Anlegerschutz bei Delisting zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht: Eine Untersuchung zum deutschen Recht unter Berücksichtigung des britischen und US-amerikanischen Rechts [1 ed.] 9783428553099, 9783428153091

Der Anlegerschutz bei Delisting ist durch die im November 2015 in Kraft getretene Neuregelung in § 39 Abs. 2–6 BörsG nF

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German Pages 290 Year 2017

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Anlegerschutz bei Delisting zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht: Eine Untersuchung zum deutschen Recht unter Berücksichtigung des britischen und US-amerikanischen Rechts [1 ed.]
 9783428553099, 9783428153091

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 108

Anlegerschutz bei Delisting zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht Eine Untersuchung zum deutschen Recht unter Berücksichtigung des britischen und US-amerikanischen Rechts

Von

Carl C. H. Sanders

Duncker & Humblot · Berlin

CARL C. H. SANDERS

Anlegerschutz bei Delisting zwischen Kapitalmarktund Gesellschaftsrecht

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 108

Anlegerschutz bei Delisting zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht Eine Untersuchung zum deutschen Recht unter Berücksichtigung des britischen und US-amerikanischen Rechts

Von

Carl C. H. Sanders

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Mannheim hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15309-1 (Print) ISBN 978-3-428-55309-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85309-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Ulrich G. Schroeter für die hervorragende Betreuung. Er war bei der Entstehung dieser Arbeit ein unersetzlicher Begleiter, dessen Unterstützung ich mir stets gewiss sein konnte. Herrn Professor Dr. Andreas Engert danke ich für die Übernahme und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ich danke dem Land Baden-Württemberg für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeit. Ferner danke ich den Herren Professoren Dr. Gerald Spindler, Dr. Hanno Merkt und Dr. Holger Fleischer für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Schriftenreihe. Mein größter Dank gilt schließlich meiner Familie, meiner Frau Dr. Annabelle Sanders, meinen Eltern Renate und Dr. Karl Sanders sowie meinen Brüdern Alexander und Henrik Sanders. Für alles. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Frankfurt a.M., im September 2017

Carl C. H. Sanders

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einführung

21

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Zweites Kapitel Definition und Erscheinungsformen des Delistings

25

A. Delisting als Beendigung der Börsenzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Erscheinungsformen des Delistings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Reguläres Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Zulassung und Widerruf der Zulassung von Aktien zum Börsenhandel . . . . . 27 2. Intensitätsstufen des regulären Delistings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 a) Vollständiges Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Partielles Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 c) Downlisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Kaltes Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Delisting von Amts wegen, § 39 Abs. 1 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Widerruf bei dauerhafter Notierungseinstellung, § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG 32 2. Widerruf bei Nichterfüllung der Emittentenpflichten, § 39 Abs. 2 Var. 3 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Themeneingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Drittes Kapitel Interessenkonflikte bei Delisting

34

A. Initiatoren eines Delistings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

10

Inhaltsverzeichnis

B. Motive und Interessen bei einem Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Gründe für Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Wegfall der Finanzierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Deckung des Kapitalbedarfs auf andere Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Unterbewertete Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 c) Keine oder schwache Analystenabdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Kostenreduzierung durch Vermeidung der Kosten der Börsenzulassung . . . . 36 a) Notierungsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Kostenbelastung durch Zulassungsfolgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 aa) Kapitalmarktrechtliche Zulassungsfolgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 bb) Aktienrechtliche Sonderbestimmungen für börsennotierte Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 c) Gesteigerte Rechnungslegungsvorschriften nach HGB . . . . . . . . . . . . . . . . 38 d) Opportunitätskosten und Investor Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 e) Kostenbezifferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Änderungen in der Aktionärsstruktur und Konzerneinbindung . . . . . . . . . . . . 40 4. Geringe Liquidität und geringer Streubesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5. Abwehr feindlicher Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 6. Sanierung und Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 7. Nutzung unausgeschöpfter Wertpotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 C. Interessen der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Minderheits- und Mehrheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Intensität des Delistings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Folgen eines Delistings für die Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Kapitalmarktreaktionen bei Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Deutscher Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Delisting aus dem regulierten Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Downlisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) US-amerikanischer Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Auswirkungen auf Verkehrsfähigkeit und Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Verlust der Bewertungsfunktion des Börsenkurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Informationsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5. Verlust der Kontrollfunktion des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Inhaltsverzeichnis

11

Viertes Kapitel Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

54

A. Macrotron-Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Das Macrotron-Urteil des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Rezeption des Macrotron-Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 III. Auswirkungen auf den Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. Gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Überprüfung der Angemessenheit im Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 B. Die Abkehr von Macrotron in Downlisting-Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Die Urteile des LG und des OLG München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 III. Auswirkungen auf den Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 C. Die Macrotron-Regeln auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Umfang der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Verfassungsmäßigkeit der Macrotron-Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Umfang des Art. 14 Abs. 1 GG und Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Delisting außerhalb des Schutzbereichs von Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . 69 2. Einfachgesetzliche Begründung der Macrotron-Grundsätze möglich . . . . . . . 70 D. Die Aufgabe der Macrotron-Grundsätze durch Frosta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Das Frosta-Urteil des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Begründung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Hauptversammlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Abfindungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 c) Kapitalmarktrechtliche Regelung des Delistings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Die Rezeption der Entscheidung in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 75 III. Auswirkungen auf den Anlegerschutz: Delisting nach Frosta . . . . . . . . . . . . . . . 76

Fünftes Kapitel Gesetzliche Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG

80

A. Rechtspolitische Diskussion und Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 B. Überblick über die Regelung des Delistings in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG . . . . . . . 82 I. Zulässigkeit eines Delistings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

12

Inhaltsverzeichnis II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

C. Verortung des Anlegerschutzes im Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I. Mögliche Regelungsorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Unabhängigkeit des Regelungsortes von der inhaltlichen Ausgestaltung . . . . . . 86 III. Isolierte Betrachtung des Regelungsortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 D. Abfindungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Adressaten des Erwerbsangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 II. Person des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 III. Bedingungsfeindlichkeit des Erwerbsangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Maßgeblichkeit des Börsenkurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Gewichteter durchschnittlicher Börsenkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Berücksichtigung von Nach- und Parallelerwerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Regelungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Keine Teilentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Börsenkurs statt Ertragswertabfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Fehlende Vergleichbarkeit des Delistings mit Strukturmaßnahmen . . . 95 bb) Funktion der Abfindung bei Delisting und Besserstellung der Anleger durch Ertragswertabfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 cc) Verhältnis von Börsenkurs und Unternehmenswert . . . . . . . . . . . . . . . 99 dd) Praktische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 ee) Verschärfung gegenüber der Macrotron-Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . 100 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 V. Ausnahmen von der Maßgeblichkeit des Börsenkurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Unternehmensbewertung bei Kursbeeinflussung, § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG . . . 102 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Verstoß gegen Ad-hoc Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR und Rückwirkungen auf das Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (1) Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (2) Beschlusserfordernis für Eingreifen von Art. 17 Abs. 4 MAR? . . . 105 bb) Unternehmensbewertung auch bei einem für Anleger vorteilhaften Verstoß gegen Art. 17 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation, Art. 15 MAR . . . . . . . . 107 d) Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR . . . . . . . . . . 109 aa) Behördliche Feststellung keine zwingende Voraussetzung . . . . . . . . . . 109 bb) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Inhaltsverzeichnis

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e) Rechtsunsicherheit durch Gegenausnahme in § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Unternehmensbewertung bei eingeschränkter Liquidität, § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 VI. Notwendigkeit und Umfang einer Angebotsunterlage nach WpÜG . . . . . . . . . . 115 VII. Verhältnis von Angebotsunterlage und Delisting-Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 E. Partielles Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Fortbestand einer inländischen Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Fortbestand einer ausländischen Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 F. Erfassung des Downlistings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Fehlendes Schutzbedürfnis der Anleger bei Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Keine signifikanten Auswirkungen auf Kurs oder Liquidität . . . . . . . . . . . . . 121 2. Vergleichbarer Schutzstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Anforderungen an den kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz . . . . . . . . . 122 aa) Funktionsschutz des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Kapitalmarktrechtlicher Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 cc) Leitprinzipien des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes . . . . . . . . 125 (1) Umfassende Informationsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Effektiver Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Gewährleistung in den qualifizierten Freiverkehrssegmenten . . . . . . . . . . . 126 aa) Informations- und Sanktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (1) Rechtslage bis 03. 07. 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (2) Änderungen durch die Marktmissbrauchsverordnung und die Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation 128 bb) Effektiver Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Vermeidung von gestuften Delistings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Wechsel in den einfachen Freiverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 G. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Behördliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Prüfung der Angebotsunterlage durch die BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Prüfung des Widerrufsantrags durch die Börsengeschäftsführung . . . . . . . . . 134 II. Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Verwaltungsrechtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Umfang des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 136

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Inhaltsverzeichnis b) Rechtsschutzmöglichkeiten des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Rechtsschutzmöglichkeiten einzelner Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Meinungsspektrum zu § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG aF . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Auslegung des § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (1) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (2) Systematische Auslegung und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Zivilgerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Individuelle Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Musterfeststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Schadensersatzansprüche gegen die BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Aufwendiges Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Probleme des zivilrechtlichen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Verzögerung des Verfahrens wegen rechts- oder bestandskräftiger Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR . . . . . . . . . . . . . 144 b) Späte Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4. Nachteile eines KapMuG-Verfahrens gegenüber einem Verfahren nach dem SpruchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Funktionelle Zuständigkeit des Spruchkörpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Fehlende erga omnes-Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Dauer der KapMuG-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 d) Kostenrechtliche Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 e) Keine Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs . . . . 146 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Sechstes Kapitel Rechtsvergleichende Aspekte

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A. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. US-amerikanisches Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Registrierungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Delistingverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Beendigung des Listings und der listing-bedingten Registrierung nach Sec. 12(b) SEA („Delisting“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Securities Exchange Act 1934 (SEA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Inhaltsverzeichnis b) Delisting-Bestimmungen der Börsenordnungen (Stock Exchange Rules)

15 155

aa) New York Stock Exchange (NYSE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 bb) NASDAQ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Ausführungsbestimmungen der SEC (SEC Rules) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Beendigung der Registrierung (Deregistrierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Deregistrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 V. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 B. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Rechtsquellen des Börsenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Marktstruktur am Beispiel der London Stock Exchange . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3. Zulassung von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Delistingverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Beendigung der Notierung am Beispiel der LSE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Ausscheiden aus der Official List . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Premium Listing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Standard Listing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 III. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 IV. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 C. Ergebnis des Rechtsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 D. Folgen für die Bewertung des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Hauptversammlungsbeschluss bei Delisting im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . 180 1. Entbehrlichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses bei Delisting . . . . . . . 180 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Systematische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Wirkungsvoller Schutz für Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Interesse des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Anforderungen an eine Beschlussfassung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . 184 1. Beschluss- und Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Erkenntnisse des Rechtsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Übertragbarkeit auf das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 III. Ergänzungsvorschlag de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

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Inhaltsverzeichnis Siebentes Kapitel § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

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A. Vorgaben der Börsenordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Satzungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Grenzen der Satzungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Folgen eines Verstoßes der Börsenordnung gegen gesetzliche Regelungen

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II. Rechtmäßigkeit und Anwendbarkeit der Börsenordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Frankfurter Wertpapierbörse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Rechtmäßigkeit und Anwendbarkeit der übrigen Börsenordnungen . . . . . . . . 194 a) Verpflichtendes Abfindungsangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Rechtmäßigkeit zusätzlicher Anforderungen in den Börsenordnungen . . . 194 aa) Reichweite des § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Unanwendbarkeit der Regelungen zu partiellem Delisting und Downlisting 196 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Widerrufsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Vollständiges Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Partielles Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 B. Ermessensentscheidung der Börsengeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 I. Abzuwägende Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Ermessensreduktion auf Null . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Sinn und Zweck des verbindlichen Erwerbsangebots bei Delisting . . . . . . . . 204 II. Vorangegangene Übernahmeangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Abfindungsangebot bei Übernahmeangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Übernahmeangebot und Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Fehlende Schutzbedürftigkeit der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Entgegenstehender Wille des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 III. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Abfindung bei Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Überschneidung mit Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Inhaltsverzeichnis

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3. Teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IV. Rückerwerb eigener Aktien durch den Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Rückerwerb eigener Aktien und Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3. Teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . 212 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 V. Geringer Streubesitzanteil und geringes Handelsvolumen vor Delisting . . . . . . . 214 VI. Sanierungssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Delisting und Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Erkenntnisse des Rechtsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Begründung der teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 VII. Vorliegen der Voraussetzungen von § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG . . . . . . . . . . . . . . 217 VIII. Delisting im Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 IX. Erwerb der Aktionärsstellung nach Kenntnis der Delisting-Absicht . . . . . . . . . . 219 X. „Altaktionäre“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 XI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen . . . . . 221 I. Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Anforderungen an die Angebotsunterlage gemäß § 11 WpÜG und § 2 WpÜGAVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Übertragbarkeit auf die Delisting-Angebotsunterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Vorgaben des § 11 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Vorgaben des § 2 WpÜG-AVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Veröffentlichungspflicht des Bieters gemäß § 23 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . 227 1. Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Übertragbarkeit auf Delisting-Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 III. Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats des Emittenten gemäß § 27 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Sinn und Zweck des § 27 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Übertragbarkeit auf Delisting-Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 IV. Anwendbarkeit der Vorschriften über Vor- und Nacherwerbe auf das Delisting 233 1. Berücksichtigung von Vorerwerben gemäß § 4 WpÜG-AVO . . . . . . . . . . . . . 233 a) Sinn und Zweck von § 4 WpÜG-AVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 b) Übertragbarkeit auf Delisting-Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

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Inhaltsverzeichnis 2. Angebotserhöhung bei Nacherwerben gemäß § 31 Abs. 5 WpÜG . . . . . . . . . 234 a) Sinn und Zweck von § 31 Abs. 5 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Übertragbarkeit auf Delisting-Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

E. Verhältnis der Veröffentlichung nach § 10 WpÜG zu der Ad-hoc-Publizitätspflicht aus Art. 17 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Funktion der Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG in Delisting-Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 II. Verhältnis von § 10 WpÜG zu Art. 17 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Verhältnis zur Veröffentlichungspflicht des Bieters aus Art. 17 Abs. 1 MAR 237 2. Verhältnis zur Veröffentlichungspflicht des Emittenten aus Art. 17 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 F. Auskunftsansprüche gegen den Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Auskunftsanspruch des Anlegers gegen den Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Grundlagen zur Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Ableitung eines Auskunftsanspruchs aus der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Abschließender Auskunftsanspruch aus § 131 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Widerspruch zur aktienrechtlichen Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Haftungsrisiken aus §§ 37b, 37c WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Auskunftsanspruch des Bieters gegen den Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 G. Parallele Anlegerschutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Anlegerschutz durch Satzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Verankerung der Börsennotierung in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Aufnahme der Börsennotierung in den Unternehmensgegenstand . . . . . . . . . 247 3. Verankerung des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Anlegerschutz über die Börsenordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 III. Gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Mögliche Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Gesellschaftsrechtliche Begründung eines Pflichtangebots . . . . . . . . . . . . 248 aa) Umwandlungsrechtliche Analogien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Analogie zum Formwechsel, § 207 UmwG analog . . . . . . . . . . . . 249 (2) § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG analog . . . . . . . . . . . . . 250

Inhaltsverzeichnis

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(3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 bb) Analogie zu § 243 Abs. 2 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 cc) Abfindungsbewehrtes Austrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Gesellschaftsrechtliche Begründung des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 aa) Ungeschriebene Hauptversammlungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Umwandlungsrechtliche Analogien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 cc) Fehlender Hauptversammlungsbeschluss als Pflichtverletzung . . . . . . 255 dd) Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses aus § 119 Abs. 1 Nr. 2, 6, 8 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Abschließende gesetzliche Regelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

Achtes Kapitel Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

260

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Erstes Kapitel

Einführung A. Einleitung Seitdem das Phänomen des Delistings seit Mitte der 1990er Jahre in der deutschen Rechtswissenschaft diskutiert wird1, ist die Frage des Anlegerschutzes das die Diskussion bestimmende Thema. Im deutschen Recht ist die Möglichkeit, einen Börsenrückzug auf eigene Initiative des Emittenten einzuleiten, erst seit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz vom 24. 3. 1998 in § 39 Abs. 2 BörsG vorgesehen.2 Im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie hat der Deutsche Bundestag den Anlegerschutz bei Delisting in § 39 Abs. 2 BörsG mit Wirkung zum 26. 11. 2015 neu geregelt.3 Auslöser für das Tätigwerden des Gesetzgebers war der Beschluss des BGH in Sachen Frosta.4 Der BGH hat entschieden, dass die Anleger bei einem Widerruf der Börsenzulassung auf Veranlassung des Emittenten weder einen Anspruch auf Barabfindung haben noch im Rahmen eines Hauptversammlungsbeschlusses über das Delisting abstimmen können. Damit rückte der BGH von den seit der Macrotron-Entscheidung5 den Anlegerschutz bei Delisting bestimmenden Macrotron-Grundsätzen ab, die unter Berufung auf den Schutzumfang des Art. 14 Abs. 1 GG einen Hauptversammlungsbeschluss 1

Siehe nur Fluck, WM 1995, 553, 557 ff.; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739 ff.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459 ff. 2 BGBl. I, S. 529 ff. Vor der Einführung der Regelung des § 39 Abs. 2 BörsG gab es für Aktiengesellschaften keine Möglichkeit, aus eigener Initiative einen Börsenrückzug einzuleiten: Im Jahr 1994 versuchte die BASF AG erfolglos, sich von sämtlichen Börsen außer der Frankfurter Wertpapierbörse zurückziehen. Hierzu erklärte sie gegenüber den Zulassungsstellen der jeweiligen Börsen ihren Verzicht auf die Zulassung ihrer Aktien zum Börsenhandel und zur Börsennotierung; hilfsweise stellte sie einen Antrag auf Widerruf der Zulassung. Beides blieb ohne Erfolg, vgl. Fluck, WM 1995, 553, 553 und 557 ff. Die Möglichkeit eines Widerrufs der Börsenzulassung auf Antrag des Emittenten wurde als Folge dieser zunächst gescheiterten Versuche der BASF AG eingeführt, vgl. Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 740. 3 Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 20. 11. 2015, BGBl. I S. 2029. 4 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 ff. („Frosta“). 5 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 ff. („Macrotron“).

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1. Kap.: Einführung

und ein im Spruchverfahren gerichtlich überprüfbares Pflichtangebot der Aktiengesellschaft oder des Großaktionärs an die Minderheitsaktionäre gefordert hatten. Diesem gesellschaftsrechtlichen Anlegerschutz auf der dogmatischen Grundlage des Art. 14 Abs. 1 GG war zuvor durch das BVerfG die Grundlage entzogen worden6, indem das BVerfG in Bezug auf die Reichweite des Art. 14 Abs. 1 GG bei Aktieneigentum klargestellt hat, dass der Schutzbereich der Eigentumsgarantie durch den Widerruf der Börsenzulassung nicht berührt ist. Die Frosta-Entscheidung erleichterte börsennotierten Aktiengesellschaften den vollständigen Rückzug von der Börse erheblich. Dies führte zu einem zahlenmäßigen Anstieg der Delisting-Fälle. Waren es in den Jahren von 2003 bis 2010 nur insgesamt 28 Fälle7, haben im ersten Jahr nach der Frosta-Entscheidung über 30 Gesellschaften8 von den durch die Frosta-Entscheidung geschaffenen Erleichterungen für ein Delisting Gebrauch gemacht. Der Anlegerschutz bei Delisting war infolge der Frosta-Entscheidung nur über kapitalmarktrechtliche Schutzmechanismen gewährleistet, die vielfach als nicht ausreichend angesehen wurden. Der Schutz der Anleger beruhte auf der Regelung des § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG aF, die als einzige gesetzliche Voraussetzung vorsah, dass der Widerruf der Börsenzulassung nicht dem Schutz der Anleger widersprechen dürfe. Die konkrete Ausgestaltung des Anlegerschutzes oblag den jeweiligen Börsenordnungen, die in dem von ihnen vermittelten Schutzumfang erheblich hinter den Macrotron-Grundsätzen zurückblieben und sich in dem vermittelten Schutzumfang ohnehin erheblich unterschieden. Die Frankfurter Wertpapierbörse sah den Anlegerschutz etwa bereits dann als gewahrt an, wenn Anlegern nach Bekanntgabe des Widerrufs im Rahmen einer bloßen Fristenregelung ausreichend Zeit verblieb, die Aktien über die Börse zu veräußern.9 Die Frosta-Entscheidung führte zu einer lebhaft geführten Debatte über die Ausgestaltung des Anlegerschutzes bei Delisting. Der Gesetzgeber hat den Anlegerschutz bei Delisting schließlich gesetzlich umfassend in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG geregelt. Die Neuregelung ist am 26. 11. 2015 in Kraft getreten. Voraussetzung für ein vollständiges Delisting ist nunmehr ein allen Anlegern zu unterbreitendes WpÜG-Erwerbsangebot auf der Grundlage des gewichteten durchschnittlichen Börsenkurses der letzten sechs Monate vor Bekanntgabe der Delisting-Absicht.

6 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99 ff. („MVS/ Lindner“). 7 Deutsches Aktieninstitut, Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts zu Delisting und Spruchverfahren – Anfrage des Bundesverfassungsgerichtes 1 BvR 1569/08, 2010, S. 3. 8 Paschos, Frankfurter Allgemeine Zeitung 03. 12. 2014, S. 16, 16. 9 Vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 2 Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse in der Fassung vom 1. 12. 2014.

C. Gang der Untersuchung

23

B. Fragestellung Delisting ist an einer juristischen Schnittstelle angesiedelt und steht im Spannungsfeld zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht. Zunächst ist ein Delisting eine rein öffentlich-rechtliche Angelegenheit, da es sich bei dem Widerruf der Zulassung von Wertpapieren zum Handel im regulierten Markt um einen Verwaltungsakt handelt. Ein Delisting hat aber auch gesellschaftsrechtliche Auswirkungen, da es das Verhältnis zwischen der Aktiengesellschaft und ihren Aktionären und damit zwischen zwei Privatrechtssubjekten betrifft.10 Diese Arbeit hat zum einen das Ziel, zu untersuchen, ob die gesetzliche Neuregelung des Anlegerschutzes bei Delisting in diesem Spannungsfeld einen adäquaten Anlegerschutz gewährleistet. Zum anderen sollen Umfang und Reichweite des Anlegerschutzes bei Delisting in der praktischen Anwendung der gesetzlichen Neuregelung geklärt werden. Hierzu sollen die infolge der Neuregelung auftretenden Praxisfragen aufgeworfen und einer Lösung zugeführt werden. Der Gesetzgeber hat keine Ausnahmen von dem Erfordernis einer Angebotspflicht vorgesehen. Von Interesse ist insbesondere die Frage, ob aus teleologischen Gesichtspunkten in bestimmten Fällen von einer Abfindung bzw. der strikten Befolgung der WpÜG-Vorschriften abgesehen werden kann. Zudem ist fraglich, inwieweit parallele Schutzmechanismen in der Satzung der Aktiengesellschaft, den Börsenordnungen oder durch Analogien zu gesellschaftsrechtlichen Vorschriften anwendbar sind. In einem rechtsvergleichenden Kapitel sollen die entsprechenden Delisting-Regelungen in den USA und in Großbritannien untersucht werden, um hieraus Rückschlüsse für die Bewertung und Interpretation der deutschen Regelungen ziehen zu können.

C. Gang der Untersuchung Die Arbeit gliedert sich acht Kapitel. Nach dieser Einleitung werden im zweiten Kapitel die Definition und die Erscheinungsformen des Delistings dargestellt. Die im Rahmen eines Delistings auftretenden Interessenkonflikte sind Gegenstand des dritten Kapitels. Gegenstand des vierten Kapitels ist die für das Verständnis der Neuregelung sowie der sich bei Delisting stellenden rechtlichen Fragen erforderliche Untersuchung der Entwicklung des Anlegerschutzes in Deutschland. Dabei wird auch die verfassungsrechtliche Dimension des Delistings untersucht.

10

Siehe nur Koch/Harnos, NZG 2015, 729.

24

1. Kap.: Einführung

Im fünften Kapitel wird die gesetzliche Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting dargestellt, untersucht und bewertet. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen neben der die Neuregelung bestimmenden Abfindungsregelung auch die Rechtsschutzmöglichkeiten des Anlegers sowie die Behandlung des Downlistings. Das sechste Kapitel untersucht rechtsvergleichend die Delisting-Regelungen in Großbritannien und in den USA. Hierbei soll der jeweils im Fall eines Delistings gewährte Anlegerschutz herausgearbeitet werden. Das Kapitel schließt mit einer Untersuchung, welche Implikationen sich hieraus für den Anlegerschutz in Deutschland und die Bewertung und Anwendung der gesetzlichen Regelung ergeben. Im siebenten Kapitel werden die sich im Rahmen der praktischen Anwendung des § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG stellenden Fragen untersucht und einer Lösung zugeführt. Neben der Untersuchung der durch die Börsenordnungen an ein Delisting gestellten Anforderungen und der Reichweite des der Börsengeschäftsführung in § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG eingeräumten Ermessens wird schwerpunktmäßig eine teleologische Reduktion der gesetzlichen Anforderungen an ein Delisting sowohl im Hinblick auf die Entbehrlichkeit der Angebotspflicht wie auch im Hinblick auf die anwendbaren Verfahrensvorschriften des in Bezug genommenen WpÜG untersucht. Abschließend wird die Möglichkeit paralleler Anlegerschutzmechanismen in der Satzung der Aktiengesellschaft, den Börsenordnungen oder durch Analogien zu gesellschaftsrechtlichen Vorschriften untersucht. Das abschließende achte Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit in Thesen zusammen.

Zweites Kapitel

Definition und Erscheinungsformen des Delistings Delisting bezeichnet allgemein einen Vorgang, durch den aus einer börsennotierten eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft wird. Folge eines Delistings ist, dass die Aktien der Gesellschaft nicht mehr über den regulierten Markt gehandelt werden können.

A. Delisting als Beendigung der Börsenzulassung Der Begriff des Delistings ist aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis ins Deutsche übernommen worden. Wörtlich übersetzt bedeutet er die Beendigung der Börsennotierung.1 Tatsächlich endet infolge eines Delistings (auch) die Notierung an der Börse. Rechtlich ist diese wörtliche Übersetzung jedoch ungenau. Im deutschen Recht ist zwischen der Börsennotierung und der Börsenzulassung zu unterscheiden. Eine Börsennotierung ist die Feststellung eines Börsenkurses bzw. Börsenpreises.2 Vor Aufnahme der Notierung im regulierten Markt bedarf es der Börsenzulassung. Diese ist zwingende Voraussetzung für die Aufnahme der Notierung im regulierten Markt, vgl. § 38 Abs. 1 BörsG.3 Sämtliche Publizitäts-, Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten des Emittenten knüpfen an die Börsenzulassung als formalisiertes Marktzugangsverfahren und nicht an die Notierung an.4 Somit ist die Börsenzulassung und nicht die Börsennotierung der formale Akt, an den die entsprechenden Rechtsfolgen geknüpft werden. Die

1

Groß, ZHR 165 (2001), 141, 145; Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, 6. Aufl., 2000, S. 222; Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 27; zu „Listing“ siehe Köbler, Rechtsenglisch, 8. Aufl., 2011, S. 396; Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, 6. Aufl., 2000, S. 478. 2 Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl., 2012, § 12 Rn. 1; Seiffert, in: Wittig (Hrsg.), Bankund Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 4.254, Rn. 4.451. 3 § 38 Abs. 1 BörsG: „… die Aufnahme der Notierung der zugelassenen Wertpapiere …“; siehe auch Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl., 2012, § 12 Rn. 4. 4 Groß, ZHR 165 (2001), 141, 145; ders., in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 11; Willamowski, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2014, § 39 BörsG Rn. 4.

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2. Kap.: Definition und Erscheinungsformen des Delistings

bloße Beendigung der Notierung würde am Fortbestand der aus der Zulassung folgenden Publizitäts-, Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten nichts ändern.5 Rechtlicher Bezugspunkt des Delistings nach deutschem Recht ist daher nicht die Notierung, sondern die börsenrechtliche Zulassung der Wertpapiere zum regulierten Markt.6 In Folge der Beendigung der Börsenzulassung entfällt die Börsennotierung automatisch.7 Ein Delisting liegt daher nicht bereits vor, wenn die Geschäftsführung der jeweiligen Börse den Handel gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BörsG aussetzt oder gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BörsG einstellt.8 Aussetzung bzw. Einstellung des Handels führen lediglich zu einer Aussetzung der Notierung. Hierbei handelt es sich im Gegensatz zu einem Delisting um bloß vorübergehende Maßnahmen. Somit beschreibt ein Delisting den Rückzug einer Aktiengesellschaft von der Börse durch Beendigung der Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel.9

B. Erscheinungsformen des Delistings I. Reguläres Delisting Wenn heute von einem Delisting gesprochen wird, so ist damit der Rückzug einer Aktiengesellschaft vom regulierten Markt nach börsenrechtlichen Bestimmungen auf Antrag des Emittenten nach § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG10 gemeint. Ein Delisting nach § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG wird auch als „reguläres Delisting“11, „freiwilliges Delisting“12, „echtes Delisting“13 oder „Delisting im engeren Sinne“14 bezeichnet.15 5

Keinath, Taking-Private-Optionen für Private-Equity-Investoren, 2010, S. 9; Radtke, Delisting, 1998, S. 37. 6 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 2; Radtke, Delisting, 1998, S. 17 ff., 36 f. 7 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 2; Groß, in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 11; ders., ZHR 165 (2001), 141, 145. 8 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459; Willamowski, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2014, § 39 BörsG Rn. 4. 9 Groß, ZHR 165 (2001), 141, 145; ders., in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 11; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 739 f.; Willamowski, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2014, § 39 BörsG Rn. 4. 10 Eingeführt zum 1. 4. 1998 durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 24. 3. 1998 (BGBl. I, S. 529). Neufassung durch Art. 2 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 16. 7. 2007 (BGBl. I, S. 1330) und zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 20. 11. 2015 (BGBl. I S. 2029). Der heutige § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG entspricht § 38 Abs. 4 S. 1 BörsG (2002) bzw. § 43 Abs. 4 S. 1 BörsG (1998). 11 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 460; Wackerbarth, WM 2012, 2077; Walz, in: Schüppen/ Schaub (Hrsg.), Münchener Anwalts-Handbuch Aktienrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 5. 12 Roßkopf, ZGR 2014, 487, 488.

B. Erscheinungsformen des Delistings

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Ein reguläres Delisting ermöglicht es dem Emittenten, auf seinen Antrag hin einen vollständigen oder teilweisen Börsenrückzug vom regulierten Markt zu erreichen. Nach § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG kann der Emittent bei den Börsengeschäftsführungen derjenigen Börsen, an denen die Aktie zum Handel zugelassen ist, einen Antrag auf Widerruf der Zulassung der von ihm emittierten Wertpapiere zum Handel im regulierten Markt stellen. 1. Zulassung und Widerruf der Zulassung von Aktien zum Börsenhandel Der regulierte Markt ist öffentlich-rechtlich organisiert. Wertpapiere, die im regulierten Markt gehandelt werden sollen, bedürfen daher der Zulassung durch die Geschäftsführung der jeweiligen Börse, vgl. § 32 Abs. 1 BörsG. Die Zulassung der emittierten Aktien zum Börsenhandel erfolgt durch einen Verwaltungsakt16 der Geschäftsführung der jeweiligen Börse. Die Zulassung begründet ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis und beinhaltet die öffentlichrechtliche Erlaubnis, für den Handel mit den zugelassenen Aktien die Börseneinrichtungen der jeweiligen Börse zu nutzen.17 Das deutsche Börsensystem ist regional organisiert18. Es gibt daher keine zentrale Zulassungs- oder Verwaltungsstelle.19 Mit der Zulassung an einer Börse ist die Aktie nicht für den gesamten Börsenhandel in

13 Koch, in: Hüffer, Aktiengesetz, 11. Aufl., 2014, § 119 AktG Rn. 30; Kubis, in: Goette/ Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 86; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 119 AktG Rn. 49. 14 Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 742. 15 Die Begriffe Delisting und Going Private werden oft synonym verwendet, vgl. Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 61 Rn. 1. Sofern heute von einem „Going Private“ gesprochen wird, ist damit meist ein vollständiger Börsenrückzug vom regulierten Markt gemeint, siehe nur ders., in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 1. Teilweise wird unter einem „Going Private“ aber auch weitergehend der gesamte Umstrukturierungsprozess verstanden, der schließlich zu einem Delisting führen kann, also insbesondere die dem eigentlichen Delisting vorgeschalteten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, vgl. etwa Even/Vera, DStR 2002, 1315, 1316 (vollständige Übernahme eines börsennotierten Unternehmens mit anschließender Einstellung der Börsennotiz); Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 45 (neben Delisting grundlegende Neustrukturierung der gesellschaftsrechtlichen Eigentumsverhältnisse). 16 VG Frankfurt, Beschl. v. 25. 3. 2013 – 2 L 1073/13.F, AG 2013, 847 Rn. 15; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 147; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 488. 17 Groß, ZHR 165 (2001), 141, 146 f.; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 32 BörsG Rn. 17. 18 Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 741. 19 Zu den Überlegungen der Schaffung einer gemeinsamen Zulassungsstelle mehrerer Börsen vgl. Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 287, 412 ff.; kritisch hierzu Hellwig, ZGR 1999, 781, 796 f.

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2. Kap.: Definition und Erscheinungsformen des Delistings

Deutschland zugelassen. Vielmehr ist diese auf die jeweilige Börse beschränkt und muss für jede Börse, an der die Aktie gehandelt werden soll, eigens beantragt werden. Als actus contrarius zur Zulassung erfolgt der Widerruf durch die Geschäftsführung der jeweiligen Börse ebenfalls in der Form eines Verwaltungsaktes.20 Der Widerruf der Zulassung von Wertpapieren zum Handel im regulierten Markt ist gesetzlich in § 39 Abs. 1 und Abs. 2 BörsG geregelt. Beide Absätze stellen den Widerruf ins Ermessen der Geschäftsführung der jeweiligen Börse („kann“).21 Durch den Widerruf wird das durch die Zulassung begründete öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnis zwischen Börse und Emittent beendet.22 Damit erlischt die Erlaubnis zur Nutzung der Börseneinrichtungen. Der Widerruf ist in seiner räumlichen Reichweite allerdings beschränkt und erfasst nur die Börse(n), bei deren Geschäftsführung der Widerruf beantragt wurde.23 Ist ein Wertpapier an mehreren Börsen zugelassen, und wird der Widerruf nur an einer Börse beantragt, bleibt die Börsenzulassung an den übrigen Börsen bestehen. Dies gibt dem Emittenten die Möglichkeit, den Umfang des Delistings zu steuern.24 2. Intensitätsstufen des regulären Delistings Ein reguläres Delisting nach § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG auf Antrag des Emittenten kann in verschiedenen Intensitätsstufen erfolgen. Allen ist gemeinsam, dass ein Widerruf der Börsenzulassung zum Handel der Aktien im regulierten Markt an mindestens einer Börse erfolgt. Unterscheidungskriterium ist der Fortbestand der Zulassung an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG. Hiernach ist ein organisierter Markt ein Markt (im In- oder Ausland25), der durch staatliche Stellen genehmigt, geregelt und überwacht wird und einer Vielzahl von Personen Kaufabschlüsse über zum Handel zugelassene Finanzinstrumente nach festgelegten Bestimmungen ermöglicht.

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Groß, in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 14. Zum Ermessensspielraum der Börsengeschäftsführung im Rahmen der Widerrufsentscheidung siehe ausführlich Kapitel 7 B. 22 VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 2. 11. 2001 – 9 G 3103/01 V, AG 2003, 218; Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 61 Rn. 1; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 151; ders., in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 14. 23 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 4; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 92. 24 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 4. 25 Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. 21

B. Erscheinungsformen des Delistings

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a) Vollständiges Delisting Ein reguläres Delisting nach § 39 Abs. 2 BörsG kann in der Form eines vollständigen Delistings erfolgen. Ein vollständiges Delisting liegt vor, wenn sich die Aktiengesellschaft vollständig von jedem Börsenplatz, also von allen in-und ausländischen organisierten Märkten im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG zurückzieht.26 Das vollständige Delisting wird auch als „klassisches Delisting“27 oder „Totaldelisting“28 bezeichnet. Ein vollständiger Börsenrückzug wird auch als „Going Private“ oder „Going Dark“ bezeichnet.29 Für einen vollständigen Börsenrückzug ist notwendig, dass der Widerruf der Börsenzulassung bei jeder Börse, an der eine Zulassung besteht, beantragt wird. b) Partielles Delisting Bei einem lediglich partiellen Rückzug von einzelnen Börsen bei Aufrechterhaltung der Zulassung an mindestens einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG spricht man von einer „Börsenplatzreduktion“, einem „partiellen Delisting“ oder einem „teilweisen Delisting“.30 Ein solches liegt etwa dann vor, wenn sich eine an mehreren Standorten zum Handel zugelassene Aktiengesellschaft nur von einzelnen inländischen Börsen zurückzieht. Erfasst hiervon sind aber auch Fälle, in denen sich eine Aktiengesellschaft von allen inländischen Börsen zurückzieht, aber eine Zulassung an einem organisierten Markt im Ausland aufrechterhält.31 c) Downlisting Unter einem Downlisting ist der Rückzug vom regulierten Markt unter gleichzeitiger Beibehaltung bzw. Neubegründung einer Notierung im Freiverkehr, also ein Wechsel vom regulierten Markt in den Freiverkehr, zu verstehen.32 Der Freiverkehr ist im Gegensatz zum regulierten Markt nicht öffentlich-rechtlich, sondern privat26

Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 106. Paschos/Klaaßen, ZIP 2013, 154. 28 Roßkopf, ZGR 2014, 487, 489. 29 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 11; Pfüller/Anders, NZG 2003, 459; Wackerbarth, WM 2012, 2077. 30 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 11; Paschos/Klaaßen, ZIP 2013, 154; Stöber, BB 2014, 9; Walz, in: Schüppen/Schaub (Hrsg.), Münchener Anwalts-Handbuch Aktienrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 4. 31 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 460; Walz, in: Schüppen/Schaub (Hrsg.), Münchener Anwalts-Handbuch Aktienrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 4. 32 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2257 (Rn. 15) („Frosta“); Paschos/Klaaßen, ZIP 2013, 154; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 489; Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807, 813; Wackerbarth, WM 2012, 2077, 2081. 27

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2. Kap.: Definition und Erscheinungsformen des Delistings

rechtlich organisiert.33 Der Freiverkehr ist kein organisierter Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG; die lediglich im Freiverkehr gelistete Aktiengesellschaft ist auch keine börsennotierte Gesellschaft im Sinne des § 3 Abs. 2 AktG. Daher handelt es sich um ein unterschiedliches Börsensegment. Die Herabstufung in den Freiverkehr wird teilweise auch als „Downgrading“ bezeichnet.34

II. Kaltes Delisting Ein auf gesellschafts- oder umwandlungsrechtlichem Weg herbeigeführte Beendigung der Börsenzulassung wird als kaltes Delisting bezeichnet.35 Bei einem kalten Delisting handelt es sich um kein Delisting im Sinne des § 39 BörsG, weswegen auch der Begriff des „unechten Delistings“36 verwendet wird. Bei einem kalten Delisting geht es um Fälle, in denen der Emittent ein Delisting als Nebenfolge der Umsetzung bestimmter gesellschafts- und umwandlungsrechtlicher Strukturmaßnahmen herbeiführt.37 Hierzu nimmt der Emittent Umstrukturierungen der Aktiengesellschaft auf gesellschaftsrechtlicher Ebene vor, die auf

33 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 7. Aufl., 2014, Rn. 121; Meyer, in: Marsch-Barner/ Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 7 Rn. 48; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 489. 34 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08 (MVS/Lindner), Rn. 3, 10, 69; Goetz, BB 2012, 2767; Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 26 f. Richtigerweise beschreibt ein Downgrading aber den Wechsel von einem über- in einen untergeordneten Standard des regulierten Marktes, Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 11; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 743 f. (noch zum Wechsel vom amtlichen in den geregelten Markt); Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807, 813; Stöber, BB 2014, 9; Wackerbarth, WM 2012, 2077, 2081. § 42 Abs. 1 BörsG gestattet den Börsen in ihren jeweiligen Börsenordnungen Teilbereiche des regulierten Marktes einzurichten, in denen zusätzliche Voraussetzungen gelten. Die Frankfurter Wertpapierbörse hat zwei Teilbereiche des regulierten Marktes mit unterschiedlichen Zulassungsfolgepflichten geschaffen: den General Standard, in dem die gesetzliches (Mindest-)Anforderungen gelten und den Prime Standard, der weitere Zulassungsfolgepflichten vorsieht. Ein Downgrading beschreibt daher etwa den Wechsel vom Prime Standard in den General Standard der Frankfurter Wertpapierbörse. 35 Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 105; Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 460; siehe hierzu auch Funke, Minderheitenschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2005. 36 Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 86; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 119 AktG Rn. 49. 37 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 61 Rn. 1; Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 40 Rn. 1; Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645, 659; Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 86.

B. Erscheinungsformen des Delistings

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indirektem Weg zu einer Beendigung der Zulassung zum Börsenhandel führen, da die Voraussetzungen für die Börsenzulassung entfallen.38 Die Strukturmaßnahmen, durch die ein kaltes Delisting erreicht werden kann, lassen sich in zwei Kategorien einteilen: in Strukturmaßnahmen, die zu einer Vereinigung aller Anteile in einer Hand führen und in solche, die eine Überleitung in eine nicht börsenfähige Gesellschaftsform bewirken.39 Im Ergebnis führt beides dazu, dass sich entweder der Verwaltungsakt der Zulassung zum Handel ipso iure erledigt oder der Widerruf der Zulassung von Amts wegen durch die Geschäftsführung der Börse gemäß § 39 Abs. 1 BörsG wegen einer Ermessensreduktion auf Null vorgenommen werden muss. Die Vereinigung aller Anteile in einer Hand kann durch einen aktienrechtlichen oder übernahmerechtlichen Squeeze-Out nach §§ 327a ff. AktG bzw. §§ 39a ff. WpÜG oder die Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss nach §§ 320 ff. AktG erreicht werden. Voraussetzung ist jedoch, dass ein Mehrheitsaktionär mit einer Beteiligungsquote von mehr als 95 % existiert.40 Wegen der Konzentration der Anteile in einer Hand kann kein ordnungsgemäßer Börsenhandel mehr stattfinden, sodass die Börsenzulassung gemäß § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG von Amts wegen zu widerrufen ist.41 Eine Überleitung der Aktiengesellschaft in eine nicht börsenfähige Gesellschaftsform kann durch einen Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG erfolgen. Zielrechtsform eines Formwechsels sind typischerweise die GmbH und die GmbH & Co. KG.42 Der Formwechsel bewirkt, dass die Aktien der formwechselnden Aktiengesellschaft nicht mehr bestehen, vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Die Zulassung zum Börsenhandel erledigt sich durch den Wegfall der Aktien ipso iure.43 Gleiches gilt für eine Verschmelzung in eine nicht börsenfähige Gesellschaftsform gemäß §§ 2 ff. UmwG, die Aufspaltung auf mehrere nicht börsenfähige Gesellschaften gemäß §§ 123 ff. UmwG oder die übertragende Auflösung gemäß §§ 179a, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG.44 38

Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 805; Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., 2014, S. 312; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 105. 39 Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 805. 40 Dies., BB 2003, 797, 805. 41 Grunewald, ZIP 2004, 542; Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 40 Rn. 27; Picot, Die Rechte der Aktionäre beim Delisting börsennotierter Gesellschaften, 2009, S. 13; aA für eine Erledigung ipso iure: Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 805; Pluskat, BKR 2007, 54, 55; Schlitt, ZIP 2004, 533, 540. 42 Even/Vera, DStR 2002, 1315, 1317. 43 Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 805; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 149; Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 654; Pluskat, BKR 2007, 54, 55; dies., WM 2002, 833. 44 Groß, ZHR 165 (2001), 141, 149 für Formwechsel, Verschmelzung und Aufspaltung, 150 f. für die übertragende Auflösung; Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 40 Rn. 28 f.; Pluskat, BKR 2007, 54, 55; dies., WM 2002, 833; Schlitt, ZIP 2004, 533, 540.

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2. Kap.: Definition und Erscheinungsformen des Delistings

III. Delisting von Amts wegen, § 39 Abs. 1 BörsG Ein Widerruf der Börsenzulassung zum regulierten Markt durch die Geschäftsführung der jeweiligen Börse kann nach § 39 Abs. 1 BörsG auch von Amts wegen erfolgen. Ein solches Delisting wird auch als „Zwangsdelisting“ bezeichnet.45 Nach § 39 Abs. 1 BörsG kann die Börsenzulassung neben einem Widerruf nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz nach § 39 Abs. 1 Var. 1 BörsG in zwei börsengesetzlich geregelten Fällen widerrufen werden. 1. Widerruf bei dauerhafter Notierungseinstellung, § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG Nach § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG ist ein Widerruf möglich, wenn sich die Gründe, die zu einer Einstellung der Notierung nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 BörsG geführt haben, als dauerhaft erweisen.46 Dies ist dann der Fall, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist. Ein ordnungsgemäßer Börsenhandel kann etwa bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens des Emittenten oder bei geringen Börsenumsätzen und einem „ausgetrockneten Markt“ nicht mehr gewährleistet sein.47 Der Widerruf der Börsenzulassung nach § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG ist der zweite Schritt in einem gestuften Verfahren: Zunächst kann bei einer mittelfristig schlechten Prognose die Einstellung der Notierung nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 BörsG erfolgen. Ist dann auch die weitere Prognose für eine Wiederaufnahme des Handels schlecht, kann die Börsenzulassung nach § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG widerrufen werden.48 2. Widerruf bei Nichterfüllung der Emittentenpflichten, § 39 Abs. 2 Var. 3 BörsG Erfüllt der Emittent auch nach einer ihm gesetzten angemessenen Frist die Zulassungsfolgepflichten nicht, kann die Börsengeschäftsführung die Zulassung gemäß § 39 Abs. 2 Var. 3 BörsG widerrufen. Bei gezielter Vernachlässigung der Zulassungsfolgepflichten kann sich das der Geschäftsführung gegebene Ermessen „auf Null“ reduzieren.49 45

Maas, Zwangsdelisting und Anlegerschutz, 2009, S. 58 ff. Groß, ZHR 165 (2001), 141, 151; ders., in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 7. 47 Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 743; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 9, 10; Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613, 1619. 48 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 5. 49 Dies., in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 9; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 742 f. 46

C. Themeneingrenzung

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Damit bietet § 39 Abs. 2 Var. 3 BörsG einem das Delisting anstrebenden Emittenten die Möglichkeit, durch bewusste Pflichtverstöße die Voraussetzungen für einen Widerruf der Börsenzulassung von Amts wegen selbst herbeizuführen.50 Als Alternative zu einem regulären Delisting ist dieses Vorgehen für einen Emittenten jedoch nur bedingt geeignet. Der Widerruf liegt im Ermessen der Geschäftsführung der jeweiligen Börse, sodass bei einer Zulassung an mehreren Börsen unklar ist, ob und wann die jeweilige Geschäftsführung die Zulassung widerruft.51 Die Nichtbeachtung einzelner Pflichten des WpHG oder der Marktmissbrauchsverordnung (MAR)52 stellt gemäß § 39 Abs. 2 WpHG eine Ordnungswidrigkeit dar. Zudem sind zivilrechtliche Ansprüche gegen den Emittenten denkbar.53 Mit der öffentlichen Pflichtverletzung dürfte für die Aktiengesellschaft schließlich ein Reputationsverlust einhergehen, der unabsehbare Folgen für die weitere wirtschaftliche Geschäftsentwicklung haben kann.54

C. Themeneingrenzung Gegenstand der Arbeit ist das reguläre Delisting nach § 39 Abs. 2 BörsG und die sich durch die Neuregelung des Anlegerschutzes stellenden Praxisprobleme. Nicht untersucht wird der Anlegerschutz bei einem kalten Delisting oder einem Delisting von Amts wegen. Bei einem kalten Delisting stellen sich Fragen des Anlegerschutzes nicht bei der Beendigung der Börsenzulassung, sondern bereits bei der vorgeschalteten Strukturmaßnahme, deren Umsetzung zur Beendigung der Börsenzulassung führt. Fragen des Anlegerschutzes bei einem Delisting von Amts wegen können erst dann geklärt werden, wenn Reichweite und Umfang des Anlegerschutzes bei regulärem Delisting hinreichend beantwortet sind.

50 Radtke, Delisting, 1998, S. 40 f.; Schlitt, ZIP 2004, 533, 540; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 115. 51 Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 29; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 116. 52 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung, im Folgenden: MAR („Market Abuse Regulation“) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 173 v. 12. 6. 2014, 1. Umfassend zur MAR siehe Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593 ff. Die MAR ist am 2. 7. 2014 in Kraft getreten. Sie gilt im Wesentlichen seit dem 3. 7. 2016 unmittelbar in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Art. 39 MAR. 53 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 10; Radtke, Delisting, 1998, S. 41; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 116. 54 Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 66; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 116.

Drittes Kapitel

Interessenkonflikte bei Delisting A. Initiatoren eines Delistings Zuständig für die Einreichung des Antrags auf Widerruf der Börsenzulassung gemäß § 39 Abs. 2 BörsG ist wegen seiner umfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis (§§ 78 Abs. 1 S. 1, 82 Abs. 1 AktG) der Vorstand der Aktiengesellschaft.1 Initiatoren eines Delistings können neben dem Vorstand der Aktiengesellschaft aber auch ein oder mehrere Mehrheitsaktionär(e) sein. Letztere sind in der Praxis meist treibende Kraft hinter einem Börsenrückzug. Zwar ist der Vorstand der Aktiengesellschaft als Leitungsorgan unabhängig und entscheidet allein über die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft, vgl. § 76 Abs. 1 AktG. Trotzdem kann der Mehrheitsaktionär über seine Mehrheit in der Hauptversammlung und über die Besetzung des Aufsichtsrates entscheidenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Aktiengesellschaft nehmen. Zwar haben Hauptversammlung und Aufsichtsrat kein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand.2 Der Vorstand wird ein unternehmerisches Konzept aber nicht gegen den Willen der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats umsetzen, da sonst ein erhebliches Konfliktpotential droht. Daher erfolgt in der Praxis regelmäßig eine Abstimmung zwischen Vorstand und Mehrheitsaktionär über das unternehmerische Konzept und die strategische Ausrichtung der Gesellschaft.3 Hierzu gehört auch die Entscheidung über ein Delisting.

B. Motive und Interessen bei einem Delisting I. Gründe für Delisting Für ein Delisting gibt es viele denkbare Gründe. Im Folgenden sollen verschiedene Motive aufgeführt werden, die aus wirtschaftlicher Sicht ein Delisting als sinnvoll erscheinen lassen können. Die im konkreten Fall zu einem Delisting füh1

Groß, in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 23a. Siehe nur Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 19 Rn. 12. 3 Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 80. 2

B. Motive und Interessen bei einem Delisting

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renden Gründe sind abhängig von der Situation der jeweiligen Aktiengesellschaft. Dabei ist zu beachten, dass ein Motiv allein kaum zu einem Rückzug von der Börse führen wird. Ein Börsenrückzug wird die Folge eines Zusammenspiels mehrerer Motive sein. Die Gewichtung der einzelnen Aspekte ist dabei abhängig von der Lage des jeweiligen Unternehmens. 1. Wegfall der Finanzierungsfunktion Ein Börsenrückzug ist dann besonders naheliegend, wenn die Aktiengesellschaft auf die Finanzierungsfunktion der Börse nicht mehr angewiesen ist oder diese faktisch nicht mehr nutzen kann (sogenannte „funktionslose Börsennotiz“4). a) Deckung des Kapitalbedarfs auf andere Weise Die Kapitalbeschaffungsfunktion des Kapitalmarkts entfällt, wenn eine Aktiengesellschaft ihren Kapitalbedarf auf andere Weise decken kann. Grund hierfür kann zum einen ein geringerer Finanzbedarf der Gesellschaft sein, zum Beispiel da kein weiteres Wachstum angestrebt wird oder dieses aus dem eigenen Cash Flow finanziert werden kann.5 Zum anderen kann die Notwendigkeit der Finanzierung über den Kapitalmarkt wegen hoher Eigenfinanzierungskraft oder einer komfortablen Finanzausstattung wegfallen.6 Grund hierfür kann zum Beispiel der Einstieg eines finanzstarken Investors oder Großaktionärs sein.7 b) Unterbewertete Aktien Die Finanzierungsfunktion des Kapitalmarkts fällt für eine Aktiengesellschaft faktisch auch dann weg, wenn sie dauerhaft unter einem niedrigen Börsenkurs und einer Unterbewertung leidet.8 Bei unterbewerteten Aktien ist der ursprüngliche Zweck der Börsenzulassung, die erleichterte und günstige Aufnahme von Eigen-

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Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 460; Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613, 1319 f. Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 10; Land/ Hasselbach, DB 2000, 557; Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613, 1619. 6 Oetker/Heise, in: Richard/Weinheimer (Hrsg.), Handbuch going private, 2002, S. 351, 357. 7 Siehe beispielhaft den Vortrag der beigeladenen Aktiengesellschaft in VG Düsseldorf, Beschl. v. 7. 8. 2015, Az 20 L 2589/15, ZIP 2015, 1733 ff., Vortrag abrufbar über BeckRS 2015, 49819: „Durch die fortschreitende Integration des Unternehmens in den X-Konzern eröffneten sich neue Finanzierungsmöglichkeiten, die eine Finanzierung über den Kapitalmarkt überflüssig machten.“ 8 Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 102 f.; Land/Hasselbach, DB 2000, 557; Richard, in: Richard/Weinheimer (Hrsg.), Handbuch going private, 2002, S. 23, 26; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 72 f. 5

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3. Kap.: Interessenkonflikte bei Delisting

kapital durch Kapitalerhöhungen9, für die Aktiengesellschaft nicht mehr wirtschaftlich durchführbar.10 In einer solchen Situation können alternative Finanzierungsformen, wie etwa der Rückgriff auf Private Equity oder stille Beteiligungen, für die Aktiengesellschaft erfolgsversprechender sein.11 c) Keine oder schwache Analystenabdeckung12 Insbesondere bei Werten, die nicht durch einen Auswahl- oder Branchenindex (etwa DAX, TecDAX, MDAX, SDAX) erfasst sind, erfolgt oftmals keine qualifizierte Analystenabdeckung.13 Eine fehlende Analystenabdeckung kann zur Folge haben, dass die Gesellschaft nicht mehr im Blickfeld der Öffentlichkeit steht.14 Dies kann zu einem Rückgang des Marktinteresses in die Aktien und in der Folge zu einer negativen Entwicklung des Börsenkurses führen, was wiederum die Finanzierungsmöglichkeiten der Aktiengesellschaft am Kapitalmarkt erheblich einschränkt. 2. Kostenreduzierung durch Vermeidung der Kosten der Börsenzulassung Vor allem bei kleineren und mittelständischen Aktiengesellschaften kann ein weiteres Motiv für ein Delisting in der Kostenreduzierung liegen.15 Die Reduzierung des Kosten- und Verwaltungsaufwands wurde bei den jüngst angekündigten bzw. erfolgten Delistings regelmäßig als ein Grund für den Börsenrückzug genannt.16 Die laufenden Kosten der Börsenzulassung umfassen alle Aufwendungen, die unmit9

Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 226; Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl., 2012, § 2 Rn. 4. Oetker/Heise, in: Richard/Weinheimer (Hrsg.), Handbuch going private, 2002, S. 351, 357; Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 102 f. 11 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 461. 12 Dies., NZG 2003, 459, 461 weisen darauf hin, dass auch eine zu starke Beachtung durch Analysten oder die Öffentlichkeit nachteilig sein kann. 13 Dies., NZG 2003, 459, 461. Zur Bedeutung einer Analystenabdeckung für die Bewertung einer Aktie siehe Deutsches Aktieninstitut, Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts zu Delisting und Spruchverfahren – Anfrage des Bundesverfassungsgerichtes 1 BvR 3142/07, 2010, S. 2; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 226. 14 Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 226; Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 461. 15 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 10; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 880; Glienke/Röder, BB 2014, 899, 900; Pfüller/ Anders, NZG 2003, 459, 460 f.; Stöber, BB 2014, 9, 10. 16 Siehe beispielhaft nur Analytik Jena AG, Ad hoc Mitteilung vom 18. 9. 2014, abrufbar unter http://www.analytik-jena.de/de/unternehmen/presse/pressemeldungen/aktuelles/article/de tail/ad-hoc-mitteilung-nach-15-wphg-antrag-auf-delisting.html; OnVista AG, Ad hoc Mitteilung vom 27. 11. 2014 , abrufbar unter http://www.onvista-group.de/de/investor-relations/adhoc-mitteilungen/adhoc-2014/db-presse-artikel-ad-hoc-mitteilungen-2014.html; Württembergische Lebensversicherung AG, Ad hoc Mitteilung vom 10. 12. 2014, abrufbar unter http:// www.ww-ag.com/de/artikel_170095.html (sämtlich zuletzt abgerufen am 6. 11. 2015). 10

B. Motive und Interessen bei einem Delisting

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telbar mit der Börsenzulassung zusammenhängen. Hierbei kann zwischen verschiedenen Kostenpositionen unterschieden werden. a) Notierungsgebühren Für die Notierung in den regulierten Marktsegmenten der Börsen fallen auf der Grundlage von § 17 Abs. 1 Nr. 5 BörsG jährliche Notierungsgebühren an. An der Frankfurter Wertpapierbörse betragen diese nach § 15 Abs. 2 i.V.m. Tabelle VIII GebührenO FWB für den General Standard des regulierten Marktes EUR 7.500 und für den Prime Standard EUR 10.000 jährlich. b) Kostenbelastung durch Zulassungsfolgepflichten Erheblicher sind die Kosten, die der börsennotierten Aktiengesellschaft durch die Befolgung der Zulassungsfolgepflichten entstehen. Eine Börsenzulassung ist mit nicht unerheblichen Zulassungsfolgepflichten verbunden, die zu einem hohen personellen, organisatorischen und finanziellen Aufwand der Gesellschaft führen.17 Die börsennotierte Aktiengesellschaft unterliegt vielfältigen Informations-, Publizitätsund Veröffentlichungspflichten. aa) Kapitalmarktrechtliche Zulassungsfolgepflichten Anknüpfungspunkt der kapitalmarktrechtlichen Informations-, Publizitäts- und Veröffentlichungspflichten ist die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel im regulierten Markt. §§ 37v – 37z WpHG stellen inhaltliche und formelle Vorgaben für die regelmäßige Finanzberichterstattung (Regelpublizität) von Inlandsemittenten auf. Ein Inlandsemittent ist nach § 37v Abs. 1 WpHG verpflichtet, einen Jahresfinanzbericht mit den in § 37v Abs. 2 WpHG genannten Mindestanforderungen zu erstellen und spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres zu veröffentlichen18. Zudem ist die börsennotierte Aktiengesellschaft verpflichtet, innerhalb des Geschäftsjahres mindestens einen Halbjahresfinanzbericht nach § 37w Abs. 1 WpHG zu erstellen und zu veröffentlichen. Die in § 37x Abs. 1 WpHG aF geregelte Pflicht zur Veröffentlichung von Zwischenmitteilungen (z. B. Quartalsmitteilungen) wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie abgeschafft. Nach der nunmehr in Art. 17 MAR geregelten Ad-hoc-Publizität ist die börsennotierte Aktiengesellschaft verpflichtet, sie unmittelbar betreffende Insiderinformationen so bald wie möglich zu veröffentlichen. Bei einer börsennotierten 17

Harrer/Heidemann, DStR 1999, 254. Für Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland folgt die Pflicht zur Offenlegung der in dem Jahresfinanzbericht enthaltenen Informationen regelmäßig bereits aus handelsrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus § 325 HGB. 18

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3. Kap.: Interessenkonflikte bei Delisting

Aktiengesellschaft ist die Beteiligungspublizitätspflicht gemäß §§ 21 ff. WpHG einzuhalten, sodass derjenige, der anteilsmäßig bestimmte Schwellenwerte überoder unterschreitet, dies der Aktiengesellschaft und der BaFin mitzuteilen hat. Nach § 26 WpHG hat sie bei Über- oder Unterschreitung bestimmter Schwellenwerte den Erwerb oder die Veräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 AktG zu veröffentlichen. Art. 19 MAR enthält die Pflicht zur Veröffentlichung und zur Mitteilung von Geschäften von Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen, sog. Directors’ Dealings. Für die Überwachung der im WpHG und der MAR geregelten Zulassungsfolgepflichten ist die BaFin zuständig, § 4 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3b WpHG. Die BaFin tendiert jüngst zu einer schärferen Kontrolle und einer immer restriktiveren Auslegung.19 Zahlreiche Rückfragen oder Beanstandungen seitens der BaFin wegen unrichtiger oder verspäteter Ad hoc-Mitteilungen führen insbesondere bei kleineren Aktiengesellschaften zu einer erheblichen Belastung.20 bb) Aktienrechtliche Sonderbestimmungen für börsennotierte Aktiengesellschaften Mit der Zulassung zum Handel ihrer Aktien im regulierten Markt ist die Aktiengesellschaft börsennotiert im Sinne des § 3 Abs. 2 AktG. Sie unterliegt damit auch im Aktienrecht einer Reihe von Sondervorschriften. Bedeutende Pflichten sind etwa die nach § 161 AktG jährlich abzugebende Entsprechungserklärung zum Corporate Governance Kodex, die sich aus § 130 Abs. 1 S. 1 und S. 3 AktG ergebende Pflicht einer notariellen Beurkundung des Hauptversammlungsprotokolls oder der sich aus § 110 Abs. 3 AktG ergebende zwingende halbjährliche Sitzungsturnus des Aufsichtsrats.21 c) Gesteigerte Rechnungslegungsvorschriften nach HGB Eine börsennotierte Aktiengesellschaft ist kapitalmarktorientiert iSd § 264d HGB. Damit gelten für sie größenunabhängig die gesteigerten Rechnungslegungsvorschriften für große Kapitalgesellschaften, §§ 267 Abs. 3 S. 2, 264d HGB. Dies hat

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Schmitt/Süßmann, BB 2014, 1451. Dies., BB 2014, 1451. 21 Zu weiteren nur börsennotierte Aktiengesellschaften betreffenden Regeln siehe beispielhaft § 87 Abs. 1 AktG zu den Vorstandsbezügen, § 93 Abs. 6 AktG zur Verjährungsfrist bei der Vorstandshaftung, § 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG zum Wechsel eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat, §§ 121 ff. zu den Einberufungsvorschriften für die Hauptversammlung. Einen umfassenden Überblick gibt Göckeler, in: Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl., 2009, § 26 Rn. 15 ff. 20

B. Motive und Interessen bei einem Delisting

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zur Folge, dass bei Aufstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses keine Erleichterungen22 in Anspruch genommen werden können.23 Nach § 316 Abs. 1 HGB muss der Jahresabschluss und der Lagebericht einer börsennotierten Aktiengesellschaft durch einen Abschlussprüfer geprüft werden. Zusätzlich zu den Kosten für die gesteigerten Anforderungen der Rechnungslegung treffen die börsennotierte Aktiengesellschaft daher Kosten für die gesetzlich vorgesehene Abschlussprüfung.24 d) Opportunitätskosten und Investor Relations Besonders kostenintensiv sind auch die eine börsennotierte Aktiengesellschaft treffenden Opportunitätskosten. Diese entstehen insbesondere aus der zeitlichen Inanspruchnahme des Managements für börsenbedingte Tätigkeiten, insbesondere der Pflege der Investor Relations.25 Investor Relations erfassen alle Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der börsennotierten Aktiengesellschaft, die sich an die gegenwärtigen und potentiellen Anleger richten.26 Sie betreffen den Informations- und Meinungstransfer zwischen Emittent und Anleger. Hierunter fällt neben der Veröffentlichung der Pflichtberichte auch die Versendung von Aktionärsbriefen, Unternehmensbroschüren und Pressemitteilungen, die Pflege des Internetauftritts sowie die ggf. persönliche Ansprache der Aktionäre bzw. Analysten auf Hauptversammlungen und Aktionärsmessen.27 e) Kostenbezifferung Eine allgemeine Bezifferung der aus der Börsenzulassung folgenden Kosten ist nicht möglich, da die einzelnen Kostenpositionen stark von der Größe der jeweiligen Aktiengesellschaft und der Anzahl der Aktionäre abhängen. Da im Rahmen der 22

Für börsennotierte Aktiengesellschaften gelten daher nicht die größenabhängigen Erleichterungen der §§ 266 Abs. 1 S. 3, 274a HGB hinsichtlich der Bilanz, des § 276 HGB hinsichtlich der Gewinn- und Verlustrechnung, des § 288 HGB hinsichtlich des Anhangs, § 264 Abs. 1 S. 4 HGB hinsichtlich der Befreiung vom Lagebericht, und der §§ 325 ff. HGB hinsichtlich der Offenlegung. Die börsennotierte Aktiengesellschaft ist nicht von der Aufstellung eines Konzernabschlusses und dessen Offenlegung befreit, § 293 Abs. 5 HGB. 23 Göckeler, in: Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl., 2009, § 26 Rn. 31. 24 Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl., 2012, § 10 Rn. 255. 25 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 461; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 57; Volk, FB 2000, 318, 322. Es wird davon ausgegangen, dass börsenbedingte Tätigkeiten bis zu 50 % der Arbeitszeit von Vorständen in Anspruch nehmen können, Richard, in: Richard/ Weinheimer (Hrsg.), Handbuch going private, 2002, S. 23, 30. 26 Ekkenga, NZG 2001, 1. 27 Ders., NZG 2001, 1; einen Überblick über Investor Relations-Maßnahmen gibt Jäger, NZG 2000, 186, 187 ff.

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3. Kap.: Interessenkonflikte bei Delisting

Zulassungsfolgepflichten jedoch keine größenabhängigen Erleichterungen bestehen, sind die Kosten für die Aufrechterhaltung der Börsenzulassung für kleinere börsennotierte Unternehmen relativ viel höher als für größere börsennotierte Unternehmen.28 Für größere Aktiengesellschaften werden Zulassungskosten in einem Bereich von 0,5 Mio. bis 2 Mio. EUR pro Jahr genannt.29 Für kleinere und mittlere Unternehmen wird das Einsparpotential einer Notierung im Freiverkehr statt im regulierten Markt auf mindestens EUR 100.000 jährlich geschätzt.30 Beispielhaft hat eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital in Höhe von EUR 2.800.000 die Kosten der Börsennotierung mit etwa EUR 100.000 jährlich angegeben.31 Im Fall der Macrotron AG beliefen sich die Kosten der Börsennotierung mit DM 340.000 (ca. EUR 174.000) pro Jahr auf 16 % des Bilanzgewinns und 77 % der Dividendenzahlungen eines Geschäftsjahres.32 3. Änderungen in der Aktionärsstruktur und Konzerneinbindung Eine Konzerneinbindung eröffnet der Gesellschaft neue Finanzierungsmöglichkeiten, sodass sie oftmals nicht mehr auf die Finanzierung über den Kapitalmarkt angewiesen ist.33 Zudem streben Konzerne aus strategischen Gründen meist eine ausschließliche Börsenzulassung der Muttergesellschaft, nicht aber der Tochtergesellschaften an.34 Infolge der Konzernierung bringt das Tochterunternehmen sein wirtschaftliches Potenzial in den Gesamtkonzern ein, oft ohne an den daraus für den Gesamtkonzern folgenden Gewinnen zu partizipieren.35 Dies kann zu erheblichen Konflikten mit den Minderheitsaktionären führen, wenn eigene Interessen des Tochterunternehmens im Interesse des Gesamtkonzerns hinter die Konzerninteressen gestellt werden.36 Beabsichtigt die Muttergesellschaft daher infolge der Konzernierung eine unternehmerische Neuausrichtung der Tochtergesellschaft, lässt sich diese nach einem erfolgten Delisting der Tochter einfacher realisieren.37 28 Sudmeyer, in: Schüppen/Schaub (Hrsg.), Münchener Anwalts-Handbuch Aktienrecht, 2. Aufl., 2010, § 49 Rn. 12; de Vries, Delisting, 2002, S. 15. 29 Richard, in: Richard/Weinheimer (Hrsg.), Handbuch going private, 2002, S. 23, 30; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 56. 30 Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807, 808; Glienke/Röder, BB 2014, 899, 900. 31 LG Saarbrücken, Beschl. v. 18. 7. 2004 – 7 I O 24/04, Rn. 15, NZG 2004, 1012. 32 Mutter, EWiR 2001, 459. 33 Siehe bereits Kapitel 3 B. I. 1. a). 34 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 462; vgl. auch Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 654 f. 35 Hackstein, Going Private, 2001, S. 61. 36 Ders., Going Private, 2001, S. 61; Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 28. 37 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 462.

B. Motive und Interessen bei einem Delisting

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4. Geringe Liquidität und geringer Streubesitz Die Liquidität eines Wertpapiermarktes beschreibt die Möglichkeit, Wertpapiere sofort in kleinen und großen Mengen und mit geringen Kosten kaufen und verkaufen zu können, ohne dass sich diese Transaktionen spürbar auf den Preis auswirken.38 In einem liquiden Markt kann eine Aktie daher jederzeit sofort in kleinen und großen Mengen ohne nennenswerten Auf- oder Abschlag vom marktgerechten Kurs gekauft oder verkauft werden.39 Bei geringem Streubesitz ist ein liquider Markt oftmals nicht mehr gegeben. Aktuelle Studien zeigen, dass der Streubesitzanteil von Aktiengesellschaften, die ein Delisting durchgeführt haben, erheblich unter demjenigen der gebildeten Kontrollgruppe lag. Doumet/Limbach/Theissen kamen für einen Untersuchungszeitraum vom 8. 10. 2013 bis zum 31. 5. 2015 zu dem Ergebnis, dass der Streubesitzanteil von Gesellschaften, die ein Delisting durchgeführt haben, bei 28,75 % (Median 15,93 %), derjenige der Kontrollgruppe hingegen bei 49,45 % (Median 30,06 %) lag.40 Eine noch deutlichere Abweichung zeigt sich in der Untersuchung von Karami/Schuster für einen Untersuchungszeitraum vom 8. 10. 2013 bis zum 30. 6. 2015. Der Streubesitzanteil der Delistingkandidaten lag hiernach bei lediglich 8,86 % (Median 7,81 %), derjenige der Kontrollgruppe hingegen bei 45,56 % (Median 44,42 %).41 Bei geringem Streubesitz kann es wegen des geringen Handelsvolumens zu sprunghaften Kursveränderungen kommen. Es erfolgt keine effiziente Preisbildung, sondern es entstehen vielmehr Zufallskurse, die den tatsächlichen Unternehmenswert nicht angemessen widerspiegeln. Dies hat zwei Folgen: Zum einen führen die Kursschwankungen zu einem Defekt der Bewertungsfunktion des Börsenkurses.42 Der Börsenkurs kann dann nicht mehr als Bewertungsmaßstab für das Management genutzt werden, sodass keine adäquate Kontrolle durch den Kapitalmarkt stattfinden kann. Zum anderen besteht wegen der leichten Herbeiführungsmöglichkeit der Kursschwankungen die Gefahr von Kursmanipulationen.43 Auf diesen Punkt haben sich die Gesellschaften sowohl im Macrotron-Fall44 wie auch im MVS/Lindner-Fall45 berufen. 38 Sester, ZGR 2009, 310, 341; Leuz/Wysocki, Capital-Market Effects of Corporate Disclosures and Disclosure Regulation, 2006, S. 193; siehe auch Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 72. 39 Rasch, Der Aktienmarkt für kleine und mittelgroße Unternehmen, 1996, S. 60; Bröcker, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, 5. Aufl., 2014, § 6 Rn. 9. 40 Doumet/Limbach/Theissen, Ich bin dann mal weg: Werteffekte von Delistings deutscher Aktiengesellschaften nach dem Frosta-Urteil, 2015, S. 17. 41 Karami/Schuster, Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der „FRoSTA“Entscheidung des BGH, 2015, S. 33. 42 Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613, 1619 f. 43 Glienke/Röder, BB 2014, 899, 900; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 226; Stöber, BB 2014, 9, 10.

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3. Kap.: Interessenkonflikte bei Delisting

5. Abwehr feindlicher Übernahmen Der Rückzug von der Börse kann auch der Abwendung der Gefahr von feindlichen Übernahmen dienen.46 Diese Gefahr besteht insbesondere bei einer unterbewerteten Aktie und einem hohen Streubesitzanteil.47 In diesen Fällen können bei einem liquiden Börsenhandel über die Börse Aktien der Zielgesellschaft gegen den Willen des Vorstands oder der anderen Aktionäre nach und nach aufgekauft werden.48 Nach einem Delisting werden Übernahmen erschwert, denn Aktien können nicht mehr anonym über die Börse, sondern müssen zu höheren Transaktionskosten direkt von den jeweiligen Aktionären bzw. in Form eines öffentlichen Angebots erworben werden.49 6. Sanierung und Restrukturierung Ein Delisting bietet sich insbesondere für sanierungsbedürftige Unternehmen an. Für sich in der Krise befindliche Unternehmen fällt die Finanzierungsfunktion des Kapitalmarktes faktisch weg, da die Kapitalbeschaffung oft nur noch außerhalb des Kapitalmarkts gelingt. Neue Aktien lassen sich in der Krise eines Unternehmens regelmäßig nicht platzieren, da ein für die Anleger attraktiver Ausgabepreis unter dem aktienrechtlichen Mindestausgabebetrag (§§ 8, 9 AktG) von EUR 1,00 läge.50 Um jedoch für einen Finanzinvestor oder Private Equity Kapitalgeber interessant zu sein, ist eine Beendigung der Börsenzulassung regelmäßig Voraussetzung.51 Solange eine Aktiengesellschaft an der Börse zugelassen ist, lassen sich Umstrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen nicht ohne Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durchführen. Schon die Ankündigung von Sanierungsmaßnahmen, wie etwa Kapitalschnitten, kann zu erheblichen Kursabschlägen führen.52 Sanierungen von sich in der Krise befindlichen Unternehmen können außerhalb „des Lärms der 44

BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01 („Macrotron“), BGHZ 153, 47 ff. („Macrotron“). 45 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99 ff. („MVS/Lindner“). 46 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 461; Oetker/Heise, in: Richard/Weinheimer (Hrsg.), Handbuch going private, 2002, S. 351, 358; Streit, ZIP 2002, 1279, 1280; Stöber, BB 2014, 9, 10. 47 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 461. 48 Hackstein, Going Private, 2001, S. 59; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 76. 49 Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 461; de Vries, Delisting, 2002, S. 17. 50 Schmitt/Süßmann, BB 2014, 1451, 1452. 51 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 13; Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 462; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 13. 52 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 13; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 13; Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 462.

C. Interessen der Aktionäre

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Börse“53 geräuschloser durchgeführt werden, da dann keine Veröffentlichungspflichten mehr bestehen und Sanierungsmaßnahmen nicht vor der breiten Börsenöffentlichkeit gerechtfertigt werden müssen.54 7. Nutzung unausgeschöpfter Wertpotentiale Ein Delisting kann auch darauf abzielen, bisher unausgeschöpfte Wertpotentiale zu nutzen, die in einzelnen, von den Kapitalmärkten nicht honorierten, Teilbereichen des Unternehmens55 entstanden sind. Hier bietet sich ein Delisting insbesondere dann an, wenn diese Potentiale bei einer kapitalmarktorientierten Unternehmenspolitik in Zukunft nicht oder nur eingeschränkt realisiert werden können.56

II. Ergebnis Eine Delisting-Entscheidung ist, wie die Entscheidung für einen Börsengang, eine wirtschaftliche Entscheidung. Hauptgrund für ein Delisting ist die Kostenreduzierung. Kann eine börsennotierte Aktiengesellschaft nicht mehr oder nur noch eingeschränkt von den Vorteilen der Börsenzulassung profitieren und steht insbesondere die aus der Börsenzulassung folgende Pflichten- und Kostenlast in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu den Vorteilen, liegt ein Delisting nahe. Daneben können noch weitere Gründe für ein Delisting sprechen. Die dargestellten Motive werden jedoch nicht für sich genommen, sondern erst im Zusammenspiel mehrerer Motive, zu einer Delisting-Entscheidung führen.

C. Interessen der Aktionäre Ein Delisting hat für die Aktionäre der Aktiengesellschaft erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen.

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Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 763 f. Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 226; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 13 f. 55 Dies betrifft insbesondere Bereiche, die nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens zählen oder die aufgrund kurz- oder langfristiger Kapitalmarkttrends keine Beachtung finden, vgl. Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 21. 56 Land/Hasselbach, DB 2000, 557; Oetker/Heise, in: Richard/Weinheimer (Hrsg.), Handbuch going private, 2002, S. 351, 357 f. 54

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3. Kap.: Interessenkonflikte bei Delisting

I. Differenzierungen Bei den Folgen eines Delistings für die Aktionäre ist zwischen den verschiedenen Aktionärsgruppen der Aktiengesellschaft und nach der Intensität des Delisting zu differenzieren. 1. Minderheits- und Mehrheitsaktionäre Die Folgen eines Delistings treffen zwar alle Aktionäre der Aktiengesellschaft, aber in unterschiedlichem Ausmaß und Intensität. Es muss daher zwischen den verschiedenen Aktionärsgruppen, Minderheitsaktionären und Mehrheitsaktionären, unterschieden werden. Mehrheits- und Minderheitsaktionäre verfolgen mit ihrer Investition in der Gesellschaft unterschiedliche Ziele: Minderheitsaktionären dient die Beteiligung an der Aktiengesellschaft überwiegend ausschließlich der Kapitalanlage.57 Wegen seiner typischerweise geringen Beteiligungsquote kann der Anleger keinen Einfluss auf die Unternehmens- und Geschäftspolitik nehmen.58 Die mitgliedschaftliche Beteiligung an der Aktiengesellschaft steht daher wegen der geringen Einflussmöglichkeit auf die unternehmerischen Entscheidungen im Hintergrund.59 Mit dem Erwerb der Aktien verfolgt der Anleger lediglich bloße Renditeinteressen60, zu deren Verwirklichung er regelmäßig auf die Handelbarkeit der Aktien angewiesen ist. Mehrheitsaktionären hingegen geht es vielmehr um eine unternehmerische Beteiligung und die Verwirklichung unternehmerischer Ziele.61 Sie zielen darauf ab, durch ihre Beteiligung unternehmerischen Einfluss auf die Geschäftspolitik der Aktiengesellschaft zu nehmen. Im Vorfeld eines Delistings kommt es regelmäßig zu einer Absprache zwischen Vorstand und Mehrheitsaktionär.62 Ein Mehrheitsaktionär ist regelmäßig nicht darauf angewiesen und beabsichtigt auch nicht, seine Aktien über die Börse zu veräußern. Damit trägt er entsprechend seiner Beteiligung zwar die

57 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 („DAT/Altana“); Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 97; Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 22; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 62; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 473 f. 58 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 („DAT/Altana“); BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 („DAT/Altana“). 59 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 („DAT/Altana“). 60 Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 2.200; siehe auch Deutsches Aktieninstitut, Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts zu Delisting und Spruchverfahren – Anfrage des Bundesverfassungsgerichtes 1 BvR 1569/08, 2010, S. 2 f. 61 Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 63; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 473 f. 62 Siehe bereits Kapitel 3 A.

C. Interessen der Aktionäre

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mehrheitlichen Kosten einer Börsenzulassung, profitiert aber nicht von ihren (vor allem in der Handelbarkeit der Aktien über die Börse liegenden) Vorteilen.63 2. Intensität des Delistings Die Intensität des Eingriffs in die Interessen der Aktionäre ist abhängig von der Intensität des Delistings.64 Es ist zwischen den Auswirkungen eines vollständigen und eines lediglich partiellen Delistings zu unterscheiden. Im Gegensatz zu einem vollständigen Delisting hat ein lediglich partielles Delisting keine erheblichen Auswirkungen auf die Position der Anleger, da eine Handelsmöglichkeit an mindestens einem organisierten Markt bestehen bleibt. Die Aktionäre können ihre Aktien daher weiterhin über die Börse veräußern und dabei die Vorteile der Börse nutzen. Ein partielles Delisting kann für die Aktionäre auch positive Effekte haben: durch die Konzentration des Handels auf wenige Börsen kann die Liquidität verbessert werden.65

II. Folgen eines Delistings für die Aktionäre 1. Kapitalmarktreaktionen bei Delisting Aus Anlegersicht von entscheidender Bedeutung ist die Frage, welche Auswirkungen ein Delisting bzw. die Ankündigung eines Delistings auf den Kurs der Aktie hat. a) Deutscher Kapitalmarkt Bei der Studienlage in Bezug auf den deutschen Kapitalmarkt ist zu unterscheiden zwischen Studien, die die Auswirkungen eines Delistings auf den Börsenkurs unter Geltung der kursstabilisierenden Macrotron-Grundsätze66 untersuchen, und solchen, 63

Doumet/Limbach/Theissen, Ich bin dann mal weg: Werteffekte von Delistings deutscher Aktiengesellschaften nach dem Frosta-Urteil, 2015, S. 2. 64 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 18; Picot, Die Rechte der Aktionäre beim Delisting börsennotierter Gesellschaften, 2009, S. 17 ff.; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 489. 65 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 15; Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 462. Beide weisen darauf hin, dass die durch ein partielles Delisting erreichbare Konzentrationswirkung wegen des zunehmenden elektronischen Handels an Bedeutung verloren hat. 66 Deutsches Aktieninstitut, Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts zu Delisting und Spruchverfahren – Anfrage des Bundesverfassungsgerichtes 1 BvR 3142/07, 2010, S. 18 ff.; dass., Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts zu Delisting und Spruchverfahren – Anfrage des Bundesverfassungsgerichtes 1 BvR 1569/08, 2010, S. 19 ff.; Heldt/Royé, AG 2012, 660, 667 ff.; früher bereits Eisele/Walter, zfbf 2006, 337 ff.; Kemper, Börsenrückzüge in

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3. Kap.: Interessenkonflikte bei Delisting

die die Kursreaktionen auf ein Delisting nach der Frosta-Entscheidung untersuchen.67 aa) Delisting aus dem regulierten Markt Für den Zeitraum nach der Frosta-Entscheidung stellen Bayer/Hoffmann für die in dem Untersuchungszeitraum vom 1. 1. 2014 bis 12. 12. 2014 erfolgten Delistings aus dem regulierten Markt einen durchschnittlichen kumulierten Kursverlust von –4,15 % (Median –3,7 %) zwischen den Börsenkursen an den beiden Handelstagen vor und nach der Ankündigung der Delisting-Absicht (t–1; t+1) fest.68 Für das gleiche Zeitfenster stellen Doumet/Limbach/Theissen in ihrer Ereignisstudie auf der Grundlage eines Untersuchungszeitraums vom 8. 10. 2013 bis 31. 5. 2015 einen durchschnittlichen kumulierten Kursverlust von –5,77 % (t–1; t+1) fest.69 Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Karami/Schuster für die im Rahmen ihrer Ereignisstudie untersuchten regulären Delistings im Zeitraum vom 8. 10. 2013 bis zum 30. 6. 2015. Sie stellen für den Handelstag, an dem die Ankündigung der Delisting-Absicht erfolgt, einen durchschnittlichen Kursverlust von –3,30 % (t0) fest.70 Für einen 3Tages-Zeitraum nach Ankündigung der Delisting-Absicht (t0; t+3) stellen sie eine negative Kursreaktion von –21,10 % (Median –3,37 %) fest.71 Im Umfeld des Ankündigungstages (t–2; t+2) lag die kumulierte abnormale Rendite bei –18,6 %,

Deutschland, 2007 untersucht in seiner Arbeit Börsenrückzüge nicht im Sinne eines (bloßen) Delisting, sondern im Sinne einer vollständigen Übernahme aller Gesellschaftsanteile (vgl. ders., Börsenrückzüge in Deutschland, 2007, S. 20 ff.), sodass die gewonnenen Erkenntnisse nicht herangezogen werden können. 67 Aders/Muxfeld/Lill, Corporate Finance 2015, 389, 393 ff.; Bayer/Hoffmann, AG 2015, R 55 ff.; Doumet/Limbach/Theissen, Ich bin dann mal weg: Werteffekte von Delistings deutscher Aktiengesellschaften nach dem Frosta-Urteil, 2015, S. 18 ff.; Karami/Schuster, Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der ”FRoSTA”-Entscheidung des BGH, 2015, S. 32 ff. 68 Bayer/Hoffmann, AG 2015, R 55, R 57. 69 Doumet/Limbach/Theissen, Ich bin dann mal weg: Werteffekte von Delistings deutscher Aktiengesellschaften nach dem Frosta-Urteil, 2015, S. 18 f. Der Ereignisstudie liegen die Datensätze von 24 Aktiengesellschaften zugrunde, von denen 8 ein Downlisting durchführten. Bei der Ermittlung des dargestellten durchschnittlichen kumulierten Kursverlusts wurde nicht zwischen Delisting und Downlisting differenziert. Zu der Kursentwicklung speziell bei Downlisting siehe Kapitel 3 C. II. 1. a) bb). 70 Karami/Schuster, Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der „FRoSTA“Entscheidung des BGH, 2015, S. 35. 71 Dies., Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der „FRoSTA“-Entscheidung des BGH, 2015, S. 35. Die erhebliche Abweichung des Durchschnittswertes von dem Median lässt sich durch einen Ausreißer, die n.runs AG, erklären, bei dem die abnormale Rendite im Ereignisfenster (t0; t+3) –120,51 % beträgt.

C. Interessen der Aktionäre

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bereinigt um die n.runs AG lag diese bei –7,29 % (Median –3,0 %).72 Aders/Muxfeld/ Lill stellen einen kumulierten durchschnittlichen Kursrückgang am Ankündigungstag von –4,3 % (t0) bzw. bereinigt um Unternehmen mit „Sticky-Prices“ von –7,1 % fest.73 Sämtliche Studien zeigen damit, dass ohne aktienkursstabilisierende Mechanismen (etwa durch Abfindungsangebote) die Ankündigung eines Delistings negative Auswirkungen auf den Börsenkurs hat. Anders sieht es hingegen bei einem Eingreifen von kursstabilisierenden Mechanismen aus. Hierzu kann auf Studien zurückgegriffen werden, die Kursreaktionen bei Delisting unter Geltung der Macrotron-Grundsätze untersucht haben. Die Macrotron-Grundsätze entfalteten insbesondere durch das verpflichtende Abfindungsangebot mit der anschließenden Überprüfungsmöglichkeit im Spruchverfahren eine kursstabilisierende Wirkung. Durch die Abfindungspflicht war gesichert, dass der Börsenkurs nicht unter den im Rahmen des Pflichtangebots angebotenen Preis fiel.74 Für den Anleger bestand zu Macrotron-Zeiten daher keine Notwendigkeit, die Aktien im Hinblick auf das Delisting noch über die Börse zu verkaufen. Entsprechend haben frühere Studien gezeigt, dass es zu keiner negativen Veränderung des Börsenkurses kommt, wenn kursstabilisierende Mechanismen wie Abfindungspflichten greifen.75 bb) Downlisting Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche spezifischen Auswirkungen die Ankündigung, ein Downlisting durchführen zu wollen und nach dem Rückzug aus dem regulierten Markt eine Notierung in einem Qualitätssegment des Freiverkehrs anzustreben, auf den Börsenkurs hat. Karami/Schuster stellen bei der Ankündigung eines Downlistings in ein Qualitätssegment des Freiverkehrs am Ankündigungstag eine Kursreaktion von –2,60 %

72 Dies., Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der „FRoSTA“-Entscheidung des BGH, 2015, S. 35 f. 73 Aders/Muxfeld/Lill, Corporate Finance 2015, 389, 395. Unternehmen mit „StickyPrices“ sind dabei definiert als Unternehmen, deren Kurse „nicht oder nur noch in geringem Maße auf die Delisting-Ankündigung reagieren“. 74 Hierzu jüngst auch dies., Corporate Finance 2015, 389, 391. 75 Deutsches Aktieninstitut, Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts zu Delisting und Spruchverfahren – Anfrage des Bundesverfassungsgerichtes 1 BvR 3142/07, 2010, S. 18 ff.; dass., Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts zu Delisting und Spruchverfahren – Anfrage des Bundesverfassungsgerichtes 1 BvR 1569/08, 2010, S. 19 ff.; Heldt/Royé, AG 2012, 660, 667 ff.; Eisele/Walter, zfbf 2006, 337 ff. stellen als Folge einer Rückzugsankündigung sogar steigende Kurse fest.

