Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem: Zum zivilrechtlichen Ausgleich von Steuerfolgen 9783504383886

An den Beispielen der Ehegattenbesteuerung und des Steuerausgleichs in Personengesellschaften bietet die Monographie ein

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German Pages 792 Year 2013

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Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem: Zum zivilrechtlichen Ausgleich von Steuerfolgen
 9783504383886

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André Meyer Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem

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Steuerliches Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem Zum zivilrechtlichen Ausgleich von Steuerfolgen von Privatdozent

Dr. André Meyer LL.M. Bonn

2013

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Helena, Sarah und Simon

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogr:afie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de

ISBN 978-3-504-20085-5 C2013 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Druck und Verarbeitung: Betz, Darmstadt Printed in Germany

Vorwort Die Frage nach Möglichkeiten und Grenzen eines zivilrechtlichen Ausgleichs von Steuerfolgen hat trotz ihrer immensen rechtspraktischen Bedeutung kaum Widerhall in der seit den 1920er Jahren geführten Grundlagendiskussion über das Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht gefunden und wird bisher hauptsächlich im Zusammenhang mit den auftretenden Einzelproblemen erörtert. Die vorliegende Untersuchung arbeitet einen bereichsübergreifenden Ansatz heraus, der es ermöglicht, Problemlagen zu identifizieren, für die sich verallgemeinerungsfähige Aussagen treffen lassen. Dieser Ansatz fußt im Wesentlichen auf einer Verhältnisbestimmung des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips zum Ausgleichs­ system des Zivilrechts, hinter der die Erkenntnis steht, dass dem Verfassungsrecht im Kontext des Steuerausgleichs eine weitaus größere Rolle zukommt, als bisher wahrgenommen wird. Insbesondere kann nach­ gewiesen und anhand konkreter Beispiele belegt werden, dass eine Effektuierung zivilrechtlicher Ansprüche in vielen Fällen erforderlich ist, um einen verfassungskonformen Gesamtzustand herzustellen. Die Unter­ suchung bewegt sich stets im Schnittbereich von Zivil-, Steuer- und Verfassungsrecht, was sowohl den Reiz als auch die Schwierigkeit der Aufgabenstellung ausmacht. Zugleich wird ein Beitrag zur Bewältigung teilrechtsordnungsübergreifender Problemstellungen insgesamt geleistet. Die Arbeit wurde im April 2013 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Habilitationsschrift angenommen. Das Mitte Januar 2013 fertig gestellte Manuskript ist für die vorliegende Druckfassung um Rechtsprechung und Literatur bis September 2013 ergänzt worden. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten akademischen Lehrer Prof. Dr. Rainer Hüttemann. Er hat meinen wissenschaftlichen Werdegang in jeder erdenklichen Weise gefördert und unterstützt und mich dazu ermutigt, das Wagnis der Habilitation auf mich zu nehmen. Seine Begeisterung für das Fach, die wissenschaftliche Breite und Präzision seines Denkens und sein Ringen um in jeder Hinsicht sachgerechte Lösungen waren mir stets Vorbild und Ansporn. Während meiner Assistentenzeit am Institut für Steuerrecht standen mir alle Freiräume offen, die für die Schaffung dieser Arbeit und für meine wissenschaftliche Entfaltung notwendig und förderlich waren. Bei Herrn Prof. Dr. Christian Waldhoff möchte ich mich herzlich für die sehr rasche Erstellung des Zweitgutachtens bedanken. Dank gebührt auch meinen Freunden Dr. Carsten Meinert und Dr. CarlChristian Knobbe, die mir während der Schaffensphase der Arbeit als VII

Vorwort

Diskussionspartner zur Seite gestanden haben. Für ihre Mithilfe bei der Enddurchsicht des Manuskripts schulde ich Frau Maren Becker und Herrn Andreas Heinen Dank. Bedanken möchte ich mich ferner bei der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft, die diese Arbeit mit dem Albert-Hensel-Preis ausgezeichnet hat. Dem Verlag Dr. Otto Schmidt danke ich für die Aufnahme der Schrift in das Verlagsprogramm und die schnelle und reibungslose Umsetzung des Projekts. Gewidmet ist dieses Buch meiner lieben Frau, die mir während all der entbehrungsreichen Stunden eine unerlässliche Stütze gewesen ist, und unseren Kindern, denen ich so viel zu verdanken habe. Bonn, im Oktober 2013

VIII

André Meyer

Inhaltsübersicht Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Einleitung § 1 Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 1 1. Teil: Das Zivilrecht als Ausgleichsinstrument für Steuerfolgen 1. Kapitel: Zur wechselseitigen Berücksichtigung zivil- und steuerrecht­licher Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 2 Die teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung . . . . . . . 15 § 3 Bindungswirkung teilrechtsordnungsfremder Prinzipien­und Wertungen: Meinungsstand und Folgerungen­ . . . . . . . . . . . . . . 32 § 4 Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Kapitel: Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 § 5 Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . 103 § 6 Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips sowie anderer­ steuerrechtlicher Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 § 7 Einzelheiten des Verhältnisses von Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtlichem Ausgleichssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 § 8 Konsequenzen und weiteres Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Teil: Steuerausgleich in Gemeinschaften 1. Kapitel: Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 § 9 Überblick und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 § 10 Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 § 11 Zivilrechtlicher Steuerausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

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2. Kapitel: Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 § 12 Problemverortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 § 13 Steuerentnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 § 14 Gewerbesteuerausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 § 15 Folgerungen für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ . . . . . . . 633 Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 § 16 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 § 17 Übergreifende Folgerungen für die Zivilrechts­lage . . . . . . . . . . 679 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767

X

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX

Einleitung § 1 Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 1

1. Teil: Das Zivilrecht als Ausgleichsinstrument für Steuerfolgen­ 1. Kapitel: Zur wechselseitigen Berücksichtigung zivil- und steuerrecht­licher Wertungen § 2 Die teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung A. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. „Vorrang“ des Steuerrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 C. Das Verhältnis von zivil- und steuerrechtlichen Wertun­gen als zentrale Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Prüfungsprogramm und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . 23 II. Zum inneren System des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . 24 § 3 Bindungswirkung teilrechtsordnungsfremder Prinzipien­und Wertungen: Meinungsstand und Folgerungen­ A. Ursprünge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Der Beitrag Flumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Die frühen Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Der heutige Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Der Ansatz Walz' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Der Ansatz Kollers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Der Ansatz Crezelius' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 V. Würdigung der Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 VI. „Einheit der Rechtsordnung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 § 4 Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung A. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . 63 XI

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B. Auslegung: Einfache Konfliktlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 C. Auslegung: Qualifizierte Konfliktlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 D. Eindeutige gesetzliche Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 E. Verfassungsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 III. Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 F. Ergebnisse und Folgerungen für die weitere Untersuchung . 100 2. Kapitel: Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche § 5 Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 B. Leistungsfähigkeit und ihre Indikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . 106 C. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichheitssatz . . . . . . . . . . 113 D. Zur verfassungsrechtlichen Fundierung des Leistungs­ fähigkeitsprinzips im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 E. Folgerungen für die Reichweite des Leistungsfähigkeits­prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 F. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und ihre Grenzen 131 I. Ableitung der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. „Vieldeutigkeit“ des Leistungsfähigkeitsprinzips? . . . . . 133 III. Absolute Grenze der Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . 135 IV. Relative Grenze der Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 144 G. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 § 6 Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips sowie anderer­ steuerrechtlicher Wertungen A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 B. Ausprägungen und Wirkrichtung des Leistungsfähigkeits­ prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Zur verfassungskräftigen Ausprägung des Leistungs­ fähigkeitsprinzips und seiner „Konkretisierbarkeit“ . . . 153 III. „Fundamentalprinzip“? Zur rechtstatsächlich nachweis­ baren Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . 156 XII

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IV. Die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Auslegu­ng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 V. Fazit: Die verschiedenen Ausprägungen und Funktionen des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 C. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Abwägungsfaktor . . . . . . 166 I. Reichweite der Wirkkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Einzelheiten zum Abwägungsgewicht . . . . . . . . . . . . . . . 168 D. Wirkkraft steuerrechtlicher Prinzipien in anderen Fällen . . 170 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Abwägungsgewicht bei fehlender Betroffenheit von Verfassungs­recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 E. Modalitäten der Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § 7 Einzelheiten des Verhältnisses von Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtlichem Ausgleichssystem A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 B. Der Ansatz Schöns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 C. Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichsfunktion des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Zur bereichsübergreifenden Ausgleichsfunktion des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Prinzipiell fehlender Gegensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Abstrakte Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Ausgangshypothese und immanente Grenzen . . . . . . 194 3. Ausnahmen von der Ausgangshypothese . . . . . . . . . . 200 4. Sonderfall: Vorteilspartizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 5. Verfeinerung der Ausgangshypothese . . . . . . . . . . . . . 205 D. Gebotenheit eines Ausgleichs aufgrund des Leistungs­ fähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 I. Ausgangspunkt und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Verfassungs- und steuerrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . 208 1. Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich . . . . . . . . . . . . 208 2. Verfassungsorientierte Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Zivilrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Vertraglicher Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4. Anspruchsverhindernde Regelungen . . . . . . . . . . . . . . 218

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E. Mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip (potenziell) konfligierende zivilrechtliche Ausgleichsansprüche . . . . . . . 222 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Gesetzliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Vertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 F. Schlussfolgerungen für die Aussagekraft des Leistungs­ fähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Voraussetzungen für übergreifende Folgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Fallgruppen ohne (weitergehende) Aussagekraft des Leistungs­fähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 III. Präexistente Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Regelfall: Keine (weitergehende) Aussagekraft . . . . . . 230 2. Ausnahmesituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 § 8 Konsequenzen und weiteres Vorgehen A. Analyse der bisherigen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B. Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . 237

2. Teil: Steuerausgleich in Gemeinschaften 1. Kapitel: Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten § 9 Überblick und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 § 10 Verfassungsrechtliche Vorgaben A. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 B. Analyse der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Hintergründen des Ehegatten­ splittings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 I. BVerfGE 6, 55: „Begünstigung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 II. BVerfGE 61, 319: „keine beliebig veränderbare Steuer‚Vergüns­tigung‘“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 III. BVerfGE 108, 351: „in Ausgestaltung des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG vom Gesetzgeber zugedachter Steuervorteil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 IV. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 C. Das Ehegattensplitting im Spannungsfeld von Leistungs­ fähigkeitsprinzip und Art. 6 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

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II. Zum Aspekt der „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs­“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Ausgangsbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Bedeutung für die Auslegung von § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Verfassungsrechtliche Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 III. Andere in den Gesetzesmaterialien genannte Gründe für das Ehegattensplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 IV. Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit des Ehegattensplittings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Ausschließliche Betrachtung von Ehepaaren . . . . . . . 287 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Problemkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 c) Typisierung von Unterhaltsaufwand? . . . . . . . . . . . 293 d) Wirtschaftsgemeinschaft und Leistungsfähigkeits­ prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 e) Zum Typisierungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 f) Rechtfertigung der Beschränkung auf zusammen lebende Ehepaare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 g) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 h) Ehegattensplitting aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG geboten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 i) Irrelevanz des Güterstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 j) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 2. Vergleich zwischen zusammen lebenden Ehepaaren und anderen Formen des Zusammenlebens . . . . . . . . 316 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 b) Nicht eheliche Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . 317 c) Eingetragene Lebenspartnerschaften . . . . . . . . . . . . 321 aa) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 bb) Abschied vom Förderungsgebot? . . . . . . . . . . . . 323 d) Ergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 § 11 Zivilrechtlicher Steuerausgleich A. Folgerungen aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . 335 I. Ausgleichsanspruch als normativer Ausnahmefall . . . . 335 II. Aufteilung der Steuerersparnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 III. Einzelveranlagung als Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 343 1. Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 2. Innenausgleich und §§ 268 ff. AO . . . . . . . . . . . . . . . . 344 IV. Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 XV

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1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 2. Lohnsteuerklassenkombination III/V . . . . . . . . . . . . . 349 3. Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme . . . . . . . . . 352 4. Sonstige Fälle der Schlechterstellung im Zuge der Zusammen­veranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 V. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 1. Zusammenveranlagung im Jahr der Eheschließung . . 364 2. Zusammenveranlagung im Jahr der Trennung . . . . . . 365 VI. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 B. Steuerausgleich und Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 II. Familienunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 1. Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 2. Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 III. Trennungsunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 V. Übergreifende Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 C. Steuerausgleich auf schuldrechtlicher Grundlage . . . . . . . . . 386 I. Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 II. Gesamtschuldnerausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 2. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB: Anwendbarkeit . . . . . . . . . . 389 a) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 b) Öffentlich-rechtlicher Charakter des Ausgleichs? . 390 c) Analogieerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 d) Analogievoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 3. Inhaltliche Reichweite der Analogie zu § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 b) Reichweite der Steuergesamtschuld . . . . . . . . . . . . 404 c) Befreiungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 d) Einordnung in den Gesamtkontext des Gesamt­ schuldnerausgleichs unter Ehegatten. Innen- und Außenlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 e) Aufteilungsmaßstab sowie weitere Aspekte . . . . . . 423 f) Steuererstattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 g) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 4. Ergänzende Anwendung von § 426 Abs. 2 BGB? . . . . . 433 III. Überschießender Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 XVI

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D. Trennung nach vorheriger einvernehmlicher Ausgleichs­praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 II. Steuererstattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 III. Abschlusszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 E. Pflicht zur Zusammenveranlagung und Steuerausgleich . . . 459 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 F. Sonderfall: Ehegattenübergreifende Verlustverrechnung . . . 471 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 II. Ausgleichsansprüche bei Zusammenveranlagung . . . . . 473 1. Verlustausgleich im Jahr der Verlustentstehung . . . . . 473 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 b) Rechtslage bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 c) Vorteilszuweisung im Licht der Hintergründe der Zusammen­veranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 d) Darüber hinausgehender Vorteilsausgleich? . . . . . . 478 e) Ergänzender Nachteilsausgleich? . . . . . . . . . . . . . . . 491 2. Verlustabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 III. Mitwirkungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 2. Kapitel: Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften § 12 Problemverortung A. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 I. Transparenzprinzip und zivilrechtliche Ausgangslage . . 500 II. Zivilrechtliche Folgefrage: Steuerentnahmerecht . . . . . . 505 B. Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 C. Aussagekraft des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . 507 D. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . 507 § 13 Steuerentnahmerecht A. Präzisierung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 B. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 C. Transparente Besteuerung und Leistungsfähigkeitsprinzip . 517 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 II. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 III. Präzisierung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 IV. Determinanten der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 V. Rechtslage bei Vollentnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 XVII

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VI. Längerfristige Entnahmehindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . 531 VII. Ergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 D. Zivilrechtlicher Steuerausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 II. Rechtslage bei fehlender Abweichung vom Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 1. Ausschließlich positive Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . 542 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 b) Steuerentnahmerecht als immanente Grenze von Entnahme­beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 c) Übrige Fälle: Analoge Anwendung der Aufwendungsersatz­vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 546 d) Anspruchshöhe und -modalitäten sowie Verbuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 2. Besonderheiten bei Verlusten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 3. Entnahmerecht wegen Einkommensteuer-Vorauszahlungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 III. Vom Gesetz abweichende Entnahmeregelungen . . . . . . 562 1. Bei Einstimmigkeit bzw. kraft Gesellschaftsvertrag . . 562 2. Bei mit Mehrheit getroffenen Beschlüssen . . . . . . . . . 565 § 14 Gewerbesteuerausgleich A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 I. Die klassische Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 II. Weitere Problemfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 B. Gesellschafterbedingte Veränderungen des Gewerbeertrags . 578 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 II. Stellungnahme: Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 III. Gewerbesteuerbelastung und Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 IV. Zivilrechtliche Ausgleichsbewirkung . . . . . . . . . . . . . . . 588 1. Zum Ansatz Knobbe-Keuks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 2. Ausgleichsansprüche der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . 593 a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 b) Gesamtschuldnerausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 c) Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 d) Sonstige Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 e) Anspruchshöhe und -modalitäten . . . . . . . . . . . . . . 605 f) Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 C. Pauschale Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG . . . . . 608 I. Problemaufriss und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . 608 XVIII

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II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 1. Zum Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesell­ schaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 2. Zum Verhältnis der Gesellschafter untereinander . . . 611 D. Ausgleich in Verlustsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 I. Innerperiodische Verlustverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . 615 II. Periodenübergreifende Verlustverrechnung . . . . . . . . . . 624 1. Bei unveränderten Verhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 2. Bei Änderungen auf Gesellschafterebene . . . . . . . . . . 626 § 15 Folgerungen für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ A. Untersuchungsrelevante Sachbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 B. Ausgleichsfähige und nicht ausgleichsfähige Steuerfolgen . . 638 C. Zur Tragfähigkeit des Treuepflichtkonzepts . . . . . . . . . . . . . 642 D. Steuerbarkeit durch Steuerklauseln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 Schlussbetrachtungen § 16 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 § 17 Übergreifende Folgerungen für die Zivilrechts­lage . . . . . . . . . . 679 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767

XIX

Einleitung §1 Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung widmet sich der Frage, wann das Zivilrecht im Innenverhältnis der beteiligten Privaten einen vermögensmäßigen Ausgleich für Rechtsfolgen ermöglichen kann, die aus dem Steuerrecht resultieren und aus seiner Sicht definitiv sind. Hierbei lässt sich im Ausgangspunkt zwischen zwei Konstellationen unterscheiden.1 Die erste Konstellation betrifft die Auswirkungen von Steuerfolgen auf präexis­ tente zivilrechtliche Ausgleichsrechnungen, d.h. Situationen, bei denen ein Ausgleich dem Grunde nach (auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage) geschuldet ist und die Steuerbe- bzw. -entlastung einen bloßen Kalkulationsposten darstellt, der sich möglicherweise auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs2 auswirkt. Hierhin zählt etwa der Einfluss steuerlicher Wirkungen auf Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche,3 auf familien- und erbrechtliche Ausgleichsrechnungen4 sowie im Rahmen der Unternehmensbewertung, wenn der Wert des Unternehmens für die Höhe eines Ausgleichsanspruchs von Bedeutung ist.5

1 Zu Überschneidungsbereichen vgl. die nachfolgenden Ausführungen. 2 Einzelheiten zum Begriff „Ausgleichsanspruch“ bei Wendehorst, Anspruch, S. 12 ff. 3 Zum Schadensrecht siehe aus jüngerer Zeit etwa BGH NJW-RR 2011, 986, 987 f.; BGHZ 186, 205, 213 ff.; BGH NJW 2010, 2506, 2508 f.; BGH NJW 2006, 499, 499 ff.; KG WM 2013, 1177, 1180 ff.; OLG München WM 2012, 1427, 1431; KG NJW 2011, 3659, 3660; Palandt/Grüneberg, BGB, Vorb. v. § 249 Rn. 95 f.; Oetker, in: MünchKomm.-BGB, § 249 Rn. 247 ff.; Grüter, NZG 2006, 853, 853 ff.; Podewils, DStR 2009, 752, 752 ff.; Schiemann, NJW 2011, 3660, 3660 f. (jeweils primär zum Aspekt der Vorteilsausgleichung) sowie – in Bezug auf den Gesichtspunkt des Nachteilsausgleichs – BGH NJW 2004, 444, 444 ff.; Palandt/Grüneberg, aaO, § 249 Rn. 54; zum Bereicherungsrecht siehe etwa Schwab, in: MünchKomm.-BGB, § 818 Rn. 36, 142 ff.; Schön, ZHR 155 (1991), 247, 247 ff.; vgl. für den Bereich der Rückgewährschuldverhältnisse auch BGH NJW 2007, 2401, 2402 f. 4 Siehe zu Fragen des Unterhaltsrechts vorläufig BGHZ 192, 45 55 ff.; Born, in: MünchKomm.-BGB, § 1603 Rn. 17, 46 ff.; Arens, FF 2007, 255, 256 f.; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 640 f.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 145 ff., S. 351; zum Zugewinnausgleich Arens, FamRZ 1999, 257, 257 ff.; Fichtelmann, NJW 1972, 2118, 2118 f.; Piltz, NJW 2012, 1111, 1111 ff. sowie die Nachweise in Fn 5; übergreifend zu Fragestellungen aus dem Familienrecht Liebelt, NJW 1994, 609, 612 ff.; zu erbrechtlichen Fragen siehe beispielhaft BGHZ 73, 29, 36 ff.; LG Bonn NJW-RR 2012, 1031, 1031 ff. 5 Diese Frage ist in jüngerer Zeit in Bezug auf die Ermittlung der Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen geworden; siehe BGHZ 188, 282, 292 f.; BGHZ 188, 249, 263 ff.; dazu Piltz, NJW 2012, 1111,

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Einleitung

Zweitens geht es um Fälle, in denen die Steuerfolge selbst das Ausgleichsbedürfnis auslöst, so dass sich die Frage stellt, ob eine passende Anspruchsgrundlage gefunden werden kann, die unmittelbar an sie anknüpft. Im Folgenden soll zur Kennzeichnung dieser zweiten Konstellation der Begriff „primärer Steuerausgleich“ bzw. „Primärsteuerausgleich“ verwendet werden. Hierhin zählt etwa die in der Gerichtspraxis der letzten 35 Jahre ständig anzutreffende Frage nach Ausgleichs­ansprüchen unter zusammen veranlagten Ehegatten für die aus der Zusammenveranlagung resultierenden Steuerfolgen.6 Weitere, seit langem diskutierte Problemfelder lassen sich im Bereich des Unternehmenssteuerrechts ausmachen. Ein praktisch wichtiges Beispiel bildet die Frage, ob dem Gesellschafter einer Personengesellschaft im Falle einer vollständigen oder teilweisen Gewinnthesaurierung das Recht zusteht, einen Betrag in Höhe der auf diese Gewinne entfallenden Einkommensteuer zu entnehmen, da diese wegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bei ihm und nicht bei der Gesellschaft entsteht.7 Umgekehrt hat sich ein Streitstand dazu gebildet, ob der Gesellschafter einen Ausgleich für diejenige Gewerbesteuerlast schuldet, die auf Vorgänge in seinem Vermögensbereich entfällt, denn aufgrund von § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG wird die Steuer im Außenverhältnis nicht von ihm, sondern von der Gesellschaft getragen.8 Ein weiteres, kontrovers diskutiertes Problemfeld hat bis zum Veranlagungszeitraum 2001 die interne Verteilung von Steuerwirkungen in gewerbesteuerlichen Organschaften gebildet, denn die Ergebniszurechnung zur Muttergesellschaft erfolgte unabhängig von der Zivilrechtslage und setzte insbesondere keinen Gewinnabführungsvertrag voraus (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG damaliger Fassung).9 Bei den im vorstehenden Absatz aufgezählten Problemfeldern handelt es sich lediglich um eine beispielhafte Zusammenstellung. Auf Fragestel1112 ff.; zur Behandlung von Steuerwirkungen im Rahmen der Ertragswertmethode siehe Hüttemann, WPg 2007, 812, 821; Meinert, DB 2011, 2397, 2401 f. 6 Siehe aus der jüngeren Rechtsprechung beispielsweise BGH NJW 2010, 1879, 1880 ff.; BGH NJW 2007, 2554, 2554 ff.; BGH NJW 2006, 2623, 2623 ff.; BGHZ 155, 249, 252 ff. sowie aus dem Schrifttum zuvörderst Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 195 ff. 7 Siehe zu diesem Fragenkreis etwa BGHZ 132, 263, 277; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198 f.; Schön, FS Beisse, S. 471, 487 f.; dens., StuW 1988, 253, 258 f.; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 951 ff. 8 Dazu grundlegend Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 388 f.; siehe zu diesem Problemkreis auch etwa Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123 f. sowie aus jüngerer Zeit Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 24 f.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 15 ff. 9 Siehe zu diesem Problemkreis etwa BGHZ 141, 79, 83 ff.; BGHZ 120, 50, 52 ff.; Habersack, BB 2007, 1397, 1397 ff.; Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 452 ff. (456 ff.); St. Simon, ZGR 2007, 71, 71 ff. (78 ff.); Witt, Konzernbesteuerung, S. 320 ff.

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Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung

lungen dieser Art wird im Rahmen einer Fallgruppenanalyse im 2. Teil dieser Untersuchung eingegangen.10 Bereits an dieser Stelle sei ferner da­ rauf hingewiesen, dass die eingangs formulierte Unterscheidung zwischen Primärsteuerausgleich und Ausgleich im Rahmen präexistenter Ausgleichsrechnungen lediglich eine grobe ist, denn zwischen beiden Konstellationen können Überschneidungsbereiche auftreten. So wäre es denkbar, den Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten (ganz oder teilweise) über das Unterhaltsrecht, d.h. im Rahmen eines präexistenten Ausgleichsanspruchs zu vollziehen.11 Ein weiteres Beispiel bildet der Ausgleich für asymmetrische Gewerbesteuerwirkungen, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass er im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsabrede zu vollziehen ist.12 Auf die Verhältnisbestimmung im Einzelnen wird im Rahmen der weiteren Untersuchung näher eingegangen. Die gesamte Problemstellung bildet einen Ausschnitt aus der seit langem in zahlreichen Ausprägungen diskutierten Grundfrage nach dem Verhältnis von Zivilrecht und Steuerrecht,13 und zwar einen praktisch wichtigen, da sich die Gerichte häufig mit entsprechenden Fällen zu beschäftigen haben.14 Vor diesem Hintergrund muss es erstaunen, dass die Fragestellung bisher kaum Eingang in diese – übergeordnete – Diskussion gefunden hat.15 Dies lässt sich damit erklären, dass die Kontroverse über das Verhältnis von Zivilrecht und Steuerrecht lange Zeit ganz im Zeichen der viel grundsätzlicheren Frage nach einer Emanzipation des Steuerrechts vom Zivilrecht stand.16 Dementsprechend hat die Ausle10 Einzelheiten zum Gang der Untersuchung im Folgenden. 11 Ausführlich dazu unten im 1. Kapitel des 2. Teils, insbesondere in § 11 unter B. 12 So namentlich Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 389; ausführlich zu ihrem Ansatz und zum gesamten Fragenkreis unten § 14. 13 Siehe bereits Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 102 ff.; Meincke, JuS 1976, 693, 693; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 141. 14 Vgl. nur die Nachweise in den obigen Fußnoten. 15 Die entsprechende Feststellung Schulze-Osterlohs, AcP 190 (1990), 139, 141 besitzt nach wie vor Gültigkeit. Eine Einordnung in den Gesamtzusammenhang ist allerdings kurze Zeit später von Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 102 ff. vorgenommen worden (dazu sogleich); vgl. zuvor bereits Meincke, JuS 1976, 693, 694 f. und 697 f.; siehe ferner Schön, StuW 2005, 247, 253. 16 Siehe beispielsweise die Beiträge von Ball, Steuerrecht und Privatrecht, S. 19 ff., S. 69, S. 71 ff., S. 110 ff.; Becker, RAO, § 4 Anm. 6, 21 ff.; Boethke, JW 1928, 942, 942 ff.; Emge, Gratisaktien, S. 21 ff., S. 28 ff., S. 41 ff.; Geiler, StuW 1927, 497, 503 ff.; Hensel, FG Zitelmann, S. 217, 240 ff.; Zusammenfassung dieser Diskussion bei Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 236 ff.; siehe auch Crezelius, Rechtsanwendung, S. 180 ff.; Verf., JJZ 2011, 69, 69 ff.; Tipke, JuS 1970, 149, 151 f. sowie Urbas­, wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 125 ff., der auf S. 114 ff., S. 119 ff.,

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Einleitung

gung steuerrechtlicher Normen und namentlich der in ihnen verwendeten, an Begriffe des Zivilrechts anknüpfenden Tatbestandsmerkmale ganz im Vordergrund der Betrachtungen gestanden.17 Die Fragestellung ist allerdings auch von vielen neueren Untersuchungen nicht aufgenommen worden, die die zivilrechtliche Seite der Problemstellung stärker akzentuieren.18 Die entsprechenden Autoren setzen in dieser Hinsicht nämlich andere Schwerpunkte. Sie beschäftigen sich insbesondere mit der zivilrechtlichen Bewältigung steuerlich motivierter Gestaltungen19 und dem Einfluss grundlegender zivilrechtlicher Prinzipien, Wertungen und Ordnungsstrukturen auf die Rechtsanwendung im Steuerrecht.20 Eine Gesamtanalyse und Systematisierung der vielfältigen Überschneidungsbereiche von Zivilrecht und Steuerrecht ist erst in jüngerer Zeit von Koller vorgenommen worden.21 Er differenziert im Ausgangspunkt S. 125 ff. auch die ideen- und zeitgeschichtlichen Hintergründe der damaligen Entwicklungen beleuchtet. 17 Siehe z.B. Ball, Steuerrecht und Privatrecht, S. 14 ff., S. 71 ff., S. 110 ff.; Becker, StuW 1932, 481, 495 ff.; Boethke, StuW 1928, 1203, 1203 ff.; Hensel, StuW 1925, 1963, 1968 ff.; Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, 132, 132 ff. sowie aus heutiger Sicht BVerfG BStBl. II 1992, 212, 213 f.; Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 236 ff.; Meincke, StuW 1992, 186, 189 f.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 153 ff.; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 211 ff., S. 241 ff. 18 Vgl. namentlich Crezelius, Rechtsanwendung, passim (insbesondere S. 178 ff., S. 242 ff., S. 295 ff.); Großfeld, Gestaltungsaufgabe, S. 32 ff.; Knobbe-Keuk, Rechtsquelle, S. 1 ff.; Walz, ZHR 147 (1983), 281, 281 ff.; dens., Steuergerechtigkeit, passim (insbesondere S. 199 ff.). 19 Großfeld, Gestaltungsaufgabe, S. 32 ff.; Knobbe-Keuk, Rechtsquelle, S. 1 ff.; Walz, ZHR 147 (1983), 281, 281 ff. (299 ff.); Walz/Wienstroh, BB 1984, 1693, 1693 ff. (1696 f.); H.P. Westermann, FS Goerdeler, S. 697, 699 ff. sowie auch Schön, ZHR 168 (2004), 629, 629 ff.; vgl. ferner Walz, Steuergerechtigkeit, S. 235 ff., S. 314 ff., S. 353 ff.; zu wesentlichen Teilen auch Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 120 ff.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 140, 143 ff. 20 Die so formulierte Fragestellung lässt sich als Nachfolgerin der klassischen Emanzipationsdiskussion (oben Fn 16) – mit umgekehrtem Vorzeichen (vgl. Urbas, wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 142) – charakterisieren; siehe vor allem Flume, Steuerwesen, S. 9 ff.; Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 394 ff.; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199 ff. (S. 208 ff.); sehr weitgehend Crezelius, Rechtsanwendung, S. 298 ff., S. 330 ff., der sich für „die grundsätzliche Führungsrolle des Zivilrechts im Verhältnis zum Steuerrecht“ ausspricht (S. 334). Eine Verbindung zwischen der verbreitet vertretenen Forderung, Wertungskongruenz zwischen Zivilrecht und Steuerrecht herzustellen, und der Frage nach zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen, die an steuerliche Ergebnisse anknüpfen, stellt Schön, StuW 2005, 247, 253 her. Hierauf wird zurückzukommen sein. 21 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 1 ff., S. 97 ff.; vgl. auch schon (allerdings punktueller) Meincke, JuS 1976, 693, 693 ff.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 140 ff. Über die von Koller untersuchten Überschneidungsbereiche hinaus lassen sich noch anführen: (1) die umstrittene Frage nach der Ausfüllung steuerlicher

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Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung

grob zwischen der „Berücksichtigung steuerlicher Wertungen im Privatrecht“ und der „Berücksichtigung privatrechtlicher Wertungen im Steuerrecht“,22 wobei er zugleich betont, dass es zwischen diesen Bereichen Rückkopplungen geben kann.23 Die hier zu behandelnde Problemstellung bezeichnet er als „zivilrechtliche Verteilung der Steuerlast“ und ordnet sie in den ersten dieser beiden Bereiche ein.24 Koller gebührt das Verdienst, der Fragestellung ihren Platz im Gesamtkontext des Verhältnisses von Steuerrecht und Zivilrecht zugewiesen zu haben.25 Anzumerken ist aber, dass der von ihm gewählte Oberbegriff „Verteilung der Steuerlast“ zu eng ist, weil es im Einzelfall auch um einen Ausgleich für vorteilhafte Steuerwirkungen gehen kann. So stellt sich beispielsweise bei zusammen veranlagten Ehegatten die Frage, ob und inwieweit positive Steuerwirkungen, die aus der Anwendung des Splittingtarifs resultieren, einer internen Umverteilung zugänglich sind.26 Gleiches gilt für Steuern, die aufgrund der ehegattenübergreifenden Verlustverrechnung erspart werden. Diese Frage kann sich ganz generell stellen, wenn das Gesetz ausnahmsweise eine interpersonale Kompensation von Verlusten zulässt.27 Und was den Bereich der präexistenten Ausgleichsrechnungen angeht, sei nur auf die aktuelle Diskussion über die Abzugsfähigkeit positiver Steuerfolgen im Rahmen von Schadensersatzansprüchen hingewiesen.28 Deshalb findet im Titel der vorliegenden Arbeit der offenere Terminus „Steuerfolgen“ Verwendung. Er wird hier und im Folgenden als gleichbedeutend mit „Steuerwirkungen“ bzw. „steuerlichen Wirkungen“ gebraucht. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Frage der zivilrechtlichen Verteilung eintretender Steuerfolgen und hat daher weder Steuerplanungsfragen noch Steuerklauseln zum Gegenstand, mit denen die zivilrechtliche Wirksamkeit von Gestaltungen ganz oder teilweise

Haftungsnormen durch zivilrechtliche Haftungstatbestände (dazu näher Schick, Haftung, S. 1 ff., S. 18 ff.); (2) das Verhältnis einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung zur zivilrechtlichen Ausgangslage (dazu insbesondere Schön, StuW 2005, 247, 249 ff.). 22 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 97 ff. 23 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 99 f. 24 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 104 ff. 25 Auf Kollers Sachausführungen wird im Folgenden noch umfassend eingegangen. 26 Siehe dazu vorläufig BGH NJW 1977, 377, 378; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 247 ff. 27 Auf Beispiele aus dem Unternehmenssteuerrecht wird im 2. Teil dieser Untersuchung zurückzukommen sein; vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 318. 28 Beispielhafte Nachweise in Fn 3.

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Einleitung

von der steuerlichen Beurteilung ihrer Folgen abhängig gemacht werden soll.29 Allgemeine Regeln zu der Frage, wann ein Steuerausgleich im Innenverhältnis der beteiligten Privaten beansprucht werden kann, sind im Schrifttum bisher nur in Ansätzen entwickelt worden. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sich die einschlägigen Fallgestaltungen aufgrund ihrer Vielschichtigkeit schwerlich auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen.30 Schulze-Osterloh hat treffend formuliert, dass es mehr entsprechende Fälle gibt, als sich die zivilrechtliche Schulweisheit träumen lässt.31 Es kann daher nicht verwundern, dass sich selbst bei denjenigen, die den Gesamtzusammenhang in den Blick nehmen, kaum konkrete Aussagen zur übergreifenden Bewältigung des Problemkreises finden lassen und Einzelanalysen im Vordergrund stehen.32 Soweit sich ansonsten Vertreter des Zivilrechts solcher Fallgestaltungen annehmen, beziehen sie sich in aller Regel auf ganz bestimmte – häufig praktisch wichtige – Einzelkonstellationen, ohne dass eine Einbettung in übergeordnete Zusammenhänge vorgenommen oder zumindest versucht wird.33 Auf mehrere dieser Fallgruppen ist eingangs bereits hingewiesen worden. Angesichts der Vielzahl denkbarer Konstellationen ist eine Einzelanalyse aller in Betracht kommenden Situationen in der Tat nicht möglich – und kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung daher auch nicht geleis­tet werden. Allerdings erscheint es lohnenswert, nach übergreifenden Lösungsmöglichkeiten Ausschau zu halten. Ein derartiges Vorgehen erscheint vor allem im Hinblick auf den Bereich des Primärsteuerausgleichs aussichtsreich. Dies wird bereits anhand eines flüchtigen Blicks auf die Streitstände offenbar, die sich zum Ehegatteninnenausgleich und 29 Ausführlich zu den hier in Bezug genommenen Steuerklauseln (im engeren Sinne) Kober, Steuer- und Satzungsklauseln, passim mit umfänglichen Nachweisen; siehe aus jüngster Zeit auch Haase, StuW 2012, 148, 151 ff. Im Rahmen dieser Untersuchung wird der Begriff „Steuerklausel“ in einem weiteren Sinne verwendet (siehe Fn 40). 30 Hingewiesen sei an dieser Stelle nur auf die beispielhaften Zusammenstellungen bei Meincke, JuS 1976, 693, 697 f. und Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 141 f., die lediglich einen Teil der in Betracht kommenden Konstellationen abbilden. 31 Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 141. 32 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 104 ff.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 141 f., 161 ff.; siehe auch die kurzen Ausführungen bei Schön, StuW 2005, 247, 253, der aber ein allgemeines Kriterium formuliert; näher dazu im Folgenden. 33 Vgl. die eingangs nachgewiesenen Stellungsnahmen; anders aber Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 462 f., der ausgehend von der Rechtslage bei der gewerbesteuerlichen Organschaft (bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2001) ein allgemeines Kriterium aufstellt; siehe dazu ebenfalls im Folgenden.

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Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung

zur gewerbesteuerlichen Organschaft nach der bis 2001 geltenden Rechtslage gebildet haben, denn hier finden sich bemerkenswerte Entsprechungen. So stehen als einschlägige Anspruchsbegründungen in beiden Fällen sowohl der Gesamtschuldnerausgleich als auch das Bereicherungsrecht ganz im Vordergrund der Betrachtungen,34 wobei sich die Diskussionsstände vor allem in Bezug auf die Einschlägigkeit von Bereicherungsansprüchen bei personenübergreifender Verlustverrechnung allerdings erheblich unterscheiden.35 Die auf der Hand liegenden Parallelen, die insoweit zwischen diesen beiden Problemlagen bestehen, sind bisher nur vereinzelt wahrgenommen worden.36 Unterschiede ergeben sich hingegen namentlich wegen der Einbettung der beiden Fragestellungen in ganz unterschiedliche rechtliche Regelungsbereiche. So können unter zusammen veranlagten Ehegatten Unterhaltsaspekte37 sowie – eng damit verbunden – eheinterne Abreden bzw. eine einvernehmliche Handhabung eine wesentliche Rolle spielen.38 In Organstrukturen ist demgegenüber auf konzernrechtliche Besonderheiten und bestehende Umlagevereinbarungen Rücksicht zu nehmen.39 Hiermit ist zugleich auf einen weiteren Gesichtspunkt hingewiesen, dem im vorliegenden Kontext erhebliche Relevanz zukommen kann, nämlich Vereinbarungen über die Tragung der Steuerlast. Derartige Steuerklauseln40 sind in zahlreichen untersuchungsrelevanten Gebieten von 34 Siehe beispielhaft Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 195 ff. (Ausgleich unter zusammen veranlagten Eheleuten); Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 457 ff. (Ausgleich im gewerbesteuerlichen Organkreis). 35 Was die gewerbesteuerliche Organschaft angeht, ist von vielen Autoren ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB bejaht worden (siehe die Nachweise bei Habersack, BB 2007, 1397, 1399 f., der sich selbst gegen das Eingreifen des Bereicherungsrechts ausspricht), während der familienrechtliche Meinungsstand viel unübersichtlicher ist und insbesondere Streit darüber besteht, ob der Anwendungsbereich der Leistungs- oder der Nichtleistungskondiktion eröffnet sein kann (ausführlich dazu unten § 11 C.; siehe vorläufig etwa Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 251 ff.). 36 Vgl. die – ihrerseits knappen – Ausführungen bei Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 462; Ott/Nagel, BB 1997, 185, 186 a.E.; Witt, Konzernbesteuerung, S. 361 ff. 37 Vgl. schon oben bei Fn 11. 38 Zu dem hier angesprochenen Aspekt der von der Rechtsprechung so genannten „familienrechtlichen Überlagerung“ siehe vorläufig etwa BGH NJW 2011, 2725, 2726; BGH NJW 2007, 2554, 2555; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 205 ff. 39 Siehe dazu beispielhaft BGHZ 141, 79, 83 ff.; Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 464 ff.; St. Simon, ZGR 2007, 71, 93 ff.; vgl. auch (teils zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft) BGH ZIP 2013, 409, 411 f.; BGH ZIP 2004, 164, 165. 40 Der Begriff „Steuerklausel“ wird hier in einem weiteren, auch Steuertragungsklauseln umfassenden Sinne verwendet (vgl. zur Terminologie Haase, StuW 2012, 148, 150; siehe auch etwa Schildknecht/Riehl, DStR 2009, 117, 117 ff.; Stümper/Walter,

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Einleitung

wesentlicher Bedeutung, und zwar namentlich, soweit der Bereich des Unternehmenssteuerrechts betroffen ist.41 Beispielsweise sind in vielen Personengesellschaftsverträgen ausdrückliche Regelungen über das Steuerentnahmerecht und teilweise auch über den Gewerbesteuerausgleich vorzufinden.42 Das praktische Bedürfnis für derartige Abreden liegt auf der Hand: Sind sie gut gefasst, so können sie Rechtssicherheit in einem Umfeld vermitteln, in dem die Existenz von Ausgleichsansprüchen ohne spezielle vertragliche Grundlage häufig ungesichert ist und die Rechtsprechung bisweilen einen äußerst restriktiven Standpunkt einnimmt.43 So steht der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs einem Steuerentnahmerecht ohne eindeutige gesellschaftsvertragliche Grundlage prinzipiell ablehnend gegenüber.44 Eine ähnliche Sichtweise wird in einer älteren Entscheidung des Bundesfinanzhofs in Bezug auf den Gewerbesteuerausgleich in Mitunternehmerschaften angedeutet.45 Im Schrifttum sind die Meinungen zu beiden Problemkreisen geteilt,46 wobei sich auch die inGmbHR 2008, 31, 32 ff.; Wollweber, FS Streck, S. 275, 278 ff.). Im Schrifttum werden die hier in Bezug genommenen Vereinbarungen auch als „Steuerübernahme-“ bzw. „-verlagerungsklauseln“ (so Kober, Steuer- und Satzungsklauseln, S. 37; Marx/ Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 75) sowie als „Kompensationsklauseln“ (so Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 729; Schildknecht/Riehl, aaO, S. 118) bezeichnet. Hinzu­weisen ist in diesem Zusammenhang ferner auf die von vielen Autoren zugrunde gelegte engere Verwendung des Begriffs „Steuerklausel“, wie er oben bei Fn 29 in Bezug genommen worden ist (näher dazu Kober, aaO, S. 2 ff., S. 7 mit Feinunterteilung auf S. 13 ff.; siehe auch etwa Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 41 Rz. 26; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 41 AO Tz. 49 ff.; Flume, DB 1970, 77, 78; Kläne, Steuerwirkungen, S. 211; Piltz, FS Spindler, S. 693, 699 ff.). Dieser Terminologie wird, wie eingangs herausgestellt, im Rahmen dieser Untersuchung allerdings nicht gefolgt. 41 Zu den hauptsächlichen Anwendungsbereichen von Steuerklauseln in der Kautelarpraxis siehe exemplarisch Haase, StuW 2012, 148, 149. 42 Vgl. exemplarisch die Gestaltungsvorschläge bei Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 48 ff. (zum Steuerentnahmerecht) sowie bei Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 43 (zum Gewerbesteuerausgleich; vgl. aber Fn 49). 43 Vgl. nur Kläne, Steuerwirkungen, S. 216; Schön, ZHR 168 (2004), 629, 635 Fn 33. Wie im Laufe dieser Untersuchung nachgewiesen wird, gibt es allerdings eine Vielzahl an Besteuerungsbereichen, in denen die Sinnhaftigkeit vertraglicher Ausgleichsregelungen erheblichen Zweifeln unterliegt. 44 Vgl. BGHZ 132, 263, 277. 45 Vgl. BFH BStBl. II 1978, 647, 648 („unterliegt der zivilrechtlichen Vereinbarung“). Der BGH hat sich, soweit Verf. ersichtlich, bisher nicht zu diesem Fragenkreis geäußert. 46 Siehe in Bezug auf das Steuerentnahmerecht beispielhaft Schön, FS Beisse, S. 471, 487 f. (bejahend) und Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 55 (grundsätzlich verneinend); zum Gewerbesteuerausgleich siehe einerseits Knobbe-Keuk, StuW 1985, 388, 389 f. und andererseits Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123 f.

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Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung

nerhalb der bestehenden Lager vorzufindenen Auffassungen in den Einzelheiten unterscheiden.47 Es finden sich ferner übergreifende Untersuchungen, in denen die Möglichkeit eines Ausgleichs im Falle fehlender Steuerklauseln überhaupt nicht oder nur in Ansätzen in Erwägung gezogen wird.48 Genau an dieser Stelle setzt die vorliegende Untersuchung an: Sie beschäftigt sich vorrangig mit der Frage, inwieweit ein Ausgleich bereits nach dispositivem Recht, d.h. ohne besondere Vereinbarung möglich ist. Wie zu zeigen sein wird, ist dies im Hinblick auf die Situationen des Primärsteuerausgleichs – bereichsübergreifend – häufig der Fall, wenn bestimmte, im Rahmen dieser Untersuchung herauszuarbeitende normative Bedingungen erfüllt sind. Diese Vorgehensweise rechtfertigt sich auch dadurch, dass es selbst im Kontext des Unternehmenssteuerrechts in vielen Fällen an einschlägigen Steuertragungsregelungen fehlt.49 Ferner ermöglicht sie die Feststellung, ob und in welchem Maße eine vorhandene Klausel konstitutiver oder lediglich deklaratorischer Natur ist. Hinzu kommt, dass es Regelungsbereiche mit eingeschränkter Privatautonomie geben kann, in denen die Zulässigkeit von Steuerklauseln maßgeblich von der Zivilrechtslage bei unabgeänderter gesetzlicher Situation abhängt.50 Kein Ziel der vorliegenden Arbeit kann es hingegen sein, die verwendeten bzw. vorgeschlagenen Steuerklauseln einer Einzelanalyse zu unterziehen, denn ein derartiger Versuch wäre angesichts der Vielschichtigkeit der in Betracht kommenden Vereinbarungen51 zum Scheitern verurteilt. Ebenso wenig sollen allgemeine Leitlinien für inhaltlich unklare, ergänzungsbedürftige oder ins Leere gehende bzw. unwirksame Klauseln herausgearbeitet werden.52 Wohl aber wird im Rahmen dieser Untersuchung ausführlich auf die Möglichkeit und den Stellenwert privat­ autonomer Regelungen im Gefüge verfassungsrechtlicher und 47 Umfängliche Nachweise zu den Meinungsständen im 2. Teil dieser Untersuchung. 48 Vgl. Kläne, Steuerwirkungen, S. 214 ff. (anders nur – kurz – auf S. 216); Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 75 ff. 49 Vgl. etwa in Bezug auf den Gewerbesteuerausgleich die empirischen Feststellungen bei Scheifele, DStR 2006, 253, 255; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 54 f., S. 123 f. 50 Vgl. zu Gewerbesteuerumlagen nach früherem Recht nur Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 465 f.; Kleindiek, DStR 2000, 559, 562. 51 Vgl. nur Haase, StuW 2012, 148, 149 ff.; siehe auch etwa Wollweber, FS Streck, S. 275, 278 ff. 52 Es gelten zumindest im Ausgangspunkt die allgemeinen Grundsätze des Vertragsund Leistungsstörungsrechts; ausführlich dazu jüngst Haase, StuW 2012, 148, 155 ff.

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einfach­gesetzlicher Wertungen eingegangen.53 Ferner wird die Fallgruppenanalyse im 2. Teil dieser Arbeit erweisen, dass derartige Vereinbarungen – je nach betroffenem Sachbereich – in unterschiedlichem Maße erforderlich und sinnhaft sind. Eng mit dem Gegenstand der vorliegenden Untersuchung verknüpft ist ferner die im Schrifttum häufig angesprochene Kategorie der „fremd­ bestimmten Steuerwirkung“,54 die ebenfalls mit Blick vor allem auf unternehmenssteuerrechtliche Sachverhalte diskutiert wird.55 Hierunter werden Steuerfolgen gefasst, die vom Verhalten eines anderen Wirtschaftssubjekts als dem Steuerträger ausgelöst werden.56 Auch in dieser Hinsicht ist allerdings festzustellen, dass die meisten Autoren, die diesen Begriff verwenden, lediglich abgegrenzte Einzelfragen in den Blick nehmen.57 Soweit übergreifende Ansätze entwickelt worden sind, blenden sie die hier primär interessierende Frage, in welchen normativen Situationen Ausgleichsansprüche ohne ausdrücklich vereinbarte Steuertragungsklauseln in Betracht kommen, im Wesentlichen aus und befassen sich stattdessen hauptsächlich mit der Frage der vertraglichen Vorsorge.58 Als Ursache für diesen Regelungsbedarf werden „einzelnormspezifische und/oder systemimmanente steuerliche Verwerfungen“ angesehen.59 Die vorliegende Untersuchung wird Klarheit darüber verschaffen, wann 53 Dies erfolgt auf abstrakterer Ebene vor allem in § 7 und sodann einzelproblembezogen im Rahmen der Fallgruppenanalysen im 2. Teil. 54 Siehe zu diesem Begriff (mit gewissen inhaltlichen Unterschieden) insbesondere Kläne, Steuerwirkungen, S. 1 ff.; Rabald, Steuerwirkungen, S. 1 ff. 55 Siehe auch etwa Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 22 ff.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 13 ff.; Neu, DStR 2000, 1933, 1936 f.; Söffing, DStZ 1993, 587, 587 ff. 56 Vgl. nur Kläne, Steuerwirkungen, S. 1. 57 Siehe etwa die in Fn 55 zitierten Stellungnahmen. 58 Vgl. wiederum die in Fn 48 bereits zitierten Autoren sowie auch Rabald, Steuerwirkungen, S. 1 ff. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Untersuchung Erkers, die sich in Bezug auf mehrere Konstellationen der hier umschriebenen Art für einen Lösungsweg über die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ausspricht (siehe insbesondere Erker, Kompensation, S. 3, S. 59, S. 61 ff., S. 99 ff., S. 185 ff., wo jedoch der Begriff „fremdbestimmte Steuerwirkung“ bemerkenswerterweise keine Erwähnung findet). Die weitere Untersuchung wird allerdings erweisen, dass der Treuepflichtansatz weder für das Gesellschaftsrecht noch gar für andere Bereiche als übergreifende Grundlage für Ausgleichsansprüche taugt, sondern lediglich punktuelle Korrekturen auf nachgelagerter Ebene tragen kann. Auf den Ansatz Erkers wird im 2. Teil dieser Untersuchung zurückgekommen. 59 Kläne, Steuerwirkungen, S. 18; siehe auch Löffler/Marx/Kläne, StuW 2010, 65, 80 a.E., jeweils unter Hinweis auf Crezelius, FR 2002, 805, 808 a.E.: „Derartige zivilrechtliche Maßnahmen sind nicht Grund, sondern Folge der steuerrechtlichen Situation und daher nicht in der Lage, das steuerrechtliche Problem dogmatisch zu lösen.“

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Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung

genau derartige „Verwerfungen“ auch ohne vertragliche Vorsorge bereinigt werden können – und damit (inzident) auch die Frage klären, ob und in welchen Fällen „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ ausgleichsfähig sind. Wie zu zeigen sein wird, ist dies weder durchgängig noch auch nur in der Regel der Fall. Darüber hinaus sind Situationen denkbar, in denen ein zurechenbares Verhalten eines anderen Privaten nicht feststellbar ist und sich gleichwohl die Frage stellt, ob ein Ausgleich in Betracht kommt. Insoweit erscheint die Kategorie der „fremdbestimmten“ Steuerwirkung zu eng. Beide Überlegungen rechtfertigen es, diese Kategorie zunächst hintanzustellen und sie erst am Ende der Untersuchung im Rahmen einer Gesamtschau wieder aufzugreifen.60 Sucht man im Schrifttum nach weiterführenden Ansätzen, die eine Hilfestellung zur grundsätzlichen Herangehensweise an die hier zu erörternde Problemstellung geben können, so stößt man wiederum auf Koller. Er will die Fälle, in denen keine vertragliche Regelung besteht, über eine umfassende Abwägung der jeweils einschlägigen zivil- und steuerrechtlichen Wertungsgesichtspunkte lösen.61 Auf die methodischen Hintergründe und Grenzen eines solchen Vorgehens wird im 1. Teil dieser Untersuchung ausführlich eingegangen.62 Im vorliegenden Zusammenhang wesentlich ist, dass Koller sich nicht zu den Charakteristika derjenigen Fallgruppen äußert, in denen ein Ausgleich in Betracht kommt. Sie herauszuarbeiten wird sich jedoch als fruchtbar für die Ableitung konkreterer Regeln erweisen. Im Schrifttum finden sich in dieser Hinsicht nur vereinzelte und kurze Äußerungen. Schulze-Osterloh zufolge sind Fälle betroffen, in denen steuerliche Rechtsfolgen unmittelbar auf die zivilrechtliche Rechtslage einwirken.63 Das von ihm verwendete Unmittelbarkeitskriterium ist aber zu unbestimmt, um eine trennscharfe Abgrenzung zu ermöglichen. Auch führt Schulze-Osterloh keine übergeordneten Gesichtspunkte an, aus denen für den Einzelfall abgeleitet werden kann, ob die zivilrechtliche Lage tatsächlich in dieser Weise beeinflusst wird, so dass Ausgleichsansprüche eingreifen bzw. in Betracht kommen. Viel60 Dazu unten § 15. Eine Detailanalyse aller „fremdbestimmten Steuerwirkungen“ wäre nicht nur uferlos (vgl. nur die Vielzahl an Situationen allein aus dem Unternehmenssteuerrecht, die Kläne, Steuerwirkungen, passim beispielhaft anspricht). Sie ist auch nicht erforderlich, denn die vorliegende Untersuchung wird – wie soeben angedeutet – auch ohnedies zu allgemeingültigen Aussagen über die Frage der Ausgleichsfähigkeit „fremdbestimmter Steuerwirkungen“ gelangen. 61 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 114 f.; zur Gewichtung der einzelnen Wertungsaspekte näher S. 118 f. 62 Zum Aufbau dieser Untersuchung im Einzelnen näher sogleich. 63 Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 141 f. (mit Beispielen); ihm folgend Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 115.

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Einleitung

mehr beschränkt er sich hauptsächlich auf die Analyse eines Einzel­ problems.64 In dieser Hinsicht konkreter ist folgendes, von Schön aufgestelltes Kriterium: Typischerweise gehe es „um solche Situationen, in denen das Steuerrecht den tatsächlichen Zufluß finanzieller Leistungsfähigkeit bei einer Person nicht akzeptiert, sondern – mit mehr oder weniger guten Gründen – einer anderen Person zurechnet.“65 Ganz ähnlich formuliert Hüttemann, dass ein Bedürfnis für die Korrektur steuerlich bedingter Vermögensverschiebungen dann bestehe, wenn der Gesetzgeber aus fiska­lischen Gründen individuelle Besteuerungsgrundlagen Dritten zurechne, ohne für einen angemessenen Ausgleich im Innenverhältnis zu sorgen.66 Beide Autoren beziehen sich auf Situationen des Primärsteuerausgleichs – und die nachfolgende Darstellung wird in der Tat erweisen, dass für diesen Problembereich ein allgemeines Kriterium für die Ausgleichsfähigkeit der zugehörigen Steuerfolgen abgeleitet werden kann. Der 1. Teil der Untersuchung wird bei der Frage ansetzen, warum und in welchen Fällen das Zivilrecht dazu berufen ist, steuerliche Folgen im Innenverhältnis der beteiligten Privaten abzuändern. Dies erfordert zunächst eine Verhältnisbestimmung der beiden Teilrechtsordnungen und ihrer Wertungen zueinander sowie die Herausarbeitung der methodischen Hintergründe dieses Vorgehens. Hierauf wird im 1. Kapitel eingegangen. Die vorliegende Arbeit versteht sich daher auch als Beitrag zur Bewältigung teilrechtsordnungsübergreifender Fragestellungen insgesamt. Was das primär analysierte Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht angeht, wird sich erweisen, dass zahlreiche Berührungspunkte zu anderen Bereichen der hierzu bestehenden Diskussion vorhanden sind.67

64 Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 161 ff. 65 Schön, StuW 2005, 247, 253, der von einer „Verschiebung von Steuerlasten“ spricht (vgl. auch bereits Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 516) und hierfür auch den Begriff „steuerliche Fehlleitungen“ verwendet (unter Hinweis auf Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 161 ff.); vgl. ferner Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 65: „interpersonale Belastungs­verschiebungen“. 66 Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 462 f.; vgl. auch dens., in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 127, 145 („[J]ede von der Zivilrechtslage abweichende Besteuerung von Organ- bzw. Gruppenmitgliedern [hat] eine zivil- und gesellschaftsrechtliche Ausgleichsproblematik zur Folge“) sowie die in Fn 59 in Bezug auf „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ bereits zitierten Autoren. 67 Eine Zusammenstellung und Untersuchung der Materien, die im Hinblick auf das Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht diskutiert werden, findet sich bei Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 97 ff. (siehe bereits oben bei Fn 21).

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Gegenstand, Ziel und Gang der Untersuchung

Wie in den Ausführungen Schöns und Hüttemanns bereits anklingt, kommt dem Leistungsfähigkeitsprinzip im vorliegenden Kontext zentrale Bedeutung zu. Es wird sich als Schlüssel zur Herausarbeitung bereichsübergreifender Folgerungen erweisen und ist deshalb im Titel dieser Arbeit­besonders hervorgehoben. Dahinter steht die – im 1. Teil zu fundierende – Erkenntnis, dass Prinzipien mit verfassungsrechtlicher Wirkkraft die Zivilrechtsanwendung leiten, insbesondere einen Ausgleich einfordern können.68 Das bedingt ein für eine zivilrechtlich angelegte Arbeit eher unübliches Vorgehen, nämlich die Fruchtbarmachung von Verfassungsrecht auf breiterer Front. Leistungsfähigkeit und Grenzen dieses Ansatzes werden im 2. Kapitel des – insgesamt deduktiv angelegten – 1. Teils dieser Untersuchung ergründet. Da sich verallgemeinerungsfähige Aussagen nur für bestimmte normative Situationen ableiten lassen werden, begrenzt das hier herauszuarbeitende Kriterium zugleich die Möglichkeit einer bereichsübergreifenden Problemlösung. Es verbleiben daher zahlreiche – auch praktisch wichtige – Materien, für die sich nach Dafürhalten des Verf. keine weitergehenden Schlussfolgerungen ableiten lassen, so dass die Gegebenheiten des einzelnen Rechtsgebiets dafür maßgeblich sind, ob ein Ausgleich in Betracht kommt oder nicht. Diese Materien werden zum Ende des 2. Kapitels im Rahmen einer Gesamtschau herausgestellt. Allerdings lassen sich den Ausführungen im 1. Teil Hinweise zur methodischen Bewältigung auch dieser Situationen entnehmen. Im 2. Teil der Untersuchung erfolgt sodann eine Erprobung der im 1. Teil herausgearbeiteten Zusammenhänge anhand wichtiger Fallgruppen, in denen ein Ausgleich nach den dort gefundenen Ergebnissen nahe liegt. Dabei wird die zivilrechtliche Seite stärker akzentuiert, insbesondere herausgearbeitet, über welche Anspruchssysteme ein Ausgleich in den jeweiligen Einzelbereichen möglich ist. Dies lässt wiederum – auf in­ duktivem Wege – Schlüsse für die zivilrechtliche Bewältigung anderer, in dieser Untersuchung nicht speziell behandelter Einzelfragen zu. Auf entsprechende bereichsübergreifende Folgerungen wird im Schlussteil dieser Arbeit eingegangen.69 Die Fallgruppenanalyse im 2. Teil muss selbstverständlich Spezifika der jeweils behandelten Rechtsgebiete mit einbeziehen, so dass die Beleuchtung und Klärung der entsprechenden Fragestellungen ein Nebenprodukt dieser Untersuchung bildet.

68 Im Bereich der Ehegattenbesteuerung werden sich auch aus Art. 6 Abs. 1 GG wichtige Folgerungen für die Zivilrechtslage ableiten lassen. 69 Dazu unten § 17.

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Einleitung

Im Einzelnen wird im 1. Kapitel des 2. Teils die – sehr facettenreiche – Frage des Steuerausgleichs unter zusammen veranlagten Ehegatten vor dem Hintergrund der aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Wertungen sowie der einschlägigen familienrechtlichen Besonderheiten behandelt. Die Untersuchung widmet sich sodann im 2. Kapitel dem Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften im Spannungsfeld von Transparenzprinzip und zivilrechtlicher Verselbständigung, wobei im Schwerpunkt auf das Steuerentnahmerecht und den Gewerbesteuerausgleich eingegangen wird. In diesem Kontext werden auch übergreifende Folgerungen für die zivilrechtliche Bewältigung „fremdbestimmter Steuerwirkungen“ herausgearbeitet. Nicht eigens untersucht wird hingegen die in diesem Abschnitt (§ 1) mehrfach in Bezug genommene Rechtslage bei der gewerbesteuerlichen Organschaft, denn die dort bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2001 bestehende Problemstellung ist de lege lata im Kern entfallen, da nunmehr der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags auch in diesem Bereich obligatorisch ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG mit § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG).70 Auch lassen die jüngsten Reformansätze erkennen, dass es in näherer Zukunft – anders als vielfach angeregt71 – zumindest auf nationaler Ebene zu keinem grundlegenden Systemwechsel kommen wird.72 Die zur gewerbesteuerlichen Organschaft nach früherem Recht entwickelten Lösungsansätze73 werden aber selbstverständlich mit in die Untersuchung einbezogen, soweit sie bereichsübergreifend fruchtbar gemacht werden können. Gleiches gilt für sonstige Ansätze, die in Bezug auf andere untersuchungsrelevante Problemkreise entwickelt worden sind.74 70 Vgl. etwa Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 455 und 467 f.; Schauhoff, StbJb 2000/2001, 325, 325; St. Simon, ZGR 2007, 71, 73 und 82 f. sowie Witt, Konzernbesteuerung S. 316 f., der auf S. 318 auch auf die besondere Situation in umsatzsteuerlichen Organschaften hinweist; dazu jüngst BGH ZIP 2013, 409, 410 ff. 71 Siehe etwa Hey, FR 2012, 994, 994 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), 629, 631 ff.; Witt, Konzernbesteuerung, S. 139 ff.; näher zu der aktuellen Diskussion (mit kritischen Anmerkungen) Hüttemann, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 127, 132 ff., 136 ff. 72 Vgl. Hey, FR 2012, 994, 994 und 997 f.; Lenz/Adrian/Handwerker, BB 2012, 2851, 2851; Rödder, Ubg 2012, 717, 718. 73 Zu den Parallelen namentlich zum Diskussionsstand bei der Ehegattenbesteuerung siehe oben S. 6 f. 74 Vgl. beispielsweise – zur zivilrechtlichen Bewältigung verdeckter Gewinnausschüttungen nach früherem Körperschaftsteuerrecht – OLG Frankfurt/Main DStR 2012, 2546, 2547 ff.; dazu auch Pezzer, verdeckte Gewinnausschüttung, S. 200 ff.; Stengel­/ Scholderer, ZGR 1997, 41, 44 ff.; siehe in anderem Zusammenhang auch Schulze­Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 161 ff.

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1. Teil: Das Zivilrecht als Ausgleichsinstrument für Steuerfolgen­ 1. Kapitel: Zur wechselseitigen Berücksichtigung zivil- und steuerrecht­licher Wertungen §2 Die teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung A. Ausgangspunkt Anknüpfend an die einleitenden Ausführungen soll zunächst auf die generelle Eignung des Zivilrechts eingegangen werden, steuerliche Ergebnisse im Innenverhältnis abzuändern. Sie ist bisher kaum je ausdrücklich thematisiert worden, sondern wird regelmäßig stillschweigend vorausgesetzt.75 Lediglich im Rahmen von Detailanalysen findet sich bisweilen das Argument, ein Ausgleich sei ausgeschlossen, weil die Steuerbelastung in Bezug auf den jeweiligen Kontext definitiv sei76 bzw. ein steuerrechtlicher Wertungsgesichtspunkt Vorrang habe.77 Auch hier wird also von der grundsätzlichen Möglichkeit eines zivilrechtlichen Ausgleichs ausgegangen, aber zugleich für den Einzelfall ein Vorrang steuerrechtlicher Wertungen angenommen. Hieran wird deutlich, dass man die Frage nach der Eignung des Zivilrechts als Ausgleichsinstrument auf zwei Ebenen stellen kann. Zum einen ist zu begründen, warum das zivilrechtliche Ausgleichssystem überhaupt steuerlich vorgeprägte Sachverhalte erfassen kann. Zum anderen muss herausgearbeitet werden, in welchen normativen Situationen ein solcher Ausgleich in Betracht kommt. Im gleichen Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sich allgemeine Grundsätze über die Herangehensweise und Bewältigung einzelner Fall75 Vgl. Meincke, JuS 1976, 693, 694 f., 697 f.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 141 f., 161 ff. Lediglich Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 104 ff. (S. 110 ff.) hat diese Frage – ausgehend vom Schweizer Recht – eingehender untersucht. Auf seine Ausführungen wird innerhalb dieses Abschnitts zurückgekommen. 76 Vgl. beispielsweise BFH BStBl. II 2005, 490, 492; Habersack, BB 2007, 1397, 1399; Kleindiek, DStR 2000, 559, 563 a.E. In eine ähnliche Richtung geht die in vielen Sachbereichen vorzufindende Skepsis über die Ausgleichsfähigkeit von Steuerfolgen ohne darauf gerichtete vertragliche Vereinbarungen (vgl. die beispielhaften Nachweise auf S. 8). 77 Vgl. etwa BGHZ 186, 205, 221; Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 93 f.

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Wechselseitige Berücksichtigung zivil- und steuerrechtlicher Wertungen

gestaltungen ermitteln lassen. Die nachfolgende Untersuchung wird zeigen, dass beide Ebenen auf das Engste miteinander verbunden sind, so dass eine strikte Trennung – auch in darstellerischer Hinsicht – nicht möglich ist. Es finden sich im Übrigen jeweils Berührungspunkte zu verschiedenen Ausschnitten aus der allgemeinen Kontroverse über das Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht, wie im Folgenden dargelegt wird. Setzt man im Ausgangspunkt bei der Frage an, ob das zivilrechtliche Ausgleichssystem überhaupt geeignet ist, steuerliche Wirkungen im Innenverhältnis abzuändern, so kann zunächst festgehalten werden, dass sich ein Vorrang steuerlicher Ergebnisse – mit der Folge einer (gänzlichen) Verdrängung des zivilrechtlichen Ausgleichssystems – von vornherein nicht aus Gründen der Normenhierarchie78 ergeben kann, was schon daraus folgt, dass die in Betracht kommenden Ausgleichsansprüche ihre Grundlage sämtlich in förmlichen Bundesgesetzen haben, denen die Steuergesetze79 nicht schon prinzipiell vorgehen.80 Die lex superiorRegel ist – wie die übrigen Kollisionsregeln81 auch – ohnehin auf Normwidersprüche, d.h. miteinander unvereinbare gesetzliche Anordnungen zugeschnitten.82 Wegen der unterschiedlichen Regelungsmaterien und -ziele steuerrechtlicher und zivilrechtlicher Normen und ihres unterschiedlichen Adressatenkreises werden in diesem Bereich jedoch keinerlei Normwidersprüche auftreten.83 Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass die Kollisionsregeln nicht weiterhelfen, wenn es darum geht, die Beziehungen zweier Teilrechtsordnungen zueinander zu bestimmen.84

78 Siehe dazu (im Allgemeinen) Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 240 f.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 40 ff. 79 Entsprechend § 4 AO wird hier und im Folgenden ein weiter, auch Rechtsnormen unterhalb des förmlichen Gesetzes umfassender Begriff des „Steuergesetzes“ verwendet; vgl. dazu Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 17; Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rz. 1. 80 Vgl. nur P. Kirchhof, StuW 1983, 173, 180 f.; Schön, StuW 2005, 247, 249. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob steuerliche Ergebnisse einem zivilrechtlichen Ausgleich deshalb unzugänglich sind, weil ihre Unabänderlichkeit materiell-inhaltlich – insbesondere aufgrund verfassungsrechtlicher Wertungen – geboten ist. Hierauf wird sogleich ausführlich eingegangen. 81 Lex superior derogat legi inferiori; lex specialis derogat legi generalia; lex posterior­ derogat legi priori. Hierhin gehört auch Art. 31 GG (siehe vorläufig nur BVerfGE 36, 342, 363). 82 Siehe vorläufig nur Engisch, Einführung, S. 274 ff. sowie im vorliegenden Zusammenhang insbesondere Schön, StuW 2005, 247, 249; Näheres und weitere Nachweise in § 3. 83 Siehe bereits Schön, StuW 2005, 247, 249. 84 Mit Blick auf das Verhältnis von Steuerrecht und Strafrecht ausführlich Felix, Rechtsordnung, S. 154 f.

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Die teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung

Nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint es dagegen, dass die Anwendung des zivilrechtlichen Ausgleichssystems zumindest im Einzelfall nicht in Einklang mit (grundlegenden) Prinzipien bzw. Wertungen des Steuerrechts steht.85 Die Kernfrage lautet deshalb, ob und in welchen Fällen sich ein materiell-inhaltlicher Vorrang des Steuerrechts in der Form begründen lässt, dass seinen Ergebnissen auch im Innenverhältnis der Beteiligten Definitivität zukommt86 – bzw. warum dies nicht der Fall ist.

B. „Vorrang“ des Steuerrechts? Die so umschriebene Fragestellung legt zunächst einen Seitenblick auf die allgemeine Diskussion über das Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht nahe, bei der es lange Zeit nicht zuletzt auch um die Bestimmung von Vorrangverhältnissen gegangen ist. Es ist bereits angesprochen worden, dass die generelle Eignung des Zivilrechts, steuerliche Ergebnisse im Innenverhältnis abzuändern, kaum je hinterfragt bzw. positiv begründet worden ist. Diese Selbstverständlichkeit des Konsenses im Grundsätzlichen verwundert nicht, wenn man die Ursprünge und den Verlauf dieser seit den 20er Jahren geführten Diskussion in den Blick nimmt.87 Sie hat ihren Ursprung in dem Bedürfnis, das Steuerrecht mit einer eigenständigen und insbesondere vom Zivilrecht verselbständigten Begriffsbildung und Teleologie zu versehen.88 Diese Bewegung bildete einen Teilausschnitt aus der seinerzeit fortschreitenden Lösung des öffentlichen Rechts

85 Auf die Einzelheiten der nicht unumstrittenen Frage nach der Prinzipiengeleitetheit des materiellen Steuerrechts wird sogleich unter C II. näher eingegangen. 86 Zur (äußeren) Verbindlichkeit dieser Ergebnisse im Verhältnis des Steuerpflichtigen zum Fiskus siehe im vorliegenden Zusammenhang Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 104 und S. 110. 87 Zu ihr näher Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 236 ff.; siehe auch etwa Locher, Rechtsfindung, S. 160 ff.; Verf., JJZ 2011, 69, 72 ff.; L. Osterloh, JuS 1994, 993, 993 f. 88 Ball, Steuerrecht und Privatrecht, S. 19 ff., S. 69, S. 71 ff., S. 110 ff.; Becker, StuW 1932, 481, 495 ff.; ders., RAO, § 4 Anm. 6, 23 f.; Emge, AcP 129 (1928), 49, 57 ff.; ders., Gratisaktien, S. 21 ff., S. 28 ff., S. 41 ff.; Lion, Vierteljahresschrift für Steuerund Finanzrecht 1927, 132, 132 ff.; siehe ferner (allerdings dem damaligen Zeitgeist folgend und mit teilweise unerträglichen Ausführungen) Becker, StuW 1939, 745, 747 ff.; dens., DJZ 1934, 1105, 1106 ff.; dens., StuW 1934, 299, 300 ff.; zu entsprechenden Tendenzen in der Rechtsprechung siehe z.B. RFHE 19, 51, 53 a.E.; RFHE 16, 28, 31; RFHE 12, 343, 351; RFHE 12, 222, 224; RFHE 11, 157, 171; RFHE 9, 167, 170; RFHE 3, 173, 174 f.; näher zur Rechtsprechung bis 1931 und weitere Nachweise bei Hensel, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1931, 115, 124 ff. Diese „Blütezeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ setzte sich bis Mitte der 50er Jahre fort; Nachweise aus der Nachkriegszeit bei Urbas, wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 135 ff.

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Wechselseitige Berücksichtigung zivil- und steuerrechtlicher Wertungen

vom Zivilrecht.89 Im Hinblick auf das Steuerrecht traten diese Ansätze aber, vor allem wegen seiner engen Verzahnung mit dem Zivilrecht und seiner erst Anfang des 20. Jahrhunderts einsetzenden rechtswissenschaftlichen Durchdringung,90 relativ spät, dann aber – etwa zeitgleich mit Inkrafttreten der RAO 1919 – umso heftiger hervor.91 Vielen damaligen Autoren ist es in erster Linie darum gegangen, den Einfluss des Zivilrechts und seiner Begriffe bei der Anwendung der Steuergesetze zurückzudrängen.92 Hieraus wird ohne weiteres verständlich, dass auch die stärksten Protagonisten einer Emanzipation des Steuerrechts93 niemals auf die Idee gekommen sind, einen Vorrang des Steuerrechts in der Ausprägung zu postulieren, dass das zivilrechtliche Ausgleichssys­tem bei steuerlich vorgeprägten Sachverhalten keine Anwendung finden soll.94 Vielmehr wurde diese Ausprägung des Verhältnisses von Steuer- und Zivilrecht von der Emanzipationsliteratur gar nicht in den Blick genommen. 89 Näher Geiler, StuW 1927, 497, 497 ff.; siehe auch Ball, Steuerrecht und Privatrecht, S. 157; Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 23 ff. 90 Siehe dazu Ball, Steuerrecht und Privatrecht, S. 153 ff.; Geiler, StuW 1927, 497, 503 ff.; vgl. auch Hensel, VVDStRL 3 (1927), 63, 66 ff. 91 Maßgebenden Anteil hieran hatte die Einführung der §§ 4, 5, 80 RAO 1919; zu den zeitgeschichtlichen Hintergründen der damaligen Entwicklungen siehe Ball, Steuerrecht und Privatrecht, S. 71 ff., S. 110 ff.; Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, 132, 140 ff., 147 ff.; Locher, Rechtsfindung, S. 161; L. Osterloh, JuS 1994, 993, 993 f. sowie Urbas, wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 119 ff., S. 125 ff. und Walz, Steuergerechtigkeit, S. 3 ff., S. 212 ff., die auch auf die ideengeschichtlichen Hintergründe eingehen. 92 Ball, Steuerrecht und Privatrecht, S. 14 ff., S. 69, S. 71 ff., S. 110 ff.; Becker, StuW 1932, 481, 495 ff.; ders., RAO, § 4 Anm. 6, 21 ff.; Emge, AcP 129 (1928), 49, 57 ff.; ders., Gratisaktien, S. 21 ff., S. 28 ff., S. 41 ff. sowie (mit dem in Fn 88 gemachten Vorbehalt) Becker, StuW 1939, 745, 747 ff.; ders., DJZ 1934, 1105, 1106 ff.; ders., StuW 1934, 299, 300 ff.; siehe zu diesem Fragenkreis auch die folgenden, deutlich restriktiveren Stellungnahmen: Blumenstein, ZSR 52 (1933), 141a, 142a ff., 191a ff., 205a ff., 274a ff.; Boethke, JW 1928, 942, 943 ff.; ders., StuW 1928, 1203, 1203 ff.; Geiler, StuW 1927, 497, 514 ff.; Hensel, VVDStRL 3 (1927), 63, 73, 88 ff.; ders., StuW 1925, 1963, 1968 ff.; Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 1, S. 7 ff., S. 27 ff., S. 126 ff., S. 161 ff.; Lion, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1927, 132, 132 ff., 152 ff., 180 ff.; konservativer noch Hensel, FG Zitelmann, 217, 240 ff. (242: „Eigenart des Steuerrechts, als eines dem Privatrecht gewissermaßen aufgepfropften Sondergebiets“). 93 Siehe vor allem Ball, Steuerrecht und Privatrecht, S. 110 ff.; Becker, RAO, § 4 Anm. 6, 21 ff.; Emge, Gratisaktien, S. 21 ff., S. 28 ff., S. 41 ff. 94 So geht Becker, RAO, § 95 Anm. 7 ohne weiteres davon aus, dass sich der Ausgleich unter steuerlichen Gesamtschuldnern nach bürgerlichem Recht richtet. Auf die abweichende Ansicht Liebischs, Steuerrecht und Privatrecht, S. 67 ff. (Innenausgleich auf öffentlich-rechtlicher Grundlage) wird im Folgenden noch eingegangen; vgl. auch Hensel, VVDStRL 3 (1927), 63, 96, der die Anwendbarkeit des zivilrechtlichen Ausgleichssystems in anderem Zusammenhang stillschweigend voraussetzt.

