sachen mit starkem potenziellen Affektionsinteresse Anhand dieser Kriterien ergeben sich einige Arten von Sachen, bei denen potenziell starke Affektionsinteressen bestehen. Dies ist insbesondere der Fall bei Kunstwerken, Schmuckstücken, Antiquitäten und Haustieren. aa) Kunstwerke Bei der Anwendung der Regelkriterien ergibt sich, dass besonders bei Kunstwerken ein hohes Affektionspotenzial besteht. Kunstwerke sind regelmäßig langlebig, stark individualisiert und selten. Bei Kunstwerken findet zudem gerade keine rasche Abnutzung und Entwertung oder Vergänglichkeit statt, wie dies bei anderen Gegenständen der Fall ist.44 Wertveränderungen ergeben sich bei Kunstwerken häufig aus Marktschwankungen und nicht aufgrund von Abnutzung. Im Laufe der Zeit kann es hier zu Wertzuwächsen kommen.45 Zwar gibt es in großem Maße auch einen professionellen Kunsthandel und Erwerbsvorgänge zum Zwecke der Vermögensanlage, aber ihrer Zweckbestimmung nach sollen vor allem Kunstwerke eine persönliche Bindung des Eigentümers zu dieser Sache hervorrufen. Die besondere Bedeutung der Eigentümerinteressen bei Kunstwerken im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs zeigt sich an der vergleichswei-

44

Vgl dazu insbesondere Remien, AcP 201 (2001), 730, 732. Vgl. „Investoren flüchten in Alte Meister“, FAZ v. 15.3.2010 S. 13: „Vor dem Hintergrund sich wieder stabilisierender Märkte, aber einer wachsenden Angst vor Inflation und Wertverlust suchen Investoren nach guten und bewährten Sachwerten. (…) Händler sprechen von einer ‚Flucht in alte Werke‘“. 45

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se großen Zahl einschlägiger Entscheidungen und der übrigen Besonderheiten in diesem Bereich (Register, Sonderregeln).46 Aufgrund ihrer Langlebigkeit, Werthaltigkeit und vergleichsweise niedrigen Umschlagsgeschwindigkeit ist der Berücksichtigung der ideellen Interessen des Eigentümers im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs ein vergleichsweise langer Zeitraum zu gewähren.47 Die in Einzelfällen schwierige Abgrenzung von Kunstwerken zu sonstigen Gegenständen und die abstrakte Begriffsbestimmung des Kunstwerks muss dabei entsprechenden Spezialuntersuchungen und einer etwaigen richterlichen Ausformung überlassen werden.48 Gleiches gilt für eine Abgrenzung zum Begriff der Kulturgüter generell, die zudem spezialgesetzlich über den Kulturgüterschutz erfasst werden.49 Im Ergebnis ist bei Kunstwerken eine Sachzuordnung an den Eigentümer aufgrund typischerweise bestehender Affektionsinteressen angezeigt.50 Der Verkehrsschutz hat bei dieser Sachkategorie ein geringeres Gewicht und muss demgegenüber für die Sachzuordnung zurücktreten. bb) Schmuck, Antiquitäten Ebenfalls von einem potenziell hohen Affektionsinteresse sind Schmuckstücke. Auch hier handelt es sich um Sachen, die häufig langlebig, wertvoll, wertbeständig und schon nach ihrem Zweck zur Schaffung besonderer persönlicher Bindungen geeignet sind. Schmuckstücke dienen zudem häufig bei besonderen Anlässen als Geschenk oder ihnen wird sonst im Rahmen von Familien- und Ehebeziehungen eine besondere Bedeutung beigemessen.51 Paradebeispiel sind hier Eheringe, die im deutschen Recht (§ 811 46 Vgl. dazu oben S. 195 ff., S. 235, S. 246 f. und S. 257 ff. und die dabei jeweils angeführten weiteren Nachweise. 47 Darüber hinaus werden bei Kunstwerken die Ersitzung und die Verjährung weiterhin bedeutend sein. Häufig tauchen Kunstwerken erst nach vielen Jahren über dunkle Kanäle oder über Erbfälle wieder auf. Vgl. dazu auch die Schilderung der Vorgänge im Rahmen des Bildes der „Heiligen Familie“ das Gegenstand des Rechtsstreites Stadt Gotha und Bundesrepublik Deutschland gegen Sotheby’s und Cobert Finance S.A. war (dargestellt bei Remien, AcP 201 (2001), 730, 731). 48 Zur Problematik der Begriffsbestimmung von Kunstwerken und der Abgrenzung zu anderen Sachen vgl. oben Teil 2, 2. Kapitel Fn. 395 und S. 259 ff. Für den folgenden Regelungsvorschlag ist die Problematik aufgrund des dort vorgesehen Auffangtatbestands und der finanziellen Kompensation in beide Richtungen (zu enge und zu weite Auslegung) abgemildert, vgl. unten S. 369. 49 Vgl. auch hierzu oben Teil 2. 2. Kapitel Fn. 395 und S. 257 ff. 50 In Bezug auf Kulturgüter generell formuliert Armbrüster (NJW 2001, 3581, 3585): „Kulturgüter sind – jedenfalls aus Sicht ihrer Eigentümer – meist nicht in Geld aufzuwiegen.“ 51 Carbonnier, Biens, Nr. 226 m.w.Nachw.

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Abs. 1 Nr. 11 ZPO) demnach auch mit einem Pfändungsverbot besonders geschützt sind. Schmuckstücke zeigen in ihren Eigenschaften eine große Nähe zu Kunstwerken bzw. können im Einzelfall bereits unter die Kategorie der Kunstwerke fallen. Es schadet aber nicht, hier selbst wenig wertvollen Modeschmuck zu erfassen, da dieser, wenn er vom Eigentümer überhaupt noch identifiziert werden kann, ebenfalls geeignet ist, die besonderen persönlichen Bindungen auszulösen. Eine große Nähe zu Kunstwerken weisen zudem Antiquitäten auf. Auch hier deuten die Regelkriterien auf eine hohe Wahrscheinlichkeit einer besonderen persönlichen Bindung (Seltenheit, Haltbarkeit und Wertbeständigkeit, geringe Umlaufgeschwindigkeit) hin. cc) Haustiere Weiterhin regelmäßig Gegenstand eines besonderen Affektionsinteresses sind Tiere.52 Insbesondere Haustiere sind regelmäßig gut identifizierbar und selten Gegenstand von Eigentümerwechseln. Bei Tieren handelt es sich um Lebewesen mit eigenen Charaktermerkmalen. Insofern sind auch zwei Tiere gleicher Rasse, gleichen Alters und gleicher Herkunft verschieden. Dadurch und aufgrund der häufig engen Einbeziehung in das alltägliche persönliche Leben haben Haustiere für den Eigentümer vielfach einen besonders großen ideellen Wert. Hier scheint ein Verweis auf ein ersatzweise anzuschaffendes Haustier ein besonders einschneidender Eingriff gegenüber dem Eigentümer. Allenfalls kann im Rahmen eines Zeitelements zu berücksichtigen sein, dass ein Erwerber über die Zeit ebenfalls eine eigene Beziehung zu dem Tier aufbauen kann. Bei Nutztieren, insbesondere landwirtschaftlichen Nutztieren, die die Grundlage der Erwerbstätigkeit des Eigentümers bilden, besteht ein geringeres Interesse an der konkreten Sache selbst. Hier steht die erwerbswirtschaftliche Betätigung im Vordergrund, der die Tiere dienen. Insoweit ist in diesen Fällen allein die Zuweisung des Ausfallrisikos entscheidend. dd) Fahrzeuge, insb. Pkw und Fahrräder? Fahrzeuge, insbesondere Pkw, aber auch Fahrräder sind häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen rund um den gutgläubigen Erwerb.53 Daraus 52 Vgl. auch Carbonnier, Biens, Nr. 225. Hier geht es um Tiere als Sachen im Rahmen eines gutgläubigen Erwerbs. Zwar besagt auch das BGB in § 90a S. 1 BGB, dass Tiere keine Sachen sind, erklärt aber für Fragen außerhalb der tierschutzrechtlichen Bestimmungen, und um solche handelt es sich bei Fragen der Eigentümerstellung, die für Sachen geltenden Vorschriften für anwendbar (§ 90a S. 3 BGB). 53 Vgl. Jacob, S. 1 und S. 84 ff.; Prisching, S. 35 f.

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könnte man schließen, dass bei diesen Sachen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besonderer ideeller Interessen besteht. Ein solcher Schluss auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bestehender Affektionsinteressen wäre allerdings unzutreffend. Im Hinblick auf die oben identifizierten Regelkriterien handelt es sich um Sachen mit geringem Affektionspotenzial. Zwar sind sie gut identifizierbar, verfügen über eine vergleichsweise lange Lebensdauer mit einer geringen durchschnittlichen Zahl an Eigentümerwechseln und sind relativ wertvoll. Dennoch kommen sie in der Regel in großen Stückzahlen vor und können in einem großen Markt sowohl neu als auch gebraucht nahezu gleichwertig ersetzt werden. Die tatsächliche gerichtliche Bedeutung im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs ergibt sich in erster Linie daraus, dass Fahrzeuge häufig Gegenstand von Diebstählen sind. Es geht bei Fahrzeugen mehr um die Wiedererlangung der Sache als Vermögensgegenstand und nicht darum, ein mit der Sache verbundenes ideelles Interesse zu wahren.54 ee) Sachen von wissenschaftlichem Interesse und Sachen, die der Religionsausübung dienen Weniger eine besondere Art von Sachen, als vielmehr ein Sonderfall des besonderen ideellen Interesses liegt vor, wenn das ideelle Interesse des Eigentümers ein wissenschaftliches oder religiöses Interesse ist. Dieses kann sich grundsätzlich auf jede Art von Sachen beziehen, so dass die Abgrenzungsschwierigkeiten zu sonstigen Sachen (Missbrauchsgefahr) hier besonders zu Tage treten.55 Angesichts der Höchstpersönlichkeit und Individualität der Glaubensausübung gilt dies für Sachen, die zu religiösen Zwecken verwendet werden umso mehr. Einschränkend könnte daher auf die Zweckwidmung einer Glaubensgemeinschaft statt des einzelnen Eigentümers abgestellt werden. Entscheidend ist bei solchen Sachen, dass diese Sache im Einzelfall vom Eigentümer bereits solchen besonderen Interessen gewidmet wurde. b) Sachen mit geringem potenziellen Affektionsinteresse Sachen mit geringem potenziellen Affektionsinteresse sind – wenig überraschend angesichts der bisherigen Untersuchung – insbesondere Geld und Wertpapiere. 54

In diesem Zusammenhang steht mit den Fahrzeugbriefen allerdings ein Mechanismus zur Verfügung, der unabhängig von der Frage einer Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen eine gerechte Differenzierung im Rahmen der Gutgläubigkeit ermöglicht. 55 § 811 Nr. 11 ZPO beschränkt den Sonderschutz für religiöse Gegenstände auf Bücher („Bücher, die zum Gebrauch des Schuldners und seiner Familie in der Kirche (…) oder bei der häuslichen Andacht bestimmt sind.“).

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aa) Geld Bei Geld, das aufgrund seiner gesetzlichen Grundlage und seiner Zweckbestimmung als gesetzliches Zahlungsmittel dient, ist ein legitimes Affektionsinteresse in der Regel nicht gegeben. Es besteht üblicherweise keine besondere persönliche Beziehung des Eigentümers zu den einzelnen Münzen oder Geldscheine, die schon nicht voneinander zu unterscheiden sind.56 Anders mag dies allenfalls bei Sammlermünzen sein. Gerade bei Sammlerobjekten, insbesondere wenn sie in ihrer Verfügbarkeit beschränkt sind, kann sich ein gesteigertes Affektionsinteresse des Eigentümers ergeben. Bei solchen Münzen, bei denen der Sammlerwert den Kurswert deutlich übersteigt, tritt der Gedanke des Verkehrsschutzes zumindest soweit zurück, als hier auch einem Affektionsinteresse des Eigentümers Raum zu geben ist.57 Kritisch sind jene Münzen zu beurteilen, die im Ausland hauptsächlich als gesetzliches Zahlungsmittel dienen, so dass ihnen mit guten Gründen ein besonderer Verkehrsschutz zukommt, die gleichzeitig im Inland aber eher Sammlerinteressen dienen, so dass man hier ein grundsätzliches Affektionsinteresse anerkennen mag.58 Hier wird man um eine Einzelfallbetrachtung, insbesondere anhand der anderen Kriterien der Häufigkeit der Sache und der Wiederbeschaffbarkeit der Sache, nicht umhin kommen, wobei auch bei einer solchen Abwägung das besondere Verkehrsinteresse (auch ausländischer) gesetzlicher Zahlungsmittel gegenüber einem nur ausnahmsweise bestehenden Affektionsinteresse Rechnung zu tragen ist. Anders ist dies auch, wenn ein Geldschein zu einem Kunstwerk (oder eine Geldmünze zu einem Schmuckstück) umgestaltet wurde. In solchen Fällen ist eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Wurde der Geldschein (z.B. ohne Kenntnis seiner Eigenschaft als „Kunstwerk“) als Zahlungsmittel erworben, so bestehen keine Bedenken dem Kunstwerkcharakter dadurch Rechnung zu tragen, dass man den Erwerber zur Übereignung des so umgestalteten Geldscheins gegen den Sachwert des Geldscheins verpflichtet.59 Wurde der Geldschein bereits vom Erwerber als Kunstwerk erworben, so steht auch einer Behandlung des Geldscheins als Kunstwerk im Verhältnis zum Eigentümer kein besonderes Schutzinteresse aus der Um-

56

Peters, S. 77. Vgl. auch Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 17. 58 Vgl. die Entscheidung LG Würzburg NJW 1988, 2191, 2191 zu „Canada Maple Leaf ¼ Unze“- Goldmünzen. Dort wurde eine Anwendung von § 935 Abs. 2 BGB bejaht. 59 Wurde der Geldschein als Zahlungsmittel erworben, so ist regelmäßig zu erwarten, dass sich der auf diesen Geldschein entfallende Teilwert der Gegenleistung des Erwerbers (die dann in der Regel ja gerade keine Geldzahlung war) dem Zahlungswert dieses Geldscheins entspricht. 57

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lauffähigkeit von Geld entgegen.60 In einem solchen Ausnahmefall hat der Erwerber an den Geldschein keine besondere Verkehrsschutzerwartung geknüpft. Vergleichbar dem Fall der Sammlermünze, bei der der Sammlerwert den Kurswert deutlich übersteigt, ist die Funktion als Zahlungsmittel so weit in den Hintergrund getreten, dass es für diesen Gegenstand keines besonderen Verkehrsschutzes mehr bedarf. Eine solche Lösung stünde nicht im Widerspruch zur Auffassung im deutschen Recht, wonach auch ein zu einem Kunstwerk umgestalteter Geldschein im Falle des Abhandenkommens der Privilegierung des § 935 Abs. 2 BGB unterfällt und dementsprechend ein gutgläubiger Eigentumserwerb daran möglich ist.61 Hier ginge es nur um den Ersatz dieses Geldscheins mit Kunstwerkcharakter gegen einen Geldschein ohne Kunstwerkcharakter von gleichem Zahlungswert. Dieses würde dem Schutz des Geldscheins als Zahlungsmittel ausreichend Rechnung tragen. bb) Inhaberpapiere und sonstige Wertpapiere Eine vergleichbare Situation ergibt sich bei Inhaberpapieren und sonstigen Wertpapieren, die (noch) den rechtlichen Regeln der beweglichen Sachen unterliegen. Der schnelle und rechtssichere Erwerb von Wertpapieren ist von überragender Bedeutung für das Funktionieren moderner Kapital- und Finanzmärkte. In Folge der Notwendigkeit einer erhöhten Umlauffähigkeit von Wertpapieren (insbesondere Effekten und sonstigen Inhaberpapieren) und dem daraus resultierenden gesteigerten Verkehrsschutz ist ein Affektionsinteresse an solchen Sachen regelmäßig ausgeschlossen. Die Regelkriterien für das Vorliegen eines solchen Liebhaberinteresses (geringe Anzahl der Stücke, geringe Häufigkeit des Eigentümerwechsels, hoher Individualisierungsgrad) sind bei solchen Wertpapieren gerade nicht erfüllt. Vergleichbar der Situation bei Geld ergibt sich bei Wertpapieren ebenfalls lediglich ausnahmsweise eine Situation, bei der der Inhaber des Rechts eine besondere Beziehung zu dem Träger des verkörperten Rechts hat. Der Erwerb dieser effektiven Stücke dient dann in der Regel nicht mehr den sonst in diesem Bereich zugrunde liegenden Investitionszwecken. Ein besonderes Liebhaberinteresse an Wertpapieren setzt dabei zwangsläufig voraus, dass überhaupt effektive Stücke existieren, was bereits die absolute Ausnahme darstellt. Aktuell werden Einzelurkunden nur noch in speziellen Fällen hergestellt, so z.B. bei der Aktie der B.A.U.M. 60