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3. Kap.: Interessenkonflikte bei Delisting

und am ersten Handelstag nach Ankündigung von –1,1 % fest. Für spätere Zeitpunkte konnte keine statistisch relevante Kursveränderung festgestellt werden.76 Dagegen können sowohl Doumet/Limbach/Theissen77 als auch Rutz78 keine bzw. allenfalls niedrige signifikante negative Kursveränderungen im Rahmen einer Downlisting-Ankündigung feststellen. Rutz stellt für die ersten drei Handelstage nach der Downlisting-Ankündigung eine Kursveränderung von –0,99 % fest.79 Dieser Untersuchung liegen 29 Aktiengesellschaften zu Grunde. Auffällig ist, dass in einem Zeitfenster von t–1 bis t+3 bezogen auf die Downlisting-Ankündigung bei 19 Gesellschaften ein negativer und bei 10 Gesellschaften ein positiver Kursverlauf festgestellt werden konnte.80 Doumet/Limbach/Theissen konnten bei einer Downlisting-Ankündigung keinerlei signifikante Veränderungen feststellen.81 Es zeigte sich größtenteils sogar ein positiver, am Ereignistag aber insignifikanter Kurseffekt. Die Ankündigung eines Downlisting zeigt hiernach keine negative Kursreaktion.82 b) US-amerikanischer Kapitalmarkt Interessant ist ein Blick auf die Untersuchungen zum US-amerikanischen Markt.83 Hierbei ist wichtig, dass in den USA zwischen einem Delisting als (bloßer) Beendigung der Börsennotierung und der listing-bedingten Registrierung nach Sec. 12(d) Securities Exchange Act 1934 (SEA) und der vollständigen Deregistrierung gemäß Sec. 12(g)(4) SEA, die erst zu einem vollständigen Ausscheiden aus den Berichtspflichten führt, zu unterscheiden ist.84

76 Karami/Schuster, Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der „FRoSTA“Entscheidung des BGH, 2015, S. 38. 77 Doumet/Limbach/Theissen, Ich bin dann mal weg: Werteffekte von Delistings deutscher Aktiengesellschaften nach dem Frosta-Urteil, 2015, S. 20 f. 78 Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 104 ff. 79 Ders., Delisting und Downgrading, 2015, S. 106. 80 Ders., Delisting und Downgrading, 2015, S. 107. 81 Doumet/Limbach/Theissen, Ich bin dann mal weg: Werteffekte von Delistings deutscher Aktiengesellschaften nach dem Frosta-Urteil, 2015, S. 20 f. 82 Dies., Ich bin dann mal weg: Werteffekte von Delistings deutscher Aktiengesellschaften nach dem Frosta-Urteil, 2015, S. 21. 83 Neben den im Folgenden dargestellten Studien gibt es weitere Studien, die sich jedoch mit einem „Delisting von Amts wegen“ und nicht mit einem freiwilligen Börsenrückzug beschäftigen und daher für die folgende Untersuchung ohne Relevanz sind, vgl. nur Macey/ O’Hara/Pompilio, 51 Journal of Law and Economics 683 (2008) und Leuz/Triantis/Wang, 45 J. Account. Econ. 181, 184 (2008) mit weiteren Nachweisen. Siehe zum folgenden auch Bayer/ Hoffmann, AG 2013, R 371, R 373. 84 Zu dieser Unterscheidung siehe umfassend Kapitel 6 A. I. 2.

C. Interessen der Aktionäre

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Leuz/Triantis/Wang stellen eine negative Kursentwicklung infolge der Ankündigung eines „Going Dark“ im Sinne einer umfassenden Deregistrierung von sämtlichen Berichtspflichten in Höhe von –7,5 % (Ankündigung und folgender Handelstag), –9 % (Ankündigung und zwei darauffolgende Handelstage) und –9,9 % (Zeitraum von –5/+5 Tagen um den Ankündigungszeitpunkt) fest.85 Die bloße Beendigung der Notierung an einer Börse (unter Aufrechterhaltung der Berichtspflichten) führt ebenfalls bereits zu einer negativen Kursentwicklung.86 Marosi/Massoud stellen nach Ankündigung der Deregistrierung bei Gesellschaften, die nicht dem Finanzsektor angehören, eine Kursentwicklung von durchschnittlich –12,03 % (Ankündigung und folgender Handelstag) bzw. –12,01 % (Ankündigung und fünf darauffolgende Handelstage) fest.87 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Anleger infolge eines „Going Dark“ einen erheblichen Wertverlust erleiden.88 c) Ergebnis Aktuelle Studien für den deutschen Kapitalmarkt zeigen, dass ohne aktienkursstabilisierende Mechanismen (etwa durch Abfindungsangebote) die Ankündigung eines Delistings negative Auswirkungen auf den Börsenkurs hat. Greifen hingegen kursstabilisierende Mechanismen ein, waren in der Vergangenheit keine Kursverluste feststellbar. Auch wenn die Delisting-Mechanismen in den USA vom deutschen Recht abweichen89, zeigen auch die dortigen Befunde, dass bei einem Börsenrückzug (ohne kursstabilisierende Maßnahmen) mit deutlich sinkenden Aktienkursen zu rechnen ist. Hingegen waren bei einem Downlisting in den qualifizierten Freiverkehr überwiegend keine statistisch signifikanten Kursverluste feststellbar. 2. Auswirkungen auf Verkehrsfähigkeit und Liquidität Bei einem vollständigen Delisting verliert der Anleger die Möglichkeit, seine Aktien über die Börse in einem staatlich organisierten Markt mit überwachtem Preisbildungssystem zu veräußern.90 85 Leuz/Triantis/Wang, 45 J. Account. Econ. 181, 198 (Table 7) (2008); als Ereignistag abgestellt auf den frühesten Zeitpunkt der Information des Kapitalmarkts über die (geplante) Deregistrierung. 86 Dies., 45 J. Account. Econ. 181, 200 (Table 9) (2008). 87 Marosi/Massoud, 42 JFQA 421, 436 f. und Table 5 (2007). 88 Dies., 42 JFQA 421, 436 (2007): „[…] stockholders suffer large and significant wealth losses from firms’ decisions to go dark.“ 89 Hierzu ausführlich Kapitel 6 A. II. 90 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, Rn. 12; Hasselbach/Pröhl, NZG 2015, 209, 210.

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3. Kap.: Interessenkonflikte bei Delisting

Der Anleger setzt bei seiner Investmententscheidung darauf, sich jederzeit schnell wieder von seinen Anteilen an der Aktiengesellschaft trennen zu können.91 Er hat ein Interesse an der kurzfristigen Liquidität seiner Anlage.92 Diese ist bei börsennotierten Aktiengesellschaften regelmäßig gegeben. Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften erlauben „es dem Gesellschafter, jedenfalls in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes, praktisch jederzeit […], sein Kapital nach freiem Belieben zu investieren oder zu desinvestieren. Die Aktie ist aus der Sicht des Kleinaktionärs gerade deshalb so attraktiv, weil er sein Kapital nicht auf längere Sicht bindet, sondern sie fast ständig wieder veräußern kann.“93 Nach einem Delisting besteht die Gefahr, dass die Aktie über eine erheblich geringere Liquidität verfügt94, was zur Folge hat, dass der Anleger seine Aktie nicht mehr jederzeit veräußern kann. Ein Delisting kann daher eine erhebliche Einschränkung der mit der Börsenzulassung verbundenen Fungibilität der Anteile bewirken.95 Die Veräußerung der Anteile außerhalb der Börse ist regelmäßig nur unter Inkaufnahme hoher Transaktionskosten möglich.96 Der Anleger kann sich daher gezwungen sehen, seine Aktien noch vor Wirksamwerden des Widerrufs der Börsenzulassung über die Börse zu veräußern.97 Dies betrifft insbesondere auch institutionelle Investoren wie Rentenkassen, Versorgungswerke und ähnliche, die gemäß ihren Anlagerichtlinien nur in Aktien investieren dürfen, die im regulierten Markt zugelassen sind.98 91 VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 2. 11. 2001 – 9 G 3103/01 V Rn. 4, AG 2003, 218; Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 22. 92 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., 2006, S. 165. 93 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 („DAT/Altana“). 94 So für den US-amerikanischen Kapitalmarkt Leuz/Triantis/Wang, 45 J. Account. Econ. 181, 204, 205 (Table 12) (2008); Marosi/Massoud, 42 JFQA 421, 439, 440 (Table 6) (2007). Für den deutschen Kapitalmarkt wurden jüngst die Liquiditätseffekte einer Delisting-Ankündigung untersucht. Karami/Schuster haben für ein reguläres Delisting zwar „Hinweise für die Existenz von Preisdruck“ gefunden, aber keine Hinweise auf eine systematische Veränderung sämtlicher Liquiditätskennzahlen feststellen können, Karami/Schuster, Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der ”FRoSTA”-Entscheidung des BGH, 2015, S. 51 f. 95 Hierauf abstellend maßgeblich auch der Gesetzgeber, BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015); Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 757; Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 22; Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 656; Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 106. 96 Vgl. Stellungnahme des BGH in BVerfG, Urt. v. 10. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 114 Rn. 34 („MVS/Lindner“). 97 Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 84; Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 72 f. 98 Hierauf hinweisend auch Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 2.

C. Interessen der Aktionäre

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Wichtig ist, dass die Intensität der Beeinträchtigung der Liquidität durch ein Delisting abhängig ist von der vor dem Delisting bestehenden Liquidität der Aktien.99 Wenn bereits vor dem Delisting kein oder nur noch ein geringer Handel der Aktien stattgefunden hat, führt das Delisting zu keiner erheblich größeren Einschränkung; denn dann war dem Aktionär schon bei bestehendem Listing eine Veräußerung am Sekundärmarkt faktisch nicht möglich.100 Für ein Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente konnte in empirischen Untersuchungen der Liquiditätseffekte dagegen keine statistisch signifikante Verschlechterung der Liquidität festgestellt werden.101 Vielmehr zeigt ein Vergleich der Stückzahlen der gehandelten Aktien, dass es auf der Grundlage von 29 untersuchten Aktiengesellschaften nach einem Downlisting bei 17 Gesellschaften zu einer Zunahme des Handels und bei 12 Gesellschaften zu einer Abnahme des Handels kam.102 Auch ein Liquiditätsvergleich anhand der Zahl der Handelstage zeigt für 13 Gesellschaften eine Zunahme und für 11 Gesellschaften eine Abnahme.103 3. Verlust der Bewertungsfunktion des Börsenkurses Nach einem Delisting wird der Aktienkurs nicht mehr durch das Preisbildungssystem der Börse festgelegt, sodass der Aktionär nicht mehr auf den Börsenpreis als Grundlage seiner Anlageentscheidung zurückgreifen kann.104 Dies gilt jedenfalls dann uneingeschränkt, wenn die Aktie nach dem Rückzug vom regulierten Markt nicht in den Freiverkehr einbezogen ist, denn die im Freiverkehr festgestellten Preise stellen nach § 24 Abs. 1 S. 2 BörsG Börsenpreise dar. Durch das Fehlen eines nachvollziehbar festgelegten Börsenkurses ist auch die Beleihungsfähigkeit der Aktien eingeschränkt.105 99

So auch Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 22 f. Für die im Rahmen ihrer Ereignisstudie untersuchten Delistings kommen Aders/Muxgeld/Lill zu dem Ergebnis, dass die Aktien bereits vor dem Delisting größtenteils als illiquide anzusehen waren, sodass eine Veräußerung größerer Aktienpakete bereits vor dem Delisting nicht möglich war, Aders/Muxfeld/Lill, Corporate Finance 2015, 389, 395 ff., 399. 101 Karami/Schuster, Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der „FRoSTA“Entscheidung des BGH, 2015, S. 54; Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 107 ff.; dagegen haben Doumet/Limbach/Theissen, Ich bin dann mal weg: Werteffekte von Delistings deutscher Aktiengesellschaften nach dem Frosta-Urteil, 2015, S. 23 nach einem Downlisting anhand eines Vergleichs der Geld-Brief-Spannen einen illiquideren Handel feststellen können; allerdings beruht dies auf lediglich acht untersuchten Datensätzen. 102 Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 108 f. 103 Ders., Delisting und Downgrading, 2015, S. 109 ff.; für die verbleibenden Gesellschaften waren keine Daten feststellbar. 104 Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 499 f.; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 84. 105 Klenke, WM 1995, 1089, 1098; Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 97; Picot, Die Rechte der Aktionäre beim Delisting börsennotierter Gesellschaften, 2009, S. 19. 100

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3. Kap.: Interessenkonflikte bei Delisting

4. Informationsdefizit Ein Delisting kann zu einer erheblichen Informationseinbuße des Aktionärs führen.106 Mit Wegfall der an die Börsenzulassung anknüpfenden kapitalmarktrechtlichen Publizitäts- und Veröffentlichungspflichten fallen seine Hauptinformationsquellen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Aktiengesellschaft weg. Mit dem Börsenrückzug verändert sich regelmäßig auch die Informationspolitik der Aktiengesellschaft, die nun nicht mehr auf die Pflege der Investor Relations ausgerichtet ist.107 Auch eine öffentliche Berichterstattung über die Aktiengesellschaft findet kaum mehr statt.108 Damit fällt eine Hauptinformationsquelle zumindest für den Minderheitsaktionär weg. 5. Verlust der Kontrollfunktion des Kapitalmarkts Durch das Delisting entzieht sich die Aktiengesellschaft der Aufmerksamkeit der Börsenaufsicht und vor allem der Kontrolle des Kapitalmarkts.109 So kann etwa die Kursentwicklung der Aktie nicht länger als Beurteilungsmaßstab für die Managementleistung herangezogen werden.110 Auch die Pflicht zur Offenlegung wesentlicher Beteiligungen knüpft an die Zulassung des Emittenten zum regulierten Markt an, § 21 Abs. 2 WpHG. Hieraus folgt eine transparente Aktionärsstruktur, die für den Anleger einen wichtigen Aspekt seiner Anlagedisposition darstellen kann.111 Ebenso greifen die Meldepflichten beim Erreichen bestimmter Beteiligungsschwellen nach §§ 21 ff. WpHG und die Pflicht zur Veröffentlichung von Finanzberichten nach §§ 37v – 37y WpHG nur im regulierten Markt. Die nunmehr in der MAR enthaltenen Vorschriften über Insiderinformationen nach (Art. 7 – 11 und 14 MAR), das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation (Art. 12 und 15 MAR), die Pflicht zur Adhoc-Publizität von Insiderinformationen (Art. 17 MAR) oder die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Geschäfte von Führungskräften (Directors’ Dealings, Art. 19 MAR) knüpfen an eine Zulassung im regulierten Markt oder eine Einbeziehung in den Freiverkehr (auf Antrag des Emittenten112) an. 106 Siehe bereits VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 2. 11. 2001 – 9 G 3103/01 V Rn. 5, AG 2003, 218; hierzu auch Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 18; Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 95 f.; Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 24 f.; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 67. 107 Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 96. 108 Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 656. 109 Ders., in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 656; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 131; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 759. 110 Siehe hierzu Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613, 1619 f. 111 Seiffert, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 4.471. 112 Hierzu siehe unten Kapitel 5 F. II. 2. b) aa) (2).

C. Interessen der Aktionäre

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Mit dem Börsenrückzug geht daher ein Großteil der Kontrollinstrumente verloren, die der Kapitalmarkt zum Schutz der Kapitalanleger bereithält.113

III. Ergebnis Ein Delisting hat für Aktionäre überwiegend negative Folgen. Die Kapitalanlage der Minderheitsaktionäre in die Aktien der Gesellschaft erfolgt typischerweise allein zu Renditezwecken, sodass sie von dem bereits auf die Ankündigung eines Delistings regelmäßig folgenden Kursverfall unmittelbar betroffen sind. Durch das Delisting wird den Minderheitsaktionären zudem die Möglichkeit genommen, ihre Aktien jederzeit und ohne signifikante Transaktionskosten über die Börse zu veräußern. Faktisch können Minderheitsaktionäre daher gezwungen sein, ihre Anteile noch vor Wirksamwerden des Widerrufs der Börsenzulassung zu veräußern. Nach einem Delisting können die Minderheitsaktionäre nicht mehr auf den Börsenpreis als Indikator des Wertes ihrer Beteiligung zurückgreifen; es besteht nach Wegfall der Publizitäts- und Veröffentlichungspflichten zudem kaum eine Möglichkeit, sich über den Emittenten zu informieren. Nach einem Delisting ist sowohl die Suche nach Käufern als auch die Wertermittlung des Anteils mit deutlich höheren Transaktionskosten belastet. Von alledem ist der Mehrheitsaktionär regelmäßig nicht betroffen. Er ist nicht in dem Maße wie die Minderheitsaktionäre auf eine Veräußerungsmöglichkeit über die Börse angewiesen. Vielmehr kann ein Delisting für ihn sogar positiv sein. Wegen seines Einflusses auf die unternehmerische Ausrichtung des Unternehmens wird ein Delisting zudem kaum gegen seinen Willen erfolgen.

113 Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 663.

Viertes Kapitel

Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland Die Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting ist von richterlicher Rechtsfortbildung bestimmt. Für das Verständnis der Neuregelung und der sich bei Delisting stellenden rechtlichen Fragen ist es wichtig, diese Entwicklung nachzuvollziehen.

A. Macrotron-Grundsätze Die Entwicklung des Anlegerschutzes im deutschen Recht ist bis zu dem Beschluss des BGH in Sachen Frosta1 geprägt von neben die kapitalmarktrechtlichen Regelungen tretenden gesellschaftsrechtlichen Schutzmechanismen. Den entscheidenden Schritt, der den gesellschaftsrechtlichen Anlegerschutz bei Delisting für Jahre prägen sollte, ging der BGH in seiner Entscheidung im Fall Macrotron.2

I. Das Macrotron-Urteil des BGH In dem Macrotron-Verfahren hatten sich die deutschen Gerichte3 zum ersten Mal mit einem Fall des regulären Delistings zu beschäftigen.4 Die Aktien der Ingram Macrotron AG waren im regulierten Markt5 an der Frankfurter Wertpapierbörse und der Börse München zugelassen. Im Jahr 1998 er-

1

BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 ff. („Frosta“). BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 ff. („Macrotron“). 3 Neben den zivilrechtlichen Verfahren gab es verwaltungsgerichtliche Verfahren, vgl. VG Frankfurt a.M., Urt. v. 17. 6. 2002 – 9 E 2285/01 (V), ZIP 2002, 1446, 1449 („Macrotron“); wirkungslos wegen Erledigungserklärung in der Sprungrevision, BVerwG, Beschl. v. 4. 6. 2003 – 6 C 21.02, BeckRS 2003, 23555. 4 Roßkopf, ZGR 2014, 487, 491; Zetzsche, NZG 2000, 1065. 5 Damals noch unter der Bezeichnung amtlicher Handel, der dem heutigen regulierten Markt entspricht. 2

A. Macrotron-Grundsätze

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warb die US-amerikanische Ingram Micro Inc. 90,43 % der Anteile, die restlichen 9,57 % (1,07 % der Stamm- und 8,5 % der Vorzugsaktien) verblieben in Streubesitz. Im Jahr 1999 stimmte die Hauptversammlung einem geplanten regulären Delisting zu und beschloss, den Vorstand der Macrotron AG zu ermächtigen, bei den Börsen in München und Frankfurt den Widerruf der Börsenzulassungen zu beantragen. Der Mehrheitsaktionär hatte anlässlich der Hauptversammlung bekanntgeben lassen, er werde den Minderheitsgesellschaftern ein näher bestimmtes Kaufangebot für jede Aktie unterbreiten. Einige Minderheitsaktionäre erhoben unter anderem gegen den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung zu dem geplanten Delisting Anfechtungsklage mit der Begründung, ein Delisting greife unverhältnismäßig in ihre Rechte als Minderheitsaktionäre ein. Das LG München I wies die Klage mit Urteil vom 4. 11. 19996 ab. In der Berufungsinstanz beantragten die Kläger zur Überprüfung der Angemessenheit des Kaufangebotes des Mehrheitsaktionärs hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Entscheidung im Spruchverfahren. Diesen Antrag wies das OLG München mit Urteil vom 14. 2. 20017 zurück. Die instanzgerichtlichen Macrotron-Urteile des LG München I und des OLG München haben die Zuständigkeit der Hauptversammlung für ein Delisting unter Heranziehung der Holzmüller-Doktrin8 bejaht, eine Barabfindungspflicht und deren Überprüfung im Spruchverfahren jedoch verneint.9 Die Instanzgerichte sahen in einem Delisting keinen verfassungswidrigen Eigentumseingriff, da die infolge eines Delistings fehlende Veräußerungsmöglichkeit von Unternehmensanteilen über die Börse das Anteilseigentum in seinem Kern unangetastet lasse.10 Der weitere An6

LG München I, Urt. v. 4. 11. 1999 – 5 HKO 10580/99, ZIP 1999, 2017 ff.; besprochen u. a. von Bungert, BB 2000, 53, 53 ff.; Kiem, EWiR 2000, 75, 75 f.; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 111 ff.; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1065 ff.; speziell zur gerichtlichen Kontrolle des Aktienkaufangebots Kruse, NZG 2000, 1112, 1112 ff. 7 OLG München, Urt. v. 14. 2. 2001 – 7 U 6019/99, ZIP 2001, 700 ff.; besprochen von Mutter, EWiR 2001, 459, 459 f. 8 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff. („Holzmüller“). Nach der Holzmüller-Doktrin des BGH bestehen ungeschrieben Hauptversammlungskompetenzen in Fragen der Geschäftsführung, wenn diese so tief in die Mitgliedschaftsrechte und das im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteresse der Aktionäre eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in eigener Verantwortung ohne Beteiligung der Hauptversammlung treffen. Die Holzmüller-Doktrin wurde vom BGH in den Gelatine-Entscheidungen (BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 ff. („Gelatine I“) und BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001 ff. („Gelatine II“)) bekräftigt und präzisiert. Zu den auf der Grundlage des Holzmüller-Urteils diskutierten Fallgruppen („Holzmüllerpflichtigkeit“) siehe etwa Liebscher, ZGR 2005, 1, 8. 9 Zu der damaligen Systematik der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche siehe Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 204 ff.; ders., ZBB 2003, 208, 210 f.; ders., NZG 2012, 1041, 1042 f. 10 LG München I, Urt. v. 4. 11. 1999 – 5 HKO 10580/99, ZIP 1999, 2017, 2020 f.

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4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

legerschutz bei Delisting sei im Börsengesetz bewusst den einzelnen Börsen überlassen.11 Auch ein Spruchverfahren zur Kontrolle der Angemessenheit des Kaufangebots sei nicht statthaft.12 Der BGH ging in seiner Macrotron-Entscheidung vom 25. 11. 200213 weiter als die Instanzgerichte und stellte für das reguläre Delisting unter Berufung auf die seiner Ansicht nach durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte tatsächliche Verkehrsfähigkeit der Aktie zwei gesellschaftsrechtliche Wirksamkeitserfordernisse auf: Ein Delisting dürfe erstens nur nach einem mit einfacher Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschluss und zweitens nur mit einem den Aktionären mit dem Beschlussantrag vorzulegenden Pflichtangebot der Aktiengesellschaft oder des Großaktionärs an die Minderheitsaktionäre erfolgen. Die Höhe des Pflichtangebots müsse im aktienrechtlichen Spruchverfahren gerichtlich überprüfbar sein.14 Anders als die Instanzgerichte leitete der BGH das Erfordernis des mit einfacher Mehrheit gefassten Hauptversammlungsbeschlusses nicht aus der HolzmüllerDoktrin ab. Denn allein die Tatsache, dass sich die Gesellschaft von der Börse zurückziehe, führe nicht dazu, dass die innere Struktur der Gesellschaft geändert oder in das Mitverwaltungsrecht der Aktionäre durch Mediatisierung ihrer Mitwirkungsrechte eingegriffen werde.15 Eine für das Eingreifen der Holzmüller-Doktrin erforderliche grundlegende Strukturveränderung lag damit nicht vor. Auch eine Herleitung aus dem einfachen Recht komme nicht in Betracht.16 Vielmehr leitete der BGH das Erfordernis eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses aus Art. 14 Abs. 1 GG ab. Ein Delisting habe insbesondere für Minderheits- und Kleinaktionäre wirtschaftlich gravierende Nachteile, da es die Verkehrsfähigkeit der Aktien erheblich beeinträchtige. Unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des BVerfG in DAT/Altana17 und Moto Meter18 stellte der BGH fest, dass der Verkehrswert der Aktien und die jederzeitige Möglichkeit seiner Reali11

LG München I, Urt. v. 4. 11. 1999 – 5 HKO 10580/99, ZIP 1999, 2017, 2020 und 2021. LG München I, Urt. v. 4. 11. 1999 – 5 HKO 10580/99, ZIP 1999, 2017, 2021; OLG München, Urt. v. 14. 2. 2001 – 7 U 6019/99, ZIP 2001, 700, 705. 13 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 ff. („Macrotron“). 14 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 57 f. („Macrotron“). 15 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 („Macrotron“). 16 Eine Begründung hierzu unter Berufung auf das damalige System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche gibt Klöhn, NZG 2012, 1041, 1042 f.; ders., Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 204 ff. 17 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. („DAT/Altana“). Das BVerfG stellte hierin fest, dass das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum zu dem aus Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Eigentum gehört. Das Aktieneigentum ermögliche eine „Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht“, die auf der besonders ausgeprägten Verkehrsfähigkeit von Aktien fuße. Dies gelte vor allem für börsennotierte Aktiengesellschaften, BVerfGE 100, 289, 305. 18 BVerfG, Beschl. v. 23. 8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 1 BvR 147/97, ZIP 2000, 1670 ff. („Moto Meter“). 12

A. Macrotron-Grundsätze

57

sierung Eigenschaften des Aktieneigentums seien, die ebenfalls in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Art. 14 Abs. 1 GG fielen. Die Möglichkeit der Realisierung seines Aktieneigentums werde dem Aktionär bei einem Delisting genommen. Dies bringe für Minderheits- und Kleinaktionäre gravierende wirtschaftliche Nachteile mit sich, die auch nicht durch die Einbeziehung der Aktien in den Freiverkehr ausgeglichen werden könnten.19 Der Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes liege in den Händen der Aktionäre. Daher müsse auch die Entscheidung über ein Delisting den Aktionären und damit der Hauptversammlung vorbehalten bleiben.20 Das Erfordernis eines Pflichtangebots leitete der Bundesgerichtshof ebenfalls aus Art. 14 Abs. 1 GG ab. Dahinter stand folgende Erwägung: Allein der Umstand, dass über die Frage eines Delistings die Hauptversammlung zu entscheiden habe, sei für einen Schutz der Minderheitsaktionäre nicht ausreichend. Auch die kapitalmarktrechtlichen Schutzmechanismen in § 39 BörsG könnten „keinen wirksamen gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutz“ gewährleisten.21 Ein adäquater Schutz der Minderheitsaktionäre könne nur dadurch erreicht werden, dass „ihnen mit dem Beschlussantrag ein Pflichtangebot über den Kauf ihrer Aktien durch die Gesellschaft (in den nach §§ 71 ff. AktG bestehenden Grenzen) oder durch den Großaktionär vorgelegt wird.“22 Dieses Angebot müsse dem vollen Anteilswert entsprechen. Zudem gebiete Art. 14 Abs. 1 GG, dass den Minderheitsaktionären die Möglichkeit offenstehen müsse, die Richtigkeit der Wertbemessung in einem Spruchverfahren gerichtlich überprüfen zu lassen. Zwar sei Delisting in § 1 SpruchG nicht als Anwendungsfall genannt, der Anwendungsbereich des SpruchG sei dort jedoch nicht abschließend geregelt. Vielmehr gebiete Art. 14 Abs. 1 GG für Fälle des Delistings eine analoge Anwendung.23

II. Rezeption des Macrotron-Urteils Mit der Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses folgte der BGH der bereits vor dem Urteil herrschenden Meinung im Schrifttum.24 Teilweise wurde dort auch bereits ein Abfindungsangebot gefordert.25 19

BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 („Macrotron“). BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 55 („Macrotron“). 21 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 56 („Macrotron“). 22 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 57 („Macrotron“). 23 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 56 und 57 („Macrotron“). 24 Aus der Rechtsprechung die Vorinstanzen OLG München, Urt. v. 14. 2. 2001 – 7 U 6019/ 99, ZIP 2001, 700, 703 und LG München I, Urt. v. 4. 11. 1999 – 5 HKO 10580/99, ZIP 1999, 2017, 2019; Aus der Literatur: Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 191 ff. (unter Rückgriff auf die Holzmüller-Grundsätze); Hellwig, ZGR 1999, 781, 799 f.; Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 655 ff.; Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unterneh20

58

4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

Die Macrotron-Entscheidung erhielt daher hinsichtlich des vom BGH gefundenen Ergebnisses breite Zustimmung26 sowohl aus der Wissenschaft27 als auch aus der Praxis.28 Kritik richtete sich (auch aus dem Lager der Befürworter) hingegen insbesondere gegen die dogmatische Verortung des Aktionärsschutzes in Art. 14 Abs. 1 GG.29 Zur

mens von der Börse, 2002, S. 121; Land/Hasselbach, DB 2000, 557, 558; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 805 f.; Lutter, in: Lieb/Noack/Westermann (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zöllner, 1998, S. 363, 380; Radtke, Delisting, 1998, S. 83 f.; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 216; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 761 ff.; Steck, AG 1998, 460, 461; de Vries, Delisting, 2002, S. 89 ff., 103; Wilsing/Kruse, NZG 2002, 807, 811; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1066. Die Effektivität eines (zumindest isolierten) Hauptversammlungsbeschlusses hingegen in Frage stellend auch Groß, ZHR 165 (2001), 141, 165 und 169 (Diskussionsbericht Bitter) („reiner Formalismus“); Hopt, in: Basedow/Hopt/Kötz (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Drobnig, 1998, S. 525, 537; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 134 f.; Schiessl, AG 1999, 442, 452 („Farce“); Bungert, BB 2000, 53, 55 („schlicht überflüssige Förmelei“); Schmidt, NZG 2003, 601, 603 („Legitimationskosmetik“). 25 Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 487 ff.; Hellwig, ZGR 1999, 781, 800 f.; Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 195 ff.; Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 665 f.; Pluskat, WM 2002, 833, 835; Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 216 f.; Wilsing/Kruse, NZG 2002, 807, 811; Zetzsche, NZG 2000, 1065, 1068. 26 Die Entscheidung insgesamt ablehnend hingegen Bürgers, NJW 2003, 1642, 1643; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 883 ff., 908 ff.; Holzborn, WM 2003, 1105, 1106 ff.; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 227 ff.; Klöhn, ZBB 2003, 208, 211 ff.; kritisch zu der Frage, ob die vom BGH in Macrotron herangezogenen Urteile des BVerfG eine Abfindungspflicht stützen ders., ZBB 2003, 208, 215 ff.; ders., Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 105 ff.; ders., NZG 2012, 1041, 1044. 27 Schmidt, NZG 2003, 601, 603; Lutter, JZ 2003, 684, 684 ff.; Hoffmann, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., 2010, § 119 AktG Rn. 40; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 2. Aufl., 2010, § 119 AktG Rn. 49 ff.; Hüffer, in: ders. (Hrsg.), Aktiengesetz, 10. Aufl., 2012, § 119 AktG Rn. 24. 28 Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 798 ff.; Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 88; deutlicher: ders., in: Kropff/ Semler (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., 2004, § 119 AktG Rn. 84; Wilsing/Kruse, WM 2003, 1110, 1111. 29 Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 799 f.; Henze, in: Habersack/Hommelhoff/Hüffer u. a. (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, 2003, S. 211, 241; Klöhn, ZBB 2003, 208, 214 ff., 217; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 228 ff.; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 88 ff.; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 113 ff.; Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 86 ff., 102; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 2. Aufl., 2010, § 119 AktG Rn. 50. Zustimmend zur Verortung des Anlegerschutzes in Art. 14 Abs. 1 GG hingegen Heidel/ Lochner, AG 2012, 169, 169 ff.; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 196 ff., 211, 257 ff., 272; Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 88; deutlicher: ders., in: Kropff/Semler (Hrsg.), Münchener

A. Macrotron-Grundsätze

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Begründung der Hauptversammlungszuständigkeit30 wurde stattdessen oftmals auf einen Anwendungsfall der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten verwiesen31 oder auf eine (Gesamt-)Analogie zu gesetzlichen Vorschriften zurückgegriffen.32 Die Notwendigkeit der Abgabe eines Pflichtangebots stieß hingegen insgesamt auf größere Ablehnung.33 Sofern ein Abfindungsanspruch befürwortet wurde, wurde dieser aus einer Analogie oder unter Rückgriff auf den zugrundeliegenden Rechtsgedanken aus § 207 UmwG34, aus §§ 29, 207 UmwG35, aus §§ 29, 207 UmwG, 305 AktG36, aus §§ 29, 207 UmwG, 320b AktG37 oder aus einer Gesamtanalogie zu §§ 29, 207 UmwG, 305, 320b, 327b AktG38 zu begründen versucht.

Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., 2004, § 119 AktG Rn. 84; zuvor im Sinne des BGH bereits Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 473 ff. (Delisting als Eingriff in Art. 14 GG). 30 Eine Hauptversammlungszuständigkeit insgesamt ablehnend Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575; Bürgers, NJW 2003, 1642, 1643; Habersack, AG 2005, 137, 141; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 237 ff.; Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 138 ff., 150; Schlitt, ZIP 2004, 533, 535. 31 Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 800; Hüffer, in: ders. (Hrsg.), Aktiengesetz, 10. Aufl., 2012, § 119 AktG Rn. 24; ders., in: Habersack/Hommelhoff/Hüffer u. a. (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, 2003, S. 279, 294. Dies bereits vor der Macrotron-Entscheidung vertretend: Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 805 f.; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 761 ff.; de Vries, Delisting, 2002, S. 89 ff.; Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 655 f. Ein Eingreifen der Holzmüller-Grundsätze ablehnend hingegen Henze, in: Habersack/ Hommelhoff/Hüffer u. a. (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, 2003, S. 211, 239 ff., 242; ders., in: Damm (Hrsg.), Festschrift für Thomas Raiser zum 70. Geburtstag am 20. Februar 2005, 2005, S. 145, 147 f. 32 Benecke, WM 2004, 1122, 1124 f.; Picot, Die Rechte der Aktionäre beim Delisting börsennotierter Gesellschaften, 2009, S. 48 ff., 52; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 161 ff., 164 f. 33 Both, Delisting, 2006, S. 60; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 902 ff.; Ernemann, Das Reguläre Delisting, 2006, S. 173 ff.; Geyrhalter/Zirngibl, DStR 2004, 1048, 1051; Gutte, Das reguläre Delisting von Aktien, 2006, S. 194 ff., 211; Klöhn, ZBB 2003, 208, 210 ff., 218; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 239 f.; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 189 ff.; Ott, Der Rückzug von der Börse, 2005, S. 289; Reiff, Gesellschaftsrechtliche Aspekte des regulären Delistings, 2004, S. 157 ff. 34 BayObLG, Beschl. v. 1. 12. 2004 – 3Z BR 106/04, BayObLGZ 2004, 346, 355; Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 202 f. (Begründung zusätzlich über Treuepflicht); Henze, Delisting, 2002, S. 168 ff., 171; Hellwig, ZGR 1999, 781, 800; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 764 f.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 475 f. 35 Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 665 f. 36 Kleppe, Anlegerschutz beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse, 2002, S. 198; Schlitt, ZIP 2004, 533, 536. 37 Pluskat, WM 2002, 833, 835.

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4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

Tatsächlich erschwerte die dogmatische Verortung in Art. 14 Abs. 1 GG die praktische Umsetzung der Macrotron-Grundsätze, da der BGH zahlreiche Folgefragen nicht entschieden hatte39 und nicht auf einfachgesetzliche Grundsätze zurückgegriffen werden konnte. Ungeklärt waren etwa die Folgen eines fehlenden Pflichtangebots.40 Unklar war, ob bei Fehlen eines Abfindungsangebots ein Direktanspruch auf Abfindung existierte („Anspruchslösung“) oder ob bei Fehlen eines Abfindungsangebots der Delisting-Beschluss der Hauptversammlung unwirksam war („Bedingungslösung“).41 Unklarheit bestand auch in der Frage der Aktiv- und Passivlegitimation des Abfindungsanspruchs.42 Probleme bereitete insbesondere die Feststellung, wer als „Großaktionär“43 neben der Aktiengesellschaft passivlegitimiert sein kann.44 Hinsichtlich der Aktivlegitimation war unklar, ob alle Minderheitsaktionäre anspruchsberechtigt sein sollten, oder nur diejenigen, die dem Hauptversammlungsbeschluss widersprochen hatten.45

III. Auswirkungen auf den Anlegerschutz Die Macrotron-Entscheidung stellte im Ergebnis eine Rechtsfortbildung mit systemveränderndem Charakter dar.46 Das Delisting als ursprünglich kapitalmarktrechtlicher Vorgang wurde durch verfassungsrechtliche Erwägungen47 in seinen Rechtsfolgen mit einer gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahme gleichgesetzt.48

38 Benecke, WM 2004, 1122, 1125; KG Berlin, Beschl. v. 31. 10. 2007 – 2 W 14/06, ZIP 2007, 2352, 2354. 39 Bayer, ZfPW 2015, 163, 184; Lutter, JZ 2003, 684, 686. 40 Hierzu Klöhn, ZBB 2003, 208, 212. 41 Hierzu eingehend Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 801 ff.; Klöhn, ZBB 2003, 208, 211 f.; Paschos/Klaaßen, ZIP 2013, 154, 157. 42 Eingehend Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 803 ff. 43 Der Begriff des „Großaktionärs“ ist dem Aktiengesetz fremd; in § 16 AktG gibt es Mehrheitsaktionäre („Mehrheitsbeteiligung“), in § 327a Abs. 1 S. 1 AktG Hauptaktionäre. 44 Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 803; Benecke, WM 2004, 1122, 1126. 45 Eingehend Hoffmann, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., 2010, § 119 AktG Rn. 42. 46 Ekkenga, ZGR 2003, 878, 896 ff., 898; schärfer formuliert dies Klöhn, NZG 2012, 1041, 1043: „eine durch verfassungsrechtliche Erwägungen kaschierte Rechtsfortbildung contra legem“. 47 Klöhn, ZBB 2003, 208 sieht hierin die Fortsetzung des „Siegeszuges“ des „Aktienverfassungsrechts“; hierzu siehe etwa Schön, in: Habersack/Hommelhoff/Hüffer u. a. (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, 2003, S. 1359, 1359 ff.; Maier-Reimer/Kolb, in: Hommelhoff/Zätzsch/Erle (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Steuerrecht, 2001, S. 93, 93 ff.; Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 615 ff. 48 Brellochs, AG 2014, 633, 635.

A. Macrotron-Grundsätze

61

1. Gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen Rechtstechnisch ging es infolgedessen auch nicht mehr nur um einen kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz, sondern vielmehr um einen gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutz. Dies wird in dem Macrotron-Urteil vor allem an den Stellen deutlich, in denen der BGH den Anleger als Anteilseigner der Aktiengesellschaft nicht mehr einheitlich betrachtet, sondern den Begriff des „Großaktionärs“ einführt und diesen den „Minderheits- und Kleinaktionären“ gegenübergesetzt.49 Schließlich spricht der BGH selbst von der „Gewährung eines gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzes“.50 Der zunächst einmal unterschiedslos geltende kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz wurde daher durch gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen überlagert. Das nunmehr vom BGH geforderte Abfindungsangebot gab den (Minderheits-)Aktionären die Sicherheit, die Aktien auch nach Ankündigung des Delistings zu einem angemessenen Preis über die Börse veräußern zu können. Die Höhe des Abfindungsangebots hatte dem „vollen Wert“ des Anteils zu entsprechen. Auch wenn Unklarheiten bezüglich der Berechnung bestanden51, stellte sich das Abfindungsangebot als eine wirksame Anlegerschutzmaßnahme dar. 2. Überprüfung der Angemessenheit im Spruchverfahren Durch die Macrotron-Entscheidung sind die Rechtsschutzmöglichkeiten der Anleger entscheidend erweitert worden. Statt eines nur verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes stand den Anlegern mit dem Spruchverfahren auch ein zivilrechtlicher Rechtsbehelf zur Verfügung, mit dem die Angemessenheit des Abfindungsangebots überprüft werden konnte. Den Anlegern bot sich hierdurch die Möglichkeit, gegen einen angemessenen und gerichtlich überprüfbaren Preis aus dem Investment in die Gesellschaft auszusteigen. Die Besonderheit spruchgerichtlicher Verfahren liegt darin, dass sie für die im Rahmen einer ausgleichspflichtigen Maßnahme anzubietende Gegenleistung einen effektiven Rechtsschutz garantieren, ohne die Maßnahme selbst zu blockieren.52 Die Wirksamkeit des Delistings und die Angemessenheit der Entschädigung waren daher

49 Siehe etwa BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54, 55, 56 f., 59 („Macrotron“). 50 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 57 („Macrotron“). 51 Siehe nur Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 61 Rn. 40; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), KapitalmarktrechtsKommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 23 f.; Heldt/Royé, AG 2012, 660, 663. 52 Simon, in: ders. (Hrsg.), Spruchverfahrensgesetz, 2007, Einführung Rn. 1 ff.; TimmWagner, in: dies. (Hrsg.), Spruchverfahrensgesetz, 2012, Einleitung Rn. 1; Wasmann, in: Riegger/Wasmann (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 1 SpruchG Rn. 1.

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4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

zu trennen, und nur letztere war Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung im Spruchverfahren.

B. Die Abkehr von Macrotron in Downlisting-Fällen Die Macrotron-Grundsätze bestimmten jahrelang die Rechtspraxis. Der BGH bestätigte seine Macrotron-Rechtsprechung mehrfach.53 Auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung wandte die Macrotron-Grundsätze regelmäßig an.54 Die ersten im Ergebnis von den Macrotron-Grundsätzen abweichenden instanzgerichtlichen Entscheidungen sind Gegenstand dieses Abschnitts.

I. Hintergrund Im Rahmen des privatrechtlich organisierten Freiverkehrs haben einige Börsen besondere Qualitätssegmente des Freiverkehrs eingerichtet.55 Charakteristisch ist, dass eine weitgehende Angleichung an die Emittentenpflichten im regulierten Markt besteht.56 Wegen der starken Angleichung an den regulierten Markt sehen einige Börsenordnungen57 für ein Downlisting in die besonderen Qualitätssegmente des Freiverkehrs Sonderregelungen vor.58 53 BGH, Beschl. v. 25. 6. 2008 – II ZB 39/07, BGHZ 177, 131; BGH, Beschl. v. 7. 12. 2009 – II ZR 239/08, ZIP 2010, 622 ff. 54 Siehe nur BayObLG, Beschl. v. 28. 7. 2004 – 3Z BR 87/04, BayObLGZ 2004, 200; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3. 8. 2004 – 3 W 60/04, ZIP 2004, 1666; OLG Koblenz, Beschl. v 21. 6. 2007 – 4 SmA 29/07, AG 2007, 822; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23. 8. 2007 – 3 W 147/07, ZIP 2007, 2438; OLG Stuttgart, Urt. v. 15. 10. 2008 – 20 U 19/07, AG 2009, 124 ff.; OLG München, Urt. v. 19. 11. 2008 – 7 U 2405/08, ZIP 2009, 718; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20. 12. 2011 – 21 W 8/11, ZIP 2012, 371. 55 Bei den qualifizierten Freiverkehrssegmenten handelt es sich um Teilbereiche des Freiverkehrs, für die (auf privatrechtlicher Ebene) besondere Transparenz- und Publizitätsvorschriften gelten und die dem regulierten Markt im Übrigen stark angenähert sind, Bungert/ Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253. Qualifizierte Freiverkerssegmente sind etwa der „Entry Standard“ der Frankfurter Wertpapierbörse, „m:access“ der Börse München, „Primärmarkt“ der Börse Düsseldorf, die „Mittelstandsbörse“ der Börsen Hamburg und Hannover und der „Freiverkehr Plus“ der Börse Stuttgart, vgl. auch Pasch/Schmeling/Starke, Corporate Finance 2015, 259, 260. 56 Hierzu ausführlich Kapitel 5 F. II. 2). 57 Es wird Bezug genommen auf die folgenden Börsenordnungen in ihrer jeweils angegebenen Fassung: Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse, in der Fassung vom 1. 12. 2014 (im Folgenden „BörsO FWB“); Börsenordnung der Börse Berlin, in der Fassung vom 3. 3. 2015 (im Folgenden „BörsO Berlin“); Börsenordnung der Börse Düsseldorf, in der Fassung vom 18. 12. 2014 (im Folgenden „BörsO Düsseldorf“); Börsenordnung für die Börse München, in der Fassung vom 4. 7. 2015 (im Folgenden „BörsO München“); Börsenordnung der Hanseatischen Wertpapierbörse Hamburg, in der Fassung vom 10. 11. 2014 (im Folgenden

B. Die Abkehr von Macrotron in Downlisting-Fällen

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II. Die Urteile des LG und des OLG München Einen solchen Wechsel in den qualifizierten Freiverkehr der Börse München, m:access, betrafen die Urteile des LG59 und OLG60 München. Die Aktien des Bauunternehmens Lindner Holding KGaA waren nur an der Börse München im regulierten Markt zum Handel zugelassen. Eine Mehrheitsgesellschafterin hielt 95,21 % der Kommanditaktien, die restlichen 4,79 % der Kommanditaktien befanden sich im Streubesitz. Die Lindner Holding KGaA verband ihren Antrag auf Widerruf der Zulassung ihrer Aktien zum Handel im regulierten Markt mit einem Antrag auf Einbeziehung ihrer Aktien in den Handel des qualifizierten Freiverkehrssegments der Börse München, m:access. Widerruf der Börsenzulassung und Wechsel in den qualifizierten Freiverkehr erfolgten am 1. 6. 2006. Das Downlisting61 fand allein auf der Grundlage einer Vorstandsentscheidung ohne Hauptversammlungsbeschluss oder Kaufangebot an die übrigen Aktionäre statt. Daraufhin versuchten einzelne Minderheitsaktionäre, auf der Grundlage der Macrotron-Grundsätze die Festsetzung einer angemessenen Barabfindung im gerichtlichen Spruchverfahren durchzusetzen. Das LG München wies die Anträge zurück. Eine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde zum OLG München blieb erfolglos. Die Macrotron-Grundsätze seien bei einem Wechsel vom regulierten Markt in das qualifizierte Freiverkehrssegment m:access nicht anzuwenden. Zur Begründung führten beide Gerichte im Wesentlichen übereinstimmend aus, dass wegen der den Emittenten auch im qualifizierten Freiverkehr auferlegten Transparenz- und Publizitätspflichten die Verkehrsfähigkeit der Aktien bei einem Wechsel in den qualifizierten Freiverkehr nicht beeinträchtigt sei.62 Mit der Einbeziehung der Aktien in das qualifizierte Freiverkehrssegment m:access stehe weiterhin ein funktionsfähiger Markt mit ausreichenden Schutz„BörsO Hamburg“); Börsenordnung der Niedersächsischen Börse zu Hannover, in der Fassung vom 10. 11. 2014 (im Folgenden „BörsO Hannover“); Börsenordnung der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse, in der Fassung vom 28. 9. 2015 (im Folgenden „BörsO Stuttgart“); Börsenordnung der Tradegate Exchange, in der Fassung vom 15. 6. 2015 (im Folgenden „BörsO Tradegate“). 58 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 7 A. II. 2. c); § 56 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BörsO Düsseldorf; § 42 Abs. 2 lit. d) BörsO Hamburg; § 43 Abs. 2 lit. d) BörsO Hannover; § 51 Abs. 2 Nr. 2 BörsO Börse München. 59 LG München, Beschl. v. 30. 8. 2007 – 5 HK O 7195/06, ZIP 2007, 2143 ff. („Lindner I“). 60 OLG München, Beschl. v. 21. 2. 2008 – 31 Wx 62/07, ZIP 2008, 1137 ff. („Lindner II“). 61 Rechtstechnisch erfolgt ein solches Downlisting vom regulierten Markt in den qualifizierten Freiverkehr in zwei Schritten: zunächst einem Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien zum Handel im regulierten Markt und nach Vollzug des Widerrufs der Einbeziehung in den qualifizierten Freiverkehr. 62 LG München, Beschl. v. 30. 8. 2007 – 5 HK O 7195/06, ZIP 2007, 2143, 2143 f. („Lindner I“); OLG München, Beschl. v. 21. 2. 2008 – 31 Wx 62/07, ZIP 2008, 1137, 1138 („Lindner II“).

64

4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

mechanismen zur Verfügung. Insbesondere die Liquidität werde entsprechend § 7 Abs. 2 des Regelwerks für das Marktsegment m:access durch Liquiditäts63- und Spreadgarantien64 gesichert.65 Zudem hänge die Liquidität nicht entscheidend davon ab, in welchem Marktsegment die Aktie gehandelt werde, sondern von Faktoren wie der Anzahl der handelbaren Stücke, der Höhe des Streubesitzes und des Bekanntheitsgrades der Gesellschaft.66 Auch wenn der Freiverkehr im Gegensatz zum regulierten Markt privatrechtlich organisiert sei, sei das Segment m:access hinsichtlich Preisbildung, Transparenz und Publizitätspflichten dem regulierten Markt stark angenähert, sodass negative Auswirkungen auf die Preisbildung ausgeschlossen werden könnten.67 Die Urteile des LG und OLG München betrafen formal nur das qualifizierte Freiverkehrssegment der Börse München. Für ein Downlisting in den Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse kam das KG68 einige Zeit später zu demselben Ergebnis.

III. Auswirkungen auf den Anlegerschutz Der BGH hatte in der Macrotron-Entscheidung am Rande in einem obiter dictum festgestellt, dass der Wegfall der Zulassung im regulierten Markt für die Minderheitsund Kleinaktionäre wirtschaftlich gravierende Nachteile mit sich bringe, „die auch nicht durch die Einbeziehung der Aktien in den Freihandel ausgeglichen werden können“.69 Das obiter dictum bezog sich nur auf den Wechsel in den einfachen Freiverkehr, da die qualifizierten Freiverkehrssegmente erst ab 2005 entstanden.70 Hieran 63 Liquiditätsgarantien gewährleisten – innerhalb der garantierten Summe – die sofortige Ausführung der Order zum besten Preis, vgl. Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807, 814. 64 Spreadgarantien gewährleisten, dass zwischen An- und Verkaufspreisen von Wertpapieren eine möglichst geringe Differenz besteht, dies., AG 2009, 807, 814. 65 OLG München, Beschl. v. 21. 2. 2008 – 31 Wx 62/07, ZIP 2008, 1137, 1138 („Lindner II“). 66 OLG München, Beschl. v. 21. 2. 2008 – 31 Wx 62/07, ZIP 2008, 1137, 1139 („Lindner II“). 67 LG München, Beschl. v. 30. 8. 2007 – 5 HK O 7195/06, ZIP 2007, 2143, 2143 f. („Lindner I“); OLG München, Beschl. v. 21. 2. 2008 – 31 Wx 62/07, ZIP 2008, 1137, 1139 („Lindner II“). 68 KG, Beschl. v. 30. 4. 2009 – 2 W 119/08, ZIP 2009, 1116 ff. 69 BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 („Macrotron“). 70 Die qualifizierten Freiverkehrssegmente sind sog. börsenregulierte Marktsegmente, die als Reaktion auf die seit ca. 2004 infolge der Umsetzung einiger europäischer Rechtssetzungsakte verschärften Prospekt- und Zulassungsfolgepflichten in einigen europäischen Staaten entstanden, vgl. Meyer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 7 Rn. 48. Ein weiteres Beispiel ist der Alternative Investment Market (AIM) in Großbritannien, siehe hierzu Kapitel 6 B. I. 2.

C. Die Macrotron-Regeln auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand

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knüpften sowohl LG und OLG in München als auch das KG in Berlin in den Jahren 2007/2008 bzw. 2009 an und klammerten das Downlisting in den qualifizierten Freiverkehr von der Anwendung der Macrotron-Grundsätze aus. Dies fand breite Zustimmung in der Literatur.71 Nach den Urteilen war ein Downlisting in den qualifizierten Freiverkehr ohne Hauptversammlungsbeschluss und Abfindungsangebot möglich. Für einen Wechsel in den „regulären“ Freiverkehr haben das LG Köln72 und das OLG Frankfurt am Main73 hingegen an der Weitergeltung der Macrotron-Grundsätze festgehalten.

C. Die Macrotron-Regeln auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand Ein erster Wendepunkt für den gesellschaftsrechtlichen Anlegerschutz bei Delisting kam mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. 7. 2012 in Sachen MVS/Lindner.74 Es war das erste Mal, dass sich das BVerfG mit Fragen des Delistings auseinander zu setzten hatte. Das BVerfG hatte zu entscheiden, ob die Macrotron-Regeln verfassungsrechtlich zulässig oder sogar verfassungsrechtlich geboten waren. Dem Urteil lagen zwei verschiedene Verfassungsbeschwerden zugrunde, die jeweils umgekehrte Konstellationen betrafen. Das erste Verfahren (1 BvR 1569/08 – Lindner KGaA) betraf den oben unter B. geschilderten Fall der Lindner Holding KGaA. Einer der vor dem LG und OLG München mit seinem Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens zur Festsetzung einer angemessenen Barabfindung unterlegenen Minderheitsaktionäre sah sich durch diese Entscheidungen in seinen Grundrechten verletzt und erhob Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG. Dem zweiten Verfahren (1 BvR 3142/07 – MVS Miete Vertriebs Service AG) lag die Verfassungsbeschwerde einer Hauptaktionärin gegen die Macrotron-Grundsätze zugrunde. Im Zuge eines vollständigen Delistings vom damaligen amtlichen Markt 71 Dies bereits vor den Urteilen des LG/OLG München vertretend Schwichtenberg, AG 2005, 911, 912 ff., 915 f.; der Rechtsprechung zustimmend Feldhaus, BB 2008, 1307, 1307 f.; Holzborn/Hilpert, WM 2010, 1347, 1350 f.; Rubel/Kunz, AG 2009, 399, 402 f.; Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807, 814; Simon/Burg, Der Konzern 2009, 214, 218 f.; ablehnend hingegen Heidel/Lochner, AG 2012, 169, 170 ff.; Thomas, Delisting und Aktienrecht, 2009, S. 87 ff. 72 LG Köln, Beschl. v. 24. 7. 2009 – 82 O 10/08, AG 2009, 835 ff. 73 OLG Frankfurt a.M.; Beschl. v. 20. 12. 2011 – 21 W 8/11, AG 2012, 330 ff. 74 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99 ff. („MVS/Lindner“).

66

4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

hatte die Hauptaktionärin den übrigen Aktionären ein Kaufangebot für deren Aktien unterbreitet. Die Hauptaktionärin wehrte sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Urteile des LG und KG Berlin75, die ein auf Antrag der Minderheitsaktionäre angestrengtes Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit des Kaufangebots unter ausdrücklichem Verweis auf die Macrotron-Rechtsprechung als zulässig erachtet hatten. Der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz sei im Rahmen eines Spruchverfahrens analog § 1 SpruchG zu gewährleisten.76 Die Hauptaktionärin sah sich in ihren Grundrechten (unter anderem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt und machte geltend, dass es für ein solches Verfahren keine Rechtsgrundlage gebe.

I. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Das BVerfG wies beide Verfassungsbeschwerden als unbegründet zurück. 1. Umfang der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG Obwohl der Fall Lindner nur das Downlisting betraf, differenzierte das Verfassungsgericht nicht zwischen Delisting und Downlisting und entschied grundsätzlich, dass der Widerruf der Börsenzulassung weder bei einem Delisting noch bei einem Downlisting in das Eigentumsgrundrecht des Aktionärs aus Art. 14 Abs. 1 GG eingreife. Zunächst stellte das BVerfG den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG in Bezug auf das Aktieneigentum fest. Erfasst sei die Substanz des in der Aktie verkörperten Anteilseigentums in seiner mitgliedschaftlichen und vermögensrechtlichen Ausgestaltung.77 Der Schutzbereich sei in Fällen betroffen, in denen der Aktionär seine in der Aktie verkörperte Rechtsposition verliere oder diese „in der Substanz verändert“ werde.78 Dies sei der Fall bei Strukturmaßnahmen wie der Eingliederung der Aktiengesellschaft in einen Konzern (§§ 319 ff. AktG), beim Abschluss eines Beherrschungs- und 75

LG Berlin, Beschl. v. 17. 1. 2006 – 102 O 186/04; KG Berlin, Beschl. v. 31. 10. 2007 – 2 W 14/06, ZIP 2007, 2352 ff. 76 LG Berlin, Beschl. v. 17. 1. 2006 – 102 O 186/04; KG Berlin, Beschl. v. 31. 10. 2007 – 2 W 14/06, ZIP 2007, 2352 ff. 77 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 301 f. („DAT/ Altana“); zur Erweiterung des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 GG um die mitgliedschaftliche Komponente des Aktieneigentums siehe zudem BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 342; Mülbert, in: Grundmann/Haar/Merkt u. a. (Hrsg.), Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 1039, 1053. 78 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 119, Rn. 52 („MVS/Lindner“).

C. Die Macrotron-Regeln auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand

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Gewinnabführungsvertrags (§ 291 AktG) oder einem Squeeze-Out (§§ 327a ff. AktG). Von Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützt seien hingegen der bloße Vermögenswert des Aktieneigentums und einzelne wertbildende Faktoren; hierzu zählten etwa solche, die die tatsächliche Verkehrsfähigkeit der Aktie steigerten.79 Nach Auffassung des BVerfG ist die kapitalmarktrechtliche Marktorganisation und Marktregulierung („marktregulierende[r] und unternehmensbezogene[r] Vorschriften des Aktien- und Börsenrechts“) nicht vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst. Diese stellten vielmehr nur „wirtschaftliche Chancen und Risiken“ dar.80 Ein Delisting greift nach Ansicht des BVerfG nicht in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ein.81 Denn ein Delisting habe keine Auswirkungen auf das mitgliedschaftliche oder vermögensrechtliche Element des Aktieneigentums. Eine Beeinträchtigung der Substanz des Aktieneigentums in seinem mitgliedschaftlichen Element konnte das BVerfG durch den Widerruf der Börsenzulassung nicht feststellen. Denn weder der Bestand des Mitgliedschaftsrechts noch die aus der Mitgliedschaft fließenden Beteiligungsrechte oder die Innenstruktur der Gesellschaft seien durch ein Delisting berührt.82 Auch das vermögensrechtliche Element des Anteilseigentums bleibt nach Ansicht des BVerfG durch einen Widerruf der Börsenzulassung unberührt. Zwar könne der Handel im regulierten Markt zu einer Steigerung der faktischen bzw. tatsächlichen Verkehrsfähigkeit der Aktie führen. Vom Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst sei aber nur die rechtliche Verkehrsfähigkeit der Aktie, also die rechtliche Befugnis zur jederzeitigen Veräußerung.83 Diese knüpfe nicht an die Börsenzulassung an, denn sie sei auch bei Aktien nicht börsennotierter Aktiengesellschaften gleichermaßen gegeben.84 Nach Auffassung des BVerfG sei die Börsenzulassung als Steigerung der tatsächlichen Verkehrsfähigkeit lediglich eine „schlichte Ertrags- und Handelschance“ und ein „wertbildender Faktor“, der als eine verfassungsrechtlich nicht geschützte „Marktchance“ zu verstehen sei. Schließlich habe der Aktionär auch keinen Anspruch auf eine Börsenzulassung und müsse einen durch die Börsenzulassung be79 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 119, Rn. 53 („MVS/Lindner“). 80 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 119 f., Rn. 53 („MVS/Lindner“). 81 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 118, Rn. 49 („MVS/Lindner“). 82 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 120, Rn. 54 f. („MVS/Lindner“). 83 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 121, Rn. 57, 59 („MVS/Lindner“). 84 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 121, Rn. 59 („MVS/Lindner“).

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4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

dingten Wertzuwachs auch nicht ausgleichen. Der Widerruf der Börsenzulassung erweise sich daher als ein mit dem Aktieneigentum miterworbenes Risiko.85 Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus der Vielzahl von Sondervorschriften für börsennotierte Gesellschaften. Diese kämen dem einzelnen Aktionär lediglich als „Reflex“ zugute und könnten daher auch nicht bewirken, dass die Zulassung zum Börsenhandel Bestandteil des Eigentumsschutzes werde.86 Das BVerfG lässt aber ausdrücklich offen, ob ein mit einem Delisting regelmäßig einhergehender Kursverfall, der „nach seinem Ausmaß die wirtschaftliche Substanz des Aktieneigentums träfe“, hinsichtlich des vermögensrechtlichen Elements des Aktieneigentums eine andere Beurteilung erfordern könnte. Jedenfalls ließe sich ein solcher Kursverfall nach Ankündigung der Widerrufsabsicht nicht regelmäßig belegen.87 2. Verfassungsmäßigkeit der Macrotron-Grundsätze Im MVS-Fall stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die MacrotronGrundsätze verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden seien, da die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) nicht überschritten worden seien.88 Die von den Instanzgerichten vorgenommene Gesamtanalogie zu §§ 305, 320b, 327b AktG, §§ 29, 207 UmwG zur Begründung einer Abfindungsangebotspflicht an die übrigen Aktionäre und die analoge Anwendung von § 1 SpruchG sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.89 Das BVerfG weist jedoch darauf hin, dass die Gesamtanalogie von Verfassungs wegen zulässig, aber nicht geboten sei.90

85 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 121 f., Rn. 57, 59, 61 („MVS/Lindner“). 86 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 123, Rn. 64; 125, Rn. 66 („MVS/Lindner“). 87 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 125, Rn. 68 („MVS/Lindner“). 88 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 126 ff., Rn. 71 ff. („MVS/Lindner“). 89 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 128 ff., Rn. 79 ff, 131, Rn. 86 („MVS/Lindner“). 90 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 133, Rn. 91 („MVS/Lindner“).

C. Die Macrotron-Regeln auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand

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II. Umfang des Art. 14 Abs. 1 GG und Delisting 1. Delisting außerhalb des Schutzbereichs von Art. 14 Abs. 1 GG Hauptversammlungsbeschluss und obligatorisches Abfindungsangebot sind bei einem Delisting verfassungsrechtlich nicht geboten, da der Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG durch den Widerruf der Börsenzulassung nicht betroffen ist.91 Die Börsenzulassung ist nicht Teil des verfassungsrechtlich geschützten Aktieneigentums, sondern lediglich ein wertbildender Faktor, durch den die tatsächliche Verkehrsfähigkeit gesteigert wird. Das Macrotron-Urteil fußte auf einer zu weit gehenden Interpretation des DAT/ Altana-Urteils durch den BGH, wobei der BGH eine eigenständige Interpretation von Art. 14 GG vornahm, die jedenfalls durch die vorherige Rechtsprechung des BVerfG nicht gedeckt war.92 In DAT/Altana hatte das BVerfG lediglich festgestellt, dass ein gesellschaftsrechtlich legitimierter Verlust der Aktionärsstellung der Minderheitsaktionäre zugunsten der Aktionärsmehrheit nur bei voller Entschädigung der ausscheidenden Minderheitsaktionäre zulässig ist und der Börsenkurs bei der Bemessung der Abfindung nicht unberücksichtigt bleiben darf.93 Das BVerfG bezeichnete die Verkehrsfähigkeit der Aktie lediglich als Eigenschaft des Aktieneigentums.94 Der BGH entnahm den Urteilen, dass die gesteigerte Verkehrsfähigkeit der Aktien auf dem regulierten Kapitalmarkt dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zuzuordnen sei und erhob die Verkehrsfähigkeit der Aktie zum Inhalt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung. Als Folge ordnete der BGH für ein Delisting fälschlicherweise das „klassische gesellschaftsrechtliche Schutzprogramm für Strukturmaßnahmen“ an.95 Die Unterscheidung zwischen der rechtlichen, von Art. 14 Abs. 1 GG erfassten, Verkehrsfähigkeit als schlichter Möglichkeit der Übertragbarkeit und der aus der Börsenzulassung folgenden tatsächlichen, faktischen, von Art. 14 Abs. 1 GG gerade nicht erfassten, Verkehrsfähigkeit überzeugt. Denn die Börsenzulassung ist aus mitgliedschaftlicher Perspektive lediglich eine „von außen herangetragene Akzidenz“ und kein Bestandteil der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft selbst.96 Die 91 Dem Urteil des BVerfG in diesem Punkt ebenfalls zustimmend Auer, JZ 2015, 71, 73; Heldt/Royé, AG 2012, 660, 662 ff., 665 f.; Klöhn, NZG 2012, 1041, 1044; Paschos/Klaaßen, ZIP 2013, 154, 156 ff.; Reger/Schilha, NJW 2012, 3066, 3068; A. Sanders, JZ 2012, 1070, 1071; anders hingegen Heidel/Lochner, AG 2012, 169, 169 ff.; kritisch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG in DAT/Altana und MotoMeter Thomale, ZGR 2013, 686, 692 ff. 92 So beispielhaft Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 799; Ekkenga, ZGR 2003, 878, 883 ff.; Wasmann/Glock, DB 2014, 105, 106 spricht von einem „offensichtlichen Missverständnis“. 93 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 307 f. („DAT/ Altana“); siehe auch Roßkopf, ZGR 2014, 487, 73. 94 Hierzu Klöhn, NZG 2012, 1041, 1044. 95 Brellochs, AG 2014, 633, 634 f. 96 Mülbert, in: Grundmann/Haar/Merkt u. a. (Hrsg.), Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 1039, 1054.

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4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

faktische Verkehrsfähigkeit beschreibt vielmehr lediglich das Liquiditätsrisiko der Anleger, also das Risiko, dass Anleger einen investierten Betrag nicht ohne Abschläge oder nicht zu jedem Zeitpunkt in Bargeld zurückverwandeln können. Dieses Liquiditätsrisiko wägen Anleger regelmäßig gegen die Renditechancen ihrer Investition ab, bevor sie die Investition tätigen.97 Die faktische Verkehrsfähigkeit stellt damit eine bloße Ertrags- und Handelschance dar. Bloße Gewinnchancen können jedoch niemals Gegenstand der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung sein. 2. Einfachgesetzliche Begründung der Macrotron-Grundsätze möglich Auf der anderen Seite waren die Macrotron-Grundsätze von Verfassungs wegen – wenn auch nicht erforderlich – so aber doch zulässig. Mit dem Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses und eines Pflichtangebots haben die Gerichte die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) nicht überschritten. Damit sah das BVerfG eine einfachgesetzliche Begründung der Macrotron-Grundsätze als zulässig an.

D. Die Aufgabe der Macrotron-Grundsätze durch Frosta Den entscheidenden Wendepunkt für den gesellschaftsrechtlichen Anlegerschutz bei Delisting stellt das Urteil des BGH in Sachen Frosta98 dar.

I. Das Frosta-Urteil des BGH In dem Frosta-Verfahren hatte der BGH erstmals nach dem MVS/Lindner-Urteil des BVerfG Gelegenheit, sich zu Fragen des Downlistings und Delistings zu äußern. Der BGH fand dabei folgende Ausgangslage vor: Im Anschluss an das Urteil des BVerfG hatten mehrere Gerichte entschieden, die Macrotron-Grundsätze bei einem Downlisting nicht mehr anzuwenden.99 Allerdings stellten die Gerichte jeweils auf den „konkreten Fall“ ab. Zudem enthielten die Urteile keine Aussagen über die Anwendbarkeit der Macrotron-Grundsätze beim vollständigen Delisting. Auf der anderen Seite war nach Ansicht des BVerfG die Anwendung der Macrotron-

97

Hierzu Heldt/Royé, AG 2012, 660, 662. BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 ff. („Frosta“). 99 OLG Bremen, Beschl. v. 12. 10. 2012 – 2 W 25/12, NZG 2013, 749 ff.; LG Berlin, Urt. v. 20. 3. 2013 – 99 O 103/12, ZIP 2013, 1531 ff. 98

D. Die Aufgabe der Macrotron-Grundsätze durch Frosta

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Grundsätze auf der Grundlage zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung (nunmehr auf der Grundlage des einfachen Rechts) weiterhin möglich.100 1. Sachverhalt Der Rechtsstreit betraf eine typische Downlisting-Situation. Der BGH hatte zu klären, ob Aktionären einer AG, auf deren Antrag ein Downlisting in den Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse erfolgt war, ein Anspruch auf Abfindung zustand. Die Aktien der Frosta AG waren im regulierten Markt der Wertpapierbörse in Berlin zum Handel zugelassen. Beherrschende Aktionäre der Frosta AG waren drei Mitglieder der Familie A. Der Vorstand der Frosta AG hat im Februar 2011 mit Zustimmung des Aufsichtsrats den Wechsel vom regulierten Markt der Wertpapierbörse in Berlin in den Entry Standard des Freiverkehrs (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse beschlossen und gemäß Ad-hoc-Mitteilung vom 11. Februar 2011 bekannt gegeben. Ein Hauptversammlungsbeschluss über das geplante Downlisting war nicht gefasst und den Minderheitsaktionären war auch kein Abfindungsangebot unterbreitet worden. Der Widerruf der Zulassung zum Handel am regulierten Markt wurde am 16. Februar 2011 wirksam. Die Aktien der Frosta AG sind seither in den Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse einbezogen. Mit dem Downlisting nicht einverstandene Minderheitsaktionäre beantragten die Durchführung eines Spruchverfahrens zur Festlegung einer angemessenen Barabfindung. Das LG Bremen101 hat die Anträge als unzulässig zurückgewiesen. Auch die Beschwerden der Minderheitsaktionäre beim OLG Bremen102 waren erfolglos. 2. Begründung des BGH Der unmittelbar zu entscheidende Fall betraf ein Downlisting. Zur Weitergeltung der Macrotron-Grundsätze für ein Downlisting hatte der für gesellschaftsrechtliche Fragen zuständige II. Zivilsenat des BGH bereits im Rahmen des MVS/LindnerUrteils des BVerfG schriftlich Stellung bezogen. Hierin hatte der BGH zu erkennen gegeben, dass er die Macrotron-Grundsätze nicht auf das Downlisting in den qualifizierten Freiverkehr übertragen würde. Die Stellungnahme gibt das BVerfG wie folgt wieder: „Leitender Gedanke bei der Entwicklung der Macrotron-Rechtsprechung sei gewesen, dass mit dem regulären Delisting dem Minderheitsaktionär der Platz genommen werde, auf dem er seine Aktie an beliebige Interessenten nach den 100 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 128 ff., Rn. 79 ff. („MVS/Lindner“). 101 LG Bremen, Beschl. v. 06. 1. 2012 – 13 O 128/11, BeckRS 2013, 19381. 102 OLG Bremen, Beschl. v. 12. 10. 2012 – 2 W 25/12, ZIP 2013, 821 ff.

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4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

Regeln von Angebot und Nachfrage veräußern könne. […] Der Wechsel von einem öffentlich geregelten in einen privatrechtlichen Regeln unterworfenen Markt, auf dem die Kleinaktionäre in ähnlicher Weise ihre Aktien handeln könnten, erfülle hingegen die Voraussetzungen der Macrotron-Entscheidung nicht.“103 Der BGH ging in seinem Urteil aber einen Schritt weiter und nutzte die Gelegenheit, sich generell zur Fortgeltung der Macrotron-Grundsätze bei Delisting zu äußern. Das BVerfG hatte es dem BGH in seinem MVS/Lindner-Urteil freigestellt, über Hauptversammlungszuständigkeit und Abfindungsanspruch bei Delisting auf einfachgesetzlicher Grundlage zu entscheiden.104 Der BGH ging einen anderen Weg. Zunächst stellt der BGH fest, dass ein Delisting nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht zu einer Beeinträchtigung des Eigentumsgrundrechts des Aktionärs führe. Art. 14 Abs. 1 GG schütze nur die rechtliche Verkehrsfähigkeit, die tatsächliche Verkehrsfähigkeit stelle eine bloße Ertrags- und Handelschance dar. Daher sei den Macrotron-Grundsätzen die Grundlage entzogen. Dann folgt die entscheidende Aussage: Ein Delisting erfordere weder einen Hauptversammlungsbeschluss noch ein Pflichtangebot.105 a) Hauptversammlungsbeschluss106 Bei einem Delisting bestehe keine aktienrechtliche Pflicht, einen Hauptversammlungsbeschluss herbeizuführen. Denn die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs werde durch den Rückzug von der Börse nicht wie bei einer Mediatisierung seiner Mitwirkungsrechte, die der BGH seit Holzmüller/Gelatine als Anknüpfungspunkt für eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz sieht107, geschwächt.108 Der Widerruf der Börsenzulassung sei weder eine Strukturmaßnahme, noch ähnelte er ihr, da die Binnenstruktur der Gesellschaft durch den Rückzug vom regulierten Markt keine Veränderung erfahre. Die auf die Börsennotierung abstellenden aktienrechtlichen Vorschriften dienten den Vermögens- und Mitgliedsinteressen des einzelnen Aktionärs nur mittelbar. Ihr Verlust führe daher nicht zu einer Veränderung

103 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 113 f., Rn. 34. („MVS/Lindner“). 104 Siehe Kapitel 4 C. I. 2.; Schockenhoff, ZIP 2013, 2429, 2431 bezeichnet dies als „Carte Blanche“ für den BGH. 105 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2254 Rn. 2 („Frosta“). 106 Auch wenn der BGH in seiner Argumentation nicht strikt zwischen Hauptversammlungsbeschluss und Abfindungspflicht unterschieden hat, wird im Folgenden aus Gründen der Übersichtlichkeit zwischen beiden Elementen unterschieden, soweit dies möglich ist. 107 Siehe Kapitel 4 A. I. und Kapitel 7 G. III. 1. b) aa). 108 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2254 Rn. 4 („Frosta“).

D. Die Aufgabe der Macrotron-Grundsätze durch Frosta

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der Rahmenbedingung der Beteiligung in einem Ausmaß, das einer Strukturveränderung gleichkomme und eines Schutzmechanismus bedürfe.109 b) Abfindungspflicht Das Erfordernis eines Pflichtangebots kann nach Auffassung des BGH nicht einfachgesetzlich begründet werden. Der BGH lehnt sämtliche mögliche einfachgesetzliche Begründungsansätze ab. Der BGH lehnt eine analoge Anwendung der in § 207 UmwG für Fälle eines Formwechsels geregelten Barabfindung zur Begründung einer Barabfindungspflicht bei Delisting ab.110 Zunächst stehe dem entgegen, dass nicht jeder Formwechsel bei einer AG zum Eingreifen einer Abfindungspflicht führe. So sei etwa der Formwechsel einer AG in eine KGaA oder der umgekehrte Fall gemäß § 250 UmwG von der Anwendung des § 207 UmwG ausgenommen. Zudem seien Delisting und Formwechsel in ihren Wirkungen auch nicht vergleichbar, da durch ein Delisting weder die Organisationsstruktur noch die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft entscheidend verändert werde. Wolle man ein Delisting als mit einem Formwechsel vergleichbar begreifen, müsse dies auch für den zwangsweisen Widerruf der Zulassung nach § 39 Abs. 1 BörsG gelten. Für einen zwangsweisen Formwechsel enthielten die §§ 190 ff. UmwG jedoch keine Regelungen.111 Auch aus § 243 Abs. 2 S. 2 AktG (Ausgleichspflicht bei Sondervorteil zu Gunsten eines Hauptaktionärs) könne ein Pflichtangebot nicht folgen, da ein Delisting dem (nach § 243 Abs. 2 S. 2 AktG ausgleichspflichtigen) Großaktionär nicht automatisch immer einen Sondervorteil bringe. Auch von der gewünschten Rechtsfolge her passe § 243 Abs. 2 S. 2 AktG nicht. Zunächst sehe § 243 Abs. 2 S. 2 AktG einen angemessenen Ausgleich und keine Abfindung für die anderen Aktionäre vor. Zudem führe das Fehlen eines solchen angemessenen Ausgleichs nach § 243 Abs. 2. S. 2 AktG nicht zu einem Spruchverfahren, sondern zu einer Nichtigkeit des Beschlusses.112 Der BGH lehnt auch eine analoge Anwendung von § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG ab. Nach § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG muss der übernehmende nicht börsennotierte Rechtsträger bei der Verschmelzung einer bisher börsennotierten Aktiengesellschaft auf ihn jedem dem Übertragungsbeschluss der übertragenden Aktiengesellschaft widersprechenden Aktionär eine Barabfindung anbieten. Die in § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG für Verschmelzungen eines börsennotierten auf einen nicht börsennotierten Rechtsträger vorgesehene Abfindungspflicht durchbreche zwar den Grundsatz, dass formwahrende Verschmelzun109 110 111 112

BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2256 Rn. 11 („Frosta“). BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2254 f. Rn. 5 („Frosta“). BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2254 f. Rn. 5 f. („Frosta“). BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2255 Rn. 7 („Frosta“).

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4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

gen abfindungsfrei durchführbar seien. Hieraus ergebe sich allerdings kein allgemeiner Grundsatz, nach dem der Wechsel aus dem regulierten Markt in jedem Fall zu einer Abfindung führe. Dem stehe bereits entgegen, dass es andere Fälle des kalten Delistings ohne Abfindungspflicht (wie die Eingliederung in eine nicht börsennotierte AG gemäß § 320b Abs. 1 S. 2 AktG) gebe. Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen eine Regelung des regulären Delistings entschieden, was sich insbesondere aus der Gesetzgebungsgeschichte des zweiten Gesetzes zur Änderung des UmwG ergebe. Der Gesetzgeber habe § 1 SpruchG bewusst nicht um das Delisting erweitert.113 Auch eine Gesamtanalogie zu gesetzlichen Abfindungsbestimmungen bei Strukturmaßnahmen (§§ 305, 320b, 327b AktG, §§ 29, 207 UmwG) komme nicht in Betracht, da ein Delisting weder eine Strukturmaßnahme noch einer solchen ähnlich sei.114 Meldepflichten für einen Beteiligungserwerb seien auch im Aktiengesetz vorgesehen, der Schutz durch Pflichtangebotsvorschriften nach Kontrollerwerb sei ohnehin nicht lückenlos gewährleistet und die Vorschriften zum Verbot von Insidergeschäften und Marktmanipulation gälten auch bei Einbeziehung in den Freiverkehr.115 c) Kapitalmarktrechtliche Regelung des Delistings Vielmehr sah der BGH den Schutz der Anleger bei Delisting als in § 39 Abs. 2 BörsG aF ausreichend geregelt an. Anders als noch im Macrotron-Urteil konnte der BGH nicht feststellen, dass der Schutz durch das BörsG und die Börsenordnungen unzureichend sei.116 Die in manchen Börsenordnungen zum Schutz der Anleger vorgesehene Fristenlösung bleibe nicht hinter einem Barabfindungsangebot zurück, da der Anleger seine Aktien in dem Zeitraum von Ankündigung bis Wirksamwerden des Widerrufs weiterhin über die Börse veräußern könne und sich zudem nicht feststellen lasse, dass bereits die Ankündigung eines Delistings einen Kursverlust bewirke.117 Entscheide sich der Anleger unter diesen Voraussetzungen selbst für eine Desinvestition zum aktuellen Börsenpreis, stehe er „im wirtschaftlichen Ergebnis nicht anders als bei einem Barabfindungsangebot“.118 Selbst ein sofort wirksamer Widerruf ohne Kaufangebot widerspreche nicht notwendig dem nach § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG aF gebotenen Anlegerschutz, da der 113

BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2255 f. Rn. 8 f. („Frosta“). Siehe bereits Kapitel 4 D. I. 2. a); BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2256 Rn. 10 f. („Frosta“). 115 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2256 Rn. 12 („Frosta“). 116 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2256 Rn. 13 („Frosta“). 117 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2256 Rn. 14 („Frosta“). Für diese Feststellung beruft sich der BGH auf eine Studie des Deutschen Aktieninstituts e.V., abgedruckt Heldt/Royé, AG 2012, 660 ff. 118 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2256 Rn. 14 („Frosta“). 114

D. Die Aufgabe der Macrotron-Grundsätze durch Frosta

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Börsenrückzug nicht zwangsläufig negative Auswirkungen auf Liquidität und Kurs der Aktie habe.119 Einer unzutreffenden Anwendung des § 39 Abs. 2 BörsG aF könne nur mit verwaltungs- und aufsichtsrechtlichen Mitteln begegnet werden. Insbesondere biete § 39 Abs. 2 BörsG aF ausreichende Anhaltspunkte für einen drittschützenden Charakter120 zugunsten der einzelnen Aktionäre. Hierdurch könne ein effektiver Rechtsschutz auch unabhängig von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet werden.121 Abschließend stellte der BGH fest, dass „soweit der Gesetzgeber im Kapitalmarktrecht den Anlegerschutz allein öffentlich-rechtlich ausgestaltet hat, […] eine Ergänzung durch einen zivilrechtlichen Anspruch der Anleger nicht schon deshalb veranlasst [ist], weil ein individuell durchsetzbarer Anspruch für sinnvoller oder effektiver gehalten wird.“122

II. Die Rezeption der Entscheidung in der Rechtswissenschaft Die Reaktionen auf die Frosta-Entscheidung des BGH waren gespalten. Der vollständigen Aufgabe der Macrotron-Grundsätze wurde überwiegend zugestimmt.123 Als entscheidendes Argument gegen jegliche Analogiebildung zur Aufrechterhaltung der Macrotron-Grundsätze auf einfachgesetzlicher Grundlage wurde vorgebracht, dass der Widerruf der Börsenzulassung mit keiner unmittelbaren rechtlichen Strukturänderung verbunden sei, die die diskutierten Normen jedoch allesamt voraussetzten.124

119

BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2256 f. Rn. 15 („Frosta“). In den Worten des BGH: „… einen angemessenen, mit Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Zulassung durchsetzbaren Schutz der betroffenen Aktionäre.“, BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2257 Rn. 16 („Frosta“). 121 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2257 Rn. 16 („Frosta“). 122 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2257 Rn. 16 („Frosta“). 123 Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150, 152 ff.; Auer, JZ 2015, 71, 73 ff.; Beck, DZWiR 2014, 92, 95 f.; Brellochs, AG 2014, 633, 637; Glienke/Röder, BB 2014, 899, 906; Kocher/ Widder, NJW 2014, 127, 128; Königshausen, BB 2013, 3025; Lampert/Weichel, WM 2014, 1024, 1025; Paschos/Klaaßen, AG 2014, 33; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 497 ff.; Wasmann/ Glock, DB 2014, 105, 107; Wieneke, NZG 2014, 22, 23 ff. Eine Aufrechterhaltung der Macrotron-Grundsätze unter Heranziehung einfachgesetzlicher Regelungen bereits vor dem Frosta-Beschluss des BGH ablehnend etwa Bungert/Wettich, DB 2012, 2265, 2268; Goetz, BB 2012, 2767, 2771 ff.; Thomale, ZGR 2013, 686, 712 ff.; 717; Wasmann, in: Riegger/Wasmann (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 1 SpruchG Rn. 25. 124 Auer, JZ 2015, 71, 73; Beck, DZWiR 2014, 92, 95 f.; Glienke/Röder, BB 2014, 899, 906; Kocher/Widder, NJW 2014, 127, 128 f.; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 497 f.; Wasmann/Glock, DB 2014, 105, 107; Wieneke, NZG 2014, 22, 23 f.; vor dem BGH-Urteil bereits Goetz, BB 2012, 2767, 2771 ff. 120

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4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

Kritik an der vollständigen Aufgabe der Macrotron-Grundsätze kam insbesondere aus der Wissenschaft125, vereinzelt auch aus der (sonst überwiegend zustimmenden) Praxis126. Die Kritiker sprachen sich für eine einfachgesetzliche Begründung der Macrotron-Grundsätze aus127 und sahen in bestehenden gesetzlichen Vorschriften eine ausreichende Grundlage hierfür.

III. Auswirkungen auf den Anlegerschutz: Delisting nach Frosta Die Frosta-Entscheidung des BGH bedeutete für die von einem Delisting betroffenen Anleger eine erhebliche Verschlechterung ihrer Situation. Insbesondere der Wegfall des verpflichtenden Abfindungsangebots hatte für die Anleger einschneidende Folgen.128 Nach Frosta vollzog sich der Anlegerschutz bei Delisting allein auf der Ebene des Kapitalmarktrechts, sodass die Bedeutung der kapitalmarktrechtlichen Schutzmechanismen wiederauflebte. Maßgeblich war § 39 Abs. 2 BörsG aF, der allerdings bis auf die Vorgabe in § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG aF („Der Widerruf darf nicht dem Schutz der Anleger widersprechen“) keine Vorgaben machte und für die nähere Ausgestaltung auf die Börsenordnungen verwies. Für den Anlegerschutz entscheidend waren damit die Regelungen in den jeweiligen Börsenordnungen. Von der Ermächtigung in § 39 Abs. 2 S. 5 BörsG aF129 haben die Börsenordnungen in Bezug auf anlegerschützende Maßnahmen in unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht. Die Bestimmungen der Börsenordnungen zum vollständigen Delisting folgten im Wesentlichen zwei unterschiedlichen Konzepten, die sich mit „Fristenlösung“ und „Abfindungslösung“ beschreiben lassen.130 125

Bayer, ZIP 2015, 853, 856; ders., ZfPW 2015, 163, 199 ff., 214 ff.; Bayer/Hoffmann, AG 2013, R 371; Habersack, JZ 2014, 147, 148 bezeichnet das Urteil als „Unglück“ aus Sicht der Minderheitsaktionäre; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 119 AktG Rn. 59; Stöber, BB 2014, 9, 13 ff.; ders., WM 2014, 1757, 1760 ff. 126 Kritisch Schockenhoff, ZIP 2013, 2429, 2432, 2435; Tröder, notar 2014, 173, 174. 127 Siehe nur Habersack, ZHR 176 (2012), 463, 469, der an der durch Macrotron vorgezeichneten Linie festhalten, den „verfassungsrechtlichen Ballast indes abstreifen“ abstreifen will. 128 Zu den wirtschaftlichen Folgen und den Auswirkungen auf den Börsenkurs siehe bereits Kapitel 3 C. II. 1. a) aa). 129 Die identische Regelung findet sich nunmehr in § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG. 130 Zu dieser Unterscheidung siehe nur Roßkopf, ZGR 2014, 487, 490. Dies war nicht immer so. Ursprünglich sahen die Börsenordnungen im Wesentlichen gleiche Regelungen für ein Delisting vor, vgl. nur Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 112; Streit, ZIP 2002, 1279, 1282. Auf die Entwicklung der Delistingregelungen in den Börsenordnungen wird im Folgenden eingegangen, soweit es für die Untersuchung förderlich erscheint. Zu den verschiedenen Entwick-

D. Die Aufgabe der Macrotron-Grundsätze durch Frosta

77

Fristenlösungen führen zu einer verzögerten Wirksamkeit des Delistings. Börsenordnungen mit einer Fristenlösung131 sehen den Anlegerschutz dann als gewahrt an, wenn den Anlegern nach Bekanntgabe des Widerrufs „ausreichend Zeit“ verbleibt, ihre Aktien über die Börse zu veräußern. Sie sehen eine bestimmte (regelmäßig mehrmonatige) Frist nach Bekanntgabe des Widerrufs vor, innerhalb der eine Börsenzulassung vor Wirksamwerden des Widerrufs bestehen bleibt. Fristenlösungen geben Anlegern damit Zeit, sich vor Wirksamwerden des Delistings von ihren Aktien über den regulierten Markt zu trennen. Einige Börsenordnungen sehen zusätzlich zu einer Widerrufsfrist ein zumindest nach der BörsO Düsseldorf132 verpflichtendes Abfindungsangebot an die Aktionäre vor („Abfindungslösung“).133 Inwieweit ein verpflichtendes Abfindungsangebot ohne gesetzliche Grundlage in den Börsenordnungen wirksam festgelegt werden kann, ist fraglich.134 Für ein Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente haben einige BörsO gegenüber einem vollständigen Delisting erhebliche Erleichterungen vorgesehen. So verlangt die BörsO Düsseldorf (anders als für Fälle des vollständigen

lungsstufen siehe auch Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 797 Fn. 11, bezogen auf die BörsO FWB vgl. Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 197 ff. 131 § 46 Abs. 1 Nr. 2 BörsO FWB; § 51 Abs. 2 Nr. 4 BörsO München; § 22 Abs. 1 Nr. 2 BörsO Stuttgart; § 22 Abs. 1 Nr. 2 BörsO Tradegate. 132 Nach § 56 Abs. 4 BörsO Düsseldorf ist neben einem verpflichtenden Abfindungsangebot auch ein Hauptversammlungsbeschluss Voraussetzung für ein vollständiges Delisting. 133 § 56 Abs. 4 BörsO Düsseldorf; § 51 Abs. 2 S. 1 BörsO Berlin; § 42 Abs. 2 BörsO Hamburg; § 43 Abs. 2 BörsO Hannover. 134 Mit der vom Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BörsG verliehenen Satzungsautonomie wird der Börse eine eigene, autonome Rechtssetzungsbefugnis übertragen, Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, S. 76 ff., § 4 Rn. 24 ff. Zu den Grenzen der Satzungsautonomie siehe nur Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2007, § 105 Rn. 28 ff. Hierzu zählt insbesondere auch der Vorbehalt des Gesetzes und der Wesentlichkeitsgrundsatz, der auch bei Satzungen zu beachten ist, vgl. nur Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2010, § 2 Rn. 57. Soweit sich in Bezug auf die Abfindungspflicht in den Börsenordnungen mit den Grenzen der personellen Satzungsautonomie auseinander gesetzt wird, werden diese als überschritten angesehen, Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 477 f.; Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 208 f. Zudem liegt im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte unternehmerische Handlungsfreiheit des Emittenten ein Verstoß gegen die Wesentlichkeitstheorie nahe. Abfindungsregelungen in den Börsenordnungen bedürfen daher einer näher ausgestalteten gesetzlichen Grundlage. In diese Richtung, allerdings in Bezug auf die unzureichende Bestimmtheit von § 39 Abs. 2 S. 5 BörsG im Hinblick auf Abfindungsregeln in den Börsenordnungen, bereits Henze, in: Damm (Hrsg.), Festschrift für Thomas Raiser zum 70. Geburtstag am 20. Februar 2005, 2005, S. 145, 152 f.; Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 227 f.; aA wohl Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 235, die (unabhängig von einer Regelung in den BörsO) die Möglichkeit der Auferlegung einer Abfindungspflicht im Rahmen der Ermessensentscheidung der Börsengeschäftsführung unter Hinweis auf die nach § 36 VwVfG eröffnete Möglichkeit, einen Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen zu versehen, bejahen. AA ohne nähere Begründung wohl auch Thomale, ZGR 2013, 686, 718.