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Die teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung

Gleiches gilt für die besonders Mitte der 50er Jahre und in den 60er Jahren verbreitete Gegenbewegung, deren Vertreter sich dafür aussprachen, die in den Steuergesetzen verwendeten Begriffe des Zivilrechts grundsätzlich zivilrechtskonform auszulegen und – eng damit zusammenhängend – zivilrechtlich wirksame Gestaltungen prinzipiell auch für die Zwecke der Besteuerung zugrunde zu legen.95 Namentlich der Bundesfinanzhof hat sich in diesem Zusammenhang mehrfach auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung bzw. die „Ordnungsfunktion“ des Zivilrechts berufen.96 Aber auch das so skizzierte „Primat des bürgerlichen Rechts vor dem Steuerrecht“97 konnte sich nicht lange halten.98 Aus heutiger Sicht liegt es ohnehin fern, einen Vorrang einer der beiden Teilrechtsordnungen an95 Siehe aus der Rechtsprechung BFH BStBl. III 1967, 781, 782; BFH BStBl. III 1967, 690, 695 a.E.; BFH BStBl. III 1967, 175, 177; BFH BStBl. III 1964, 511, 512; BFH BSt Bl. III 1963, 64, 65 f.; BFH BStBl. III 1962, 304, 305; BFH BStBl. III 1962, 310, 311 f.; BFH BStBl. III 1962, 52, 53; BFH BStBl. III 1961, 188, 190; BFH BStBl. III 1959, 197, 198 f.; BFH BStBl. III 1959, 5, 6 f.; BFH BStBl. III 1957, 306, 306 f.; aus dem Schrifttum siehe z.B. Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 89 ff. (97 ff.); Paulick, DB 1968, 1867, 1869; vgl. auch R. Thiel, GS Spitaler, S. 195, 204 ff.; weitere Nachweisen bei Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einf ESt Anm. 457; Urbas, wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 142 ff.; vgl. auch die epochenübergreifenden Nachweise bei Maaßen, Privatrechtsbegriffe, S. 26 ff. (S. 39 f.). 96 Auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung stellen ab BFH BStBl. III 1967, 175, 177; BFH BStBl. III 1962, 304, 305; BFH BStBl. III 1961, 188, 190. Siehe auch BFH BStBl. III 1957, 306, 306 („allgemeine Rechtsordnung“). Die „Ordnungsfunktion“ bzw. „Ordnungsstruktur“ des Zivilrechts führen an BFH BStBl. III 1967, 690, 695 a.E.; BFH BStBl. III 1964, 511, 512; BFH BStBl. III 1963, 64, 66; BFH BStBl. III 1962, 310, 311. In den zuletzt genannten Entscheidungen wird auf das Urteil BVerfGE 13, 331 Bezug genommen (vgl. dazu auch Woerner, FR 1992, 226, 227), das jedoch bei richtiger Lesart einen anderen Problemkreis betrifft. Auf seine Inhalte wird in § 3 ausführlich eingegangen. 97 So BFH BStBl. III 1967, 781, 782. Entgegen teilweiser Lesart gehört der Ansatz Flumes, Steuerwesen, S. 6 ff., der sich für eine „Kongruenz des Steuerrechts zur allgemeinen Rechtsordnung und damit vor allem zum Zivilrecht mit dem Vorrang der allgemeinen Rechtsordnung“ (S. 19) ausgesprochen hat, nicht hierhin. Flume ist es nicht um einen Vorrang des Zivilrechts bei der Auslegung der Steuertatbestände gegangen (deutlich S. 18 f. mit Anm. 25), sondern darum sicherzustellen, dass grundlegende materielle Wertungen des Zivilrechts vom Steuerrecht respektiert werden; zutreffende Würdigung bei Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 247 ff.; siehe auch Maaßen, Privatrechtsbegriffe, S. 26. Auf den Ansatz Flumes wird in § 3 zurückzukommen sein. 98 Zur Entwicklung seit Mitte der 60er Jahre siehe Urbas, wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 149 ff. mit Nachweisen. In jüngerer Zeit hat sich nur noch Crezelius, Rechtsanwendung, S. 298 ff., S. 330 ff. für „die grundsätzliche Führungsrolle des Zivilrechts im Verhältnis zum Steuerrecht“ (S. 334) ausgesprochen. Auf seinen Ansatz wird in § 3 ausführlich eingegangen. Zu zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen äußert er sich ebenfalls nicht.

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Wechselseitige Berücksichtigung zivil- und steuerrechtlicher Wertungen

zunehmen. Zivilrecht und Steuerrecht werden – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts – prinzipiell zu Recht99 als „nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete“ angesehen, die „denselben Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beurteilen“.100 Hiermit wäre ein Primat des Zivilrechts bei der Auslegung von Normen des Steuerrechts ebenso unvereinbar101 wie – umgekehrt – eine Verdrängung des zivilrechtlichen Ausgleichssystems aus prinzipiellen Vorrangerwägungen.

99 Siehe in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen sogleich unter C II. zur Prinzipien- und Wertungsgeleitetheit des Steuerrechts. Allerdings bestehen zwischen den Teleologien von Zivil- und Steuerrecht durchaus wichtige Verbindungslinien, auf die zurückzukommen zu sein wird; siehe vorläufig namentlich Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. 100 BVerfG BStBl. II 1992, 212, 213; im selben Sinne z.B. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, Einf ESt Anm. 455; Drüen, StuW 2008, 154, 156; Hallerbach, DStR 1999, 2125, 2129; P. Kirchhof, StuW 1983, 173, 180 f.; Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 42 ff.; Schick, Haftung, S. 6 ff.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 153 a.E.; C. Seiler, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 10 f.; Tipke, StRO I, S. 46 ff.; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 211, S. 251 ff.; Weber-Grellet, Steuern, S. 194 ff.; ders., StuW 1993, 195, 203 f. sowie auch bereits Raupach, Durchgriff, S. 51 ff.; Tipke, JuS 1970, 149, 149. 101 Hierüber besteht heute im Wesentlichen Einigkeit; zum gegenwärtigen Verständnis der Auslegung zivilrechtlicher Begriffe in Steuergesetzen und – eng damit verbunden – der wirtschaftlichen Betrachtungsweise siehe (mit Unterschieden im Einzelnen) BVerfG NJW 1993, 1189, 1189; BVerfG BStBl. II 1992, 212, 213 f.; BFH/ NV 2001, 1457, 1461; BFH BStBl. II 1995, 220, 221; BFH BStBl. II 1994, 366, 368 f.; BFH BStBl. II 1990, 625, 632; Ruppe, in Herrmann/Heuer/Raupach, Einf ESt Anm. 455, 457; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 324 ff.; Beisse, StuW 1981, 1, 5 ff. (8); P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 39 ff.; dens., FS RFH/BFH, S. 285, 296 f.; Lehner, FS Tipke, S. 237, 239; Locher, Rechtsfindung, S. 154 ff., S. 182 ff.; Meincke, StuW 1992, 188, 189 f.; Verf., JJZ 2011, 69, 74 ff.; Raupach, FS Tipke, S. 105, 106 ff.; Schick, Haftung, S. 7 ff.; Schön, StuW 2005, 247, 254 f.; dens., Auslegung, S. 17 ff.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 154 ff.; dens., StuW 1986, 74, 76 ff.; Sieker, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1667, 1667 ff.; Tipke, StRO I, S. 53 ff.; dens., StRO III, S. 1634 ff.; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 211 ff., S. 241 ff.; Weber-Grellet, StuW 1993, 195, 203 f.; siehe bereits BVerfGE 29, 104, 117; BVerfGE 25, 309, 313; BVerfGE 25, 28, 35 ff.; BVerfGE 18, 224, 233 f.; Tipke, JuS 1970, 149, 149 und 152; ausführlich Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 251 ff.; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der heute anerkannten Vorgehensweise siehe (in allgemeinerem Kontext) Felix, Rechtsordnung, S. 189 ff. (S. 226); zur Übertragbarkeit auf ähnliche Auslegungsfragen vgl. Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 66 ff.; tendenziell weitergehend dagegen Hallerbach, DStR 1999, 2125, 2128 ff. (2130), die sich für eine „Vermutungsfunktion“ bzw. „Indizwirkung“ des Zivilrechts ausspricht; so im Ausgangspunkt auch Schön, StuW 2005, 247, 254 a.E., der diese Aussage aber auf S. 255 der Sache nach relativiert; zum gänzlich abweichenden Ansatz Crezelius' vgl. Fn 98.

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Zwar sind im Laufe der Zeit zivilrechtliche Ausgleichsinstrumente durch solche des öffentlichen Rechts ersetzt worden. Insbesondere leitete man den Anspruch auf Rückforderung zu Unrecht entrichteter Steuern, der sich heute im Wesentlichen aus der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO ergibt,102 vor Inkrafttreten der RAO verbreitet aus bereicherungsrechtlichen Grundsätzen ab und maß ihm so zivilrechtlichen Charakter zu.103 Mit der hier zu untersuchenden Fragestellung hat diese Entwicklung jedoch nichts zu tun, denn der Steuererstattungsanspruch betrifft das zwischen Bürger und Staat bestehende Steuerschuldverhältnis, ist also öffentlich-rechtlicher Natur,104 so dass seine Zuweisung zum öffentlichen Recht erforderlich war.105 Die Frage 102 Neben diesem Erstattungsanspruch im engeren Sinne erfasst § 37 Abs. 2 AO auch den umgekehrten Fall des Rückforderungsanspruchs des Steuerberechtigten; näher Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 9 ff.; W. Hein, DStR 1990, 301, 304. Speziellere Erstattungsregelungen sind beispielsweise in § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 20 Abs. 3 GewStG enthalten. Derartige Vorschriften sind ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur. 103 Siehe dazu nur Ball, Steuerrecht und Privatrecht, S. 18 f., auch allgemein zur Emanzipierung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs vom Bereicherungsrecht; näher zu diesem Erstattungsanspruch und seiner heute allgemein anerkannten­öffentlich-rechtlichen Natur Gurlit, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 818 ff. (S. 822); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 798 ff.; zu der (Folge-)Frage nach der entsprechenden Anwendbarkeit zivilrechtlicher Vorschriften und Grundsätze in Bezug auf diesen Anspruch vgl. die Nachweise in Fn 105. 104 Siehe nur BFH BStBl. II 1998, 499, 501; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 18; W. Hein, DStR 1990, 301, 301; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 99 f.; zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Allgemeinen siehe die Nachweise in Fn 103. Ebenfalls allgemein anerkannt ist heute, dass das Steuerschuldverhältnis als Ganzes öffentlich-rechtlicher Natur ist; statt aller Boeker, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz. 7; Nachweise zum früher bestehenden Streitstand bei Kruse, aaO, S. 93 f. 105 Schick, Haftung, S. 13 sowie schon Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 113. Dies wirft die Folgefrage auf, ob bereicherungsrechtliche Grundsätze auf den Steuererstattungsanspruch Anwendung finden können (ablehnend etwa Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 102 f. mit umfänglichen Nachweisen zum Streitstand). Ganz allgemein ist (noch immer) umstritten, auf welcher methodischen Grundlage Zivilrechtsnormen und -grundsätze innerhalb öffentlich-rechtlicher Schuldverhältnisse anwendbar sind (ausführlich dazu de Wall, Anwendbarkeit, passim, insbesondere S. 53 ff.) und ob – weitergehend – sogar die Begründung öffentlich-rechtlicher Schuldverhältnisse auf eine entsprechende Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften gestützt werden kann, wenn keine spezielle öffentlich-rechtliche Regelung vorhanden ist; näher zu diesem Fragenkreis Gurlit, in: Erichsen/ Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 806 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 61 ff., S. 787 ff.; speziell zum Steuerschuldverhältnis Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 96 f.; Schick, aaO, S. 13 f.; sehr lesenswert bereits Liebisch, aaO, S. 7 ff.; zu der hiermit im Zusammenhang stehenden Frage des Ver-

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des internen Steuerausgleichs unter den von der Besteuerung betroffenen Privaten stellt sich hingegen auf einer anderen Ebene. Für den vorliegenden Zusammenhang interessanter ist ein Ansatz Liebischs, der sich Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts für die öffentlich-rechtliche Natur des Ausgleichsanspruchs unter Gesamtschuldnern des Steuerrechts ausgesprochen hat.106 Diese Auffassung wird auch im aktuellen Schrifttum noch für den Gesamtschuldnerausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug vertreten.107 In diesem Zusammenhang findet sich u.a. die Aussage: „Das Arbeitsrecht ist dem Steuerrecht nachgeordnet.“108 Diesen Autoren geht es jedoch ganz offensichtlich ebenfalls nicht um eine generelle Suspendierung des zivilrechtlichen Ausgleichssystems. So begründet Liebisch sein Ergebnis allein mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter des zugrunde liegenden Gesamtschuldverhältnisses, dessen Wirkungen nicht teils dem öffentlichen Recht und teils dem Zivilrecht zugewiesen werden könnten.109 Es verwundert daher nicht, dass er von einem Vorrang vertraglicher Vereinbarungen ausgeht und neben den Gesamtschuldnerausgleich tretende privatrechtliche Ansprüche zulässt.110 Die Stellungnahmen zum Lohnsteuerabzug dürften hingegen in erster Linie den Besonderheiten dieses Verfahrens geschuldet sein.111 Keinesfalls lassen sie ständnisses zivilrechtsentlehnter Begriffe in Steuergesetzen siehe die Nachweise in Fn 101, insbesondere Schick, aaO, S. 7 ff. (S. 10). 106 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 67 ff. 107 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rn. A 30; Kloubert, FR 2001, 465, 468 sowie (offenbar generell für Steuergesamtschulden) H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 255 ff.; Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 174, 207. Die im allgemeinen Kontext streitige Frage, ob zwischen Steuerschuldner und Haftendem überhaupt ein steuerliches Gesamtschuldverhältnis besteht (vgl. vorläufig Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 13), stellt sich für den Bereich des Lohnsteuerabzugs wegen der ausdrücklichen Regelung in § 42d Abs. 3 EStG nicht. 108 So Kloubert, FR 2001, 465, 469, der auch von der „Ordnungsfunktion des Steuerrechts“ spricht (S. 468, Hervorhebung dort); vgl. ferner Lang, RdA 1999, 64, 66 („Das Arbeitsrecht ist Folgerecht des Steuerrechts.“), der sich jedoch für eine ausschließlich zivilrechtliche Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausspricht. 109 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 68 f.; mit Blick auf die Fälle des § 42d Abs. 3 EStG ähnlich Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rn. A 30; Kloubert, FR 2001, 465, 468; H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 255. 110 Vgl. Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 70 (Vorrang vertraglicher Vereinbarungen und Beeinflussbarkeit durch privatrechtliche Rechtsverhältnisse), S. 74 (Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts gegebenenfalls neben dem Gesamtschuldnerausgleich anwendbar). 111 Vgl. wiederum Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rn. A 26 ff.; Kloubert, FR 2001, 465, 465 ff.; allgemeiner H. Schäfer, Dreiecksbeziehung,

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Verallgemeinerungen für das Verhältnis des Steuerrechts zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem als Ganzes zu.112 Ein weitergehender, dieses Ausgleichssystem insgesamt verdrängender Ansatz ist demgegenüber, soweit Verf. ersichtlich, noch nie vertreten worden.

C. Das Verhältnis von zivil- und steuerrechtlichen Wertun­gen als zentrale Fragestellung I. Prüfungsprogramm und Vorgehensweise Eine vollständige oder teilweise Verdrängung bzw. Überlagerung des zivilrechtlichen Ausgleichssystems lässt sich folglich nicht einfach über pauschale Vorrangerwägungen begründen. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass es nicht doch materielle Gründe geben könnte, die einem Ausgleich im Innenverhältnis der Beteiligten entgegenstehen können.113 Auch im Hinblick auf diese Frage lässt sich die allgemeinere Diskussion über das Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht fruchtbar machen, und zwar soweit sie sich – insbesondere in neuerer Zeit – mit der Frage befasst, inwieweit jede der beiden Teilrechtsordnungen die (wesentlichen) Prinzipien bzw. Wertungen der jeweils anderen Teilrechtsordnung zu berücksichtigen hat. Dies könnte im vorliegenden Zusammenhang vor allem deshalb von Bedeutung sein, weil nicht auszuschließen ist, dass grundlegende Prinzipien des Steuerrechts existieren, die einem Ausgleich im Innenverhältnis ganz oder teilweise zuwiderlaufen und insoweit die zentrale Funktion des Zivilrechts, einen Ausgleich unter den Privaten herzustellen, überlagern. So müssen sich die steuerrechtlichen Vorschriften bereits selbst am verfassungsrechtlichen Gebot der Belas­ tungsgleichheit messen lassen,114 so dass sich eine zivilrechtliche Ab­ änderung der durch sie hervorgerufenen Ergebnisse nicht von selbst versteht­. Allerdings findet sich im Schrifttum auch ein genau entgegensetzter Ansatz, wonach aus dem Gebot einer kongruenten bzw. folgerichtigen Abstimmung dieser beiden Teilrechtsordnungen die Notwendig-

S. 255 ff., der – entgegen seiner eigenen Bekundung (S. 253 f.) – im Ausgangspunkt ganz ähnlich wie Liebisch argumentiert (S. 255). 112 Ob die soeben skizzierten, für Steuergesamtschulden vertretenen Ansätze zutreffen, wird an anderer Stelle (in § 11 unter C.) zu klären sein. 113 Zum Verhältnis dieser (modernen) Herangehensweise zu der unter B. skizzierten Vorrangfrage vgl. vorläufig Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 447 ff. 114 Vgl. vorläufig nur BVerfGE 122, 210, 230 f.; BVerfGE 120, 1, 44; Einzelheiten im 2. Kapitel.

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keit folgen soll, steuerliche Ergebnisse in bestimmten Konstellationen zivilrechtlich abzuändern.115 Damit ist zugleich das Programm der weiteren Prüfung abgesteckt. Sie soll Klarheit über folgende Punkte verschaffen: Sind Wertungen des Steuerrechts geeignet, Einfluss auf das zivilrechtliche Ausgleichssystem zu nehmen und können sie dieses im Extremfall sogar verdrängen? Gibt es (umgekehrt) Situationen, in denen ein zivilrechtlicher Ausgleich aufgrund von Wertungen des Steuerrechts geboten ist? Zur Beantwortung dieser Fragen muss zunächst herausgearbeitet werden, ob und in welchen normativen Situationen zwei Teilrechtsordnungen ihre Wertungen wechselseitig in Rechnung zu stellen haben. Darauf aufbauend ist zu untersuchen, ob es Wertungen des Steuerrechts gibt, die einem zivilrechtlichen Ausgleich entgegenstehen – oder ihn umgekehrt bei bestimmten Fallgestaltungen gebieten. Wie einleitend bereits angesprochen, muss dabei insbesondere das Verhältnis zwischen Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtlichem Ausgleichssystem geklärt werden – was im Schwerpunkt im 2. Kapitel erfolgt.

II. Zum inneren System des Steuerrechts Bevor allerdings die Einzelheiten der Behandlung teilrechtsordnungsübergreifender Prinzipien- bzw. Wertungskonflikte erörtert werden können, muss zunächst auf die vorgelagerte und bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv diskutierte Fragestellung eingegangen werden, ob das (von Fiskalzwecknormen dominierte) materielle Steuerrecht überhaupt übergeordnete Ziele verfolgt und sich demgemäß als teleologische Ordnung begreifen lässt,116 denn andernfalls wären Prinzipienbzw. Wertungskonflikte mit dem Zivilrecht von vornherein ausgeschlossen. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich am juristischen Systembegriff Canaris', da er (auch) für den Bereich des Steuerrechts nutzbar gemacht werden kann117 und deshalb in diesem Kontext häufig

115 Schön, StuW 2005, 247, 253. 116 Demgegenüber dürfte unstreitig sein, dass Lenkungsnormen einer teleologischen Auslegung zugänglich sind; siehe etwa Birk, StuW 1990, 300, 305 ff.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 25, S. 53; K. Vogel, DStZ/A 1977, 5, 10; Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 279. Gleiches gilt prinzipiell auch für Steuerverfahrensvorschriften (Birk, aaO; Drüen, FS Kruse, S. 191, 207; Kruse, aaO, S. 25; siehe aber Tipke, StRO I, S. 65). 117 Zu den Hintergründen siehe Walz, Steuergerechtigkeit, S. 6.

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herangezogen wird.118 Canaris sieht das innere System des jeweiligen Rechtsgebiets als axiologische bzw. teleologische Ordnung allgemeiner Rechtsprinzipien an, die aus wenigen systemtragenden Grundwertungen bzw. allgemeinen Prinzipien besteht, welche zu ihrer Verwirklichung der stufenweise Konkretisierung durch Unterprinzipien und Einzelwertungen mit eigenständigem Sachgehalt bedürfen.119 Dass das Steuerrecht eine Prinzipien- und Werteordnung in diesem Sinne darstellt, wird von der heute vorherrschenden Meinung, die als „axiologische“ bezeichnet worden ist120 und insbesondere mit dem Namen Klaus Tipke verbunden werden kann,121 als Selbstverständlichkeit angesehen.122 Dieser Ansatz lässt sich wie folgt zusammenfassen: Das Steuerrecht lasse nicht nur ein – wenn auch unvollkommenes – äußeres Sys­ tem erkennen,123 sondern weise vor allem auch ein (pyramidenhaft 118 Canaris folgend insbesondere Lang, Bemessungsgrundlage, S. 11 f.; Tipke, StuW 1971, 2, 5 f.; ähnlich Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 11 ff.; Tipke, StRO I, S. 67 ff., S. 280 f.; siehe auch etwa Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 52 ff.; Englisch, FS Lang, S. 167, 178. 119 Zu den Einzelheiten siehe Canaris, Systemdenken, S. 46 ff., S. 57 f.; ausführlich zur juristischen Systembildung und Prinzipienlehre auch etwa Alexy, Theorie, S. 71 ff., S. 125 ff.; ders., Rechtstheorie 1987, 405, 405 ff.; Byd­linski, System, S. 1 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 7 ff., S. 34 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 437 ff., S. 474 ff.; Mössner, FS Lang, S. 83, 87 ff.; Penski, JZ 1989, 105, 105 ff. Die Darstellung lehnt sich an dieser Stelle lediglich an den im Haupttext beschriebenen Systemaufbau selbst an. Ob die (weitergehende) Annahme Canaris', aaO, S. 16 ff. zutreffend ist, der Systemgedanke sei jedem positiven Recht per se immanent, kann hier (aus sogleich zu nennenden Gründen) offen gelassen werden; ausführliche Darstellung und Würdigung des Ansatzes Canaris' bei Englisch, aaO, S. 10 ff. und Höpfner, Auslegung, S. 7 ff., S. 62 ff. (siehe auch S. 91 ff., S. 130 ff.); sehr kritisch Peine, System, S. 20 ff. (siehe auch S. 29 ff., S. 54, S. 96 f.); Kritik auch bei Wieacker, Rechtstheorie 1970, 107, 108 ff.; siehe ferner Drüen, FS Spindler, S. 29, 33 f. 120 Schenke, StuW 2008, 206, 207 und 209 f.; ders., Rechtsfindung, S. 241; seiner Terminologie folgend P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 140; Tipke, StuW 2008, 377, 381. 121 Siehe nur den in Tipkes Grundlagenwerk gewählten Ausgangspunkt (Tipke, StRO I, S. 5 ff.); weitere Nachweise sogleich; grundlegend ders., StuW 1971, 2, 2 ff. (5 ff.). 122 Siehe etwa Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 302 ff. (S. 313); Englisch, FS Lang, S. 167, 172 ff., 178 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 9 ff.; Lang, StuW 2013, 53, 53 ff.; dens., Bemessungsgrundlage, S. 9 ff; Tipke, StuW 2008, 377, 381 ff.; dens., StRO I, S. 50 f., S. 69 ff.; Weber-Grellet, Steuern, S. 147 ff., S. 156 f., S. 160 ff.; ebenso (mit Blick auch auf das Schweizer Recht) Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 67 ff.; siehe auch Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einf ESt, Anm. 639; Weber-Grellet, DStR 1991, 438, 443 f. 123 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 5 ff. Gemeint ist in erster Linie die (formale) Anordnung des Stoffes; näher zur Unterscheidung zwischen „äußerem“ und

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aufgebautes) inneres System auf.124 An der Spitze dieses Systems stünden Grundprinzipien, die aus der Verfassung folgten und auf denen nachgelagerte, häufig ebenfalls verfassungskräftige (Unter-)Prinzipien sowie – auf unterer Stufe – einfachgesetzliche Wertungen beruhten.125 Als wichtigs­ tes systemtragendes Prinzip („Fundamentalprinzip“) wird das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip angesehen.126 Denn Ziel der Besteuerung sei es nicht nur, den öffentlich-rechtlichen Körperschaften Einnahmen zu verschaffen­, sondern auch und gerade, eine gerechte Verteilung der Gesamtsteuerlast auf die (potentiell) Steuerpflichtigen herbeizuführen (iustitia­ distributiva).127 Neben das Leistungsfähigkeitsprinzip treten weitere, ebenfalls aus der Verfassung abgeleitete Grundprinzipien (z.B. Legalitätsprinzip, Übermaßverbot, Prinzip sozial gerechter Besteu­ erung),128 die durch Unterprinzipien konkretisiert würden.129 Auch auf unterer, d.h. nicht unmittelbar verfassungsrechtlich determinierter Ebene ließen sich einfachgesetzliche Wertungen und Prinzipien feststellen, die ebenfalls für eine teleologische Auslegung fruchtbar gemacht werden könnten.130 Bei der Interpretation von Einzelnormen seien mithin die ih„innerem“ System Bydlinski, System, S. 9 ff.; Heck, Begriffsbildung, S. 142 ff.; Larenz­, Methodenlehre, S. 437 ff. sowie auch Canaris, Sys­temdenken, S. 19; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 11 f. mit Fn 63; Tipke, StRO I, S. 61 f. 124 Englisch, FS Lang, S. 167, 178, 180 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 9 ff.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 11 ff.; Tipke, StRO I, S. 69 ff.; WeberGrellet, Steuern, S. 147 ff.; im gleichen Sinne Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 302 ff.; Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 67 ff. 125 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 13 ff.; siehe auch Englisch, FS Lang, S. 167, 180 ff.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 12 ff.; Tipke, StRO I, S. 69 ff., S. 280 f.; Weber-Grellet, Steuern, S. 156 f., S. 160 ff. 126 Statt vieler Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 13; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 12 ff. (S. 14 ff.); Tipke, StRO I, S. 69 f., S. 95; dens., StRO III, S. 1620. Ob das Leistungsfähigkeitsprinzip tatsächlich Fundamentalcharakter aufweist, wird in § 6 noch ausführlich untersucht. 127 Tipke, StRO III, S. 1618 ff.; siehe ferner z.B. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 313; Weber-Grellet, StuW 1993, 97, 97 f.; dens., DStR 1991, 438, 443 f. Den Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit betonen insbesondere Lang, Bemessungsgrundlage, S. 12 ff. und Tipke, StuW 2007, 201, 202 ff.; ders., StRO I, S. 256 ff., jeweils unter Hinweis auf die aristotelische Ethik (Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 106 ff.: 1130b, 30 ff.; ab 1131a, 10). Auf diesen Aspekt wird ebenfalls zurückzukommen sein. 128 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 13; vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 14 f.; siehe auch Weber-Grellet, Steuern, S. 160. 129 Siehe etwa Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 14 (mit Beispielen); Tipke, StRO I, S. 258 f. 130 Vgl. etwa Lang, Bemessungsgrundlage, S. 19 ff.; Weber-Grellet, StuW 1993, 97, 103. In diesem Zusammenhang wird beispielhaft auf das Markteinkommensprinzip, das Nominalwertprinzip und die Bilanzierungsprinzipien hingewiesen (Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 15); weitere Beispiele für verfassungskräftige

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nen zugrunde liegenden Prinzipien und Wertungen mit in den Blick zu nehmen.131 Als Gegenposition zu diesem axiologischen Ansatz lässt sich der (häufig so genannte) positivistische Ansatz132 anführen, der – in mehr oder weniger starker Ausprägung – bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein zahlreiche Vertreter fand, jedoch mittlerweile in den Hintergrund gerückt ist. Er fußt im Kern auf folgenden Überlegungen:133 Die tatbestandliche Anknüpfung des materiellen Steuerrechts an bestimmte Vorgänge und Zustände in der Lebenswirklichkeit sei keine zwingende, da es keine Sachverhalte gebe, die ihrer Natur nach besteuert werden müssten; der Besteuerung wohne daher ein gewisses Willkürmoment inne.134 Das Steuerrecht lebe mithin aus dem Diktum des Gesetzgebers.135 Fiskalzwecknormen verfolgten keinen konkreten Zweck im Sinne einer angestrebten Wirkung in der außerrechtlichen Wirklichkeit,136 sondern dienten in erster Linie dazu, Mittel für das Gemeinwesen zu generie-

Unterprinzipien sowie einfachgesetzliche Prinzipien bei Tipke, StRO I, S. 258; dems., StuW 1990, 308, 309; Weber-Grellet, Steuern, S. 176 ff. 131 Siehe nur Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 311 und S. 318; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 16 ff. 132 Vgl. etwa Flume, StbJb 1985/86, 277, 282 ff.; dens., StbJb 1967/68, 63, 66 („Es bedarf vielmehr […] immer der positivistischen Begründung des Steuertatbestandes.“); dens., Steuerwesen, S. 5 („Die Steuergesetzgebung ist ganz und gar positivistisch.“); Knobbe-Keuk, Rechtsquelle, S. 17 („Das Steuerrecht ist ganz und gar positivistisches Recht.“); Kruse, DStJG 5 (1982), 71, 71 a.E. („Steuerrechtlicher Positivismus ist kein Schimpfwort“); weitere Nachweise sogleich. 133 Siehe auch die ausführliche Darstellung bei Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 287 ff. 134 So insbesondere Flume, StbJb 1985/86, 277, 279 ff.; ders., StbJb 1967/68, 63, 64 ff.; gleichsinnig Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 277 f.; Crezelius, Rechtsanwendung, S. 127 f.; Drüen, FS Kruse, S. 191, 200; Hüttemann, FS Spindler, S. 627, 630 a.E.; Knobbe-Keuk, FS RFH/BFH, S. 303, 305 ff.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 26, S. 46 ff.; ders., DStJG 5 (1982), 71, 75 ff.; L. Osterloh, Gesetzesbindung, S. 161 ff.; siehe auch Friauf, DStJG 5 (1982), 53, 64; Mellinghoff, Ubg 2012, 369, 372; Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 81. 135 BVerfGE 13, 318, 328; Isensee, StuW 1994, 3, 7; Knobbe-Keuk, Rechtsquelle, S. 17 f.; C. Seiler, 66. DJT/I, F 11; siehe auch K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 71; St. Schneider, Beihefter zu DStR 2009, 87, 89 Fn 10. 136 K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 68, 70 f.; ders., DStZ/A 1977, 5, 9; im gleichen Sinne Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 277 f. und § 42 AO Tz. 10; Birk, StuW 1990, 300, 305; Isensee, StuW 1994, 3, 7; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 25 ff.

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ren.137 Dieser Zweck138 sei weder einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zugänglich,139 noch lasse er aus sich heraus teleologische Ableitungen zu.140 Hieran wird deutlich, dass sich der positivistisch geprägte Standpunkt nicht zuletzt als Abwehrreaktion auf die früher verbreitete, so genannte teleologische Auffassung verstehen lässt, nach der Steuernormen (auch) mit Blick auf ihren (Primär-)Zweck der Einnahmeerzielung auszulegen seien.141 Dieser teleologische Ansatz, der eng mit der unter B. thematisierten Emanzipationsbewegung verbunden war, wird heute zu Recht nicht mehr vertreten.142 Die soeben skizzierte positivistische Auffassung ist besonders von ihren Kritikern so verstanden worden, als negiere sie eigenständige Wertungen des Steuerrechts.143 Dieses Bild ist jedoch schief, soweit hiermit entsprechende Stellungnahmen im wissenschaftlichen Schrifttum in Bezug ge137 Flume, StbJb 1967/68, 63, 69 f.; Isensee, StuW 1994, 3, 7; Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 303; Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 76 ff.; K. Vogel, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 71; C. Seiler, DJT/I, F 11; Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 263; ders., FR 2007, 225, 227; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), aaO, Bd. V, § 116 Rn. 105. 138 Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 25 f. spricht insoweit nicht von einem „Zweck“, sondern lediglich von einem „Motiv“ (ebenso Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 277 f.). Bei Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 77 f. ist von „Zwischenziel“ bzw. „(vordergründigem) Zweck“ die Rede. 139 Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 278; Isensee, StuW 1994, 3, 9; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 26, S. 46; Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 303 f.; Lepsius, JZ 2009, 260, 260 f.; Mellinghoff, Ubg 2012, 369, 372; Papier, Gesetzesvorbehalte, S. 75 ff.; C. Seiler, DJT/I, F 11; K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 71, 73 („maßlos“); ders., FS Döllerer, S. 677, 684; Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 263; ders., FR 2007, 225, 227; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), aaO, Bd. V, § 116 Rn. 105. 140 Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 277 f.; Höhn, FS Tipke, S. 213, 232 ff.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 25 ff. (S. 27); Schön, Auslegung, S. 25 f.; K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 73; ders., DStZ/A 1977, 5, 8 f. Teilweise (Birk, StuW 1990, 300, 305 ff.; vgl. auch K. Vogel, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), aaO) wird hieraus gefolgert, dass sich die Auslegung unmittelbar am Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit zu orientieren habe. Hierauf wird später zurückzukommen sein. 141 Siehe etwa RFH StuW 1929, 917, 918 f.; Becker, RAO, § 4 Anm. 5; dens., StuW 1931, 429, 433 ff.; weitere Nachweise bei Lehner, FS Tipke, S. 237, 242 ff.; gleicher Befund bei Schenke, Rechtsfindung, S. 405 f. 142 Vgl. Drüen, FS Kruse, S. 191, 207; Lehner, FS Tipke, S. 237, 240; Mössner, DStZ 1990, 132, 135; K. Vogel, DStZ/A 1977, 5, 9; Tipke, StuW 2008, 377, 381. 143 In diesem Sinne Schenke, Rechtsfindung, S. 216 ff., S. 238 ff.; Tipke, StuW 2008, 377, 381 und 383 f.; ders., StRO I, S. 258, S. 264 ff.; Weber-Grellet, DStR 1991, 438, 441; siehe im Ausgangspunkt auch Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 63 ff.; vgl. ferner Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 285 ff.; Lang, StuW 2013, 53, 56 f.

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nommen werden. Denn eine strikte Buchstabengläubigkeit, die ohne Rückgriff auf übergeordnete (verfassungsrechtliche) Wertungen und ohne Berücksichtigung steuerrechtlicher Strukturprinzipien auskommt, ist in den letzten Jahrzehnten kaum je vertreten worden.144 So hat Flume als wohl profiliertester „Positivist“145 seit jeher betont, dass das Steuerrecht dem Rechtsgedanken verpflichtet sei146 und übergeordneten verfassungsrechtlichen Wertungen, namentlich dem Gleichheitssatz sowie dem Leis­tungsfähigkeitsprinzip genügen müsse.147 Die Steuererhebung betreffe die gerechte Verteilung der Steuerlast als Rechtsproblem.148 Als autonome Teilrechtsordnung sei das Steuerrecht ferner aus sich heraus, insbesondere ohne Rückgriff auf das Zivilrecht zu interpretieren.149 Was soeben exemplarisch für Flume herausgestellt worden ist, beansprucht in nicht geringerem Maße für andere Autoren Geltung, die den oben dargestellten Ausgangspunkt der positivistischen Auffassung teilen.150 Das kann auch nicht verwundern, denn aus dem Umstand, dass Fiskalzwecknormen in erster Linie der Mittelbeschaffung dienen, folgt nicht zugleich, dass sie ungeeignet wären, eine rechtsdogmatisch er-

144 Auf den singulär gebliebenen Ansatz Crezelius', Rechtsanwendung, passim (insbesondere S. 300 f., S. 334 ff., S. 354 ff., S. 358 ff.) als wohl radikalster Auffassung im jüngeren Schrifttum wird aus darstellerischen Gründen erst im folgenden Abschnitt ausführlich eingegangen; siehe vorläufig die berechtigte Kritik an ihm bei Schulze-Osterloh, StuW 1986, 74, 76. 145 Prononciert Flume, StbJb 1985/86, 277, 282 ff.; siehe auch die weiteren Nachweise in Fn 132. 146 Siehe bereits Flume, Steuerwesen, S. 6 ff. sowie dens., StbJb 1985/86, 277, 282 ff.; dens., StbJb 1967/68, 63, 64. 147 Flume, StbJb 1985/86, 277, 295; vgl. auch dens., StbJb 1967/68, 63, 72 a.E. sowie bereits dens., Steuerwesen, S. 6 ff. Übergeordnete Grundsätze könnten allerdings nicht für die Begründung von Steuerpflichten fruchtbar gemacht werden (ders., StbJb 1985/86, 277, 295), sondern bewirkten lediglich eine Negativabgrenzung (ders., StbJb 1967/68, 63, 69). 148 Flume, StbJb 1985/86, 277, 284; ders., DB 1970, 77, 77; ders., StbJb 1967/68, 63, 64, ebenfalls unter Hinweis auf die iustitia distributiva nach Aristoteles (vgl. oben Fn 127). 149 Flume, Steuerwesen, S. 18 f.; näher zur Auffassung Flumes über das Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht in § 3. 150 Zuvörderst genannt sei hier Klaus Vogel; siehe im vorliegenden Zusammenhang K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 73; dens., DStZ/A 1977, 5, 6 ff. (ausführliche Würdigung bei Tipke, StuW 1990, 308, 308 f.); siehe ferner etwa Drüen, FS Kruse, S. 191, 196 ff.; Höhn, FS Tipke, S. 213, 228 und 232; Isensee, StuW 1994, 3, 7; Knobbe-Keuk, FS RFH/BFH, S. 303, 305; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 42 ff. (zu ihm Lang, StuW 1991, 205, 208 f.); Schön, Auslegung, S. 25 ff.

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schließbare systematische Struktur zu bilden.151 Es handelt sich vielmehr um zwei voneinander zu trennende Ebenen.152 So dürfte heute allgemein anerkannt sein, dass sich aus dem Sinnzusammenhang zahlreicher steuerrechtlicher Normen bzw. Normengruppen Prinzipien und Einzelwertungen ableiten lassen153 – was sich auch daran zeigt, dass die Argumentation mit Systemgerechtigkeits- und (besonders in jüngerer Zeit) mit Folgerichtigkeitserwägungen Gemeingut geworden ist.154 Solche Prinzipien und Einzelwertungen können für eine teleologische Auslegung155 nutzbar gemacht werden,156 wenn sie sich in hinreichend verfestigter Ausprägung nachweisen lassen.157 Darüber hinaus muss die Ausgestaltung der Besteuerung schon von Verfassungs wegen bestimmten Anforderungen genügen, so dass in diesem Umfang (Grund-)Wertungen an das

151 Siehe etwa Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einf ESt, Anm. 639; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 304 f.; Isensee, StuW 1994, 3, 7; Schön, Auslegung, S. 26 f.; Weber-Grellet, StuW 1993, 97, 103. So setzt auch K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 73 ohne weiteres voraus, dass Steuergesetzen ein inneres System zugrunde liegen kann. 152 Isensee, StuW 1994, 3, 7; siehe auch L. Osterloh, Gesetzesbindung, S. 164 ff. 153 Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 279 ff.; dens., FS Kruse, S. 191, 207 f.; Eckhoff, FS Steiner, S. 119, 127; Isensee, StuW 1994, 3, 7; Schön, Auslegung, S. 26 f.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 155; Weber-Grellet, DStR 1991, 438, 444; siehe auch Höhn, FS Tipke, S. 213, 221 f. sowie den Ausgangspunkt bei Crezelius, FR 2009, 881, 881; zu Beispielen siehe Fn 130; vgl. ferner die in Fn 100 und 101 zitierten Stellungnahmen. 154 Einzelheiten und Nachweise in den folgenden Abschnitten. 155 Trotz Kritik an dieser Begriffsverwendung lässt auch K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 73 (mit Fn 286) eine entsprechende Vorgehensweise im Ergebnis zu. Auf die (von Vogel bejahte) Frage, ob für steuerliche Fiskalzwecknormen in dieser Hinsicht Besonderheiten gelten, wird in § 6 mit Blick auf das materielle Gewicht der entsprechenden Wertungen im Verhältnis zu solchen des Zivilrechts noch ausführlich eingegangen. 156 Vgl. Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einf ESt, Anm. 639; Drüen, in: Tipke/ Kruse, § 4 AO Tz. 279; dens., FS Kruse, S. 191, 207 f.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 311, S. 318; Lehner, FS Tipke, S. 237, 241 ff.; Schön, Auslegung, S. 26 f.; Woerner, GS Knobbe-Keuk, S. 967, 969 f., 977 f.; dens., FR 1992, 226, 229 ff.; im Ausgangspunkt auch Höhn, FS Tipke, S. 213, 221 ff.; zugrunde gelegt in BVerfG BStBl. II 1992, 212, 213 f. Hiervon zu trennen ist allerdings die Frage, ob Fiskalzwecknormen durchgängig leistungsfähigkeitskonform auszulegen sind, wie namentlich Lehner, aaO und Eckhoff, aaO, S. 310 ff. (mit Fn 113, 115) offenbar meinen; näher dazu in § 6. 157 Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 285 f.; Eckhoff, FS Steiner, S. 119, 127; K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 73; SchulzeOsterloh, AcP 190 (1990), 139, 155 sowie insoweit auch Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 27 f.; zu den in dieser Hinsicht bestehenden Schwierigkeiten näher Lang, Bemessungsgrundlage, S. 21 ff.; siehe in diesem Zusammenhang auch Knobbe-Keuk, FS RFH/BFH, S. 303, 307 f.; Sieker, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1667, 1668.

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Die teilrechtsordnungsübergreifende Problemstellung

Steuerrecht herangetragen werden.158 Der heute noch bestehende Streit zwischen den beiden Sichtweisen beschränkt sich dementsprechend lediglich auf Einzelaspekte wie namentlich die Analogiefrage159 und – hiermit in engem Zusammenhang stehend – die Bestimmtheitsanforderungen an Steuergesetze.160 Diese Streitpunkte bedürfen hier keiner Klärung. Denn an dieser Stelle geht es nur um die Frage, ob das Steuerrecht Prinzipien und Wertungen kennt, die in Konkurrenz zu Wertungen anderer Teilrechtsordnungen treten können. Diese Frage kann nunmehr im bejahenden Sinne beantwortet werden: Dass übergeordnete, insbesondere verfassungsgeleitete Besteuerungsprinzipien bestehen und dass das Steuerrecht auch sonst eine innere Systematik erkennen lässt, unterliegt keinem Zweifel.161 Ferner sind normative Situationen denkbar, in denen diese Prinzipien und Wertungen in Konflikt zu solchen des Zivilrechts treten können. Dies wäre etwa der Fall, wenn zivilrechtliche Ansprüche eine durch Vorschriften des Steuerrechts angeordnete leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung im wirtschaftlichen Ergebnis konterkarierten. Mit diesem Befund soll es hier sein Bewenden haben. Auf die Frage, ob für die steuerrechtlichen Fiskalzwecknormen im Vergleich zu Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten Besonderheiten gelten, wie die positivistische Auffassung meint, wird später – nämlich bei der Frage nach dem Gewicht der jeweiligen steuerrechtlichen Wertung – zurückzukommen sein.162 Im Folgenden ist zunächst zu klären, ob und in welchem Maße der Rechtsanwender dazu gehalten ist, bei der Rechtsfindung auf teilrechtsordnungsfremde Prinzipien und Wertungen Rücksicht zu nehmen.163 158 Siehe nur Höhn, FS Tipke, S. 212, 231 ff. Auf das Leistungsfähigkeitsprinzip und speziell die Reichweite seines Prinzipiencharakters wird im Laufe der weiteren Untersuchung noch ausführlich eingegangen. 159 Näher dazu (mit umfangreichen Nachweisen) Schenke, StuW 2008, 206, 207 ff.; ders., Rechtsfindung, S. 172 ff. (S. 216 ff.); Tipke, StRO I, S. 177 ff., S. 185 ff. (S. 189), S. 197 ff.; zuletzt Lang, StuW 2013, 53, 56 f., dessen Auffassung, Positivismus und Wortlauttreue seien im Zivilrecht beheimatet, erstaunen muss. 160 Umfängliche Nachweise bei Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 288 f., S. 300 ff.; siehe insbesondere die von K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 68 ff. (72) gezogenen Schlussfolgerungen. 161 Zu Unrecht relativierend Lepsius, JZ 2009, 260, 260 ff.; dagegen zutreffend Hennrichs, FS Lang, S. 237, 243. Die Frage, ob der Systemgedanke jedem positiven Recht per se immanent ist (vgl. dazu einerseits Canaris, Systemdenken, S. 16 ff. und andererseits Peine, System, S. 22 ff.; vgl. für das Steuerrecht auch die Gedanken bei Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 22 ff.), bedarf daher auch für steuerliche Fiskalzwecknormen keiner Klärung. 162 Näher unten § 6. 163 Vgl. zur Vorgehensweise die Ausführungen auf S. 24.

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§3 Bindungswirkung teilrechtsordnungsfremder Prinzipien­ und Wertungen: Meinungsstand und Folgerungen­ A. Ursprünge I. Der Beitrag Flumes Die moderne Diskussion über das Verhältnis von Zivilrecht und Steuerrecht hat sich – wie in § 2 bereits angesprochen – von der besonders Mitte des 20. Jahrhunderts umstrittenen Auslegungsproblematik, die heute in ihrem Kernbereich nicht mehr ernsthaft streitig ist,164 vor allem hin zu der Frage verlagert, inwieweit die beiden Teilrechtsordnungen ihre (grundlegenden) Prinzipien und Wertungselemente wechselseitig zu berücksichtigen haben.165 Zwischen der klassischen und der modernen Fragestellung besteht allerdings eine Verbindungslinie, denn die Ursprünge der aktuellen Diskussion sind zumindest auch auf Auswüchse der Emanzipationsbewegung in Steuergesetzgebung und Steuerrechtsanwendung während der „Blütezeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise“166 zurückzuführen:167 Flume, den man ungeachtet seines positivistischen Ausgangspunktes als frühen Protagonisten der heutigen Herangehensweise bezeichnen kann,168 sah sich aufgrund solcher Entwicklungen ver164 Siehe oben § 2 B. 165 Näher zu dieser Entwicklung und zum heutigen Streitstand Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 244 ff. und S. 394 ff.; zu den heute diskutierten Überschneidungsbereichen von Steuer- und Zivilrecht siehe § 1. 166 Diesen Begriff verwendet Urbas, wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 114 und S. 125. 167 Gemeint sind in diesem Zusammenhang besonders die Rechtsprechung seit den 30er Jahren (näher Urbas, wirtschaftliche Betrachtungsweise, S. 130 ff. mit Nachweisen) und die bei Flume, Steuerwesen, S. 10 ff. beispielhaft angeführten Steuergesetze und Entscheidungen. 168 Vgl. vor ihm auch bereits Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 8 ff., S. 161 ff., der sich schon in den 30er Jahren für eine Annäherung von Steuerrecht und Privatrecht ausgesprochen und ihre „starke Zusammengehörigkeit“ (S. 26) bzw. „Verbundenheit“ (S. 163) betont hat. Liebisch hebt die Notwendigkeit der „Erhaltung der Einheit des Rechts“ hervor (S. 164) und spricht sich für „eine die Totalität des Rechtes wahrende Betrachtungsweise“ aus, „die sich um die Entfaltung gemeinsamer Grundsätze der verschiedenen Rechtsgebiete bemüht“ (S. 165). So betont er die Maßgeblichkeit des zivilrechtlichen Begriffs der Ehe für das Steuerrecht (S. 130 ff.) und unterstreicht im Hinblick auf das Instrument der Sicherungsübereignung das „unbedingte Bedürfnis nach Einheitlichkeit in der Rechtsauffassung“ (S. 163); näher zu diesem (bis auf Anklänge an die zeitgenössische Ideologie ganz am Anfang und am Ende der Darstellung) sehr lesenswerten Beitrag, der in der

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Bindungswirkung teilrechtsordnungsfremder Prinzipien­und Wertungen

anlasst zu betonen, dass die Steuernormen dem Gesetz der Einheit der Rechtsordnung (Kongruenz) unterlägen, so dass die Steuererhebung nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit erfolgen müsse, wie sie sich in der bestehenden allgemeinen Rechtsordnung manifestierten.169 Jedes Gesetz – und damit auch das Steuergesetz – müsse auf die bestehende Rechtsordnung ausgerichtet sein, weil es sich sonst nicht in sie einfüge.170 Beispielsweise dürfe der Einkommen- bzw. Erbschaftsteuertarif nicht derart hoch sein, dass er die durch die allgemeine Rechtsordnung vorgegebene Güterverteilung und damit sie selbst nicht mehr respektiere, sondern umstürze.171 Die gesetzgeberische Entscheidung über die Erhebung der Steuer könne keine ausschließlich politische sein; vielmehr müsse der Steuergesetzgeber die Auswirkungen auf die allgemeine Rechtsordnung bedenken,172 die Vorrang vor der Besteuerung habe.173 Die Besteuerung sei mit den entscheidenden, grundsätzlichen Strukturprinzipien der allgemeinen Rechtsordnung in Einklang zu bringen.174 Ferner müsse geprüft werden, ob Einzelregelungen und Einzelinstitutionen der allgemeinen Rechtsordnung durch die Besteuerung infrage gestellt würden.175 Dieses Erfordernis sah Flume im Hinblick auf mehrere Ergebnisse der damaligen Gesetzgebung und Rechtsprechung, die er beispielhaft anführt (gesamtschuldnerische Haftung der zusammen veranlagten Familienmitglieder; steuerlich bedingte strukturelle Dividendenunfähigkeit der AG; unbeschränkte Haftung des Kommanditisten für die Gewerbesteuer), als nicht gewahrt an.176 Zu betonen ist, dass sich Flumes Ausführungen ausschließlich auf Wertungsaspekte beziehen, während er einer formalen Anknüpfung des Steuerrechts an zivilrechtliche Begriffe und Tatbestände ablehnend gegenübergestanden hat.177

Folgezeit aber nur auf wenig Resonanz gestoßen ist, Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 244 ff. Auf einige der von Liebisch in diesem Beitrag im Schwerpunkt behandelten steuerschuldrechtlichen Fragestellungen wird zurückzukommen sein (vgl. dazu schon oben § 2 B.). 169 Flume, Steuerwesen, S. 6. 170 Flume, Steuerwesen, S. 9. 171 Flume, Steuerwesen, S. 7 f. 172 Flume, Steuerwesen, S. 8 f. 173 Flume, Steuerwesen, S. 16, S. 19. Ebenso ders., StbJb 1967/68, 63, 69 f. 174 Flume, Steuerwesen, S. 9 a.E. 175 Flume, Steuerwesen, S. 9 f. 176 Flume, Steuerwesen, S. 10 ff. 177 Flume, Steuerwesen, S. 18 f. mit Anm. 25 („Unsere These besagt, daß die Zivilrechtsordnung, nicht der Zivilrechtsbegriff, vom Steuerrecht zu respektieren ist.“).

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Wechselseitige Berücksichtigung zivil- und steuerrechtlicher Wertungen

Der Ansatz Flumes ist im Schrifttum bisweilen auf Ablehnung ge­ stoßen,178 die im Kern darauf beruht, dass lediglich die institutionellen Vorgaben des Zivilrechts als Teil der „allgemeinen Rechtsordnung“ in den Blick genommen werden, an denen sich das Steuerrecht wegen des von Flume angenommenen Vorrangs der „allgemeinen Rechtsordnung“ zu orientieren habe. Diese Eingleisigkeit seiner Überlegungen dürfte sich mit der eingangs skizzierten besonderen Ausgangslage erklären lassen, die Flume vorgefunden hat.179 Die einseitige Fixierung auf die zivilrechtliche Seite der Problemstellung lässt sich wohl auch damit erklären, dass in dieser Hinsicht ein ungleich höheres Konfliktpotential besteht. Denn das Steuerrecht knüpft an eine Ausgangslage an, die in den zivilrecht­ lichen Formen gestaltet worden ist (so genannte „Vorherigkeit“ des Zivilrechts),180 so dass leicht die Gefahr einer Kollision mit den zugrunde liegenden materiellen Wertungen des Zivilrechts besteht. Trotz dieser Erklärungsansätze ist die Kritik an der Einseitigkeit der Ausführungen Flumes, insbesondere an dem von ihm angenommenen Vorrang des Zivilrechts,181 berechtigt. Auch erscheint es zumindest aus heutiger Sicht zweifelhaft, ob der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, auf dem Flumes Ausführungen aufbauen, ein tragfähiges Fundament bildet – was noch zu untersuchen sein wird.182 Dies alles ändert aber nichts daran, dass die in seinem Ansatz angelegte Akzentverlagerung hin zu materiellen Wertungsfragen wegweisend für die weitere Entwicklung der Diskussion gewesen ist, der es um die Bewältigung der materiell-inhaltlichen Dimension der Überschneidung von Zivilrecht und Steuerrecht geht. Bemerkenswerterweise hat sich der heutige Diskussionsstand aber erst etwa 30 Jahre nach dem Beitrag Flumes entwickelt. Er wird sogleich unter B. dargestellt und analysiert.

178 Vgl. Tipke, JuS 1970, 149, 149 sowie auch Locher, Rechtsfindung, S. 162 (mit S. 177 f.) und (allgemeiner) R. Thiel, GS Spitaler, S. 195, 196. 179 Im gleichen Sinne wie hier Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 249 f. 180 Siehe etwa BVerfG BStBl. II 1992, 212, 213; P. Kirchhof, StuW 1983, 173, 181; Loch­er, Rechtsfindung, S. 153 f., S. 157; Verf., JJZ 2011, 69, 72; Tipke, StRO I, S. 44 ff. sowie bereits treffend Blumenstein, ZSR 52 (1933), 141a, 142a: „Das Zivilrecht regelt wirtschaftliche Verhältnisse; das Steuerrecht baut auf diesen seine Materie auf. Dem Zivilrecht kommt dabei sachlich wie zeitlich die Priorität zu. Vor allem nämlich findet das Steuerrecht die wirtschaftlichen Erscheinungen, mit denen es sich zu befassen hat, meistens bereits in ihrer zivilrechtlichen Regelung vor.“ 181 Besonders deutlich Flume, Steuerwesen, S. 19 Anm. 25. 182 Siehe unten B VI.

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Bindungswirkung teilrechtsordnungsfremder Prinzipien­und Wertungen

II. Die frühen Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts Zuvor erscheint allerdings noch ein Seitenblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den 60er Jahren zum Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht lohnenswert. Denn das Gericht hat sich in dieser Zeit mehrfach mit der Bedeutung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung im vorliegenden Zusammenhang befasst und scheint bei überschlägiger Betrachtung Anklänge an den Ansatz Flumes genommen zu haben: In einer wegweisenden Entscheidung aus dem Jahr 1962 erklärte das Gericht den damaligen § 8 Nr. 6 GewStG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig.183 Die Vorschrift ordnete an, dass zur Ermittlung des Gewerbeertrags (unter anderem) von Kapitalgesellschaften Gehälter und sonstige Vergütungen hinzuzurechnen waren, die an wesentlich Beteiligte und deren Ehegatten für die Beschäftigung im Betrieb gewährt wurden. Den Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG begründete das Bundesverfassungsgericht mit der Ungleichbehandlung von „personenbezogenen“ und „anonymen“ Kapitalgesellschaften, die nicht zu rechtfertigen sei.184 Das Gericht stützte sich dafür maßgeblich auf folgende Argumentation: Wo das Steuerrecht an die Rechtsformen des Zivilrechts anknüpfe, liege es nicht nur im Interesse der Klarheit und Einheit, sondern vor allem der inneren Autorität der Rechtsordnung, die Entsprechung von Zivilrecht und Steuerrecht durchgehend zu wahren, also die Ordnungsstrukturen des Zivilrechts zu achten.185 Vor diesem Hintergrund sei es besonders bedenklich, wenn die benützte zivilrechtliche Ordnung gerade an der Stelle durchbrochen werde, die ihre eigentlich rechtliche Bedeutung ausmache.186 Hiervon ist das Gericht im Hinblick auf § 8 Nr. 6 GewStG a.F. ausgegangen, da das Gesetz mit Hilfe eines „Durchgriffs“ auf die Verhältnisse der Gesellschafter die Selbständigkeit und Einheitlichkeit der Erfolgsrechnung und damit die rechtliche Verselbständigung der Kapitalgesellschaft, die „zum Wesen juristischer Personen“ gehöre, durchbreche.187 Hierdurch werde die vom Gewerbesteuerrecht selbst aufgegriffene Ordnungsstruktur des Zivilrechts an einer besonders empfindlichen Stelle missachtet.188

183 BVerfGE 13, 331, 331 ff. 184 BVerfGE 13, 331, 338 ff., 341 ff. 185 BVerfGE 13, 331, 340. 186 BVerfGE 13, 331, 340. 187 BVerfGE 13, 331, 340 f. 188 BVerfGE 13, 331, 341. Dies sei nicht zu rechtfertigen (näher S. 341 ff.).

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Diese Ausführungen erwecken den Anschein, als habe das Bundesver­ fassungsgericht einen ähnlichen Weg wie Flume beschritten, indem es die Steuergesetze an den Ordnungsprinzipien des Zivilrechts gemessen hat. Dieser Eindruck täuscht. Denn den Bezugspunkt für die verfassungsrechtliche Prüfung durch das Gericht bildeten nicht etwa die Strukturprinzipien des Zivilrechts (als solche), sondern die vom Steuergesetzgeber – durch die Anknüpfung an die zivilrechtlichen Rechtsformen – begründete Sachgesetzlichkeit,189 so dass es sich im Kern um eine steuerrechtsinterne Fragestellung gehandelt hat. Beispielsweise heißt es in diesem Urteil: „Privat- und Steuerrecht sind aber dort tiefgreifend verbunden, wo das Steuerrecht […] den Steuergegenstand prinzipiell nach Rechtsformen des bürgerlichen Rechts bestimmt. Gewiß schließt auch [eine] solche qualifizierte Verbindung nicht schlechthin steuerrechtliche Abweichungen von der zivilrechtlichen Gestaltung im einzelnen aus; ‘sachlich hinreichend gerechtfertigt’ […] ist eine Abweichung jedoch in einem Falle, in dem Steuergesetz die von ihm selbst statuierte Sachgesetzlichkeit aufgibt, nur dann, wenn sie von überzeugenden Gründen getragen ist.“190 – „§ 8 Ziff. 6 GewStG mißachtet die gerade vom Gewerbesteuerrecht selbst aufgegriffene Ordnungsstruktur des Zivilrechts also an einer besonders empfindlichen Stelle […].“191

Das Gericht ist also gerade nicht darauf eingegangen, ob ein Verfassungsrechtssatz existiert, der einer steuerrechtlichen Regelung bzw. Steuerrechtsanwendung entgegensteht, die in ihren Auswirkungen192 mit tragenden materiellen Wertungen des Zivilrechts unvereinbar ist. Unter dem Blickwinkel der Systemgerechtigkeit, die das Bundesverfassungsgericht hier zur Konkretisierung der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes herangezogen hat,193 lässt sich ein entsprechendes Verfassungsgebot schon wegen des erforderlichen Systembruchs innerhalb der Teilrechtsordnung Steuerrecht nicht gewinnen.194 Auf andere mögliche verfassungsrechtliche Grundlagen eines solchen (umfassenderen) Syn189 Treffend Felix, Rechtsordnung, S. 225 f.; L. Osterloh, JuS 1994, 993, 995; Schön, Auslegung, S. 34; vgl. bereits Fuß, JZ 1962, 737, 742 a.E.; Raupach, Durchgriff, S. 8, S. 92 ff. (S. 99). 190 BVerfGE 13, 331, 340. 191 BVerfGE 13, 331, 341. 192 Vgl. hierzu vorläufig Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 395; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 201, auf deren Ansätze sogleich eingegangen wird. 193 Den in der Entscheidung BVerfGE 13, 331, 340 angeführten Begriff der „Sach­ gesetzlichkeit“ verwendet das BVerfG synonym mit Systemgerechtigkeit (näher Peine, Systemgerechtigkeit, S. 32 f.). 194 Bestimmt das Steuerrecht den Gegenstand nicht prinzipiell nach den Rechtsformen des Zivilrechts, bleibt für den vom BVerfG angelegten Prüfungsmaßstab von vornherein kein Raum; siehe auch BVerfGE 24, 174, 180.

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chronisierungsgebots, etwa das Rechtsstaatsprinzip, ist das Gericht in dieser Entscheidung nicht eingegangen. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Entscheidung zudem schwach begründet ist und in ihrem Ergebnis nicht überzeugt.195 Es verwundert daher nicht, dass das Bundesverfassungsgericht in späteren Entscheidungen auf Distanz zu diesem Urteil gegangen ist:196 Zwar hat das Gericht die Entscheidung in der Folgezeit häufig zum verbalen Anknüpfungspunkt seiner Ausführungen gemacht.197 Jedoch ist keiner der späteren Beschwerdeführer mit der Berufung auf ihre Grundsätze durchgedrungen. Inhaltlich dürfte sich das Gericht bereits in der Folgeentscheidung BVerfGE 18, 224 von diesen Grundsätzen verabschiedet haben,198 wenn es formuliert: „Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise läßt sich nicht übersehen, daß es mannigfaltige Typen von juristischen Personen gibt, die unter sich so erhebliche Verschiedenheiten aufweisen, daß u.U. die gemeinsame Eigenschaft als juristische Person zurücktritt. Einzelne Typen nähern sich sogar stärker den Unternehmensformen ohne juristische Persönlich­keit.“199 – „Diese Folge [Bevorzugung der großen anonymen Kapitalgesellschaften gegenüber personenbezogenen Kapitalgesellschaften] macht die Rechtsprechung [des Bundesfinanzhofs] jedoch nicht verfassungswidrig. Sie ergibt sich aus der verschiedenen Struktur der Gesellschaften und der verschiedenen Höhe ihres Kapitals.“200

In einer weiteren Entscheidung (BVerfGE 24, 112) hat sich das Gericht mit der bis einschließlich 1964 geltenden Fassung des § 5 Abs. 1 GewStG (in Verbindung mit § 113 RAO) durch die Finanzgerichte befasst, wonach ein Kommanditist unbeschränkt für Gewerbesteuerschulden einstehen musste. Bezeichnenderweise ließ es diese Auslegung, die Flume in seinem grundlegenden Beitrag angegriffen hatte,201 unbeanstandet, ohne

195 Eingehende Kritik bei Flume, DB 1962, 381, 381 ff.; siehe ferner Degenhart, Sys­ temgerechtigkeit, S. 8 f.; Fuß, JZ 1962, 737, 742 f.; Vangerow, StuW 1962, 437, 440 ff.; a.A. (die Entscheidung gegen die Einwände Flumes verteidigend) aber Barth, DB 1962, 713, 713 ff.; weitere Nachweise bei Raupach, Durchgriff, S. 9 f. 196 Siehe bereits die Analysen bei Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 9 ff.; Peine, Sys­ temgerechtigkeit, S. 36 Fn 47; Prokisch, FS K. Vogel, S. 293, 298 f. 197 Vgl. BVerfGE 30, 59, 63; BVerfGE 25, 309, 313; BVerfGE 24, 112, 117 f.; BVerfGE 21, 6, 10; BVerfGE 18, 224, 232 f. sowie auch BVerfGE 24, 174, 180 (abstrakte Normenkontrolle) und BVerfGE 26, 327, 334 f. 198 Im gleichen Sinne Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 9 f.; L. Osterloh, JuS 1994, 993, 995; Prokisch, FS K. Vogel, S. 293, 298; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 361 f. 199 BVerfGE 18, 224, 234. 200 BVerfGE 18, 224, 235 a.E. 201 Siehe oben bei Fn 176.

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sich inhaltlich mit seinem Ansatz auseinanderzusetzen.202 Das Gericht hat sich im Rahmen seiner Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes nämlich wiederum nur mit der Frage befasst, ob der Durchgriff auf den Kommanditisten als Verletzung der vom Steuergesetzgeber selbst getroffenen Anknüpfungsentscheidung anzusehen war203 – und damit ausgeblendet, dass die unbeschränkte Außenhaftung des Kommanditisten für Gewerbesteuerschulden in wertungsmäßigem Widerspruch zu einem wesentlichen Strukturprinzip des Gesellschaftsrechts stand.204 Genau dies hatte der Beschwerdeführer – offenbar unter Bezugnahme (auch) auf das Rechtsstaatsprinzip – aber gerügt.205 Wenn diese Rechtsprechung206 im Schrifttum so zusammengefasst wird, dass sie eine verfassungsrechtliche Bindung des Steuergesetzgebers an die Ordnungsstruktur des Zivilrechts nur im Ausnahmefall einer besonderen, qualifizierten Anknüpfung an privatrechtliche Institutionen annimmt,207 so ist dies angesichts der ablehnenden Haltung der Folgerechtsprechung zu BVerfGE 13, 331 eher noch zu optimistisch formuliert. Festzuhalten bleibt, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der hier zu untersuchenden prinzipiellen Frage nach wechselseitiger Berücksich-

202 BVerfGE 24, 112, 116 ff. Der Beitrag Flumes wird lediglich beiläufig erwähnt (vgl. S. 118). 203 BVerfGE 24, 112, 117 ff.; siehe auch BVerfGE 24, 174, 180; BVerfGE 21, 6, 9 ff.; BVerfGE 18, 224, 232 ff. sowie BVerfGE 25, 309, 313 f. Hier findet zwar auch der „Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung“ Erwähnung (S. 313), jedoch nur in Bezug auf die Auslegung steuerrechtlicher Begriffe (zur gleichgerichteten damaligen Rechtsprechung des BFH siehe oben bei Fn 96), was im vorliegenden Zusammenhang unergiebig ist. In der Entscheidung BVerfGE 26, 327, 334 ist weitergehend sogar von „Durchbrechung der Einheit der Rechtsordnung“ die Rede; gemeint war aber nur eine Abweichung des Steuerrechts vom Zivilrecht. 204 Wenig überzeugend auch die Begründung der Entscheidung BVerfGE 21, 6, in der das Gericht § 115 RAO (siehe heute § 74 AO) unbeanstandet gelassen hat, soweit er eine Haftung wesentlich beteiligter Gesellschafter für betriebliche Steuerschulden einer Kapitalgesellschaft mit Gegenständen anordnete, die sie der Gesellschaft zur Verfügung gestellt hatten. 205 Der Beschwerdeführer hatte einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 und 3 GG geltend gemacht und dies offenbar u.a. auch darauf gestützt, dass „in verfassungswidriger Weise von der Ordnungsstruktur des Zivilrechts abgewichen“ werde (BVerfGE 24, 112, 116). 206 Sie ist in einer jüngeren Entscheidung erneut beiläufig – ohne dass dies jedoch für die zu entscheidende Rechtsfrage notwendig gewesen wäre – aufgegriffen worden (BVerfG DB 1987, 2287, 2288). Es erstaunt, dass das Gericht keine Notiz von der wenige Jahre zuvor publizierten Monografie Walz' (zu ihr sogleich) genommen zu haben scheint. 207 So Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einf ESt, Anm. 456 a.E.

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tigung grundlegender Wertungen der beiden Teilrechtsordnungen208 nur unzureichend auseinandergesetzt hat,209 so dass seine damalige Rechtsprechung für die vorliegende Fragestellung nicht weiterführend ist. Darüber­hinaus sei schon hier herausgestellt, dass der vom Bundesverfassungsgericht herangezogene allgemeine Gleichheitssatz bereits prin­ zipiell nicht weiterhilft, weil die Frage nach der Rechtfertigung einer gleichheitssatzrelevanten Ungleichbehandlung mehrerer Sachverhalte sowohl einen anderen Bezugspunkt aufweist als auch eine andere Prüfungsstruktur und -intensität erfordert als ein etwaiges (unbedingtes) Gebot, Wertungskongruenzen zwischen Teilrechtsordnungen herzustellen.210

B. Der heutige Meinungsstand I. Ausgangspunkt Sowohl Flume als auch das Bundesverfassungsgericht haben sich lediglich mit der Frage nach der Notwendigkeit einer Berücksichtigung (grundlegender) zivilrechtlicher Prinzipien und Wertungen im Steuerrecht befasst, während die – hier primär interessierende – umgekehrte Fragestellung seinerzeit nicht in die Betrachtungen einbezogen worden ist.211 Dies änderte sich seit Beginn der 80er Jahre durch mehrere grundlegende Arbeiten über das Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht. Sie werden im Folgenden dargestellt und im Anschluss (unter V.) zusam208 Das BVerfG hat auch nur die Frage in den Blick genommen, inwieweit das Steuerrecht an zivilrechtliche Wertungen gebunden ist. Mit der umgekehrten Fragestellung hat es sich nicht beschäftigt; zu ihr näher sogleich. 209 Gleiches gilt für die Entscheidungen des BFH, in denen dieser unter dem Blickwinkel der „Ordnungsfunktion des Zivilrechts“ bzw. der „Durchbrechung der zivilrechtlichen Ordnung“ auf das Urteil BVerfGE 13, 331 Bezug genommen hat. Eine Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG mit gleichem Ausgangspunkt wie das BVerfG wird in der Entscheidung BFH BStBl. III 1965, 19, 24 ff. vorgenommen; vgl. auch BFH BStBl. III 1963, 69, 71. Eine verfassungsrechtliche Bindung des Steuergesetzgebers an die Strukturen des Zivilrechts verneint BFH BStBl. III 1964, 433, 434; ähnlich BFH BStBl. III 1965, 485, 486 f. Lediglich auf eine begrifflich-formelle Anknüpfung beziehen sich die oben in Fn 96 zitierten Entscheidungen; weitergehend lediglich BFH BStBl. III 1967, 690, 695 a.E. (zum Nominalprinzip). Dagegen hat es der BFH im Verhältnis zum Strafrecht häufig unter Berufung auf die „Einheit der Rechtsordnung“ unternommen, Wertungskongruenz herzustellen; siehe aus dieser Zeit BFH BStBl. II 1972, 623, 624; BFH BStBl. II 1969, 74, 75 f. 210 Einzelheiten in § 4 unter E. 211 Zu den Gründen siehe oben bei Fn 180. Einen umfassenderen Ansatz hatte Anfang der 30er Jahre Liebisch gewählt (siehe oben in Fn 168), der aber in der Nachkriegszeit auf keine nennenswerte Resonanz gestoßen ist.

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menfassend analysiert, um ihre Tragfähigkeit für die hier zu beantwortende Frage auszuloten, inwieweit steuerrechtliche Wertungen geeignet sind, auf das zivilrechtliche Ausgleichssystem Einfluss zu nehmen.

II. Der Ansatz Walz' Walz hat sich in seiner Habilitationsschrift mit der Frage nach der Möglichkeit rationaler steuerrechtsdogmatischer Argumentation und den Bedingungen solcher Möglichkeit im gegenwärtigen Umfeld befasst.212 Er arbeitet im Hauptteil seiner Untersuchung die Elemente eines modernen Steuerstrukturmodells heraus,213 das er am Beispiel des Mitunternehmerbegriffs demonstriert.214 In diesem Zusammenhang beschäftigt sich Walz auch mit der hier in Rede stehenden Frage nach wechselseitiger Berücksichtigung von Prinzipien der Teilrechtsordnungen Steuerrecht und Zivilrecht.215 Im Folgenden wird der Inhalt seiner Untersuchung referiert, soweit er für diese Fragestellung von Relevanz ist. Walz widmet sich zunächst den historischen, politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Prämissen des überkommenen Steuerstrukturmodells,216 wobei er besonderen Wert auf die historische Fundierung seiner Untersuchung legt.217 Über eine Analyse der strukturellen Zusammenhänge von moderner Staatsentwicklung, bürgerlicher Freiheitsidee und Steuerwesen gelangt Walz zu der Folgerung, dass „für ein konsequent liberales Staats- und Gesellschaftsdenken die Steuerpflicht als notwendiges Korrelat einer privatautonomen Rechtssubjektivität erscheinen“ müsse.218 Die durch das Zivilrecht ermöglichte rechtsgeschäftliche Autonomie des Einzelnen als Rechtssubjekt setze nämlich einen Bürgerstaat voraus, der über die rechtlichen Grenzen individueller Willkür wache und dadurch erst Freiheit ermögliche.219 Um diese Freiheit nicht durch eigene wirtschaftliche 212 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 1 ff. (S. 7 f.). 213 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 136 ff. mit S. 101 ff. (S. 134 f.). 214 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 251 ff. Er beschäftigt sich ferner mit der Frage, wie das Steuerrecht mit vertragsrechtlich vorstrukturierten Sachverhalten umzugehen hat (S. 211 ff.). Diese Problemstellung ist im vorliegenden Zusammenhang lediglich mittelbar von Bedeutung; näher unten V. und VI. 215 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199 ff. 216 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 17 ff. 217 Zu den Gründen siehe Walz, Steuergerechtigkeit, S. 6 ff., S. 19, S. 21; vgl. dazu – kritisch – Lang, Bemessungsgrundlage, S. 15 ff. 218 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 36. Rechtsfähigkeit und Steuerpflicht sieht er als „Ober- und Unterseite derselben Medaille“ an. 219 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 35 f.

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Betätigung zu untergraben, sei der Staat auf Geldbeträge seiner Bürger angewiesen.220 Als geschichtlichen Motor sowohl des heutigen Steuerwesens als auch für die Ausformung des modernen Zivilrechts sieht Walz dementsprechend das bürgerlich-kapitalistische Interesse an einer freien Wirtschaftsgesellschaft an.221 Die Ausformung der verfassungsrechtlichen Strukturen der neuzeitlichen öffentlichen Gewalt, die Entfaltung des Zivilrechts und die Entwicklung des modernen Steuerrechts fasst Walz als interdependente Elemente eines einheitlichen politökonomischen und rechtsgeschichtlichen Prozesses auf.222 Allerdings habe das überkommene rechtsstaatlich-liberale Steuerstrukturmodell durch den Übergang zum gruppenpluralistischen Lenkungs- und Leistungsstaat und die daraus resultierende Indienstnahme des Steuerrechts als Instrument interventionistischer Wirtschaftspolitik einen Funktionsverlust erlitten.223 Die hierdurch erforderlich gewordene Rekonstruktion dieses Steuerstrukturmodells könne nicht losgelöst von der strukturgeschichtlichen Parallele im Bereich des Zivilrechts, das eine ähnliche Entwicklung durchgemacht habe, vonstatten gehen.224 Auf diese Ausführungen aufbauend unternimmt es Walz, einen modernen, an die neue finanzpolitische Lage angepassten steuerrechtsdogmatischen Bezugsrahmen zu konstruieren.225 Als Einzelelemente dieses Steuerstrukturmodells arbeitet er heraus: die Bindung an Gesetz und Recht, das Leistungsfähigkeitsprinzip, das Redistributionspostulat, den Grundsatz steuerverwaltungsökonomischer Praktikabilität, den Grundsatz des einheitlichen wirtschaftsrechtlichen ordre public und (unter Umständen) strukturpolitische Zielsetzungen.226 Im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse ist der von Walz vertretene „Grundsatz 220 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 36; siehe auch S. 39: Die Steuer als staatliche Einrichtung habe die Aufgabe, die Freiheit des Bürgers zu schützen und möglich zu machen. In diesem Postulat finde sie nunmehr ihre Rechtfertigung und quantitative Grenze. 221 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 41; zum engen Zusammenhang mit der Parlamentskompetenz und deren Folgen siehe S. 37 ff. (S. 40 f.). 222 So zusammenfassend Walz, Steuergerechtigkeit, S. 134. 223 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 91 ff., S. 101 ff. 224 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 134 f. mit S. 124 ff. (S. 129 ff). Näher zu dieser von Walz aus dem „Postulat der Einheit des wirtschaftsrechtlichen ordre public“ abgeleiteten Verknüpfung von Steuerrecht und Privatrecht sogleich. 225 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 136 ff. mit S. 101 ff. (S. 134 f.). 226 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 136 ff. Die hier in Bezug genommene Aufzählung findet sich auf S. 365 a.E.; zu weiteren wichtigen Folgerungen der Untersuchung Walz' siehe S. 154 (Notwendigkeit rechtsanwendungspolitischer Zurückhaltung), S. 156 f. (lediglich Anpassung, nicht aber Ersetzung des überkommenen Strukturmodells) sowie S. 168 (zum Leistungsfähigkeitsprinzip und zur Analogie).

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der Einheit des wirtschaftsrechtlichen ordre public“, den er primär als die Autonomie des Steuerrechts begrenzendes Moment versteht227 und dessen Geltung er wie folgt begründet: Das Steuerrecht verfasse ge­ meinsam mit anderen Teilrechtsordnungen eine bestimmte historisch gewachsene Wirklichkeit rechtlich, und gewisse politische, staats­ wirtschaftliche, gesellschaftliche und in deren Gefolge rechtliche Entwicklungen machten in bestimmten Problembereichen eine in sich widerspruchslose Wertung erforderlich.228 Seitdem das Steuerrecht ganz bewusst zur Sozial-, Konjunktur- und Strukturpolitik eingesetzt werde, sei es zu einem Teil der Wirtschaftsrechtsordnung geworden, so dass „Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht und Steuerrecht ihre wechselseitigen Auswirkungen aufeinander in Rechnung stellen und Wertwidersprüche dort, wo sie rechtlich nicht hinnehmbar sind, auflösen müssen.“229 Walz lehnt es ab, hierfür auf einen Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zurückzugreifen.230 Unter dem Eindruck der wenig überzeugenden Verwendung dieses Begriffs durch die damalige Rechtsprechung231 bezeichnet Walz ihn als „abstrakte Leerformel“, die etwas vortäusche, „was es nicht gibt: die volle Interdependenz aller Rechtssätze.“232 Es fehlten insbesondere Kriterien dafür, wann Begriffe und Wertungen einer anderen Teilrechtsordnung rezipiert werden sollten und wann Pos­ tulate spezifisch steuerrechtlicher Rationalität eigenständige Wertungen erforderten.233 Vielmehr legt Walz den soeben angesprochenen Grundsatz der Einheit des wirtschaftsrechtlichen ordre public zugrunde, wobei mit ordre public „der unantastbare Teil der verschiedenen nebeneinanderstehenden Teilrechtsordnungen herausgehoben [wird], der durch Imperative je anderer Teilrechtsordnungen nicht angetastet werden soll.“234 Der Begriff „wirtschaftlich“ soll die Anknüpfung des materiellen Steuerrechts an den Markt und seine Abhängigkeit von der dezentralen Marktwirtschaft zum 227 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199 ff. (S. 200 f.); siehe bereits S. 128 a.E., S. 134, S. 161. An anderer Stelle ist von einem „gemeinsamen ordre public von Steuerrecht und Privatrecht“ die Rede (Walz, ZHR 147 (1983), 281, 300 ff.); zustimmend Raupach, FS Tipke, S. 105, 113; H.P. Westermann, FS Goerdeler, S. 697, 709 und 712. 228 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 200; siehe auch dens., StuW 1984, 170, 173. 229 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 200; siehe auch dens., StuW 1984, 170, 173. 230 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199; ebenso ders., StuW 1984, 170, 172 f. 231 Deutlich Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199, S. 208 f. und S. 216 f.; näher zu dieser Rechtsprechung oben bei Fn 96 und in Fn 203. 232 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199; siehe auch dens., StuW 1984, 170, 172 f. 233 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199. 234 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 200 a.E.; siehe auch dens., StuW 1984, 170, 173.