Ein Indiz für eine Vorrangigkeit des Kunstwerkcharakters wäre bspw., dass der Zahlungswert der Geldmünze oder des Geldscheins in einem auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung des Erwerbers liegt. 61 MüKo/Oechsler, § 935 Rdnr. 15; Soergel/Henssler, § 935 Rdnr. 17; a.A. Erman/ Michalski, § 935 Rdnr. 8.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

AG, dem Mutterunternehmen der Janosch film & medien AG, deren effektive Stücke vom Zeichner Janosch gestaltet wurden. Weitere Beispiele betreffen Unternehmen, zu denen einzelne Bevölkerungsgruppen eine emotionale Bindung haben62 oder Fälle einer generellen Sammelleidenschaft.63

III. Der Regelungsvorschlag Aus der Anwendung der unter II. identifizierten Regelkriterien ergibt sich eine Sachzuordnung an den Eigentümer für die genannten Sachkategorien, bei denen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Affektionsinteresses des Eigentümers vorliegt. Dies ist in § 2 des die Untersuchung abschließenden Regelungsvorschlags (vgl. Schluss, B.) umgesetzt. Aus der Gesamtheit der beweglichen körperlichen Sachen werden über die Regelkriterien dabei jene Sachen herausgefiltert, bei denen eine vom Regelfall des gutgläubigen Erwerbs abweichende Sachzuordnung mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit angemessen ist.64 Durch die grundsätzliche Anknüpfung an die Art der Sache (Kunstwerk, Antiquität, Schmuck, Haustier) wird ein potenzielles Rückübereignungsrisiko für den Erwerber zudem erkennbar, da er beim Erwerb einer solchen Art von Sache ein entsprechendes Risiko grundsätzlich in Betracht ziehen kann und gegebenenfalls weitere Nachforschungen – über den für die Gutgläubigkeit erforderlichen Rahmen hinaus – zur Absicherung der Berechtigung seines Veräußerers anstellen kann. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Sachen und ihrer Beziehungen zum Eigentümer kann diese Aufzählung jedoch nicht abschließend sein. So kommt beson62

Auch Fußballvereine nutzen diese emotionale Bindung bei der Investorensuche. So existierten effektive Stücke der Aktie der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA und der Anleihe des 1. Fußball-Club Nürnberg, Verein für Leibesübungen e.V. aus dem Jahr 2010 (sog. Schmuckanleihen). Bei Schmuckanleihen wird besonders deutlich, dass hier die renditeorientierte Investitionsentscheidung beim Anleger nicht im Vordergrund steht. So sah der Zeichnungsschein der 2010er Anleihe des 1.FC Nürnberg die Möglichkeit des Erwerbs einer Schmuckanleihe im Paket mit einem Rahmen vor. Der Zinsertrag einer Schmuckanleihe ist aber nicht nur steuerlich benachteiligt und die Geltendmachung mit mehr Aufwand verbunden, sondern es bedarf insbesondere eines tatsächlichen Zerschneidens der Urkunde, nämlich des Ausschneidens des Coupons, um die Zinserträge geltend machen zu können. Gleichsam bedarf die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs am Ende der Investitionszeit der Einlieferung des effektiven Stückes. Der „Schmuckanleiheninvestor“, im Zweifel ein Anhänger der Fußballmannschaft, müsste also ggfs. die Anleihe aus dem Rahmen nehmen und zurückgeben, um sie einzulösen. 63 Die Verfügbarkeit effektiver Stücke beschränkt sich in der Regel nur auf die bereits im Umlauf befindlichen älteren Stücke. Vgl. z.B. Mühlauer, An der Wand statt im Depot, SZ vom 23.02.2008. 64 Vgl. allgemein (über den gutgläubigen Erwerb hinaus) zu Forderungen im französischen Schrifttum nach einer Unterteilung des Mobiliarsachenrechts zur Differenzierung der beweglichen körperlichen Sachen anhand weiterer Kriterien (ein droit mobilier spécial) Carbonnier, Biens, Nrn. 224 ff. und Cornu, Les biens, Rdnr. 118.

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ders bei persönlichen Sachen ein Affektionsinteresse im Einzelfall in Betracht.65 Der Regelungsvorschlag adressiert diese Problematik über eine Auffangklausel (§ 2 Abs. 2 des Regelungsvorschlags).66 Bei allen genannten Sachen können sich im Einzelfall allerdings Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben. Wann ist eine Sache ein Kunstwerk? Ab welchem Alter der Sache handelt es sich um eine Antiquität? Unter Berücksichtigung der Regelkriterien (und in Verbindung mit dem Auffangtatbestand) scheint diese Abgrenzungsproblematik aber praktisch beherrschbar zu sein. Berücksichtigt man weiterhin, dass es hier nur um die Sachzuordnung geht, das Ausfallrisiko aber weiterhin beim Eigentümer bleibt, so sind die verbleibenden Unsicherheiten unter Verkehrsschutzgesichtspunkten hinnehmbar. Der Regelungsvorschlag sieht im Übrigen keine Begrenzung der außerordentlichen Sachzuordnung an den Eigentümer für natürliche Personen vor. Trotz des persönlichen Charakters der Bindung zu einer Sache kommen auch Personenmehrheiten und juristische Personen als Inhaber schützenswerter Affektionsinteressen in Betracht. Zum einen kann eine solche Personenmehrheit eine Zusammenfassung der Affektionsinteressen der darin verbundenen Einzelpersonen darstellen (z.B. Erbengemeinschaft, Familiengesellschaft). Bei Gesellschaften kann zudem auch ein eigenes, auf die Gesellschaft selbst bezogenes, ideelles Interesse anerkannt werden. So bspw. bei Kunstwerken aus der Kunstsammlung großer Unternehmen oder bei „ersten Stücken“ aus Produktionsserien von Herstellungsbetrieben (z.B. dem ersten VW Käfer).

C. Sonderzuordnung von öffentlichen Sachen Auch im Rahmen der Sonderbehandlung öffentlicher Sachen bietet das Rückkaufsrecht eine Chance, die entsprechenden Positionen sachgerecht zu berücksichtigen. Nimmt man die Ausgangssituation bei öffentlichen

65 Das geltende französische Recht sieht aufgrund der besonderen familiären Affektionsinteressen (vgl. Grimonprez, Rép. civ. Dalloz, Prescription Acquisitive, Nr. 16.) für die als souvenirs de famille deklarierten Gegenstände Sonderregeln vor, die diese Gegenstände als Sachgesamtheit derzeit gänzlich vor einem unfreiwilligen Eigentumsverlust im Wege des gutgläubigen Erwerbs und der Ersitzung schützen (vgl. hierzu auch oben S. 49). 66 Das grundsätzliche Abstellen auf bestimmte Arten von Sachen trägt darüber hinaus den Anforderungen der Regeln der Gesetzestechnik Rechnung, indem weder versucht wird, alle Einzelfälle zu erfassen, noch sich mit einem unbestimmten Rechtbegriff mit weitem Auslegungs- oder Ermessensspielraum zu begnügen, vgl. F.Bydlinski, Methodenlehre, S. 625 ff. und oben S. 352 f.

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Sachen im deutschen Recht67 und die dazu existierenden verschiedenen Argumentationen, so streitet man insbesondere über die Reichweite und Bedeutung der Überlagerung des zivilrechtlichen Eigentums durch eine Widmung zu öffentlichrechtlichen Zwecken. Ein absoluter Vorrang der öffentlich-rechtlichen Zwecksetzung und die damit verbundene Auferlegung des Ausfallrisikos auf den Erwerber aus Gründen einer generellen Privilegierung des Staats, ohne dass gesetzliche Entschädigungsregeln existieren, ist nicht sachgerecht.68 Der Staat und andere öffentliche Rechtsträger sind wie jede andere natürliche und juristische Person gehalten, ihre Rechtsgüter zu schützen.69 Ein öffentlicher Eigentümer würde zudem wie jeder andere Eigentümer nach dem hier vorgestellten Regelungsvorschlag vom Schutz seines besonderen ideellen Interesses im Rahmen der vorgestellten Regelbeispiele (insb. Kunstwerke und Kulturgüter) oder über die Generalklausel profitieren. Andererseits ist die Möglichkeit einer öffentlichrechtlichen Zweckerfüllung – jenseits der bloßen Vermögensinteressen – ein gewichtiger Belang. Benötigt ein öffentlicher Sachherr im Rahmen seiner öffentlichrechtlichen Zweckerfüllung gerade diese konkrete Sache, so hat er nicht nur ein besonderes ideelles Interesse, sondern zudem ein besonderes Genussinteresse an dieser Sache.70 Hier können individuelle Einzelsachen betroffen sein (Stempel,71 Abzeichen) oder Sachen, die ausschließlich für öffentliche Rechtsträger aufgrund der öffentlichen Zwecksetzung von Bedeutung sind, wie bspw. Polizeiuniformen. Es bietet sich dabei an, dieses durch die öffentliche Aufgabenerfüllung besonders legitimierte Genussinteresse im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs über eine Sachzuordnung an den öffentlichen Eigentümer zu berücksichtigen. Man könnte dabei dem öffentlichen Rechtsträger bspw. in jedem Fall ein Rückkaufsrecht einräumen, so dass dieser selbst entscheiden kann, ob er die Sache wieder zurückkaufen möchte. Vorzugswürdig erscheint es aber angesichts der aus einem Rückkaufsrecht resultierenden Verkehrsein67

Vgl. oben S. 225 ff. Die folgenden Ausführungen können auch auf die französische Situation angewandt werden, wenngleich dort öffentliche Sachen mehrheitlich rechtstechnisch generell als res extra commercium behandelt werden. 68 Vgl. dazu oben S. 347 ff. 69 Nicht überzeugend ist der Einwand von Wernecke, wonach ein öffentlicher Sachherr angesichts leerer Kassen der öffentlichen Hand bereits ab einem Betrag von damals 50 DM sein Eigentum an der Sache durch einen gutgläubigen lastenfreien Eigentumserwerb eines Dritten nicht verlieren sollte, AcP 195 (1995), 445, 459. 70 Auch wenn das OVG Münster hervorhebt, dass im Regelfall auch bei abhanden gekommenen öffentlichen Sachen „diese Sache ersetzt werden kann und es deshalb letztlich nur darum geht, wer die finanziellen Folgen des Abhandenkommens tragen soll.“, NJW 1993, 2635, 2637. 71 Vgl. den Hamburger Stadtsiegelfall, wenngleich dieses Siegel zuletzt seine öffentlichrechtliche Zwecksetzung nur durch die Aufnahme in das Archiv erfahren hat.

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schränkung, die Zuordnung der Sache an die öffentliche Hand auf jene Fälle zu begrenzen, in denen das besondere Genussinteresse besteht. Wie lassen sich aber nun Sachen, an denen ein besonderes öffentliches Sachinteresse besteht, von den sonstigen Sachen abgrenzen? Auch hier könnte das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht bei der näheren Ausgestaltung eine Hilfestellung geben. § 882a Abs. 2 ZPO sieht vor, dass eine Zwangsvollstreckung gegen den Bund, ein Land oder eine öffentlichrechtliche Körperschaft, Anstalt oder Stiftung (vgl. § 882a Abs. 3 ZPO) in eine Sache, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich ist oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht, unzulässig ist.72 Die Abgrenzung dieser beiden Alternativen in der Literatur ist dabei nicht immer einheitlich (allerdings praktisch auch nicht relevant). Die erste Alternative („Sache, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich ist‘“) soll im Wesentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch73 bzw. die Gesamtheit der öffentlichen Sachen (öffentliche Sachen im Gemeingebrauch, öffentliche Sachen im Anstaltsgebrauch und öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch) erfassen,74 wohingegen die zweite Alternative zusätzlich solche Gegenstände erfassen soll, an denen „die Öffentlichkeit wissenschaftliche oder affektive Interessen besitzt“75 sowie Sachen, bei denen Geheimhaltungsinteressen bestehen, wie dies bei Sachmitteln der Bundeswehr oder der Polizei der Fall sein kann.76 Unabhängig von der leicht unterschiedlichen Abgrenzung der beiden Alternativen in der juristischen Literatur ist entscheidend festzuhalten, dass es auch bei § 882a ZPO im Wesentlichen um zwei Kategorien von Sachen geht: Gegenstände, an denen besondere Genussinteressen der öffentlichen Hand bestehen und Gegenstände, an denen besondere ideelle Interessen der öffentlichen Hand bestehen. Der zweite Aspekt wäre somit bereits über den Vorschlag der Regelbeispiele zur Berücksichtigung von Affektionsinteressen abgedeckt. Ergänzender Regelungsbedarf bestünde somit hinsichtlich der besonderen Genussinteressen der öffentlichen Rechtsträger. Ein entsprechender Regelungsvorschlag könnte demnach lauten: „Einem öffentlichen Rechtsträger als ursprünglichem Eigentümer steht darüber hinaus ein Rückkaufsrecht zu, wenn es sich bei der Sache um eine Sache handelt, die einem öffentlichen Zweck gewidmet ist und zur Verfolgung dieses Zwecks benutzt wird.“ (vgl. § 2 Abs. 3 des Regelungsvorschlags). 72

Vgl. auch Wernecke, AcP 195 (1995), 445, 458), die für die Frage, wann öffentliche Sachen überhaupt regelmäßiger Teil des Güteraustauschverkehrs werden sollen und in welchen Fällen von vornherein ein gutgläubiger (lastenfreier) Eigentumserwerb stattfindet, das Zwangsvollstreckungsrecht unterstützend heranzieht. 73 MüKo-ZPO/Eickmann, § 882a Rdnr. 17; Musielak/Becker, § 882a Rdnr. 6. 74 Wieczorek/Schütze/Loeser, § 882a Rdnr. 56. 75 Wieczorek/Schütze/Loeser, § 882a Rdnr. 56. 76 MüKo-ZPO/Eickmann, § 882a Rdnr. 18; Musielak/Becker, § 882a Rdnr. 6.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Eine Sachzuordnung an den Eigentümer öffentlicher Sachen, bei gleichzeitiger Auferlegung des Ausfallrisikos auf den Eigentümer, sehen auch bereits einige ältere Vorschläge vor. Heck schlägt im Rahmen des von ihm vorgeschlagenen Gesamtkonzepts ein Lösungsrecht für Sachen von öffentlichem Interesse vor und zählt dazu insbesondere Sachen aus öffentlichen Kunstsammlungen oder aus öffentlichen Apotheken.77 Von Lübtow möchte bei dem von ihm vorgeschlagenen Modell bei Kunstgegenständen aus öffentlichen Sammlungen und Büchern aus öffentlichen Bibliotheken im Falle des Diebstahls oder der Veruntreuung keinen Eigentumserwerb nach der von ihm grundsätzlich propagierten Ersitzungslösung zulassen, dem Erwerber aber im Gegenzug einen Lösungsanspruch zubilligen. Hier soll das private Interesse des Ersitzungsbesitzers dem Allgemeininteresse weichen.78 Eine Lösung über ein Rückkaufsrecht für öffentliche Sachen würde die Problematik einer Sonderbehandlung öffentlicher Sachen in einigen Aspekten reduzieren. Gewährt man ein entsprechendes Rückkaufsrecht, so kommt es zu einer Verteilung des Ausfallrisikos im Rahmen des Verkehrs mit beweglichen Sachen, die einen öffentlichen Rechtsträger nicht generell bloß aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Struktur privilegiert. Vielmehr bleibt es bei der grundsätzlichen Verantwortlichkeit des Eigentümers für den Schutz seines Vermögens und der entscheidenden Frage der Gutgläubigkeit des Erwerbers. Zudem stellt die Sachzuweisung an den öffentlichen Rechtsträger bei gleichzeitiger Auferlegung des Ausfallrisikos, das gegenüber der Klassifizierung der Sache als res extra commercium bzw. dem Ausschluss des wirtschaftlich vollwirksamen Erwerbs mildere Mittel für den Erwerber dar. Der Erwerber muss die Sache nicht kompensationslos herausgeben. Gleichzeitig ist der Regelung aufgrund des Anspruchs des Erwerbers auf den Rückkaufpreis ein Erstattungsanspruch immanent, was den verfassungsrechtlichen Bedenken79 Rechnung trägt. Es bleibt zwar weiterhin dabei, dass die Erkennbarkeit einer von einem Rückkaufsrecht erfassten Sache für einen gutgläubigen Erwerber nicht immer gegeben ist, aber der Regelungsvorschlag sieht durch seine Formulierung („einem öffentlichen Zweck gewidmet ist und zur Verfolgung dieses Zwecks benutzt wird.“) vor, den Verkehr nur dort zu belasten, wo ein konkretes Genussinteresse des öffentlichen Rechtsträgers besteht.