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4. Kap.: Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting in Deutschland

Delistings) in Fällen des Downlistings weder ein verpflichtendes Abfindungsangebot noch einen Hauptversammlungsbeschluss.135 Auch die Rechtsschutzmöglichkeiten der Anleger waren erheblich eingeschränkt.136 Mit dem Wegfall der Macrotron-Grundsätze und der Möglichkeit eines Spruchverfahrens stand den Anlegern als einzige Rechtsschutzmöglichkeit der Verwaltungsrechtsweg offen, wobei allerdings die für die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs entscheidende Frage der Klagebefugnis (weiterhin) ungeklärt ist.137 Problematisch war auch die durch den Wegfall der Abfindungspflicht bei Delisting gegebene Möglichkeit, die Barabfindungspflicht des § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG dadurch zu umgehen, dass vor der Verschmelzung der börsennotierten Aktiengesellschaft auf eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft ein Delisting vorgeschaltet wurde.138 Im Ergebnis blieb der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz insgesamt erheblich hinter den Macrotron-Grundsätzen zurück. Bei Delisting ging es nicht mehr um einen aktienrechtlichen Minderheiten-, sondern um einen kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz. Der Anlegerschutz nach Frosta war uneinheitlich geregelt und abhängig davon, an welcher Börse der Emittent gelistet war, da die Börsenordnungen sich in ihren Voraussetzungen teilweise erheblich unterschieden.

135

Siehe § 56 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BörsO Düsseldorf. Umstritten waren die Auswirkungen der Frosta-Entscheidung auf laufende Spruchverfahren. Teilweise wurde vertreten, Spruchverfahren, die auf Grundlage der MacrotronGrundsätze vor der Frosta-Entscheidung eingeleitet wurden, seien fortzusetzen, vgl. Lochner/ Schmitz, AG 2014, 489, 490 f. Größtenteils wurde hingegen vertreten, anhängige Spruchverfahren seien als unstatthaft und damit unzulässig zu verwerfen, da durch die RechtsprechungsÄnderung die Voraussetzungen des § 1 SpruchG weggefallen seien, vgl. nur Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150, 155; Glienke/Röder, BB 2014, 899, 904 ff.; Kocher/Widder, NJW 2014, 127, 129; Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., 2015, § 1 SpruchG Rn. 27; Mense/Klie, GWR 2013, 505, 508; Müller/Schorn, AG 2015, 420, 424 ff., 426 f.; Paschos/Klaaßen, AG 2014, 33, 36; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 502 f.; Schockenhoff, ZIP 2013, 2429, 2433; Wieneke, NZG 2014, 22, 25; unklar Winter/Keßler, Der Konzern 2014, 69, 73. Als unzulässig zu verwerfen seien auch laufende Beschwerdeverfahren, die eine erstinstanzliche Entscheidung unter Geltung der Macrotron-Grundsätze betreffen, obwohl die erinstanzliche Entscheidung bei ihrem Erlass rechtmäßig war, vgl. Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., 2015, § 1 SpruchG Rn. 27. Auch die obergerichtliche Rechtsprechung hat Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Abfindung im Spruchverfahren als unzulässig verworfen, siehe nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 17. 3. 2015 – 20 W 7/14, AG 2015, 321 ff.; Beschl. v.18. 2. 2015 – 20 W 8/ 14, ZIP 2015, 681 ff.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12. 3. 2015 – 12a W 3/15, AG 2015, 366 ff.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22. 9. 2014 – I-26 W 20/12, ZIP 2015, 123 ff. Diese Rechtsprechung hat das BVerfG nunmehr als verfassungsmäßig gebilligt, BVerfG, Beschl. v. 5. 11. 2015 – 1 BvR 1667/15, ZIP 2015, 2371 ff. 137 Hierzu siehe Kapitel 5 E. II. 1. c). 138 Hierzu Brellochs, AG 2014, 633, 643 sowie Fußnote 140. 136

D. Die Aufgabe der Macrotron-Grundsätze durch Frosta

79

Die Rechtslage nach Frosta führte zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl der Delistings.139 Demgegenüber waren die Anleger einem Delisting nahezu schutzlos ausgeliefert, da die kapitalmarktrechtlichen Schutzmaßnahmen für keinen einheitlichen und vor allem keinen angemessenen Anlegerschutz sorgen konnten.140

139

Siehe bereits Kapitel 1 A. Zu der nach Frosta bestehenden Möglichkeit, ein Delisting klassischen Strukturmaßnahmen vorzuschalten, um Abfindungspflichten zu umgehen siehe etwa Bayer, ZfPW 2015, 163, 197. 140

Fünftes Kapitel

Gesetzliche Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG A. Rechtspolitische Diskussion und Entstehungsgeschichte Trotz der steigenden Zahl von Delistings und des mangelnden Schutzes durch das Kapitalmarktrecht hielt sich der Gesetzgeber nach dem Frosta-Urteil des BGH im Jahr 20131 auffallend lange zurück, sodass kaum noch mit einer Neuregelung des Delistings gerechnet wurde. Im Rahmen seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014) formulierte der Bundesrat auf Anraten der beteiligten Ausschüsse2 im März 2015 eine Prüfbitte hinsichtlich des Anlegerschutzes bei Delisting an den Bundestag.3 Ursprünglich erwog der Gesetzgeber daraufhin, eine Neuregelung des Delistings (sofern eine solche überhaupt erfolgen sollte) im Rahmen der Aktienrechtsnovelle vorzunehmen. So war der Anlegerschutz bei Delisting auch Gegenstand der öffentlichen Anhörung zur Aktienrechtsnovelle 2014 vor dem Rechtsausschuss des Bundestags im Mai 2015.4 In der folgenden rechtspolitischen Diskussion um eine gesetzliche Regelung gab es im Wesentlichen zwei Strömungen: Es wurde zum einen eine gesellschaftsrechtliche Lösung mit einer Regelung im Aktien- oder Umwandlungsgesetz vorgeschlagen, die im Wesentlichen eine gesetzliche Kodifikation der MacrotronGrundsätze darstellen sollte. Hierbei wurde das Delisting einer Strukturmaßnahme gleichgesetzt. Neben einem Abfindungsangebot zum Unternehmenswert sollte auch ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich sein. Zudem sollte eine Überprüfung 1

BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 ff. („Frosta“). BR-Drucks. 22/1/15, S. 9 f. (Empfehlungen der Ausschüsse zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014) vom 23. 2. 2015). 3 BR-Drucks. 22/15, S. 7 f. (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014) vom 6. 3. 2015) und BT-Drucks. 18/4349, S. 43 f. (Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014) vom 18. 3. 2015). Der Bundesrat bat, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, durch welche „zivilrechtliche Regelung“ sichergestellt werden könne, dass Anleger bei einem Delisting ausreichend geschützt seien. 4 Protokoll-Nr. 18/54 des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (Wortprotokoll der 54. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 6. 5. 2015 zur Aktienrechtsnovelle 2014). 2

A. Rechtspolitische Diskussion und Entstehungsgeschichte

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im Spruchverfahren vorgesehen werden.5 Vereinzelt wurde auch eine Regelung im SpruchG vorgeschlagen.6 Zum anderen wurde eine kapitalmarktrechtliche Lösung mit einer Regelung im BörsG favorisiert. Es sollte, wenn überhaupt, eine Abfindung zum durchschnittlichen Börsenkurs erfolgen. Ein Hauptversammlungsbeschluss sei hingegen nicht erforderlich.7 Der Gesetzgeber entschied sich schließlich für die börsenrechtliche Lösung. Das Delisting wurde im Rahmen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie neu geregelt.8 Dies dürfte vor allem deshalb erfolgt sein, da die Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie bis zum 27. 11. 2015 in nationales Recht umgesetzt werden musste und dadurch eine schnellere Neuregelung des Delistings erreicht werden konnte. Die Fraktionen der großen Koalition legten für die öffentliche Anhörung im Finanzausschuss am 7. 9. 2015 kurzfristig einen Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vor, der eine Neuregelung des Anlegerschutzes bei Delisting im Börsengesetz vorsah.9 Nach kleineren Veränderungen, die vor allem auf die Kritik der Aktionärsverbände im Rahmen der öffentlichen Anhörung zurückzuführen sind, hat der Bundestag am 1. 10. 2015 im Zuge des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzricht-

5 Bundesrat, BR-Drucks. 22/15, S. 7 f. (Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014) vom 6. 3. 2015) und BTDrucks. 18/4349, S. 43 f. (Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014) vom 18. 3. 2015); Bayer, ZIP 2015, 853, 857; ders., ZfPW 2015, 163, 221 f.; Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 2 ff., 5 f.; Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme zum Delisting, 2015, S. 9 ff.; Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Delisting, 2015, S. 2. 6 Hirte, Regelungsvorschlag zum Delisting vom 6. 5. 2015, 2015. 7 Brellochs, AG 2014, 633, 644 ff.; Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 375 ff.; Koch/ Harnos, NZG 2015, 729, 732 ff. Siehe auch die Ausführungen von Habersack, Koch und Noack im Protokoll-Nr. 18/54 des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (Wortprotokoll der 54. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 6. 5. 2015 zur Aktienrechtsnovelle 2014). 8 Das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie setzt die Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG (ABl. L 294 vom 6. 11. 2013, S.13) (Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie) in deutsches Recht um. 9 Der Regelungsvorschlag ist zum Beispiel abgedruckt als Anhang zu Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 37/2015, 2015.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

linie-Änderungsrichtlinie10 die Neuregelung des Anlegerschutzes bei Delisting beschlossen. Das Gesetz ist am 26. 11. 2015 in Kraft getreten.

B. Überblick über die Regelung des Delistings in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG Der Gesetzgeber sieht für den gesetzlichen Anlegerschutz bei einem freiwilligen Delisting eine kapitalmarktrechtliche Lösung im Börsengesetz vor. Hierzu hat er die bereits nach altem Recht bestehende Regelung des freiwilligen Delistings in § 39 Abs. 2 BörsG ergänzt und um die Absätze 3 bis 6 erweitert.

I. Zulässigkeit eines Delistings Nach § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG kann die Börsengeschäftsführung im Rahmen ihres Ermessens die Zulassung von Wertpapieren zum Handel im regulierten Markt auf Antrag des Emittenten widerrufen. Dies ist nach der Generalklausel des § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG nur zulässig, wenn das Delisting nicht dem Schutz der Anleger widerspricht. Die Konkretisierung der Generalklausel wird nicht wie bisher den Börsenordnungen überlassen, sondern in § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG gesetzlich vorgegeben. Ein Widerruf der Börsenzulassung ist bei Wertpapieren im Sinne des § 2 Abs. 2 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)11 nur unter den neu eingeführten Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BörsG zulässig. Die Börsengeschäftsführung kann die Zulassung nur dann widerrufen, wenn entweder zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Widerruf der Börsenzulassung bei der Börsengeschäftsführung unter Hinweis auf den DelistingAntrag eine Angebotsunterlage zum Erwerb aller Wertpapiere, die Gegenstand des Delisting-Antrags sind, nach den Vorschriften des WpÜG veröffentlicht worden ist (§ 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG) oder die Wertpapiere weiterhin an einer anderen inländischen Börse oder an einer Börse in einem EU- oder EWR-Mitgliedsstaat mit einem dem deutschen Recht entsprechenden Schutzstandard zugelassen sind (§ 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BörsG). Das heißt, dass der ausländische Markt, an dem das 10 Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 20. 11. 2015, BGBl. I S. 2029. 11 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vom 20. 12. 2001, BGBl. I S. 3822. Wegen der Bezugnahme auf § 2 Abs. 2 WpÜG erfasst die Regelung damit Aktien, vergleichbare Wertpapiere, Zertifikate, die Aktien vertreten oder andere Wertpapiere, die den Erwerb der eben genannten Wertpapiere zum Gegenstand haben. Von den verschärften Voraussetzungen des Delistings sind daher nicht alle Anleihen und Finanzinstrumente im Sinne der weitergehenden Definition des § 2 Abs. 1 WpHG erfasst, auf die im Rahmen des BörsG regelmäßig zurückgegriffen wird, siehe nur Groß, in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 32 BörsG Rn. 12.

B. Überblick über die Regelung des Delistings in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

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Wertpapier weiterhin zugelassen ist, für ein vollständiges Delisting zumindest eine Abfindungspflicht vorsehen muss. Als zentrale Voraussetzung für ein vollständiges Delisting sieht § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG damit das Vorliegen eines Erwerbsangebots nach dem WpÜG vor. Der folgende § 39 Abs. 3 bezieht sich auf § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG und modifiziert einige übernahmerechtliche Regelungen über das im Fall eines Delistings zu unterbreitende Angebot. § 39 Abs. 3 S. 1 BörsG bestimmt, dass das Erwerbsangebot unbedingt sein muss.12 Damit darf das Erwerbsangebot nicht von Bedingungen, etwa einer in der Praxis seitens des Bieters oft wünschenswerten Mindestannahmequote13, abhängig gemacht werden. § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG erklärt zunächst § 31 WpÜG für anwendbar, sodass sich die anzubietende Gegenleistung grundsätzlich nach dem Börsenkurs richtet14 und spezifiziert sodann, dass die Gegenleistung in einer Barabfindung auf der Grundlage des gewichteten durchschnittlichen Börsenkurses der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung der Delisting-Absicht15 zu bestehen hat. Abweichend hiervon ist in Situationen, in denen der Börsenkurs keine verlässlichen Informationen über den Wert des Unternehmens geben kann, auf den inneren Wert des Unternehmens abzustellen. Nach § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG ist eine Unternehmensbewertung erforderlich, wenn der Emittent gegen Ad-hoc Bestimmungen verstoßen hat oder wenn der Emittent oder der Bieter gegen das Verbot der Marktmanipulation verstoßen haben, sofern diese Verstöße den Börsenkurs nicht nur unwesentlich beeinflusst haben.16 Die Gegenleistung hat sich auch dann nach einer Unternehmensbewertung zu richten, wenn die Wertpapiere illiquide waren, § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG. § 39 Abs. 4 BörsG erklärt die Vorschriften des WpÜG für Emittenten mit Sitz im Ausland in Bezug auf die Angebotsunterlage nach Maßgabe des Abs. 3 für anwendbar. § 39 Abs. 5 BörsG enthält die bisher in § 39 Abs. 2 S. 3 bis 5 BörsG aF geregelten Bestimmungen. Schließlich sieht § 39 Abs. 6 BörsG vor, dass der Widerruf der Börsenzulassung auch dann rechtmäßig bleibt, wenn die Vorgaben des § 39 Abs. 3 BörsG im Hinblick auf das Angebot nicht eingehalten wurden.

12 Die ausdrückliche Anordnung der Bedingungsfeindlichkeit ist vor dem Hintergrund der §§ 18, 25 WpÜG, wonach das übernahmerechtliche Angebot unter die Bedingung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung des Bieters gestellt werden kann, erforderlich. 13 Im Übernahmerecht sind Mindestannahmequoten als zulässige Bedingungen grundsätzlich anerkannt, siehe nur Noack/Holzborn, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 18 WpÜG Rn. 10 f.; siehe hierzu aber auch Kapitel 5 D. III. 14 Hierzu ausführlich Kapitel 5 D. IV. 15 Zu den nun erforderlichen Veröffentlichungen siehe ausführlich Kapitel 7 E. 16 Ausführlich zu der dem § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG zu Grunde liegenden Regel-AusnahmeStruktur siehe Kapitel 5 D. V.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Aktienrechtlich ist bei einem Delisting nur die im Ermessen des Vorstands liegende Entscheidung hierüber relevant. Ein Delisting stellt daher eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands dar. Ob dem Delisting weitere Gesellschaftsorgane, wie etwa der Aufsichtsrat, zustimmen müssen, hängt von der inneren Verfassung der Aktiengesellschaft und insbesondere den in der Satzung festgelegten Zustimmungsvorbehalten ab.17 Für die im Ermessen des Vorstands liegende Entscheidung gilt die Business Judgement Rule, vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Der Vorstand hat bei seiner Entscheidung, den Widerruf der Börsenzulassung zu beantragen, daher lediglich das Unternehmensinteresse zu berücksichtigen.18

II. Sachlicher Anwendungsbereich § 39 Abs. 2 BörsG erfasst sämtliche Intensitätsstufen des regulären Delistings, die einen Widerruf der Zulassung zum regulierten Markt beinhalten, also sowohl das vollständige und partielle Delisting wie auch das Downlisting.19 Dass auch bei einem Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente die Angebotspflicht nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG greift, ergibt sich im Umkehrschluss aus § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BörsG. Denn die in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BörsG vorgesehenen Ausnahmen greifen nur, wenn weiterhin eine Zulassung an einem regulären bzw. organisierten Markt besteht. Von § 39 Abs. 2 BörsG nicht erfasst ist hingegen ein Rückzug aus den Qualitätssegmenten des Freiverkehrs und dem einfachen Freiverkehr.

III. Zeitlicher Anwendungsbereich § 52 Abs. 9 BörsG bestimmt, dass die neuen Regelungen bereits für alle Anträge auf Widerruf der Börsenzulassung gelten, die nach dem 7. 9. 2015 gestellt wurden und über die bei Inkrafttreten der Neuregelung am 26. 11. 2015 noch nicht bestands- oder rechtskräftig entschieden worden ist. Da die verschärften Anforderungen auch für bereits laufende Delistingverfahren gelten stellt dies eine echte Rückwirkung dar, an deren Zulässigkeit aus verfassungsrechtlicher Sicht strenge Anforderungen geknüpft sind.20 Vor dem Hintergrund, dass Emittenten bereits seit der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss am 7. 9. 2015 davon ausgehen 17

G. I. 18

Zur Zulässigkeit gesellschaftsrechtlicher Anforderungen in der Satzung siehe Kapitel 7

Kocher/Widder, NJW 2014, 127, 129. Siehe hierzu Kapitel 2 B. I.; zur Erfassung des Downlistings siehe ausführlich Kapitel 5 F. 20 Siehe nur Grzeszick, in: Herzog/Herdegen/Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2015, Art. 20 GG VII Rn. 70 ff. 19

C. Verortung des Anlegerschutzes im Kapitalmarktrecht

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mussten21, dass ein Delisting zukünftig nur noch mit einer Abfindungspflicht möglich sein wird, ist die Übergangsregelung verfassungsrechtlich zulässig.22

C. Verortung des Anlegerschutzes im Kapitalmarktrecht Der Gesetzgeber hat den Anlegerschutz bei Delisting im Kapitalmarktrecht verortet und die bestehende Delisting-Regelung in § 39 Abs. 2 BörsG ergänzt.

I. Mögliche Regelungsorte In der Literatur ist diese Lösung nicht unumstritten. Es stehen sich zwei Lager gegenüber: das eine befürwortet einen gesellschaftsrechtlich geregelten Minderheitenschutz23, das andere eine kapitalmarktrechtliche Regelung.24 Von vornherein nicht überzeugen kann die von Hirte zunächst vorgeschlagene Erweiterung des Anwendungsbereichs des Spruchgesetzes.25 In § 1 SpruchG könne eine Regelung aufgenommen werden, die auf eine Abfindungspflicht bei Delisting hinweise. Eine solche Lösung würde zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit führen, da § 1 SpruchG lediglich eine prozessrechtliche Kompetenznorm ist. Die nähere Ausgestaltung des Inhalts der Abfindungspflicht läge in den Händen der Gerichte, die die konkreten materiell-rechtlichen Pflichten ohne weitere Vorgaben entwickeln müssten.26

21 Siehe hierzu BT-Drucks. 18/6220, S. 87 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 22 Ebenso Bayer, NZG 2015, 1169, 1177; Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 755. 23 Siehe Nachweise bei Fußnote 5. 24 Brellochs, AG 2014, 633, 644 ff.; ders., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 19 f.; Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 375 f.; Habersack, JZ 2014, 147, 149; ders., Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 7; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 731; Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 5 f.; Noack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 7 ff.; Seibt, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 7 ff.; Wicke, DNotZ 2015, 488, 493 f.; eine kapitalmarktrechtliche Lösung ohne Notwendigkeit des Eingreifen des Gesetzgebers vertretend Auer, JZ 2015, 71, 75 f. 25 Hirte, Regelungsvorschlag zum Delisting vom 6. 5. 2015, 2015; im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens befürwortete Hirte die heutige Kompromissregelung, vgl. die Ausführungen von Hirte in der 127. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. 10. 2015, Plenarprotokoll 18/127, S. 12384 f. 26 So auch Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 375 f.

86

5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

II. Unabhängigkeit des Regelungsortes von der inhaltlichen Ausgestaltung Die verbleibenden Ansichten beschränken sich allerdings nicht allein auf die Festlegung des Regelungsortes, sondern erfassen darin jeweils auch die Folgefrage der näheren inhaltlichen Ausgestaltung der Delisting-Regelung. Vertreter eines gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzes wollen durch eine Regelung im AktG die Macrotron-Regeln (Abfindung zum Ertragswert, Überprüfung der Abfindung im Spruchverfahren und Hauptversammlungsbeschluss) wieder aufleben lassen und das Delisting zu einer Strukturmaßnahme erheben.27 Vertreter der kapitalmarktrechtlichen Lösung befürworten eine Regelung im BörsG, erachten eine Abfindung zum durchschnittlichen Börsenkurs vor Ankündigung des Delistings als ausreichend und wollen auf einen Hauptversammlungsbeschluss verzichten.28 Richtigerweise ist die Frage des Regelungsortes nicht richtungsweisend für die nähere Ausgestaltung der Anlegerschutzregeln bei Delisting.29 Zu den entsprechenden Folgefragen der näheren Ausgestaltung wird im Folgenden daher isoliert Stellung genommen.

III. Isolierte Betrachtung des Regelungsortes Eine isolierte Betrachtung des Regelungsortes spricht für die vom Gesetzgeber eingeschlagene kapitalmarktrechtliche Lösung im BörsG anstelle einer Regelung im AktG. Die Regelung in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG bietet einen weitergehenden Anlegerschutz als eine Regelung im AktG. Durch die Regelung im BörsG sind die Wertpapiere jedes an einer deutschen Börse im regulierten Markt zugelassenen Emittenten unabhängig davon erfasst, ob es sich um eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland oder im Ausland handelt.30 Für die Anwendung der Vorschriften des WpÜG im Hinblick auf die Delisting-Angebotsunterlage nach § 39 Abs. 2 BörsG enthält § 39 Abs. 4 BörsG nun eine explizite Geltungsanordnung für ausländische Emittenten. Dieser Anordnung hätte es nicht explizit bedurft, da ausländische Emittenten die börsenrechtlichen Bestimmungen uneingeschränkt zu beachten haben – und zwar unabhängig davon, ob sie vom deutschen Übernahmerecht erfasst werden.31 § 39 Abs. 4 BörsG dient daher lediglich der Klarstellung, dass die von § 39 27 28 29

730. 30

Siehe Nachweise bei Fußnote 5. Siehe Nachweise bei Fußnote 24. Ebenso Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 375; Koch/Harnos, NZG 2015, 729,

Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 731; Habersack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 7; auf das „Marktortprinzip“ hinweisend auch Noack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 7. 31 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 757 f.

C. Verortung des Anlegerschutzes im Kapitalmarktrecht

87

Abs. 2 BörsG in Bezug genommenen Vorschriften des WpÜG auf ausländische Emittenten bei Delisting unabhängig von den Voraussetzungen des §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 3 Nr. 2 WpÜG anwendbar sind. Allerdings sind Aktionäre deutscher Aktiengesellschaften, deren Aktien lediglich im Ausland notiert sind, anders als bei einer Regelung im AktG bei einem Delisting vollständig auf den Schutz des ausländischen Rechts angewiesen.32 Dies ist aber vor dem Hintergrund, dass Anleger in der Wahl des Anlageortes ihres Investments frei sind, hinzunehmen. Auch systematisch passt die Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting besser ins BörsG, denn ein Delisting ist rechtstechnisch ein in § 39 BörsG geregeltes Verwaltungsverfahren. Dass der Gesetzgeber auch den Anlegerschutz bei Delisting auf kapitalmarktrechtlicher Ebene regelt, ist daher systematisch richtig. DelistingRegelungen betreffen lediglich die Marktorganisation und Marktregulierung und lassen die Struktur der betroffenen Gesellschaft grundsätzlich unberührt.33 Konzeptionell zutreffend ist daher auch die Verortung als anlegerschützende Kapitalmarktregulierung im Kapitalmarktrecht bzw. BörsG statt einer die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre schützende Verbandsrechtsregelung im AktG.34 Die von einem Delisting betroffenen Aktionäre behalten ihre Aktionärsrechte, wie etwa das Recht auf eine Dividende, auch unabhängig von einer Börsenzulassung. Die richtige Verortung einer Anlegerschutzregelung liegt allein deshalb im BörsG und nicht bei den gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen.35 Dies zeigt auch ein Vergleich mit den Delisting-Regelungen in den USA und Großbritannien. In beiden Rechtsordnungen ist das Delisting trotz möglicher gesellschaftsrechtlicher Auswirkungen ausschließlich auf kapitalmarktrechtlicher Ebene geregelt.36

IV. Ergebnis Der Verortung des Anlegerschutzes in § 39 BörsG ist zuzustimmen, da hierdurch (unabhängig von § 39 Abs. 4 BörsG) ein weitergehender Anlegerschutz insbesondere in Bezug auf ausländische Emittenten erreicht werden kann. Zudem ist die Verortung auf kapitalmarktrechtlicher Ebene systematisch vorzuziehen, da es sich bei einem Delisting um eine Frage der Marktorganisation handelt. Dies wird nicht zuletzt durch eine vergleichende Betrachtung der britischen und US-amerikanischen Regelungen bestätigt. 32

Hierauf hinweisend auch Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 731 Fn. 19. Auer, JZ 2015, 71, 76; Brellochs, AG 2014, 633, 635 f. 34 Seibt, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 7. 35 Zur fehlenden Vergleichbarkeit des Delistings mit Strukturmaßnahmen ausführlich Kapitel 5 D. IV. 3. 36 Siehe ausführlich Kapitel 6. 33

88

5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

D. Abfindungsregelung Kernstück der Delisting-Regelung ist die in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG für ein vollständiges Delisting vorgesehene Notwendigkeit eines Erwerbsangebots.

I. Adressaten des Erwerbsangebots Das nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG erforderliche Erwerbsangebot ist an alle Inhaber der betroffenen Wertpapiere zu richten. Das Erwerbsangebot muss auf den „[…] Erwerb aller Wertpapiere, die Gegenstand des [Delisting-]Antrags sind […]“, gerichtet sein. Damit legt der Gesetzgeber fest, was noch unter Geltung der Macrotron-Rechtsprechung unklar gewesen ist. Denn dort war umstritten, ob anspruchsberechtigt nur die dem Delisting-Beschluss der Hauptversammlung oder dem Delisting sonst widersprechenden Aktionäre oder unabhängig vom Stimmverhalten jeder Aktionär sein sollte.37

II. Person des Bieters Die Person des Bieters ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Auch in der Gesetzesbegründung finden sich hierzu keine Hinweise. Regelmäßig wird die Aktiengesellschaft das Erwerbsangebot wegen der Grenzen von § 71 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 S. 1 AktG nicht selbst aussprechen können. Der Emittent ist für ein Delisting daher regelmäßig auf einen externen Bieter angewiesen. In der Praxis wird es darauf hinauslaufen, dass Bieter derjenige ist, der sich von dem Delisting die meisten Vorteile verspricht und auf dessen Initiative das Delisting zurückgeht, d. h. meist ein Mehrheitsaktionär. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum das Abfindungsangebot nicht auch von einem Dritten unterbreitet werden kann.38 Fälle, in denen ein Dritter Bieter des Erwerbsangebots ist, dürften sich indes auf die Fälle beschränken, in denen der Dritte in irgendeiner Weise (etwa als Muttergesellschaft) mit einem Mehrheitsaktionär des Emittenten verbunden ist. Als Bieter in Betracht kommt daher ein Aktionär, ein beliebiger Dritter oder, in den Grenzen von § 71 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 S. 1 AktG nach einer Ermächtigung der Hauptversammlung, die Aktiengesellschaft selbst.39 Erwägenswert ist auch eine Ausweitung des § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG auf Fälle des Delistings40, sodass die Aktiengesellschaft eigene Aktien auch ohne vorherige Ermächtigung durch die 37

Siehe oben Kapitel 4 A. II. Mense/Klie, DStR 2015, 2782, 2783. 39 Zum Sonderfall des Rückerwerbs eigener Aktien durch den Emittenten und des NichtEingreifens von § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG und der WpÜG-Vorschriften siehe Kapitel 7 C. IV. 40 So vor der gesetzlichen Regelung Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 734. 38

D. Abfindungsregelung

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Hauptversammlung erwerben kann. Dies wäre aber weiterhin nur bis zu der durch § 71 Abs. 2 AktG aufgestellten 10 %-Grenze möglich. In Fällen, in denen sich kein Bieter findet und die Aktiengesellschaft selbst wegen §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 71 Abs. 2 AktG keine eigenen Aktien erwerben darf, kann kein Delisting erfolgen.

III. Bedingungsfeindlichkeit des Erwerbsangebots § 39 Abs. 3 S. 1 BörsG bestimmt, dass das Erwerbsangebot unbedingt sein muss.41 Fraglich ist jedoch, wie weit diese Anordnung greift. So ist etwa im Übernahmerecht selbst bei den nach allgemeiner Ansicht zwingend bedingungslosen Pflichtangeboten nach § 35 Abs. 2 WpÜG anerkannt, dass das Angebot unter der Bedingung regulatorischer (insbesondere kartellrechtlicher) Zustimmungen abgegeben werden darf.42 Diese Ausnahme könnte auch auf das Abfindungsangebot nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 BörsG übertragen werden, sodass es ebenfalls unter die Bedingung regulatorischer Zustimmung gestellt werden könnte.43 Die BaFin geht jedoch davon aus, dass das Abfindungsangebot aufgrund eines Delisting-Antrags unter keinerlei Bedingungen gestellt werden dürfe und somit strengere Anforderungen als für Übernahme- und Pflichtangebote gelten.44 Es darf daher davon ausgegangen werden, dass die BaFin bei der Prüfung der Angebotsunterlage nach §§ 14, 15 WpÜG Angebote, die unter regulatorische Bedingungen gestellt sind, nicht gestattet. Die BaFin hat für ihre Ansicht den eindeutigen Wortlaut des § 39 Abs. 3 S. 1 BörsG auf ihrer Seite, der keinerlei Bedingungen (und damit auch nicht die einer regulatorischen Zustimmung) zulässt. Eine entsprechend klare Anordnung gibt es bei Pflichtangeboten nicht45, sodass vieles dafür spricht, dass der Gesetzgeber mit der klaren Anordnung in § 39 Abs. 3 S. 1 BörsG sämtliche Bedingungen für unzulässig erklären wollte. Dadurch

41

Die ausdrückliche Anordnung der Bedingungsfeindlichkeit ist vor dem Hintergrund der §§ 18, 25 WpÜG, wonach das übernahmerechtliche Angebot unter die Bedingung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung des Bieters gestellt werden kann, erforderlich. 42 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2004, § 35 WpÜG Rn. 231 ff.; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 405; Pötzsch/Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 39 WpÜG Rn. 18. 43 Mense/Klie, DStR 2015, 2782, 2784. 44 Klepsch, BaFinJournal 1/2016, 23, 25. 45 Allein aus der Nichtanwendbarkeitserklärung des § 18 WpÜG durch § 39 WpÜG folgt nicht bereits die vom Gesetzgeber gewollte Bedingungsfeindlichkeit von Pflichtangeboten, da sich aus der Verweisung nur die Unanwendbarkeit des in § 18 WpÜG statuierten Verbots von Potestativbedingungen ergibt. Es ist jedoch unstreitig, dass Pflichtangebote grundsätzlich bedingungslos abgegeben werden müssen, siehe hierzu Baums/Hecker, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2004, § 35 WpÜG Rn. 230 ff.; Bülow, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 39 WpÜG Rn. 48 ff.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

ist sichergestellt, dass das Angebot auch wirklich vollzogen wird und die Anleger, die das Angebot annehmen, ihre Gegenleistung erhalten.46

IV. Maßgeblichkeit des Börsenkurses Für die Höhe der im Fall eines Delistings anzubietenden Abfindung ordnet § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG die Geltung des § 31 WpÜG an, sodass der Bieter den Wertpapierinhabern nach § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG eine angemessene Gegenleistung anzubieten hat. Die grundsätzlich anzuwendenden WpÜG-Regeln werden durch § 39 Abs. 3 BörsG modifiziert. 1. Gewichteter durchschnittlicher Börsenkurs Der Verweis auf § 31 WpÜG hat zur Folge, dass sich die anzubietende Gegenleistung nach § 31 Abs. 1 S. 2 WpÜG grundsätzlich nach dem gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs der Aktien und etwaiger Erwerbe von Aktien der Gesellschaft durch den Bieter oder mit ihm gemeinsam handelnder Personen oder deren Tochterunternehmen richtet. Nähere Konkretisierungen zur Bestimmung der angemessenen Gegenleistung des Erwerbsangebots enthalten die auf der Grundlage der Ermächtigung in § 31 Abs. 7 WpÜG erlassenen §§ 3 bis 7 der WpÜG-Angebotsverordnung (WpÜG-AVO).47 Allerdings hat der Gesetzgeber die WpÜG-Regelungen zur Bestimmung der Angemessenheit der Gegenleistung für das Delisting teilweise durch § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG modifiziert. So hat die Gegenleistung (anders als nach § 31 Abs. 2 WpÜG) zwingend in einer Geldleistung in Euro zu erfolgen. Zudem ist bei der Bestimmung der Höhe der Gegenleistung in Abweichung von § 5 Abs. 1 WpÜG der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung der Ankündigung eines Erwerbsangebots nach § 10 Abs. 1 WpÜG48 oder § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG heranzuziehen. § 39 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 BörsG geht insoweit der in § 5 Abs. 1 WpÜG-AVO vorgesehenen Drei-Monatsfrist als lex specialis vor.49 Durch diese Anpassung will der Gesetzgeber dem von

46

Klepsch, BaFinJournal 1/2016, 23, 25. Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots (WpÜG-Angebotsverordnung) vom 27. Dezember 2001, BGBl. I, S. 4263. 48 Zum Verhältnis von § 10 Abs. 1 WpÜG zu der Ad-hoc Publizitätspflicht des Art. 17 MAR siehe Kapitel 7 E. 49 Bayer, NZG 2015, 1169, 1174. 47

D. Abfindungsregelung

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Übernahmesituationen regelmäßig abweichenden Börsenumfeld in DelistingFällen Rechnung tragen.50 Im Übrigen bleibt es für die Berechnung der Gegenleistung bei den WpÜGRegelungen, wobei insbesondere die Regelungen der WpÜG-AVO zu beachten sind. § 3 S. 2 WpÜG-AVO ordnet an, dass die Höhe der Gegenleistung den nach §§ 4 bis 6 WpÜG-AVO festgelegten Mindestwert nicht unterschreiten darf.51 Bei der Berechnung der Gegenleistung sind gemäß § 4 WpÜG-AVO die Vorerwerbe des Bieters, einer mit ihm gemeinsam handelnden Person oder deren Tochterunternehmen zu berücksichtigen. Maßgeblich sind Vorerwerbe im Zeitraum von bis zu sechs Monaten vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage52 (bei einem freiwilligen Angebot nach § 14 WpÜG, bei einem Pflichtangebot nach § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG). Die Gegenleistung des Angebots muss mindestens dem höchsten Betrag entsprechen, den der Bieter (oder eine mit ihm handelnde Person oder deren Tochterunternehmen) in den sechs Monaten vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage für den Erwerb der zum Delisting anstehenden Aktien gezahlt hat. Für den Erwerbszeitpunkt wird auf die dingliche Übertragung der Aktien abgestellt, sodass der Zeitpunkt des schuldrechtlichen Grundgeschäfts auch außerhalb der sechsmonatigen Referenzperiode liegen kann.53 Für das Eingreifen der Vorerwerbsregelung des § 4 WpÜG-AVO ist unerheblich, ob die Aktien durch ein börsliches oder außerbörsliches Geschäft erworben wurden.54 Gemäß § 4 S. 2 WpÜG-AVO i.V.m. § 31 Abs. 6 WpÜG sind auch die für Vereinbarungen, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, 50 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 51 Die in §§ 4 bis 6 WpÜG-AVO aufgestellten Schwellen sind als kumulative Mindestschwellen zu verstehen: die sich aus der Anwendung der Vorschriften ergebende höchste Schwelle muss durch das Angebot überschritten werden (so Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 31 WpÜG Rn. 22) oder jedenfalls mit dem Angebot identisch sein. 52 Insbesondere ist nicht auf die Veröffentlichung der Ankündigung der Abgabe eines Angebots nach § 10 Abs. 1 WpÜG abzustellen (so aber Bayer, NZG 2015, 1169, 1174). Zwar würde hierdurch der maßgebliche Referenzzeitraum nach vorne verlagert. Allerdings sollen durch die Regelung des § 4 WpÜG-AVO sämtliche Vorerwerbe vor Geltung der Annahmefrist erfasst werden. Diese beginnt jedoch nach § 16 Abs. 1 S. 2 WpÜG erst mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 WpÜG. Um den relevanten Zeitraum zwischen Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Erwerbsangebots nach § 10 Abs. 1 WpÜG und den Beginn der Annahmefrist zu erfassen, ist im Hinblick auf die Berücksichtigung von Vorerwerben auf die Veröffentlichung der Angebotsunterlage abzustellen. 53 Ders., NZG 2015, 1169, 1174; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 4 WpÜG-AVO Rn. 8. 54 Bayer, NZG 2015, 1169, 1174; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 4 WpÜG-AVO Rn. 8; Kremer/Oesterhaus, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 4 WpÜGAVO Rn. 10; Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 25.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

erbrachten Gegenleistungen zu berücksichtigen. Voraussetzung ist, dass die Vereinbarung innerhalb der sechsmonatigen Referenzperiode abgeschlossen wurde; zu welchem Zeitpunkt die Option ausgeübt wird, ist hingegen unerheblich.55 Da die Regelung des § 4 WpÜG-AVO an eine sechsmonatige Referenzperiode anknüpft, kann der Bieter durch die Wahl des Zeitpunkts der Delisting-Ankündigung bzw. der danach folgenden Veröffentlichung der Angebotsunterlage nach § 14 Abs. 3 WpÜG regelmäßig beeinflussen, ob durch ihn getätigte Vorerwerbe für die im Rahmen des Delistings zu zahlende Abfindung relevant werden.56 Der gewichtete durchschnittliche inländische Börsenkurs setzt sich nach § 5 Abs. 3 WpÜG-AVO aus dem nach Umsätzen gewichteten Durchschnittskurs der der BaFin nach § 9 WpHG als börslich gemeldeten Geschäfte zusammen. Hierbei wird jedes Geschäft nach seinem Umsatz (Stücke x Preis) in Bezug auf die Gesamtstückzahl gewichtet. Damit geht eine am Umsatz gemessen große Transaktion stärker in die Berechnung ein als eine kleine Transaktion mit geringem Umsatz.57 Die BaFin berechnet den gewichteten Durchschnittskurs für einen bestimmten Zeitraum mithilfe der Formel58 Volumen [Summe aus dem Produkt (Stücke x Preis)] aller in dem relevanten Zeitraum vorgenommenen Geschäfte Gesamtstückzahl aller in dem relevanten Zeitraum vorgenommenen Geschäfte

Allein die BaFin verfügt gemäß § 9 WpHG über die Datenbank, aus der sich die Börsenpreisreferenz des § 5 WpÜG-AVO ergibt.59 Die vorgesehene zeitnahe Veröffentlichung der Daten durch die BaFin60 ist bisher nicht erfolgt. Vielmehr teilt die BaFin dem Bieter den gewichteten Durchschnittskurs nach Abgabe der Absichtserklärung im Sinne des § 10 WpÜG auf Anfrage mit.61

55 Bayer, NZG 2015, 1169, 1174; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 4 WpÜG-AVO Rn. 24; Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 25. 56 Bayer, NZG 2015, 1169, 1174; für Übernahmeangebote siehe Krause, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 4 WpÜG-AVO Rn. 13. 57 Wasmann, in: Schöpflin (Hrsg.), Von der Sache zum Recht, 2009, S. 267, 277. 58 Siehe http://www.bafin.de/SharedDocs/Standardartikel/DE/Datenbanken/db_Mindestprei se.html (zuletzt geprüft am 15.1.16). 59 Hierzu bereits Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 15 WpÜG Rn. 21. 60 BT-Drucks. 14/7034 S. 80 (Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 5. 10. 2001). 61 Siehe hierzu http://www.bafin.de/SharedDocs/Standardartikel/DE/Datenbanken/db_Min destpreise.html (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016).

D. Abfindungsregelung

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2. Berücksichtigung von Nach- und Parallelerwerben Von dem Verweis auf § 31 WpÜG sind auch die Vorschriften über Parallelerwerbe (§ 31 Abs. 4 WpÜG) und Nacherwerbe (§ 31 Abs. 5 WpÜG) erfasst. Für Parallelerwerbe sieht § 31 Abs. 4 WpÜG vor, dass sich die in der Unterlage angebotene Gegenleistung erhöht, wenn der Bieter während des Laufs der Annahmefrist Aktien der Gesellschaft im Rahmen eines Parallelerwerbs zu einem höheren Preis als dem in der Unterlage angebotenen Preis erwirbt. § 31 Abs. 5 S. 1 WpÜG sieht vor, dass der Bieter den ehemaligen Aktionären zur Zahlung des Unterschiedsbetrags verpflichtet ist, wenn er (oder Tochterunternehmen oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen) innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Annahmefrist außerbörslich Aktien der Gesellschaft zu einem höheren Preis als nach dem Erwerbsangebot erwerben. Dies hat zur Folge, dass bei einem auf das Delisting folgenden Erwerb zu einem höheren Preis je Aktie ein Anspruch der im Rahmen des Delistings ausgeschiedenen Aktionäre auf Zahlung des Differenzbetrages entsteht. Zu beachten ist allerdings, dass gemäß § 31 Abs. 5 S. 2 WpÜG eine Nachzahlungspflicht für Nacherwerbe im Zusammenhang mit bestimmten Strukturmaßnahmen ausgeschlossen ist.62 Hierzu zählen Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung sowie, über den Wortlaut hinaus, Abfindungen bei Beherrschungsund Gewinnabführungsverträgen, Eingliederung, Squeeze-Out und Formwechsel.63 § 35 Abs. 5 S. 2 WpÜG findet entsprechende Anwendung bei Vor- und Parallelerwerb.64 3. Bewertung Durch einen Rückgriff auf die Vorschriften des WpÜG hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, für die Berechnung der anzubietenden Gegenleistung nicht auf den Unternehmenswert im Sinne eines nach fundamentalanalytischen Methoden ermittelten Werts des Unternehmens sondern auf seinen Börsenwert abzustellen. Durch die Orientierung der Abfindung am Börsenkurs soll nach dem Willen des Gesetzgebers ein „im Regelfall“ transparentes und rechtssicheres Verfahren geschaffen werden, das für die Emittenten keine übermäßigen bürokratischen Hürden aufstellt. Insbesondere erachtet der Gesetzgeber eine Abfindung auf der Grundlage des Börsenkurses als sachgerecht, da durch ein Delisting lediglich die leichtere 62 Zum Sinn und Zweck der Regelung siehe nur Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 148. 63 Ders., in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 147; Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 116. 64 Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 150.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Handelbarkeit der Aktie beeinträchtigt werde, die Mitgliedschaft des Aktionärs als solche aber nicht berührt werde.65 a) Regelungsalternativen Die Entscheidung des Gesetzgebers, als Grundlage für die Abfindung bei einem Delisting grundsätzlich den Börsenwert des Unternehmens heranzuziehen, ist nicht alternativlos. Vereinzelt wurde eine Teilentschädigung in Höhe des Wertverlustes, den der Aktionär durch das Delisting erleidet, in Erwägung gezogen.66 Vertreter der gesellschaftsrechtlichen Lösung befürworten dagegen eine Abfindung auf der Basis des durch eine Unternehmensbewertung ermittelten Ertragswertes.67 Begründet wird dies damit, dass ein Delisting eine Strukturmaßnahme darstelle68 oder einer Strukturmaßnahme zumindest vergleichbar sei.69 Ein Delisting führe nicht bloß dazu, dass die Aktionäre die Deinvestitionsmöglichkeit zum aktuellen Börsenkurs verlören. Vielmehr berühre das Delisting auch ihr Mitgliedschaftsrecht. Dies ergebe sich aus folgender Überlegung: Durch das Delisting falle die Handelbarkeit der Aktien zu angemessenen Konditionen weg. Aufgrund der infolge eines Delistings zu erwartenden Kurs- und Fungibilitätsverluste seien die Minderheitsaktionäre daher bereits durch die Ankündigung eines Delistings faktisch zur Veräußerung ihrer Anteile gezwungen.70 Diese Zwangslage, zur Vermeidung von Vermögensnachteilen aus der Gesellschaft auszuscheiden, wird auch als „Damoklesschwert eines Delistings“ beschrieben.71 Das Delisting sei daher in den Wirkungen einer konventionellen Strukturmaßnahme vergleichbar, sodass auch eine vergleichbare Behandlung auf der Rechtsfolgenseite erfolgen müsse.72 Dies betreffe vor allem die Höhe der Abfindung. Wegen des die Aktionäre treffenden Verkaufsdrucks entgehe ihnen durch ein De65 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 66 Hirte, Regelungsvorschlag zum Delisting vom 6. 5. 2015, 2015, S. 4. 67 Siehe hierzu bereits Kapitel 5 A. Bayer, ZfPW 2015, 163, 221 f.; ders., ZIP 2015, 853, 857; Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum Delisting, 2015; Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015; Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015. 68 In diese Richtung Bayer, ZfPW 2015, 163, 221 f.; ders., ZIP 2015, 853, 857. 69 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 4; Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 9 f. 70 Bayer, ZIP 2015, 853, 857; ders., ZfPW 2015, 163, 221 f.; ders., NZG 2015, 1169, 1173; Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 9. 71 Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 37/2015, 2015, S. 4. 72 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 4.

D. Abfindungsregelung

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listing die Chance auf einen zukünftigen höheren Ertrag und einen höheren Börsenkurs.73 Dies rechtfertige einen Abfindungsanspruch auf den gegenüber dem aktuellen Börsenkurs gegebenenfalls höheren Ertragswert.74 b) Keine Teilentschädigung Entscheidend gegen eine Teilentschädigung in Höhe des durch das Delisting eintretenden Wertverlustes spricht, dass der durch das Delisting eintretende Wertverlust mangels eines Referenzwertes überhaupt nicht zuverlässig bestimmt werden kann.75 Zwar sind Ausgleichszahlungen dem deutschen Recht nicht gänzlich fremd. So sieht § 304 Abs. 1 AktG eine Ausgleichszahlung für den in einem Vertragskonzern verbleibenden Gesellschafter vor, die sich nach § 304 Abs. 2 AktG richtet. Einen solchen Berechnungsmaßstab gibt es für die bloße Einschränkung der Veräußerungsmöglichkeit über die Börse nicht.76 Um den reinen Wertverlust durch das Delisting zu bestimmen, müsste ein fiktiver Börsenkurs herangezogen werden. Ein Vergleich des Börsenkurses vor Ankündigung des Delistings mit dem Börsenkurs unmittelbar vor Wirksamwerden des Zulassungswiderrufs kann nicht herangezogen werden, da die Entwicklung des Börsenkurses ebenso gut auf Gesamtmarkteffekte oder die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens zurückgehen kann.77 Aus denselben Gründen kann auch der bei einer eventuell erfolgenden fortgesetzten Notierung im Freiverkehr gebildete Kurs nicht herangezogen werden. Ein Ausgleich für den bloßen Verlust der Handelbarkeit im regulierten Markt lässt sich daher nicht bestimmen. c) Börsenkurs statt Ertragswertabfindung Im Folgenden wird untersucht, ob der Börsenkurs oder der Ertragswert des Unternehmens die richtige Grundlage für das Abfindungsangebot bei Delisting ist. aa) Fehlende Vergleichbarkeit des Delistings mit Strukturmaßnahmen Ertragswertabfindungen sind systematisch immer dann vorgesehen, wenn der Aktionär durch eine Strukturmaßnahme seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft verliert oder diese erheblich verändert wird. Entsprechende Abfindungspflichten sind gesetzlich vorgesehen in § 327a ff. AktG für Fälle eines aktienrechtlichen Squeeze-Out, in § 39a WpÜG für einen kapitalmarktrechtlichen Squeeze-Out, in § 207 UmwG für einen Formwechsel, in 73 74 75 76 77

Bayer, ZIP 2015, 853, 857; ders., ZfPW 2015, 163, 221 f. Bayer, ZIP 2015, 853, 857; so bereits Wilsing/Kruse, WM 2003, 1110, 1112. Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 379; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 732 f. Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 732 f. Hierauf hinweisend Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 379.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

§ 305 AktG für Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge oder in § 320b AktG für Eingliederungen. § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG gewährt einen Anspruch auf Barabfindung, wenn eine börsennotierte auf eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft verschmolzen wird. Auslöser der (abgesehen von § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG unabhängig von einer bisherigen Börsenzulassung bestehenden) Abfindungspflicht bei den genannten Maßnahmen ist der infolge der Umgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Struktur erfolgende Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre – bis zum „Totalverlust“ der Mitgliedschaft beim Squeeze-Out.78 Insbesondere das durch Squeeze-Out, Eingliederung und Formwechsel herbeigeführte „kalte“ Delisting ist lediglich Nebenfolge der jeweiligen Strukturmaßnahme und nicht Anknüpfungspunkt oder Rechtfertigung für die Abfindungspflicht.79 Die gesetzlich geregelten Fälle einer Abfindungspflicht bei Strukturmaßnahmen haben ihren Grund darin, dass die die Abfindungspflicht auslösenden Strukturmaßnahmen entweder zu einem Ausscheiden von Aktionären oder aber zu einer Art. 14 Abs. 1 GG berührenden Entwertung von Mitgliedschaftsrechten führen.80 So führt ein Squeeze-Out zu einem Verlust der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft. Damit ein solches wegen Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich zulässig ist, muss eine Entschädigung vorgesehen sein, die zum „vollen Wert“ zu erfolgen hat.81 Durch einen Formwechsel wird sowohl die bisherige Organisations- als auch die bisherige Beteiligungsstruktur der Gesellschaft durch eine neue ersetzt. Auch hier erfolgt also ein Eingriff in die verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Substanz der Mitgliedschaft.82 § 207 UmwG stellt daher eine verfassungsrechtlich gebotene ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung dar.83 Auch bei § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG greift die zugrundeliegende Verschmelzung grundlegend in Aktionärsrechte sein.84 Mit diesen Situationen ist das reguläre Delisting nicht vergleichbar. Denn anders als bei den Strukturmaßnahmen ist ein Delisting nicht mit einem direkten Struktureingriff in die Beteiligungsrechte der Aktionäre verbunden.85 78

Auer, JZ 2015, 71, 73; Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645, 659. Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645, 659. 80 Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150, 153. 81 Siehe BGH, Beschl. v. 25. 10. 2005 – II ZR 327/03, ZIP 2005, 2107 f.; BVerfG, Beschl. v. 23. 8. 2000 – 1 BvR 68/95 und 1 BvR 147/97, ZIP 2000, 1670 ff. („Moto Meter“). 82 Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645, 653, 658; Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 95 ff., 98 ff. 83 Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 95 ff., 112. 84 Gehling, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 13 Rn. 48. 85 Henze, in: Damm (Hrsg.), Festschrift für Thomas Raiser zum 70. Geburtstag am 20. Februar 2005, 2005, S. 145, 156 f. 79

D. Abfindungsregelung

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Bei einem Delisting verliert der Anleger nur die Handelbarkeit seiner Aktie, nicht aber seine Stellung als Gesellschafter.86 Auch Art. 14 Abs. 1 GG ist bei einem Delisting gerade nicht berührt, denn die Struktur der Gesellschaft und der Bestand des Mitgliedschaftsrechts des Aktionärs erfahren allein aufgrund des Rückzugs vom regulierten Markt keine Veränderung.87 Vielmehr bleiben Organisationsstruktur und Mitgliedschaft in der Gesellschaft durch ein Delisting in ihrem rechtlichen Rahmen unberührt.88 Die Börsenzulassung stellt nach der Rechtsprechung des BVerfG lediglich einen „wertbildende[n] Faktor“ dar.89 Der Aktionär verliert bei einem Delisting „nicht seine Mitgliedschaft, sondern lediglich die Deinvestitionsmöglichkeit über die Börse“.90 Der Aktionär verbleibt (mit uneingeschränkter Dividendenberechtigung) Gesellschafter der Gesellschaft und behält alle seine damit verbundenen Mitgliedschaftsrechte.91 So kann er über die Ausschüttung von Dividenden weiterhin am Unternehmenserfolg teilhaben.92 Damit kann ein Delisting weder als Strukturmaßnahme noch als mit einer Strukturmaßnahme vergleichbar angesehen werden. Systematisch passt daher eine Abfindung zum Ertragswert bei Delisting nicht in das System der Abfindungsansprüche. bb) Funktion der Abfindung bei Delisting und Besserstellung der Anleger durch Ertragswertabfindung Behält der Anleger bei einem Delisting aber seine Mitgliedsrechte und die daraus folgenden Vermögensrechte (insbesondere die Dividendenberechtigung), so kann es anders als bei den Strukturmaßnahmen, für die eine Abfindung erforderlich ist, im Rahmen einer Abfindungspflicht bei Delisting nicht um eine Kompensation für den

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Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 732. Siehe oben Kapitel 4 C. 88 Siehe hierzu bereits BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 ff. („Macrotron“) (Verneinung der für das Eingreifen der Holzmüller-Grundsätze erforderlichen grundlegenden Strukturveränderung der Gesellschaft); BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99 ff. (Bestand des Mitgliedschaftsrechts durch Delisting nicht berührt); BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 ff. („Frosta“) (Keine Veränderung der Organisations- oder Beteiligungsstruktur durch Delisting); Kiefner/ Gillessen, AG 2012, 645, 652 f., 659; Habersack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 6. 89 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 121 („MVS/Lindner“). 90 Kiem/Riedel, EWiR 2004, 523, 524; Schlitt, ZIP 2004, 533, 536; Wicke, DNotZ 2015, 488, 493. 91 Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2254; Schlitt, ZIP 2004, 533, 536. 92 Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2254. 87

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Verlust der Mitgliedschaft, sondern lediglich um eine Kompensation für den Verlust der Verkehrsfähigkeit der Aktie gehen.93 Dies kann allein durch eine Abfindung zum Börsenkurs erreicht werden.94 Es wurde bereits festgestellt, dass die Verkehrsfähigkeit einer Aktie speziell im Börsenkurs zum Ausdruck kommt.95 Maßgeblich für eine Abfindung auf der Grundlage des Börsenkurses spricht zudem folgende Überlegung: Der Anleger erwirbt seine Aktie über die Börse. Bezugspunkt für ihn ist daher auch in erster Linie die Börse und der Börsenkurs, nicht hingegen das Unternehmen selbst. Der Anleger lässt sich mit dem Kauf einer börsennotierten Aktie auf einen marktbestimmten Wert ein. Dieser Wert wird durch den Börsenkurs festgelegt und gerade nicht durch einen gutachterlich ermittelten „echten“ Wert der Aktie. Vielmehr drückt der Börsenkurs das Urteil aller Kapitalanleger über den zeitpunktbezogenen Wert der börsengehandelten Aktie aus.96 Unter Heranziehung dieser Überlegungen kommt Müller bei seiner Untersuchung der Grundlage für eine Barabfindung bei einem zwangsweisen Ausscheiden zu dem Ergebnis, dass der Aktionär nur einen Anspruch auf den Börsenkurs habe, da er sich eben auch nur zu diesem in die Gesellschaft eingekauft habe.97 Dieser Gedanke lässt sich uneingeschränkt auf das Delisting übertragen: Warum soll der Anleger, der durch ein Delisting nur in der Handelbarkeit der Aktie eingeschränkt ist98, Anspruch auf etwas haben, das er bei einer Veräußerung über die Börse nicht erhalten hätte? Dem Anleger infolge eines Delistings gegebenenfalls99 etwas zuzugestehen, was er ohne ein Delisting und bei Veräußerung über die Börse nicht hätte erreichen können, erscheint nicht sachgerecht.100 93 Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 379; Habersack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 6. 94 In diese Richtung Habersack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 6; bereits Schlitt, ZIP 2004, 533, 536 (für Fälle, in denen keine „Marktenge“ im Sinne der DAT/ Altana-Rechtsprechung besteht). 95 Müller, in: Crezelius/Hirte/Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag, 2005, S. 1015, 1023. 96 Ders., in: Crezelius/Hirte/Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag, 2005, S. 1015, 1024 f. 97 Ders., in: Crezelius/Hirte/Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag, 2005, S. 1015, 1025; kritisch gegenüber dem Abstellen bzw. der Berücksichtigung des Börsenkurses Hüffer, in: Häuser/Hammen/Hennrichs u. a. (Hrsg.), Festschrift für Walther Hadding, 2004, S. 461 ff.; Wasmann, in: Schöpflin (Hrsg.), Von der Sache zum Recht, 2009, S. 267 ff. 98 Siehe Kapitel 5 D. IV. 3. c) aa). 99 Eine Ertragswertabfindung kann gegebenenfalls auch unter dem Börsenkurs liegen. Die Vertreter der gesellschaftsrechtlichen Lösung wollen freilich auf das jeweils höhere zurückgreifen, vgl. nur Bayer, ZfPW 2015, 163, 222. 100 In diese Richtung nunmehr auch Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 379; Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2254.

D. Abfindungsregelung

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Eine Abfindung zum Börsenkurs ist im Übrigen auch auf einer Linie mit der neueren Rechtsprechung: Im Rahmen der §§ 305, 327b AktG wird nach der neueren Rechtsprechung zur Bestimmung des Unternehmenswertes zunehmend auf den Börsenkurs zurückgegriffen.101 cc) Verhältnis von Börsenkurs und Unternehmenswert Grundsätzlich entspricht der Börsenkurs unter optimalen Marktbedingungen dem Unternehmenswert.102 In einem liquiden Markt regulieren Angebot und Nachfrage den Börsenkurs regelmäßig so, dass sich die Marktbewertung der Ertragskraft des Unternehmens im Börsenkurs widerspiegelt.103 Der Börsenkurs gibt unter optimalen Bedingungen daher eine tatsächliche „Marktbewertung“ des Unternehmens wider.104 Dies gilt freilich nur für einen unter optimalen Marktbedingungen zustande gekommenen Börsenkurs. Bei einer Kursbeeinflussung oder nicht gegebener Liquidität ist der Börsenkurs hingegen kein verlässlicher Indikator für den tatsächlichen Unternehmenswert. In diesen Situationen muss zur Bestimmung der angemessenen Gegenleistung auf die Ertragswertmethode zurückgegriffen werden. Dies hat der Gesetzgeber durch die Einführung der Vorschriften in § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG sichergestellt. dd) Praktische Erwägungen Auch praktische Erwägungen sprechen für eine Bestimmung der Abfindung auf der Grundlage des Börsenkurses. Will man den Wert eines Unternehmens mittels einer Unternehmensbewertung feststellen, so ist die erste Hürde bereits, dass hierfür verschiedene Bewertungsmodelle in Frage kommen. Eines ist aber allen Bewertungsmodellen gemeinsam: Sie führen nur zu einem fiktiven und nicht zu einem realen Preis.105 Sie beruhen auf 101

BGH, Beschl. v. 19. 7. 2010 – II ZB 18/09, BGHZ 186, 229, 232 ff., Rn. 7 ff. („Stollwerck“); hierzu Decher, ZIP 2010, 1673 ff.; BGH, Beschl. v. 28. 6. 2011 – II ZB 2/10, ZIP 2011, 1708, 1708 f., Rn. 8 („Kässbohrer“). Aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung siehe nur OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 3. 9. 2010 – 5 W 57/09, ZIP 2010, 1947, 1948 ff.; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 24. 11. 2011 – 21 W 7/11, ZIP 2012, 124 ff.; OLG München, Beschl. v. 26. 7. 2012 – 31 Wx 250/11, AG 2012, 749, 750 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24. 7. 2013 – 20 W 2/12, AG 2013, 840 ff.; siehe auch Koch/ Harnos, NZG 2015, 729, 733. 102 Siehe BGH, Beschl. v. 12. 3. 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 115 ff. („DAT/Altana“); Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2255. 103 BGH, Beschl. v. 12. 3. 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116 („DAT/Altana“); dies., DB 2015, 2251, 2255. 104 Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 7. 105 Müller, in: Crezelius/Hirte/Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag, 2005, S. 1015, 1017.

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Annahmen, subjektiven Einschätzungen und Wertungen, die eine Nachvollziehbarkeit kaum möglich machen.106 Aus diesen Gründen sind sämtliche Unternehmensbewertungsmodelle extrem streitanfällig und können zu kostspieligen und langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen führen107, sodass mit einer Unternehmensbewertung eine erhebliche Rechtsunsicherheit verbunden ist. Einer Unternehmensbewertung kann daher keine höhere Richtigkeitsgewähr zugesprochen werden als funktionierenden Marktmechanismen.108 Dahingegen ist der Börsenkurs schneller, mit weniger Verwaltungsaufwand und vor allem zuverlässiger ermittelbar. Die kürzere Verfahrensdauer entlastet zunächst den Emittenten, nützt aber auch den Anlegern, die mit einem raschen Ausgleich rechnen können.109 Im Übrigen muss eine Berechnung der Abfindung nach der Ertragswertmethode nicht zwingend zu einer höheren Abfindung führen als eine auf Grundlage des Börsenkurses ermittelte Abfindung.110 Schließlich kommt es bei der Übernahme eines bislang börsennotierten Unternehmens regelmäßig zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages bzw. eines Squeeze-Outs, was regelmäßig zur Folge hat, dass eine Abfindung nach der Ertragswertmethode zu ermitteln ist.111 In der Praxis waren Fälle, in denen ein Delisting ohne vorherigen Beherrschungsvertrag oder nachfolgenden Squeeze-Out erfolgt, selten.112 ee) Verschärfung gegenüber der Macrotron-Abfindung Durch die Regelung eines verpflichtenden Abfindungsangebots als Voraussetzung eines Delistings wird zumindest eine Säule der Macrotron-Trias vom Gesetzgeber aufgegriffen.113 Gleichzeitig liegt in der Anordnung des Eingreifens der WpÜG-Vorgaben für das Abfindungsangebot auch eine bedeutende Verschärfung gegenüber den Macrotron-Grundsätzen. Dort konnte das Angebot nämlich außerhalb des WpÜG abgegeben werden, was regelmäßig auch so gehandhabt wurde.114 106 Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 733; Müller, in: Crezelius/Hirte/Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag, 2005, S. 1015, 1017. 107 Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 733; Müller, in: Crezelius/Hirte/Vieweg (Hrsg.), Festschrift für Volker Röhricht zum 65. Geburtstag, 2005, S. 1015, 1017. 108 Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 733; Koch, in: Hüffer, Aktiengesetz, 11. Aufl., 2014, § 305 AktG Rn. 39. 109 Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 379. 110 Hierzu im Rahmen des Ausnahmetatbestandes des § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG siehe Kapitel 5 D. V. 1. b) bb). 111 Apfelbacher/Decher/Hoffmann-Becking, Börsen-Zeitung 26. 09. 2015, 13. 112 Dies., Börsen-Zeitung 26. 09. 2015, 13. 113 Goetz, BB 2015, 2691, 2692. 114 Ders., BB 2015, 2691, 2692.

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Zudem waren unter Geltung der Macrotron-Rechtsprechung von der Notwendigkeit einer Pflichtabfindung nur deutsche Emittenten betroffen. Die jetzige gesetzliche Regelung stellt daher insbesondere für ausländische Emittenten in Deutschland eine erhebliche Verschärfung dar. d) Ergebnis Richtiger Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Abfindungshöhe bei Delisting ist der Börsenkurs. Ein Delisting schränkt lediglich die Verkehrsfähigkeit ein, daher ist eine Abfindung nach dem Ertragswertverfahren wie bei den die mitgliedschaftliche Stellung der Aktionäre betreffenden Strukturmaßnahmen systematisch nicht angebracht. Eine Zugrundelegung der Ertragswertmethode würde letztlich dazu führen, dass das Delisting zu einer Strukturmaßnahme erhoben wird. Vielmehr entspricht der Börsenkurs im Idealfall dem Unternehmenswert. Lediglich in Situationen, in denen der Börsenkurs keine verlässlichen Anhaltspunkte für den wahren Unternehmenswert geben kann, ist auf die Ertragswertmethode zurückzugreifen. Die grundsätzliche Orientierung am Börsenkurs führt dazu, dass die Höhe der Abfindung im Gegensatz zu einer Zugrundelegung des Ertragswertverfahrens objektiv, schnell und ohne großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann. Systematisch stimmig hat der Gesetzgeber zur Bestimmung der Höhe der Pflichtabfindung bei Delisting auf § 31 WpÜG iVm §§ 3 ff. WpÜG-AVO und auf eine sich im Grundsatz nach dem durchschnittlichen gewichteten Börsenkurs richtende Abfindung zurückgegriffen. Für eine einheitliche Abfindungsregelung im Übernahmerecht und bei Delisting spricht auch, dass es beide Male um einen reinen Marktvorgang geht, der für den Aktienkurs relevant ist, durch den aber nicht auf die Substanz des Aktieneigentums eingewirkt wird.115

V. Ausnahmen von der Maßgeblichkeit des Börsenkurses Durch § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass in Fällen, in denen Zweifel an der Aussagekraft des Börsenkurses auftreten können, statt des Börsenkurses der Ertragswert des Unternehmens für die Abfindung maßgeblich ist. Der Gesetzgeber betritt kein vollkommenes rechtliches Neuland. Vielmehr orientiert er sich mit den Regelungen in § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG an den von BVerfG und BGH schon früh aufgestellten Grundsätzen für die Berücksichtigung des

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Brellochs, AG 2014, 633, 644.

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Börsenkurses im Rahmen der angemessenen Abfindung bei §§ 304, 305 AktG.116 Nach BVerfG und BGH soll der Börsenkurs hier dann nicht als Untergrenze für die Barabfindung in Frage kommen, wenn er ausnahmsweise nicht den Verkehrswert der Aktie widerspiegle.117 Dies sei gegeben in Fällen der „Marktenge“, wenn über „längere Zeit praktisch überhaupt kein Handel stattgefunden hat“118 oder bei einer Manipulation des Börsenkurses.119 1. Unternehmensbewertung bei Kursbeeinflussung, § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG Nach § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG bestimmt sich die Gegenleistung nach dem Unternehmenswert, wenn der Emittent gegen Art. 17 Abs. 1 MAR oder eine entsprechende Ad-hoc Publizitätsvorschrift des anwendbaren ausländischen Rechts verstoßen hat oder wenn Emittent oder Bieter gegen das Verbot der Marktmanipulation nach Art. 15 MAR verstoßen haben.120 a) Grundlagen Hintergrund der Regelung ist, dass die Aussagekraft des Börsenkurses bei einem Verstoß gegen Ad-hoc-Bestimmungen oder gegen das Verbot der Marktmanipulation regelmäßig beeinträchtigt ist und der Börsenkurs den Unternehmenswert nicht zuverlässig abbilden kann.121 Mit dem erst spät im Gesetzgebungsverfahren122 eingefügten § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG reagiert der Gesetzgeber zudem auf die von verschiedener Seite im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geäußerte Kritik123 an der Maßgeblichkeit des Börsenkurses zur Bestimmung der Gegenleistungshöhe.124 116 Dies betrifft den spiegelbildlichen Fall, da es dort darum geht, ob der Börsenkurs als Untergrenze herangezogen werden kann. 117 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 309 („DAT/Altana“); BGH, Beschl. v. 12. 3. 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116; siehe auch Wasmann, in: Schöpflin (Hrsg.), Von der Sache zum Recht, 2009, S. 267, 277. 118 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 309 („DAT/Altana“) im Hinblick auf eine mögliche Unterschreitung; BGH, Beschl. v. 12. 3. 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116. 119 BGH, Beschl. v. 12. 3. 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 116. 120 Umfassend zur MAR siehe unten Kapitel 5 F. II. 2. b). 121 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 122 Die Ausnahmen waren nicht bereits Gegenstand des in der Sitzung des Finanzausschusses am 7. 9. 2015 diskutierten Entwurfes; dieser ist etwa abgedruckt im Anhang zu Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 37/2015, 2015. 123 Siehe beispielhaft nur dass., Stellungnahme Nr. 37/2015, 2015, S. 5; Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme zum Delisting, 2015, S. 11; Deutsche Schutzvereinigung für

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Bei Eingreifen von § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG hat der Anleger einen unmittelbar aus § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG folgenden Zahlungsanspruch gegen den Bieter in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der auf dem Börsenkurs basierenden und einer auf der Grundlage einer Bewertung des Unternehmens berechneten Gegenleistung. Der Anspruch des Anlegers richtet sich deshalb auf den Unterschiedsbetrag, da dem Bieter zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Angebotsunterlage ein Verstoß des Emittenten gegen die Ad-hoc Publizitätspflicht oder das Verbot der Marktmanipulation regelmäßig nicht bekannt ist und die Gegenleistung daher nicht von vornherein auf der Grundlage einer Unternehmensbewertung zu ermitteln war. Der Anleger hat daher einen „Zuzahlungsanspruch“125, den er gegenüber dem Bieter nachträglich (ggf. gerichtlich) geltend machen muss. Da sich der Anspruch auf den Unterschiedsbetrag richtet, ist dadurch sichergestellt, dass sich die Gegenleistung auch dann nach dem Börsenkurs bemisst, wenn die Berechnung auf der Grundlage der Unternehmensbewertung für die Anleger nachteiliger ist. Hierdurch will der Gesetzgeber einen effektiven Anlegerschutz gewährleisten.126 b) Verstoß gegen Ad-hoc Bestimmungen Eine Unternehmensbewertung ist nach § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 BörsG erforderlich, wenn der Emittent während des Referenzzeitraums von sechs Monaten entgegen Art. 17 MAR oder einer entsprechenden Vorschrift des anwendbaren ausländischen Rechts eine Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft, nicht so bald wie möglich veröffentlicht hat oder in einer solchen Mitteilung eine unwahre Insiderinformation veröffentlicht hat. Ein außerhalb der sechsmonatigen Referenzperiode liegender Verstoß gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht kann dann trotzdem zu berücksichtigen sein, wenn der Verstoß in den maßgeblichen Zeitraum „hineinwirkt“.127 Dies ist etwa der Fall, wenn der Emittent seiner Korrektur- bzw. Nachholungspflicht während des Referenzzeitraums nicht nachkommt.128 Der Anspruch auf Zahlung des Unterschiedsbetrags besteht gegen den Bieter und nicht wie der ebenfalls gegebene Schadensersatzanspruch nach § 37b oder § 37c WpHG gegen den für den Verstoß verantwortlichen Emittenten selbst. Zur Gewährleistung eines effektiven Anlegerschutzes hat der Gesetzgeber einen direkten Wertpapierbesitz e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 9 f.; Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 9 f. 124 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 760. 125 Mense/Klie, DStR 2015, 2782, 2785. 126 BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 127 Hirte in der 127. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. 10. 2015, Plenarprotokoll 18/127, S. 12385; Bayer, NZG 2015, 1169, 1175 f. 128 Ders., NZG 2015, 1169, 1175 f.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Zahlungsanspruch gegen den Bieter geschaffen, ohne dass der Anleger auf die Geltendmachung eines gesonderten Schadensersatzanspruchs nach § 37b oder § 37c WpHG verwiesen ist.129 aa) Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR und Rückwirkungen auf das Delisting Ein Verstoß gegen Art. 17 MAR liegt dann nicht vor, wenn der Emittent die Veröffentlichung einer Insiderinformation zulässigerweise aufschieben kann. Dies ist nach Art. 17 Abs. 4 MAR dann zulässig, wenn die unverzügliche Offenlegung geeignet wäre, die berechtigten Interessen des Emittenten zu beeinträchtigen, die Aufschiebung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen und der Emittent die Geheimhaltung dieser Informationen sicherstellen kann.130 Art. 17 Abs. 4 MAR hat bedeutende Folgen für die im Rahmen des Delistings zu leistende Abfindung, denn bei Eingreifen von Art. 17 Abs. 4 MAR ist zur Bestimmung der angemessenen Gegenleistung weiterhin auf den Börsenkurs und nicht auf eine Unternehmensbewertung zurückzugreifen.131 Damit wirkt Art. 17 Abs. 4 MAR auf § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 BörsG zurück. Damit werden aber auch die im Rahmen der Anwendung von Art. 17 Abs. 4 MAR weiterhin ungeklärten Fragen bezüglich der Reichweite des Art. 17 MAR für die Anwendung von § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 BörsG relevant.132 (1) Beurteilungsspielraum Im Hinblick auf die erheblichen Auswirkungen eines Eingreifens von Art. 17 Abs. 4 MAR auf die Abfindungshöhe bei Delisting ist fraglich, ob dem Emittenten ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum in Bezug auf die Entscheidung über die Selbstbefreiung zusteht.

129 BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 130 Die nunmehr in Art. 17 Abs. 4 MAR enthaltenen Vorausetzungen einer Selbstbefreiung entsprechen inhaltlich im Wesentlichen den bisher in § 15 Abs. 3 WpHG aF vorgesehenen Voraussetzungen. 131 Der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass trotz eines „etwaige[n] Informationsungleichgewicht[s] […] die Heranziehung des Börsenkurses als Bewertungsgrundlage weiterhin sachgerecht“ sei, BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 132 Sämtliche Literaturangaben beziehen sich auf § 15 Abs. 3 WpHG aF. Wegen der inhaltlichen Entsprechung von Art. 17 Abs. 4 MAR und § 15 Abs. 3 WpHG aF können die bisher im Rahmen des § 15 Abs. 3 WpHG geführten Diskussionen auf Art. 17 Abs. 4 MAR übertragen werden. Siehe zum Folgenden auch Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 761 ff.

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Dies wurde im Rahmen des § 15 Abs. 3 WpHG aF uneinheitlich beantwortet. So wurde vertreten, dass § 15 Abs. 3 WpHG aF dem Emittenten keinerlei Beurteilungsspielraum bei der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 WpHG aF gewährt.133 Folge dieser Ansicht ist, dass die Rechtmäßigkeit der Selbstbefreiung von der Ad-hoc Publizitätspflicht (auch in Delisting-Prozessen) gerichtlich vollständig überprüfbar ist. Andere wollten dem Vorstand einen aus den Wertungen des § 15 Abs. 3 WpHG aF abgeleiteten Entscheidungsspielraum einräumen, da die Entscheidung über den Aufschub der Ad-hoc-Meldung eine prognostische Entscheidung sei, die sich im Nachhinein nur schwer nachvollziehen und kontrollieren lasse.134 Auch das OLG Frankfurt wollte dem Emittenten bei der Anwendung des § 15 Abs. 3 WpHG aF einen weiten Ermessensspielraum einräumen.135 Letzere Ansicht hieße für Delisting-Fälle, dass der Nachweis eines Verstoßes136 gegen Art. 17 MAR für Anleger sehr schwer zu führen wäre137, was den Anwendungsbereich von § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 BörsG erheblich einschränken würde. Daher sollte mit Blick auf die Delisting-Regelung und § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG dem Emittenten bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 MAR gegeben sind, kein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden. (2) Beschlusserfordernis für Eingreifen von Art. 17 Abs. 4 MAR? Bereits im Rahmen des § 15 Abs. 3 WpHG aF intensiv diskutiert wurde die Frage, ob die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG aF bereits dann rechtmäßig ist, wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 WpHG aF vorliegen138 oder ob es einer bewussten Entscheidung des Leitungsorgans des Emittenten in Form eines Vorstandsbeschlusses bedarf.139 133 Spindler, in: Heldrich/Prölss/Koller (Hrsg.), Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag, 2007, S. 403, 421 f.; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 15 WpHG Rn. 74; Zimmer, in: Grundmann/ Kirchner/Raiser u. a. (Hrsg.), Unternehmensrecht zu Beginn des 21. Jahrhunderts, 2009, S. 669, 672. 134 Klöhn, ZHR 178 (2014), 55, 85 ff., 87; ders., in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl., 2014, § 15 WpHG Rn. 217 ff. 135 OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 12. 2. 2009 – 2 Ss-OWi 514/08, ZIP 2009, 563, 564. 136 Zur Frage der Beweislast siehe sogleich Kapitel 5 D. V. 1. d) bb). 137 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 761. 138 So etwa OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 4. 2009 – 20 Kap 1/08, ZIP 2009, 962, 973; Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz, 6. Aufl., 2012, § 15 WpHG Rn. 165e; Klöhn, ZHR 178 (2014), 55, 94 ff.; Zimmer, in: Grundmann/Kirchner/Raiser u. a. (Hrsg.), Unternehmensrecht zu Beginn des 21. Jahrhunderts, 2009, S. 669, 671; Zimmer/ Kruse, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 15 WpHG Rn. 54. 139 Hierfür BaFin, Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, 2013, S. 59; Groß, in: Bugard/Hadding/Mülbert u. a. (Hrsg.), Festschrift für Uwe H. Schneider,

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Es wurde darauf hingewiesen, dass der Streit an Bedeutung verloren habe, da sich ein Emittent im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 37b WpHG wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen auf rechtmäßiges Alternativverhalten berufen könne.140 Allerdings ist zu recht angemerkt worden, dass fraglich ist, inwieweit die sanktionsrechtliche Figur des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Rahmen des § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 BörsG Anwendung finden kann.141 Dieser stellt keine Sanktionsnorm dar, sondern macht Vorgaben in Bezug auf die anzuwendende Berechnungsmethode der Abfindungshöhe im Rahmen des Delistings. Aus dem nunmehr in Art. 17 Abs. 4 MAR im Vergleich zu § 15 Abs. 3 WpHG aF neu eingefügten Tatbestandsmerkmal „auf eigene Verantwortung“ wollen einige folgern, dass eine Beschlussfassung über die Selbstbefreiung tatsächlich erfolgen müsse und diese nicht qua Gesetzes automatisch eingreife.142 Auf der anderen Seite wird vertreten, dass sich der Neufassung nichts Neues zu der Streitfrage entnehmen ließe.143 bb) Unternehmensbewertung auch bei einem für Anleger vorteilhaften Verstoß gegen Art. 17 MAR144 Dem Wortlaut nach greift § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 BörsG bei jedem Verstoß des Emittenten gegen die Ad-hoc-Publizität, also auch in Fällen, in denen ein Zurückhalten relevanter Informationen für den Anleger vorteilhaft ist. Denkbar sind Fälle, in denen der Emittent eine Ad-hoc-Mitteilung verzögert oder unterlässt, die negative Auswirkungen auf den Börsenkurs haben würde und dies erst nach der Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 oder § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG aufgedeckt wird. Dies hat zur Folge, dass der für die Abfindung bei Delisting maßgebliche gewichtete

2011, S. 385, 387 ff.; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906; Mennicke, ZBB 2013, 244, 250 f.; Mülbert, in: Habersack/Huber/Spindler (Hrsg.), Festschrift für Eberhard Stilz zum 65. Geburtstag, 2014, S. 411, 413 f.; Pattberg/Bredol, NZG 2013, 87, 87 f.; Pfüller, in: Fuchs (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 2009, § 15 WpHG Rn. 345; Schröder, Die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Absatz 3 WpHG, 2011, S. 166 f. 140 Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen und -übernahmen, 2007, S. 87 f.; Koch, in: Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., 2014, § 19 Rn. 107; Mennicke, ZBB 2013, 244, 250 f.; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 15 Rn. 35d; Schröder, Die Selbstbefreiung von der Ad-hocPublizitätspflicht nach § 15 Absatz 3 WpHG, 2011, S. 190 f.; hierzu siehe auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 22. 4. 2009 – 20 Kap 1/08, ZIP 2009, 962, 973 f.; BGH, Beschl. v. 24. 3. 2013 – II ZB 7/ 09, ZIP 2013, 1165, 1169 f. 141 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 762. 142 Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 600; Veil, ZBB 2014, 85, 92 f. 143 Langenbucher, NZG 2013, 1401, 1405. 144 Dieses Problem stellt sich auch bei einer für den Anleger vorteilhaften Marktmanipulation nach Art. 15 MAR.

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durchschnittliche Börsenkurs höher ist als bei regelkonformer Mitteilung.145 Dies kann bewirken, dass die Abfindung auf der Grundlage des Börsenkurses trotz Verstoß gegen Art. 17 MAR höher ist als die Abfindung, die sich nach Durchführung einer die unterlassene negative Mitteilung einpreisenden Unternehmensbewertung ergibt. In diesen Fällen erscheint die vom Gesetz undifferenziert vorgesehene Durchführung einer Unternehmensbewertung nicht angezeigt.146 Für die Höhe der an den Anleger zu zahlenden Abfindung ist dies jedoch unerheblich. Denn der Börsenkurs stellt die feste Untergrenze der zu zahlenden Abfindung dar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass aus § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG lediglich ein zusätzlicher Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen der nach dem Börsenkurs bemessenen Gegenleistung und einer möglicherweise höheren Gegenleistung auf der Grundlage des Unternehmenswertes folgt.147 Selbst wenn die Gegenleistung auf der Grundlage einer Unternehmensbewertung geringer ausfiele als auf der Grundlage des Börsenkurses, hätte der Anleger nach dem Grundsatz des § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG weiterhin einen Anspruch auf die höhere Abfindung nach dem Börsenkurs. c) Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation, Art. 15 MAR Nach § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 BörsG richtet sich die Abfindung auch dann nach dem Unternehmenswert, wenn Emittent oder Bieter während des Referenzzeitraums gegen das Verbot der Marktmanipulation gemäß Art. 15 MAR in Bezug auf die Wertpapiere, die Gegenstand des Antrags sind, verstoßen haben. Anders als im Falle des Verstoßes gegen Ad-hoc-Bestimmungen steht dem Anleger bei einem Verstoß gegen Art. 15 MAR kein kapitalmarktrechtlich geregelter Schadensersatzanspruch zu. Vielmehr ist er mangels Schutzgesetzcharakters des Art. 15 MAR im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB auf einen Schadensersatzanspruch über § 826 BGB angewiesen.148 Für die Anleger ist der aus § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 BörsG folgende Direktanspruch gegen den Bieter daher von besonderer Bedeutung. Während sich Art. 15 MAR als Normadressaten an jedermann richtet149, greift § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 BörsG seinem Wortlaut nach nur bei einem Verstoß durch den 145

Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 762. Ebenso ders., ZHR 179 (2015), 750, 762 f. 147 Siehe auch BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 148 Siehe zu § 20a WpHG aF BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10, ZIP 2012, 318; Wagner, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., 2013, § 823 BGB Rn. 406; ders., in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl., 2013, § 826 BGB Rn. 77, 84. 149 Mock, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl., 2014, § 20a WpHG Rn. 123; Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2015, § 10 Rn. 83. 146

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Emittenten oder den Bieter ein. Ergänzend führt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung aus, dass der Börsenkurs maßgebliche Berechnungsgrundlage für die Abfindung bleibt, wenn der Verstoß gegen (nunmehr) Art. 15 MAR durch einen Dritten erfolgt und dieser Verstoß weder dem Emittenten noch dem Bieter zuzurechnen ist.150 Maßgeblich ist daher, ob der Verstoß gegen Art. 15 MAR dem Emittenten oder dem Bieter zugerechnet werden kann. Nach welchen Kriterien sich aber die Zurechnung richtet, ist weder gesetzlich festgelegt, noch finden sich Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien.151 Entscheidend ist insbesondere, welche Mitarbeiterhandlungen dem Emittenten oder Bieter zuzurechnen sind. Da es in dem eigentlichen Anwendungsbereich von Art. 15 MAR nicht auf eine Zurechnung ankommt, da sich das Verbot der Marktmanipulation an jedermann richtet, ist kein eigener Zurechnungstatbestand vorgesehen. Auch § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 BörsG enthält keinen eigenen Zurechnungstatbestand. In Betracht kommt eine Anwendung der strafrechtlichen Grundsätze über die sogenannte Geschäftsherrenhaftung, wenn es in einem Unternehmen zu einer Marktmanipulation kommt, die Unternehmensverantwortlichen dies erkennen, jedoch nicht verhindern.152 Bereits in seinem originären Anwendungsbereich ist jedoch fraglich, ob sich eine solche strafrechtliche Haftung aus § 13 StGB ergeben kann.153 Zudem stellt § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 BörsG keine Sanktionsnorm dar, sondern macht Vorgaben in Bezug auf die anzuwendende Berechnungsmethode der Abfindungshöhe im Rahmen des Delistings154, sodass für die Zurechnung nicht auf die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung zurückgegriffen werden kann. Da eine spezifisch kapitalmarktrechtliche Zurechnungsvorschrift fehlt, kann auf die Zurechnungsregeln des allgemeinen Zivilrechts zurückgegriffen werden.155 In Frage kommen entweder die rechtsgeschäftlichen Zurechnungsregeln gemäß §§ 164 ff. BGB oder die deliktische Zurechnung nach § 31 BGB. Zu bevorzugen ist ein Rückgriff auf die deliktische Zurechnung nach § 31 BGB, da die Marktmani-

150 Hierzu BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 151 Zu den Fragen der Zurechnung siehe auch Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 763 ff. 152 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz, 6. Aufl., 2012, § 38 WpHG Rn. 79, 80. 153 Ders., in: Assmann/Schneider (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz, 6. Aufl., 2012, § 38 WpHG Rn. 79; Lücker, Der Straftatbestand des Mißbrauchs von Insiderinformationen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 1998, S. 141, 142 f.; ablehnend etwa Heise, Der Insiderhandel an der Börse und dessen strafrechtliche Bedeutung, 2000, S. 168 f. 154 Zu § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 BörsG siehe Kapitel 5 D. V. 1. b). 155 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 765.

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pulation deliktischen Charakter hat. Unerheblich ist, dass es sich bei § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 BörsG nicht um eine Haftungsnorm handelt.156 Damit gilt das Repräsentantenprinzip. Übertragen auf § 39 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BörsG folgt daraus, dass ein Verstoß des Vorstands oder eines Vorstandsmitglieds ohne weitere Voraussetzungen zugerechnet wird. Das Verhalten anderer unternehmensangehöriger Personen wird dann zugerechnet, wenn es sich um verfassungsmäßig berufene Vertreter handelt. Um solche handelt es sich, wenn ihnen „bedeutende, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind“.157 d) Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR Die gesetzliche Regelung enthält keine Aussagen dazu, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit von einer Manipulation des Börsenkurses durch Verstöße gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR auszugehen ist. aa) Behördliche Feststellung keine zwingende Voraussetzung Fraglich ist, ob ein Verstoß gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR durch die BaFin rechts- oder bestandskräftig festgestellt sein muss, damit sich Anleger auf § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG berufen können und sich die Abfindung in der Folge nach dem Ertragswert des Unternehmens richtet. Hiervon scheint der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung auszugehen. Eine Festsetzung der Gegenleistung anhand einer Unternehmensbewertung setze voraus, dass der Verstoß gegen (nunmehr) Art. 17 oder Art. 15 MAR „durch die zuständigen Behörden rechts- oder bestandskräftig festgestellt wurde“.158 Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers greift für die Geltendmachung der Zuzahlungsansprüche aus § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG damit ein zweistufiges Verfahren. Nach Ansicht des Gesetzgebers muss der Verstoß gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht oder das Verbot der Marktmanipulation zunächst festgestellt werden, bevor der Anleger in einem zweiten Schritt den Anspruch gegenüber dem Bieter geltend machen kann. Dieses verschärfende Erfordernis schlägt sich aber nicht in der gesetzlichen Regelung nieder. Auch sofern davon ausgegangen wird, dass die BaFin im Rahmen der Prüfung der Angebotsunterlage nach § 14 WpÜG auch einen Verstoß gegen die

156

Ebenso ders., ZHR 179 (2015), 750, 765. BGH, Urt. v. 30. 10. 1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19, 21; siehe umfassend auch Hadding, in: Soergel/Wolf (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., 2000, § 31 BGB Rn. 10. 158 BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 157

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Ad-hoc-Publizität oder das Verbot der Marktmanipulation prüft159, folgt hieraus noch nicht, dass zur Geltendmachung der sich infolge der Unternehmensbewertung gegebenenfalls erhöhten Gegenleistung eine rechts- oder bestandkräftige Feststellung der BaFin erforderlich ist. Auch aus systematischen und teleologischen Gründen ist eine derartige Verschärfung für die Geltendmachung von § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG nicht sachgerecht. Zunächst ist die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs für fehlerhafte Kapitalmarktinformation nach §§ 37b, 37c WpHG auch in Fällen zulässig, in denen ein Verstoß gegen Art. 17 MAR nicht zuvor von der BaFin festgestellt wurde.160 Wenn der Gesetzgeber § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG aber gerade deshalb eingeführt hat, um Anleger zur Gewährleistung eines effektiven Anlegerschutzes nicht erst auf die Geltendmachung eines gesonderten Schadensersatzanspruchs nach § 37b oder § 37c WpHG zu verweisen161, dann dürfen aus systematischen Gründen die Anforderungen für ein Eingreifen von § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG nicht höher sein als die für §§ 37b, 37c WpHG. Das Erfordernis einer vorherigen rechts- oder bestandskräftigen Feststellung eines Verstoßes durch die BaFin kann auch aus teleologischen Gründen nicht überzeugen. § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG soll dem Anleger eine einfache Geltendmachung einer Ausgleichszahlung ermöglichen, wenn er wegen einer Kursbeeinflussung eine zu geringe Abfindung erhalten hat. Die Erreichung dieses Ziels ist aber fraglich, wenn die Geltendmachung von einer vorherigen rechtsverbindlichen Feststellung eines Verstoßes durch die BaFin abhängig gemacht wird. Denn auch wenn sich die Befugnis zur bloßen, keine direkten Rechtsfolgen auslösenden Feststellung eines Verstoßes gegen Vorschriften des WpHG aus der Generalklausel des § 4 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 WpHG ergeben dürfte162, ist fraglich, warum die BaFin einen Verstoß gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR isoliert feststellen sollte.163 Ihr stehen aus Sicht einer effektiven Marktaufsicht weitaus effektivere Maßnahmen zur Verfügung. So kann sie nach § 39 WpHG empfindliche Geldbußen verhängen. Allerdings bestehen hierfür besondere Anforderungen. Verstöße gegen die MAR setzen nach § 39 Abs. 3d

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Bayer, NZG 2015, 1169, 1175: „[…] wird auch die BaFin im Rahmen ihrer Prüfung der Angebotsunterlage […] möglichen Verstößen gegen §§ 15, 20a WpHG nachgehen müssen.“ 160 Hierzu auch Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 767. 161 Siehe oben und BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der TransparenzrichtlinieÄnderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 162 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 768; zur Reichweite der Generalermächtigung siehe Giesberts, in: Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl., 2014, § 4 WpHG Rn. 101 ff.; Zetzsche, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 4 WpHG Rn. 34 ff. 163 Hierzu Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 768.