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Ausdruck bringen.235 „Die Interdependenz aller Marktvorgänge verfassenden Teilrechtsordnungen zwingt gerade in diesem Bereich rechtlicher Regelung zu marktfunktionsbedingten Wertungskongruenzen.“236 Der Grundsatz der Einheit des wirtschaftsrechtlichen ordre public gebe die Grenzen eigenständiger steuerrechtlicher Wertung gegenüber zentralen Wertungen nebengeordneter Teilrechtsordnungen an und sei als Korrektiv zur Begrenzung steuerrechtsdogmatischer Konstruktionen zu verstehen.237 Wie weit eine an sich gebotene steuerrechtliche Wertung gegebenenfalls zurückzutreten habe, sei eine Frage offener rechtsdogmatischer Konsensbildung.238 Nicht von dem soeben beschriebenen Grundsatz erfasst­sei demgegenüber die Verklammerung von Steuerrecht und Verfassungsrecht, da er sich nur auf die gegenseitige Begrenzung neben­ geordneter Teilrechtsordnungen beziehe, während die Wertungen des Grundgesetzes den Teilrechtsordnungen vorgeordnet seien.239 Was speziell das Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht angeht, betont Walz, dass beide Rechtsgebiete über die Funktionserfordernisse einer dezentralen, durch private Rechtsgeschäfte in Gang gehaltenen Marktwirtschaft miteinander verbunden seien: „Das Privatrecht stellt den organisatorischen Rahmen und die rechtlichen Instrumente für den Marktverkehr zur Verfügung, das Steuerrecht knüpft an seine Ergebnisse an und besteuert den Erfolg.“240 Der Grundsatz der Einheit des wirtschaftsrechtlichen ordre public beanspruche hier insbesondere dann Geltung, wenn die Gefahr besteht, dass grundlegende Ordnungsintentionen und Gerechtigkeitsanliegen des Zivilrechts außer Kraft gesetzt oder unterlaufen werden; dies gelte sowohl auf der Ebene der Gesetzgebung wie bei der Steuerrechtsanwendung.241 Ferner soll das Steuerrecht so gehandhabt werden, dass die Wahl von Geschäfts-, Organisations- und Finanzie235 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 200 f. 236 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 201. 237 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 201. Dies gelte allgemein für das Verhältnis nebeneinander stehender Teilrechtsordnungen: Der unantastbare Teil der jeweiligen Teilrechtsordnung dürfe durch Wertungen anderer Teilrechtsordnungen nicht unterlaufen werden (ders., StuW 1984, 170, 173). 238 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 201. Walz geht sodann exemplarisch auf eine Fragestellung aus diesem Problemkreis ein, nämlich das Verhältnis von materiellem Steuerrecht und Sittenordnung (S. 202 ff.). 239 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 201. 240 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 209. 241 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 209 f. Beispielhaft führt Walz auf: Parteienschutz, Verkehrsschutz, Schwächeren- und Minderheitenschutz, Institutionen- und Funktionsschutz (S. 210 a.E.). Die entsprechenden Ordnungsintentionen müssten aus dem Ordnungsbezug des Zivilrechts und den Folgen für den privatrechtlich verfassten Wirklichkeitsausschnitt konkret begründbar sein (S. 209).

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rungsformen möglichst unbeeinflusst bleibt und die (im Zivilrecht gewährleistete) agonale Spontaneität des Marktes grundsätzlich so wenig wie möglich beeinträchtigt wird.242

III. Der Ansatz Kollers In seiner – von den Ausführungen Walz' inspirierten243 – Arbeit hat Koller die zahlreichen Überschneidungsbereiche von Steuerrecht und Zivilrecht untersucht und einen Ansatz zur rechtlichen Bewältigung der dadurch hervorgerufenen Wechselwirkungen entwickelt.244 Koller arbeitet (in Anlehnung in Walz) heraus, dass Zivilrecht und Steuerrecht den gleichen Bezugspunkt haben, weil sie an dieselben wirtschaftlichen Vorgänge anknüpfen:245 Das Zivilrecht bilde in einer Gesellschaftsordnung, die auf einer freiheitlich-liberalen Wirtschaftsverfassung aufbaue, die Organisationsgrundlage zur rechtlichen Ausgestaltung nahezu sämtlicher wirtschaftlicher Vorgänge; es sei Wirtschaftsorganisationsrecht.246 In gleichem Maße, wie es dem Staat in diesem marktwirtschaftlichen Sys­ tem versagt sei, eigene Ertrag bringende Wirtschaftstätigkeiten zu entfalten, sei er für die Erfüllung seiner Aufgaben auf die Ergebnisse ebendieser Privatwirtschaft angewiesen.247 Das Steuerrecht stelle die rechtlich ausgestaltete Form dar, mit deren Hilfe diese Mittel beschafft würden, so dass das Steuerrecht – ebenso wie das Zivilrecht – seine große Bedeutung erst im primär privatwirtschaftlich organisierten Staat entfalte.248 Das Steuerrecht müsse daher im modernen Staat an die wirtschaftlichen Ergebnisse des Rechtsverkehrs anknüpfen, der vom Zivilrecht seinen organisatorischen Rahmen erhalte.249 In den hieraus resultierenden vielfältigen Wechselwirkungen zwischen beiden Teilrechtsordnungen erblickt Koller ein Koordinationsproblem zwischen der Ebene der zivilrechtlichen Organisation und der Ebene der Besteuerung.250 Diese Koordination müsse gesamtheitlich erfolgen; „Ein242 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 210. 243 Siehe Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 30 f. 244 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 18 ff., S. 34 ff. sowie S. 83 ff. (zum Verhältnis von Privatautonomie und steuerrechtlichem Gleichbehandlungsgebot) und S. 97 ff. (zu den einzelnen Überschneidungsbereichen); vgl. bereits oben in § 1. 245 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 34 ff.; ebenso ders., ZBJV 131 (1995), 92, 96 ff. 246 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 34 f. 247 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 35 a.E. 248 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 36 f. 249 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 38. 250 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 42; ebenso ders., ZBJV 131 (1995), 92, 100.

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bahnlösungen“ im Sinne einer einseitigen Anpassung des einen Rechtsgebiets an das andere genügten nicht.251 Die Lösung dieses Koordinationsproblems habe an der Frage anzusetzen, wie zivilrechtliche und steuerrechtliche Folgen umfassend und sachgerecht aufeinander abgestimmt werden könnten.252 Das oberste Koordinationsziel müsse darin bestehen, Wertungsdisparitäten auszuschalten und Wertungskongruenz zwischen beiden Rechtsgebieten herzustellen.253 In Anlehnung an Walz stützt Koller diese Forderung nach Wertungskongruenz zwischen Zivilrecht und Steuerrecht auf einen „diesen beiden Teilrechtsgebieten übergeordneten gemeinsamen wirtschaftlichen ordre public“ als „gemeinsamen Anknüpfungspunkt beider rechtlichen Subsysteme in der dezentral organisierten Wirtschaft“.254 Wertungsdisparitäten sieht er als rechtlich und ökonomisch ineffizient und daher nicht auf Dauer hinnehmbar an.255 Der Begründung der Forderung nach Wertungskongruenz über die „Idealvorstellung von der ‘Einheit der Rechtsordnung’“ durch Flume steht Koller dagegen skeptisch gegenüber. Diese Vorstellung sei eher begrifflichformaler Natur und bleibe weitgehend eine abstrakte Leerformel.256 Koller arbeitet sodann die wichtigsten Wertungen von Zivil- und Steuerrecht heraus.257 Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Wertungen betont er, dass es ebenso wenig innerhalb einer Teilrechtsordnung allgemeingültige und immerwährende Werthierarchien gäbe wie im Verhältnis der Wertungselemente beider Teilrechtsordnungen zueinander.258 Es lasse sich auch nicht abstrakt festlegen, wie das weite Spannungsfeld der verschiedenen privatrechtlichen und steuerrechtlichen Wertungen zu überbrücken sei; vielmehr müsse dies in jedem konkreten Problemkreis für sich sachbezogen und ergebnisorientiert erfolgen.259

251 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 42 a.E.; ebenso ders., ZBJV 131 (1995), 92, 100. 252 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 43; ebenso ders., ZBJV 131 (1995), 92, 100. 253 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 44; ebenso ders., ZBJV 131 (1995), 92, 100 f. 254 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 44 f. unter Hinweis speziell auf Walz, ZHR 147 (1983), 281, 301 ff. In anderem Zusammenhang bezeichnet er den „(wirtschaftlichen) ‘ordre public’“ als Gesamtbegriff, der gewisse grundlegende Ordnungsvorstellungen zusammenfasst, denen eine Teilrechtsordnung (hier: die Privatrechtsordnung) folgt (S. 58). 255 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 45; ebenso ders., ZBJV 131 (1995), 92, 101. 256 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 44 a.E. unter Hinweis auf Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199. 257 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 50 ff. 258 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 80 und S. 83. 259 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 94 (siehe auch S. 92, S. 99); vgl. dens., ZBJV 131 (1995), 92, 102 („problembezogen-fallorientiert“).

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Mit Blick insbesondere auf zivilrechtliche Wertungsgesichtspunkte betont Koller in enger Anlehnung an Flume und Walz, dass das Steuerrecht nicht zu Ergebnissen führen dürfe, die in ihren Auswirkungen grundlegende zivilrechtliche Ordnungsstrukturen unterlaufen;260 diese seien vom Steuerrecht in Gesetzgebung und Rechtsanwendung zu berücksichtigen.261 Denn für eine Rechtsordnung, die diese Bezeichnung verdiene, seien grundlegende Widersprüche zwischen zwei gleichrangigen Teilrechtsgebieten unhaltbar.262 „Je imperativer ein Leitbild im Zivilrecht Geltung beansprucht, je fundamentaler ein Institut für die Privatrechtsordnung ist, je klarer und deutlicher eine zivilrechtliche Rechtsfigur in Gesetzgebung und Rechtsprechung durchgebildet wurde und je weniger Gestaltungsspielraum sie den Beteiligten lässt, desto mehr hat das Steuerrecht dem Privatrecht Rechnung zu tragen.“263 Das Steuerrecht müsse auch versuchen, unerwünschte „Immissionen“ auf die Wahl Privater zwischen verschiedenen vergleichbaren Zivilrechtsinstituten zu verhindern.264 Aus dem zunehmenden Ausbau der Sozialbindungen des Zivilrechts durch Gesetzgebung und Rechtsprechung leitet Koller die „allgemeine Tendenz“ ab, „dass das Steuerrecht dem Privatrecht gegenüber nicht mehr grundsätzlich so skeptisch zu sein braucht wie früher.“265 Abschließend zeigt Koller anhand von Beispielen aus dem Schweizer Recht Leitlinien für eine sachgerechte Berücksichtigung privatrechtlicher Wertungen im Steuerrecht auf.266

260 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 395; ebenso ders., ZBJV 131 (1995), 92, 102. Wie Flume betont auch Koller, aaO, S. 447 f., dass es hierbei nicht um einen begrifflich-formalen Vorrang gehe, sondern die Fragestellung materiell-wertender Natur sei. Welchen zivilrechtlichen Wertungen das Steuerrecht Rechnung zu tragen habe, sei durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (S. 449). 261 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 407. 262 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 395; ebenso ders., ZBJV 131 (1995), 92, 102. 263 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 396. 264 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 396. Koller widmet sich sodann im Schwerpunkt dem Umgang des Steuerrechts mit zivilrechtlichen Gestaltungen (zur lediglich mittelbaren Relevanz dieses Aspekts für die vorliegende Problemstellung siehe unten V). Je weniger Bindewirkungen ein zivilrechtliches Institut entfalte und je größer die Gestaltungsfreiheit sei, desto mehr steuergerechtigkeitsbezogene Skepsis sei erforderlich (S. 396 und S. 402). Gleiches gelte, wenn ein echter Interessengegensatz fehle (S. 403). 265 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 398 ff. (S. 406, Hervorhebung dort). Dieser Gedanke dürfte durch Crezelius (zu seinem Ansatz sogleich) inspiriert worden sein. 266 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 411 ff.

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IV. Der Ansatz Crezelius' In den vorliegenden Zusammenhang gehört auch die Arbeit Crezelius', der sich ebenfalls dem Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht auf der Grundlage moderner Anschauungen widmet, jedoch einen völlig anderen Ansatz als Walz und Koller entwickelt: Crezelius hat es unternommen, mittels einer umfangreichen Zusammenstellung und Analyse der Rechtsprechung die Methode des Rechtsanwendungsprozesses im Steuerrecht herauszuarbeiten.267 Hierauf aufbauend formuliert er Grundlinien einer steuerlichen Rechtsanwendungslehre, die er beispielhaft auf mehrere Fallkonstellationen anwendet.268 Einen Kernbestandteil seiner Ausführungen bildet das Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht.269 Mit Blick primär auf die Rechtsprechung zur Auslegung von steuerlichen Begriffe, die an das Zivilrecht anknüpfen, sowie zur Frage nach steuerlicher Anerkennung zivilrechtlicher Gestaltungen kritisiert er die „Beliebigkeit“ der gefundenen Ergebnisse und ihrer Begründungen, namentlich die seiner Ansicht nach häufig einseitige fiskalische Orientierung der Rechtsprechung, die pauschale Bezugnahme auf nicht näher definierte steuerrechtliche Gerechtigkeitspostulate sowie auf den angeblich spezifischen Sinn und Zweck der Steuergesetze und die Vernachlässigung und Überspielung der zivilrechtlichen Situation.270 Crezelius widmet sich sodann einer eigenen Ableitung des Verhältnisses von Zivilrecht und Steuerrecht, das er auf unterverfassungsrechtlicher Ebene verortet.271 Im Ausgangspunkt ganz ähnlich wie Walz und später auch Koller betont Crezelius den „unauflöslichen Zusammenhang“ zwischen Besteuerung und individualistischer Verkehrswirtschaft.272 Sowohl der fiskalische Steuerbegriff als Idealtypus der Verkehrswirtschaft als auch das Zivilrecht, namentlich die Vertragsfreiheit, seien auf die Grundpositionen des Liberalismus zurückzuführen.273 Crezelius gelangt jedoch zu gänzlich anderen Folgerungen als Walz und Koller: Er leitet aus 267 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 43 ff., S. 79 ff. 268 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 265 ff., S. 368 ff. 269 Crezelius, Rechtsanwendung, passim, insbesondere S. 178 ff., S. 242 ff., S. 295 ff. 270 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 185 ff., S. 232 ff. (S. 242 ff.). 271 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 265 ff. 272 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 280 ff. (S. 282); siehe auch S. 303 ff. 273 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 283 ff. (S. 298). Daran, dass die Fiskalsteuer der klassische Besteuerungstyp der Verkehrswirtschaft sei, ändere auch die große Zahl steuerlicher Interventionsnormen in neuerer Zeit nichts (S. 291 f.). Die spezifischen Rechtsanwendungsprobleme, die Crezelius bei seiner Rechtsprechungsanalyse herausgearbeitet hat, entstünden im Übrigen auch nur bei fiskalischen Steuertatbeständen (S. 292).

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diesem Befund die grundsätzliche Maßgeblichkeit der Vertragsfreiheit als liberaler Grundposition des Zivilrechts für die Anwendung der Steuergesetze ab; der Steuerrechtsanwender274 habe nicht die Kompetenz, die „Grundsatzentscheidung zugunsten des Wirtschaftsliberalismus“ – und damit zugunsten der Gestaltungsfreiheit – aus fiskalischen Gründen unter Berufung auf eine angebliche Eigenständigkeit des Steuerrechts zu untergraben.275 Die erforderliche Selbstregulierungsfunktion der Privatautonomie sei gewährleistet, da Zivilrechtsgesetzgebung und -rechtsprechung dort korrigierend eingriffen, wo in den Fällen gestörter Privatautonomie Realität und liberales Zivilrechtsideal auseinanderdrifteten.276 Eine den Stellenwert des Steuerrechts in der Rechtsordnung erkennende Rechtsanwendung müsse daher die gewählte Gestaltung anerkennen und hinnehmen, wenn sich die Beteiligten im Rahmen der vom Zivilrecht gewährten Privatautonomie hielten.277 Solange kein Fall gestörter Privatautonomie vorliege, komme dem Zivilrecht im Verhältnis zum Steuerrecht die Führungsrolle zu.278 Dies gelte nicht nur dort, wo das Steuerrecht unmittelbar an zivilrechtliche Begriffe anknüpfe, sondern auch bei steuerrechtlichen Eigenbegriffen: Die ihnen vorgegebenen zivilrechtlich gestalteten Sachverhalte seien „dem Zivilrecht zu subsu­ mieren.“279 In radikal-positivistischer Diktion lässt Crezelius bei der Rechtsanwendung konsequenterweise keinerlei Spielraum für eigen-

274 Anderes gelte für den Steuergesetzgeber. Dieser sei befugt, die grundsätzliche Pa­ rallelität von Zivilrechtsordnung und liberaler Steuerordnung zu durchbrechen (Crezelius, Rechtsanwendung, S. 311, S. 331 und S. 357 sowie bereits S. 292 und S. 309). 275 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 298 ff. (S. 300). Auf S. 309 a.E. heißt es zusammenfassend: „Die Eigenart des (besonderen) Steuerrechts ist also seine Bindung an die zivilrechtliche Wertordnung aufgrund einer im Steuerrecht einer Verkehrsgesellschaft zeitlich vorgeschalteten Zivilrechtsgestaltung, an welche die Besteuerung anknüpfen muß.“ 276 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 327 ff. mit S. 317 ff. Diese Entwicklung habe das Steuerrecht noch nicht zur Kenntnis genommen; es gehe von einer unbeschränkten und unbeschränkbaren Privatautonomie aus (S. 330 f.). 277 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 331. Auf S. 332 f. heißt es: „Wer ohne Feststellung einer tatsächlich gestörten Privatautonomie durch den topos von der Eigenständigkeit des Steuerrechts eine Ungleichgewichtslage vermutet, der führt diese durch den außerzivilrechtlichen Eingriff in die Privatautonomie selbst herbei.“ 278 Crezelius, Rechtsanwendung, S. 330 ff. (S. 334); siehe bereits S. 309 (grundsätzliche Maßgeblichkeit des Zivilrechts und seiner Wertungsgesichtspunkte), S. 311 (zivilrechtsakzessorische Steuerrechtsanwendung) sowie S. 357 („nicht dienende, sondern dirigierende Funktion“ des Zivilrechts und der zivilrechtlichen Gestaltungen). 279 So in der Tat Crezelius, Rechtsanwendung, S. 359.

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ständige steuerrechtliche Wertungen und Prinzipien (insbesondere Steuergerechtigkeit und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit).280

V. Würdigung der Ansätze Was zunächst den Ansatz Crezelius' angeht, kann sich auf seiner Grundlage die hier primär interessierende Frage nach wechselseitiger Berücksichtigung von (grundlegenden) Wertungen der Teilrechtsordnungen Zivilrecht und Steuerrecht eigentlich gar nicht stellen. Denn bereits dieser Fragestellung liegt die Vorstellung materiell eigenständiger Teilrechtsordnungen, insbesondere einer autonomen Steuerrechtsdogmatik zugrunde. Sieht man das Steuerrecht dagegen mit Crezelius als bloßes Folgerecht des Zivilrechts an, kann es keine Wertungskonflikte geben, sondern es würde sich stets eine zivilrechtskonforme Lösung durchsetzen. Das hieße ganz konkret, dass steuerrechtliche Wertungsgesichtspunkte einem zivilrechtlichen Ausgleich von Steuerwirkungen von vornherein nicht entgegenstehen oder ihn sonst beeinflussen könnten. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich Crezelius nicht mit der Behandlung von Wertungsdivergenzen befasst. Seine Ausführungen zum Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht beschränken sich vielmehr im Wesentlichen auf zwei – eng miteinander zusammenhängende – Problemfelder, die für die Frage nach wechselseitiger Berücksichtigungsfähigkeit materieller Wertungselemente lediglich mittelbar von Interesse sind: die Auslegung steuerrechtlicher Begriffe und die steuerliche Anerkennung zivilrechtlicher Gestaltungen.281 Crezelius' Feldzug gegen die wirtschaftliche Betrachtungsweise und – fundamentaler – gegen eine eigenständige, vom Zivilrecht losgelöste steuerrechtliche Systematik und Teleologie stellt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Singularität dar.282 Sie steht in der Tradition der Rechtsprechung bis Anfang der 20er Jahre, die eigentlich längst überwunden schien, und geht sowohl über die zivilrechtsfreundliche Recht280 Siehe insbesondere Crezelius, Rechtsanwendung, S. 300 f., S. 335 ff., S. 354 ff., S. 358 ff. sowie bereits S. 234 ff. und S. 251. 281 Näher zum Verhältnis dieser Problemfelder zu der hier relevanten Fragestellung sogleich unter VI. 282 Auch bei Flume ist zwar von einem „Vorrang“ der allgemeinen Rechtsordnung bzw. des Zivilrechts die Rede gewesen (oben bei Fn 173 und 181). Ihm ging es dabei aber gerade nicht um die Leugnung einer eigenständigen steuerrechtlichen Begriffs­bildung und Systematik, sondern allein um die Berücksichtigung grundlegender Wertungen der Zivilrechtsordnung bei Steuergesetzgebung und Steuer­ rechtsanwendung (deutlich Flume, Steuerwesen, S. 18 f. mit Anm. 25); siehe auch oben S. 27.

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sprechung der 50er und 60er Jahre283 als auch über die übrigen positivis­ tisch geprägten Ansätze im neueren Schrifttum284 deutlich hinaus. Dieser radikale Ansatz ist zu Recht auf einhellige Ablehnung gestoßen.285 Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass den Tatbeständen des materiellen Steuerrechts sehr wohl eine eigenständige Systematik und Teleologie mit grundsätzlich autonom auszulegenden Begriffen zugrunde liegt; hieran – und nicht an zivilrechtlichen Parallelkonstrukten – ist der konkrete Fall zu messen.286 Wie Schulze-Osterloh mit Blick auf die von Crezelius angeführten Beispiele überzeugend dargelegt hat, lassen sich die entsprechenden steuerrechtlichen Sachfragen nicht einfach durch Subsumtion unter das Zivilrecht lösen, da beide Teilrechtsordnungen eigenständigen Wertungen folgen und deshalb selbständige steuerrechtsdogmatische Überlegungen möglich und erforderlich sind.287 Zwar bereitet die Bestimmung des Verhältnisses von Steuer- und Zivilrecht in ihren Einzelheiten nach wie vor Schwierigkeiten288 und bestehen auch in dieser Hinsicht vielfältige – auch verfassungsrechtlich relevante – materielle Berührungspunkte.289 An der prinzipiellen Eigenständigkeit des Steuerrechts und seiner Wertungen besteht aber aus heutiger Sicht kein Zweifel.290 Hiermit in engem Zusammenhang steht ein weiterer zentraler Kritikpunkt am Ansatz Crezelius':291 Die im Zusammenhang mit der Privat­ autonomie stehenden und sie begrenzenden Selbstregulierungsmecha283 Zu dieser Rechtsprechung siehe oben bei Fn 95. 284 Nachweise oben in § 2 C II. 285 P. Fischer, StuW 1986, 183, 186; Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 263 f.; Schulze-Osterloh, StuW 1986, 74, 76 ff.; siehe auch Schön, StuW 2005, 247, 253; H.P. Westermann, FS Goerdeler, S. 697, 709 ff. 286 Näher und mit Beispielen Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 154 ff.; ders, StuW 1986, 74, 76 ff.; im gleichen Sinne P. Fischer, StuW 1986, 183, 186; Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 264; H.P. Westermann, FS Goerdeler, S. 697, 710. Crezelius' Kritik an der Rechtsprechung ist allerdings insoweit berechtigt, als hier keine bloßen Begriffshülsen Verwendung finden dürfen, sondern die jeweilige steuerrechtliche Wertung überzeugend aus dem Gesamtzusammenhang herausgearbeitet werden muss (siehe auch H.P. Westermann, aaO). 287 Siehe im Einzelnen Schulze-Osterloh, StuW 1986, 74, 77 ff. 288 Siehe dazu in jüngerer Zeit ausführlich Schön, StuW 2005, 247, 247 ff. sowie die Nachweise in Fn 100 und Fn 101. 289 Ausführlich Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. mit Blick auf die Abhängigkeit der steuerlichen Leistungsfähigkeit von der zivilrechtlichen Ausgangslage. Auf seinen Ansatz, insbesondere das auch bei ihm thematisierte Verhältnis des Leis­ tungsfähigkeitsprinzips zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem (S. 253), wird in § 7 noch ausführlich eingegangen. 290 Siehe die in Fn 288 sowie die oben unter in § 2 C II. in Bezug genommenen Nachweise. 291 Vgl. zum Folgenden auch Verf., JJZ 2011, 69, 89 ff.

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nismen des Zivilrechts, auf deren Effektivität Crezelius maßgeblich abstellen will, betreffen den Interessenausgleich zwischen den beteiligten Privaten (iustitia commutativa), nicht aber die hiervon prinzipiell zu trennenden292 Fragen, welche Rechtsfolgen die gewählte Konstruktion im Verhältnis zum Steuergläubiger hat293 und wie die Steuerlast gerecht auf die Privaten zu verteilen ist (iustitia distributiva).294 Besonders gut deutlich wird dies bei der steuerrechtlichen Bewertung gleichberechtigt ausgehandelter zivilrechtlicher Gestaltungen, die nach dem Willen der beteiligten Privaten (auch) dem Ziel der Steuerersparnis dienen.295 Wegen dieses Interessengleichlaufs kommt eine Störung der Privatautonomie und damit ein entsprechendes Korrekturbedürfnis bei der Zivilrechtsanwendung von vornherein nicht in Betracht,296 so dass auch dann nicht 292 Vgl. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 241 ff. Eine verteilungsgerechte Besteuerungsentscheidung darf zwar die zivilrechtliche Ausgangslage nicht ignorieren (ausführlich Schön, StuW 2005, 247, 249 ff.; siehe auch Crezelius, Rechtsanwendung, S. 348; Walz, ZHR 147 (1983), 281, 301), muss andererseits aber gleich steuerwürdige Sachverhalte unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Einkleidung identisch behandeln; näher sogleich. 293 Bei Walz, Steuergerechtigkeit, S. 244 heißt es treffend: „Die in der zivilrechtlichen Maßstabsnorm, der der Vertrag subsumiert wird, enthaltene privatrechtliche Interessenwertung läßt sich auf die Rechtsbeziehung zwischen Steuerschuldner und Steuergläubiger nicht übertragen“; siehe auch P. Fischer, StuW 1986, 183, 186; H.P. Westermann, FS Goerdeler, S. 697, 710. 294 Vgl. nur Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 308. Im Übrigen stehen die beiden hier genannten Formen der Gerechtigkeit – anders als bei Crezelius, Rechtsanwendung, S. 346 ff. vorausgesetzt – in keinem grundsätzlichen Gegensatz zueinander (vgl. vorläufig Walz, ZHR 147 (1983), 281, 301; Einzelheiten in § 7). Selbst im Falle einer abweichenden steuerlichen Einordnung liegt kein Widerspruch vor, sondern ist schlicht eine andere Ebene betroffen; näher sogleich. Die vertragliche Austauschgerechtigkeit wird im Übrigen auch nur dann gestört, wenn die Parteien die Folgen der Besteuerung unrichtig abgebildet haben (siehe Fn 296). 295 Nicht nachvollziehbar Crezelius, Rechtsanwendung, S. 354, der offenbar davon ausgeht, dass zivilrechtliche Gestaltungen nur deshalb aus einseitig steuerrecht­ lichem Blickwinkel gewählt werden, weil die Praxis eine spezielle steuerrechtliche Qualifikation durchführt. Es ist genau umgekehrt: Legt man die Steuertatbestände mit Crezelius zivilrechtsakzessorisch aus, so erhöht sich der Anreiz zu „Kollusionen zu Lasten des Fiskus“ (siehe nur Raupach, Durchgriff, S. 52 f.; K. Schmidt, in: ders. (Hrsg.), Vielfalt, S. 9, 16; Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 80; Walz, ZHR 147 (1983), 281, 284 und 301; Begriff bei dems, Steuergerechtigkeit, S. 300). Einziges Korrektiv wären nämlich die Grenzen der Privatautonomie. Sind sie eingehalten, bliebe für eine eigenständige steuerrechtliche Prüfung der Gestaltung kein Raum. 296 Vgl. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 240: „Solange das wirtschaftliche Geschäftsergebnis mit den Erwartungen der am Vertrag Beteiligten zusammenfällt […], fehlt typischerweise der Anlaß für eine ziviljuristische Bewertung […].“ Auf einer anderen Ebene (vgl. Crezelius, Rechtsanwendung, S. 331, S. 332 f.) ist die – im Vorfeld der Steuerrechtsanwendung zu prüfende – Frage angesiedelt, ob die Gestaltung

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korrigierend eingegriffen werden könnte, wenn auf Grundlage der für den jeweiligen Besteuerungsbereich vom Gesetzgeber getroffenen Lastenausteilungsentscheidung ein ebenso steuerwürdiger Vorgang gegeben ist.297 Das Selbstregulierungsreservoir des Zivilrechts hat somit einen grundlegend anderen Bezugspunkt; seine Reichweite ist dementsprechend begrenzt.298 Welche steuerlichen Folgen die Gestaltung hat, insbesondere ob die von den Parteien angestrebte Steuerfolge tatsächlich eintritt, muss auf einer anderen, der zivilrechtlichen Bewertung nachgelagerten Ebene beantwortet werden.299 Dies kann nur durch die Auslegung der jeweils einschlägigen Steuertatbestände bzw. über andere steuerrechtliche Korrektive wie insbesondere § 42 AO geschehen.300 Gesteht man dem Steuerrecht also – mit der heute einhelligen Auffassung – den Charakter einer grundsätzlich autonomen Teilrechtsordnung zu, so gelangt man zu der insbesondere von Walz und Koller beleuchteten Frage nach den Grenzen der Autonomie der Teilrechtsordnungen Zivilrecht und Steuerrecht. Zu untersuchen ist daher die Tragfähigkeit ihauch tatsächlich gewollt und zivilrechtlich richtig qualifiziert ist (siehe dazu – mit unterschiedlichen Ansätzen – z.B. Walz, ZHR 147 (1983), 281, 281 ff. (299 ff.); dens., Steuergerechtigkeit, S. 235 ff.; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 143 ff.). Ein echter Interessenwiderstreit, der möglicherweise über Mechanismen des Zivilrechts auszugleichen ist, entsteht erst dann, wenn die zivilrechtliche Qualifikation zur Folge hat, dass das gewollte steuerliche Ergebnis nicht eintritt, oder wenn die Gestaltung zwar von den Parteien zivilrechtlich richtig eingeordnet wurde, die steuerlichen Folgen aber dennoch – aufgrund spezifisch steuerrechtlicher Wertungen – nicht eintreten (vgl. dazu Schön, StuW 2005, 247, 253; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 152; Walz, ZHR 147 (1983), 281, 302 a.E.). 297 Vgl. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 308; P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 324; Walz, ZHR 147 (1983), 281, 301 ff. 298 Vgl. etwa Walz, Steuergerechtigkeit, S. 221: „Bürgerlich-rechtlich ist jedoch das Geschäftsergebnis, an das das Steuerrecht anknüpft, nur ausnahmsweise von Bedeutung, und wenn, dann in einem spezifisch bürgerlich-rechtlichen Interessenzusammenhang“; siehe ferner S. 299 ff. und (auf Walz Bezug nehmend) Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 258 f. sowie S. 403. 299 Treffend Walz, ZHR 147 (1983), 281, 287; ders., Steuergerechtigkeit, S. 241: „Anders als bei der zivilrechtlichen Qualifikation vertraglicher Ansprüche geht es im Steuerrecht nicht um die in der Auswahl der sachgerechten causa angelegte Einbindung des privatautonomen Willens in privatrechtliche Schutzzusammenhänge“; siehe auch etwa BVerfG BStBl. II 1992, 212, 213 f.; P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 324 f. 300 Vgl. nur Walz, Steuergerechtigkeit, S. 236 (mit einem Vorschlag zur Vorgehensweise auf S. 241 ff.). Über die hier genannten Kritikpunkte an dem Ansatz Crezelius' hinaus ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die von ihm zugrunde gelegte strikte Grenzziehung zwischen Steuergesetzgebung und Steuerrechtsanwendung nicht überzeugt; näher Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 263 f.

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rer Ansätze mit Blick auf die Frage, ob und inwieweit steuerrechtliche Wertungen geeignet sind, das zivilrechtliche Ausgleichssystem zu be­ einflussen. Hatte Flume noch – umgekehrt – die Begrenzung der Autonomie des Steuerrechts durch grundlegende Wertungen der „allgemeinen Rechtsordnung“ im Auge, so formuliert Walz deutlich offener. Zwar geht es auch ihm – bedingt durch seinen Untersuchungsgegenstand – in erster Linie um die Auslotung der Grenzen der Teilrechtsordnung Steuerrecht.301 Jedoch ist der von ihm als Bestandteil der Rechtsordnung angesehene „Grundsatz der Einheit des wirtschaftsrechtlichen ordre public“ auf die wechselseitige Berücksichtigung grundlegender Wertungen angelegt,302 würde also die Autonomie auch des Zivilrechts im Falle vorrangiger steuerrechtlicher Wertungen begrenzen. Koller legt zwar ebenfalls einen Schwerpunkt auf den Einfluss der Ordnungsstrukturen des Zivilrechts auf das Steuerrecht,303 betont aber am stärksten, dass die Wertungen beider Teilrechtsordnungen für die Lösung der konkreten Rechtsfrage in Rechnung zu stellen und abzuwägen sind.304 Der von beiden Autoren vertretene Grundsatz des einheitlichen wirtschaftsrechtlichen bzw. wirtschaftlichen ordre public könnte somit als Grundlage für eine Zurückdrängung oder auch Indienstnahme des zivilrechtlichen Ausgleichssystems durch Wertungen des Steuerrechts fungieren. Ein solches Strukturprinzip erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen aus mehreren Gründen als nicht überzeugend begründbar. Zunächst reicht dieser Grundsatz inhaltlich nicht weit genug. Macht man nämlich mit dem Adjektiv „wirtschaftsrechtlich“ bzw. „wirtschaftlich“ ernst, so kann er nur „marktfunktionsbedingte Wertungskon­ gruenzen“305 gewährleisten. Konsequenterweise müssten solche Prinzipien und Gerechtigkeitsvorstellungen der Rechtsordnung, die keinen Marktfunktionsbezug haben, außerhalb dieses Grundsatzes liegen. Das überzeugt nicht: Es ist zwar richtig, dass das Steuerwesen heutiger Prägung im Kern die Folge des liberal-marktwirtschaftlichen Systems ist. Dies kann aber nicht zugleich bedeuten, dass Wertungselemente, die nicht wirtschaftsbezogen sind, bedeutungslos wären, denn sie können 301 Vgl. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199 ff., S. 208 ff. 302 Siehe z.B. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 200 („wechselseitige Auswirkungen“) und S. 201 („gegenseitige Begrenzung“); besonders deutlich – jedoch ohne Verwendung des Adjektivs „wirtschaftsrechtlich“ – ders., StuW 1984, 170, 173; vgl. auch dens., ZHR 147 (1983), 281, 300 ff. 303 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 394 ff. 304 Siehe insbesondere Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 41 ff.; speziell zu der hier zu untersuchenden Fragestellung siehe S. 114 ff. 305 So Walz, Steuergerechtigkeit, S. 200 f.; diesen Begriff übernehmend Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 45.

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der Ausdruck wenigstens ebenso grundlegender Gerechtigkeitsanliegen sein. Der Sache nach erkennt Walz dies auch an, wenn er strafrechtliche Wertungen berücksichtigt, ohne sie auf ihren Marktfunktionsbezug hin zu überprüfen,306 und in späteren Publikationen das Wort „wirtschaftsrechtlich“ nicht mehr im Zusammenhang mit dem Begriff „ordre public“ verwendet.307 In noch stärkerem Maße gilt dies für Koller, wenn er sich (ohne Einschränkung) dafür ausspricht, „Wertungsdisparitäten zwischen Steuerrecht und Zivilrecht auszuschalten“, und es als „höchstes Koordinationsziel“ ansieht, Wertungswidersprüche in der Gesamtrechtsordnung zu vermeiden.308 Mit den soeben zitierten Ausführungen Kollers hängt ein weiterer Kritikpunkt zusammen, der die Bezeichnung „ordre public“ betrifft: Dieser wird gemeinhin – die Parallele zum internationalen Privatrecht liegt auf der Hand309 – nur dann als betroffen angesehen, wenn die jeweilige Rechtsanwendung den materiellen Kernbestand der durch sie beeinträchtigten (Teil-)Rechtsordnung antastete.310 Zumindest von Walz wird er ganz offensichtlich auch in dieser Weise verstanden.311 Wenn man mit Koller jedoch eine „umfassende und sachgerechte“ Abstimmung der im Einzelfall einschlägigen Wertungselemente erreichen will,312 ist der Begriff „ordre public“ zu eng und damit irreführend.313 Dagegen könnten nach Walz Wertungen, die eine (hoch anzusiedelnde) Relevanzschwelle

306 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 205. 307 Walz, StuW 1984, 170, 173 f.; ders., ZHR 147 (1983), 281, 300 ff. 308 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 44 f. Dementsprechend berücksichtigt er bei dieser Koordination beispielsweise Ordnungsstrukturen des Schweizer Familienrechts, die nicht unbedingt von marktfunktioneller Bedeutung sind (vgl. S. 411 ff.). 309 Vgl. in diesem Zusammenhang Raupach, FS Tipke, S. 105, 113; H.P. Westermann, FS Goerdeler, S. 697, 709 sowie auch Walz, StuW 1984, 170, 173 Fn 18 selbst. 310 Vgl. mit Blick auf Art. 6 Satz 1 EGBGB nur Palandt/Thorn, BGB, Art. 6 EGBGB Rn. 4; v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. I, § 7 Rn. 259; Kropholler, IPR, S. 248 („gewisse[r] […] Bestand von Fundamentalgrundsätzen“). 311 Vgl. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 200 f.: „unantastbarer Teil“, „zentrale Wertungen“ bzw. „zentrale Gerechtigkeitspostulate“ sowie dens., StuW 1984, 170, 173 f. 312 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 42 ff. (S. 43). 313 Dies spiegelt sich auch in Kollers Ausführungen wider, wenn er einerseits für eine „umfassende“ Abwägung eintritt (siehe z.B. den Nachweis in Fn 312), andererseits jedoch – in Anlehnung an Walz – von „grundlegenden zivilrechtlichen Ordnungsstrukturen“ und „zentralen Gerechtigkeitspostulaten“ spricht (siehe z.B. Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 395). Symptomatisch für diese Unsicherheit ist der letzte Absatz seiner Arbeit, wo zunächst von „zentralen materiellen Wertungsaspekten des Zivilrechts“ die Rede ist, wenige Sätze weiter aber von „allen privatrechtlichen Wertungsgesichtspunkten“ gesprochen wird (S. 449).

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nicht überschreiten, überhaupt nicht berücksichtigt werden – was schon bei summarischer Betrachtung zweifelhaft erscheint.314 Ein weiterer Kritikpunkt betrifft speziell die Ausführungen Walz' zur Stellung und Bindungswirkung des von ihm vertretenen Grundsatzes des einheitlichen ordre public im Gefüge der Rechtsordnung: Walz betont, dass dieser Grundsatz unterverfassungsrechtlicher Natur sei.315 Wie er dann aber in der Lage sein soll, den Gesetzgeber zu binden,316 bleibt schleierhaft. Macht man mit der – heute unangefochtenen und schwerlich angreifbaren – Aussage ernst, dass Zivilrecht und Steuerrecht einander als gleichrangig nebengeordnet und beide der Verfassung untergeordnet sind,317 kann eine entsprechende Bindung konsequent nur erreicht werden, wenn man das Prinzip, durch das sie bewirkt wird, aus der Verfassung ableitet.318 Gerade dies ist jedoch von Walz nicht geleistet worden. Hiermit in engem Zusammenhang steht ein weiterer Einwand gegen seinen Ansatz: Der von ihm geforderte Verzicht auf die Durchsetzung einer an sich gebotenen steuerrechtlichen Wertung im Falle ihrer Unvereinbarkeit mit grundlegenden Wertungen der Zivilrechtsordnung (oder einer anderen Teilrechtsordnung)319 kann im Einzelfall Unvereinbarkeiten insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichmäßigkeit der Besteu­ erung)320 sowie mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung321 hervorrufen, so dass ein solches Vorgehen jedenfalls in seiner Reinform ohnehin nicht durchzuhalten ist.322 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Forderung nach Wertungskongruenz zwischen den beteiligten Teilrechtsordnungen durch Walz und Koller weiterführend erscheint, und zwar vor allem deshalb, weil beide Autoren die Wechselseitigkeit der Aufgabenstellung betonen. 314 Näher zu diesem Gesichtspunkt in den nachfolgenden Abschnitten. 315 Deutlich Walz, Steuergerechtigkeit, S. 232 a.E.; so ganz offensichtlich auch S. 201. 316 So offensichtlich Walz, Steuergerechtigkeit, S. 209. Eine Bindung wäre lediglich im Hinblick auf untergesetzliche und landesrechtliche Vorschriften denkbar – was in der Praxis aber kaum eine Rolle spielt. 317 Siehe nur Tipke, StRO I, S. 49. 318 Vgl. vorläufig Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 76; Felix, Rechtsordnung, S. 362 (mit Fn 1033); Peine, Systemgerechtigkeit, S. 105 f., S. 180; Schön, StuW 2005, 247, 249 („mit verfassungsrechtlicher Zwangswirkung“); Näheres sogleich. 319 Siehe insbesondere Walz, StuW 1984, 170, 173. 320 Zu ihr ausführlich unten § 5. 321 Näher zu seinem Inhalt und seiner verfassungsrechtlichen Fundierung Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 230 ff.; Tipke, StRO I, S. 118 ff. (S. 125 ff.). 322 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 201 geht zwar kurz auf das Verhältnis seines wirtschaftsrechtlichen ordre public zum Verfassungsrecht ein, blendet den im Haupttext angesprochenen Aspekt aber aus.

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Jedoch­ist der von ihnen herangezogene „Grundsatz des wirtschaftsrechtlichen (wirtschaftlichen) ordre public“ in seiner Begrifflichkeit unglücklich, in seiner Ableitung unbefriedigend und in seinem Anwendungsbereich teils zu eng und teils zu weitgehend.

VI. „Einheit der Rechtsordnung“? Dieses Zwischenergebnis gibt Anlass zu der Prüfung, ob der von Flume323 zur Anwendung gebrachte und auch im aktuellen Schrifttum vielfach in Bezug genommene324 – begrifflich offenere – Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung im vorliegenden Zusammenhang weiterführend ist.325 Allerdings ist dieser Begriff seit jeher in den unterschiedlichsten Zusammenhängen als Argumentationstopos verwendet worden, wobei man sich nur selten die Mühe gemacht hat, seinen genauen Inhalt und seine Grenzen sowie seine (verfassungs-)rechtlichen Grundlagen herauszuarbeiten.326 Nicht von ungefähr hat Walz ihn als „abstrakte Leerformel“ charakterisiert und abgelehnt.327 Seine Kritik war angesichts des weitherzigen und wenig überzeugenden Gebrauchs dieses Begriffs durch die 323 Siehe oben S. 32 ff. 324 Einzelnachweise in Fn 352. 325 Da es hier um die Bildung von Wertungskongruenzen innerhalb der bestehenden Rechtsordnung geht, soll der vornehmlich im rechtstheoretischen Schrifttum diskutierte Aspekt der formalen Einheit der Rechtsordnung (Zugehörigkeit zur selben Rechtsordnung; Stufenbau; Grundnormlehre) weitgehend ausgeklammert werden. Eine ausführliche Zusammenstellung der hierzu seit etwa Anfang des 19. Jahrhunderts vertretenen Ansätze findet sich bei Baldus, Rechtsordnung, S. 24 ff.; aus neuerer Zeit siehe Schilling, Rang, S. 159 ff. Namentlich Kelsen, der in dieser Hinsicht eine umfassende Rechtsstrukturtheorie entwickelt hat, thematisiert zwar in diesem Zusammenhang auch die (innere) Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (siehe z.B. Kelsen, Theorie, S. 99 ff., S. 166 ff.; dens., AöR 32 (1914), 202, 202 ff.; weitere Nachweise und ausführliche Darstellung bei Baldus, aaO, S. 132 ff., S. 149 ff.). Jedoch findet bei ihm nur die Kategorie der Normwidersprüche Berücksichtigung, die für die vorliegende Untersuchung uninteressant ist. Hierauf wird im folgenden Abschnitt näher eingegangen. 326 Ausführlich zu solchen begrifflichen und inhaltlichen Unschärfen sowie zu der entsprechenden Kritik Felix, Rechtsordnung, S. 5 ff., S. 13 ff., die die Fragestellung selbst einer eingehenden verfassungsrechtlichen Untersuchung unterzieht (S. 168 ff., S. 189 ff.); siehe ferner dies., in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 73 ff., 86 ff. sowie Baldus, Rechtsordnung, S. 11 ff. (S. 13), der auf S. 24 ff. eine ausführliche Analyse der Ideengeschichte (einschließlich der politischen, sozialen, philosophischen und wissenschaftstheoretischen Hintergründe) und der vertretenen rechtstheoretischen Konzeptionen von der Wende zum 19. Jahrhundert bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts vornimmt. 327 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199; ihm folgend Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 44 a.E.

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Rechtsprechung vor allem des Bundesfinanzhofs in den 60er Jahren berechtigt, hatte das Gericht ihn doch primär verwendet, um zu begründen, dass zivilrechtsentlehnte Begriffe des Steuerrechts prinzipiell zivilrechtskonform ausgelegt werden müssten und zivilrechtlich wirksame Gestaltungen grundsätzlich steuerrechtlich nicht zu beanstanden seien.328 Demgegenüber hatte bereits Engisch in seiner grundlegenden Untersuchung des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung aus dem Jahr 1935329 betont, dass bloße „technische Widersprüche“, namentlich die Verwendung gleicher Begriffe mit unterschiedlicher Bedeutung, hinzunehmen seien.330 Besonders im Verhältnis mehrerer Teilrechtsordnungen zueinander ist dies wegen ihrer verschiedenen Zielsetzungen auch uner­ lässlich.331 Genau aus diesem Grund ist heute weithin anerkannt, dass zivilrechtsentlehnte Begriffe des Steuerrechts grundsätzlich autonom auszulegen sind, und Gleiches prinzipiell auch für die Bewertung zivilrechtlicher Gestaltungen durch das Steuerrecht zu gelten hat.332 Es entspricht – auch außerhalb des steuerrechtlichen Kontextes – heute gesicherter Erkenntnis, dass kein übergeordnetes Strukturprinzip existiert, welches eine identische Auslegung gleicher Begriffe fordert, die in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet werden.333 Insbesondere besteht kein Verfassungsrechtssatz, der für eine Einheit der Rechtsordnung 328 Siehe oben bei Fn 96; zur streckenweise ähnlichen Begriffsverwendung durch das BVerfG siehe Fn 203. 329 Engisch, Rechtsordnung, S. 1 ff.; ausführliche Zusammenfassung und Analyse dieses Werkes bei Baldus, Rechtsordnung, S. 178 ff. Engisch geht zunächst auf den – vorliegend nicht unmittelbar interessierenden (siehe Fn 325) – Aspekt der formalen Einheit der Rechtsordnung ein (Engisch, Rechtsordnung, S. 7 ff.), befasst sich im Hauptteil seiner Untersuchung aber mit Fragen der inneren Einheit, insbesondere der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (S. 26 ff.). Baldus, Rechtsordnung, S. 179 f. hat das Werk Engischs treffend wie folgt charakterisiert: „Damit werden zum ersten Mal die in der Formel von der ‘Einheit der Rechtsordnung’ gebündelten Gedanken und Probleme zum Gegenstand einer selbständigen monographischen Bearbeitung erhoben und auch […] in geschlossener Form dargestellt.“ 330 Engisch, Rechtsordnung, S. 43 ff., S. 84; siehe auch dens., Einführung, S. 211 f. 331 Vgl. auch Engisch, Rechtsordnung, S. 45, der zutreffend darauf hinweist, dass technische Widersprüche ausfindig gemacht werden müssen, um sachliche Widersprüche zu vermeiden; ganz ähnlich Maaßen, Privatrechtsbegriffe, S. 239 f. 332 Näher oben bei Fn 100 sowie soeben unter V. 333 Felix, Rechtsordnung, S. 189 ff.; Maaßen, Privatrechtsbegriffe, S. 41 ff., S. 238 ff.; K. Schmidt, in: ders. (Hrsg.), Vielfalt, S. 9, 12 ff.; siehe bereits Würtenberger, FR 1966, 20, 22; vgl. A. Leisner, Kontinuität, S. 230; mit Blick speziell auf das Steuerrecht siehe BFH/NV 2001, 1457, 1461; BFH BStBl. II 1990, 625, 632; P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 AO Rz. 23 a.E.; tendenziell weitergehend Meincke, StuW 1992, 188, 189 f.

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in einem solchen technischen Sinne streitet.334 Allenfalls mag in einzelnen Fällen das Rechtsstaatsprinzip (insbesondere Normenklarheit und Rechtssicherheit) tangiert sein335 – wobei aber auch dies nicht zweifelsfrei erscheint.336 Dem braucht vorliegend jedoch nicht nachgegangen zu werden, da die in Rede stehenden Fallgruppen (Auslegung zivilrechtsentlehnter Begriffe; Qualifizierung von Gestaltungen) mit der hier interessierenden möglichen Ausprägung eines Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung als Ausdruck materieller Wertungskongruenz zwischen Teilrechtsordnungen kaum etwas zu tun haben,337 denn bei jenen ist allein die Auslegung der Steuertatbestände betroffen. Die Institute des Zivilrechts selbst können allenfalls mittelbar berührt sein, und zwar ersichtlich auch nur im Rahmen der zweiten Fallgruppe, nämlich dann, wenn die Auswirkungen einer abweichenden steuerrechtlichen Einordnung geeignet sind, zivilrechtliche Grundwertungen und -prinzipien338 (selbst) infrage zu stellen.339 Unterhalb dieser Schwelle kann eine steuerliche Andersqualifikation im Einzelfall die vertragliche Austauschgerechtigkeit stören und daher ein zivilrechtliches Korrekturbedürfnis begründen.340 Dieser Aspekt ist im vorliegenden Kontext allerdings nur von geringem Interesse, denn die Parteien sind grundsätzlich in der Lage, die Folgen der Besteuerung in ihr Austauschprogramm einzubeziehen. Sollte dies im konkreten Fall nicht geschehen sein, stellt das Zivilrecht aus sich heraus 334 Ausführlich Felix, Rechtsordnung, S. 192 ff. (S. 226); ebenso z.B. P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 AO Rz. 23 a.E.; vgl. BFH/NV 2001, 1457, 1461 sowie bereits Maaßen, Privatrechtsbegriffe, S. 42 ff. 335 In diese Richtung Crezelius, Rechtsanwendung, S. 190, S. 192; Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 124 ff.; Meincke, StuW 1992, 188, 190; Schön, Auslegung, S. 24 a.E.; R. Thiel, GS Spitaler, S. 195, 204; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 199, S. 208 (mit Fn 42). 336 Näher Felix, Rechtsordnung, S. 192 ff. sowie bereits Maaßen, Privatrechtsbegriffe, S. 42 ff., S. 244 ff. 337 Berechtigte Kritik an der bei Fn 328 in Bezug genommenen früheren Rechtsprechung des BFH auch bei Crezelius, Rechtsanwendung, S. 190, S. 192 („ein zu synchronisierendes materielles Zivilrechtselement [wird] im Argumentationsarsenal des BFH gar nicht geführt“) und bei Walz, Steuergerechtigkeit, S. 208 f.; vgl. auch die Unterscheidung zwischen begrifflich-formaler und materiell-wertender Argumentation bei Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 447 f. 338 Eine andere Frage ist die nach den verfassungsrechtlichen Grenzen einer abweichenden Einordnung zivilrechtlicher Gestaltungen durch das Steuerrecht, wenn die zivilrechtlichen Ergebnisse die steuerliche Leistungsfähigkeit bereits korrekt widerspiegeln; näher dazu Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. (251). 339 Vgl. – generell zu (unerwünschten) Auswirkungen des Steuerrechts auf die Wahl zivilrechtlicher Gestaltungen – Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 396 und Walz, Steuergerechtigkeit, S. 209 f.; kritisch dagegen Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 150. 340 Siehe bereits oben in Fn 296.

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Bindungswirkung teilrechtsordnungsfremder Prinzipien­und Wertungen hinreichende Ausgleichsmechanismen zur Verfügung, auf die ebenfalls noch einzugehen sein wird.341 Nicht in diesen Zusammenhang gehört demgegenüber die im neueren Schrifttum diskutierte Problemstellung, dass zivilrechtliche Ordnungs- und Schutzfunktionen untergraben werden können, wenn steuerlich motivierte Gestaltungen zu weitherzig vom Zivilrecht akzeptiert werden.342 Denn hierbei handelt es sich um eine zivilrechtsinterne Frage.343 Wenn Walz – umgekehrt – aus einem „gemeinsamen ordre public von Steuerrecht und Zivilrecht“ ableiten will, dass der Zivilrechtsanwender Gestaltungen entgegenwirken müsse, die zu einer leistungsfähigkeitswidrigen Besteuerung führen,344 so kann dem nicht gefolgt werden:345 Dies ist verhindern, ist allein das Steuerrecht berufen, nicht aber das Zivilrecht, dessen Regulierungsmechanismen den Ausgleich unter Privaten betreffen.

Die heutige steuerrechtliche Diskussion hat die unglückliche Diktion der 60er Jahre denn auch hinter sich gelassen. Der Begriff „Einheit der Rechtsordnung“ wird hier nunmehr verwendet, um der für richtig erachteten Vorgehensweise Nachdruck zu verleihen, Wertungskongruenz zwischen dem Steuerrecht und anderen Teilrechtsordnungen herzustellen.346 Betroffen ist dann folgende, von Engisch herausgearbeitete mögliche Ausprägung eines Prinzips der Einheit der Rechtsordnung: „Als Postulat dagegen fungiert das Einheitsprinzip dort, wo die Einheit zunächst vermißt und erst in der juristischen Arbeit hergestellt wird, wie dies z.B. bei der Überwindung irgendwelcher prima facie gegebener Widersprüche (soweit eine solche […] als geboten oder wenigstens möglich erscheint) oder auch schon bei der Verhütung von Widersprüchen bei der Normfindung selbst geschieht.“347 Die Behandlung von Wertungskonflikten zwischen Teilrechtsordnungen bildet einen Teilausschnitt aus dieser – wie im Folgenden nachgewiesen wird: in vielen Bereichen überaus streitigen – möglichen Funktion eines Prinzips der Einheit der Rechtsordnung.348 341 Zu Einzelheiten vgl. § 7. 342 Nachweise oben in Fn 19. 343 Treffend Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 140. 344 Walz, ZHR 147 (1983), 281, 301 ff.; ähnlich H.P. Westermann, FS Goerdeler, S. 697, 709 und 715 a.E. 345 Ebenso bereits Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 150; siehe auch K. Schmidt, in: ders. (Hrsg.), Vielfalt, S. 9, 16 f. 346 Siehe vorläufig Tipke, StRO I, S. 52 und S. 57 ff.; weitere Nachweise sogleich in Fn 352. 347 Engisch, Rechtsordnung, S. 69; zustimmend Canaris, Systemdenken, S. 106; siehe auch Peine, NJW 1990, 2442, 2446; ablehnend aber Heck, Begriffsbildung, S. 152, S. 178. In ganz ähnlicher Weise hatte sich auch bereits v. Savigny, System, S. 46 f. (siehe auch S. 262 ff.) geäußert; ausführlich dazu Baldus, Rechtsordnung, S. 68 ff., S. 190. 348 Näher sogleich in § 4. Neben und unabhängig von dieser Funktion besteht fraglos eine „innere Einheit“ der Rechtsordnung in Gestalt der ohne weiteres in ihr vorzu-

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Ebenso wie in der steuerrechtlichen Literatur ist in der – allgemeineren – rechtstheoretisch-methodologischen und verfassungsrechtlichen Diskussion des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung mittlerweile anerkannt, dass es nur auf materiell-inhaltlicher Ebene Relevanz entfalten kann.349 Auch in diesem Kontext wird das Einheitsprinzip heute in erster Linie auf teilrechtsordnungsübergreifende Fragestellungen bezogen.350 Da es hier ebenfalls nicht ohne weiteres einem (Verfassungs-)Rechtssatz entnommen werden kann, ist es auch insoweit begründungsbedürftig.351 Daraus folgt: Soweit hierin mehr als nur eine rechtspolitische Forderung bzw. eine Gesetzgebungsmaxime erblickt werden soll, muss herausgearfindenden Kongruenzen (Engisch, Rechtsordnung, S. 26 ff.; Heck, Begriffsbildung, S. 178; v. Savigny, System, S. 68 a.E.). Hiermit in engstem Zusammenhang steht die von Engisch herausgearbeitete axiologische Funktion des Einheitsprinzips (Engisch, aaO, S. 69; zustimmend Rodi, StuW 1999, 105, 110). Heute weithin anerkannt ist im Übrigen, dass keine Einheit der Rechtsordnung im Sinne normativer Lückenlosigkeit existiert (näher Felix, Rechtsordnung, S. 143 mit Nachweisen; siehe demgegenüber noch v. Savigny, aaO, S. 262 ff.). Das Verhältnis des Einheitsprinzips zum Systemgedanken behandelt Canaris, Systemdenken, S. 11 ff. Seine Auffassung, das Recht weise notwendig ein inneres System auf (vgl. auch Herresthal, JJZ 2008, 139, 166 ff.; dens., Rechtsfortbildung, S. 228 ff.: Ableitung aus der Rechtsidee), steht und fällt mit ihrer Prämisse, innere Ordnung und Einheit seien aufgrund des Gleichheitssatzes vorgegeben (siehe etwa Canaris, aaO, S. 16; sehr kritisch dazu Peine, System, S. 22 ff.); dazu ausführlich sogleich. 349 Felix, Rechtsordnung, S. 227 f.; vgl. Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 429 ff.; Jarass, VVDStRL 50 (1991), 238, 259 ff.; A. Leisner, Kontinuität, S. 230 ff.; Ossenbühl, DVBl. 1990, 963, 964 ff.; Sodan, JZ 1999, 864, 864 ff.; siehe ferner Canaris, Systemdenken, S. 16 ff., S. 46 ff., S. 97 ff; Engisch, Einführung, S. 271 ff.; Peine, System, S. 99 ff.; Würtenberger, FR 1966, 20, 22 sowie bereits Heck, Begriffsbildung, S. 87 f., S. 132. 350 Vgl. die Nachweise bei Felix, Rechtsordnung, S. 1 ff. und insbesondere ihre Analyse auf S. 142 f. Hierhin gehören beispielsweise die folgenden, von ihr auf S. 16 ff., S. 159 ff., S. 233 ff. untersuchten Problembereiche: Vorgabewirkung des Verwaltungsrechts für das Umweltstrafrecht; einheitliche Rechtmäßigkeitsbeurteilung; Verhältnis von öffentlichem und privatem Nachbarrecht 351 Siehe insbesondere Felix, Rechtsordnung, S. 235 mit S. 9 ff. und S. 168 ff., S. 362 sowie auch P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 AO Rz. 23; Baldus, Rechtsordnung, S. 199 ff.; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 429 ff.; Höpfner, Auslegung, S. 38 ff. (mit Blick primär auf Systemgerechtigkeitsaspekte); Schröder, VVDStRL 50 (1991), 196, 205 f. Auch der Einschätzung Canaris', Systemdenken, S. 16, der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung gehöre zum „gesicherten Bestand rechtsphilosophischer Einsichten“ (ebenso H. Vogel, NJW 1986, 2986, 2986; die Geltung dieses Prinzips bejahend auch P. Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 8 f., S. 30 f.; Sodan, JZ 1999, 864, 864 ff., 868 ff.), kann nach heutigem Erkenntnisstand kaum mehr gefolgt werden (Baldus, aaO, S. 193 mit S. 14). Ob und inwieweit der von Canaris, aaO, S. 16 f., S. 97 ff. (S. 100), S. 116, S. 121, S. 124 ff. (siehe auch P. Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 9, S. 31; Sodan, JZ 1999, 864, 865, 871 f.) angeführte allgemeine Gleichheitssatz als verfassungsrechtliche Grundlage in Betracht kommt, wird im Folgenden noch zu prüfen sein.

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beitet werden, aus welchen Rechtsgrundsätzen genau die Notwendigkeit nach Herstellung von Wertungskongruenz folgt. Analysiert man vor diesem Hintergrund die jüngere steuerrechtliche Literatur, so ist das Ergebnis ernüchternd. Die Forderung nach Einheit der Rechtsordnung zwischen den bei der Rechtsfindung im Einzelfall betroffenen Teilrechtsordnungen gehört hier zwar zum anerkannten Argumentationsarsenal.352 Der genaue Anwendungsbereich und die (verfassungs-) rechtliche Fundierung dieser Rechtsfigur werden aber kaum je herausgearbeitet. Vor allem bleibt unklar, ob sie lediglich eine Auslegung unter Berücksichtigung von Wertungsgesichtspunkten anderer Teilrechtsordnungen legitimieren kann, also nur für den Rechtsanwender Bedeutung erlangt,353 oder – darüber hinaus – auch der Gesetzgeber gebunden ist.354 Soweit ein entsprechendes Verfassungsgebot angenommen wird, begnügt man sich mit einem Hinweis auf das Gleichheitsgebot355 und / oder das Rechtsstaatsprinzip.356 Unsicherheit besteht auch darüber, ob – wie Walz dies vertreten hat – nur grundlegende Wertungsgesichtspunkte anderer Teilrechtsordnungen in die Abwägung einzustellen sind357 oder – entsprechend dem Ansatz Kollers – eine umfassende Gewichtung aller Wertungen vorzunehmen ist.358 Allerdings lässt sich eine wesentliche Gemeinsamkeit aller Ansätze feststellen, die daraus folgt, dass es sämtlichen 352 P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 AO Rz. 23 ff.; Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 100; Hallerbach, DStR 1999, 2125, 2128; dies., Personengesellschaft, S. 88 ff.; Meincke, StuW 1992, 188, 190 a.E.; Raupach, FS Tipke, S. 105, 106, 109 ff.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 44 ff.; Tipke, FS Friauf, S. 741, 741 f.; ders., StRO I, S. 52, S. 57 ff.; H. Vogel, NJW 1985, 2986, 2986; siehe auch Schön, StuW 2005, 247, 252 f. („Kongruenz“, „Widerspruchsfreiheit“). 353 So wohl P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 AO Rz. 23 ff.; tendenziell auch Raupach, FS Tipke, S. 105, 112 ff. (123: nur ausnahmsweise verfassungsrechtliche Relevanz); siehe ferner Würtenberger, FR 1966, 20, 22; offen zweifelnd Schön, Auslegung, S. 33 f. 354 So offensichtlich Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 100; Hallerbach, DStR 1999, 2125, 2128; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 44; Tipke, StRO I, S. 57 ff.; vgl. auch Schön, StuW 2005, 247, 253 („in Extremfällen“). 355 Tipke, StRO I, S. 60 („insbesondere“); ders., FS Friauf, S. 741, 742. Schön, StuW 2005, 247, 252 f. verortet einen solchen Verfassungsrechtssatz zumindest in ers­ter Linie im Folgerichtigkeitsgebot. 356 Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 100; Hallerbach, DStR 1999, 2125, 2128 (Gleichheitssatz und Rechtssicherheitsprinzip); siehe zum Einkommensteuerrecht auch Naujok, BB 2007, 1365, 1371 f. (Rechtsstaatsprinzip). 357 Vgl. Hallerbach, DStR 1999, 2125, 2128; Raupach, FS Tipke, S. 105, 109 ff.; Schön, Auslegung, S. 33; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 44 und 48; Tipke, FS Friauf, S. 741, 742; ders., StRO I, S. 52, S. 57 f.; siehe auch H.P. Westermann, FS Goerdeler, S. 697, 712. 358 In diese Richtung P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 AO Rz. 23 ff.; Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 100; Würtenberger, FR 1966, 20, 21 ff.

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Autoren um die Herstellung von Wertungskongruenz geht: Zwar verwenden sie im Ausgangspunkt jeweils den – zwar konturenlosen, aber plakativen – Begriff „Einheit der Rechtsordnung“. Damit meinen sie jedoch ausschließlich die Forderung nach inhaltlicher Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.359 Dies geht konform mit dem soeben bereits herausgearbeiteten Befund, dass allein der materiell-inhaltlichen Dimension des Einheitsprinzips eigenständige Bedeutung zukommen kann.360 Auf diesen Aspekt der Widerspruchsfreiheit hat sich insbesondere auch die neuere verfassungsrechtliche Diskussion verengt.361 Daher wird sich die weitere Untersuchung mit der Tragfähigkeit eines Prinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung beschäftigen. Da diese mögliche Ausprägung einer „Einheit der Rechtsordnung“ ebenfalls legitimationsbedürftig ist,362 wird im Folgenden der Frage nachgegangen, ob und inwieweit sie im geltenden Recht verankert ist. Dieses Vorgehen wird Klarheit darüber schaffen, auf welchen Wegen steuerrechtliche Wertungen Einfluss auf das zivilrechtliche Ausgleichssystem nehmen können.

359 P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 AO Rz. 24; Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 100; Hallerbach, DStR 1999, 2125, 2128; Raupach, FS Tipke, S. 105, 112; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 44; Tipke, StRO I, S. 57 f.; ders., FS Friauf, S. 741, 741 f.; Würtenberger, FR 1966, 20, 22; vgl. Naujok, BB 2007, 1365, 1371 f.; Schön, StuW 2005, 247, 252 ff. (253); dens., Auslegung, S. 33; H. Vogel, NJW 1985, 2986, 2986; ebenso im Hinblick auf den von ihnen vertretenen „Grundsatz des einheitlichen (wirtschaftsrechtlichen) ordre public“ Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 395; Walz, StuW 1984, 170, 173; ders., Steuergerechtigkeit, S. 200; weitergehend nur Meincke, StuW 1992, 188, 190 a.E. 360 Nachweise in Fn 349; siehe vorläufig auch die Analyse und die darauf aufbauende Vorgehensweise bei Felix, Rechtsordnung, S. 142 ff.; Einzelheiten sogleich in § 4. 361 Brüning, NVwZ 2002, 33, 33 ff.; Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 72 ff.; K. Fischer­, JuS 1998, 1096, 1096 ff.; Frenz, DÖV 1999, 41, 43 ff.; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 429 ff.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 588 ff.; ders., VVDStRL 50 (1991), 238, 260 ff.; Jobs, DÖV 1998, 1039, 1044 f.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 2 ff.; Konrad, DÖV 1999, 12, 16 f.; Ossenbühl, DVBl. 1990, 963, 964 ff.; Rodi, StuW 1999, 105, 108 ff.; H.P. Schneider, ZRP 1998, 323, 327; Schröder, VVDStRL 50 (1991), 196, 204 ff.; Sendler, NJW 1998, 2875, 2875 ff.; siehe auch Engisch, Einführung, S. 271 ff.; P. Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 8 ff., S. 30 ff.; Sodan, JZ 1999, 864, 865 ff. 362 Siehe die Nachweise in Fn 351.

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§4 Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung A. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes Nähert man sich der Frage, ob und inwieweit ein Prinzip der Widerspruchsfreiheit Bestandteil der geltenden Rechtsordnung ist, aus rechtstheoretisch-methodologischer Sicht, liegt es zunächst nahe, zwischen verschiedenen Arten von Widersprüchen zu unterscheiden.363 Bereits aus der Untersuchung ausgeklammert worden sind die so genannten tech­nischen Widersprüche, weil sie (als solche) keine Wertungsinkongruenzen hervorrufen und wegen der unterschiedlichen Rege­ lungsziele verschiedener Normen bzw. Teilrechtsordnungen ohnehin hingenommen werden müssen.364 Das andere Extrem bilden die häufig so genannten Normwidersprüche, d.h. Situationen, in denen sich der Norm­ adressat Rechtsfolgenanordnungen ausgesetzt sieht, die miteinander unvereinbar sind, weil die einschlägigen Vorschriften einander widersprechen. Die Terminologie ist uneinheitlich.365 Namentlich bei Canaris ist in diesem Zusammenhang von „Normwiderspruch“ bzw. „echtem Normwiderspruch“ die Rede.366 Schilling differenziert im Ausgangspunkt zwischen echten und unechten Normwidersprüchen.367 Dagegen spricht Felix von (unvermeidbaren) Normkonflikten, da es Widersprüche zwischen Normen nicht geben könne.368 Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach den Begriff „Normenkollision“ verwendet.369 Alexy spricht von Regelkonflikten.370 Als „logische Widersprüche“ kennzeichnet sie Peine,371 wobei aber zweifelhaft ist, ob es sich tatsächlich um eine Frage der

363 Siehe z.B. Engisch, Einführung, S. 273 ff.; dens., Rechtsordnung, S. 43 ff.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 592 f.; Peine, System, S. 99 ff. 364 Siehe soeben in § 3 unter B VI. 365 Gleiches gilt in Randbereichen auch für die erfassten Fallgestaltungen. 366 Canaris, Systemdenken, S. 117; siehe auch BVerwGE 110, 248, 251; Engisch, Einführung, S. 274 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155, Sendler, NJW 1998, 2875, 2876; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 185 ff. 367 Schilling, Rang, S. 378 ff. 368 Felix, Rechtsordnung, S. 245 ff.; siehe auch Kube, Finanzgewalt, S. 267 („echte Normkonflikte“); vgl. aber S. 272: „echte Normwidersprüche“. 369 BVerfG NVwZ 1990, 356, 357; BVerfGE 36, 342, 363; ebenso Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 10. 370 Alexy, Theorie, S. 77 f. 371 Peine, JZ 1990, 201, 209 f.; ders., Systemgerechtigkeit, S. 81, S. 88, S. 233; ders., System, S. 99 ff.; so auch Brüning, NVwZ 2002, 33, 36.

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Wechselseitige Berücksichtigung zivil- und steuerrechtlicher Wertungen Logik handelt.372 Engisch spricht von „Normwidersprüchen im engeren und eigentlichen Sinne“373 und differenziert weiter zwischen zwei Unterformen mit verschiedenen Anknüpfungspunkten („Verhalten einer bestimmten Art“; „konkretes Verhalten“), die aber „streng logisch […] nicht zu unterscheiden“ seien.374

Die so umschriebene – praktisch allerdings wenig relevante – gesetzliche Ausgangslage ist nach ganz überwiegender Auffassung wie folgt zu behandeln: Zunächst ist zu prüfen, ob die herkömmlichen Kollisionsregeln (lex superior derogat legi inferiori; lex specialis derogat legi generalia; lex posterior derogat legi priori)375 und gegebenenfalls Art. 31 GG376 eingreifen­. Für Konstellationen, die sich nicht auf diese Weise lösen lassen, ist ebenfalls ganz weithin anerkannt, dass der Normwiderspruch beseitigt werden muss,377 da widersprüchliche gesetzliche Anordnungen 372 Vgl. Canaris, Systemdenken, S. 122 ff.; Schilling, Rang, S. 373 f., S. 379 f.; ablehnend namentlich Kelsen, Theorie, S. 100 ff., S. 166 ff. (anders noch ders., AöR 32 (1914), 202, 206 ff.). 373 Engisch, Rechtsordnung, S. 46. 374 Engisch, Rechtsordnung, S. 46 ff. (S. 51). Nicht hierhin gehört – entgegen Engisch, aaO, S. 46 und S. 55 ff. – die Fallgruppe der gespaltenen Rechtswidrigkeitsbeurteilung (näher Felix, Rechtsordnung, S. 243 f., S. 250 f.; siehe ferner Peine, NJW 1990, 2442, 2446). 375 Siehe z.B. Engisch, Einführung, S. 275 f.; dens., Rechtsordnung, S. 47; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 596; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 9 f.; Peine, NJW 1990, 2442, 2446; dens., System, S. 101 a.E. sowie bereits v. Savigny, System, S. 264 ff. Ob eine Konfliktlösung aufgrund dieser Regeln möglich ist, hängt wesentlich auch von ihrer im Einzelnen umstrittenen Reichweite ab; näher dazu Engisch, aaO, S. 47 ff. sowie ders., Einführung, S. 213 mit Nachweisen. 376 BVerfG NVwZ 1990, 356, 357; BVerfGE 36, 342, 363; BVerfGE 26, 116, 135; Brüning­, NVwZ 2002, 33, 34 und 36; K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1098; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 592 und 594; Kube, Finanzgewalt, S. 266 f.; Rodi, StuW 1999, 105, 110; vgl. auch Felix, Rechtsordnung, S. 176 f., die Art. 31 GG als grundgesetzliche Verankerung der lex superior-Regel charakterisiert (S. 150); näher zu Rangfragen im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 185 f. 377 Nach herrschender Meinung können nicht beide Nomen zugleich gelten; siehe Canaris, Systemdenken, S. 124; Engisch, Rechtsordnung, S. 53 ff.; Peine, JZ 1990, 201, 210; dens., Systemgerechtigkeit, S. 81 mit Fn 5, S. 88, S. 113, S. 233; dens., System, S. 99 ff. Bereits im Jahre 1914 formulierte Kelsen: „Innerhalb desselben Normsystems können zwei Normen, von denen die eine den Inhalt a, die andere den Inhalt non a setzt, nicht nebeneinander gelten, wenn das System vernünftig sein und das den Normen unterworfene Pflichtsubjekt jede Norm befolgen können soll, ohne eine andere Norm desselben Systems zu verletzen“ (Kelsen, AöR 32 (1914), 202, 206 mit Hervorhebung). Allerdings hat Kelsen diesen Standpunkt in seinem Spätwerk aufgegeben: Falls kein Derogationsprinzip positiviert sei, müsse der Normkonflikt ungelöst bleiben (Kelsen, Theorie, S. 100 ff. (S. 103), S. 166 ff. (S. 168 f., S. 177 ff.)); näher zu seinen Ausführungen Baldus, Rechtsordnung, S. 132 ff., S. 149 ff.; speziell zum zuletzt genannten Aspekt siehe S. 152 ff.; vgl. zu Kelsens Ansatz bereits oben Fn 325.