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Heck, § 60 8. (S. 256). Von Lübtow, FS zum 41. Dt. Juristentag, 119, 231. 79 Vgl. OVG Münster NJW 1993, 2635, 2635 f. und Papier, § 1 6. d (S. 15 f.), die im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG eine solche für verfassungsrechtlich geboten halten. Wernecke verneint in AcP 195 (1995), 445, 465 in diesen Fällen einen Eingriff in das Eigentum (vgl. oben Teil 2 Fn. 270). Vgl. dazu oben S. 225 ff. 78

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Ihre Grenze findet die Einbindung öffentlicher Sachen in ein zivilrechtliches System des (gutgläubigen) Eigentumserwerbs dort, wo öffentlichrechtliche Belange aus verschiedenen Gründen in besonders hohem Maße betroffen sind, so dass eine Einordnung in das regelmäßige System zum Gütertausch nicht mehr angebracht ist. In diesem Fall kann es angebracht sein, diese Sachen gänzlich aus dem üblichen Verkehr auszugliedern und als res extra commercium zu behandeln, z.B. radioaktive Stoffe, Kriegswaffen etc.

D. Sachzuordnung anhand sonstiger Steuerungsparameter Neben der Steuerung der Sachzuordnung nach den ideellen Interessen und der besonderen Zwecksetzung öffentlicher Sachen könnten noch weitere Steuerungsparameter für die Sachzuordnung relevant sein. Angesichts seiner historischen Verwurzelung und der vielfältigen Verbreitung in den nationalen Rechtssystemen ist an dieser Stelle wiederum das Kriterium des Abhandenkommens zu würdigen. Wohlgemerkt geht es hier darum, ob dem Eigentümer, unabhängig von der Verteilung des Ausfallrisikos, aufgrund des Abhandenkommens das Eigentum an der Sache zuzuordnen ist. Wie oben gezeigt, ist für die Verteilung des Ausfallrisikos die Anknüpfung an das Abhandenkommen einer Sache kein sachgerechter Anknüpfungspunkt.80 Es ist demnach zu fragen, ob der unfreiwillige Verlust der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft (insbesondere aufgrund Diebstahls oder Verlierens) die generelle Sachzuordnung an den Eigentümer begründen kann. Grundsätzlich könnte dies unter zwei Aspekten der Fall sein. Zum einen könnte sich an der Art und Weise des Verlusts der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft auf Seiten des Eigentümers ein allgemeines ideelles Interesse des Eigentümers zeigen (I.). Zum anderen könnte der im Abhandenkommen der Sache verkörperte Unwert der Handlung eine Sachzuordnung an den Eigentümer erforderlich machen (II.).

I. Die Vermutung eines ideellen Interesses des Eigentümers von abhanden gekommenen Sachen Für diese Untersuchung ist dabei von den bereits erzielten Zwischenergebnissen auszugehen. Speziell ist ein unter 3. Teil, 3. Kapitel, B. entwickeltes System zugrunde zu legen, das anhand von Regelbeispielen kombiniert mit einer Generalklausel den besonderen ideellen Interessen des Eigentümers in jedem Fall der Veräußerung seiner Sache durch einen Nichtberechtigten 80 Zur Ungeeignetheit der Verteilung des Ausfallrisikos anhand des Steuerungsparameters abhanden gekommener Sachen vgl. oben S. 316 ff.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Rechnung trägt und eine Sachzuordnung an den Eigentümer vornimmt. Mithin geht es hier darum, ob der unfreiwillige Verlust der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft der Sache generell auf ein regelmäßig bestehendes ideelles Interesse des Eigentümers hindeuten kann, so dass sich eine weitere Einzelfallprüfung anhand der Art der Sache erübrigt. Kann man bspw. davon ausgehen, dass überwiegend Sachen mit besonderen Affektionsinteressen gestohlen werden? Dies ist nicht der Fall. Der Diebstahl betrifft sämtliche Arten von Sachen. Häufig ist es genau umgekehrt, da aufgrund erleichterter Absatzmöglichkeiten besonders jene schwer individualisierbaren Massengegenstände ein beliebtes Diebstahlsgut sind, an denen regelmäßig gerade kein Affektionsinteresse des Eigentümers besteht (z.B. Zigaretten, Batterien, Rasierklingen). Im Übrigen erfasst die oben vorgeschlagene Sachzuordnung für bestimmte Sachkategorien mit typischem Affektionsinteresse gerade auch Gegenstände, die häufig Gegenstand von Diebstählen sind, wie z.B. Kunstwerke,81 Antiquitäten und Münzsammlungen.82 Möglicherweise könnte sich aber im Umkehrschluss ergeben, dass dort, wo der Veräußerung durch den Nichtberechtigten kein Abhandenkommen vorausgeht, regelmäßig kein ideelles Interesse gegeben ist. Eine solche Regelmäßigkeit kann jedoch ebenfalls nicht angenommen werden. Die Freiwilligkeit der Aufgabe der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft lässt nicht auf ein typischerweise vermindertes Affektionsinteresse schließen. So können Kunstwerke vermietet und verliehen werden, um sie anderen Personen zugänglich zu machen, besondere Schmuckstücke zur Aufarbeitung, Musikinstrumente und andere Gegenstände zur Reparatur gebracht oder andere persönliche Dinge einem Dritten zur sicheren Verwahrung anvertraut werden.83 Ein Schluss von der Art und Weise des Verlusts der tatsächlichen Sachherrschaft auf ein typischerweise bestehendes oder typischerweise fehlendes ideelles Interesse des Eigentümers ist daher in keine Richtung angebracht.

81 Die Kunstkriminalität soll bereits an dritter Stelle im internationalen organisierten Verbrechen stehen; Cwitkovits, Parnass 2005, Heft 1, 12, 12. Vgl. auch die Nachweise bei Seegers, Art-Investor, 453, 454 Fn. 2. 82 Der im tatsächlichen Befund ebenfalls relevante Diebstahl aus Wohnungen betrifft besonders auch diese Sachkategorien, vgl. BMI/BMJ, Erster Periodischer Sicherheitsbericht (2001), S. 124; vgl. dazu oben S. 331 ff. 83 Noch nicht einmal bei solchen Gegenständen, deren Veräußerung eine beabsichtigte, aber fehlgeschlagene Übereignung durch den Eigentümer vorausgeht, kann generell von einem fehlenden Affektionsinteresse ausgegangen werden. Dies hängt entscheidend vom Grund des Fehlschlagens der Verfügung ab (Anfechtung wegen Irrtums, Schutz geschäftsunfähiger Personen).

3. Kapitel: Die Zuordnung der Sache

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II. Der Unwertgehalt des Abhandenkommens als Sachzuordnungsgrund Schließlich ist noch der Gedanke aufzugreifen, dass im Falle eines Diebstahls oder einer Fundunterschlagung (infolge eines Verlusts) die Rechtsordnung in der Art gestört ist, dass eine Sachzuordnung an den Eigentümer zwingend geboten erscheint. Eine solche Steuerung wäre für die Frage der Sachzuordnung allerdings ebenso wenig überzeugend, wie dies bei der Verteilung des Ausfallrisikos der Fall ist. Der Unwertgehalt der Fälle betrügerischen Handelns (betrügerisches Erwirken der Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft) ist regelmäßig nicht weniger bedeutend.84 Im Falle verlorener Sachen kommt noch hinzu, dass das Zivilrecht im Übrigen den gesetzlichen Eigentumserwerb eines Finders (Zweipersonenkonstellation!) unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, um die Sache weiterhin im Wirtschaftskreislauf zu halten. Verlorene Sachen werden vom Zivilrechtsgesetzgeber im sonstigen Zivilrecht also mit einem geringeren und nicht mit einem erhöhten Eigentümerschutz ausgestattet.85 Entsprechend scheidet der Steuerungsparameter des Abhandenkommens einer Sache für die Frage der Sachzuordnung insgesamt aus. Die oben vorgenommene generelle Zuordnung anhand der ideellen Interessen ist geeignet, die Interessen der Beteiligten auch in jenen Fällen zu erfassen, in denen der Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft beim Eigentümer unfreiwillig erfolgt ist.

E. Zwischenergebnis Somit ergeben sich zwei Kriterien, die, abweichend von der sich aus der Zuweisung des Ausfallrisikos ergebenden Verteilung, die Zuordnung des Eigentums an der Sache im Rahmen einer Konstellation des gutgläubigen Erwerbs sachgerecht steuern. Ein besonderes ideelles Interesse des Eigentümers an der Sache und eine besondere öffentliche Zwecksetzung. Das Abhandenkommen stellt über diese beiden Zuordnungsgründe hinaus für die Frage der Sachzuordnung keine zusätzlichen Aspekte bereit. Aus der vorherigen Untersuchung ergibt sich bereits, dass die Qualität oder die besonderen Eigenschaften des Eigentümers keine geeigneten Steuerungsparameter im Bereich drittwirksamer Rechtsvorgänge darstellen.86 Die übrigen Steuerungsparameter (z.B. Veräußerungssituation, Eigenschaften des Erwerbers) haben für die Sachzuordnung keine direkte Relevanz. 84

Vgl. dazu insgesamt oben S. 321 f. Zu den zivilrechtlichen Fundvorschriften vgl. oben S. 216 ff. 86 Vgl. dazu oben S. 223 ff. und S. 347 f. 85

4. Kapitel

Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel für den Interessenausgleich 4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel

Aus dem 2. Kapitel ergibt sich, dass dem Eigentümer das Ausfallrisiko zugewiesen wird, wenn der Vorgang die entsprechenden Anforderungen der Überleitung der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft erfüllt und der Erwerber gutgläubig ist. Eine Sonderzuweisung des Ausfallrisikos bei abhanden gekommenen Sachen ist nicht angebracht. Im 3. Kapitel hat sich gezeigt, dass dem Erwerber regelmäßig auch die Sache zuzuordnen ist. Dabei ist jedoch zugunsten des Eigentümers dann eine Ausnahme zu machen, wenn er an der betroffenen Sache ein besonderes persönliches Interesse hat oder die Sache einem öffentlichen Zweck gewidmet ist. In diesen Fällen ist dem Eigentümer die Sache zuzuordnen, obwohl er gleichzeitig das Ausfallrisiko für etwaige Rückgriffsansprüche zu tragen hat. Es kommt folglich dazu, dass in diesen Konstellationen sowohl das Ausfallrisiko als auch die Sachzuordnung beim Eigentümer zusammentreffen. Beim Regelfall des gutgläubigen Erwerbs würde dagegen die Zuordnung des Eigentums an der Sache zu einem der beiden Hauptbeteiligten, Eigentümer oder Erwerber (in den Fällen des besonderen persönlichen Interesses an der Sache wäre dies hier der Eigentümer), automatisch die Zuweisung des Ausfallrisikos an den jeweils anderen (in den Fällen des besonderen persönlichen Interesses des Eigentümers an der Sache wäre dies hier der Erwerber) zur Folge haben. Zur Auflösung dieses Automatismus bedarf es des Einsatzes eines Lösungsrechts im weiteren Sinn.

A. Lösungsrecht oder Rückkaufsrecht? Zwei grundsätzliche Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Lösungsrechts im weiteren Sinn lassen sich identifizieren. Das Lösungsrecht im Stile des französischen Lösungsrechts („Lösungsrecht im engeren Sinn“) und ein Lösungsrecht im Wege eines Rückkaufsrechts.1 Der wesentliche rechtliche 1

Im Grunde handelt es sich um einen Anspruch auf Rückübereignung gegen Zahlung der Lösungssumme, den man auch als Anspruch eigener Art (sui generis) bezeichnen könnte. Insbesondere bedarf es keiner Gewährleistungsrechte des Käufers. Da der Kern

4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel

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Unterschied zwischen beiden Varianten liegt in der zwischenzeitlichen Eigentumszuweisung der Sache. Die daraus folgenden Unterschiede sind in der praktischen Abwicklung von Bedeutung. Das Lösungsrecht i.e.S. versagt dem Erwerber zwar den Eigentumserwerb, knüpft ein erfolgreiches Herausgabeverlangen des Eigentümers aber an die Zahlung der Lösungssumme durch den Eigentümer an den Erwerber. Ein Lösungsrecht im Wege eines Rückkaufsrechts des Eigentümers sieht einen Eigentumserwerb auf Seiten des Erwerbers vor, räumt dem Eigentümer aber die Möglichkeit zum Rückkauf zum Preis der Lösungssumme ein. Diese Lösung ist bspw. im schwedischen Recht verwirklicht.2

I. Die Unterschiede zwischen dem vorgeschlagenen Lösungsrecht i.w.S. (Rückkaufsrecht) und dem französischen Lösungsrecht Die Untersuchung des französischen Lösungsrechts hat einige Schwierigkeiten in der konkreten Abwicklung und Handhabung offenbart. Zum einen ist hier der Umgang mit einer bereits erfolgten, mehr oder weniger freiwilligen, Herausgabe zu nennen.3 Zum anderen stellt sich die Frage der Rechtsnachfolge in ein Lösungsrecht, wenn der weitere Erwerber selbst nicht die Voraussetzungen des Lösungsrechts erfüllt. Der hier vorgeschlagene Anwendungsbereich eines Lösungsrechts (i.w.S.) unterscheidet sich allerdings in zwei Aspekten entscheidend von der Situation des französischen Lösungsrechts. Zunächst knüpft die Entstehung des Lösungsrechts nicht an eine Veräußerungssituation an, sondern ist an die Sache selbst, bzw. die persönliche Bindung des Eigentümers zu dieser Sache gekoppelt. Dieser „Auslöser“ ist unabhängig von den weiteren Vorgängen betreffend diese Sache, insbesondere der Art und Weise oder Anzahl der Veräußerungs- oder Übereignungsvorgänge, und bleibt an ihr haften. Die im französischen Recht aufgetretene Problematik der Regelung der Rechtsnachfolge in ein Lösungsrecht, wenn der Erwerber selbst die Anforderungen nicht erfüllt, wohl aber sein Veräußerer oder Rechtsvorgänger, stellt sich somit hier nicht im gleichen Maße, da das Lösungsrecht unabhängig von der Veräußerungssituation gewährt wird.4 des Anspruchs (Übereignung Zug-um-Zug gegen Entgeltzahlung) aber einem Kaufvertrag entspricht, bietet es sich an, begrifflich und rechtlich auf die entsprechend bereinigten (Gewährleistungsrechte) Vorschriften zum Kauf zurückzugreifen. 2 Insb. §§ 5 und 6 Lag om godtrosförvärv av lösöre (sog. „qualifizierter Gutglaubenserwerb“, so Ring/Olsen-Ring, Rdnr. 799). 3 Vgl. oben S. 70 ff. 4 Zur fortbestehenden Bedeutung der Problematik der Rechtsnachfolge in ein Lösungsrecht für die Frage der Bemessung der Höhe der Lösungssumme im Rahmen des unentgeltlichen Zweiterwerbs vgl. allerdings unten S. 394 ff.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Vor allem aber unterscheidet sich das hier vorgeschlagene Lösungsrecht i.w.S. (Rückkaufsrecht) in seiner konkreten Privilegierungswirkung vom französischen Lösungsrecht, wenn man die gesamten Vorgänge innerhalb der Dreipersonenkonstellation berücksichtigt. Das französische Lösungsrecht privilegiert den Erwerber. Denkt man sich das französische Lösungsrecht bei ansonsten gleichen Voraussetzungen weg, so wird dem Erwerber das Ausfallrisiko auferlegt und dem Eigentümer das Eigentum an der Sache zugeordnet. Rechtstechnisch bedeutet dies, dass der Eigentumserwerb des Erwerbers endgültig scheitert und dass er dem Vindikationsverlangen des Eigentümers nachkommen muss, ohne von diesem eine Gegenleistung verlangen zu können. Mit dem französischen Lösungsrecht erhält der Erwerber hingegen die Möglichkeit, vom Eigentümer eine wirtschaftliche Kompensation in Höhe des vom Erwerber gezahlten Kaufpreises zu verlangen, so dass der Eigentümer im Ergebnis das Ausfallrisiko trägt. Das französische Lösungsrecht privilegiert also den Erwerber bei der Frage der Verteilung des Ausfallrisikos.5 Das hier vorgeschlagene Lösungsrecht privilegiert hingegen den Eigentümer. Denkt man sich nämlich bei ansonsten gleichen Voraussetzungen die Möglichkeit der Sonderzuordnung des Eigentums an der Sache weg, so kommt es bei gleichbleibender Verteilung des Ausfallrisikos (Eigentümer) immer zu einer Sachzuordnung an den Erwerber. Rechtstechnisch bedeutet dies den endgültigen Eigentumserwerb auf der Basis seines Erwerbsvorgangs. Mit dem hier vorgeschlagenen Lösungsrecht wird in den dafür einschlägigen Fällen ausnahmsweise dem Eigentümer das Eigentum an der Sache zugeordnet. Es privilegiert somit den Eigentümer auf der Ebene der Sachzuordnung.6