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WpHG ein vorsätzliches oder zumindest leichtfertiges164 Handeln voraus. Dies hat zur Folge, dass ein bloß fahrlässiger oder gar unverschuldeter Verstoß gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR nicht bußgeldbewehrt ist und ein solcher Verstoß daher von der BaFin regelmäßig nicht festgestellt wird.165 In diesen Fällen müsste sich die Abfindung dann trotz objektivem Verstoß gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR und einem verfälschten Börsenkurs weiterhin nach dem Börsenkurs richten. Zudem könnten Anleger auch bei Vorliegen eines Verstoßes ein Tätigwerden und damit eine Feststellung der BaFin nicht erzwingen. Im Ordnungswidrigkeitsverfahren gilt nach § 47 Abs. 1 OWiG das Opportunitätsprinzip. Die Entscheidung, bei einem Verstoß gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR tätig zu werden, liegt damit allein im pflichtgemäßen Ermessen der BaFin.166 Soll Anlegern zu einer leichten Geltendmachung verholfen werden, ist vielmehr lediglich auf das Vorliegen eines objektiven Verstoßes gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR abzustellen.167 bb) Beweislast § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG enthält keine eigene Beweislastregelung. Für Verstöße gegen Art. 17 MAR ist bei der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche nach §§ 37b und 37c WpHG gemäß den allgemeinen Beweislastregeln der Aktionär als Anspruchsteller darlegungs- und beweispflichtig.168 So muss er etwa beweisen, dass und wann die relevante Insiderinformation entstanden ist und diese nicht bzw. die veröffentlichte Insiderinformation falsch veröffentlicht wurde.169 Mangels anderer gesetzlicher Regelungen ist dies auch auf das Delisting zu übertragen mit der Folge, dass der eine Abfindung zum Ertragswert nach § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG beanspruchende Aktionär für Verstöße gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR darlegungs- und beweispflichtig ist.170 Für den Anleger wird daher die Geltendmachung des Zu164

Leichtfertigkeit bezeichnet einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit. Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in grobem Maße außer Acht lässt und ganz nahe liegende Überlegungen unterlässt, Rengier, in: Senge (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 4. Aufl., 2014, § 10 OWiG Rn. 49; Zimmer/Cloppenburg, in: Schwark/ Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 WpHG Rn. 6. 165 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 768. 166 Ders., ZHR 179 (2015), 750, 768; Mitsch, in: Senge (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 4. Aufl., 2014, § 47 OWiG Rn. 1 ff. 167 Ebenso Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 768; siehe ergänzend auch Kapitel 5 E. III. 1. 168 Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 41 Rn. 193; Zimmer/Grotheer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, §§ 37b-c WpHG Rn. 83 ff. mit weiteren Nachweisen, insbesondere zur Rechtsprechung. 169 Sethe, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz, 6. Aufl., 2012, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 79; Zimmer/Grotheer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), KapitalmarktrechtsKommentar, 4. Aufl., 2010, §§ 37b-c WpHG Rn. 83 f. 170 Bayer, NZG 2015, 1169, 1175.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

zahlungsanspruchs des § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG erheblich erschwert. Denn für Anleger ist der Nachweis eines Verstoßes gegen Ad-hoc-Vorschriften und der Manipulation des Börsenkurses schwer zu erbringen.171 e) Rechtsunsicherheit durch Gegenausnahme in § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG gestattet es dem Bieter nachzuweisen, dass der jeweilige Verstoß gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR nur „unwesentliche Auswirkungen“ auf den durchschnittlichen Börsenkurs hatte und es daher bei einer am Börsenkurs orientierten Abfindung bleiben kann. Die Beweislastverteilung zulasten des Bieters ergibt sich aus dem einleitenden „dies gilt nicht“. Mit § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG will der Gesetzgeber dem Bieter die Möglichkeit geben, im Einzelfall nachzuweisen, dass ein Verstoß gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR den Börsenkurs nur so gering (oder überhaupt nicht) beeinflusst hat, dass ein Abweichen von einer am Börsenkurs orientierten Bewertung des Emittenten nicht gerechtfertigt ist.172 In welchen Fällen die für § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG erforderliche „unwesentliche Auswirkung“ auf den Börsenkurs anzunehmen ist, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus den Gesetzesmaterialien. Hierdurch besteht in einem zentralen Punkt der gesetzlichen Regelung, nämlich der Frage, wonach sich die Abfindung der Anleger bemisst, eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Grenzen, innerhalb derer von einer „unwesentlichen Auswirkungen“ zu sprechen ist, ist in der Rechtspraxis durch die Gerichte festzulegen. Dies zeigt einmal mehr, dass es auch in Zukunft bei Delistings zu einer großen Zahl von Gerichtsverfahren kommen wird. Fraglich ist zudem, wie der Nachweis zu erbringen ist, dass es zu einer lediglich unwesentlichen Kursbeeinflussung gekommen ist. Die einzige Möglichkeit, den für ein Eingreifen des § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG erforderlichen Gegenbeweis zweifelsfrei zu führen, besteht darin, die nach dem Gesetz geschuldete Handlung (etwa Veröffentlichung oder Richtigstellung einer Ad-hoc-Mitteilung) innerhalb der sechsmonatigen Referenzperiode und vor der Wirksamkeit des Widerrufs vorzunehmen. Nur so kann geklärt werden, ob und wenn ja welche Kursrelevanz der ursprüngliche Verstoß hatte. Zu beachten ist allerdings, dass die Kursentwicklung auch von dem jeweiligen Marktumfeld beeinflusst sein kann, das sich gegenüber dem ursprünglichen Veröffentlichungszeitpunkt erheblich verändert haben kann. Der Gesetzgeber hatte in § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG eine Entlastungsmöglichkeit nur im Hinblick auf Art. 17 MAR und nicht mehr, wie in der in Bezug 171 Grundsätzlich hierzu Wasmann, in: Schöpflin (Hrsg.), Von der Sache zum Recht, 2009, S. 267, 277. 172 BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015).

D. Abfindungsregelung

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genommenen Vorschrift des § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 BörsG auch auf eine vergleichbare Vorschrift des anwendbaren ausländischen Rechts für den Fall, dass der Emittent kein Inlandsemittent ist, vorgesehen. Dieses wohl redaktionelle Versehen hat der Gesetzgeber im Zuge des Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes173 richtigerweise behoben. Denn für eine Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Emittenten gibt es im Hinblick auf die Gegenausnahme des § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG keinen Grund. 2. Unternehmensbewertung bei eingeschränkter Liquidität, § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG Der Unternehmenswert und nicht der Börsenkurs ist für die Bemessung der anzubietenden Gegenleistung nach § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG auch dann maßgeblich, wenn in dem Referenzzeitraum mangels geringer Liquidität kein aussagekräftiger Börsenkurs festgestellt werden kann. § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG betrifft die Situation der „Marktenge“ und lehnt sich an § 5 Abs. 4 WpÜG-AVO an.174 Für ein Eingreifen von § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG müssen zwei Voraussetzungen kumulativ gegeben sein: (1) In dem Referenzzeitraum wurde lediglich an weniger als einem Drittel der Börsentage ein Börsenkurs festgestellt und (2) mehrere nacheinander festgestellte Börsenkurse weichen um mehr als fünf Prozent voneinander ab. Die Regelung des § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG basiert auf dem nahezu identischen § 5 Abs. 4 WpÜG-AVO, sodass auf die übernahmerechtliche Literatur zurückgegriffen werden kann. Die erforderliche relative Kursschwankung ist nach überwiegender Ansicht im Übernahmerecht gegeben, wenn mindestens zwei („mehrere“) unmittelbar aufeinander folgende Börsenkurse um mehr als fünf Prozent voneinander abweichen.175 Da in Fällen des § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG kein belastbarer Börsenkurs als Grundlage für die Berechnung des Abfindungsangebots zur Verfügung steht, hat sich die anzubietende Gegenleistung (im Gegensatz zu § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG) von vornherein nach dem Unternehmenswert zu richten. Der Gesetzgeber verlangt daher die „Zahlung einer angemessenen Gegenleistung, die anhand einer Unterneh-

173

Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG) vom 20. 06. 2016, BGBl. I S. 1514. 174 BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 175 Bayer, NZG 2015, 1169, 1175; Noack, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 31 WpÜG Rn. 40; Krause, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 5 WpÜG-AVO Rn. 25.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

mensbewertung zu berechnen ist“.176 In der Praxis wird der Bieter daher die in der Angebotsunterlage vorgesehene Gegenleistung von vornherein auf der Grundlage einer Unternehmensbewertung bestimmen müssen, damit die BaFin die Angebotsunterlage billigt.177 Fraglich ist, ob durch die Regelung des § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG nicht „durch die Hintertür“ im Regelfall (und nicht mehr als bloße Ausnahme zu § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG) eine Unternehmensbewertung erforderlich wird. Denn gerade Gesellschaften, deren Aktien mangels Liquidität kaum noch gehandelt werden, und daher die Gefahr von Zufallskursen besteht178, gelten typischerweise als Delisting-Kandidaten.179 Gerade in diesen Fällen liegt aber eine „Marktenge“ im Sinne des § 5 Abs. 4 WpÜG-AVO nahe.180 Diese Vermutung lässt sich allerdings rechtstatsächlich nicht bestätigen. So haben Karami/Schuster eine Marktenge im Sinne des § 5 Abs. 4 WpÜG-AVO nur in sehr wenigen Fällen und in keinem der Delistings aus dem regulären Markt identifizieren können.181 Zweifel an der rechtspolitischen Rechtfertigung der Regelung des § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG können deshalb bestehen, da der infolge des Delistings eintretende Verluste der börslichen Veräußerungschance keine unzumutbare Beeinträchtigung der Anleger mehr bewirken kann, wenn bereits vor dem Delisting die Fungibilität der Aktie erheblich eingeschränkt war.182 Denn die Anleger konnten ihre Aktien bei bestehender Zulassung am regulierten Markt nur unter erschwerten Bedingungen veräußern. Letztlich geht es dem Gesetzgeber aber darum, in allen Fällen des Delistings einen wirksamen Anlegerschutz zu gewährleisten.183 Nicht von der Hand zu weisen ist hingegen, dass es durch die Regelung zu systematischen Unstimmigkeiten kommen kann, wenn sich die Gegenleistung bei Wertpapieren mit geringer Liquidität nach dem Unternehmenswert und bei Wert-

176 BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 177 Mense/Klie, DStR 2015, 2782, 2785. 178 Kapitel 3 B. I. 4. 179 Vgl. Bayer, NZG 2015, 1169, 1175 und die Ausführungen in Kapitel 3 B. I. 4. 180 Siehe nur Kremer/Oesterhaus, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 5 WpÜG-AVO Rn. 17 ff. 181 Karami/Schuster, Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der „FRoSTA“Entscheidung des BGH, 2015, S. 29 (Tabelle 1). 182 Dies., Eine empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der „FRoSTA“-Entscheidung des BGH, 2015, S. 7 f. 183 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015).

D. Abfindungsregelung

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papieren, die rege gehandelt werden, nach dem Börsenkurs richtet.184 Denn in den Fällen, in denen eine geringe Liquidität vor Delisting gegeben ist, stehen die Anleger durch ein Delisting und der Abfindung zum Unternehmenswert besser als sie zuvor standen. Bemerkenswert ist zudem, dass (anders als in S. 3) in S. 4 der Börsenkurs nicht als Untergrenze festgelegt ist. Hieraus folgt, dass selbst wenn die Berechnung nach dem Börsenkurs trotz fehlender Liquidität für den Anleger vorteilhafter ist, dennoch eine Berechnung nach dem Unternehmenswert erfolgt. 3. Ergebnis Durch den in § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG vorgesehene Rückgriff auf die Unternehmensbewertung trägt der Gesetzgeber Situationen Rechnung, in denen der Börsenkurs den Wert des Unternehmens nicht zuverlässig abbilden kann. Allerdings werden durch uneingeschränkten Rückgriff auf Art. 17 MAR auch die im Zusammenhang mit der Anwendung des Art. 17 Abs. 4 MAR problematischen Anwendungsfragen auf die Ebene der Abfindungshöhe bei Delisting übertragen. Zudem fehlen gesetzlichen Regelungen zur Zurechnung im Rahmen des Art. 15 MAR. Jedenfalls die Rückausnahme in § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG führt durch das dadurch angeordnete Regel-Ausnahme-System zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Auch die Regelung in § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG kann zu systematischen Unstimmigkeiten führen.

VI. Notwendigkeit und Umfang einer Angebotsunterlage nach WpÜG § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG verweist umfassend auf die Vorschriften des WpÜG, sodass vor Stellung des Delisting-Antrags die Veröffentlichung eines vollständigen Angebots nach den Vorschriften des WpÜG erforderlich ist. Unter anderem ist nach § 11 WpÜG eine Angebotsunterlage zu erstellen, die inhaltlich den Anforderungen des WpÜG und der WpÜG-AVO entspricht. Die Notwendigkeit einer WpÜG-Angebotsunterlage stellt eine Verschärfung gegenüber der nach Macrotron zu leistenden Abfindung dar, die regelmäßig außerhalb des WpÜG abgegeben wurde.185 Vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage ist diese mit der BaFin nach dem in §§ 14 und 15 WpÜG bestimmten Verfahren abzustimmen. Dies führt zu einem erheblichen Vorbereitungs- und Dokumentationsaufwand, und zwar noch bevor der Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung überhaupt gestellt werden kann.186 Bei der 184

Bayer, NZG 2015, 1169, 1175. Hierzu bereits Kapitel 5 D. IV. 3. c) ee). 186 Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253; Brellochs, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 20. 185

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Prüfung der Angebotsunterlage geht die BaFin in der Praxis über eine bloße Vollständigkeitsprüfung hinaus.187 Die Angebotsunterlage muss daher in einem langwierigen Verfahren mit der BaFin abgestimmt und gegebenenfalls nachgebessert werden.188 Vor allem in den Fällen des § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG, in denen eine Unternehmensbewertung erforderlich ist, steigt der Aufwand erheblich an.189 Zudem muss der Bieter eine den Anforderungen der §§ 11 WpÜG, 2 WpÜG-AVO entsprechende Angebotsunterlage vorlegen. Der Bieter muss daher eine ebenso ausführliche und umfassende Angebotsunterlage vorlegen wie in Übernahmesituationen. Dabei unterscheidet sich die Übernahmesituation maßgeblich von einem Delisting.190 In Übernahmesituationen hat der Aktionär die Wahl, das Übernahmeangebot anzunehmen und mit den darin genannten Konditionen aus der Gesellschaft auszuscheiden oder aber in der Gesellschaft zu verbleiben und sich mit dem Bieter und der nach dem Übernahme- bzw. Erwerbsangebot zu erwartenden veränderten Stellung in der Gesellschaft abzufinden. Entscheidend sind für den Aktionär der Zielgesellschaft daher Informationen über den Bieter und die voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Erwerbs- bzw. Übernahmeangebots auf die Gesellschaft. Die ausführliche Angebotsunterlage soll dem Aktionär eine Entscheidungshilfe gewähren.191 Bei einem Delisting ergeben sich die Folgen für die Gesellschaft bereits unmittelbar aus dem Rückzug von der Börse. Vielmehr ist es in Delisting-Fällen ausreichend, den Anlegern die Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um die Angemessenheit des Angebots beurteilen zu können.192 Der Inhalt der Angebotsunterlage hätte daher auf die für das Delisting relevanten Elemente wie das der Berechnung der Angebotshöhe und die Finanzierung der Gegenleistung beschränkt werden können.193

187 Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 14 WpÜG Rn. 20. 188 Zur Abstimmung mit der BaFin etwa ders., in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 14 WpÜG Rn. 21. 189 Hierzu bereits Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253. 190 Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735; hierzu ausführlich auch Kapitel 7 D. 191 Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 11 WpÜG Rn. 1. 192 Ebenso Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735. 193 Dies bereits im Gesetzgebungsverfahren fordernd Brellochs, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 20; kritisch gegenüber einer umfassenden WpÜG-Angebotsunterlage bereits im Gesetzgebungsverfahrens Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735. Zu der Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG auf die Delisting-Angebotsunterlage siehe ausführlich Kapitel 7 D.

E. Partielles Delisting

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VII. Verhältnis von Angebotsunterlage und Delisting-Antrag Für die Einleitung eines freiwilligen Delisting-Verfahrens nach § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG bedarf es eines Antrags des Emittenten bei der Börsengeschäftsführung. Damit bei Wertpapieren ein Widerruf der Zulassung zum Handel im regulierten Markt erfolgen kann, setzt § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG für ein vollständiges Delisting eine vorherige Veröffentlichung eines Erwerbsangebots nach dem WpÜG voraus. Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich allerdings nicht, in welchem zeitlichen Abstand vor der Antragstellung die Veröffentlichung der Angebotsunterlage erfolgt sein muss. Die BaFin geht davon aus, dass das Abfindungsangebot „noch nicht vollzogen, also abgewickelt sein [muss], wenn der Antrag gestellt wird.“194 Dies ist insoweit missverständlich, als selbstverständlich ein bereits beendetes Erwerbsangebot nicht ausreichend ist.195 Die Gesetzesbegründung geht von einem „aktuellen Erwerbsangebot nach dem WpÜG“ aus.196 Daher darf das Angebotsverfahren noch nicht beendet sein, aber es darf (muss aber nicht) zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 39 Abs. 2 BörsG bereits begonnen haben.197

E. Partielles Delisting Ein abfindungsfreies Delisting ist gemäß § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BörsG nur zulässig, wenn die Wertpapiere weiterhin (1) an einer anderen Börse im Inland oder (2) in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) bzw. Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zugelassen sind und im Falle von (2) dort für einen Widerruf der Handelszulassung dem § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG entsprechende Voraussetzungen gelten. Ist eine dieser beiden Voraussetzungen nicht gegeben, ist der Widerruf nur mit Abfindungsangebot unter den Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 BörsG zulässig.

I. Fortbestand einer inländischen Zulassung Ein partielles Delisting bei einer fortbestehenden Zulassung an einer inländischen Börse ist ohne weitere Anforderungen zulässig. Dies entspricht der bisher im Rah194

Klepsch, BaFinJournal 1/2016, 23, 24. Groß, AG 2015, 812, 817. Die im ursprünglichen Entwurf vorgesehene Ausnahme eines vorherigen Übernahme- oder Pflichtangebots hat der Gesetzgeber nicht übernommen, vgl. hierzu Kapitel 7 C. II. 196 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 197 Groß, AG 2015, 812, 817. 195

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

men der Börsenordnungen geltenden Rechtslage. Die bisherigen Regelungen in den Börsenordnungen haben für ein partielles Delisting die fortbestehende Zulassung an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG regelmäßig ausreichen lassen.198 Dies überzeugt schon allein deshalb, da der Gesetzgeber mit § 39 Abs. 2 BörsG für alle inländischen Börsen ein einheitliches Schutzniveau geschaffen hat und sowohl die Möglichkeit der Handelbarkeit in einem regulierten Markt als auch die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten unverändert bestehen bleiben.199

II. Fortbestand einer ausländischen Zulassung Ein abfindungsfreies Delisting ist bei einem partiellen Delisting mit einer fortbestehenden Zulassung lediglich an einer ausländischen Börse nur dann möglich, wenn die „doppelte Hürde“ des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 lit. b) BörsG erfüllt ist. Es muss sich um eine Börse in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedsstaat handeln und für ein Delisting müssen den Regelungen in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG entsprechende Voraussetzungen gelten. Die zweite Hürde ist dann erfüllt, wenn dem deutschen Recht vergleichbare Schutzmaßnahmen gelten. Es ist nicht erforderlich, dass die Vorgaben mit den deutschen Regelungen deckungsgleich übereinstimmen.200 Denn es geht aus Anlegersicht allein darum, dass das materielle Schutzniveau nicht wesentlich hinter das deutsche zurückfällt, wofür eine Vergleichbarkeit genügt.201 Der Gesetzgeber will durch diese strikte Regelung Umgehungen der strengen Abfindungspflicht durch einen schrittweisen Börsenrückzug verhindern.202 Die erste Hürde der zusätzlichen Beschränkung auf den Ort der ausländischen Börse, an dem die Wertpapiere weiterhin zugelassen sind, kann nicht überzeugen. Teilweise wird diese Beschränkung vor dem Hintergrund vergleichbarer, da auf europarechtlichen Ursprung zurückgehende, Publizitätspflichten gutgeheißen.203 Die Gesetzesbegründung hingegen äußert sich nicht dazu, warum der Gesetzgeber auf den Ort der ausländischen Börse abstellt.204 Richtigerweise kann es für eine 198 Siehe § 51 Abs. 2 S. 3 BörsO Berlin; § 56 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 BörsO Düsseldorf; § 51 Abs. 2 Nr. 1 BörsO München; § 42 Abs. 2 lit. a) BörsO Hamburg; § 43 Abs. 2 lit. a) BörsO Hannover; § 22 Abs. 1 Nr. 1 BörsO Stuttgart; § 19 Abs. 1 Nr. 1 BörsO Tradegate. 199 Ebenso Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 773. 200 Hierauf bereits im Gesetzgebungsverfahren hinweisend und eine präzisere Formulierung (vergeblich) fordernd Brellochs, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 22. 201 Ders., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 22. 202 BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 203 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 773. 204 BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie

F. Erfassung des Downlistings

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Vergleichbarkeit der maßgeblichen Schutzvorschriften aber nicht auf den Ort des jeweiligen Marktes, sondern allein darauf ankommen, ob diese materiell hinreichend übereinstimmen.205 Für die Praxis führt die „doppelte Hürde“ des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 lit. b) BörsG dazu, dass Wertpapiere von Emittenten, die nur noch an US-amerikanischen Börsen wie der New York Stock Exchange (NYSE) oder der NASDAQ zugelassen sind, bei einem Delisting der Abfindungspflicht unterliegen. Gleiches gilt auch für eine fortbestehende Zulassung an der London Stock Exchange (LSE). Hier ist zwar die erste Hürde übersprungen. Die Anwendung des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 lit. b) BörsG scheitert jedoch an der im britischen Recht nicht vorgesehenen Abfindungspflicht.206

F. Erfassung des Downlistings Für den Fall des Downlistings in qualifizierte Freiverkehrssegmente207 ist gesetzlich keine besondere Regelung vorgesehen. Aus einem Umkehrschluss zu § 39 Abs. 2 S 3 Nr. 2 BörsG ergibt sich, dass die Abfindungspflicht bei jedem Rückzug vom regulären Markt und unabhängig davon eingreift, in welchem Marktsegment des Freiverkehrs (und ob überhaupt) eine Notierung fortbesteht.208

I. Grundlagen Mit der Erfassung des Downlistings von den regulären Delisting-Regeln entsprach der Gesetzgeber Forderungen während des Gesetzgebungsverfahrens209 sowie einer herrschenden Meinung in der Literatur.210 Es wurde geltend gemacht, nur so vom 30. 9. 2015) begründet nur das Erfordernis eines entsprechenden Schutzstandards; siehe auch Groß, AG 2015, 812, 816. 205 Ders., AG 2015, 812, 816. 206 Näher zu den Delistingvoraussetzungen in den USA und Großbritannien in Kapitel 6. 207 Bei den qualifizierten Freiverkehrssegmenten handelt es sich um Teilbereiche des Freiverkehrs, für die (auf privatrechtlicher Ebene) besondere Publizitätsvorschriften gelten und die dem regulierten Markt im Übrigen stark angenähert sind, Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253. Siehe hierzu bereits Kapitel 4 B. 208 Hierzu bereits Kapitel 5 B. II. Für eine aktuelle Untersuchung der Unternehmenscharakteristika und Motive eines Downlistings siehe Pasch/Schmeling/Starke, Corporate Finance 2015, 295 ff. 209 Habersack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 7; Noack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8; Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 6. 210 Bayer, ZfPW 2015, 163, 218 f., 223; ders., ZIP 2015, 853, 858; Buckel/Glindemann/ Vogel, AG 2015, 373, 376 f.; Habersack, ZHR 176 (2012), 463, 465 f.; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 731 f.; Wicke, DNotZ 2015, 488, 497.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

könnten Schutzlücken, die der qualifizierte Freiverkehr gegenüber dem Handel im regulierten Markt habe, vermieden werden. Vor allem sei eine Erfassung des Downlistings bereits erforderlich, um eine Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen durch ein gestuftes Delisting (zunächst Wechsel in den qualifizierten Freiverkehr unter Umgehung der Abfindungspflicht, sodann Rückzug auch aus dem qualifizierten Freiverkehr ohne weitere Voraussetzungen) zu verhindern.211 Die Erfassung des Downlistings von den regulären Delisting-Regeln weicht von der bisherigen Rechtsprechung und den bisherigen Regelungen in den Börsenordnungen ab. Instanzgerichtliche Urteile hatten den Wechsel in den qualifizierten Freiverkehr als nicht so einschneidend betrachtet, als dass die ehemals für ein vollständiges Delisting geltenden Macrotron-Grundsätze einzugreifen hätten.212 Dies wurde maßgeblich darauf gestützt, dass die Verkehrsfähigkeit der Wertpapiere bei einem Wechsel in den qualifizierten Freiverkehr wegen der dem Emittenten dort auferlegten Transparenz- und Publizitätspflichten nicht beeinträchtigt sei.213 Zudem wurden die qualifizierten Freiverkehrssegmente hinsichtlich Preisbildung, Transparenz und Publizitätspflichten dem regulierten Markt als so stark angenähert angesehen, dass negative Auswirkungen auf die Preisbildung und Liquidität ausgeschlossen werden könnten.214 Entsprechend enthalten einige Börsenordnungen für Fälle des Downlistings erhebliche Erleichterungen gegenüber den in den Börsenordnungen vorgesehenen regulären Delisting-Regelungen.215 Der Gesetzgeber hingegen erachtet es aus Anlegerschutzgründen für erforderlich, die Geltung der für ein vollständiges Delisting geltenden Abfindungspflicht auch auf das Downlisting zu erstrecken. Er begründet dies mit einer Beeinträchtigung der Veräußerungschancen und erheblichen Kursverlusten infolge eines Downlistings.216

211

Bayer, ZfPW 2015, 163, 219. Siehe hierzu ausführlich bereits Kapitel 4 B. 213 LG München, Beschl. v. 30. 8. 2007 – 5 HK O 7195/06, ZIP 2007, 2143, 2143 f. („Lindner I“); OLG München, Beschl. v. 21. 2. 2008 – 31 Wx 62/07, ZIP 2008, 1137, 1138 („Lindner II“) für das Segment „m:access“ der Börse München; KG, Beschl. v. 30. 4. 2009 – 2 W 119/08, ZIP 2009, 1116 ff. für das Segment „Entry Standard“ der Frankfurter Wertpapierbörse. 214 LG München, Beschl. v. 30. 8. 2007 – 5 HK O 7195/06, ZIP 2007, 2143, 2143 f. („Lindner I“); OLG München, Beschl. v. 21. 2. 2008 – 31 Wx 62/07, ZIP 2008, 1137, 1139 („Lindner II“). 215 Im Einzelnen hierzu Kapitel 7 A. II. 2. c); § 56 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S 2 BörsO Düsseldorf; § 51 Abs. 2 Nr. 2 BörsO München; § 42 Abs. 2 lit. d) BörsO Hamburg; § 43 Abs. 2 lit. d) BörsO Hannover. 216 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 212

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II. Fehlendes Schutzbedürfnis der Anleger bei Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente Die Erstreckung der gesetzlichen Anlegerschutzregeln in § 39 Abs. 2 BörsG auch auf Fälle des Downlistings in qualifizierte Freiverkehrssegmente kann nur dann überzeugen, wenn die Anleger bei einem Downlisting in den qualifizierten Freiverkehr ebenso schutzbedürftig sind wie bei einem vollständigen Delisting.217 1. Keine signifikanten Auswirkungen auf Kurs oder Liquidität Die Schutzbedürftigkeit der Anleger bei einem Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente entfällt zunächst im Hinblick auf etwaige Kurs- oder Liquiditätsverluste. Im Zuge eines Downlistings in ein Qualitätssegment des Freiverkehrs sind keine oder jedenfalls lediglich sehr geringe signifikanten Kursverluste nachweisbar, die eine Abfindungspflicht rechtfertigen könnten.218 Zudem ist in den Qualitätssegmenten des Freiverkehrs eine verlässliche Preisbildung gewährleistet.219 Auch konnte für ein Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente keine statistisch signifikante Verschlechterung der Liquidität festgestellt werden.220 Darüber hinaus wird die Liquidität in den qualifizierten Freiverkehrssegmenten regelmäßig durch Liquiditäts221- und Spreadgarantien222 gesichert.223 Es zeigt sich, dass die Liquidität nicht entscheidend davon abhängt, in welchem Marktsegment die Aktie gehandelt wird, sondern vielmehr von anderen Faktoren wie der Anzahl der

217 Ein Schutzbedürfnis ablehnend bereits Seibt, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 8; ebenso Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253. 218 Siehe Kapitel 3 C. II. 1. a) bb). 219 Siehe hierzu auch sogleich Kapitel 5 G. II. 2. b) bb); Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253; Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807, 811. 220 Hierzu siehe Kapitel 3 C. II. 2.; Karami/Schuster, Eine empirische Analyse des Kursund Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines Börsenrückzugs am deutschen Kapitalmarkt im Lichte der „FRoSTA“-Entscheidung des BGH, 2015, S. 54; Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 107 ff.; dagegen haben Doumet/Limbach/Theissen, Ich bin dann mal weg: Werteffekte von Delistings deutscher Aktiengesellschaften nach dem Frosta-Urteil, 2015, S. 23 nach einem Downlisting anhand eines Vergleichs der Geld-Brief-Spannen einen illiquideren Handel feststellen können; allerdings beruht dies auf lediglich acht untersuchten Datensätzen. 221 Liquiditätsgarantien gewährleisten – innerhalb der garantierten Summe – die sofortige Ausführung der Order zum besten Preis, vgl. Seibt/Wollenschläger, AG 2009, 807, 814. 222 Spreadgarantien gewährleisten, dass zwischen An- und Verkaufspreisen von Wertpapieren eine möglichst geringe Differenz besteht, dies., AG 2009, 807, 814. 223 Vgl. etwa § 7 Abs. 2 der Freiverkehrsbedingungen für den qualifizierten Freiverkehr an der Börse München (Regelwerk für das Marktsegment m:access, Stand 17. 12. 2013).

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handelbaren Stücke, der Höhe des Streubesitzes und dem Bekanntheitsgrad der Gesellschaft.224 Damit ist die vom Gesetzgeber vorgebrachte Rechtfertigung für eine Erstreckung der gesetzlichen Regelung des § 39 Abs. 2 BörsG auch auf das Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente entkräftet, die dieser mit einer Beeinträchtigung der Veräußerungschancen und Kursverlusten infolge eines Downlistings begründet hat.225 2. Vergleichbarer Schutzstandard Es wird geltend gemacht, dass sich die Rechtsstellung des Aktionärs einer börsennotierten Gesellschaft deutlich von derjenigen eines Aktionärs einer im qualifizierten Freiverkehr notierten Gesellschaft unterscheide226, sodass hieraus ein Schutzbedürfnis auch bei einem Wechsel in qualifizierte Freiverkehrssegmente entstehen könnte. Tatsächlich knüpfen bestimmte aktien- und kapitalmarktrechtliche Vorschriften an eine Zulassung der Wertpapiere zum Handel im regulierten Markt an und gelten daher bei einer Notierung im qualifizierten Freiverkehr nicht.227 Zu einem Schutzbedürfnis für die Anleger führt dies jedoch nur dann, wenn diese Unterschiede Einfluss auf den Anlegerschutz im kapitalmarktrechtlichen Sinn haben. Sind die Anforderungen an den Anlegerschutz im kapitalmarktrechtlichen Sinn hingegen auch bei einer Notierung in qualifizierten Freiverkehrssegmenten hinreichend gewahrt, besteht bei einem Downlisting in den qualifizierten Freiverkehr kein vergleichbares Schutzbedürfnis für die Anleger wie bei einem vollständigen Delisting. a) Anforderungen an den kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz Die zentrale Aufgabe des Kapitalmarktrechts besteht in der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, also darin, die Voraussetzungen für einen effizienten und funktionsfähigen Kapitalmarkt zu schaffen.228 Dieses Regelungsziel 224 So bereits OLG München, Beschl. v. 21. 2. 2008 – 31 Wx 62/07, ZIP 2008, 1137, 1139 („Lindner II“). 225 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 226 So etwa Bayer, ZfPW 2015, 163, 218 f.; ders., in: Grundmann/Haar/Merkt u. a. (Hrsg.), Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 373, 383 f.; ders., NZG 2015, 1169, 1176; Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 754; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 731 f. 227 Siehe bereits Kapitel 3 B. I. 2. b); vgl. auch die Darstellung bei Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 115 ff. 228 Assmann, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2004, Einleitung Rn. 357; Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 1.67; Oulds, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht,

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kann ohne einen effektiven Anlegerschutz nicht erreicht werden, da ein effektiver Anlegerschutz Bedingung für die Funktionsfähigkeit des Marktes ist.229 Somit bedingen sich Funktions- und Anlegerschutz, sodass die Bestimmung von Reichweite und Inhalt des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes nicht isoliert erfolgen kann. aa) Funktionsschutz des Kapitalmarkts Der Funktionsschutz des Kapitalmarkts kann in drei eng zusammenhängende Teilaspekte unterteilt werden230: die Gewährleistung institutioneller231, operationeller232 und allokativer Funktionsfähigkeit, wobei für die Konkretisierung des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzbegriffs vor allem die allokative Funktionsfähigkeit von Bedeutung ist. Die Allokationseffizienz betrifft die Steuerungsleistung des Kapitalmarkts und soll sicherstellen, dass das anlagebereite Kapital dorthin fließt, wo es unter marktrationalen Aspekten für die Anlage am attraktivsten ist.233 Dies ist dort der Fall, wo mit dem Kapital bei größtmöglicher Sicherheit die höchste Rendite erzielt werden kann.234 Zur Verwirklichung der bestmöglichen Allokationseffizienz ist ein effektiver Anlegerschutz erforderlich.235 4. Aufl., 2011, Rn. 14.141, 14.143 ff.; Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2011, Vor § 104 Rn. 85; Schwark, in: Lutter/Mertens/ Ulmer (Hrsg.), Festschrift für Werner Stimpel zum 68. Geburtstag, 1985, S. 1087, 1091. 229 Schwark, in: Lutter/Mertens/Ulmer (Hrsg.), Festschrift für Werner Stimpel zum 68. Geburtstag, 1985, S. 1087, 1092. 230 Siehe beispielhaft nur Assmann, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2004, Einleitung Rn. 357 ff.; Oulds, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 14.143 ff. Zur Auslegung des Begriffs der Kapitalmarkteffizienz siehe Sester, ZGR 2009, 310, 317 ff. 231 Die Institutionelle Funktionsfähigkeit ist gewährleistet, wenn die Rahmenbedingungen für wirksame Marktmechanismen (freier Marktzugang, Aufnahmefähigkeit und Stabilität des Marktes) geschaffen sind, Assmann, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2004, Einleitung Rn. 360; Oulds, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 14.148; Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2011, Vor § 104 Rn. 90. 232 Operationelle Funktionsfähigkeit hat im Wesentlichen die Minimierung der Transaktionskosten für Emittenten und Anleger zum Gegenstand, Oulds, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 14.163 ff.; Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2011, Vor § 104 Rn. 89. 233 Assmann, ZBB 1989, 49, 61; ders., in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2004, Einleitung Rn. 358; Hopt, Gutachten G für den 51. Deutschen Juristentag, 1976, S. 48; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., 2006, § 32 II 2, S. 469; Schwark, in: Lutter/Mertens/Ulmer (Hrsg.), Festschrift für Werner Stimpel zum 68. Geburtstag, 1985, S. 1087, 1091; ders., Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 368. 234 Assmann, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2004, Einleitung Rn. 358; Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 1.72; Oulds, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 14.168; Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2011, Vor § 104 Rn. 87.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

bb) Kapitalmarktrechtlicher Anlegerschutz Kapitalmarktrechtlicher Anlegerschutz bezweckt den Schutz vor den Risiken, denen ein Anleger bei einer Investition am Kapitalmarkt typischerweise ausgesetzt ist.236 Der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz ist „janusköpfig“.237 Er umfasst sowohl den Schutz der Individualinteressen des einzelnen Anlegers (Individualschutz) als auch den Schutz des gesamten Anlegerpublikums (überindividueller, kollektiver oder institutioneller Anlegerschutz).238 Eine Trennung von Institutionenund Individualschutz ist nicht möglich – es sind vielmehr zwei Seiten derselben Medaille: „Wer das eine betreibt, betreibt zugleich das andere“.239 Funktionierender individueller Anlegerschutz wirkt auf den institutionellen Anlegerschutz zurück und institutioneller Anlegerschutz bewirkt zwangsläufig auch einen Schutz der individuellen Interessen der einzelnen Anleger.240 Im Rahmen des individuellen Anlegerschutzes wird der einzelne Anleger durch Informationsansprüche sowie durch Schadensersatzsprüche wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten geschützt.241 Insbesondere ist mittlerweile weitgehend anerkannt, dass einzelne Vorschriften des Kapitalmarktrechts auch individualschützenden Charakter haben.242 Kollektiver Anlegerschutz meint den 235 Zur Notwendigkeit eines effektiven Anlegerschutzes als Bedingung für die Funktionsfähigkeit des Marktes siehe Schwark, in: Lutter/Mertens/Ulmer (Hrsg.), Festschrift für Werner Stimpel zum 68. Geburtstag, 1985, S. 1087, 1092. 236 Zu diesen Risiken zählen das Risiko der Substanzerhaltung, das Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko, das Interessenvertretungsrisiko, das Informationsrisiko und das Konditionenrisiko, vgl. ders., Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 10 f.; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 53 f. 237 So treffend Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 1.69; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 159 („zwei Seiten derselben Medaille“). 238 Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2011, Vor § 104 Rn. 85, 93; Oulds, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 14.141, 14.170; zur Unterscheidung siehe auch Caspari, in: Grundmann/ Schwintowski/Singer u. a. (Hrsg.), Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2006, S. 7, 8. Für eine Einteilung kapitalmarktrechtlicher Regelungen unter die jeweilige Kategorie siehe beispielhaft Möllers, ZGR 1997, 334, 338 ff.; Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2011, Vor § 104 Rn. 93. Ausgeblendet wird die sozialschützende Funktion des Anlegerschutzes, da dieser für die folgende Untersuchung nicht von Belang ist, vgl. hierzu Möllers, ZGR 1997, 334, 347 ff. 239 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 159; Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063, 1065. 240 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 51 f.; Möllers, ZGR 1997, 334, 337. 241 Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 1.69; Oulds, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 93. 242 Dies war nicht immer so. Der Schwerpunkt lag jahrelang auf dem im Folgenden behandelten institutionellen Anlegerschutz, bei dem der Anleger nicht als Individuum, sondern in

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Schutz des Anlegerpublikums als „vom einzelnen Anleger abstrahierte Kapitalgeberseite des Kapitalmarkts“243, also der „zahlenmäßig unbestimmten Gesamtheit aller gegenwärtigen und künftigen Anleger“.244 Das so verstandene Anlegerpublikum repräsentiert die gesamte Nachfrage und das gesamte Angebot des Kapitalmarkts, sodass das (Kauf- und Verkaufs-)Potenzial des Anlegerpublikums für die Liquidität und damit die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts von großer Bedeutung ist.245 cc) Leitprinzipien des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes Hieraus folgen die zwei Leitprinzipien des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes: erstens die Gewährleistung umfassender Information bzw. der Abbau von Informationsasymmetrien und zweitens die Herstellung von Vertrauen in die „gute Ordnung der Kapitalmärkte“.246 (1) Umfassende Informationsmechanismen Umfassende Informationsmechanismen sollen die naturgemäß zwischen Anlegern als Kapitalgebern und Unternehmen als Kapitalnachfragern bestehenden Informationsasymmetrien beseitigen. Nur so können Anleger informierte und rationale Anlageentscheidungen treffen und realistische Risikoeinschätzungen vornehmen, die entscheidende Grundlagen für die Verwirklichung der allokativen Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts sind.247 (2) Effektiver Vertrauensschutz Zentrale Voraussetzung für die allokative Funktionsfähigkeit von Kapitalmärkten ist ein effektiver Vertrauensschutz der aktuellen und potentiellen Anleger. Denn der Gesamtheit der Anleger betrachtet wird. Mit der zunehmenden (Weiter-)Entwicklung des Kapitalmarktrechts hat sich dies gewandelt. Eine Übersicht über die jeweilige Literatur gibt Schiel, Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt, 2009, S. 38, Fn. 47. Hierzu auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., 1996, S. 110 ff.; zu dem individuellen Anlegerschutz als Ziel der Aufsicht über Finanzdienstleister siehe Höhns, Die Aufsicht über Finanzdienstleister, 2002, S. 54 ff. 243 Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 1.70. 244 Kümpel, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., 2004, Rn. 62. 245 Ders., Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., 2004, Rn. 62. 246 BT Drucks. 12/6679, 33 (Begr. RegE eines Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz)); Assmann, ZBB 1989, 49, 58; Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 1.73; Schwark, in: Lutter/Mertens/ Ulmer (Hrsg.), Festschrift für Werner Stimpel zum 68. Geburtstag, 1985, S. 1087, 1092. 247 Assmann, ZBB 1989, 49, 61 f.; Schiel, Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt, 2009, S. 38.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Anleger stellen ihr Kapital dem Kapitalmarkt nur dann zur Verfügung, wenn sie hinreichendes Vertrauen in die Fairness, Integrität und Stabilität des Kapitalmarktes haben.248 Der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz dient daher dem Vertrauensschutz der Investoren.249 Das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt ist zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts unverzichtbar, denn Stabilität und Vertrauen sind wesentliche Voraussetzungen für die Bereitschaft privater Haushalte zu sparen und anzulegen.250 Bei einem Vertrauensverlust besteht die Gefahr, dass die Anleger sich von dem Markt abwenden und dem Markt dadurch die zum Funktionieren notwendige Liquidität entzogen wird.251 Nur durch einen ausreichenden Vertrauensschutz in die Funktionsfähigkeit kann das volkswirtschaftlich benötigte Investitionskapital gesichert bzw. gesteigert werden.252 b) Gewährleistung in den qualifizierten Freiverkehrssegmenten Beide Leitprinzipien müssten auch bei einer Notierung in den qualifizierten Freiverkehrssegmenten hinreichend gewährleistet sein. aa) Informations- und Sanktionsmechanismen (1) Rechtslage bis 03. 07. 2016 Der qualifizierte Freiverkehr ist wie der gesamte Freiverkehr ein von dem jeweiligen Börsenträger errichtetes multilaterales Handelssystem, das auf privat-

248 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., 2006, § 32 II 2, S. 469; Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 1.73. Die besondere Bedeutung des Vertrauens der Anleger als Element des Anlegerschutzes herausstellend auch EuGH, Urt. v. 10. 5. 1995, Rs. C-384/93, Slg. 1995 I, 1141 („Alpine Investments“): „Das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte hängt nämlich weitgehend von dem Vertrauen ab, das sie bei den Kapitalanlegern genießen.“ 249 Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 756 f.; „… dem Kapitalmarktrecht [wird] zunehmend die Aufgabe zugesprochen, das Vertrauen der privaten Anleger in die gute Ordnung des Kapitalmarkts zu schützen. Es hat sich dafür die Kurzformel ,Anlegerschutz‘ eingebürgert.“, Schwark, in: Lutter/Mertens/Ulmer (Hrsg.), Festschrift für Werner Stimpel zum 68. Geburtstag, 1985, S. 1087, 1092. 250 Hopt, Gutachten G für den 51. Deutschen Juristentag, 1976, S. 50. 251 Caspari, in: Grundmann/Schwintowski/Singer u. a. (Hrsg.), Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2006, S. 7, 8 f.; Oulds, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 14.141; Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2011, Vor § 104 Rn. 85; zum Verbot des Insiderhandels, das genau diese Situation verhindern will vgl. Caspari, ZGR 1994, 530, 533. 252 Caspari, in: Grundmann/Schwintowski/Singer u. a. (Hrsg.), Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2006, S. 7, 8 f.; zur Transformation der Spargelder privater Haushalte in das von Unternehmen gesuchte Investitionskapital siehe Hopt, Gutachten G für den 51. Deutschen Juristentag, 1976, S. 47 f.

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rechtlicher Basis betrieben wird.253 Der Freiverkehr ist daher kein organisierter Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG. Die gesetzlichen Vorschriften zur Ad-hoc-Publizitätspflicht (§ 15 WpHG), zu Directors’ Dealings (§ 15a WpHG), zur Führung von Insiderverzeichnissen (§ 15b WpHG), Beteiligungspublizität (§§ 21 ff. WpHG) und zu den Regelpublizitätspflichten (§§ 37v – 37z WpHG) galten daher nicht für nur im Freiverkehr notierte Aktiengesellschaften. Zwar waren in sämtlichen Freiverkehrsordnungen254 der qualifizierten Freiverkehrssegmente vergleichbare Regelungen enthalten255, die zu einer Annäherung an die für den regulierten Markt geltenden Bestimmungen führten. Dies wurde teilweise als ausreichend angesehen.256 Allerdings stellen die Freiverkehrsordnungen lediglich privatrechtliche Regelungswerke dar, deren konkrete Ausgestaltung in der Hand des jeweiligen Börsenbetreibers liegt257 und die jederzeit geändert werden können, ohne dass gesetzliche Vorgaben zu beachten wären. Als problematisch erweist sich dies vor allem dann, wenn sich das Schutzniveau für die Anleger durch Änderung der Freiverkehrsbedingungen verringert. Problematisch war auch ein fehlender verbindlicher Sanktionsmechanismus bei Verstößen gegen die dem Emittenten durch die qualifizierten Freiverkehrsbedingungen auferlegten Pflichten. Zwar sehen die Freiverkehrsbedingungen teilweise Vertragsstrafen258 vor, dies ist jedoch von der jeweiligen Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses zwischen Emittent und Freiverkehrsträger abhängig. Da die Sanktionen nur auf privatrechtlicher Ebene auferlegt werden können, können Verstöße nicht mit hoheitlichen Unterlassungs- und Beseitigungsverfügungen oder Bußgeldern geahndet werden, wie dies § 4 Abs. 1 S. 3 WpHG für den regulierten Markt ermöglicht. Somit fehlte es trotz einer Annäherung an die für den regulierten Markt geltenden Bestimmungen durch die qualifizierten Freiverkehrsbedingungen insbesondere wegen des Fehlens verbindlicher Publikationspflichten (Ad-hoc-Publizität, Führung 253 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 7. Aufl., 2014, Rn. 121; Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 3.177. 254 Der qualifizierte Freiverkehr ist wie der gesamte Freiverkehr durch Freiverkehrsbedingungen des Freiverkehrsträgers organisiert. Es bestehen begrifflichen Unterschiede zwischen den einzelnen Freiverkehrsregularien der verschiedenen Börsen. Beispielhaft wird der Handel im Freiverkehr an der FWB durch „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ geregelt. 255 Siehe hierzu die Darstellung bei Pasch/Schmeling/Starke, Corporate Finance 2015, 259, 269 ff.; Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 162 ff., 201 ff. 256 Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253; Seibt, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 7 f.; aA Bayer, ZfPW 2015, 163, 223; Buckel/Glindemann/ Vogel, AG 2015, 373, 376; Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 754; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 731 f.; Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 210. 257 Hierauf abstellend etwa Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 754. 258 Vgl. etwa § 20 und § 21 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

von Insiderverzeichnissen, Director’s Dealings-Publizität) sowie verbindlicher Sanktionen an hinreichenden Informations- und Sanktionsmechanismen. (2) Änderungen durch die Marktmissbrauchsverordnung und die Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation Entscheidende Änderungen haben sich infolge der ab 3. 7. 2016 verbindlichen Marktmissbrauchsverordnung (MAR)259 und der Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (MMRL 2014)260 ergeben. Die Regelungen der MAR und der MMRL 2014 gelten nicht nur für den regulierten Markt, sondern auch für die Freiverkehrssegmente. Art. 2 Abs. 1 S. 1 lit. b MAR bzw. Art. 1 Abs. 2 lit. b MMRL 2014 erstrecken den jeweiligen Anwendungsbereich auf multilaterale Handelssysteme, zu denen auch der Freiverkehr gezählt wird.261 Hier ist jedoch zu differenzieren: Die Anwendung der MAR auf den einfachen Freiverkehr erscheint hinsichtlich solcher Vorschriften problematisch, die dem Emittenten Folgepflichten auferlegen, sofern die Einbeziehung nicht auf Betreiben des Emittenten, sondern ausschließlich auf Betreiben Dritter erfolgte.262 In diesen Fällen kann dem Emittenten nach klassischem Verständnis gegen seinen Willen keine aus der Einbeziehung folgende Verpflichtung (etwa aus der MAR) auferlegt werden.263 Da der Emittent eine Notierung im qualifizierten Freiverkehr jedoch aktiv betreiben muss, gilt diese Einschränkung nicht für die in den qualifizierten Freiverkehrssegmenten notierten Emittenten.

259 Umfassend zur MAR siehe Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593 ff. Die MAR ist am 2. 7. 2014 in Kraft getreten. Sie gilt im Wesentlichen seit dem 3. 7. 2016 unmittelbar in den Mitgliedsstaaten, Art. 39 MAR. Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG) vom 20. 06. 2016, BGBl. I S. 1514 setzt unter anderem die Vorgaben der MAR in deutsches Recht um. Hierzu wurden im WpHG zahlreiche Vorschriften, deren Inhalt unmittelbar über die MAR geregelt ist, aufgehoben oder an die Vorgaben der MAR angepasst. Siehe hierzu auch Seibt/Riegen, BMF veröffentlicht Umsetzungsgesetz zur Marktmissbrauchsverordnung, 2015. 260 Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie), ABl. EU Nr. L 173 v. 12. 6. 2014, 179. 261 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 7. Aufl., 2014, Rn. 121; Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1562. Zur Geltung der MAR auch für den Freiverkehr siehe Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 411; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 595. 262 Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371, 2375; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 595. 263 Grundsätzlich können dem Emittenten aus der Einbeziehung in den regulären Freiverkehr keine erheblichen Verpflichtungen auferlegt werden, da der Emittent an der Einbeziehung in den regulären Freiverkehr nicht notwendigerweise mitwirken muss und eine solche auch gegen seinen Willen möglich ist, siehe hierzu in Bezug auf die Einbeziehung in den einfachen Freiverkehr Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 3.224; Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl., 2012, § 12 Rn. 66.

F. Erfassung des Downlistings

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Die MAR enthält auch für den qualifizierten Freiverkehr zwingend geltende Vorgaben zur Ad-hoc-Publizität (Art. 17 Abs. 1 MAR), zur Führung von Insiderlisten (Art. 18 Abs. 1 MAR) und zur Directors’ Dealings-Publizität (Art. 19 MAR). Durch die MAR gelten die für einen effektiven Anlegerschutz entscheidenden Schutzvorschriften264 somit auf jeden Fall auch verbindlich für die Aktiengesellschaften, die im qualifizierten Freiverkehr gelistet sind. Insbesondere sind die im qualifizierten Freiverkehr notierten Unternehmen verpflichtet, Ad-hoc-Mitteilungen zu veröffentlichen, Insiderlisten zu führen und Eigengeschäfte von Führungskräften anzuzeigen. Durch die MAR bzw. die MMRL 2014 werden für Verstöße gegen Bestimmungen der MAR auf europäischer Ebene verbindliche (Mindest-)Vorgaben für verwaltungs265- bzw. strafrechtliche266 Sanktionen eingeführt. Die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen reichen von Unterlassungs- und Beseitigungsverfügungen (Art. 30 Abs. 2 lit. a) MAR), öffentlichen Warnungen (Art. 30 Abs. 2 lit. c) MAR) bis hin zu Verwaltungsgeldstrafen (Art. 30 Abs. 2 lit. h)-j) MAR) und die Anordnung der öffentlichen Bekanntgabe der Sanktion, sog. naming and shaming (Art. 34 MAR).267 Zudem sieht die MMRL 2014 erstmals im europäischen Kapitalmarktrecht eine strafrechtliche Sanktionierung vorsätzlicher Rechtsverstöße gegen die Insider- und Marktmanipulationsvorschriften vor.268 Somit ist sichergestellt, dass Verstöße gegen die Publikations- oder Insiderverbotsvorschriften jedenfalls auch im qualifizierten Freiverkehr mit hoheitlichen Unterlassungs- und Beseitigungsverfügungen oder Bußgeldern bzw. strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden können.

264 Das in Art. 14 MAR bzw. Art. 15 MAR vorgesehene Verbot von Insidergeschäften bzw. Verbot der Marktmanipulation galt bereits unabhängig von der MAR gemäß § 12 S. 1 Nr. 1 WpHG bzw. § 20a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG auch für den qualifizierten Freiverkehr. Anstelle der Beteiligungspublizität nach §§ 21 ff. WpHG greifen die aktienrechtlichen Mitteilungspflichten der §§ 20 – 22 AktG ein. Die Pflicht zur Offenlegung der in dem Jahresfinanzbericht nach § 37v WpHG enthaltenen Informationen folgt regelmäßig bereits aus handelsrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus § 325 HGB. 265 Den Mitgliedsstaaten steht es frei, schärfere verwaltungsrechtliche Sanktionen festzusetzen, vgl. Erwägungsgrund 71 S. 5 MAR. 266 Die Europäische Union hat keine Kompetenz, das Strafrecht in den Mitgliedsstaaten zu vereinheitlichen. Daher wurden die strafrechtlichen Aspekte des Marktmissbrauchs in einer Richtlinie geregelt. Die Mitgliedsstaaten können im Anwendungsbereich der MMRL 2014 strengere Strafvorschriften vorsehen, vgl. hierzu Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 595. 267 Zu den verwaltungs- und strafrechtlichen Sanktionen siehe auch dies., AG 2014, 593, 603; Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371, 2377 ff. 268 Hierzu Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 421 ff.; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 606; Veil/Koch, WM 2011, 2297, 2298 sehen hierin ein „neues Zeitalter“.

130

5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

bb) Effektiver Vertrauensschutz Bei einer Notierung im qualifizierten Freiverkehr wird das Vertrauen der Anleger in die gute Ordnung des Kapitalmarktes hinreichend geschützt. Zum einen gelten die Vorschriften über das Insiderhandelsverbot Art. 7 – 11 und Art. 14 MAR) und das Verbot der Marktmanipulation (Art. 15 MAR) auch unmittelbar für den Freiverkehr. Zum anderen ist auch in den qualifizierten Freiverkehrssegmenten eine ordnungsgemäße Durchführung des Handels gewährleistet, vgl. § 48 BörsG. Nach § 48 Abs. 3 BörsG finden auf den Betrieb des Freiverkehrs fast alle Vorschriften des Börsengesetzes Anwendung, sodass der Freiverkehr vom Gesetzgeber „eher dem börslichen Handel zugeordnet“ wird.269 Der Freiverkehr findet „unter dem Dach der Börse“ statt und ist in die Organisation und Struktur des öffentlich-rechtlichen Börsenmarktes integriert (vgl. § 48 BörsG). Für die Durchführung des Freiverkehrs werden daher die Einrichtungen der Börse genutzt270, sodass sich der Handel im Freiverkehr im Handelsablauf nicht vom börslichen Handel im regulierten Markt unterscheidet.271 Regelmäßig besteht zwischen den Marktsegmenten keine räumliche und organisatorische Unterscheidung: Der Handel im regulierten Markt und Freiverkehr finden über dasselbe elektronische Handelssystem oder im selben Börsensaal statt.272 Auch gelten die im Handel im Freiverkehr zustande gekommenen Preise gemäß § 24 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BörsG genau wie solche des regulierten Marktes als Börsenpreise.273 c) Ergebnis Beide Leitprinzipien des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes werden auch bei einer Notierung in den qualifizierten Freiverkehrssegmenten hinreichend gewährleistet. Die das Investment und die Anlageentscheidung des Anlegers direkt betreffenden Schutzvorschriften gelten infolge der MAR verbindlich und unabhängig von der Ausgestaltung der jeweiligen Freiverkehrsordnung auch für den qualifizierten 269

Heldt/Royé, AG 2012, 660, 664. Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 3.178, Rn. 3.208. 271 Ders., Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 3.211; Seiffert, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 4.75. 272 Seiffert, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 4.307. An der Frankfurter Wertpapierbörse wird sowohl der Handel im regulierten Markt wie auch der Freiverkehr über das elektronische Handelssystem XETRA abgewickelt. 273 Näher hierzu Groß, in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 48 BörsG Rn. 9; Lenenbach, Kapitalmarktrecht und kapitalmarktrelevantes Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 2010, Rn. 3.212. 270

F. Erfassung des Downlistings

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Freiverkehr. Vorschriften, die im qualifizierten Freiverkehr weiterhin keine Wirkung entfalten, sind größtenteils solche, die für einen effektiven kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz von untergeordneter Bedeutung sind274 oder die Anlageentscheidung des Anlegers nicht unmittelbar betreffen.275 Durch die MAR und die MMRL 2014 ist auch ein verbindlicher Sanktionsmechanismus bei Verstößen vorgesehen. 3. Vermeidung von gestuften Delistings Um einem eventuellen gestuften Delisting vorzubeugen276, kann der Gesetzgeber etwa eine Mindestzeit bestimmen, die ein Wertpapier im qualifizierten Freiverkehr gelistet sein muss, um die Abfindungspflicht zu umgehen.277 Eine entsprechende Regelung war schon bisher in § 56 Abs. 3 S. 2 BörsO Düsseldorf278 vorgesehen. Denkbar ist auch eine Erweiterung der gesetzlichen Delisting-Regelung auf den Rückzug aus dem qualifizierten Freiverkehr. 4. Wechsel in den einfachen Freiverkehr Anders als bei einem Downlisting in den qualifizierten Freiverkehr sind die Anleger bei einem Wechsel vom regulierten Markt in den einfachen Freiverkehr jedoch weiterhin schutzbedürftig, da bei einer Notierung im einfachen Freiverkehr kein vergleichbarer Schutzstandard zu einer Zulassung im reguliertem Markt besteht. So können zumindest solche Vorschriften der MAR, die dem Emittenten Folgepflichten auferlegen, nicht uneingeschränkt auch für den einfachen Freiverkehr gelten279 ; zum anderen fehlt es auch an qualifizierten Vorschriften in den Freiverkehrsbedingungen.

274 Für einen effektiven kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz nicht unbedingt erforderlich sind zum Beispiel die durch das VorstOG (Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen vom 3. 8. 2005, BGBl. I S. 2267), das VorstAG (Gesetz zu Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. 7. 2009, BGBl. I S. 2509) oder das ARUG (Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie vom 30. 7. 2009, BGBl. I S. 2479) erfolgten Änderungen, die sämtlich nur für börsennotierte Aktiengesellschaften gelten. 275 Zu denken ist etwa an die bei einer Notierung im Freiverkehr nicht geltenden Vorschriften des WpÜG. 276 Eine jüngere Untersuchung zeigt hingegen, dass ein Großteil der untersuchten Gesellschaften nach durchgeführtem Downlisting weiterhin im Freiverkehr verbleiben, siehe Pasch/ Schmeling/Starke, Corporate Finance 2015, 295, 303. 277 Kritisch zu einer Suspendierung der Abfindungspflicht hingegen Bayer, ZfPW 2015, 163, 219. 278 Börsenordnung der Börse Düsseldorf, Stand 18. 12. 2014. 279 Hierzu siehe Kapitel 5 F. II. 2. b) aa) (2).

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

III. Ergebnis Für die Anleger besteht bei einem Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente kein vergleichbares Schutzbedürfnis wie bei einem vollständigen Delisting. Zum einen kommt es infolge eines Downlistings zu keinen Kurs- oder Liquiditätsverlusten, sodass bereits die gesetzgeberische Rechtfertigung der Erfassung des Downlistings von der Abfindungspflicht des § 39 Abs. 2 BörsG nicht greift. Zudem ist der qualifizierte Freiverkehr dem regulierten Markt hinsichtlich der Schutzvorschriften nahezu angenähert. Auch wenn keine vollständige Identität zu den für den regulierten Markt geltenden Vorschriften280 besteht, ist durch die MAR die verbindliche Geltung der relevanten Anlegerschutzbestimmungen auch im qualifizierten Freiverkehr sichergestellt. Mit In-Kraft-Treten der Regelungen der MAR ist die Erstreckung der Abfindungspflicht auf Downlisting-Fälle in qualifizierte Freiverkehrssegmente daher nicht mehr begründbar. Die Erfassung des Downlistings in den qualifizierten Freiverkehr von der Abfindungspflicht des § 39 Abs. 2 BörsG ist daher nicht gerechtfertigt. Bei der anstehenden Bewertung der Delisting-Regelungen im Jahr 2017 sollte der Gesetzgeber daher dringend eine Ausnahme für das Downlisting einführen. Der Befürchtung, eine entsprechende Regelung könne für gestufte Delistings missbraucht werden, kann durch entsprechende gesetzliche Vorkehrungen begegnet werden.

G. Rechtsschutz Entscheidend für die Wirksamkeit der Anlegerschutzregelungen bei Delisting sind eine effektive Rechtsdurchsetzung sowie ein effektiver Rechtsschutz. Die Delisting-Regelung weist sowohl verwaltungsrechtliche (Widerruf der Zulassung) wie auch zivilrechtliche (Anspruch auf angemessene Abfindung) Elemente auf. Entsprechend liegt dem Rechtsschutz bei Delisting ein differenziertes Rechtsschutzsystem zugrunde. Es kann zwischen der behördlichen und der gerichtlichen Kontrolle unterschieden werden.

I. Behördliche Kontrolle Dem Delisting ist ein zweistufiges Verwaltungsverfahren vorgeschaltet. Zum einen erfolgt eine Kontrolle der Angebotsunterlage im Rahmen des Gestattungs-

280

Etwa hinsichtlich der nicht eingreifenden WpÜG-Regeln oder der Regelpublizität.

G. Rechtsschutz

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verfahrens durch die BaFin, zum anderen erfolgt im Rahmen der Widerrufsentscheidung eine Prüfung des Widerrufsantrags durch die Börsengeschäftsführung. 1. Prüfung der Angebotsunterlage durch die BaFin Vor Veröffentlichung ist die Angebotsunterlage gemäß § 14 WpÜG an die BaFin zur Prüfung zu übermitteln. Der Umfang der Prüfung der Angebotsunterlage durch die BaFin im Rahmen des Gestattungsverfahrens ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpÜG. Die BaFin prüft die Angebotsunterlage im Rahmen einer formellen Kontrolle nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG auf ihre Vollständigkeit. Insbesondere wird geprüft, ob die Angebotsunterlage alle von § 11 Abs. 2 und § 2 WpÜG-AVO geforderten Angaben enthält. Eine inhaltliche Überprüfung dieser Angaben erfolgt insoweit nicht.281 Daneben erfolgt nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG eine eingeschränkte inhaltliche Kontrolle auf offensichtliche Verstöße gegen Vorschriften des WpÜG oder der WpÜG-AVO. Hierbei prüft die BaFin, ob die angebotene Gegenleistung angemessen und ob die Finanzierung des Angebots gesichert ist.282 Bei einer Delisting-Angebotsunterlage ist im Rahmen der materiellen Kontrolle die Prüfung, ob die Mindestpreisvorschriften des § 31 WpÜG in Verbindung mit den Modifikationen durch § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG und der §§ 3 – 7 WpÜG-AVO eingehalten wurden, besonders relevant. In der Praxis liegt auch bei Übernahmeangeboten ein Schwerpunkt der Prüfung auf der Einhaltung der Mindestpreisvorschriften.283 In Delisting-Situationen wird die BaFin darüber hinaus kontrollieren, ob die übrigen Anforderungen des § 39 Abs. 3 BörsG eingehalten worden sind. Insbesondere wird die BaFin das Eingreifen der Ausnahmetatbestände des § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG und damit mögliche Verstöße gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR prüfen.284

281 Geibel, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 14 WpÜG Rn. 30; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 163. 282 Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 127; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 163. 283 Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 127; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 15 WpÜG Rn. 11; Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 15 WpÜG Rn. 21; zum Vorgehen der BaFin bei der Prüfung der Angebotsunterlage siehe Lenz/Linke, AG 2002, 361, 362 f. 284 Bayer, NZG 2015, 1169, 1175; Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 774.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Damit sie ihrer Prüfaufgabe nachkommen kann, stehen der BaFin umfangreiche Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung.285 Nach § 40 Abs. 1 WpÜG ist „jedermann“ auf Verlangen der BaFin verpflichtet, Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. In der Praxis der BaFin haben Auskunfts- und Vorlageersuche im Hinblick auf Angaben zur Gegenleistung eine große Bedeutung.286 Zu beachten ist, dass eine Untersagung des Angebots nur dann möglich ist, wenn ein offensichtlicher Verstoß gegen die Vorschriften über die Angemessenheit der Gegenleistung vorliegt.287 Die Freigabe der Angebotsunterlage durch die BaFin können Anleger nicht vor Gericht angreifen, da sie nicht Beteiligte des Gestattungsverfahrens sind.288 2. Prüfung des Widerrufsantrags durch die Börsengeschäftsführung Die zweite Stufe des Verwaltungsverfahrens stellt die Entscheidung über den Widerruf der Börsenzulassung durch die Börsengeschäftsführung dar289, auf den der Antrag des Emittenten abzielt. Gibt die Börsengeschäftsführung dem Widerrufsantrag statt, endet die Börsenzulassung zu einem von der Börsengeschäftsführung bzw. der Börsenordnung bestimmten Zeitpunkt. Der Prüfungsumfang der Börsengeschäftsführung im Rahmen des Widerrufsantrags hängt davon ab, ob ein vollständiges Delisting nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG oder ein partielles Delisting nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BörsG beantragt ist. Bei einem vollständigen Delisting ist der Prüfungsumfang im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben durch § 39 Abs. 6 BörsG erheblich eingeschränkt. In § 39 Abs. 6 BörsG legt der Gesetzgeber fest, dass die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Börsenzulassung „im Hinblick auf die Anforderungen des Absatzes 3 unberührt“ bleibt. Hieraus folgt, dass die Frage der Angemessenheit der Gegenleistung nicht im Zulassungswiderrufsverfahren zu klären ist.290 Die Börsengeschäftsführung prüft im 285 Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 127; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 164; Kremer/Oesterhaus, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 31 WpÜG Rn. 106. 286 Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 164. 287 Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 127; zu den zivilrechtlichen Ansprüchen der Aktionäre bei nicht angemessener Gegenleistung Kapitel 5 G. II. 2. sowie Verse, ZIP 2004, 199, 199 ff.; Pohlmann, ZGR 2007, 1, 9 ff.; sowie BGH, Urt. v. 28. 7. 2014 – II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 ff. („Postbank“). 288 Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 15 WpÜG Rn. 30; Santelmann, in: Steinmeyer (Hrsg.), WpÜG, 3. Aufl., 2013, § 14 WpÜG Rn. 38; siehe hierzu auch Kapitel 5 G. II. 3. 289 Die Entscheidung des Widerrufs der Börsenzulassung steht im Ermessen der jeweiligen Börsengeschäftsführung. Zu der Ermessensausübung, insbesondere zu einer Ermessensreduktion auf Null siehe Kapitel 7 B. 290 Ebenso Groß, AG 2015, 812, 818; Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 775.

G. Rechtsschutz

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Rahmen ihrer Widerrufsentscheidung lediglich formal, ob die Anforderungen des § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG, also die Veröffentlichung eines Erwerbsangebots nach dem WpÜG bzw. die Zulassung an einer anderen inländischen bzw. ausländischen Börse eines EU-/EWR-Mitgliedsstaates mit vergleichbaren Delisting-Regelungen vorliegen. Eine Prüfung der in § 39 Abs. 3 BörsG geregelten inhaltlichen Anforderungen durch die Börsengeschäftsführung ist durch § 39 Abs. 6 BörsG ausgeschlossen.291 Insbesondere überprüft die Börsengeschäftsführung nicht, ob das Erwerbsangebot inhaltlich zutreffend oder die angebotene Gegenleistung angemessen ist. Die inhaltliche Prüfung der Angebotsunterlage obliegt (zumindest vor Veröffentlichung des Angebots) ausschließlich der BaFin.292 Bei einem partiellen Delisting nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BörsG reichen die Kontrollbefugnisse im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben weiter. Die Beschränkung des § 39 Abs. 6 BörsG bezieht sich nur auf die Anforderungen des § 39 Abs. 3 BörsG, die wegen der Verknüpfung mit § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG nur für Fälle eines vollständigen Delistings gelten. Die Börsengeschäftsführung hat damit zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BörsG vorliegen. Während sich dies in Fällen des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 lit. a) BörsG auf die Feststellung beschränkt, dass die Wertpapiere des Emittenten weiterhin an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, muss die Börsengeschäftsführung bei Anträgen, die sich auf § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 lit. b) BörsG stützen, eine inhaltliche Prüfung vornehmen. In diesem Fall muss die Börsengeschäftsführung überprüfen, ob die Voraussetzungen des Delistings in dem entsprechenden EU-/EWR-Mitgliedsstaat, in dem die Wertpapiere des Emittenten an einer Börse notiert bleiben, den deutschen Schutzmechanismen entsprechen.

II. Gerichtliche Kontrolle Das gerichtliche Rechtsschutzsystem bei Delisting ist zweispurig aufgebaut. Zum einen kommt aufgrund der Ausgestaltung des Delistingverfahrens als Verwaltungsverfahren verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Betracht. Zudem ist wegen des zwingenden Erwerbsangebots als Voraussetzung für ein vollständiges Delisting zivilrechtlicher Rechtsschutz in Hinblick auf die Höhe der angebotenen Gegenleistung gegeben. 1. Verwaltungsrechtlicher Rechtsschutz Der Widerruf der Zulassung zum regulierten Markt durch die Börsengeschäftsführung ist ein Verwaltungsakt, gegen den grundsätzlich verwaltungsrechtliche 291 Groß, AG 2015, 812, 818; Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 774 f.; Mense/Klie, DStR 2015, 2782, 2785. 292 Kapitel 5 G. I. 1.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Rechtsbehelfe statthaft sind. Widerspruchs- bzw. Klagegegner ist entweder die Börsengeschäftsführung293 oder die Börse als öffentlich-rechtliche Anstalt, die nach § 2 Abs. 5 BörsG unter ihrem Namen verklagt werden kann.294 Voraussetzung ist jedoch, dass eine Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO gegeben ist. a) Umfang des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes Aus der Beschränkung des Prüfungsumfangs der Börsengeschäftsführung auf die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 BörsG295 folgt eine entsprechende Beschränkung des verwaltungsgerichtlichen Prüfungsumfangs. Die Angemessenheit der Gegenleistung sowie die übrigen Anforderungen nach Abs. 3 sind nicht Gegenstand des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes gegen die Widerrufsentscheidung der Börsengeschäftsführung.296 b) Rechtsschutzmöglichkeiten des Emittenten Bei einer Verweigerung des Widerrufs der Börsenzulassung durch die Börsengeschäftsführung ist der Emittent als Adressat297 eines ihn belastenden Verwaltungsakts klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Aus Sicht des Emittenten stellt sich die Frage nach seinen Rechtsschutzmöglichkeiten aber nicht nur dann, wenn die Börsengeschäftsführung dem DelistingAntrag widerspricht, sondern auch bereits dann, wenn die BaFin das Angebot nach § 15 WpÜG untersagt. Hiergegen kann aber der Emittent nicht selbst vorgehen, da er (ebenso wie die Anleger) nicht Beteiligter des Gestattungsverfahrens ist.298

293 Soweit das Landesrecht nach §§ 78 Abs. 1 Nr. 2, 61 Nr. 3 VwGO Behörden als prozessführungsbefugt und beteiligtenfähig erklärt. 294 Ausführlich zu den Rechtsschutzkonstellationen Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, Rn. 49. 295 Siehe hierzu Kapitel 5 G. I. 2. 296 So BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 297 Zur Adressatentheorie siehe Schmidt-Kötters, in: Posser/Wolff (Hrsg.), VwGO Kommentar, 2. Aufl., 2014, § 42 VwGO Rn. 173. 298 Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 15 WpÜG Rn. 30; Steinhardt, in: Steinmeyer (Hrsg.), WpÜG, 3. Aufl., 2013, § 15 WpÜG Rn. 23. Beteiligter des übernahmerechtlichen Prüfungsverfahrens ist lediglich der Bieter, der gegen eine ablehnende Entscheidung der BaFin Widerspruch nach § 41 WpÜG und Anfechtungsbeschwerde nach § 48 Abs. 1 S. 1 WpÜG einlegen kann, Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 777; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 15 WpÜG Rn. 30.

G. Rechtsschutz

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c) Rechtsschutzmöglichkeiten einzelner Anleger Einzelne Anleger sind hingegen nicht Adressaten des Verwaltungsaktes. Es stellt sich damit die Frage, ob sie wegen der sie treffenden Auswirkungen des Zulassungswiderrufs bei Verstößen gegen § 39 Abs. 2 S. 2 und S. 3 BörsG klagebefugt sind.299 Um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können, müssten sie nach § 42 Abs. 2 VwGO die Möglichkeit der Verletzung eines eigenen subjektiven Rechts geltend machen können. Als Nichtadressaten müssten sie hierzu nach der Schutznormtheorie darlegen können, dass ihnen § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG ein subjektiv-öffentliches Recht und damit Drittschutz vermittelt. Dies ist dann der Fall, wenn § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch den Interessen einzelner Anleger zu dienen bestimmt ist.300 Bei der hierzu erforderlichen Auslegung kommt es entscheidend auf die gesetzliche Schutz- und Zweckbestimmung an, die in personeller und sachlicher Hinsicht einzelne Anleger erfassen muss.301 Andernfalls handelt es sich auch bei einer tatsächlichen Betroffenheit einzelner Anleger lediglich um einen Rechtsreflex, der kein subjektiv-öffentliches Recht vermittelt.302 Lediglich reflexhaft werden Anleger etwa durch die Vorschriften zur Zulassung zum Börsenhandel erfasst, da die Zulassungsvorschriften allein dem Schutz der Allgemeinheit dienen.303 aa) Meinungsspektrum zu § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG aF Ob einzelne Anleger aus § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG aF eine Widerspruchs- oder Klagebefugnis ableiten können, war umstritten. Eine Klagebefugnis wurde früher von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und der wohl überwiegenden Literatur jedenfalls bis zur Einführung des

299

Die im Folgenden behandelte Frage der „Klagebefugnis“ lässt sich auf die „Widerspruchsbefugnis“ als Voraussetzung zur Durchführung eines Widerspruchsverfahrens übertragen, vgl. zur Widerspruchsbefugnis als Voraussetzung eines Widerspruchsverfahrens nur Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 21. Aufl., 2015, § 69 VwGO Rn. 6. 300 BVerwG, Urt. v. 16. 9. 1993 – BVerwG 4 C 28.91, BVerwGE 94, 151, 158; ders., in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 21. Aufl., 2015, § 42 VwGO 71, 78 und 83 ff.; zu den Voraussetzungen des subjektiv-öffentlichen Rechts siehe ausführlich Scherzberg, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2010, § 12 Rn. 8 ff. 301 Brellochs, AG 2014, 633, 640. 302 Ders., AG 2014, 633, 640; Schenke, in: Kopp/Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, 21. Aufl., 2015, § 42 VwGO Rn. 87. 303 Groß, ZHR 165 (2001), 141, 147 f.; ders., in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 32 BörsG Rn. 46; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 506.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

heutigen § 15 Abs. 6 BörsG304 bejaht.305 Seit seinem Inkrafttreten am 1. 7. 2002 stellt § 15 Abs. 6 BörsG ausdrücklich fest, dass die Börsengeschäftsführung die ihr nach dem Börsengesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse „nur im öffentlichen Interesse“ wahrnimmt. Hierdurch hat sich das Meinungsspektrum verschoben. Ein Teil lehnte eine Klagebefugnis unter Berufung auf § 15 Abs. 6 BörsG und die Gesetzesmaterialien zu dessen Einführung ab.306 Von einem anderen Teil wurde weiterhin eine Klagebefugnis bejaht.307 Der 8. Revisionssenat des BVerwG hat in seiner Stellungnahme vor dem BVerfG in § 39 Abs. 2 BörsG auch unabhängig von Art. 14 Abs. 1 GG „ausreichende Ansatzpunkte für einen angemessenen, mit Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Zulassung durchsetzbaren Schutz der betroffenen Aktionäre“ gesehen.308 Auch der BGH hat in Frosta davon gesprochen, dass, sollten die Anleger „in der Verwaltungspraxis nicht ausreichend geschützt werden“, einer „unzutreffenden Anwendung von § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG mit den verwaltungsrechtlichen […] Mitteln zu begegnen“ sei.309 Das VG Frankfurt a.M. hat in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2013 den Drittschutz unter Berufung auf § 15 Abs. 6 BörsG und die fehlende Grundrechtsrelevanz verneint.310 Dagegen hat das VG Düsseldorf jüngst entschieden, dass § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG aF den Anlegern ein subjektiv-öffentliches Recht vermittelt.311

304 § 31 Abs. 5 BörsG a.F., eingeführt durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (4. Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2002, 2010 ff., in Kraft getreten am 1. 7. 2002. 305 VG Frankfurt a.M., Urt. v. 17. 6. 2002 – 9 E 2285/01 (V), ZIP 2002, 1446 ff. („Macrotron“); Groß, ZHR 165 (2001), 141, 158 f.; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 468; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 117; aA Renner/Schiffer, DB 2002, 1990. 306 VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 25. 3. 2013 – 2 L 1073/13.F, ZIP 2013, 1886 ff.; Beck/ Hedtmann, BKR 2003, 190, 192 f.; Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 40 Rn. 23; Hofmann, Der Minderheitsschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 564; Mayen, ZHR 179 (2015), 1, 5 ff.; Land/Behnke, DB 2003, 2531, 2534; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 506 f. 307 VGH Mannheim, Beschl. v. 6. 12. 2007 – 6 S 2293/07, juris; VG Düsseldorf, Beschl. v. 29. 8. 2008 – 20 L 1172/07, juris; Groß, in: ders., Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., 2012, § 39 BörsG Rn. 29 f.; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 40 und § 32 BörsG Rn. 76 ff.; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 736; Thomale, ZGR 2013, 686, 719. 308 Siehe Stellungnahme des 8. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil des BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99 ff., wiedergegeben in BVerfGE 132, 99, 114, Rn. 35. 309 BGH, Beschl. v. 8. 10. 2003 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2257, Rn. 16 („Frosta“). 310 VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 25. 3. 2013 – 2 L 1073/13.F, ZIP 2013, 1886 ff.; hierzu siehe Schmitt, EWiR 2013, 673, 673 f. 311 VG Düsseldorf, Beschl. v. 7. 8. 2015 – 20 L 2589/15, ZIP 2015, 1733.

G. Rechtsschutz

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bb) Auslegung des § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG Zur Klärung der Frage, ob § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG einzelnen Anlegern ein subjektiv-öffentliches Recht vermittelt, ist die Vorschrift auszulegen. (1) Wortlaut § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG dient ausweislich seines Wortlauts dem Anlegerschutz. Zwar könnte man hieran dann zweifeln, wenn man den Anlegerschutz als ein so allgemeines Kriterium betrachtet, dass keine abgrenzbare Sondergruppe der Anleger gebildet werden kann, der ein subjektiv-öffentliches Recht zustehen könne.312 Im Rahmen des § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG sind die in Bezug genommenen Anleger jedoch hinreichend konkretisiert. In § 32 Abs. 2 S. 2 BörsG wird im Gegensatz zu §§ 16 Abs. 1 S. 1, 25 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 3 Nr. 1, 33 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BörsG nicht allgemein vom „Schutz des Publikums“, sondern vom „Schutz der Anleger“ gesprochen.313 Bereits dies zeigt, dass § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG eine individuelle Schutzrichtung hat. Denn der Begriff des „Anlegers“ in § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG ist hinreichend individualisiert, da er im Gegensatz zu den Normen des Börsengesetzes, die den Schutz des „Publikums“ in Bezug nehmen, die einzelnen Inhaber der Wertpapiere im Blick hat.314 Insbesondere ist im Hinblick auf das Delisting der Kreis der geschützten Anleger auf diejenigen beschränkt, die zum Zeitpunkt des Widerrufs Anleger des betroffenen Wertpapiers des jeweiligen Emittenten waren.315 (2) Systematische Auslegung und Normzweck Entscheidend für eine individualschützende Wirkung des § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG spricht auch die detaillierte Regelung der anlegerschützenden Voraussetzungen eines Delistings durch den Gesetzgeber in § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 bis Abs. 6 durch das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie.316 Mit dieser Neuregelung des Anlegerschutzes bei Delisting bezweckte der Gesetzgeber ausdrücklich eine „Verbesserung des Anlegerschutzes beim Widerruf der Zulassung

312

Hierzu Thomale, ZGR 2013, 686, 719. Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 32 BörsG Rn. 76. 314 In diesem Sinne auch VG Düsseldorf, Beschl. v. 7. 8. 2015 – 20 L 2589/15, BeckRS 2015, 49819; ZIP 2015, 1733, 1734; siehe bereits dies., in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 32 BörsG Rn. 76. 315 Groß, AG 2015, 812, 819; für eine drittschützende Wirkung aufgrund des Wortlauts ebenfalls Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 776. Groß, AG 2015, 812, 819 weist zudem darauf hin, dass wegen der Einschränkung auf einzelne Aktionäre das Argument, die Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis des einzelnen Anlegers müsse zur Vermeidung von Popularklagen ausgeschlossen werden, nicht trägt. 316 Groß, AG 2015, 812, 819. 313

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

eines Wertpapiers zum Handel am regulierten Markt“317. Insbesondere geht der Gesetzgeber hierbei von der Zulässigkeit eines verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes der Anleger gegen den Zulassungswiderruf aus.318 Dies ergibt sich auch aus dem Zusammenspiel von § 39 Abs. 2 und Abs. 6 BörsG. Denn wenn der Gesetzgeber in § 39 Abs. 6 BörsG explizit anordnet, dass die Rechtmäßigkeit des Widerrufs im Hinblick auf die Anforderungen des § 39 Abs. 3 BörsG unberührt bleibt, sind im Umkehrschluss auch Fälle möglich, in denen der Widerruf rechtswidrig ist.319 In Bezug auf § 15 Abs. 6 BörsG ist letztlich entscheidend, welchen Wert man § 15 Abs. 6 BörsG zuweist und in welchem Verhältnis § 15 Abs. 6 BörsG zu § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG steht. § 15 Abs. 6 BörsG zielt nicht auf den Ausschluss verwaltungsgerichtlicher Klagerechte, sondern lediglich auf den Ausschluss der persönlichen Haftung der Geschäftsführung ab (Ausschluss der Amtshaftung), sodass § 15 Abs. 6 BörsG nicht gegen den individualschützenden Charakter des § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG spricht.320 Zu den von der Börsengeschäftsführung nach § 15 Abs. 6 BörsG nur im öffentlichen Interesse wahrgenommenen Aufgaben gehören zwar auch Zulassung und Widerruf der Wertpapiere gemäß §§ 32 ff. BörsG. Jedoch stellt § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG das speziellere321 und jüngere322 Gesetz dar und geht insoweit vor. cc) Ergebnis Gegen die Widerrufsentscheidung der Börsengeschäftsführung sind einzelne Anleger klagebefugt. Eine gegen § 39 Abs. 2 S. 2 und S. 3 BörsG verstoßende Widerrufsentscheidung kann daher auch von einzelnen Anlegern angefochten werden. Allerdings ist die Höhe der Gegenleistung wegen der Beschränkung des § 39 Abs. 6 BörsG nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

317 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 318 BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015): „[…] Gegenstand des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes gegen die Entscheidung über den Widerruf durch die Geschäftsführung der jeweiligen Börse […].“ Dass es kurz darauf heißt der „Rechtsschutz des Anlegers richtet sich insoweit ausschließlich nach Absatz 3 Satz 3 und 4 sowie nach dem WpÜG“, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn diese Aussage bezieht sich lediglich („insoweit“) auf die Angemessenheit der Gegenleistung sowie die übrigen Anforderungen des Abs. 3. 319 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 776. 320 VG Düsseldorf, Beschl. v. 7. 8. 2015 – 20 L 2589/15, ZIP 2015, 1733, 1735; Groß, AG 2015, 812, 819; ders., in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 15 BörsG Rn. 14; ders., in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.), Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., 2015, Rn. IX 174 f.; 329 ff. 321 So zu § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG aF bereits Thomale, ZGR 2013, 686, 719; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 32 BörsG Rn. 78. 322 Es gilt der Grundsatz „lex posterior derogat lex priori“.

G. Rechtsschutz

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2. Zivilgerichtlicher Rechtsschutz Die angemessene Höhe der Gegenleistung kann vielmehr im Zivilrechtsweg gegenüber dem Bieter geltend gemacht werden. a) Individuelle Leistungsklage Um die Angemessenheit der Gegenleistung überprüfen zu lassen, steht jedem Anleger, der das Angebot angenommen hat, eine individuelle Leistungsklage zur Verfügung. Den Weg zu einer individuellen Leistungsklage eröffnet der Verweis auf § 31 WpÜG sowie die ausdrücklich als Zahlungsanspruch ausgestalteten Regelungen in § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG. In der Literatur war schon seit Längerem anerkannt, dass § 31 WpÜG dem Aktionär ein individuelles Klagerecht vermittelt.323 Dies hat der BGH in der PostbankEntscheidung vom 29. 7. 2014, auf die sich der Gesetzgeber ausdrücklich beruft324, anerkannt.325 Hiernach haben Aktionäre, die das Angebot angenommen haben, einen Anspruch gegen den Bieter auf Zahlung des Differenzbetrages der angebotenen und der angemessenen Gegenleistung. Die Erhebung der (zivilrechtlichen) individuellen Leistungsklage auf angemessene Abfindung lässt die (öffentlich-rechtliche) Widerrufsentscheidung der Börsengeschäftsführung unberührt.326 Mit dieser Lösung will der Gesetzgeber gewährleisten, dass „das Delisting-Verfahren durchgeführt werden kann, ohne durch Streitigkeiten über die Höhe der Abfindung belastet zu werden.“327 Die Klärung der Angemessenheit der Gegenleistung ist damit einem zivilrechtlichen Verfahren vorbehalten. b) Musterfeststellungsverfahren Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) können Ansprüche aus dem WpÜG durch ein Musterfeststellungsverfahren allgemein ge323 Siehe nur Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 128; Pohlmann, ZGR 2007, 1, 14 ff.; Verse, ZIP 2004, 199, 202 ff.; aA Krause, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 166a. 324 BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 325 BGH, Urt. v. 29. 7. 2014 – II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 ff. („Postbank“). 326 Hierauf explizit hinweisend auch BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 327 BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015).