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nicht hingenommen werden können.378 Das lässt sich zuvörderst damit begründen, dass die entsprechenden Normen ihrem Ziel, menschliches Verhalten zu regulieren, nicht gerecht werden.379 Dieser Zustand wird zu Recht als unvereinbar mit dem Rechtsstaatsprinzip angesehen.380 Wie entsprechende Konfliktlagen im Einzelnen aufzulösen sind, ist nicht zuletzt von den Spezifika der jeweiligen Fallgestaltung abhängig.381 Denkbar ist insbesondere, dass sich die betroffenen Normen gegenseitig aufheben, was eine ausfüllungsbedürftige Lücke zur Folge haben kann.382 Der soeben angerissene Fragenkomplex muss vorliegend nicht vertieft werden, weil die Kategorie des Normwiderspruchs für das hier zu beleuchtende Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht keine Rolle spielt.383 Bei ihm geht es nämlich ausschließlich um die Frage, inwieweit Wertungskongruenz zwischen diesen beiden Teilrechtsordnungen herzustellen ist. Hiermit korrespondiert die Kategorie des häufig so genannten Wertungswiderspruchs.384 Allerdings ist dieser Begriff im vorliegenden 378 Canaris, Systemdenken, S. 122 ff.; Engisch, Rechtsordnung, S. 49 f.; Heck, Begriffsbildung, S. 88; Peine, JZ 1990, 201, 210; ders., System, S. 99 ff. sowie bereits v. Savigny, System, S. 264. 379 Felix, Rechtsordnung, S. 246 f.; Peine, JZ 1990, 201, 210; ders., System, S. 100; vgl. Höpfner, Auslegung, S. 32; Müller-Franken, StuW 1997, 3, 18; Schilling, Rang, S. 377, S. 380 sowie bereits Kelsen, AöR 32 (1914), 202, 206 f. 380 Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 77 f.; Felix, Rechtsordnung, S. 246 f.; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 445; Höpfner, Auslegung, S. 26 f., S. 32 f., S. 51 f.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 597; Kischel, AöR 124 (1999), 174, 210; Kohl, Normgebung, S. 80 ff., S. 148 ff., S. 156 ff.; Kube, Finanzgewalt, S. 273; Schilling, Rang, S. 377, S. 380; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 186 f.; vgl. BVerfGE 108, 169, 181 ff.; BVerfGE 25, 216, 227; BVerfGE 1, 14, 45. Canaris, Systemdenken, S. 124 führt das Willkürverbot an; zu weiteren Begründungsansätzen siehe Schilling, aaO, S. 372 ff. 381 Vgl. Engisch, Rechtsordnung, S. 50 und S. 84; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155. 382 Canaris, Systemdenken, S. 122; Engisch, Einführung, S. 277; ders., Rechtsordnung, S. 50 und S. 84; Peine, System, S. 101 a.E. 383 Vgl. Felix, Rechtsordnung, S. 153 ff. und S. 176 f. (jedoch ohne ausdrückliche Differenzierung zwischen Normwidersprüchen und Wertungswidersprüchen); Schön, StuW 2005, 247, 248 f.; siehe auch bereits oben S. 16. 384 Siehe z.B. Felix, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 76 ff.; dies., Rechtsordnung, S. 145 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155; Rodi, StuW 1999, 105, 110; Schilling, Rang, S. 377; siehe ferner Peine, System, S. 102 ff., der entsprechende Konfliktlagen auch als „axiologische Widersprüche“ bezeichnet, sie aber letztlich als (bloße) Inkonsequenzen einordnet. Von „Normdivergenzen“ ist bei Jarass, AöR 126 (2001), 588, 593 ff. die Rede. Canaris, Systemdenken, S. 112 ff. diffe­ renziert zwischen Wertungs- und Prinzipiengegensätzen, bei denen ein Kompromiss gefunden werden müsse, und (echten) Wertungs- und Prinzipienwider­ sprüchen, die möglichst zu beseitigen seien. Engisch, Einführung, S. 277 ff.;

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Zusammenhang etwas unglücklich, da er bereits ein Auslegungsergebnis voraussetzt, das mit anderen gesetzlichen Wertungen nicht in Einklang steht. Hieran knüpft die seit langem diskutierte Frage an, wie solche Wertungswidersprüche zu behandeln sind.385 Vorrangig muss aber gefragt werden, ob und inwieweit es notwendig und möglich ist, Wertungswidersprüche gar nicht erst entstehen zu lassen – wenngleich Widerspruchsvermeidung und -bewältigung ineinander übergehen.386 Ferner betrifft die vorliegende Untersuchung nur einen Teilausschnitt aus dieser sehr allgemeinen Problemstellung,387 und zwar die Frage, ob und inwieweit Konfliktlagen zwischen mehreren Teilrechtsordnungen aufzulösen sind.388 Diese Art des Konflikts haben regelmäßig auch die heutigen Stellungnahmen zu einem Prinzip der Widerspruchsfreiheit bzw. – wie häufig etwas allgemeiner formuliert wird – zu einem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung im Auge.389 Dies gilt namentlich für ders., Rechtsordnung, S. 59 und S. 63 f. unterscheidet „Wertungswidersprüche“, „teleologische Widersprüche“ und „Prinzipienwidersprüche“, wobei allerdings fließende Übergänge bestehen (vgl. auch S. 64 Fn 2); kritisch insoweit Peine, aaO, S. 104 f. 385 Siehe dazu z.B. Engisch, Einführung, S. 279 f., S. 284 ff.; dens., Rechtsordnung, S. 63 f., S. 84 ff.; Jarass, VVDStRL 50 (1991), 238, 262 f. 386 Vgl. nur Canaris, Systemdenken, S. 116 ff. 387 So können Wertungskonflikte selbstverständlich auch – und gerade – innerhalb derselben Teilrechtsordnung und innerhalb desselben Gesetzes auftreten; siehe z.B. Canaris, Systemdenken, S. 97 ff., S. 112 ff.; Engisch, Einführung, S. 277 ff.; dens., Rechtsordnung, S. 59 ff.; Peine, System, S. 102 f. Auf den Aspekt der Sys­ temgerechtigkeit bzw. Folgerichtigkeit wird im Laufe der weiteren Untersuchung zurückzukommen sein. 388 Felix, Rechtsordnung, S. 159 ff. differenziert innerhalb dieser Fragestellung zwischen verschiedenen Konfliktarten (einheitliche Rechtmäßigkeitsbeurteilung; Beachtung wirksamer Verwaltungsakte; Verbot der Beeinträchtigung von Zielsetzungen anderer Teilrechtsordnungen), die sie im Ausgangspunkt getrennt auf ihre verfassungsrechtliche Relevanz hin prüft (S. 233 ff.). Die zuletzt genannte Konfliktart (Beeinträchtigung von Zielsetzungen) dürfte jedoch übergreifend sein und die beiden anderen einschließen – wenngleich diese zahlreiche Spezialproble­me aufwerfen. 389 Siehe nur Jarass, VVDStRL 50 (1991), 238, 259 ff.; Schröder, VVDStRL 50 (1991), 196, 204 ff. Hauptsächlich hierüber wird auch die aktuelle verfassungsrechtliche Diskussion geführt, auf die sogleich eingegangen wird; weitere Nachweise bei Felix, Rechtsordnung, S. 1 ff., die in ihrer Analyse von Rechtsprechung und Schrifttum zum Prinzip der Einheit der Rechtsordnung (S. 142 f.) zu der Schlussfolgerung gelangt, dass sich die neuere Diskussion ausschließlich auf diesen Punkt verengt habe. Da ihre weitere Untersuchung auf dieser Feststellung aufbaut, bleibt die Behandlung von Wertungswidersprüchen innerhalb der einzelnen Teilrechtsordnung bei ihr weitgehend unerörtert. So geht sie auf S. 238 ff., S. 274 ff., S. 283 ff. auf die Aspekte Normwiderspruch, Folgerichtigkeit und Sys­temgerechtigkeit nur inzident ein.

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die § 3 zitierten Äußerungen aus dem steuerrechtlichen Schrifttum, die sich damit beschäftigen, ob und inwieweit das Steuerrecht Zielsetzungen anderer Teilrechtsordnungen (nicht) beeinträchtigen darf.390 Darüber hinaus ist um die Jahrtausendwende ein lebhafter Streit darüber entstanden, ob eine Rechtsordnung frei von Wertungswidersprüchen verfassungsrechtlich geboten ist.391 Den Auslöser dieser Diskussion bilden zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1998, in denen sich das Gericht anlässlich der Erörterung der verfassungsrechtlichen Grenzen von Lenkungswirkungen landesgesetzlicher und kommunaler Abgaben in Rechtsbereichen, in denen dem Bund die Sach­ kompetenz zusteht, für einen entsprechenden Verfassungsrechtssatz ausgesprochen hat.392 Auf diese Diskussion wird im Einzelnen unter E. zurückgekommen. Auch in diesem Zusammenhang wird häufig zwischen einer Bindung des Rechtsanwenders bei der Gesetzesauslegung und einer Bindung des Gesetzgebers unterschieden,393 wobei besonders Letztere sehr streitig ist. Wie im Folgenden gezeigt wird, spiegelt diese Differenzierung allerdings nicht die gesamte Komplexität des Problems wider. Vielmehr muss zwischen drei Fallgruppen unterschieden werden, bei denen sich die hier zu untersuchende Fragestellung in unterschiedlicher Intensität stellt. Sie werden im Folgenden herausgearbeitet, da sie sich als von zentraler Bedeutung für die gesamte weitere Untersuchung erweisen werden. Der Analyse dieser drei Fallgruppen vorauszuschicken ist, dass sie ausschließlich die horizontale Dimension394 der Problemstellung abbilden, sich also nur auf die Frage nach Herstellung von Wertungskongruenz innerhalb der Regelungsmaterien derselben gesetzgeberischen Einheit bei 390 Nachweise dort unter B VI. 391 Brüning, NVwZ 2002, 33, 35 ff.; Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 76 ff.; K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1098 ff.; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 429 ff.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 588 ff.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 2 ff.; Konrad, DÖV 1999, 12, 16 f.; Rodi, StuW 1999, 105, 108 ff.; H.P. Schneider, ZRP 1998, 323, 327; Sendler, NJW 1998, 2875, 2875 ff.; Sodan, JZ 1999, 864, 865 ff.; siehe auch Frenz, DÖV 1999, 41, 43 ff.; Jobs, DÖV 1998, 1039, 1044 f.; P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 322 ff. 392 BVerfGE 98, 106, 117 ff.; BVerfGE 98, 83, 97 f. 393 Brüning, NVwZ 2002, 33, 36; P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 324; Rodi, StuW 1999, 105, 108 ff. (110); Sendler, NJW 1998, 2875, 2876; zur entsprechenden Diskussion im steuerrechtlichen Schrifttum siehe die Nachweise in Fn 353 und Fn 354; siehe ferner bereits Canaris, Systemdenken, S. 116 ff., S. 121 ff.; P. Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 30 ff. 394 Vgl. zum Gegensatzpaar horizontal – vertikal in diesem Zusammenhang nur Schilling, Rang, S. 173 f.

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formell gleichrangigen Rechtsnormen beziehen, wobei sich die nachfolgenden Ausführungen am Leitbild eines Wertungswiderspruchs zwischen förmlichen Bundesgesetzen orientieren. Denn diese Konfliktlage dürfte im Verhältnis von zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen zu steuerrechtlichen (Grund-)Wertungen praktisch immer gegeben sein. Dies rechtfertigt es insbesondere, die mögliche bundesstaatliche Dimension eines Prinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, die erheblich vielschichtiger wäre,395 weitgehend auszublenden. Die nachfolgende Analyse wird auch verdeutlichen, woraus die im steuerrechtlichen Schrifttum bestehenden Unsicherheiten darüber resultieren, ob nur grundlegende Prinzipien und Wertungen der jeweils anderen Teilrechtsordnungen zu berücksichtigen sind oder eine umfassende Abwägung sämtlicher Wertungen vorzunehmen ist.396

B. Auslegung: Einfache Konfliktlagen Die erste Fallgruppe kommt am häufigsten vor und ist in Bezug auf das methodische Vorgehen weitgehend problemfrei. Sie lässt sich wie folgt beschreiben: Der Rechtsanwender stößt auf eine Rechtsfrage, die er durch Auslegung lösen muss, weil der Sachverhalt nicht völlig eindeutig unter die anzuwendenden gesetzlichen Tatbestände subsumiert werden kann.397 Es stellt sich heraus, dass bei alleiniger Berücksichtigung der Spezifika der unmittelbar einschlägigen Teilrechtsordnung mehrere Lösungen vertretbar sind, also keines der möglichen Auslegungsergebnisse – der Einfachheit halber seien dies die Lösungen A und B – zu ihren

395 Siehe dazu H. Dreier, in: K. Schmidt (Hrsg.), Vielfalt, S. 113, 117 ff.; Felix, Rechtsordnung, S. 364 ff. sowie (aus Anlass der neueren Rechtsprechung des BVerfG) St. Haack, Regelungskonzeptionen, passim; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 594 f. und 601 ff.; Kohl, Normgebung, S. 7 ff.; Kube, Finanzgewalt, S. 271 ff.; Rodi, StuW 1999, 105, 105 ff., 111 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 184 f. mit Fn 35. 396 Nachweise oben in Fn 357 und Fn 358. 397 Selbstverständlich beruht bereits die Feststellung, dass eine Vorschrift einer weitergehenden Auslegung (nicht) zugänglich ist, auf einer – im Wege der Auslegung getroffenen – Wertung (vgl. nur Drüen, StuW 2012, 269, 271; Larenz/Canaris, Methoden­lehre, S. 164). Der Gesetzesanwender ist aber auch sonst gehalten, Feststellungen solcher Art zu treffen, etwa in Bezug auf die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung (siehe nur Stern, Staatsrecht/I, S. 136 f. unter Hinweis auf H. Simon, EuGRZ 1974, 85, 85). So heißt es in der Entscheidung BVerfGE 71, 81, 105: „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde“.

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(Grund-)Wertungen in Widerspruch steht.398 Jedoch sprechen gegen das Auslegungsergebnis A Wertungen einer anderen Teilrechtsordnung, die von den Auswirkungen der Rechtsanwendung tangiert werden.399 Im Extremfall mag sogar ausschließlich Lösung B mit grundlegenden Prinzipien dieser anderen Teilrechtsordnung vereinbar sein. Wie diese Konstellation zu bewältigen ist, soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden, das im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bereits mehrfach angesprochen worden ist,400 nämlich der nach früherer Rechtslage (bis einschließlich Erhebungszeitraum 1964) streitigen Frage, ob ein Kommanditist unbeschränkt für Gewerbesteuerschulden einzustehen hatte. Die seinerzeit einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 GewStG; § 113 RAO) waren nicht völlig eindeutig und ließen zwei Auslegungsergebnisse zu: unbeschränkte Haftung des Komman­ ditisten aufgrund seiner Schuldnerstellung; Haftung nur nach Maßgabe der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften.401 Zwingende steuerrechtliche Wertungen, die für die eine oder andere Lösung sprachen, haben nicht bestanden, was schon daran deutlich wird, dass sich diese Frage lediglich bei der Gewerbesteuer gestellt hat, während eine unbeschränkte Haftung des Kommanditisten bei anderen Steuerarten nicht in Betracht kam.402 Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass der Große Senat des Bundesfinanzhofs seine Lösung (unbeschränkte Einstandspflicht)403 im Wesentlichen auf eine Argumentation mit dem Gesetzeswortlaut stützte.404 398 Die hier und im Folgenden (auch zur zweiten Fallgruppe) gemachten Ausführungen gelten unabhängig von der angewandten Auslegungsmethode (vgl. Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 75 f.) – was es rechtfertigt, nicht näher auf Grundfragen der Auslegung einzugehen. 399 Auch dieser Befund muss selbstverständlich wertend ermittelt werden – und setzt eine genaue Analyse der potentiell beeinträchtigten Teilrechtsordnung voraus. 400 Siehe oben bei Fn 176 und Fn 201. 401 Näher dazu z.B. Buchwald, FR 1961, 258, 259 f.; Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 139 f. 402 Vgl. Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 141; Flume, Steuerwesen, S. 17. Ein solcher­ maßen zwingender Grund lag auch nicht darin, dass die Gewerbesteuer den Gemeinden zugute kommt (näher Buchwald, FR 1961, 258, 260; Eckhardt, aaO; vgl. demgegenüber BFH GrS BStBl. III 1966, 158, 159). Im Übrigen existiert selbstverständlich kein Grundsatz, wonach Steuerrechtsnormen in dubio pro fisco auszulegen wären (siehe oben S. 28). 403 Ebenso bereits BFH BStBl. III 1964, 433, 433 f.; BFH BStBl. III 1955, 294, 295. 404 BFH GrS BStBl. III 1966, 158, 159. Seine Behauptung, der Wortlaut sei eindeutig, trifft nicht zu; siehe bereits Buchwald, FR 1961, 258, 259 f.; Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 139 f. Wie oben (S. 38) schon dargelegt worden ist, hat das BVerfG diese Entscheidung nicht beanstandet, wobei es aufgrund seines begrenzten Prüfungsmaßstabs allerdings nicht näher auf die vom BFH vorgenommene, verfehlte

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Demgegenüber hatte sich Flume bereits mehrere Jahre zuvor gegen ein solches Auslegungsergebnis ausgesprochen, weil es nicht mit den Grundwertungen des Zivilrechts in Einklang stand405 – und dies zu Recht.406 Denn jedenfalls dort, wo sich den Grundwertungen der unmittelbar einschlägigen Teilrechtsordnung (hier: Steuerrecht) kein eindeutiges Ergebnis entnehmen lässt, müssen die Wertungen der anderen betroffenen Teilrechtsordnung (hier: Zivilrecht) bei der Auslegung Berücksichtigung finden.407 Dies gilt besonders dann, wenn andernfalls grundlegende Prinzipien dieser anderen Teilrechtsordnung (hier: beschränkte Außenhaftung des Kommanditisten) ausgehöhlt würden. Aber auch unterhalb dieser Schwelle kann und muss eine umfassende Abwägung erfolgen:408 Nach dem gesetzgeberischen Regelungsplan wird man die unmittelbar einschlägige Teilrechtsordnung für ihren Bereich zwar als diejenige Materie anzusehen haben, deren Wertungen in erster Linie zu berücksichtigen sind. Da der Gesetzgeber in der hier zu analysierenden Fallgruppe aber kein bestimmtes Auslegungsergebnis vorgezeichnet hat, ist eine systematisch-teleologische Analyse seiner Gesamtregelung möglich und geboten.409 Denn nur so können unnötige – weil von der sachnäheren Auslegung des einfachen Rechts eingegangen ist, sondern nur feststellt, dass sie mit dem Wortlaut des Gesetzes und den Gesetzgebungsmaterialien vereinbar und nicht willkürlich sei (BVerfGE 24, 112, 117). Das BVerfG hat im Übrigen lediglich – im Anschluss an BVerfGE 13, 331, 340 f. und in sich wenig überzeugend – Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Systembruchs durch Durchgriff geprüft, ohne (sonst) auf die verfassungsrechtliche Verankerung eines Prinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung einzugehen (BVerfGE 24, 112, 117 ff.; siehe bereits oben bei Fn 205). 405 Flume, Steuerwesen, S. 16 f. (mit Blick auf die Vorläuferrechtsprechung des RFH): Hierin läge eine Preisgabe der Rechtsfigur der KG, wie sie im Handelsrecht formiert sei. 406 Im Ergebnis ebenso Walz, Steuergerechtigkeit, S. 249; siehe auch Schön, StuW 2005, 247, 252 f. 407 Ebenso bereits Raupach, FS Tipke, S. 105, 113 a.E. 408 Die Bedeutung des einzelnen Wertungselements spielt lediglich für sein Gewicht im Rahmen der Abwägung eine Rolle. Hierauf ist später (in § 6) noch einzugehen. Dass Rechtsprinzipien im Konfliktfall abwägungsfähig sind, ist grundsätzlich anerkannt; siehe Alexy, Theorie, S. 75 ff., S. 125 ff.; dens., Rechtstheorie 1987, 405, 407 ff.; Bydlinski, System, S. 26; Canaris, Systemdenken, S. 52 ff., S. 112 ff. (S. 115 f.); Drüen, Periodengewinn, S. 96 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 34 ff. (mit weiteren Nachweisen auf S. 10 ff.); Larenz, Methodenlehre, S. 474 ff.; Penski, JZ 1989, 105, 109 f. sowie auch Birk, FS Schaumburg, S. 3, 6 ff. 409 In der Methodenlehre ist dementsprechend anerkannt, dass eine Norm möglichst so auszulegen ist, dass sie sich widerspruchsfrei in das übrige Recht einfügt; siehe Canaris, Systemdenken, S. 116 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155 ff.; Höpfner, Auslegung, S. 52 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 44 ff. und S. 50; ebenso z.B. P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 324; Raupach, FS Tipke, S. 105, 113 a.E.

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Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

Teilrechtsordnung nicht geforderte – Beeinträchtigungen anderer Teilrechtsordnungen vermieden werden.410 Daraus folgt: Das Erfordernis, eine umfassende Abwägung aller betroffenen Wertungen vorzunehmen, ergibt sich in dieser Fallgruppe bereits aus einer verständigen Würdigung der gesetzgeberischen Gesamtregelung.411 Dies gilt unabhängig davon, ob übergeordnete verfassungsrechtliche Wertungen zu berücksichtigen sind, also auch bei Abwägungen auf einfachgesetzlicher Ebene.412 Ebenso wenig bedarf es zur Legitimation dieser Vorgehensweise eines Rückgriffs auf ein (übergeordnetes) Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung – wenngleich es unschädlich ist, hierdurch die Notwendigkeit einer umfassenden Werteabwägung zu betonen. Deshalb kommt es für diese erste Fallgruppe auch nicht entscheidend auf die verfassungsrechtliche Verankerung eines solchen Prinzips an. Zusammenfassend ist festzuhalten: Jedenfalls dort, wo das Auslegungsergebnis nicht durch die sachnähere Teilrechtsordnung vorgezeichnet ist, hat der Rechtsanwender eine umfassende Abwägung aller einschlägigen Wertungen mit dem Ziel eines möglichst optimalen Wertungskompromisses vorzunehmen. Dieses Kongruenzgebot413 beansprucht auch 410 Ganz ähnlich Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 74 ff., S. 80 ff., der eine entsprechende (widerlegbare) „Vermutung der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“ im Rahmen der Auslegung aufstellt. 411 Die entsprechenden Ausführungen Kollers dazu (oben S. 44 f.) erweisen sich daher für diese Fallgruppe als prinzipiell zutreffend. Gleiches gilt insoweit (Fallgruppe 1) grundsätzlich auch für seine hierauf gestützten Ausführungen zum Verhältnis des Steuerrechts zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem (Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 114 ff.), wobei allerdings die – teilweise erheblichen – Unterschiede im Abwägungsgewicht einzelner Prinzipien und Wertungen in besonderem Maße zu berücksichtigen ist (vgl. Fn 412). Hierauf wird in § 6 und am Ende von § 7 zurückzukommen sein. Bei den Fallgruppen 2 und 3 stellen sich die Dinge demgegenüber komplizierter dar (näher sogleich). 412 Allerdings kommt verfassungsgeleiteten Prinzipien und Wertungen, die der Gesetzgeber innerhalb der jeweiligen Teilrechtsordnung verwirklicht hat, ein tendenziell hohes Abwägungsgewicht zu (vgl. dazu unten in § 6), und zwar auch unterhalb der Schwelle eines potentiellen Verfassungsverstoßes, bei dem eine verfassungskonforme Auslegung vorzunehmen wäre. Etwaige, im Einzelfall einschlägige verfassungsrechtliche Wertungen müssen ohnedies bei der Auslegung Berücksichtigung finden; siehe zu dieser so genannten verfassungsorientierten Auslegung und ihrem Verhältnis zur verfassungskonformen Auslegung vorläufig H. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 85 f.; Höpfner, Auslegung, S. 178 ff.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, S. 306 f.; Einzelheiten in § 6 und § 7. 413 Verbreitet wird auch davon gesprochen, dass praktische Konkordanz zwischen den betroffenen Prinzipien herzustellen ist; siehe etwa Alexy, Theorie, S. 152; Drüen,

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unterhalb der Schwelle eines ansonsten auftretenden Wertungswiderspruchs als übergreifende Auslegungsmaxime Geltung.

C. Auslegung: Qualifizierte Konfliktlagen Die zweite Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass der Wortlaut der entsprechenden Vorschriften zwar ebenfalls für sich betrachtet offen genug ist, um eine Berücksichtigung von Wertungen anderer Teilrechts­ ordnungen zu ermöglichen. Jedoch ist aus der Regelungssystematik und -teleologie, die der Gesetzgeber in der unmittelbar einschlägigen Teilrechtsordnung getroffen hat, ein ganz bestimmtes Auslegungsergebnis abzuleiten – und dieses Auslegungsergebnis ist nicht mit den Wertungen einer anderen Teilrechtsordnung vereinbar.414 Die unmittelbar einschlägige Teilrechtsordnung lässt hier also eine vorrangige Berücksichtigung der Wertungen dieser anderen Teilrechtsordnung aus sich heraus nicht zu.415 Handelt es sich bei den beeinträchtigten Wertungen um solche geringen Gewichts, wird regelmäßig bereits eine einfache Abwägung ergeben, dass das auf Basis der sachnäheren Teilrechtsordnung gefundene Ergebnis Vorrang hat. Der problematische Fall ist mithin derjenige, in dem das gefundene Auslegungsergebnis mit grundlegenden Wertungen einer anderen Teilrechtsordnung unvereinbar ist. Wie sogleich nachgewiesen wird, hätte ein Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung in seiner vielfach für geltendes Recht erachteten Ausprägung als Gebot einer systematisch-teleologischen Auslegung unter Berücksichtigung grundlegender Wertungen anderer Teilrechtsordnungen416 an dieser Stelle seinen eigentlichen Anwendungsbereich.

Periodengewinn, S. 96 f.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 62 (mit S. 36 ff.). Dieser Vorgang ist als „Festsetzung einer (bedingten) Vorrangrelation“ bezeichnet worden (Alexy, aaO, S. 81; ders., Rechtstheorie 1987, 405, 409; Bydlinski, System, S. 26). 414 In der Terminologie Deinerts, Privatrechtsgestaltung, S. 74 f. handelt es sich um Fälle, in denen die Vermutung der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (siehe Fn 410) nicht eingreift bzw. widerlegt ist. 415 Selbstverständlich kann der Gesetzgeber ihre Berücksichtigung auch im Rahmen der anderen Teilrechtsordnung anordnen. In einem solchen Fall stellt sich das hier zu analysierende Problem aber von vornherein nicht, weil die Rechtslage eindeutig ist. 416 Vgl. aus dem steuerrechtlichen Schrifttum P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 AO Rz. 24 ff.; Hallerbach, DStR 1999, 2125, 2128; P. Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 31 ff.; Raupach, FS Tipke, S. 105, 113 f. sowie bereits Würtenberger, FR 1966, 20, 23.

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Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

Diese Fallgruppe lässt sich ebenfalls an einem viel diskutierten Beispiel aus dem Steuerrecht veranschaulichen, an dem auch die ganze Problematik seiner Bewältigung deutlich wird: Der Große Senat des Bundesfinanzhofs hatte im Jahr 1983 darüber zu entscheiden, ob Geldbußen nach damaliger Rechtslage gemäß § 4 Abs. 4 EStG als Betriebsausgaben abgezogen werden konnten, wenn sie im Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit standen.417 Einleitend ist anzumerken, dass die gesetzlichen Regelungen, die die entsprechenden Situationen nach heutiger Rechtslage erfassen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8, § 9 Abs. 5, § 12 Nr. 4 EStG sowie § 10 Nr. 3 KStG), seinerzeit noch nicht existiert haben, sondern vielmehr erst die gesetzgeberische Reaktion auf ebendiese Entscheidung des Großen Senats bildeten.418 Das damalige Rechtsproblem soll hier nicht in seiner vollen Komplexität analysiert und gelöst werden,419 sondern wird im Gegenteil durch Vereinfachung derart zugespitzt, dass ein eindeutiger Anwendungsfall dieser zweiten Fallgruppe entsteht. Dazu werden folgende drei Prämissen zugrunde gelegt: Den Ausgangspunkt bildet die Feststellung, dass § 4 Abs. 4 EStG – erstens – einer Berücksichtigung von Wertungen anderer Teilrechtsordnungen nicht von vornherein entgegensteht. Der Betriebsausgabenbegriff ist vielmehr zu Recht als „normativ“ bzw. „wertbezogen“ charakterisiert worden.420 Das Tatbestandsmerkmal der „betrieblichen Veranlassung“ ist offen genug, um eine Einbeziehung teilrechtsordnungsübergreifender Wertungen zu ermöglichen421 – und ließe daher insbesondere eine (einschränkende) verfassungskonforme Auslegung zu, die dieses Ziel verfolgt.422 417 BFH GrS BStBl. II 1984, 160. 418 Näher Drüen, DB 2013, 1133, 1133 f.; Lang, StuW 1985, 10, 10 f. 419 Ausführlich dazu insbesondere Lang, StuW 1985, 10, 10 ff.; zuletzt Drüen, DB 2013, 1133, 1134 ff. 420 Birk, NJW 1985, 1939, 1941; im gleichen Sinne Lang, StuW 1985, 10, 18 a.E. 421 Dass § 4 Abs. 4 EStG einer entsprechenden Auslegung grundsätzlich zugänglich ist, wird ganz weithin zugrunde gelegt; siehe z.B. Birk, NJW 1985, 1939, 1940 ff.; Raupach, FS Tipke, S. 105, 114 a.E. und 117 ff.; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 48. Auch der Große Senat hat ganz offensichtlich eine einschränkende Auslegung nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 164 ff.). Die von Felix, Rechtsordnung, S. 389 ff. vertretene Gegenauffassung ist zu eng (näher sogleich, Fn 422). 422 Zu Recht zugrunde gelegt bei Birk, NJW 1985, 1939, 1942 f. Demgegenüber läuft die Argumentation bei Felix, Rechtsordnung, S. 389 ff. (S. 393 f.) darauf hinaus, dass sogar eine verfassungskonforme Auslegung ausscheiden müsste. An der hierfür erforderlichen „Deformation des gesetzgeberischen Willens“ (näher Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 281 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG; siehe auch etwa Drüen, StuW 2012, 269, 275 ff.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, S. 307 ff.; Stern, Staatsrecht/I, § 136) dürfte es schon angesichts der jahrzehntelangen Rechtsprechung des RFH und spä-

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Zweitens wird im Folgenden die (allerdings nicht zweifelsfreie)423 Auffassung des Großen Senats zugrunde gelegt, dass die Abziehbarkeit der in Rede stehenden Geldbußen vom steuerrechtlichen Nettoprinzip gefordert werde424 – und daher auch geboten sei, weil der Gesetzgeber ein Abzugsverbot weder im Steuerrecht noch in den Vorschriften des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts geregelt habe.425 Für eine vorrangige Berücksichtigung strafrechtlicher Wertungen (hier: Zweck der Geldbuße, ein unlauteres Gewinnstreben zu bekämpfen) bleibe vor dem Hintergrund dieser klaren gesetzgeberischen Ausgangslage aus Sicht des Steuerrechts daher kein Raum.426 Drittens soll davon ausgegangen werden, dass das Auslegungsergebnis des Großen Senats tatsächlich mit strafrechtlichen Grundwertungen unvereinbar war, weil der Strafzweck durch die Abziehbarkeit teilweise verfehlt wurde.427 Wie war dieser Konflikt zu bewältigen? Die Lösung des Großen Senats war denkbar einfach und lässt sich wie folgt auf den Punkt bringen: Der ter des BFH fehlen, die einer Abzugsfähigkeit von Strafzahlungen entgegenstand (Nachweise in BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 162 f.) und dem Gesetzgeber bekannt gewesen ist. Aus demselben Grund erscheint es auch fernliegend, diese Auslegung als unvereinbar mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung anzusehen (überzeugend Walz, StuW 1984, 170, 171 unter Berufung auf BVerfGE 19, 166, 177 mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes). Entschiede man hier anders, wäre ein Anwendungsfall der dritten Fallgruppe gegeben (näher zu ihr sogleich unter D.). 423 Da das Nettoprinzip, auf das sich der Große Senat berufen hat, aus dem Leis­ tungsfähigkeitsprinzip folgt, das seinerseits Ausdruck verteilender Gerechtigkeit ist (ausführlich dazu unten § 5), ließe sich vertreten, dass es schon aus sich heraus Raum auch für Gerechtigkeitswertungen anderer Teilrechtsordnungen lässt. Viele Gegner der Rechtsprechungsauffassung begründen ihren Standpunkt (Nichtabziehbarkeit von Geldbußen bzw. Geldstrafen) jedoch anders (exemplarisch Tipke, StRO I, S. 50 mit Fn 83): Zwar liege eine Durchbrechung des Nettoprinzips vor. Diese sei jedoch aufgrund des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung und wegen des Vorrangs strafrechtlicher Wertungen geboten. Ob ein solches Prinzip besteht, ist aber gerade die Frage! 424 BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 163 ff. (165 f.); siehe auch BVerfGE 81, 228, 237; Drüen, DB 2013, 1133, 1134 f.; Schön, StuW 1995, 366, 371; ausführlich Lang, StuW 1985, 10, 16 ff. (20 ff.). 425 BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 163 ff.; dem folgend Lang, StuW 1985, 10, 21 f. 426 In diesem Sinne BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 165 f. Wäre diese Annahme des Gerichts allerdings, wie in Fn 423 angedeutet, unzutreffend, läge ein Anwendungsfall der ersten Fallgruppe vor – und der Senat hätte es sich zu einfach gemacht, denn er hat keine umfassende Abwägung vorgenommen. 427 Etwas anderes würde gelten, wenn ein Ausgleich über Mechanismen des Strafbzw. Ordnungswidrigkeitenrecht möglich wäre, namentlich die Geldbuße erhöht werden könnte, um ihre steuerliche Abzugsfähigkeit im wirtschaftlichen Ergebnis zu kompensieren (vgl. Drüen, DB 2013, 1133, 1135 sowie zu Abschöpfungsbeträgen BVerfGE 81, 228, 238 ff.).

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Wertungswiderspruch ist hinzunehmen. Wenn der Gesetzgeber ihn vermeiden will, muss er gestaltend eingreifen.428 Das Abwägen zwischen dem steuerrechtlichen Nettoprinzip und dem strafrechtlichen Zweck der Geldbuße sei Sache des Gesetzgebers und nicht Sache des Richters.429 Bemerkenswerterweise hatte der Bundesfinanzhof die Dinge in früheren Entscheidungen noch ganz anders gesehen und über die Formel „Einheit der Rechtsordnung“ strafrechtlichen Wertungen zum Durchbruch verholfen.430 Gerade vor diesem Hintergrund könnte man den Eindruck gewinnen, als habe der Große Senat Rechtsverweigerung betrieben, indem er ausdrücklich davon abgesehen hat, selbst einen Ausgleich zwischen den straf- und steuerrechtlichen Wertungen herzustellen.431 So hat Walz dem Gericht „fundamentalistischen Gesetzespositivismus“ und „strikten Buchstabenglauben“ vorgeworfen.432 Die Behauptung des Senats, er wende nur das Gesetz an, entpuppe sich „als bequeme Schutzbe­ hauptung“.433 Vielmehr reichten die spezifisch steuerrechtlichen Wertungen nur so weit, wie die Autonomie des Steuerrechts selbst.434 Diese ende aber dort, wo ein klar umrissenes, überragendes rechtspolitisches Anliegen einer benachbarten Teilrechtsordnung der Durchsetzung der steuerrechtlichen Wertungen entgegenstehe.435 Diese Argumentation Walz' leidet jedoch unter einem Mangel, der in § 3436 bereits angesprochen worden ist:437 Seine Kritik wäre nur dann plausibel, wenn es einen 428 BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 165; zustimmend Döllerer, BB 1984, 545, 546 ff.; Felix, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 90; Lang, StuW 1985, 10, 21 ff.; H. Vogel, NJW 1985, 2986, 2988; ganz ähnlich in anderem Zusammenhang BayObLG NJW 1990, 2328, 2333. 429 BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 165. Ein anderes Ergebnis sei auch nicht verfassungsrechtlich geboten (S. 165 f.); vgl. auch (in anderem Zusammenhang) BayObLG NJW 1990, 2328, 2333. 430 BFH GrS BStBl. II 1978, 105, 109; BFH BStBl. II 1972, 623, 624; BFH BStBl. II 1969, 74, 75 f.; offen gelassen von BFH BStBl. II 1982, 467, 469; zu historischen Hintergründen Drüen, DB 2013, 1133, 1133; diesen Gedanken nunmehr ablehnend BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 166. 431 Dies wäre jedenfalls dann der Fall, wenn die oben vorausgesetzte zweite Prämisse – das Steuerrecht steht an dieser Stelle einer Berücksichtigung strafrechtlicher Wertungen entgegen – nicht zuträfe; näher Fn 423 und 426. 432 Walz, StuW 1984, 170, 170 f. Zu bedenken ist allerdings, dass auch das Nettoprinzip und das hinter ihm stehende Leistungsfähigkeitsprinzip Grundwertungen darstellen (vgl. die Einordnung des Beschlusses des Großen Senats bei Lang, StuW 1985, 10, 28). 433 Walz, StuW 1984, 170, 173 f. 434 Walz, StuW 1984, 170, 174. 435 Walz, StuW 1984, 170, 173 f. 436 Siehe dort unter B V. (bei Fn 318). 437 Die nachfolgende Kritik am Ansatz Walz' betrifft lediglich die Folgerungen, die er aus dem so skizzierten „ordre public“ (näher oben S. 41 ff.) für die Rechtsan­

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Verfassungsrechtssatz gäbe, auf den ein Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung gestützt werden kann, das die teilrechtsordnungsübergreifende Herstellung von Wertungskongruenzen gebietet. Eine solche verfassungsrechtliche Ableitung seines „ordre public“438 bleibt Walz aber schuldig. Dass hier – anders als in der ersten Fallgruppe – ein Rückgriff auf Verfassungsrecht notwendig ist, zeigt folgende Überlegung: Was als Betriebsausgabe zu gelten hat, entscheidet das nach der Systematik der gesetzgeberischen Gesamtregelung dazu berufene Steuerrecht.439 Seine Auslegung führt – was hier unterstellt wird – zu dem Ergebnis, dass Geldbußen abziehbar sind und strafrechtlichen Wertungen kein Vorrang eingeräumt werden kann. Hierin liegt nach dem Regelungsplan des Gesetzgebers folglich die angemessene Lösung des Rechtsproblems. Bei ausschließlicher Betrachtung der einfachgesetzlichen Lage schlagen die strafrechtlichen Wertungen mithin nicht durch.440 Und genau hierauf hat sich der Große Senat der Sache nach berufen. Konsequenterweise bedarf es daher einer verfassungsrechtlichen Grundlage, um diese Sperrwirkung der sachnäheren Teilrechtsordnung (hier: Steuerrecht) zu überwinden. In diesen, soeben anhand eines Beispiels abgeleiteten Zusammenhängen spiegelt sich zugleich der wesentliche Unterschied zwischen den Fallgruppen 1 und 2 wider: In Fallgruppe 1 bildet die Berücksichtigungsfähigkeit (auch) teilrechtsordnungsfremder Wertungen einfach den Ausfluss einer verständigen Würdigung der gesetzgeberischen Gesamtregelung, ohne dass hierfür ein Rückgriff auf übergeordnete Prinzipien erforderlich wäre.441 Es handelt sich folglich um ein Auslegungsprinzip, das bereits einfachgesetzlich fundiert ist. Bleibt man allerdings bei dieser einfachgesetzlichen Ableitung stehen, so endet die Wirkkraft dieses Auslegungswendung zieht. Nicht gemeint sind seine Ausführungen, wonach das Steuerrecht eine Berücksichtigung strafrechtlicher Wertungen hier bereits aus sich heraus ermögliche (siehe vor allem Walz, StuW 1984, 170, 171 f. und 173 f.); vgl. dazu Fn 431. 438 Er wäre in dieser Fallgruppe deckungsgleich mit einem Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, da es hier – wie eingangs dargelegt – ebenfalls um die Berücksichtigungsfähigkeit grundlegender Wertungen und Prinzipien anderer Teilrechtsordnungen geht. Auch hat Walz in diesem Zusammenhang das Adjektiv „wirtschaftsrechtlich“ nicht mehr verwendet (näher oben bei Fn 307). 439 Selbstverständlich kann der Gesetzgeber etwas anderes anordnen, insbesondere den Konflikt mittels einer strafrechtlichen Norm lösen (siehe bereits Fn 415) – was hier aber gerade nicht geschehen ist (vgl. BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 164 f.). 440 Gleicher Gedanke (in etwas anderem Zusammenhang) bei Engisch, Rechtsordnung, S. 75 und S. 84. 441 Siehe oben S. 70 f.

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grundsatzes notwendig dort, wo das einschlägige Gesetzesrecht mit Eindeutigkeit ein ganz bestimmtes Auslegungsergebnis gebietet, das die Einbeziehung teilrechtsordnungsfremder Wertungen nicht zulässt (Fallgruppe 2). Der Rechtsanwender könnte in einem derartigen Fall folglich nur dann zu einem abweichenden Ergebnis gelangen, wenn es einen Verfassungsrechtssatz gäbe, der ihn dazu berechtigt, das durch das einfache Recht vorgegebene Auslegungsergebnis zu überwinden. Dafür kommen zwei ganz unterschiedliche Begründungsansätze in Betracht: Denkbar ist zum einen, dass von vornherein, d.h. auch unab­ hängig vom Bestehen des Wertungswiderspruchs, ein konkretes verfassungsrechtliches Gebot existiert, wonach die Wertung der anderen Teilrechtsordnung (im Beispiel: Strafrecht) zur Geltung zu bringen ist. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn die entsprechende Wertung selbst Ausdruck eines Verfassungsprinzips ist, das durch die Rechtsanwendung verletzt würde442 oder sonst bei der Auslegung zu berücksichtigen ist.443 Gegebenenfalls muss eine Abwägung auf Verfassungsebene vorgenommen werden, wenn das konfligierende Prinzip, das der sachnäheren Teilrechtsordnung zugrunde liegt, ebenfalls verfassungsgeleitet ist. Darüber hinaus ist die Situation denkbar, dass die betroffenen Regelungen in ihrer Zusammenschau konkreten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen.444

442 Dann müsste eine verfassungskonforme Auslegung vorgenommen werden (vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 488 f.). Die im Haupttext vorgezeichnete Prüfung hat der Große Senat nicht vorgenommen. Vielmehr hat er in verfassungsrechtlicher Hinsicht lediglich Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geprüft (BFH GrS BStBl. II 1984, 160, 165 f.). 443 Zu der auch unterhalb der Schwelle eines Verfassungsverstoßes in Betracht kommenden Möglichkeit einer verfassungsorientierten Auslegung siehe vorläufig die Nachweise in Fn 412. Allerdings wird sie in normativen Situationen der hier beschriebenen Art (Fallgruppe 2) in aller Regel nicht durchgreifen, da die übrigen Auslegungsmethoden zu einem eindeutigen Ergebnis führen und der verfassungsorientierten Auslegung im Verhältnis zu ihnen kein grundsätzlicher Vorrang zukommt (vgl. Canaris, FS Kramer, S. 141, 146, 150 und insbesondere S. 154; Höpfner, Auslegung, S. 179 f., S. 183); Einzelheiten in § 6 und § 7. 444 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang BVerfGE 81, 228, 236 ff. (238); allgemein zur Notwendigkeit einer solchen Zusammenschau aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG Felix, Rechtsordnung, S. 274 ff. Ein weiteres Beispiel bildet die Gesamtbetrachtung steuer- und sozialrechtlicher Regelungen in der Entscheidung BVerfGE 82, 60, 83 ff. im Hinblick auf die kindbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit (siehe auch BVerfGE 99, 246, 266 f.); näher dazu Felix, aaO, S. 185 ff.; vgl. auch die (allerdings nicht zweifelsfreien) Ausführungen in BVerfGE 120, 1, 52 ff. zur Einbeziehung gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten in die verfassungsrechtliche Beurteilung von Steuervorschriften; siehe ferner BFH/NV 2011, 1142,

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Zum anderen könnte – anders als der Große Senat offenbar meint445 – ein Verfassungsprinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung bestehen, das eine Einbeziehung (auch) einfachgesetzlicher Wertungen und Prinzipien anderer Teilrechtsordnungen in den Auslegungsprozess gebietet.446 Dann könnten sie, vermittelt über dieses Prinzip, im Wege verfassungskonformer Auslegung zur Geltung gelangen.447 Zusammenfassend ist festzuhalten: Wenn die Grundwertungen der unmittelbar einschlägigen Teilrechtsordnung ein bestimmtes Auslegungsergebnis gebieten, bedarf es zu seiner Überwindung einer verfassungsrechtlichen Grundlage.448 Schon hier, d.h. auf Auslegungsebene, muss die Einbeziehung grundlegender Wertungen anderer Teilrechtsordnungen daher verfassungsrechtlich fundiert werden, da vom Regelungsplan des Gesetzgebers abgewichen werden soll.449

D. Eindeutige gesetzliche Anordnungen Dies gilt in wenigstens gleichem Maße für die dritte Fallgruppe, die sich dadurch auszeichnet, dass der Gesetzgeber eine Rechtsfolge ausdrücklich anordnet, die den Grundwertungen einer anderen Teilrechtsordnung zuwiderläuft. Der Hauptunterschied zur zweiten Fallgruppe besteht darin, dass hier eine verfassungskonforme Auslegung nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber in der Lage, Rechtsfolgen festzuschreiben, die nicht unbedingt durch die (Grund-)Wertungen der sachnäheren Teilrechtsordnung geboten sind.450 Beides lässt sich an folgender Abwandlung des unter B. angeführten Beispiels verdeutlichen: Ordnete der Gesetzgeber positiv an, dass der Kommanditist unbeschränkt 1144 im Hinblick auf das Veranlagungswahlrecht nach § 26 EStG vor dem Hintergrund etwaiger zivilrechtlicher Zustimmungspflichten. 445 Siehe insbesondere die bei Fn 429 zitierte Passage aus den Gründen (BFH GrS BSt Bl. II 1984, 160, 165); vgl. auch die Ausführungen auf S. 166 zur „Einheit der Rechtsordnung“. 446 Welche Wertungen sich durchsetzen, wäre in diesem Fall durch Abwägung zu ermitteln. 447 Näher dazu sogleich unter E. 448 Im selben Sinne Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 76. 449 Folglich geht es – bei materieller Betrachtung – bereits an dieser Stelle darum, eine Bindung des Gesetzgebers zu begründen. Der hier beschriebene Zusammenhang findet im Schrifttum häufig keine hinreichende Berücksichtigung; vgl. die Nachweise in Fn 393. 450 In Extremfällen kann die Nichtberücksichtigung der Wertungen anderer Teilrechtsordnungen sogar gegen die eigenen Grundwertungen verstoßen; zu Beispielen aus dem Steuerrecht siehe Raupach, FS Tipke, S. 105, 109 f.; Seer, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 46.

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für Gewerbesteuerschulden einzustehen hat, wäre dies eine eindeutige gesetzliche Anordnung, die einem grundlegenden Strukturprinzip des Personengesellschaftsrechts zuwiderläuft und sich nicht durch verfassungskonforme Auslegung beseitigen lässt. Diese unbeschränkte Haftung wäre auch nicht zwingend aufgrund spezifisch steuerrechtlicher Wertungen geboten.

E. Verfassungsprinzip? I. Ausgangspunkt Mithin ergibt sich folgender Befund: In der ersten Fallgruppe bedarf es eines eigenständigen Prinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechts­ ordnung nicht, weil ohnehin eine Abwägung sämtlicher Wertungen, die von der Rechtsanwendung betroffen sind, zu erfolgen hat, ohne dass diese Notwendigkeit mit Hilfe eines übergeordneten Strukturprinzips begründet werden müsste. Dagegen geht es in der zweiten und dritten Fallgruppe darum, den Regelungsplan des Gesetzgebers mit Blick auf grundlegende Wertungen und Prinzipien anderer Teilrechtsordnungen abzuändern – weswegen eine verfassungsrechtliche Grundlage erforderlich ist. Keine besonderen methodischen Schwierigkeiten treten auf, wenn diese Grundwertungen und -prinzipien bereits selbst verfassungsgeleitet sind oder es sonst verfassungsrechtlich geboten ist, sie auch unab­hängig vom Bestehen des Wertungswiderspruchs zu berücksichtigen.451 Dann kommt im Rahmen der zweiten Fallgruppe eine verfassungs­ konforme Auslegung in Betracht, die zu einer Abänderung des durch das einfache Recht vorgezeichneten Ergebnisses führt, wenn andernfalls ein Verfassungsverstoß vorläge.452 Ob Letzteres der Fall ist, muss gegebenenfalls durch eine umfassende Abwägung auf Verfassungsebene ermittelt werden. In der dritten Fallgruppe ist demgegenüber keine verfassungskonforme Auslegung möglich. Die entsprechende Norm ist mithin (in der Regel) nichtig, wenn eine Verletzung des Grundgesetzes festgestellt werden kann.453

451 Vgl. bereits Felix, Rechtsordnung, S. 177 ff.; zu dem zuletzt genannten Aspekt siehe oben bei Fn 444. 452 Vgl. wiederum Felix, Rechtsordnung, S. 180 f.; näher zu den Voraussetzungen und Grenzen der verfassungskonformen Auslegung Wernsmann, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 280 ff.; Drüen, StuW 2012, 269, 270 ff.; vgl. auch bereits Fn 422. 453 Siehe nur Larenz, Methodenlehre, S. 488 f.

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Ein Rückgriff auf ein übergeordnetes Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist in den zuletzt genannten Fällen nicht erforderlich, weil Prüfungsmaßstab die jeweils anwendbaren Verfassungsnormen selbst sind. Insbesondere können bei zahlreichen Konstellationen, die in der steuerrechtlichen Literatur als Anwendungsfälle eines solchen Prinzips angeführt werden, die jeweils betroffenen Grundrechte als unmittelbar einschlägige Verfassungsnormen herangezogen werden. So lässt sich die von Flume als Verstoß gegen die „allgemeine Rechtsordnung“ angesehene, nach früherem Recht angeordnete gemeinsame Veranlagung von Familienmitgliedern für die Einkommen- und die Vermögensteuer, die eine umfassende gesamtschuldnerische Haftung auch der Kinder für die entsprechenden Steuerschulden zur Folge hatte,454 über Art. 6 Abs. 1 GG lösen, ohne dass zusätzlich auf ein übergeordnetes Strukturprinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zurückgegriffen werden müsste.455 Und die Notwendigkeit, das Existenzminimum steuerfrei zu stellen,456 folgt bereits daraus, dass der existenznotwenige Bedarf den Zugriff durch die Einkommensteuer von Verfassungs wegen begrenzt.457 Die eigentlich problematischen Fälle sind mithin diejenigen, bei denen grundlegende Wertungen bzw. Prinzipien betroffen sind, die auf einfachgesetzlicher Grundlage stehen458 – was zur Folge hat, dass das Grundgesetz jedenfalls unmittelbar keine Hilfestellung leistet. Ein anschauliches Beispiel bildet wiederum die unbeschränkte Kommanditistenhaftung für Gewerbesteuerschulden nach Maßgabe der Abwandlung unter D., die mit einem wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Strukturprinzip (grund454 Näher Flume, Steuerwesen, S. 10 ff. Dieses Beispiel wird von Schön, StuW 2005, 247, 252 a.E. aufgegriffen. 455 Vgl. Tipke, StRO I, S. 60; siehe im vorliegenden Zusammenhang auch BVerfGE 18, 97, 104 ff.; BVerfGE 6, 55, 66 ff. (70 ff.). 456 In diesem Zusammenhang angeführt von Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 45; Tipke, StRO I, S. 60 sowie P. Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 31. 457 Siehe vorläufig nur BVerfGE 120, 125, 154; BVerfGE 110, 412, 431; vgl. im vorliegenden Kontext auch Felix, Rechtsordnung, S. 178 ff., S. 185 ff. Auf die Einzelheiten der verfassungsrechtlichen Ableitung der Steuerfreiheit des Existenzminimums wird in § 5 noch ausführlich eingegangen. An dieser Stelle sei hervorgehoben, dass die Bedarfstatbestände des Sozialhilferechts nach der Rechtsprechung des BVerfG lediglich den Maßstab für die Grenzziehung bilden; vgl. BVerfGE 120, 125, 154 f.; BVerfGE 99, 246, 259 ff.; BVerfGE 87, 153, 170 f. („Maßgröße“) sowie in diesem Zusammenhang auch Felix, aaO, S. 280 ff. 458 Gleichzustellen sind Fälle, in denen die beeinträchtigte Wertung bzw. das beeinträchtigte Prinzip zwar verfassungsgeleitet ist, die abweichende Regelung der gegenläufigen Teilrechtsordnung aber verfassungsrechtlich (noch) haltbar ist und auch sonst kein spezielles verfassungsrechtliches Berücksichtigungsgebot besteht (näher zu diesem Punkt oben Fn 444).

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sätzlich beschränkte Außenhaftung des Kommanditisten) unvereinbar wäre. Schriebe der Gesetzgeber sie fest, wäre ein Rückgriff auf Grundrechte kaum Erfolg versprechend: Schon angesichts der Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in diesem Bereich459 scheidet eine Verletzung des Art. 9 Abs. 1 GG aus. Andere Freiheitsgrundrechte helfen ersichtlich ebenfalls nicht weiter. Und einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darauf stützen zu wollen, dass der Gesetzgeber ein grundlegendes gesellschaftsrechtliches Prinzip außer Acht gelassen hat, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil ein und derselbe Sachverhalt betroffen ist, so dass es in dieser Hinsicht an einem Vergleichspaar fehlt.460 Das Problem spitzt sich mithin auf die Frage zu, ob es einen Verfassungsrechtssatz461 gibt, der den Gesetzgeber dazu verpflichtet, sich nicht in Widerspruch zu Wertentscheidungen zu stellen, die er selbst in anderen Teilen der Rechtsordnung getroffen hat. Im Falle der Existenz eines solchen Verfassungsprinzips wären die entsprechenden einfachgesetzlichen Wertungen folglich mittelbar auch verfassungsrechtlich relevant, wobei das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung die Mittlerrolle einnähme.462 Fraglich ist mithin, ob sich ein solches Verfassungsprinzip nachweisen lässt. Dies wird in erster Linie mit Blick auf die dritte Fall-

459 Siehe nur Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 9 Rn. 33a ff. (36) mit weiteren Nachweisen. 460 Näher sogleich unter II. Demgegenüber betrifft die Gleichbehandlung von Kommanditisten und persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Ebene; auch hierauf wird unter II. zurückzukommen sein. 461 Demgegenüber versprechen Ableitungen unmittelbar aus überpositiven Rechtsquellen, insbesondere aus der Rechtsidee (so mit Blick auf das komplexe Verhältnis zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht Herresthal, JJZ 2008, 139, 166 ff.; ders., Rechtsfortbildung, S. 166 ff.; siehe ferner – allgemeiner – Bydlinski, System, S. 69 f.; Canaris, Systemdenken, S. 69 f.; dens., Feststellung, S. 96 a.E., S. 106 ff.; ablehnend etwa Höpfner, Auslegung, S. 38 ff.; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, Rn. 916 ff.; Nachweise zum Streitstand bei Höpfner, aaO; Schenke, Rechtsfindung, S. 87) zumindest im vorliegenden Kontext keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Denn bereits die für den Gesetzgeber ohne weiteres verbindlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben – insbesondere das Rechtsstaatsprinzip und der Gleichheitssatz – lassen genügend Raum für die Einbeziehung rechtsethischer Wertungen und Gerechtigkeitsprinzipien, wenn sie – wie in aller Regel – mit der Werteordnung des GG kompatibel sind; zu Art. 3 Abs. 1 siehe Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 3 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 82 ff.; zum Rechtsstaatsprinzip siehe Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 103 ff. sowie die Nachweise bei Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 231, 236; ausführlich zum Ganzen Dieckmann, Überpositives Recht, S. 15 ff. 462 Siehe bereits Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 430; Kohl, Normgebung, S. 141 f.

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gruppe diskutiert – und ist überaus umstritten.463 Unter den Befürwortern, zu denen ganz offensichtlich auch das Bundesverfassungsgericht zählt,464 finden sich im Kern zwei Begründungsansätze, die bisweilen kumulativ angeführt werden: der allgemeine Gleichheitssatz465 und das Rechtsstaatsprinzip.466

II. Art. 3 Abs. 1 GG Betrachtet wird zunächst Art. 3 Abs. 1 GG: Sollte diese Vorschrift tatsächlich die Rechtsgrundlage für ein Prinzip der Widerspruchsfreiheit 463 Ablehnend Brüning, NVwZ 2002, 33, 35 ff.; Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 76 ff.; K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1098 ff.; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 439 ff.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 591 ff.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 2 ff.; Peine, NJW 1990, 2442, 2446; ders., System, S. 24; Rodi, StuW 1999, 105, 108 ff. (110); R. Schmidt, FS Canaris, Bd. II, S. 1353, 1355 ff.; R. Schmidt/Diederichsen, JZ 1999, 37, 38; H.P. Schneider, ZRP 1998, 323, 327; Sendler, NJW 1998, 2875, 2875 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 184 ff.; siehe ferner Degenhart, Sys­ temgerechtigkeit, S. 90 ff.; Müller-Franken, StuW 1997, 3, 18 f. sowie – aus etwas anderem Blickwinkel – Baldus, Rechtsordnung, S. 199 ff.; nach eingehender verfassungsrechtlicher Analyse für den Regelfall ablehnend auch Felix, Rechtsordnung, S. 360 ff. sowie S. 253 ff. (mit S. 235 ff.) und S. 266 ff. sowie (zu der allgemeineren Problemstellung einer Selbstbindung des Gesetzgebers) Peine, Systemgerechtigkeit, S. 105 ff., S. 164 ff., S. 180 ff. (S. 313 f.). 464 Grundlegend BVerfGE 98, 106, 117 ff.; BVerfGE 98, 83, 97 f. (gestützt auf das Rechtsstaatsprinzip); aus der Folgezeit vgl. BVerfGE 128, 282, 318; BVerfG NVwZ 2009, 905, 906; BVerfGE 119, 331, 366; BVerfG NVwZ 2007, 942, 943; BVerfGE 116, 164, 186 f.; BVerfGE 108, 169, 181 f.; BVerfGE 98, 265, 301. Auf diese Rechtsprechung wird unter III. noch ausführlich eingegangen; vgl. auch bereits BVerfG NJW 1996, 2086, 2086 (Kammerbeschluss), allerdings auf Art. 3 Abs. 1 GG Bezug nehmend. 465 P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 176 ff.; ders., StuW 2006, 3, 14; ders., StuW 2000, 316, 322; ders., StuW 1984, 297, 301 f.; ders., Rechtswidrigkeiten, S. 9, S. 31; A. Leisner, Kontinuität, S. 231 ff.; Sodan, JZ 1999, 864, 865 und 871 f.; siehe auch Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 165, S. 176 ff.; Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 100; Nachweise zur steuerrechtlichen Diskussion über den Topos „Einheit der Rechtsordnung“ in Fn 355; siehe im allgemeineren Kontext auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155 f.; vgl. bereits Canaris, Systemdenken, S. 16 f., S. 97 ff. (S. 100), S. 116, S. 121, S. 124 ff. 466 So (neben der in Fn 464 zitierten neueren Rechtsprechung des BVerfG) BFH BStBl­. II 2005, 360, 362; Frenz, DÖV 1999, 41, 43 ff.; Jobs, DÖV 1998, 1039, 1044 f.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 179; ders., StuW 2006, 3, 14; ders., StuW 2000, 316, 322; Naujok, BB 2007, 1365, 1371; Sodan, JZ 1999, 864, 865 und 868 f.; Weber-Grellet, Steuern, S. 149 (siehe aber S. 194); siehe auch Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 100 sowie bereits Ossenbühl, DVBl. 1990, 963, 967 a.E.; weitere Nachweise bei Felix, Rechtsordnung, S. 10 f.; speziell zur steuerrechtlichen Diskussion siehe Fn 356.

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der Rechtsordnung in seiner hier analysierten Ausprägung (Wertungskongruenz zwischen Teilrechtsordnungen) bilden, stellte sich das Problem in seiner soeben beschriebenen Zuspitzung (mittelbare Verfassungsrelevanz einfachgesetzlicher Wertungen?) nicht in voller Schärfe, denn der allgemeine Gleichheitssatz ist strukturell nicht in der Lage, eine unbedingte Bindung des Gesetzgebers an anderweitig getroffene Wertentscheidungen zu bewirken, da Abweichungen einer Rechtfertigung zugänglich wären.467 Ein unbedingtes Kongruenzgebot ließe sich Art. 3 Abs. 1 GG mithin von vornherein nicht entnehmen, so dass zahlreiche Wertungswidersprüche und -divergenzen hinzunehmen wären. Ein so abgeleiteter Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stellte sich als schlichter Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes dar – und hätte folglich im Kern keine weitergehende Bedeutung.468 Die verbreitet angenommene Ableitung eines Prinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung aus Art. 3 Abs. 1 GG trifft jedoch nicht zu, soweit das Verhältnis mehrerer Teilrechtsordnungen zueinander betroffen ist, die – wie in den hier zu untersuchenden Fällen – nebeneinander auf denselben Sachverhalt anwendbar sind.469 Das wird am soeben angeführten Beispiel der unbeschränkten Kommanditistenhaftung für Gewerbesteuerschulden besonders gut deutlich: Das Kernproblem liegt hier nicht in einer Gleich- bzw. Ungleichbehandlung mehrerer Personengrup-

467 Schön, StuW 2005, 247, 253; mit Blick auf die Rechsprechung zur Systemgerechtigkeit (näher sogleich) siehe auch die Analyse bei Peine, Systemgerechtigkeit, S. 53 ff. (S. 57 f.); siehe ferner Gursky, JurA 1970, 813, 816; Höpfner, Auslegung, S. 41 ff. (S. 44 ff.); Papier, StuW 1984, 315, 318 f.; Wieacker, Rechtstheorie 1970, 107, 116; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 30 sowie (im Rahmen der Würdigung des sogleich unter III. zu beleuchtenden Ansatzes der neueren Rechtsprechung) K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1099; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 595 f., die außerdem darauf hinweisen, dass Art. 3 GG nur auf Regelungen derselben Rechtssetzungsinstanz Anwendung findet. Die Schwelle zur Bejahung eines Gleichheitsverstoßes liegt hoch; vgl. im vorliegenden Zusammenhang nur Peine, aaO, S. 230 ff. (S. 234 f.), S. 255 ff., S. 287 ff. 468 Ähnlicher Befund in Bezug auf das (nicht zweifelsfreie) Systemgerechtigkeitsgebot bei Papier, StuW 1984, 315, 318 f. 469 Ausführlich Felix, Rechtsordnung, S. 266 ff.; vgl. auch Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 120; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 446. Bei sonstigen Konfliktlagen kann dies anders sein, insbesondere wenn dieselbe Teilrechtsordnung bzw. dasselbe Gesetz mehrere Sachverhalte nicht konsequent behandelt (siehe bereits Engisch, Rechtsordnung, S. 62 f. sowie oben Fn 387); zu diesem Bereich der so genannten Systemgerechtigkeit bzw. Folgerichtigkeit näher sogleich. Wie soeben bereits gezeigt, sind entsprechende gesetzliche Anordnungen aber in weitem Umfang rechtfertigungsfähig.

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pen bzw. Sachverhalte,470 sondern darin, dass auf einen identischen Sachverhalt gesetzliche Regelungen Anwendung finden, die wertungsmäßig nicht miteinander in Einklang stehen.471 Wie Dagmar Felix472 zutreffend herausgestellt hat, lassen sich Problemstellungen dieser Art – und damit auch ein Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung in seiner hier untersuchten Ausprägung – nicht über den Gleichheitssatz lösen, da er in dieser Hinsicht mangels Gleich- bzw. Ungleichbehandlung mehrerer Sachverhalte gar nicht einschlägig ist. So stellt sich im Beispielsfall das Problem der wertungsmäßig inkonsistenten Unterschiedsbehandlung des Kommanditisten durch Zivil- und Steuerrecht unabhängig davon, wie andere Sachverhalte behandelt werden. Zwar wird es häufig vorkommen, dass in der jeweiligen Situation zusätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Gleich- bzw. Ungleichbehandlung festgestellt werden kann. So käme im Beispielsfall als Anknüpfungspunkt für eine Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG die Gleichbehandlung von persönlich haftenden Gesellschaftern und Kommanditisten durch das Steuerrecht in Betracht. In dieser Hinsicht ginge es aber lediglich um eine steuerrechtsinterne Fragestellung, so dass sich sowohl die Feststellung der Gleichheitssatzrelevanz als auch eine etwaige Rechtfertigung an den Spezifika des Steuerrechts auszurichten hätten. Dementsprechend bliebe für Art. 3 Abs. 1 GG kein Raum, wenn die Gleichbehandlung aus Sicht des Steuerrechts systemkonform wäre.

Der allgemeine Gleichheitssatz ermöglicht eine Einbeziehung der beeinträchtigten Zivilrechtswertung also nicht aus sich selbst heraus. Hierfür bedarf es vielmehr einer anderweitigen verfassungsrechtlichen Grundlage. Die im einzelnen Fall in Betracht kommenden Gleichheitsprobleme stellen sich mithin unabhängig von der hier zu analysierenden Problemlage, da sie einen anderen Bezugspunkt aufweisen (Ungleichbehandlung verschiedener Lebenssachverhalte) und in aller Regel aus dem Binnenbe470 Zu der Differenzierung zwischen Personengruppen und Sachverhalten, die das BVerfG in zahlreichen Entscheidungen vorgenommen hat (siehe etwa BVerfGE 113, 167, 214 f.; BVerfGE 110, 274, 291; BVerfGE 99, 367, 388 f.; BVerfGE 91, 389, 401; BVerfGE 88, 87, 96 f.; BVerfGE 55, 72, 88 ff.) und namentlich für die Intensität der erforderlichen Rechtfertigung Bedeutung erlangen soll, näher Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 25 ff.; weitergehend K. Vogel, DStJG 12 (1989), 123, 138 ff. (139), der den allgemeinen Gleichheitssatz auf Regelungen beschränken will, die „an persönliche Eigenschaften eines Menschen anknüpfen“; neben ihn soll ein objektiv-rechtliches Willkürverbot treten; siehe auch dens., in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 93 mit weiteren Nachweisen. 471 Eine derartige Situation kann selbstverständlich auch innerhalb derselben Teilrechtsordnung vorkommen. Art. 3 Abs. 1 GG findet dann in dieser Hinsicht ebenfalls keine Anwendung. 472 Felix, Rechtsordnung, S. 266 ff. (S. 271 ff.); vgl. auch Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 120; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 446.

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reich einer der beteiligten Teilrechtsordnungen stammen. Ganz generell lässt sich festhalten, dass die Prüfung der Rechtfertigung einer Gleichoder Ungleichbehandlung von Sachverhalten (Personengruppen) völlig anders strukturiert ist als die Frage, ob es ein Verfassungsgebot gibt, wonach Teilrechtsordnungen unbedingt zu harmonisieren sind:473 Beide Problemfelder unterscheiden sich sowohl in ihren Anknüpfungspunkten (Gleich- bzw. Ungleichbehandlung mehrerer Sachverhalte; Anwendbarkeit wertungsmäßig nicht übereinstimmender Normen auf denselben Sachverhalt) als auch in ihren Rechtsfolgen (Verfassungsverstoß nur bei fehlender Rechtfertigung; potentiell umfassendes Synchronisierungsgebot). Sie stehen mithin quer zueinander. Allerdings wird ein Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung vielfach474 in einen engen Zusammenhang mit den weithin aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsätzen der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit475 gebracht. Dies dürfte sich mit der sprachlich-inhaltlichen Nähe der Begriffe „Folgerichtigkeit“ und „Widerspruchsfreiheit“ und der Weite der verwendeten Systembegriffe476 begründen lassen – und liegt auch überall dort nicht fern, wo die Frage zu beantworten ist, ob der Gesetzgeber mehrere Personengruppen bzw. Sachverhalte innerhalb eines Regelungsbereichs gleich bzw. ungleich behandeln darf,477 d.h. in aller 473 Dieser Zusammenhang lässt sich auch anhand der Entscheidung BVerfGE 13, 331 gut verdeutlichen. Hierauf wird weiter unten noch ausführlich eingegangen. 474 Brüning, NVwZ 2002, 33, 35 f.; Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 100; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 429 ff.; Konrad, DÖV 1999, 12, 16 f.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 176 ff. (179); ders., StuW 2006, 3, 14; ders., StuW 2000, 316, 316 ff.; ders., Rechtswidrigkeiten, S. 31; Schön, StuW 2005, 247, 252 f.; siehe bereits Canaris, Systemdenken, S. 16 ff., S. 97 ff., S. 112 ff. 475 Siehe zu ihnen vorläufig BVerfGE 60, 16, 40 und 43 sowie speziell zum Steuerrecht BVerfGE 117, 1, 30 f. (Folgerichtigkeit); BVerfGE 101, 151, 156; BVerfGE 101, 132, 139 (Systemgerechtigkeit); weitere Nachweise sogleich. 476 Vgl. dazu nur Canaris, Systemdenken, S. 11 ff.; Peine, System, S. 11 ff. Die allgemeine rechtstheoretische Diskussion bezieht sich nicht zuletzt auch auf teilrechtsordnungsübergreifende Systemstrukturen im Recht; vgl. etwa Canaris, aaO; Engisch, Rechtsordnung, S. 26 ff.; Peine, aaO; zum Verhältnis der hier zu beleuchtenden verfassungsrechtlichen Fragestellung zum juristischen Systembegriff innerhalb der methodologischen Diskussion näher Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 2 f. 477 Dazu, dass Systemgerechtigkeit – und damit auch Folgerichtigkeit (siehe Fn 480) – von vornherein nur dort eine Rolle spielen können, wo eine für Art. 3 Abs. 1 GG relevante Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegt, siehe BVerfGE 36, 383, 393 f.; Felix, Rechtsordnung, S. 286 f.; im Ausgangspunkt auch BVerfGE 55, 72, 88 f.; vgl. ferner Papier, StuW 1984, 315, 318 f.; siehe in diesem Zusammenhang auch die berechtigte Kritik an der herrschenden Meinung bei Kischel, AöR 124 (1999), 175, 176 und 193 ff.

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Regel bei teilrechtsordnungsinternen Fragestellungen. Bei der hier zu untersuchenden Ausprägung eines Prinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Forderung nach Wertungskongruenz zwischen Teilrechtsordnungen geht es jedoch – wie soeben gezeigt – um die hiervon prinzipiell zu unterscheidende Frage nach der Verfassungsrelevanz von Wertungsdivergenzen, die sich unabhängig von Gleichheitsfragen stellt und sich auch sonst nicht befriedigend über Art. 3 Abs. 1 GG lösen lässt.478 Daher ist es zumindest terminologisch unglücklich, wenn teilweise ein weiter Begriff der Folgerichtigkeit verwendet wird, der den Aspekt der Widerspruchsfreiheit zwischen Teilrechtsordnungen miterfasst.479 Nament­lich die Rechtsprechung legt dagegen einen engeren Begriff der Systemgerechtigkeit bzw. Folgerichtigkeit480 zugrunde, der sich auf Gleich- bzw. Ungleichbehandlungen innerhalb eines bestimmten Regelungsbereichs bezieht481 – und diese Fokussierung auf mehrere Sachver478 Siehe bereits Felix, Rechtsordnung, S. 285 ff. (zur Systemgerechtigkeit); Huster, Rechte und Ziele, S. 390. 479 So Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 100; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. VIII, § 181 Rn. 209 ff.; Prokisch, FS K. Vogel, S. 293, 305 ff. (308); siehe ferner BVerfG NJW 1996, 2086, 2086; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 165, S. 176 ff. („Systemkonsequenz“); P. Kirchhof, AöR 128 (2003), 1, 44 f.; dens., StuW 2000, 316, 322; Konrad, DÖV 1999, 12, 16 f.; MüllerFranken, StuW 1997, 3, 17; Schön, StuW 2005, 247, 252 f.; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 30 (zur Systemgerechtigkeit). Die Auffassung Kirchhofs, auch diese Ausprägung der Folgerichtigkeit habe ihre Grundlage u.a. in Art. 3 Abs. 1 GG (siehe insbesondere P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, aaO, Rn. 211; ebenso offenbar Englisch, aaO), trifft aus den genannten Gründen nicht zu. Ob die Ableitung eines so verstandenen Folgerichtigkeitsgebots aus dem Rechtsstaatsprinzip durch Prokisch, aaO (vgl. auch Englisch, aaO) haltbar ist, wird unter III. noch eingehend untersucht. 480 Beide Begriffe werden weithin als deckungsgleich angesehen bzw. verwendet; siehe BVerfGE 60, 16, 40 und 43; BFH BStBl. II 2006, 312, 323 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 44; Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 98; Huster, Rechte und Ziele, S. 390; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 595; MüllerFranken, StuW 1997, 3, 17; K.-A. Schwarz, FS Isensee, S. 949, 957; K. Vogel, DStJG 12 (1989), 123, 138; vgl. auch BVerfGE 116, 164, 199 ff.; siehe ferner die Recht­ sprechungsanalysen bei Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 433 und Peine, Sys­ temgerechtigkeit, S. 26 ff. (S. 31), der herausstellt, dass Bezugspunkt der Folgerichtigkeit in diesem Kontext ein System ist (S. 31 f. mit Fn 27); zwischen Sys­ temgerechtigkeit und Folgerichtigkeit differenzierend hingegen Drüen, FS Spindler, S. 29, 42 ff. (mit weiteren Nachweisen auf S. 36); Eckhoff, FS Steiner, S. 119, 119 ff. (125, 128 f.). 481 Wie weit der jeweilige Regelungsbereich im Einzelnen ausgedehnt werden kann, ist der Rechtsprechung des BVerfG nicht eindeutig zu entnehmen; näher Starck­, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 49 ff.; Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 101; siehe auch Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 169 ff.; sehr restriktiv BVerfGE 75, 78, 107; BVerfGE 40, 121, 139 f.; BVerfGE 34,

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halte ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG als gewähltem Prüfungs­ maßstab auch konsequent. Nur am Rande sei erwähnt, dass das Bundesverfassungsgericht – wohl auch aufgrund der erheblichen Literaturkritik an der Systemgerechtigkeit als Konkretisierungsmaßstab für die Prüfung des Gleichheitssatzes482 – seit längerer Zeit einschränkend betont, dass ein Systembruch als solcher keinen Gleichheitsverstoß begründet,483 sondern einen solchen lediglich indizieren kann.484 Das vom Bundesverfassungsgericht besonders in seiner jüngeren steuerrechtlichen Rechtsprechung ständig angeführte, auf die Herstellung von Belas­tungsgleichheit gerichtete Folgerichtigkeitsgebot485 wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung noch kritisch hinterfragt werden. An dieser Stelle genügt die Feststellung, dass die Topoi „Systemgerechtigkeit“ und „Folgerichtigkeit“ für die Frage nach der Verfassungsrelevanz eines teilrechtsordnungsübergreifenden Konsequenzgebots unergiebig sind. Die hier getroffene Aussage, dass Systemgerechtigkeit bzw. Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit zwischen Teilrechtsordnungen ganz verschiedene Dinge sind, mag angesichts des auf S. 35 ff. bereits analysier118, 130 f.; BVerfGE 11, 283, 293; berechtigte Kritik an einem zu starken Binnendenken bei Kischel, AöR 124 (1999), 174, 181; siehe auch Englisch, FS Lang, S. 167, 184 ff.; Peine, Systemgerechtigkeit, S. 58 ff. Zumindest im Regelfall wird es aber um teilrechtsordnungsinterne Fragestellungen gehen; vgl. BVerfGE 85, 238, 246 f.; BVerfGE 76, 130, 139; BVerfGE 68, 237, 253; BVerfGE 61, 138, 148; BVerfGE 60, 16, 43 („in einem bereits geregelten Lebensbereich“); BVerfGE 36, 383, 392 ff.; Kisch­el, aaO, S. 177 („eines Rechtsbereichs“); grundsätzlich abweichend nur der Kammerbeschluss BVerfG NJW 1996, 2086, 2086 („Folgerichtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung“), der aber durch die Entscheidungen BVerfGE 98, 83 und BVerfGE 98, 106 (näher zu ihnen sogleich) überholt sein dürfte. 482 Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 433 f. und 446; Kischel, AöR 124 (1999), 175, 176 und 193 ff.; Peine, Systemgerechtigkeit, S. 77 ff., S. 96 ff. sowie auch S. 105 ff., S. 180 ff. (S. 300), S. 301 ff.; vgl. auch Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 49 ff.; Papier, StuW 1984, 315, 318 f.; weitere Nachweise bei Drüen, FS Spindler, S. 29, 37 f.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 167 f.; Kischel, aaO, S. 175. 483 BVerfGE 104, 74, 87 a.E.; BVerfGE 85, 238, 247; BVerfGE 81, 156, 207; BVerfGE 78, 104, 123; BVerfGE 76, 130, 139 f.; BVerfGE 75, 382, 395 f.; BVerfGE 68, 237, 253 a.E.; BVerfGE 61, 138, 148 f.; BVerfGE 59, 36, 49; BVerfGE 36, 383, 393 f. 484 Siehe z.B. – mit unterschiedlicher sprachlicher Färbung – BVerfGE 104, 74, 87 a.E. („aber“); BVerfGE 81, 156, 207 („allenfalls“); BVerfGE 68, 237, 253 a.E.; BVerfGE 61, 138, 148 f.; ausführlich zu der bereits früh einsetzenden relativierenden Rechtsprechung des BVerfG Peine, Systemgerechtigkeit, S. 53 ff.; in Bezug auf Umsatzsteuerbefreiungstatbestände strikter jedoch BVerfGE 101, 151, 156; BVerfGE 101, 132, 139. 485 Siehe aus der neuesten Rechtsprechung BVerfGE 127, 224, 245; BVerfGE 126, 268, 277 f.; BVerfGE 122, 210, 230 f.; BVerfGE 120, 1, 44; BVerfGE 117, 1, 30 f.; BVerfGE 116, 164, 180.

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ten Urteils BVerfGE 13, 331 erstaunen. Denn die Gründe dieser – für die Anerkennung der Systemgerechtigkeit als Konkretisierungselement im Rahmen der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes wegweisenden486 – Entscheidung könnten zu der gegenteiligen Annahme verleiten, das Bundesverfassungsgericht habe Art. 3 Abs. 1 GG über Systemgerechtigkeitserwägungen als Anknüpfungspunkt für ein teilrechtsordnungsübergreifendes Gebot der Einheit bzw. Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung gewählt.487 Das trifft indes nicht zu: Den Ausgangspunkt der gerichtlichen Prüfung bildete – in der Konsequenz des allgemeinen Gleichheitssatzes als gewähltem Prüfungsmaßstab – die Feststellung einer Ungleichbehandlung, nämlich derjenigen von „personenbezogenen“ und „anonymen“ Kapitalgesellschaften durch § 8 Nr. 6 GewStG a.F.488 Mithin ging es auch hier um die Frage, ob mehrere Sachverhalte einer Belastungsgrundentscheidung des Steuergesetzgebers zuwider ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt werden durften. Zu der Frage, ob § 8 Nr. 6 GewStG mit den Strukturprinzipien des Zivilrechts vereinbar war,489 ist das Bundesverfassungsgericht nur deshalb gelangt, weil der Steuergesetzgeber in diesem Regelungsbereich selbst auf die zivilrechtlichen Rechtsformen Bezug nahm. Das Gericht hat daher geprüft, ob er an diesem Punkt von einem System abweichen durfte, das er selbst geschaffen hatte. Folglich handelte es sich – wie oben bereits herausgestellt – im Kern um eine steuerrechtsinterne Fragestellung. Dass das Gericht auf die Vereinbarkeit des § 8 Nr. 6 GewStG mit den zivilrechtlichen Strukturprinzipien eingegangen ist, beruht also letztlich auf der Zufälligkeit, dass der Steuergesetzgeber eben hieran angeknüpft hat.490 Die Norm war nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts 486 Siehe nur Prokisch, FS K. Vogel, S. 293, 293. Allerdings trifft seine Aussage, dass das BVerfG „hier zum ersten Mal das Kriterium der Sach- oder Systemgerech­ tigkeit in die Verfassungsrechtsprechung einführte“, in dieser Allgemeinheit nicht zu; siehe zur Wahlgleichheit bereits BVerfGE 1, 208, 246 f.; im Hinblick auf andere Fragestellungen vgl. beispielsweise auch schon BVerfGE 11, 283, 292 f.; BVerfGE 7, 129, 153; BVerfGE 6, 55, 77; näher dazu Peine, Systemgerechtigkeit, S. 26 ff. 487 In diesem Sinne Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 177; vgl. insbesondere BVerfGE 13, 331, 340 f. (den hier verwendeten Begriff „Sachgesetzlichkeit“ nutzt das BVerfG synonym mit Systemgerechtigkeit; näher Peine, Systemgerechtigkeit, S. 32 f.); siehe in ähnlichem Zusammenhang (mit Blick auf den – missverständlichen – Kammerbeschluss BVerfG NJW 1996, 2086) bereits Felix, Rechtsordnung, S. 274 ff. 488 BVerfGE 13, 331, 338 f. 489 BVerfGE 13, 331, 340 f. 490 Siehe auch BVerfGE 24, 174, 180: Eine solche Anknüpfung bildet die Grundlage der verfassungsgerichtlichen Prüfung.