II. Rückkaufsrecht statt Lösungsrecht i.e.S. Der zuletzt genannte Aspekt der konkreten Privilegierungswirkung des Lösungsrechts führt nahezu zwangsläufig zur sachgerechten Lösung der Frage, ob die Umsetzung des Lösungsrechts durch ein Lösungsrecht i.e.S. oder durch ein Rückkaufsrecht erfolgen soll. Vergleicht man die beiden Alternativen, so ergibt sich folgendes Bild: Ausgangspunkt ist die soeben geschilderte Lage, die sich ergibt, wenn man die hier identifizierte Sonderzuordnung nicht vornimmt. Dann wäre bei dem hier vorgeschlagenen Modell die Sache ohne Ausnahme dem Erwer-

5 Der Eigentümer wird nicht über das Lösungsrecht des Art. 2277 C.c., sondern bereits über die vom Lösungsrecht zu trennende Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen nach Art. 2276 Abs. 2 C.c. privilegiert. 6 Zu den beiden grundsätzlichen Ansätzen vgl. bereits oben S. 267 f.

4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel

379

ber zuzuordnen.7 Eine solche Zuordnung geschieht rechtlich regelmäßig durch die Gewährung der Eigentümerstellung. Verwendete man nun für die Sonderzuordnung der Sache zur Berücksichtigung ideeller Interessen bzw. der öffentlichen Zwecksetzung der Sache ein Rückkaufsrecht, so würde dies rechtstechnisch dadurch umgesetzt, dass auch für die Fälle der Sonderzuordnung – wie für die übrigen Fälle – das Sacheigentum zunächst dem Erwerber zuzuordnen wäre. Der Eigentümer müsste bei den Konstellationen der Sonderzuordnung dann aber das Recht haben, die Sache zurückkaufen zu können. Verwendete man hingegen für die Umsetzung der Sonderzuordnung ein Lösungsrecht i.e.S. (also entsprechend der französischen Variante), so würde dies rechtstechnisch bedeuten, dass für die Fälle der Sonderzuordnung – abweichend von den sonstigen Fällen – das Sacheigentum dem Eigentümer zuzuordnen wäre. Der Erwerber müsste dann in den Konstellationen der Sonderzuordnung berechtigt sein, die Sache lediglich gegen Erstattung der Lösungssumme herausgeben zu müssen. Bei der zweiten Alternative würde also bereits auf der sachenrechtlichen und damit drittwirksamen Ebene (Eigentumszuweisung) ein Unterschied zwischen den Fällen der Sonderzuordnung und den übrigen Fällen erfolgen. Diese Ebene ist zum Erfassen einer ausnahmsweisen Sonderzuordnung jedoch weniger geeignet. Es ist nämlich unklar, ob es überhaupt jemals zur Ausübung des Lösungsrechts i.w.S. kommt. Dabei ist schon unklar, ob es überhaupt jemals zur Aufdeckung des zugrunde liegenden Sachverhalts kommt, insbesondere, ob ein Eigentümer seine Sache überhaupt entsprechend nachverfolgen und den Erwerber ausfindig machen kann. Selbst wenn die Situation und die Beteiligten offenkundig werden ist ungewiss, ob bei dieser konkreten Sache, bei der aufgrund ihrer Art von einer typischerweise erhöhten Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Affektionsinteressen auszugehen ist, ein Affektionsinteresse im Einzelfall tatsächlich besteht. Dem Eigentümer könnte an einer Rückerlangung im konkreten Fall gar nicht gelegen sein. Schließlich kommt es im Einzelfall auch auf die vom Eigentümer zu zahlende Lösungssumme an (vgl. dazu B. unten). Zur Ausübung des entsprechenden Rückerlangungsrechts (Herausgabeanspruch bzw. Rückkaufsrecht) muss er willens und in der Lage sein, die entsprechende Summe an den Erwerber zu zahlen. Wird das Lösungsrecht i.w.S. aber nicht ausgeübt, so ist die Sache dem Erwerber zuzuordnen. Bei der Variante des Rückkaufsrechts wäre dies nicht weiter problematisch, da der Erwerber bereits Eigentümer der Sache 7

Dies ist der wesentliche Unterschied zur französischen Konstellation. Dort wäre das Eigentum an der Sache in jedem Fall dem Eigentümer zuzuordnen (Lösungsrecht zur Erwerberprivilegierung).

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

geworden wäre und somit lediglich das Rückkaufsrecht nicht ausgeübt würde. Bei der Umsetzung über ein Lösungsrecht i.e.S. würden sich allerdings rechtskonstruktive Probleme ergeben, denn dann müsste die Entscheidung des Eigentümers zur Nichtausübung des Lösungsrechts i.w.S. bzw. der Fristablauf des Lösungsrechts i.w.S. zum (automatischen) Eigentumsübergang an den Erwerber führen.8 Zudem wären zwischenzeitliche Veräußerungsvorgänge unnötigerweise als Veräußerungen vom Nichtberechtigten zu behandeln. Diese Probleme werden dadurch vermieden, dass man die Eigentumszuordnung direkt in der Verteilung vornimmt, in der sie vorliegen soll, wenn es nicht zur Ausübung des Lösungsrechts kommt. Dies bedeutet, dass auch bei Sachen, bei denen das Lösungsrecht i.w.S. besteht (Sonderzuordnung der Sache), das Eigentum zunächst dem Erwerber zuzuweisen ist. Dem Eigentümer ist in diesen Fällen das Recht zu gewähren, gegen Zahlung der „Lösungssumme“ i.w.S. die Übereignung der Sache zu verlangen; in anderen Worten hat er das Recht, die Sache zurückzukaufen.9 Das entscheidende Kriterium zur Beurteilung der Umsetzungsvariante liegt somit in der gewünschten Sachzuordnung in dem Fall, in dem es nicht zur Ausübung des Lösungsrechts i.w.S. kommt. Demjenigen, dem in diesem Fall die Sache zugeordnet werden soll, ist bereits in dem Zeitraum der möglichen Geltendmachung des Lösungsrechts das Eigentum daran zu gewähren. Genau hier unterscheidet sich die in dieser Untersuchung vorgeschlagene Sonderzuordnung in Form der Eigentümerprivilegierung aufgrund potenzieller ideeller Interessen oder einer öffentlichen Zwecksetzung von der französischen Variante der Sonderverteilung des Ausfallrisikos an den Eigentümer aufgrund einer besonderen Schutzwürdigkeit bestimmter Erwerbssituationen.

8

Zur entsprechenden Problematik des automatischen Eigentümerwechsels im französischen Recht bei Ablauf der Dreijahresfrist aus Art. 2276 Abs. 2 C.c. für abhanden gekommene Sachen vgl. oben S. 62 ff. Dies ist nicht zu verwechseln mit der generellen Nichtausübung des Lösungsrechts. Zwar stellt die Dreijahresfrist des Art. 2276 Abs. 2 C.c. praktisch auch die Frist für die Ausübung des französischen Lösungsrechts dar (denn anschließend wird der Erwerber sogar bei diesen Sachen Eigentümer und bedarf des Schutzes des Lösungsrechts aus Art. 2277 C.c. nicht mehr), die Nichtzahlung der Lösungssumme durch Verzicht des Erwerbers bzw. Unterlassen des Herausgabeverlangens des Eigentümers aufgrund des Anspruchs des Erwerbers auf Zahlung der Lösungssumme führt aber nicht zu einer Änderung der Eigentumszuweisung der Sache. 9 Vgl. § 2 des Regelungsvorschlags. Die Sache ist dabei in dem Zustand zu verkaufen, in dem sie sich befindet. Die Übernahme von Gewährleistungsrechten im Rahmen dieses Pflichtverkaufs kann dem Erwerber nicht zugemutet werden, § 2 Abs. 4 des Regelungsvorschlags.

4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel

381

B. Der Rückkaufspreis Im Weiteren bleibt für die Umsetzung die Frage nach dem Preis zu beantworten, zu dem der Eigentümer die Sache zurück erwerben kann. Im Wesentlichen ergeben sich hier zwei Möglichkeiten: Der Rückkaufspreis kann sich nach dem Vermögenseinsatz des Erwerbers (Kaufpreis) oder dem Vermögenseinsatz des Eigentümers (Wert der Sache) bemessen. Art. 2277 C.c. knüpft, wie gesehen, an den Kaufpreis des Erwerbers an.

I. Der Ansatz des halben Kaufpreises Teilweise wurde in der Vergangenheit der halbe Kaufpreis des Erwerbers als die vom Eigentümer zu zahlende Lösungssumme angesetzt.10 Unter anderem wurde für einen solchen Ansatz auf den Gesichtspunkt der Schadensteilung hingewiesen.11 Auch einige (teilweise) jüngere Stellungnahmen bezeichnen den Ansatz des halben Kaufpreises als sachgerechte Lösung.12 Für eine differenzierte (und gleichzeitig grundsätzlichere)13 Lösung tritt Armgardt ein, der einen quotalen Kaufpreis für sachgerecht hält.14 Die genaue Höhe des Kaufpreises (Quote vom ganzen Kaufpreis des Erwerbers) soll sich dabei nach den Verschuldensanteilen des Eigentümers und des Erwerbers richten. Ist keinem der beiden ein Vorwurf oder beiden ein gleich starker Verschuldensvorwurf zu machen, so kommt auch er zum halben Kaufpreis als Lösungssumme. Unterschiedliche Verschuldensantei10

Vgl. dazu bereits oben Teil 1, 1. Kapitel Fn. 65. Vgl. zur Diskussion über die Bestimmungen der Lex Baiuwariorum 9, 8 (7) im Zusammenhang mit der Lex Visigothorum 7, 2, 8 sowie zu den Fragen der Übersetzung mit halbem Preis oder halbem Wert, und ob es sich bei der Regelung um eine vorläufige eher prozessuale oder eine materielle Regelung handelt, Feenstra, FS Kisch, 237, 243 ff. insb. auch Fn. 34–36. Zu den Einzelheiten und zu weiteren Nachweisen betreffend das spanische Recht des 13. Jahrhunderts vgl. Feenstra, FS Kisch, 237, 247 ff., aktualisiert in Feenstra, Etudes dédiées à Hans Ankum, 87, 96 ff. Zum ältesten Stadtrecht von Schleswig (12. Jhdt.) vgl. Hinz, S. 37 und Völkl, S. 17 Fn. 9 u. S. 19 Fn. 18, sowie Feenstra, FS Kisch, 237, 247 Fn. 50 mit Hinweis auf Wiedergabe des Textes bei H. Meyer, S. 128. 11 Römer, S. 296, der allerdings nur bei gestohlenen Sachen die Schadensteilung befürwortet (im Übrigen spricht er sich für ein generelles Lösungsrecht zum Zeitwert aus) und zudem ein Abstellen auf den halben Zeitwert bevorzugt. Völkl, S. 75 (siehe dazu auch S. 17 Fn. 9). Dagegen wiederum Feenstra, Etudes dédiées à Hans Ankum, 87, 92 ff. 12 Stricker, S. 42 ff., Römer, S. 296 (halber Zeitwert bei gestohlenen Sachen); Neuner, JuS 2007, 401, 407 Fn. 103 unter Bezugnahme auf die älteren Literaturstimmen. 13 Armgardt sieht das quotale Lösungsrecht als mögliches allgemeines Modell, mit dessen Hilfe sich die existierenden Fälle (Vindikation, gutgläubiger Erwerb, Lösungsrecht zum vollen Kaufpreis) als Spezialfälle dieses allgemeinen Modells interpretieren ließen, ZEuP 2007, 1006, 1019. 14 Armgardt, ZEuP 2007, 1006, 1018 f.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

le der beiden Hauptprädententen sollen sich zu Lasten der jeweiligen Partei auswirken, entweder in Form einer erhöhten Lösungssumme (Verschuldensanteil des Eigentümers) oder einer reduzierten Lösungssumme (Verschuldensanteil des Erwerbers). Diese Ansätze können allerdings in der vorliegenden Konstellation nicht überzeugen. Zum einen geht es im hier vorgeschlagenen Rückkaufsrecht darum, die Sache aufgrund besonderer ideeller Interessen ausnahmsweise dem Eigentümer zuzuordnen, und gerade nicht um eine generelle Verteilung des Ausfallrisikos oder eine bloße Schadensteilung. Eine Lösungssumme bzw. ein Rückkaufspreis in Höhe eines hälftigen (oder auch quotalen) Kaufpreises würde aber gerade auch das Ausfallrisiko zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber (nicht zwingend hälftig) aufteilen und dieses teilweise dem Erwerber zuweisen. Dies ist in der hier vorliegenden Konstellation nicht gewollt. Zum anderen scheidet ein halber (quotaler) Kaufpreis aus ökonomischen Gründen aus, da er den Gesamtaufwand im System wesentlich vergrößert. Unabhängig von etwaigen sonstigen Schadenspositionen des Erwerbers (vgl. dazu sogleich unten) würde eine Aufteilung der Regressrisiken bzw. Schadenspositionen jedenfalls dazu führen, dass sowohl der Erwerber einen verbleibenden Rückerstattungs- oder Schadensersatzanspruch bei seinem Veräußerer verfolgen müsste, als auch der Eigentümer seinen verbleibenden Anspruch auf Erstattung und Schadensersatz bei seiner Kontaktperson (z.B. dem ersten Veräußerer)15 geltend machen müsste. Dies würde in jedem Fall des Erwerbs einer beweglichen Sache vom Nichtberechtigten sämtliche Rechtsbeziehungen in der betroffenen Dreioder Mehrpersonenkonstellation beeinträchtigen und damit den Verkehrsschutz mehr als erforderlich strapazieren.16

II. Kaufpreis vs. Marktwert Sieht man von der hälftigen Aufteilung der entsprechenden Summe ab, so kann sich ein Rückkaufspreis am vom Erwerber gezahlten Kaufpreis17 oder