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

klärt werden. Ergänzend erweitert der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des KapMuG auf die Fälle der erhöhten Gegenleistung nach § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG.328 Insbesondere in den Fällen der erhöhten Gegenleistung sieht es der Gesetzgeber als möglich an, dass Ansprüche auf die erhöhte Gegenleistung in größerer Zahl entstehen können, der im Einzelfall aber im Streit stehende Geldbetrag gering ausfallen kann. Der Gesetzgeber sieht das Musterfeststellungsverfahren nach dem KapMuG als ein „taugliches Instrument zur Bewältigung von Massenklagen im Bereich des Kapitalmarktrechts“ an. Ein Verfahren nach dem KapMuG biete sich an im Hinblick auf die Frage, „ob die Voraussetzungen von § 39 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BörsG vorliegen“ oder „ob und wieviel die Gegenleistung erhöht ist“.329 3. Schadensersatzansprüche gegen die BaFin Fraglich ist, ob Anleger Schadensersatzansprüche gegen die BaFin geltend machen können, wenn die Angebotsunterlage offensichtlich fehlerhaft, insbesondere die Gegenleistung offensichtlich nicht angemessen ist, und die BaFin das Angebot dennoch nicht gemäß § 15 Abs. 1 WpÜG untersagt hat. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG hat die BaFin die Angebotsunterlage im Rahmen einer inhaltlichen Kontrolle auf offensichtliche Verstöße gegen Vorschiften des WpÜG oder der WpÜG-AVO zu prüfen.330 Hierbei hat die BaFin im Rahmen einer Evidenzkontrolle insbesondere zu überprüfen, ob die angebotene Gegenleistung angemessen ist.331 Im Rahmen ihrer Tätigkeiten nach dem WpÜG wird die BaFin ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig, vgl. § 4 Abs. 2 WpÜG. Bei einer fehlerhaften Prüfung und einer pflichtwidrig nicht erfolgten Untersagung des Angebots stehen den Aktionären des Emittenten daher keine Ersatzansprüche gegen die BaFin (etwa wegen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB) zu.332 Sie können gegen die Zulassung 328

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 KapMuG lautet in der seit 26. 11. 2015 geltenden Fassung nunmehr: „Dieses Gesetz ist anwendbar in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen […] 3. ein Erfüllungsanspruch aus Vertrag, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, einschließlich eines Anspruchs nach § 39 Absatz 3 Satz 3 und 4 des Börsengesetzes, beruht, geltend gemacht wird.“ 329 BT-Drucks. 18/6220, S. 87 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 330 Siehe hierzu bereits Kapitel 5 G. I. 1). 331 Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 127; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 163. 332 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 27. 5. 2003 – WpÜG 2/03, ZIP 2003, 1251, 1252 ff. (Wella I); OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4. 7. 2003 – WpÜG 4/03, ZIP 2003, 1392, 1393 ff. (Wella II); BVerfG, Beschl. v. 2. 4. 2004 – 1 BvR 1620/03, ZIP 2004, 950 f. (Wella AG); Krause,

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eines Angebots mangels Beschwerdebefugnis auch kein Beschwerdeverfahren nach §§ 48 ff. WpÜG anstrengen, da sie nicht Beteiligte des Gestattungsverfahrens sind.333 Ihre Ansprüche auf eine angemessene Gegenleistung müssten die Aktionäre daher vor den Zivilgerichten durchsetzen.334

III. Bewertung Fraglich ist, ob der Gesetzgeber ein effektives Rechtsschutzsystem zur Verwirklichung eines effektiven Anlegerschutzes bei Delisting geschaffen hat. 1. Beweislastverteilung Problematisch erscheint vor allem die Beweislastverteilung bei der Geltendmachung der Zuzahlungsansprüche des § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG, wonach der Anleger die Verstöße gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR beweisen muss.335 2. Aufwendiges Verwaltungsverfahren Dem Delisting sind mit der Prüfung der Angebotsunterlage durch die BaFin einerseits und die Prüfung des Widerrufsantrags durch die Börsengeschäftsführung andererseits zwei unterschiedliche Verwaltungsverfahren mit unterschiedlichem Prüfungsumfang vorgeschaltet. Dies könnte zu einem „doppelten“ Verwaltungsverfahren führen, mit der Folge, dass Delisting-Vorhaben unnötig ausgebremst werden.336 Insbesondere die Beteiligung der BaFin erscheint vor dem Hintergrund problematisch, dass Anleger mangels Beteiligung am Gestattungsverfahren Ent-

in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 165; Lappe/Stafflage, BB 2002, 2185, 2189; Marsch-Barner, in: Baums/ Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 127. Zu dem Rechtsschutz im Übernahmerecht siehe auch Seibt, ZIP 2003, 1865 ff. 333 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 27. 5. 2003 – WpÜG 2/03, ZIP 2003, 1251, 1252 ff. (Wella I); OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4. 7. 2003 – WpÜG 4/03, ZIP 2003, 1392, 1393 ff. (Wella II); BVerfG, Beschl. v. 2. 4. 2004 – 1 BvR 1620/03, ZIP 2004, 950 f. (Wella AG); Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 127; Pohlmann, ZGR 2007, 1, 22 ff.; umfassend auch dies., in: Bork/Hoeren/Pohlmann (Hrsg.), Recht und Risiko, 2004, S. 539 ff.; Verse, ZIP 2004, 199. 334 Nunmehr BGH, Urt. v. 29. 7. 2014 – II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 ff. („Postbank“); hierzu bereits OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 4. 7. 2003 – WpÜG 4/03, ZIP 2003, 1392, 1393 ff. (Wella II). 335 Hierzu ausführlich Kapitel 5 D. V. 1. d) bb). 336 Diese Befürchtung äußern Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 778; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 734.

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5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

scheidungen der BaFin bezüglich der Angebotsunterlage nicht beanstanden können.337 3. Probleme des zivilrechtlichen Rechtsschutzes Für die Überprüfung der Angebotshöhe hat der Gesetzgeber einen regulären Zivilprozess vorgesehen, wobei jedoch die folgenden Punkte zu Verzögerungen des Verfahrens führen können. a) Verzögerung des Verfahrens wegen rechts- oder bestandskräftiger Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR338 Die Entscheidung, ob die Angemessenheit der Gegenleistung nach dem Börsenkurs oder aber nach dem Ertragswert zu bestimmen ist, kann nach dem Willen des Gesetzgebers erst dann getroffen werden, wenn ein Verstoß gegen die Ad-hoc-Pflicht oder das Verbot der Marktmanipulation rechts- oder bestandkräftig festgestellt wurde.339 Hierfür ist entweder der rechts- oder bestandskräftige Abschluss eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens erforderlich, oder aber der Verstoß muss in einem eigenen Gerichtsverfahren (ggf. nach KapMuG) festgestellt werden.340 Dies führt zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens. Auch aus diesem Grund sollte daher (in Übereinstimmung mit dem Wortlaut) lediglich ein objektiver Verstoß gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR gefordert werden.341 b) Späte Unternehmensbewertung Steht fest, dass sich die Höhe der Gegenleistung nach dem Ertragswert des Unternehmens richtet, kommt es in Delisting-Fällen im Vergleich zu gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen, bei denen den Aktionären ebenfalls eine Abfindung auf der Grundlage des Ertragswertes des Unternehmens anzubieten ist, zu einer weiteren Verzögerung. Bei Delisting wird die Gegenleistung grundsätzlich342 auf der Grundlage des Börsenkurses festgelegt, sodass nicht bereits im Vorfeld des Delistings ein Wertgutachten erstellt wird. Steht später fest, dass die Anleger auf der Grundlage des Ertragswertes abzufinden sind, nimmt der im Rahmen des zivilrechtlichen Rechtsstreits bestellte Gutachter zum ersten Mal eine Unternehmens337

Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 778; hierzu siehe bereits Kapitel 5 E. I. 1. Hierzu siehe bereits ausführlich Kapitel 5 D. V. 1. d) aa). 339 Siehe BT-Drucks. 18/6220, S. 85 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015); hierzu Mense/Klie, DStR 2015, 2782, 2786. 340 Dies., DStR 2015, 2782, 2786. 341 Hierzu bereits Kapitel 5 D. V. 1. d) aa). 342 Ausnahme sind allein Fälle des § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG, wo mangels aussagekräftigen Börsenkurses von vornherein auf den Ertragswert abgestellt wird, hierzu siehe Kapitel 5 D. V. 2. 338

G. Rechtsschutz

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bewertung vor. Es wird daher mit Verfahrensdauern von nicht unter zehn Jahren gerechnet.343 4. Nachteile eines KapMuG-Verfahrens gegenüber einem Verfahren nach dem SpruchG Statt eines Macrotron-Spruchverfahrens hat der Gesetzgeber die Durchführung eines KapMuG-Verfahrens vorgesehen. Die Effektivität der Zuweisung ins KapMuG-Verfahren gegenüber einem Spruchverfahren ist jedoch fraglich. a) Funktionelle Zuständigkeit des Spruchkörpers Bei Spruchverfahren ist gemäß §§ 95 Abs. 2 Nr. 2, 71 Abs. 2 Nr. 4 lit. e) GVG (auf Antrag des Klägers, § 96 GVG oder des Beklagten, § 98 GVG) die Kammer für Handelssachen funktionell zuständig. Dagegen werden auf § 31 WpÜG gestützte Leistungsklagen vor der Zivilkammer verhandelt. Gerade die Kammern für Handelssachen verfügen aber über Erfahrung bei der Festsetzung einer angemessenen Abfindung im Rahmen einer Unternehmensbewertung, sodass sie auch bei der Anwendung von § 39 Abs. 2 S. 3 und S. 4 BörsG zuständig sein sollten.344 b) Fehlende erga omnes-Wirkung Im Gegensatz zu der Entscheidung im Spruchverfahren profitieren nicht klagende Aktionäre nicht von einer gerichtlichen Entscheidung über die Leistungsklage im Verfahren nach dem KapMuG.345 Eine Regelung wie § 13 S. 2 SpruchG, die für Entscheidungen im Spruchverfahren eine erga omnes-Wirkung346 anordnet, ist für das Verfahren nach dem KapMuG nicht vorgesehen.347 Vielmehr entfaltet die Entscheidung nur eine inter partes-Wirkung gegenüber den Aktionären, die sich an dem Verfahren als Kläger beteiligt haben. Aktionäre müssen daher selbst eine Klage erheben, um eine Nachzahlung nach Maßgabe des § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG zu erlangen.348

343 344 345 346

ber“. 347

Mense/Klie, DStR 2015, 2782, 2786. Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 779. Goetz, BB 2015, 2691, 2693; Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 779. Nach § 13 S. 2 SpruchG wirkt die Entscheidung „für und gegen alle […] Anteilsinha-

Der Gesetzgeber wollte mit dem KapMuG ein Kollektivverfahren einführen, das die Grundstrukturen der ZPO möglichst wenig modifiziert. Das KapMuG ist daher auf eine partielle Bündelungswirkung innerhalb eines einheitlichen Verfahrens ausgerichtet, siehe hierzu Hess, in: Hess/Reuschle/Rimmelspacher (Hrsg.), Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., 2014, Einleitung Rn. 26. 348 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 779.

146

5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

c) Dauer der KapMuG-Verfahren Von der Anwendung des KapMuG-Verfahrens erhofft sich der Gesetzgeber eine Beschleunigung der Verfahren gegenüber dem Spruchverfahren.349 Dass dieses Ziel erreicht wird, ist aber mehr als fraglich. So dauern KapMuG-Verfahren mitunter länger als die seit Geltung des SpruchG geführten Verfahren.350 Dies liegt insbesondere daran, dass das erstinstanzlich zuständige OLG nur eine Tatsacheninstanz darstellt und die Verfahren regelmäßig zum BGH gehen.351 Daher stellen die KapMuG-Verfahren für die Anleger ein nicht kalkulierbares Kostenrisiko dar. Insbesondere bei einer geringen Beteiligung könnten die Aktionäre von einer Geltendmachung daher abgehalten werden.352 d) Kostenrechtliche Belastung Im Spruchverfahren trägt der die Strukturmaßnahme veranlassende Großaktionär grundsätzlich das Kostenrisiko, vgl. § 23 Nr. 14 GNotKG. Im Zivilverfahren hingegen gelten die üblichen prozessualen Regeln, sodass nach §§ 91 ff. ZPO derjenige sämtliche Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, der unterliegt.353 Während die Durchführung eines Spruchverfahrens für den Anleger daher ohne Kostenrisiko durchführbar ist, muss er bei der Durchsetzung einer angemessenen Abfindung in Fällen des § 39 Abs. 2 S. 3 und S. 4 BörsG ein Kostenrisiko tragen.354 e) Keine Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs Die Beantragung eines Spruchverfahrens ist nach § 4 SpruchG nur innerhalb einer im Einzelnen näher bestimmten dreimonatigen Ausschlussfrist möglich. Auf den Ausgleichsanspruch nach § 39 Abs. 2 S. 3 und S. 4 BörsG sind vielmehr die allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass der Bieter (insbesondere bei erst spät öffentlich gewordenen Verstößen gegen

349 Siehe nur die Ausführungen von Middelberg bzw. Hirte in der 127. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. 10. 2015, Plenarprotokoll 18/127, S. 12379 bzw. 12385. 350 Zur Dauer und zur praktischen Bewährung des KapMuG insgesamt siehe Hess, in: Hess/ Reuschle/Rimmelspacher (Hrsg.), Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., 2014, Einleitung Rn. 58 ff. 351 Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 37/2015, 2015, S. 5. Zum Verfahrensgang nach dem KapMuG siehe Hess, in: Hess/Reuschle/Rimmelspacher (Hrsg.), Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., 2014, Einleitung Rn. 27 ff. 352 Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 37/2015, 2015, S. 5. 353 Hierauf weist auch BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der TransparenzrichtlinieÄnderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015) hin. 354 Hierauf hinweisend bereits Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 37/2015, 2015, S. 6; ebenso Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 779 f.

G. Rechtsschutz

147

Art. 17 oder Art. 15 MAR) noch Jahre nach einem abgeschlossenen Delisting mit entsprechenden Klagen rechnen muss.355 5. Ergebnis Um das Ziel eines effektiven Rechtsschutzes zu erreichen, sind insbesondere Nachbesserungen hinsichtlich der Beweislastverteilung erforderlich. Auch führt die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung in Fällen des § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG zu erheblichen Verzögerungen. Dem kann zumindest damit begegnet werden, dass ein objektiver Verstoß gegen die Vorschriften der Art. 17 oder Art. 15 MAR ausreichen sollte. Die Zweiteilung des gerichtlichen Rechtsschutzes (Wirksamkeit des Widerrufs und Höhe der Abfindung) überzeugt, da die Wirksamkeit des Widerrufs von einem Rechtsstreit über die angemessene Gegenleistung nicht betroffen ist. Gegen den Widerruf der Zulassung ist zumindest im Hinblick auf Verstöße gegen § 39 Abs. 2 S. 2 und S. 3 BörsG insbesondere auch der einzelne Anleger klagebefugt. Das Verfahren nach dem KapMuG ist für die Ermittlung der Zuzahlungsansprüche beim Eingreifen der Ausnahmen in § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG nicht geeignet.356 Insbesondere ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber für Fälle, in denen eine Unternehmensbewertung erforderlich ist, nicht auf das „bekannte Terrain“ des Spruchverfahrens zurückgegriffen hat, sondern mit dem KapMuG ein Verfahren für anwendbar erklärt hat, dass weder den Anforderungen der Anleger noch den Interessen der Bieter gerecht wird. Zunächst ist ein mit Unternehmensbewertungen nicht vertrauter Spruchkörper und nicht die Kammer für Handelssachen funktionell zuständig, dann fehlt es an einer erga omnes-Wirkung einer im KapMuG-Verfahren ergangenen Entscheidung. Darüber hinaus überzeugt die Verteilung des Kostenrisikos nicht. Zweifelhaft ist insbesondere das gesetzgeberische Ziel, durch die Anwendung des KapMuG eine Beschleunigung der Verfahren zu erreichen. Für den Bieter hat die Anwendung des KapMuG-Verfahrens zur Folge, dass er noch Jahre nach einem abgeschlossenen Delisting mit Klagen hinsichtlich einer höheren Gegenleistung rechnen muss. Der Gesetzgeber scheint sich darauf zu verlassen, dass „die Zivilgerichte das Verfahren insbesondere hinsichtlich der Beweislastverteilung und der Kostentragung gemäß dem Parteivortrag den Möglichkeiten und Grenzen der aus der Gesellschaft ausscheidenden Anleger anpassen.“357 Von Problemen bei der Umsetzung des Rechtsschutzes scheint jedoch auch der Gesetzgeber auszugehen, da das Delisting 355

Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 780 weist darauf hin, dass die Ausgleichsansprüche im Extremfall gemäß § 199 Abs. 4 BGB erst zehn Jahre nach dem Delisting verjähren können. 356 Ebenso Mense/Klie, DStR 2015, 2782, 2786. 357 So die Ausführungen von Hirte in der 127. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. 10. 2015, Plenarprotokoll 18/127, S. 12385.

148

5. Kap.: Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting in § 39 Abs. 2 – 6 BörsG

Ende 2017 erneut auf den Prüfstand soll.358 Bei dieser Gelegenheit sollten die Defizite des Rechtsschutzsystems ausgeglichen werden.

IV. Ergebnis Insgesamt hat der Gesetzgeber ein Rechtsschutzsystem geschaffen, mit dem sowohl im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren die Wahrung der Anlegerinteressen überprüft werden kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Prüfung der Angemessenheit der Gegenleistung nur durch die BaFin und nicht auch durch die Börsengeschäftsführung erfolgen. Der Prüfungsumfang der Börsengeschäftsführung ist durch § 39 Abs. 6 BörsG eingeschränkt. Tatsächlich ist die BaFin nur für eine offensichtliche Fehlerkontrolle zuständig. Die BaFin prüft daher lediglich, ob die Gegenleistung nicht offensichtlich unangemessen ist. In der Praxis weitet die BaFin ihre Prüfung aber aus. Problematisch ist jedenfalls, dass die BaFin im öffentlichen Interesse tätig wird, während es bei einem Delisting um den Schutz der subjektiven Anlegerrechte geht.359 Im Hinblick auf die Prüfung der Angemessenheit der Gegenleistung ist zu unterscheiden: Vor der Genehmigung der Angebotsunterlage liegt die Prüfung der Angemessenheit der Gegenleistung im Verantwortungsbereich der BaFin und die Anleger können gegen die Entscheidung der BaFin nicht vorgehen. Die Börsengeschäftsführung prüft die Angemessenheit der Gegenleistung während der Widerrufsentscheidung nicht. Nach vollzogenem Widerruf der Börsenzulassung können die Anleger die Angemessenheit der Gegenleistung in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen.

358 Vgl. Hirte in der 127. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. 10. 2015, Plenarprotokoll 18/127, S. 12385. 359 Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 734.

Sechstes Kapitel

Rechtsvergleichende Aspekte Sowohl das US-amerikanische als auch das britische Recht enthalten, im Einzelfall sehr unterschiedlich ausgestaltete Regelungen zum Delisting. Diese werden im Folgenden dargestellt, wobei insbesondere der jeweils im Fall eines Delistings gewährte Anlegerschutz herausgeareitet wird. Abschließend wird untersucht, welche Implikationen sich hieraus für den Anlegerschutz in Deutschland und die Bewertung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen ergeben.

A. USA Die USA verfügen bereits seit Inkrafttreten des Securities Exchange Act 1934 am 6. 6. 1934 über eine gesetzliche Regelung des Delistings.1 Die rechtlichen Voraussetzungen für ein Delisting gelten selbst im differenzierten US-amerikanischen Wertpapierrecht als äußerst komplex.2 Dies liegt insbesondere an der im US-amerikanischen Recht für börsennotierte Aktien vorgesehenen zweistufigen Registrierung.

I. Hintergrund 1. US-amerikanisches Kapitalmarktrecht Die Regelungen des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts (securities regulation) sind stark vom Anleger- bzw. Investorenschutz dominiert. Das Börsenrecht (maßgeblich der Securities Act 1933 und der Securities Exchange Act 1934) entstand als eine Folge der Aufarbeitung des Zusammenbruchs der New Yorker Börse 1929 und der folgenden „Großen Depression“ der 1930er Jahre.3 1 In jüngerer Zeit haben sich immer mehr deutsche Aktiengesellschaften, die zusätzlich zum deutschen Markt auch an den US-amerikanischen Börsen gelistet waren, von dem amerikanischen Kapitalmarkt zurückgezogen. Hierzu siehe die (betriebswirtschaftliche) Untersuchung von Bessler/Kaen/Kurmann u. a., 22 Int. Fin. Markets, Inst. and Money 1024, 1024 ff. (2012). 2 Macey/O’Hara/Pompilio, 51 Journal of Law and Economics 683, 687 (2008). 3 Loss/Seligman, Securities Regulation, 3. Aufl., 1988, Ch. 1F, S. 166 ff.; Becker, in: Hopt/ Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 755, 772 f.; Fischer zu Cramburg/Hannich/

150

6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

Kernstück des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts sind die föderalen Regelungen4 des US-amerikanischen Wertpapierrechts (Securities Law) im Securities Act 19335 und dem Securities Exchange Act 19346 (SEA). Beide Gesetze zielen auf einen umfassenden Anlegerschutz und fordern die Offenlegung finanzieller und sonstiger Informationen gegenüber der föderalen Börsenaufsicht U.S. Securities and Exchange Commission7 (SEC) und den Investoren, damit sich diese über den Wert der Wertpapiere informieren können.8 Im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht soll der Anlegerschutz daher insbesondere durch umfassende Informationspflichten seitens der börsennotierten Unternehmen verwirklicht werden.9 Die Gesetze werden durch umfassende Ausführungsbestimmungen der SEC ergänzt, den sogenannten „Rules and Regulations under the Securities Exchange Act“ (SEC Rules).10 Die SEC hat den Status einer unabhängigen Verwaltungs- und Aufsichtsbehörde (independent regulatory agency).11 Der SEC stehen umfassende Aufsichts- und

Ziegert, Delisting und Deregistrierung deutscher Emittenten in den USA, 2004, S. 14; Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, 2. Aufl., 2004, S. 262. 4 Das föderale securities law gilt im Unterschied zu den ebenfalls existierenden einzelstaatlichen securities laws („blue sky laws“) für Sachverhalte, in denen mindestens zwei Bundesstaaten betroffen sind und zwischenstaatlicher Handel betroffen ist. Zur Anwendung des föderalen Rechts siehe Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2013, Rn. 271. Angebote und Verkäufe von Wertpapieren in den USA fallen unter die föderalen Regelungen, vgl. Werlen/Sulzer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 45 Rn. 192. 5 Securities Act of 1933, Pub. L. 73-22, 48 Stat. 74, vom 27. 5. 1933, heute kodifiziert in 15 U.S.C. § 77a ff. Der Securities Act betrifft den Primärmarkt vgl. Werlen/Sulzer, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 45 Rn. 23 ff. 6 Securities Exchange Act of 1934 (SEA), Pub. L. 73-291, 48 Stat. 881, vom 6. 6. 1934, heute kodifiziert in 15 U.S.C. § 78a ff. 7 „U.S. Securities and Exchange Commission“ (SEC), auf der Grundlage von Sec. 4 des Securities Exchange Act of 1934, heute kodifiziert in 15 U.S.C. § 78 d. 8 Loss/Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 1D, S. 57 ff.; Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, 2. Aufl., 2004, S. 262. 9 Loss/Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 1D 3., S. 58 („The 1934 Act Act […] had four basic purposes: to afford a measure of disclosure to people who buy and sell securities […]“); siehe hierzu Fischer zu Cramburg/Hannich/Ziegert, Delisting und Deregistrierung deutscher Emittenten in den USA, 2004, S. 14. 10 Diese General Rules and Regulations under the Securities Exchange Act of 1934 (17 C.F.R. § 240) entsprechen im deutschen Recht am ehesten Verwaltungsverordnungen der Bundesverwaltung, vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2013, Rn. 271. 11 Hierzu Loss/Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 1F 1., S. 83: „The Commission’s organization thus combines a substantial degree of independence, as befits an agency exercising important quasijudicial powers […]“; Halfpap, Kapitalmarktaufsicht in Europa und den USA, 2008, S. 126; zur Geschichte des SEC siehe Seligman, The Transformation of Wall Street, 3. Aufl., 2003.

A. USA

151

Rechtssetzungskompetenzen zu.12 Die erlassenen Rechtssätze haben den Rang von Bundesrecht. Die „rules and regulations“ ergänzen und konkretisieren die bundesstaatlichen Gesetze. Die SEC stellt zur Erfüllung der Registrierungs- und Berichtspflichten spezielle Formulare (Forms) zur Verfügung.13 Die wichtigsten Börsen in den USA sind die New York Stock Exchange (NYSE) und die National Association of Securities Dealers Automatic Quotation (NASDAQ).14 Die Börsen sind Selbstverwaltungseinheiten mit Disziplinargewalt. Diesen Status erlangen sie durch die Registrierung bei der SEC und er ermächtigt sie zu quasi-staatlicher Normsetzung. Sämtliche von der Börse erlassene Normen bedürfen der Billigung durch die SEC.15 2. Registrierung Die Voraussetzungen einer Notierung an einer US-amerikanischen Börse (ein sogenanntes listing) richten sich nach der Börsenordnung der jeweiligen Börse, an der NYSE etwa nach dem „Listed Company Manual“.16 Damit Wertpapiere17 eines Unternehmens aber überhaupt an der Börse gelistet und gehandelt werden können, ist nach Sec. 12(a) SEA18 eine vorherige Registrierung bei der föderalen Börsenaufsicht SEC erforderlich. Diese listing-bedingte Registrierung (Börsenregistrierung) richtet sich nach Sec. 12(b) SEA, der die von dem Emittenten vorzulegenden Unterlagen detailliert aufzählt. Daneben besteht für Gesellschaften, die (i) am zwischenstaatlichen Handel teilnehmen, (ii) deren Geschäft den zwischenstaatlichen Handel betrifft oder (iii) deren Wertpapiere zwischenstaatlich gehandelt werden, eine von den Aktiva und der 12

Überblickshaft Werlen/Sulzer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 45 Rn. 15 f.; Hopt, ZHR 140 (1976), 201, 206 f. 13 Halfpap, Kapitalmarktaufsicht in Europa und den USA, 2008, S. 126 f. 14 Becker, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 755, 766 f.; Werlen/ Sulzer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., 2013, § 45 Rn. 154. 15 Hierzu Becker, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 755, 792 ff. 16 Abrufbar unter http://nysemanual.nyse.com/LCM/Sections/ (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016); das Listed Company Manual ist zu unterscheiden von den Rules of the New York Exchange, die Zulassungs- und Verhaltensregeln für Börsenmakler enthalten, vgl. Merkt, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2013, Rn. 280 Fn. 216. 17 Das US-amerikanische Recht verwendet den Begriff „Securities“. Der am ehesten vergleichbare deutsche Begriff ist der des Wertpapiers. Eine Definition findet sich in Sec. 3(a)(10) SEA, auf die auch Sec. 2(a)(14) SOX verweist. Zu den Schwierigkeiten einer Begriffsbestimmung der „security“ siehe Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, 2. Aufl., 2004, S. 260 f. 18 Sec. 12(a) SEA: „It shall be unlawful […] to effect any transaction in any security […] on a national securities exchange unless a registration is effective as to such security for such exchange […].“ Zu der Registrierungspflicht nach Sec. 12(a) SEA siehe Loss/Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6 A 1., S. 626 ff.

152

6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

Anzahl der Aktionäre abhängige Registrierungspflicht nach Sec. 12(g) SEA.19 Diese Registrierungspflicht nach Sec. 12(g)(2)(A) SEA ist aber gegenüber der listingbedingten Registrierung nach Sec. 12(b) SEA subsidiär.20 3. Registrierungsfolgen Folge der Registrierung nach Sec. 12 SEA sind unter anderem das Eingreifen der umfassenden Registrierungsfolgepflichten nach dem SEA wie die Berichtspflichten nach Sec. 13 SEA und Sec. 15(d) SEA sowie das Eingreifen der Vorschriften des Sarbanes-Oxley Act21 (SOX). Die Berichtspflichten sind entsprechend der Zielsetzung des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts, den Anlegern umfassende Informationen über die kapitalsuchenden Unternehmen bereitzustellen, sehr weitgehend ausgestaltet.22 Nach Sec. 13(a) SEA sind unter anderem umfassende Jahres- und Quartalsberichte einzureichen. Genauere Vorgaben zu dem Inhalt machen Sec. 404 SOX sowie die von der SEC veröffentlichte Formulare „Form 10-K“23 für Jahresberichte und „Form 10-Q“24 für Quartalsberichte. Für das Formular „Form 10-K“ ist ein durchschnittlicher Bearbeitungsaufwand von 1.998 Stunden veranschlagt25, für das Formular „Form 10-Q“ immerhin 187 Stunden.26 Sec. 404 SOX27 schreibt für die nach

19 Zu der Registrierungspflicht nach Sec. 12(g) SEA siehe dies., Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6 A 2.a., S. 632 ff. 20 Siehe auch SEC Rule 12g-2. 21 Sarbanes-Oxley Act of 2002 (SOX), 107 Pub. L. No. 204, 116 Stat. 745, in Kraft getreten am 30. 7. 2002. Der SOX will in Reaktion auf größere Bilanzskandale in den Jahren 2001 und 2002 Investoren umfassend vor irreführenden Bilanzen und fragwürdigen Finanzpraktiken durch erweiterte Offenlegungs- und Überwachungspflichten vor allem bei der Abschlussprüfung schützen, siehe nur Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, 2. Aufl., 2004, S. 255; Strauch, NZG 2003, 952 ff.; Loss/Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6, S. 625: „[…] the Sarbanes-Oxlexy-Act of 2002 added several new provisions that amplify the 1934 Act disclosure regime.“ Zu dem SOX und seinen Folgen siehe beispielhaft Kim, 40 Harv. J. on Legis. 235, 235 ff. (2003); Buxbaum, IPRax 2003, 78 ff. 22 Fischer zu Cramburg/Hannich/Ziegert, Delisting und Deregistrierung deutscher Emittenten in den USA, 2004, S. 15; Fried, 76 U. Chi. L. Rev. 135, 135 Fn. 2, 139 (2009). 23 Eine Blankoversion des Formulars kann abgerufen werden über http://www.sec.gov/ about/forms/form10-k.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 24 Eine Blankoversion des Formulars kann abgerufen werden über http://www.sec.gov/ about/forms/form10-q.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 25 Vgl. OMB Approval, siehe S. 1 Form 10-K, abrufbar unter http://www.sec.gov/about/ forms/form10-k.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 26 Vgl. OMB Approval, siehe S. 1 Form 10-Q, abrufbar unter http://www.sec.gov/about/ forms/form10-q.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 27 Sec. 404 SOX sieht sich mannigfaltiger Kritik ausgesetzt, hierzu Loss/Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6B 1c., S. 685 f.

A. USA

153

Sec. 13 SEA einzureichenden Berichte vor, dass jeder Jahresbericht einen Bericht über ein internes Kontrollsystem für die Rechnungslegung enthält. Dieser muss unter anderem eine Beurteilung der Wirksamkeit dieses internen Kontrollsystems durch die Geschäftsführung sowie eine Bestätigung eines externen Wirtschaftsprüfers über die von der Geschäftsführung vorgenommene Bewertung der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems enthalten. Infolge der Registrierung nach Sec. 12 SEA sind Emittenten zur Veröffentlichung von Ad-hoc Informationen nach Sec. 13(a) SEA und dem näher konkretisierenden Formular „Form 8-K“28 verpflichtet. Zudem knüpfen die Beteiligungspublizität nach Sec. 13(d) und (e) SEA und die Vorschriften über Director’s Dealings nach Sec. 16(a) SEA an die Registrierung nach Sec. 12 SEA an. Daneben treffen Gesellschaften, die an einer Börse notiert sind, die in der jeweiligen Börsenordnung (Stock Exchange Rules oder Listing Rules) festgelegten Pflichten.

II. Delistingverfahren Entsprechend der zweistufigen Registrierung ist in den USA auch der freiwillige Rückzug von der Börse zweistufig ausgestaltet. Es ist zu unterscheiden zwischen der in Sec. 12(d) SEA geregelten Beendigung der Börsennotierung und der listing-bedingten Börsenregistrierung nach Sec. 12(b) SEA auf Initiative des Emittenten29 (sog. Voluntary Delisting oder Delisting) auf der einen Seite und der in Sec. 12(g)(4) SEA geregelten umfassenden Deregistrierung (vollständige Marktentlassung) als

Sec. 404 SOX lautet: „(a) Rules required – The Commission shall prescribe rules requiring each annual report required by section 13(a) or 15(d) of the Securities Exchange Act of 1934 (15 U.S.C. 78m or 78o(d)) to contain an internal control report, which shall (1) state the responsibility of management for establishing and maintaining an adequate internal control structure and procedures for financial reporting; and (2) contain an assessment, as of the end of the most recent fiscal year of the issuer, of the effectiveness of the internal control structure and procedures of the issuer for financial reporting. (b) Internal Control Evaluation and Reporting – With respect to the internal control assessment required by subsection (a), each registered public accounting firm that prepares or issues the audit report for the issuer shall attest to, and report on, the assessment made by the management of the issuer. An attestation made under this subsection shall be made in accordance with standards for attestation engagements issued or adopted by the Board. Any such attestation shall not be the subject of a separate engagement.“ 28 Eine Blankoversion des Formulars kann abgerufen werden unter http://www.sec.gov/ about/forms/form8-k.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 29 Daneben gibt es auch ein Delisting auf Initiative der Börse, das weitgehend mit dem Delisting von Amts wegen nach § 39 Abs. 1 BörsG vergleichbar ist, vgl. Sec. 12(d) Satz 2 SEA.

154

6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

Aufhebung der größenabhängigen Registrierung nach Sec. 12(g) SEA auf der anderen Seite.30 Im Folgenden wird in Übereinstimmung mit der US-amerikanischen Praxis der Begriff des Delistings für die Beendigung der Börsennotierung und der listing-bedingten Börsenregistrierung nach Sec. 12(b) SEA verwendet.31 Das Delisting alleine befreit den Emittenten nicht von den umfassenden Registrierungsfolgepflichten. Dies liegt daran, dass nach einem Delisting die nach Sec. 12 (g)(2)(A) SEA gegenüber der Registrierung nach Sec. 12(b) SEA subsidiäre Registrierung nach Sec. 12(g) SEA greift. Die Registrierungsfolgepflichten knüpfen grundsätzlich an die Registrierung nach Sec. 12 SEA an, sodass diese auch bei der Registrierung nach Sec. 12(g) SEA gelten und nicht bereits mit dem Delisting, sondern erst mit der vollständigen Deregistrierung bei der SEC entfallen. Durch das Delisting wird somit nur die Börsenregistrierung beendet, die Folgepflichten32 bleiben hingegen weitgehend bestehen. Begrifflich wird in den USA daher unterschieden zwischen dem „Delisting“ als (bloßem) Rückzug von der Börse und Beendigung der listing-bedingten Registrierung sowie dem „Going Dark“ als (zusätzlicher) vollständiger Deregistrierung bei der SEC.33 Erst nach Durchlaufen des „Going Dark“-Prozesses unterliegt das Unternehmen keinen Berichtspflichten mehr. 1. Beendigung des Listings und der listing-bedingten Registrierung nach Sec. 12(b) SEA („Delisting“) Das Delisting wird in den USA auf der Ebene des Kapitalmarktrechts durch die Vorschriften des SEA und der SEC Rules geregelt. Das Delisting erfolgt nicht durch die Börsen selbst, sondern durch die SEC. Der Emittent muss die Beendigung der Notierung sowie die Beendigung der listing-bedingten Börsenregistrierung bei der SEC beantragen. Für ein Delisting sind drei Rechtsquellen maßgeblich: der bundesgesetzliche Securities Exchange Act 1934 (SEA), die hierzu erlassenen Ausführungsbestim-

30

Zu der Unterscheidung siehe auch Leuz/Triantis/Wang, 45 J. Account. Econ. 181, 183 f. (2008). 31 Siehe etwa Rosenberry, 45 Va. L. Rev. 897, 899 ff. (1959); Loss/Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6B 3. a., S. 690 ff. 32 Insbesondere die Berichtspflichten nach Sec. 13(a) und Sec. 15(d) SEA und die Pflichten nach dem SOX bleiben bestehen. 33 Fried, 76 U. Chi. L. Rev. 135, 138 ff. (2009); Marosi/Massoud, 42 JFQA 421, 423 f. (2007); zu den Begrifflichkeiten siehe aus der deutschsprachigen Literatur auch Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 435 f.; Heine, Anleger- und Minderheitenschutz beim Börsenaustritt und voluntary delisting, 2003, S. 274 f., 278; Keinath, Taking-Private-Optionen für Private-Equity-Investoren, 2010, S. 10.

A. USA

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mungen der SEC (SEC-Rules34) sowie die Bestimmungen der jeweiligen Börsenordnung35 (an der NYSE etwa das „Listed Company Manual“36). Die Gesellschaftsrechte der Einzelstaaten enthalten keine speziellen Vorschriften über den Aktionärsschutz bei Delisting oder Deregistrierung.37 a) Securities Exchange Act 1934 (SEA) Ein Delisting auf Antrag des Emittenten ist im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht nach Sec. 12(b) SEA seit 1934 vorgesehen. Der maßgebliche Sec. 12(d) Satz 2 SEA lautet: „A security registered with a national securities exchange may be withdrawn or stricken from listing and registration in accordance with the rules of the exchange and, upon such terms as the Commission may deem necessary to impose for the protection of investors, upon application by the issuer or the exchange to the Commission; whereupon the issuer shall be relieved from further compliance with the provisions of this section and section 13 of this title and any rules or regulations under such sections as to the securities so withdrawn or stricken.“

Nach Sec. 12(d) Satz 2 SEA kann sich eine Gesellschaft freiwillig von der Börse zurückziehen, wenn die Bestimmungen der jeweiligen Börsenordnung dies erlauben und die SEC einem Antrag des Emittenten stattgegeben hat. Ein Delistingverfahren ist hiernach zweistufig: Die jeweilige Börsenordnung macht Vorgaben für ein Delisting [b)]. Nur wenn diese Vorgaben eingehalten worden sind, hat ein bei der SEC zu stellender Delisting-Antrag Aussicht auf Erfolg [c)]. b) Delisting-Bestimmungen der Börsenordnungen (Stock Exchange Rules) Die Börsenordnungen sehen entsprechend Sec. 12(d) SEA und SEC Rule 12d2-2 (c)(2)(i) der Ausführungsbestimmungen der Börsenaufsicht SEC (SEC-Rules) jeweils ein Delistingverfahren vor. Im Folgenden sollen die Delisting-Bestimmungen der NYSE und der NASDAQ dargestellt werden.

34 Einschlägig sind die Regelungen in 17 CFR 240.12d2-2; im Folgenden werden die SEC Rules ohne die Referenz auf 17 CFR 240 wiedergegeben. 35 Die Börsenordnungen sind nach deutschem Verständnis kein positives Recht, da sie von der Börse als einer privaten Institution aufgestellt und durchgesetzt werden, hierzu; Merkt, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2013, Rn. 279; siehe auch Seligman, 59 Bus. Law. 1347, 1347 ff. (2003 – 2004). 36 Abrufbar unter http://nysemanual.nyse.com/LCM/Sections/ (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 37 Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 437.

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

aa) New York Stock Exchange (NYSE) Die aktuelle Regelung in dem Listed Company Manual NYSE stellt für ein Delisting geringe Anforderungen auf. Der maßgebliche § 806.02 des Listed Company Manual NYSE38 lautet: „An issuer may delist a security from the Exchange after its board approves the action and the issuer (i) furnishes the Exchange with a copy of the Board resolution authorizing such delisting certified by the secretary of the issuer and (ii) complies with all of the requirements of Rule 12d2-2(c) under the Securities Exchange Act of 1934. […]“.

Für ein Delisting von der NYSE genügt nach § 806.02 des Listed Company Manual NYSE (i) der Nachweis einer zertifizierten Kopie eines Vorstandsbeschlusses des Emittenten über das Delisting und (ii) die Einhaltung der Vorgaben der SEC Rule 12d2-2. Mit dem Erfordernis eines Vorstandsbeschlusses stellt die Börsenordnung der NYSE sehr geringe Anforderungen auf. Dies war nicht immer so. Die heutige Regelung in § 806.02 des Listed Company Manual stellt das Ergebnis einer Reihe von Liberalisierungen und Vereinfachungen der Delisting-Voraussetzungen an der NYSE dar. Ursprünglich sah Rule 500 vor, dass ein Delisting auf Antrag des Emittenten nur dann verlangt werden darf, wenn im Rahmen einer Hauptversammlung ein wesentlicher Prozentsatz der Aktionäre dem Delisting zugestimmt und ein substantieller Teil nicht widersprochen hat.39 Dies wurde von der NYSE dahingehend konkretisiert, dass für die Zustimmung eines wesentlichen Prozentsatzes der Aktionäre eine Zustimmung von zwei Dritteln (66 %) aller Aktionäre erforderlich war (supermajority shareholder approval). Gleichzeitig durften nicht mehr als zehn Prozent der Aktionäre dem Delisting widersprechen. Die Wartefrist vor Wirksamwerden des Delistings betrug mindestens 45, höchstens jedoch 60 Kalendertage.40 Begründet wurde diese Regelung vor allem damit, dass die Aktionäre vor einem Verlust der Verkehrsfähigkeit ihrer Aktien geschützt werden müssten.41 Die aus den 1930er Jahren stammende Regelung zielte auf den Anlegerschutz, da ein Delisting

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Abrufbar unter http://nysemanual.nyse.com/LCM/Sections/ (zuletzt abgerufen am 16. 9. 2015). 39 Siehe etwa Rosenberry, 45 Va. L. Rev. 897, 902 (1959). 40 Siehe SEC Release No. 34-39394; File No. SR-NYSE-97-31 vom 3. 12. 1997, abrufbar unter https://www.sec.gov/rules/sro/9731not.htm (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016); überblickshaft Heine, Anleger- und Minderheitenschutz beim Börsenaustritt und voluntary delisting, 2003, S. 281 f.; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 748. 41 Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 437; Ketchum/Weimer, 19 J. Corp. L. 559, 574 (1993 – 1994).

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von der NYSE damals dazu führte, dass für das Wertpapier kein öffentlicher Markt mehr existierte.42 Die Regelung wurde jahrzehntelang als zu restriktiv kritisiert.43 Die NYSE wolle so einen Wechsel der Wertpapiere an eine andere Börse unterbinden.44 Aus der Wissenschaft wurde die Regel als eine Kakerlaken-Motel-Regel („Roach Motel Rule“) bezeichnet – Gesellschaften könnten zwar „einchecken“, die NYSE aber nicht wieder verlassen.45 Die anhaltende und umfassende Kritik führte im Jahr 1999 dazu, dass die NYSE Rule 500 änderte.46 Für ein Delisting waren nunmehr lediglich ein Beschluss des board of directors47 und die Zustimmung des durch unabhängige Direktoren besetzten48 Audit Committee49 erforderlich. Durch dieses doppelte Zustimmungserfordernis sollte nach Ansicht der NYSE der Verlust der Mitentscheidungsbefugnisse der Aktionäre aufgefangen werden.50 Zudem musste der Emittent die 35 größten Anteilseigner über das bevorstehende Delisting informieren und eine Presseerklärung veröffentlichen. Die Wartefrist bis zum Wirksamwerden des Delistings betrug mindestens 20, höchstens jedoch 60 Geschäftstage.51

42 Siehe SEC Release No. 34-39394; File No. SR-NYSE-97-31 vom 3. 12. 1997, abrufbar unter https://www.sec.gov/rules/sro/9731not.htm (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 43 Siehe nur Harris, NASDAQ International Magazine 44 (September/October 2003), 54, 54 f.; Ketchum/Weimer, 19 J. Corp. L. 559, 574 f. (1993 – 1994). 44 Ketchum/Weimer, 19 J. Corp. L. 559, 575 (1993 – 1994) („unfair barrier to competition“); SEC Release Release No. 34-48720; File No. SR-NYSE-2003-23 vom 5. 11. 2003, abrufbar unter https://www.sec.gov/rules/sro/nyse/34-48720.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). Dieses Argument ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass beim Delisting nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht nicht danach differenziert wird, ob ein Listing an einer anderen Börse bestehen bleibt. 45 Harris, NASDAQ International Magazine 44 (September/October 2003), 54, 55. 46 Siehe hierzu SEC Release No. 34-40688; File No. SR-NYSE-97-31 vom 18. 11. 1998, abrufbar unter https://www.sec.gov/rules/sro/ny9731n.htm (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 47 Das board of directors ist das Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft, vgl. Hay, USAmerikanisches Recht, 5. Aufl., 2011, Rn. 585; Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, 2. Aufl., 2004, S. 254; siehe umfassend Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2013, Rn. 617 f., 620 ff. 48 Hierzu auch SEC Release No. 34-39394; File No. SR-NYSE-97-31 vom 3. 12. 1997, abrufbar unter https://www.sec.gov/rules/sro/9731not.htm (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 49 Zu den Funktionen und Aufgaben eines Audit Committee siehe Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2013, Rn. 645 ff. 50 Siehe SEC Release No. 34-39394; File No. SR-NYSE-97-31 vom 3. 12. 1997, abrufbar unter https://www.sec.gov/rules/sro/9731not.htm (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 51 Siehe SEC Release No. 34-40688; File No. SR-NYSE-97-31 vom 18. 11. 1998, abrufbar unter https://www.sec.gov/rules/sro/ny9731n.htm (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016).

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

Nach weiter anhaltender Kritik wurde Rule 500 zum 30. 10. 2003 ganz abgeschafft52, sodass sich die Anforderungen nunmehr alleine aus § 806.02 des Listed Company Manual ergeben. bb) NASDAQ Nach Rule 5840(j) der NASDAQ Listing Rules53 muss der Emittent für ein Delisting seiner Aktien von der NASDAQ keine über die in SEC Rule 12d2-2(c) hinausgehenden Vorgaben erfüllen.54 c) Ausführungsbestimmungen der SEC (SEC Rules) Für ein Delisting auf Antrag des Emittenten spezifiziert SEC Rule 12d2-2(c) die näheren Voraussetzungen und das Verfahren. Für ein Delisting ist ein Antrag bei der SEC unter Verwendung des Formblattes Form 25 erforderlich. Für das Delisting ist ein reines Notifizierungsverfahren vorgesehen, d. h. dass der Delisting-Antrag nach Ablauf einer vorgesehenen Zeitspanne wirksam wird, vgl. SEC Rule 12d2-2(d) (1) – (3). Für ein Delisting müssen nach SEC Rule 12d2-2(c)(2) folgende Voraussetzungen erfüllt sein: (1) Der Emittent muss die Delisting-Regelungen der jeweiligen Börsenordnung und ggf. einschlägige Vorschriften des Gründungsstaates erfüllen. (2) Der Emittent muss die jeweilige Börse mindestens 10 Tage bevor er Form 25 bei der SEC einreicht über seine Delisting-Absicht schriftlich informieren. Hierbei muss er neben der näheren Beschreibung des Wertpapiers, für das ein Delisting geplant ist55, alle erheblichen Gründe für das Delisting („all material facts relating to the reasons for withdrawal from listing and/or registration“) angeben. (3) Gleichzeitig mit der Mitteilung an die Börse nach (ii) muss der Emittent eine Pressemitteilung über seine Delisting-Absicht (auch auf seiner Website) unter Verwendung von Form 8K („Current Report“) veröffentlichen. Auch in dieser Mitteilung hat der Emittent die Gründe für das Delisting anzugeben.

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SEC Release Release No. 34-48720; File No. SR-NYSE-2003-23 vom 5. 11. 2003, abrufbar unter https://www.sec.gov/rules/sro/nyse/34-48720.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 53 NASDAQ Listing Rules abrufbar unter http://nasdaq.cchwallstreet.com/ (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 54 Im Wesentlichen widerholt Rule 5840(j) der NASDAQ Listing Rules den Wortlaut von SEC Rule 12d2-2(c). 55 Dieses Erfordernis geht auf den weiten „securities“-Begriff im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht zurück, der neben Aktien (auf die diese Untersuchung abstellt) weitere Wertpapiere erfasst.

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Nach einer Vereinfachung der SEC Rule 12d2-2 im Jahr 200556 besteht für Anleger und die Öffentlichkeit keine Möglichkeit mehr, sich bezüglich der DelistingEntscheidung der SEC mit Einwendungen oder Kommentaren an die SEC zu wenden.57 Nach Ansicht der SEC stellen die verschärften Informationsregelungen in SEC Rule 12d2-2(c) eine ausreichende Information der Anleger und der Öffentlichkeit sicher.58 Sec. 12(d) Satz 2 SEA gibt der SEC die Befugnis, bei einem Delisting zum Schutz der Anleger bestimmte Auflagen zu machen („[…] upon such terms as the Commission may deem necessary to impose for the protection of investors […]“).59 Das Delisting im Sinne der Notierungseinstellung erfolgt 10 Tage, nachdem Form 25 bei der SEC eingereicht wurde, SEC Rule 12d2-2(d)(1). Der Widerruf der listingbedingten Registrierung nach Sec. 12(b) SEA wird 90 Tage oder zu einem kürzeren, von der SEC bestimmten Zeitpunkt nach Einreichung von Form 25 wirksam, SEC Rule 12d2-2(d)(2). 2. Beendigung der Registrierung (Deregistrierung)60 Für nur im Freiverkehr gehandelte Wertpapiere greift (bei Vorliegen der Voraussetzungen) von vornherein nur die Registrierung nach Sec. 12(g) SEA.61 Aber auch infolge eines Delistings lebt die nach Sec. 12(g)(2)(A) SEA grundsätzlich subsidiäre Registrierung nach Sec. 12(g) SEA wieder auf, an die nun die Registrierungsfolgepflichten anknüpfen.62 Die Registrierungspflicht nach Sec. 12(g) SEA greift 120 Tage nach dem Ende des Geschäftsjahres ein, in dem das Gesellschaftsvermögen des Emittenten mehr als 56 SEC Release No. 34-52029; File No. S7-25-04 vom 22. 7. 2005, Fed. Reg. Vol. 70, No. 140, S. 42456, abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/final/34-52029fr.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016): „[…] to streamline the procedures for delisting a security […]“. 57 Eine solche Möglichkeit sah die Vorgängerregelung der Rule 12g2-2 in Rule 12g2-2(d) vor. Allerdings wurde hiervon nicht oft Gebrauch gemacht. In der ersten Hälfte des Jahres 2005 haben 16 Emittenten ein Delisting beantragt, die SEC hat aber nur zu zwei Vorhaben Stellungnahmen erhalten. Ein ähnliches Bild gilt für die vorhergehenden Jahre. Hierzu siehe SEC Release No. 34-52029; File No. S7-25-04 vom 22. 7. 2005, Fed. Reg. Vol. 70, No. 140, S. 42457 Fn. 11 und 12, abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/final/34-52029fr.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 58 SEC Release No. 34-52029; File No. S7-25-04 vom 22. 7. 2005, Fed. Reg. Vol. 70, No. 140, S. 42460, abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/final/34-52029fr.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 59 Hierzu siehe später Kapitel 6 A. III. 1. 60 Speziell zu den Gründen für eine umfassende Deregistrierung („Going Dark“) siehe die betriebswirtschaftliche Untersuchung von Leuz/Triantis/Wang, 45 J. Account. Econ. 181, 181 ff. (2008). 61 Bayer/Hoffmann, AG 2013, R 371, R 373. 62 Siehe Kapitel 6 A. I. 3.

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

10 Mio. USD betragen hat und die Gesellschaft entweder (i) 2.000 Anleger63 oder (ii) 500 Anleger, die nicht „accredited investors“ sind, hat.64 Damit knüpft die Registrierung nach Sec. 12(g) SEA an dem Maß des Streubesitzes „Größe“ der Gesellschaft und damit an die Kapitalmarktrelevanz an: je mehr Aktionäre eine Gesellschaft hat, desto höher sind die Anforderungen an den Anlegerschutz. Entsprechend knüpft auch die Beendigung der Registrierung nach Sec. 12(g) SEA (Deregistrierung bzw. „termination of registration“) an das Maß des Streubesitzes der Gesellschaft an. Hierzu sieht Sec. 12(g)(4) SEA vor, dass eine Deregistrierung auf Antrag der Gesellschaft möglich ist, sobald die Anzahl der eingetragenen Aktionäre („holders of record“65) unter die Schwelle von 300 gesunken ist. Zudem ermöglicht SEC Rule 12g-4(a) eine Deregistrierung bereits dann, wenn die Anzahl der eingetragenen Aktionäre unter die Schwelle von 500 gesunken ist, sofern das Gesellschaftsvermögen des Emittenten am jeweils letzten Tag der letzten drei Geschäftsjahre nicht mehr als 10 Mio. USD betragen hat. Für den Antrag stellt die SEC Form 15 zur Verfügung. Nach Sec. 12(g)(4) SEA und SEC Rule 12g-4(a) wird eine solche Deregistrierung 90 Tage (oder nach einer im Ermessen der SEC liegenden kürzeren Frist) nach Einreichung von Form 15 wirksam. Der Antrag nach Sec. 12(g)(4) SEA kann jederzeit auch während eines laufenden Geschäftsjahres gestellt werden, sodass es für die Anzahl der Anleger, anders als bei der Entstehung der Registrierungspflicht, nicht auf die Anzahl am Ende eines Geschäftsjahres ankommt. Es wird darauf hingewiesen, dass es einer Deregistrierung dem Wortlaut der Regelungen nach nicht entgegensteht, wenn die Anzahl der Anleger nach Antragstellung wieder über die Schwelle von 300 steigt.66 Jedenfalls greift die Registrierungspflicht aber wieder ein, sollte die Anzahl der Anleger zum Ende des Geschäftsjahres (bei einem Gesellschaftsvermögen über 10 Mio. USD) die Schwelle von 500 wieder überschreiten. Auch nach erfolgreicher Beendigung der Registrierung bei der SEC muss der Emittent zumindest für die Zeit der Registrierung seinen Registrierungsfolgepflichten nachkommen.67 Denkbar ist auch, dass im Falle einer Deregistrierung nach Sec. 12 SEA die eigentlich subsidiäre Berichtspflicht nach Sec. 15(d) SEA zumindest für eine kurze Zeit weiterbesteht.68 Dies liegt an den unterschiedlichen An63 Sec. 12(g)(1)(A) SEA erfasst allgemeiner sogar alle registrierten („of record“) Personen, die eine „class of equity security“ halten. 64 Siehe Sec. 12(g)(1)(A) SEA. Besondere Bestimmungen für Banken enthält Sec. 12 (g)(1)(B) SEA. 65 Eine Definition findet sich in SEC Rule 12g-5-1; Fried, 76 U. Chi. L. Rev. 135, 139 f. (2009) weist darauf hin, dass „holder of record“ nur die tatsächlichen, nicht aber die „beneficial owner“ des Wertpapiers erfasst. So könne trotz einer hohen Anzahl von „beneficial shareholders“ die Schwelle von 300 „holders of record“ unterschritten werden. 66 Loss/Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6B 3. c., S. 694 f. 67 Siehe dies., Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6B 3. c., S. 695. 68 Dies., Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6B 3. c., S. 695.

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knüpfungspunkten: Während Sec. 12(g)(4) SEA ein Absinken unter die maßgebliche Schwelle auch während eines Geschäftsjahres erlaubt, endet die Berichtspflicht nach Sec. 15(d) SEA erst, sofern die Anzahl der Anleger am Beginn des Geschäftsjahres weniger als 300 beträgt.69 Eine vollständige Deregistrierung verschließt Unternehmen nicht den Zugang zum Kapitalmarkt. Ihre Aktien können weiterhin im „Pink Sheets“ Markt (auch „OTC Pink“) gehandelt werden. Um am Handel auf diesem auf privatwirtschaftlicher Ebene von der OTC Markets Group (bis 2010 Pink Sheets LLC) betriebenen overthe-counter (OTC) Markt teilzunehmen, ist keine Registrierung bei der SEC erforderlich.70 Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Gesellschaft, will sie sich gänzlich von den Registrierungsfolgepflichten befreien, neben dem Antrag auf Delisting typischerweise eine Verringerung der Zahl ihrer Anleger erreichen muss.

III. Anlegerschutz 1. Delisting Die Börsenordnungen der NYSE und der NASDAQ vermitteln im Falle eines Delistings keinen besonderen Anlegerschutz. Erforderlich ist lediglich die Einhaltung der maßgeblichen SEC Rule 12d2-2(c) und im Fall der NYSE eine zertifizierte Kopie eines Vorstandsbeschlusses. Die SEC kann Emittenten für ein Delisting aber über die SEC Rules hinausgehende Auflagen auferlegen.71 So gibt Sec. 12(d) Satz 2 SEA der SEC die Befugnis, bei einem Delisting zum Schutz der Anleger bestimmte Auflagen zu machen („[…] upon such terms as the Commission may deem necessary to impose for the protection of investors […]“). SEC Rule 12d2-2(d)(3) gibt der SEC die Möglichkeit, die Wirksamkeit des Delistings nach SEC Rule 12d2-2(d)(1) (hinsichtlich der Börsennotierung 10 Tage nach Einreichung des Antrags) und (2) (hinsichtlich der listing-bedingten Registrierung 90 Tage nach Einreichung des Antrags) zur Klärung der

69 Der maßgebliche Satz des Sec. 15(d)(1) SEA lautet: „The duty to file under this subsection shall also be automatically suspended as to any fiscal year, […] if, at the beginning of such fiscal year, the securities […] to which the registration statement relates are held by less than 300 persons […].“ 70 Überblickshaft und teilweise veraltet Marosi/Massoud, 42 JFQA 421, 424 Fn. 6 (2007). 71 Siehe etwa im Fall der Shawmut Association, 15 SEC 1028: Zustimmung der Mehrheit der Gesellschafter („majority of holders“) nach Köpfen sowie der Mehrheit der Gesellschaftsanteile („majority of shares“).

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

Frage, welche Auflagen zum Schutz der Anleger gemacht werden sollten, hinauszuschieben.72 Die SEC hat einen weiten Ermessensspielraum bei der Frage, welche Auflagen („terms“) sie nach Sec. 12(d) Satz 2 SEA zur Verwirklichung des Anlegerschutzes73 im Falle eines Delisting erlässt. In dem Verfahren Shawmut Association v. Securities Exchange Commission stellte das Gericht fest, dass die Befugnis der SEC, Auflagen („terms“) zu erlassen, vor dem Hintergrund des in Sec. 12(d) Satz 2 SEA in Bezug genommenen Anlegerschutzes weit zu verstehen sei.74 In jüngster Zeit hat die SEC den Emittenten auf dieser Grundlage aber keine Auflagen zum Anlegerschutz auferlegt.75 Beispielhaft sollen zwei Fälle untersucht werden, in denen sich Anleger (unter der Vorgängerregelung zu SEC Rule 12d2-276) mit Stellungnahmen an die SEC gewandt hatten.77 Nachdem die Camel Container Systems Ltd., eine israelische Aktiengesellschaft, ein Delisting ihrer Aktien von der American Stock Exchange (AMEX)78 beantragt hatte, wandten sich Anleger an die SEC und wiesen unter anderem darauf hin, dass die Delisting-Vorschriften nicht eingehalten worden seien, da unter anderem der Delisting-Beschluss nach israelischem Recht unrechtmäßig gefasst worden sei.79 Im Fall der Ohio Art Company, die ebenfalls ein Delisting ihrer Aktien von der AMEX beantragte, wiesen Anleger auf Unstimmigkeiten bei den von der

72 Siehe zur Verzögerung der Wirksamkeit des Delisting auch die Auflage der SEC in dem Fall Dominion Stores Ltd., 4 SEC 700 (1939): „[…] the question of whether conditions for the protection of investors should be imposed by the Commission on the withdrawal of the security from listing. It is our conclusion that the only appropriate condition to impose is to postpone the effective date of withdrawal for 30 days from the date of the issue of these findings so that ample notice of the effective date of the impending delisting may be given.“ 73 Die Durchsetzung des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes ist in erster Linie der SEC anvertraut, vgl. Hopt, ZHR 140 (1976), 201, 206. 74 Shawmut Association v. Securities and Exchange Commission, 146 F.2d 791, 795 (1st Cir. 1945). 75 SEC Release No. 34-52029; File No. S7-25-04 vom 22. 7. 2005, Fed. Reg. Vol. 70, No. 140, S. 42457 Fn. 12, abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/final/34-52029fr.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016): „The Commission […] has not, in recent years, imposed any conditions on the delisting or withdrawal from registration.“. 76 Hiernach konnten sich Anleger mit Einwendungen oder Kommentaren an die SEC wenden. 77 Hier wird auf zwei Fälle aus den Jahren 2004 und 2005 zurückgegriffen, da die Möglichkeit zur Stellungnahme durch die Neufassung der Rule 12d2-2 weggefallen ist; siehe Khort, Protection of investors in voluntary delisting on the U.S. stock market, 2014, S. 9 f. 78 Heute fortgeführt als eigene Segmente der NYSE, https://www.nyse.com/american-stockexchange (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 79 Siehe nur http://www.sec.gov/rules/delist/109274/109274-7.pdf; für sämtliche Stellungnahmen siehe http://www.sec.gov/rules/delist/109274.shtml (beides zuletzt geprüft am 15. 1. 2016).

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Gesellschaft angegebenen Aktionärszahlen hin80 und befürchteten durch das Delisting unter anderem einen weiteren Wertverfall ihres Investments.81 In beiden Fällen hat die SEC keine weiteren Auflagen für das Delisting gemacht. Die SEC sah den Anlegerschutz als gewahrt an. Sie ging davon aus, dass die Anleger vor dem Wirksamwerden des Delistings genügend Zeit hatten, ihre Aktien an der Börse zu veräußern. Ein Emittent könne allein aus Anlegerschutzgründen nicht gezwungen werden, an der Börse gelistet zu bleiben.82 Der eigentliche Grund für die auffällige Zurückhaltung der SEC bei der Anordnung von Auflagen für ein Delisting dürfte jedoch darin liegen, dass durch das Delisting lediglich die Börsennotierung und die listing-bedingte Registrierung nach Sec. 12(b) SEA wegfällt, die Registrierung nach Sec. 12(g) SEA aber weiterhin bestehen bleibt83 – und der Emittent damit auch weiterhin den Registrierungsfolgepflichten unterliegt. Damit ist dem Grundgedanken des US-amerikanischen Anlegerschutzes im Kapitalmarktrecht, der vor allem durch weitgehende Information der Anleger verwirklicht wird84, hinreichend Rechnung getragen. Aus demselben Grund lassen sich auch frühere, vor Einführung der Registrierung nach Sec. 12(g) SEA85 ergangene Delisting-Auflagen der SEC nicht mehr heranziehen.

80 Dies ist relevant für die fortdauernde Registrierungspflicht nach Sec. 12(g) SEA. Für eine beispielhafte Stellungnahme hierzu siehe http://www.sec.gov/rules/delist/107162/107162-8.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 81 Siehe beispielhaft nur die Stellungnahme eines Privatanlegers mit einer beträchtlichen Anzahl von Aktien unter http://www.sec.gov/rules/delist/107162/107162-2.pdf (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 82 Siehe SEC Order Granting the Application of The Ohio Art Company to Withdraw its Common Stock, $1.00 Par Value, from Listing and Registration on the American Stock Exchange LLC; File No. 1-07162 vom 23. 8. 2004, abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/de list/1-07162-o.htm (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 83 Ohne auf diesen Zusammenhang explizit einzugehen, stellt die SEC fest: „The Issuer’s application relates solely to the withdrawal of the Security from listing and registration under Section 12(b) of the Act and shall not affect its obligation to be registered under Section 12(g) of the Act.“ Diese Aussage findet sich nahezu wortgleich in beiden Delisting-Orders: Siehe SEC Order Granting the Application of Carmel Container Systems Ltd. to Withdraw its Ordinary Shares, NIS 1.0 par value per share, from Listing and Registration on the American Stock Exchange LLC; File No. 1-09274 vom 6. 4. 2005, abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/de list/1-09274-o.htm (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016); SEC Order Granting the Application of The Ohio Art Company to Withdraw its Common Stock, $1.00 Par Value, from Listing and Registration on the American Stock Exchange LLC; File No. 1-07162 vom 23. 8. 2004, abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/delist/1-07162-o.htm (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 84 Siehe bereits oben Kapitel 6 A. I. 1. 85 Die Registrierung nach Sec. 12(g) SEA wurde 1964 eingeführt, Pub. L. No. 88-467, 78 Stat., 565, 566 (1964).

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

In früheren Delisting-Fällen hatte die SEC das Delisting von der Zustimmung der Aktionäre abhängig gemacht.86 Im Fall der Shawmut Association87 befand die SEC, dass ein Delisting88 den Anlegern wesentliche Vorteile entziehen würde, ohne dass sie hierfür einen Ausgleich erhielten.89 Daher sei aus Anlegerschutzgründen nicht nur eine Zustimmung der Mehrheit der Gesellschaftsanteile („majority of shares“), sondern auch eine Zustimmung der Mehrheit der Gesellschafter nach Köpfen („majority of holders“) erforderlich (qualifizierte Aktionärszustimmung).90 Die SEC ging sogar darüber hinweg, dass es sich bei dem Emittenten um einen in Massachusetts errichteten Trust handelte und Anleger nach dem maßgeblichen Gesellschaftsrecht in Massachusetts keinerlei Mitspracherechte („shareholder vote“) hatten.91 Im Fall der Torrington Company92 forderte die SEC neben der qualifizierten Aktionärszustimmung, dass sich für die Wirksamkeit der Zustimmung mindestens 50 % der Aktionäre an der Entscheidung beteiligt haben mussten. Noch weitergehend forderte die SEC im Fall der Suburban Electric Securities Company93 wegen der besonderen Anlegerstruktur eine Zustimmung von zwei Dritteln der Gesellschaftsanteile und von zwei Dritteln der Gesellschafter.94 Vor dem Hintergrund dieser Auflagen hat letztlich keiner der drei Emittenten das Delisting vollzogen.95 Diese Auflagen erließ die SEC vor der Einführung der Registrierung nach Sec. 12 (g) SEA, nach der nach einem Delisting und der Beendigung der listing-bedingten Registrierung nach Sec. 12(b) SEA die Registrierungsfolgepflichten, insbesondere 86 Shawmut Association, 15 SEC 1028 (1944); Torrington Company, 19 SEC 39 (1945); Suburban Electric Securities Company, 25 SEC 5 (1946); siehe hierzu Heine, Anleger- und Minderheitenschutz beim Börsenaustritt und voluntary delisting, 2003, S. 286 ff. und Loss/ Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6B 3.a., S. 691 f. 87 Shawmut Association, 15 SEC 1028 (1944); die Zulässigkeit der Auflagen wurde gerichtlich bestätigt, siehe Shawmut Association v. Securities and Exchange Commission, 146 F.2d 791 (1st Cir. 1945). 88 Wegen des Fehlens der Registrierung nach Sec. 12(g) SEA bedeutete damals ein Delisting zugleich auch eine Deregistrierung; zu diesem entscheidenden Punkt siehe sogleich. 89 „[…] the proposed withdrawal of the […] shares from listing and registration would deprive the shareholders of substantial advantages without giving them […] compensatory benefits.“, Shawmut Association, 15 SEC 1028 (1944). 90 Shawmut Association, 15 SEC 1028 (1944). 91 Shawmut Association v. Securities and Exchange Commission, 146 F.2d 791, 791 f., 795 (1st Cir. 1945): Das Urteil verweist auf den Vorrang des bundesstaatlichen Rechts gegenüber dem einzelstaatlichen Recht, Art. IV der United States Constitution, und bestätigt, dass die Anordnungen des SEC den Status bundesstaatlichen Rechts haben. Hierzu auch Loss/Seligman/ Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6B 3. a., S. 692. 92 Torrington Company, 19 SEC 39 (1945). 93 Suburban Electric Securities Company, 23 SEC 5 (1946). 94 Zu den verschärften Mehrheitserfordernissen siehe insbesondere Suburban Electric Securities Company, 23 SEC 5 (1946), Fn. 12. 95 Loss/Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6B 3. a., S. 692.

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die regelmäßige Veröffentlichung von Unternehmensdaten, weiterhin erfüllt werden müssen. In den in Bezug genommenen Fällen ging es der SEC vorwiegend darum, die infolge der (aufgrund des Fehlens der Registrierung nach Sec. 12(g) SEA damals aus einem Delisting folgenden) vollständigen Deregistrierung eintretenden Informationsdefizite der Aktionäre dadurch zu kompensieren, dass die Aktionäre über die Frage des Delistings selbst entscheiden sollten. Dies wird besonders deutlich im Fall der Shawmut Association, in dem die SEC explizit auf die nach einer Deregistrierung nicht mehr greifenden gesetzlichen Veröffentlichungspflichten als Nachteile der Deregistrierung eingeht.96 Dieses Schutzbedürfnis der Anleger besteht nach der Einführung der Registrierungspflicht nach Sec. 12(g) SEA nicht mehr.97 Im Ergebnis ist daher nicht damit zu rechnen, dass die SEC den Emittenten für ein Delisting im Hinblick auf einen Anlegerschutz in Zukunft entsprechende verschärfende Auflagen macht, sofern die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.98 Vielmehr scheint sich die SEC auf den von ihr recht früh formulierten Grundsatz „delisting might have an adverse effect on present investors. But these consequences are inherent in any delisting […]“99 zu besinnen.

96 Shawmut Association, 15 SEC 1028 (1944): „[…] the shareholders […] give up their statutory right to full disclosure of financial and other information concerning the [company], which information must be made available periodically as long as the shares remain listed and registered, but […] would not be required by any law if the shares were withdrawn from listing and registration.“ 97 Siehe oben; siehe auch Ketchum/Weimer, 19 J. Corp. L. 559, 575 (1993 – 1994); Loss/ Seligman/Paredes, Fundamentals of Security Regulation, 6. Aufl., 2011, Ch. 6B 3. a., S. 692. 98 Insbesondere verliert damit die Regelung in SEC Rule 12d2-2(d)(3), nach der die SEC die Wirksamkeit des Delisting hinauszögern kann, um zu klären, ob die Vorschriften der jeweiligen Börsenordnung eingehalten wurden und welche Auflagen zum Schutz der Anleger gemacht werden sollten, (zumindest hinsichtlich der Verzögerung wegen etwaiger Auflagen) an Wirkung. 99 SEC Release No. 706, File No. 1-1932 vom 18. 3. 1939, 4 SEC 723, 726 (1939); in Bezug genommen auch in Atlas Tack Corporation v. New York Stock Exchange et al., 246 F.2d 311 (1957). Die Aussage der SEC betraf zwar ein „involuntary delisting“, vergleichbar mit einem Delisting „von Amts wegen“ auf Veranlassung der Börse. Dieser den US-amerikanischen Umgang mit dem Anlegerschutz bei Delisting treffend beschreibende Gedanke kann auch auf das freiwillige Delisting übertragen werden. Denn die zugrunde liegende Ermächtigung in Sec. 12(d) SEA betrifft sowohl das freiwillige wie auch das Delisting „von Amts wegen“ auf Veranlassung der Börse und stellt an beide identische Anforderungen. Insbesondere hat die SEC auch im Fall eines Delisting „von Amts wegen“ auf Veranlassung der Börse die Möglichkeit, Auflagen zum Anlegerschutz zu erlassen.

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

2. Deregistrierung Das Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten enthält (auch in Bezug auf einen Anlegerschutz) für das nach US-Recht allein die kapitalmarktrechtliche Ebene betreffende Delisting oder die Deregistrierung keine Vorgaben.100 Bedeutung erlangt der gesellschaftsrechtliche Anlegerschutz aber im Vorfeld der Deregistrierung (Aufhebung der Registrierung nach Sec.12(g) SEA). Hierfür ist erforderlich, dass die Zahl der Anleger zu einem bestimmten Zeitpunkt unter eine bestimmte Schwelle101 sinkt. Dies kann der Emittent durch eine Reihe von gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen erreichen.102 Diese Strukturmaßnahmen, durch die die Zahl der Anteilseigner unter die entsprechende Schwelle gedrückt werden soll, sind der Ansatzpunkt für einen gesellschaftsrechtlichen Anleger- bzw. Minderheitenschutz. Maßgeblich ist gemäß der bundesstaatlichen Kompetenzordnung das Gesellschaftsrecht des jeweiligen Bundesstaates. Wegen des dort äußerst liberalen Gesellschaftsrechts sind die meisten Kapitalgesellschaften nach dem Recht von Delaware organisiert.103 Der Umfang des im Einzelnen gewährten Anlegerschutzes hängt in Delaware sehr stark von der technischen Ausgestaltung der Strukturmaßnahme ab.104 Maßgeblich ist insbesondere, ob es sich um eine Fusion, Übernahme, Aktienzusammenlegung („reverse stock split“) oder aber ein öffentliches Übernahmeangebot („repurchase tender offer“) handelt.105 100 Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 437. 101 Nach Sec. 12(g)(4) SEA und SEC Rule 12g-4(a)(1) grundsätzlich unter 300 Anleger, nach SEC Rule 12g-4(a)(2) bei weiteren Voraussetzungen unter 500 Anleger. 102 Siehe hierzu beispielhaft Fried, 76 U. Chi. L. Rev. 135, 140 ff. (2009). 103 Siehe nur Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., 2013, S. 11, Rn. 18. 104 Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 437 f. 105 Hierzu auch Fried, 76 U. Chi. L. Rev. 135, 141 ff. (2009); Aronstam/Balotti/Rehbock, 58 Bus. Law. 519, 519 ff. (2003) untersuchen die Zulässigkeit von Strukturmaßnahmen einer Delaware Corporation im Vorfeld von Delisting und Deregistrierung. Den Anlegerschutz bei einem Erwerbsangebot an die Minderheitsaktionäre im Hinblick auf ein Delisting entscheidend geprägt haben die Entscheidung Eisenberg v. Chicago Milwaukee Corp., 537 A.2d 1051 (Del. Ch. 1987) sowie die Opinion in re Siliconix Inc., 2001 WL 716787, S. 16 (Del. Ch.); hierauf nimmt Bezug Hein, Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008, S. 438. Hiernach stellt allein die Ankündigung eines Delisting noch keinen unzulässigen Druck auf die Minderheitsaktionäre dar, ein vorgelegtes Übernahmeangebot anzunehmen, In re Siliconix Inc., 2001 WL 716787, S. 16 (Del. Ch.). Allerdings darf der Mehrheitsaktionär die Drohung mit einem Delisting nicht dazu einsetzen, die Minderheitsaktionäre zu nötigen, ein unzureichendes Übernahmeangebot anzunehmen, Eisenberg v. Chicago Milwaukee Corp., 537 A.2d 1051, 160 ff. (Del. Ch. 1987). Jedenfalls dann, wenn das Delisting erst zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, an dem die Aktien bereits nicht mehr öffentlich gehandelt werden, stellt das in Aussicht gestellte Delisting keinen unzulässigen Druck auf die Minderheitsaktionäre dar, In re Siliconix Inc., 2001 WL 716787, S. 16 (Del. Ch.).

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In Ergänzung zu dem durch die Bundesstaaten vorgegebenen Anlegerschutz durch Gesellschaftsrecht sieht SEC Rule 13e-3 auf bundesstaatlicher Ebene einen Anlegerschutz insbesondere durch Offenlegungs- und Informationspflichten vor, wenn ein Emittent eine Strukturmaßnahme beabsichtigt, um sich danach zu deregistrieren. SEC Rule 13e-3 greift bei jeder Maßnahme ein, durch die die Zahl der Anleger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unter die maßgeblichen Schwellenwerte für eine Deregistrierung sinkt, vgl. SEC Rule 13e-3(a)(3).106

IV. Ergebnis Der US-amerikanische Ansatz des Anlegerschutzes bei Delisting lässt sich am besten mit dem von der SEC formulierten Grundsatz beschreiben, dass Anleger „[…] erkennen müssen, dass die Börsenzulassung kein verbrieftes Recht darstellt, welches nicht beendet werden darf […].“107 Im US-amerikanischen Börsenrecht ist zwischen dem in Sec. 12(d) SEA geregelten Delisting als Aufhebung der Börsennotierung und der listing-bedingten Registrierung nach Sec. 12(b) SEA und der in Sec. 12(g)(4) SEA geregelten Deregistrierung als dem vollständigen Ausscheiden aus den Registrierungsfolgepflichten zu unterscheiden. Ein Delisting ist nach US-amerikanischem Börsenrecht einfach durchzuführen. Das Delisting richtet sich nach Sec. 12(d) SEA, SEC Rule 12d2-2 sowie den Börsenordnungen der jeweiligen Börse, bei der NYSE etwa nach § 806.02 des Listed Company Manual NYSE. Der Gesetzgeber sieht in Sec. 12(d) SEA keine besonderen Anlegerschutzmechanismen bei Delisting vor. Vielmehr legt er die weitere Ausgestaltung in die Hände der SEC sowie der jeweiligen Börse. Für ein Delisting von der NYSE sind nach § 806.02 des Listed Company Manual NYSE lediglich ein Delisting-Beschluss des board of directors sowie die Einhaltung der in SEC Rule 12d2-2(c) beschriebenen Verfahrensabläufe erforderlich, sofern die SEC keine weiteren Auflagen zum Schutz der Anleger macht. Keine der führenden US-amerikanischen Börsen verlangt in ihrer Börsenordnung weitergehende Anforderungen, etwa eine Zustimmung der Anleger oder ein Abfindungsangebot. Entsprechende Auflagen sind auch durch die SEC nicht zu erwarten. Mit der Frage eines Abfindungsangebots hat sich die SEC, soweit ersichtlich, bislang nicht befasst. Soweit die SEC in der Vergangenheit einzelne Delisting106

Zu SEC Rule 13e-3(a)(3) siehe Schwichtenberg, Going private und Freezeouts, 2003, S. 168 ff. 107 „[…] are bound to recognize that listing is not a vested right which may not be terminated […]“, SEC Release No. 34-5359, File No. 1-689, 1-816 vom 4. 9. 1956, 37 SEC 362, 365. Der Fall betraf zwar ein „involuntary delisting“, zu der Vergleichbarkeit mit einem freiwilligen Delisting wegen der identischen Ermächtigungsgrundlage siehe bereits Fußnote 99.

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

Vorhaben von Hauptversammlungsbeschlüssen abhängig gemacht hat, ist dies heute nicht mehr übertragbar. Denn heute greift nach einem Delisting die Registrierung nach Sec. 12(g) SEA, sodass der Emittent weiterhin den Registrierungsfolgepflichten unterliegt. Ein Delisting erfolgt durch ein Notifizierungsverfahren. Die Aufhebung der Börsennotierung wird zehn Tage nach Eingang des entsprechenden Formblatts bei der SEC wirksam, die Aufhebung der listing-bedingten Registrierung 90 Tage nach Eingang. Zur vollständigen Beseitigung der Registrierungsfolgepflichten ist eine vollständige Deregistrierung bei der SEC erforderlich. Die vollständige Beendigung der Berichtspflichten durch eine Deregistrierung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen durchführbar. Für die Aufhebung der Registrierung nach Sec.12(g) SEA ist erforderlich, dass die Zahl der Anleger unter eine bestimmte Schwelle (300 bzw. 500 Anleger) sinkt. Dies kann durch eine Reihe von gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen erreicht werden. Diese Strukturmaßnahmen, durch die die Zahl der Anteilseigner unter die maßgebliche Schwelle gedrückt werden sollen, sind der Ansatzpunkt für einen (einzelstaatlichen) gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutz. Da das Gesellschaftsrecht in der Kompetenz der Bundesstaaten liegt, unterscheiden sich die Vorgaben für Strukturmaßnahmen. Auf föderaler Ebene sind ggf. die Vorgaben der SEC Rule 13e-3 einzuhalten. Eine Deregistrierung wird 90 Tage nach Einreichung des entsprechenden Formblatts bei der SEC wirksam. Wird die maßgebliche Schwelle wieder überschritten, leben die Berichtspflichten wieder auf.

V. Vergleich Das US-amerikanische Börsenrecht schützt den Anleger bei Delisting wie das deutsche Recht alleine durch kapitalmarktrechtliche Regelungen. Gesellschaftsrechtliche Regelungen greifen lediglich auf einzelstaatlicher Ebene im Rahmen einer vollständigen Deregistrierung bei der SEC ein, die im Folgenden außer Betracht bleiben soll. Die Strukturen sind grundsätzlich vergleichbar. Anlegerschutzmechanismen können auf drei Ebenen festgelegt werden: gesetzlich, in der Börsenordnung und im Rahmen der Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde. In den USA existiert eine gesetzliche Regelung in Sec. 12(d) SEA, die für die näheren Voraussetzungen des Delistings auf die Börsenordnungen und die im Ermessen der SEC liegenden Auflagen verweist. Die föderale Finanzmarktaufsicht SEC übernimmt die Aufgaben, die im deutschen Recht dezentral der jeweiligen Börsengeschäftsführung zugewiesen sind (etwa Zulassung und Widerruf der Zulassung). Im Rahmen ihres Ermessens kann die SEC das Delisting von weiteren Auflagen abhängig machen. Hierbei steht der SEC (gerichtlich bestätigt) ein weiter Ermessensspielraum zu.

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Trotz dieser vergleichbaren Strukturen besteht bei einem reinen Delisting im USamerikanischen Recht insgesamt ein geringeres Schutzniveau für Anleger als nach deutschem Recht. Auf gesetzlicher Ebene sieht das US-amerikanische Kapitalmarktrecht keine Anlegerschutzmechanismen bei Delisting vor. Auch auf der Ebene der Börsenordnungen sind weder an der NYSE noch an der NASDAQ spezifische Anlegerschutzvoraussetzungen für ein Delisting vorgesehen. Ein gewisses Maß an Anlegerschutz vermitteln lediglich die SEC Rules, die neben der Veröffentlichung der Delistingabsicht (SEC Rule 12d2-2(c)(2)) eine Wartefrist von 10 Tagen bis zur Einstellung der Notierung nach Einreichung des entsprechenden Formblatts vorsehen (SEC Rule 12d2-2(d)(1)). Zwar steht der SEC im Rahmen ihres Ermessens die Befugnis zu, bei einem Delisting zur Verwirklichung des Anlegerschutzes entsprechende Auflagen zu machen. Auffällig ist, dass die US-amerikanischen Regelungen anders als die Regelung in Deutschland nicht danach differenzieren, ob eine Notierung an einer anderen Börse bestehen bleibt oder nicht. Theoretisch kann die SEC daher auch bei einer fortbestehenden Handelsmöglichkeit an einer Börse Auflagen zum Schutz der Anleger erlassen. Die Analyse vergangener Delisting-Fälle zeigt jedoch, dass die SEC den Anlegerschutz bei Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, der Bestimmungen in den Börsenordnungen und den SEC-Rules als gewahrt ansieht. Für ein Delisting sind nach US-amerikanischem Recht weder ein Abfindungsangebot noch ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich. Rule 500 der Börsenordnung der NYSE wie auch die SEC machte ein Delisting zeitweise von einer (im Einzelnen unterschiedlich qualifizierten) Zustimmung der Aktionäre abhängig. Die Analyse hat jedoch gezeigt, dass das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses in Rule 500 der Börsenordnung der NYSE zwar mit dem Verlust der Verkehrsfähigkeit begründet wurde, dies jedoch nur solange haltbar war, wie neben der NYSE kein anderer öffentlicher Markt für Wertpapiere bestand. Heute stehen auch nach einem Delisting im Freiverkehr (etwa „Pink Sheets“ bzw. „OTC Pink“) Handelsmöglichkeiten für Wertpapiere zur Verfügung. Motivation für die von der SEC verlangten Hauptversammlungsbeschlüsse war vor allem, dass der Emittent damals nach einem Delisting keinen Berichtspflichten mehr unterlag. Heute bestehen aber auch nach einem Delisting (bis zu einer umfassenden Deregistrierung) die Berichtspflichten weitgehend fort. Entsprechend ist eine Befassung der Hauptversammlung weder in den Börsenordnungen vorgesehen noch ist zu erwarten, dass eine solche von der SEC als Auflage eines Delistings verfügt wird. Der Gedanke eines Abfindungsangebots bei Delisting hat in den USA bisher keinen Eingang in die rechtswissenschaftliche Diskussion über die Voraussetzungen des Delistings gefunden. Dies muss wiederum vor dem Hintergrund gesehen werden, dass nicht bereits ein Delisting, sondern erst eine vollständige Deregistrierung zu dem Ausscheiden von den Berichtspflichten führt.

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

Anders als das deutsche Recht schützt das US-amerikanische Börsenrecht die Anleger vor allem durch Informationspflichten der Emittenten. Da diese aber infolge eines Delisting weiterhin bestehen bleiben, sind an den Vorgang des Delistings in den USA keine mit dem deutschen Recht vergleichbaren Anlegeschutzmechanismen verknüpft. Festzustellen bleibt allerdings eine insgesamt höhere Regulationsdichte in Bezug auf die Informationspflichten des Emittenten, die anders als im deutschen Recht nicht an dem Marktsegment, sondern an der Anzahl der Aktionäre anknüpfen.

B. Großbritannien Das britische Recht verfügt über keine gesetzliche Regelung des Delistings. Die maßgeblichen Voraussetzungen eines Delistings sind vielmehr in den von der Finanzaufsichtsbehörde Financial Conduct Authority (FCA)108 erlassenen Listing Rules geregelt.

I. Hintergrund 1. Rechtsquellen des Börsenrechts Klassischerweise war das britische Börsenrecht durch eine weitgehende Selbstregulierung der Börsen gekennzeichnet.109 Eine zunehmende Regulierung der Finanzmärkte erfolgte durch den Financial Services Act 1986 (FSA)110 und den Financial Services and Markets Act 2000 (FSMA)111. Insbesondere der FSMA bewirkte eine tiefgreifende Reform des britischen Börsen- und Kapitalmarktrechts.112 Heute beruht das Börsenrecht des Vereinigten Königreichs maßgeblich auf zwei Rechtsquellen: Dem FSMA sowie dem Financial Conduct Authority’s Handbook of

108 Die durch den Financial Services Act 2012 geschaffene Financial Conduct Authority (FCA) ist die Nachfolgerin der Financial Services Authority (FSA) und übernimmt deren Aufgaben. 109 Siehe nur Brearley/Karpelowsky, in: Blair/Walker/Purves (Hrsg.), Financial Services Law, 2. Aufl., 2009, Rn. 18.01; aus der deutschsprachigen Literatur siehe Bäumer, Das Englische Börsenrecht, 1989, S. 44 ff., 69 ff. sowie den Überblick bei Fleischer, RIW 2001, 817, 817 f.; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 749. 110 Zu den aus damaliger Sicht bedeutenden Änderungen durch den FSA siehe Bäumer, Das Englische Börsenrecht, 1989, S. 41 ff., 70 ff. 111 Einen Überblick über den FSMA gibt Fleischer, RIW 2001, 817 ff. 112 Siehe hierzu ders., RIW 2001, 817, 818.

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rules and guidance (FCA Handbook)113, das konkretisierende Durchführungsvorschriften sowie Interpretationshinweise enthält. Der FSMA stellt das „Grundgesetz des Kapitalmarktrechts des Vereinigten Königreichs“ dar, legt aber – trotz seines erheblichen Umfangs – nur den allgemeinen Rahmen des Kapitalmarktrechts fest.114 Zur konkreten Ausgestaltung der Finanzmarktregulierung ermächtigt der FSMA die FCA in einer Reihe von Ermächtigungsnormen zur umfassenden (untergesetzlichen) Rechtssetzung. Ermächtigungen zur Rechtsetzung sind etwa in Part 9 A FSMA vorgesehen. Neben weiteren speziellen Ermächtigungen gibt die Generalermächtigung in Sec. 137 A(1) FSMA115 der FCA die Befugnis, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs solche Regelungen zu erlassen, die ihr für den Schutz der Anleger notwendig und zweckdienlich erscheinen.116 Die von der FCA erlassenen Regelungen sind im FCA Handbook zusammengefasst. Das FCA Handbook enthält unterschiedliche Arten von Regelungen.117 Regelungen, die mit einem „(R)“ gekennzeichnet sind, stellen rechtsverbindliche Regeln und Prinzipien (rules) dar. Erläuterungen (guidance), die eine Interpretationshilfe bei der Auslegung der verbindlichen Regeln darstellen und die Rechtsansicht der FCA widergeben, sind mit einem „(G)“ gekennzeichnet.118 Die FCA fungiert im britischen System als Allfinanzaufsichtsbehörde.119 Die Zuständigkeiten der FCA umfassen insbesondere sämtliche Fragen der Marktauf-

113 Release 164, Stand August 2015. Die jeweils aktuelle Version ist abrufbar unter https:// www.handbook.fca.org.uk/ (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 114 Veil/Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht, 2010, S. 5; zum Umfang und zur Regelungsdichte des FSMA siehe auch Kennedy, in: Blair/Walker/Purves (Hrsg.), Financial Services Law, 2. Aufl., 2009, Rn. 2.02 ff. 115 Sec. 137 A FSMA enthält eine umfassende Generalermächtigung. Sec. 137 A(1) FSMA ermächtigt die FCA, solche Regelungen zu erlassen, die ihr zur Verwirklichung ihres Regelungsauftrags (siehe Sec. 1B(3) FSMA; hierzu zählt insbesondere auch der Anlegerschutz) notwendig und zweckdienlich erscheinen. Sec. 137 A(1) FSMA lautet: „The FCA may make such rules applying to authorised persons (a) with respect to the carrying on by them of regulated activities, or (b) with respect to the carrying on by them of activities which are not regulated activities, as appear to the FCA to be necessary or expedient for the purpose of advancing one or more of its operational objectives.“ 116 Hierzu Veil/Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht, 2010, S. 5. 117 Hierzu dies., Englisches Kapitalmarktrecht, 2010, S. 7. Im Folgenden werden nur die für diese Untersuchung relevanten Regelungsarten aufgeführt. 118 Zu der Unterscheidung der Rechtswirkung der einzelnen Bestandteilteile des FCA Handbook siehe Purves, in: Blair/Walker/Purves (Hrsg.), Financial Services Law, 2. Aufl., 2009, Rn. 5.51 ff., insbes. Rn. 5.52, Rn. 5.74 f. 119 Zu dem Umfang der Befugnisse der Financial Conduct Authority siehe Fleischer, RIW 2001, 817, 819 ff.; Veil/Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht, 2010, S. 7; zu den Zielen siehe auch Walker, in: Blair/Walker/Willey (Hrsg.), Financial Markets and Exchanges Law, 2. Aufl., 2012, Rn. 1.142, 1.152.