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mithin nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie in ihren Auswirkungen mit zivilrechtlichen Grundwertungen unvereinbar war, sondern deshalb, weil sie dazu führte, dass „personenbezogene“ und „anonyme“ Kapitalgesellschaften einer Systementscheidung des Steuergesetzgebers zuwider unterschiedlich behandelt wurden und dies nicht zu rechtfertigen war.491 Hätte keine für Art. 3 Abs. 1 GG bedeutsame Ungleichbehandlung vorgelegen oder wäre sie gerechtfertigt gewesen, hätte das Bundesverfassungsgericht § 8 Nr. 6 GewStG also nicht für nichtig erklärt, da es den allgemeinen Gleichheitssatz als alleinigen Prüfungsmaßstab angesehen hat.492 Anders gewendet: Art. 3 Abs. 1 GG hilft für die Beantwortung der prinzipiellen Frage nicht weiter, ob immer dann ein verfassungsrechtlicher Korrekturbedarf besteht, wenn die Auswirkungen einer Rechtsanwendung nicht mit den Grundwertungen einer nicht unmittelbar einschlägigen Teilrechtsordnung vereinbar sind. Hieran wird abermals deutlich, dass es sich bei einem Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung im hier zu analysierenden Sinne und dem Gleichheitssatz mit seinen Subprinzipien um grundsätzlich verschiedene Dinge handelt: Systemgerechtigkeit bzw. Folgerichtigkeit können bei Gleich- bzw. Ungleichbehandlungen verschiedener Personengruppen bzw. Sachverhalte innerhalb eines Regelungssystems betroffen sein.493 Ein Wertungswiderspruch zwischen zwei Teilrechtsordnungen zeichnet sich hingegen dadurch aus, dass auf denselben Sachverhalt

491 BVerfGE 13, 331, 338 ff., 341 ff. Nur am Rande sei erwähnt, dass das BVerfG die hier über Systemgerechtigkeitsgesichtspunkte abgeleitete mittelbare Relevanz zivilrechtlicher Ordnungsstrukturen für das Steuerrecht in seiner Folgerechtsprechung der Sache nach aufgegeben hat (ausführlich dazu oben S. 37 f.), so dass die Entscheidung letztlich singulär geblieben ist. Anders als es in dieser Entscheidung zum Ausdruck kommt (vgl. S. 340 f.), kann das Ausmaß der erforderlichen Rechtfertigung im Übrigen auch nicht von der Stärke der Abweichung von dem zugrunde liegenden zivilrechtlichen Strukturprinzip abhängen. Hierfür kann vielmehr nur die Intensität der Ungleichbehandlung bestimmend sein; dies gilt nach richtiger Ansicht (Kischel, AöR 124 (1999), 174, 198) auch sonst. 492 Das BVerfG hätte allerdings den Aspekt „Wertungskongruenz zwischen Teilrechtsordnungen als Verfassungsprinzip?“ durchaus neben und unabhängig von der Frage nach einem Verstoß gegen das Systemgerechtigkeitsgebot prüfen können – und hat somit nicht die gesamte Komplexität der Fragestellung gewürdigt. Anders als das Gericht offenbar meint (BVerfGE 13, 331, 340 f.), dürfte § 8 Nr. 6 GewStG allerdings kaum geeignet gewesen sein, zivilrechtliche Grundwertungen zu beeinträchtigen; näher Flume, DB 1962, 381, 381 f. 493 Entsprechende Normen sind ferner einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zugänglich, so dass in diesem Bereich kein (unbedingtes) Konsequenzgebot besteht; siehe bereits eingangs bei und in Fn 467.

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Rechtsfolgen anwendbar sind, die aus verschiedenen Regelungsmaterien stammen und wertungsmäßig nicht vereinbar sind.494 Schließlich ist es auch nicht etwa so, dass Wertungsinkongruenzen per se als gesetzgeberische Willkür anzusehen wären und deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.495 Denn im Hinblick auf die Überprüfung gesetzgeberischer Entscheidungen am Maßstab des Willkürverbots bedarf es, legt man die Mehrzahl der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, auch insoweit einer Gleich- bzw. Ungleichbehandlung mehrerer Lebenssachverhalte496 – und nicht jeder Wertungswiderspruch begründet zugleich eine solche. Aber auch wenn man, wie in einzelnen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts angedeutet,497 ein (über den Bereich der Kontrolle der Rechtsprechung hinausgehendes)498 Verbot qualifizierter Unrichtigkeit und offensichtlicher Unsachlichkeit anerkennt, das losgelöst von einer Gleich- bzw. Ungleichbehandlung eingreift,499 gelangt man zu keinem anderen Ergebnis: Da eine Rechtsordnung, die frei von Widersprüchen wäre, nicht zu erreichen ist,500 könnte ein entsprechender Verfassungsrechtssatz sinnvollerweise (zumindest in erster Linie) nur auf die Schaffung angemessener Wertungs- und Prin­ zipienkompromisse gerichtet sein, was den Fortbestand gewisser In­ kongruenzen einschließt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Wertungs494 Ließe sich ein Verfassungsrechtssatz nachweisen, der es dem Gesetzgeber in jedem Fall auferlegt, Wertungs- und Prinzipienkompromisse herzustellen, hätte dies selbstverständlich auch Rückwirkungen auf die Bereiche, die herkömmlich über Art. 3 Abs. 1 GG gelöst werden: Liegt beispielsweise in einem Systembruch zugleich ein Wertungswiderspruch, käme eine Rechtfertigung nicht (mehr) in Betracht. Dies würde die Prüfungsintensität deutlich erhöhen und den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erheblich begrenzen; näher sogleich unter III. 495 Siehe bereits Canaris, Systemdenken, S. 126 ff.; Peine, Systemgerechtigkeit, S. 58 („Willkür einerseits und Konsequenz andererseits sind keine Alternativen im Sinne eines ‘entweder - oder’.“) und S. 287 f.; dens., System, S. 23 sowie auch Felix, Rechtsordnung, S. 271 und Jarass, AöR 126 (2001), 588, 596 (nur bei Evidenz). 496 Vgl. etwa BVerfGE 120, 125, 144; BVerfGE 113, 167, 214 f.; BVerfGE 99, 367, 389; BVerfGE 91, 389, 401; BVerfGE 88, 87, 96 f. 497 Vgl. BVerfGE 91, 118, 123; BVerfGE 55, 72, 89 f. 498 In diesem Bereich leitet das BVerfG ein entsprechendes Willkürverbot in ständiger Rechtsprechung aus Art. 3 Abs. 1 GG ab; siehe z.B. BVerfGE 112, 185, 215 f.; BVerfGE 96, 189, 203; BVerfGE 87, 273, 278 f. Überzeugender ist es, diese Form des Willkürverbots im Rechtsstaatsprinzip zu verorten, da es an einem verfassungsrechtlich relevanten Vergleichspaar fehlt (vgl. Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 34, 80, 125). 499 So G. Müller, VVDStRL 47 (1989), 37, 43 f. 500 Vgl. nur Brüning, NVwZ 2002, 33, 37; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 439 ff.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 588 f.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 2 f.; Sendler, NJW 1998, 2875, 2876; K. Vogel, StuW 1977, 97, 100.

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widersprüche auf einfachgesetzlicher Ebene in Einzelfällen sogar verfassungsrechtlich geboten sein können.501 Zudem müsste man dem Gesetzgeber einen Entscheidungsspielraum im Hinblick auf die Frage einräumen, wie die erforderliche Kompromissbildung im Einzelnen zu erfolgen hat.502 Vor diesem Hintergrund erweist sich das Willkürkriterium als viel zu grobkörnig – und damit ungeeignet.

III. Rechtsstaatsprinzip 1. Rechtsprechungsanalyse Damit verbleibt die Frage, ob für die umschriebenen Konfliktlagen das Rechtsstaatsprinzip als verfassungsrechtliche Grundlage in Betracht kommt. Auf diesen Standpunkt hat sich das Bundesverfassungsgericht in seinen beiden Urteilen aus dem Jahr 1998 zur Verfassungsmäßigkeit von landesrechtlichen Abfallabgaben und kommunalen Verpackungsteuern gestellt.503 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts liefen die entsprechenden Abgaben aufgrund ihrer Lenkungswirkungen den Regelungen des für die Sachgesetzgebung in diesen Bereichen zuständigen Bundes zuwider,504 woraus das Gericht ihre Verfassungswidrigkeit ableitete und dies in der Entscheidung BVerfGE 98, 106 mit folgenden Erwägungen begründete:

501 Vgl. Canaris, Systemdenken, S. 126 f.; Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 80; Schröder, VVDStRL 50 (1991), 196, 205 f. So hat – um das unter C. erörterte Beispiel aufzugreifen – Anlass bestanden, die gesetzliche Neuregelung der Abzugsverbote ihrerseits an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen; vgl. BVerfGE 81, 228, 236 ff.; Lang, StuW 1985, 10, 22 ff. sowie (in ähnlichem Zusammenhang) Müller-Franken, StuW 1997, 3, 13 ff. Ein gutes Beispiel bildet auch die Entscheidung BVerfGE 62, 323, 333, auf die Deinert, aaO hingewiesen hat; siehe ferner BayObLG NJW 1990, 2328, 2333. 502 Andernfalls käme es zu einer schwerlich hinnehmbaren Machtverschiebung zugunsten des BVerfG; hierauf wird unter III. näher eingegangen. 503 BVerfGE 98, 106, 117 ff.; BVerfGE 98, 83, 97 f. sowie kurz darauf in anderem Zusammenhang BVerfGE 98, 265, 301. Demgegenüber versteht Kohl, Normgebung, S. 80 ff., S. 167 f. diese Entscheidungen so, als beträfen sie Normwidersprüche. Das trifft jedoch nicht zu. Erstens ist eine entsprechende Beschränkung den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Zweitens – und vor allem – lagen die Sachverhalte anders, denn betroffen waren ausschließlich Wertungswidersprüche (vgl. dazu etwa BVerwGE 110, 248, 251; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 120; Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 78; Höpfner, Auslegung, S. 51 f.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 591 ff.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 10 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 187). Dies wird auch sonst einhellig zugrunde gelegt; weitere Nachweise sogleich. 504 BVerfGE 98, 106, 120 ff. (125 ff.); BVerfGE 98, 83, 98 ff.

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Wechselseitige Berücksichtigung zivil- und steuerrechtlicher Wertungen „Die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz zur Lenkung in einem anderweitig geregelten Sachbereich ist jedoch nur zulässig, wenn dadurch die Rechtsordnung nicht widersprüchlich wird. Greift die steuerliche Regelung auf eine Sachmaterie über, darf der Steuergesetzgeber nicht Regelungen herbeiführen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen. aa) Die Verpflichtung zur Beachtung der bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen und zur Ausübung der Kompetenz in wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme (vgl. BVerfGE 81, 310, [339]) wird durch das Rechtsstaatsprinzip in ihrem Inhalt verdeutlicht und in ihrem Anwendungsbereich erweitert. Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. […] Begründet der Steuergesetzgeber […] Zahlungspflichten, die den Adressaten zur Vermeidung des steuerbelasteten Tatbestandes veranlassen sollen, so kann diese Lenkung Wirkungen erreichen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen. Der Gesetzgeber darf deshalb aufgrund einer Steuerkompetenz nur insoweit lenkend und damit mittelbar gestaltend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft. bb) Diese rechtsstaatlichen Vorgaben begründen im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen zugleich Schranken der Kompetenzausübung.“505

Allerdings zeigen diese Ausführungen auch, dass das Bundesverfassungsgericht die Inhalte und Rechtsfolgen von Bundesstaats- und Rechtsstaatsprinzip nicht trennscharf voneinander abgeschichtet hat.506 Dies gilt in noch stärkerem Maße für die Entscheidung BVerfGE 98, 83, wo es (im Unterschied zu der soeben zitierten Passage des Urteils BVerfGE 98, 106) heißt: „Das Rechtsstaatsprinzip und die bundesstaatliche Kompetenzordnung verpflichten alle rechtsetzenden Organe, ihre Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, die Rechtsordnung also nicht aufgrund

505 BVerfGE 98, 106, 118 f.; hierauf Bezug nehmend und zusammenfassend BVerfGE 98, 83, 97 f. Bemerkenswerterweise hatte das BVerfG die Dinge in der hier von ihm selbst – überdies unrichtig – zitierten Entscheidung BVerfGE 81, 310 noch ganz anders gesehen (siehe dort S. 338: keine über die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten hinausgehenden Verfassungsgrundsätze, die die Kompetenzausübung im Bund-Länder-Verhältnis beschränken). 506 Siehe auch den Eingangssatz der Begründetheitsprüfung: „Die Satzung der Stadt Kassel über die Erhebung einer Verpackungsteuer verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil sie mit der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24, Art. 105 Abs. 2a GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht vereinbar ist“ (BVerfGE 98, 106, 117).

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unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird […].“507 Deshalb ist in der Literatur Unklarheit darüber entstanden, ob sich diese Entscheidungen auf nicht bundesstaatlich geprägte Sachverhalte übertragen lassen und mithin auch in diesem Bereich ein Verfassungsgrundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung anzuerkennen wäre, dessen ausschließliche Grundlage das Rechtsstaatsprinzip sein müsste.508 Hierfür spricht zwar tendenziell die soeben wörtlich zitierte zentrale Passage aus der Entscheidung BVerfGE 98, 106, weil sie das Rechtsstaatsprinzip in den Vordergrund rückt und keine (ausdrückliche) Beschränkung auf bundesstaatliche Fragestellungen enthält. Diese Frage muss aber nach wie vor als offen angesehen werden, da neuere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen auf diese Rechtsprechung rekurriert wird, wenig erhellend sind und sich die entsprechenden Ausführungen entweder ausschließlich auf bundesstaatliche Themenstellungen bezie­ hen,509 oder der „Widerspruchsfreiheit“ augenscheinlich kein weiter­ gehender Aussagegehalt zumessen wird als dem rechtsstaatlichen Er­ fordernis der Normenklarheit.510 Soweit in der neuesten Rechtsprechung anderer Gerichte auf die Argumentationsfigur der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Bezug genommen wird, finden sich hingegen in aller Regel keine eindeutigen Aussagen über ihre verfassungsrechtliche Ableitung.511 507 BVerfGE 98, 83, 97 (Hervorhebung durch Verf.). In der Entscheidung BVerfGE 98, 265, 301 wird im selben Zusammenhang sogar primär auf „die bundesstaatliche Kompetenzordnung“ abgestellt; näher dazu Jarass, AöR 126 (2001), 588, 600. 508 Vgl. Brüning, NVwZ 2002, 33, 35; Frenz, DÖV 1999, 41, 43 ff.; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 435; Jobs, DÖV 1998, 1039, 1044 f.; Konrad, DÖV 1999, 12, 17; R. Schmidt/Diederichsen, JZ 1999, 37, 38; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 189; siehe dazu einerseits Jarass, AöR 126 (2001), 588, 591 sowie Rodi, StuW 1999, 105, 108 und andererseits Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 6 ff. 509 BVerfGE 116, 164, 186 f.; BVerfGE 108, 169, 181 f.; BVerfG DVBl. 2001, 1135, 1136 f. 510 Vgl. BVerfGE 128, 282, 318; BVerfG NVwZ 2009, 905, 906; BVerfGE 119, 331, 366; BVerfG NVwZ 2007, 942, 943. 511 Vgl. BayVerfGH GewArch 2008, 114, 114 (Prüfung des Rechtsstaatsprinzips und (sic!) des allgemeinen Gleichheitssatzes der Verfassung des Freistaates Bayern „unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit und der Widerspruchsfreiheit von Normen“); BVerwGE 143, 301, 312 (rein bundesstaatlicher Bezugspunkt); BVerwGE 112, 297, 306 („Einheit der Rechtsordnung“); BVerwGE 110, 248, 249 f. (die Entscheidung BVerfGE 98, 106 aufnehmend); BFH/NV 2012, 1373, 1376 („Grundsätze der Folgerichtigkeit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“); BFH BStBl. II 2010, 912, 916 („zur Vermeidung eines solchen Normwiderspruchs und damit zum Erhalt der inneren Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“); BFH BStBl. II 2006, 549, 554 („Gebot der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit“); BFH/NV 2006, 1707, 1708 („im Interesse der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“); BFH BStBl. II 2006, 312, 324 (näher dazu so-

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Allerdings lässt sich der Entscheidung BVerfGE 116, 164 die Tendenz entnehmen, ein solches Verfassungsgebot auf bundesstaatlich geprägte Sachverhalte zu beschränken: Das Gericht prüft hier ausführlich einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG unter anderem unter dem Gesichtspunkt des Folgerichtigkeitsgebots, ohne – was nahe gelegen hätte512 – auf sein Verhältnis zum Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung einzugehen.513 Letzteres erwähnt das Gericht vielmehr nur inzident und ganz am Rande im Zusammenhang mit dem Hebesatzrecht der Gemeinden.514 Ferner haben die Verfassungsrichter Ausführungen in einem neueren Vorlageschluss des Bundesfinanzhofs nicht aufgegriffen, die darauf gerichtet waren, dieses Prinzip – weitergehend – auf das Verhältnis zwischen Steuer- und Sozialrecht zu beziehen.515 An anderer Stelle schließlich relativiert das Bundesverfassungsgericht den inhaltlichen Aussagegehalt des „Grundsatzes“ (sic!) der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung erheblich, indem es ihn im selben Atemzug mit dem Folgerichtigkeitsgebot nennt und ohne jeden Differenzierungsversuch formuliert: „Ein fehlender Gleichklang zwischen Gesellschaftsrecht und Steuerrecht zu einer bestimmten Rechtsfrage mag zwar ein gewichtiger Grund für eine entsprechende Änderung der Rechtsprechung sein, vermag jedoch für sich genommen schon angesichts der Eigenständigkeit der beiden Rechtsgebiete keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der in diesen Bereichen divergierenden Gesetzeslage zu begründen.“516 Immerhin zeigen seine zuvor zitierten neueren Entscheidungen517 aber, dass das Gericht – trotz erheblicher Literaturkritik518 – gewillt zu sein scheint, an seiner ursprünglichen Rechtsprechung zumindest verbal festzuhalten. 2. Kritische Würdigung Jedenfalls soweit das Bundesverfassungsgericht aus dem Rechtsstaatsprinzip einen Verfassungsgrundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ableiten will, überzeugt diese Rechtsprechung nicht. Ein solgleich); BFH BStBl. II 2005, 360, 362 (lediglich Verweis auf Art. 20 Abs. 3 GG); siehe auch die Rechtsprechungsanalyse bei R. Schmidt, FS Canaris, Bd. II, S. 1353, 1363 ff. 512 Siehe oben bei Fn 477 und in Fn 494. 513 BVerfGE 116, 164, 180 ff. 514 BVerfGE 116, 164, 186 f. 515 BFH BStBl. II 2006, 312, 324 („die Einheit der Rechtsordnung und die Kohärenz des Rechts – letzterer Begriff im Sinne einer Wertungsgleichheit“); in BVerfGE 120, 125, 143 ff. unberücksichtigt gelassen. 516 BVerfG HFR 2009, 187, 189 (Nichtannahmebeschluss). 517 Siehe Fn 509 und auch Fn 510. 518 Nachweise sogleich.

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ches Prinzip, für das das Gericht bezeichnenderweise keine nähere Begründung geliefert hat,519 hält vielmehr einer kritischen Würdigung nicht stand.520 Die Einwände, die in der Literatur vorgebracht werden, sind schwerwiegend – und überzeugend.521 Sie beziehen sich primär auf die dritte Fallgruppe, da diese in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betroffen gewesen ist.522 Zu Recht wird angeführt, dass das Rechtsstaatsprinzip – es enthält keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote und Verbote, sondern ist seinerseits konkretisierungsbedürftig523 – solch weitreichende Konsequenzen nicht tragen kann, sondern hierdurch vielmehr überstrapaziert würde:524 Es fordert lediglich, dass fundamentale Elemente des Rechtsstaats gewahrt bleiben,525 die bei bloßen Wertungsinkongruenzen jedoch nicht betroffen sind.526 Ein Gebot der Freiheit von Wertungswidersprüchen gehört dementspre519 Treffende Kritik bei Sendler, NJW 1998, 2875, 2875. 520 Zu Recht ablehnend Brüning, NVwZ 2002, 33, 35 ff.; Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 77 ff.; K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1098 ff.; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 439 ff.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 591 ff.; Kube, Finanzgewalt, S. 273 f.; Rodi, StuW 1999, 105, 108 ff.; R. Schmidt, FS Canaris, Bd. II, S. 1353, 1355 ff.; R. Schmidt/Diederichsen, JZ 1999, 37, 38; H.P. Schneider, ZRP 1998, 323, 327; Sendler­, NJW 1998, 2875, 2875 ff.; Weber-Grellet, StuW 1999, 311, 312 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 184 ff.; siehe auch Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 2 ff. 521 Im Folgenden wird aus den bei Fn 395 genannten Gründen nur auf die Kritikpunkte eingegangen, die (auch) im Hinblick auf Wertungswidersprüche innerhalb des Regelungsbereichs desselben Gesetzgebers bedeutsam sind; zur bundesstaatlichen Dimension der Fragestellung siehe Jarass, AöR 126 (2001), 594 f., 601 ff.; Kube, Finanzgewalt, S. 256 ff., S. 262 ff., S. 271 ff.; Rodi, StuW 1999, 105, 111 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 184 f. mit Fn 35. 522 Die entsprechenden landesgesetzlichen und kommunalen Abgabentatbestände waren inhaltlich eindeutig und liefen (nach Auffassung des BVerfG) den abfallrechtlichen Regelungen des Bundesgesetzgebers zuwider. 523 Siehe nur BVerfGE 111, 54, 82; BVerfGE 65, 283, 290; Felix, Rechtsordnung, S. 237. 524 Vgl. Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 77; Kube, Finanzgewalt, S. 273 f.; Rodi, StuW 1999, 105, 110; Sendler, NJW 1998, 2875, 2875. 525 Vgl. BVerfGE 65, 283, 290 a.E.: „[E]rst wenn sich bei Berücksichtigung aller Umstände, nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip selbst angelegten Gegenläufigkeiten unzweideutig ergibt, daß rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, kann eine Regelung als rechtsstaatswidrig beanstandet werden […].“ 526 Rodi, StuW 1999, 105, 110; siehe auch Sendler, NJW 1999, 2875, 2876. Daher ist weithin anerkannt, dass Wertungswidersprüche von der Rechtsordnung hin­ genommen werden können, solange dies nicht unvereinbar mit (sonstigen) ver­ fassungsrechtlichen Vorgaben ist; siehe z.B. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155 f. sowie im vorliegenden Zusammenhang Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 444 a.E.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 593; grundlegend Engisch, Rechtsordnung, S. 63. Beispielsweise wäre eine unbeschränkte Haftung des Kommanditis­

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chend gerade nicht zu den klassischen, konsentierten Ableitungen aus dem Rechtsstaatsprinzip.527 Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt zwar der Schutz des Normadressaten vor sich gegenseitig ausschließenden Normbefehlen, d.h. vor Normwidersprüchen.528 In Form des Gebotes hinreichender Bestimmtheit und Klarheit des Rechts erlangt es auch dann Bedeutung, wenn die anwendbaren Vorschriften missverständlich oder widerspruchsvoll formuliert sind und der Normadressat sein Verhalten wegen dieser Unklarheiten – sie treten typischerweise innerhalb desselben Gesetzes auf – nicht nach ihnen ausrichten kann.529 Mit dem hier in Frage stehenden Gebot, Wertungskongruenzen zwischen Teilrechtsordnungen zu schaffen, haben solche Fälle jedoch nichts zu tun, wenn – wie im Regelfall – inhaltlich klare Verhaltensanweisungen bzw. Rechtsfolgenanordnungen vorliegen.530 Auch sonst kann aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit im Allgemeinen keine Bindung des Gesetzgebers an Wertungen abgeleitet werden, die er in anderen Teilen der Rechtsordnung getroffen hat.531 Lediglich in Einzelfällen mag ein Subprinzip des Rechtsstaatsprinzips stark genug sein, den Gesetzgeber in dieser Weise zu binden.532 Dies ten für Gewerbesteuerschulden zwar sicherlich in rechtspolitischer Hinsicht kein Idealzustand. Rechtsstaatlich unhaltbar ist sie hingegen nicht. 527 Brüning, NVwZ 2002, 33, 35; Rodi, StuW 1999, 105, 110; Sendler, NJW 1998, 2875, 2875. 528 Siehe oben bei Fn 380 mit Nachweisen. 529 Vgl. BVerfGE 108, 169, 181 ff.; BVerfGE 25, 216, 227; BVerfGE 17, 306, 313 f.; BVerfGE 1, 14, 45; BFH BStBl. II 2007, 167, 169, 171 ff.; BFH/NV 2007, 2270, 2271; Felix, Rechtsordnung, S. 237 f.; K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1098; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 445; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 201. 530 Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 77 f.; Felix, Rechtsordnung, S. 238; K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1098 a.E.; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 445 a.E.; vgl. Kloepfer­/Bröcker, DÖV 2001, 1, 8; beide Ebene vermischend Frenz, DÖV 1999, 41, 44 f.; Jobs, DÖV 1998, 1039, 1044 a.E. 531 Ausführlich Felix, Rechtsordnung, S. 253 ff. (mit Blick auf die Problematik einer gespaltenen Rechtswidrigkeitsbeurteilung). Man wird im Gegenteil sogar sagen können, dass der Rechtssicherheit mehr gedient ist, wenn Wertungen entfernterer Teilrechtsordnungen nicht in das Ordnungsgefüge der sachnäheren Teilrechtsordnung einwirken; vgl. in etwas anderem Kontext Brüning, NVwZ 2002, 33, 37; K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1100; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 598; a.A. aber Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 75. 532 So gelangt Felix, Rechtsordnung, S. 300 ff. (S. 317) zu dem Ergebnis, dass die Bestrafung eines nach öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Kriterien rechtmäßigen Verhaltens gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Prinzip der Rechtssicherheit verstoßen würde. Bei dieser Fallkonstellation dürfte es sich aber ohnehin um einen Anwendungsfall der ersten Fallgruppe handeln, so dass es hier nicht um die Abänderung an sich eindeutiger Auslegungsergebnisse geht. Felix,

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könnte jedoch nur Ausnahmekonstellationen betreffen533 und keinesfalls generell gelten. Ein darüber hinausgehendes Bedürfnis für eine Rechtsfortbildung in Form eines ungeschriebenen Verfassungsrechtssatzes ist ebenfalls nicht ersichtlich.534 Hinzu kommt, dass diese Rechtsprechung wertungsmäßig kaum mit den Grundsätzen zu vereinbaren ist, die im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG anerkannt sind.535 Während dort nämlich bloße Systemwidrigkeiten nicht zu einem Verfassungsverstoß führen, sondern dies erst bei Rechtsfolgenunterschieden der Fall ist, die sich nicht rechtfertigen lassen,536 lässt das Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Zusammenhang eine entsprechende Differenzierung nicht erkennen, womit eine erhebliche Verschärfung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe einherginge, die auch den Bereich der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit erfassen müsste.537 Dies wäre jedoch kaum erträglich, da einfachgesetzliche Wertungswidersprüche angesichts der Vielheit und Komplexität des Rechts unvermeidbar sind.538 In einzelnen Fällen können sie sogar verfassungsrechtlich geboten sein.539 Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass das Bundesverfassungsgericht offensichtlich nicht gewillt ist, seine Rechtsprechung zur Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit durch ein rechtsstaatlich begründetes Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung abzulösen, und dass das Gericht es bisher auch veraaO, S. 369 ff. zufolge kann das Prinzip der Verhältnismäßigkeit auch in anderen Fällen ausnahmsweise zur Verfassungswidrigkeit der konfligierenden Norm führen. Dies beruhe jedoch nur mittelbar auf der Wertungsinkongruenz selbst (näher S. 382 und S. 397); vgl. ferner Peine, Systemgerechtigkeit, S. 259 ff., S. 265 ff. zum Vertrauensschutzprinzip. 533 Vgl. erneut Fn 532. 534 Vgl. Felix, Rechtsordnung, S. 383 ff., die in Extremfällen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anwenden will (siehe Fn 532). 535 K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1099; siehe auch Brüning, NVwZ 2002, 33, 35 f.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 595 f.; Sendler, NJW 1998, 2875, 2876. 536 Näher oben unter II. 537 Siehe insbesondere – den Gesamtzusammenhang beleuchtend – K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1099; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 594 ff. Dagegen will P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 324 Wertungsinkongruenzen offenbar hinnehmen, wenn ein rechtfertigender Grund vorliegt. Dieser Differenzierungsversuch – für ihn findet sich in den beiden Urteilen des BVerfG aus dem Jahr 1998 kein Anknüpfungspunkt – ist ein weiterer Beleg dafür, dass Wertungswidersprüche nicht ohne weiteres rechtsstaatswidrig sind; zur Problematik der erforderlichen Intensität des Widerspruchs sogleich. 538 Treffend bereits K. Vogel, DStZ 1977, 97, 104; ebenso etwa Brüning, NVwZ 2002, 33, 37; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 439 ff.; Höpfner, Auslegung, S. 12 ff.; Jarass, AöR 126 (2001), 588, 588 f.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1, 2 f. 539 Siehe die Nachweise in Fn 501.

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mieden hat, auf das Verhältnis dieser Grundsätze zueinander einzugehen.540 Auch sonst überzeugen die praktischen Auswirkungen des vom Bundesverfassungsgericht vorgezeichneten Weges nicht, den Grundentscheidungen des einfachen Gesetzgebers über den Umweg des Rechtsstaatsprinzips in gewissem Maße541 faktischen Verfassungsrang einzuräumen: Dem Gesetzgeber, der bisweilen schon jetzt in manchen Rechtsbereichen Schwierigkeiten hat, die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten, würde zusätzlich aufgebürdet, die Auswirkungen einer jeden Neuregelung auf die Entscheidungen zu bedenken, die er selbst – ohne hierzu von Verfassungs wegen verpflichtet gewesen zu sein – in anderen Teilrechtsordnungen getroffen hat.542 Er liefe Gefahr, dass Normen, die keinen vertretbaren Kompromiss zwischen einfachgesetzlichen (!) Prinzipien darstellen, als nichtig verworfen würden. Dies begründete – je nach Kontrolldichte – die Gefahr einer Machtverschiebung vom unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber hin zum Bundesverfassungsgericht.543 Das Bundesverfassungsgericht mutierte faktisch zu einer Superrevisionsinstanz, weil es in jedem Einzelfall die hinter der einfachgesetzlichen Norm stehenden Prinzipien und Wertungen ermitteln müsste544 – was Überforderungssituationen und Rechtsunsicherheit befürchten lässt, zumal die Rechtsordnung an einer Vielzahl an Widersprüchen leidet545 und durchaus unterschiedlich beurteilt werden kann, welches überhaupt die Grundentscheidungen des Gesetzgebers und die system-

540 Bezeichnend wiederum BVerfGE 116, 164, 180 ff. und 186 f. (siehe oben bei Fn 512). 541 Der Gesetzgeber wäre selbstverständlich frei darin, seine Grundwertungen insgesamt (in den Grenzen des sonst verfassungsrechtlich Zulässigen) abzuändern. 542 Vgl. Brüning, NVwZ 2002, 33, 36; H.P. Schneider, ZRP 1998, 323, 327; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 189 f. Eine Selbstbindung des Gesetzgebers (im allgemeineren Kontext) grundsätzlich ablehnend Peine, Systemgerechtigkeit, S. 105 ff., S. 164 ff., S. 180 ff. 543 Treffend H.P. Schneider, ZRP 1998, 323, 327: „Der Gesetzgeber wäre letztlich dem Diktat aus Karlsruhe unterworfen“; siehe auch Brüning, NVwZ 2002, 33, 36; Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 449 f.; Rodi, StuW 1999, 105, 110 a.E.; R. Schmidt/Diederichsen, JZ 1999, 37, 41. 544 So hat das BVerfG in seinen beiden Entscheidungen aus dem Jahr 1998 zunächst die hinter der bundesgesetzlichen Regelung stehenden Wertungen herausgearbeitet und dann die Landesabgabengesetze bzw. die kommunale Satzung hieran (!) gemessen (BVerfGE 98, 106, 120 ff.; BVerfGE 98, 83, 98 ff.). 545 Vgl. Kube, Finanzgewalt, S. 273 f.; Sendler, NJW 1998, 2875, 2876; siehe auch oben bei Fn 538.

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tragenden Prinzipien sind546 und welche Intensität ein Wertungswiderspruch haben muss, um Relevanz zu entfalten.547 Nur am Rande sei erwähnt, dass das Bundesverfassungsgericht auch keine Leitlinien für die Beantwortung der Frage herausgearbeitet hat, welche Wertungen sich im konkreten Fall durchsetzen.548 Der von ihm angenommene Vorrang des Sachgesetzgebers vor dem Steuergesetzgeber549 betrifft nur einen Spezialfall. Und die Kollisionsregeln, die das Gericht ebenfalls kurz angesprochen hat,550 sind auf die Behandlung von Normwidersprüchen zugeschnitten551 – und ermöglichen selbst dort häufig keine eindeutige Lösung.552

IV. Ergebnis Damit kann festgehalten werden, dass eine Bindung des Gesetzgebers an einfachgesetzliche Wertungen, die er an anderen Stellen der Gesamtrechtsordnung getroffen hat, regelmäßig weder aus Art. 3 Abs. 1 GG noch aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbar ist,553 so dass ein hierauf gerichteter Verfassungsrechtssatz nicht existiert. Diese Aussage bezieht sich nicht nur auf Wertungskonflikte im Rahmen der Fallgruppe 3, sondern gilt auch für Fallgruppe 2, da es bei ihr ebenfalls um eine Abände-

546 Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 448. Nach Auffassung vieler ist dem BVerfG dies in seinen Entscheidungen aus dem Jahr 1998 nicht überzeugend gelungen; siehe z.B. Brüning, NVwZ 2002, 33, 34 f.; K. Fischer, JuS 1988, 1096, 1097 f.; R. Schmidt/Diederichsen, JZ 1999, 37, 38 ff. 547 Brüning, NVwZ 2002, 33, 37; K. Fischer, JuS 1998, 1096, 1099 f. 548 Brüning, NVwZ 2002, 33, 35; vgl. zu dieser Fragestellung (in allgemeinerem Zusammenhang) bereits Canaris, Systemdenken, S. 121 ff. 549 BVerfGE 98, 106, 119 f.; BVerfGE 98, 83, 98; ablehnend Wernsmann, Verhalts­ lenkung, S. 184 f.; siehe in diesem Zusammenhang auch den Lösungsansatz von Jarass, AöR 126 (2001), 588, 602 ff.; weitere Nachweise speziell zur bundesstaatlichen Dimension der Fragestellung in Fn 521. 550 BVerfGE 98, 106, 119. 551 Berechtigte Kritik daher bei Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429, 435; siehe ferner Jarass, AöR 126 (2001), 588, 596 f., der zudem herausstellt, dass diese Regeln auch nur auf Divergenzen zwischen Regelungen desselben Normgebers zugeschnitten sind. Eine Anwendung der Kollisionsregeln auch auf Wertungsgegensätze wird hingegen von Canaris, Systemdenken, S. 116 f. erwogen. 552 Siehe oben bei Fn 377. 553 Etwas anderes gilt (ausnahmsweise) nur dann, wenn sich dies konkret aus einem der anerkannten Subprinzipien des Rechtsstaatsprinzips ergibt; näher bei und in Fn 532. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass zusätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegt. Hierbei handelt es sich aber um eine grundsätzlich andere Fragestellung (näher oben unter II.).

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rung an sich eindeutiger gesetzlicher Entscheidungen geht.554 Hierzu ist der Rechtsanwender in aller Regel ebenfalls nicht berufen, denn ein Verfassungsgebot, das eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung ermöglicht (und auch fordert), besteht im Allgemeinen nicht. Anderes kann hingegen namentlich dann gelten, wenn durch die Rechtsanwendung Wertungen bzw. Prinzipien anderer Teilrechtsordnungen beeinträchtigt würden, die selbst verfassungsgeleitet sind.555

F. Ergebnisse und Folgerungen für die weitere Untersuchung In Fallgruppe 1 ergibt sich die Notwendigkeit, auch teilrechtsordnungsfremde Wertungen im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen, bereits ohne weiteres aus einer verständigen Würdigung der gesetzgeberischen Gesamtregelung. Dies ist in den Fallgruppen 2 und 3 anders, weil es hier um eine Abänderung des gesetzlichen Regelungsplans geht, die nicht ohne weiteres möglich ist, sondern vielmehr ein hierauf gerichtetes, konkretes Verfassungsgebot voraussetzt.556 Denn das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber im Allgemeinen nicht, seine in den unterschiedlichen Teilrechtsordnungen getroffenen Wertentscheidungen aufeinander abzustimmen. Hieraus folgt, dass Wertungsdivergenzen und auch -widersprüche in weitem Umfang hingenommen werden müssen. Die bisher gefundenen Ergebnisse ermöglichen eine Präzisierung des Programms der weiteren Untersuchung: Ihr geht es an dieser Stelle darum zu beantworten, ob und unter welchen Voraussetzungen (grundlegende) Wertungen und Prinzipien des Steuerrechts auf das zivilrechtliche Ausgleichssystem Einfluss nehmen können und insbesondere geeignet sind, einem Innenausgleich entweder entgegenzustehen oder einen solchen einzufordern.557 Die soeben durchgeführte Fallgruppenanalyse hat gezeigt, dass bei der sachnäheren Teilrechtsordnung anzusetzen ist. Das ist hier das Zivilrecht, da es um die Anwendbarkeit seiner Ausgleichsansprüche geht. Bei summarischer Prüfung liegt der Schluss nahe, dass die im Einzelfall in Betracht kommenden gesetzlichen und vertraglichen Korrekturmechanismen häufig offen genug sein werden, um Raum für eine Berücksichtigung von (grundlegenden) Wertungen des Steuerrechts 554 Im selben Sinne Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 80 f.; siehe oben C. (insbesondere bei und in Fn 449). 555 Ausführlich oben S. 79 f. Gleichzustellen ist der Fall, dass es (sonst) verfassungsrechtlich geboten ist, diese Wertungen und Prinzipien auch unabhängig vom Bestehen des Wertungswiderspruchs zu berücksichtigen (näher bei Fn 444). 556 Zu den Einzelheiten siehe die soeben unter E IV. angeführten Verweise. 557 Zu beiden Aspekten siehe insbesondere oben S. 23 f.

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zu lassen, so dass in der Regel Anwendungsfälle der Fallgruppe 1 auftreten.558 Sind solche Wertungen hinreichend stark, können sie sich folglich – in die eine oder die andere Richtung – durchsetzen. Hält man im Steuerrecht nach übergreifenden Prinzipien Ausschau, die geeignet sein könnten, das zivilrechtliche Ausgleichssystem in entsprechender Weise zu beeinflussen, so gelangt man – wie einleitend bereits erwähnt559 – in erster Linie zum Leistungsfähigkeitsprinzip, und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen: Zum einen ist es bereits selbst auf die Herstellung von Belastungsgleichheit gerichtet,560 so dass sich ein Bedürfnis nach Abänderung der im Wege der Steuerrechtsanwendung erzielten Ergebnisse nicht von selbst versteht und daher auch nicht auszuschließen ist, dass Konflikte mit dem zivilrechtlichen Ausgleichssystem entstehen können.561 Zum anderen wird ein Erfordernis für einen internen Ausgleich von Steuerfolgen häufig gerade in solchen Fällen angenommen, in denen das Steuerrecht vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgewichen ist.562 Auf das Verhältnis beider Regelungsmaterien zueinander wird daher im nachfolgenden 2. Kapitel ausführlich eingegangen. Selbstverständlich können im Einzelfall auch andere steuerrechtliche Wertungen Relevanz entfalten. Auf ihr Abwägungsgewicht und die methodische Herangehensweise, die in derartigen Fällen angezeigt ist, wird in § 6 ebenfalls eingegangen. Aber auch Konstellationen der Fallgruppe 2 und gegebenenfalls der Fallgruppe 3 erscheinen denkbar. Beispielsweise dürfte es aus zivilrechtlicher Sicht kaum möglich sein, eine gleichberechtigt ausgehandelte vertragliche Vereinbarung, die auf die Verteilung der Steuerlast gerichtet ist und sich in den Grenzen der Privatautonomie hält, mit Blick auf etwaig konfligierende steuerrechtliche Wertungen beiseite zu schieben.563 Ist ein solches zivilrechtliches Auslegungsergebnis eindeutig (Fallgruppe 2) oder wäre das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Ausgleichsanspruchs sogar unzweideutig im Gesetz festgeschrieben (Fallgruppe 3), so bedarf es eines Verfassungsgebots, das eine Abweichung von dieser zivilrechtlichen Ausgangslage gebietet. Wie soeben gezeigt, sind einfachgesetzliche 558 Auf die Einzelheiten wird im Rahmen der weiteren Untersuchung eingegangen. 559 Vgl. oben S. 13. 560 Näher sogleich in § 5; siehe aus der neueren Rechtsprechung des BVerfG beispielhaft BVerfGE 122, 210, 230 f.; BVerfGE 120, 1, 44; BVerfGE 117, 1, 30 f.; BVerfGE 116, 164, 180. 561 Vgl. bereits oben S. 23. 562 Vgl. die auf S. 12 nachgewiesenen Autoren. 563 Auf das Verhältnis von Privatautonomie und Leistungsfähigkeitsprinzip wird vor allem in § 7 ausführlich einzugehen sein.

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Wertungen und Prinzipien des Steuerrechts hier nämlich grundsätzlich nicht in der Lage sich durchsetzen. Dementsprechend können die an sich Platz greifenden Ergebnisse der Zivilrechtsanwendung nur aufgrund solcher Wertungen des Steuerrechts überlagert werden, die verfassungsgeleitet sind. Wiederum gelangt man folglich in erster Linie zum Leistungsfähigkeitsprinzip, das seine Wurzeln im Verfassungsrecht hat564 und nach Meinung vieler prägend für das gesamte Steuerrecht ist.565 Bevor auf sein Verhältnis zum zivilrechtlichen Anspruchssystem eingegangen wird, soll das Leistungsfähigkeitsprinzip zunächst inhaltlich beleuchtet werden. Dieses Vorgehen wird wichtige Schlussfolgerungen für die weitere Untersuchung zulassen und insbesondere klären, wie stark seine (verfassungsrechtliche) Wirkkraft ist.

564 Vgl. nur die Nachweise in Fn 560; zu den Einzelheiten sogleich. 565 Siehe vorläufig die Nachweise in Fn 126. Dieser Aspekt wird im Rahmen der nachfolgenden Abschnitte sowohl vertieft als auch relativiert.

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2. Kapitel: Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche §5 Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise Nähert man sich der – auch für das Verhältnis zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem zentralen566 – Frage nach Aussagegehalt, Wirkkraft und -richtung des Leistungsfähigkeitsprinzips von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, so sticht zuvörderst der Gewerbesteuerbeschluss vom 15. Januar 2008 (BVerfGE 120, 1) ins Auge, und zwar aus zwei Gründen. Erstens fasst das Gericht hier das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Folgerichtigkeitsgebot, die es bereits seit längerem als „eng miteinander verbunden“ ansieht,567 zu einem „Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher Ertragskraft“ zusammen,568 dessen Rechtsgrund­ lage es in Art. 3 Abs. 1 GG erblickt. Zweitens ist dieser Beschluss cha­ rakteristisch für die unterschiedliche Behandlung gesetzgeberischer Systemgrund- und -ausgestaltungsentscheidungen in den neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, und zwar namentlich im Hinblick auf die Rechtfertigungsanforderungen.569 Unter Zusammenfassung bisheriger Rechtsprechungsgrundsätze heißt es hier: „Die aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG folgende Ungleichbehandlung berührt die den Gesetzgeber in seiner steuerrechtlichen Gestaltungsfreiheit aus Art. 3 Abs. 1 GG begrenzenden Leitlinien, wonach die Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit auszurichten ist (vgl. BVerfGE 116, 164, 180; BVerfGE 117, 1, 30 […]). Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz fordert nicht einen gleichen Beitrag von jedem Inländer zur Finanzierung der Gemeinlasten, sondern verlangt, dass jeder Inländer je nach seiner finanziellen Leis­ tungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird (vgl. BVerfGE 93, 121, 135; BVerfGE 117, 1, 31). Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit ist der Gesetzgeber gehalten, die gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig i.S.v. Belastungs566 Siehe soeben in § 4 unter F. 567 BVerfGE 117, 1, 30; BVerfGE 116, 164, 180; BVerfGE 110, 412, 433; BVerfGE 107, 27, 46 f.; BVerfGE 105, 73, 125 f. 568 BVerfGE 120, 1, 45; vgl. auch BVerfGE 125, 1, 17 f. 569 Einzelheiten sogleich.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche gleichheit umzusetzen (vgl. BVerfGE 107, 27, 47). Steuerpflichtige sind bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (vgl. BVerfGE 116, 164, 180). […] Ausnahmen von diesem Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher Ertragskraft bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 107, 27, 47; BVerfGE 116, 164, 180 f.; BVerfGE 117, 1, 31). Der weite Spielraum, der dem Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes zur Verfügung steht (BVerfGE 65, 325, 354; BVerfGE 93, 121, 135; BVerfGE 105, 73, 126; BVerfGE 107, 27, 47; BVerfGE 117, 1, 30 […]), kommt ihm hier nicht zu.“570

Das Gericht trennt also im Ausgangspunkt zwischen Leistungsfähigkeitsprinzip und Folgerichtigkeitsgebot, verschmilzt beide aber im Ergebnis zu einem „Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher Ertragskraft“.571 Dies wirft die Frage nach dem Verhältnis dieser Grundsätze zueinander auf. Ferner differenziert das Gericht im Hinblick auf die Rechtfertigungsintensität zwischen der Auswahl des Steuergegenstandes, d.h. der Sys­ temgrundentscheidung, und der inneren Ausgestaltung des Systems.572 Dem positivistischen Grundansatz insoweit folgend,573 gesteht das Gericht dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes (sowie auch bei der Bestimmung des Steuersatzes) einen weit reichenden Gestaltungsspielraum zu.574 Der allgemeine Gleichheitssatz soll in diesem Bereich lediglich in seiner Ausprägung als Willkürverbot gelten,575 während Ungleichbehandlungen innerhalb des Systems nur durch „besondere sachliche Gründe“ gerechtfertigt werden könnten.576 Auch erwähnt 570 BVerfGE 120, 1, 44 f. 571 Insoweit ähnlich Tipke, StuW 2007, 201, 204 ff. 572 Siehe etwa BVerfGE 127, 224, 245; BVerfGE 120, 1, 29 f. und 45; BVerfGE 107, 27, 47; BVerfGE 105, 73, 126; BVerfGE 93, 121, 136. 573 Vgl. dazu auch Drüen, FS Kruse, S. 191, 200 f.; näher zu diesem Ansatz oben S. 27 ff. 574 BVerfGE 127, 224, 245; BVerfGE 120, 1, 29 und 45; BVerfGE 117, 1, 30; BVerfGE 107, 27, 47; BVerfGE 105, 73, 126; BVerfGE 93, 121, 136; BVerfGE 65, 325, 354; BVerfGE 49, 343, 360 f. 575 BVerfGE 120, 1, 29 ff.; so auch bereits BVerfGE 65, 325, 354; BVerfGE 49, 343, 360 f.; BVerfGE 26, 302, 310. 576 BVerfGE 127, 224, 245 und 248 a.E.; BVerfGE 126, 268, 279 f.; BVerfGE 122, 210, 231; BVerfGE 120, 1, 29 a.E. und 45; BVerfGE 117, 1, 31; BVerfGE 116, 164, 180 f.; BVerfGE 107, 27, 47; BVerfGE 105, 73, 126; der Rechtsprechung folgend Drüen, in: Tipke/Kruse, § 3 AO Tz. 44 ff.; Mellinghoff, Stbg 2005, 1, 5; Papier, DStR 2007, 973, 975; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 309 ff.; vgl. auch Drüen, GmbHR 2008, 393, 399 f.; dens., StuW 2008, 3, 8 f.; Hüttemann, FS Spindler, S. 627, 630 f.; P. Kirchhof, StuW 2006, 3, 14; dens., StuW 2000, 316, 317 f. und 322 f.; dens., Besteuerung, S. 34 und S. 76 f.; Richter/Söhn, StuW 2008, 117, 118; Schlotter, Teilwert­abschreibung, S. 208 ff.; Schön, StuW 1995, 366, 370 f.; inkonsistent hingegen die – anscheinend singulär gebliebene – Entscheidung BVerfGE 123, 111, 121 ff.; zu Recht kritisch zu ihr Englisch, FS Lang, S. 167, 203 ff.; Hennrichs, FS

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

das Bundesverfassungsgericht den Begriff „Leistungsfähigkeit“ im Rahmen seiner Erörterungen über die Zulässigkeit von Systemgrundentscheidungen im Gewerbesteuerbeschluss nicht.577 Dies deutet darauf hin, dass das Gericht das Leistungsfähigkeitsprinzip auf den Binnenbereich eines vom Gesetzgeber geschaffenen Besteuerungssystems begrenzt und ihm keinen weitergehenden Inhalt als einem Folgerichtigkeitsgebot zumisst, das auf die Herstellung von Belastungsgleichheit gerichtet ist.578 Im Folgenden wird nachgewiesen, dass beides nicht haltbar wäre. Ferner wird gezeigt, dass es eines neben dem Leistungsfähigkeitsprinzip stehenden Folgerichtigkeitsgebots gar nicht bedarf. Die Darstellung setzt zunächst (hier in § 5) bei der verfassungsrechtlichen Einbettung des Leistungsfähigkeitsprinzips an, da die bisherige Untersuchung gezeigt hat, dass seine Wirkkraft im Verhältnis zum Zivilrecht hiervon zu wesentlichen Teilen abhängt. Primär von seinen verfassungsrechtlichen Grundlagen gehen auch diejenigen aus, die es zum steuerrechtlichen „Fundamentalprinzip“ erheben.579 Hauptziel der vorliegenden Untersuchung in diesem Abschnitt ist es daher, die ReichLang, S. 237, 249 ff.; Hey, DStR 2009, 2561, 2565 ff.; Hüttemann, aaO, S. 630 ff.; Schulze-Osterloh, FS Lang, S. 237, 249 ff.; vgl. aber Mellinghoff, Ubg 2012, 369, 372 f. 577 BVerfGE 120, 1, 29 ff.; insoweit nicht deutlich BVerfGE 116, 164, 180 ff.; BVerfGE 107, 27, 47; BVerfGE 105, 73, 126 (siehe zu den hier gewählten inkonsistenten Formulierungen des Gerichts bereits Tipke, StuW 2007, 201, 207 f.). Die in BVerfGE 127, 224, 245; BVerfGE 126, 268, 277 f.; BVerfGE 122, 210, 230 f.; BVerfGE 117, 1, 30; BVerfGE 112, 268, 279 f. gewählten Formulierungen sind zwar sprachlich offener. Allerdings ist nicht davon auszugehen werden, dass das BVerfG seine Binnenbereichsausrichtung aufzugeben beabsichtigt (ebenso Tipke, JZ 2009, 533, 537 mit Fn 42). Die Nichterwähnung des Leistungsfähigkeitsprinzips in dem hier in Bezug genommenen Teil des Gewerbesteuerbeschlusses (BVerfGE 120, 1, 29 ff.) lässt sich auch nicht damit erklären, dass sich das Gericht in seinen weiteren Ausführungen u.a. auf äquivalenztheoretische Erwägungen gestützt hat (S. 37 ff.). Denn erstens hat es sie nur als ergänzende Begründung angeführt. Zweitens sind die hier interessierenden Ausführungen (insbesondere S. 29) allgemeingültig formuliert. Und drittens stellt das Gericht an anderer Stelle im Gewerbesteuerbeschluss heraus, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip auch für die Gewerbesteuer gilt (S. 44 f.). 578 Siehe vorläufig nur Tipke, JZ 2009, 533, 537. 579 Zum Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips als „Fundamentalprinzip der Steuergerechtigkeit“ bzw. als „oberstes Rechtsprinzips“ des Steuerrechts näher Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 40 ff.; Lang, DStJG 24 (2001), 49, 55 ff.; ders., FS Kruse, S. 313, 317 ff.; ders., Bemessungsgrundlage, S. 97 ff.; Tipke, FS Lang, S. 21, 32 ff.; ders., StRO I, S. 321 ff., S. 469 ff.; siehe ferner (statt vieler) Englisch, FS Lang, S. 167, 173 ff.; dens., Wettbewerbsgleichheit, S. 57; Lehner, FS Tipke, S. 237, 238; Reil, Leis­ tungs- und Verlustfähigkeit, S. 69 ff.; Schaumburg/ Schaumburg, StuW 2013, 61, 62 f.; M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41, 42 a.E.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

weite des Leistungsfähigkeitsprinzips als verfassungsrechtliche Vorgabe für die Besteuerung auszuloten. Zunächst wird der Versuch unternommen, eine Definition des Begriffs der Leistungsfähigkeit mit Blick auf geeignete Leistungsfähigkeitsindikatoren zu entwickeln (unter B.) – was auf hohem Abstraktionsniveau zu erfolgen hat, weil Raum für unterschiedlichste Lebenssachverhalte und vielfältige verfassungsrechtliche Einflüsse und Erwägungen gelassen werden muss. In den folgenden Abschnitten wird näher auf ebendiese verfassungsrechtlichen Grundlagen des Leistungsfähigkeitsprinzips eingegangen (unter C. bis E.), um hierauf aufbauend die Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit zu ermitteln (unter F.). In § 6 wird dann auf die Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips im Verhältnis zum Zivilrecht eingegangen, die – wie sich erweisen wird – maßgeblich auch vom Grad seiner tatsächlichen Umsetzung im geltenden Steuerrecht abhängt. Anschließend soll in § 7 auf dieser Grundlage auf die Verhältnisbestimmung zwischen Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtlichem Ausgleichssystem im Einzelnen eingegangen werden.

B. Leistungsfähigkeit und ihre Indikatoren Das Leistungsfähigkeitprinzip besagt in den Worten des Bundesverfassungsgerichts, „dass jeder Inländer je nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird […].“580 Verbreitet ist auch von „wirtschaftlicher Leis­tungsfähigkeit“ die Rede,581 ohne dass hiermit inhaltlich etwas anderes gemeint wäre.582 Steuerpflichtige seien bei gleicher Leistungsfähig-

580 BVerfGE 120, 1, 44; BVerfGE 117, 1, 31; inhaltlich ebenso BVerfGE 93, 121, 135. 581 BVerfGE 110, 412, 433; BVerfGE 107, 27, 53; siehe ferner z.B. BFH GrS BStBl. II 2008, 608, 612; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 17; Birk, StuW 1989, 212, 213 ff.; Hartmann, BB 2008, 2490, 2492; Jachmann, StuW 1998, 293, 293; P. Kirchhof, StuW 1984, 297, 304 ff.; Lang, StuW 2007, 3, 4; Seer, BB 2004, 2272, 2272 ff. 582 Im Folgenden wird von „wirtschaftlicher“ bzw. von „steuerlicher“ Leistungsfä­ higkeit gesprochen. Leistungsfähigkeit im steuerrechtlichen Sinne (steuerliche Leis­tungsfähigkeit) knüpft an eine in der Lebenswirklichkeit vorhandene, an bestimmten Indikatoren ablesbare (näher dazu sogleich) wirtschaftliche Leis­ tungsfähigkeit an. Es besteht – entgegen Tipke, StRO I, S. 481 – kein Anlass, mit Blick auf unvermeidbare private Aufwendungen bei der Einkommensbesteuerung (subjektives Nettoprinzip) zwischen einer wirtschaftlichen und einer – dahinter zurückbleibenden – steuerlichen Leistungsfähigkeit zu unterscheiden: Wer entsprechende Verpflichtungen zu erfüllen hat, ist auch wirtschaftlich weniger leistungsfähig; zumindest ist ein entsprechendes Verständnis zwanglos möglich.

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

keit auch gleich hoch zu besteuern („horizontale Steuergerechtigkeit“),583 während – in „vertikaler“ Richtung – die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden müsse.584 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht konkretisiert sich die Leistungsfähigkeit in den verschiedenen Besteuerungsgegenständen unterschiedlich: Bei der Einkommensteuer zeige sie sich in der individuellen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen selbst,585 während bei der Gewerbesteuer die objektivierte Ertragskraft des Gewerbebetriebs entscheidend sei.586 Die für die Erbschaftsund Schenkungsbesteuerung relevante Leistungsfähigkeit bestehe darin, dass der Erwerber aufgrund des Vermögenstransfers über Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfüge.587 Diese Umschreibungen befriedigen nicht vollends, weil aus ihnen nicht eindeutig hervorgeht, was genau der Gesetzgeber nach Meinung des Gerichts zum Anknüpfungspunkt einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung machen darf. Demgegenüber definiert Tipke steuerliche Leistungsfähigkeit viel konkreter „als die Fähigkeit von Personen, Steuern Eine entsprechende Differenzierung ist ganz offensichtlich auch dem BVerfG fremd (siehe BVerfGE 107, 27, 53 a.E.). 583 BVerfGE 120, 1, 44; BVerfGE 116, 164, 180; BVerfGE 112, 268, 279; BVerfGE 110, 412, 433 f.; BVerfGE 107, 27, 46 a.E.; ebenso z.B. Birk, StuW 2000, 328, 334; Schön, StuW 1995, 366, 369 a.E.; Tipke, StRO I, S. 324 f. (mit Fn 322); ausführlich Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 170 ff. unter Hinweis aus K. Vogel, DStZ/A 1975, 409, 411 f.; mit Blick auf die Einkommensteuer siehe ferner Tipke, StRO II, S. 672; anders hingegen ders., StRO I, S. 481, der den Begriff der horizontalen Gerechtigkeit hier auf ein proportionales Ansteigen der Steuerlast im Verhältnis zum disponiblen Einkommen bezieht. 584 BVerfGE 126, 268, 278; BVerfGE 122, 210, 231; BVerfGE 116, 164, 180; BVerfGE 112, 268, 279 („dem Gerechtigkeitsgebot genügen“); BVerfGE 110, 412, 433; BVerfGE 107, 27, 46 f.; dem folgend etwa BFH GrS BStBl. II 2010, 672, 682. Nach Auffassung des BVerfG sind aber auch einkommensunabhängige Steuerarten vom Leistungsfähigkeitsprinzip umfasst (näher sogleich), so dass seine im Haupttext in Bezug genommene Formulierung zu eng ist; ohne diese Beschränkung Birk, StuW 2000, 328, 335; ders., Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165 ff.; Schön, StuW 1995, 366, 369 a.E.; Tipke, StRO I, S. 325. Allerdings versteht Tipke an anderer Stelle (S. 481 sowie StRO II, S. 672) unter „vertikaler Gerechtigkeit“ den progressiven Tarif; gleichsinnig anscheinend BVerfGE 127, 224, 247 a.E.; Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 49; siehe bereits K. Vogel, DStZ/A 1975, 409, 411 ff. 585 BVerfGE 116, 164, 186. Das BVerfG betont seit jeher, dass besonders das Einkommensteuerrecht „auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt“ sei (BVerfGE 107, 27, 47; BVerfGE 82, 60, 86; BVerfGE 61, 319, 343 f. mit weiteren Nachweisen). 586 BVerfGE 120, 1, 44 f.; BVerfGE 116, 164, 186. 587 BVerfGE 117, 1, 33 f.; vgl. auch BVerfGE 116, 164, 190: „Steigerung der Leistungsfähigkeit, die ein Erbe durch die Erbschaft erlangt.“

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

aus dem gespeicherten Einkommen [Vermögen]588 entsprechend der Höhe des disponiblen Einkommens zahlen zu können.“589 Er sieht mithin das – weit verstandene – Einkommen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit an.590 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts lassen sich allerdings auch Steuern, die an andere Merkmale anknüpfen, mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbaren.591 Seinen Ausführungen liegt mithin ein weiter gefasstes Verständnis steuerlicher Leistungsfähigkeit zugrunde.592 Dies kommt besonders deutlich in einem Kammerbeschluss aus dem Jahr 1999 zum Ausdruck, wo es – unter inzidenter Ablehnung des engeren Ansatzes Tipkes – u.a. heißt: „Soweit die Darlegungen des [nach Art. 100 Abs. 1 GG vorlegenden] Gerichts auf seiner Auffassung zu gründen scheinen, daß Steuern nur auf das Einkommen und in Form einer Einkommensverwendungssteuer erhoben werden dürfen, stehen die einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes (Art. 105 ff. GG) sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem entgegen. […] Soweit das vorlegende Gericht für seine Rechtsausführungen zur Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG […] von einem Einheitssteuersystem ausgeht und als Anknüpfungspunkt für die Be588 Tipke setzt Vermögen und gespeichertes Einkommen gleich; siehe etwa Tipke, StRO I, S. 326, S. 471, S. 500. 589 Tipke, StRO I, S. 481; siehe ferner etwa dens., StuW 2007, 201, 205; ebenso Schön, StuW 2005, 247, 249. 590 Näher Tipke, StRO I, S. 499 ff., S. 502 ff.; nachdrücklich S. 248: „Zu keiner Zeit war eine Steuer gerecht, die auf die Frage, ob Einkommen erzielt wurde oder hätte erzielt werden können, gar keine Rücksicht nahm.“ Als in diesem Sinne leis­ tungsfähigkeitsgerecht sieht Tipke namentlich auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer an, da unentgeltliche Zuwendungen die Leistungsfähigkeit des Begünstigten erhöhten (S. 505 sowie ders., StRO II, S. 872). Gleiches gelte für die Umsatzsteuer, da auch das verwendete Einkommen ein dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechender Maßstab sei (ders., FS Reiß, S. 9, 12 ff.; ders., StRO II, S. 981). Jeweils handele es sich um eine „Einkommensteuer im weiteren (untechnischen) Sinne“ (S. 910 und S. 1010); kritisch insoweit Trzaskalik, FS Tipke, S. 321, 322 ff. 591 Die Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip hat das BVerfG für die folgenden Steuerarten bejaht: Einkommensteuer (BVerfGE 120, 1, 44; weitere Nachweise in Fn 585), Vermögensteuer (BVerfGE 93, 121, 134 ff., gestützt auf den Sollertrags­gedanken), Erbschaft- und Schenkungsteuer (BVerfGE 117, 1, 30 ff.), Gewerbesteuer (BVerfGE 120, 1, 44 f.; vgl. BVerfGE 115, 97, 112), „direkte Steuern“ (BVerfGE 127, 224, 247 a.E.), Grundsteuer und Zweitwohnungssteuer (BVerfGE 65, 325, 353), Umsatzsteuer (BVerfGE 36, 321, 333) sowie allgemein für Aufwandsteuern (BVerfGE 114, 316, 334; BVerfGE 65, 325, 346 ff.; BVerfGE 49, 343, 354), Verbrauchsteuern (BVerfGE 110, 279, 297) und bei „der Besteuerung von Umsatz, Verkehr- und Verbrauchsvorgängen“ (BVerfG BStBl. II 1999, 152, 156); unpräzise daher Moes, Steuerfreiheit, S. 136. 592 Vgl. auch Vogel/Waldhoff, in: BK-GG, Vorbem. z. Art. 104a – 115 Rz. 519: Alle in Art. 106 GG genannten Steuern beruhten auf dem Leistungsfähigkeitsgedanken; dagegen Tipke, StRO I, S. 483.

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze steuerung nur noch das Einkommen bzw. das im Vermögen ‘gespeicherte’ Einkommen als einzige wirkliche Steuerquelle ansieht, fehlt es an jeglicher Darlegung, weshalb dies von Verfassungs wegen geboten ist. […] Der Hinweis, alle Steuern könnten nur aus dem (gespeicherten) Einkommen entrichtet werden (was zutrifft) und die vom Gericht daraus gezogene Folgerung, die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeute deshalb die Besteuerung entsprechend der Höhe des Einkommens, genügt in diesem Zusammenhang den Darlegungsanforderungen ersichtlich nicht. Die Auffassung steht in offenkundigem Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.“593

Die jüngeren Entscheidungen des Gerichts lassen sich vor diesem Hintergrund so deuten, dass Leistungsfähigkeit in der Innehabung von „Geld oder Wirtschaftsgütern mit einem Geldwert“ zum Ausdruck kommt; Anknüpfungspunkt für die Besteuerung kann namentlich eine Erhöhung entsprechender Positionen sein.594 Leistungsfähigkeit lässt sich auf Grundlage dieser Rechtsprechung als die Fähigkeit von Personen definieren, Steuern aus einem vorhandenen Vermögen (Geld oder Güter mit Geldeswert) zu zahlen.595 Diese Definition ist allerdings – isoliert be593 BVerfG BStBl. II 1999, 152, 155 f. 594 Insoweit stimmen die Ausführungen des Gerichts mit dem soeben referierten Ansatz Tipkes überein; vgl. BVerfGE 117, 1, 33 f. (zur Erbschaft- und Schenkungsteuer): „Denn die durch den Vermögenszuwachs beim Erwerber entstandene finanzielle Leistungsfähigkeit besteht darin, dass er aufgrund des Vermögenstransfers über Geld oder Wirtschaftsgüter mit einem Geldwert verfügt.“ Siehe auch BVerfGE 116, 164, 190: „Die Einkommensteuer erfasst [bei Gewerbebetrieben] die Leistungsfähigkeit, die durch laufende Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb bzw. realisierte Wertsteigerungen des Betriebsvermögens entsteht, die Erbschaftsteuer dagegen die Steigerung der Leistungsfähigkeit, die ein Erbe durch die Erbschaft erlangt.“ Auch das vom BVerfG im Gewerbesteuerbeschluss (BVerfGE 120, 1, 45) formulierte Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher Ertragskraft belegt die besondere Bedeutung des Erwerbs von Geld bzw. Gütern mit Geldeswert für die Besteuerung. 595 Ähnlich P. Kirchhof, StuW 1985, 319, 321: „Zu vergleichen ist, wer wegen seiner Zahlungsfähigkeit aus eigenen Wirtschaftsgütern belastbar ist.“ Siehe auch Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 9; Schaumburg, FS Reiß, S. 25, 25 sowie Seer, 66. DJT/II 1, Q 133 und Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 289 ff., die (Ist-)Leistungsfähigkeit als tatsächlich vorhandene Steuerzahlungsfähigkeit definieren; ähnlich Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167. Tipke, StRO I, S. 480, S. 499 kritisiert derartige Formulierungen deshalb, weil sie zu der Vorstellung verleiten könnten, der Staat dürfe sich überall und bei jedem so lange bedienen, wie „noch etwas zu holen“ sei. Er betont demgegenüber, dass „Leistungsfähigkeitsprinzip“ nur eine verkürzte Bezeichnung für „Prinzip gleichmäßiger Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit“ sei (S. 480 und S. 500 f.; siehe ferner Weber-Grellet, Steuern, S. 162 f.). In der Tat kann man bei der Formulierung im Haupttext nicht stehenbleiben. Ein vollständiges Bild entsteht vielmehr erst dann, wenn man erstens einbezieht, dass der Leistungsfähigkeitsbegriff nur in Zusammenschau mit den Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in der Lebenswirklichkeit Aussagekraft besitzt.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

trachtet – wenig aussagekräftig, denn der Leistungsfähigkeitsbegriff ist auf das Engste mit den Erscheinungsformen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in der Lebenswirklichkeit verbunden. Dies wird sowohl an den soeben zitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts596 als auch an zahlreichen Stellungnahmen in der Literatur597 deutlich, wo in erster Linie nach Indikatoren vorhandener Leistungsfähigkeit gefragt wird. Ein solches Vorgehen ist auch unausweichlich:598 Leistungsfähigkeit kann nicht abstrakt, d.h. losgelöst von bestimmten Vorgängen bzw. Zuständen, in denen sie zum Ausdruck kommt, gemessen werden. Es ist unmöglich, einer Person599 einen bestimmten, in absoluten Zahlen darstellbaren Wert an Leistungsfähigkeit zuzuordnen.600 Leistungsfähigkeit ist vielmehr nur anhand von Lebenssachverhalten ermittelbar, in denen sie sich manifestiert. Damit geht einher, dass auch die Besteuerung notwendig an konkrete Vorgänge und Zustände in der Lebenswirklichkeit anknüpfen muss.601 Leistungsfähigkeit kann daher nur situativ bestimmt werden, so dass in der Tat sinnvoll nur danach gefragt werden kann, welche Lebenssachverhalte als Leistungsfähigkeitsindikatoren anzusehen sind.602 Zweitens muss die Funktion steuerlicher Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden, als Vergleichsmaßstab bei der Prüfung des Gleichheitssatzes zu dienen, der zahlreiche verfassungsrechtliche Wertungen in sich aufnimmt; zu beiden Aspekten näher sogleich. 596 Siehe oben Fn 594 sowie etwa auch die Entscheidungen BVerfGE 114, 316, 334; BVerfGE 65, 325, 347 f. 597 Siehe z.B. Bachmann, StuW 1991, 116, 117; Birk, StuW 2000, 328, 329; dens., StuW 1989, 212, 214; dens., Leistungsfähigkeitsprinzip, passim, insbesondere S. 166 ff.; Birk/Wernsmann, JZ 2001, 218, 221; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 42 und 52 ff.; Jachmann, StuW 1998, 293, 293 f. („Maßgröße“); Lang, FS Kruse, S. 313, 326 ff.; dens., Bemessungsgrundlage, S. 104 ff.; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 144 ff.; Weber-Grellet, Steuern, S. 169 f.; M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41, 43 f.; R. Wendt, DÖV 1988, 710, 714; vgl. auch Englisch, StuW 2007, 221, 224 und 235 sowie die Ausführungen zur Bemessungsgrundlage bei Tipke, StRO I, S. 499 ff., S. 502 ff.; zu entsprechenden finanzwissenschaftlichen Ansätzen ausführlich Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 32 ff. 598 Vgl. insoweit auch Moes, Steuerfreiheit, S. 138 ff., der das Leistungsfähigkeitsprinzip allerdings (zu Unrecht) insgesamt ablehnt. 599 Auf die umstrittene Frage, wer Zurechnungssubjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit sein kann, wird im 2. Teil dieser Untersuchung im Zusammenhang mit der Besteuerung von Unternehmen zurückzukommen sein. 600 Siehe bereits Trzaskalik, FS Tipke, S. 321, 322 ff. (325). 601 Vgl. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 166. 602 Auch in der oben bei Fn 589 zitierten Leistungsfähigkeitsdefinition Tipkes kommt dieser Zusammenhang zum Ausdruck, nämlich in dem Merkmal „entsprechend der Höhe des disponiblen Einkommens“. Bei P. Kirchhof (oben Fn 595) heißt es: „Durch das Prinzip der Leistungsfähigkeit gerechtfertigt ist nur die Belastung solcher Gegenstände, die eine Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausweisen“

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

Folgende Definition wird hier vorgeschlagen – und der weiteren Untersuchung zugrunde gelegt: Leistungsfähigkeit wird indiziert durch Vorgänge und Zustände in der Lebenswirklichkeit, die bei Berücksichtigung aller im jeweiligen Sachbereich relevanten Umstände typischerweise auf die Fähigkeit schließen lassen, Steuern aus vorhandenem Vermögen zu zahlen. Enthalten ist mithin der soeben aus den jüngeren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts abgeleitete Leistungsfähigkeitsbegriff, der dem Zusammenhang Rechnung trägt, dass Steuern aus einem vorhandenen Vermögen gezahlt werden müssen.603 Der hier vorgeschlagene Begriff ist weit genug, um Raum für die Einbeziehung anderer Erscheinungsformen als dem Einkommen (im weiteren Sinne) zu lassen, trifft insoweit aber keine Festlegung, denn die Frage, welche Vorgänge und Zustände in der Lebenswirklichkeit auf die Fähigkeit schließen lassen, Steuern aus vorhandenem Vermögen zu zahlen, ist wertender Natur und kann je nach Sachbereich unterschiedlich beantwortet werden.604 Erfor(Hervorhebung nur hier). Wernsmann (Fn 595) schreibt auf S. 301 a.E.: [W]irtschaftliche Leistungsfähigkeit [wird] verstanden […] als durch bestimmte Indikatoren vermittelte Fähigkeit, Steuern zahlen zu können […].“ 603 Dies geht mit der verbreitet vertretenen Auffassung konform, dass ausschließlich eine Besteuerung nach der Ist-Leistungsfähigkeit verfassungskonform sei (näher zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben in den folgenden Abschnitten); siehe etwa Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167; Hennrichs, FS Lang, S. 237, 239; Hey, Beihefter zu DStR 2009, 109, 110; P. Kirchhof, Besteuerung, S. 27; Seer, 66. DJT/II 1, Q 132 f.; Tipke, StRO I, S. 497 f.; Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 266; dens., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 116 Rn. 102, 110 und 113 sowie ausführlich Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 289 ff., S. 301 ff. mit weiteren Nachweisen, auch zur Gegenansicht; weniger strikt allerdings das BVerfG, das insoweit lediglich von einer Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers spricht (BVerfGE 93, 121, 135 a.E.). In Bezug auf den Betreuungsbedarfs für Kinder hat es sich zudem für einen ausgabenunabhängigen Abzug ausgesprochen, da es die kindbedingte Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Eltern als von konkreten Aufwendungen unabhängig ansieht (BVerfGE 99, 216, 233 ff., 240 ff. (243); dazu näher Wernsmann, aaO, S. 301 ff.). 604 Ausführlich zur Frage nach geeigneten Leistungsfähigkeitsindikatoren (neben Tipke): Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 495; Bachmann, StuW 1991, 116, 120 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 52 ff.; Lang, FS Kruse, S. 313, 326 ff.; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 147 ff.; R. Wendt, DÖV 1988, 710, 714 ff.; siehe auch Birk, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1591, 1595 ff.; für eine Beschränkung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf Personensteuern bzw. direkte Steuern P. Kirchhof, StuW 1985, 319, 321 und 324; ders., StuW 1984, 297, 304 ff.; siehe ferner Drüen, in: Tipke/Kruse, § 3 AO Tz. 50a; vgl. auch noch P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 326 f.; dens., Besteuerung, S. 25 ff.; siehe nunmehr aber dens., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 191 ff.; dens., StuW 2006, 3, 6 ff., der in Bezug auf indirekte Steuern von „(typisierend) vermuteter Leis­ tungsfähigkeit“ spricht; ausführlich zur Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips auf indirekte Steuern Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 564 ff.; zuletzt

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

derlich, aber auch ausreichend ist es, wenn die jeweils relevanten Umstände im Normalfall („typischerweise“) den Schluss zulassen, dass der Betroffene die Steuern aus vorhandenem Vermögen zahlen kann.605 Die wertende Ermittlung, welche Umstände genau im jeweiligen Sachbereich Bedeutung erlangen, muss sich – wie sogleich unter C. und D. im Einzelnen nachgewiesen wird – am (Steuer-)Gerechtigkeitsgedanken orientieren. Etwaige, in dem Sachbereich einschlägige verfassungsrechtliche Wertungen sind hierbei primär zu berücksichtigen. Die inhaltliche Ausfüllung des Leistungsfähigkeitsbegriffs ist mithin auf das Engste mit seiner (verfassungsrechtlichen) Ableitung verbunden,606 auf die im Folgenden ausführlich eingegangen wird. Die hier vorgeschlagene Definition des Leistungsfähigkeitsindikators ist offen genug, um diesen Zusammenhang abzubilden. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen erscheint es schon bei summarischer Betrachtung fragwürdig, Systemgrundentscheidungen des Gesetzgebers nicht am Leistungsfähigkeitsprinzip messen zu wollen, wie dies namentlich im Gewerbesteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck zu kommen scheint. Denn zum einen besitzt das Leistungsfähigkeitsprinzip offenkundig auch und gerade für die Frage Aussagekraft, welche Zustände und Vorgänge in der Lebenswirklichkeit überhaupt besteuert werden dürfen. Und zum anderen kann die gesetzgeberische Entscheidung, die Besteuerung an die Verwirklichung bestimmter Tatbestände zu knüpfen, ganz offensichtlich zur Folge haben, dass andere Personengruppen, die vergleichbare Sachverhalte verwirklichen, weniger stark „zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben“607 herangezogen werden. Diese Zweifel an der Richtigkeit des Ausgangspunkts des Gerichts erhärten sich, wenn man den allgemeinen Gleichheitssatz in den Blick nimmt, der als hauptsächliche verfassungsrechtliLang, StuW 2013, 53, 58; zu Verbrauch- und Verkehrsteuern siehe ferner Jachmann, FS Reiß, S. 339, 347 ff.; Schaumburg, FS Reiß, S. 25, 31 ff.; Tipke, FS Reiß, S. 9, 12 ff., 19 ff. Zu dem in Rede stehenden Fragenkreis gehört insbesondere auch die umstrittene Frage, ob Steuern auf den Vermögensbestand mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbart werden können; siehe dazu statt vieler Hey, in: Tipke/Lang, aaO, Rz. 60 ff.; Tipke, StRO II, S. 916 ff., S. 922 ff., jeweils mit Nachweisen. 605 Nicht hingegen muss in jedem Einzelfall der Nachweis erbracht werden, dass auch tatsächlich entsprechende Vermögenswerte vorhanden sind: Knüpft der Gesetzgeber etwa an das Erwerbseinkommen als geeignetem Leistungsfähigkeitsindikator an, so ist es für die Besteuerung grundsätzlich gleichgültig, ob der Einkommensbezieher hohe private Schulden hat. 606 Vgl. vorläufig nur R. Wendt, DÖV 1988, 710, 713 f. 607 Siehe die Nachweise aus der Rechtsprechung des BVerfG in Fn 580.

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

che Grundlage für das Leistungsfähigkeitsprinzips genannt wird.608 Dies soll im Folgenden geschehen.

C. Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichheitssatz Namentlich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet sich häufig die Aussage, das Leistungsfähigkeitsprinzip folge aus Art. 3 Abs. 1 GG609 bzw. aus dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der seinerseits im allgemeinen Gleichheitssatz verankert sei.610 Diese Ableitungen sind jedoch nicht selbstverständlich, da dem allgemeinen Gleichheitssatz als solchem keine Belastungskriterien zu entnehmen sind und namentlich die steuerlichen Fiskalzwecknormen auch nicht auf lebenstatsächliche Sachgesetzlichkeiten reagieren, die der Gesetzgeber unbedingt regeln müsste.611 Wie die drei genannten Elemente (allgemeiner Gleichheitssatz, Steuergerechtigkeit, Leistungsfähigkeitsprinzip) zusammenhängen, zeigt folgende Überlegung:612 Art. 3 Abs. 1 GG ist in seiner Ausprägung als Rechtsetzungsgleichheit betroffen, wenn der Gesetzgeber wesentlich Gleiches ungleich bzw. wesentlich Ungleiches gleich behandelt.613 Werden Personengruppen verschieden hoch besteuert, obwohl sie Sachverhalte verwirklichen, die auf eine gleiche wirtschaftliche Leis­ tungsfähigkeit schließen lassen, oder werden sie gleich hoch besteuert, 608 Nachweise sogleich. Zu weiteren Ableitungen siehe unter D. 609 BVerfGE 99, 216, 232 a.E.; BVerfGE 93, 121, 135; BVerfGE 82, 60, 86 a.E.; vgl. BVerfGE 120, 1, 44. 610 BVerfGE 66, 214, 223; BVerfGE 61, 319, 343 f.; BVerfGE 47, 1, 29 f.; BVerfGE 43, 108, 118 ff.; vgl. BVerfGE 117, 1, 30; BVerfGE 68, 143, 152; BVerfGE 55, 274, 302 a.E.; aus dem Schrifttum siehe Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 17; Friauf, StuW 1985, 308, 313; Papier, DStR 2007, 973, 975; dens., StuW 1984, 315, 317; Pezzer, FS Zeidler, Bd. I, S. 757, 761 ff. 611 Vgl. Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 303 f.; Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 116 Rn. 105; dens., FR 2007, 225, 227 f.; siehe zur besonderen Problemstellung bei der gleichheitsrechtlichen Prüfung steuerlicher Aufteilungsnormen auch P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), aaO, § 118 Rn. 84 ff. Insoweit erweist sich der positivistische Grundansatz (oben S. 27 f.) als zutreffend; siehe im vorliegenden Zusammenhang auch Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 45 ff.; K. Vogel, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. II, S. 527, 542; dens., DStZ/A 1977, 5, 8 ff. 612 Vgl. insbesondere Tipke, StRO I, S. 234 ff., S. 282 ff. (S. 312 ff.) sowie auch Friauf, StuW 1985, 308, 313; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 115 ff., S. 122 ff.; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 136 ff.; R. Wendt, DÖV 1988, 710, 712 f.; siehe ferner Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 286 f., der allerdings die Steuergerechtigkeit als Begründungselement verwirft. 613 Siehe mit Blick auf das Steuerrecht etwa BVerfGE 126, 268, 277; BVerfGE 125, 1, 17; BVerfGE 120, 1, 29; BVerfGE 117, 1, 30; BVerfGE 116, 164, 180; BVerfGE 112, 268, 279; BVerfGE 110, 412, 431.

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obwohl sie Erscheinungsformen unterschiedlich stark ausgeprägter Leis­ tungsfähigkeit verwirklichen, so wäre dies für Art. 3 Abs. 1 GG (nur) dann bedeutsam, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit den gleichheitsrelevanten Vergleichsmaßstab im steuerlichen Bereich bildete.614 Der allgemeine Gleichheitssatz liefert das jeweils relevante Differen­ zierungskriterium nicht aus sich selbst heraus, sondern ist insoweit wertungs­offen.615 Anders als in Art. 134 WRV616 und in zahlreichen ausländischen Verfassungsordnungen617 ist die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Vergleichsmaßstab im Grundgesetz nicht ausdrücklich festgeschrieben.618 Das wirft die Frage auf, ob und bejahendenfalls in welcher Intensität der Gesetzgeber nach den allgemeinen gleichheitsrechtlichen Grundsätzen darauf verpflichtet ist, das Steuerrecht leistungsfähigkeitskonform auszugestalten. Dies ist schon im Grundsätzlichen umstritten, da die verfassungsrechtliche Ausgangslage zwei gegensätzliche Folgerungen zulässt:619 Man könnte den Gesetzgeber zum einen als grundsätzlich frei darin ansehen, das relevante Differenzierungskriterium selbst auszuwählen.620 Es 614 Richtigerweise sollte bereits bei der Vergleichspaarbildung eine wertende Ermittlung von im jeweiligen Sachbereich relevanten Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede erfolgen; vgl. etwa Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 434; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 80 ff. (S. 107), S. 178 f.; Huster, Rechte­und Ziele, passim, insbesondere S. 225 ff., S. 351 ff.; Tipke, StRO I, S. 312 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 287; a.A. z.B. Eckhoff, Rechts­ anwendungsgleichheit, S. 71 ff.; Kischel, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit, S. 175, 177 ff. (180 f.); ders., AöR 124 (1999), 174, 180 ff. (187). Jedenfalls bedarf eine Gleich- bzw. Ungleichbehandlung regelmäßig dann keiner Rechtfertigung, wenn sie lediglich Folge der Anwendung eines sachangemessenen Maßstabs ist, denn in diesem Fall ist materiale Gleichheit gerade gewahrt (näher unten Fn 652). 615 Vogel/Waldhoff, in: BK-GG, Vorbem. z. Art. 104a – 115 Rz. 517; Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 5, 7; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 140; P. Kirchhof, StuW 1984, 297, 303; Mellinghoff, Stbg 2005, 1, 3; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 121 f.; K.-A. Schwarz, FS Isensee, S. 949, 949; Tipke, StRO I, S. 314; Waldhoff, FR 2007, 225, 228. 616 Die Norm lautete: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.“ Ausführlich zu ihr Hensel, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1930, 441, 441 ff. 617 Überblick bei Tipke, StRO I, S. 488 ff. 618 Dem lässt sich auch nicht die These entgegenhalten, dass alle in Art. 106 GG angeführten Steuern leistungsfähigkeitskonform seien (vgl. die Nachweise oben in Fn 592), denn dies ist gerade die Frage – und überaus zweifelhaft. 619 Näher Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 156 ff.; siehe auch Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 134 ff. 620 Siehe etwa BVerfGE 84, 348, 359; BVerfGE 81, 108, 117; BVerfGE 50, 386, 392; BVerfGE 49, 148, 165; BVerfGE 26, 302, 310; BVerfGE 13, 181, 202: Grundsätzlich

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hätte schon dann vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand hat, wenn es willkürfrei bzw. plausibel ist. Dies ist besonders in früherer Zeit vom Bundesverfassungsgericht (auch) für den Bereich des Steuerrechts vertreten worden621 – und klingt in der Behandlung von Systemgrundentscheidungen im Gewerbesteuerbeschluss nach wie vor an.622 Wohl entschiedenster Verfechter dieses Ansatzes in neuerer Zeit ist Kruse, dem zufolge das Leistungsfähigkeitsprinzip nur einer von vielen Differenzierungsgründen sei, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, so dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich unbenommen bleibe, andere Kriterien heranzuziehen.623 Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip seien mithin lediglich am Willkürverbot zu messen.624 Denkbar ist zum anderen, dass aus dem allgemeinen Gleichheitssatz für den Bereich des Steuerrechts deshalb striktere Grenzen abzuleiten sind, weil aus materiellen (Gerechtigkeits-)Wertungen, die über ihn zur Geltung gelangen, abzuleiten ist, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in diesem Bereich das zentrale, weil im Normalfall einzig sachangemessene Differenzierungskriterium darstellt.625 Letzteres trifft zu: Art. 3 Abs. 1 GG kann „als zentrale Verteilungsnorm für die steuerlichen Belastungswirkungen“626 fruchtbar gemacht werden, obliege es dem Gesetzgeber zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebenssachverhalte maßgebend dafür sind, sie rechtlich gleich oder ungleich zu behandeln. 621 Siehe die Nachweise in Fn 620; näher dazu Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 156 ff. Legt man diese Sichtweise zugrunde, könnte das Leistungsfähigkeitsprinzip Bedeutung im Wesentlichen nur in Form eines Konsequenzgebots entfalten (S. 159 f.). 622 Näher oben A. 623 Kruse, FS Friauf, S. 793, 804 f.; ders., Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 50 ff. mit S. 44 ff. (siehe demgegenüber noch dens., Steuerrecht I, S. 44); im gleichen Sinne etwa Arndt, NVwZ 1988, 787, 787 ff. (791); ders., FS Mühl, S. 17, 27 ff.; Kischel, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit, S. 175, 177 ff.; vgl. auch Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513, 519; Droege, StuW 2011, 105, 108 f.; Lepsius, JZ 2009, 260, 261 f.; K. Vogel, StuW 1977, 97, 101; zur Vielgestaltigkeit steuerlicher Gleichheit und Gerechtigkeit siehe auch bereits Hensel, Vierteljahresschrift für Steuerund Finanzrecht 1930, 441, 446 f.; weitergehend noch Gassner/M. Lang, 14. ÖJT, S. 58 ff. (S. 64): „Gleichheitsgrundsatz statt Leistungsfähigkeitsprinzip“ (näher zu diesem Ansatz unter F II.). Kruse zufolge sind dem Steuergesetzgeber nur dann engere Grenzen gesetzt, wenn spezielle Gleichheitssätze oder Freiheitsgrundrechte betroffen werden; diese griffen unabhängig vom Leistungsfähigkeitsprinzip ein (Kruse, FS Friauf, S. 793, 796 f.). Kritik am Ansatz Kruses übt Lang, FS Kruse, S. 313, 316 ff.; siehe auch Huster, Rechte und Ziele, S. 370 ff.; Reil, Leis­tungs- und Verlustfähigkeit, S. 73 ff. sowie die Darstellung im Folgenden. 624 Kruse, FS Friauf, S. 793, 796 f.; siehe auch etwa Lepsius, JZ 2009, 260, 261. 625 Umfängliche Nachweise in den nachfolgenden Absätzen. 626 So Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 161.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

weil die Vorschrift geeignet ist, Gerechtigkeitswertungen in sich aufzunehmen, die von der Rechtsgemeinschaft anerkannt sind und sich mit den Wertentscheidungen des Grundgesetzes vereinbaren lassen.627 Wie namentlich Tipke herausgearbeitet hat, ist Ausdruck materialer Rechtsstaatlichkeit im Steuerrecht628 das Gebot der Steuergerechtigkeit,629 das somit bei der Frage nach der Bestimmung des sachangemessenen Vergleichsmaßstabs auf den allgemeinen Gleichheitssatz einwirkt und ihn auf diese Weise in Dienst nimmt.630 Schon mit Blick darauf, dass die Besteuerung empfindliche Einschnitte in die wirtschaftlichen Grundlagen individueller Freiheitsausübung nach sich ziehen kann und eine Vielzahl von Grundrechtsträgern spürbar belastet,631 ist ein Kriterium erforderlich, das zu einer gerechten Verteilung der Gesamtsteuerlast führt (iusti-

627 Vgl. bereits oben Fn 461; siehe insbesondere Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 3 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 82 ff.; Huster, Rechte und Ziele, passim, etwa S. 29 ff., S. 361 ff.; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 23 ff. sowie Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 411; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 121; K.-A. Schwarz, FS Isensee, S. 949, 949; Tipke, JZ 2009, 533, 534 ff.; dens., StRO I, S. 483 f. und im Ausgangspunkt auch das BVerfG, das schon früh in ständiger Rechtsprechung die Formulierung: „bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken“ (z.B. BVerfGE 49, 260, 283; BVerfGE 42, 64, 72; BVerfGE 3, 58, 135) verwendet hat – allerdings nur zur Einleitung von Prü­fungen am Willkürmaßstab; grundsätzlich a.A. hingegen Eckhoff, Rechtsan­wendungsgleichheit, S. 141 ff., der jedoch die Richtigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips als Differenzierungskriterium ebenfalls – wenig konsequent – auf Sachgerechtigkeitserwägungen stützt (S. 151 ff.). Auf die im jüngeren Schrifttum auch sonst formulierte Kritik an der Bezugnahme auf Gerechtigkeitswertungen wird im nachfolgenden Absatz zurückgekommen. 628 Ausführlich zum Gesamtzusammenhang Tipke, StRO I, S. 226 ff. sowie Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 90 ff.; siehe ferner Di Fabio, JZ 2007, 749, 749 ff.; Tipke, StuW 2007, 201, 201 ff. 629 Tipke, StRO I, S. 228 und S. 236 ff.; siehe ferner Di Fabio, JZ 2007, 749, 749 ff.; Englisch, FS Lang, S. 167, 172 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 95 ff.; Tipke, StuW 2007, 201, 201 ff.; K. Vogel, DStZ/A 1975, 409, 409 ff.; Nachweise aus der Rechtsprechung des BVerfG oben Fn 610. 630 Vgl. Tipke, StRO I, S. 284 f., der herausstellt, dass an sachgerechten Prinzipien orientierte Gleichheit Gerechtigkeit bewirkt (siehe auch dens., StuW 2007, 201, 203 f.). Die jeweilige Gerechtigkeitswertung muss nicht ihrerseits zwingend aus dem GG folgen (Tipke, StRO I, S. 315, S. 321, S. 483 f.); enger Vogel/Waldhoff, in: BK-GG, Vorbem. z. Art. 104a – 115 Rz. 518 ff.; Waldhoff, FR 2007, 225, 228; kritisch zu diesem Ansatz Tipke, aaO, S. 483 f. 631 Zum Verhältnis von Freiheitsgrundrechten und sonstigem Verfassungsrecht zum Leistungsfähigkeitsprinzip näher sogleich unter D.

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

tia distributiva)632 und so zugleich die den Einzelnen treffende Steuerlast begrenzt.633 An der Argumentation mit Gerechtigkeitserwägungen ist gerade mit Blick auf den Steuerkontext in jüngerer Zeit Kritik geübt worden, die sich daran entzündet, dass plurale Gerechtigkeitsvorstellungen konkurrierten und Einzelableitungen nicht immer konsensfähig seien.634 Hieran ist zum einen richtig, dass die Ermittlung des jeweils einschlägigen „Würdigkeitsmaßstabs“635 eine „Zeit- und Stilfrage“ ist und wesentlich von der jeweils vertretenen staatsphilosophischen Grundanschauung abhängt.636 Zum anderen ist selbstverständlich nicht zu verkennen, dass das Herunterbrechen des Leistungsfähigkeitsprinzips auf konkrete Einzelfragen Schwierigkeiten bereiten kann.637 Dies ändert aber nichts daran, dass die wertende Ableitung eines sachangemessenen – und damit: gerechten – Kriteriums für die steuerliche Lastenzuteilung unerlässlich ist.638 Dies gilt ganz generell für den allgemeinen Gleichheitssatz: Soll er mehr als Leerformelcharakter haben, so ist eine am Gedanken der Verteilungsgerechtigkeit orientierte und mit den Wertentscheidungen der Verfassung zu vereinbarende639 Ermittlung geeigneter Differenzie632 Ausführlich zu den rechtsphilosophischen Hintergründen der Verteilungsgerechtigkeit Canaris, iustitia distributiva, S. 9 ff.; Henkel, Rechtsphilosophie, S. 403 ff.; Küster, FS Raiser, S. 541, 545 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 351 ff.; grundlegend Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 106 ff. (1130b, 30 ff.; ab 1131a, 10). Dass Lastenausteilungsnormen und insbesondere das Steuerrecht der iustitia distributiva unterliegen, dürfte allgemein anerkannt sein; siehe nur Canaris, aaO, S. 24 f.; Henkel, aaO, S. 403, S. 409; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 121; Rüthers/ Fischer/Birk, aaO, Rn. 355. Teilweise werden für den Bereich der Lastenverteilung auch die Begriffe „iustitia legalis“ (siehe etwa Kriele, Gerechtigkeit, S. 59) und „kontributive Gerechtigkeit“ verwendet (Nachweise bei Tipke, StRO I, S. 261), ohne dass dies aber einen inhaltlichen Unterschied machen würde. 633 Vgl. BVerfGE 84, 239, 269; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 411; Englisch, FS Lang, S. 167, 173 ff.; siehe ferner Eckhoff, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1601, 1602 ff. (1604); P. Kirchhof, StuW 1984, 297, 298 und 300 f.; Tipke, StRO I, S. 239; Waldhoff, FR 2007, 225, 227 f.; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 155 f.; R. Wendt, DÖV 1988, 710, 712 f.; dens., BB 1987, 1257, 1259 f. 634 Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, § 3 AO Tz. 43 a.E.; Birk, StuW 2011, 354, 354 ff. (siehe aber S. 361 ff.); Drüen, FS Spindler, S. 29, 34; Eckhoff, FS Steiner, S. 119, 123 ff. (126); dens., Rechtsanwendungsgleichheit, S. 141 ff. (siehe aber S. 151 ff. sowie dens., FS Kirchhof, Bd. II, S. 1601, 1602 ff.); Moes, Steuerfreiheit, S. 134 f.; allgemeiner Rüthers, JZ 2009, 969, 969 ff.; weitere Nachweise bei Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 144 ff.; Elschen, StuW 1988, 1, 1 ff.; prononciert bereits Kelsen, Gerechtigkeit, S. 6 ff., S. 23 ff. (S. 24 f.). 635 Vgl. Fn 643. 636 Näher dazu (ausgehend vom aristotelischen Werk) Küster, FS Raiser, S. 541, 546 ff. 637 Dazu unten F. 638 Die relativistisch geprägte Gegenposition ablehnend auch Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 25 f. (siehe ferner S. 67 ff.) sowie Englisch, FS Lang, S. 167, 173 ff.; siehe ferner Elschen, StuW 1988, 1, 2 ff.; zu weiteren Nachweisen vgl. den vorstehenden Absatz. 639 Vgl. wiederum Fn 630.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche rungskriterien unausweichlich – und auch möglich.640 Hierbei handelt es sich um die vornehmste Aufgabe des (Verfassungs-)Juristen, die nicht unter Hinweis auf das Fehlen einer zwingenden (oder gar: logischen bzw. naturgesetzlichen) Anknüpfung negiert werden kann.641 Selbst für eine Willkürprüfung bedarf es im Übrigen wertender Kriterien.642

Den zutreffenden „Würdigkeitsmaßstab“643 für den Bereich des Steuerrechts bildet – zumindest in erster Linie644 – das Leistungsfähigkeitsprinzip, das zu Recht vielfach als Ausfluss der Steuergerechtigkeit angesehen wird.645 Denn Steuern stellen keine Gegenleistung für eine besondere staatliche Leistung dar (vgl. § 3 Abs. 1 AO) und müssen aus dem vorhan-

640 Siehe neben den (weiteren) Nachweisen in Fn 627 namentlich Canaris, iustitia distributiva, S. 18 ff. mit weiteren Nachweisen aus dem rechtsphilosophischen Schrifttum; Huster, Rechte und Ziele, S. 29 ff., S. 361 ff. (zur verfassungsrechtlichen Diskussion); so letztlich auch Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 151 ff. 641 Vgl. auch etwa Huster, Rechte und Ziele, S. 361 ff.; K.-A. Schwarz, FS Isensee, S. 949, 949. 642 Siehe nur K.-A. Schwarz, FS Isensee, S. 949, 951 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. bereits Fn 627). 643 Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 107 (1131a, 25 ff.); Henkel, Rechtsphilosophie, S. 403 ff.; Küster, FS Raiser, S. 541, 546 ff.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 13. 644 Ob, sieht man von den Vorzugslasten ab, in Einzelbereichen das Äquivalenzprinzip den richtigen Vergleichsmaßstab bilden und an die Stelle des Leistungsfähigkeitsprinzips treten kann (vgl. dazu Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 169 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 44 ff.; Tipke, StRO I, S. 478; WeberGrellet­, Steuern, S. 173 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 275 ff.; anders aber nunmehr Tipke, StRO II, S. 1092 ff.), erscheint zweifelhaft (vgl. Birk, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1591, 1593 f.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 155 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 12 f.; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 138 Fn 108 sowie – auch mit Blick auf sonstige Prinzipien – P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 326; dens., Besteuerung, S. 23), muss für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung aber nicht entschieden werden; zu Möglichkeiten und Grenzen einer nutzentheoretischen Ergänzung des Leistungsfähigkeitsprinzips Hey, FS Lang, S. 133, 134 ff. Für das Kriterium der „Gemeinwohlverantwortung“ spricht sich Jachmann, FS Reiß, S. 339, 348 ff. (352 f.) in Bezug auf Verbrauch- und Aufwandsteuern aus, die an gesundheits- bzw. umweltschädigendes Verhalten anknüpfen. 645 BVerfGE 120, 1, 44; BVerfGE 66, 214, 223; BVerfGE 61, 319, 344; BVerfGE 47, 1, 29; Englisch, FS Lang, S. 167, 172 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 40 ff.; P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 326; K.-A. Schwarz, FS Isensee, S. 949, 955 f.; Tipke, StuW 2007, 201, 203 ff.; ders., StRO I, S. 484; K. Vogel, DStZ/A 1975, 409, 410 a.E.; siehe aus dem rechtsphilosophischen und -theoretischen Schrifttum auch Henkel, Rechtsphilosophie, S. 409 a.E.; Rüthers, Rechtstheorie, 3. Aufl. 2007, Rn. 363. Allerdings hat das BVerfG diesem Zusammenhang lange Zeit nur unzureichend Rechnung getragen; näher dazu Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 161 f.

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

denen Vermögen gezahlt werden, so dass es für den Regelfall646 sachwidrig – ungerecht – wäre, die Besteuerung nach anderen Kriterien als der tatsächlich vorhandenen Leistungsfähigkeit vorzunehmen, wie sie sich in der Lebenswirklichkeit in Form bestimmter Vorgänge und Zustände manifestiert.647 Erweist sich das Leistungsfähigkeitsprinzip mithin als im steuerlichen Bereich zu weiten Teilen einzig sachgerecht, so stellt es hier die zentrale gleichheitsrelevante Gerechtigkeitswertung dar648 – und wird damit zu Recht nahezu allgemein als steuerspezifischer Vergleichsmaßstab angesehen.649 Damit kann die eingangs formulierte Aussage präzisiert werden: Das Leistungsfähigkeitsprinzip folgt nicht aus dem (an sich inhaltsleeren, aber wertungsoffenen) allgemeinen Gleichheitssatz, sondern kommt in ihm zur Geltung, weil Art. 3 Abs. 1 GG die Berücksichtigung materialer Gerechtigkeitswertungen unter Einschluss des Gebots der Steuergerechtigkeit zulässt und einfordert.650 646 Zur grundsätzlichen Möglichkeit, Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip zu rechtfertigen, näher sogleich. 647 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 13 f. („unmittelbare[r] und unanfechtbare[r] Bezug zum Postulat der Gerechtigkeit“), S. 100 ff. sowie auch Englisch, FS Lang, S. 167, 172 ff.; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 137 f.; Tipke, StRO I, S. 480. Nachweise zum verbreitet vertretenen „Fundamentalprinzip“-Charakter des Leis­ tungsfähigkeitsprinzips in Fn 579. Hierauf wird in § 6 zurückzukommen sein. Allerdings obliegt es grundsätzlich dem Gesetzgeber zu bestimmen, welche Leis­ tungsfähigkeit indizierende Sachverhalte er der Besteuerung unterwerfen will; zur gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit und ihren Grenzen näher unter F. 648 In der Terminologie Husters, Rechte und Ziele, passim, insbesondere S. 164 ff. handelt es sich folglich um einen „internen Zweck“ (S. 357 ff., S. 369 ff.); zur Behandlung „externer Zwecke“ im Steuerrecht vgl. die Ausführungen im nachstehenden Absatz. 649 Birk, StuW 1989, 212, 213; Eckhoff, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1601, 1604 f.; Englisch, FS Lang, S. 167, 172 ff.; Friauf, StuW 1985, 308, 313; Hennrichs, FS Lang, S. 237, 239; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 40 ff.; Huster, Rechte und Ziele, S. 357 ff., S. 369 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 9 f.; P. Kirchhof, StuW 2006, 3, 5 a.E.; ders., StuW 2000, 316, 317; ders., StuW 1984, 297, 303 ff.; Lang, StuW 2007, 3, 4; ders., DStJG 24 (2001), 49, 55 ff.; Schaumburg, FS Reiß, S. 25, 26; Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61, 62; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 136 ff.; Seer, 66. DJT/II 1, Q 129 f.; Tipke, BB 2007, 1525, 1527; ders., StRO I, S. 322 und S. 479 ff.; Waldhoff, Die Verwaltung, 259, 261 f.; ders., FR 2007, 225, 227; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 155 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 271, S. 287; siehe auch Drüen, in: Tipke/Kruse, § 3 AO Tz. 43; Jachmann, StuW 1998, 293, 293; Mellinghoff, Stbg 2005, 1, 3; stark relativierend namentlich Kruse (Nachweise oben Fn 623 f.). Auf das Gegenargument, das Leistungsfähigkeitsprinzip sei vieldeutig und unbestimmt (siehe vorläufig die Nachweise bei Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 134 f.), wird unter F II. eingegangen. 650 Ähnlich Lang, Bemessungsgrundlage, S. 124 f.; Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 69 ff. (S. 82). Insofern trifft die Aussage Tipkes, StRO I, S. 314 f. (siehe auch dens., StuW 2007, 201, 203 a.E. sowie Drüen, in: Tipke/Kruse, § 3 AO Tz. 42 und insoweit auch Kruse, FS Friauf, S. 793, 795) zu, das Gleichbehandlungsgebot folge

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

Nicht aus den Augen verloren werden darf allerdings, dass Art. 3 Abs. 1 GG nicht geeignet ist, eine durchgehend mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbarende Besteuerung zu gewährleisten, da Abweichungen und Durchbrechungen häufig651 einer Rechtfertigung zugänglich sind652 – was mit Blick auf andere legitime Zielvorstellungen des Gesetzgebers auch unerlässlich ist.653 Allerdings bedarf es dafür jeweils einer tragfähigen sachlichen Begründung,654 wobei sich die Rechtfertigungs­ intensität im Allgemeinen am Grad der Abweichung vom Leistungsfäaus dem Gerechtigkeitsgebot, nicht umgekehrt. Vom praktischen Ergebnis her macht es im Übrigen keinen Unterschied, ob man dem Leistungsfähigkeitsprinzip Verfassungsrang (so Vogel/Waldhoff, in: BK-GG, Vorbem. z. Art. 104a – 115 Rz. 524) oder (lediglich) „verfassungsrechtliche Wirkkraft“ (so Lang, aaO) zumisst. 651 Auf Ausnahmen von der grundsätzlichen Rechtfertigungsmöglichkeit wird im Folgenden noch eingegangen. 652 Siehe nur Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 237; Huster, Rechte und Ziele, S. 370 ff. (S. 375) sowie auch Papier, StuW 1984, 315, 317 f., allerdings auf Grundlage des Willkürverbots. Aus dem bisher Gesagten (siehe insbesondere Fn 614) folgt, dass Gleich- und Ungleichbelastungen grundsätzlich keiner Rechtfertigung bedürfen, wenn sie lediglich Ausfluss einer leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung sind. Demgegenüber müssen Abweichungen und Durchbrechungen vor Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden; im gleichen Sinne Birk, StuW 2000, 328, 329 f.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 107 f., S. 179 ff.; Huster, aaO, S. 370 ff. (S. 381); Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 262, S. 272, S. 287, S. 314 a.E.; vgl. auch BVerfGE 108, 52, 69 (zu Unterhaltspflichten); treffend Birk, StuW 1989, 212, 213: „Gleiche Besteuerung heißt unterschiedliche Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“; a.A. namentlich Kischel, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit, S. 175, 179 ff. 653 Näher Birk, StuW 2000, 328, 329 f. (mit Überblick). Hieraus folgt aber nicht, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich eine von mehreren gleichwertigen gesetzgeberischen Zielvorstellungen bildet (so aber die auf S. 114 f. in Bezug genommene Gegenansicht). Vielmehr bedarf jede Abweichung von diesem steuerspezifischen Vergleichsmaßstab einer Rechtfertigung (vgl. auch Fn 654). 654 Siehe etwa Birk, StuW 2000, 328, 329 f.; Englisch, FS Lang, S. 167, 199 ff.; Tipke, StRO I, S. 306 f., S. 524 f. Entgegen Kischel, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit, S. 175, 182 f. (vgl. auch Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513, 519 sowie die Nachweise in Fn 623) und anders, als dies in zahlreichen Entscheidungen des BVerfG zum Ausdruck kommt (vgl. etwa BVerfGE 122, 210, 231 f.; BVerfGE 117, 1, 31 f.; BVerfGE 110, 274, 292 f.; Rechtsprechungsanalyse bei Schön, FS Spindler, S. 189, 191 ff.), besteht auch in Bezug auf steuerliche Lenkungs- und insbesondere Vergünstigungsvorschriften kein genügender Anlass, vom Erfordernis einer hin­ reichenden Rechtfertigung abzurücken; näher Englisch, aaO, S. 206 ff.; Schön, aaO, S. 189 ff., S. 194 ff. sowie Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 236 ff.; Huster, Rechte und Ziele, S. 370 ff., S. 375 ff.; P. Kirchhof, AöR 128 (2003), 1, 46 ff.; vgl. auch Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 276 a.E.; siehe zu den hierzu vertretenen Anforderungen im Einzelnen Birk, aaO, S. 330; Englisch, aaO, S. 206 f.; Glaser­, StuW 2012, 168, 172 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 131 ff.; Schön, aaO, S. 200 f.; Seer, Ubg 2012, 376, 379 f.; dens., GmbHR 2009, 225, 235 sowie auch Kube, Finanzgewalt, S. 237 ff.; Wernsmann, FS Kirchhof, Bd. II,

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

higkeitsprinzip (als bereichsspezifisch sachangemessenem Differenzierungskriterium) zu orientieren hat.655 Auf zahlreiche entsprechende Situationen und in Betracht kommende Abwägungsgesichtspunkte wird im Verlauf dieser Untersuchung zurückzukommen sein. Betont sei aber schon an dieser Stelle, dass im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nur dann Rechtfertigungsbedarf besteht, wenn die Besteuerungsentscheidung des Gesetzgebers auch tatsächlich vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweicht – was sorgfältiger Prüfung bedarf. Denn zum einen muss Berücksichtigung finden, dass bereits die Aussagekraft des Leistungsfähigkeitsprinzips selbst von denjenigen verfassungsrechtlichen Wertungen mitgeprägt wird, die in dem jeweils betroffenen Sachbereich einschlägig sind (dazu sogleich unter D.), so dass Steuervorschriften, die damit konform gehen, in gleichheitsrechtlicher Hinsicht keiner Rechtfertigung mehr bedürfen. Zum anderen – und vor allem – ist dem Gesetzgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum eröffnet, da das Leistungsfähigkeitsprinzip die einzelne Besteuerungsentscheidung in aller Regel nicht vorgibt, sondern den Gesetzgeber lediglich limitiert (dazu unten F.). Hält er sich in diesem Rahmen, besteht aus Sicht des allgemeinen Gleichheitssatzes folglich ebenfalls kein Rechtfertigungsbedarf.

D. Zur verfassungsrechtlichen Fundierung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Übrigen Als Rechtsgrundlagen für das Leistungsfähigkeitsprinzip werden ergänzend zum allgemeinen Gleichheitssatz auch Freiheitsgrundrechte656 und andere verfassungsrechtliche Wertungen, insbesondere das Sozialstaats­

S. 1645, 1645 ff. (1652 ff.); dens., Verhaltenslenkung, S. 221 ff., S. 244 ff.; weitergehend namentlich Morgenthaler, FS Isensee, S. 911, 912 ff. 655 Zu weiteren Einzelheiten und Konkretisierungen siehe die nachfolgenden Ausführungen in diesem Abschnitt (§ 5); zusammenfassend unten S. 145. 656 Birk, StuW 1983, 293, 297 f.; ders., Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 135 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 575 ff.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 183; ders., StuW 2006, 3, 5 und 8 ff.; ders., StuW 2000, 316, 325 f.; ders., StuW 1985, 319, 323; Lehner, DStR 2009, 185, 189 ff. (190 f.); ders., Einkommensteuerrecht, S. 322 ff., S. 337 ff., S. 364 ff., S. 408 ff.; Reil, Leis­ tungs- und Verlustfähigkeit, S. 97 ff.; R. Wendt, DÖV 1988, 710, 712 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 286 ff.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

prinzip,657 angeführt.658 Hierbei ist zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Ebenen zu trennen:659 Zum einen dienen diese Ableitungen der ergänzenden Begründung und Absicherung des oben herausgearbeiteten Zusammenhangs, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip im steuerlichen Bereich das sachangemessene Differenzierungskriterium darstellt,660 denn bei der Frage, welche Gerechtigkeitsgesichtspunkte über den Gleichheitssatz zur Geltung gelangen, sind verfassungsrechtliche Wertungen zuvörderst zu berücksichtigen.661 Hiermit in engem Zusammenhang steht, dass sich verfassungsrechtliche Wertungen, die in dem jeweiligen Sachbereich von Bedeutung sind, auch auf die inhaltliche Reichweite des Leistungsfähigkeitsprinzips selbst

657 Zur sozialstaatlichen Ableitung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Differenzierungskriterium der Besteuerungsgleichheit Jachmann, FS Reiß, S. 339, 346; dies., Steuergesetzgebung, S. 10 f.; dies., StuW 1998, 293, 293 ff.; dies., StuW 1996, 97, 98; dies., Grenzen, S. 9 ff.; siehe ferner Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 145 ff., S. 167 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 577 ff.; Huster, Rechte und Ziele, S. 411 ff.; Schön, StuW 2004, 62, 66 ff.; ablehnend hingegen Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 90 ff. 658 Zu weiteren Begründungsansätzen siehe Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 572 ff.; siehe ferner die Nachweise bei Schaumburg, FS Reiß, S. 25, 26 f., der auch auf europarechtliche Bezugspunkte des Leistungsfähigkeitsprinzips eingeht; sehr weitgehend Weber-Grellet, Steuern, S. 27 ff., S. 161 ff., der neben Freiheitsgrundrechten und dem Sozialstaatsgedanken zudem das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip anführt (S. 29 und S. 166 f.); kritisch zu seinem Ansatz Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 13 (ff.); Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 130 Fn 58; zur Frage der ergänzenden Verankerung in Art. 106 GG siehe einerseits Vogel­/Waldhoff, in: BK-GG, Vorbem. z. Art. 104a – 115 Rz. 519 und andererseits Tipke, StRO I, S. 483 f. 659 Vgl. bereits Jachmann, StuW 1996, 97, 98; dies., Grenzen, S. 12 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 286 ff. 660 Vgl. etwa Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 286; zum Sozialstaatsprinzip siehe die in Fn 657 in Bezug genommenen Beiträge Jachmanns sowie etwa auch P. Kirchhof, StuW 1984, 297, 306 („bestätigende Begründung“ des Leistungsfähigkeitsprinzips); Tipke, StRO I, S. 484; mit Bezug auf Art. 14 und 12 GG siehe P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 326; dens., StuW 1985, 321, 323; Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 101 ff. 661 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 140 f.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 85 f., S. 100 f.; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7, 27; siehe auch Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 32; Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 7, 11; für den vorliegenden steuerrechtlichen Kontext vgl. insbesondere Englisch, aaO, S. 571 f.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 10 f. (zum Sozialstaatsprinzip) sowie P. Kirchhof, AöR 128 (2003), 1, 24 und 28 (zu Art. 14, 12 und 9 GG) sowie 34 ff. (Verhältnis der Besteuerungsgleichheit zu den Freiheitsrechten und zur Gesamtverfassung), allerdings mit weitergehendem Ansatz (Freiheitsrechte als spezielle Gleichheitsrechte).

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

auswirken können,662 so dass die Frage, was genau jeweils die leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung ist, mit Blick auf die einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben beantwortet werden muss.663 Diesen Zusammenhang betont das Bundesverfassungsgericht seit langem im Anwendungsbereich des einkommensteuerrechtlichen subjektiven Nettoprinzips, und zwar namentlich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG.664 In neuerer Zeit macht das Gericht diese Vorschrift auch in Bezug auf die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen fruchtbar, die in engem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von Ehegatten stehen.665 Hinter diesen Ansätzen steht die Überlegung, dass die verfassungsrechtlichen Wert­ entscheidungen zugunsten von Ehe und Familie den von Art. 3 Abs. 1 GG gelassenen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum666 einengen.667 In die gleiche Richtung zielt es, wenn die Reichweite des objektiven Nettoprinzips, das in seinem Kernbereich als Ausfluss des Leistungsfähig-

662 Vgl. Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 411 a.E.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 13 ff.; dies., Grenzen, S. 12 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 125 ff.; Lehner, DStR 2009, 185, 190 f.; dens., Einkommensteuerrecht, S. 307 ff.; Mellinghoff, Stbg 2005, 1, 3 f.; R. Wendt, DÖV 1988, 710, 714 sowie auch Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 173 ff., der allerdings im Hinblick auf die Besteuerung von Ehegatten gerechtfertigte Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips aufgrund verfassungsrechtlicher „Vorzugswertungen“ annimmt; zum Verhältnis zu der hier vorgeschlagenen Definition des Leistungsfähigkeitsindikators siehe oben S. 112. 663 Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist mithin eine „verfassungsrechtliche Ver­ teilungsgröße […] als Summe bestimmter Wertvorgaben“ (so Birk, Leistungs­ fähigkeitsprinzip, S. 166). Entscheidend sind dementsprechend (verfassungs-) rechtliche, nicht ökonomische Gesichtspunkte (siehe S. 169 sowie Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 159 f. und auch S. 154 ff.; Tipke, StRO I, S. 480; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 161). 664 BVerfGE 112, 268, 278 ff.; BVerfGE 99, 216, 232 ff.; BVerfGE 82, 60, 86 ff.; BVerfGE 68, 143, 152 ff.; BVerfGE 61, 319, 343 ff. Das Gericht stützt sich in solchen Situationen häufig auf eine kombinierte Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG, teilweise aber auch auf Art. 6 Abs. 1 GG als besonderem Gleichheitssatz. Auf das Verhältnis beider Vorschriften zueinander wird im 1. Kapitel des 2. Teils dieser Untersuchung zurückzukommen sein; siehe dazu vorläufig Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 301. In dem im Haupttext angeführten Zusammenhang hat das BVerfG auch auf das Sozialstaatsprinzip hingewiesen (BVerfGE 68, 143, 152; BVerfGE 61, 319, 343); zur häufig mit betroffenen Frage der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums näher sogleich. 665 BVerfGE 107, 27, 52 ff.; siehe auch S. 27 f. (Leitsatz) und S. 49; auf diese Entscheidung Bezug nehmend BVerfGE 122, 210, 234 f.; BVerfGE 112, 268, 280. 666 Siehe zu ihm im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip sogleich unter F. 667 In diesem Sinne etwa BVerfGE 87, 1, 38 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 141; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 301.

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keitsprinzips anzusehen ist,668 im Schrifttum auch freiheitsrechtlich konkretisiert wird.669 Verfassungsrechtliche Wertungen, die in dem jeweiligen Sachbereich einschlägig sind, wirken sich ferner auf die Anforderungen aus, die an die Rechtfertigung von Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips zu stellen sind.670 So kommt es bereits nach den allgemeinen, für die Rechtfertigung von gleichheitssatzrelevanten Ungleichbehandlungen weithin anerkannten Grundsätzen wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirkt.671 Besondere Bedeutung kommt diesem Aspekt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Einkommensteuerrecht wiederum dann zu, wenn auch Art. 6 Abs. 1 GG für eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung streitet.672 So steht das in diesen Fällen häufig eingreifende spezielle Diskriminierungsverbot eheund familienbezogenen Benachteiligungen entgegen.673 Eine Rechtfertigung erscheint dann allenfalls in Ausnahmefällen denkbar.674 Von diesen Formen der ergänzenden verfassungsrechtlichen Fundierung und Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Differenzierungskriterium im Rahmen der Gleichheitssatzprüfung grundsätzlich zu unterscheiden ist – zum anderen – die Situation, dass die Freiheitsausübung deshalb in verfassungsrechtlich untragbarer Weise eingeschränkt wird, weil die Besteuerung die freiheitsrechtlich zumutbare Belastungs-

668 Einzelheiten unter F III. 669 Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 94 ff.; Hey, Beihefter zu DStR 2009, 109, 110; Jachmann, Beihefter zu DStR 2009, 129, 130; Lehner, DStR 2009, 185, 189 ff.; ders., Einkommensteuerrecht, S. 312 ff.; zu dem (Sonder-)Fall, dass Abzugsverbote konfiskatorische Wirkungen zeitigen, näher sogleich. 670 Siehe etwa Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 97; Lehner, DStR 2009, 185, 191. 671 Siehe z.B. BVerfGE 122, 210, 230; BVerfGE 112, 164, 174; BVerfGE 106, 166, 176; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 32, 38; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 21. Nichts anderes kann für sonstige verfassungsrechtliche Wertungen gelten (Jarass, aaO, Rn. 22). 672 Siehe etwa BVerfGE 112, 268, 278 ff.; BVerfGE 107, 27, 52 ff. (56); BVerfGE 99, 216, 232 ff., 240 ff.; vgl. – in allgemeinerem Zusammenhang – auch die Vorgehensweise in BVerfGE 107, 205, 215; BVerfGE 106, 166, 175 f.; prägnant zu dieser Rechtsprechung Hey, FS Herzig, S. 7, 8 a.E. („Erfolgsgarantien“, auch in Bezug auf Art. 1 Abs. 1 GG). 673 Siehe aus der neueren Rechtsprechung insbesondere BVerfGE 99, 216, 232 und 235 ff. sowie BVerfGE 112, 268, 279 ff. 674 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 23. Erleichterte Rechtfertigungsanforderungen gelten hingegen unterhalb der Schwelle diskriminierend wirkender Vorschriften; vgl. BVerfGE 107, 27, 56; BVerfGE 87, 1, 38 ff.

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obergrenze überschreitet675 und sich daher als in diesem Sinne übermäßig darstellt.676 Auch insoweit kann man zwar von einer (in absoluter Hinsicht)677 „leistungsfähigkeitswidrigen“ Besteuerung sprechen.678 Dieser Fall ist allerdings prinzipiell vom Gleichheitssatz abgelöst, wenn und soweit die Besteuerung an einen geeigneten Leistungsfähigkeitsindikator anknüpft und die vertikale Steuergerechtigkeit deshalb gewahrt ist, weil der Anstieg der Steuerlast mit einer entsprechenden Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einhergeht.679 In derartigen Situationen kann dem Belastungsübermaß nur freiheitsrechtlich, insbesondere mittels Art. 14 Abs. 1 GG680 begegnet werden.681 Insoweit treten die freiheits675 Siehe bereits Jachmann, StuW 1996, 97, 98 f.; dies., Grenzen, S. 13; zu dem hiermit in engem Zusammenhang stehenden Gebot der Steuerfreistellung des Exis­ tenzminimums näher sogleich. 676 Von „übermäßiger Steuerbelastung“ und gleichartigen Begriffen ist im vorliegenden Zusammenhang namentlich auch in der Rechtsprechung des BVerfG die Rede (siehe z.B. BVerfGE 115, 97, 115 ff.; BVerfGE 93, 121, 135 und 137); zu den Schwierigkeiten, diese Zumutbarkeitsgrenze bei Fiskalzwecknormen abzuleiten und festzustellen, siehe insbesondere BVerfGE 115, 97, 114 ff.; vgl. auch bereits oben S. 27 f. 677 Vgl. Weber-Grellet, StuW 1993, 97, 98; siehe ferner Birk/Wernsmann, JZ 2001, 218, 218 f.; K. Vogel, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. II, S. 527, 536; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 288 f. (mit Blick auf die Steuerfreiheit des Existenzminimums, auf die im Folgenden noch eingegangen wird). Angemerkt sei, dass der Begriff „absolut“ im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung mit einer anderen Bedeutung verwendet wird; näher unten F. 678 Vgl. Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 277 („vertikale Dimension der Steuergerechtigkeit i.w.S.“) sowie Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 135: „Staatliche Verpflichtung zur Freiheitsgewährleistung verlangt, daß dem wirtschaftlich Leis­ tungsfähigen seine Leistungsfähigkeit als Basis seiner Freiheitsausübung verbleibt […].“ Teilweise wird jedoch – zum Zwecke der terminologischen Abgrenzung – ausdrücklich davon abgesehen, im vorliegenden Zusammenhang von „Leistungsfähigkeit“ zu sprechen (Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 13 f.). 679 Vgl. insoweit nur P. Kirchhof, StuW 2006, 3, 5: „Der Gleichheitssatz setzt dieses Maß nicht, weil er nicht die zwar gleichmäßige, aber übermäßige Last abwehrt.“ So auch bereits Hensel, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1930, 441, 448 (zu Art. 134 WRV); in gleichem Sinne wohl auch BVerfGE 115, 97, 116 f.; zu der von Kirchhof ebenfalls vorgenommenen Verknüpfung von Freiheitsgarantien und Gleichheitsgewährleistungen näher sogleich. 680 So BVerfGE 115, 97, 113 ff. (117). Auf die umstrittene Frage nach der freiheitsrechtlichen Obergrenze der Besteuerung wird hier nicht eingegangen, da sie für die vorliegende Untersuchung nicht von Bedeutung ist (dazu sogleich); siehe zu diesem Problemkreis etwa Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 277 ff. 681 Vgl. Birk, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1591, 1594 f.; Jachmann, StuW 1996, 97, 99: „Konkrete Belastungsgrenzen jenseits des existenznotwendigen Bedarfs erwachsen jedoch nur aus Freiheitsgrundrechten.“ Zu der von ihr an dieser Stelle in Bezug­genommenen Steuerfreiheit des Existenzminimums näher sogleich. Demgegenüber hatte Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 168 die Obergrenze der Besteuerung – in

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rechtlichen Vorgaben eigenständig neben den Gleichheitssatz und gelangen mithin unabhängig von ihm zur Geltung.682 Betroffen ist daher eine andere, nämlich eine genuin freiheitsrechtliche Dimension der „Leis­ tungsfähigkeit“. Sie ist im Folgenden nicht gemeint, da für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ausschließlich die gleichheitsrechtliche Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips von Bedeutung ist. Ein Bedürfnis nach zivilrechtlichem Ausgleich knüpft nämlich notwendig an ein relatives Ungleichgewicht zwischen den beteiligten Privaten an. Es ist auch nicht möglich, diese beiden – ganz unterschiedlichen – Formen der „Leistungsfähigkeit“ zu einem übergeordneten, die entsprechenden verfassungsrechtlichen Wertungen zusammenfassenden Prinzip zu verschmelzen,683 denn die Kreation eines derartigen übergreifenden Prüfungsmaßstabs ebnete die Strukturunterschiede der jeweiligen Verfassungsnormen, insbesondere die unterschiedlichen Bezugspunkte von Gleichheits- und Freiheitsgrundrechten sowie die verschiedenen Rechtfertigungsanforderungen ein.684 Allerdings kann es zwischen der genuin freiheitsrechtlich und der primär gleichheitsrechtlich abgeleiteten Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips Überschneidungsbereiche geben: Eine Steuer, die das freiheitsrechtlich zulässige (absolute) Maß der Besteuerung überschreitet, kann zugleich gleichheitswidrig sein, etwa weil bestimmte Sachverhalte ohne hinreichenden Grund von der hohen Besteuerung ausgenommen werden, obwohl sie eine identische wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermitteln. Ferner kann sich eine erdrosselnde Wirkung der Steuerlast daraus ergeben, dass die im jeweiligen Sachbereich relevante Leistungsfähigkeit nicht richtig abgebildet wird.685 gewissem Gegensatz zu seinen Ausführungen auf S. 135 f. – noch rein sozialstaatlich ableiten wollen. 682 Selbstverständlich können sich aus den Freiheitsgrundrechten auch sonst eigenständige Schranken der Besteuerungsgewalt ergeben (statt vieler Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 194 ff.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 31). Vorliegend geht es jedoch ausschließlich um Situationen, bei denen eine leistungsfähigkeitswidrige Besteuerung den Bezugspunkt bildet. 683 In diese Richtung aber P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 183; ders., StuW 2006, 3, 5, 8 und 12: Verbindung über das Erfordernis der verhältnismäßigen Last; siehe bereits dens., StuW 1985, 319, 321 f.: „Gleichheit in der angemessenen Last“; dem folgend Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 575 f. 684 Siehe bereits Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 13 ff.; dies., Grenzen, S. 13 ff.; von solchen Unterschieden geht an anderer Stelle auch Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 189 aus. 685 Siehe mit Blick auf die Abzugsfähigkeit von Erwerbsaufwendungen bei der Einkommensbesteuerung Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 94; Hey, Beihefter zu DStR 2009, 109, 110; Jachmann, Beihefter zu DStR 2009, 129, 130.

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In solchen Fällen gelangen beide Ausprägungen nebeneinander zur Anwendung. Sie weisen jedoch unterschiedliche Anknüpfungspunkte auf.686 Ein besonderes Abgrenzungsproblem stellt sich im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Herleitung der Pflicht des Gesetzgebers, das Existenzminimum einkommensteuerlich zu verschonen:687 Das Bundesverfassungsgericht hat diese „Untergrenze“ der Besteuerung688 in der Grundfreibetragsentscheidung rein freiheitsrechtlich auf das Verbot der Erdrosselungssteuer gestützt.689 In neueren Entscheidungen690 kombiniert es hingegen einen abwehrrechtlichen Begründungsansatz (Art. 1 Abs. 1 GG, ergänzt um das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG), der im Kern freiheitsrechtlicher Natur ist,691 mit einer gleichheitsrechtlichen Ableitung (Art. 3 Abs. 1 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG).692 Aus diesen jüngeren Entscheidungen wird nicht klar, ob das Gericht vom gleichheitsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip ausgeht und es (lediglich) mit weiteren Verfassungswertungen auflädt

686 Diese Situation unterscheidet sich von der sogleich zu besprechenden „Untergrenze“ der Besteuerung dadurch, dass Leistungsfähigkeitswidrigkeit und Übermaßbesteuerung nicht notwendig einhergehen (vgl. auch Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 94). Es handelt sich allerdings um einen Grenzfall. 687 Nachweise zur Rechtsprechung des BVerfG sogleich. Diese Pflicht ist im Ergebnis auch im steuerjuristischen Schrifttum allgemein anerkannt (vgl. die nachfolgenden Nachweise, auch in den weiteren Fußnoten). Insbesondere wird sie – trotz ablehnender Haltung gegenüber der verfassungsrechtlichen Relevanz von Leis­ tungsfähigkeitsprinzip und subjektivem Nettoprinzip (dazu unten S. 140 f.) – auch von Moes vertreten, allerdings unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip (Moes, Steuerfreiheit, S. 163 ff., S. 171 ff., S. 224 ff. (mit S. 109 ff.)). Umstritten ist ins­ besondere ihre konkrete Reichweite (siehe etwa Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 594 ff.; Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 299 ff.; Tipke, FR 1990, 349, 349 f.) und ihre korrekte bzw. optimale regelungstechnische Umsetzung (dazu etwa Bareis, DB 2012, 994, 996 ff.; Mellinghoff, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1889, 1893 ff.; Tipke, StRO II, S. 797 ff.); ausführlich zu offenen Fragen in diesem Bereich namentlich Lehner, aaO, passim und Moes, aaO, passim, insbesondere S. 163 ff., S. 231 ff. 688 Der Begriff „Untergrenze“ wird etwa verwendet von BVerfGE 112, 268, 281; P. Kirchhof, AöR 128 (2003), 1, 17 und 35. Er ist jedoch missverständlich, da er zu Unrecht suggeriert, dass mindestens das Existenzminimum besteuert werden müsste. 689 BVerfGE 87, 153, 169 (Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG). 690 Siehe etwa BVerfGE 120, 125, 154; BVerfGE 110, 412, 431 sowie bereits BVerfGE 82, 60, 85 ff. 691 Vgl. Lehner, DStR 1992, 1641, 1643. 692 Art. 6 Abs. 1 GG wird dort mitzitiert, wo das Existenzminimum der Familie betroffen ist.

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und fundiert,693 oder ob ein primär auf den Menschenwürdegehalt gestütztes abwehrrechtliches Verbot neben das (gleichgerichtete) gleichheitsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip tritt.694 Im Schrifttum finden sich Vertreter für alle denkbaren Sichtweisen.695 Als Argument gegen die Gleichheitsrelevanz und damit für eine rein freiheits- bzw. abwehrrechtliche Ableitung wird angeführt, dass es bei der Steuerfreiheit des Existenzminimums nicht um einen Vergleich mit anderen gehe.696 Dem ist jedoch Folgendes entgegenzuhalten: Da in Höhe des Existenzminimums Vorgänge besteuert würden, die nach den im Einkommensteuerrecht zu berücksichtigenden Gegebenheiten nicht auf die Fähigkeit zur Steuerzahlung schließen lassen,697 knüpfte die Besteuerung insoweit an keinen geeigneten Leistungsfähigkeitsindikator an.698 Somit 693 Vgl. die Entscheidungen BVerfGE 112, 268, 278 ff.; BVerfGE 110, 412, 431 und BVerfGE 99, 246, 259, in deren Obersätzen ausschließlich bzw. in erster Linie ein gleichheitsrechtlicher Prüfungsmaßstab angeführt wird. 694 So wohl BVerfGE 120, 125, 154 (Prüfungsmaßstab bestehend aus allen bei Fn 690 genannten Vorschriften). 695 Für eine ausschließlich freiheits- bzw. abwehrrechtliche Ableitung Kruse, FS Friauf, S. 793, 796 f.; Mellinghoff, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1889, 1891 ff.; K. Vogel, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. II, S. 527, 544 a.E.; ders., StuW 1999, 201, 220; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 288 f. (in gewissem Gegensatz zu S. 286); für eine Verortung im gleichheitsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 158 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 128; Lehner, DStR 2009, 185, 190 f.; Mellinghoff, Stbg 2005, 1, 3 f.; für kumulative Anwendbarkeit Jachmann, StuW 1998, 293, 293; dies., Grenzen, S. 34 ff.; dies., StuW 1996, 97, 98, 100 und 103; Röder, Verlustverrechnung, S. 130 ff.; vgl. auch Eckhoff, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1601, 1605. 696 K. Vogel, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. II, S. 527, 544 a.E.; ders., StuW 1999, 201, 220; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 288 f.; siehe insoweit auch Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 306; Moes, Steuerfreiheit, S. 213. 697 Siehe etwa Tipke, StRO II, S. 785: „Was der Steuerschuldner für die eigene Exis­ tenz sowie für die Existenz von ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten benötigt, kann er nicht gleichzeitig zum Steuerzahlen verwenden. Insoweit fehlt es an steuerlicher Leistungsfähigkeit“ sowie auch Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 41 ff. Es ist im Übrigen evident, dass bei der Einkommensbesteuerung auch solche Umstände Berücksichtigung finden müssen, die außerhalb der Erwerbssphäre in der Person des Steuerpflichtigen begründet sind; siehe nur R. Wendt, DÖV 1988, 710, 714; vertiefend unten S. 141 bei und in Fn 758 und 759. Dass in Höhe des Exis­ tenzminimums keine Leistungsfähigkeit besteht, folgt im Übrigen bestätigend aus Art. 1 Abs. 1 und 20 Abs. 1 GG, die die Reichweite des Leistungsfähigkeitsprinzips als sachgerechtes Differenzierungskriterium bei der Prüfung des Gleichheitssatzes mit prägen. 698 Zu der hier verwendeten Definition des Leistungsfähigkeitsindikators siehe oben S. 111 f.; vgl. auch etwa Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 158 f.; Jachmann, StuW 1998, 293, 293; dies., Grenzen, S. 11 f. und S. 25; dies., StuW 1996, 97, 98, die ebenfalls von der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG ausgehen.

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behandelte der Gesetzgeber die Personen, bei denen es zu einer Besteuerung des Existenzminimums käme,699 schlechter als diejenigen, die wegen ebenfalls fehlender Leistungsfähigkeit von vornherein nicht zur Einkommensbesteuerung herangezogen werden. Ferner bürdete er den Personen, die der Einkommensteuer unterliegen, insoweit dieselbe Last auf, die in anderen Regelungsbereichen nur bei tatsächlich vorhandener Leistungsfähigkeit zum Tragen kommt. Folglich liegen maßstabswidrige Ungleich- bzw. Gleichbehandlungen vor, so dass der allgemeine Gleichheitssatz betroffen ist. Hieraus folgt zugleich, dass Art. 3 Abs. 1 GG immer dann einschlägig ist, wenn der Gesetzgeber es versäumt, an einen geeigneten Leistungsfähigkeitsindikator anzuknüpfen.700 Die Steuerfreiheit des Existenzminimums lässt sich mithin sowohl gleichheitsrechtlich als auch abwehrrechtlich ableiten, ohne dass unterschiedliche Fallsituationen betroffen wären.701 Unterscheiden sich die freiheitsrechtlichen Vorgaben somit – anders als bei der oben erörterten „Obergrenze“ der Besteuerung – in gegenständlicher Hinsicht nicht von den gleichheitsrechtlichen, genügt es m.E. vollauf, sie im gleichheitsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip zur Geltung zu bringen. Die verfassungsrechtliche Fundierung der Steuerfreiheit des Existenzminimums über den Menschenwürdegehalt bzw. das Verbot der Übermaßbesteuerung hat jedoch zur Folge, dass davon abweichende gesetzliche Regelungen – anders als sonst bei leistungsfähigkeitsrelevanten Ungleichbehandlungen – prinzipiell keiner Rechtfertigung zugänglich sind.702 Gleiches gilt im Übrigen auch dort, wo die Obergrenze der Besteuerung überschritten ist, d.h. beim genuin freiheitsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip, da seine Durchbrechung bereits tatbestandlich ein Belastungsübermaß voraussetzt.

699 Zur umstrittenen Frage, wann genau dies der Fall ist, siehe die entsprechenden Nachweise in Fn 687. 700 Die aus diesem Befund zu ziehenden Folgerungen werden unter F. herausgearbeitet. 701 Vgl. Jachmann, StuW 1998, 293, 293; dies., Grenzen, S. 11 f., S. 25, S. 34 ff.; dies., StuW 1996, 97, 100 (unter Hinweis auf die in der Entscheidung BVerfGE 87, 153, 169 herangezogenen Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG). 702 Vgl. etwa BVerfGE 120, 125, 154 f.; BVerfGE 110, 412, 434; BVerfGE 99, 216, 233 f.; offener hingegen BVerfGE 82, 60, 89 f. Allerdings sei bereits an dieser Stelle betont, dass die inhaltliche Reichweite des existenznotwendigen Aufwands und sein Verhältnis zu Ausgaben im Randbereich des objektiven Nettoprinzips nach wie vor nicht hinreichend geklärt sind; vgl. vorläufig Richter/Söhn, StuW 2008, 117, 125 f. Ferner ist auf die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers hinzuweisen, die im Bereich des Existenzminimums allerdings eng begrenzt ist (siehe etwa BVerfGE 120, 125, 155).

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E. Folgerungen für die Reichweite des Leistungsfähigkeits­ prinzips Betrachtet man vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen die eingangs unter A. wörtlich zitierte, ständig wiederkehrende Aussage des Bundesverfassungsgerichts, der Gesetzgeber habe im Bereich des Steuerrechts einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes,703 so erweist sich dies jedenfalls dann als überaus problematisch, wenn hiermit die Vorstellung verbunden wird, das Leistungsfähigkeitsprinzip spiele in dieser Hinsicht keine Rolle, sondern entfalte nur im Rahmen systeminterner gesetzgeberischer Entscheidungen Relevanz, wo es untrennbar mit einem Folgerichtigkeitsgebot verknüpft sei.704 Ferner ist die Vorstellung verfehlt, Systemgrundentscheidungen seien ausnahmslos lediglich am Willkürverbot zu messen, während bei Ausgestaltungsentscheidungen höhere Anforderungen an die Rechtfertigung gestellt werden müssten.705 Richtigerweise müssen vielmehr sämtliche einfachgesetzlichen Besteuerungsentscheidungen, d.h. das gesamte einfachgesetzliche System, mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar sein bzw. sich eine tragfähige Rechtfertigung für Abweichungen finden lassen. Hiervon betroffen ist nicht nur die innere Ausgestaltung des jeweiligen (Sub-)Systems, sondern auch die Systemgrundentscheidung als solche.706 Dies wird bereits707 an folgendem Beispiel deutlich: Würde der 703 Nachweise in Fn 574. 704 Vgl. BVerfGE 120, 1, 44 f. mit 29 ff.; siehe ferner die Nachweise aktueller Entscheidungen des BVerfG in Fn 577, die in dieser Hinsicht nicht eindeutig sind, denen aber jedenfalls entnommen werden kann, dass für den Bereich der Systemgrundentscheidungen eine geringere Rechtfertigungsintensität Platz greifen soll. In älteren Entscheidungen, die insoweit das Willkürverbot anführen (BVerfGE 65, 325, 354; BVerfGE 49, 343, 360 f.; BVerfGE 26, 302, 310), wird hingegen maßgeblich mit der Steuergerechtigkeit argumentiert – was den Schluss zulässt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip auch bei der Erschließung von Steuerquellen relevant sein soll. 705 Nachweise für diese Haltung oben in Fn 575 und 576; vgl. auch Fn 704. 706 Dies wird namentlich von Tipke betont (siehe etwa Tipke, StRO I, S. 328 f., S. 499; dens., StRO II, S. 718 ff., S. 1044 ff., S. 1124 ff.; ebenso ders., FS Reiß, S. 9, 12; ders., StuW 2007, 201, 206 ff. sowie Englisch, FS Lang, S. 167, 189 f.; Hennrichs, FS Lang, S. 237, 241 ff.; Hey, DStR 2009, 2561, 2562 f.; dies., StbJb 2008, 19, 35 f.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 24; Schaumburg, FS Reiß, S. 25, 30), der die Binnenorientierung der Rechtsprechung des BVerfG zu Recht kritisiert (Tipke, JZ 2009, 533, 537; ders., StuW 2007, 201, 207 f.; ders., StRO I, S. 291 f., S. 301, S. 499 f., S. 509 f.; ders., StRO II, S. 1044, S. 1214; siehe ferner P. Kirchhof, StuW 1984, 297, 299 f.). 707 Auf die im Einzelnen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu ziehenden Folgerungen wird in der weiteren Darstellung noch ausführlich eingegangen.

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

Gesetzgeber sich zu einem Besteuerungsmodell entschließen, wonach der gesamte Finanzbedarf des Staates gleichmäßig auf alle Bürger verteilt wird („Kopfsteuer“),708 und dieses Modell auch konsequent umsetzen, entstünde zwar ein folgerichtiges System. Dennoch ist das Leistungsfähigkeitsprinzip betroffen, da sämtliche Personen(-gruppen) vom Steuerrecht gleich behandelt werden, obwohl sie ganz unterschiedliche Grade an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aufweisen.709 Der allgemeine Gleichheitssatz wäre hier auch verletzt, weil eine Rechtfertigung schon angesichts des Ausmaßes der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip und den mit ihm einhergehenden Gerechtigkeitswertungen nicht in Betracht kommt.710

F. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und ihre Grenzen I. Ableitung der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers An den soeben kritisierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ist zwar richtig, dass dem Gesetzgeber bei der Entscheidung über die Frage, welche Anknüpfungspunkte er für die Besteuerung wählt, ein Gestaltungsspielraum zukommt. Dieser resultiert aber nicht etwa daraus, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip insoweit keine Geltung beanspruchte – oder gar selbst durch den einfachen Gesetzgeber ausgestaltet werden könnte.711 Vielmehr beruht er auf folgendem Zusammenhang: Da die 708 Zur Ungeeignetheit des Kopfsteuerprinzips als Vergleichsmaßstab siehe etwa P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 168; ders., StuW 2000, 316, 317; ders., Besteuerung, S. 32 f.; Tipke, StRO I, S. 473 ff.; Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 264 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 272 ff. 709 Vgl. BVerfGE 117, 1, 31 (im Anschluss an BVerfGE 93, 121, 135): „Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz fordert nicht einen gleichen Betrag von jedem Inländer zur Finanzierung der Gemeinlasten, sondern verlangt, dass jeder Inländer je nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird […].“ Bemerkenswerterweise findet sich diese Formulierung auch im Gewerbesteuerbeschluss (Zitat oben bei Fn 570); deutlich auch Tipke, StRO I, S. 285 („Formale Gleichheit allein genügt zur Herstellung von materialer Steuergerechtigkeit nicht. Werden alle gleich ungerecht behandelt – nach einem sachungerechten Maßstab –, so schafft Gleichheit keine materiale Gerechtigkeit“) sowie ders., StRO II, S. 576 f.; gleichsinnig Hennrichs, FS Lang, S. 237, 241 f. 710 Vgl. nur P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 168; dens., StuW 2000, 316, 317. Außerdem käme es zu einer unzulässigen Besteuerung des Existenzminimums. 711 Das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner bisher untersuchten Ausprägung begrenzt vielmehr von Verfassungs wegen den Gestaltungsspielraum des Gesetzge-

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

Leis­tungsfähigkeit einer Person nicht in absoluten Zahlen messbar ist, sondern sich (nur) an bestimmten Vorgängen und Zuständen in der Lebenswirklichkeit ablesen lässt,712 ist es nicht möglich, den Steuergesamtbedarf des Staates durch exakte mathematische Operationen auf die potentiell Steuerpflichtigen aufzuteilen.713 Der Gesetzgeber muss daher selbst geeignete, d.h. mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbarende Indikatoren festlegen, an die die Besteuerung anknüpfen soll.714 Angesichts der vielfältigen Vorgänge und Zustände in der Lebenswirklichkeit, die den Schluss auf eine vorhandene Leistungsfähigkeit zulassen, wird ihm besonders bei der Auswahl des Steuergegenstandes häufig ein großer Gestaltungsspielraum zustehen.715 Entsprechende gesetzgeberische Freiheiten bestehen aber auch bei der Ausgestaltung des jeweiligen Systems im Einzelnen, da sich hier häufig ebenfalls mehrere Anknüpfungspunkte für eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung finden lassen. Allerdings wird – wie noch zu zeigen ist – der Spielraum des Gesetzgebers mit zunehmender Regelungsdichte tendenziell enger. Resultiert der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum also daraus, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht alle Einzelheiten determiniert, weil häufig mehrere leistungsfähigkeitsgerechte Gestaltungen in Betracht kommen,716 so wird er durch das Leistungsfähigkeitsprinzip zugleich begrenzt. Diese Grenzen werden sogleich herausgearbeitet. Sie ermöglibers und ist daher für ihn nicht disponibel; Näheres zu der im Schrifttum häufig vorzufindenden Aussage, der Gesetzgeber könne das Leistungsfähigkeitsprinzip „konkretisieren“ bzw. „ausformen“ (siehe vorläufig Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 23; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 141), in § 6. 712 Siehe oben bei Fn 602. 713 Deshalb ist es – anders als dies bei Tipke, StRO I, S. 291 a.E., S. 303 ff., S. 481 zum Ausdruck kommt (vgl. auch bereits Hensel, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1930, 441, 453 zu Art. 134 WRV) – nicht möglich zu ermitteln, ob die Gesamtsteuerbelastung verschiedener Steuerpflichtiger eine Gleichbelastung ist (ganz in diesem Sinne bereits Trzaskalik, FS Tipke, S. 321, 322 ff. (325); siehe auch Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 589 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 310 f.). Das gilt selbst dann, wenn man mit Tipke als Indikator steuerlicher Leis­tungsfähigkeit ausschließlich das (weit verstandene) Einkommen ansieht: Da Tipke die Umsatzsteuer als leistungsfähigkeitsgerecht ansieht (oben Fn 590), können zwei Personen auch dann unterschiedlich besteuert werden, wenn sie dasselbe Einkommen haben (vgl. auch Englisch, aaO). 714 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 52; Tipke, StRO I, S. 493. 715 Vgl. Hüttemann, FS Spindler, S. 627, 630 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 58. Die hier dargestellten Zusammenhänge dürfen aber nicht so (miss-)verstanden werden, dass der Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen ausnahmslos nur geringen Restriktionen unterliegt. Auf die Grenzen seines Spielraums wird sogleich eingegangen. 716 In diese Richtung auch Tipke, StRO II, S. 622.

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

chen im Umkehrschluss eine Präzisierung der Reichweite der Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.

II. „Vieldeutigkeit“ des Leistungsfähigkeitsprinzips? Zuvor sei aber noch auf die im vorliegenden Zusammenhang in Rechtsprechung und Schrifttum häufig vorzufindende Aussage eingegangen, das Leistungsfähigkeitsprinzip sei vieldeutig.717 So ist in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bisweilen – unter Hinweis auf entsprechende Stellungnahmen aus dem finanzwissenschaftlichen Schrifttum – davon die Rede gewesen, dass es Schwierigkeiten bereite, konkrete Ableitungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu treffen.718 Auch bei Tipke als einem seiner engagiertesten Befürworter wird von der „Unbestimmtheit des Leistungsfähigkeitsprinzips“ gesprochen, die dem Gesetzgeber Wertungsspielräume und Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vertretbaren Lösungen eröffne.719 Seine Kritiker leiten aus dieser angeblichen Weite und Unbestimmtheit des Leistungsfähigkeitsprinzips ab, dass ihm häufig keine hinreichend klaren Aussagen zu entnehmen seien.720 Teilweise wird das Leistungsfähigkeitsprinzip sogar als überflüssig angesehen und seine Aufgabe gefordert.721

717 Siehe etwa BVerfGE 47, 1, 29 f.; BVerfGE 43, 108, 120; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 490; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 3 AO Tz. 50; Moes, Steuerfreiheit, S. 137 a.E., S. 152; weitere Nachweise sogleich. 718 BVerfGE 47, 1, 29 f.; BVerfGE 43, 108, 120 (jeweils mit entsprechenden Nachweisen). 719 Tipke, StRO II, S. 865; siehe ferner S. 622, S. 1215 sowie auch Eckhoff, FS Steiner, S. 119, 126 f.; Lang, DStJG 24 (2001), 49, 57; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 4 AO Rz. 486; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 107 ff. („Leerformel“). 720 Siehe etwa Drüen, in: Tipke/Kruse, § 3 AO Tz. 43, 50 f.; Arndt, FS Mühl, S. 17, 29 ff.; Bodenheim, Der Staat 17 (1978), 481, 489 ff.; Crezelius, Rechtsanwendung, S. 355 ff.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 52 f.; dens., StuW 1990, 322, 328; Littmann, FS Neumark, S. 113, 114 f.; Moes, Steuerfreiheit, S. 96 ff., S. 135 ff.; vgl. auch Pechstein, Familiengerechtigkeit, S. 281 ff. 721 Siehe aus neuerer Zeit insbesondere Gassner/M. Lang, 14. ÖJT, S. 58 ff., S. 66 ff., S. 118 ff.; Moes, Steuerfreiheit, S. 135 ff. (S. 141 ff.) sowie auch Arndt, FS Mühl, S. 17, 33 ff.; Crezelius, Rechtsanwendung, S. 355 ff.; weitere Nachweise bei Birk, StuW 2011, 354, 356 f.; viel grundsätzlichere Kritik bei W. Leisner, StuW 1983, 97, 97 ff.; gegen ihn zu Recht Birk, StuW 1983, 293, 293 ff.; siehe auch Reil, Leistungsund Verlustfähigkeit, S. 58 ff. In der finanzwissenschaftlichen Diskussion ist das Leistungsfähigkeitsprinzip teilweise sogar als schädlich angesehen worden (zusammenfassend Walz, Steuergerechtigkeit, S. 105 f.); neuere Nachweise bei Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 264.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

Diese Kritik verfängt nicht.722 Richtigerweise lassen sich dem Leistungsfähigkeitsprinzip und den in ihm zur Geltung kommenden (verfassungsrechtlichen) Wertungen viel konkretere Vorgaben für die Reichweite des unter I. abgeleiteten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers entnehmen.723 Wie sogleich gezeigt wird, ist es nämlich durchaus möglich, relativ genaue Grenzen dieses Spielraums festzulegen – wenngleich dies den Rechtsanwender selbstverständlich nicht davon entbindet, im konkreten Einzelfall eine wertende Abwägung vorzunehmen.724 Nach Auffassung des Verf. begrenzt das Leistungsfähigkeitsprinzip die Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf zwei verschiedene Weisen,725 die hier und im Folgenden „absolut“ und „relativ“ genannt werden.726 Die absolute Grenze ist betroffen, wenn der Gesetzgeber eine tatsächlich (nicht) vorhandene Leistungsfähigkeit unzutreffend abbildet, insbesondere Vorgänge oder Zustände besteuert, die nicht Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind.727 Die relative Grenze ist überschritten, wenn der Gesetzgeber die tatsächlich vorhandene Leistungsfähigkeit zwar jeweils vertretbar erfasst, die Besteuerung aber dazu führt, dass zwei Sachverhalte ungleich besteuert werden, obwohl sie auf eine identi-

722 Gegen den angeblichen „Leerformelcharakter“ des Leistungsfähigkeitsprinzips auch Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 55 ff. (unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Gegenposition). 723 Vgl. etwa auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 125 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 268 ff. 724 Wie Lang, Bemessungsgrundlage, S. 125 treffend herausstellt, folgt dies einfach daraus, dass sich das Leistungsfähigkeitsprinzip als „Anfangskonkretisierung der Steuergerechtigkeit“ auf relativ hohem Abstraktionsniveau befindet und daher häufig „noch einer Fülle von Wertaussagen bedarf“, um „für die konkrete und wertungsjuristische Lösung tauglich“ zu sein; siehe auch Vogel/Waldhoff, in: BKGG, Vorbem. z. Art. 104a – 115 Rz. 527 a.E.; Huster, Rechte und Ziele, S. 369; Lang, DStJG 24 (2001), 49, 57; Tipke, StRO I, S. 492 ff.; nicht überzeugend daher Bodenheim, Der Staat 17 (1978), 481, 489 ff. 725 Vgl. bereits – andeutungsweise – K. Vogel, DStZ/A 1975, 409, 412 (Bindung des Gesetzgebers einerseits an die notwendigen Elemente des Leistungsfähigkeitsbegriffs und andererseits an anderweitig getroffene eigene Vorentscheidungen). 726 Selbstverständlich wirkt das gleichheitsrechtliche Leistungsfähigkeitsprinzip stets in dem Sinne relativ, dass es einen Vergleich mehrerer Personengruppen bzw. Sachverhalte voraussetzt. Bei der Überschreitung der hier so genannten absoluten Grenze muss jedoch kein konkretes Vergleichspaar nachgewiesen werden (näher sogleich). Der hier verwendete Absolutheitsbegriff ist im Übrigen ein anderer als derjenige, die mit Blick auf den genuin freiheitsrechtlichen Leistungsfähigkeitsbegriff verbreitet Verwendung finden (siehe oben bei Fn 677). 727 Vgl. im Ansatz auch Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 288 f., jedoch unter Vermischung mit genuin freiheitsrechtlichen Elementen (vgl. bereits oben unter D.).