15

Vgl. dazu oben S. 38 ff. Dies gilt insbesondere bei dem von Armgardt propagierten System, welches das quotale Lösungsrecht (nach Verschuldensanteilen) als Grundfall und die einseitigen Zuordnungen (Vindikation, gutgläubiger Eigentumserwerb) als Spezialfall davon begreift, ZEuP 2007, 1006, 1019. Unter dem reinen Blickwinkel der individuellen Interessen mag ein solches Konzept der Schadensteilung nach Verschuldensgesichtspunkten zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber einen gewissen Charme besitzen. Dieser geht allerdings zu Lasten der generellen Verkehrsinteressen. 17 Dies ist der Vermögenseinsatz des Erwerbers im Rahmen der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs; vgl. oben S. 133 f. 16

4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel

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am Marktwert der Sache18 orientieren. Klassischerweise wird die Lösungssumme anhand des vom Erwerber gezahlten Kaufpreises bestimmt, da der Schutz des Erwerbers durch den hingegebenen Gegenwert begründet, gleichzeitig aber dadurch auch begrenzt sei.19 So auch im französischen Recht, vgl. Art. 2277 C.c. Allerdings bezieht sich dies auf ein Lösungsrecht, das gerade an eine bestimmte Veräußerungssituation geknüpft ist. Dies ist hier nicht der Fall, so dass grundsätzlich auch ein Rückkaufspreis in Höhe des Sachwerts in Betracht kommt. Beide Ansatzpunkte haben allerdings ihre Schwächen. Nimmt man den Kaufpreis des Erwerbers als Ansatzpunkt, so entgeht diesem ein möglicher Gewinn, den er etwa aufgrund eines Einkaufspreises unter Wert erzielt hätte. Ein solcher Erwerb unter Wert kann auf verschiedenen Gründen beruhen, wie z.B. dem besonderen Verhandlungsgeschick des Erwerbers20 oder besonderen Rahmenvereinbarungen.21 Gleichermaßen würden etwaige zwischenzeitlich eingetretene Wertsteigerungen des Erwerbers durch einen Rückkaufspreis in Höhe des Erwerbspreises nicht kompensiert. Schließlich ergäben sich bei der Anknüpfung an den Kaufpreis Schwierigkeiten, wenn der Erwerber, der mit dem Rückkaufsverlangen des Eigentümers konfrontiert wird, die Sache unentgeltlich erworben hatte.22 Andererseits würde dem Eigentümer auf diese Weise ein niedrigerer Kaufpreis zugute kommen, sollte dieser – wie verschiedentlich angemerkt – gerade in der Veräußerung einer Sache durch einen Nichtberechtigten begründet sein. Nimmt man hingegen den Marktwert der Sache als Ansatzpunkt zur Bestimmung des Rückkaufspreises, ergeben sich ebenfalls problematische Aspekte. So würde zum Beispiel ein vom Erwerber für die Sache gezahlter Einkaufspreis, der über dem Wert der Sache liegt, bei diesem zu einem direkten Verlust führen (obwohl das Ausfallrisiko und damit das wirtschaftliche Risiko eigentlich beim Eigentümer liegen soll). Nicht zuletzt würde sich hier die Problematik der Bestimmung des Sachwerts ergeben. Gerade bei den hier betroffenen Sachen mit einer besonderen persönlichen Prägung ist dieser Sachwert unter Umständen schwierig zu bestimmen, da für solche Sachen häufig gerade kein Börsen- oder anderweitig leicht zu bestimmender Marktpreis existiert. Demnach müsste zur weiteren Bestimmung auf Sachverständigengutachten ausgewichen werden, die letztlich 18

Dies entspricht dem Vermögenseinsatz des Eigentümers im Rahmen der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs, vgl. oben S. 127 f. 19 Völkl, S. 16. 20 Vgl. Geyrhalter, S. 58. 21 Allerdings liegt dann nahe, dass der Erwerber sich eine Ersatzsache (soweit eine solche bei den hier betroffenen Gegenständen mit individueller Prägung existiert) ebenfalls unter Anwendung der entsprechenden Rahmenvereinbarung besorgen könnte. 22 Vgl. hierzu unten S. 390 ff.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

die Unsicherheit über die Wertbestimmung in den Beurteilungsspielraum des jeweiligen Sachverständigen stellen.23 Mit beachtlichen Gründen sieht Römer ein Lösungsrecht im Zusammenhang mit Affektionsinteressen in Höhe des Sachwerts als gerechtfertigt an, da auf diese Weise zum einen der volle Wertersatz beim Erwerber gewährleistet sei und zum anderen sichergestellt würde, dass der Eigentümer wirklich nur im Falle besonderer Affektion von seinem Lösungsrecht Gebrauch mache.24 Dennoch sprechen m.E. hier die besseren Gründe dafür, den Kaufpreis zur Bestimmung des Rückkaufspreises heranzuziehen. Dem Erwerber soll über den von ihm zu vereinnahmenden Rückkaufspreis das Ausfallrisiko für seine potenziellen Rückgriffsansprüche abgenommen werden. Die wirtschaftliche Dimension seines Ausfallrisikos besteht dabei vorrangig in Höhe seines Vermögenseinsatzes, also dem von ihm aufgebrachten Erwerbspreis. Dieser wird durch eine Anknüpfung des Rückkaufspreises an seinen Kaufpreis kompensiert, und zwar unabhängig davon, ob er die Sache über oder unter Wert gekauft hat, und unabhängig davon, ob zwischenzeitlich Wertsteigerungen oder Wertverluste stattgefunden haben. Diese Anknüpfung an den Kaufpreis ermöglicht zudem regelmäßig eine klarere Bestimmung des Rückkaufspreises, als die Anknüpfung an den Sachwert mit dem zusätzlichen Aufwand und den Unwägbarkeiten eines Sachverständigengutachtens. Weiterhin handelt es sich bei dem Erwerbsgeschäft des Erwerbers um das zeitlich jüngste Geschäft, das in Bezug auf die konkrete Sache abgeschlossen wurde, so dass bei üblichen Umständen davon auszugehen ist, dass dieser Erwerbspreis einem etwaigen Marktpreis (und damit auch dem Sachwert) nahe kommt. Soweit dem Erwerber möglicherweise weitere wirtschaftliche Nachteile in Form eines entgangenen Gewinns (niedriger Einkaufspreis, zwischenzeitliche Wertsteigerungen) verbleiben, ist dies vom Erwerber hinzunehmen. Das Rückkaufsrecht gründet sich auf das besondere Affektionsinteresse des Eigentümers und den dadurch entstehenden Ausschlag zugunsten des Eigentümers im Rahmen des individuellen Interessenvergleichs. Angesichts der begrenzten Fallgruppen, in denen ein solches Rückkaufsrecht überhaupt besteht, sind wirtschaftliche Nachteile für die Erwerber insgesamt (und damit für den Verkehrsschutz) quantitativ selten zu erwarten. Dem Erwerber wird sein Ausfallrisiko zumindest zum Großteil abgenommen. Für die Kompensation sonstiger Vermögensnachteile bleibt ihm die 23

Grundsätzlich kämen auch noch weitere Varianten und Kombinationen der Ansätze des Kaufpreises und des Werts in Betracht. So könnte der Rückkaufspreis nach dem Wert bestimmt werden, aber mit dem Erwerbspreis des Erwerbers als Untergrenze; oder umgekehrt nach dem Erwerbspreis der Sache, aber nicht unter dem Wert der Sache. Weiterhin wäre an Wahlrechte des Erwerbers (oder des Eigentümers) zu denken. All dies würde die Regelung in ihrer Komplexität aber noch vergrößern. 24 Römer, S. 293.

4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel

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Möglichkeit, einen Ausgleich auf der Basis seines Kausalgeschäfts mit dem Veräußerer zu suchen. Abhängig von der Ausgestaltung des Kausalgeschäfts kann sich daraus ein entsprechender Anspruch des Erwerbers aufgrund der Übereignung der mit dem Rückkaufsrecht belasteten Sache ergeben. Dies würde im Ergebnis zwar wieder zu einer Belastung des Kausalverhältnisses zwischen dem Erwerber und seinem Veräußerer führen, obwohl eine Verortung des Ausfallrisikos beim Eigentümer beabsichtigt war. Ganz wird sich dies aber nicht vermeiden lassen. Im Übrigen lassen sich aus Wertsteigerungen resultierende verbleibende Nachteile dadurch verringern, dass man den Zeitraum des Rückkaufsrechts angemessen begrenzt (vgl. dazu sogleich unten). Letztlich wiegt ein möglicher entgangener Gewinn des Erwerbers aufgrund des Erwerbs der Sache unter Wert oder aufgrund von Wertsteigerungen weniger schwer, als der potenzielle direkte Verlust, der sich bei der Anknüpfung des Rückkaufspreises an den Sachwert im Falle eines Erwerbs der Sache durch den Erwerber mit einem Kaufpreis über dem Wert der Sache ergeben hätte.25

C. Aspekte des Zeitablaufs Die zeitliche Komponente ist für die Auflösung der Konstellation des gutgläubigen Erwerbs, wie gesehen, aus verschiedenen Gründen von besonderer Bedeutung.26 Dies betrifft zum einen die Verschiebung der Interessensbewertung bei fortschreitendem Zeitablauf und zum anderen die zeitliche Ausgestaltung eines Rückkaufsrechts.

I. Zeitliche Beschränkung des Rechts Die nachfolgend zu berücksichtigenden Aspekte betreffen einerseits das Rückkaufsrecht im Allgemeinen und andererseits einzelne der identifizierten Sachkategorien in unterschiedlichem Maße. 1. Grundsätzliches zur zeitlichen Beschränkung des Rückkaufsrechts Das Rückkaufsrecht soll insbesondere den persönlichen Interessen des Eigentümers Rechnung tragen, welche die dadurch bewirkte Einschränkung des Verkehrsschutzes rechtfertigen. In seiner Konzeption ist das Rückkaufsrecht grundsätzlich dauerhaft, da es direkt der Sache und nicht dem jeweiligen Veräußerungsvorgang anhaftet. Jeder Veräußerungsvorgang einer 25

Zur Anknüpfung an den Erwerbspreis bei unentgeltlichem Erwerb der Sache durch den Rückkaufsverpflichteten vgl. unten S. 394 ff. 26 Vgl. oben S. 240 ff.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Veräußerungskette läuft somit Gefahr, mit Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen belastet zu werden, wenn der Eigentümer seine Sache vom jeweiligen Erwerber herausverlangt.27 Gleichzeitig verändert sich mit der Zeit jedoch die dem Rückkaufsrecht zugrunde liegende Interessenbewertung. Im Laufe der Zeit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Erwerber seinerseits eine persönliche Bindung zu der Sache aufbaut oder diese stärker in seine betrieblichen Prozesse einbaut. Die obigen Erörterungen haben zudem gezeigt, dass die Bestimmung des Rückkaufspreises anhand des Kaufpreises dann zu einem Ungleichgewicht zu Lasten des Erwerbers führt, wenn die Sache im Laufe der Zeit an Wert gewinnt. Selbst wenn der Kaufpreis des Erwerbers zum Zeitpunkt des Kaufs dem Sachwert entspricht und dieser Sachwert im Weiteren unverändert bleibt, ergibt sich schon aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung eine Belastung des Erwerbers. Schließlich wird die Abwicklung der Nutzungs- und Verwendungsersatzansprüche komplexer, je länger der Erwerber vor dem Rückkauf rechtlicher Eigentümer der Sache war. Diese problematischen Elemente bei der Bestimmung des Rückkaufspreises verstärken sich im Zeitablauf. Die inflationsbedingte Veränderung des Rückkaufspreises kann noch vergleichsweise einfach, durch eine inflationsbereinigende Anpassung des Rückkaufspreises in den Griff bekommen werden (vgl. hierzu § 2 Abs. 4 des Regelungsvorschlags). Die weiteren zeitablaufssensitiven Aspekte bleiben jedoch bestehen, so dass es im Grundsatz einer zeitlichen Einschränkung des Rückkaufsrechts bedarf, die sich ab dem Zeitpunkt des Verlusts der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft bemisst.28 2. Sonderaspekte zu den einzelnen Sachen Für jene Sachkategorien, bei denen bereits anhand der Regelkriterien ein Rückkaufsrecht angemessen erscheint, ist der Zeitfaktor von unterschiedlicher Bedeutung.29 So können insbesondere bei Kunstwerken, Antiquitäten und Schmuck längere zeitliche Dimensionen zu berücksichtigen sein, als bspw. bei Haustieren. Der Regelungsvorschlag enthält daher eine abgestuf27 Vgl. zur ähnlichen Problematik aufgrund der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen oben S. 215 ff. und 326 ff. 28 Eine Frist, deren Lauf erst mit Kenntnis des Eigentümers vom Erwerber beginnt, würde den hier aufgezeigten Aspekten nicht ausreichend Rechnung tragen. Der Verlust der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft mag in Einzelfällen schwierig zu bestimmen sein, so z.B. im deutschen Recht in Fällen, in denen ein unmittelbarer Fremdbesitzer sich zum Eigenbesitzer aufschwingt und die Sache veräußert. Lässt sich hier nicht anhand der sonstigen Anhaltspunkte der Verlust der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft feststellen, so tritt dies jedenfalls dann ein, wenn der unmittelbare Besitzer die Sache in eigenem Namen veräußert. 29 Vgl. oben S. 359 f. und allgemein zur Bedeutung des Zeitablaufs oben S. 240 ff.

4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel

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te Berücksichtigung des Zeitelements. Dabei sind die bereits identifizierten Kriterien erneut zu würdigen. Wie hoch ist die Umschlagsgeschwindigkeit, wie und wie schnell verändert sich der Wert im Laufe der Zeit, wie verändern sich persönliche Bindungen mit der Zeit und welche Unterhaltsaufwendungen, sonstige Verwendungen oder Nutzungen fallen an. Je höher die Umschlagsgeschwindigkeit, je schneller die Wertveränderung und die Veränderung der persönlichen Bindungen und je höher die Verwendungen und Nutzungen des Erwerbers, in anderen Worten, je schneller sich der Charakter der Sache mit der Zeit ändert, desto kürzer ist der mögliche Ausübungszeitraum des Rückkaufsrechts zu bemessen. Bei Kunstwerken, Antiquitäten und Schmuck ist der Ausübungszeitraum aufgrund dieser Kriterien jedenfalls an der oberen Schwelle anzusetzen. Unter Berücksichtigung der durch das Rückkaufsrecht bewirkten Einschränkung des Verkehrsschutzes und um einen Anreiz für den Eigentümer zu schaffen, die Sachverfolgung intensiv zu betreiben, scheint hier ein maximaler Zeitraum von fünf Jahren angemessen. Am unteren Rand des zeitlichen Faktors sind bspw. Haustiere zu nennen. Zum einen kann sich bei dieser Sachkategorie naturgemäß vergleichsweise schnell eine besondere persönliche Bindung des Erwerbers einstellen. Zudem ist auch der besondere Charakter der „Sache“ Tier zu berücksichtigten. Es handelt sich um ein Lebewesen, das – anders als sonstige Sachen – im Laufe der Zeit seinerseits eine Bindung zum jeweiligen Sachinhaber aufbauen kann. Daraus ergibt sich auch, dass die „Verfügbarkeit“ der Sache im Lebensalter des Haustieres von vornherein begrenzt ist. Schließlich fallen für den Erwerber laufend Unterhaltskosten an. Hier erscheint daher ein Ausübungszeitraum für das Rückkaufsrecht von einem Jahr angemessen.