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

sicht, der Rechtsdurchsetzung sowie der Zulassung von Wertpapieren.120 Die Zulassung von Wertpapieren ist ebenso wie das Delisting von der FCA in den Listing Rules (LR) als Bestandteil des FCA Handbook geregelt. 2. Marktstruktur am Beispiel der London Stock Exchange Der Handel für börsennotierte Aktien ist an der London Stock Exchange (LSE) in zwei Börsensegmente unterteilt, in den „Main Market“ und in den „Alternative Investment Market“ (AIM).121 Der Main Market stellt einen regulierten Markt nach europarechtlichen Vorgaben im Sinne der MiFID122 dar, der der Aufsicht der FCA unterliegt. Der AIM stellt ein besonderes Segment des Freiverkehrs dar und unterliegt der Selbstregulierung der Börse.123 Voraussetzung für eine Aufnahme in den Main Market ist die Aufnahme in die Official List der FCA.124 Innerhalb des Main Market stehen drei Marktsegmente zur Verfügung: „Standard Listing“, „Premium Listing“ und „High Growth Segment“. Alle drei Segmente des Main Market sind regulierte Märkte im Sinne der MiFID, allerdings unterliegen nur das Standard und das Premium Listing den FCA Listing Rules („FCA Listing Regime“).125 Das Standard Listing erfüllt die Mindestanforderungen des regulierten Marktes im Sinne der MiFID, vgl. LR 1.5.1(2). An eine Notierung im Segment Premium Listing stellen die Listing Rules verschärfte Anforderungen, vgl. LR 1.5.1(2). So sehen die Listing Rules für das Premium Listing besondere Regelungen für die Zulassung (LR 6) oder besondere Zulassungsfolgepflichten (LR 9) vor. 3. Zulassung von Wertpapieren Im Rahmen der ursprünglichen umfassenden Selbstregulierung durch die Börse war diese auch für die Zulassung von Wertpapieren zuständig. Die Kompetenz zur Regelung der Zulassung von Wertpapieren zum regulierten Markt ist im Zuge der zunehmenden Regulierung im Jahr 2000 auf die FCA übergegangen, vgl. Sec. 73 A, 120

Maume, 16 Eur Bus Org Law Rev 255, 264 (2015). Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 9. Aufl., 2012, Rn. 25 – 27; Döge/Jobst, BKR 2010, 136, 138; daneben betreibt die LSE die Spezialmärkte Professional Securities Market (PSM) und Specialist Fund Market (SFM), hierzu siehe Walker, in: Blair/Walker/Willey (Hrsg.), Financial Markets and Exchanges Law, 2. Aufl., 2012, Rn. 2.09, 2.23, 2.24. 122 Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (englisch: Markets in Financial Instruments Directive (MiFID)) (Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, Abl. Nr. L 145, S. 1 ff.). 123 Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 9. Aufl., 2012, Rn. 25 – 28; hierzu auch Döge/Jobst, BKR 2010, 136, 138. 124 Hierzu siehe sogleich. 125 Maume, 16 Eur Bus Org Law Rev 255, 265 (2015). 121

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74 FSMA.126 Die FCA ist diesem Regelungsauftrag durch die Ausarbeitung detaillierter Listing Rules nachgekommen.127 Die Listing Rules der FCA betreffen nur den regulierten Main Market, nicht hingegen den weiterhin im Rahmen der Selbstverwaltung von der Börse zu regelnden AIM. Die Zulassung von Wertpapieren zum Main Market erfolgt zweistufig.128 Es ist zwischen der „admission to listing“ und der „admission to trading“ zu unterscheiden.129 Zunächst ist die Aufnahme in die „Official List“ bei der UK Listing Authority (UKLA)130 zu beantragen („admission to listing“). Um in die Official List aufgenommen zu werden, müssen die Emittenten den in den Listing Rules aufgestellten Voraussetzungen131 und insbesondere den entsprechenden Zulassungsfolgepflichten der Listing Rules und der Disclosure and Transparency Rules (DTR)132 nachkommen.133 Die Zulassungsfolgepflichten für ein Standard Listing entsprechen den Mindeststandards der relevanten EU-Richtlinien („directive minimum standards“). Bei einem Premium Listing müssen zusätzlich die über die Mindestanforderungen hinausgehenden Anforderungen der Listing Rules, insbesondere die „Continuing obligations“ nach LR 9, eingehalten werden.134 Damit knüpfen die Zulassungsfol126 Damals noch auf die FSA als Vorgängerbehörde der FCA; Henderson, in: Blair (Hrsg.), Blackstone’s Guide to The Financial Services and Markets Act 2000, 2. Aufl., 2009, Rn. 8.10; Brearley/Karpelowsky, in: Blair/Walker/Purves (Hrsg.), Financial Services Law, 2. Aufl., 2009, Rn. 18.01; Fleischer, RIW 2001, 817, 820; siehe auch Explanatory Notes to the Financial Services and Markets Act 2000, Rn. 155, 157. 127 Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 9. Aufl., 2012, Rn. 25 – 5; Henderson, in: Blair (Hrsg.), Blackstone’s Guide to The Financial Services and Markets Act 2000, 2. Aufl., 2009, Rn. 8.10. 128 Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 9. Aufl., 2012, Rn. 25 – 29; London Stock Exchange (Hrsg.), A guide to listing on the London Stock Exchange, 2010, S. 7. 129 Henderson, in: Blair (Hrsg.), Blackstone’s Guide to The Financial Services and Markets Act 2000, 2. Aufl., 2009, Rn. 8.15. 130 Die FCA wird in diesem Rahmen als UKLA tätig, vgl. Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 9. Aufl., 2012, Rn. 25 – 5; Henderson, in: Blair (Hrsg.), Blackstone’s Guide to The Financial Services and Markets Act 2000, 2. Aufl., 2009, Rn. 8.08; London Stock Exchange (Hrsg.), A guide to listing on the London Stock Exchange, 2010, S. 14. 131 Siehe Henderson, in: Blair (Hrsg.), Blackstone’s Guide to The Financial Services and Markets Act 2000, 2. Aufl., 2009, Rn. 8.16. 132 Zu den Disclosure and Transparency Rules (DTR) siehe eingehend Brearley/Karpelowsky, in: Blair/Walker/Purves (Hrsg.), Financial Services Law, 2. Aufl., 2009, Rn. 18.101 ff. 133 Grundsätzlich zu dem Begriff des „listing“ im Recht des Vereinigten Königreichs siehe Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 9. Aufl., 2012, Rn. 25 – 5. 134 Hierzu siehe dies., Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 9. Aufl., 2012, Rn. 25 – 26; Pearce/Kirkby, in: Blair/Walker/Willey (Hrsg.), Financial Markets and Exchanges Law, 2. Aufl., 2012, Rn. 5.09; Brearley/Karpelowsky, in: Blair/Walker/Purves (Hrsg.), Financial Services Law, 2. Aufl., 2009, Rn. 18.148.

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

gepflichten (in unterschiedlichem Umfang je nach Kategorie, für die ein Listing beantragt wird) an die Aufnahme in die Official List an.135 In einem zweiten Schritt erfolgt die Notierung („admission to trading“) durch die Börse selbst. Hierfür gelten an der LSE die London Stock Exchange’s Admission and Disclosure Standards (LSE Standards).136

II. Delistingverfahren Bei einem Rückzug von der Börse ist zu unterscheiden zwischen der Beendigung der Notierung (Beendigung der „admission to trading“) und dem Ausscheiden aus der Official List (Beendigung der „admission to listing“). Die Listing Rules bezeichnen das Ausscheiden aus der Official List als „cancellation of listing“. 1. Beendigung der Notierung am Beispiel der LSE Die Beendigung der Notierung (Beendigung der „admission to trading“) an der LSE kann nach Rule 3.20 und 3.20 der LSE Standards auf Veranlassung des Emittenten schriftlich mit einer Wartefrist von 20 Tagen erfolgen. Es müssen lediglich sämtliche gesetzliche oder regulatorische Anforderungen eingehalten sein.137 2. Ausscheiden aus der Official List Eine Befreiung von den Zulassungsfolgepflichten wird jedoch erst durch ein Ausscheiden aus der Official List (Beendigung der „admission to listing“) erreicht.138 Der FSMA enthält keine gesetzliche Regelung des Delistings von Wertpapieren. Delisting in Großbritannien richtet sich vielmehr nach den Listing Rules, in denen die Voraussetzungen des Delistings detailliert geregelt sind, vgl. LR 5. Begrifflich sprechen die Listing Rules bei einem freiwilligen Delisting von einer „Cancellation at issuer’s request“, vgl. LR 5.2.4.139 135

Zu den Zulassungsfolgepflichten siehe ausführlich Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 9. Aufl., 2012, Rn. 26. 136 London Stock Exchange’s Admission and Disclosure Standards vom 16. 4. 2013 (abrufbar unter http://www.londonstockexchange.com/companies-and-advisors/main-market/docu ments/brochures/admission-and-disclosure-standards.pdf, zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015). 137 Hierzu sogleich. 138 Die „Continuing Obligations“ knüpfen an den Status der „publicly listed company“ an, siehe hierzu Henderson, in: Blair (Hrsg.), Blackstone’s Guide to The Financial Services and Markets Act 2000, 2. Aufl., 2009, Rn. 8.49. 139 Daneben gibt es ein „Delisting von Amts wegen“ in Fällen des LR 5.2.1. Einzige Voraussetzung hierfür ist, dass die FCA überzeugt ist, dass besondere Umstände vorliegen, die einem regulären Handel in den Wertpapieren entgegen stehen („[…] special circumstances that

B. Großbritannien

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Die allgemeinen Anforderungen an ein Delisting sind in LR 5.3 geregelt. Bei den weiteren Anforderungen an ein Delisting ist zwischen den verschiedenen Segmenten des Main Market zu differenzieren.140 a) Premium Listing Die speziellen Anforderungen an ein Delisting von Wertpapieren eines Emittenten mit einem Premium Listing ergeben sich aus LR 5.2.5 bis 5.2.7 A. Für ein Delisting aus dem Premium Listing ist nach LR 5.2.5(2)(a) ein Hauptversammlungsbeschluss mit einer qualifizierten Mehrheit141 erforderlich. Daneben ist nach LR 5.2.5(2)(b) ein zusätzlicher einfacher Mehrheitsbeschluss nur der Minderheitsaktionäre („independent shareholder“)142 erforderlich, wenn ein Aktionär mehr als 30 % der Anteile hält und er daher nach LR 6.1.2 A als „controlling shareholder“ anzusehen ist. Nach LR 5.2.5(1) ist eine Mitteilung an alle Aktionäre erforderlich, die bestimmten festgelegten Anforderungen genügt und zuvor von der FCA gebilligt wurde. Zudem ist in LR 5.2.5(1)(c) eine „Fristenlösung“ vorgesehen, nach der zwischen Hauptversammlungsbeschluss und Wirksamwerden des Delistings mindestens 20 Werktage („business days“) liegen müssen. In Sanierungssituationen sehen die Listing Rules erhebliche Erleichterungen vor. Die nach LR 5.2.5(2) erforderlichen Hauptversammlungsbeschlüsse sind nach LR 5.2.7 nicht erforderlich, wenn das Delisting in der Krise Voraussetzung zur Vermeidung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist. Hierfür müssen die Voraussetzungen der LR 5.2.7 kumulativ vorliegen. Nach LR 5.2.7 sind die grundsätzlich erforderlichen Hauptversammlungsbeschlüsse nicht erforderlich, sofern (1) der Emittent ohne die in (2) bezeichnete Maßnahme ein formelles Insolvenzverfahren beantragen müsste, (2) ein Angebot für eine Transaktion, ein Geschäft oder eine sonstige Restrukturierungsmaßnahme vorliegt, das für das Überleben des Emittenten erforderlich ist und das Listing den erfolgreichen Abschluss des Angebots gefährden würde, (3) der Emittent Erklärungen darüber abgibt, warum das preclude normal regular dealings in them.“) Nach der Erläuterungsvorschrift LR 5.2.2(2) nimmt die FCA einen solchen Grund bereits an, wenn der Streubesitzanteil („shares in public hands“) unter 25 % (oder eine andere von der FCA festgelegte Größe) fällt. 140 Während ein premium listing ursprünglich nur „UK incorporated companies“ offenstand und diese sich auch nur dort listen lassen konnten, während „overseas companies“ auf ein standard listing verweisen waren, ist diese Unterscheidung im Rahmen der Neufassung des listing regimes durch die FSA zum 6. 4. 2010 weggefallen, vgl. http://www.linklaters.com/In sights/Publication1005Newsletter/20100419/Pages/NewUKPremium.aspx (zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 141 „[…] a majority of not less than 75 % of the votes attaching to the shares voted on the resolution.“ 142 Im Glossary der Listing Rules definiert als „any person entitled to vote on the election of directors of a listed company that is not a controlling shareholder of the listed company.“

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

Delisting im Interesse der Anleger und Kreditgeber ist und warum kein vorheriger Hauptversammlungsbeschluss eingeholt wird und (4) das Delisting mindestens 20 Geschäftstage vor dem geplanten Delisting angezeigt wird. Auch hier greift nach LR 5.2.7(4) aber jedenfalls eine 20-Tages Frist vor dem Wirksamwerden des Delistings. Die Beteiligung der Aktionäre durch Hauptversammlungsbeschlüsse kann nicht dadurch umgangen werden, dass zunächst ein Wechsel in das Standard Listing („transfer between listing categories“) durchgeführt wird, woraus in einem zweiten Schritt ein Delisting ohne Hauptversammlungsbeschluss möglich ist. Um dies zu verhindern, sieht LR 5.4 A.4(3)(b) vor, dass die Beteiligungsregelungen auch dann greifen, wenn ein Wechsel aus dem Premium Listing erfolgt.143 Damit gelten für einen Wechsel aus dem Premium Listing die gleichen Anforderungen wie für ein Delisting aus dem Premium Listing.144 b) Standard Listing Die Anforderungen der LR 5.2.5 gelten nur für Wertpapiere mit einem Premium Listing. Für ein Delisting aus dem Standard Listing sieht LR 5.2.8 („Requirements for cancellation of other securities“) keine Beteiligung der Aktionäre vor. Für ein Delisting aus dem Standard Listing ist lediglich eine „Fristenlösung“ vorgesehen: LR 5.2.8 schreibt eine „Wartefrist“ von 20 Werktagen („business days“) vor. Daneben ist eine Mitteilung an alle Aktionäre erforderlich, die bestimmten Anforderungen genügt und zuvor von der FCA gebilligt wurde. Gleiches gilt auch für einen Wechsel aus dem Standard Listing, vgl. LR 5.4 A.5 bis LR 5.4 A.7.

III. Anlegerschutz Der Anlegerschutz bei Delisting in Großbritannien hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Ursprünglich enthielten die Listing Rules, damals noch in der Kompetenz der London Stock Exchange, keine Regelungen zum Delisting.145 Die Listing Rules der FSA als Vorgängerbehörde der heutigen FCA sahen bis 2005 eine reine „Fristenlösung“ vor. Zwischen Ankündigung und Wirksamwerden des De-

143 LR 5.4 A.4(3)(a) sieht Sonderregelungen für investment companies vor; hierzu auch bereits die Erläuterung in LR 5.4 A.2. 144 Siehe hierzu auch FCA Consultation Paper CP13/15, Feedback on CP12/25: Enhancing the effectiveness of the Listing Regime and further consultation, November 2013, Rn. 11.22 (abrufbar unter http://www.fca.org.uk/your-fca/documents/consultation-papers/cp13-15, zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015). 145 Siehe nur Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 749.

B. Großbritannien

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listings musste lediglich eine Frist von 20 Werktagen liegen.146 Dies änderte sich im Jahr 2005.147 Aus Anlegerschutzgründen148 verlangt LR 5.2.5 für ein Delisting von Wertpapieren im Premium Listing seither einen Hauptversammlungsbeschluss mit einer dreiviertel Mehrheit.149 Das heutige Erfordernis einer doppelten Mehrheit („two-tiered majority“ oder „majority of the minority“150) für ein Delisting aus dem Premium Listing hat die FCA nach einem umfassenden Konsultationsprozess („consultation process“) erst zum 16. Mai 2014 in die LR aufgenommen.151 Die FCA möchte damit erreichen, dass für Minderheitsgesellschafter ein angemessenes Mitspracherecht bei der Delisting-Entscheidung als einer Grundentscheidung („key decision“) sichergestellt ist.152 Parallel zu dem Hauptversammlungsbeschluss hat der Emittent die Anleger umfassend zu informieren und die Wartefrist von 20 Werktagen („business days“) einzuhalten. Diese Regelungen greifen auch dann, wenn die Aktien an einer anderen Börse gelistet bleiben. Eine Ausnahme für das Fortbestehen einer Notierung an einem den maßgeblichen EU-Vorgaben ebenfalls entsprechenden regulierten Markt eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union ist nicht mehr vorgesehen. Zu beachten ist, dass diese Anlegerschutzmechanismen lediglich bei einem Delisting von Aktien vorgesehen sind, die im Segment des Premium Listing gelistete sind. Ein Delisting aus dem Standard Listing kann bei Einhaltung einer 20-tägigen Wartefrist ohne weitere Voraussetzungen erfolgen. Die reinen Delisting-Regelungen werden ergänzt durch Anlegerschutzregelungen für Situationen, in denen ein Delisting im Zusammenhang mit einer Übernahme erfolgen soll („cancellation in relation to takeover offers“). Hier differenzieren 146 FSA Consultation Paper 203, Review of the Listing Regime, October 2003, S. 53 Rn. 9.21 (abrufbar unter http://www.fsa.gov.uk/pubs/cp/cp203.pdf, zuletzt abgerufen am 30. 10. 2015). 147 Siehe FCA Consultation Paper CP13/15, Feedback on CP12/25: Enhancing the effectiveness of the Listing Regime and further consultation, November 2013, Rn. 11.2 (abrufbar unter http://www.fca.org.uk/your-fca/documents/consultation-papers/cp13-15, zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015). 148 Zu den Motiven der Einführung siehe FSA Consultation Paper 203, Review of the Listing Regime, October 2003, S. 53 Rn. 9.21 ff. (abrufbar unter http://www.fsa.gov.uk/pubs/cp/ cp203.pdf, zuletzt abgerufen am 30. 10. 2015). 149 Einen historischen Überblick über die Entwicklung der Listing Rules gibt Khort, Protection of investors in voluntary delisting on the U.S. stock market, 2014, S. 37 f. 150 So Maume, 16 Eur Bus Org Law Rev 255, 263 (2015). 151 Siehe FCA Consultation Paper CP13/15, Feedback on CP12/25: Enhancing the effectiveness of the Listing Regime and further consultation, November 2013, Rn. 11.1 ff. (abrufbar unter http://www.fca.org.uk/your-fca/documents/consultation-papers/cp13-15, zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015). 152 Pressemitteilung der FCA vom 5. 11. 2013, „The FCA strengthens the listing rules to enhance protection for shareholdes“, abrufbar unter http://www.fca.org.uk/news/the-fca-strengt hens-the-listing-rules-to-enhance-protection-for-shareholders (zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015).

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

LR 5.2.10 und LR 5.2.11 danach, ob der Bieter an weniger oder mehr als 50 % der Stimmrechte interessiert ist.

IV. Vergleich Anders als in Deutschland werden die Voraussetzungen des Delistings in Großbritannien nicht gesetzlich, sondern im Rahmen der Ermächtigungen durch den FSMA durch die Aufsichtsbehörde FCA in den Listing Rules bestimmt. Dies hat zur Folge, dass die Listing Rules leicht und ohne einen (ggf. langwierigen) parlamentarischen Prozess geändert werden und schnell an Marktentwicklungen angepasst werden können.153 Für entsprechende Anpassungen bzw. Änderungen der Listing Rules führt die FCA Konsultationsprozesse („consultation process“) durch, in denen die Marktteilnehmer ein Feedback zu den geplanten Änderungen geben können.154 Anlegerschutz bei Delisting wird nach britischem Recht neben einer zeitlich verzögerten Wirksamkeit des Delistings durch ggf. doppelt qualifizierte Hauptversammlungsbeschlüsse gewährleistet. Für ein Delisting ist eine Zustimmung von 75 % der Aktionäre erforderlich. Für den Fall, dass ein Gesellschafter einen Anteil von mehr als 30 % der Anteile hält, ist zusätzlich ein Mehrheitsbeschluss der unabhängigen Aktionäre mit einfacher Mehrheit erforderlich. Anders als im US-amerikanischen Recht hat die FCA keinen Ermessensspielraum etwa zur Aufstellung zusätzlicher Anforderungen, sofern die in den Listing Rules aufgestellten Voraussetzungen für ein freiwilliges Delisting gegeben sind. Es handelt sich daher um eine gebundene Entscheidung. Anders als im deutschen Recht greifen die Anlegerschutzmechanismen auch nicht bereits bei einem Delisting aus dem mit dem regulierten Markt vergleichbaren Main Market, sondern nur bei einem Delisting aus dem Premium Listing als besonderem Teilbereich des Main Market mit erweiterten Zulassungsfolgepflichten. Ein Delisting aus dem Standard Listing unterliegt lediglich einer Fristenregelung. Aus den von der FCA während des consultation process veröffentlichten Dokumenten geht hervor, dass die FCA ein größeres Risiko für ein Delisting bei Gesellschaften mit einem Aktionär, der mehr als 30 % der Anteile hält (controlling shareholder), annimmt.155 Eine entsprechende Differenzierung ist im deutschen 153 Walker, in: Blair/Walker/Purves (Hrsg.), Financial Services Law, 2. Aufl., 2009, Rn. 1.02; Maume, 16 Eur Bus Org Law Rev 255, 264 (2015). 154 Siehe zur Neuregelung der Delistingvoraussetzungen FCA Consultation Paper CP13/15, Feedback on CP12/25: Enhancing the effectiveness of the Listing Regime and further consultation, November 2013, Rn. 11.1 ff. (abrufbar unter http://www.fca.org.uk/your-fca/docu ments/consultation-papers/cp13-15, zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015); hierzu auch Maume, 16 Eur Bus Org Law Rev 255, 265 f. (2015). 155 FCA Consultation Paper CP13/15, Feedback on CP12/25: Enhancing the effectiveness of the Listing Regime and further consultation, November 2013, Rn. 11.4 (abrufbar unter http://

C. Ergebnis des Rechtsvergleichs

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Recht nicht vorgesehen. Dafür ist das Schutzniveau insgesamt geringer als in Deutschland: Die FCA sieht die Interessen der Minderheitsgesellschafter in einer solchen Situation bereits dann als ausreichend berücksichtigt an, wenn die Gruppe der unabhängigen Aktionäre dem Delisting in einem zusätzlichen Hauptversammlungsbeschluss mit einfacher Mehrheit zugestimmt haben, vgl. LR 5.2.5(2)(b). Eine mögliche Abfindung der Minderheitsgesellschafter bei Delisting wurde und wird in Großbritannien nicht diskutiert.

C. Ergebnis des Rechtsvergleichs Anlegerschutz bei Delisting ist sowohl in den USA wie auch in Großbritannien nicht in gleichem Maß Gegenstand rechtswissenschaftlicher Diskussion wie dies in Deutschland der Fall ist. Dies zeigt bereits der geringe Umfang an rechtswissenschaftlicher Literatur, die sich in der jeweiligen Jurisdiktion mit dem Thema eines freiwilligen Börsenrückzugs auseinandersetzt. Im Ergebnis bietet das deutsche Recht durch die Pflicht eines Abfindungsangebots einen erheblich umfassenderen Anlegerschutz bei Delisting als das britische oder US-amerikanische Recht. In der Zusammenschau interessant sind insbesondere die gegenläufigen Entwicklungen: Während in den USA ein Delisting von der NYSE jahrzehntelang an einen Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung geknüpft war bzw. die SEC entsprechende Auflagen (teilweise sogar mit qualifizierter Mehrheit oder doppeltem Mehrheitserfordernis) gemacht hat, wurde die entsprechende Regelung in der Börsenordnung der NYSE 1999 abgeschafft. Gerade entgegengesetzt stellt sich die Entwicklung im britischen Recht dar. Während dort zu Zeiten der umfassenden Selbstregulierung der Börsen keinerlei Beteiligung der Aktionäre vorgesehen war, hat die FCA aus Anlegerschutzgründen 2005 zunächst einen qualifizierten Hauptversammlungsbeschluss gefordert und erst Mitte 2014 ein doppeltes Mehrheitserfordernis bei Vorhandensein eines kontrollierenden Gesellschafters eingeführt. Eine Sonderrolle nimmt dagegen die Entwicklung des Anlegerschutzes im deutschen Recht ein. Durch die richterrechtlichen Macrotron-Grundsätze im Jahr 2002 hat der BGH für ein Delisting sowohl eine Abfindungspflicht als auch die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses festgelegt. Diese Grundsätze galten bis zur Frosta-Entscheidung im Jahr 2013 unverändert fort. Den „rechtsleeren Raum“ nach Frosta hat der Gesetzgeber Ende 2015 durch die – nunmehr gesetzlich geregelte – Pflicht zur Abgabe eines Erwerbsangebots nach WpÜG geschlossen. Anders als die jüngste Entwicklung im britischen Recht, wo die Beteiligungsrechte

www.fca.org.uk/your-fca/documents/consultation-papers/cp13-15, zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015).

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

der Aktionäre jüngst gestärkt wurden, hat sich der deutsche Gesetzgeber gegen eine Beteiligung der Aktionäre ausgesprochen. Sowohl im britischen wie auch im US-amerikanischen Recht ist zum Ausgleich des Verlustes bzw. der Einschränkung der Verkehrsfähigkeit bei Delisting keine Abfindungspflicht vorgesehen. Die Frage einer Abfindungspflicht ist in beiden Rechtsordnungen bisher nicht Gegenstand rechtswissenschaftlicher Diskussion gewesen. Ob die Einführung der gesetzlichen Abfindungspflicht in Deutschland zu einer Diskussion einer Abfindung in den USA führt, darf bezweifelt werden, bleibt aber abzuwarten.

D. Folgen für die Bewertung des deutschen Rechts156 Fraglich ist, ob die im britischen Recht vorgesehenen Hauptversammlungsbeschlüsse auch im deutschen Recht eine sinnvolle Ergänzung des Anlegerschutzes bei Delisting wären. Im Rahmen eines Delistings ist im deutschen Recht keine Beteiligung der Hauptversammlung vorgesehen. Vielmehr ist Delisting nach der Konzeption des deutschen Gesetzgebers eine reine Geschäftsführungsmaßnahme, sodass gesellschaftsintern lediglich ein Beschluss des Vorstands erforderlich ist, bevor dieser den Widerruf der Börsenzulassung bei der jeweiligen Börsengeschäftsführung beantragt.

I. Hauptversammlungsbeschluss bei Delisting im deutschen Recht Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob ausgehend von den Regelungen im britischen Recht ein Hauptversammlungsbeschluss bei Delisting im deutschen Recht im Hinblick auf die Abfindungspflicht tatsächlich entbehrlich ist. 1. Entbehrlichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses bei Delisting Der Gesetzgeber sieht „erweiterte Mitentscheidungsrechte für die Aktionäre“ – insbesondere durch einen Hauptversammlungsbeschluss – „vor dem Hintergrund der nunmehr vorgesehenen umfassenden kapitalmarktrechtlichen Schutzbestimmungen“ als „nicht geboten“ an.157 156 Zu den Folgen für die Anwendung des deutschen Rechts siehe an den entsprechenden Stellen in § 7. 157 BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015).

D. Folgen für die Bewertung des deutschen Rechts

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Damit befindet sich der Gesetzgeber auf einer Linie mit einem großen Teil des Schrifttums.158 Ein Hauptversammlungsbeschluss bringe dem einzelnen Aktionär praktisch kaum einen Mehrwert.159 Denn das Delisting werde typischerweise in Abstimmung mit einem starken Aktionär vollzogen, der regelmäßig über eine Mehrheit der Stimmen verfüge. Somit komme dem eigentlichen Beschlussvorgang in der Hauptversammlung keine Bedeutung zu – und vor allem vermittle er dem einzelnen Aktionär keinen Schutz.160 Ein Beschlusserfordernis der Hauptversammlung stelle sich daher als „aufwändiger und kostspieliger Formalakt“ dar, der aus Aktionärssicht keine Vorteile mit sich bringe.161 Vielmehr bestünde die Gefahr einer Verzögerung des Delistings, wenn einzelne Aktionäre versuchten, das Delisting-Verfahren durch Beschlussmängelklagen zu blockieren.162 Ein Hauptversammlungsbeschluss sei für den Aktionär vor allem vor dem Hintergrund der ihm dabei zur Verfügung gestellten Informationen nützlich.163 Die notwendigen Informationen könnten dem Aktionär aber auch auf anderem Wege, etwa im Rahmen des Abfindungsangebots, effektiver zur Verfügung gestellt werden, sodass auch diesbezüglich kein Platz für einen umständlichen Hauptversammlungsbeschluss sei.164 Auch dogmatisch sei ein Hauptversammlungsbeschluss bei Delisting systemfremd.165 Ein Delisting sei nicht mit Strukturmaßnahmen vergleichbar und stelle auch den Bestand des Mitgliedschaftsrechts

158 Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 378; Bungert/Wettich, DB 2012, 2265, 2268; Habersack, ZHR 176 (2012), 463, 467 f.; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735; Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8; Noack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 498; Wasmann/Glock, DB 2014, 105, 106 f.; in diese Richtung auch Brellochs, AG 2014, 633, 638, 645 (Entscheidung den BörsO überlassen); aA Bayer, ZfPW 2015, 163, 223; ders., ZIP 2015, 853, 858 (nunmehr relativierend ders., NZG 2015, 1169, 1173); Goetz, BB 2015, 2691, 2693; Wicke, DNotZ 2015, 488, 494 ff.; Heidel/Lochner, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2014, Vor §§ 327a ff. AktG Rn. 19 f.; Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 6 f.; Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 37/ 2015, 2015, S. 7; Krieger, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 2014, S. 19, 19 f. 159 Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 378. 160 Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735; Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8; Noack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8. 161 Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735; Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8. 162 Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 379; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735; Noack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8; im Hinblick auf ein Zustimmungserfordernis der Minderheitsaktionäre siehe bereits Brellochs, AG 2014, 633, 645 (hierzu siehe aber Kapitel 6 D. II.). 163 Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735; Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8. 164 Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 379. 165 Dies., AG 2015, 373, 378.

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

nicht in Frage. Eine Gleichstellung mit einem Zwangsausschluss sei daher nicht gerechtfertigt.166 2. Stellungnahme Im Folgenden soll gezeigt werden, dass ein Hauptversammlungsbeschluss bei Delisting ein die Abfindungspflicht ergänzendes sinnvolles Schutzelement für die Anleger darstellt. a) Systematische Argumente Eine Hauptversammlungskompetenz bei Delisting stellt keinen dogmatischen Bruch dar, vielmehr sprechen dogmatische Gründe gerade für eine Hauptversammlungszuständigkeit bei Delisting. Ein Delisting hat neben kapitalmarktrechtlichen auch gesellschaftsrechtliche Implikationen. Die Regelungen in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG sehen umfassende Schutzmechanismen auf kapitalmarktrechtlicher Ebene vor, enthalten aber keine Aussage zu gesellschaftsrechtlichen Erfordernissen. Im Rahmen der aktienrechtlichen Kompetenzordnung ist die Hauptversammlung das Organ, in dem die interne Willensbildung der Gesellschaft erfolgt und dessen Beteiligung in grundlegenden Fragestellungen angeordnet ist.167 Das Delisting stellt, obwohl unter der Schwelle der Holzmüllerpflichtigkeit, eine Art Grundlagenentscheidung dar. Denn ein Delisting ist nicht lediglich eine reine Geschäftsführungsangelegenheit, da nicht nur das Geschäft der Aktiengesellschaft geführt, sondern „für die Anteile an der AG ein Markt […] ganz wesentliche geändert“ wird.168 Die Aktionäre sind von einem Delisting daher unmittelbar betroffen, da ein Delisting (auch unterhalb der Schwelle des Art. 14 Abs. 1 GG) mit erheblichen Auswirkungen auf die Vermögensinteressen der Aktionäre verbunden ist.169 Insbesondere institutionelle Investoren (etwa Fonds) dürfen nach ihren internen Regelungen (wie Fondsbedingungen) oft nur in börsennotierte Aktien investieren170, sodass die Möglichkeit zum Börsenhandel für sie eine conditio-sine-qua-non für ihre Beteiligung an der Aktiengesellschaft ist.171 Auch 166

Dies., AG 2015, 373, 378. Wicke, DNotZ 2015, 488, 494; Herrler, in: Grigoleit (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 2013, § 118 AktG Rn. 1; zu der gesetzlichen Kompetenzverteilung bei der Aktiengesellschaft siehe auch Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231. 168 Heidel/Lochner, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2014, Vor §§ 327a ff. AktG Rn. 19; siehe auch Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 119 AktG Rn. 60. 169 Siehe Kapitel 3 C. II.; Heidel/Lochner, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2014, Vor §§ 327a ff. AktG Rn. 19. 170 Hierauf hinweisend auch Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 2. 171 Wicke, DNotZ 2015, 488, 495. 167

D. Folgen für die Bewertung des deutschen Rechts

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Kleinaktionäre investieren regelmäßig nur in Wertpapiere, die zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. Die Frage, wo und wie Aktien gehandelt werden können, stellt daher qualitativ keine reine Geschäftsführungsmaßnahme dar, sondern betrifft in erster Linie die Rechte der Aktionäre.172 Daher muss die Entscheidung über ein Delisting auch den Aktionären vorbehalten sein. Hierfür sprechen auch die im Rahmen des Rechtsvergleichs gewonnen Erkenntnisse. Im britischen Recht geht die für die Aufstellung der Zulassungsregeln und die Zulassung von Wertpapieren zuständige FCA davon aus, dass es sich bei der Delisting-Entscheidung um eine Grundentscheidung („key decision“) handelt und die Aktionäre daher ein Mitspracherecht haben müssen.173 Aus systematischen Gründen entscheidend für eine Hauptversammlungszuständigkeit bei Delisting spricht zudem, dass nach der sonstigen gesetzlichen Konzeption eine Abfindungspflicht, wie sie nun für das Delisting in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG vorgesehen ist, regelmäßig mit einem Hauptversammlungsbeschluss über die die Abfindungspflicht auslösende Maßnahme verknüpft ist.174 Eine zwingende Abfindungspflicht ist daher gesetzlich grundsätzlich nur dann vorgesehen, wenn die Aktionäre auf einer Hauptversammlung über die entsprechende Maßnahme abstimmen konnten.175 Das Delisting nimmt nach der gegenwärtigen Gesetzeslage eine Sonderrolle ein: die Abfindungspflicht besteht unabhängig von einem vorherigen Willensbildungsprozess in der Hauptversammlung. Besondere Umstände, die diese Sonderrolle rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. b) Wirkungsvoller Schutz für Minderheitsaktionäre Gerade in typischen Delisting-Situationen kann ein Hauptversammlungsbeschluss einzelnen Aktionären einen das Abfindungsangebot ergänzenden Schutz bieten. Vor allem ist ein Hauptversammlungsbeschluss bei Delisting nicht bereits wegen der regelmäßig gegebenen Unterstützung eines Mehrheitsaktionärs für das Delisting hinfällig. Denn sonst wäre jede Hauptversammlungszuständigkeit bereits bei Vorhandensein eines Mehrheitsaktionärs fragwürdig.176 Auch sind Situationen denkbar, in denen der das Delisting anregende (und im Rahmen des Abfindungs172

Krieger, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 2014, S. 19, 19 f. 173 Pressemitteilung der FCA vom 5. 11. 2013, „The FCA strengthens the listing rules to enhance protection for shareholdes“, abrufbar unter http://www.fca.org.uk/news/the-fca-strengt hens-the-listing-rules-to-enhance-protection-for-shareholders (zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015). 174 Siehe nur für Verschmelzungen § 29 UmwG (Abfindungspflicht) und §§ 13, 65 UmwG (Hauptversammlungsbeschluss), für Formwechsel § 207 UmwG (Abfindungspflicht) und § 193 UmwG (Hauptversammlungsbeschluss), für Unternehmensverträge § 305 AktG (Abfindungspflicht) und § 293 Abs. 1 AktG (Hauptversammlungsbeschluss). 175 Hierauf hinweisend auch Goetz, BB 2015, 2691, 2693. 176 Wicke, DNotZ 2015, 488, 495.

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

angebots als Bieter auftretende) Aktionär nicht über eine eigene (gegebenenfalls qualifizierte) Mehrheit der Anteile verfügt.177 Ein Hauptversammlungsbeschlusserfordernis vermittelt den Minderheitsaktionären insbesondere dann ein effektives Schutzelement, wenn ein qualifizierter Mehrheitsbeschluss und wie im britischen Recht bei entsprechender Machtstellung eines Mehrheitsaktionärs ein eigener Mehrheitsbeschluss der Minderheitsaktionäre gefordert wird.178 c) Interesse des Vorstands Im Übrigen kann auch der Vorstand ein Interesse an einem das Delisting genehmigenden Beschluss der Hauptversammlung haben. Denn ohne Zustimmung der Hauptversammlung können einzelne Aktionäre gegebenenfalls Schadensersatzforderungen wegen Missachtung der Gesellschaftsinteressen gegenüber dem Vorstand geltend machen.179 3. Ergebnis Ausgehend von den Überlegungen im britischen Recht ist die Einführung eines Beschlusserfordernisses der Hauptversammlung als Ergänzung der Abfindungspflicht in Delisting-Fällen auch im deutschen Recht sinnvoll.

II. Anforderungen an eine Beschlussfassung der Hauptversammlung Ist somit geklärt, dass eine Befassung der Hauptversammlung im Rahmen des Delisting den Anlegern trotz Abfindungspflicht weitergehenden Schutz vermitteln kann, sind die Anforderungen an eine solche Befassung zu untersuchen. 1. Beschluss- und Mehrheitserfordernisse In Macrotron sah der BGH einen einfachen Hauptversammlungsbeschluss als ausreichend an. Das Erfordernis eines lediglich einfachen Hauptversammlungsbeschlusses birgt aber die Gefahr, dass die Anleger durch einen Mehrheitsaktionär (Bieter) leicht überstimmt werden können. Fraglich ist daher, welche Beschluss- und Mehrheitserfordernisse der Hauptversammlung bei einem Delisting vorzusehen sind, um einen effektiven Schutz zu gewährleisten. 177 178 179

Ders., DNotZ 2015, 488, 495 f. Hierzu sogleich. Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 37/2015, 2015, S. 7.

D. Folgen für die Bewertung des deutschen Rechts

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a) Erkenntnisse des Rechtsvergleichs Eine Hilfestellung zur Bestimmung der für ein Delisting erforderlichen Beschlusserfordernisse können die im Rahmen des Rechtsvergleichs untersuchten Delisting-Bestimmungen in Großbritannien geben. In Großbritannien ist für ein Delisting aus dem Premium Listing ein doppeltes Mehrheitserfordernis vorgesehen. Die entsprechenden Listing Rules sehen in LR 5.2.5(2)(a) für ein Delisting aus dem Premium Listing zunächst einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss aller Aktionäre mit qualifizierter Mehrheit vor. Seit kurzem ist nach LR 5.2.5(2)(b) zudem ein eigener Mehrheitsbeschluss (mit einfacher Mehrheit) der Minderheitsgesellschafter („independent shareholder“) erforderlich, sofern es in der Anteilsstruktur einen Aktionär gibt, der mindestens 30 % der Anteile hält (sog. „controlling shareholder“). Die für die Aufstellung der Listing Rules und für das Delisting zuständige Aufsichtsbehörde FCA hat die Einführung des doppelten Beschluss- und Mehrheitserfordernisses mit der Notwendigkeit eines effektiven Anlegerschutzes begründet.180 Insbesondere durch das eigene Beschlusserfordernis der Minderheitsgesellschafter möchte die FCA diesen ein angemessenes Mitspracherecht bei der Delistingentscheidung geben. Nach Ansicht der FCA ist eine Beteiligung der Minderheitsgesellschafter deshalb geboten, da es sich bei der Delistingentscheidung um eine Grundentscheidung („key decision“) handle.181 b) Übertragbarkeit auf das deutsche Recht Die Übertragung eines entsprechenden doppelten Mehrheitserfordernisses auf das deutsche Recht scheitert nicht bereits daran, dass die entsprechenden Beschlusserfordernisse der Hauptversammlung nach dem britischen System das einzige Anlegerschutzelement darstellen, in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG jedoch grundsätzlich eine Abfindungspflicht vorgesehen ist. Denn die (kapitalmarktrechtliche) Abfindungspflicht kann keine Entschädigung für den auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erfolgenden Einfluss auf das Mitgliedschaftsrecht der Anleger sein. Bei der Festlegung eines Hauptversammlungsbeschlusses für ein Delisting bietet es sich auch im deutschen Recht an, ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis festzulegen, um einen „Durchmarsch“ des Mehrheitsaktionärs zu verhindern. Die qualifizierte Mehrheit erscheint insbesondere aufgrund der Bedeutung der Börsen-

180

Siehe Kapitel 6 B. III. Pressemitteilung der FCA vom 5. 11. 2013, „The FCA strengthens the listing rules to enhance protection for shareholdes“, abrufbar unter http://www.fca.org.uk/news/the-fca-strengt hens-the-listing-rules-to-enhance-protection-for-shareholders (zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015). 181

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6. Kap.: Rechtsvergleichende Aspekte

zulassung für einzelne Anleger und die sachliche Nähe des Delistings zu den gesetzlichen Strukturmaßnahmen gerechtfertigt.182 Darüber hinaus sollte nach dem Vorbild der britischen Regelungen auch im deutschen Recht ein eigenes einfaches Zustimmungserfordernis der Minderheitsgesellschafter im Rahmen eines Sonderbeschlusses vorgesehen werden, wenn die Gesellschafterstruktur durch einen Mehrheitsaktionär bestimmt wird. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass in diesen Situationen auch die Minderheitsaktionäre angemessen in die Entscheidung über das Delisting einbezogen werden. Dem deutschen Recht ist ein eigenes Zustimmungserfordernis einer bestimmten Gesellschaftergruppe nicht fremd. Bestimmte Maßnahmen bzw. Hauptversammlungsbeschlüsse setzen zu ihrer Wirksamkeit einen Sonderbeschluss einzelner Aktionäre oder Aktionärsgruppen voraus.183 Ein Sonderbeschluss einzelner Aktionäre bzw. Aktionärsgruppen gemäß § 138 S. 1 AktG ist gesetzlich etwa vorgesehen, wenn (1) Hauptversammlungsbeschlüsse zu einer Beeinträchtigung der mit einer Gattung verbundenen besonderen Rechte führen (§ 141 AktG oder § 179 Abs. 3 AktG), (2) eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden soll und es mehrere Gattung stimmberechtigter Aktien gibt (§ 182 Abs. 2 AktG) und (3) Unternehmensverträge geändert werden sollen und es außenstehende Aktionäre gibt (§ 295 Abs. 2 AktG).184 Für die Frage, ab welcher Beteiligungshöhe eines einzigen Gesellschafters das eigene Zustimmungserfordernis der Minderheitsaktionäre eingreifen sollte, kann auf die in den britischen Regelungen vorgesehenen 30 % zurückgegriffen werden. So knüpft auch das bisherige deutsche Recht an verschiedenen Stellen besondere Rechtsfolgen an die Überschreitung der 30 %-Grenze durch einen Aktionär, so etwa im Übernahmerecht, wo bei einer 30 %-Beteiligung wegen der damit verbundenen Kontrollfunktion besondere Rechtsfolgen, insbesondere ein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG, ausgelöst werden. 2. Ergebnis Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass auch im deutschen Recht – zusätzlich zu der bestehenden Abfindungspflicht nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG – ein doppeltes Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung bei Delisting eingeführt werden sollte. Ein eigenes einfaches Beschlusserfordernis der Minder182

Hierfür auch Wicke, DNotZ 2015, 488, 496; auf Grundlage der Macrotron-Entscheidung eine qualifizierte Mehrheit fordernd bereits Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 89 m.w.N.; Spindler, in: Habersack/Hommelhoff (Hrsg.), Festschrift für Wulf Goette zum 65. Geburtstag, 2011, S. 513, 523. 183 Siehe nur Koch, in: Koch (Hrsg.), Aktiengesetz, 11. Aufl., 2014, § 138 AktG Rn. 2; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2015, § 138 AktG Rn. 5. 184 Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2015, § 138 AktG Rn. 5 ff.

D. Folgen für die Bewertung des deutschen Rechts

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heitsgesellschafter sollte aber nur in Fällen vorgesehen werden, in denen ein Gesellschafter mindestens 30 % der Anteile hält.

III. Ergänzungsvorschlag de lege ferenda Im Zuge der anstehenden Neubewertung der Schutzmechanismen des Delistings185 könnte der Gesetzgeber systematisch stimmig eine entsprechende Regelung in § 39 BörsG vorsehen. § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG sollte wie folgt ergänzt werden: „3Bei Wertpapieren im Sinne des § 2 Abs. 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes ist ein Widerruf nur zulässig, wenn 1. bei Antragstellung unter Hinweis auf den Antrag eine Unterlage über ein Angebot zum Erwerb aller Wertpapiere, die Gegenstand des Antrags sind, nach den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes veröffentlicht und die nach Absatz 3 Satz 5 erforderlichen Beschlüsse der Hauptversammlung gefasst wurden oder […]“

§ 39 Abs. 3 sollte um folgenden Satz 5 ergänzt werden: „5Ein Antrag nach Abs. 2 S. 1 darf in den Fällen des Abs. 2 S. 3 Nr. 1 nur gestellt werden, wenn die Hauptversammlung den Vorstand mit qualifizierter Mehrheit hierzu ermächtigt hat; in Fällen, in denen ein Aktionär mehr als 30 % der Anteile am Grundkapital hält, ist zudem ein Sonderbeschluss der übrigen Aktionäre nach Maßgabe des § 138 AktG mit einfacher Mehrheit erforderlich.“

185 Hierzu siehe nur die (auf den Rechtsschutz bezogenen) Ausführungen von Hirte in der 127. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. 10. 2015, Plenarprotokoll 18/127, S. 12385.

Siebentes Kapitel

§ 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung Aus praktischer Sicht stellen sich bei der Anwendung der Delisting-Regelung des § 39 Abs. 2 BörsG eine Reihe von spezifischen Fragen, die im Folgenden näher untersucht und einer Lösung zugeführt werden. Zunächst wird untersucht, ob die Börsenordnungen zusätzliche Vorgaben zum Anlegerschutz enthalten können (A.). Sind sämtliche Anlegerschutzvoraussetzungen eingehalten, stellt sich die Frage, ob der Börsengeschäftsführung bei der Widerrufsentscheidung ein Ermessensspielraum verbleibt (B.). Für die praktische Anwendung des § 39 Abs. 2 BörsG von besonderem Interesse ist, ob es über die in § 39 Abs. 2 BörsG für bestimmte Konstellationen des partiellen Delistings geregelten Fälle hinaus Situationen gibt, in denen die Angebotspflicht im Rahmen einer teleologischen Reduktion entbehrlich ist (C.). Wegen der unterschiedlichen Interessenlagen in Delisting- und reinen WpÜG-Situationen ist fraglich, ob in DelistingAngebotsverfahren – wie in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG vorgesehen – sämtliche WpÜG-Vorschriften einzuhalten sind (D.). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 WpÜG die erste Anleger- und Kapitalmarktinformation über das geplante Delisting ist, sodass das Verhältnis von § 10 Abs. 1 WpÜG und der Ad-hoc Publizitätspflicht aus Art. 17 MAR einer näheren Untersuchung bedarf (E.). Im Hinblick auf den bei Verstößen gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR gegebenen Zuzahlungsanspruch aus § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG ist fraglich, ob Anlegern bzw. Bietern ein Auskunftsanspruch über Verstöße gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR gegen den Emittenten zusteht (F.). Schließlich wird untersucht, ob in Delisting-Fällen parallele gesellschaftsrechtliche Anlegerschutzmechanismen eingreifen können (G.).

A. Vorgaben der Börsenordnungen Nach § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG hat der Gesetzgeber den Börsenordnungen weitere Detailregelungen des Delistings („nähere Bestimmungen über den Widerruf“) überlassen. Alle Börsen haben von der Ermächtigung des § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG Gebrauch gemacht und die Voraussetzungen des Delistings in der jeweiligen Börsenordnung1 geregelt. 1 Der Untersuchung liegen die folgenden Börsenordnungen in ihrer jeweils angegebenen Fassung zugrunde: Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse, in der Fassung vom

A. Vorgaben der Börsenordnungen

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I. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Damit die Börsengeschäftsführung die Anforderungen der jeweiligen Börsenordnung im Rahmen der Widerrufsentscheidung berücksichtigen kann, müssen diese rechtmäßig sein. 1. Satzungsautonomie Die Börsenordnung wird gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BörsG als Satzung erlassen.2 Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen und unterworfenen Personen erlassen werden.3 Mit der vom Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BörsG verliehenen Satzungskompetenz wird der Börse damit eine eigene, autonome Rechtssetzungsbefugnis übertragen4, die Teil ihrer Selbstverwaltung ist.5 Der Erlass der Börsenordnung ist damit ein Rechtssetzungsakt.6 Im Rahmen der Satzungsautonomie können durch die Satzung unmittelbar Rechte und Pflichten der Normunterworfenen begründet werden.7 Dabei sind die Börsen allerdings nicht in kontrollfreiem Raum,

3. 12. 2015 (im Folgenden „BörsO FWB“); Börsenordnung der Börse Berlin, in der Fassung vom 3. 3. 2015 (im Folgenden „BörsO Berlin“); Börsenordnung der Börse Düsseldorf, in der Fassung vom 18. 12. 2014 (im Folgenden „BörsO Düsseldorf“); Börsenordnung für die Börse München, in der Fassung vom 4. 7. 2015 (im Folgenden „BörsO München“); Börsenordnung der Hanseatischen Wertpapierbörse Hamburg, in der Fassung vom 10. 11. 2014 (im Folgenden „BörsO Hamburg“); Börsenordnung der Niedersächsischen Börse zu Hannover, in der Fassung vom 10. 11. 2014 (im Folgenden „BörsO Hannover“); Börsenordnung der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse, in der Fassung vom 28. 9. 2015 (im Folgenden „BörsO Stuttgart“); Börsenordnung der Tradegate Exchange, in der Fassung vom 15. 6. 2015 (im Folgenden „BörsO Tradegate“). 2 Zu der hinfälligen Streitfrage nach der Rechtsnatur der Börsenordnung siehe nur Schwark, in: ders. (Hrsg.), Börsengesetz, 2. Aufl., 1994, § 4 BörsG Rn. 2 f. 3 BVerfG, Beschl. v. 9. 5. 1972 – 1 BvR 518/62 und 308/64, BVerfGE 33, 125, 156; BVerfG, Urt. v. 14. 7. 1959 – 2 BvF 1/58, BVerfGE 10, 20, 49 f. 4 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, S. 77, § 4 Rn. 26; Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 12 BörsG Rn. 13. 5 Teilweise wird die Legitimation der Satzungsgewalt bei Anstalten des öffentlichen Rechts (wie die Börse eine ist, siehe § 2 BörsG) nicht aus dem Selbstverwaltungsgedanken, sondern aus der Übertragung von Organisationsgewalt bzw. aus der funktionellen Sonderstellung der Anstalt hergeleitet, vgl. Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2007, § 105 Rn. 27. 6 Groß, in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 16 BörsG Rn. 1; Kümpel, WM 1988, 1621, 1622 f.; Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, 1991, S. 23 f.; Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 12 BörsG Rn. 13. 7 Möstl, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2010, § 20 Rn. 13; zu daraus folgenden Einschränkungen siehe sogleich.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

denn die Börsenordnung bedarf der Genehmigung der zuständigen Börsenaufsichtsbehörde, § 16 Abs. 3 S. 1 BörsG.8 Speziell zur Regelung der näheren Voraussetzungen des Delistings in der Börsenordnung ist die Börse nach § 39 Abs. 2 S. 5 BörsG berechtigt und verpflichtet.9 2. Grenzen der Satzungsautonomie Die Börsenordnungen sind dem Gesetz nachgeordnet.10 Daher sind bei der Regelung des Delistings in der Börsenordnung die Vorgaben des § 39 Abs. 2 S. 2, S. 3 und Abs. 3 BörsG zu beachten. Dies folgt aus dem nach Art. 20 Abs. 3 GG11 geltenden Vorrang des Gesetzes. Dieser gilt auch bei Satzungen, denn diese stellen vom höherrangigen Recht abgeleitete Rechtsnormen dar.12 Der Vorrang des Gesetzes verbietet bei jedem Verwaltungshandeln einen Verstoß gegen bestehende Gesetze13, sodass sich der Satzungsgeber an die gesetzlichen Vorgaben halten muss.14 Die Delisting-Regelung in den Börsenordnungen darf daher nicht hinter der gesetzlichen Regelung in § 39 Abs. 2 BörsG zurückbleiben. Im Hinblick auf die Frage, ob die Börsenordnung über die Anforderungen der gesetzlichen Regelung in § 39 Abs. 2 BörsG hinausgehen darf, ist der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes zu beachten. Dieser gilt auch bei Satzungen. Nach dem Vorbehalt des Gesetzes darf die Verwaltung nur tätig werden, wenn sie dazu durch Gesetz ermächtigt worden ist.15 Im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes ist auch bei Satzungen der Wesentlichkeitsgrundsatz zu beachten.16 Bezogen auf Satzungen 8 Mayen, ZHR 179 (2015), 1, 6. Zum (gesetzlich nicht geregelten) Umfang der Kontrollbefugnis der Börsenaufsichtsbehörde siehe Schwark, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 16 BörsG Rn. 3. 9 Zur objektiv-rechtlichen Verpflichtung der Börsen siehe Mayen, ZHR 179 (2015), 1, 6. 10 Zur Normenhierarchie siehe Grzeszick, in: Herzog/Herdegen/Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2015, Art. 20 GG Rn. 72 ff.; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2007, § 101 Rn. 2. 11 Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. 12 Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2010, § 2 Rn. 57; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2007, § 105 Rn. 28. 13 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, S. 123, § 6 Rn. 2; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2007, § 101 Rn. 1, 9. 14 Der Vorrang des Gesetzes umfasst ein Anwendungsgebot und ein Abweichungsverbot. Sobald eine tatsächliche Situation von einem Gesetzestatbestand erfasst wird, müssen die Rechtsfolgen dieses Gesetzes angewandt werden, vgl. Gusy, JuS 1983, 189, 191. 15 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, S. 124, § 6 Rn. 3. 16 Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2010, § 2 Rn. 57; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, S. 78, § 4 Rn. 27.

A. Vorgaben der Börsenordnungen

191

betrifft der Wesentlichkeitsgrundsatz die Frage, welche Angelegenheiten der Gesetzgeber selber regeln muss und was er dem Satzungsgeber überlassen darf.17 3. Folgen eines Verstoßes der Börsenordnung gegen gesetzliche Regelungen Der Vorrang des Gesetzes wirkt sich dann aus, wenn ein Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Satzung als Willensäußerung niedrigeren Rechts besteht.18 Verstoßen Bestimmungen der Börsenordnung gegen höherrangiges Recht, hat dies grundsätzlich zur Folge, dass die entsprechenden Bestimmungen nicht nur unanwendbar, sondern nach überwiegender Ansicht auch nichtig sind.19 Verstoßen Bestimmungen der Börsenordnung daher gegen Vorschriften des § 39 Abs. 2 BörsG, sind die entsprechenden Normen der Börsenordnung nicht anzuwenden. Vielmehr hat die Börsengeschäftsführung dann direkt die gesetzlichen Vorschriften in § 39 Abs. 2 BörsG anzuwenden.

II. Rechtmäßigkeit und Anwendbarkeit der Börsenordnungen Im Folgenden wird untersucht, welche Regelungen in den Börsenordnungen rechtmäßig und damit anwendbar sind. 1. Frankfurter Wertpapierbörse Die Frankfurter Wertpapierbörse hat als einzige Börse ihre Börsenordnung mit Wirkung zum 3. 12. 2015 an die neue Delisting-Regelung in § 39 Abs. 2 BörsG

17 Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 478. Nach dem Wesentlichkeitsgrundsatz darf der Gesetzgeber wesentliche Entscheidungen nicht auf die Exekutive delegieren, sondern muss alle wesentlichen Regelungen selbst treffen. Dies gilt insbesondere für Eingriffe in Freiheit und Eigentum sowie für sonstige wesentliche Entscheidungen im Bereich der Grundrechtsausübung, in Bezug auf Satzungen Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., 2010, § 2 Rn. 57; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2007, § 105 Rn. 28. 18 BVerfG, Beschl. v. 28. 10. 1975 – 2 BvR 883/73, 2 BvR 379/74, 497/74, 526/74, BVerfGE 40, 237, 247; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2007, § 101 Rn. 9. 19 Ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2007, § 101 Rn. 9 f.; kritisch zum Nichtigkeitsdogma Grzeszick, in: Herzog/Herdegen/Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2015, Art. 20 GG Rn. 143 ff.; siehe auch Ossenbühl, NJW 1986, 2805 ff.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

angepasst. Zuvor war in § 46 BörsO FWB lediglich eine Fristenregelung vorgesehen.20 In § 46 BörsO FWB ist folgende Regelung für ein Delisting vorgesehen: „§ 46 Widerruf der Zulassung auf Antrag des Emittenten21 (1) 1Die Geschäftsführung kann die Zulassung von Wertpapieren zum regulierten Markt (General Standard) auf Antrag des Emittenten widerrufen, wenn der Schutz der Anleger einem Widerruf nicht entgegensteht. 2Bei Wertpapieren im Sinne des § 2 Absatz 2 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes ist ein Widerruf nur zulässig, wenn die Voraussetzungen 1. gemäß § 39 Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 BörsG, oder 2. gemäß § 39 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 a) BörsG, oder 3. gemäß § 39 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 b) BörsG vorliegen. […] (3) 1Ein Widerruf nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 wird mit einer Frist von drei Börsentagen nach dessen Veröffentlichung wirksam. 2In Fällen des Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 wird der Widerruf drei Monate nach dessen Veröffentlichung wirksam. […] […] (5) 1Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung und für die Bemessung der Fristen obliegt dem Emittenten. 2Die Geschäftsführung kann hierzu insbesondere die Vorlage geeigneter Erklärungen und Unterlagen verlangen. 3Liegt eine der Voraussetzungen des Absatz 1 oder nach Absatz 2 nach der Bekanntgabe des Widerrufs und vor dessen Wirksamwerden nicht mehr vor, kann die Geschäftsführung ihre Entscheidung widerrufen.“

§ 46 Abs. 1 BörsO FWB nimmt Bezug auf die in § 39 Abs. 2 BörsG genannten gesetzlichen Voraussetzungen eines freiwilligen Delistings. Die Frist, die den Anlegern zur Veräußerung der Wertpapiere im regulierten Markt nach Veröffentlichung bis zur Wirksamkeit des Widerrufs der Börsenzulassung (Widerrufsfrist) bleibt, ist in § 46 Abs. 3 BörsO FWB geregelt. Für den Fall eines vollständigen Delistings mit Abfindungsangebot und eines partiellen Delistings mit einer fortbestehenden Zulassung zum regulierten Markt einer inländischen Börse beträgt diese drei Börsentage, im Fall eines partiellen Delistings mit den Vorgaben des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 lit. b BörsG beträgt die Widerrufsfrist drei Monate. Eine Möglichkeit zur Fristverkürzung ist für Fälle des § 46 Abs. 1 BörsO FWB nicht 20 Anfänglich sah die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse (in weitgehender Übereinstimmung mit den übrigen Börsenordnungen) eine Verpflichtung zu einer Abfindungszahlung vor, vgl. auch Angaben bei Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 797 Fn. 11. Diese wurde mit Wirkung zum 26. 3. 2002, ein halbes Jahr vor der Macrotron-Entscheidung des BGH, durch eine Fristenregelung ersetzt; zu dieser Änderung siehe Beck/Hedtmann, BKR 2003, 190, 197 ff.; Holzborn, WM 2003, 1105, 1108; Holzborn/Schlößer, BKR 2002, 486 ff.; Streit, ZIP 2002, 1279, 1281 ff. 21 Satzziffern und Hervorhebungen von Verfasser hinzugefügt.

A. Vorgaben der Börsenordnungen

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vorgesehen, vgl. den nur bestimmte Fälle des § 46 Abs. 2 BörsO FWB betreffenden § 46 Abs. 4 BörsO FWB. Die Regelungen in § 46 Abs. 5 BörsO FWB sind identisch mit den Regelungen, die die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse bereits in der Fassung vom 8. 3. 2010 vorsah. Während § 46 Abs. 5 S. 1 und S. 2 BörsO FWB lediglich die bei dem Emittenten liegende Darlegungslast klarstellt, erweckt die Regelung in § 46 Abs. 5 S. 3 BörsO FWB zunächst besonderes Interesse. Dieser räumt der Börsengeschäftsführung die Möglichkeit ein, den Widerruf der Börsenzulassung vor dessen Wirksamwerden zu widerrufen, sollten die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 (oder Abs. 2) BörsO FWB nicht mehr vorliegen. § 46 Abs. 5 S. 3 BörsO FWB hat zunächst eine klarstellende Wirkung, da die Börsengeschäftsführung den Widerruf bei Wegfall der Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 4 (L)VwVfG widerrufen könnte. Voraussetzung ist allerdings, dass die einschränkenden Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 4 (L)VwVfG vorliegen. Die Anordnung in § 46 Abs. 5 S. 3 BörsO FWB ermöglicht der Börsengeschäftsführung aber zudem, den Widerruf nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 (L)VwVfG zurückzunehmen, ohne dass die vertrauensschützenden Voraussetzungen der § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 4 (L)VwVfG vorliegen müssen. Denn bei der als Satzung erlassenen Börsenordnung handelt es sich um eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 49 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 (L)VwVfG22, in der der Widerruf vorbehalten ist. Eine nicht das reguläre Delisting betreffende Regelung zum Widerruf einer Zulassung sieht § 55 BörsO FWB vor. Dieser betrifft lediglich den Widerruf der Zulassung zum Segment Prime Standard (offiziell „Teilbereich des regulierten Marktes mit weiteren Zulassungsfolgepflichten“). § 55 Abs. 3 BörsO FWB stellt klar, dass der Widerruf nach § 55 Abs. 1 (und Abs. 2) BörsO FWB die Zulassung zum regulierten Markt (General Standard) unberührt lässt. Daher sind die Anforderungen an einen Rückzug vom Prime Standard sehr gering. Erforderlich ist lediglich ein Antrag des Emittenten, woraufhin der Widerruf der Zulassung zum Prime Standard drei Monate nach Veröffentlichung wirksam wird, vgl. § 55 Abs. 1 BörsO FWB. Die entsprechenden Aktien sind nach diesem Zeitpunkt weiterhin im Standardsegment des regulierten Marktes (General Standard) zugelassen und notiert. Da sich die Delisting-Regelungen der BörsO FWB an den gesetzlichen Vorgaben orientieren bzw. auf diese explizit verweisen und nicht darüber hinausgehen, sind die Grenzen der Satzungsautonomie nicht überschritten. Die Regelungen in § 46 BörsO FWB sind daher rechtmäßig.

22 Hierzu siehe nur VGH München, Beschl. v. 31. 8. 1999 – 7 ZS 99.2168, NVwZ-RR 2000, 815; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., 2014, § 49 VwVfG Rn. 43 Fn. 138.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

2. Rechtmäßigkeit und Anwendbarkeit der übrigen Börsenordnungen Anders als die Frankfurter Wertpapierbörse haben die anderen Börsen ihre Börsenordnungen nicht an die neue Rechtslage angepasst. Daher ist fraglich, inwieweit die Regelungen der übrigen Börsenordnungen wirksam bzw. anwendbar sind. a) Verpflichtendes Abfindungsangebot Bestimmungen in Börsenordnungen, die für ein vollständiges Delisting kein verpflichtendes und der gesetzlichen Regelung in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 BörsG entsprechendes Abfindungsangebot vorsehen23, verstoßen gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes. Sie sind daher von der Börsengeschäftsführung nicht mehr anzuwenden. Bleiben die entsprechenden Regelungen in den Börsenordnungen hinter den Anforderungen des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 BörsG zurück, so hat die Börsengeschäftsführung entsprechend des Grundsatzes vom Vorrang des Gesetzes die gesetzlichen Vorschriften (und nicht die Börsenordnung) unmittelbar anzuwenden. b) Rechtmäßigkeit zusätzlicher Anforderungen in den Börsenordnungen Einige Börsenordnungen fordern für ein vollständiges Delisting zusätzlich einen Hauptversammlungsbeschluss.24 Fraglich ist, ob in den Börsenordnungen über die gesetzlichen Regelungen hinausgehende Anforderungen an das gesellschaftsrechtliche Zustandekommen der Entscheidung des Emittenten für einen Antrag auf ein Delisting wirksam sind. Maßgeblich hierfür ist die Reichweite der Ermächtigung in § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG.

23 Dies sind vor allem die Börsenordnungen, die bislang der sogenannten „Fristenlösung“ folgten: § 51 Abs. 2 Nr. 4 BörsO München (§ 51 Abs. 2 Nr. 3 BörsO München ist nicht zwingend ausgestaltet); § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BörsO Stuttgart; § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BörsO Tradegate. Ebenso die Börsenordnungen, die zwar ein Abfindungsangebot vorsahen, dieses aber nicht verpflichtend ausgestalteten: § 51 Abs. 2 BörsO Berlin; § 42 Abs. 2 lit. b BörsO Hamburg; § 43 Abs. 2 lit. b BörsO Hannover. Betroffen ist auch die BörsO Düsseldorf, die in § 56 Abs. 4 BörsO Düsseldorf schon bisher ein verpflichtendes Abfindungsangebot nach WpÜG vorsah. Allerdings geht § 39 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 BörsG über die Regelung in der BörsO Düsseldorf hinaus. 24 § 56 Abs. 4 BörsO Düsseldorf verlangt für ein vollständiges Delisting zusätzlich zu dem nunmehr gesetzlich erforderlichen Abfindungsangebot zwingend einen Hauptversammlungsbeschluss („darf … nur erfolgen“). In § 51 Abs. 2 Nr. 3 BörsO München ist für inländische Emittenten die Möglichkeit eines Widerrufs der Börsenzulassung vorgesehen, wenn neben einem (nunmehr gesetzlich erforderlichen) Abfindungsangebot eine Ermächtigung durch die Hauptversammlung erfolgt ist.

A. Vorgaben der Börsenordnungen

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aa) Reichweite des § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG Nach der Ermächtigungsnorm des § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG sind „nähere Bestimmungen über den Widerruf […] in der Börsenordnung zu treffen“. Die Ermächtigung ist offen formuliert und enthält keine Einschränkungen hinsichtlich des in den Börsenordnungen möglichen Regelungsumfangs, sodass die Regelung von gegenüber den gesetzlichen Anforderungen verschärfenden Voraussetzungen dem Wortlaut nach möglich ist. Systematisch bezieht sich die Ermächtigung in § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG jedoch lediglich auf die der Börse in § 39 Abs. 5 S. 2 BörsG eröffnete Möglichkeit, den Widerruf erst nach Ablauf einer Widerrufsfrist zu erlauben. Nach der bisherigen Rechtslage war allgemeine Meinung, dass sich die Ermächtigung auch auf die Konkretisierung des nach § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG aF erforderlichen Anlegerschutzes bezieht. Anders als nach der alten Regelung besteht jedoch kein systematischer Zusammenhang zwischen der Ermächtigung und der Regelung des § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG mehr. Zudem ist entscheidend, dass der Gesetzgeber nach der alten Rechtslage keine gesetzliche Konkretisierung des nach § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG erforderlichen Anlegerschutzes vorgenommen hatte. Diese Konkretisierung hat der Gesetzgeber nunmehr in § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG selbst vorgenommen. Die Konkretisierung des Anlegerschutzes in § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG ist abschließend.25 Dies ergibt sich zum einen aus der Gesetzesbegründung, nach der „erweiterte Mitentscheidungsrechte für die Aktionäre, wie sie die Rechtsprechung bislang durch den von ihr geforderten Hauptversammlungsbeschluss verlangte, […] vor dem Hintergrund der nunmehr vorgesehenen umfassenden kapitalmarktrechtlichen Schutzbestimmung nicht geboten“ sind.26 Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber das von ihm durch § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG geschaffene kapitalmarktrechtliche Schutzniveau insgesamt für ausreichend erachtet. Dann können aber die dem Gesetz lediglich nachgeordneten Börsenordnungen nicht darüber hinausgehen und die Anforderungen an ein Delisting durch die Aufnahme zusätzlicher gesellschaftsrechtlicher Erfordernisse ausweiten.27 Zudem ist bei der Bestimmung der Reichweite des § 39 Abs. 3 S. 5 BörsG zu beachten, dass kapitalmarktrechtliche Vorschriften primär auf einen Funktionsschutz abzielen.28 Denn das Kapitalmarktrecht regelt nicht das Funktionieren gesellschaftsinterner Abläufe, sondern das Funktionieren des Kapitalmarktes.29 Zusätz25 Zur abschließenden Regelung des Anlegerschutzes bei Delisting durch § 39 Abs. 2 und Abs. 3 BörsG siehe ausführlich Kapitel 7 G. 26 BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 27 Groß, AG 2015, 812, 814. 28 Hierzu siehe umfassend Kapitel 5 F. II. 2. a). 29 Schwark, in: Lutter/Mertens/Ulmer (Hrsg.), Festschrift für Werner Stimpel zum 68. Geburtstag, 1985, S. 1087, 1091.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

liche gesellschaftsrechtliche Anforderungen betreffen jedoch originär das Organisationsrecht der Aktiengesellschaft.30 Damit ist die Aufstellung zusätzlicher gesellschaftsrechtlicher Anforderungen im Rahmen der Ermächtigung des § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG nicht von der kapitalmarktrechtlichen Schutzrichtung gedeckt. Zu berücksichtigen sind auch die durch den Vorbehalt des Gesetzes gesetzten Grenzen. Im Rahmen des auch bei Satzungen greifenden Wesentlichkeitsgrundsatzes sind hierbei insbesondere auch grundrechtliche Wertungen zu beachten. Angesichts der bereits erfolgten umfassenden Regelung des Anlegerschutzes in § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG ist die Unternehmensfreiheit des Emittenten aus Art. 12 Abs. 1 GG in den Blick zu nehmen. Diese darf im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur soweit eingeschränkt werden, wie dies zur Erreichung eines angemessenen Anlegerschutzniveaus unbedingt erforderlich ist. Damit sprechen auch schutzwürdige Belange des Emittenten dafür, dass in den Börsenordnungen aufgrund der Ermächtigung des § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG keine weiterreichenden gesellschaftsrechtlichen Anforderungen festgelegt werden dürfen. bb) Ergebnis In den Börsenordnungen können keine über die gesetzlichen Regelungen des Anlegerschutzes hinausgehende Anforderungen aufgestellt werden. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Gesetzgeber den Anlegerschutz bei Delisting umfassend in § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG geregelt hat, zum anderen aus der kapitalmarktrechtlichen (und nicht gesellschaftsrechtlichen) Schutzrichtung der Ermächtigung des § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG sowie den zu beachtenden Grundrechten des Emittenten. Bisher in den Börsenordnungen vorgesehene zusätzliche Anforderungen an ein Delisting sind daher nicht von der Ermächtigung des § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG umfasst und entfalten damit keine Wirkung. c) Unanwendbarkeit der Regelungen zu partiellem Delisting und Downlisting Soweit in den Börsenordnungen von § 39 Abs. 2 BörsG abweichende Regelungen zu einem partiellen Delisting31 oder Downlisting32 vorgesehen sind, so sind auch 30

Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 390 f. stellt fest, dass das AktG in wesentlichen Teilen Innenrecht regelt – genau hierum geht es bei Mitentscheidungsbefugnissen. 31 Siehe § 51 Abs. 2 S. 3 BörsO Berlin, § 56 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 BörsO Düsseldorf, § 51 Abs. 2 Nr. 1 BörsO München, § 42 Abs. 2 lit. a) BörsO Hamburg, § 43 Abs. 2 lit. a) BörsO Hannover, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BörsO Stuttgart, § 19 Abs. 1 Nr. 1 BörsO Tradegate. 32 Einige Börsenordnungen enthalten für Fälle des Downlistings erhebliche Erleichterungen gegenüber den regulären Delisting-Regelungen. Nach § 56 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S. 2 BörsO Düsseldorf bedarf es für ein Downlisting in das Freiverkehrssegment „Primärmarkt“ weder eines Hauptversammlungsbeschlusses noch eines Abfindungsangebots. Der Gefahr eines abgestuften Delistings soll durch die Regelung in § 56 Abs. 3 S. 2 BörsO Düsseldorf begegnet

A. Vorgaben der Börsenordnungen

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diese wegen des Vorrangs des Gesetzes nicht anzuwenden. Vielmehr ist auf die gesetzliche Regelung des § 39 Abs. 2 BörsG zurückzugreifen. Hiernach ist auch für ein Downlisting ein Abfindungsangebot erforderlich, da § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG an jede Beendigung der Zulassung im regulierten Markt anknüpft. Für ein partielles Delisting ohne Abfindungspflicht müssen die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 (Zulassung an einer inländischen Börse oder in einem EU/EWR-Staat mit vergleichbaren Anlegerschutzvorschriften) BörsG gegeben sein. 3. Ergebnis Bei Börsenordnungen, die keine verpflichtende und den Vorgaben des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 BörsG entsprechende Abfindungspflicht vorsehen, greift der Vorrang des Gesetzes. Bei ihrer Entscheidung über den Widerruf hat die Börsengeschäftsführung daher trotz anderslautender Vorgaben in der jeweiligen Börsenordnung die gesetzlichen Regelungen anzuwenden. Weitergehende Regelungen in den Börsenordnungen wie etwa das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses sind nicht zulässig und unwirksam. Andere Regelungen in den Börsenordnungen, die nicht mit dem Gesetz in Konflikt stehen, sind und bleiben weiterhin wirksam. Hierzu zählen insbesondere die Fristenbestimmungen, die die Zeit bis zur Wirksamkeit des Widerrufs festlegen.

III. Widerrufsfristen Zur Verwirklichung eines effektiven Anlegerschutzes gehört die Möglichkeit der Wertpapierinhaber, ihre investierten Mittel durch Veräußerung am Sekundärmarkt liquidieren zu können.33 Dies zeigt auch eine rechtsvergleichende Betrachtung. Das US-amerikanische Recht sieht für ein Delisting in Sec. 12(b) SEA eine Frist von 90

werden, wonach der Vorstand eine Erklärung über die Nichtbeabsichtigung des Rückzugs aus dem Freiverkehr innerhalb des nächsten Jahres abgeben muss. § 51 Abs. 2 Nr. 2 BörsO München sieht für ein Downlisting in das Freiverkehrssegment m:access Erleichterungen bei der Widerrufsfrist vor. Auch § 42 Abs. 2 lit. d) BörsO Hamburg und § 43 Abs. 2 lit. d) BörsO Hannover sehen spezielle Downlisting-Regelungen vor. 33 Dies für einen unternehmensrechtlichen Anlegerschutz feststellend Ekkenga, Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 1998, S. 22; allgemein auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., 1996, S. 109 („… individuelle[n] Anlageentscheidung, die gegebenenfalls auch in der Entscheidung zur Desinvestition bzw. Umschichtung bestehen kann.“). In diese Richtung auch bereits BT-Drucks. 13/8933, S. 75 (Begr. RegE zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz)): Im Rahmen des Anlegerschutzes ist hiernach zu berücksichtigen, dass „die Inhaber der Wertpapiere diese in dem Vertrauen erworben haben, die Wertpapiere zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder an einem organisierten Kapitalmarkt, der gewissen Mindestanforderungen genügt, veräußern zu können.“

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

Tagen vor. Auch im britischen Recht wird ein Delisting erst nach 20 Werktagen wirksam, vgl. LR 5.2.5(1). Dass die Börsen die Wirksamkeit eines Widerrufs hinauszögern können, zeigt bereits § 39 Abs. 5 S. 2 BörsG. Nach derzeitigem Stand sind die Widerrufsfristen in den einzelnen Börsenordnungen sehr unterschiedlich geregelt. 1. Vollständiges Delisting Im Fall eines vollständigen Delistings erfolgt der Widerruf entweder „drei Börsentage“34, „regelmäßig sechs Monate“35, „mindestens sechs Monate“36, „höchstens ein Jahr“37, „mindestens ein Jahr“38, „höchstens zwei Jahre“39 oder „zwei Jahre“40 nach Bekanntgabe. Bis auf die Börse Berlin ist in allen Börsenordnungen eine Möglichkeit der Fristverkürzung auf Antrag des Emittenten vorgesehen, sofern dies „dem Interesse der Anleger nicht zuwiderläuft“41. Eine Sonderrolle nimmt die Börse Düsseldorf ein. Nach § 57 Abs. 2 BörsO Düsseldorf liegt es im Ermessen der Geschäftsführung, von den vorgesehenen Regelfristen in beide Richtungen abzuweichen, wenn dies „sachdienlich ist und dem Schutz der Anleger nicht zuwiderläuft [Anm.: Fristverkürzung] oder zum Schutz der Anleger geboten erscheint [Anm.: Fristverlängerung]“. Es ist davon auszugehen, dass die Börsengeschäftsführungen in Anbetracht der gesetzlich vorgesehenen Abfindungspflicht von der ihnen eröffneten Möglichkeit, die vorgesehenen Fristen zu verkürzen, Gebrauch machen werden. 2. Partielles Delisting Alle Börsenordnungen sehen für den Fall des partiellen Delistings spezielle Fristen vor. Regelmäßig wird hinsichtlich der Widerrufsfrist weiter danach differenziert, ob das Wertpapier weiterhin an einem inländischen oder nur an einem

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§ 46 Abs. 3 S. 1 BörsO FWB. § 57 Abs. 1 S. 3 BörsO Düsseldorf. 36 § 22 Abs. 2 S. 3 BörsO Stuttgart. 37 § 51 Abs. 3 S. 2 BörsO München (bei kumulativem Vorliegen von Hauptversammlungsbeschluss und Abfindungsangebot). 38 § 19 Abs. 2 S. 3 BörsO Tradegate. 39 § 51 Abs. 3 S. 3 BörsO München. 40 § 42 Abs. 7 S. 3 BörsO Hamburg; § 43 Abs. 7 S. 3 BörsO Hannover. 41 Siehe § 51 Abs. 3 S. 4 BörsO München; § 22 Abs. 2 S. 4 BörsO Stuttgart; § 19 Abs. 2 S. 3 BörsO Tradegate; § 42 Abs. 7 S. 4 BörsO Hamburg; § 43 Abs. 7 S. 4 BörsO Hannover. 35

A. Vorgaben der Börsenordnungen

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ausländischen organisierten Markt zugelassen bleibt. Teilweise ist auch keinerlei Frist vorgesehen, sodass der Widerruf sofort mit Veröffentlichung wirksam wird.42 Bleibt eine Zulassung an einem inländischen organisierten Markt bestehen, erfolgt der Widerruf entweder sofort „mit Veröffentlichung“43, „mit einer Frist von drei Börsentagen“44, „sechs Monate“45 oder „höchstens ein Jahr“46 nach Veröffentlichung. Die Börsenordnungen der Börse Stuttgart47 und der Börse Tradegate Exchange48 sehen für den Fall einer fortbestehenden Zulassung an einer inländischen Börse keine Regelung vor; geregelt ist nur der Fall des Fortbestehens einer Zulassung an einem ausländischen organisierten Markt und das vollständige Delisting. Da damit sämtliche weiteren Delisting-Tatbestände explizit geregelt sind, lässt sich hieraus schließen, dass der Widerruf bei fortbestehender Zulassung an einer inländischen Börse sofort wirksam wird. Die Widerrufsfristen bei einer fortbestehenden Zulassung nur an einem ausländischen organisierten Markt reichen von drei Monaten49, sechs Monaten50 bis zu (höchstens51) einem Jahr52. Soweit einzelne Börsenordnungen für ein partielles Delisting einschränkende Voraussetzungen vorsehen53, werden diese nunmehr überlagert durch die gesetzliche Regelung in § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG.54 42 Dies ist vor dem Hintergrund des von § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG zu beachtenden Anlegerschutzes unerheblich, da weiterhin eine Handelsmöglichkeit an einem regulierten Markt bestehen bleibt. 43 §§ 57 Abs. 1 S. 1, 56 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BörsO Düsseldorf. 44 § 46 Abs. 3 S. 1 BörsO FWB. 45 § 42 Abs. 7 S. 1 BörsO Hamburg, § 43 Abs. 7 S. 1 BörsO Hannover, beide mit der zusätzlichen Einschränkung, dass „an diesem [inländischen Markt] der Anlegerschutz in gleicher Weise, insbesondere im Hinblick auf dortige Fälle eines Widerrufs der Börsenzulassung, gewährleistet ist“. 46 § 51 Abs. 3 S. 2, Abs. 2 Nr. 1 BörsO München; genaue Bestimmung der Geschäftsführung der Börse überlassen. 47 Fristenregelung in § 22 Abs. 2 BörsO Stuttgart. 48 Fristenregelung in § 19 Abs. 2 BörsO Tradegate. 49 § 46 Abs. 3 S. 2 BörsO FWB, §§ 57 Abs. 1 S. 2, 56 Abs. 3 Nr. 2 BörsO Düsseldorf, § 22 Abs. 2 S. 1 BörsO Stuttgart. 50 § 19 Abs. 2 S. 1 BörsO Tradegate. 51 § 51 Abs. 3 S. 1 BörsO München. 52 § 42 Abs. 7 S. 2 BörsO Hamburg, § 43 Abs. 7 S. 2 BörsO Hannover. 53 § 56 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Halbsatz 2 und S. 2 BörsO Düsseldorf erfordert neben dem Handel an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG, dass keine ernsthaften Zweifel bestehen, dass die Belange der Anleger dort hinreichend gewahrt werden“ sowie eine schriftliche Erklärung des Vorstands, dass an den Märkten, an denen die Aktien weitergehandelt werden sollen, innerhalb des nächsten Jahres kein Verfahren zum Widerruf der Zulassung (bzw. Einbeziehung) eingeleitet wird. § 42 Abs. 7 S. 1 BörsO Hamburg und § 43 Abs. 7 S. 1 BörsO Hannover für ein partielles Delisting eine Frist von sechs Monaten vor, die jedoch nur dann gilt, „wenn an [dem] Markt [der anderen inländischen Börse] der Anleger-

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

Keine explizite Fristenbestimmung oder weitere Differenzierung zwischen fortbestehender Zulassung an inländischen oder ausländischen Märkten erfolgt in der Börsenordnung der Börse Berlin. § 51 Abs. 2 S. 3 BörsO Berlin stellt den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs in das Ermessen der Geschäftsführung „unter Berücksichtigung des Schutzes der Anleger“.

IV. Ergebnis § 39 Abs. 5 S. 3 BörsG ermächtigt die Börsen, nähere Bestimmungen über den Widerruf in der Börsenordnung zu treffen. Hierbei müssen sich die Börsenordnungen aber im Rahmen der Satzungsautonomie bewegen und insbesondere den Vorrang des Gesetzes wahren. Die Börsenordnungen können keine über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen (wie das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses) enthalten, da § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG den Anlegerschutz abschließend regelt. Entsprechende Vorschriften der Börsenordnungen sind nichtig. Sieht die jeweilige Börsenordnung ein geringeres Anlegerschutzniveau als die gesetzliche Regelung vor, hat die Börsengeschäftsführung das Gesetz anzuwenden. Die in den Börsenordnungen bisher vorgesehenen Widerrufsfristen können weiterhin angewandt werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Börsenordnungen auf die veränderte gesetzliche Rechtslage reagieren.

B. Ermessensentscheidung der Börsengeschäftsführung Der Widerruf der Börsenzulassung ist vom Gesetzgeber in § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG als Ermessensentscheidung der jeweiligen Börsengeschäftsführung ausgestaltet.

I. Abzuwägende Interessen Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind das im Antrag zum Ausdruck kommende Rückzugsinteresse des Emittenten und das Schutzinteresse der Anleger schutz in gleicher Weise, insbesondere im Hinblick auf dortige Fälle eines Widerrufs der Börsenzulassung, gewährleistet ist wie nach dieser Vorschrift.“ 54 Dies gilt insbesondere für die Regelungen in § 42 Abs. 7 S. 1 BörsO Hamburg und § 43 Abs. 7 S. 1 BörsO Hannover. Beide BörsO haben in der Regel ein Kaufangebot für notwendig erachtet. Dieses ergibt sich nunmehr aus der gesetzlichen Regelung des § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG für ein Delisting von jeder inländischen Börse.

B. Ermessensentscheidung der Börsengeschäftsführung

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gegeneinander abzuwägen.55 Das Schutzinteresse der Anleger richtet sich regelmäßig auf die Aufrechterhaltung der Börsenzulassung.56 Außer den Interessen der Anleger und des Emittenten dürfen im Rahmen der Abwägung keine weiteren Interessen berücksichtigen werden. So haben etwaige Eigeninteressen der Börse an der Aufrechterhaltung möglichst vieler Börsenzulassungen, die Interessen betroffener Intermediäre oder Handelsteilnehmer außen vor zu bleiben.57

II. Ermessensreduktion auf Null Auch wenn einer der in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BörsG genannten Fälle vorliegt, steht die Entscheidung über den Widerruf der Börsenzulassung nach der gesetzlichen Konzeption im Ermessen der jeweiligen Börsengeschäftsführung. Dies hat zur Folge, dass die Börsengeschäftsführung den Antrag auf Widerruf der Zulassung ablehnen kann, obwohl die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 BörsG erfüllt sind und der Widerruf nicht dem Anlegerschutz widerspricht. Ein Blick auf den Entscheidungsspielraum der im US-amerikanischen und britischen Recht über das Delisting jeweils entscheidenden Stelle ist uneinheitlich. Im US-amerikanischen Recht steht der SEC ein weiter Ermessensspielraum bei der Festlegung weiterer Anforderungen zu, der in der Praxis allerdings nicht genutzt wird. Im britischen Recht hingegen steht der FCA kein Ermessensspielraum bei der Entscheidung zu, ob das Delisting bei Vorliegen der Voraussetzungen in den Listing Rules erfolgen soll. Vielmehr hat der Emittent einen Anspruch auf Durchführung des Delistings, sofern die in den Listing Rules aufgestellten Voraussetzungen vorliegen. Auch im deutschen Recht kommt eine Ermessensreduktion auf Null in Betracht, sofern die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 BörsG erfüllt sind. Im deutschen Recht hat der Emittent bei einer Ermessensentscheidung nach allgemeinen Grundsätzen keinen Anspruch auf den Widerruf, sondern lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.58 Der Anspruch des Emit55 Groß, in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 15; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 15; Pötzsch, WM 1998, 949, 952; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 489; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 112. 56 Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 112; Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613, 1618. 57 Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 13; Groß, in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 15; Hopt, in: Basedow/Hopt/Kötz (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Drobnig, 1998, S. 525, 535; Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 671; Klenke, WM 1995, 1089, 1100; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 112; Pötzsch, WM 1998, 949, 952; Richard/Weinheimer, BB 1999, 1613, 1618. 58 Zum Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung und zur Ermessensreduzierung auf Null siehe nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, S. 182 f., § 8 Rn. 15 und S. 151, § 7 Rn. 24 f.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

tenten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung kann jedoch zu einem Anspruch auf Widerruf erstarken, wenn das Ermessen der Börsengeschäftsführung auf Null reduziert ist. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt dann vor, wenn die Wahlmöglichkeit der Behörde auf der Rechtsfolgenseite so sehr eingeschränkt ist, dass nur noch eine Entscheidung ermessensfehlerfrei ist und alle anderen Entscheidungen ermessensfehlerhaft wären. In diesem Fall besteht ein subjektiv einklagbarer Anspruch gegen die Behörde auf Vornahme der einzig verbleibenden rechtsfehlerfreien Handlung. Eine Ermessensreduktion auf Null kommt insbesondere durch die Einwirkung von Grundrechten in Betracht.59 Sind die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 BörsG gegeben, liegt eine Ermessensreduktion auf Null vor60, denn die Entscheidung des Emittenten, den Widerruf der Börsenzulassung zu beantragen, ist von der Berufsfreiheit in Gestalt der unternehmerischen Handlungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) geschützt.61 Diese umfasst sowohl die Freiheit des Zugangs zur wie auch die Freiheit des Rückzugs von der Börse.62 Unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darf die unternehmerische Handlungsfreiheit des Emittenten aus Art. 12 Abs. 1 GG nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für die Wahrung des Anlegerschutzes erforderlich ist. Liegen die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 BörsG aber vor, ist der Anlegerschutz gewahrt. Daher kann es im Hinblick auf die Grundrechte des Emittenten und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur noch eine zulässige Entscheidung der Börsengeschäftsführung geben, nämlich den Widerruf der Börsenzulassung, sodass eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt. Damit hat der Emittent einen Anspruch auf Widerruf der Börsenzulassung, wenn die Anlegerschutzvoraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 BörsG eingehalten sind.