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sche Leistungsfähigkeit schließen lassen.728 Beide Grenzen werden im Folgenden konkretisiert – was es ermöglicht, die Reichweite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums genauer zu bestimmen. Bereits einleitend sei darauf hingewiesen, dass die legislativen Handlungsmöglichkeiten zu einem nicht unbedeutenden Teil davon abhängen, ob und inwieweit man bereit ist, dem Gesetzgeber (auch) bei der Grenzziehung einen Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Auf diese Frage wird im Rahmen der Erörterung der beiden Grenzen eingegangen. Ferner ist zu betonen, dass im Folgenden zunächst nur die Freiräume des Gesetzgebers betrachtet werden, die er innerhalb der durch das Leistungsfähigkeitsprinzip gesetzten Grenzen innehat. Überschreitet er diese Grenzen, besteht nämlich häufig729 die Möglichkeit einer Rechtfertigung der dadurch hervorgerufenen Gleich- bzw. Ungleichbehandlung, so dass sich dem Gesetzgeber in diesem äußeren Bereich ebenfalls ein gewisser Gestaltungsspielraum eröffnet.730 Letzterer ist im Folgenden nicht gemeint.731

III. Absolute Grenze der Gestaltungsfreiheit Zunächst soll die absolute Grenze der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers betrachtet werden. Sie wird von gesetzlichen Regelungen überschritten, die bereits die im einzelnen Besteuerungsbereich bestehenden tatsächlichen Verhältnisse, d.h. das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, unzutreffend abbilden. Diese Form der leistungsfähigkeitswidrigen Besteuerung kann sowohl bei der Erschließung von Steuerquellen als auch im Rahmen der Ausgestaltung steuerlicher (Sub-)Systeme berührt sein: Im Hinblick auf Systemgrundentscheidungen ist dies der Fall, wenn die Besteuerung an Vorgänge oder Zustände in der Lebenswirklichkeit anknüpft, die keine Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bilden, so dass sie das Leistungsfähigkeitsprinzip von vornherein durchbricht (Beispiel: „Kopfsteuer“).732 Wie bereits 728 Gleiches gilt selbstverständlich, wenn bei unterschiedlicher wirtschaftlicher Leis­ tungsfähigkeit eine Gleichbesteuerung erfolgt; näher sogleich im Einzelnen. 729 Anderes kann insbesondere aus der Mitbetroffenheit anderen Verfassungsrechts, vor allem aus speziellen Diskriminierungsverboten oder der Verletzung von Freiheitsgrundrechten folgen; näher oben unter D. 730 Dazu oben am Ende von C. 731 Um ihn geht es etwa bei Waldhoff, FR 2007, 225, 230 f. 732 Siehe oben S. 130 f. Ob hiervon auch Steuern betroffen sind, die im geltenden Recht verankert sind, hängt von der Wertungsfrage ab, welche Ausprägungen in der Lebenswirklichkeit man (noch) als Leistungsfähigkeitsindikatoren ansehen will. Sie bedarf hier keiner grundsätzlichen Klärung; zu entsprechenden (Streit-)

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herausgestellt, sind entsprechende gesetzliche Regelungen nicht etwa nur am Willkürverbot zu messen.733 Welche Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen sind, ist vielmehr eine Einzelfallfrage, die sich zu einem wesentlichen Teil734 danach bestimmt, wie weit von derjenigen Ausgestaltung der Besteuerung abgewichen wird, die im jeweiligen Regelungsbereich noch als leis­tungsfähigkeitsgerecht angesehen werden kann.735 Bei der Frage, ob der gewählte Anknüpfungspunkt der Besteuerung überhaupt einen Leistungsfähigkeitsindikator im Sinne der obigen Definition darstellt, steht dem Gesetzgeber richtigerweise kein Einschätzungsspielraum zu. Für die damit einhergehende, empfindliche Zurückdrängung namentlich der gleichheitsrechtlichen Kontrolldichte besteht vielmehr kein genügender Anlass: Zwar handelt es sich um eine wertende Rechtsfrage, über die sich im Einzelfall trefflich streiten lässt. Es ist aber jeweils – bei „steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken“736 sowie gegebenenfalls unter Einbeziehung anderer, im jeweiligen Sachbereich einschlägiger verfassungsrechtlicher Wertungen737 – ein eindeutiges Ergebnis erzielbar. Dies kann bei nachgelagerten Fragestellungen, die das im Einzelfall bestehende Ausmaß wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit betreffen, anders sein.738 Insoweit geht es um die richtige bzw. vertretbare Umsetzung des Fragen siehe die Nachweise in Fn 604. Dem vorgelagert ist die streitige – und entgegen Keß, FR 2008, 829, 829 im Gewerbesteuerbeschluss (BVerfGE 120, 1, 24 ff.) nicht befriedigend beantwortete – Frage nach der Reichweite des allgemeinen Gleichheitssatzes bei den in Art. 105, 106 GG genannten Steuern (ausführlich dazu Englisch, FS Lang, S. 167, 190 f.; Tipke, StRO I, S. 298 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 321 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen). Auf sie soll hier ebenfalls nicht eingegangen werden, da diesem Aspekt für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung keine unmittelbare Relevanz zukommt. Nicht eingegangen wird ferner auf die hiermit in engem Zusammenhang stehende, ebenfalls umstrittene Frage nach den finanzverfassungsrechtlichen Grenzen des Steuerfindungsrecht des Gesetzgebers (näher dazu Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rz. 4; Wernsmann, aaO, S. 324 ff.). 733 Diesen Eindruck erwecken die in Fn 575 nachgewiesenen Ausführungen des BVerfG. Sie beziehen sich zwar inhaltlich auf die relativen Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (zu ihnen näher sogleich), sind aber umfassender formuliert. 734 Zu den (möglichen) Auswirkungen der Mitbetroffenheit anderer Grundrechte und sonstigen Verfassungsrechts siehe bereits oben unter D. 735 Vgl. vorläufig Friauf, StuW 1985, 308, 314. 736 Vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BVerfG in Fn 627; zu Einwänden vgl. S. 117 f. 737 Siehe oben unter D. 738 Im gleichen Sinne BVerfGE 123, 111, 122 ff.; in diese Richtung auch Tipke, StuW 2007, 201, 211: Es sei einzuräumen, „dass bei der Umsetzung des Leistungs-

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vom Gesetzgeber gewählten Leistungsfähigkeitsindikators innerhalb eines­bestehenden Systems. Entschließt sich der Gesetzgeber beispielsweise dazu, das Erwerbseinkommen natürlicher Personen zu besteuern – hierbei handelt es sich unproblematisch um einen Leistungsfähig­ keitsindikator im obigen Sinne739 –, so wird man schwerlich behaupten können, dass die Ermittlung der Gewinne bzw. Überschüsse in allen Einzelheiten durch das Leistungsfähigkeitsprinzip vorgegeben ist.740 In dieser Hinsicht hat der Gesetzgeber daher einen Ausgestaltungsspielraum inne. Hiervon betroffen ist namentlich der Bereich potentieller Leistungsfähigkeitsminderungen. Beispielsweise wird man dem Gesetzgeber bei der Bestimmung der Abzugsposten, die für die Gewinn- bzw. Überschussermittlung relevant sein sollen, weitgehende Gestaltungsfreiheit zugestehen müssen, soweit Aufwendungen betroffen sind, die sich wegen ihrer Art bzw. Höhe nicht eindeutig der Erwerbssphäre zuordnen lassen.741 fähigkeitsprinzips in Detailregeln verschiedene Lösungen vertretbar sein können“; siehe auch etwa dens., StRO I, S. 492 („Vertretbarkeits-Spielraum“); dens., StRO II, S. 1215 sowie Lang, DStJG 24 (2001), 49, 57 f.; Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 153 und bereits K. Vogel, DStZ/A 1975, 409, 412 („fakultative Elemente des Begriffs Leistungsfähigkeit“); speziell zum Steuertarif siehe BVerfGE 115, 97, 116 f.; Jachmann, StuW 1998, 293, 295 f.; Waldhoff, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 116 Rn. 108; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 269. 739 Vgl. nur Schön, StuW 1995, 366, 370 f. Hiermit nicht zu verwechseln ist die Frage, ob der Gesetzgeber berechtigt ist, ausschließlich das Erwerbseinkommen, nicht aber andere Formen von Einkommen (im weiteren Sinne) besteuern. Insoweit ist die relative Grenze seines Gestaltungsspielraums betroffen; siehe dazu sogleich unter IV. 740 Vgl. ausführlich und mit umfassenden Nachweisen zu den in Rechtswissenschaft und Ökonomie vertretenen Ansätzen Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 142 ff. Hiervon zu trennen ist die Frage, inwieweit der Gesetzgeber verschiedene Ermittlungsmaßstäbe nebeneinander zur Anwendung bringen darf. Auch insoweit (siehe bereits Fn 739) ist die relative Grenze betroffen. 741 Vgl. BVerfGE 126, 268, 282; BVerfGE 122, 210, 238 ff.; BVerfGE 107, 27, 50 f. und 57; BVerfGE 101, 297, 310 ff.; FG Rheinland-Pfalz DStRE 2009, 460, 462 f.; Birk, StuW 2000, 328, 331; dens., StuW 1989, 212, 216; Hey, BB 2007, 1303, 1304 a.E.; Jachmann, Beihefter zu DStR 2009, 129, 130 f.; Leisner-Egensperger, BB 2007, 639, 643; Richter/Söhn, StuW 2008, 117, 122 ff. (123); Schön, StuW 1995, 366, 370;  Weber-Grellet, DStR 2009, 349, 352; Wernsmann, Beihefter zu DStR 2009, 101, 105; dens., DStR 2007, 1149, 1151 f. Erneut ist zu betonen, dass es an dieser Stelle (absolute Grenzen) noch nicht um die Frage geht, inwieweit der Gesetzgeber bei der Behandlung vergleichbarer Sachverhalte konsequent bleiben muss (vgl. Fn 739 und Fn 740); nur diese Frage betrifft BVerfGE 122, 210, 233 ff. Den erstmals in der Entscheidung BVerfGE 107, 27 zum Ausdruck gebrachten Gesichtspunkt, dass „es nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen“ ankomme, „sondern jedenfalls auch auf

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Dieser Befund muss allerdings feststehen – und ist im Einzelfall wertend zu bestimmen, ohne dass dem Gesetzgeber insoweit ein Einschätzungsspielraum zustünde. Diese Grenzziehung kann bisweilen erhebliche Schwierigkeiten bereiten.742 Zu berücksichtigen ist auch hier, dass ein strikterer Maßstab selbstverständlich dort anzulegen ist, wo sonstigem Verfassungsrecht – namentlich Art. 6 Abs. 1 GG – weitergehende Vorgaben zu entnehmen sind.743 Seine Grenze findet der dem Gesetzgeber eröffnete Ausgestaltungsspielraum jedenfalls dort, wo eine Erhöhung bzw. Verringerung der Leistungsfähigkeit – bezogen auf den vom Gesetzgeber im jeweiligen Sachbereich gewählten Anknüpfungspunkt des Steuerzugriffs – eindeutig (nicht) vorliegt. In diesen Kernbereich744 fallen im obigen Beispiel Ausgaben, die

die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung [sic!] einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits“ (BVerfGE 107, 27, 49; ebenso BVerfGE 122, 210, 234 f.), bezieht das BVerfG offensichtlich nur auf „privat veranlassten Aufwand“ (siehe ebenda), der aufgrund des subjektiven Nettoprinzips oder anderer, im Einzelfall einschlägiger grundrechtlicher Wertungen (insbesondere aus Art. 6 Abs. 1 GG) Berücksichtigung finden muss (wie hier bereits Richter/Söhn, aaO, S. 122 und 123); zu beiden Gesichtspunkten näher sogleich. 742 Vgl. zum Problemkreis aus neuerer Zeit – mit teilweise erheblichen Unterschieden im Einzelnen – BVerfGE 122, 210, 238 ff.; BFH GrS BStBl. II 2010, 672, 680 ff.; BFH BStBl. II 2008, 234, 246 f.; Bergkemper, StuW 2006, 311, 311 ff.; Drenseck, GS Trzaskalik, S. 283, 284 ff.; Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 94 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 219 ff.; Lang, StuW 2007, 3, 9 ff.; Leisner-Egensperger, BB 2007, 639, 640 ff.; Richter/Söhn, StuW 2008, 117, 119 ff.; Tipke, FS Raupach, S. 177, 179 ff.; Wernsmann, Beihefter zu DStR 2009, 101, 105; dens., DStR 2007, 1149, 1150 ff.; siehe zum Ganzen bereits ausführlich Söhn, DStJG 3 (1980), 13, 32 ff. 743 Vgl. wiederum oben unter D. So heißt es in der Entscheidung BVerfGE 107, 27, 49 a.E. im Anschluss an die in Fn 741 wörtlich zitierte Passage (auch mit Blick auf das subjektive Nettoprinzip): „Die Berücksichtigung privat veranlassten Aufwands steht nicht ohne Weiteres zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser hat die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen sind“; ebenso BVerfGE 122, 210, 235; siehe ferner etwa P. Kirchhof, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 176, 196 f.; generell skeptisch hingegen Wernsmann, DStR 2007, 1149, 1153 f.; speziell zu Art. 6 Abs. 1 GG BVerfGE 107, 27, 52 ff. (zwangsläufiger Mehraufwand beiderseits berufstätiger Ehegatten); dem folgend z.B. BFH BStBl. II 2008, 234, 252 f. 744 Vgl. Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 92 und 96 („im Kern“) sowie bereits K. Vogel, DStZ/A 1975, 409, 412 („notwendige Elemente des Begriffs Leistungsfähigkeit“).

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erstens ausschließlich der Erwerbssphäre zuzurechnen sind,745 weil eine private Mitveranlassung aufgrund ihrer Art und gegebenenfalls Höhe ausgeschlossen ist (bzw. betragsmäßig eliminiert werden kann)746 oder bei wertender Betrachtung zu vernachlässigen ist.747 Zweitens muss der Steuerpflichtige die Ausgabe für erforderlich748 halten dürfen,749 wobei namentlich mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG keine zu strengen Maßstäbe anzulegen sind,750 so dass bei „echten“ Erwerbsausgaben – anders als nach den in Bezug auf das subjektive Nettoprinzip anerkannten Grundsätzen751 – keine Zwangsläufigkeit bzw. Unvermeidbarkeit vorauszusetzen ist.752 Andererseits reicht eine bloße Veranlassung der jeweiligen Ausga745 Für eine Beschränkung auf Aufwand, der die Erwerbshandlung ermöglicht (in Abgrenzung zu Aufwand, der auf die Bildung erwerbsdienlichen Vermögens gerichtet ist) Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 12; vgl. auch P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 187. 746 Vgl. zum Problemkreis BFH GrS BStBl. II 2010, 672, 680 ff. sowie auch etwa Droege­, StuW 2011, 105, 106 ff.; Jachmann, Beihefter zu DStR 2009, 129, 130; Jochum­, DStZ 2010, 665, 665 ff.; G. Kirchhof, FS Lang, S. 563, 565 ff.; LeisnerEgensperger, DStZ 2010, 185, 185 ff. 747 Vgl. etwa BVerfGE 126, 268, 280 ff. (282 f.) sowie auch die Erwägungen zur Kettenabordnung in der Entscheidung BVerfGE 107, 27, 51 f. (allerdings gestützt auf Folgerichtigkeitserwägungen); siehe ferner die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Richter/Söhn, StuW 2008, 117, 119 f. sowie das Wesentlichkeitskriterium bei Lang, StuW 2007, 3, 10 f. 748 Ein Erforderlichkeitskriterium findet sich – mehr oder weniger deutlich – auch bei Hennrichs, FS Lang, S. 237, 246 f.; Jachmann, Beihefter zu DStR 2009, 129, 130; ders., Steuergesetzgebung, S. 11 f.; ders., StuW 1998, 293, 293; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 223; St. Schneider, Beihefter zu DStR 2009, 87, 90; Waldhoff, FR 2007, 225, 227; siehe ferner Drenseck, GS Trzaskalik, S. 283, 287 f.; vgl. auch BVerfGE 101, 297, 312; Wernsmann, DStR 2007, 1149, 1151 Fn 11 a.E. 749 Vgl. Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 94 f.; Hennrichs, FS Lang, S. 237, 247 („In Grenzfällen entscheidet in der grundrechtlichen Werteordnung grds. der Bürger“); Jachmann, Beihefter zu DStR 2009, 129, 129 f. („Die Entscheidung über die Notwendigkeit liegt originär beim erwerbstätigen Steuerpflichtigen“). 750 Vgl. Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 94 f.; Hey, Beihefter zu DStR 2009, 109, 110; Jachmann, Beihefter zu DStR 2009, 129, 130. Das objektive Nettoprinzip wird verbreitet auch aus Art. 14 GG abgeleitet; siehe die soeben zitierten Autoren sowie auch St. Schneider, Beihefter zu DStR 2009, 109, 110 und insbesondere Lehner, DStR 2009, 185, 189 ff., der es sogar maßgeblich auf die Eigentumsgarantie stützt; zu Berührungspunkten mit dem Verbot konfiskatorischer Steuerlasten oben D. 751 Zu ihnen näher sogleich. 752 Vgl. C. Seiler, DStJG 34 (2011), 61, 78 f. sowie Schön, StuW 1995, 366, 370, der in diesem Bereich jedoch überhaupt keine Einschränkungen vornehmen will, weil erwerbsbedingte Aufwendungen nicht aus bezogenem Einkommen bestritten würden, sondern „von vornherein einen integralen Bestandteil dieses Einkommens“ bildeten (siehe bereits Söhn, DStJG 3 (1980), 13, 17 ff.). Der Grad der (Un-) Vermeidbarkeit ist allerdings für die Rechtfertigungsintensität bei Abweichungen

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be durch die Erwerbstätigkeit753 im Hinblick auf die absolute Grenzziehung nicht aus. Soweit der so skizzierte Kernbereich betroffen ist, folgt das objektive Nettoprinzip mithin ohne weiteres aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip.754 Ferner bedürfen Abzugsbeschränkungen sowie typisierende und pauschalierende Regelung, die sich auf diesen Bereich beziehen, immer einer Rechtfertigung vor Art. 3 Abs. 1 GG.755 Weitere Beispiele für die auch756 aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner absoluten Dimension folgenden Grenzen der gesetzgeberischen vom objektiven Nettoprinzip und gesetzgeberischen Typisierungsentscheidungen relevant (vgl. Drenseck, GS Trzaskalik, S. 283, 288; Drüen, StuW 2008, 3, 11; Jachmann, Beihefter zu DStR 2009, 129, 131). 753 So Birk, StuW 2000, 328, 331; Hey, BB 2007, 1303, 1304; siehe auch Tipke, BB 2007, 1525, 1527. 754 Zu der – hier nicht zu erörternden – finanzverfassungsrechtlichen Relevanz des objektiven Nettoprinzips näher Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 92 f.; Schön, StuW 1995, 366, 367 ff.; Wernsmann, DStR 2007, 1149, 1151; vgl. auch K. Vogel, DStJG 12 (1989), 123, 142 f.; ergänzende Ableitung aus Art. 14 Abs. 1 GG bei Lehner, DStR 2009, 185, 189 ff. 755 Vgl. nur Richter/Söhn, StuW 2008, 117, 123; ausführlich Huster, Rechte und Ziele, S. 260 ff. Unterhalb dieser Schwelle kann die aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip resultierende relative Grenze (zu ihr sogleich unter IV.) einschlägig sein, die eine Gleichbehandlung vergleichbarer Aufwendungen verlangt. Im Kern auf diesen Aspekt (so genannte „Folgerichtigkeit“) beziehen sich viele Stellungnahmen zu Problemkreisen im Schnittbereich von beruflicher und privater Sphäre (siehe etwa BVerfGE 122, 210, 233 ff.; BVerfGE 107, 27, 50 ff.; BFH BStBl. II 2008, 234, 244 ff.; Drüen, StuW 2008, 3, 10 ff.; P. Kirchhof, StuW 2006, 3, 13; Schön, StuW 1995, 366, 371 f.; Wernsmann, DStR 2007, 1149, 1151 f. (zu eng Fn 13)) – was auch nicht verwundert, weil das BVerfG bisher nicht dazu Stellung genommen hat, ob das objektive Nettoprinzip unmittelbar aus der Verfassung folgt (siehe etwa BVerfGE 127, 224, 248 f.; BVerfGE 122, 210, 234; BVerfGE 107, 27, 48); zu Möglichkeit und Grenzen der Typisierungsbefugnis siehe z.B. BVerfGE 127, 224, 245 f., 253 ff.; BVerfGE 126, 268, 278 f.; BVerfGE 125, 1, 37 f.; BVerfGE 122, 210, 232 f., 240 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 145 ff.; Seer, BB 2004, 2272, 2274. 756 Zur Ableitung des subjektiven Nettoprinzips aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip siehe vor allem Tipke, StRO II, S. 785 ff.; vgl. auch oben D., wo in Bezug auf die Steuerfreiheit des Existenzminimums zudem auf sonstige verfassungsrechtliche Grundlagen eingegangen wurde. Die verfassungsrechtliche Relevanz des subjektiven Nettoprinzips ist in jüngerer Zeit namentlich von Moes, Steuerfreiheit, S. 16 ff., S. 115 ff. (S. 149 ff.), S. 190 ff. abgelehnt worden (möglicherweise einschränkend auch BVerfGE 127, 224, 248: „der einfache Gesetzgeber“). Sein Ansatz beruht maßgeblich auf der von ihm vorgenommenen Negation des Leistungsfähigkeitsprinzips (Moes, aaO, S. 135 ff., S. 141 ff.), der jedoch nicht zu folgen ist (siehe oben II. sowie auch unten § 6, insbesondere Fn 834). Für eine ausschließliche Zuweisung des subjektiven Nettoprinzips zum (ihrer Ansicht nach vom Leistungsfähigkeitsprinzip strikt zu trennenden) Sozialstaatsprinzip spricht sich hingegen Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 92 ff., S. 143 aus – was nicht überzeugt, denn das Leistungsfähigkeitsprinzip ist bereits aus sich heraus geeignet, im Sozialstaatsprinzip fußende Wertungen in sich aufzunehmen (siehe wiederum oben D.;

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

Gestaltungsfreiheit finden sich im Bereich des subjektiven Nettoprinzips im Rahmen der Einkommensbesteuerung.757 So muss der Gesetzgeber zwangsläufigen familiären Unterhaltsverpflichtungen des Steuerpflichtigen realitätsgerecht Rechnung tragen, denn hierbei handelt es sich um einen für die Besteuerung natürlicher Personen relevanten Umstand,758 der die Leistungsfähigkeit des betroffenen Steuerpflichtigen im Vergleich zu Personen ohne entsprechende Verpflichtungen eindeutig mindert.759 Anders als in früheren Entscheidungen bemüht das Bundesverfassungsgericht in diesem Bereich zu Recht nicht mehr die „Vieldeutigkeit“ des Leistungsfähigkeitsprinzips und die aus ihr angeblich resul-

ausführlich zur allgemein-gleichheitsrechtlichen Einbettung dieses Gedankens Huster, Rechte und Ziele, S. 408 ff.). 757 Zu möglichen Überschneidungsbereichen zwischen dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip, insbesondere bei zwangsläufigen gemischt veranlassten Aufwendungen Englisch, Beihefter zu DStR 2009, 92, 94 und 98 f.; Jachmann, Beihefter zu DStR 2009, 129, 130; Lehner, DStR 2009, 185, 186 ff.; Leisner-Egensperger, BB 2007, 639, 644; C. Seiler, DStJG 34 (2011), 61, 76 ff.; skeptisch hingegen Richter/Söhn, StuW 2008, 117, 125 f.; Wernsmann, DStR 2007, 1149, 1152 f. Das BVerfG hat in der Entscheidung BVerfGE 122, 210, 238 ff. (unter 4.) den Aspekt des subjektiven Nettoprinzips in diesem Zusammenhang bemerkenswerterweise nicht angesprochen (vgl. auch Weber-Grellet, DStR 2009, 349, 352). 758 Siehe nur Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 162; Kirchhof, 57. DJT/I, F 54 sowie namentlich Tipke, StRO II, S. 790: [D]ie Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse [hat] doch von jeher zum Wesen der Einkommensteueridee gehört […].“Auseinandersetzung mit gegenläufigen wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen (z.B. Bareis, StuW 2000, 81, 83 ff.; darauf Bezug nehmend Moes, Steuerfreiheit, passim, insbesondere S. 149 ff. mit umfänglichen Nachweise) etwa bei Lang, GS Tettinger, S. 553, 557 f.; Tipke, aaO; zu der hier vorgeschlagenen Definition des Leistungsfähigkeitsindikators siehe oben S. 111 f. 759 BVerfGE 112, 268, 279 ff.; BVerfGE 110, 412, 433 f.; BVerfGE 107, 27, 48 f.; BVerfGE 99, 246, 260; BVerfGE 82, 60, 86 f.; BVerfGE 68, 143, 152 f.; BVerfGE 66, 214, 223 f.; BVerfGE 61, 319, 344, 348 f. und 354 f.; P. Kirchhof, StuW 2006, 3, 20; ders., StuW 1985, 319, 321; Mellinghoff, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1889, 1894; K. Vogel, FS 50 Jahre BVerfG, Bd. II, S. 527, 542 ff.; ders., StuW 1999, 201, 219 ff. sowie Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 75 f. mit weiteren Nachweisen; diesen Zusammenhang zu Unrecht negierend Moes, Steuerfreiheit, S. 155 f., S. 210 ff.; zu der dahinter stehenden Diskussion vgl. Fn 758. Nach wie vor ungeklärt ist allerdings, ob eine Orientierung an den bürgerlichrechtlichen Unterhaltslasten stattzufinden hat oder eine Abbildung des Existenzminimums genügt; näher zum Problemkreis BVerfGE 99, 216, 233 ff.; BVerfGE 82, 60, 87 ff.; Birk/Wernsmann, JZ 2001, 218, 219 f.; Böckenförde, StuW 1986, 335, 335 ff.; Jachmann, BB 2008, 591, 592 f.; P. Kirchhof, ZRP 2003, 73, 74 ff. (76); Mellinghoff, aaO, S. 1895 ff.; Moes, aaO, S. 159 ff.; Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 21 ff.; Sacksofsky, NJW 2000, 1896, 1901 f.; Seer/Wendt, NJW 2000, 1904, 1906 ff.; C. Seiler, 66. DJT/I, F 32 ff.; K. Vogel, StuW 1999, 201, 219 ff.

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tierende weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.760 Eng hiermit zusammen hängt der bereits unter D. erörterte Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums, der einen weiteren Anwendungsfall761 einer aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgenden absoluten Grenze des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums darstellt. Im Bereich des subjektiven Nettoprinzips gilt die Besonderheit, dass sich Durchbrechungen – insbesondere wegen der häufigen Mitbetroffenheit von Art. 6 GG und / oder des Menschenwürdegehalts – entweder gar nicht oder nur in eng begrenztem Maße rechtfertigen lassen.762 Die soeben angeführten Beispiele haben zugleich deutlich gemacht, dass die aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip resultierende absolute Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit auch bei Systemausgestaltungsentscheidungen Bedeutung erlangen kann, und zwar soweit es um die zutreffende Abbildung des jeweils gewählten Leistungsfähigkeitsindikators geht. Steht ein entsprechender Befund fest, kommt es nicht mehr (entscheidend oder ergänzend) auf Folgerichtigkeits- bzw. Systemgerechtigkeitserwägungen an, da der Gleichheitssatz zweifelsfrei betrof760 Vgl. die Nachweise in Fn 759; anders noch BVerfGE 43, 108, 120 ff. (siehe dazu bereits oben bei Fn 717). An die Stelle dieses Argumentationsmusters ist das – erheblich striktere – Gebot realitätsgerechter Berücksichtigung der verminderten Leistungsfähigkeit getreten (siehe BVerfGE 110, 412, 434; BVerfGE 99, 246, 260; BVerfGE 82, 60, 88; BVerfGE 68, 143, 152 f.; BVerfGE 66, 214, 223 f.). Dem Gesetzgeber steht es nach Auffassung des BVerfG frei, sich hierzu Normen des Steuerrechts oder des Sozialrechts zu bedienen (BVerfGE 110, 412, 434; BVerfGE 99, 246, 265; BVerfGE 82, 60, 84; BVerfGE 61, 319, 354). Insoweit räumt ihm das Gericht folglich Gestaltungsfreiheit ein (kritisch dazu Isensee, 57. DJT/II, N 55 f.; R. Wendt, FS Tipke, S. 47, 58 ff. mit weiteren Nachweisen zum Streitstand). 761 Das BVerfG hat bisher nicht abschließend geklärt, ob auch sonstige unver­ meidbare bzw. zwangsläufige private Aufwendungen zu berücksichtigen sind (BVerfGE 107, 27, 48 f.), und vertritt in jüngeren Entscheidungen einen restriktiven Standpunkt (vgl. BVerfGE 120, 125, 164; BVerfGE 82, 60, 91). Eine verbreitete Ansicht spricht sich für ihre Berücksichtigungsfähigkeit aus; siehe BFH BStBl. II 2008, 234, 250; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 17 ff.; P.  Kirchhof, StuW 1985, 319, 321 („insbesondere“); Mellinghoff, Stbg 2005, 1, 3; Pezzer, FS Zeidler, Bd. I, S. 757, 761 ff.; Tipke, StRO II, S. 784 ff.; vgl. auch noch BVerfGE 66, 214, 223; BVerfGE 61, 319, 344 und 354 f.; a.A. Richter/Söhn, StuW 2008, 117, 125 f.; ausführlich zum Problemkreis Moes, Steuerfreiheit, S. 157 ff. Folgt man der wohl herrschenden Lehre, fielen die entsprechenden Aufwendungen in den Kernbereich des Leistungsfähigkeitsprinzips. Was „unvermeidbar“ bzw. „zwangsläufig“ in diesem Sinne ist, stellt eine Wertungsfrage dar (treffend Tipke, FS Raupach, S. 177, 189 f.), bei der dem Gesetzgeber richtigerweise kein Einschätzungsspielraum zusteht; zu weiteren Problemfeldern im Themenbereich des subjektiven Nettoprinzips ausführlich Lehner, Einkommensteuerrecht, passim. 762 Vgl. oben bei und in Fn 673 f. und Fn 702.

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

fen ist:763 Wie unter D. bereits am Beispiel der gesetzgeberischen Pflicht zur Verschonung des Existenzminimums nachgewiesen worden ist, behandelt der Gesetzgeber notwendig wesentlich Gleiches ungleich und / oder wesentlich Ungleiches gleich, wenn bestimmte Personengruppen abweichend von ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden, wie sie sich in der Lebenswirklichkeit in Form bestimmter Vorgänge oder Zustände manifestiert.764 Insbesondere die soeben abgeleitete Kategorie der absoluten Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit ist eng verwandt mit dem häufig herangezogenen allgemeineren Kriterium der Sachgerechtigkeit.765 Es ist jedoch nicht notwendig, den Sachgerechtigkeitsgedanken (ergänzend) zur Anwendung zu bringen, da eine sachangemessene Besteuerung bereits im Leistungsfähigkeitsprinzip selbst angelegt ist, denn dieses Prinzip ist Ausfluss der Steuergerechtigkeit.766 Es verwundert daher nicht, dass Teile des Schrifttums sämtliche Folgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip, d.h. auch die sogleich zu beleuchtende relative Grenze, als im Sachgerechtigkeitserfordernis fußend ansehen.767 Auch im Übrigen herrscht über den Inhalt des Begriffs „Sachgerechtigkeit“ wenig Einigkeit,768 so dass es vorzugswürdig erscheint, die Grenzen legislativer Gestaltung unmittelbar aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abzuleiten.

763 Dieser Gedanke wird auch vom BVerfG angedeutet; siehe insbesondere BVerfGE 105, 73, 126 f. („Gebot realitätsgerechter Tatbestandsgestaltung“); vgl. auch BVerfGE 66, 214, 223 f. („ferner“) sowie BVerfGE 99, 246, 264 f. („auch“). 764 Siehe oben S. 128 f. 765 Siehe in diesem Zusammenhang etwa P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 118 Rn. 175: „Die steuerliche Bemessungsgrundlage muß den jeweiligen Belastungsgrund realitätsgerecht erfassen“; deutlich auch K. Vogel, DStZ/A 1975, 409, 412; siehe ferner z.B. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 83 ff., S. 171, S. 174. 766 Siehe oben unter C. 767 Vgl. etwa Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 139 (Leistungsfähigkeitsprinzip insgesamt); Tipke, StRO I, S. 318 ff. (Erfassung auch von „wertungsmäßiger Folgerichtigkeit“ bzw. „Konsequenz“). 768 So setzt Lehner, DStR 2009, 185, 186 und 191 ihn offensichtlich mit „Folgerichtigkeit“ gleich und spricht beispielsweise von „bloßer Sachgerechtigkeit“. Demgegenüber verwendet das BVerfG nur den – sprachlich sehr ähnlichen – Begriff der „Sachgesetzlichkeit“ (näher Kischel, AöR 124 (1999), 174, 178 f. mit weiteren Nachweisen) synonym mit Systemgerechtigkeit (siehe oben Fn 487).

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

IV. Relative Grenze der Gestaltungsfreiheit Häufiger als absolute Leistungsfähigkeitswidrigkeit werden in der Praxis Fälle relativer Leistungsfähigkeitswidrigkeit auftreten.769 Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass steuerrechtliche Regelungen zwar einzeln betrachtet jeweils (vertretbar) an einen Leistungsfähigkeit indizierenden Sachverhalt anknüpfen,770 aber aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit im Verhältnis zueinander dazu führen, dass die jeweils betroffenen Personengruppen ungleich besteuert werden, obwohl sie Tatbestände verwirklicht haben, die auf eine gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schließen lassen, oder identisch besteuert werden, obwohl dies nicht der Fall ist.771 Hierzu kommt es typischerweise innerhalb der vom Steuergesetzgeber geschaffenen Systeme, da sich mit steigender Regelungsdichte die Gefahr erhöht, dass der Gesetzgeber ähnliche Erscheinungsformen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verschieden behandelt. Dies erklärt den von der Rechtsprechung hervorgehobenen engen Zusammenhang zwischen Leistungsfähigkeitsprinzip und Folgerichtigkeitsgebot.772 Tatsächlich bedarf es allerdings keines neben dem Leistungsfähigkeitsprinzip stehenden Folgerichtigkeitsgebots, das (ebenfalls) auf die Herstellung von Belastungsgleichheit gerichtet ist,773 denn hierbei handelt es sich zu wesentlichen Teilen774 um nichts anderes als den Inhalt des Leistungsfä769 Diese Wirkung des Leistungsfähigkeitsprinzips mit Blick auf die Behandlung von Abzugsposten bei der Einkommensbesteuerung offensichtlich – zu Unrecht – vollständig negierend Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 318: „Der Schutz des Leis­ tungsfähigkeitsprinzips ist unabhängig davon, wie andere Sachverhalte behandelt werden [sic!]. Es wirkt absolut, nicht nur relativ.“ Richtig ist demgegenüber, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip sowohl absolut als auch relativ wirkt. 770 Denkbar ist auch der Fall, dass Abweichungen gerechtfertigt sind. 771 Dies setzt voraus, dass die jeweiligen Erscheinungsformen wirtschaftlicher Leis­ tungsfähigkeit vergleichbar sind – was im Einzelfall schwierig zu beantworten sein kann; näher sogleich. 772 Siehe oben bei Fn 570 und in der Folgedarstellung. 773 Siehe zur Kritik an der Folgerichtigkeitsrechtsprechung Drüen, JZ 2010, 91, 92 ff., der das Folgerichtigkeitsgebot selbst allerdings verteidigt; eingehend ders., FS Spindler, S. 29, 42 ff. sowie auch Englisch, FS Lang, S. 167, 170 ff., der jedoch auf S. 177 einräumt, dass auf die darin liegende terminologische Hervorhebung verzichtet werden könnte; siehe zum Fragenkreis aus neuerer Zeit auch etwa Hey, DStR 2009, 2561, 2566 f.; Mellinghoff, Ubg 2012, 369, 370 ff. sowie Lepsius, JZ 2009, 260, 261 und 262 f., der das Folgerichtigkeitsgebot ablehnt und zu Recht auch dessen staatsorganisationsrechtliche Verortung verwirft, jedoch dem Leis­ tungsfähigkeitsprinzip anscheinend ebenfalls ablehnend gegenübersteht. 774 Auch im Kontext der absoluten Wirkungen des Leistungsfähigkeitsprinzips spielen Konsequenzerwägungen eine Rolle, und zwar insoweit, als der – vertretbar gewählte – Leistungsfähigkeitsindikator zutreffend abgebildet werden muss. Dies ist soeben unter III. am Beispiel des Nettoprinzips gezeigt worden (vgl. in diesem Zu-

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higkeitsprinzips in seiner hier beschriebenen Ausprägung.775 Ist nämlich ein Systembruch darin zu erblicken, dass zwei Personen leistungsfä­ higkeitswidrig gleich oder ungleich besteuert werden, folgt die Gleichheitssatzrelevanz bereits ohne weiteres aus der Durchbrechung des Leis­ tungsfähigkeitsprinzips.776 Dagegen existiert kein eigenständiges, vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgelöstes Folgerichtigkeitsgebot, das – ohne Nachweis einer gleichheitssatzrelevanten Gleich- oder Ungleichbehandlung – auf Herstellung von Systemkonsequenz gerichtet wäre:777 Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber (lediglich), Personengruppen ohne rechtfertigenden Grund leistungsfähigkeitswidrig zu besteuern; nicht hingegen gebietet die Norm Folgerichtigkeit als Selbstzweck.778 Fälle relativer Leistungsfähigkeitswidrigkeit können aber auch bei Sys­ temgrundentscheidungen auftreten: Es bedarf vor Art. 3 Abs. 1 GG einer­ sachlichen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber sich dazu entschließt­, einzelne Personengruppen aufgrund bestimmter – Leistungsfähigkeit indizierender – Merkmale einer Besteuerung zu unterwerfen, er andere Personengruppen jedoch von der Besteuerung freistellt, obwohl sie Sachverhalte verwirklichen, die auf eine gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schließen lassen.779 Ob alle im geltenden Recht verankerten Steuern die-

sammenhang auch St. Schneider, Beihefter zu DStR 2009, 87, 89 ff.). Auch insoweit bedarf es jedoch keines (mehr oder weniger selbständigen) Folgerichtigkeitserfordernisses, denn das so umrissene Konsequenzgebot resultiert hier einfach aus der absoluten Dimension des Leistungsfähigkeitsprinzips selbst. 775 Im selben Sinne Weber-Grellet, DStR 2009, 349, 351 f. 776 Vgl. bereits Friauf, StuW 1985, 308, 314. Nichts anderes meint offensichtlich Tipke, StRO I, S. 327. Anders als es bei ihm den Anschein erweckt, bedarf es jedoch „Konsequenz“ und „Folgerichtigkeit“ als eigenständiger Kategorien aus den genannten Gründen nicht. Wie sogleich gezeigt wird, können sogar falsche Ergebnisse entstehen, wenn man sie verselbständigt. 777 In diese Richtung aber BVerfGE 124, 199, 222 f.; BVerfGE 116, 164, 200 ff.; Drüen, GmbHR 2005, 69, 78 f.; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. V, § 128 Rn. 181; ders., StuW 2000, 316, 322 ff.; ders., Besteuerung, S. 43 f.; ders., StuW 1985, 319, 321; ders., StuW 1984, 297, 301 f. sowie im Ausgangspunkt auch Tipke, StuW 2007, 201, 206 unter Berufung auf den „Aspekt der ‘Einheit der Steuerrechtsordnung’“. 778 Siehe (in allgemeinerem Zusammenhang) die überzeugenden Ausführungen bei Kischel, AöR 124 (1999), 174, 193 ff. sowie auch Huster, Rechte und Ziele, S. 390; speziell zum Steuerkontext siehe Kischel, in: Mellinghoff/Palm (Hrsg.), Gleichheit, S. 175, 184 sowie – treffend – Jachmann, StuW 1998, 293, 296: „Systemkonsequenz ist nur insoweit verfassungsrechtlich zwingend, als sie sich im Ergebnis auf die Besteuerungsgleichheit auswirkt“; im gleichen Sinne dies., Steuergesetzgebung, S. 24; dies., Fiktion, S. 693 ff.; Weber-Grellet, DStR 2009, 349, 353; siehe auch die Ausführungen oben auf S. 83 ff. sowie die Nachweise in Fn 482. 779 Vgl. die Nachweise in Fn 706.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

sen Maßstäben genügen, ist überaus zweifelhaft,780 bedarf an dieser Stelle aber keiner abschließenden Bewertung. Die Identifizierung entsprechender Konstellationen, in denen der Gesetzgeber die aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgenden relativen Grenzen durchbricht, kann besonders bei Systemgrundentscheidungen erhebliche Schwierigkeiten bereiten: Da sich Leistungsfähigkeit nicht absolut messen lässt, muss wertend ermittelt werden, ob zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte den Schluss auf eine identische oder verschieden hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zulassen. Dies hängt maßgeblich von ihrer – ebenfalls wertend zu ermittelnden – Vergleichbarkeit ab.781 Im Hinblick auf den (äußeren) Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der ihm wegen seiner grundsätzlichen Möglichkeit zur Rechtfertigung von Abweichungen zusteht,782 wird man ganz allgemein formulieren können, dass er umso größer ist, je weniger vergleichbar die in Betracht kommenden Lebenssachverhalte im Hinblick auf die jeweils verwirklichten Leistungsfähigkeitsindikatoren sind: Ist die Vergleichbarkeit gering, wird auch die erforderliche Rechtfertigungsintensität eher niedrig sein.783 Sind die verwirklichten Leistungsfähigkeitsindikatoren hingegen bei wertender Betrachtung unvergleichbar, bleibt für relative Leistungsfähigkeitswidrigkeit von vornherein kein Raum. Das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip gelangt mithin in seiner Funktion als steuerspezifischer Vergleichsmaßstab im Rahmen der Prüfung des allgemeinen

780 Sehr weitgehend Tipke, StRO I, S. 298 f. und S. 505 ff. mit StRO II, S. 1044 ff., S. 1124 ff. Seine Forderung, dass Steuern durchgängig nach allgemeinen Maßstäben erhoben werden müssten (Tipke, StRO I, S. 248, S. 317, S. 326 f., S. 329, S. 531 f.; ders., StRO II, S. 1125; vgl. dens., StuW 2007, 201, 206), dürfte jedoch zu weit greifen, da die unterschiedlichen Ausprägungen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in der Lebenswirklichkeit nur begrenzt vergleichbar sind; näher sogleich. 781 Vgl. Birk, StuW 2000, 328, 331 („tatsächlich gleichwertig“); Trzaskalik, FS Tipke, S. 321, 322 ff. Wer – wie hier vertreten (oben Fn 614) – bereits das jeweilige Vergleichspaar wertend ermittelt, wird zur Frage der Rechtfertigung bei fehlender Vergleichbarkeit nicht kommen. Wer Wertungsfragen hingegen erst im Rahmen der Rechtfertigung behandelt, wird in diesem Fall nur geringe Anforderungen stellen; vgl. BVerfGE 65, 325, 354; BVerfGE 49, 343, 360 f. 782 Siehe oben S. 135. Zu der in diesem Abschnitt primär beleuchteten inneren, d.h. leistungsfähigkeitskonformen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers näher sogleich. 783 Die Rechtfertigungsintensität bestimmt sich nämlich zu wesentlichen Teilen nach dem in der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip liegenden Ausmaß der Ungleichbehandlung (vgl. bereits oben am Ende von C.; näher sogleich) – und je weniger vergleichbar die jeweils verwirklichten Leistungsfähigkeitsindikatoren sind, umso geringer wird bei wertender Betrachtung in der Tendenz auch das Ausmaß der Ungleichbehandlung sein.

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Das Leistungsfähigkeitsprinzip als verfassungskräftige Grenze

Gleichheitssatzes784 insoweit nur eingeschränkt zur Geltung, denn relevant sind nur Ausprägungen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, die sich bei wertender Betrachtung als vergleichbar erweisen.785 Da die Regelungsdichte bei systeminternen Fragestellungen zumindest in aller Regel höher ist als bei Systemgrundentscheidungen, unterliegt der Gesetzgeber bei Letzteren tendenziell schwächeren Bindungen – und sind leistungsfähigkeitsrelevante Problemlagen regelmäßig786 schwieriger auszumachen. Insoweit – aber auch nur insoweit – hat die Differenzierung zwischen Systemgrund- und Ausgestaltungsentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht787 einen berechtigten Kern.788 Diese Aussage darf aber nur als allgemeine Tendenz verstanden werden, nicht hingegen als Maxime zur Lösung von Einzelfragen. So ist insbesondere die Vorstellung verfehlt, der Gesetzgeber habe bei Systemgrundentscheidungen immer einen weiten Gestaltungsspielraum. Dies lässt sich besonders gut anhand des Gewerbesteuerbeschlusses (BVerfGE 120, 1) belegen, wenn man die zutreffende und vom Bundesverfassungsgericht geteilte Prämisse zugrunde legt, das Leistungsfähigkeitsprinzip beanspruche auch im Bereich der Gewerbesteuer Geltung:789 Stellt man sich auf den – schwerlich bestreitbaren – Standpunkt, dass gewerbliche Einkünfte im Vergleich zu Einkünften aus selbständiger Arbeit und aus Land- und Forstwirtschaft keine gesteigerte Form wirtschaftlicher Leistungs­ fähigkeit abbilden, handelt es sich bei der gesetzgeberischen Entscheidung, ausschließlich Gewerbetreibende der Gewerbesteu-

784 Siehe oben bei Fn 649. 785 Zu den methodischen Hintergründen siehe Fn 781. 786 Entsprechende Probleme können aber selbstverständlich auch bei systeminternen Fragestellungen auftreten. Hinzu kommt, dass häufig kaum zuverlässig bestimmt werden kann, ob es sich um eine Systemgrund- oder eine Ausgestaltungsentscheidung handelt; näher sogleich. 787 Zu Nachweisen siehe vor allem oben S. 104 f. 788 Vgl. auch die Nachweise in Fn 715. 789 BVerfGE 120, 1, 44 f.; siehe auch BVerfGE 116, 164, 185 f.; aus dem Schrifttum siehe etwa Hartmann, BB 2008, 2490, 2492 ff.; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 19; dies., Beihefter zu DStR 2009, 109, 115; Jachmann, BB 2000, 1432, 1433; dies., Steuergesetzgebung, S. 111 f.; Kube, DStR 2011, 1781, 1789; Lang/Englisch, StuW 2005, 3, 14 f.; Montag, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 12 Rz. 1; R. Wendt, BB 1987, 1257, 1259 f. Das Äquivalenzprinzip hat das Gericht hingegen nicht zum primären Vergleichsmaßstab erhoben, sondern nur als ergänzendes Argument auf Rechtfertigungsebene angesprochen (BVerfG, aaO, S. 37 ff.). Das Verhältnis beider Prinzipien zueinander bleibt allerdings unerörtert. Auch sonst sind die Ausführungen des Gerichts wenig überzeugend; näher sogleich.

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er zu unterwerfen,790 um eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeits­ prinzips,791 die als solche rechtfertigungsbedürftig ist.792 Anders als das Bundesverfassungsgericht meint,793 ist es auch nicht etwa angezeigt, hier einen milderen Rechtfertigungsmaßstab als bei (rein) sys­ teminternen Differenzierungen anzulegen. Im Gegenteil: Die gänzliche Herausnahme wertungsmäßig gleicher Formen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aus der Besteuerung ist tendenziell gravierender als sys­ teminterne Ungleichbehandlungen, so dass regelmäßig wenigstens ebenso hohe Anforderungen an die Rechtfertigungsintensität zu stellen sind.794 So mutet es befremdlich an, wenn das Bundesverfassungsgericht die zentrale gesetzgeberische Entscheidung, ausschließlich Gewerbetreibende einer besonderen Steuer zu unterwerfen, lediglich einer Willkürprüfung unterwirft, während es in derselben Entscheidung im Hinblick auf eine nachgelagerte Detailfrage (Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) viel stärkere Anforderungen an die Rechtfertigung stellt.795 790 Unterstellt ist hier, dass die Gewerbesteuer überhaupt, d.h. absolut betrachtet, mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar ist. 791 Dem Gesetzgeber steht insoweit kein Einschätzungsspielraum zu; dazu sogleich. 792 Zutreffend etwa Birk, StuW 2011, 354, 357; Hartmann, BB 2008, 2490, 2494; Hey, Beihefter zu DStR 2009, 109, 115; dies., FR 2001, 870, 871; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 111; R. Wendt, BB 1987, 1257, 1260; anders offenbar das BVerfG in der Entscheidung BVerfGE 120, 1 (näher oben Fn 570 und in der Folgedarstellung). Ob diese Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip gerechtfertigt werden kann (vgl. zu möglichen Ansätzen S. 26 ff., S. 30 ff. dieses Beschlusses), soll hier nicht erörtert werden. Die entsprechenden Ausführungen in dieser Entscheidung überzeugen allerdings schon deshalb nicht, weil das Gericht zu Unrecht lediglich eine Willkürprüfung durchführt. Ferner stehen die Unterschiede zwischen Gewerbetreibenden einerseits und Freiberuflern sowie Land- und Forstwirten andererseits, auf die das BVerfG sich zu wesentlichen Teilen stützt (S. 30 ff.), in keinerlei Zusammenhang mit der Frage nach einer sachangemessenen – d.h. leistungsfähigkeitsgerechten – Besteuerung (zutreffend Hartmann, aaO; Hey, Beihefter zu DStR 2009, 109, 115; siehe auch Englisch, FS Lang, S. 167, 188 f.; Loritz, in: Schön/ Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 31, 36 sowie bereits Hey, FR 2001, 870, 878; Jachmann, BB 2000, 1432, 1434; dies., Steuergesetzgebung, S. 114 ff.); zu weiteren Kritikpunkten an dieser Entscheidung siehe Hartmann, aaO, S. 2494 f.; Keß, FR 2008, 829, 829 ff.; zum Verhältnis zu den Vorschriften des Finanzverfassungsrechts vgl. oben Fn 732. 793 Siehe die Nachweise in Fn 575. 794 Vgl. auch Hennrichs, FS Lang, S. 237, 241 f. Es ist auch nicht etwa so, dass ein Sys­ tembruch als solcher zu einer erhöhten Rechtfertigungsintensität führt; treffend Kischel, AöR 124 (1999), 174, 198; siehe bereits oben bei Fn 776. 795 BVerfGE 120, 1, 29 ff. und 44 ff.; vgl. bereits (aus etwas anderem Blickwinkel) Tipke, StRO I, S. 299; siehe auch Drüen, GmbHR 2008, 393, 400, der ein entsprechendes Vorgehen bei der Unternehmensbesteuerung („vermeintliche Paradoxie“) aber aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen (vgl. oben Fn 732) unbeanstandet lässt; sehr kritisch gegenüber der Milde der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung im

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Darüber hinaus ist zu bedenken, dass sich in vielen Fällen nicht eindeutig bestimmen lässt, was Systemgrund- und was Ausgestaltungsentscheidung ist.796 Die Rechtfertigungsintensität von dieser Differenzierung abhängig zu machen, erscheint seinerseits willkürlich. Auch in dieser Hinsicht bilden die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Gewerbesteuerbeschluss ein anschauliches Beispiel.797 Abschließend bleibt noch zu klären, ob dem Gesetzgeber ein (begrenzter) Einschätzungs- bzw. Ausgestaltungsspielraum bei der Frage zusteht, ob zwei Ausprägungen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit vergleichbar im hier entwickelten Sinne sind. Diese Frage ist richtigerweise zu verneinen. Ebenso wie bei der Entscheidung, ob ein in der Lebenswirklichkeit vorhandener Sachverhalt ein Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist,798 handelt es sich auch hier um eine wertende Rechtsfrage, die ein eindeutiges Ergebnis zulässt. Entschiede man an dieser Stelle anders, liefe das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner wichtigsten Ausprägung – und insoweit auch der allgemeine Gleichheitssatz im Hinblick auf steuerrechtliche Fragestellungen – zu wesentlichen Teilen leer. Hieraus folgt, dass gesetzgeberische Entscheidungen in weitem Umfang rechtfertigungsbedürftig sind. An welcher Stelle der Systembildung die jeweilige Differenzierung erfolgt, spielt auch in dieser Hinsicht keine Rolle. Die erforderliche Rechtfertigungsintensität bestimmt sich zu einem wesentlichen Teil799 nach dem Ausmaß der Abweichung vom sachgerechten Verteilungsmaßstab800 bzw. – anders ausgedrückt – nach der „materiBereich der Unternehmensbesteuerung hingegen Loritz, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 31, 46 f. 796 Hennrichs, FS Lang, S. 237, 241 und 243 f.; Hey, DStR 2009, 2561, 2563; dies., StbJb 2008, 19, 36; siehe auch Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 311 ff., der allerdings – trotz der offensichtlichen Willkürlichkeit bei der Bildung von Oberbegriffen in vielen Einzelbereichen – auch mit Blick auf die finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen an den Rechtsprechungsgrundsätzen festhalten will. 797 BVerfGE 120, 1, 30 ff.; als „zunehmend absonderlicher“ charakterisiert Loritz, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 31, 36 diese Ausführungen. 798 Siehe oben S. 136. 799 Zu sonstigen Gesichtspunkten, die für die Anforderungen an die Rechtfertigung als bedeutsam angesehen werden, siehe (im allgemeinen Kontext) Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rn. 32, 38; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 442 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 19 ff.; kritisch insoweit Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 187 ff.; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 127 ff.; zur Rechtslage bei Mitbetroffenheit anderer verfassungsrechtlichen Wertungen siehe oben bei Fn 671 und Fn 702 sowie etwa auch Waldhoff, FR 2007, 225, 230. 800 Vgl. etwa Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 187 a.E., S. 189 f.; Seer, Ubg 2012, 376, 380; Schön, FS Spindler, S. 189, 201; zu den Besonderheiten der gleichheits-

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ellen Schwere“ bzw. „Intensität“ der Ungleichbehandlung,801 für die es u.a. auf den Grad der Vergleichbarkeit der jeweils verwirklichten Leis­ tungsfähigkeitsindikatoren ankommt.802 Einer Rechtfertigung bedarf es daher auch dann, wenn der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität bestimmte Sachverhalte ganz oder teilweise von der Besteuerung freistellt, obwohl sie eine ebenso hohe Leistungsfähigkeit vermitteln wie andere Sachverhalt, die der Besteuerung unterliegen. Allerdings ist ein solches Vorgehen (schon) dann gerechtfertigt, wenn andernfalls die Grenze des mit vertretbarem Aufwand Administrierbaren überschritten wäre bzw. – eng damit zusammenhängend – auf diese Weise im praktischen Ergebnis mehr Gleichbelastung zu erwarten ist als bei einer tatsächlich nicht gleichmäßig durchführbaren Besteuerung.803

G. Zusammenfassende Würdigung Festzuhalten bleibt: Da der Gesetzgeber an eine Vielzahl an Leistungsfähigkeitsindikatoren anknüpfen kann, hat er einen (weiten) Gestaltungsspielraum bei der Erschließung von Steuerquellen und auch bei der Ausgestaltung der steuerlichen Tatbestände im Einzelnen. Dieser Spielraum ist aber jeweils in zweifacher Hinsicht durch das Leistungsfähigkeitsprinzip begrenzt. Erstens muss der Gesetzgeber die Besteuerung – vorbehaltlich einer tragfähigen Rechtfertigung – an Vorgängen bzw. Zuständen rechtlichen Prüfung im Falle einer solchen Abweichung näher Englisch, aaO, S. 111 ff., S. 179 ff. 801 Huster, Rechte und Ziele, S. 459 f.; Kischel, AöR 124 (1999), 175, 189 (mit weiteren Nachweisen); mit Blick auch auf die Steuerrechtslage siehe Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 442; Friauf, StuW 1985, 308, 314 sowie auch Drüen, StuW 2008, 3, 11; Seer, GmbHR 2009, 225, 236. Ganz allgemein für einen strengen Maßstab sprechen sich für diesen Bereich – im Gegensatz zum Gros der Entscheidungen des BVerfG (vgl. dazu Hey, StbJb 2007/08, 19, 37 ff.) – etwa aus: Vogel/Waldhoff, in: BK-GG, Vorbem. z. Art. 104a  –  115 Rz. 527; R. Wendt, DÖV 1988, 710, 714. 802 Siehe oben Fn 783. 803 Vgl. insbesondere Tipke, StRO II, S. 622, S. 629 f., S. 752, S. 865, S. 1215, der auf S. 662, S. 679 zu Recht darauf hinweist, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Gleichheitsverstoß auch daraus resultieren kann, dass ein gleichmäßiger Belas­ tungserfolg wegen ungenügender Durchsetzungsmöglichkeiten prinzipiell verfehlt wird (BVerfGE 110, 94, 112; BVerfGE 84, 239, 271); im selben Sinne Birk, StuW 2000, 328, 330; Drüen, StuW 2008, 3, 11 („Sicherung des Steuervollzugs im Massenfallrecht“); Englisch, StuW 2007, 221, 225 f. und 233 Fn 117; P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 319; vgl. in ähnlichem Zusammenhang (Rechtfertigung von Vereinfachungszweckvorschriften) auch Fn 755. Mit den im Haupttext beschriebenen Erwägungen lassen sich auch Überschreitungen der absoluten Grenze rechtfertigen.

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in der Lebenswirklichkeit ausrichten, die Ausdruck einer entsprechenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind (absolute Grenze). Zweitens darf er wertungsmäßig gleiche Erscheinungsformen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandeln (relative Grenze). Die Grenzziehung kann in beiden Bereichen Schwierigkeiten bereiten. Was die absolute Grenze angeht, wird in vielen Fällen schwierig zu bestimmen sein, ob ein bestimmter Lebenssachverhalt Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist oder nicht. Hierbei handelt es sich um eine Wertungsfrage, die durchaus unterschiedlich beantwortet werden kann, zumal das hinter dem Leistungsfähigkeitsprinzip stehende Steuergerechtigkeitsgebot und die in ihm zum Ausdruck kommenden verfassungsrechtlichen Wertungen häufig Raum für verschiedene Bewertungen lässt. Ein Einschätzungsspielraum steht dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht jedoch richtigerweise nicht zu. Er kann lediglich den Maßstab festlegen, der für das konkrete Ausmaß der im jeweiligen Besteuerungsbereich bedeutsamen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestimmend ist. Hinsichtlich der relativen Grenze ist hingegen vielfach problematisch, ob bestimmte Ausprägungen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit vergleichbar genug sind, um auf eine gleich oder verschieden hohe Leistungsfähigkeit schließen zu lassen. Auch insoweit handelt es sich um eine Frage offener steuer- und verfassungsrechtsdogmatischer Konsensbildung, deren Beantwortung sich maßgeblich danach richtet, welche Erscheinungsformen von Leistungsfähigkeit der Gesetzgeber seiner Besteuerungsentscheidung zugrunde gelegt hat. Im Hinblick auf ihre Vergleichbarkeit steht ihm jedoch ebenfalls kein Einschätzungsspielraum zu. Zu berücksichtigen bleibt ferner, dass auch dann kein endgültiges Ergebnis erzielt ist, wenn man die jeweiligen Ausprägungen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit als vergleichbar ansieht, denn die daraus resultierende Ungleichbehandlung ist einer Rechtfertigung im Grundsatz zugänglich. Die erforderliche Rechtfertigungsintensität bestimmt sich zu einem wesentlichen Teil nach dem Ausmaß der Ungleichbehandlung – ohne dass es darauf ankäme, ob es sich um eine Systemgrund- oder Ausgestaltungsentscheidung handelt. Überschreitungen der aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgenden relativen Beschränkungen sind tendenziell leichter zu rechtfertigen als die Nichteinhaltung der absoluten Grenzen, zumal bei Letzteren häufig weitere verfassungsrechtliche Wertungen für eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung streiten. Eines eigenständigen, ebenfalls auf die Herbeiführung von Belastungsgleichheit gerichteten Folgerichtigkeitsgebots bedarf es hingegen nicht. 151

§6 Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips sowie anderer­ steuerrechtlicher Wertungen A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise Entsprechend dem eingangs formulierten Prüfungsprogramm804 verfolgt die Untersuchung in diesem Abschnitt (2. Kapitel) das primäre Ziel herauszuarbeiten, ob und inwieweit das Leistungsfähigkeitsprinzip geeignet ist, das zivilrechtliche Ausgleichssystem zu beeinflussen, wie sich beide Materien zueinander verhalten und ob ein Ausgleich in manchen Situationen sogar zur richtigen Abbildung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit geboten ist. Diese – überaus vielschichtige – Verhältnisbestimmung, deren Einzelheiten in § 7 herausgearbeitet werden, setzt zunächst Klarheit über Wirkrichtung und -intensität des Leistungsfähigkeitsprinzips voraus, das, wie im Folgenden nachgewiesen wird, in ganz unterschiedlichen Ausprägungen zur Geltung gelangt. Diese Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips ist insbesondere für die Bestimmung seines Abwägungsgewichts von entscheidender Bedeutung, auf das es namentlich dort ankommt, wo das Leistungsfähigkeitsprinzip in Wechselwirkung mit den Wertungen anderer Teilrechtsordnungen tritt. Die bisherige Darstellung (in § 5) gibt über Wirkkraft und Abwägungsgewicht des Leistungsfähigkeitsprinzips nur begrenzt Aufschluss, weil es bisher (lediglich) als verfassungsrechtliche Grenze der gesetzgeberischen Entscheidungsfreiheit, also im Wesentlichen in prohibitiver Ausprägung entfaltet wurde. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist im vorliegenden Zusammenhang jedoch seine positiv-inhaltliche Ausprägung als verfassungsgeleitetes steuerrechtliches Prinzip, das in Wechselwirkung zu Prinzipien und Wertungen des Zivilrechts treten kann, von mindestens ebenso großer Bedeutung. Dass es sich hierbei um voneinander zu trennende Ebenen handelt, wird sogleich unter B. herausgearbeitet. Die dortigen Ausführungen werden insbesondere Klarheit darüber verschaffen, in welchem Umfang das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Grundwertung des Steuerrechts darstellt,805 da hierin – wie sich erweisen wird – eine wesentliche Determinante für sein Abwägungsgewicht zu erblicken ist. Ebendieses Abwägungsgewicht wird im Anschluss unter C. erörtert. Wegen der engen thematischen Nähe soll hierauf aufbauend unter D. auf 804 Siehe oben S. 24 sowie auch S. 100 ff. 805 Zu der hier in Bezug genommenen Systemlehre Canaris' siehe bereits oben S. 24 f. sowie im Folgenden.

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diejenigen Kriterien eingegangen werden, die ansonsten für die Wirkkraft steuerrechtlicher Prinzipien und Wertungen bestimmend sind, zumal diese Feststellungen für ihr Verhältnis zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem erhebliche Bedeutung erlangen können. Im darauf folgenden Abschnitt (unter E.) wird die Frage des „Wie“ der Abwägung erörtert und insbesondere auf den Ansatz Kollers zur Einwirkung steuerlicher Wertungen bei der Anwendung des zivilrechtlichen Ausgleichssystems eingegangen. Anschließend soll in § 7 auf Grundlage dieser Feststellungen das Verhältnis des Leistungsfähigkeitsprinzips zu den Ausgleichsansprüchen des Zivilrechts im Einzelnen erörtert werden.

B. Ausprägungen und Wirkrichtung des Leistungsfähigkeits­ prinzips I. Einführung Wie einleitend bereits angedeutet, lässt sich zwischen unterschiedlichen Ausprägungen des Leistungsfähigkeitsprinzips unterscheiden, die in Bezug auf ihre Wirkkraft voneinander getrennt werden müssen und daher in diesem Abschnitt herauszuarbeiten sind. Den Anknüpfungspunkt der Prüfung soll das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner bisher untersuchten Gestalt als verfassungsrechtliche Begrenzung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bilden. Im Folgenden wird auf die Charakteristika der so umschriebenen verfassungskräftigen Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips eingegangen und insbesondere untersucht, ob der einfache Gesetzgeber in der Lage ist, es zu „konkretisieren“, wie dies vielfach ohne weitere Differenzierungen angenommen wird.806 Zugleich wird der Frage nachgegangen, inwieweit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Fundamentalprinzipcharakter zukommt. Dieses Vorgehen wird es ermöglichen, die Grenzen seiner Wirkkraft deutlich zu machen, und zugleich erweisen, welche weiteren Ausprägungen des Leistungsfähigkeitsprinzips existieren und welche Bedeutung sie für die Verhältnisbestimmung zum Zivilrecht haben.

II. Zur verfassungskräftigen Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips und seiner „Konkretisierbarkeit“ In der bisherigen Untersuchung sind die verfassungsrechtlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers herausgearbeitet worden, die 806 Nachweise sogleich in Fn 814.

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aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgen, wie es primär über den allgemeinen Gleichheitssatz – unter Einschluss weiterer verfassungsrechtlicher Wertungen – zur Geltung gelangt. Diese Vorgehensweise entspricht im Kern derjenigen des Bundesverfassungsgerichts, das steuerrechtliche Regelungen in erster Linie an Art. 3 Abs. 1 GG misst,807 wenngleich das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner Argumentation häufig hinter Folgerichtigkeitserwägungen zurücktritt.808 Aber auch die Befürworter des Leistungsfähigkeitsprinzips im Schrifttum, die es verbreitet in weitaus stärkerem Maße als das Gericht entfalten und ihm zu Recht eine teils erheblich größere Wirkkraft beilegen, leiten es aus Verfassungsrecht ab809 und bestimmen so letztlich ebenfalls die Grenzen des gesetzgeberischen Handelns. Dieses verfassungsdeduktiv ermittelte Leistungsfähigkeitsprinzip hat mithin im Kern prohibitive Funktion, weil es die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (von außen kommend) einschränkt.810 Der Steuergesetzgeber ist hiernach auf die Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips verpflichtet, soweit er im jeweiligen Einzelbereich regelnd tätig werden will

807 Umfängliche Nachweise oben S. 103 ff. 808 Siehe z.B. BVerfGE 123, 111, 122 ff.; BVerfGE 122, 210, 230 ff. 809 Exemplarisch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4 Rz. 81 ff.; Tipke, StRO I, S. 479 ff. Anders als dies bei Schenke, Rechtsfindung, S. 219 f., S. 241 f. zum Ausdruck kommt, wählen beide Autoren einen verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt (sehr deutlich Lang, aaO, § 1 Rz. 36; Tipke, aaO, S. 282 ff., S. 312 ff., S. 322 ff.). Auch ist die Vorstellung Schenkes, aaO unzutreffend, dass sich die Sys­ temlehre Canaris', auf die diese Autoren Bezug nehmen, auf einfachgesetzliche Prinzipien und Wertungen beschränkte. Wie beide Autoren im Ausgangspunkt zutreffend zugrunde legen (siehe oben S. 26 mit Nachweisen), lässt diese Systemlehre vielmehr Raum auch (und gerade) für verfassungsrechtliche (Grund-)Wertungen (zu weiteren Einzelheiten siehe unten in Fn 826 und 829). Allerdings wird sich im Folgenden erweisen, dass in der Art und Weise, wie Tipke und Lang das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip in den Systemaufbau einordnen, ein Argumentationsbruch zu erblicken ist (siehe insbesondere unten III., Fn 838). 810 Vgl. Drüen, FS Kruse, S. 191, 199 f.: „Das Steuerrecht ist nicht verfassungsprädisponiert, sondern nur verfassungslimitiert.“ Siehe ferner Höhn, FS Tipke, S. 213, 231 f. („übergeordneter Rahmen“); Isensee, StuW 1994, 3, 6 („ein Rahmen des politischen Handelns und des einfachen Rechts“; kein „juristisches Weltenei“) sowie bereits Flume, StbJb 1967/68, 69, 69 („grundsätzlich nur negativ abzugrenzen“); zur Unterscheidung zwischen Rechtsprinzipien mit prohibitivem und konstruktivem Inhalt vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 12. Nimmt man ausschließlich die verfassungsrechtlichen Vorgaben in den Blick, so hat das Leistungsfähigkeitsprinzip nur insoweit konstruktiven Inhalt, wie ihm ausnahmsweise strikte Vorgaben für die gesetzgeberische Ausgestaltung des Steuerrechts im Einzelnen zu entnehmen sind; zu möglichen Gründen der abweichenden Einordnung bei Hey näher sogleich.

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und es an einer Rechtfertigungsmöglichkeit fehlt;811 andernfalls besteht Rechtfertigungszwang. Das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner bisher betrachteten Ausprägung wird also nicht induktiv aus dem einfachgesetzlichen Normenbestand abgeleitet, sondern als verfassungskräftige Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit entfaltet. Soweit darüber hinausgehende, d.h. nicht mit verfassungsrechtlicher Zwangswirkung versehene Ableitungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip für ein ideales Steuerrecht getroffen werden,812 handelt es sich demgegenüber um ein rechtspolitisches Anliegen.813 Legt man aber – entsprechend dem durchgängig gewählten verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt – die für den Gesetzgeber allein verbindliche verfassungsdeduktiv ermittelte Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips zugrunde, so erweist sich die häufig vorzufindende Aussage, das Leis­tungsfähigkeitsprinzip sei einer „Konkretisierung“ durch den Gesetzgeber zugänglich (und bedürfe dieser auch),814 als überaus problematisch. Denn diese Aussage könnte zu dem (Miss-)Verständnis verleiten, der Gesetzgeber sei in der Lage, den Inhalt und damit die Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips zumindest teilweise selbst festlegen. Dies trifft indes nicht zu: Die hier betrachtete verfassungskräftige Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips ist einer Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber von vornherein nicht zugänglich, da es ihm von Verfassungs wegen vorgegeben ist815 und mithin seinen Gestaltungsspielraum

811 Dies kann bei der Einkommensbesteuerung insbesondere im Anwendungsbereich des subjektiven Nettoprinzips der Fall sein; siehe oben S. 127 ff. und S. 140 ff. Hiermit ist allerdings nicht zugleich gesagt, dass der Gesetzgeber notwendig auf eine ganz bestimmte Ausgestaltung der Besteuerung festgelegt wäre, denn das Leis­tungsfähigkeitsprinzip lässt auch in diesem Bereich in aller Regel (gewisse) Spielräume offen. 812 Siehe z.B. die etwas freischwebende Systembildung bei Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 41; Lang, FS Kruse, S. 313, 318 ff. Auf die Hintergründe und die dieser Systembildung zugrunde liegende Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips wird im Folgenden ausführlich eingegangen. 813 Im gleichen Sinne Drüen, FS Spindler, S. 29, 40 f., der zu Recht auf die (auch sonst) fehlende verfassungsrechtliche Grundlage für ein „Gebot der Systembildung“ hinweist. 814 Vgl. etwa Birk, StuW 2000, 328, 330; dens., Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 52 ff.; Drüen, FS Spindler, S. 29, 39; dens., StuW 2008, 3, 6; Eckhoff, FS Steiner, S. 119, 126; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rz. 52 und auch Rz. 41; Huster, Rechte und Ziele, S. 369; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 23 („Ausformung“); dies., StuW 1998, 293, 295 f.; Lang, DStJG 24 (2001), 49, 55 ff.; Schlotter, Teilwertabschreibung, S. 141; Tipke, FS Lang, S. 21, 34 ff.; dens., StRO I, S. 493; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 162. 815 Vgl. insoweit auch Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 318.

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begrenzt.816 Anders ausgedrückt: Der Gesetzgeber konkretisiert nicht das Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern hat das Steuerrecht (vorbehaltlich bestehender Rechtfertigungsmöglichkeiten) leistungsfähigkeitskonform auszugestalten.817 Zwar ist die konkrete Grenzziehung, die durch das Leistungsfähigkeitsprinzip bewirkt wird, zum Teil von den Ausgestaltungsentscheidungen des Gesetzgebers abhängig.818 Dies ändert aber nichts daran, dass seine Inhalte, d.h. die Kriterien für diese Grenzziehung, aus dem Verfassungsrecht folgen und daher nicht der Disposition des einfachen Gesetzgebers unterliegen.819 Von „gesetzgeberischer Konkretisierung“ kann daher nur insoweit gesprochen werden, wie der Gesetzgeber die Besteuerung im Rahmen des inneren Gestaltungsspielraums festlegt, der ihm deshalb eröffnet ist, weil das (verfassungsrechtlich abgeleitete) Leistungsfähigkeitsprinzip nicht alle Einzelheiten determiniert.820 Das Leistungsfähigkeitsprinzip selbst kann er hingegen nicht konkretisieren, denn das steht ihm nicht zu. Und soweit es um die Grenzziehung als solche geht, kann mit „Konkretisierung“ nur gemeint sein, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen herausgearbeitet werden, die das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einzelnen an die Ausgestaltung des Steuerrechts stellt.821 Diese Form der Konkretisierung wird aber (selbstverständlich) nicht durch den Gesetzgeber vorgenommen, sondern von den Gerichten und der Wissenschaft im Wege der Verfassungsauslegung.

III. „Fundamentalprinzip“? Zur rechtstatsächlich nachweisbaren Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips Dass der Begriff „Konkretisierung“ im Schrifttum dennoch häufig ohne die erforderlichen Differenzierungen verwendet wird, dürfte zu einem 816 Richtig daher BVerfGE 122, 210, 230 f.; BVerfGE 117, 1, 30; BVerfGE 116, 164, 180; BVerfGE 110, 412, 433; BVerfGE 107, 27, 46; BVerfGE 105, 73, 125. 817 Unter den in Fn 814 zitierten Autoren meint dies etwa Tipke, StRO I, S. 493. 818 Das meint Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 52 ff.; vgl. auch Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 264 („Erstzugriff“). Besonders in seiner relativen Dimension, aber auch teilweise in seiner absoluten Dimension fungiert das Leistungsfähigkeitsprinzip als Konsequenzgebot; siehe bei und in Fn 774. 819 Vgl. auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 16. 820 Zu den Einzelheiten siehe oben § 5 F. Gemeint sind mithin ausschließlich Regelungen, die nicht vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichen und daher keiner Rechtfertigung bedürfen. 821 Siehe etwa die Begriffsverwendung oben auf S. 124; vgl. beispielsweise auch Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 486 ff.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 14 ff.; Waldhoff, Die Verwaltung 2008, 259, 264.

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wesentlichen Teil auf folgenden Zusammenhang zurückzuführen sein:822 Der heute herrschende axiologische Ansatz begreift das Steuerrecht als inneres System im Sinne der Systemlehre Canaris',823 an dessen Spitze das „Fundamentalprinzip“ der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit steht.824 Und nach Canaris bedürfen Prinzipien „zu ihrer Verwirklichung der Konkretisierung durch Unterprinzipien und Einzelwertungen mit selbständigem Sachgehalt.“825 Die Anknüpfung an diesen Systemaufbau, wie sie im steuerrechtlichen Schrifttum mit Blick auch auf das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip vorgenommen wird, ist jedoch nicht konsistent, denn sie blendet die tatsächliche Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips im geltenden Recht aus. Diese rechtstatsächlich nachweisbare Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips ist in diesem Zusammenhang jedoch von entscheidender Bedeutung, denn die Systembildung fußt jedenfalls in erster Linie auf der (induktiven) Herausarbeitung der in der Rechtsordnung vorhandenen Grundwertungen bzw. allgemeinen Prinzipien, wie sie vor allem in den Einzelwertungen und -regelungen zum Ausdruck kommen.826 Fundamentalprinzipcharakter in diesem Sinne hätte das Leistungsfähigkeitsprinzip folglich nur dann, wenn die Steu-

822 Vgl. etwa Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 52 a.E.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 9 ff.; Lang, FS Kruse, S. 313, 316 ff. 823 Sie soll hier nicht grundsätzlich hinterfragt werden, zumal die von Canaris herausgearbeiteten Folgerungen für die Rechtsgewinnung (Canaris, Systemdenken, S. 86 ff.) eine praktisch brauchbare Orientierungshilfe darstellen; siehe dazu Gursky, JurA 1970, 813, 815; kritisch hingegen Wieacker, Rechtstheorie 1970, 107, 113 ff.; weitere Nachweise in Fn 119. 824 Siehe oben S. 26 sowie auch die Nachweise in Fn 579. 825 Canaris, Systemdenken, S. 57. 826 Vgl. Canaris, Systemdenken, S. 46 ff. sowie auch etwa S. 13, S. 45 f., S. 67 ff., S. 99 f.; dens., Feststellung, S. 96 ff.; siehe ferner Larenz, Methodenlehre, S. 474 ff. (S. 487 f.); Penski, JZ 1989, 105, 112 f. sowie aus dem steuerrechtlichen Schrifttum Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 291; Tipke, StRO I, S. 11 ff., S. 70 ff.; WeberGrellet, StuW 1993, 97, 97 f.; treffend Höpfner, Auslegung, S. 67: „Es ist daher stets sorgfältig zu prüfen, ob ein behauptetes Rechtsprinzip auch tatsächlich in der Rechtsordnung normativ verfestigt und von der Gesetzgebung anerkannt ist.“ Ob ausschließlich induktiv vorzugehen ist, wie Höpfner, aaO, S. 86 ff., S. 91 ff. meint, oder Prinzipien auch deduktiv aus überpositiven Rechtsquellen wie etwa der „Rechtsidee“ oder der „Natur der Sache“ (oder topisch) abgeleitet werden können (siehe etwa Bydlinski, System, S. 69 f.; Canaris, Systemdenken, S. 69 f.; dens., Feststellung, S. 96 a.E., S. 106 ff.; Herresthal, Rechtsfortbildung, S. 228 ff.; ablehnend Höpfner, aaO, S. 38 ff., S. 95 mit weiteren Nachweisen; siehe auch etwa Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 916 ff.), kann vorliegend dahinstehen, da die Ableitung des Leistungsfähigkeitsprinzips aus Verfassungsrecht in Bezug auf diese Kategorienbildung im Kern ebenfalls induktiven Charakter hat; näher zum Problemkreis oben Fn 461 sowie S. 115 f. bei Fn 627.

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errechtsordnung auch tatsächlich ganz wesentlich827 an ihm ausgerichtet wäre.828 Diesem Aspekt käme selbstverständlich keine eigenständige Bedeutung zu, wenn der Gesetzgeber ohnehin mit verfassungsrechtlicher Zwangswirkung verpflichtet wäre, die Besteuerung (möglichst) durchgängig leis­ tungsfähigkeitskonform auszugestalten.829 Dies ist jedoch gerade nicht der Fall: Da das Leistungsfähigkeitsprinzip seine Wirkkraft primär über den allgemeinen Gleichheitssatz entfaltet, kann der Gesetzgeber in vielfältiger Weise von ihm abweichen, wenn hierfür eine hinreichende Rechtfertigung besteht.830 Dies gilt umso mehr, als der Umfang dieses äußeren Gestaltungsspielraums, der durch die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen begrenzt wird und in dessen Rahmen der Gesetzgeber die rechtstatsächliche Reichweite des Leistungsfähigkeitsprinzips festlegt, in der Rechtswirklichkeit von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt wird, das insbesondere bei Steueranknüpfungsentscheidungen sowie auch sonst im Hinblick auf in Betracht kommende Rechtfertigungsmöglichkeiten in vielen Bereichen nach wie vor tendenziell großzügig ist.831 Aus beiden Gründen ist der Gesetzgeber nicht gehalten, das Leistungsfähigkeitsprinzip in Reinform umzusetzen.832 Folglich reicht die in der bisherigen Untersuchung ausschließlich betrachtete verfassungskräftige Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips für sich genommen nicht aus, um ihm Fundamentalprinzipcharak827 Zu (selbstverständlich möglichen) Abweichungen näher sogleich. 828 Siehe insoweit auch Kruse, FS Tipke, S. 277, 290 f.; dens., DStJG 5 (1982), 71, 77 ff. sowie dens., Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 51 f. 829 Es versteht sich, dass auch und gerade die Verfassung selbst die maßgebende Grundwertung hervorbringen kann; siehe nur Larenz, Methodenlehre, S. 474; vgl. auch oben Fn 809. 830 Hierin unterscheidet sich das Leistungsfähigkeitsprinzip von anderen Vorgaben des Verfassungsrechts, die dem Gesetzgeber weniger Gestaltungsspielraum lassen – was zur Folge hat, dass sich die entsprechenden Prinzipien notwendigerweise nahezu durchgängig auch auf einfachgesetzlicher Ebene nachweisen lassen (bzw. im Wege verfassungskonformer Auslegung zur Geltung zu bringen sind). 831 Die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte bleibt häufig hinter derjenigen zurück, die von weiten Teilen des Schrifttums (zu Recht) befürwortet wird; zu den Einzelheiten siehe die Zusammenstellung bei Drüen, in: Tipke/Kruse, § 3 AO Tz. 44 ff. sowie die bisherige Darstellung; vgl. im vorliegenden Kontext auch den Hinweis auf „Umgehungstaktiken“ des Gesetzgebers bei Eckhoff, FS Steiner, S. 119, 129 ff.; für stärkere verfassungsgerichtliche Selbstbeschränkung jedoch Lepsius, JZ 2009, 260, 260 ff. (261), der dem Leistungsfähigkeitsprinzip aber anscheinend keine besondere Bedeutung beimisst (zu dem hinter seinen Ausführungen stehenden Grundansatz näher oben S. 114 f.). 832 Vgl. auch Birk, FS Schaumburg, S. 3, 11 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 16 ff.; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 109 f.