II. Frist zur Ausübung des Rückkaufsrechts Sind die Umstände einmal aufgedeckt und der Rückkaufsschuldner dem (ursprünglichen) Eigentümer bekannt, so gebieten es die Interessen des rückkaufsverpflichteten Erwerbers, ein weiteres Zuwarten zu minimieren Es kann dem Erwerber hier nicht zugemutet werden, das Auslaufen der absoluten Rückkaufsfrist abzuwarten und in dieser Zeit weitere Verwendungen und das Wertveränderungsrisiko zu tragen. Sollte der Eigentümer sein Rückkaufsrecht ausüben, so muss der Erwerber seinerseits eine Ersatzsache besorgen und ggfs. Ansprüche gegen seinen Veräußerer geltend machen. Nicht zuletzt wäre ein länger andauernder Unsicherheitszustand aus ökonomischer Sicht nicht wünschenswert, könnte eine solche Unsicherheit angesichts des entstehenden Zuständigkeits- und Verantwortlichkeitsvakuums doch in dem Verfall und damit dem gesamtwirtschaftlichen Verlust der Sache enden.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

Auf der anderen Seite ist dem Eigentümer ein Zeitraum zu gewähren, in dem er auf der Grundlage der nun bekannten wirtschaftlichen Parameter (Rückkaufspreis, Zustand der Sache) eine Entscheidung abwägen kann. Insgesamt erscheint demnach ein Zeitraum von drei Monaten angemessen zu sein (vgl. § 2 Abs. 6 S. 1 des Regelungsvorschlags). Im Gegenzug mag in Einzelfällen ein Bedürfnis des Erwerbers in Betracht kommen, noch schneller über den weiteren Verbleib Bescheid zu wissen. So z.B. bei Haustieren, Sachen mit starken Wertschwankungen oder seltenen Sachen. Der Regelungsvorschlag sieht daher in § 2 Abs. 6 S. 4 ein Recht des Erwerbers vor, die Entscheidungsfrist des Eigentümers in besonderen Umständen zu verkürzen.30

D. Weitere Regelungsaspekte Die Umsetzung der hier vorgeschlagenen Interessensverteilung führt zu weiteren Fragen, die einer Regelung bedürfen. Entscheidend ist dabei, dass der Erwerber ganz überwiegend von dem bestehenden Rückkaufsrecht keine Kenntnis haben wird.31 Entsprechend wird der Eigentümer die Sache wie seine eigene behandeln, was auch bedeutet, dass er zumindest bis zur Kenntnis des Rückkaufsrechts des Eigentümers mit der Sache nach seinem Belieben verfahren kann und nicht zum Erhalt der Sache in ihrem ursprünglichen Zustand verpflichtet ist. Folglich kann nur ein Verkauf der Sache in ihrem jetzigen Zustand in Betracht kommen unter Ausschluss sämtlicher Gewährleistungsrechte.

30 Der Ablauf lehnt sich (im weitesten Sinne) an den bei § 264 Abs. 2 BGB und § 109 Abs. 2 InsO verwendeten Mechanismus an. Insbesondere § 264 Abs. 2 BGB kann direkt keine Anwendung finden, da dieser ein Wahlrecht des Schuldner zwischen zwei geschuldeten Leistungen im vertraglichen Bereich regelt, wohingegen hier einseitig dem Eigentümer ein Recht aus sachenrechtlichen Vorgängen gegen einen gutgläubigen Erwerber eingeräumt wird, ohne dass zuvor eine schuldrechtliche Beziehung des Eigentümers zum Erwerber bestand. 31 Entweder hat er selbst vom Nichtberechtigten erworben, was seine Gutgläubigkeit voraussetzt, oder er hat seinerseits von einem gutgläubigen Erwerber erworben. Lediglich in den Fällen, in denen der Erwerber im Rahmen einer Veräußerungskette zwar von einem gutgläubigen (und als Berechtiger handelnden) Veräußerer erwirbt, seinerseits aber die ursprüngliche Veräußerung als Nichtberechtigter kennt, könnte er auch das Rückkaufsrecht des Eigentümers kennen. Dieser Sonderfall kann über die existierenden Rechtsinstitute, insbesondere unter Hinzuziehung des Gedankens von Treu und Glauben, in den Griff bekommen werden. Eine gleiche Problematik ergibt sich auch schon im geltenden Recht bspw. bei einem geplanten „Hin und Her“, bei dem die Rechtsprechung auch im Großen und Ganzen zufriedenstellende Lösungen entwickelt hat, vgl. MüKo/ Quack, § 932 Rdnr. 67 und Palandt/Bassenge, § 932 Rdnr. 17.

4. Kapitel: Das Rückkaufsrecht als geeignetes Mittel

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Weiterhin bedarf es einer Regelung zum Ausgleich der zwischenzeitlich vorgenommenen Verwendungen und Nutzungen des Erwerbers. Eine eingehende Untersuchung dieser eigenständigen Problematik würde hier zu weit gehen. Eine Regelung könnte sich aber an vergleichbare Konstellationen anlehnen, in denen ein Sachinhaber nach einer bestimmten Zeit eigener Sachverantwortlichkeit unerwartet zur Herausgabe der Sache an einen Dritten gezwungen ist. Als Vorbild könnten hier die Regelungen zur Nutzungsziehung und zum Verwendungsersatz eines redlichen Besitzers im Rahmen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§ 987 ff., 994 ff. BGB) dienen. Diese Aspekte sind im Regelungsvorschlag in § 2 Abs. 7 adressiert.

5. Kapitel

Die Sonderfragen beim unentgeltlichen Erwerb 5. Kapitel: Die Sonderfragen beim unentgeltlichen Erwerb

Eine gesonderte Betrachtung ist erneut beim unentgeltlichen Eigentumserwerb erforderlich, da auch bei den Fragen der Zuweisung des Ausfallrisikos und der sachgerechten Zuordnung der Sache einige der zuvor genannten Punkte nicht in gleichem Maße ihre Berechtigung haben. 1 Generell und besonders für den hier vorgeschlagenen Lösungsweg sind dabei zwei Konstellationen zu unterscheiden: Der unentgeltliche Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten selbst (A.) und der unentgeltliche Eigentumserwerb einer Sache vom Berechtigten, der oder dessen Vorveräußerer die fragliche Sache im Wege des gutgläubigen Erwerbs erworben hatte (B.).

A. Der unentgeltliche Erwerb vom Nichtberechtigten Zunächst ist die Situation zu betrachten, dass der Erwerber eine Sache unentgeltlich von einem Nichtberechtigten erwerben möchte. Wie oben gesehen, sieht das aktuelle deutsche Recht hier zunächst ebenfalls einen Eigentumserwerb des Erwerbers vor, der jedoch nicht kondiktionsfest ist. Nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Erwerber schuldrechtlich zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet, also zur Rückübereignung der Sache. Ist die Sache nicht mehr beim Erwerber vorhanden, so ergibt sich eine Ausgleichspflicht aus § 818 Abs. 3 BGB.2 Das französische Recht, das nur auf die Erlangung der possession auf Erwerberseite abstellt, differenziert nicht zwischen einem entgeltlichen und einem unentgeltlichen Erwerb. Das Lösungsrecht nach Art. 2277 C.c. kann allerdings tatbestandlich schon nicht eingreifen, da die Erwerbssituationen des Art. 2277 C.c. Entgeltlichkeit voraussetzen.3 1

Allgemein zum Steuerungsparameter der Entgeltlichkeit des Erwerbsgeschäfts vgl. oben S. 206 ff. 2 Ausnahmsweise kommt es hier also auch bei einem erfolgreichen Eigentumserwerb zu einer schuldrechtlichen Beziehung zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber, wenngleich diese in erster Linie auf die Rückübereignung der Sache und erst in zweiter Linie auf eine schuldrechtliche Ausgleichsleistung gerichtet ist. 3 Der DCFR sieht nur beim entgeltlichen Erwerb einen gutgläubigen Erwerb vor; vgl. DCFR-Volume 5, Art. VIII.-3:101 (1) (c).

5. Kapitel: Die Sonderfragen beim unentgeltlichen Erwerb

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I. Die Verteilung des Ausfallrisikos Beim unentgeltlichen Erwerb verschiebt sich die Interessens- und Risikobetrachtung nicht unerheblich. Der Erwerber erbringt in diesem Fall keinen Vermögenseinsatz. Beim Eigentümer ist die Situation hingegen unverändert. Sein Vermögenseinsatz besteht im Wert der Sache, und sein potenzieller Ausgleichsanspruch bestimmt sich nach dem Kausalverhältnis zwischen ihm und dem Veräußerer.4 Damit verschiebt sich auf individueller Ebene bereits der Interessenvergleich, denn dem Vermögenseinsatz des Eigentümers (Wert der Sache) steht kein Vermögenseinsatz des Erwerbers gegenüber. Aufgrund dessen fehlen dem Erwerber in dieser Konstellation auch regelmäßig Rückgriffsansprüche gegen seinen Veräußerer,5 zumindest solche, die auf Rückerlangung seines Vermögenseinsatzes gerichtet sind. Demzufolge besteht mangels Anspruchs auch kein Ausfallrisiko hinsichtlich der erfolgreichen Geltendmachung eines Rückgriffsanspruchs. Geht es nun also darum, das Ausfallrisiko zwischen Eigentümer und Erwerber zu verteilen, so führen sowohl der individuelle Interessenvergleich als auch die Rechtsfolgenbetrachtung zu einer Zuweisung des Ausfallrisikos an den Erwerber.6 Bestätigt wird dieses Ergebnis durch zwei weitere Aspekte. Zum einen führt auf Seite des generellen Interessenvergleichs der Verkehrsschutz regelmäßig zum Ausschlag zugunsten eines Erwerberschutzes. Der unent4

Vgl. zu den grundsätzlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten oben S. 19 ff. Wenngleich schuldrechtliche Ansprüche zwischen dem unentgeltlich Erwerbenden und seinem Veräußerer auch in einem solchen Fall nicht gänzlich ausscheiden. Am Beispiel des deutschen Schenkungsrechts würde Folgendes gelten: Der Schenker muss grundsätzlich nur das leisten, was er selbst hat. Einen Mangel seiner Berechtigung muss er nicht beseitigen (vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/1, § 47 II (S. 203)). Anders ist dies nach § 523 Abs. 1 BGB nur, wenn er den Rechtsmangel arglistig verschwiegen hat. Dann ist er zum Schadensersatz in Höhe des negativen Interesses verpflichtet. Hatte der Schenker allerdings formwirksam (vgl. § 518 Abs. 1 S. 1 BGB) einen Gegenstand versprochen, den er erst erwerben sollte, so bleibt er zunächst grundsätzlich weiter zur Leistung verpflichtet (die Details sind hier umstritten, vgl. MüKo/J.Koch, § 523 Rdnr. 5.) und ist nach den entsprechend anwendbaren Vorschriften des Kaufrechts zum Schadensersatz statt der Leistung verpflichtet, wenn dem Schenker der Rechtsmangel bei Erwerb des Gegenstands bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war (§ 523 Abs. 2 BGB unter Verwendung der vor der Schuldrechtsmodernisierung gebräuchlichen Terminologie „Schadensersatz wegen Nichterfüllung“). Auch in den Rechtsfolgen innerhalb des Schenkungsrechts, die unter Umständen eine Rückforderung durch den Schenker ermöglichen, vgl. §§ 528, 530 BGB, kommt – wie auch bei dem Regelungskomplex des gutgläubigen Erwerbs (§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB) – die schwächere Position des Beschenkten zum Ausdruck, der nicht in vollem Umfang auf den Bestand des Rechtsgeschäfts Vertrauen darf (MüKo/J.Koch, § 516 Rdnr. 4.). 6 Im Ergebnis liegt dadurch bei ihm kein Verlust von Vermögen vor, sondern es bleibt lediglich die Vermögensmehrung aus. 5

392

Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

geltliche Verkehr ist aber schon aufgrund seiner gesamtwirtschaftlichen Bedeutung nicht in gleichem Maße schützenswert wie der entgeltliche Verkehr.7 Weiterhin nimmt das Gutgläubigkeitskriterium eine tragende Rolle im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs generell und im Rahmen des geschützten redlichen Verkehrs im Besonderen wahr. In Folge der Notwendigkeit eigener Gutgläubigkeit ist ein Erwerber gezwungen, zur Absicherung seines Vermögenseinsatzes eine der Situation angemessene Sorgfalt hinsichtlich der Überprüfung der Berechtigung seines Veräußerers an den Tag zu legen. Auch hier wird ein unentgeltlicher Erwerber aufgrund des fehlenden wirtschaftlichen Risikos nur wenig Anreiz haben, eine besondere Sorgfalt an den Tag zu legen. Angesichts der verbleibenden prozessualen Schwierigkeiten des Nachweises der Bösgläubigkeit und der unter Umständen im Einzelfall schwierig zu begründenden Nachforschungsobliegenheiten lässt sich diese Problematik auch nicht in jedem Fall über eine simple Verneinung der Gutgläubigkeit des Erwerbers lösen.

II. Die Zuordnung der Sache Bei der Zuordnung der Sache ergibt sich bei einem unentgeltlichen Erwerb ebenfalls eine gegenüber dem entgeltlichen Erwerb veränderte Situation. Wie oben erläutert, gibt auch bei der Zuordnung der Sache der Verkehrschutz den entscheidenden Ausschlag zugunsten des Erwerbers. Eine Eigentumszuweisung an den Eigentümer führt zu Störungen im Verkehr, so dass er auf Sonderfälle zu beschränken ist.8 Beim unentgeltlichen Erwerb kann der Verkehrsschutz nicht für eine Zuordnung zum Eigentümer sprechen, da der unentgeltliche Verkehr weder volkswirtschaftlich bedeutend noch zu Lasten der Eigentümerinteressen besonders schützenswert ist. Es fehlt hier somit sowohl auf individueller wie auf genereller Ebene an einem Zuordnungsgrund für den Erwerber. Das Eigentum an der Sache ist dem Eigentümer zuzuweisen.

7 Unter der Perspektive der ökonomischen Theorie des Rechts wird zudem darauf hingewiesen, dass unter ökonomischen Gesichtspunkten bei unentgeltlichen Verfügungen keine Auswirkungen auf die Allokationseffizienz zu erwarten seien und es daher ökonomisch irrelevant sei, ob auf Seiten des Erwerbers Transaktionskosten für die Prüfung der Berechtigung des Veräußerers anfallen Leuschner, AcP 205 (2005), 205, 242. Demnach besteht auch aus dieser Sicht kein Hinderungsgrund, den unentgeltlichen gutgläubigen Erwerb auszuschließen und dem Erwerber damit solche Transaktionskosten in Form der Informationskosten aufzuerlegen. 8 Vgl hierzu oben S. 349 f.

5. Kapitel: Die Sonderfragen beim unentgeltlichen Erwerb

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III. Zwischenergebnis Somit ist das Ausfallrisiko beim Erwerber zu verorten und dem Eigentümer die Sache zuzuweisen. Für die Umsetzung dieses Ergebnisses bieten sich zwei Alternativen an. Zum einen der direkte Weg über eine Versagung des Eigentumserwerbs des unentgeltlichen (gutgläubigen) Erwerbers oder die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung, wie sie im aktuellen deutschen Recht vorgesehen ist. Ein Unterschied ergibt sich hier vor allem für einen Zweiterwerber. Bei der ersten Alternative würde dieser Vorgang eine Übereignung vom Nichtberechtigten darstellen, so dass der Zweiterwerber die entsprechenden objektiven (Übergang der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft) und subjektiven (Gutgläubigkeit) Voraussetzungen erfüllen müsste. Bei der zweiten Alternative würde beim Zweiterwerb ein Erwerb vom Berechtigten stattfinden, bei dem es auf die Tatbestandsvoraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs nicht mehr ankäme. Beide Alternativen sind ein gangbarer Weg und entsprechend finden beide Alternativen auch ihre Befürworter in der Literatur.9 Die Umsetzung der hier befürworteten Zuordnung der Sache an den Eigentümer erfolgt am direktesten über die sachenrechtliche Lösung. Dies führt zudem zu einer stärkeren Rechtsposition des Eigentümers, bspw. im Falle der Insolvenz des Erwerbers. Eine indirekte schuldrechtliche Lösung ist nicht erforderlich. Insbesondere streitet auch ein etwaiger Schutz der Zweiterwerber nicht überzeugend für die schuldrechtliche Lösung. Ein Zweiterwerber wird durch die Möglichkeit eines eigenen gutgläubigen Erwerbs ausreichend geschützt, wenn der Erwerbsvorgang die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt. Der Regelungsvorschlag sieht deshalb vor, dass bei einem unentgeltlichen Geschäft bereits der Eigentumserwerb ausgeschlossen ist (§ 1 Abs. 4 des Regelungsvorschlags).