III. Ergebnis Im Rahmen der Ermessensentscheidung hat die Börsengeschäftsführung die Interessen der Anleger sowie des Emittenten gegeneinander abzuwägen. Vorgaben für die Abwägung macht § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG, wonach der Widerruf nicht dem Schutz

59

Ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl., 2011, S. 151, § 7 Rn. 24 f. Im Ergebnis ebenso Groß, AG 2015, 812, 815; Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 775; dies während des Gesetzgebungsverfahrens noch als Forderung an den Gesetzgeber formulierend Brellochs, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 20; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 731. 61 Siehe nur BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 132, Rn. 88 („MVS/Lindner“); Fluck, WM 1995, 553, 554, 556; Holzborn/Schlößer, BKR 2002, 486, 488; Hopt, in: Basedow/Hopt/Kötz (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Drobnig, 1998, S. 525, 534; Seiffert, in: Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rn. 4.479. 62 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 132, Rn. 88; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 121. 60

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht

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der Anleger widersprechen darf. Zwingend zu berücksichtigen sind die gesetzlichen Voraussetzungen des Delistings in § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG. Liegen sämtliche Voraussetzungen vor, ist dem Anlegerschutz grundsätzlich Genüge getan, sodass ein Widerruf zu erfolgen hat, da eine Ermessensreduktion auf Null gegeben ist.

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht Nach § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG ist bei jedem Ausscheiden aus dem regulierten Markt ein Abfindungsangebot nach modifizierten WpÜG-Regeln zu unterbreiten. Ausnahmen sind in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BörsG nur für bestimmte Fälle des partiellen Delistings enthalten. Weitere gesetzliche Ausnahmen von der Angebotspflicht sind nicht vorgesehen. Es sind aber weitere Situationen denkbar, in denen aus teleologischen Erwägungen eine Angebotspflicht entbehrlich ist. In Betracht kommt eine teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG.

I. Grundlagen 1. Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion Im Rahmen einer teleologischen Reduktion wird ein verglichen mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zu weit gefasster und undifferenzierter Wortlaut auf den Anwendungsbereich reduziert, der ihr nach dem eigenen Regelungszweck oder nach dem Sinnzusammenhang des Gesetzes entspricht.63 Eine teleologische Reduktion ist dann geboten, wenn eine gesetzliche Regelung ihrem Wortlaut nach anwendbar wäre, sie aber gemäß des ihr zugrunde liegenden Sinn und Zwecks nach nicht passt, „weil sie die für die Wertung gerade dieser Fälle relevante Besonderheit derselben außer Acht lässt“.64 Es besteht daher eine verdeckte Lücke, die in dem Fehlen einer Einschränkung besteht. Die Ausfüllung einer solchen Lücke erfolgt dadurch, dass die vermisste Einschränkung im Wege einer teleologischen Reduktion der Norm hinzugefügt wird.65

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Kramer, Juristische Methodenlehre, 3. Aufl., 2010, S. 213; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 210 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl., 2012, S. 56 f. 64 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 198, 210 f. 65 Dies., Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 198.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

Eine verdeckte Lücke liegt aber dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber diese Regelung bewusst unterlassen hat.66 Eine teleologische Reduktion ist in diesen Fällen nicht möglich. 2. Sinn und Zweck des verbindlichen Erwerbsangebots bei Delisting Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Frage, was der Gesetzgeber durch die Einführung des verbindlichen Abfindungsangebots bei Delisting bezweckt. Mit der umfassenden gesetzlichen Regelung des Delistings will der Gesetzgeber Schutzlücken im Anlegerschutz, die durch die Frosta-Entscheidung des BGH entstanden sind, beseitigen.67 Angesichts eines starken Anstiegs der Börsenrückzüge und „erhebliche[r] Kursverluste“ in der Zeit zwischen der Ankündigung und dem Wirksamwerden des Delistings bezweckt der Gesetzgeber mit der grundsätzlichen Abfindungspflicht bei Delisting eine „gesetzliche Verbesserung des Anlegerschutzes“ und die Gewährleistung eines „umfassenden Schutzes“ für Anleger.68 Die gesetzliche Regelung soll daher der besonderen Schutzbedürftigkeit der Anleger bei Delisting Rechnung tragen. Durch die Statuierung einer umfassenden Abfindungspflicht zielt der Gesetzgeber darauf ab, die Anleger vor den möglichen negativen Folgen eines Delistings zu schützen. Eine teleologische Reduktion kommt in Situationen in Betracht, in denen Anleger trotz eines Delistings nicht schutzbedürftig sind und der Anlegerschutz durch ein verbindliches Erwerbsangebot daher nicht erforderlich ist.

II. Vorangegangene Übernahmeangebote Aufgrund mangelnder Schutzbedürftigkeit der Anleger bei Delisting kommt eine teleologische Reduktion der Angebotspflicht nach dem WpÜG dann in Betracht, wenn die Anleger zeitnah vor dem Delisting bereits im Rahmen eines Übernahmeangebots nach dem WpÜG zu angemessenen Konditionen aus der Gesellschaft ausscheiden konnten.

66

Dies., Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 220 f. Vgl. nur die Ausführungen von Middelberg in der 127. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. 10. 2015, Plenarprotokoll 18/127, S. 12379. 68 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 67

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht

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1. Abfindungsangebot bei Übernahmeangeboten Im Rahmen von öffentlichen Übernahmen im Sinne des § 29 WpÜG69 ist den Anlegern eine Angebotsunterlage vorzulegen, bei der sich Art und Höhe der zu gewährenden Gegenleistung nach Maßgabe der §§ 31 WpÜG, 3 ff. WpÜG-AVO richten. Diese entspricht im Wesentlichen der im Rahmen eines Delistings vorzulegenden Angebotsunterlage, da § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG auf die Vorschriften des WpÜG verweist. 2. Übernahmeangebot und Delisting Die Konstellation eines auf ein Übernahmeangebot folgenden Delistings ist nicht ganz ungewöhnlich. Es ist denkbar, dass der Übernehmer im Nachgang der öffentlichen Übernahme die mit der Zulassung verbundenen Kosten70 einsparen will, noch bevor er (sofern die Voraussetzungen gegeben sind bzw. überhaupt) ein Squeeze-Out durchführt.71 3. Teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG In Betracht kommt in diesen Fällen eine teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG. a) Fehlende Schutzbedürftigkeit der Aktionäre Aktionäre, die ein zeitnah vor dem Delisting abgegebenes Übernahmeangebot zu angemessenen Konditionen nicht angenommen haben, sind nicht schutzbedürftig.72 Infolge eines erfolgreichen Übernahmeangebots kommt es regelmäßig zu einem Kontrollwechsel in der Gesellschaft. Wer als Minderheitsaktionär das Übernahmeangebot nicht annimmt, sondern seine Aktien in der Hoffnung auf eine höhere 69 Nach § 29 Abs. 1 WpÜG gelten die besonderen Anforderungen an Übernahmeangebote, wenn das Angebot auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet ist. § 29 Abs. 2 WpÜG geht von der Kontrolle an einer Gesellschaft aus, wenn mindestens 30 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft gehalten werden. 70 Hierzu siehe Kapitel 3 B. I. 2. 71 Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2254. 72 Für die Aufnahme einer solchen Ausnahme in die gesetzliche Regelung haben sich ausgesprochen Bayer, ZfPW 2015, 163, 220; ders., ZIP 2015, 853, 856; Brellochs, AG 2014, 633, 644; Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 377; Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253; Heldt/Royé, AG 2012, 660, 672 f.; Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 732; Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 7; Seibt, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 8 f.; kritischer Noack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8 f. („[…] nicht wesentlich geboten, wenn die Abfindung aus dem gewichteten Börsenkurs besteht.“); gegen eine entsprechende gesetzliche Regelung beispielhaft: Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 8 f.

206

7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

Rendite behält, muss wie bei jeder Kapitalanlage auch die Risiken dieser Entscheidung tragen.73 Bei einem Kontrollerwerb müssen Investoren, die kein vorheriges Übernahmeangebot abgegeben haben, ein Pflichtangebot abgeben, vgl. § 35 WpÜG. Nach § 29 Abs. 2 WpÜG liegt ein Kontrollerwerb bereits bei einer Beteiligung von 30 % vor. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bereits dann die Geschicke des Unternehmens von dem Kontrollerwerber maßgeblich beeinflusst werden können. Die gesetzlichen Regelungen verlagern die Abfindungspflicht bei Kontrollerwerb daher sehr weit nach vorne, sodass ein späteres Delisting als im ursprünglichen Angebot angelegt und abgegolten angesehen werden kann.74 Eine Folge eines erfolgreichen Übernahmeangebots ist die Verringerung des Streubesitzes. Gerade bei Aktiengesellschaften mit geringem Streubesitz ist aber verstärkt mit einem Delisting zu rechnen75, da sich dieses mit Blick auf den zu erwartenden geringeren Börsenhandel geradezu aufdrängt.76 Aktionäre, die ein angemessenes Übernahmeangebot nicht angenommen haben, haben die Möglichkeit, ihre Anteile zu üblichen Marktkonditionen zu veräußern, nicht wahrgenommen. Der Aktionär kann darauf spekulieren, dass der frühere Bieter zur Erreichung seines Ziels bereit ist, die Anteile später zu einem höheren Preis zu erwerben.77 Wer sich hierauf einlässt und seine Aktien trotz der Mehrheitsbeteiligung eines Aktionärs weiter hält, muss aber mit dem Risiko leben, dass nach der Übernahme ein Delisting erfolgen kann. Tatsächlich wird seitens des Bieters in den Übernahmeangeboten regelmäßig auf die spätere Möglichkeit eines Delistings hingewiesen.78 Eine „zweite Chance“, später nochmals zu Marktkonditionen aus der Gesellschaft auszuscheiden, ist zur Erreichung eines angemessenen Anlegerschutzes daher nicht mehr erforderlich.79 Das nach dem durchschnittlichen gewichteten Börsenkurs der letzten sechs Monate bestimmte Abfindungsangebot ist in beiden 73 74 75

I. 4. 76

Brellochs, AG 2014, 633, 644. Heldt/Royé, AG 2012, 660, 672. Zu geringem Streubesitz als möglichem Grund für ein Delisting siehe bereits Kapitel 3 B.

Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 377. Dies., AG 2015, 373, 377. 78 Im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots auf die Möglichkeit eines Delistings hinweisend etwa Angebotsunterlage der Finedining GmbH bezüglich des freiwilliges öffentliches Erwerbsangebot über Aktien der WMF AG vom 14. 7. 2014, S. 22 (abrufbar unter http:// www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Angebotsunterlage/wmf.html); Angebotsunterlage der Deutsche Annington Immobilien SE bezüglich des freiwilliges öffentliches Erwerbsangebot über Aktien der GAGFAH S.A. vom 19. 12. 2014, S. 91 f. (abrufbar unter http://www. bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Angebotsunterlage/gagfah.html); Angebotsunterlage der REG European Holdings B.V. bezüglich des freiwilliges öffentliches Erwerbsangebot über Aktien der PETROTEC AG vom 19. 1. 2015, S. 22 (abrufbar unter http://www.bafin.de/Shared Docs/Downloads/DE/Angebotsunterlage/petrotec.html) (sämtlich zuletzt geprüft am 15. 1. 2016). 79 Noch schärfer Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 377 (Anleger habe eine zweite Chance nicht verdient). 77

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht

207

Fällen nahezu identisch (sofern keine Kursbeeinflussung nach § 39 Abs. 3 S. 3 bzw. illiquider Handel nach § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG vorliegt), sodass es zu einer nicht gerechtfertigten Doppelung der Angebote kommen würde.80 b) Entgegenstehender Wille des Gesetzgebers In dem von den Fraktionen am 31. 8. 2015 kurz vor der Anhörung im Finanzausschuss vorgelegten Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie war eine entsprechende Ausnahme von der Abfindungspflicht bei einem vorangegangenen Übernahmeangebot noch vorgesehen.81 Im Hinblick auf die während des Gesetzgebungsverfahrens geäußerte Kritik hat sich der Gesetzgeber jedoch bewusst entschieden, für ein vorhergehendes Übernahmeangebot keine Ausnahme von der Abfindungspflicht vorzusehen.82 Es wurde vorgebracht, dass Anleger sonst bei jedem Übernahmeangebot einem faktischen Zwang ausgesetzt wären, das Übernahmeangebot vor dem Hintergrund eines später jederzeit drohenden abfindungsfreien Delistings anzunehmen.83 4. Ergebnis Aus teleologischen Gründen ist eine Angebotspflicht bei einem vorhergegangenen Übernahmeangebot nicht erforderlich. Da sich eine teleologische Reduktion jedoch nicht über den eindeutigen Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen kann, sondern vielmehr nur bei einer verdeckten Lücke eingreift84, scheidet eine teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG im Hinblick auf die Angebotspflicht und ein vorhergehendes Übernahmeangebot aus.

80

So im Hinblick auf eine gesetzliche Regelung Apfelbacher/Decher/Hoffmann-Becking, Börsen-Zeitung 26. 09. 2015, 13. 81 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 31. 8. 2015, S. 4, abrufbar im Anhang zu Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 37/2015, 2015. 82 Vgl. nur die Ausführungen von Fechner in der 127. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 1. 10. 2015, Plenarprotokoll 18/127, S. 12384: „Nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen haben wir den Vorschlag, dass bei einem Übernahmeangebot, das von den Aktionären nicht angenommen wird, ein Abfindungsangebot nicht erteilt werden muss.“ Siehe zur Kritik nur die Stellungnahmen der Anlegerschutzverbände Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 7 ff.; Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 8 f. 83 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 8 f. 84 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 210 ff., 220 f.

208

7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

III. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge Fraglich ist die Schutzbedürftigkeit der Anleger auch in Fällen, in denen sich ein Delisting mit dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zeitlich überschneidet. 1. Abfindung bei Unternehmensverträgen Durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wird die Gesellschaft einer besonders intensiven Konzerngewalt unterworfen, bei der die Konzernleitung die Tätigkeit der unterworfenen Gesellschaft ihren Wünschen größtenteils anpassen kann.85 Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags führt dazu, dass auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft kein Gewinn mehr verbleibt, der an die außenstehenden Aktionäre verteilt werden könnte. Durch den Beherrschungsvertrag unterstellt sich die Gesellschaft der Leitung eines anderen Unternehmens, sodass ähnliche Folgen möglich sind.86 Für den Aktionär bedeutet dies, dass sein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft ihm in Folge eines Unternehmensvertrages eine Teilhabe an Vermögen und Ertrag der Gesellschaft nicht mehr vermitteln kann.87 Es erfolgt daher ein tiefer struktureller Eingriff in die Aktionärsstellung.88 Als Konsequenz sehen die §§ 304 und 305 AktG verschiedene Ausgleichsmechanismen vor. Während § 304 AktG die Ausgleichsansprüche der außenstehenden Aktionäre in Fällen regelt, in denen sie in der Gesellschaft verbleiben, regelt § 305 AktG die Möglichkeit der außenstehenden Aktionäre, gegen angemessene Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden. Machen die Aktionäre von ihrer Exit-Möglichkeit nach § 305 AktG Gebrauch, so ist ihnen abhängig davon, welche der in § 305 Abs. 2 AktG aufgeführte Fallkonstellation vorliegt, eine Barabfindung, eine Abfindung in Aktien oder eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden anzubieten.89 Die den außenstehenden Aktionären anzubietende Barabfindung muss nach § 305 Abs. 1 AktG angemessen sein. Wonach sich eine angemessene Abfindung richtet, ist gesetzlich nicht festgelegt. In § 305 Abs. 3 S. 2 AktG ist lediglich festgelegt, dass die 85

Koppensteiner, in: Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2004, Vorb. § 304 AktG Rn. 1. 86 Ders., in: Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2004, Vorb. § 304 AktG Rn. 1. 87 Ders., in: Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2004, Vorb. § 304 AktG Rn. 1; eingehend siehe bereits Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 351 ff.; ders., in: Biedenkopf/Coing/Mestmäcker (Hrsg.), Das Unternehmen in der Rechtsordnung, 1967, S. 129, 137. 88 Adolff, in: Fleischer/Hüttemann (Hrsg.), Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 19 Rn. 16. 89 Ders., in: Fleischer/Hüttemann (Hrsg.), Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 19 Rn. 23.

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht

209

Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen muss. Die Frage, wie die Angemessenheit einer Barabfindung im Rahmen eines Unternehmensvertrags zu bestimmen ist, ist Gegenstand (anhaltender) Diskussion.90 Klarheit brachte zumindest im Hinblick auf einige Grundfragen die bereits in Bezug genommene Entscheidung des BVerfG in DAT/Altana.91 Hiernach soll der außenstehende Aktionär ohne wirtschaftliche Nachteile aus der Gesellschaft ausscheiden können und keinen Vermögensnachteil erleiden.92 Wegen der grundrechtlichen Betroffenheit von Art. 14 Abs. 1 GG ist es erforderlich, dass dem ausscheidenden Aktionär der „volle Wert“ seiner Beteiligung ersetzt wird.93 Zur Bestimmung der angemessenen Abfindung wird schwerpunktmäßig auf den Ertragswert des Unternehmens zurückgegriffen. Der Börsenkurs der Aktien wird regelmäßig lediglich als Untergrenze der wirtschaftlich vollen Entschädigung angesehen und soll dann Berücksichtigung finden, wenn er höher ist als die nach der Ertragswertmethode ermittelte Abfindung.94 Eine so ermittelte und gerichtlich im Spruchverfahren überprüfbare Abfindung können die Aktionäre innerhalb einer regelmäßig vorgesehenen und nach § 305 Abs. 4 AktG zulässigen Annahmefrist annehmen. 2. Überschneidung mit Delisting Denkbar sind Situationen, in denen zum Zeitpunkt des Delistings die Annahmefrist eines nach § 305 Abs. 1 AktG bei einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag erforderlichen Abfindungsangebots noch läuft und die Anleger ihre Aktien der herrschenden Gesellschaft daher zum Ertragswert (bzw. einem höheren Börsenkurs) andienen können.

90 Überblickshaft siehe nur ders., in: Fleischer/Hüttemann (Hrsg.), Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 16 Rn. 30 ff.; Veil, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2015, § 305 AktG Rn. 43 ff. 91 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. („DAT/Altana“). 92 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 291 („DAT/Altana“). 93 BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 305 („DAT/Altana“). 94 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 27. 4. 1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 309 („DAT/ Altana“) („Entschädigung zum wahren Wert […] mindestens aber zum Verkehrswert“); BGH, Beschl. v. 12. 3. 2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108, 115 ff.; Adolff, in: Fleischer/Hüttemann (Hrsg.), Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2015, § 16 Rn. 31 ff.; für den Börsenkurs als allein maßgeblichen Wert hingegen etwa Busse von Colbe, in: Schneider/Hommelhoff/K. Schmidt u. a. (Hrsg.), Festschrift für Marcus Lutter zum 70. Geburtstag, 2000, S. 1053, 1064 f.; Stilz, ZGR 2001, 875, 892 f.; „in der Regel“ nach dem Börsenkurs Veil, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2015, § 305 AktG Rn. 55.

210

7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

3. Teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG In diesen Fällen sind die Aktionäre nicht schutzbedürftig. Der Schutz der Aktionäre ist bereits über das Barabfindungsangebot im Rahmen des Unternehmensvertrags gewährleistet.95 Die Argumente für die Notwendigkeit eines Abfindungsangebots bei Delisting greifen in einer solchen Situation nicht. Ein Verkaufsdruck infolge des geplanten Delistings zur Vermeidung wirtschaftlicher Verluste kann nicht bestehen96, wenn die Anleger ihre Aktien während des Laufs der Annahmefrist jederzeit zum vollen Wert verkaufen können und überdies bis dahin nach § 304 Abs. 1 AktG einen angemessenen Ausgleich durch eine auf die Anteile am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung erhalten. Faktisch ausgeschlossen sind auch die (vom Gesetzgeber maßgeblich als Regelungsanlass bezeichneten97) Kursverluste infolge der Delisting-Ankündigung. Denn der Börsenkurs richtet sich nach dem Wirksamwerden des Unternehmensvertrages regelmäßig nach der Höhe des Abfindungsangebots bzw. nach der Chance einer eventuellen Erhöhung im Spruchverfahren.98 Im Hinblick auf das im Rahmen des Abschlusses eines Unternehmensvertrags nach § 305 AktG abgegebene Barabfindungsangebot besteht daher quasi die MacrotronRechtslage fort, unter deren Geltung Kursverluste nicht zu verzeichnen waren.99 4. Ergebnis Somit besteht bei einem Zusammentreffen von Delisting und Abschluss eines Unternehmensvertrags während des Laufs der Annahmefrist eines Barabfindungsangebots im Zuge des Unternehmensvertrags kein Schutzbedürfnis für einen zusätzlichen Anlegerschutz infolge des Delistings. § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG ist in entsprechenden Fällen teleologisch zu reduzieren.

IV. Rückerwerb eigener Aktien durch den Emittenten Ein Schutzbedürfnis für die Anleger könnte auch dann entfallen, wenn der Emittent selbst ein Angebot auf Rückerwerb eigener Aktien abgibt, da ein ange95

Im Hinblick auf eine gesetzliche Regelung in diese Richtung Apfelbacher/Decher/ Hoffmann-Becking, Börsen-Zeitung 26. 09. 2015; Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253. 96 Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253. 97 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 98 Bungert/Leyendecker-Langer, DB 2015, 2251, 2253. 99 Siehe hierzu Kapitel 3 C. II. 1. a) und die dortigen Studienangaben; zusammenfassend auch Heldt/Royé, AG 2012, 660, 667 ff.

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht

211

messener Anlegerschutz durch die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen gesichert ist. 1. Grundlagen Nach herrschender Meinung und gängiger Praxis ist das WpÜG auf öffentliche Angebote zum Rückerwerb eigener Aktien nicht anwendbar.100 Zunächst sprechen zwar gute Gründe für eine Anwendung des WpÜG. Der Tatbestand des § 1 WpÜG ist seinem Wortlaut nach auch bei einem Rückerwerb eigener Aktien erfüllt und auch die Regelungszwecke des WpÜG sind (zumindest teilweise) betroffen.101 Entscheidend für die Nichtanwendbarkeit der WpÜG-Regeln spricht aber, dass das WpÜG in mehreren Vorschriften die Verschiedenheit von Bieter und Zielgesellschaft voraussetzt.102 Das Informationsbedürfnis des Anlegers ist ausreichend durch die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an den Erwerb eigener Aktien geschützt, da die Aktionäre den Vorstand gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 AktG zum Rückkauf eigener Aktien ermächtigen müssen und dem im Übernahmerecht in § 3 Abs. 1 WpÜG geltenden Gleichbehandlungsgebot durch §§ 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 S. 3, 53a AktG Genüge getan ist.103

100 Siehe nur Schreiben der BaFin vom 9. 8. 2006, abrufbar unter http://www.bafin.de/Sha redDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/WA/ae_060809_rueckerwerb.html (zuletzt geprüft 19. 1. 2016); Baum, ZHR 167 (2003), 580, 609; Baums/Stöcker, in: Wank/Hirte/ Frey u. a. (Hrsg.), Festschrift für Herbert Wiedemann zum 70. Geburtstag, 2002, S. 703, 704 ff., 716; Brellochs, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 21; Koch, NZG 2003, 61, 65, 70; Koch, Die Auswirkungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) auf den Erwerb eigener Aktien, 2006, S. 137 ff., 167 ff., 208 f.; Pötzsch/Favoccia, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 2 WpÜG Rn. 42; Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 68 ff., 85 f.; Versteegen, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 1 WpÜG Rn. 64; aA hingegen Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 393; Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1513 f. 101 Baums/Stöcker, in: Wank/Hirte/Frey u. a. (Hrsg.), Festschrift für Herbert Wiedemann zum 70. Geburtstag, 2002, S. 703, 705, 709 f.; Pötzsch/Favoccia, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 2 WpÜG Rn. 42; Versteegen, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 1 WpÜG Rn. 64. 102 Baums/Stöcker, in: Wank/Hirte/Frey u. a. (Hrsg.), Festschrift für Herbert Wiedemann zum 70. Geburtstag, 2002, S. 703, 710 ff.; Koch, NZG 2003, 61, 64; Versteegen, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 1 WpÜG Rn. 64; siehe dort für nähere Angaben. 103 Cahn, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2015, § 71 AktG Rn. 159; Pötzsch/Favoccia, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 2 WpÜG Rn. 42.

212

7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

2. Rückerwerb eigener Aktien und Delisting In Delisting-Situationen sind Konstellationen möglich, in denen der Emittent unter Einhaltung der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben durch den Rückerwerb eigener Aktien ein Delisting ermöglichen kann, ohne auf einen externen Bieter angewiesen zu sein.104 Da insbesondere die 10 %-Grenze des § 71 Abs. 2 S. 1 AktG einzuhalten ist, kommt dies nur bei einem geringen Streubesitzanteil in Betracht. Erforderlich ist zudem eine durch die Hauptversammlung erteilte Ermächtigung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG. 3. Teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG In dieser Situation sind die gesellschaftsrechtlichen Schutzmechanismen ausreichend, sodass kein weiteres kapitalmarktrechtliches Schutzbedürfnis für die Anleger besteht. Den Leitprinzipien des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes105 ist bereits durch die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen des Erwerbs eigener Aktien Rechnung getragen. Dem Informationsbedürfnis der Anleger ist bereits durch die erforderliche gesellschaftsrechtliche Ermächtigung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG ausreichend Rechnung getragen.106 Zudem ist das Vertrauen der Anleger in die Integrität und Stabilität des Kapitalmarkts nicht beeinträchtigt, da sie dem Rückerwerb eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zuvor zugestimmt haben. Auch stellt sich die Situation der Anleger beim Eigenerwerb der Gesellschaft anders dar als bei Fremderwerb.107 Der Fremderwerber möchte im Rahmen des nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG erforderlichen Delisting-Abfindungsangebots einen möglichst geringen Preis für die Aktien zahlen, sodass bestimmte Verfahrensvorschriften zum Schutz der Anleger erforderlich sind. Diese sind bei einem Erwerb eigener Aktien durch den Emittenten nicht erforderlich. Denn der Erwerb eigener Aktien stellt einen gesellschaftsinternen Vorgang dar.108 Bereits das Interesse von Anlegern und Gesellschaft kann übereinstimmen. Der Anleger muss nicht die Sorge haben, dass er im Rahmen des Rückerwerbs übervorteilt wird, da die Gesellschaft allein schon wegen der gegenüber ihren Aktionären greifenden mitgliedschaftlichen

104 Daher im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eine gesetzliche Ausnahme fordernd Brellochs, Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren, 2015, S. 21. 105 Hierzu siehe ausführlich Kapitel 5 F. II. 2. a). 106 So für reine WpÜG-Situationen bereits Pötzsch/Favoccia, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 2 WpÜG Rn. 42. 107 So für reine WpÜG-Situationen bereits Koch, NZG 2003, 61, 66 f. 108 Ders., NZG 2003, 61, 66.

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht

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Treuepflicht109 die Interessen der Anleger wahrzunehmen hat.110 Zudem kommt ein Rückerwerb eigener Aktien ebenso wie ein Delisting regelmäßig dann in Betracht, wenn die Gesellschaft über hohe Finanzmittel verfügt, sodass sie im Hinblick auf das Delisting nicht mehr auf die Finanzierungsfunktion des Kapitalmarkts angewiesen ist111 und im Hinblick auf den Erwerb eigener Aktien überschüssige Mittel an die Aktionäre ausbezahlen will.112 In diesen Fällen kommt es der Gesellschaft gerade darauf an, ihre Reserven an die Aktionäre auszukehren, sodass sie kein Interesse daran hat, die Aktien zu einem möglichst geringen Preis zu erwerben.113 Im Übrigen hat der Anleger als Folge des Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft keinerlei Nachteile zu befürchten. Denn der Gesellschaft stehen nach § 71b AktG aus eigenen Aktien keine Rechte zu, sodass (für den Anleger praktisch am Wichtigsten) der Aktiengesellschaft aus eigenen Aktien weder Dividenden- noch Mitwirkungsrechte zustehen. Eigene Aktien werden daher auch als „wertlose Rechtshülsen“ bezeichnet.114 Daher liegt das in Fällen des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 AktG gegebene Schutzbedürfnis der Anleger nicht vor, da der Anlegerschutz über die gesellschaftsrechtlichen Mechanismen ausreichend sichergestellt ist. 4. Ergebnis Ist ein Delisting durch einen Rückerwerb eigener Aktien durch den Emittenten möglich, so sind auf das Erwerbsangebot des Emittenten mangels Schutzbedürftigkeit der Anleger weder die WpÜG-Regeln noch der darauf verweisende § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG anwendbar, sodass § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG entsprechend teleologisch zu reduzieren ist.

109 Zur Treuepflicht der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Aktionären siehe nur BGH, Urt. v. 19. 9. 1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107, 111 ff. („BMW“). 110 Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, S. 136 f., Rn. 162 (Im Hinblick auf die Untersuchung des hinter dem Verbot des Handelns in eigenen Aktien stehenden Sinns); Koch, NZG 2003, 61, 67. 111 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3 B. I. 1. a). 112 Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, S. 60 ff., Rn. 73 ff.; Huber, in: Forster/Grunewald/Lutter u. a. (Hrsg.), Festschrift für Bruno Kropff, 1997, S. 101, 106 („Sonderausschüttung in […] Form eines Aktienrückkaufs“); Koch, NZG 2003, 61, 66. 113 Huber, in: Forster/Grunewald/Lutter u. a. (Hrsg.), Festschrift für Bruno Kropff, 1997, S. 101, 114 f.; Koch, NZG 2003, 61, 66. 114 Siehe nur Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002, S. 44 Rn. 54, der zudem darauf hinweist, dass man angesichts der „wertlosen Rechtshülle“ „strenggenommen nicht mehr von Aktien sprechen“ könne.

214

7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

V. Geringer Streubesitzanteil und geringes Handelsvolumen vor Delisting In der Vergangenheit haben vor allem Emittenten, deren Wertpapiere sowohl einen sehr geringen Streubesitzanteil als auch ein sehr geringes Handelsvolumen aufwiesen, ein Delisting beantragt.115 Folge geringer Liquidität ist regelmäßig, dass ein zeitnaher Verkauf der Wertpapiere nicht möglich ist und gegebenenfalls erhebliche Abschläge in Kauf genommen werden müssen. Zudem kann bereits jede Transaktion eine signifikante Kursreaktion auslösen, sodass bereits der Verkauf einer kleinen Anzahl von Wertpapieren zu einem starken Kursverlust führen kann.116 Wenn aber der Anleger im Vorfeld des Delistings seine Wertpapiere wegen geringer Liquidität nicht (und wenn nur mit erheblichen Abschlägen) veräußern konnte, so würde er durch die zwingende Abfindungspflicht bei Delisting erheblich bessergestellt als vor dem Delisting. Sollten die Voraussetzungen des § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG gegeben sein, stellt sich die Situation für den Anleger angesichts der infolge der erforderlichen Unternehmensbewertung erwarteten höheren Abfindung gegenüber dem Börsenkurs als noch vorteilhafter dar. Das im Rahmen des Delistings abzugebende zwingende Abfindungsangebot wäre für den Anleger die lang ersehnte Exit-Möglichkeit zu Konditionen, die er ohne das Delisting nicht bekommen hätte. Dies kann zu systematischen Unstimmigkeiten führen, wenn sich die Gegenleistung bei Wertpapieren mit geringer Liquidität wegen § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG nach dem Unternehmenswert und bei Wertpapieren mit regem Handel gemäß § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 BörsG nach dem Börsenkurs richtet.117 Findet in den betreffenden Aktien bereits vor dem Delisting kein nennenswerter Börsenhandel mehr statt und hat die Aktie daher nur noch eine geringe Liquidität, ist das Interesse der Anleger an einer fortbestehenden Zulassung durch das Delisting nicht oder zumindest kaum beeinträchtigt. Denn in den Fällen, in denen ein Börsenhandel nicht oder fast nicht mehr stattfindet, beruht die Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit der Aktien dann nicht auf dem Delisting, sondern bereits auf der mangelnden Nachfrage am Kapitalmarkt.118 Damit ist bei illiquiden Wertpapieren keine Schutzbedürftigkeit der Anleger bei Delisting gegeben, sodass § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG im Hinblick auf die Abfindungspflicht teleologisch zu reduzieren ist.

115 116 117 118

Siehe Kapitel 3 B. I. 4. Hierzu ausführlich Kapitel 3 B. I. 4. Bayer, NZG 2015, 1169, 1175. Ekkenga, ZGR 2003, 878, 890.

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht

215

VI. Sanierungssituationen Ein Schutzbedürfnis der Anleger bei Delisting könnte auch in Situationen, in denen sich die Gesellschaft in der Krise befindet und zu ihrer Sanierung auf ein Delisting angewiesen ist, zu verneinen sein. 1. Delisting und Sanierung Für sich in der Krise befindliche Aktiengesellschaften kann ein Delisting einen entscheidenden Beitrag zur Sanierung darstellen.119 Die Finanzierungsfunktion des Kapitalmarkts ist für sich in der Krise befindliche Unternehmen faktisch nicht mehr gegeben, sodass sie auf alternative Finanzierungsmechanismen angewiesen sind. Um jedoch für einen Finanzinvestor oder Private Equity Kapitalgeber interessant zu sein, ist eine Beendigung der Börsenzulassung regelmäßig Voraussetzung.120 In der Krise erforderliche Umstrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen lassen sich außerhalb des „Lärms der Börse“121 besser durchführen, unter anderem da dann keine Veröffentlichungspflichten mehr bestehen.122 2. Teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG Eine teleologische Reduktion in Sanierungssituationen kommt dann in Betracht, wenn die Anleger in diesen Fällen nicht schutzbedürftig sind.123

119

Siehe hierzu umfassend Kapitel 3 B. I. 6. Siehe bereits Kapitel 3 B. I. 6.; Eckhold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl., 2009, § 61 Rn. 13; Pfüller/Anders, NZG 2003, 459, 462. 121 Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 763 f. 122 Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 226. 123 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage der Voraussetzungen eines Delistings nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ein Pflichtangebot nach Macrotron-Grundsätzen wurde für ein Delisting in der Insolvenz regelmäßig verneint, vgl. Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1406 f.; Kreymborg/Land/Undritz, ZInsO 2011, 71, 76. Maßgebliches Argument war, dass im Fall der Insolvenz ein am „wahren“ Wert der Aktien gemessenes Pflichtangebot regelmäßig „auf Null lauten“ müsste, Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1406; Kreymborg/Land/Undritz, ZInsO 2011, 71, 76. Zu unterscheiden von der hier behandelten Fallkonstellation ist auch die bisher in § 56 Abs. 5 BörsO Düsseldorf vorgesehene Erleichterung von den für ein Delisting nach § 56 Abs. 4 BörsG erforderlichen Voraussetzungen für Fälle, in denen keine Aussicht besteht, die Gesellschaft nach Abschluss des Insolvenzverfahrens fortzuführen. Die hier untersuchte Fallkonstellation unterscheidet sich davon, da es hier um Fälle geht, in denen im Vorfeld einer formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein erfolgsversprechender Sanierungsplan vorliegt. 120

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

a) Erkenntnisse des Rechtsvergleichs Ein Blick auf das britische Recht zeigt, dass die FCA davon ausgeht, dass Anleger bei aussichtsreichen Sanierungsvorhaben weniger schutzbedürftig sind. Während nach britischem Recht für ein Delisting aus dem Premium Listing grundsätzlich ein Hauptversammlungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit sowie (abhängig von der Gesellschaftsstruktur) ein zusätzlicher einfacher Mehrheitsbeschluss der Minderheitsgesellschafter erforderlich ist124, sehen die Listing Rules in Sanierungssituationen erhebliche Erleichterungen vor. Nach LR 5.2.7 sind die grundsätzlich erforderlichen Hauptversammlungsbeschlüsse nicht erforderlich, sofern (1) der Emittent ohne die in (2) bezeichnete Maßnahme ein formelles Insolvenzverfahren beantragen müsste, (2) ein Angebot für eine Transaktion, ein Geschäft oder eine sonstige Restrukturierungsmaßnahme vorliegt, das für das Überleben des Emittenten erforderlich ist und das Listing den erfolgreichen Abschluss des Angebots gefährden würde, (3) der Emittent Erklärungen darüber abgibt, warum das Delisting im Interesse der Anleger und Kreditgeber ist und warum kein vorheriger Hauptversammlungsbeschluss eingeholt wird und (4) das Delisting mindestens 20 Geschäftstage vor dem geplanten Delisting angezeigt wird. Die Einführung des doppelten Mehrheitserfordernisses begründet die FCA in ihrem Consultation Paper mit einer Verbesserung des Anlegerschutzes.125 Zugleich weist sie aber auch darauf hin, dass die besonderen Erleichterungen für Sanierungssituationen bestehen bleiben sollen.126 Damit zeigen die Regelungen im britischen Recht, dass die FCA davon ausgeht, dass die Anleger bei einem Delisting in Sanierungssituationen weniger schutzbedürftig sind und die FCA daher bei Aussicht auf eine erfolgreiche Sanierung außerhalb der Börse auf die üblichen Anlegerschutzvoraussetzungen verzichtet. Diese Erkenntnisse können auch auf das deutsche Recht übertragen werden. b) Begründung der teleologischen Reduktion Besteht die Gefahr einer Insolvenz und kann diese im Rahmen eines bestehenden Sanierungsplanes abgewendet werden, in dessen Rahmen aus den soeben genannten Gründen ein Delisting erforderlich ist, sind die Anleger weniger schutzbedürftig als in regulären Delisting-Situationen. 124

Siehe LR 5.2.5(2)(a) und LR 5.2.5(2)(b); hierzu eingehend Kapitel 6 B. II. 2. a). FCA Consultation Paper CP13/15, Feedback on CP12/25: Enhancing the effectiveness of the Listing Regime and further consultation, November 2013, Rn. 11.4 (abrufbar unter http:// www.fca.org.uk/your-fca/documents/consultation-papers/cp13-15, zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015). 126 FCA Consultation Paper CP13/15, Feedback on CP12/25: Enhancing the effectiveness of the Listing Regime and further consultation, November 2013, Rn. 11.21 (abrufbar unter http://www.fca.org.uk/your-fca/documents/consultation-papers/cp13-15, zuletzt abgerufen am 31. 10. 2015). 125

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht

217

Vielmehr ist ein Delisting ohne Angebotspflicht in dieser speziellen Situation sogar in ihrem Interesse. Nur so ist regelmäßig gewährleistet, dass das für eine erfolgreiche Sanierung erforderliche Delisting überhaupt erfolgen kann. Denn in Krisensituationen findet sich kaum ein Bieter, der bereit ist, die für das Delisting nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG erforderliche Abfindung zu zahlen. Dann aber kann das für die erfolgreiche Sanierung erforderliche Delisting nicht durchgeführt werden. Zudem kann der Emittent durch ein Delisting die teilweise erheblichen Kosten der Börsenzulassung sparen127 und als Sanierungsbeitrag verwenden. Aktionäre werden im Falle der tatsächlich eintretenden Insolvenz gemäß § 199 InsO als „doppelt nachrangige Insolvenzgläubiger“128 nachrangig gegenüber allen anderen Gläubigern befriedigt129, sodass es im Interesse der Aktionäre liegt, eine Insolvenz mit allen Mitteln zu verhindern. Zudem ist davon auszugehen, dass die Anleger nach einer erfolgreichen Sanierung bessergestellt sind als zuvor. Eine weitere Überlegung führt zu einem nicht gegebenen Schutzbedürfnis in Sanierungsfällen. Regelmäßig werden die Wertpapiere einer sich in der Krise befindlichen Gesellschaft vor dem Delisting nur noch eine geringe Liquidität aufweisen130, sodass die Wertpapiere nicht ohne weiteres veräußert werden können. Durch das bei Delisting nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG erforderliche Abfindungsangebot würden die Anleger daher bessergestellt als ohne Delisting.131 3. Ergebnis Damit ist § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG in Situationen, in denen sich die Gesellschaft in der Krise befindet und zu ihrer Sanierung auf ein Delisting angewiesen ist, teleologisch zu reduzieren.

VII. Vorliegen der Voraussetzungen von § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG Fraglich ist, ob ein Abfindungsangebot erforderlich ist, wenn die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG vorliegen und ein Widerruf der Börsenzulassung von Amts wegen erfolgen könnte. Nach § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG ist ein Widerruf möglich, wenn sich die Gründe, die zu einer Einstellung der Notierung nach 127

Zu den Kosten der Börsenzulassung siehe Kapitel 3 B. I. 2. Bitter, ZGR 2010, 147, 191. 129 Hein, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 11 WpHG Rn. 4; Kreymborg/Land/Undritz, ZInsO 2011, 71, 75; Lau, Die börsennotierte Aktiengesellschaft in der Insolvenz, 2008, S. 56 f. 130 Siehe Kapitel 3 B. I. 4. und Kapitel 3 B. I. 6. 131 Siehe bereits Kapitel 7 C. V. 128

218

7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

§ 25 Abs. 1 Nr. 2 BörsG geführt haben, als dauerhaft erweisen.132 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Aktiengesellschaft eröffnet wurde.133 Zielsetzung des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes in § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG ist die Sicherung des Vertrauens der Anleger in Integrität und Stabilität des Kapitalmarktes und in einen funktionierenden Börsenhandel.134 Dieser Schutz ist nicht mehr erforderlich, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist.135 Wertungsmäßig kann es keinen Unterschied machen, ob die Börsengeschäftsführung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 BörsG von sich aus tätig wird oder der Emittent einen Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung stellt. Somit ist § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG teleologisch zu reduzieren, sofern die Voraussetzungen von § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG gegeben sind und die Börsengeschäftsführung ein Delisting von Amts wegen vornehmen könnte.

VIII. Delisting im Gesellschaftsinteresse Fraglich ist, ob § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG im Hinblick auf die Angebotspflicht teleologisch zu reduzieren ist, wenn das Delisting im Gesellschaftsinteresse erfolgt. Man könnte daran denken, ein Schutzbedürfnis der Anleger dann zu verneinen, wenn das Delisting für die Anleger überwiegend positive Effekte hat. Dies könnte dann der Fall sein, wenn ein Delisting im Gesellschaftsinteresse liegt.136 Eine solche teleologische Reduktion ist abzulehnen. Denn Gesellschaftsinteresse und Anlegerinteresse decken sich in typischen Situationen des Delistings gerade nicht.137 So kann ein Delisting durchaus im Gesellschaftsinteresse liegen, etwa im Hinblick auf die Vermeidung der mit der Börsenzulassung verbundenen Kosten. Der 132

Groß, ZHR 165 (2001), 141, 151; ders., in: ders., Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., 2016, § 39 BörsG Rn. 7. 133 Hamann, in: Schäfer (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz, Verkaufsprospektegesetz, 1999, § 43 BörsG Rn. 17; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 9 f.; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 233; Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 743. 134 Siehe bereits Kapitel 5 F. II. 2. a). 135 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010, § 39 BörsG Rn. 14; Probst, Rechtsfragen des regulären Börsenrückzugs, 2013, S. 160 f.; ansatzweise auch Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 232 f., die vor dem Hintergrund der Neuregelung der Delistingregelung in der BörsO FWB zum 6. 3. 2002 (Übergang von der Abfindungszur Fristenlösung) bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 BörsG eine Fristenlösung für ausreichend erachten. 136 Eine entsprechende Ausnahme im Gesetzgebungsverfahren andenkend Noack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8. 137 Siehe Kapitel 3.

C. Entbehrlichkeit der Angebotspflicht

219

Vorstand kann also bei einem Delisting durchaus im Gesellschaftsinteresse handeln. Dennoch liegt ein Delisting regelmäßig nicht im Interesse der Anleger.138 Bereits der Ansatzpunkt dieser Überlegung, die Gleichsetzung von Gesellschafts- und Anlegerinteresse, ist daher falsch. Zudem ist die Grenzziehung, ab wann ein Delisting im Gesellschaftsinteresse liegt, schwierig und kaum einheitlich handhabbar, sodass die Gefahr einer erheblichen Rechtsunsicherheit bestünde. Entscheidend gegen die Annahme einer entsprechenden Ausnahme spricht auch, dass ein Delisting regelmäßig nicht durchgeführt wird, sollte es gegen das Gesellschaftsinteresse verstoßen. Denn liegt ein Delisting nicht im Interesse des Emittenten und stellt der Vorstand dennoch einen Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung nach § 39 Abs. 2 BörsG, so verstößt er gegen § 93 Abs. 1 S. 1 AktG und ist nach § 93 Abs. 2 AktG zum Schadensersatz verpflichtet.139 Daher wird der Vorstand ein Delisting nur dann beantragen, wenn es im Gesellschaftsinteresse liegt. Liegt aber jedes durchgeführte Delisting im Gesellschaftsinteresse, würden bei Annahme einer entsprechenden Ausnahme die gesetzlichen Anlegerschutzregelungen weitgehend leer laufen. Somit entfällt das Schutzbedürfnis der Anleger nicht, wenn ein Delisting im Gesellschaftsinteresse vorgenommen wird, sodass § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG nicht entsprechend teleologisch zu reduzieren ist.

IX. Erwerb der Aktionärsstellung nach Kenntnis der Delisting-Absicht Fraglich ist, ob das Abfindungsangebot aus teleologischen Gründen gegenüber denjenigen Anlegern entbehrlich ist, die sich erst nach der Veröffentlichung der Delisting-Ankündigung in die Gesellschaft eingekauft haben.140 Hierfür könnte sprechen, dass gerade solchen Anlegern die Schutzbedürftigkeit abzusprechen ist, da sie sich trotz Kenntnis des anstehenden Delistings und in Kenntnis der Folgen eines Delistings für eine Beteiligung entschieden haben. Gegen eine solche teleologische Reduktion spricht aber, dass hierdurch aus der Gruppe der bisherigen Aktionäre diejenigen benachteiligt werden können, die nach Ankündigung des Delistings auf einen schnellen Verkauf ihrer Beteiligung angewiesen sind und nicht auf die Durchführung des Abfindungsangebots warten kön138

Siehe Kapitel 3 C. Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 732. 140 Für eine entsprechende gesetzliche Ausnahme haben sich ausgesprochen Bayer, ZIP 2015, 853, 856; Hirte, Regelungsvorschlag zum Delisting vom 6. 5. 2015, 2015, S. 4; Koch/ Harnos, NZG 2015, 729, 735; in diese Richtung auch Heldt/Royé, AG 2012, 660, 672 f. (abstellend auf Aktionäre, die ihre Beteiligung trotz sich verändernder Mehrheitsverhältnisse weiter halten). 139

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

nen.141 Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Erwerber wegen des für sie dann geltenden Abfindungsausschlusses nur bereit sind, die Anteile für einen erheblich unter dem Börsenkurs liegenden Kaufpreis zu erwerben.142 Zudem wäre die Umsetzung einer entsprechenden Ausnahme nicht praktikabel. Regelmäßig ist der Aktiengesellschaft die Identität ihrer Minderheitsaktionäre (außer bei Namensaktien und sofern die Beteiligung unterhalb der Publizitätsschwellen liegt) unbekannt, sodass die Feststellung, wer erst nach Bekanntgabe der Delisting-Absicht Aktionär geworden ist, einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde.143 Entscheidend gegen einen solchen Ausschluss spricht, dass er dem deutschen Recht wertungsmäßig fremd ist. Im Rahmen der Ausgleichs- und Abfindungsansprüche bei Unternehmensverträgen nach §§ 304 und 305 AktG ist der Zeitpunkt des Aktienerwerbs für die Eigenschaft als außenstehender Aktionär unerheblich. Insbesondere ist auch derjenige voll anspruchsberechtigt, der erst nach Abschluss oder In-Kraft-Treten des Unternehmensvertrages Aktionär geworden ist.144 Entsprechendes muss auch bei einem Delisting gelten. § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG ist daher nicht dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass Anleger, die ihre Anteile erst nach Bekanntgabe der Delisting-Absicht erworben haben, von der Abfindungspflicht auszuschließen sind.

X. „Altaktionäre“ Die Schutzbedürftigkeit könnte auch den Anlegern in Bezug auf die Anteile abgesprochen werden, die sie bereits vor dem Börsengang an der Aktiengesellschaft gehalten haben.145 Wenn die erstmalige Zulassung zum regulierten Markt längere Zeit zurückliegt, dürfte bei den betroffenen Anlegern mittlerweile ein schutzwürdiges Vertrauen entstanden sein146, sodass ihnen die Schutzbedürftigkeit nicht allein wegen der Umstände ihrer frühen Beteiligung abgesprochen werden kann. Eine teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG kommt daher nicht in Betracht.

141

Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 377. Dies., AG 2015, 373, 377 f. 143 Dies., AG 2015, 373, 378. 144 Siehe nur Veil, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2015, § 304 AktG Rn. 29; ders., in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2015, § 305 AktG Rn. 15. 145 Im Hinblick auf eine gesetzliche Ausnahmeregelung Noack, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2014, 2015, S. 8 f. 146 Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 378. 142

D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen 221

XI. Ergebnis Durch § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG trägt der Gesetzgeber dem Schutzbedürfnis der Anleger bei Delisting Rechnung. Eine Angebotspflicht bei Delisting ist infolge einer teleologischen Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG in Situationen entbehrlich, in denen Anleger nicht schutzbedürftig sind. Dies ist der Fall, wenn sich das Delisting mit dem Abschluss eines Unternehmensvertrages zeitlich überschneidet und die Anleger ihre Aktien der herrschenden Gesellschaft im Rahmen des § 305 AktG andienen können. Auch bei einem Rückerwerb eigener Aktien durch den Emittenten ist dem Schutzbedürfnis der Anleger bereits durch die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen eines solchen Rückerwerbs ausreichend Rechnung getragen. Bei einem geringen Streubesitzanteil und einem geringen Handelsvolumen wären Anleger infolge eines Abfindungsangebots (ggf. zum Unternehmenswert) bessergestellt als ohne Delisting, sodass auch hier eine Angebotspflicht ausscheidet. Eine teleologische Reduktion der Angebotspflicht ist mangels Schutzbedürfnis der Anleger auch in Sanierungssituationen geboten, wenn die Gesellschaft zu ihrer Sanierung auf die Durchführung eines Delistings angewiesen ist. Eine teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG im Hinblick auf das Angebotserfordernis kommt hingegen nicht in Betracht in Situationen, in denen die Anleger ein zeitlich vorhergehendes angemessenes Übernahmeangebot ausgeschlagen haben. Zwar ist die Schutzbedürftigkeit der Anleger auch dann nicht gegeben, allerdings kann eine teleologische Reduktion wegen des entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens nicht erfolgen. Ebenso ist eine teleologische Reduktion im Hinblick auf die Angebotspflicht auch abzulehnen bei einem Delisting im Gesellschaftsinteresse, da das Schutzbedürfnis der Anleger regelmäßig nicht analog zu dem Gesellschaftsinteresse ist. Auch bei dem Erwerb der Aktionärsstellung nach Kenntnis der Delisting-Absicht oder bei Altaktionären fehlt es nicht an einem Schutzbedürfnis der Anleger, sodass eine teleologische Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG nicht in Betracht kommt.

D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen Bevor der Emittent einen Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung stellen kann, setzt § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG für ein vollständiges Delisting eine vorherige Veröffentlichung eines Erwerbsangebots „nach den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes“ voraus.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

Dem Wortlaut nach sind alle Vorschriften des WpÜG anzuwenden. Nach der Gesetzesbegründung sollen auf ein Erwerbsangebot grundsätzlich sämtliche Vorschriften über einfache Erwerbsangebote nach dem WpÜG anwendbar sein (§§ 10 bis 28 WpÜG enthalten die Anforderungen für sämtliche öffentliche Angebote147), die Vorschriften über Übernahme- (§§ 29 bis 34 WpÜG) und Pflichtangebote (§§ 35 – 39 WpÜG) hingegen nur bei einer ausdrücklichen Anordnung, wie es in § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG im Hinblick auf § 31 WpÜG geschehen ist.148 Fraglich ist aber, ob sämtliche WpÜG-Vorschriften ihrem Sinn und Zweck nach in Delisting-Situationen auf die Delisting-Angebotsunterlage angewandt werden können. In Betracht kommt eine teleologische Reduktion einzelner WpÜG-Vorschriften in Delisting-Verfahren.

I. Angebotsunterlage Die Angebotsunterlage stellt ein zentrales Element für einen effektiven Anlegerschutz bei Delisting dar, da sie eine Informationsgrundlage für die nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG mögliche Desinvestitionsentscheidung des Anlegers darstellt.149 1. Anforderungen an die Angebotsunterlage gemäß § 11 WpÜG150 und § 2 WpÜG-AVO Die Angebotsunterlage muss nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG einen Hinweis auf den (noch zu erfolgenden) Delisting-Antrag enthalten. Die weiteren Anforderungen an die Angebotsunterlage ergeben sich aus § 11 WpÜG. Nach § 11 Abs. 1 S. 2 WpÜG muss die Angebotsunterlage insbesondere alle „Angaben enthalten, die notwendig sind, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können“. Einer Angebotsunterlage wird daher die Funktion eines (Erwerbs-)Prospekts zugeschrieben.151 147 Zur Struktur des WpÜG siehe beispielhaft Angerer, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 1 WpÜG Rn. 36. Zu den verschiedenen Kategorien der Erwerbsangebote des WpÜG siehe beispielhaft nur Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 7. Aufl., 2014, Rn. 678 ff. 148 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 149 Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 756; Buckel/Glindemann/Vogel, AG 2015, 373, 379 („notwendige Aufklärung“ durch Angebotsunterlage). 150 Einen Überblick über die Anforderungen der Angebotsunterlage nach dem WpÜG gibt Hamann, ZIP 2001, 2249 ff. 151 Ders., ZIP 2001, 2249; Steinhardt/Nestler, in: Steinmeyer (Hrsg.), WpÜG, 3. Aufl., 2013, § 11 WpÜG Rn. 9.

D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen 223

Zu den notwendigen Angaben der Angebotsunterlage gehören nach § 11 Abs. 2 S. 1 WpÜG Angaben über den Inhalt des Angebots (§ 11 Abs. 2 S. 2 WpÜG) sowie ergänzende Angaben (§ 11 Abs. 2 S. 3 WpÜG). Die aufgrund der Ermächtigung in § 11 Abs. 4 WpÜG in § 2 WpÜG-AVO152 zusätzlich genannten ergänzenden Angaben sind ebenfalls in die Angebotsunterlage aufzunehmen. 2. Übertragbarkeit auf die Delisting-Angebotsunterlage Es ist fraglich, inwieweit eine Angebotsunterlage in Delisting-Fällen sämtliche nach § 11 WpÜG und § 2 WpÜG-AVO geforderten Angaben enthalten muss. Durch den Verweis auf die Angebotsunterlage nach WpÜG in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. BörsG sind sämtliche Inhaltsvorgaben der § 11 WpÜG und § 2 WpÜG-AVO in Bezug genommen. Fraglich ist aber, inwieweit die in ihrem ursprünglichen Anwendungsgebiet für Übernahmeangebote konzipierten Vorgaben ihrem Sinn und Zweck nach auf eine Delisting-Situation übertragbar sind. Auch die BaFin geht davon aus, dass von der Anwendung der WpÜG-Regeln solche Vorgaben ausgenommen sind, „deren Anwendung nur im Zusammenhang mit einer anderen Angebotsart sinnvoll ist, etwa einem Übernahmeangebot“.153 Im Folgenden sollen daher die Anforderungen der § 11 WpÜG und § 2 WpÜGAVO auf ihre Anwendbarkeit in Delisting-Situationen überprüft werden. a) Vorgaben des § 11 WpÜG Von den Inhaltsvorgaben des § 11 Abs. 2 S. 2 WpÜG154 sind bis auf § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 WpÜG alle auf die im Rahmen eines Delistings erforderliche Angebotsunterlage anwendbar. Denn auch hier muss der Anleger wissen, wer der Bieter ist (Nr. 1), für welche Wertpapiere welches Emittenten das Angebot gilt (Nr. 2 und Nr. 3), wie hoch das Abfindungsangebot ist (Nr. 4) und in welcher Frist sich der Anleger entscheiden muss, das Angebot anzunehmen (Nr. 6). Da das Angebot gemäß § 39 Abs. 3 S. 1 BörsG absolut bedingungslos155 erfolgen muss, steht Nr. 5 im Widerspruch zu § 39 Abs. 3 S. 1 BörsG und ist daher nicht anzuwenden. Auch für den Anleger in einer Delisting-Situation ist entscheidend, ob der Bieter in der Lage ist, das Angebot zu erfüllen. Daher sind die Regelungen in § 11 Abs. 2 152

Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots (WpÜG-Angebotsverordnung, im Folgenden WpÜGAVO) vom 27. 12. 2001, BGBl. I S. 4263. 153 Klepsch, BaFinJournal 1/2016, 23, 24. 154 Zu den Anforderungen im Einzelnen siehe umfassend Meyer, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 11 WpÜG Rn. 67 ff. 155 Siehe hierzu Kapitel 5 D. III.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

S. 3 Nr. 1 und Nr. 4 WpÜG (in Verbindung mit § 13 WpÜG156) auch für Angebote im Rahmen eines Delistings erforderlich. Der Bieter hat daher in der Angebotsunterlage nach § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 WpÜG Auskunft zu den Maßnahmen zu geben, die eine Finanzierung des Angebots durch den Bieter sicherstellen sollen. Diese Maßnahmen müssen, wie sich aus § 13 Abs. 1 S. 1 WpÜG ergibt, bereits vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage getroffen werden, ihm aber erst zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf die Gegenleistung zur Verfügung stehen. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 WpÜG verpflichtet den Bieter auch, Ausführungen über die erwarteten Auswirkungen eines erfolgreichen Angebots auf seine eigene Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu machen. Diese Regelung dient zum einen dem Schutz des Bieters157, zum anderen sollen dadurch als unseriös empfundene Finanzierungstechniken erschwert werden.158 Da bei einem Delisting zwingend eine Gegenleistung in Geld vorgesehen ist, muss das Finanzierungskonzept des Bieters gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG durch ein vom Bieter unabhängiges Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestätigt werden.159 Diese Bestätigung ist nach § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 WpÜG in der Angebotsunterlage zu veröffentlichen. Für die Anleger hat dies den Vorteil, dass sie das ausstellende Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 13 Abs. 2 WpÜG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können, sollte der Bieter nicht in der Lage sein, das Angebot zu erfüllen.160 Nach § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG muss der Bieter Angaben über seine Pläne zur künftigen Geschäftstätigkeit des Emittenten machen. Dies soll den Anlegern in Übernahmesituationen ermöglichen, ihre Beurteilung des Angebots nicht nur von der Gegenleistung, sondern auch davon abhängig zu machen, welche Auswirkungen ein erfolgreiches Angebotsverfahren auf die strategische Ausrichtung der Zielgesellschaft und deren Arbeitnehmer hat.161 Denn in Übernahmesituationen hat der Aktionär die Wahl, das Übernahmeangebot anzunehmen und mit den darin genannten Konditionen aus der Gesellschaft auszuscheiden oder aber in der Gesellschaft zu verbleiben und sich mit dem Bieter und der nach dem Übernahme- bzw. Erwerbsangebot zu erwartenden veränderten Stellung in der Gesellschaft abzufinden.162 Entscheidend sind für den Aktionär der Zielgesellschaft daher die voraus-

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Zu der Bedeutung des § 13 WpÜG siehe auch Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 87 ff. 157 Geibel/Süßmann, in: dies. (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 11 WpÜG Rn. 22. 158 Liebscher, ZIP 2001, 853, 863. 159 Hierzu siehe umfassend Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 11 WpÜG Rn. 126 ff. 160 Hierzu Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 13 WpÜG Rn. 109 ff. 161 Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 11 WpÜG Rn. 109. 162 Zu den Wahlmöglichkeiten auch Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735.

D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen 225

sichtlichen Folgen eines erfolgreichen Erwerbs- bzw. Übernahmeangebots auf die Gesellschaft. Dieses in Übernahmesituationen sinnvolle Erfordernis bringt für den von einem Delisting-Abfindungsangebot angesprochenen Anleger keinen Mehrwert, da sich die Folgen für den Emittenten bereits aus dem Delisting selbst ergeben. Die hieraus folgenden Konsequenzen sind aber bereits nach § 2 Nr. 7a WpÜG-AVO anzugeben. Bei einem Delisting ist daher in der Angebotsunterlage keine umfangreiche Folgenbewertung im Hinblick auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit erforderlich. Ebenso sind keine umfangreichen Informationen über die Pläne des Bieters für die Gesellschaft erforderlich. Schwerpunkt des Erwerbsangebots bei Delisting ist aus Sicht des Bieters nicht der Ausbau der Anteile (dies ist eine reine Nebenfolge), sondern der Rückzug des Emittenten von der Börse. Zudem bedeutet die Folgenabschätzung des § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG für den Bieter einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Daher ist § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG auf eine DelistingAngebotsunterlage nicht anzuwenden. Gleiches gilt auch für die Angaben zu den Leistungen an Organmitglieder des Emittenten nach § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 WpÜG. Die Vorschrift bezweckt insbesondere im Hinblick auf die Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zu dem Angebot nach § 27 WpÜG eine Offenlegung möglicher Interessenskonflikte.163 Wenn aber § 27 WpÜG in Delisting-Situationen nicht anwendbar ist164, läuft auch die Vorschrift des § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 WpÜG ihrem Sinn und Zweck nach weitgehend leer. b) Vorgaben des § 2 WpÜG-AVO § 2 WpÜG-AVO enthält insgesamt 12 ergänzende Angaben. Von vornherein auf eine Delisting-Angebotsunterlage unanwendbar sind § 2 Nr. 2, 2a und 6 WpÜGAVO, da die Gegenleistung nach § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG zwingend in Geld erbracht werden muss (Nr. 2, 2a) und das Angebot nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG alle zugelassenen Wertpapiere erfassen muss, sodass Teilangebote (Nr. 6) unzulässig sind.165 Nur auf Delisting-Angebotsunterlagen anwendbar ist der neu eingeführte § 2 Nr. 7a WpÜG-AVO, wonach die Angebotsunterlage Angaben zu dem bevorstehenden Antrag der Zielgesellschaft auf einen Widerruf der Zulassung der Aktien zum Handel im regulierten Markt und insbesondere einen ausdrücklichen Hinweis auf mögliche Einschränkungen der Handelbarkeit der Aktien und die Möglichkeit von Kursverlusten enthalten muss. Hierdurch will der Gesetzgeber erreichen, dass den Anlegern die Risiken aufgezeigt werden, die sie eingehen, wenn sie das Angebot des 163 Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, 41; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 11 WpÜG Rn. 122. 164 Hierzu siehe Kapitel 7 D. III. 165 Ebenso Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 756.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

Bieters nicht annehmen und weiterhin Anleger einer dann nicht mehr börsennotierten Gesellschaft sind.166 Ebenso anwendbar sind die Vorschriften, die sicherstellen, dass die Anleger die Angemessenheit der Gegenleistung umfassend beurteilen können.167 Dies ist zunächst § 2 Nr. 3 WpÜG-AVO, der im Fall einer Unternehmensbewertung nach § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG (und nur dann) Angaben über die angewandten Bewertungsmethoden erfordert. Relevant ist auch die Angabe nach § 2 Nr. 7 WpÜGAVO über die für Vorerwerbe gezahlten Gegenleistungen. Sinnvoll ist auch die Anwendung von § 2 Nr. 10 WpÜG über den Ort der Veröffentlichung der Angebotsunterlage und § 2 Nr. 12 WpÜG-AVO mit der Angabe des maßgeblichen Rechts und des für durch Annahme des Angebots entstehenden Verträge maßgeblichen Gerichtsstands. Bei der Anwendung des § 2 Nr. 5 WpÜG-AVO ist zu differenzieren. Soweit es um die Angabe der bereits gehaltenen Wertpapiere geht, ist dies auch für eine DelistingAngebotsunterlage sinnvoll.168 Dies soll dem Anleger ermöglichen, sich ein umfassendes Bild über die Eigentumsverhältnisse an der Zielgesellschaft zu machen.169 Die Information über die bisherigen170 Beteiligungen des Bieters an der Aktiengesellschaft erlauben Rückschlüsse auf die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft. Diese ist in Anbetracht der zukünftigen Handelbarkeit im (qualifizierten) Freiverkehr von entscheidender Bedeutung, da mit einem liquiden Handel der Wertpapiere dann nicht zu rechnen ist, wenn ein Großteil der Aktien von dem Bieter und ihm zuzurechnenden Personen gehalten wird.171 Soweit es aber um die Angabe der zuzurechnenden Stimmrechtsanteile geht, die sogar getrennt für jeden Zurechnungstatbestand anzugeben sind, ist der Nutzen dieser mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbundenen Angaben für den Anleger fraglich. Dies gilt auch für die nach § 2 Nr. 1 WpÜG-AVO erforderlichen Angaben zu den gemeinsam handelnden Personen, da es auch hier letztlich nur um die für den Anleger für seine Deinvestionsentscheidung nicht primär entscheidende Zurechnung von Stimmrechtsanteilen geht. Insbesondere verlangt die BaFin unter Berufung auf eine formale Auslegung des § 2 Nr. 5 WpÜG, dass sämtliche Tochtergesellschaften des Bieters und der anderen mit dem Bieter gemeinsam handelnden Personen in der Angebotsunterlage

166 BT-Drucks. 18/6220, S. 88 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 167 Siehe bereits Kapitel 5 D. IV.; Harnos, ZHR 179 (2015), 750, 756 f. 168 AA ders., ZHR 179 (2015), 750, 757. 169 Seydel, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 2 WpÜG-AVO Rn. 19. 170 Zur zukünftigen Beteiligungsstruktur siehe Kapitel 7 D. II. 171 Siehe ergänzend Kapitel 7 D. II.

D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen 227

aufgeführt werden müssen.172 Dies kann dazu führen, dass diese Angaben einen erheblichen Teil des Umfangs der Angebotsunterlage ausmachen173, ohne für die Anleger in einem Delisting-Fall relevante Informationen zu enthalten.174 3. Ergebnis In Delisting-Situationen nicht anwendbar sind die Vorschriften, die im Widerspruch zu den Vorgaben des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 BörsG stehen (§ 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 WpÜG und § 2 Nr. 2, 2a und 6 WpÜG-AVO). Infolge einer teleologischen Reduktion ebenfalls nicht anwendbar ist § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG, da sich die Auswirkungen eines Delistings für den Emittenten bereits aus dem Delisting selbst ergeben und auf die damit verbundenen Risiken bereits nach § 2 Nr. 7a WpÜG-AVO eigens hinzuweisen ist. Wegen der Nichtanwendbarkeit des § 27 WpÜG läuft § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 WpÜG weitgehend leer. Zu differenzieren ist bei der Anwendbarkeit von § 2 Nr. 5 WpÜG-AVO, der in Delisting-Situationen nur zur Angabe der bisherigen Beteiligungen verpflichtet, nicht aber zur Angabe über zuzurechnende Stimmanteile.

II. Veröffentlichungspflicht des Bieters gemäß § 23 Abs. 1 WpÜG Nach § 23 Abs. 1 S. 1 WpÜG hat der Bieter zu näher bestimmten Zeitpunkten die vorläufigen Ergebnisse des Angebots (also die Anzahl und die Höhe der Anteile der ihm und gemeinsam handelnden Personen und Tochtergesellschaften zustehenden Wertpapiere) zu veröffentlichen, sog. „Wasserstandsmeldungen“. Fraglich ist die Anwendung dieser den Bieter erhebliche Ressourcen kostenden Verfahrensvorschrift in Delisting-Angebotsverfahren. 1. Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 WpÜG Die Vorschrift soll dazu dienen, den typischerweise auf Seiten der Aktionäre aus dem prisoner’s dilemma folgenden Verkaufsdruck abzumildern.175 Das prisoner’s 172 Meyer, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 2 WpÜG-AVO Rn. 3. 173 Seibt, CFL 2011, 213, 230 weist darauf hin, dass beim Übernahmeverfahren OEP/ SMARTRAC über 7000 Gesellschaften als gemeinsam mit dem Bieter handelnde Personen offengelegt werden mussten. 174 Dies bereits in Bezug auf ein gewöhnliches Übernahmeangebot Meyer, in: Assmann/ Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 2 WpÜG-AVO Rn. 3. 175 Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 23 WpÜG Rn. 2.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

dilemma ist ein aus der Spiel- und Entscheidungstheorie stammendes Phänomen.176 Es beschreibt allgemein eine Situation, in der sich Personen befinden, die ein drohendes Übel gemeinsam abwenden oder eine Entscheidungssituation gemeinsam optimieren könnten, sich aber mangels Koordinations- und Kooperationsmöglichkeiten jeweils für ein geringeres Übel entscheiden, um wenigstens das größtmögliche Übel zu vermeiden.177 Bei öffentlichen Angeboten besteht mangels Kenntnis des Verhaltens der übrigen Aktionäre ein Informationsdefizit, das zu dem prisoner’s dilemma führt.178 Dieses beschreibt den Entscheidungskonflikt, in dem sich die Aktionäre bei einem öffentlichen Angebot deshalb befinden, da sie in der Regel nicht miteinander kommunizieren können und ein Zusammenschluss faktisch unmöglich ist.179 Sie haben die Wahl, entweder das Angebot zu den Konditionen des Bieters anzunehmen, auch wenn sie die angebotene Gegenleistung für zu niedrig halten, oder aber das Angebot abzulehnen mit dem Risiko, dass die anderen Aktionäre das Angebot mehrheitlich annehmen und sie daher als Minderheitsaktionär in der Gesellschaft verbleiben.180 Ein „Zurückbleiben“ als Minderheitsaktionär will der einzelne Aktionär als größtmögliches Übel aber vermeiden, sodass für den einzelnen Aktionär ein Verkaufsdruck entsteht, als geringeres Übel das Angebot auch zu schlechten Konditionen anzunehmen.181 Diesen Verkaufsdruck bei öffentlichen Erwerbsangeboten sollen die Zwischenberichtspflichten des § 23 Abs. 1 WpÜG dadurch vermindern, dass die Aktionäre bereits während des laufenden Angebotsverfahrens über das Verhalten der übrigen Aktionäre informiert werden.182 § 23 Abs. 1 WpÜG ist damit Ausprägung des Transparenzgebotes des § 3 Abs. 2 WpÜG und soll dem Aktionär ausreichende Informationen verschaffen, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können.183 176

Witt, NZG 2000, 809, 811. Geibel, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 16 WpÜG Rn. 29. 178 Diekmann, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2011, § 23 WpÜG Rn. 2. 179 Ders., in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2011, § 23 WpÜG Rn. 2; Geibel, in: Geibel/ Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 16 WpÜG Rn. 29. 180 Zu den aus den Entscheidungsmöglichkeiten möglichen Folgen für den Aktionär siehe Möllers, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 23 WpÜG Rn. 4 ff. 181 Geibel, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 16 WpÜG Rn. 29; Witt, NZG 2000, 809, 811 f.; Liebscher, ZIP 2001, 853, 856. 182 Thun, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 23 WpÜG Rn. 2; Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 23 WpÜG Rn. 2. 183 Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 23 WpÜG Rn. 2. 177

D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen 229

2. Übertragbarkeit auf Delisting-Situationen Fraglich ist, ob diese Schutzerwägungen auch auf den Fall eines Delistings übertragbar sind. Bei einem Delisting folgt der Verkaufsdruck für die (Minderheits-)Aktionäre – abweichend von der Situation eines Übernahmeangebots – allein daraus, die Aktie nach einem Delisting nicht mehr über die Börse veräußern zu können. Die Aktionäre haben die Wahl, das Angebot anzunehmen oder aber zukünftig Aktionär einer Gesellschaft zu sein, deren Aktien nicht mehr über die Börse handelbar sind. Dass sie im Fall eines Delistings als Minderheitsaktionäre in der Gesellschaft zurückbleiben, wenn das Abfindungsangebot eines Mehrheitsaktionärs von vielen Aktionären angenommen wird, ist für die Annahme des Angebots bei Delisting nicht ausschlaggebend. Für Aktionäre ist es im Fall eines Delistings daher auf den ersten Blick nicht in dem Maß wie bei einem Erwerbs- bzw. Übernahmeangebot relevant zu wissen, in welchem Umfang die anderen Aktionäre das Angebot annehmen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Aktionäre einer Gesellschaft mit einer bisher differenzierten Beteiligungsstruktur aus einem anderen Grund ein Interesse an der Information über die zukünftige Beteiligungsstruktur der Aktiengesellschaft haben können. Nach einem Widerruf der Börsenzulassung für den regulierten Markt können die Aktien weiterhin im Freiverkehr gehandelt werden. Hierauf können Anleger spekulieren und dies in ihrer Reaktion auf das Erwerbsangebot im Rahmen des Delistings berücksichtigen. Allerdings ist der außerbörsliche Handel für Anleger nur dann interessant, wenn eine möglichst breite Streuung der Aktien erhalten bleibt. Mit einem liquiden Handel der Aktien ist nicht zu rechnen, wenn ein Großteil der Aktien von einem oder mehreren Mehrheitsaktionären gehalten wird. Somit sind die „Wasserstandsmeldungen“ des § 23 WpÜG auch im Fall eines Delistings sinnvoll, wenn auch aus einem anderen Grund als in dem ursprünglich vorgesehenen Anwendungsbereich des WpÜG.184 Hierbei ist jedoch zu differenzieren. Dieses berechtigte Interesse können nur Aktionäre einer Gesellschaft mit einer bisher differenzierten Beteiligungsstruktur geltend machen. Ist die Beteiligungsstruktur der Gesellschaft aber (wie in DelistingFällen häufig anzutreffen185) schon während der Zulassung ihrer Aktien zum Handel im regulierten Markt durch einen geringen Streubesitz gekennzeichnet, stellt sich die Anwendung des § 23 Abs. 1 WpÜG als bloße Erschwerung des Delistings ohne erkennbaren Nutzen für die Aktionäre dar.

184 Ebenso anwendbar ist § 16 Abs. 2 S. 1 WpÜG. Dieser gibt Anlegern, die das Angebot während des Laufs der Annahmefrist nicht angenommen haben, die Möglichkeit, das Angebot noch nach Veröffentlichung der Mitteilung unmittelbar nach Ablauf der Annahmefrist im Rahmen einer weiteren Annahmefrist anzunehmen. 185 Siehe Kapitel 3 B. I. 4.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

3. Ergebnis Die „Wasserstandsmeldungen“ des § 23 WpÜG sind für die Anleger auch im Fall eines Delistings von Bedeutung, da dies Rückschlüsse auf die zukünftige Beteiligungsstruktur der Aktiengesellschaft zulässt. Nur bei einem breiten Streubesitz ist auch im Freiverkehr mit einem liquiden Handel zu rechnen.

III. Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats des Emittenten gemäß § 27 WpÜG In Wertpapiererwerbs- und Übernahmeverfahren verpflichtet § 27 WpÜG Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zur Abgabe einer begründeten Stellungnahme zum Angebot. In der Stellungnahme haben Vorstand und Aufsichtsrat „insbesondere“ Stellung zu nehmen zu der Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung (Nr. 1), den voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft (Nr. 2), den vom Bieter mit dem Angebot verfolgten Zielen (Nr. 3) sowie dazu, ob die Mitglieder von Vorstand oder Aufsichtsrat beabsichtigen, das Angebot anzunehmen (Nr. 4). Die Behandlung der genannten Aspekte ist zwingend, ohne dass ihnen abschließender Charakter zukäme.186 Fraglich ist, ob § 27 WpÜG nach Sinn und Zweck auch auf Delisting-Angebotsunterlagen anwendbar ist. 1. Sinn und Zweck des § 27 WpÜG § 27 WpÜG stellt eine Ausprägung des Transparenzprinzips nach § 3 Abs. 2 WpÜG dar und soll dazu beitragen, dass alle Aktionäre über ausreichende Informationen verfügen, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können.187 Die Stellungnahme nach § 27 WpÜG ist das Äquivalent zur Angebotsunterlage und soll eine einseitige Informationspolitik des Bieters verhindern.188 „Kern der Stellungnahme“ ist die Bewertung der Angemessenheit der Gegenleistung.189 Dies soll dazu beitragen, dass die Angebotsadressaten aufgrund einer aus186

Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 96; Harbarth, ZIP 2004, 3. 187 Harbarth, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2008, § 27 WpÜG Rn. 1; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 27 WpÜG Rn. 4. 188 Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 95 f.; Harbarth, ZIP 2004, 3. 189 Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 96; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 262; Harbarth, ZIP 2004, 3; zur Bedeutung der Infor-

D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen 231

gewogenen Entscheidungsgrundlage über die Annahme des Angebots entscheiden können.190 In der Praxis erlangt sie eine besondere Bedeutung insbesondere in Situationen von feindlichen Übernahmeangeboten.191 In Übernahmesituationen haben die Ausführungen des Vorstands und des Aufsichtsrats zu Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpÜG) besondere Bedeutung. Denn maßgeblich für die Entscheidung der Wertpapierinhaber, ob sie das Angebot annehmen, ist die Höhe der angebotenen Gegenleistung.192 Hierbei kommt es den Wertpapierinhabern entscheidend darauf an, ob die ihnen angebotene Gegenleistung (losgelöst vom Börsenkurs) dem Wert der Wertpapiere entspricht oder nicht.193 Im Übernahmerecht sind im Rahmen der Stellungnahme daher Ausführungen zur Angemessenheit der angebotenen Gegenleistung erforderlich, die sich nicht in der bloßen Feststellung der Einhaltung der gesetzlichen Mindestpreisvorschriften erschöpfen dürfen, sondern (von einer bloßen Betrachtung des Börsenkurses losgelöst) grundsätzlich auf der Grundlage einer Unternehmensbewertung zu erfolgen haben.194 Gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 WpÜG ist die Stellungnahme unverzüglich nach Übermittlung der Angebotsunterlage zu veröffentlichen. Lediglich in Fällen, in denen eine Unternehmensbewertung zeitlich nicht durchführbar ist, kommen andere Methoden in Betracht. Ist allerdings die Durchführung einer Unternehmensbewertung nach dem Ertragswertverfahren ausnahmsweise möglich, ist sie durchzuführen.195 In typischen Delisting-Situationen ist dies regelmäßig der Fall, da dem Delisting grundsätzlich eine Absprache zwischen Vorstand und Bieter vorausgeht196 und dem Vorstand daher bereits im Vorfeld genügend Zeit für eine umfassende Unternehmensbewertung zur Verfügung stünde. Damit müsste der Vorstand der Zielgesellschaft im Übernahmerecht eine Unternehmensbewertung durchführen lassen, um eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Stellungnahme abgeben zu können.

mationspflichten im Übernahmerecht siehe Hopt, ZGR 2002, 333, 352, speziell zu § 27 WpÜG S. 354 f. 190 Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 27 WpÜG Rn. 4; Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2002, S. 95 f. 191 Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 27 WpÜG Rn. 20. 192 Hierzu Harbarth, ZIP 2004, 3. 193 Ders., ZIP 2004, 3, 5. 194 Ders., in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2008, § 27 WpÜG 42 ff.; ders., ZIP 2004, 3, 4 ff.; Hirte, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 27 WpÜG Rn. 39; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 262 („Prognose über die zukünftige Geschäfts- und Ertragsentwicklung“). 195 Hierzu siehe Harbarth, ZIP 2004, 3, 6 ff. 196 Siehe hierzu Kapitel 7 E.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

2. Übertragbarkeit auf Delisting-Situationen Für ein Delisting hat sich der Gesetzgeber aber gerade dazu entschieden, dass sich die Höhe der Abfindung nicht nach einer aufwendigen Unternehmensbewertung, sondern grundsätzlich nach dem einfach festzustellenden gewichteten Börsenkurs bemessen soll. Dies soll insbesondere für die betroffenen Emittenten eine erhebliche Erleichterung darstellen, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt. Hier heißt es, dass die „Orientierung der Höhe der Abfindung am einfach festzustellenden Börsenkurs […] im Regelfall ein transparentes und rechtssicheres Verfahren [ermöglicht], das auch für die betroffenen Emittenten handhabbar ist und keine übermäßigen bürokratischen Hürden aufbaut.“197 Damit dient die Orientierung am Börsenkurs vor allem dem Emittenten. Der Gesetzgeber berücksichtigt hierbei, dass Emittenten ein Delisting vor allem aus Gründen der Kostenersparnis anstreben und eine Unternehmensbewertung eine empfindliche Kostenbelastung darstellen würde. Diese Erleichterung wäre jedoch wirkungslos, wenn quasi „durch die Hintertür“ bei jedem Delisting-Abfindungsangebot doch wieder eine Unternehmensbewertung erforderlich würde, um die gesetzliche Pflicht aus § 27 Abs. 1 WpÜG zu erfüllen. Anders als im wichtigsten Anwendungsfall des § 27 WpÜG bei feindlichen Übernahmen steht der Vorstand des Emittenten bei einem Delisting regelmäßig nicht auf Seiten der Aktionäre, sondern auf der Seite des Bieters.198 Dies folgt alleine schon daraus, dass im Vorfeld einer Delisting-Ankündigung bzw. Veröffentlichung des Erwerbsangebots eine Abstimmung zwischen Bieter und Vorstand des Emittenten im Hinblick auf die notwendige Mitwirkung des Vorstands des Emittenten bei der Beantragung des Widerrufs erforderlich ist und kein Bieter ein Erwerbsangebot daher ohne Absprache mit dem Vorstand abgeben wird.199 An der für die Entfaltung der Wirkung des § 27 Abs. 1 WpÜG erforderlichen Unabhängigkeit in der Bewertung des Abfindungsangebots durch Organe des Emittenten bestehen daher große Zweifel. 3. Ergebnis § 27 WpÜG ist seinem Sinn und Zweck nach nicht auf Angebote in DelistingSituationen anwendbar. § 27 WpÜG ist daher, zumindest in Situationen, in denen sich die Abfindung nach § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG nach dem Börsenkurs richtet, teleologisch zu reduzieren und nicht anzuwenden. Einer Anwendung des § 27 Abs. 1 WpÜG in den Sonderfällen des § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG, in denen sich die Höhe der Abfindung nach dem Ergebnis einer Unternehmensbewertung richtet, steht 197

BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 198 Ebenso Bayer, NZG 2015, 1169, 1175. 199 Hierzu siehe Kapitel 3 A.

D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen 233

hingegen nichts entgegen. In diesen Fällen dürfte aber fraglich sein, ob die Stellungnahme des Vorstands des Emittenten wegen dem regelmäßig gegebenen eigenen Interesse am Delisting ein wirkliches Gegengewicht zu dem Angebot des Bieters darstellt.

IV. Anwendbarkeit der Vorschriften über Vor- und Nacherwerbe auf das Delisting Fraglich ist, ob die Vorschriften über Vor- und Nacherwerbe (§ 4 WpÜG-AVO bzw. § 31 Abs. 5 WpÜG) ihrem Sinn und Zweck nach auf ein Delisting anwendbar sind. 1. Berücksichtigung von Vorerwerben gemäß § 4 WpÜG-AVO Nach § 4 WpÜG-AVO muss die Gegenleistung mindestens dem Wert der höchsten vom Bieter, einer mit ihm gemeinsam handelnden Person oder deren Tochterunternehmen gewährten oder vereinbarten Gegenleistung für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft innerhalb der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung nach § 14 Abs. 2 oder § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG entsprechen. a) Sinn und Zweck von § 4 WpÜG-AVO Die Regelung ist Ausprägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Aktionäre und soll dazu dienen, die Adressaten von Übernahme- und Pflichtangeboten an Paketzuschlägen teilhaben zu lassen, die im Vorfeld der Übernahme mit einzelnen Aktionären vereinbart wurden.200 b) Übertragbarkeit auf Delisting-Situationen Diese Schutzüberlegung greift in Delisting-Situationen jedoch nicht ein. Denn bei einem Delisting geht es lediglich um den Ausgleich für die Einschränkung der Verkehrsfähigkeit. Daher wird grundsätzlich auf den Börsenkurs abgestellt, da dieser den Ausgleich für den Verlust der Verkehrsfähigkeit darstellt.201 Es ist nicht ersichtlich, warum außerhalb einer bei Delisting nicht notwendig gegebenen Übernahmesituation daher Vorerwerbe Berücksichtigung finden sollten. Vielmehr kann die Anwendung von § 4 WpÜG-AVO im Rahmen des Delistings zu einer Besserstellung der Aktionäre im Vergleich zur Veräußerung über die Börse führen. Dies ist 200

Kremer/Oesterhaus, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 4 WpÜG-AVO Rn. 1; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 4 WpÜG-AVO Rn. 1. 201 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 5 D. IV.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

nicht sachgerecht. § 4 WpÜG-AVO ist daher im Rahmen einer teleologischen Reduktion bei Delisting-Angebotsverfahren nicht zu berücksichtigen. 2. Angebotserhöhung bei Nacherwerben gemäß § 31 Abs. 5 WpÜG Nach § 31 Abs. 5 S. 1 WpÜG hat der im Rahmen des Angebots ausgeschiedene Aktionär einen Zahlungsanspruch gegen den Bieter, wenn er innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Annahmefrist außerbörslich Aktien der Gesellschaft zu einem höheren Preis als nach dem Erwerbsangebot erwirbt. a) Sinn und Zweck von § 31 Abs. 5 WpÜG § 31 Abs. 5 WpÜG ist Ausdruck des übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus § 3 Abs. 1 WpÜG. Die Regelung zur Nachbesserung bei Nacherwerben soll eine Umgehung der Abfindungsvorschriften durch eine zeitliche Verlagerung des Erwerbs von Aktien der Zielgesellschaft verhindern.202 b) Übertragbarkeit auf Delisting-Situationen Diese Schutzerwägung greift bei einem Abfindungsangebot im Rahmen eines Delistings nicht. Ein „nachwirkender“ Gleichbehandlungsgrundsatz ist bei Delisting-Abfindungsangeboten nicht erforderlich. Bei einem Delisting geht es lediglich um den Ausgleich der Einschränkung der Verkehrsfähigkeit zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung der Aktien zum regulierten Markt. Mit nachfolgenden und notwendigerweise aus anderen Gründen erfolgenden Erwerben des Bieters besteht kein Zusammenhang. Die Problematik einer zeitlichen Verlagerung des Erwerbs der Aktien stellt sich hier nicht, da es dem Bieter mit seinem Angebot nicht vorrangig auf den Erwerb der Anteile, sondern auf die Ermöglichung des Delistings ankommt. Insbesondere die Motivation eines Bieters, nach einem Delisting Strukturmaßnahmen, zum Beispiel einen Squeeze-Out, durchzuführen, ist von dem Anwendungsbereich der Nacherwerbsregelung in § 31 Abs. 5 WpÜG von vornherein nicht erfasst, siehe § 31 Abs. 5 S. 2 WpÜG. Es verbleiben damit solche Fälle, in denen der Erwerber nach einem Delisting weitere Aktien erwerben will, um seinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss unabhängig von etwa beabsichtigten Strukturmaßnahmen auszubauen. Denkbar ist dabei insbesondere, dass der Wert der Aktie bzw. der Gesellschaft infolge des Delistings insbesondere wegen der Kostenersparnis gestiegen ist. Es ist nicht sachgerecht, die Aktionäre, die sich durch Annahme der

202 Marsch-Barner, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2010, § 31 WpÜG Rn. 105; Krause, in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 31 WpÜG Rn. 130.

D. Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des WpÜG in Delisting-Situationen 235

Pflichtabfindung bei Delisting entschieden haben, an der zukünftigen Entwicklung der Gesellschaft nicht mehr teilhaben zu wollen, auf diesem Weg zu belohnen. Daher ist es nicht einzusehen, warum der Bieter den Aktionären, die sein Abfindungsangebot im Rahmen des Delistings annehmen, nachträglich den Differenzbetrag zahlen muss, wenn er innerhalb eines Jahres nach Delisting ein freiwilliges Erwerbs- oder Übernahmeangebot zu einem höheren Preis je Aktie unterbreitet. Im Rahmen einer teleologischen Reduktion ist § 31 Abs. 5 WpÜG in DelistingAngebotsverfahren daher nicht zu berücksichtigen. 3. Ergebnis Sowohl § 4 WpÜG-AVO als auch § 31 Abs. 5 WpÜG haben einen spezifisch auf Übernahmesituationen zugeschnittenen Anwendungsbereich, der nicht auf Delisting-Situationen übertragbar ist. Daher sind beide Vorschriften im Rahmen einer teleologischen Reduktion in Delisting-Angebotsverfahren bei der Bestimmung des Angebotspreises nicht zu berücksichtigen.

V. Ergebnis Der Gesetzgeber erklärt sämtliche Vorschriften des WpÜG-Angebotsverfahrens auf Delisting-Situationen für anwendbar, ohne den Unterschieden zwischen einer Delisting-Situation und einer Übernahme- bzw. Erwerbs-Situation Rechnung zu tragen. Die Interessenlagen und Schutzbedürfnisse der Anleger unterscheiden sich in beiden Fällen aber erheblich. Im Rahmen einer teleologischen Reduktion greift der Verweis auf die Verfahrensvorschriften hinsichtlich solcher Vorschriften nicht, die ihrem Sinn und Zweck nach nicht auf Delisting-Abfindungsangebote zu übertragen sind. Insbesondere ist der Inhalt der Angebotsunterlage auf die für das Delisting relevanten Elemente zu beschränken. Die Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats gemäß § 27 WpÜG würde in Delisting-Situationen eine Unternehmensbewertung erfordern, was durch die gesetzliche Regelung gerade vermieden werden sollte. Die Vorschriften über Vor- und Nacherwerbe (§ 4 WpÜG-AVO und § 31 Abs. 5 WPÜG) sind ihrem Sinn und Zweck nach nicht auf Delisting-Fälle anwendbar. Denn die Abfindung bei Delisting soll lediglich einen Ausgleich des Verlustes der Verkehrsfähigkeit bewirken, die Anleger aber nicht gegenüber einer Veräußerung über die Börse besserstellen.