9

Siehe hierzu bereits oben S. 206 ff. Schon 1940 forderte Brandt, S. 262, bei einer Reform des gutgläubigen Erwerbs die Unterscheidung zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Verkehr nicht nur auf der bereicherungsrechtlichen Ebene (§ 816 Abs. 1 2 BGB) zu treffen, sondern, sie wieder an der „richtigen“ Stelle zu treffen und einen gutgläubigen Erwerb des Beschenkten bereits auf sachenrechtlicher Ebene auszuschließen. Andere sehen die bereicherungsrechtliche Lösung des BGB zum unentgeltlichen Erwerb aufgrund einer Verfassungswidrigkeit sogar außerhalb des Gestaltungsspielraums des Privatrechtsgesetzgebers. So kommt Hager (Verkehrsschutz, S. 459) im Rahmen seiner Kollisionslösung zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Erwerbers im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs niedriger zu bewerten sei und damit eine Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 14 GG ausscheide. Auch Peters (S. 117 f.) und Leuschner (AcP 205 (2005), 205, 242) kommen zum Ergebnis der Verfassungswidrigkeit eines unentgeltlichen gutgläubigen Eigentumserwerbs. Auf der anderen Seite befürwortet Neuner (JuS 2007, 401, 402) aufgrund des Schutzes der Zweiterwerber die bereicherungsrechtliche Lösung.

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Teil 3: Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuordnung der Sache

B. Der unentgeltliche Erwerb einer mit einem Rückkaufsrecht belasteten Sache von einem Dritten Ein unentgeltlicher gutgläubiger Ersterwerb findet demnach nicht statt. Aber auch der unentgeltliche Zweiterwerb einer vormals von einem Nichtberechtigten erworbenen Sache wirft für die hier vorgeschlagene Lösung Fragen auf.

I. Ausgangslage Die hier vorgeschlagene Lösung kann in den aufgeführten Fallkonstellationen zu der Belastung der Sache mit einem Rückkaufsrecht führen. Diese Belastung wird auch durch weitere Veräußerungen und Eigentumserwerbsvorgänge der fraglichen Sache nicht aufgehoben, sondern erlischt erst mit Zeitablauf (oder aufgrund eines zwischenzeitlichen gesetzlichen Eigentumserwerbs). Wird eine solche Sache unentgeltlich von einem Zweiterwerber erworben, handelt es sich zwar um einen Erwerb vom Berechtigten, das Rückkaufsrecht besteht aber fort. Da der Rückkaufspreis sich grundsätzlich nach dem Erwerbspreis bestimmt, ist der Rückkaufspreis in einem solchen Fall eigentlich Null, es sei denn die Grundregelung wäre für diesen Fall zu modifizieren.

II. Die Berücksichtigung des gutgläubigen Vorerwerbers Für den Rückkaufspreis von „Null“ könnte wiederum sprechen, dass der Zweiterwerber keinen Vermögenseinsatz erbringt und somit kein ursprünglich vorhandenes Vermögen verlieren würde. Es bliebe lediglich eine Vermögensmehrung aus. Die Situation des unentgeltlichen Zweiterwerbs unterscheidet sich allerdings grundlegend von der Situation des gutgläubigen Ersterwerbs. Nachdem es sich um einen Erwerb vom Berechtigten handelt, spielt die für den gutgläubigen Erwerb typische Interessenkollision der individuellen und generellen Interessen keine bedeutende Rolle mehr. Der mit der Regelung des gutgläubigen Erwerbs vorgenommene Interessenvergleich ist – mit Ausnahme der Belastung der Sache mit dem Rückkaufsrecht – mit dem Eigentumserwerb des Ersterwerbers beendet. Hat dieser das Eigentum erworben, so ergab die entsprechende Interessenbewertung einen Ausschlag zu seinen Gunsten. Würde man nun aufgrund des unentgeltlichen Zweiterwerbs die Sache dem Zweiterwerber kompensationslos entziehen, so würde man damit auch rückwirkend in den abgeschlossenen Ersterwerbsvorgang eingreifen. Letztlich wäre dadurch der Vermögenseinsatz des Ersterwerbers, den dieser im Wege der unentgeltlichen Verfügung dem Zweiterwer-

5. Kapitel: Die Sonderfragen beim unentgeltlichen Erwerb

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ber zugute kommen lassen wollte, nachträglich verloren, obwohl er selbst nicht unentgeltlich gehandelt hat. Es ist also beim unentgeltlichen Zweiterwerb einer mit einem Rückkaufsrecht belasteten Sache der Vermögenseinsatz des gutgläubigen Ersterwerbers mit zu berücksichtigen. Der Zweiterwerber nimmt zwar dinglich die Rechtsposition des rückkaufsverpflichteten aktuellen Eigentümers ein, wirtschaftlich setzt er jedoch die Aufwendungen seines Veräußerers fort. Daher ist der Rückkaufspreis bei einem unentgeltlichen Zweitwerber nach den Erwerbsaufwendungen seines Voreigentümers zu bestimmen.10 Liegt der unentgeltlichen Verfügung bspw. eine Schenkung zugrunde so ist der an den Beschenkten zu zahlende Rückkaufspreis, der Preis, den der Schenker zum Erwerb der Sache aufgebracht hat. Dies setzt die beim Erwerb des Schenkers getroffene Interessenbewertung fort. Gleiches hat für sonstige Fälle des unentgeltlichen Erwerbs (z.B. im Rahmen eines Erbfalls11) oder der Gesamtrechtsnachfolge (z.B. gesellschaftsrechtliche Umwandlung) zu gelten. Eine entsprechende Regelung enthält § 2 Abs. 5 des Regelungsvorschlags.

10 Vgl. im deutschen Recht in dieser Hinsicht auch den Rechtsgedanken des § 999 BGB. Dies ist im Übrigen die Lösung des schwedischen Rechts, vgl. Art. 6 Lag om godtrosförvärv av lösöre; siehe zum schwedischen Recht auch oben Teil 3, 2. Kapitel Fn. 122 und 123 und Teil 3, 4. Kapitel Fn. 2. 11 Für den Erben ergibt sich der vollständige Eintritt des Erben in die Rechtsverhältnisse des Erblassers im deutschen Recht schon aus § 1922 BGB. Bereits beim Vermächtnis bedarf es aber einer Klarstellung, dass für den Rückkaufspreis auf den entsprechenden Anspruch des Erblassers abzustellen ist und nicht auf den unentgeltlichen Erwerb des Vermächtnisnehmers selbst. Dies würde dem Übergang von Sachmängelgewährleistungsrechten entsprechen, die nach § 2164 Abs. 2 BGB im Vermächtnis einbezogen sind (vgl. u.a. Palandt/Weidlich, § 2164 Rdnr. 3).

Schluss Schluss Schluss

A. Ergebnis Diese Untersuchung widmet sich mit dem gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten einem klassischen Thema des Zivilrechts. Im Rahmen des fortschreitenden europäischen Rechtsangleichungsprozesses werden grundlegende zivilrechtliche Fragen neu zu lösen sein, wobei der rechtsvergleichenden Methode schon aufgrund der beabsichtigten Rechtsangleichung besondere Bedeutung zukommt. Der Blick auf das existierende französische und deutsche Recht zeigt, dass die zugrunde liegende Ordnungsaufgabe zwar mit vergleichbaren Steuerungselementen, aber aufgrund unterschiedlicher Kombinationen dieser Steuerungselemente im Detail unterschiedlich gelöst wird. Die Analyse dieser Lösungsansätze führt im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu einem Regelungsvorschlag, der die Elemente der nationalen Lösungen aufgreift und vor dem Hintergrund der heutigen Gesellschafts- und Lebensumstände teilweise neu bewertet und kombiniert.1

I. Die Steuerung der Ordnungsaufgabe des Ausgleichs des dem gutgläubigen Erwerb zugrunde liegenden Anspruchsgeflechts aus der Mehrpersonenkonstellation Dem gutgläubigen Erwerb liegt eine im Kern aus dem Eigentümer, dem Veräußerer und dem Erwerber bestehende Mehrpersonenkonstellation zugrunde, in der sich sachen- und schuldrechtliche Ansprüche in vielfältiger Weise überlagern und ergänzen. Auch wenn die Regelung zum gutgläubigen Erwerb weithin primär als sachenrechtliche Regelung begriffen wird und mit der Eigentumszuweisung der in Rede stehenden Sache die Ordnungsaufgabe auch primär sachenrechtlich angeht, sind die sich aus der sachenrechtlichen Zuweisung ergebenden schuldrechtlichen Konsequenzen 1

Wobei anzumerken ist, dass ähnliche Ergebnisse (Vorschläge) bei früheren Untersuchungen (teilweise) auf der Basis anderer methodischer Ausgangslagen erzielt wurden (vgl. insbesondere die auf S. 310 ff. geschilderten Ansätze von Heck, von Lübtow und Römer (dieser auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Untersuchung des deutschen und französischen Rechts)).

398

Schluss

maßgeblich zu berücksichtigen. Das Problem der sachenrechtlichen Lösung liegt dabei insbesondere in der daraus folgenden quasi-automatischen Regelung der schuldrechtlichen Situation. Auf der schuldrechtlichen Seite geht es beim gutgläubigen Erwerb insbesondere um die Verteilung des Risikos der Nichtrealisierbarkeit schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche gegen den (oder die) Veräußerer zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber. Die Untersuchung der zur Verfügung stehenden Rechtsinstitute zeigt, dass bei der Auflösung der Ordnungsaufgabe heute besonders das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs von Bedeutung ist. Der Ersitzung, die im römischen Recht den Kern der Regelung darstellte, und erst recht der Verjährung kommt dagegen nur eine ergänzende Bedeutung zu. Der gutgläubige Erwerb beruht im französischen Recht auf einer sehr rudimentären Regelung, in der sich mit dem Lösungsrecht allerdings ein Instrument findet, das den Automatismus zwischen sachenrechtlicher Sachzuordnung und wirtschaftlichem Ausgleichsrisiko durchbricht und dadurch eine differenziertere Ausgestaltung des Interessenausgleichs ermöglicht, als dies bspw. im deutschen Recht der Fall ist. Trotz dieser im Ansatz tauglichen Grundlage zur ausdifferenzierten Interessenbetrachtung ergibt sich in der Rechtsanwendung der französischen Regelung kein völlig stimmiges Gesamtsystem. Die Anwendung des Rechts führt in bestimmten Konstellationen im Einzelfall zu eher zufälligen Ergebnissen, bspw. dann, wenn der ursprüngliche Eigentümer seine Sache zwischenzeitlich wieder zurückerlangt hat. Aus der Analyse des deutschen Rechts ist besonders hervorzuheben, dass der zeitlich unbeschränkte Ausschluss abhanden gekommener Sachen vom gutgläubigen Erwerb Diskussionen zur Legitimität des Eigentumserwerbs bei der Ersitzung und der Beschränkung des Herausgabeanspruchs durch die Verjährung hervorruft. Beim Vergleich der berührten individuellen Interessen stehen sich auf individueller Ebene im Wesentlichen die Wertinteressen, Nutzungsinteressen und ideellen Interessen des Eigentümers und des Erwerbers gegenüber, wobei das ideelle Interesse des Eigentümers auf Erwerberseite regelmäßig zunächst kein gleich starkes Pendant besitzt. Auf genereller Ebene streiten besonders der Schutz des Eigentums und der Verkehrsschutz miteinander. Letzterer ergibt im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Mehrzahl der Erwerbsvorgänge vom Berechtigten und die tatsächliche Entwicklung der Verkehrsvorgänge schließlich den (sich mit Zeitablauf verstärkenden) Ausschlag zugunsten des gutgläubigen Erwerbs.2 Des weiteren hat sich gezeigt, dass sich der gutgläubige Erwerb zum Ausgleich der Interessen neben den beiden unabdingbaren Grundpfeilern, der Berücksichtigung der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft der 2

Vgl. oben S. 157 ff.

Schluss

399

Beteiligten und der Gutgläubigkeit des Erwerbers, einer Vielzahl von direkten und indirekten, aktuell mehr oder weniger geeigneten Steuerungsparametern bedient, die in unterschiedlicher Weise kombiniert werden können.3 Ungeachtet der fortschreitenden technischen Entwicklung zur individualisierten und effizienten Erfassung und Registrierung beweglicher Sachen besteht im Übrigen grundsätzlich weiterhin das Bedürfnis einer generellen Regelung des gutgläubigen Erwerbs. Für die Regelung von Sondersituationen jenseits vom generellen Verkehr beweglicher Sachen in gewöhnlichen Handels- und Lebensumständen sind auch künftig Sondervorschriften der geeignete Lösungsansatz.

II. Die Verteilung des Ausfallrisikos und die Zuweisung des Eigentums Führt man diese Ergebnisse zusammen, so zeigt sich, dass gerade das Lösungsrecht mit seiner Durchbrechung des Automatismus von sachenrechtlicher Eigentumszuweisung und Verteilung des schuldrechtlichen Ausfallrisikos im Hinblick auf etwaige Rückgriffsansprüche geeignet ist, den Interessenausgleich unter Verwendung der bekannten Steuerungsparameter differenzierter auszugestalten. Es ermöglicht, die Fragen nach der sachgerechten Verteilung des Ausfallrisikos und der Zuordnung des Eigentums an der Sache getrennt von einander zu beantworten. Die Gründe, die gegen eine Verankerung des Lösungsrechts im BGB sprachen, betreffen nicht die Geeignetheit des Wirkungsmechanismus des Lösungsrechts zur Ermöglichung eines differenzierten Interessenausgleichs, sondern in überwiegendem Maße die jeweils konkret vorgeschlagene Ausformung eines solchen Rechts.4 Die Praxis des französischen Rechts zeigt zudem, dass ein Lösungsrecht im wesentlichen praktisch funktioniert. Angesichts der durch ein Lösungsrecht bewirkten Komplexität der Abwicklung der schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche unter den Beteiligten ist ein solches Recht andererseits auf das zum Interessenausgleich erforderliche Maß zu begrenzen. Bei der Beantwortung der beiden Fragen zeigt sich zudem, dass heute nicht jeder traditionelle Steuerungsparameter weiterhin Beachtung verdient. Insbesondere ist das Abhandenkommen einer Sache heute kein geeignetes Kriterium zur Verteilung des schuldrechtlichen Ausfallrisikos (mehr). Andererseits ist es über den Einsatz eines Lösungsrechts in Form des Rückkaufsrechts möglich, die Zuordnung des Eigentums nach der Art der Sache zu differenzieren, um auf diese Weise die ideellen Interessen des Eigentümers verstärkt zu berücksichtigen. Gleichermaßen ermöglicht das 3 4

Vgl. hierzu oben S. 161 ff. und die Zusammenfassung auf S. 263 f. Vgl. oben S. 276 ff.

400

Schluss

Rückkaufsrecht die aus der Sicht des betroffenen Erwerbers schonende Berücksichtigung öffentlicher Interessen. In der Ausgestaltung des Rückkaufsrechts stellen sich bei der Bestimmung des Rückkaufspreises, beim Umgang mit Nutzungen und Verwendungen und bei der Behandlung des unentgeltlichen Erwerbs weitere Fragen, die es zu regeln gilt. Die komprimierte Antwort dieser Untersuchung auf die beiden Fragen (Verteilung des Ausfallrisikos und Sachzuordnung) findet sich im nachfolgenden Regelungsvorschlag (siehe unten B.).5 Die Grundregel des § 1 des Regelungsvorschlags realisiert den Verkehrsschutz durch einen gutgläubigen Erwerb, der auf den beiden Grundelementen der qualifizierten tatsächlichen Sachherrschaft und der Gutgläubigkeit beruht. Beim tatsächlichen Element bedarf es sowohl der Verfügung über die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft auf Seiten des Veräußerers, als auch der Erlangung derselben auf Seiten des Erwerbers, wobei auf beiden Seiten Geheißpersonen eingebunden sein können (§ 1 Abs. 2). Die (vom Eigentümer zu beweisende) fehlende Gutgläubigkeit des Erwerbers führt zu einer Versagung des gutgläubigen Erwerbs (§ 1 Abs. 3). Angesichts der schwierigen – und in der Rechtspraxis wohl wenig relevanten6 – Abgrenzung der einfachen von der groben Fahrlässigkeit liegt Bösgläubigkeit des Erwerbers bereits bei der einfachen fahrlässigen Unkenntnis über die fehlende Berechtigung des Veräußerers vor. Dies ist umso mehr angezeigt, da auf den Steuerungsparameter der Sonderbehandlung abhanden gekommener Sachen verzichtet wird. Das Kriterium der Gutgläubigkeit ist zur Erfassung der individuellen, möglicherweise zweifelhaften, Umstände des Erwerbsvorgangs nämlich in besonderem Maße geeignet. Im Rahmen der Gutgläubigkeit können zudem weitere Entwicklungen bei der Registrierung beweglicher Sachen flexibel erfasst werden. Der Schutz des Verkehrsinteresses erfordert darüber hinaus nicht, einen solchen Schutz auch bei einem unentgeltlichen Erwerb der Sache anzuerkennen (§ 1 Abs. 4). Hier überwiegen die Interessen des Eigentumsschutzes. Eine von der Grundregel abweichende Eigentumszuordnung ermöglicht § 2 des Regelungsvorschlags. Das dort statuierte Rückkaufsrecht trägt den ideellen Interessen des Eigentümers Rechnung. Zur Vermeidung einer generellen Verkehrseinschränkung wird es in den Fallgruppen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1–3 auf bestimmte Arten von Sachen beschränkt, in denen regelmäßig eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines ideellen Interesses des Eigentümers besteht. Die Anknüpfung an die Art der Sache dient ebenfalls der Vermeidung von Verkehrseinschränkungen, da es sich bei der Art der Sache um einen für den Erwerber erkennbaren Umstand handelt und der 5

Die folgenden Paragraphenzitate beziehen sich ebenfalls auf den Regelungsvorschlag. 6 Vgl. oben S. 231 ff.

Schluss

401

Erwerber somit auch feststellen kann, ob er bei der fraglichen Sache mit dem Bestehen eines Rückkaufrechts rechnen muss. Darüber hinaus ermöglicht § 2 Abs. 2 eine Würdigung der ideellen Interessen im Einzelfall. In seiner konkreten Form vermittelt der Regelungsvorschlag daher zwischen dem Streben nach Einzelfallgerechtigkeit und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Das regelmäßige Rückkaufsrecht ist einerseits auf Fallgruppen von besonderen Sachen beschränkt und andererseits jeweils zeitlich eingegrenzt. Bei der eng formulierten Öffnungsklausel für den Einzelfall nach § 2 Abs. 2, wäre zur Vermeidung einer ausufernden Kasuistik vom Rechtsanwender ein zurückhaltender Gebrauch zu fordern. Ist mit der Sache unabhängig von ihrem Wert ein besonderer öffentlicher Zweck verbunden, so kann diesem durch ein Rückkaufsrecht in einer für den Erwerber wirtschaftlich weitgehend neutralen Art Rechnung getragen werden, indem dem öffentlichen Rechtsträger in einem solchen Fall die Möglichkeit der Eigentumsrückerlangung eingeräumt wird (§ 2 Abs. 3). Bei der weiteren Ausgestaltung des Rückkaufsrechts sind die Interessen der Beteiligten an einer den Umständen nach zügigen endgültigen Regelung zu berücksichtigten. Hervorzuheben ist § 2 Abs. 5, der bei dem unentgeltlichen (Zweit-)erwerb einer vormals von einem Nichtberechtigten erworbenen Sache für die Höhe der Rückkaufssumme an den vom Rechtsvorgänger gezahlten Preis anknüpft.

B. Regelungsvorschlag Aus der vorliegenden Arbeit ergibt sich somit für den allgemeinen Rechtsverkehr und außerhalb von Sondersituationen, die besonderer Gesetze bedürfen, folgende Regelung: § 1 Gutgläubiger Eigentumserwerb bei beweglichen Sachen (1) Das Eigentum an einer beweglichen Sache kann nach Maßgabe der folgenden Absätze durch einen gutgläubigen Erwerber auch von einem Nichtberechtigten erworben werden. (2) Für einen gutgläubigen Eigentumserwerb ist erforderlich, dass der Veräußerer über die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft verfügt und der Erwerber die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft erlangt. Dies ist auch dann erfüllt, wenn die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft auf Seiten des Veräußerers auf Geheiß des Veräußerers von einem Dritten übertragen wird oder auf Seiten des Erwerbers auf Geheiß des Erwerbers direkt an einen Dritten übertragen wird. (3) Ein Eigentumserwerb findet nicht statt, wenn der Erwerber in dem Zeitpunkt, in dem er die qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft erlangt,

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Schluss

nicht in gutem Glauben ist. Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. (4) Ein Eigentumserwerb findet ferner nicht statt, wenn der Erwerber die Sache unentgeltlich erwirbt. § 2 Rückkaufsrecht des ursprünglichen Eigentümers (1) Hat der ursprüngliche Eigentümer das Eigentum an einer Sache, an der er ein besonderes ideelles Interesse hat, aufgrund der Anwendung des § 1 (Gutgläubiger Eigentumserwerb bei beweglichen Sachen) verloren, so kann er die Sache vom Erwerber zurückkaufen, wenn 1. es sich bei der Sache um ein Haustier handelt und der Eigentumsverlust nicht länger als ein Jahr zurückliegt, 2. es sich bei der Sache um eine Antiquität, Schmuck oder ein Kunstwerk handelt und wenn der Verlust des Eigentums nach § 1 nicht länger als fünf Jahre zurückliegt oder 3. es sich bei der Sache um einen Gegenstand handelt, bei dem das ideelle Interesse des ursprünglichen Eigentümers darin besteht, dass er für ihn von wissenschaftlicher Bedeutung ist oder er von einer Glaubensgemeinschaft einem religiösen Zweck gewidmet ist, und wenn der Verlust des Eigentums nach § 1 nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. (2) Im Übrigen steht dem ursprünglichen Eigentümer ein solches Rückkaufsrecht nur zu, wenn er ein verstärktes ideelles Interesse an der Sache hat und dem Erwerber die Rückübereignung und Herausgabe gegen Zahlung des Rückkaufspreises auch zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Rückkaufsrechts unter Würdigung der Belange des Verkehrsschutzes und der berechtigten Interessen des Erwerbers noch billigerweise zugemutet werden kann. (3) Einem öffentlichen Rechtsträger als ursprünglichen Eigentümer steht darüber hinaus ein Rückkaufsrecht zu, wenn es sich bei der Sache um einen Gegenstand handelt, der einem öffentlichen Zweck gewidmet ist und zur Verfolgung dieses Zwecks benutzt wird, und wenn der Verlust des Eigentums nach § 1 nicht länger als zehn Jahre zurückliegt. (4) Der Erwerber ist zum Abschluss eines Kaufvertrags über die Sache verpflichtet, wobei sämtliche Gewährleistungsrechte des ursprünglichen Eigentümers als Käufer ausgeschlossen sind. Vorbehaltlich der Anwendung des Absatzes 5 ist der Rückkaufspreis die Summe, die der Erwerber selbst für den Eigentumserwerb der Sache aufgebracht hat zuzüglich eines Inflationsausgleichs für die Zeit von der Zahlung des Kaufpreises durch den Erwerber bis zur Zahlung des Rückkaufspreises. (5) Im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs einer Sache von einem Berechtigten, an der ein Rückkaufsrecht des ursprünglichen Eigentümers besteht, bestimmt sich der Rückkaufspreis nach der Summe, die der Rechts-

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vorgänger zum Erwerb der Sache aufgebracht hat. Satz 1 gilt entsprechend im Falle eines Erwerbs des Eigentums im Wege des Erbfalls oder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. (6) Hat der ursprüngliche Eigentümer Kenntnis von der Person des Erwerbers und den weiteren Umständen, die zu seinem Rückkaufsrecht nach Absätzen 1–3 führen, insbesondere dem Rückkaufspreis, so muss er das Rückkaufsrecht innerhalb von 3 Monaten durch Erklärung gegenüber dem Erwerber ausüben. Nach Ablauf der Ausübungsfrist erlischt das Rückkaufsrecht. Das gleiche gilt, wenn der ursprüngliche Eigentümer gegenüber dem Erwerber erklärt, dass er das Rückkaufsrecht nicht ausübt. Hat der Erwerber ein berechtigtes Interesse an einer schnelleren Klärung des weiteren Verbleibs der Sache, so kann er den ursprünglichen Eigentümer zur Erklärung über die Ausübung des Rückkaufsrechts mit einer angemessenen Ausübungsfrist, die mindestens zwei Wochen betragen muss, auffordern. Hierfür finden Satz 2 und Satz 3 entsprechende Anwendung. (7) Nutzungen darf der Erwerber behalten. Verwendungen sind nach den auf einen gutgläubigen Besitzer anwendbaren Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses zu ersetzen. Sonstige Schadensersatz- oder Herausgabeansprüche im Zusammenhang mit dem gutgläubigen Eigentumserwerb der Sache zwischen dem ursprünglichen Eigentümer und dem Erwerber bestehen nicht. Die Geltendmachung von Ansprüchen gegen sonstige Personen durch den ursprünglichen Eigentümer oder Erwerber bleibt unberührt.

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Sachverzeichnis Sachverzeichnis Sachverzeichnis Abhandenkommen 22, 61 ff., 99 ff., 195 ff., 215 ff., 316 ff., 373 f. Abstraktionsprinzip 23, 59, 85, 207 Affektionsinteresse 128 ff., 134 f., 157 f., 253, 311, 327, 351 ff., 373 f., 384, 400 ff. Allgemeininteresse 125 f., 135 ff., 150 ff., 158 ff., 245, 326 ff. animus domini 50 ff. Antiquität 210 f., 259, 333, 363 f., 368 f., 386 f., 402 Art Loss Register 196 ff., 205, 223, 235, 325, 342 f. Ausfallrisiko 36 ff., 265 ff., 306 f., 313 ff., 324 ff., 335 ff., 343 ff., 377 f., 391 f., 399 f. Besitz 50, 86 ff., 175 ff. Besitzverschaffungsmacht 92, 179 ff., Bewegliche Sache 48 ff., 81 ff., 165 ff., 358 ff. Beweislast 98, 110, 221, 231 f., 244 f., 263, 400 carte grise 53, 58 Coase-Theorem 145, 309, 337 Code civil 5, 45 ff., 115 ff., 119 f., 173 f., 284 ff. détenteur précaire 51 ff., 77, 298 dépossession volontaire 70 ff., 174, 289, 296 Diebstahl 22, 61 ff., 100, 110, 205, 215 ff., 247 f., 259 ff., 295 ff., 316 ff., 329 ff., 340 ff. Draft Common Frame of Reference (DCFR) 13, 207, 224, 259 f., 263, 308, 342, 350, 390 Eigentum 19 ff., 34 f., 126 ff., 136 ff., 150 f., 158 ff., 265 ff., 349 ff.

Eigentümer 19 ff., 21 ff., 24, 27, 28, 127 ff., 157 f., 306 f. Eigentumsvorbehalt 21, 95 ff., 130 ff., 183, 238 Ersitzung 59 f., 62 ff., 108 ff., 241 ff. Erwerber 23, 24, 25 ff., 133 ff., 157 f., 212 f., 306 f. Europa 10 ff., 139 Fahrrad 200 f., 325, 331 f., 364 f. Fahrzeug 30, 58, 71, 128, 234, 239, 331 ff., 364 f. Fahrzeugbrief 51, 53, 58, 95, 188 f., 365 fonction acquisitive 47 f., 52, 74, 217 fonction probatoire 48, 75 Fund 107, 216 ff., 322 Garagistenfall 69, 71 ff. Geheißperson 30, 88 ff., 177 ff. Geld 81, 105 f., 170 f., 275 ff., 365 ff. generelle Interessen (siehe Allgemeininteresse) Gerechtigkeit 155 ff., 234, 246, 401 Gesetzgebungsprozess BGB 251, 276 ff., 310 Gewerberecht 106 f., 141, 210 f., 341 Gutgläubigkeit 54 ff., 90 ff., 111, 113, 230 ff., 339 ff. historisch 108, 154 f., 215, 322 ideelles Interesse (siehe Affektionsinteresse) Individualisierbarkeit 167 ff., 359 Internet 107 f., 148, 196 f., 235, 333 f., 345

424

Sachverzeichnis

Kapstädter Übereinkommen 192, 202 Kaufmann, der mit Sachen gleicher Art handelt (marchand vendant des choses pareilles) 66, 208, 212, 222, 285 Kfz (siehe Fahrzeug) Kollisionsrecht 281 ff. Konsensprinzip 22, 55, 163, 328 Kontaktperson 7, 39 f., 300, 328, 382 Kontinuität 154 f., 277 Kreditsicherung 20 f., 28, 95 ff., 130 ff., 147 f., 182 f., 190 ff., 234 Kulturgut 151, 172 f., 197 ff., 257 ff., 363 Kunstwerk 96 f., 151, 172 f., 195 ff., 235, 246 f., 257 ff., 362 f., 386 f. Lost Art Internet Database 196 ff. Lösungsrecht 2, 41 f., 267 ff., 306 ff., 376 ff. Lösungsrecht (Code civil) 64 ff., 284 ff., 377 f. Lösungssumme 41, 267 ff., 286, 304 ff., 381 ff. Minderjährige 224 f., 347 Nachforschungsobliegenheit 91 ff., 234 ff., 338 ff. Nichtrealisierbarkeitsrisiko 38 ff., 398 Nutzungsinteresse 128, 134, 157 f., 398 Offenkundigkeit 33, 162 ff., 176 f., 182 ff., 201 ff., 243 öffentliche Sache 225 ff., 348, 369 ff. Öffentlichkeit 66, 208 ff., 263 Ökonomische Analyse 8 f., 27, 144 f., 164, 309 f., 336 f., 382, 392 Ordnungsaufgabe 6 f., 125 f., 263, 397 f. Pkw (siehe Fahrzeug) possession 50 ff., 71 ff., 115 f., 173 f., 295 ff. probatio diabolica 2, 230 f., 360 Publizität (siehe Offenkundigkeit)

qualifizierte tatsächliche Sachherrschaft 7, 173 ff., 201 ff., 238 f., 401 Rechtsfrieden 154, 244 ff., 401 Rechtssicherheit 154 f., 244 ff., 401 Rechtsvergleichung 4 ff., 125 Register 185 ff., 202 ff., 237 religiöse Sache 228, 357, 365, 402 res extra commercium 109 f., 214 f., 225 f., 348, 372 f. res sacrae 228 römisches Recht 2, 109 ff., 215, 241, 275, 335 Rückkaufsrecht 268 f., 369 ff., 376 ff., 394 ff., 400 ff. Rückkaufspreis 381 ff., 394 f., 400 ff. Sachzuordnung 32 ff., 265 ff., 349 ff., 378, 392 Schmuck 333, 363 f., 386 f., 402 Schweden 342, 377, 395 Schweiz 282 ff. Sicherungseigentum 20 f., 28, 95 ff., 130 ff., 158, 183, 238 f. Steuerungsparameter 2, 161 ff., 263 f., 314 f., 399 Tier 355, 357, 364, 386 f., 402 unentgeltlich 99, 133, 138, 206 f., 270 ff., 390 ff. Unidroit 10, 192 f., 257 usucapio 108 ff., 241 Veräußerer 21, 23 ff., 26, 28, 132 f., 212 Veräußerungskette 26, 28 f., 37 f., 289 ff., 295, 303, 329 Verbraucher 223 f., 347 f. Verfassungsrecht 129, 136 ff., 148 ff., 158, 312, 341, 372, 393 Verjährung 60, 62 f., 117 ff., 241 ff. Verkehrsschutz 140 ff., 158 ff., 201 ff., 211 verlorene Sache 22, 61 f., 321 f. Vermögenseinsatz 38, 126 ff., 133 ff., 327 ff., 381 ff.

Sachverzeichnis Verschulden 297 ff., 317 ff., 324 f., 381 f. Versicherung 30, 297 ff., 325 Versteigerung 106 ff., 208 f., 210, 343 f. Vertrauensschutz 152 f. Verwirkung 121 f.

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Wertinteresse 127 f., 130 ff., 133 f., 398 Wertpapier 49 f., 82 ff., 105 f., 151, 171 f., 193 ff., 212 f., 255 ff., 367 f. Zeitablauf 240 ff., 359, 385 ff. ZPO 357 ff., 371