236

7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

E. Verhältnis der Veröffentlichung nach § 10 WpÜG zu der Ad-hoc-Publizitätspflicht aus Art. 17 MAR Nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG setzt ein vollständiges Delisting die Durchführung eines WpÜG-Angebotsverfahrens voraus. In dessen Rahmen hat der Bieter seine Entscheidung zur Abgabe des Delisting-Abfindungsangebots nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu veröffentlichen.

I. Funktion der Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG in Delisting-Situationen In Delisting-Fällen hat die Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG eine besondere Funktion. Da nach § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG für den für die Bestimmung der Angebotshöhe grundsätzlich maßgeblichen sechsmonatigen Referenzzeitraum auf die Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG (oder, sofern einschlägig, auf die Veröffentlichung nach § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG) abgestellt wird, soll die Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG nach der Konzeption des Gesetzgebers die erste (Anleger- und Kapitalmarkt-)Information über das geplante Delisting sein.

II. Verhältnis von § 10 WpÜG zu Art. 17 MAR203 Wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Kapitalmarkt erst durch die Veröffentlichung nach § 10 WpÜG von der Delisting-Absicht informiert wird, ist das Verhältnis der Veröffentlichungspflicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG zur Ad-hocMitteilungspflicht aus Art. 17 MAR in Fällen des Delistings von Bedeutung. Fraglich ist insbesondere, ob die Ad-hoc-Publizitätspflicht aus Art. 17 MAR in Delisting-Fällen nicht bereits zeitlich früher eingreift als die Veröffentlichungspflicht nach § 10 Abs. 1 S. 1WpÜG. Im Rahmen der Ad-hoc-Publizitätspflicht kann unterschieden werden zwischen der für den Emittenten und der für den Bieter bestehenden Ad-hoc-Mitteilungspflicht.204

203 Sofern nicht explizit angegeben, beziehen sich die folgenden Literaturverweise im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizität auf § 15 WpHG aF. Sämtliche Überlegungen können aber grundsätzlich auf die Regelung in Art. 17 MAR übertragen werden. 204 Zur grundsätzlich getrennten Betrachtung von Bieter und Emittent siehe Geibel, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 10 WpÜG Rn. 126; Santelmann/Steinhardt, in: Steinmeyer (Hrsg.), WpÜG, 3. Aufl., 2013, § 10 WpÜG Rn. 50; Thoma, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2011, § 10 WpÜG Rn. 115.

E. Verhältnis der Veröffentlichung nach § 10 WpÜG zu Art. 17 MAR

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1. Verhältnis zur Veröffentlichungspflicht des Bieters aus Art. 17 Abs. 1 MAR Die Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR trifft nur selbst börsennotierte Bieter, während die Veröffentlichungspflicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG jeden Bieter unabhängig von einer Zulassung seiner Anteile zum Handel im regulierten Markt trifft. Ist der Bieter eine börsennotierte Gesellschaft, könnte ihn zusätzlich zu der Pflicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG eine Veröffentlichungspflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR treffen. Allerdings bestimmt § 10 Abs. 6 WpÜG, dass Art. 17 MAR nicht für die Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines öffentlichen Erwerbsangebots gilt. Hierbei ist § 10 Abs. 6 WpÜG gegenüber Art. 17 MAR die speziellere Vorschrift.205 Mit der Regelung in § 10 Abs. 6 WpÜG soll eine Doppelpublizität vermieden werden, sodass der Bieter nicht verpflichtet ist, eine nach § 10 WpÜG veröffentlichte Entscheidung noch einmal in der Form des Art. 17 MAR zu publizieren.206 Ist für die Entscheidung, ein Angebot abzugeben auf Seiten des Bieters eine Beteiligung des Aufsichtsrats oder anderer Gremien vorgesehen (sogenannte mehrstufige Entscheidungsfindungsprozesse), ist fraglich, ob die Pflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR während der Planungsphase, also bereits vor der Veröffentlichung nach § 10 WpÜG greift. Man könnte ein Eingreifen von Art. 17 MAR annehmen, wobei für den Bieter während der Planungsphase eine Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR möglich wäre.207 Dies hätte aber zur Folge, dass während der Planungsphase unterschiedliche Veröffentlichungspflichten für börsennotierte und nicht börsennotierte Emittenten gelten würden.208 Richtigerweise ist zu differenzieren. § 10 Abs. 6 WpÜG ist so auszulegen, dass bereits die gesamte Planung eines Erwerbsangebots lediglich von der Informationspflicht des § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG erfasst ist und § 10 WpÜG daher die Regel des Art. 17 MAR nur insoweit verdrängt.209 Art. 17 MAR gilt aber weiterhin für nicht angebotsbezogene Tatsachen, die 205 Assmann, ZGR 2002, 697, 712; Geibel, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 10 WpÜG Rn. 126; Santelmann/ Steinhardt, in: Steinmeyer (Hrsg.), WpÜG, 3. Aufl., 2013, § 10 WpÜG Rn. 50; Thoma, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2011, § 10 WpÜG Rn. 114, 116 f. 206 Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 614 f. 207 Assmann, ZHR 172 (2008), 635, 652 f.; ders., in: Assmann/Pötzsch/Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl., 2013, § 10 WpÜG Rn. 79; ders., in: Assmann/Schneider (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz, 6. Aufl., 2012, § 15 WpHG Rn. 75; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 615 f.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 652; Decker, Adhoc-Publizität bei öffentlichen Übernahmen, 2008, S. 188; Pfüller, in: Fuchs (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 2009, § 15 WpHG Rn. 196; Santelmann/Steinhardt, in: Steinmeyer (Hrsg.), WpÜG, 3. Aufl., 2013, § 10 WpÜG Rn. 53 f. 208 Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 10 WpÜG Rn. 82. 209 Geibel, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 10 WpÜG Rn. 130; Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 10 WpÜG Rn. 82; nicht zwischen

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

den Bieter im Sinne des Art. 17 Abs. 1 MAR unmittelbar betreffen.210 Daher ist die Geltung des § 10 Abs. 6 WpÜG nur hinsichtlich paralleler Veröffentlichungspflichten des Bieters auch bereits auf die Planungsphase zu erstrecken, sodass jedenfalls seitens des Bieters wegen der ihn grundsätzlich treffenden Ad-hoc-Publizitätspflicht keine Mitteilung über das geplante Delisting vor der Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu erfolgen hat. Für den Zeitraum nach der Veröffentlichung nach § 10 WpÜG kann § 10 Abs. 6 WpÜG hingegen hinsichtlich kursrelevanter Umstände, die nicht bereits mit der Entscheidung zur Abgabe eines Erwerbsangebots veröffentlicht wurden, keine Geltung mehr entfalten. Solche Umstände unterliegen weiterhin der Veröffentlichungspflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR.211 2. Verhältnis zur Veröffentlichungspflicht des Emittenten aus Art. 17 Abs. 1 MAR Den Emittenten könnte im Hinblick auf das anstehende Delisting eine Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR treffen. Fraglich ist insbesondere, ob eine mögliche Mitteilungspflicht des Emittenten nach Art. 17 Abs. 1 MAR bereits vor der Veröffentlichungspflicht des Bieters nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG greift bzw. greifen kann. In diesem Fall wäre die Anknüpfung der Berechnung des Börsenkurses nach § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG an die Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG falsch gewählt. Im Übernahmerecht wird der Rechtsgedanke des § 10 Abs. 6 WpÜG teilweise auf die Zielgesellschaft übertragen mit der Folge, dass sie erst dann nach Art. 17 MAR publizitätspflichtig wird, nachdem der Bieter seine Entscheidung nach § 10 WpÜG veröffentlich hat.212 Dies soll insbesondere bei einer gemeinsam getroffenen Entscheidung, also bei sogenannten „freundlichen Übernahmen“ der Fall sein.213 Dieser Gedanke kann jedoch deshalb nicht auf das Delisting übertragen werden, da er bereits im Übernahmerecht nicht überzeugen kann. Denn dies würde bedeuten, dass die Publizitätspflicht der Zielgesellschaft nach Art. 17 Abs. 1 MAR vollständig entfiele: Sobald der Bieter seiner Veröffentlichungspflicht nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG den einzelnen zeitlichen Phasen differenzierend Thoma, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2011, § 10 WpÜG Rn. 114. 210 Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 10 WpÜG Rn. 82. 211 Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 615; Santelmann/Steinhardt, in: Steinmeyer (Hrsg.), WpÜG, 3. Aufl., 2013, § 10 WpÜG Rn. 51 f.; Walz, in: Haarmann/Schüppen (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 3. Aufl., 2008, § 10 WpÜG Rn. 63. 212 Hirte, in: Hirte/Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010, § 10 WpÜG Rn. 99; Hopt, ZGR 2002, 333, 345 ff., 346 f.; Riegen, ZHR 167 (2003), 702, 730. 213 Santelmann/Steinhardt, in: Steinmeyer (Hrsg.), WpÜG, 3. Aufl., 2013, § 10 WpÜG Rn. 59.

E. Verhältnis der Veröffentlichung nach § 10 WpÜG zu Art. 17 MAR

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nachgekommen ist, liegt bereits keine Insiderinformation mehr vor.214 Dies widerspräche jedoch dem Willen des Gesetzgebers, nach dem gerade die Übermittlung eines Übernahmeangebots an die Zielgesellschaft dem Anwendungsbereich des Art. 17 MAR unterfallen soll.215 Damit ist die Geltung des Art. 17 MAR für den Emittenten nicht bereits wegen der Nichtanwendungsanordnung des § 10 Abs. 6 WpÜG ausgeschlossen, da diese nur für den Bieter gilt.216 Im Übernahmerecht kann das Führen von Übernahmegesprächen, und insbesondere der Abschluss eines Letters of Intent, mit dem Bieter für die Zielgesellschaft daher zum Vorliegen von Insiderinformationen führen.217 Übertragen auf die Situation des Delistings bedeutet dies Folgendes: Im Vorfeld eines Delistings – genauer: im Vorfeld der Bekanntgabe der Entscheidung des Bieters auf Abgabe eines Erwerbsangebots nach § 10 WpÜG – wird alleine aus praktischen Gründen regelmäßig eine Verständigung zwischen dem Vorstand des Emittenten und dem Bieter erfolgen. Schließlich muss der Vorstand das Delisting als Geschäftsführungsmaßnahme beschließen und letztlich den Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung gemäß § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG bei der Börsengeschäftsführung stellen. Zudem hat die Angebotsunterlage nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG einen Hinweis auf den (vom Vorstand noch zu stellenden) Delisting-Antrag zu enthalten. Bereits ab diesem Zeitpunkt wird regelmäßig eine Insiderinformation vorliegen, die den Emittenten zu einer Mitteilung nach Art. 17 MAR verpflichtet, da ihn das geplante Delisting unmittelbar betrifft. Liegt eine Insiderinformation vor, hat der Emittent jedoch ein Interesse daran, erst dann mit den Delisting-Plänen an die Öffentlichkeit zu treten, wenn der Bieter das Angebot tatsächlich veröffentlicht hat. Ansonsten würde erheblich in die Preisfindung für das Abfindungsangebot eingegriffen. Es bestünde die reale Gefahr einer Kursbeeinflussung, was erhebliche Auswirkungen auf die Preisfindung hätte, die sowohl nach der Konzeption des § 39 Abs. 3 S. 2 BörsG als auch des WpÜG an die

214

Hierzu Geibel, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 10 WpÜG Rn. 133. 215 BT-Drucks. 15/3174, S. 35 (Begr. RegE zum Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG)) führt als Beispiel ausdrücklich „die Übermittlung eines Übernahmeangebots“ an die Zielgesellschaft auf; ders., in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 10 WpÜG Rn. 134. 216 Assmann, ZGR 2002, 697, 714 f.; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 616; Geibel, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 10 WpÜG Rn. 133 ff.; Hopt, ZGR 2002, 333, 346; Pfüller, in: Fuchs (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 2009, § 15 WpHG Rn. 198; Thoma, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2011, § 10 WpÜG Rn. 115; Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 10 WpÜG Rn. 89. 217 Geibel, in: Geibel/Süßmann (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl., 2008, § 10 WpÜG Rn. 135; Wackerbarth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2011, § 10 WpÜG Rn. 93.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines Erwerbsangebots anknüpft.218 Für solche Fälle hat der Gesetzgeber in Art. 17 Abs. 4 MAR vorgesehen, dass der Emittent von der Pflicht zur Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 MAR solange befreit ist, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, die Aufschiebung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation sicherstellen kann. Somit kann zwar eine Insiderinformation vorliegen, der Emittent kann sich aber bis zur Veröffentlichung durch den Bieter nach § 10 WpÜG hinsichtlich des geplanten Delistings auf Art. 17 Abs. 4 MAR berufen.219 Nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Erwerbsangebots durch den Bieter nach § 10 WpÜG gilt für den Emittenten Art. 17 MAR. Eine Insiderinformation stellt das geplante Delisting nach der Veröffentlichung durch den Bieter nach § 10 WpÜG nicht mehr dar. Art. 17 MAR wird für den Emittenten aber nach der Fassung des Delisting-Beschlusses durch den Vorstand und bei der Stellung des Delisting-Antrags bei der Börsengeschäftsführung wieder relevant. 3. Ergebnis Sowohl der Bieter als auch der Emittent unterliegen vor der Veröffentlichung nach § 10 WpÜG keiner Ad-hoc Publizitätspflicht. Sofern der Bieter publizitätspflichtig ist, greift § 10 Abs. 6 WpÜG auch für die Vorbereitungsphase. Der Emittent kann sich jedenfalls auf Art. 17 Abs. 4 MAR berufen.

III. Ergebnis Ein vollständiges Delisting setzt die Durchführung eines WpÜG-Angebotsverfahrens voraus. In dessen Rahmen hat der Bieter seine Entscheidung zur Abgabe des Delisting-Abfindungsangebots nach § 10 WpÜG zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG soll die erste (Anleger- und Kapitalmarkt-) Information über das geplante Delisting sein. Konflikte mit der Ad-hoc Publizitätspflicht des Art. 17 Abs. 1 MAR bestehen nicht. Sollte der Bieter selbst publizitätspflichtig sein, erstreckt sich § 10 Abs. 6 WpÜG bereits auf die Planungsphase. Der in die Planung des Delistings eingebundene Emittent kann sich jedenfalls nach Art. 17 Abs. 4 MAR von der Publizitätspflicht selbst befreien.

218 Hierzu in Bezug auf ein Übernahme Thoma, in: Baums/Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2011, § 10 WpÜG Rn. 118. 219 Für diese Möglichkeit in Bezug auf Erwerbs- bzw. Übernahmeangebote siehe Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 616; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 655 f.; Thoma, in: Baums/ Thoma (Hrsg.), WpÜG, 2011, § 10 WpÜG Rn. 118.

F. Auskunftsansprüche gegen den Emittenten

241

F. Auskunftsansprüche gegen den Emittenten Sowohl für Anleger als auch für Bieter ist im Rahmen des Erwerbsangebots wegen des bei Verstößen gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR aus § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG folgenden Zuzahlungsanspruchs der Anleger von Interesse, ob ein Verstoß des Emittenten gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR vorliegt: für Anleger, um einen Zuzahlungsanspruch nach § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG überhaupt erst geltend machen zu können und für Bieter, um im Hinblick auf den eventuell bestehenden und von ihnen aufzubringenden Zuzahlunganspruch der Anleger die finanziellen Risiken des Angebots abschätzen zu können. Anleger oder Bieter werden regelmäßig nicht über Informationen über mögliche Verstöße des Emittenten gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR verfügen. Der Nachweis eines Verstoßes des Emittenten gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR ist schwer zu führen.220 Insbesondere sind im BörsG keine Auskunftsansprüche vorgesehen. Fraglich ist daher, ob aus der gesellschaftlichen Treuepflicht Auskunftsansprüche der Anleger und des Bieters gegen den Emittenten über mögliche Verstöße des Emittenten gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR abgeleitet werden können.

I. Auskunftsanspruch des Anlegers gegen den Emittenten 1. Grundlagen zur Treuepflicht Auch wenn die Geltung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im Aktienrecht allgemein anerkannt ist221, ist ihre Rechtsgrundlage weiterhin ungeklärt.222

220

Siehe hierzu Kapitel 5 D. V. 1. d) bb). BGH, Urt. v. 1. 2. 1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f. („Linotype“); BGH, Urt. v. 19. 9. 1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107, 111 ff. („BMW“) zur Treuepflicht der Aktiengesellschaft gegenüber ihren Aktionären; BGH, Urt. v. 20. 3. 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142 („Girmes“) zu den Treuepflichten des Minderheitsaktionärs; BGH, Urt. v. 5. 7. 1999 – II ZR 126/98, BGHZ 142, 167, 169 f. („Hilgers“) zu den Treuepflichten des Mehrheitsaktionärs; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 53a AktG Rn. 42; Henze, in: Goerdeler/Hommelhoff/Lutter u. a. (Hrsg.), Festschrift für Alfred Kellermann, 1991, S. 141, 141 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff.; ders., ZHR 153 (1989), 446, 446 ff. Zur rechtshistorischen Entwicklung der Anerkennung der Treupflicht im Aktienrecht siehe umfassend Henze/Notz, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2008, Anh § 53a AktG Rn. 1 ff. 222 Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 53a AktG Rn. 45; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228 ff.; siehe beispielhaft Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 f. und Marsch-Barner, ZHR 157 (2003), 172, 172 f. für eine Begründung aus der Mitgliedschaft über die Förderpflicht des § 705 BGB. 221

242

7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

Treuepflichten können zunächst zwischen den Aktionären bestehen. Hierbei unterliegt sowohl der Mehrheitsaktionär gegenüber dem Minderheitsaktionär223 als auch der Minderheitsaktionär gegenüber dem Mehrheitsaktionär und den anderen Minderheitsaktionären224 einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. In dieser Wirkungsrichtung umfasst die Treuepflicht die Pflicht zu Loyalität und Rücksichtnahme gegenüber den Mitaktionären, insbesondere im Rahmen der Ausübung mitgliedschaftlicher Befugnisse.225 Treuepflichten können aber auch zwischen Aktionären und Aktiengesellschaft bestehen. Eine Treuepflicht des Aktionärs gegenüber seiner Gesellschaft hat bereits das RG anerkannt.226 Die Treuepflicht beschreibt in dieser Wirkungsrichtung eine Pflicht der Gesellschafter, den Zweck ihrer Gesellschaft aktiv zu fördern und alles zu unterlassen, was der Gesellschaft schaden könnte.227 In Fortführung dieser Rechtsprechung nimmt der BGH aber nicht nur eine Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft, sondern in umgekehrter Richtung auch eine Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären an.228 In dieser Wirkungsrichtung beschreibt die Treuepflicht die Pflicht der Aktiengesellschaft, „dem einzelnen Aktionär eine ungehinderte und sachgemäße Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte zu ermöglichen und alles zu unterlassen, was dieses Recht beeinträchtigen könnte“.229 2. Ableitung eines Auskunftsanspruchs aus der Treuepflicht Die Ableitung eines Auskunftsanspruchs des Anlegers gegen den Emittenten hinsichtich eines Verstoßes gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR könnte damit begründen werden, dass der Anleger gleichzeitig Gesellschafter des Emittenten ist und die Entscheidung, ob er im Zuge des Delistings seine Gesellschafterstellung aufgibt, zu einem entscheidenden Teil von der Abfindungshöhe abhängig ist. Die Abfindungshöhe hingegen kann gemäß § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 S. 3 BörsG davon 223

BGH, Urt. v. 1. 2. 1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f. („Linotype“); hierzu siehe Henze, in: Goerdeler/Hommelhoff/Lutter u. a. (Hrsg.), Festschrift für Alfred Kellermann, 1991, S. 141, 141 ff. und Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 446 ff. 224 BGH, Urt. v. 20. 3. 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142 („Girmes“). 225 Marsch-Barner, ZHR 157 (2003), 172, 173. 226 RG, Urt. v. 22. 1. 1935 – II 198/34, RGZ 146, 385, 395; RG, Urt. v. 21. 9. 1938 – II 183/37, RGZ 158, 248, 254; siehe auch Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 53a AktG Rn. 48. Fortgeführt durch BGH in BGH, Urt. v. 9. 6. 1954 – II ZR 70/53, BGHZ 14, 25, 38; BGH, Urt. v. 1. 2. 1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f. („Linotype“); BGH, Urt. v. 20. 3. 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142 („Girmes“). 227 Marsch-Barner, ZHR 157 (2003), 172. 228 BGH, Urt. v. 19. 9. 1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107, 111 ff. („BMW“); hierzu allgemein bereits Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122 f. 229 BGH, Urt. v. 19. 9. 1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107, 111 („BMW“).

F. Auskunftsansprüche gegen den Emittenten

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abhängig sein, ob der Emittent gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR verstoßen hat. Daher ist es für Anleger relevant zu wissen, ob ein solcher Verstoß tatsächlich gegeben ist. Aus der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär könnte ein Auskunftsrecht des Anlegers abgeleitet werden.230 Die Ableitung eines Auskunftsanspruchs der Anleger gegen den Emittenten über Verstöße gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR aus der gesellschaftlichen Treuepflicht erscheint jedoch problematisch. a) Abschließender Auskunftsanspruch aus § 131 AktG Einem aus der Treuepflicht abgeleiteten Auskunftsanspruch des Anlegers gegen seine Gesellschaft steht bereits § 131 AktG entgegen. In § 131 AktG hat der Gesetzgeber das Informationsrecht des Aktionärs abschließend geregelt.231 Nach § 131 Abs. 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgerechten Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. § 131 AktG stellt für die Aktiengesellschaft eine Konkretisierung und Begrenzung des mitgliedschaftlichen Grundrechts auf Information dar.232 Mit der Regelung des § 131 AktG trifft der Gesetzgeber die Grundsatzentscheidung, dass dem Aktionär nur ein in der Hauptversammlung auzuübendes Informationsrecht zusteht. Dies stellt eine Begrenzung des individuellen Informationsrechts dar und lässt sich mit der auf Publikumsgesellschaften zugeschnittenen Verfassung der Aktiengesellschaft, dem Vorhandensein des Aufsichtsrats und einer umfassenden Berichtspflicht des Vorstands rechtfertigen.233 § 131 AktG zeigt, dass das Aktienrecht in erster Linie nicht auf das individuelle, sondern auf das kollektive Informationsrecht und seine Durchsetzung durch den Aufsichtsrat setzt.234 § 131 AktG begrenzt das Auskunftsrecht des Aktionärs zeitlich auf die Zeit während der Hauptversammlung und gegenständlich auf Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung. Auch soweit über die nach Art. 14 GG geschützte Rechtspo230 Wiedemann bezeichnet Auskunftsrechte vor dem Hintergrund, dass eine sinnvolle Ausübung von Mitverwaltungs- und Lösungsbefugnissen ohne ausreichende Information nicht möglich ist, als „mitgliedschaftliche Grundrechte“, Wiedemann, Gesellschaftsrecht Band I Grundlagen, 1980, S. 374; siehe auch Casper, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel Band II, 2007, S. 546, 560 f., Rn. 18. 231 Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 50 f.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 131 AktG Rn. 8. 232 Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 48; zu dem mitgliedschaftlichen Grundrecht auf Information siehe Wiedemann, Gesellschaftsrecht Band I Grundlagen, 1980, S. 374; Casper, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel Band II, 2007, S. 546, 560 f. 233 Schmidt, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 48 f. 234 Ders., Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden, 1984, S. 49.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

sition des Aktionärs und seiner Stellung als Kapitalanleger aus § 131 AktG ein allgemeiner Rechenschaftsanspruch abgeleitet wird, wonach das Auskunftsrecht auch Informationen abdecken soll, die für eine sachgerechte Aktienanalyse und Unternehmensbewertung benötigt werden235, beschränkt sich dieses erweiterte Auskunftsrecht auf die Zeit während der Hauptversammlung. Ein generelles Auskunftsrecht des Aktionärs lässt sich hieraus nicht ableiten. Die richterrechtliche Generalklausel der aktienrechtlichen Treuepflicht kann sich nicht über die Entscheidungen des Gesetzgebers und die dem Aktiengesetz zugrundeliegenden Grundentscheidungen hinwegsetzen. Dies gilt insbesondere dort, wo das Gesetz wie hier eine abschließende Regelung getroffen hat.236 b) Widerspruch zur aktienrechtlichen Kompetenzordnung Ein aus der Treuepflicht abgeleitetes Auskunftsrecht des Aktionärs widerspräche zudem der Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft, nach der die Kontrolle über den Vorstand und dessen Geschäftsführungsmaßnahmen dem Aufsichtsrat und gerade nicht einzelnen Aktionären zugewiesen ist.237 c) Haftungsrisiken aus §§ 37b, 37c WpHG Zudem könnte die Einräumung von Verstößen gegen Art. 17 MAR durch die Aktiengesellschaft zu erheblichen Haftungsrisiken aus §§ 37b, 37c WpHG führen. d) Ergebnis Damit kann insbesondere wegen der abschließenden Regelung des Auskunftsanspruchs der Aktionäre in § 131 AktG und andernfalls bestehenden Widerspruchs zur aktienrechtlichen Kompetenzordnung aus der Treuepflicht kein Auskunftsanspruch der Aktionäre gegen den Emittenten über Verstöße gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR abgeleitet werden.

235 So KG, Beschl. v. 24. 8. 1995 – 2 W 1255/95, ZIP 1995, 1585, 1587 („Allianz“); Ebenroth, Das Auskunftsrecht des Aktionärs und seine Durchsetzung im Prozeß, 1970, S. 4, 11; Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 767 ff.; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 259 ff., 323; ablehnend Decher, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2008, § 131 AktG Rn. 10 ff., 14 ff.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 131 AktG Rn. 7; Spitze/Diekmann, ZHR 158 (1994), 447, 459. 236 Bungeroth, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., 2016, Vor § 53a AktG Rn. 33; Henze/Notz, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2008, Anh § 53a AktG Rn. 97; Wastl, NZG 2005, 17, 19. 237 Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 131 AktG Rn. 7; siehe auch Decher, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2008, § 131 AktG Rn. 12.

G. Parallele Anlegerschutzmechanismen

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II. Auskunftsanspruch des Bieters gegen den Emittenten Soweit der Bieter selbst Aktionär des Emittenten ist, kann aus den soeben genannten Gründen auch im Verhältnis zu ihm ein Auskunftsrecht nicht über die Treuepflicht begründet werden. Ist der Bieter ein nicht an der Gesellschaft beteiligter Dritter, fehlt es für ein Auskunftsrecht gegen den Emittenten bereits an einer möglichen Grundlage.

III. Ergebnis Anleger und Bieter haben daher im Hinblick auf § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG und eine mögliche Verletzung der Art. 17 oder Art. 15 MAR durch den Emittenten keine Auskunftsansprüche gegen den Emittenten. Soll den Anlegern die Geltendmachung des Zuzahlungsanspruchs nach § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG erleichtert werden, ist eine gesetzliche Regelung erforderlich. Gleiches gilt für Auskunftsansprüche des Bieters.

G. Parallele Anlegerschutzmechanismen Fraglich ist, ob neben den gesetzlich in § 39 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 BörsG vorgesehenen weitere Anlegerschutzmechanismen parallel herangezogen werden können.

I. Anlegerschutz durch Satzungsregelungen Fraglich ist, ob Anlegerschutzmechanismen wie die Börsennotierung, die Erforderlichkeit eines Abfindungsangebots oder eines Hauptversammlungsbeschlusses in der Satzung der Aktiengesellschaft vorgesehen werden können. Folge dieser statuarischen Verankerung wäre, dass der Vorstand bei Missachtung dieser Vorgaben stets pflichtwidrig handeln und einen Satzungsverstoß begehen würde, was den Weg zu einem Schadensersatzanspruch aus § 93 Abs. 2 AktG eröffnen könnte. Dass diese Fragen nicht rein theoretischer Natur sind, zeigt, dass in der Praxis als unmittelbare Reaktion auf die Frosta-Entscheidung die Macrotron-Grundsätze (zumindest teilweise) durch Regelungen in der Satzung festgeschrieben wurden.238 238 Die Hauptversammlung der GK Software AG stimmte am 28. 8. 2014 nahezu einstimmig dafür, neben der Festschreibung der Börsennotierung (96,9 % Zustimmung) eine Verankerung der Notwendigkeit eines Abfindungsangebots nach den Macrotron-Grundsätzen (100 % Zustimmung) aufzunehmen, siehe Gesellschaftsbekanntmachung vom 22. 7. 2014 hinsichtlich der Einladung zur ordentlichen Hautversammlung. Die Abstimmungsergebnisse sind abrufbar unter http://investor.gk-software.com/de/hauptversammlung/hauptversammlung-2014. Auch die Hauptversammlung der STRABAG AG am 4. 7. 2014 hatte in TOP 12 über ein Minderheitsverlangen nach § 122 Abs. 2 AktG hinsichtlich der Aufnahme einer Regelung in die Satzung der AG zu entscheiden, nach der ein gerichtlich überprüfbares Abfindungsangebot

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

1. Verankerung der Börsennotierung in der Satzung Entscheidend für die Beantwortung der Frage ist das richtige Verständnis des in § 23 Abs. 5 AktG enthaltenen Grundsatzes der Satzungsstrenge. In § 23 Abs. 5 S. 1 AktG ist festgelegt, dass die Satzung nur dann von den Vorschriften des Aktiengesetzes abweichen kann, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Man könnte argumentieren, dass der Grundsatz der Satzungsstrenge einer Verankerung der Börsennotierung nicht entgegenstehe, da gesetzesergänzende Satzungsbestimmungen gemäß § 23 Abs. 5 S. 2 AktG grundsätzlich erlaubt seien, es sei denn das Aktiengesetz treffe eine abschließende Regelung – eine solche enthalte das Aktiengesetz für das Delisting jedoch gerade nicht.239 Eine außerhalb des Unternehmensgegenstands aufgenommene Regelung „Die Gesellschaft ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in …“ wird daher als zulässig erachtet.240 Letztlich geht es um die im Aktiengesetz vorgeschriebene Machtbalance zwischen Vorstand und Hauptversammlung. Im aktienrechtlichen Kompetenzgefüge ist vorgesehen, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft die Geschäfte gemäß §§ 76 Abs. 1, 77 Abs. 1 AktG eigenverantwortlich führt, während die Hauptversammlung nur innerhalb enger gesetzlicher Zuständigkeiten entscheidet, § 119 Abs. 1 AktG.241 Wenn die Hauptversammlung dem Vorstand nun durch die Aufnahme einer entsprechenden Satzungsregelung vorschreibt, ein Delisting gar nicht (oder nur nach Änderung der Satzung durch die Hauptversammlung) zu beantragen, so liegt hierin eine Verschiebung der aktienrechtlichen Kompetenzaufteilung. Denn nach Frosta handelt es sich bei der Entscheidung über ein Delisting um eine zentrale Frage der Geschäftsführung.242 Das aktienrechtliche Kompetenzgefüge ist nach allgemeiner Auffassung jedoch zwingendes Recht.243 § 23 Abs. 5 AktG gibt dem Satzungsgeber bei der Kompetenzverteilung zwischen den Organen der Aktiengesellschaft daher keine Dispositionsspielräume.244

nach Macrotron-Grundsätzen in die Satzung aufgenommen werden sollte, siehe Gesellschaftsbekanntmachung vom 3. 6. 2014 hinsichtlich der Ergänzung der Tagesordnung für die ordentliche Hauptversammlung am 4. 7. 2014, abrufbar unter www.unternehmensregister.de (sämtliche zuletzt geprüft am 19. 1. 2016). 239 So Schockenhoff, ZIP 2013, 2429, 2434. 240 Ders., ZIP 2013, 2429, 2434. 241 von der Linden, NZG 2015, 176, 177; zu der gesetzlichen Kompetenzverteilung bei der Aktiengesellschaft siehe auch Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231. 242 Scholz, BB 2015, 2248, 2250. 243 Siehe nur von der Linden, NZG 2015, 176, 178; Mertens/Cahn, in: Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2010, Vorb. § 76 AktG Rn. 1; Scholz, BB 2015, 2248, 2251. 244 Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 17.

G. Parallele Anlegerschutzmechanismen

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Mangels einer ausdrücklichen Zulassung stellt eine Satzungsregelung, in der die Börsennotierung festgeschrieben wird, eine unzulässige Abweichung von § 76 AktG dar, scheitert daher an § 23 Abs. 5 S. 1 AktG und ist nichtig.245 2. Aufnahme der Börsennotierung in den Unternehmensgegenstand Auch eine Aufnahme der Börsennotierung in den Unternehmensgegenstand kommt nicht in Betracht. Entscheidend dagegen spricht, dass der Unternehmensgegenstand lediglich die Art der Tätigkeit der Gesellschaft wiedergibt.246 Zudem steht auch wieder § 23 Abs. 5 S. 1 AktG entgegen, da auch durch die Festlegung des Unternehmensgegenstands die aktienrechtliche Kompetenzordnung nicht umgestaltet werden kann.247 3. Verankerung des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses in der Satzung Auch die Zuständigkeit der Hauptversammlung kann wegen § 23 Abs. 5 S. 1 AktG nicht durch eine Regelung in der Satzung der Aktiengesellschaft begründet werden.248 Denn durch entsprechende Satzungsregelungen würde die von der aktienrechtlichen Kompetenzordnung vorgesehene Entscheidungsfreiheit des Vorstands erheblich beeinträchtigt.249 Somit greift § 23 Abs. 5 S. 1 AktG, sodass eine satzungsmäßig begründete Zuständigkeit der Hauptversammlung nur dort möglich ist, wo dies durch das Gesetz ausdrücklich zugelassen ist.250 In Bezug auf ein Beschlusserfordernis der Hauptversammlung existiert eine solche Möglichkeit etwa in § 68 Abs. 2 S. 3 AktG für die Zustimmung der Übertragung vinkulierter Namensaktien. Für ein Delisting gibt es jedoch keine entsprechende Regelung. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Zulassung kann daher ein Beschlusserfordernis der Hauptversammlung in der Satzung nicht wirksam vorgesehen werden.

245 Ebenso Hoffmann, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2015, § 119 AktG Rn. 48a; von der Linden, NZG 2015, 176, 178; Scholz, BB 2015, 2248, 2251. 246 Schockenhoff, ZIP 2013, 2429, 2434; Scholz, BB 2015, 2248, 2251; siehe auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 23 AktG Rn. 33D. 247 Scholz, BB 2015, 2248, 2251; Groß, AG 2015, 812, 814. 248 Hierzu siehe Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 17; Mülbert, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2008, § 119 AktG Rn. 61; Scholz, BB 2015, 2248, 2249 f.; aA in Bezug auf ein satzungsmäßiges Hauptversammlungserfordernis aber Habersack, AG 2005, 137, 141; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 115. 249 Scholz, BB 2015, 2248, 2249 f. 250 Koch, in: Koch (Hrsg.), Aktiengesetz, 11. Aufl., 2014, § 119 AktG Rn. 10; Mülbert, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, 4. Aufl., 2008, § 119 AktG Rn. 35 f., 61; Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 2002, § 28 V 2, S. 869.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

4. Ergebnis Damit können wegen § 23 Abs. 5 S. 1 AktG weder die Börsennotierung noch das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses bei Delisting in der Satzung wirksam festgeschrieben werden. Entsprechende nach Frosta in die Satzung eingefügte Regelungen sind nichtig und daher in der Anwendung nicht zu beachten.

II. Anlegerschutz über die Börsenordnungen In den Börsenordnungen können keine über die gesetzlichen Regelungen des Anlegerschutzes hinausgehenden Anforderungen aufgestellt werden, da der Gesetzgeber den Anlegerschutz bei Delisting abschließend in § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG geregelt hat.251

III. Gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen Fraglich ist, ob neben der gesetzlichen kapitalmarktrechtlichen Regelung des Delistings auf gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen abgestellt werden kann. 1. Mögliche Begründungsansätze Für einen zusätzlichen gesellschaftsrechtlichen Anlegerschutz bei Delisting kommen mehrere Begründungsansätze in Betracht. Hierbei wird zwischen möglichen Begründungsansätzen für ein Pflichtangebot und solchen für einen Hauptversammlungsbeschluss unterschieden. a) Gesellschaftsrechtliche Begründung eines Pflichtangebots Zur Begründung eines gesellschaftsrechtlichen Pflichtangebots bei Delisting könnte auf umwandlungs- oder aktienrechtliche Analogien zurückgegriffen werden. aa) Umwandlungsrechtliche Analogien Ein gesellschaftsrechtliches Abfindungsangebot bei Delisting könnte aus einer analogen Anwendung der umwandlungsrechtlichen Vorschriften des § 207 UmwG, des § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG oder einer Gesamtanalogie zu §§ 29, 207 UmwG, §§ 305, 320b, 327b AktG252 folgen. 251

Ausführlich hierzu siehe Kapitel 7 A. Diese vom KG Berlin, Beschl. v. 31. 10. 2007 – 2 W 14/06, ZIP 2007, 1352 ff. vorgenommene Gesamtanalogie war Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung der 252

G. Parallele Anlegerschutzmechanismen

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(1) Analogie zum Formwechsel, § 207 UmwG analog § 207 UmwG sieht ein verpflichtendes Barabfindungsangebot bei Formwechseln vor. Vor der Neufassung der Delisting-Regelung durch den Gesetzgeber wurde zur Begründung einer Abfindungspflicht oftmals auf eine analoge Anwendung der §§ 207 bis 213 sowie § 30 UmwG zurückgegriffen.253 Die Vergleichbarkeit des Delistings mit einem Formwechsel nach § 207 UmwG könnte auf verschiedenen Wegen begründet werden. Zum einen könnte darauf abgestellt werden, dass die Interessenslage beim Delisting mit dem Anwendungsbereich des § 207 UmwG insofern vergleichbar sei, als der Anleger bei einem Delisting seine Gesellschafterstellung nicht verliere, sich aber die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen seiner Beteiligung grundlegend veränderten. Wegen der vergleichbaren Auswirkung auf die Fungibilität der Gesellschaftsanteile und die Publizitäts- und Informationspflichten der Gesellschaft sei ein Delisting mit einem Rechtsformwechsel einer Aktiengesellschaft in eine GmbH vergleichbar.254 Zum anderen könnte das Delisting selbst als Formwechsel angesehen werden. Diesem Ansatz liegt eine Aufspaltung des Aktieneinheitsrechts zugrunde. Wegen der Anzahl der im Einzelnen zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften differenzierenden Regelungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht könnten börsennotierte und nicht börsennotierte Aktiengesellschaften als zwei unterschiedliche Rechtsformen angesehen werden.255

Macrotron-Grundsätze in BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99, 126 ff., Rn. 71 ff.; siehe auch Benecke, WM 2004, 1122, 1125 und Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 665 f. 253 Vor der gesetzlichen Neuregelung so bereits BayObLG, Beschl. v. 1. 12. 2004 – 3Z BR 106/04, BayObLGZ 2004, 346, 354 f.; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 802; vor Macrotron bereits Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 202 f. (Begründung zusätzlich über Treuepflicht); M. Henze, Delisting, 2002, S. 168 ff., 171; Hellwig, ZGR 1999, 781, 800; Schwark/ Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 764 f.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 475 f. Aus der jüngeren Literatur eine analoge Anwendung der §§ 190 ff. UmwG befürwortend Drygala/Staake, ZIP 2013, 905, 912 f.; Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 233 ff.; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 165 f. 254 BayObLG, Beschl. v. 1. 12. 2004 – 3Z BR 106/04, BayObLGZ 2004, 346, 355; Adolff/ Tieves, BB 2003, 797, 802; Hellwig/Bormann, ZGR 2002, 465, 488. 255 Drygala/Staake, ZIP 2013, 905, 908 ff., 912 f.; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in börsennotierten und nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, 2009, S. 128 ff.; 161 ff.; so nun auch Rutz, Delisting und Downgrading, 2015, S. 233 ff.; dagegen etwa Hommelhoff, in: Fleischer/Koch/Kropff u. a. (Hrsg.), 50 Jahre Aktiengesetz, 2016, S. 13, 38.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

(2) § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG analog Zur Begründung eines Abfindungsanspruchs könnte auch auf eine analoge Anwendung von § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG zurückgegriffen werden.256 § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG betrifft einen Fall des kalten Delistings und gewährt einen Anspruch auf Barabfindung, wenn eine börsennotierte auf eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft verschmolzen wird. Nach § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG muss der übernehmende nicht börsennotierte Rechtsträger bei der Verschmelzung einer bisher börsennotierten Aktiengesellschaft auf ihn jedem dem Übertragungsbeschluss der übertragenden bisher börsennotierten Aktiengesellschaft widersprechenden Aktionär eine Barabfindung anbieten. Einen Rückgriff auf § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG könnte man damit begründen, dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift gezeigt habe, dass der Verlust der Börsennotierung und die dadurch eintretende Erschwerung der „faktischen Veräußerungsmöglichkeit“257 eine Abfindungspflicht begründen.258 Zu Fällen des regulären Delistings bestehe eine vergleichbare Interessenlage. Denn es mache keinen Unterschied, ob die Börsenzulassung und die tatsächliche Verkehrsfähigkeit durch ein kaltes Delisting nach UmwG oder durch ein reguläres Delisting verloren gehe.259 (3) Stellungnahme Die Heranziehung umwandlungsrechtlicher Vorschriften kann allein deshalb nicht überzeugen, da ein Delisting im Gegensatz zu Formwechsel (§ 207 UmwG) und Verschmelzung (§ 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG) nicht mit einem direkten Struktureingriff in die Beteiligungsrechte der Aktionäre verbunden ist.260 Im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Anleger sind Formwechsel bzw. Verschmelzung und Delisting nicht hinreichend vergleichbar. Durch einen Formwechsel wird sowohl die bisherige Organisationsstruktur als auch die bisherige Beteiligungsstruktur der Gesellschaft durch eine neue ersetzt; es erfolgt also ein Eingriff in die (verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte) Substanz 256 Dies vor der gesetzlichen Neuregelung bejahend Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., 2014, § 16 III 1 a), S. 314 f.; Habersack, ZHR 176 (2012), 463, 464 f.; Hüffer, in: ders. (Hrsg.), Aktiengesetz, 10. Aufl., 2012, § 119 AktG Rn. 25; Klöhn, NZG 2012, 1041, 1045 ff.; ders., Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 316 f.; Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 92; Stöber, BB 2014, 9, 15 f. 257 BT-Drucks. 16/2919, S. 13 (Begr. RegE zum Zweiten Gesetz zur Änderung des UmwG). 258 Klöhn, NZG 2012, 1041, 1045; ders., Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 316. 259 Klöhn, NZG 2012, 1041, 1045; ders., Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 316. 260 Ebenso Henze, in: Damm (Hrsg.), Festschrift für Thomas Raiser zum 70. Geburtstag am 20. Februar 2005, 2005, S. 145, 156 f.

G. Parallele Anlegerschutzmechanismen

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der Mitgliedschaft.261 § 207 UmwG stellt daher eine verfassungsrechtlich gebotene ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung dar.262 Auch bei § 29 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 Alt. 2 UmwG greift die zugrundeliegende Verschmelzung grundlegend in Aktionärsrechte ein.263 Ein solcher Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG findet beim Delisting gerade nicht statt. Vielmehr bleiben Organisationsstruktur und Mitgliedschaft in der Gesellschaft durch ein Delisting in ihrem rechtlichen Rahmen unberührt. Infolge eines Delistings geht die Börsenzulassung lediglich als „wertbildender Faktor“ verloren.264 Die Analogie zu § 207 UmwG ist auch nicht im Hinblick auf eine Aufspaltung des Aktieneinheitsrechts in börsennotierte und nicht börsennotierte Aktiengesellschaft begründbar. Der Gesetzgeber hat sich bewusst für die Beibehaltung des Aktieneinheitsrechts entschieden.265 Börsennotierung und Nicht-Börsennotierung sind zwei gleichberechtigte Alternativen innerhalb der einen Rechtsform Aktiengesellschaft266, sodass das Delisting zu keinem Formwechsel führt. bb) Analogie zu § 243 Abs. 2 S. 2 AktG Eine gesellschaftsrechtliche Abfindungspflicht bei Delisting könnte wegen eines ausgleichspflichtigen Sondervorteils des Mehrheits- zu Lasten der Minderheitsgesellschafter durch eine analoge Anwendung von § 243 Abs. 2 S. 2 AktG begründet werden. Durch ein Delisting entstünde zugunsten des Mehrheitsaktionärs (sofern vorhanden) ein ausgleichspflichtiger Sondervorteil zulasten der Minderheitsaktionäre. Dieser Sondervorteil sei durch ein Abfindungsangebot des Mehrheitsaktionärs nach § 243 Abs. 2 S. 2 AktG auszugleichen. Andernfalls sei der gleichzeitig gefasste Hauptversammlungsbeschluss wegen des nicht ausgeglichenen Sondervorteils gemäß § 243 Abs. 2 AktG anfechtbar.267 261 Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645, 653, 658; Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 95 ff., 98 ff. 262 Klöhn, Das System der aktien- und umwandlungsrechtlichen Abfindungsansprüche, 2009, S. 95 ff., 112. 263 Gehling, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl., 2014, § 13 Rn. 48. 264 Hierzu siehe ausführlich Kapitel 5 D. IV. 3. c) aa). 265 Siehe nur die BT-Drucks. 12/6721, S. 5 (Gesetzesentwurf eines Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts) sowie Gesetz vom 2. 8. 1994, BGBl. I 1994, S. 1961 f.; siehe auch Thomale, ZGR 2013, 686, 706 f. 266 Kleindiek, in: Westermann/Mock (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger zum 70. Geburtstag am 13. März 2000, 2000, S. 653, 660; Lutter, in: Lieb/Noack/Westermann (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zöllner, 1998, S. 363, 376 („Sonderregeln der nach wie vor einen Aktiengesellschaft“); Thomale, ZGR 2013, 686, 707. 267 So vor der gesetzlichen Neuregelung Wackerbarth, WM 2012, 2077, 2079 f.; in eine ähnliche Richtung geht Streit, ZIP 2002, 1279, 1288, der eine Abfindungspflicht aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Mehrheits- gegenüber den Minderheitsgesellschaftern ableitet.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Für die Annahme eines Sondervorteils ist es nicht bereits ausreichend, dass das Delisting bestimmte Aktionärsgruppen der Gesellschaft unterschiedlich stark berührt.268 Denn ein möglicher Vorteil des Mehrheitsaktionärs durch das Delisting folgt nicht unmittelbar aus dem Delisting, von dem Mehrheits- und Minderheitsaktionäre in gleicher Weise betroffen sind, sondern lediglich mittelbar aus der höheren Beteiligungsquote an der Gesellschaft – durch die der Mehrheitsaktionär unmittelbar stärker am Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft partizipiert.269 cc) Abfindungsbewehrtes Austrittsrecht Eine Liquidationsmöglichkeit für die Aktionäre könnte aus dem allgemeinen Austrittsrecht aus wichtigem Grund folgen. Ein solches sei auch für die Aktiengesellschaft anzuerkennen, obwohl die Möglichkeit des Austritts bei der Aktiengesellschaft generell durch die Übertragbarkeit der Anteile ersetzt sei. Dem Aktionär müsse in den Grenzen des § 71 AktG eine Befreiungsmöglichkeit von der gesellschaftlichen Bindung eröffnet werden, wenn ihm durch das Delisting die Liquidierungsmöglichkeit über die Börse genommen werde.270 Niemand solle „auf unbegrenzte Dauer gegen seinen Willen an einer Beteiligungsentscheidung auch dann festgehalten werden, wenn ein wichtiger Grund dagegen spricht.“271 Ein durch ein Delisting ausgelöstes allgemeines (ungeschriebenes) Austritts- und Abfindungsrecht aus der Aktiengesellschaft ist jedoch abzulehnen.272 Anknüpfungspunkt für ein solches Austrittsrecht kann nur ein wichtiger Grund für die Unzumutbarkeit des Verbleibs in der nicht mehr börsennotierten Aktiengesellschaft sein. Jedem Aktionär steht es aber frei, über seinen weiteren Verbleib in der Akti268

Thomale, ZGR 2013, 686, 715; zu den unterschiedlichen Auswirkungen eines Delisting bereits Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 462 f., 475. 269 Thomale, ZGR 2013, 686, 715 f.; Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting), 2005, S. 271. 270 Schwark/Geiser, ZHR 161 (1997), 739, 765; Funke, Minderheitenschutz im Aktienrecht beim „kalten“ Delisting, 2005, S. 142 ff., 156, 157 ff.; Grunewald, in: Martens/Westermann/ Zöllner (Hrsg.), Festschrift für Carsten Peter Claussen, 1997, S. 103, 111 (Austrittsrecht bei „Veränderungen in den Verhältnissen der Gesellschaft“); Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, 1999, S. 80 ff., 87 (ein außerordentliches Austrittsrecht als subsidiäres Mitgliedschaftsrecht anerkennend). 271 Grunewald, in: Martens/Westermann/Zöllner (Hrsg.), Festschrift für Carsten Peter Claussen, 1997, S. 103, 112. 272 Allgemein bereits Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1983, S. 281; Grunewald, in: Martens/Westermann/Zöllner (Hrsg.), Festschrift für Carsten Peter Claussen, 1997, S. 103, 112 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., 1996, S. 456 f. (ein Austrittsrecht in der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft bei Eintritt der Abhängigkeit mit Hinweis auf einen Konflikt mit den Kapitalbindungsregeln ablehnend); Thomale, ZGR 2013, 686, 716; Hofmann, Der Minderheitsschutz im Gesellschaftsrecht, 2011, S. 582 (ein Austrittsrecht komme „nur ausnahmsweise“ in Betracht, etwa bei einer Quasi-Alleineigentümer-Stellung des Mehrheitsaktionärs).

G. Parallele Anlegerschutzmechanismen

253

engesellschaft durch die Übertragung seiner Anteile selbst zu bestimmen. Solange ihm die Veräußerung seiner Anteile in angemessener Weise zugemutet werden kann, besteht daher kein wichtiger Grund, der zu einem Austrittsrecht führen könnte.273 § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG und die Börsenordnungen geben dem Aktionär vor einem Delisting die Möglichkeit, seine Anteile zu veräußern.274 Auch nach einem Delisting kann der Aktionär seine Anteile übertragen. Allein der Verlust der Möglichkeit, seine Anteile über die Börse zu veräußern, führt nicht zu einer Unzumutbarkeit des Verbleibs in der Gesellschaft. Denn auch bei der von vornherein nicht börsennotierten Aktiengesellschaft ist der Aktionär auf die außerbörsliche Veräußerung seiner Anteile beschränkt, ohne dass dies zu einer Unzumutbarkeit führen würde. Zudem handelt es sich bei einem Börsenrückzug (wie auch bei einem Börsengang) um einen im Leben der Aktiengesellschaft „zu erwartenden“ Vorgang, der nicht als unzumutbar angesehen werden kann.275 b) Gesellschaftsrechtliche Begründung des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses Auch zur Begründung eines Hauptversammlungsbeschlusses könnte auf umwandlungsrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Analogien zurückgegriffen werden. aa) Ungeschriebene Hauptversammlungsbefugnis Eine Kompetenz der Hauptversammlung könnte sich aus ungeschriebenen Hauptversammlungsbefugnissen ergeben.276 Nach der Holzmüller-Doktrin des BGH277 bestehen ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen in Fragen der Geschäftsführung, wenn diese so tief in die Mitgliedsrechte und das im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteresse der Aktionäre eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in eigener Verantwortung ohne Beteiligung der Hauptversammlung treffen.278 Die in seinem Urteil vom 25. 2. 1982 273 Siehe auch Grunewald, in: Martens/Westermann/Zöllner (Hrsg.), Festschrift für Carsten Peter Claussen, 1997, S. 103, 113. 274 Thomale, ZGR 2013, 686, 716. 275 Brauer, Die Rechte der Aktionäre beim Börsengang und Börsenrückzug ihrer Aktiengesellschaft, 2005, S. 226. 276 Zu ungeschriebenen Hauptversammlungsbefugnissen siehe beispielhaft HoffmannBecking, ZHR 172 (2008), 231 ff.; Kubis, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013, § 119 AktG Rn. 31 ff.; Liebscher, ZGR 2005, 1 ff. 277 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff. („Holzmüller“). 278 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“). Ein Hauptversammlungsbeschluss ist nach dem Holzmüller-Urteil des BGH bei der Ausgliederung des wichtigsten und den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens bildenden Teilbetriebs (Im konkreten Fall waren von einer Ausgliederungsmaßnahme ca. 80 % der Aktiva der Gesellschaft betroffen, vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 5. 9. 1980 – 11 U 1/80, ZIP 1980, 1000, 1006

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

aufgestellte Holzmüller-Doktrin wurde vom BGH in den Gelatine-Entscheidungen279 vom 26. 4. 2004 bekräftigt und präzisiert.280 Eine Befassung der Hauptversammlung mit einer Geschäftsführungsmaßnahme ist insbesondere dann erforderlich, wenn diese an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreicht.281 An eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit nach den HolzmüllerGrundsätzen ist immer dann zu denken, wenn die Maßnahme zu grundlegenden Strukturveränderungen der Aktiengesellschaft führt, die schwerwiegende Rückwirkungen auf die Mitgliedschaft der Aktionäre haben.282 Eine solche ist bei einem Delisting aber gerade nicht gegeben. Denn ein Delisting führt nicht dazu, dass die innere Struktur der Gesellschaft geändert oder in das Mitverwaltungsrecht der Aktionäre durch Mediatisierung ihrer Mitwirkungsrechte eingegriffen wird283, sodass die für das Eingreifen der Holzmüller-Doktrin erforderliche grundlegende Strukturveränderung nicht vorliegt. bb) Umwandlungsrechtliche Analogien Befürwortet man eine analoge Anwendung der umwandlungsrechtlichen Vorschriften könnte die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses aus § 193 UmwG284 bzw. §§ 13, 65 UmwG285 folgen. Gegen umwandlungsrechtliche Analogien zur Begründung einer Hauptversammlungskompetenz sprechen im Kern die gleichen Argumente wie gegen die Begründung einer Abfindungspflicht durch umwandlungsrechtliche Analogien.286

(„Holzmüller“)) auf eine Tochtergesellschaft erforderlich, da dies die Unternehmensstruktur von Grund auf verändere. 279 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 ff. („Gelatine I“) und BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001 ff. („Gelatine II“). In den Gelatine-Entscheidungen hat der BGH festgestellt, dass ein Hauptversammlungsbeschluss auch für weitere Geschäftsführungsmaßnahmen erforderlich sein kann, wenn diese zu einer Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre führen und einen tiefgreifenden Eingriff in die Rechte der Aktionäre bewirken, wie etwa für Ausgliederungen oder die Umstrukturierung einer Tochter- in eine Enkelgesellschaft („Umhängung“). 280 Zu den weiteren auf der Grundlage des Holzmüller-Urteils diskutieren Fallgruppen („Holzmüllerpflichtigkeit“) etwa Liebscher, ZGR 2005, 1, 8. 281 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 („Gelatine I“). 282 Vgl. Liebscher, ZGR 2005, 1, 3; Henze, in: Habersack/Hommelhoff/Hüffer u. a. (Hrsg.), Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag am 2. Januar 2003, 2003, S. 211, 242. 283 So bereits BGH, Urt. v. 25. 11. 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 („Macrotron“); vor der Gesetzesänderung ein Eingreifen der Holzmüller-Grundsätze bejahend hingegen Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), Aktiengesetz Kommentar, 3. Aufl., 2015, § 119 AktG Rn. 60. 284 Drygala/Staake, ZIP 2013, 905, 912. 285 Klöhn, NZG 2012, 1041, 1046. 286 Siehe Kapitel 7 G. III. 1. a) aa) (3).

G. Parallele Anlegerschutzmechanismen

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cc) Fehlender Hauptversammlungsbeschluss als Pflichtverletzung Eine Hauptversammlungskompetenz für einen Delisting-Beschluss könnte aber aus allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen abgeleitet werden. Der Vorstand dürfe nicht über die auf ihn selbst anwendbaren gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entscheiden. Dies aber sei der Fall, wenn der Vorstand eigenständig ohne Beteiligung der Hauptversammlung über ein Delisting entscheiden könne. Etliche Normen sehen für börsennotierte Aktiengesellschaften gegenüber den für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften geltenden Regelungen verschärfte Bestimmungen vor. Daher könne sich der Vorstand durch ein Delisting selbst von aufsichts- und strafrechtlichen Vorschriften (etwa § 404 Abs. 1 S. 2 AktG) freistellen, selbst über seine eigene Vergütung (§ 87 Abs. 1 S. 2 AktG) bestimmen und selbst die Verjährung seiner eigenen Haftung (§ 93 Abs. 6 AktG) verkürzen. Ein ohne Zustimmung der Aktionäre gestellter Antrag gemäß § 39 Abs. 2 BörsG stelle daher einen Treupflichtverstoß und eine Pflichtverletzung des Vorstands dar. Vorstand und Aufsichtsrat könnten nur durch einen Hauptversammlungsbeschluss gemäß §§ 119 Abs. 2, 93 Abs. 4 S. 1 AktG von ihrer sonst bestehenden Haftung für die Verursachung des Delistings befreit werden.287 Dies kann jedoch nicht überzeugen. Denn allein die Tatsache, dass eine Geschäftsführungsmaßnahme auch vorteilhafte Auswirkungen auf den Vorstand hat, kann diesem nicht die Geschäftsführungsbefugnis nehmen. Nach der gesetzlichen Grundregel (vgl. § 111 Abs. 1 und 4 AktG) ist der Aufsichtsrat (und nicht die Hauptversammlung) zu beteiligen, wenn der Vorstand eine Geschäftsführungsmaßnahme nicht allein verantworten soll.288 Rechtstechnisch ist es auch nicht der Vorstand, der selbst über die auf ihn anwendbaren Vorschriften entscheidet. Die entscheidenden Veränderungen treten vielmehr durch den (kraft Gesetz vom Vorstand beantragten) Widerruf der Börsenzulassung ein.289 dd) Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses aus § 119 Abs. 1 Nr. 2, 6, 8 AktG analog Die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses bei Delisting könnte sich auch aus einer analogen Anwendung von § 119 Abs. 1 Nr. 2, 6 und 8 AktG ergeben290. Ein Delisting bewirke zwar keine Änderung der inneren Struktur der Gesellschaft. Allerdings ändere sich durch ein Delisting die äußere Struktur und das äußere Wesen 287

So vor der gesetzlichen Neuregelung Wackerbarth, WM 2012, 2077, 2079. Siehe auch BGH, Beschl. v. 8. 10. 2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, 2255 Rn. 7 („Frosta“). 289 Thomale, ZGR 2013, 686, 714. 290 So vor der gesetzlichen Neuregelung Stöber, BB 2014, 9, 13 ff.; ders., WM 2014, 1757, 1760 ff. 288

256

7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

der Aktiengesellschaft. Denn aus der Börsenzulassung folgten besondere aktienrechtliche und kapitalmarktrechtliche Pflichten der Gesellschaft gegenüber den Anlegern.291 Die wertungsmäßige Anwendbarkeit der § 119 Abs. 1 Nr. 2, 6 und 8 AktG wird dabei wie folgt begründet: Mit dem Widerruf der Börsenzulassung komme es zu einer Auflösung der börsennotierten Aktiengesellschaft. Dies sei wertungsmäßig mit den von § 119 Abs. 1 Nr. 8 AktG erfassten Fällen der Auflösung der Gesellschaft vergleichbar. Wegen der Auswirkungen auf die Möglichkeit der Beschaffung von Eigenkapital, was nach einem Delisting nicht mehr über die Börse erfolgen könne, müsse die nach § 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG zur Entscheidung über Maßnahmen der Kapitalbeschaffung zuständige Hauptversammlung auch über ein Delisting entscheiden. Zudem habe ein Delisting potentiell negative Auswirkungen auf die Möglichkeit, mit der Anlage in Aktien einen Kursgewinn zu realisieren; wenn nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 AktG die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns den Aktionären vorbehalten sei, müsse dies erst recht auch für die Möglichkeit der Realisierung von Kursgewinnen gelten.292 Der Tatsache, dass es bei einem Delisting im Gegensatz zu den genannten Maßnahmen nicht zu einer Veränderung der inneren Struktur (Grundkapital bzw. Mitgliederbestand) der Aktiengesellschaft komme, sei dadurch Rechnung zu tragen, dass der Hauptversammlungsbeschluss über ein Delisting lediglich einer einfachen Mehrheit bedürfe.293 Auch die Herleitung der Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses aus § 119 Abs. 1 Nr. 2 (Verwendung des Bilanzgewinns), Nr. 6 (Maßnahmen der Kapitalbeschaffung), Nr. 8 (Auflösung der Gesellschaft) AktG analog wegen Veränderung der äußeren Struktur der Gesellschaft kann nicht überzeugen. § 119 Abs. 1 AktG enthält einen Katalog mit wesentlichen und zwingenden Zuständigkeiten der Hauptversammlung. Hierbei betreffen unter anderem die Regelungen in § 119 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 8 AktG Grundlagenentscheidungen (sog. Strukturmaßnahmen) der Aktiengesellschaft.294 Im Verhältnis zu einem Delisting fehlt es für eine analoge Anwendung an einer vergleichbaren Interessenlage. Insbesondere kann ein bloßer Widerruf der Börsenzulassung nicht mit einer Auflösung der Gesellschaft gleichgesetzt werden. Denn ein Auflösungsbeschluss bewirkt, dass die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit einstellt und sich in eine Abwicklungsgesellschaft umwandelt.295 Ziel eines Auflösungsbeschlusses ist daher die Abwicklung der Gesellschaft, infolge derer die Aktionäre ihre Beteiligung an der Gesellschaft schließlich verlieren. Durch ein Delisting wird aus einer bisher börsennotierten Aktiengesellschaft lediglich eine 291 292 293 294

Rn. 7.

Stöber, BB 2014, 9, 14. Ders., BB 2014, 9, 14 f.; ders., WM 2014, 1757, 1761. Stöber, BB 2014, 9, 15; ders., WM 2014, 1757, 1761. Reichert, in: Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl., 2009, § 5

295 Ders., in: Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl., 2009, § 5 Rn. 20.

G. Parallele Anlegerschutzmechanismen

257

nicht börsennotierte Aktiengesellschaft. Die Aktionäre bleiben aber weiterhin Anteilseigner der nun nicht mehr börsennotierten Aktiengesellschaft. Ein Delisting ist auch nicht mit den in § 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG in Bezug genommenen Maßnahmen der Kapitalbeschaffung vergleichbar. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich jeweils um solche, durch die die Beteiligungsquote der bisherigen Aktionäre an der Gesellschaft verändert wird und die daher eine Satzungsänderung erfordern.296 Ein Delisting hat hingegen keinerlei Auswirkungen auf die Beteiligungsquote der Aktionäre. Auch wenn versucht wird, dem Umstand, dass es durch ein Delisting zu keiner Veränderung der inneren Struktur kommt, dadurch Rechnung zu tragen, dass statt einer qualifizierten eine einfache Mehrheit gefordert wird, kann dies nichts an der für eine Analogie zwingend erforderlichen fehlenden Vergleichbarkeit ändern. Letztlich ist dieser Begründungsansatz auch deshalb abzulehnen, da er im Grunde die ursprüngliche Holzmüller Rechtsprechung wieder aufnimmt. An einer „Holzmüller“-Konstellation fehlt es jedoch, da es bei einem Delisting an einem entsprechenden Struktureingriff in die Gesellschaft fehlt.297 c) Ergebnis Ein zusätzlicher gesellschaftsrechtlicher Anlegerschutz in Form eines Hauptversammlungsbeschlusses oder eines gesellschaftsrechtlich hergeleiteten Abfindungsangebots bei Delisting kann damit nicht begründet werden. 2. Abschließende gesetzliche Regelung? Selbst wenn man anderer Ansicht sein sollte, scheitert die Begründung paralleler gesellschaftsrechtlicher Schutzmechanismen seit der gesetzlichen Neuregelung des Delistings durch das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie an dem Fehlen der für eine Analogie zwingend erforderlichen Regelungslücke. Die Voraussetzungen einer Analogie sind das Vorliegen einer Regelungslücke, deren Planwidrigkeit und eine vergleichbare Interessenlage.298 Bereits der Nachweis des Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke ist problematisch. Denn der Gesetzgeber hat durch Neuregelung des Delistings in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG eine abschließende Regelung auch in Bezug auf gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen geschaffen. Die Neuregelung zielt auf eine umfassende

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Für einen Überblick über die einzelnen Maßnahmen siehe ders., in: Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, 2. Aufl., 2009, § 5 Rn. 19. 297 Siehe bereits Kapitel 7 G. III. 1. b) aa). 298 Eingehend zur Analogie siehe Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, S. 202 ff., 220 f.

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7. Kap.: § 39 Abs. 2 BörsG in der praktischen Anwendung

gesetzliche Verbesserung des Anlegerschutzes bei Delisting ab.299 Insbesondere sieht der Gesetzgeber im Delisting einen reinen kapitalmarktrechtlichen Vorgang und keine gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahme, weshalb der Gesetzgeber die anlegerschützenden Regelungen im Fall eines Delistings im Börsengesetz und nicht im Aktiengesetz geregelt hat.300 Durch die Regelung in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG will der Gesetzgeber einen „umfassenden Schutz“ im Fall eines Delistings erreichen.301 Diese Aussagen beziehen sich jedenfalls auf die in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG geregelten Schutzmechanismen und damit auf eine Abfindungspflicht. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass somit jedenfalls hinsichtlich der in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG geregelten Abfindungspflicht eine abschließende Regelung gegeben ist. Da in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG kein Beschlusserfordernis der Hauptversammlung vorgesehen ist, ist fraglich, ob der Gesetzgeber auch insoweit von einer abschließenden Regelung ausgeht, was eine planwidrige Regelungslücke ausschließen würde. Der Gesetzgeber sieht ein Delisting als Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands an.302 „Erweiterte Mitentscheidungsrechte für die Aktionäre“ – insbesondere durch einen Hauptversammlungsbeschluss – sieht der Gesetzgeber „vor dem Hintergrund der nunmehr vorgesehenen umfassenden kapitalmarktrechtlichen Schutzbestimmungen“ als „nicht geboten“ an.303 Damit geht der Gesetzgeber davon aus, dass angesichts der Abfindungspflicht und den kapitalmarktrechtlichen Schutzstandards ein zusätzlicher Hauptversammlungsbeschluss nicht erforderlich ist, da von diesem kein zusätzlicher Schutz für den einzelnen Aktionär ausginge.304 Damit hat der Gesetzgeber hinsichtlich zusätzlicher gesellschaftsrechtlicher Anforderungen an ein Delisting und insbesondere hinsichtlich des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses einen negativen Regelungswillen gezeigt, was das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ausschließt. Denn eine

299

BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 300 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 301 BT-Drucks. 18/6220, S. 84 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 302 Koch/Harnos, NZG 2015, 729, 735. 303 BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015). 304 Siehe nur BT-Drucks. 18/6220, S. 86 (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 30. 9. 2015).

G. Parallele Anlegerschutzmechanismen

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planwidrige Regelungslücke liegt dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber bewusst von einer Regelung abgesehen hat.305 Somit hat der Gesetzgeber in § 39 Abs. 2 BörsG im Hinblick auf den Anlegerschutz bei Delisting eine abschließende Regelung auch in Bezug auf gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen getroffen, sodass für die analoge Anwendung gesellschaftsrechtlicher Schutzmechanismen kein Raum mehr besteht.

IV. Ergebnis Neben der gesetzlichen Regelung des Anlegerschutzes in § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG sind keine parallelen Anlegerschutzmechanismen anwendbar. Die Festschreibung von Börsennotierung oder eines Hauptversammlungsbeschlusses oder Abfindungsangebotes bei Delisting in der Satzung der Aktiengesellschaft scheitert an § 23 Abs. 5 S. 1 AktG. Entsprechende Regelungen in den Satzungen sind nichtig und daher in der Anwendung nicht zu beachten. In den Börsenordnungen können keine über die gesetzlichen Regelungen des Anlegerschutzes hinausgehenden Anforderungen aufgestellt werden, da der Gesetzgeber den Anlegerschutz bei Delisting umfassend in § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG geregelt hat. Der Rückgriff auf gesellschaftsrechtliche Analogien zur Begründung von Hauptversammlungsbeschlusserfordernis und verpflichtendem Abfindungsangebot scheitert bereits an der mangelnden Vergleichbarkeit. Jedenfalls hat der Gesetzgeber den Anlegerschutz bei Delisting in § 39 Abs. 2 und Abs. 3 BörsG auf kapitalmarktrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Ebene abschließend geregelt.

305

Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl., 2008, S. 633, § 80 I.

Achtes Kapitel

Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen I. Grundlagen

1. Bei einem Delisting besteht typischerweise ein Interessenkonflikt zwischen den Interessen der Gesellschaft und des Mehrheitsaktionärs auf der einen Seite und den Interessen der Minderheitsaktionäre auf der anderen Seite. 2. Ein Emittent kann nachvollziehbare Gründe für einen Börsenrückzug haben. Ein Delisting liegt insbesondere dann nahe, wenn die Kosten der Börsenzulassung höher sind als die daraus erwachsenden Vorteile. 3. Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist im Hinblick auf das Aktieneigentum durch ein Delisting nicht berührt. 4. Die Folgen eines Delistings für die Anleger richten sich danach, in welcher Intensität das Delisting erfolgt. Es gilt folgende Abstufung mit ansteigender Beeinträchtigung: partielles Delisting, Downlisting, vollständiges Delisting. 5. Bereits die Ankündigung eines vollständigen Delistings hat negative Auswirkungen auf den Börsenkurs, wenn keine aktienkursstabilisierenden Maßnahmen greifen. Bei Eingreifen aktienkursstabilisierender Maßnahmen wie einem verpflichtenden Abfindungsangebot sind hingegen keine negativen Kursreaktionen nachweisbar. 6. Bei einem Downlisting in den qualifizierten Freiverkehr sind überwiegend keine statistisch signifikanten Kurs- oder Liquiditätsverluste feststellbar. II. Gesetzliche Regelung des Anlegerschutzes in § 39 Abs. 2 bis Abs. 6 BörsG

1. Die Konkretisierung des im Rahmen des § 39 Abs. 2 S. 2 BörsG erforderlichen Anlegerschutzes erfolgt abschließend durch § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG. 2. Für ein vollständiges Delisting ist nach § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG eine WpÜG-Angebotsunterlage vorzulegen. 3. Die Berechnung der im Rahmen der Angebotsunterlage anzubietenden angemessenen Gegenleistung auf der Grundlage des gewichteten durchschnittlichen Börsenkurses der letzten sechs Monate ist systematisch stimmig. Ein Delisting ist mit einer Strukturmaßnahme nicht vergleichbar, da ein Delisting mit keinem direkten Struktureingriff in die Beteiligungsrechte der Aktionäre verbunden ist. Bei Delisting geht es lediglich um eine Kompensation für den Verlust der Verkehrsfähigkeit.

8. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

261

4. Als Bieter eines Abfindungsangebots kommen sowohl ein Mehrheitsaktionär wie auch jeder Dritte in Betracht. In den Grenzen von § 71 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 AktG kann auch der Emittent selbst Aktien erwerben und dadurch ein Delisting ermöglichen. 5. Das Abfindungsangebot ist nach § 39 Abs. 3 S. 1 BörsG bedingungsfeindlich. Es kann wegen dieser expliziten gesetzlichen Anordnungen anders als Übernahmeund Pflichtangebote nicht unter die Bedingung regulatorischer Zustimmung gestellt werden. 6. Bei einem Verstoß gegen Ad-hoc Bestimmungen oder das Verbot der Marktmanipulation hat der Anleger unmittelbar aus § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG einen Zahlungsanspruch gegen den Bieter in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der auf dem Börsenkurs basierenden und einer auf der Grundlage einer Unternehmensbewertung berechneten Gegenleistung. 7. Problematisch ist die uneingeschränkte Bezugnahme auf Art. 17 MAR. Dadurch wirken die im Rahmen der Anwendung des Art. 17 Abs. 4 MAR ungeklärten Fragen auf die Frage der Angebotshöhe bei Delisting zurück. Wegen des undifferenzierten Gesetzeswortlauts ist eine Unternehmensbewertung auch bei einem für Anleger vorteilhaften Verstoß gegen Art. 17 MAR erforderlich. 8. Die im Rahmen des Art. 15 MAR gegebenen Zurechnungsprobleme sind über einen Rückgriff auf § 31 BGB analog zu lösen. 9. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR ist entgegen der Ansicht des Gesetzgebers eine behördliche Feststellung keine zwingende Voraussetzung. Vielmehr genügt das objektive Vorliegen eines Verstoßes. Problematisch ist, dass der Anleger für das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR beweisbelastet ist. 10. Die in § 39 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BörsG vorgesehene Gegenausnahme kann zu Rechtsunsicherheit führen. 11. Auch bei eingeschränkter Liquidität richtet sich die Höhe des Abfindungsangebots nach dem zu ermittelnden Unternehmenswert, § 39 Abs. 3 S. 4 BörsG. III. Rechtsschutz

1. Dem Delisting ist ein zweistufiges Verwaltungsverfahren vorgeschaltet. Die Prüfung der Angemessenheit der Gegenleistung erfolgt nur durch die BaFin, nicht auch durch die Börsengeschäftsführung. Der Prüfungsumfang der Börsengeschäftsführung ist durch § 39 Abs. 6 BörsG eingeschränkt. 2. Die Zweiteilung des gerichtlichen Rechtsschutzes (öffentlich-rechtlicher Rechtsschutz hinsichtlich der Wirksamkeit des Widerrufs und zivilrechtlicher Rechtsschutz hinsichtlich der Höhe der Abfindung) überzeugt, da die Wirksamkeit des Widerrufs von einem Rechtsstreit über die angemessene Gegenleistung nicht betroffen ist.

262

8. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

3. Gegen den Widerruf der Zulassung ist zumindest im Hinblick auf Verstöße gegen § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG auch der einzelne Anleger vor den Verwaltungsgerichten klagebefugt. 4. Das Verfahren nach dem KapMuG ist für die Geltendmachung der Zuzahlungsansprüche nach § 39 Abs. 3 S. 3 und S. 4 BörsG nicht geeignet, da es weder den Anforderungen der Anleger noch den Interessen der Bieter gerecht wird. IV. Erfassung des Downlistings

1. Die Erstreckung der Angebotspflicht auf Fälle des Downlistings in qualifizierte Freiverkehrssegmente überzeugt nicht, da die Anleger in diesen Fällen nicht schutzbedürftig sind. 2. Ein Downlisting in qualifizierte Freiverkehrssegmente hat keine signifikanten Auswirkungen auf den Kurs oder die Liquidität der Aktie. 3. Insbesondere ist auch in den Qualitätssegmenten des Freiverkehrs ist ein umfassender kapitalmarktrechtlicher Anlegerschutz gewährleistet, da die das Investment und die Anlageentscheidung des Anlegers direkt betreffenden Schutzvorschriften zumindest infolge der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) verbindlich für den qualifizierten Freiverkehr gelten. V. Rechtsvergleich

1. Das deutsche Recht bietet durch die Pflicht eines Abfindungsangebotes einen erheblich umfassenderen Anlegerschutz bei Delisting als das britische oder USamerikanische Recht. 2. Es sind gegenläufige Entwicklungen zu beobachten. In den USA wurde der Anlegerschutz schrittweise zurückgefahren, während er in Großbritannien und Deutschland weiter ausgebaut wurde. 3. Die im britischen Recht vorgesehenen Hauptversammlungsbeschlüsse stellen auch im deutschen Recht eine sinnvolle mögliche Ergänzung des Anlegerschutzes bei Delisting dar. VI. § 39 Abs. 2 Abs. 6 BörsG in der praktischen Anwendung

1. Bestimmungen in den Börsenordnungen, die mit der gesetzlichen Regelung des § 39 Abs. 2 BörsG nicht vereinbar sind oder dahinter zurückbleiben, sind wegen des Vorrangs des Gesetzes nicht anzuwenden. Die in den Börsenordnungen bisher vorgesehenen Widerrufsfristen können weiterhin angewandt werden. 2. Sind die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 BörsG gegeben, hat der Emittent einen Anspruch auf Widerruf der Börsenzulassung, da das nach § 39 Abs. 2 S. 1 BörsG grundsätzlich gegebene Ermessen der Börsengeschäftsführung auf Null reduziert ist. 3. Durch das in § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG vorgesehene Erwerbsangebot trägt der Gesetzgeber dem Schutzbedürfnis der Anleger bei Delisting Rechnung. Eine

8. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

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Angebotspflicht bei Delisting ist infolge einer teleologischen Reduktion des § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG daher in Situationen entbehrlich, in denen Anleger nicht schutzbedürftig sind. Dies ist der Fall bei einem zeitlichen Zusammenfallen von Delisting und dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, einem Delisting durch Rückerwerb eigener Aktien durch den Emittenten, einem geringen Streubesitzanteil und geringen Handelsvolumen bereits vor dem Delisting sowie in Sanierungssituationen, in denen das Delisting für eine erfolgreiche Sanierung erforderlich ist. 4. Ein vollständiges Delisting setzt die Durchführung eines WpÜG-Angebotsverfahren voraus. In dessen Rahmen hat der Bieter seine Entscheidung zur Abgabe des Delisting-Abfindungsangebots nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG zu veröffentlichen. Konflikte mit der Ad-hoc Publizitätspflicht des Art. 17 MAR bestehen nicht, da hinsichtlich der Publizitätspflicht des Bieters § 10 Abs. 6 WpÜG bereits die Planungsphase betrifft und sich der in die Planung eingebundene Emittent jedenfalls nach Art. 17 Abs. 4 MAR von der Publizitätspflicht selbst befreien kann. 5. Der Gesetzgeber erklärt sämtliche Vorschriften des WpÜG-Angebotsverfahrens auf Delisting-Situationen für anwendbar, ohne den Unterschieden zwischen einer Delisting-Situation und einer Übernahme- bzw. Erwerbs-Situation Rechnung zu tragen. Die Interessenlagen und Schutzbedürfnisse der Anleger unterscheiden sich in beiden Fällen aber erheblich. Im Rahmen einer teleologischen Reduktion greift der Verweis auf die Verfahrensvorschriften hinsichtlich solcher Vorschriften nicht, die ihrem Sinn und Zweck nach nicht auf Delisting-Abfindungsangebote zu übertragen sind. 6. Zu einer erleichterten Geltendmachung des Zuzahlungsanspruchs aus § 39 Abs. 3 S. 3 BörsG steht den Anlegern kein aus der Treuepflicht abgeleiteter Auskunftsanspruch über Verstöße gegen Art. 17 oder Art. 15 MAR gegen den Emittenten zu. 7. Infolge der insgesamt abschließenden Regelung des Anlegerschutzes in § 39 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BörsG können weder die Satzung der Aktiengesellschaft noch die Börsenordnungen ergänzende gesellschaftsrechtliche Anlegerschutzmechanismen vorsehen. Auch der Rückgriff auf gesellschaftsrechtliche Analogien zur Begründung von Hauptversammlungsbeschlusserfordernis oder Abfindungspflicht ist hierdurch ausgeschlossen.

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Sachwortregister Ad-hoc Publizität 37 – Selbstbefreiung und Rückwirkungen auf Delisting 104 – Verhältnis zu §10 WpÜG 236 Ad-hoc Publizitätspflicht 103, 109, 236, 238 Aktieneigentum 56 – Umfang der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG und Delisting 69 Angebotsunterlage nach WpÜG 115 Anlegerschutz – Anlegerschutz durch Satzungsregelungen 245 – Anlegerschutz über die Börsenordnungen 248 – Downlisting 121 – Entwicklung des Anlegerschutzes bei Delisting 54 – gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen 54, 248 – kapitalmarktrechtlicher 122, 124 f. – Macrotron-Grundsätze 54 – qualifizierte Freiverkehrssegmente 126 – Regelungsort 85 Anlegerschutz (UK) 176 Anlegerschutz (US) 161, 167 f. Anwendbarkeit der WpÜG-Verfahrensvorschriften – § 23 Abs. 1 WpÜG 227 – § 27 WpÜG 230 – Angebotsunterlage 222 – Vorschriften über Vor- und Nacherwerbe 233 Auskunftsanspruch gegen den Emittenten 241 f., 245 Auswirkungen auf den Anlegerschutz – Downlisting-Fälle 64 – Frosta-Urteil des BGH 76 – Macrotron-Grundsätze 60

Beteiligungspublizitätspflicht 38 Börse – Freiverkehr 30, 62, 120 – regulierter Markt 25, 27, 37 Börsennotierung 25 Börsenordnungen 188 – Rechtmäßigkeit und Anwendbarkeit 191 – Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen 189 – Satzungsautonomie 189 Börsenrecht (UK) 170 Börsenzulassung 25 – Kosten 36, 39 – Verwaltungsakt 27 – Zulassungsfolgepflichten 37 Corporate Governance Kodex

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DAT/Altana 44, 50, 56, 69, 209 Delisting – Anforderungen an die Angebotsunterlage 222 – auf Antrag des Emittenten 27 – Auskunftsanspruch gegen den Emittenten 241, 245 – Auswirkungen auf Verkehrsfähigkeit und Liquidität 49 – Begriffsbestimmung 25 – Börsenordnungen 188 – Delisting-Angebotsverfahren 227, 234 f. – Delisting von Amts wegen 32 f., 48, 218 – Downlisting 119 – Eingriff in Mitgliedschaftsrecht 96 – Folgen eines Delistings für die Aktionäre 45 – Gründe für Delisting 34 – Initiatoren eines Delistings 34 – Intensitätsstufen 28 – Interessenkonflikte bei Delisting 43 – kaltes Delisting 30

Sachwortregister – Kapitalmarktreaktionen bei Delisting 45 – parallele Anlegerschutzmechanismen 245 – partielles Delisting 29, 117 – reguläres Delisting 26 – Schutzbedürfnis der Anleger 165, 213, 215, 218 f., 221 – Schutzbedürftigkeit der Anleger 121, 204, 208, 213 f., 221 – Streubesitzanteil bei Delisting 41 – unternehmerische Entscheidung des Vorstands 84 – Vergleichbarkeit mit Strukturmaßnahme 95 – vollständiges Delisting 29 – Wasserstandsmeldungen 227 – Zulässigkeit eines Delistings 82 Delisting (UK) 172, 174 – Premium Listing 175 – Standard Listing 176 – Vergleich 178 Delisting (US) 153 f. – Vergleich 168 Delisting-Angebotsunterlage 82, 86, 133, 222 f., 225 f. Directors’ Dealings 38 Downlisting 119 – Begriffsbestimmung 29 – Grundlagen 119 – Kapitalmarktreaktionen bei Downlisting 47 – Schutzbedürfnis der Anleger 121 Entbehrlichkeit des Erwerbsangebots 203 – Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge 208 – Delisting im Gesellschaftsinteresse 218 – Erwerb der Aktionärsstellung nach Kenntnis der Delisting-Absicht 219 – geringer Streubesitzanteil und geringes Handelsvolumen vor Delisting 214 – Rückerwerb eigener Aktien durch den Emittenten 210 – Sanierungssituationen 215 – vorangegangene Übernahmeangebote 204 – Voraussetzungen von § 39 Abs. 1 Var. 2 BörsG 217

287

Entwicklung des Anlegerschutzes – Abkehr von Macrotron in DownlistingFällen 62 – Frosta-Urteil des BGH 70 – Macrotron-Urteil des BGH 54 – MVS/Lindner-Urteil des BVerfG 65 Ermessensentscheidung 200 – abzuwägende Interessen 200 – der Börsengeschäftsführung 82 – Ermessensreduktion auf Null 31, 201 – 203 Ertragswertabfindung 95 Erwerbsangebot 83 – Adressaten des Erwerbsangebots 88 – Angebotsunterlage 82, 115 – Bedingungsfeindlichkeit 83, 89 – Bieter des Erwerbsangebots 88 – Entbehrlichkeit siehe Entbehrlichkeit des Erwerbsangebots – Erfassung des Downlisting 84 – Gegenleistung siehe Gegenleistung bei Erwerbsangebot – regulatorische Bedingungen 89 – Verhältnis von Angebotsunterlage und Delisting-Antrag 117 FCA Handbook 171 f. Financial Conduct Authority (FCA) 170 f. Financial Services Act 1986 170 Financial Services and Markets Act 2000 170 Freiverkehr 62, 120 – Freiverkehrsordnungen 127 – Qualitätssegmente des Freiverkehrs 62, 120 Frosta-Urteil des BGH 70 Funktionsschutz des Kapitalmarkts 123 Gegenleistung bei Erwerbsangebot 83 – Ausnahmen 101, 109 – Berücksichtigung von Nach- und Parallelerwerben 93 – Börsenkurs 83, 90, 92, 94 f., 98 f., 101 – eingeschränkte Liquidität 113 – Ertragswertabfindung 95 – Gegenausnahme 112 – gewichteter durchschnittlicher inländische Börsenkurs 92

288

Sachwortregister

– – – – – –

Kursbeeinflussung 102 Maßgeblichkeit des Börsenkurses 90 Modifikation der WpÜG-Regeln 90 Unternehmensbewertung 83 Unternehmenswert 99 Verhältnis von Börsenkurs und Unternehmenswert 99 – Verstoß gegen Ad-hoc Bestimmungen 103, 109 – Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation 102, 107, 109 – WpÜG-Regeln 90 – Zuzahlungsanspruch 103 gesellschaftsrechtliche Treuepflicht 213, 241 – 245, 249 Hauptversammlungskompetenz – de lege ferenda 182, 187 – Entbehrlichkeit 180 – im deutschen Recht 180 Holzmüller-Doktrin 55 Interessenkonflikte bei Delisting

– – – –

Entstehungsgeschichte 80 Erfassung des Downlistings 119 Funktion der Abfindung bei Delisting 97 Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie 82 – kapitalmarktrechtliche Lösung 82 – Maßgeblichkeit des Börsenkurses 90 – Rechtsschutz 132 – Überblick 82 – Verortung des Anlegerschutzes im Kapitalmarktrecht 85 f. NYSE 119, 151, 155 – 157, 161, 167, 169, 179 parallele Anlegerschutzmechanismen partielles Delisting 117

245

qualifizierter Freiverkehr 120, 126 Quartalsmitteilungen 37

34

Kapitalmarktreaktionen am US-amerikanischen Kapitalmarkt 48 Kapitalmarktreaktionen bei Delisting 45 Kapitalmarktreaktionen bei Downlisting 47 Kursverluste 121 Liquidität 41, 45, 50 f., 64, 75, 99, 113 f., 120 f., 125 f., 214, 217 Listing Rules (UK) 158, 170, 172 – 176, 178, 185, 201, 216 Listing Rules (US) 153 LSE 119, 172, 174 Macrotron-Grundsätze 54 Macrotron-Urteil des BGH 54 Marktmissbrauchsverordnung 33 Marktmissbrauchsverordnung (MAR) 33, 128 MVS/Lindner-Urteil des BVerfG 65 NASDAQ 119, 151, 155, 158, 161, 169 Neuregelung des Delisting – börsenrechtliche Lösung 81 – Börsenwert des Unternehmens 94

Rechtsschutz bei Delisting 132 – behördliche Kontrolle 132 – Börsengeschäftsführung 134 – gerichtliche Kontrolle 135 – Klagebefugnis der Anleger 137 – Leistungsklage 141 – Musterfeststellungsverfahren 141, 145 – Prüfung durch BaFin 133 – Spruchverfahren 56, 145 – Verwaltungsrechtlicher Rechtsschutz 135 – zivilrechtlicher Rechtsschutz 141, 144 Rechtsvergleich 149 – Ergebnis 179 – Erkenntnisse des Rechtsvergleichs 185, 216 – Folgen für die Bewertung des deutschen Rechts 180 – Großbritannien 170 – USA 149 Regelpublizität 37 Registrierung (US) 48, 149, 151 – 154, 159 – 161, 163 – 168 – Deregistrierung 48 f., 150, 153 – 155, 159 – 161, 165 – 169 – listing-bedingte Registrierung 151 – Registrierungsfolgen 152

Sachwortregister – Registrierungsfolgepflichten 152, 154, 159 – 161, 163 f., 167 f. Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation 128 SEC Rules 150, 154, 158, 161, 169 Securities Act 1933 150 Securities and Exchange Commission 150 Securities Exchange Act 1934 48, 149 f., 154 f. Strukturmaßnahmen 95 teleologische Reduktion 212, 215 f., 218, 222

203, 205, 210,

UK Listing Authority 173 Unternehmensvertrag 208, 210, 220 f. US-amerikanisches Kapitalmarktrecht 149 Verhältnis von Angebotsunterlage und Delisting-Antrag 117 Verstoß gegen Ad-hoc Bestimmungen 103 – Rückwirkungen auf das Delisting 104 – Selbstbefreiung 104 Vorstand 34

289

Wasserstandsmeldungen 227, 229 f. Widerruf der Börsenzulassung, Verwaltungsaktes 28 WpÜG – Anwendbarkeit in Delisting-Situationen 221 – Delisting-Angebotsunterlage 223 – Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats 230 – teleologische Reduktion bei Delisting 222 – Übertragbarkeit auf Delisting-Situationen 229, 232 – 234 – Vorschriften über Vor- und Nacherwerbe 233 Zulassung (UK) 172 – admission to listing 173 f. – admission to trading 173 f. – Official List 172 – 174 Zulassungsfolgepflichten 37 – aktienrechtliche Sonderbestimmungen 38 – kapitalmarktrechtliche Zulassungsfolgepflichten 37