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ter für das tatsächlich bestehende Steuerrecht zu verleihen. Entscheidend hierfür ist mithin stattdessen der Grad seiner Umsetzung im geltenden Recht, d.h. seine induktiv zu ermittelnde rechtstatsächliche Aus­prägung. Fundamentalprinzipcharakter in diesem Sinne käme dem Leistungsfähigkeitsprinzip folglich nur dann zu, wenn der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum in der Weise ausgefüllt hat, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in seinem Regelungsplan als grundlegendste Entscheidung zur Geltung gelangt. Mit anderen Worten: Der einfache Steuergesetzgeber müsste das Leistungsfähigkeitsprinzip möglichst optimal umgesetzt haben, indem Abweichungen entweder auf Prinzipienkollisionen zurückzuführen wären oder echten Ausnahmecharakter hätten;833 eine Auslotung der äußersten verfassungsrechtlichen Grenzen müsste Seltenheitswert haben. Hiervon kann indes keine Rede sein.834 Die Verwirklichung des Leis­ tungsfähigkeitsprinzips lässt sich zwar insbesondere in Kernbereichen des Ertragsteuerrechts nachweisen, so dass insoweit durchaus von einer gesetzgeberischen Grundwertung gesprochen werden kann.835 Diese Aussage muss aber zugleich relativiert werden, da noch nicht einmal im Einkommensteuerrecht die Rede davon sein kann, die Besteuerung verwirkliche das Ideal einer gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen 833 Vgl. (im allgemeinen Zusammenhang) Canaris, Systemdenken, S. 53 sowie mit Bezug auf den vorliegenden Problemkreis Birk, FS Schaumburg, S. 3, 17. Nur in diesem Fall wäre die von Lang behauptete strukturelle Vergleichbarkeit von Privatautonomie und Leistungsfähigkeitsprinzip (Lang, FS Kruse, S. 313, 317 ff., 326, 337; ders., DStJG 24 (2001), 49, 56 f.; siehe auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 41) zutreffend. Der Fundamentalcharakter des Grundsatzes der Privatautonomie für das Zivilrecht lässt sich im Übrigen mühelos induktiv anhand des vorhandenen zivilrechtlichen Normenbestandes nachweisen; vgl. nur Flume, Rechtsgeschäft, S. 1 ff. 834 Siehe auch bereits Birk, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1591, 1599; Drüen, FS Kruse, S. 191, 199 ff.; Kruse, FS Tipke, S. 277, 290 f.; dens., Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 51 f.; dens., DStJG 5 (1982), 71, 77 ff.; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 109 f. („Realitätsverleugnung“; „heroisch“). Dieser Zusammenhang bildet auch den Kern der Kritik bei Moes, Steuerfreiheit, S. 139 ff., dessen gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip insgesamt gerichtete Folgerungen jedoch viel zu weit greifen. Vielmehr differenziert auch er nicht in der gebotenen Weise zwischen den aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip resultierenden verfassungsrechtlichen Grenzen einerseits und der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Steuerrechts andererseits. Auch kommt der allgemeine Gleichheitssatz in den entsprechenden Ausführungen faktisch nicht vor. 835 Ob man mit Blick auf diesen Zusammenhang den Begriff „Fundamentalprinzip der Einkommensteuer“ verwenden will (so Tipke, StRO I, S. 70), ist Ansichtssache. Mit einem Fundamentalcharakter des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Besteuerung insgesamt hätte dies aber nichts zu tun.

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Leistungsfähigkeit möglichst optimal. Gerade die Befürworter einer solchen Ausgestaltung der Steuertatbestände sind es, die die Chaotisierung (auch) des Einkommensteuerrechts insbesondere aufgrund seiner häufig einseitig fiskalischen Orientierung, seiner Durchsetzung mit unsystematischen Steuerbefreiungen und Lenkungsnormen sowie wegen der überaus fragwürdigen unterschiedlichen Behandlung von Veräußerungsvorgängen zu Recht beklagen.836 Und was namentlich den Bereich der speziellen Verbrauch- und Aufwand- sowie Verkehrsteuern angeht, finden sich vielfach überaus zweifelhafte gesetzgeberische Anknüpfungsentscheidungen, die allenfalls gerechtfertigt werden können, keinesfalls aber lupenreine Besteuerungsgleichheit (oder zumindest die legislatorische Suche nach ihr) zum Ausdruck bringen.837 Ferner ist das gesamte Steuerrecht mit – aus Sicht eines einfachgesetzlichen Leistungsfähigkeitsprinzips – systemfremden Lenkungsteuern und -normen durchsetzt. Vor dem Hintergrund dieser kurzen Bestandsaufnahme kann es nicht verwundern, dass, soweit Verf. ersichtlich, bisher kein Versuch unternommen worden ist, die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Fundamentalgrundsatz des gesamten Steuerrechts induktiv aus dem vorhandenen steuerrechtlichen Normenbestand abzuleiten.838 Ein solches 836 Vgl. etwa Birk, FS Schaumburg, S. 3, 3 ff.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 180; Hennrichs, FS Lang, S. 237, 241 ff.; Isensee, StuW 1994, 3, 4; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 1 f.; Lang, aaO, 20. Aufl. 2010, § 1 Rz. 8, 36 f., § 4 Rz. 1 ff., § 9 Rz. 143, 546, 563; Tipke, StuW 1990, 308, 308 ff. sowie bereits (grundlegend) dens., StuW 1971, 2, 2; weitere Nachweise bei Schenke, Rechtsfindung, S. 106 f. 837 Siehe nur Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rz. 123 ff.; Tipke, JZ 2009, 533, 538 f.; weitere Nachweise in Fn 780. 838 Diesem Vorgehen entgehen diejenigen, die sich für seinen Fundamentalprinzipcharakter aussprechen, indem sie das Leistungsfähigkeitsprinzip verfassungsdeduktiv ableiten und zugleich (ebenenvermischend) die Notwendigkeit bzw. Sinnhaftigkeit seiner Umsetzung betonen (exemplarisch Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 4 Rz. 81 ff.; Tipke, StRO I, S. 95, S. 499). Betrachtet wird insoweit nicht das Seiende, sondern das Sein-Sollende. Das wird besonders daran deutlich, dass im selben Atemzug seine unzureichende Umsetzung beklagt wird (siehe etwa Tipke, aaO; weitere Nachweise in Fn 836); kritisch zu diesem Ansatz auch Eckhoff, FS Steiner, S. 119, 123 ff., 126 ff.; Kruse, FS Tipke, S. 277, 290 f.; ders., DStJG 5 (1982), 71, 79 f.; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 116 f. sowie Drüen, FS Spindler, S. 29, 32 ff., 40 f.; ders., FS Kruse, S. 191, 202 („Verfassungsrechtliche Vorgaben sind deshalb strikt von rechtspolitischen Idealvorstellungen zu trennen“); ders., Periodengewinn, S. 130 ff. und Moes, Steuerfreiheit, S. 137 ff. (vgl. S. 141: „Sehnsucht nach der Weltformel“); siehe im allgemeineren Kontext auch Knobbe-Keuk, FS RFH/BFH, S. 303, 305 („Illusion“). Dazu, dass die Bildung eines inneren Steuerrechtssystems selbst bei ausschließlicher Betrachtung der Vorschriften des Einkommensteuerrechts an Grenzen stößt, siehe bereits Tipke, StuW 1971, 2, 7 ff. sowie etwa auch Crezelius, FR 2009, 881, 881 ff.

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Ansinnen erschiene aus den genannten Gründen auch kaum Erfolg versprechend.839 Damit bleibt festzuhalten: Als (Grund-)Wertung des geltenden Steuerrechts fungiert das Leistungsfähigkeitsprinzip nur insoweit, wie es sich im jeweiligen Besteuerungsbereich tatsächlich nachweisen lässt (oder dort zwingend abgebildet werden muss, weil der einfachgesetzliche Zustand verfassungswidrig ist). Vor diesem Hintergrund erscheint es unglücklich, im Zusammenhang mit der bestehenden einfachgesetzlichen Situation von „Fundamentalprinzip“ zu sprechen, denn dieser Begriff suggeriert, dass das Steuerrecht durchgängig auf das Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtet ist bzw. dies von Verfassungs wegen so sein müsste.840 Diese Bezeichnung lässt sich insoweit eher als das Produkt einer (verfassungsgeleiteten) wissenschaftlichen Systembildung denn als Beschreibung des geltenden Rechtszustandes einordnen.841 Es entspricht dementsprechend auch dem Anliegen vieler Autoren, die sie verwenden, ein sachangemesseneres Steuersystem herauszuarbeiten, das in Distanz zum geltenden Rechtszustand entwickelt werden muss und daher eine andere Ebene betrifft.842 Soweit es hingegen um die Steuerrechtsordnung de lege lata geht, beschränkt sich der Fundamentalprinzipcharakter des Leistungsfähigkeitsprinzips im Kern auf seine verfassungsdeduktiv abgeleitete Funktion als zentrales, da in weiten Teilen einzig sachgerechtes Differenzierungskriterium im Rahmen der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes.843 839 Siehe auch – in bemerkenswerter Offenheit – Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 80 f. 840 So spricht Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 291 a.E. nicht zu Unrecht von einem „vermeintlichen Fundamentalprinzip“. 841 Vgl. etwa Lang, FS Kruse, S. 313, 318 ff.; Tipke, JZ 2009, 533, 534 ff.; dens., StRO I, S. 94 ff., S. 280 f., S. 471 ff. sowie in diesem Zusammenhang auch – treffend – Eckhoff, FS Steiner, S. 119, 128; zu den Charakteristika wissenschaftlicher Systeme und ihrem Verhältnis zum inneren System der Rechtsordnung näher Höpfner, Auslegung, S. 102 ff. mit umfänglichen Nachweisen. 842 Siehe (in etwas allgemeinerem Zusammenhang) namentlich Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 1 Rz. 36 f. (mit Fn 57); Tipke, StRO I, S. 10 ff. (S. 16 f.), S. 256 ff. sowie auch die Nachweise in Fn 841. Bisweilen wird zwischen beiden Ebenen nicht hinreichend getrennt (vgl. etwa oben bei Fn 812). Eine Gegenüberstellung des prinzipiengeleiteten Idealzustands und der geltenden Rechtslage findet sich bei Birk, FS Schaumburg, S. 3, 3 ff., 18 ff. 843 Mit anderen Worten: Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist zwar das „Fundamentalprinzip der Steuergerechtigkeit“ (Lang, Bemessungsgrundlage, S. 14), nicht aber das Fundamentalprinzip des derzeit geltenden Steuerrechts (vgl. demgegenüber etwa Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 57; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 41; Tipke, StRO I, S. 69 a.E.).

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Dies sollte zur Vermeidung von Missverständnissen auch bei der Begriffsverwendung klar zum Ausdruck gebracht werden, denn die auf diesem Wege vermittelte Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips ist eine beschränkte: Steuernormen müssen von Verfassungs wegen entweder leistungsfähigkeitskonform ausgestaltet sein oder bedürfen einer hinreichenden Rechtfertigung.

IV. Die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Auslegu­ng Es bleibt noch zu klären, ob und in welchem Umfang das Leistungsfähigkeitsprinzip bei der Auslegung des einfachen Gesetzesrechts Berück­ sichtigung finden kann. Insoweit ist der Schnittbereich zwischen seiner verfassungsrechtlichen Wirkkraft einerseits und seiner induktiv nachweisbaren Umsetzung im geltenden Recht andererseits betroffen, denn eine Verpflichtung des Rechtsanwenders zu einer (möglichst) leistungsfähigkeitskonformen Auslegung könnte nur aus Verfassungsrecht folgen, und die daraus resultierenden Rechtsanwendungsergebnisse prägten die rechtstatsächlich nachweisbare Reichweite des Leistungsfähigkeits­ prinzip zugleich mit. In der Tat sprechen der Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips als gleichheitsgerechter Würdigkeitsmaßstab für die Verteilung der Steuerlast844 und seine daraus resultierende verfassungsrechtliche Wirkkraft dafür, es auch im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen, soweit das im Einzelfall möglich ist. Dies betrifft nicht nur Situationen, in denen andernfalls ein verfassungswidriger Zustand entstünde,845 sondern greift auch unterhalb dieser Schwelle Platz, da das Leistungsfähigkeitsprinzip für eine verfassungsorientierte Auslegung846 fruchtbar gemacht werden. 844 Näher oben S. 115 ff. 845 In diesem Fall ist eine verfassungskonforme Auslegung vorzunehmen; vgl. bereits oben S. 76 ff.; weitere Einzelheiten in den folgenden Abschnitten. 846 Dass eine solche, an den Wertentscheidungen der Verfassung orientierte Auslegung des einfachen Rechts nach Möglichkeit vorzunehmen ist, ist im allgemeinen verfassungsrechtlichen und methodischen Kontext weithin und zu Recht anerkannt; siehe etwa H. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 86; Drüen, StuW 2012, 269, 271; Höpfner, Auslegung, S. 178 ff.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, S. 306 f.; H. Simon, EuGRZ 1974, 85, 86 f.; Stern, Staatsrecht/I, S. 136; Voßkuhle, AöR 125 (2000), 177, 180 ff.; kritisch zum Begriff der verfassungsorientierten Auslegung, jedoch ohne inhaltliche Abweichung Canaris­, FS Kramer, S. 141, 142 ff. (154). Namentlich das BVerfG spricht in diesem Zusammenhang von der hierdurch vermittelten „Ausstrahlungswirkung“ des Verfassungsrechts und insbesondere der Grundrechte (grundlegend BVerfGE 7, 198, 205 ff.; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung des BVerfG bei H. Dreier, aaO;

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Allerdings wird innerhalb der steuerrechtlichen Methodendiskussion darüber gestritten, ob Vorschriften des Steuerrechts nach Möglichkeit leistungsfähigkeitskonform auszulegen sind. Letzteres wird verbreitet vertreten.847 Andere Autoren stehen einem solchen Vorgehen hingegen skeptisch bzw. ablehnend gegenüber und begründen ihren Standpunkt insbesondere mit der Möglichkeit des Gesetzgebers, abweichende Entscheidungen zu treffen, und mit dem häufig auftretenden Konkurrenzverhältnis zu anderen Verfassungsprinzipien.848 Diesen Bedenken ist wie folgt Rechnung zu tragen: Eine leistungsfähigkeitskonforme Auslegung849 des Steuerrechts kann nur insoweit vorgenommen werden, wie der gesetzliche Regelungsplan nicht entgegensteht, denn als Ausprägung einer verfassungsorientierten Auslegung kommt ihr kein grundsätzlicher Vorrang gegenüber den anderen Auslegungsmethoden zu.850 Sie kann folglich nur dort weiterhelfen, wo der Gesetzgeber die Besteuerung prinzipiell leistungsfähigkeitskonform ausgestaltet oder zumindest Raum für entsprechende teleologische Erwägungen gelassen hat. Soweit das Gesetz hingegen (gerechtfertigt) vom Leistungsfähigkeitsprinzip abJarass, AöR 110 (1985), 363, 376 f.); zu der ganz weithin anerkannten Unterscheidung zwischen verfassungsorientierter und verfassungskonformer Auslegung, der hier gefolgt wird, siehe H. Dreier, aaO, Rn. 84 f.; Canaris, aaO (insbesondere S. 146); Drüen, aaO; Schlaich/Korioth, aaO; Stern, aaO sowie unten Fn 849. Das BVerfG nimmt in dieser Hinsicht allerdings keine deutliche terminologische Trennung vor (näher Schlaich/Korioth, aaO, S. 307; Voßkuhle, aaO); zum Meinungsstand, der sich in diesem Zusammenhang speziell im Verhältnis des Verfassungs- zum Zivilrecht gebildet hat, vgl. Canaris, Grundrechte, S. 11 ff., S. 35 ff., S. 71 ff.; dens., AcP 184 (1984), 201, 202 ff., 210 ff., 225 ff.; Jarass, AöR 120 (1995), 345, 351 ff. sowie auch etwa Wendehorst, Anspruch, S. 519 ff. mit umfänglichen Nachweisen. 847 Vgl. etwa Birk, StuW 1990, 300, 305 ff.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 310 ff.; P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 324 f.; Lehner, FS Tipke, S. 237, 238 ff.; Tipke, StRO III, S. 1618 ff.; Walz, Steuergerechtigkeit, S. 162 f., S. 168; zu den Sonderproblemen, die sich im Hinblick auf die streitige Frage nach der Möglichkeit einer leistungsfähigkeitskonformen Rechtsfortbildung stellen, siehe die Nachweise in Fn 159. 848 Siehe z.B. Drüen, FS Kruse, S. 191, 196 ff., 206 ff. (210); Höhn, FS Tipke, S. 213, 231; siehe ferner – stellvertretend für den positivistischen Grundansatz – Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 25 ff., S. 45 ff. (S. 51 ff.). 849 Sie ist von der Rechtsfigur der verfassungskonformen Auslegung zu unterscheiden, um die es (nur) dann geht, wenn eine von mehreren Auslegungsmöglichkeiten zur Verfassungswidrigkeit der betroffenen Vorschrift – etwa aufgrund eines in der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip zugleich liegenden Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG – führen würde (siehe die Nachweise in Fn 846); diese Unterscheidung nicht aufnehmend Birk, StuW 1990, 300, 302 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 339. 850 Zur verfassungsorientierten Auslegung siehe Canaris, FS Kramer, S. 141, 146, 150 und insbesondere 154; Höpfner, Auslegung, S. 179 f. und S. 183.

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weicht, kommt eine leistungsfähigkeitskonforme Auslegung der entsprechenden steuerrechtlichen Vorschriften von vornherein nicht in Betracht. Ferner muss sich die Auslegung in Übereinstimmung mit den Systemvorstellungen vollziehen, die der Gesetzgeber für den jeweiligen Besteuerungsbereich konkret zum Ausdruck gebracht hat.851 Schließlich ist eine Beeinträchtigung anderer verfassungsgeleiteter Prinzipien nach Möglichkeit zu vermeiden. Diese Aussagen beziehen sich primär auf die Auslegung steuerrechtlicher Vorschriften. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung interessanter ist jedoch die in manchen Fällen bestehende Möglichkeit, Besteuerungsergebnisse, die nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbaren sind, teilrechtsordnungsübergreifend zu korrigieren: Weicht die Besteuerung zwar punktuell vom Leistungsfähigkeitsprinzip ab, besteht jedoch die Möglichkeit, über hinreichend wertungsoffene Anspruchsgrundlagen des Zivilrechts ein Gesamtergebnis zu erzielen, das mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip besser harmoniert und den im Steuerrecht getroffenen Wertungen nicht zuwiderläuft,852 so lässt sich das Leistungsfähigkeitsprinzip auch insoweit als Abwägungsfaktor effektuieren, wenn der im jeweiligen Bereich des Zivilrechts verfolgte Regelungsplan einer derartigen Rechtsfolge ebenfalls nicht entgegensteht.853 Denn die Möglichkeit und Notwendigkeit einer verfassungsorientierten Auslegung des einfachen Rechts endet nicht an der Grenze des Steuerrechts, sondern betrifft die gesetzgeberische Regelung im Ganzen.854 Dies 851 Vgl. – allgemeiner – Ruppe, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einf ESt Anm. 639 (teleologische Auslegung „unter Bedachtnahme auf das Lastverteilungsprogramm“ des Gesetzgebers); ähnlich Schön, Auslegung, S. 26 f.; K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 73; vgl. insoweit auch Tipke, StRO III, S. 1620; siehe ferner Woerner, GS Knobbe-Keuk, S. 967, 985 f. 852 Dies steht nicht notwendig im Widerspruch zur (punktuellen) Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip durch die Steuernorm selbst – was daran deutlich wird, dass es zahlreiche Vorschriften gibt, die zwar Abweichungen vom Leis­ tungsfähigkeitsprinzip enthalten, jedoch selbst erkennen lassen, dass sie einem internen Ausgleich nicht entgegenstehen; vgl. vorläufig Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 111; Einzelheiten in § 7. 853 Siehe zu dem zuletzt angeführten Aspekt oben bei Fn 850. In den im Haupttext umschriebenen Situationen wird das Zivilrecht aufgrund der ihm eigenen Ausgleichsfunktion häufig sogar (positiv) für einen Ausgleich streiten (Einzelheiten in § 7). Wenn es hingegen aus sich heraus ausnahmsweise keine Abänderung zulässt (Fallgruppe 2), kann das Besteuerungsergebnis nur dann – im Wege verfassungskonformer Auslegung – korrigiert werden, wenn andernfalls ein verfassungswidriger Zustand entstünde (dazu sogleich). 854 Vgl. mit Blick auf das Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht Schön, StuW 2005, 247, 252 f. sowie im allgemeineren Zusammenhang etwa H. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 86; Höpfner, Auslegung, S. 178 ff.; vgl. auch die

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gilt in noch stärkerem Maße, wenn der Ausgleichsanspruch sogar zwingend erforderlich ist, um einen Verfassungsverstoß zu vermeiden. Dann ist – wenn möglich – eine verfassungskonforme Auslegung des Zivilrechts vorzunehmen. In welchen Situationen im Einzelnen in entsprechender Weise vorzugehen ist, wird in § 7 herausgearbeitet.

V. Fazit: Die verschiedenen Ausprägungen und Funktionen des Leistungsfähigkeitsprinzips Zusammenfassend ist zwischen drei ganz unterschiedlichen Ausprägungen des Leistungsfähigkeitsprinzips zu differenzieren, die häufig nicht in der gebotenen Weise voneinander abgeschichtet werden:855 (1) Das im Kern prohibitive Leistungsfähigkeitsprinzip, das die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen determiniert, denen die Gesetzgebung genügen muss, und das deduktiv aus den einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes abzuleiten ist; (2) die innerhalb dieses verfassungsrecht­ lichen Rahmens im geltenden Recht tatsächlich verwirklichte Aus­ prägung des Leistungsfähigkeitsprinzips, die sich induktiv aus einer Zusammen­ schau des vorhandenen Regelungsbestandes ergibt; (3) das Leistungsfähigkeitsprinzip als Grundlage für ein gleichheitsideales Steuerrecht de lege ferenda, das im Rahmen wissenschaftlicher Systembildung entfaltet wird. Hinzu tritt die soeben (unter IV.) beschriebene Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Auslegung des einfachen Rechts, die im Kern aus seiner verfassungsrechtlichen Wirkkraft, d.h. der ersten der soeben aufgezählten Ausprägungen resultiert. Sie ist nicht nur mitbestimmend für die Reichweite der zweiten Ausprägung,856 sondern kann auch im Rahmen der Zivilrechtsanwendung Relevanz entfalten.857

übrigen­Nachweise in Fn 846. Die von Wendehorst, Anspruch, S. 520 ff. (in Anlehnung an Bydlinski, System, S. 92 ff.) für ein entsprechendes Vorgehen im Zivil­ recht geforderte „zweiseitige Rechtfertigung“ ist im vorliegenden Zusammenhang – nach näherer Maßgabe der Ausführungen in § 7 (vgl. schon Fn 853) – gegeben. Dass das Verfassungsrecht auch über andere Vorschriften als die Generalklauseln in das Zivilrecht einwirken kann, hat Canaris, AcP 184 (1984), 202, 222 ff. eindrucksvoll belegt. 855 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die von Walz, Steuergerechtigkeit, S. 107 ff. (S. 110 f.) vorgenommene Unterteilung, die von der hier vertretenen jedoch wesentlich abweicht. 856 Vgl. bereits die eingangs unter IV. getroffenen Feststellungen: Je stärker die Vorschriften des einfachen Rechts leistungsfähigkeitskonform auszulegen sind, desto größer ist auch seine rechtstatsächlich nachweisbare Reichweite. 857 Weiteres sogleich und in § 7.

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C. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Abwägungsfaktor I. Reichweite der Wirkkraft Die Abwägungsrelevanz des Leistungsfähigkeitsprinzips, die im Folgenden auf dieser Grundlage erörtert werden soll, betrifft die Frage, inwieweit es geeignet ist, sich im Falle eines Aufeinandertreffens mit etwaigen widerstreitenden zivilrechtlichen Wertungen durchzusetzen. Mit Blick auf die unter B. getroffenen Feststellungen kann diese Frage nunmehr wie folgt präzisiert werden: Zu ermitteln ist, inwieweit die soeben herausgearbeiteten Ausprägungen des Leistungsfähigkeitsprinzips hierzu in der Lage sind. Schon im Ausgangspunkt kann festgehalten werden, dass die dritte Ausprägung insoweit ohne Bedeutung ist, da es vorliegend um die Klärung der bestehenden Rechtslage geht. Aber auch die verfassungskräftigen Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, die aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip resultieren (erste Ausprägung), lassen in dieser Hinsicht, wenn man sie isoliert betrachtet, keine weiteren Ableitungen zu. Denn entweder hat der Gesetzgeber die Besteuerung in dem jeweiligen steuerrechtlichen Teilgebiet leistungsfähigkeitskonform ausgestaltet. Dann bildet die tatsächliche Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips, d.h. seine zweite Ausprägung,858 den Anknüpfungspunkt für seine Wirkkraft im Rahmen der Abwägung.859 Oder der Gesetzgeber hat die Besteuerung im jeweiligen Besteuerungsbereich in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nicht leistungsfähigkeitsgerecht ausgestaltet.860 Dann erlangt das Leistungsfähigkeitsprinzip mangels tatsächlicher Umsetzung keine Wirkkraft im Rahmen seiner zweiten Ausprägung. Auch sind in einer solchen Situation die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen gewahrt, so dass sich aus der ersten Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips ebenfalls keine weitergehenden Folgerungen ergeben. Und im verbleibenden Fall der Teilabweichung verleiht es steuerrechtlichen (Unter-)Prinzipien und

858 Hierfür spielt auch eine Rolle, inwieweit im jeweiligen Besteuerungsbereich eine leistungsfähigkeitskonforme Auslegung vorgenommen werden kann (näher soeben unter B IV. und V.). 859 Der Grad an Verfassungsgebotenheit der gesetzgeberischen Gestaltung, der auf das Engste mit der verfassungsprohibitiven Grenzziehung (erste Ausprägung) zusammenhängt, ist aber selbstverständlich für das Ausmaß des Abwägungsgewichts von erheblicher Bedeutung; näher sogleich unter II. 860 Der Fall der verfassungswidrigen Nichtumsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips kann hier vernachlässigt werden.

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Einzelwertungen861 nur insoweit Wirkkraft, wie es in ihnen zum Ausdruck kommt. Festzuhalten ist daher, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip grundsätzlich nur dann (und in dem Umfang) gegenüber konfligierenden zivilrechtlichen Wertungen abwägungsrelevant ist, wie es im Steuerrecht tatsächlich umgesetzt wurde.862 Entscheidend hierfür ist mithin in aller Regel seine zweite Ausprägung. In Anknüpfung an die Feststellungen auf S. 164 f. sei ergänzend darauf hingewiesen, dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip auch noch in anderer Hinsicht Abwägungsrelevanz zukommen kann: Namentlich in dem zuletzt erwähnten Fall der Teilabweichung kann die Situation eintreten, dass ein mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip besser in Einklang zu bringendes Gesamtergebnis über die Anwendung des Zivilrechts erzielt werden kann. Dann ist an die Möglichkeit einer verfassungsorientierten Auslegung zu denken, die allerdings voraussetzt, dass dem Ausgleich weder vorrangige steuerrechtliche noch zivilrechtliche Wertungen entgegenstehen und das Zivilrecht zudem eine passende, d.h. hinreichend wertungsoffene Anspruchsgrundlage bereitstellt.863 In einem derartigen Fall fehlt es folglich (anders als hier unter I. vorausgesetzt) an einer Divergenz zu zivilrechtlichen Wertungen. Ohne Rücksicht auf etwaige entgegenstehende zivilrechtliche Wertungen muss hingegen – im Wege verfassungskonformer Auslegung – in der hier beschriebenen Weise vorgegangen werden, wenn ohne die zivilrechtliche Korrektur des Besteuerungsergebnisses ein verfassungswidriger Zustand entstünde.864 Entscheidend ist dann (ausnahmsweise) die erste Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Auf weitere Einzelheiten wird in § 7 eingegangen.

Die bisherigen Ausführungen zeigen zugleich, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in Bereichen des Steuerrechts, denen von vornherein ein anderer Verteilungsmaßstab zugrunde liegt (insbesondere: Lenkungsvor­ schriften),865 als Abwägungsfaktor grundsätzlich keine Rolle spielt. Etwas anderes könnte nur in dem – praktisch wohl nicht relevanten – Fall gelten, dass die Zivilrechtsanwendung die (rechtfertigungsbedürftige) Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip vertiefen würde. In den zugehörigen Steuerrechtsbereichen kann dementsprechend – mangels 861 Vgl. wiederum die Ausführungen zum Systemaufbau bei Canaris, Systemdenken, S. 57. 862 Vgl. erneut Fn 858 und 859. 863 Möglich ist dieses Vorgehen in Konstellationen der Fallgruppe 1. 864 Diese Aussage gilt für Konstellationen der Fallgruppen 1 und 2. 865 Sollten aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip von Verfassungs wegen Restanforderungen für die Ausgestaltung von Lenkungsnormen folgen (vgl. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 617 ff. mit Nachweisen zum Streitstand), wäre wiederum die zweite Ausprägung betroffen, da der Gesetzgeber solche Restanforderungen im Gesetz abbilden müsste. Hinsichtlich der (verbleibenden) Wirkkraft des Leis­ tungsfähigkeitsprinzips in solchen Bereichen gelten die soeben dargestellten Grundsätze über Teilabweichungen.

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Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips – weder nennenswertes Konfliktpotential mit dem zivilrechtlichen Ausgleichssystem noch sonstiger Koordinationsbedarf entstehen.

II. Einzelheiten zum Abwägungsgewicht Weiterhin stellt sich die Frage, welches Abwägungsgewicht das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip steuerlichen (Unter-)Prinzipien und Einzelwertungen verleiht, die es umsetzen, wenn es zu einem Widerstreit mit zivilrechtlichen Wertungen kommen sollte. Dies ist insbesondere für die in § 4 herausgearbeitete erste Fallgruppe (einfache Konfliktlagen) von Bedeutung, weil hier eine umfassende Abwägung aller einschlägigen Prinzipien und Wertungen mit dem Ziel vorzunehmen ist, zwischen ihnen praktische Konkordanz im Sinne eines möglichst optimalen Kompromisses herzustellen.866 Als bestimmend für das Abwägungsgewicht eines betroffenen Prinzips werden das abstrakte Gewicht des verkörperten Wertes sowie der Grad und die Wahrscheinlichkeit seiner Beeinträchtigung im konkreten Fall angesehen.867 Was zunächst das abstrakte Gewicht des Leistungsfähigkeitsprinzips angeht, ist zu berücksichtigen, dass eine leis­ tungsfähigkeitsgerechte Besteuerung verfassungsgeleitet ist und ihr ein eigenständiger rechtsethischer Wert innewohnt.868 Daher kommt steuerrechtlichen Prinzipien und Einzelwertungen, die es zum Ausdruck bringen, im Verhältnis zu widerstreitenden Wertungen des Zivilrechts ein relativ hohes abstraktes Abwägungsgewicht zu.869 Es ist umso größer, je höher der Grad der über das Leistungsfähigkeitsprinzip vermittelten Verfassungsgebotenheit der jeweiligen Wertung des Steuerrechts ist.870 Aber auch in solchen Bereichen, in denen der Steuergesetzgeber die Möglichkeit gehabt hätte, zur Verfolgung anderer Ziele vom Leistungsfähigkeitsprinzip abzuweichen, ist sein Abwägungsgewicht tendenziell hoch. Denn eine solche Abweichung wäre ihrerseits rechtfertigungsbedürftig – 866 Siehe oben 70 f.; weitere Einzelheiten, auch zur Vorgehensweise bei den Fallgruppen 2 und 3, im Folgenden. 867 Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 65 ff.; siehe auch Schenke, Rechtsfindung, S. 61 f. sowie – ausführlich – Alexy, Theorie, S. 138 ff., der ein „Abwägungsgesetz“ formuliert. 868 Ausführlich oben S. 115 ff. 869 Erforderlich ist allerdings, dass die Zivilrechtsanwendung in ihren Auswirkungen tatsächlich zu einer Beeinträchtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips führt. Dieser Aspekt wird im Folgenden näher beleuchtet. 870 Dies gilt namentlich für solche Steuerrechtsbereiche, in denen freiheitsrechtliche Vorgaben, die über Leistungsfähigkeitsprinzip zur Geltung gelangen (siehe oben § 5 D.), eine wesentliche Rolle spielen.

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Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips

und ist in der konkreten Situation gerade nicht erfolgt. Dementsprechend kommt einer im Gesetz tatsächlich verwirklichten leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung auch dann ein hoher (Eigen-)Wert zu, wenn sie im jeweiligen Rechtsbereich von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten ist. Dies gilt umso mehr, als eine Abweichung von einem leis­ tungsfähigkeitsgerechten steuerlichen Ergebnis, die aufgrund einer konfligierenden Anwendung von Zivilrechtsnormen faktisch eintreten würde, richtigerweise ebenfalls rechtfertigungsbedürftig ist.871 Das Abwägungsgewicht steuerrechtlicher (Unter-)Prinzipien bzw. Einzelwertungen, die der Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips dienen, hängt in der jeweiligen Situation ferner davon ab, wie stark das Leistungs­fähigkeitsprinzip (selbst) durch die Zivilrechtsanwendung beeinträchtigt würde.872 Voraussetzung ist mithin zunächst, dass das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip überhaupt tangiert wird. Folglich reicht es nicht aus, dass ein konfligierendes Steuerrechtsprinzip beeinträchtigt wird, sondern dies muss auch zur Folge haben, dass hierdurch ein leistungsfähigkeitswidriger Zustand entsteht.873 Eine Situation, in der zwar eine steuerrechtliche Wertung betroffen ist, das hinter ihr stehende Leistungsfähigkeitsprinzip jedoch nicht tangiert wird, kann insbesondere im Bereich des (inneren) gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraums auftreten, d.h. bei Prinzipien und Wertungen des Steuerrechts, die der Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips dienen, aber nicht als solche zwingend aus ihm folgen. Bei ihnen kommt es auf die konkreten Auswirkungen der Zivilrechtsanwendung an: Führt sie zugleich zu einem leis­ tungsfähigkeitswidrigen Zustand, so kommt das Abwägungsgewicht des Leistungsfähigkeitsprinzips zum Tragen. Ändert das Zivilrecht hingegen zwar die steuerrechtlich vorgegebene Lage ab, entsteht aber ein Ergebnis, das (in absoluter wie in relativer Hinsicht) ebenfalls mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar ist, so kann die potentiell beeinträchtigte steuerrechtliche Wertung grundsätzlich nur als einfachgesetzlicher Abwägungsfaktor Relevanz entfalten874 und partizipiert mithin nicht am hohen Gewicht des Leistungsfähigkeitsprinzips. Umgekehrt ist das Abwägungsgewicht einer steuerlichen Wertung besonders ausgeprägt, wenn ihre Beeinträchtigung nicht nur das Leistungs871 Zu der Möglichkeit entsprechender Konflikte und den Einzelheiten siehe in § 7 unter E. 872 Vgl. den allgemeinen Ausgangspunkt bei Fn 867. 873 In welchen Situationen ein zivilrechtlicher Anspruch zu einem leistungsfähigkeitswidrigen Zustand führen kann, wird in § 7 herausgearbeitet. 874 Näher zur Wirkkraft nicht verfassungsgeleiteter Prinzipien sogleich unter D II.

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fähigkeitsprinzip, sondern auch andere Verfassungsgebote berührt.875 Selbstverständlich dürfen zivilrechtliche Ausgleichsansprüche keinesfalls zur Verfassungswidrigkeit der Gesamtregelung führen.876 Die entsprechenden Zivilrechtsnormen wären dann, gegebenenfalls im Wege verfassungskonformer Auslegung, entweder restriktiv zu interpretieren (Fallgruppen 1 und 2) oder verfassungswidrig, wenn dies nicht möglich ist (Fallgruppe 3).877

D. Wirkkraft steuerrechtlicher Prinzipien in anderen Fällen I. Ausgangspunkt Diese Feststellungen legen es nahe, im Wege eines Exkurses auch auf das Abwägungsgewicht solcher steuerrechtlichen Prinzipien und Wertungen einzugehen, deren Beeinträchtigung das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht berührt, denn beide Problemkreise hängen thematisch miteinander zusammen und es kann in diesem Bereich ebenfalls zu Wertungsdivergenzen mit dem zivilrechtlichen Ausgleichssystem kommen. Betroffen ist zunächst die soeben beschriebene Situation, dass das hinter der jeweiligen Steuerrechtswertung stehende Leistungsfähigkeitsprinzip im konkreten Fall nicht beeinträchtigt wird. Erfasst werden selbstverständlich auch Prinzipien und Wertungen des Steuerrechts, die von vornherein keine Ausprägungen des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellen. Entscheidend für das abstrakte Gewicht solcher nicht verfassungsgeleiteter Wertungen ist ihre erkennbare Bedeutung im einfachen Recht.878 Wie sogleich unter II. im Einzelnen nachgewiesen wird, ist dieses Gewicht bei einfachgesetzlichen Wertungen des Steuerrechts allerdings in aller Regel gering. Abweichendes gilt selbstverständlich dann, wenn die Zivilrechtsanwendung zwar nicht das Leistungsfähigkeitsprinzip, wohl aber ein anderes Verfassungsgebot berührt, dessen Umsetzung durch die jeweilige steuerliche Wertung (mit) bewirkt wird.879 Dann nimmt es an dem – selbstverständlich ebenfalls hohen – Abwägungsgewicht dieses anderen Verfas875 Vgl. im allgemeinen Zusammenhang Bydlinski, System, S. 26; Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 52. 876 Einzelheiten in § 7. 877 Weitere Einzelheiten zu den Fallgruppen 2 und 3 im Folgenden sowie in § 7. 878 Vgl. Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 65 f. 879 Voraussetzung ist natürlich, dass die Zivilrechtsanwendung mit Blick auf die ihr eigenen Gerechtigkeitsanliegen überhaupt in der Lage ist, solche Verfassungsgebote zu beeinträchtigen. Diese Frage kann im Rahmen der vorliegenden Untersu-

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sungsgebots teil, wobei wiederum zu berücksichtigen ist, dass die Zivilrechtsanwendung niemals zu einem verfassungswidrigen Zustand führen darf. Der Abwägungsspielraum fällt deshalb umso kleiner aus, je strikter der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gebunden ist – und diese Bindungswirkung kann, je nach Besteuerungsbereich und betroffener Verfassungsnorm, teils erheblich umfangreicher ausfallen als die über das Leistungsfähigkeitsprinzip vermittelte.880

II. Abwägungsgewicht bei fehlender Betroffenheit von Verfassungs­recht Damit bleibt noch das Abwägungsgewicht von steuerrechtlichen Prinzipien und Wertungen zu klären, deren Beeinträchtigung durch das Zivilrecht im konkreten Fall nicht dazu führt, dass Verfassungsrecht (leis­ tungsfähigkeitsgerechte Besteuerung oder andere Verfassungsvorgaben) berührt wird. Fraglich ist mithin, welche Wirkkraft solchen Prinzipien und Wertungen aufgrund ihrer einfachgesetzlichen Anknüpfung innehaben. Für sie gilt zunächst die Besonderheit, dass sie wegen ihrer fehlenden verfassungsrechtlichen Wirkkraft nur in Konstellationen der Fallgruppe 1 von Relevanz sind.881 Ferner erscheint es besonders mit Blick auf die in § 2 bereits angerissene Grundlagendiskussion innerhalb der steuerrechtlichen Methodenlehre882 nicht ausgeschlossen, dass sie nur über ein geringes Abwägungsgewicht verfügen – was im Folgenden untersucht werden soll: Schon zu Beginn der vorliegenden Arbeit konnte festgestellt werden, dass sich aus dem Sinnzusammenhang steuerrechtlicher Normen und Normengruppen häufig einfachgesetzliche Prinzipien und Einzelwertungen ableiten lassen.883 Ihre hauptsächliche Bedeutung erlangen sie bei der Auslegung derjenigen steuerrechtlichen Vorschriften, in denen sie zum Ausdruck kommen; hier ist ihr Sinngehalt selbstverständlich mit zu berücksichtigen.884

chung nur für das Leistungsfähigkeitsprinzip geklärt werden – was sogleich in § 7 erfolgen wird. 880 Einzelheiten oben unter B., insbesondere bei und in Fn 830; siehe ferner den in Fn 879 gemachten Vorbehalt. 881 Ist der konfligierende Ausgleichsanspruch nämlich aus zivilrechtlicher Sicht eindeutig gegeben (Fallgruppen 2 und 3), bedarf es eines konkreten Verfassungsgebots, um der steuerrechtlichen Wertung zum Durchbruch zu verhelfen; ausführlich oben in § 4. 882 Siehe insbesondere den auf S. 27 f. referierten positivistischen Grundansatz. 883 Ausführlich oben in § 2 C II.; zu Beispielen siehe die Nachweise in Fn 130. 884 Siehe oben S. 30.

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Eine davon zu trennende, weil den Binnenbereich des Steuerrechts überschreitende Frage ist allerdings die nach ihrem Abwägungsgewicht im Verhältnis zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem. Vorliegend sind Situationen der Fallgruppe 1 betroffen, die sich so charakterisieren lassen, dass von zwei zivilrechtlich möglichen Auslegungsergebnissen eines zu der Beeinträchtigung einer solchen einfachgesetzlichen Wertung führt. Dementsprechend ist fraglich, inwieweit das einfache Steuerrecht selbst die zivilrechtliche Rechtsfindung beeinflussen kann. Dass steuerrechtlichen Wertungen auch in diesem Bereich eine gewisse Wirkkraft zukommen muss, folgt bereits daraus, dass sie einen Teil der gesetzgeberischen Gesamtregelung bilden. Ihr Abwägungsgewicht wird allerdings in aller Regel gering ausfallen, und zwar aus den folgenden Gründen: Erstens sind einfachgesetzliche Ausgestaltungsentscheidungen im Steuerrecht häufig rechtstechnischer Natur885 und verkörpern mithin jedenfalls unmittelbar keinen besonderen Gerechtigkeitswert.886 Zweitens wird es sich zumeist um Prinzipien und Wertungen auf unterer Ebene handeln. Ihnen wird bereits im allgemeinen Kontext eine oftmals fehlende übergreifende Bedeutung und ein verhältnismäßig schwaches rechtsethisches Gewicht attestiert.887 Entsprechende Beobachtungen lassen sich auch im Steuerrecht machen.888 Speziell bei steuerrechtlichen Fiskalzwecknormen kommt – drittens – hinzu, dass die Besteuerungsentscheidungen des Gesetzgebers, die ihnen zugrunde liegen, nicht an lebenstatsächliche Gegebenheiten anknüpfen, die eine staatliche Intervention erforderten und deren Art und Intensität vorstrukturierten.889 Die entsprechende Feststellung zahlreicher Vertreter der positivistisch geprägten Sichtweise, dass es keine Sachverhalte 885 Vgl. die Aufzählung bei Tipke, StRO I, S. 72. 886 Vgl. in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen Prinzipien „rechtstechnischer Art“ und solchen mit „rechtsethischem Charakter“ bei Canaris, Feststellung, S. 94 f. sowie die (feinere) Differenzierung zwischen „Strukturprinzipien“ und „Wertprinzipien“ bei Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 34 ff. Einzuräumen ist allerdings, dass es Überschneidungsbereiche und Zuordnungsschwierigkeiten geben kann (näher Drüen, Periodengewinn, S, 126 ff.). 887 Canaris, Systemdenken, S. 58 zufolge sind sie deshalb „nicht konstitutiv für die Sinneinheit des betreffenden Rechtsgebiets“. 888 Vgl. etwa Knobbe-Keuk, FS RFH/BFH, S. 303, 307 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 21 („können nur zu einem geringen Anteil aus dezidierten Wertentscheidungen des Steuergesetzgebers abgeleitet werden“); Mössner, FS Lang, S. 83, 99: „Ein prinzipienloses Steuerrecht kann nur strikt nach dem Wortlaut ausgelegt werden.“ 889 Vgl. insbesondere K. Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. IV, § 87 Rn. 73, der zwischen echten (außerrechtlichen) Zwecken und bloßen gesetzgeberischen Zielvorstellungen unterscheidet, sowie auch Drüen, FS Kruse, S. 191, 208:

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gebe, die ihrer Natur nach besteuert werden müssten,890 ist jedenfalls für die hier betrachteten einfachgesetzlichen Besteuerungsentscheidungen ohne weiteres zutreffend.891 Viertens wird man das Abwägungsgewicht steuerlicher Einzelwertungen deshalb als tendenziell gering ansehen können, weil der Gesetzgeber durch die fortschreitende Erosion vorhandener Ordnungsstrukturen selbst zu erkennen gibt, dass er ihnen keinen besonderen Wert beimisst. Im Übrigen entziehen sich häufig gerade diejenigen Vorschriften einer teleologischen Interpretation, die das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip durchbrechen, ohne besondere Lenkungsziele zu verfolgen,892 so dass sie keine Wertungen transportieren, die im Verhältnis zum Zivilrecht in Stellung gebracht werden könnten.

E. Modalitäten der Abwägung Ist bisher im Schwerpunkt das Abwägungsgewicht steuerrechtlicher Prinzipien und Wertungen thematisiert worden, so wird im Folgenden verstärkt auf das „Wie“ der Abwägung eingegangen. Allgemeine Grundsätze, wie bei einer Gemengelage zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Wertungen speziell in Bezug auf „die zivilrechtlichen Verteilung der Steuerlast auf mehrere Betroffene“ vorzugehen ist, finden sich bei Koller.893 Aufbauend auf seine in § 3 referierten allgemeinen Ausführungen zum Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht,894 spricht er sich für folgenden Weg zur Beantwortung der Frage aus, ob ein zivilrechtlicher Aus„oftmals nur schwierig aufzudecken und keinesfalls so zwingend wie der (außerrechtliche) Zweck im Verwaltungsrecht.“ 890 Nachweise auf S. 27. 891 Insoweit nicht überzeugend Weber-Grellet, StuW 1993, 97, 103; ders., DStR 1991, 438, 443. Selbst innerhalb des Anwendungsbereichs des Leistungsfähigkeitsprinzips muss im Übrigen bedacht werden, dass es (in seiner verfassungskräftigen Ausprägung) nicht positiv vorgibt, welche Zustände und Vorgänge in der Lebenswirklichkeit zu besteuern sind, um den Finanzbedarf des Staates zu decken. Es verlangt vielmehr lediglich, dass die Anknüpfungs- und Ausgestaltungsentscheidungen des Gesetzgebers gleichheitsgerecht erfolgen; vgl. auch oben S. 154 f. (bei und in Fn 810). 892 Zu entsprechenden Auslegungsschwierigkeiten bei zahlreichen Steuerrechtsnormen vgl. wiederum Knobbe-Keuk, FS RFH/BFH, S. 303, 307 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 21 ff.; Sieker, FS Kirchhof, Bd. II, S. 1667, 1670 f. 893 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 110 ff. Wie einleitend (oben S. 5) bereits herausgestellt, spiegelt die von Koller gewählte Überschrift jedoch nur einen (wichtigen) Teilausschnitt aus der gesamten Fragestellung wider. Seine sogleich referierten Ausführungen sind jedoch verallgemeinerungsfähig. 894 Siehe oben S. 44 ff. mit ausführlicher Kritik an dem von ihm (in Anschluss an Walz) vertretenen, „beiden Teilrechtsordnungen übergeordneten gemeinsamen wirtschaftlichen ordre public“ auf S. 53 ff. Die im Folgenden dargestellten Aus-

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gleich geschuldet ist: Zunächst müssten die Steuerfolgen und die ihnen zugrunde liegenden steuerrechtlichen Wertungsaspekte zutreffend ermittelt werden.895 Im zweiten Schritt seien alle in Betracht kommenden Wertungsgesichtspunkte aus Steuerrecht einerseits und Zivilrecht andererseits sachgerecht gegeneinander abzuwägen, um entscheiden zu können, wer von den beteiligten Privaten letztlich welchen Teil der Steuern tragen soll.896 Im Anschluss an Schulze-Osterloh897 meint Koller, dass zivilrechtliche und steuerrechtliche Aspekte mit gleicher Intensität zu berücksichtigen seien.898 Die Bedeutung des jeweiligen Wertungsaspekts sei umso größer, je imperativer sich die mit ihm verfolgten Gerechtigkeitsvorstellungen darstellten.899 So dürfe sich ein zivilrechtlicher Ausgleich nicht in Widerspruch zu Gerechtigkeitsgrundwerten des Steuerrechts stellen; umgekehrt könne das Zivilrecht aufgrund der ihm eigenen Gerechtigkeitswerte einen internen Ausgleich zwischen den betroffenen Privaten umso eher schaffen, je geringer der Ordnungswert einer steuerrechtlichen Regelung sei.900 Dies gelte insbesondere dann, wenn die vom Steuerrecht vorgenommene Steuerlastverteilung ausschließlich auf Praktikabilitätserwägungen beruhe.901 Die so skizzierte Vorgehensweise Kollers, eine Abwägung aller im Einzelfall einschlägigen Wertungen vorzunehmen, ist im Hinblick auf Konstellationen der Fallgruppe 1 – also für den Regelfall – grundsätzlich zutreffend und entspricht der im methodologischen Schrifttum ganz weitgehend konsentierten Vorgehensweise, praktische Konkordanz zwischen den betroffenen Prinzipien durch die Herstellung einer Vor­ rangrelation für den jeweiligen Einzelfall herbeizuführen.902 Allerdings muss – entsprechend den bisherigen Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung – im Hinblick auf das Abwägungsgewicht besondere Berücksichtigung finden, dass verfassungsgeleitete Prinzipien und Wertungen führungen Kollers können allerdings für Konstellationen der Fallgruppe 1 herangezogen werden; näher sogleich. 895 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 114 f. 896 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 115. Dies habe in „materiell-wertender“ Weise zu erfolgen (S. 119 a.E.). 897 Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 141. 898 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 115. 899 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 118 f.; siehe ferner die allgemeineren Ausführungen auf S. 395 f. sowie bei dems., ZBJV 131 (1995), 92, 102, die sich ebenfalls stark an den Ansatz Walz' anlehnen. 900 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 118. 901 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 118 f. 902 Wiederum sei auf S. 70 f. (mit Nachweisen) verwiesen; siehe in diesem Zusammenhang auch Deinert, Privatrechtsgestaltung, S. 80 ff.

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des Steuerrechts, die von der Zivilrechtsanwendung tangiert werden, zuvörderst zu berücksichtigen sind, wenn der dahinter stehende Verfassungswert berührt wird. Demgegenüber ist das Abwägungsgewicht steuerrechtlicher Wertungen bei fehlender Betroffenheit von Verfassungsrecht tendenziell gering, weil ihnen – im Gegensatz zu zahlreichen einfachgesetzlichen Prinzipien des Zivilrechts903 – häufig kein (wesentlicher) Gerechtigkeitswert zukommt. Die Aussage, zivil- und steuerrechtliche Aspekte seien mit gleicher Intensität zu berücksichtigen, erweist sich daher als zu pauschal. Keine uneingeschränkte Anwendung kann die von Koller herausarbeitete Vorgehensweise hingegen dort finden, wo der zivilrechtliche Ausgleich nach den (Grund-)Wertungen der einschlägigen Zivilrechtsnormen eindeutig geboten bzw. ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, d.h. bei den Fallgruppen 2 und 3. Wie in § 4 ausführlich dargelegt wurde,904 setzen sich die zivilrechtlichen Wertungen in solchen Fällen nämlich grundsätzlich durch, es sei denn, die Zivilrechtsanwendung würde in der jeweiligen Situation zu einem verfassungswidrigen Zustand führen. Daher sind Wertungen des Steuerrechts, die keinen Verfassungsbezug aufweisen, in diesem Bereich von vornherein bedeutungslos. Abwägungsrelevant sind vielmehr nur Besteuerungsprinzipien, die verfassungsgeleitet sind, wobei hinzukommen muss, dass die dahinter stehende Verfassungsnorm zugleich verletzt würde. Dann ist in Konstellationen der Fallgruppe 2 eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften vorzunehmen; in Fallgruppe 3 wären sie hingegen verfassungswidrig.905 Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass Koller seine Überlegungen nicht auf Situationen bezieht, in denen zivilrechtlich wirksame und inhaltlich klare vertragliche Abreden bestehen; solche Abreden sieht er vielmehr als ohne weiteres maßgebend für die Verteilung der Steuerlast an.906 Hierbei handelt es sich um Fallgestaltungen, die potentiell der Fallgruppe 2 angehören.907 Ferner liegen sämtliche Beispiele, die Koller in dem hier relevanten Abschnitt 903 Siehe nur Bydlinski, System, passim (z.B. S. 89 ff., S. 135 ff., S. 179 ff.). Auf das Gerechtigkeitsanliegen des Zivilrechts wird sogleich in § 7 näher eingegangen. 904 Siehe insbesondere S. 75 ff. 905 Zumindest was Fallgruppe 3 angeht, besteht – soweit Verf. ersichtlich – im geltenden Recht jedoch kein praktischer Anwendungsfall; für das Leistungsfähigkeitsprinzip siehe die Ausführungen in § 7. 906 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 114. Dies müsste erst recht für eindeutige (zivilrechtliche) Verteilungsvorschriften (Fallgruppe 3) gelten. 907 Näher sogleich in § 7. Dort wird ausführlich auf die Frage eingegangen, ob in diesem Bereich Konfliktlagen mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu befürchten sind.

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seiner Untersuchung908 in Bezug nimmt, im Anwendungsbereich der Fallgruppe 1. Auch für diesen Bereich (Fallgruppe 1) ließe sich zwar an seinen Ausführungen kritisieren, dass sie nur sehr begrenzt geeignet sind, Hilfestellung für die Lösung von Einzelfällen zu geben, da sie ein hohes Abstraktionsniveau aufweisen.909 Letzteres ist aufgrund der Vielschichtigkeit der in Betracht kommenden Problemlagen jedoch zumindest im Ausgangspunkt unausweichlich. Die vorliegende Darstellung wird allerdings einen Schritt weitergehen und es, in Anknüpfung an die einleitenden Feststellungen (oben § 1), unternehmen, konkretere Vorgaben für die Herangehensweise an diejenigen Fallgestaltungen herauszuarbeiten, die speziell im Verhältnis des Leistungsfähigkeitsprinzips zur zivilrechtlichen Ausgleichsordnung in Betracht kommen, da sich insoweit verallgemeinerungsfähige Schlüsse ziehen lassen. Zunächst wird in § 7 auf abstrakterer Ebene herausgearbeitet, welche Sachverhaltskonstellationen im Einzelnen in Betracht kommen und wie sie zu bewältigen sind, da bereits auf diesem Weg übergreifende Aussagen erzielbar sind. Zugleich wird es dieses Vorgehen ermöglichen, verschiedene Teilaspekte der Gesamtfragestellung zu identifizieren, für die die Suche nach übergreifenden Schlussfolgerungen wenig ertragreich erscheint, weil jeweils (im Wesentlichen) nur Spezifika des einzelnen Rechtsbereichs eine Rolle spielen. Sodann werden die gefundenen Ergebnisse im 2. Teil dieser Untersuchung anhand praktisch wichtiger Einzelbereiche erprobt. Dieses Vorgehen dient nicht nur der Festigung und Vertiefung der in § 7 herausgearbeiteten Zusammenhänge, sondern namentlich auch der stärkeren Akzentuierung der zivilrechtlichen Seite der Gesamtfragestellung, da zahlreiche der im Einzelnen in Betracht kommenden zivilrechtlichen Korrekturmechanismen analysiert und abgeschichtet werden, was ebenfalls bereichsübergreifende Folgerungen zulässt, die im Schlussteil dieser Untersuchung (§ 17) im Rahmen einer Gesamtschau aufgezeigt werden.

908 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 110 ff. 909 Vgl. insoweit auch Koller selbst (ders., ZBJV 131 (1995), 92, 102 f.; ders., Privatrecht und Steuerrecht, S. 49, jeweils in allgemeinerem Kontext), der im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung betont, dass eine „einzelfallbezogen-problemorientierte“ Feinabstimmung vorzunehmen sei (S. 119).

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§ 7 Einzelheiten des Verhältnisses von Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtlichem Ausgleichssystem A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise In diesem Abschnitt soll – aufbauend auf die bisherigen Feststellungen – auf das Verhältnis des Leistungsfähigkeitsprinzips zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem eingegangen werden. Die Ausführungen in § 6 lassen in dieser Hinsicht bereits die für den Fortgang dieser Untersuchung wichtige Schlussfolgerung zu, dass das Leistungsfähigkeitsfähigkeitsprinzip bereits im Ausgangspunkt nicht in der Lage ist, dieses Ausgleichssystem auf breiter Front zu verdrängen. Das folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber das Steuerrecht nicht durchgängig am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtet hat und er hierzu auch nicht von Verfassungs wegen verpflichtet ist, so dass es – wie gezeigt – in solchen Steuerrechtsbereichen grundsätzlich keine Rolle spielen kann, in denen es nicht umgesetzt wurde.910 Die öffentlich-rechtliche Natur des Steuerrechts und seine Verbindlichkeit im Außenverhältnis stehen einem internen Ausgleich unter den Beteiligten selbstverständlich ebenfalls nicht entgegen.911 Aber auch in Gebieten des Steuerrechts, die vom Leistungsfähigkeitsprinzip geleitet werden, bedeutet die Anwendung des zivilrechtlichen Ausgleichssystems nicht notwendig zugleich seine Beeinträchtigung.912 Es treten daher zahlreiche Situationen auf, in denen ein zivilrechtlicher Ausgleich in Betracht kommt, ohne dass sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip (zwingende) Folgerungen für Existenz und Höhe des entsprechenden Anspruchs ergeben. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Beobachtung Kollers, dass steuerrechtliche Regelungen oft selbst erkennen lassen, dass ihr Ergebnis für das Rechtsverhältnis unter den beteiligten Privaten nicht als definitives gedacht ist, sondern es auf eine Abänderung angelegt bzw. einer solchen zugänglich ist.913

910 Einzelheiten oben S. 166 ff. 911 Näher Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 110 ff. 912 Vgl. bereits oben S. 169 sowie im Folgenden. 913 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 111; siehe zum deutschen Steuerrecht auch etwa Meincke, JuS 1976, 693, 695; Schön, StuW 2004, 62, 69.

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Entsprechende Situationen, wie sie von Koller (auf Grundlage des Schweizer Rechts) beschrieben werden,914 entstehen aber auch – und vor allem – dann, wenn der Gesetzgeber, insbesondere aus „Zweck- oder Praktikabilitätserwägungen“,915 punktuell vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgewichen ist. Hier streitet das Leistungsfähigkeitsprinzip – wie in § 6 bereits angesprochen – häufig sogar für einen zivilrechtlichen Ausgleich, weil durch ihn ein verteilungsgerechteres Gesamtergebnis erzielt wird. Dieser Zusammenhang ist namentlich von Wolfgang Schön in seinem grundlegenden Beitrag zum Verhältnis der steuerlichen Leistungsfähigkeit zu ihren zivilrechtlichen Grundlagen angesprochen worden.916 Dieser Beitrag enthält auch sonst wertvolle Denkanstöße für die hier zu analysierende Problemstellung, so dass die entsprechenden Thesen im Folgenden (unter B.) referiert und erörtert werden sollen. Anschließend werden die Ausgleichsfunktion des Zivilrechts und die in § 5 bereits angesprochene Verteilungsfunktion des Leistungsfähigkeitsprinzips gegenübergestellt, was Rückschlüsse auf die Spezifika derjenigen Konstellationen zulässt, die in ihrem Verhältnis zueinander auftreten können (unter C.). Danach werden ebendiese Konstellationen im Einzelnen analysiert. Zunächst wird der soeben erwähnte Fall näher untersucht, dass das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip für einen zivilrechtlichen Ausgleich streitet. Ferner werden potentielle Konfliktlagen erörtert, die in diesem Zusammenhang auftreten können (unter D). Im Abschluss wird auf Fallgestaltungen eingegangen, in denen eine wertungsmäßige Beeinträchtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch zivilrechtliche Ausgleichsansprüche in Betracht kommt (unter E.). Während die hiermit im Zusammenhang stehenden Ausführungen in § 6 primär von der Frage geleitet wurden, wie weit das Leistungsfähigkeitsprinzip reicht und wie vorzugehen ist, wenn im Einzelfall eine Beeinträchtigung steuerlicher Wertungen durch die Zivilrechtsanwendung zu besorgen ist, soll der Fokus nunmehr auf die Frage gelegt werden, ob und in welchen Fällen das zivilrechtliche Ausgleichssystem überhaupt in der Lage ist, Konflikte mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip hervorzurufen. In Zusammenschau mit den Feststellungen unter C. wird sich erweisen, dass es sich hierbei um Ausnahmekonstellationen handelt. 914 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 111 nennt die Bereiche der Verrechnungssteuer, der kantonalen Quellensteuern sowie der Warenumsatzsteuer; siehe mit Blick auf indirekte Steuern nach deutschem Steuerrecht auch Meincke, JuS 1976, 693, 695. 915 Vgl. wiederum Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 111; zu einzelnen Fallgruppen näher unten C II 2. 916 Schön, StuW 2005, 247, 253.

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Abschließend (unter F.) wird zusammenfassend auf die Voraussetzungen eingegangen, die erfüllt sein müssen, damit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Vorgaben für das zivilrechtliche Ausgleichssystem entnommen werden können. Zugleich werden (spiegelbildlich) diejenigen Fallkonstellationen aufgezählt, in denen dies nicht bzw. nur akzidentiell der Fall ist. Die Darstellung wird auch in diesem Abschnitt (§ 7) noch relativ abstrakt ausfallen, da sie übergreifender Natur ist. Eine detaillierte Analyse konkreter Einzelkonstellationen, in denen eine Verhältnisbestimmung von Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtlichem Ausgleichssystem vorzunehmen ist, erfolgt sodann im 2. Teil dieser Untersuchung.

B. Der Ansatz Schöns I. Darstellung Der Beitrag Schöns widmet sich den „zivilrechtlichen Voraussetzungen steuerlicher Leistungsfähigkeit“ vor dem Hintergrund der gewandelten Anschauungen über das Verhältnis von Zivilrecht und Steuerrecht sowie der verfassungsrechtlichen Einbindung des Leistungsfähigkeitsprinzips.917 Nach einem historischen Abriss918 stellt Schön – in Einklang mit den bisherigen Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung – zunächst heraus, dass kein rechtsquellentheoretischer Vorrang des Zivilrechts vor dem Steuerrecht begründbar ist.919 Er widmet sich daher im Schwerpunkt der Frage nach „der inhaltlichen Konzeption von Steuernormen und ihrer Anlehnung an zivilrechtliche Regelsysteme und Sachverhalte“.920 Unter Hinweis auf den Ansatz Flumes921 untersucht Schön, ob es materielle Zusammenhänge zwischen den Teleologien des Zivilrechts und des Steuerrechts gibt, wobei er sich in der Hauptsache dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwendet.922 Er plädiert in diesem Zusammenhang gegen die verbreitete Vorstellung, das Steuerrecht knüpfe im Gegensatz zum Zivilrecht an eine „vorrechtliche“ Wirklichkeit an und habe eine von dem als

917 Schön, StuW 2005, 247, 247 ff. 918 Schön, StuW 2005, 247, 247 f. 919 Schön, StuW 2005, 247, 248 f.; siehe dazu oben S. 16. 920 Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. Der letzte Abschnitt seines Beitrags befasst sich mit der – für die vorliegende Untersuchung nicht relevanten – Frage nach der Auslegung zivilrechtsentlehnter steuerlicher Begriffe (S. 254 f.); vgl. dazu oben S. 17 ff. 921 Siehe zu ihm oben S. 32 ff. Er wird von Schön, StuW 2005, 247, 249 bei Fn 30 in Bezug genommen. 922 Schön, StuW 2005, 247, 249 ff.

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formal und manipulierbar angesehenen Zivilrecht grundlegend abweichende Teleologie.923 Dieser Vorstellung hält Schön Folgendes entgegen: Er stellt heraus, dass die von Verfassungs wegen – aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG – zu beachtende Realität der steuerlichen Leistungsfähigkeit gerade von den zivilrechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen geprägt sei.924 Die Leis­ tungsfähigkeit habe – ebenso wie die Zahlungsfähigkeit – ihren Bezugspunkt in der Verfügungsmacht über Güter in Geld und Geldeswert, die sowohl die juristische als auch die wirtschaftliche Realität prägten.925 Das verfassungsrechtliche Erfordernis nach realitätsgerechter Erfassung des Einkommens (bzw. des Vermögens oder Umsatzes) durch den Steuertatbestand verweise damit auch auf die zivilrechtliche Realität bestehender Vermögenszugänge und -belastungen.926 Zwar sei es dem Steuergesetzgeber im Ausgangspunkt unbenommen, die zivilrechtliche Zuordnung in einzelnen Situationen nicht „anzuerkennen“ bzw. für „unbeachtlich“ zu erklären – und zwar namentlich, um eine „Besteuerung nach Wahl“ zu verhindern.927 Jedoch trete dann verfassungsrechtlicher Legitimationsbedarf ein, wenn dies zu einer fehlerhaften Abbildung der finanziellen Leistungsfähigkeit führe.928 Seine „Grundaussage, daß die zivilrechtlichen Gestaltungen der Parteien nicht eine formale Hülse für die vorrechtliche, wirtschaftlich verfaßte Realität des Steuertatbestandes bilden“, sondern vielmehr ein Gleichlauf ökonomischer und juristischer Wirklichkeit bestehe, sieht Schön auch nicht durch die §§ 39 ff. AO infrage gestellt.929 In etwas anderem Zusammenhang, nämlich im Hinblick darauf, ob auch in der „Makroperspektive“ der zivilrechtlich verfassten Wirtschaftsordnung vergleichbare Nähebeziehungen zwischen beiden Teilrechtsordnungen bestehen,930 befasst sich Schön auch mit der – hier in erster Linie interessierenden – Frage nach der Notwendigkeit zivilrechtlicher Ausgleichsmechanismen bei steuerlich vorgeprägten Sachverhalten.931 Aus 923 Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. 924 Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. (251); siehe auch bereits Tipke, NJW 1980, 1079, 1080. 925 Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. (251). 926 Schön, StuW 2005, 247, 251. 927 Schön, StuW 2005, 247, 251; siehe auch S. 253: keine „ungeprüfte Übernahme aller zivilrechtlichen Differenzierungen in die Welt der Besteuerung“. 928 Schön, StuW 2005, 247, 251. 929 Näher Schön, StuW 2005, 247, 251 f. 930 Siehe dazu Schön, StuW 2005, 247, 252 ff. 931 Schön, StuW 2005, 247, 253.

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dem von ihm zugrunde gelegten Gebot einer „kongruenten“ bzw. „folgerichtigen“ Abstimmung der beiden Teilrechtsordnungen932 leitet Schön ab, dass das Zivilrecht typischerweise in solchen Situationen Ausgleichsansprüche bereitstellen müsse, „in denen das Steuerrecht den tatsächlichen Zufluß finanzieller Leistungsfähigkeit bei einer Person nicht akzeptiert, sondern – mit mehr oder weniger guten Gründen – einer anderen Person zurechnet.“933 Als hauptsächliche Beispiele führt Schön zum einen die Rechtslage bei den Personengesellschaften an, deren Gewinne gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG losgelöst davon, ob die Gesellschafter auf sie zugreifen können, bei diesen besteuert werden.934 Zum anderen nennt er die „Verschiebung von Steuerlasten oder Verlustverrechnungspotential“ in bestimmten steuerlichen Organschaftsverhältnissen.935

II. Würdigung Was zunächst den Schwerpunkt der Betrachtungen Schöns, nämlich die Auswirkungen der Zivilrechtslage auf die Besteuerung angeht, weicht sein Ansatz im Kern nicht von dem heute in der Steuerrechtswissenschaft bestehenden Grundkonsens über das Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht ab.936 Insbesondere stellt Schön – anders als Crezelius dies getan hatte – die prinzipielle Eigenständigkeit der Teleologie und Be-

932 Schön, StuW 2005, 247, 252 f. bejaht insoweit in Anlehnung namentlich an Flume (zu seinem grundlegenden Beitrag oben S. 32 ff.) und verschiedene Beiträge Kirchhofs ein Gebot der Widerspruchsfreiheit bzw. Folgerichtigkeit innerhalb der Gesamtrechtsordnung, für das er – diesen Autoren folgend, allerdings zu Unrecht (näher oben S. 83 ff. und im Folgenden) – Art. 3 Abs. 1 GG als Rechtsgrundlage anführt. 933 Schön, StuW 2005, 247, 253. 934 Schön, StuW 2005, 247, 253; näher dazu bereits ders., FS Beisse, S. 471, 487 f.; ders., StuW 1988, 253, 258 f. 935 Schön, StuW 2005, 247, 253. Den Bezugspunkt seiner Ausführungen bildet offensichtlich die gewerbesteuerliche Organschaft bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2001 (vgl. dazu bereits oben S. 2; zur Vorgehensweise im 2. Teil dieser Untersuchung siehe oben S. 14). 936 Vgl. insbesondere Schön, StuW 2005, 247, 251 und 253. Gleiches gilt für die praktischen Ergebnisse seines Ansatzes, denn Schön ist durchaus bereit, dem (Steuer-) Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum bei der Würdigung des zivilrechtlichen Ausgangslage zuzumessen (vgl. wiederum vor allem S. 251). In Grenzfällen, in denen das Steuerrecht die zivilrechtlich vorgeprägte (reale) Leis­ tungsfähigkeit unrichtig abbildet, gelangt Schön aber wohl eher zu einem Verfassungsverstoß, als dies auf Grundlage der bisher vorherrschenden Anschauungen der Fall ist.

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griffsbildung des Steuerrechts nicht infrage937 und erkennt daher die Möglichkeit (und in manchen Fällen ganz offenkundig auch die Notwendigkeit) einer autonomen, der zivilrechtlichen Bewertung nachgelagerten steuerrechtlichen Würdigung von Gestaltungen sowie die Sinnhaftigkeit von Korrekturen nach § 42 AO an.938 Allerdings hat Schön – und dies wird man als das Hauptverdienst seines Beitrags bezeichnen können – den Blick dafür geschärft, dass die steuerrechtliche Bewertung nicht losgelöst von der zivilrechtlichen Ausgangslage erfolgen kann, sondern im Gegenteil ein enges Näheverhältnis zwischen leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung und zivilrechtlichen Rechten und Pflichten besteht, das auch verfassungsrechtliche Relevanz haben kann.939 Zwar ist der von ihm primär behandelte Aspekt der steuerlichen Bewertung zivilrechtlicher Gestaltungen für den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung nur mittelbar von Interesse, und zwar insoweit, als ein zivilrechtliches Ausgleichsbedürfnis entstehen kann, wenn das Steuerrecht von den – in zivilrechtlichen Formen gegossenen – Vorstellungen der Beteiligte abweicht.940 Von zentraler Bedeutung ist jedoch die dahinter stehende Aussage Schöns, dass die Teleologien von Zivilrecht und Steuerrecht eng miteinander verbunden sind, wenn der jeweilige Besteuerungsbereich zumindest im Grundsatz auf das Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtet ist. Wie sogleich unter C. im Einzelnen herausgearbeitet wird, ist diese Wertungsparallelität im Hinblick auf das Verhältnis 937 Vgl. Schön, StuW 2005, 247, 247 f. und 254 f. 938 Schön, StuW 2005, 247, 251 und 253. Er sieht also durchaus die Gefahr von „Kollusionen zu Lasten des Fiskus“ (Begriff bei Walz, Steuergerechtigkeit, S. 300; vgl. oben bei und in Fn 295). Den weitergehenden Ansatz Crezelius', Rechtsanwendung, S. 330 ff. (dazu oben S. 47 ff.) lehnt Schön, aaO, S. 253 (bei Fn 63) ausdrücklich ab. 939 Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. (251) führt das Gebot realitätsgerechter Erfassung des jeweiligen Leistungsfähigkeitsindikators an, das er auf Art. 3 Abs. 1 GG stützt. Seine stärkste Bindung entfaltet dieses Gebot im Bereich des subjektiven Nettoprinzips bei der Einkommensbesteuerung, wobei insoweit auch noch andere Verfassungsgebote eine Rolle spielen (näher oben S. 140 ff. mit S. 127 ff.). Auch sonst können besonders die absoluten Grenzen, die aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip resultieren (siehe oben S. 135 ff.), überschritten sein, wenn die Zivilrechtslage unrichtig abgebildet wird. In welcher Intensität das Zivilrecht von Verfassungs wegen zu berücksichtigen ist, hängt allerdings nicht zuletzt von dem jeweils ausgewählten Leistungsfähigkeitsindikator ab. Ferner ist die in vielen Bereichen bestehende Rechtfertigungsmöglichkeit bei Abweichungen zu bedenken. Aus dem materiellen Charakter der Fragestellung folgt im Übrigen, dass sie im Kern unabhängig von der klassischen Auslegungsdiskussion (siehe oben S. 17 ff. sowie Schön, aaO, S. 254 f.) ist. 940 Siehe oben in § 3 unter B V. und VI. (in Fn 296 und auf S. 58). Dieser Gesichtspunkt wird auch bei Schön, StuW 2005, 247, 253 angesprochen.

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des Leistungsfähigkeitsprinzips zu den zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen sogar erheblich stärker ausgeprägt als bei der Frage nach der steuerlichen Anerkennung zivilrechtlicher Gestaltungen. Wenn sich hinter einer solchen Gestaltung nämlich ein ebenso steuerwürdiger Vorgang verbirgt wie in dem Fall, den der Steuergesetzgeber bei der Fassung des Tatbestandes vor Augen gehabt hat, streitet das Leistungsfähigkeitsprinzip für eine abweichende steuerliche Bewertung.941 Demgegenüber sind vergleichbare Spannungssituationen im Verhältnis zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem lediglich in Ausnahmefällen zu befürchten.942 Der zuletzt genannte Zusammenhang klingt auch bei Schön an, soweit er das zivilrechtliche Ausgleichssystem dafür in Dienst nehmen will, nicht leistungsfähigkeitskonforme steuerliche Ergebnisse im Innenverhältnis der Beteiligten abzuändern.943 Um diese Vorgehensweise zu legitimieren, stützt er sich – in Anlehnung namentlich an Flume und Kirchhof – auf ein Gebot, Wertungskongruenz zwischen Teilrechtsordnungen herzustellen, das er aus Art. 3 Abs. 1 GG ableiten will.944 In § 4 konnte jedoch nachgewiesen werden, dass ein entsprechender Verfassungsrechtssatz nicht existiert und insbesondere weder aus dem allgemeinen Gleichheitssatz noch aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt. Hierauf kommt es für das Verhältnis des Leistungsfähigkeitsprinzips zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem aber auch gar nicht entscheidend an. Denn die in dieser Hinsicht relevanten Problemlagen werden in aller Regel der Fallgruppe 1 angehören,945 so dass im Rahmen der Zivilrechtsanwendung ohnehin sämtlichen einschlägigen gesetzlichen Wertungen, die in der jeweiligen Fallkonstellation eine Rolle spielen, angemessen Rechnung zu tragen ist, weil in diesem Bereich bereits auf einfachgesetzlicher Ebene eine umfassende Wertungsabstimmung zu erfolgen hat.946 Insbesondere kann das Leistungsfähigkeitsprinzip hier im Wege verfassungsorientier-

941 Ausführlich oben S. 50 ff. sowie sogleich unter C I.; vgl. P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 324: „Die Anwendung des Steuergesetzes trifft oft nicht auf den gesetzlich gemeinten Regelfall, sondern auf den durch steuerbewusste Sachverhaltsgestaltung bewirkten Grenzfall. Finanzbeamte und Richter stehen deshalb vor der Aufgabe, den Sachverhalt mit Blick auf seinen steuerlich erheblichen Kern der individuellen Leistungsfähigkeit oder der Kaufkraft zu ermitteln und diesen trotz formaler und rechtstechnischer Ablenkungen zu erfassen.“ 942 Einzelheiten im folgenden Abschnitt. 943 Schön, StuW 2005, 247, 253. 944 Schön, StuW 2005, 247, 252 f. unter Hinweis auf Flume, Steuerwesen und mehrere Beiträge Kirchhofs in Fn 53 und 55. 945 Dazu ausführlich unter C. und D. 946 Näher oben S. 68 ff.

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ter Auslegung des einfachen (Zivil-)Rechts Relevanz entfalten.947 Aber auch in sonstigen Situationen namentlich der Fallgruppe 2 muss das Leis­tungsfähigkeitsprinzip Berücksichtigung finden, soweit es den einfachen Gesetzgeber im Rahmen seiner verfassungskräftigen Ausprägung unmittelbar bindet.948 Welche Konsequenzen hieraus für die einzelnen normativen Situationen zu ziehen sind, in denen Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Anspruchssystem zusammentreffen, wird in den folgenden Abschnitten noch ausführlich untersucht. Jedenfalls ist eine Berücksichtigung steuerlicher Wertungen im Rahmen der Zivilrechtsanwendung grundsätzlich möglich. An dieser Stelle viel bedeutsamer ist daher die – dieser Fragestellung vorgelagerte – Beobachtung Schöns, dass es Situationen gibt, in denen das Bedürfnis entsteht, ein leistungsfähigkeitskonformes (Gesamt-)Ergebnis über zivilrechtliche Ausgleichsansprüche zu erzielen. Schön führt in dieser Hinsicht in Bezug auf die Regelungsbereiche der Mitunternehmerund Konzernbesteuerung beispielhafte Fallgestaltungen an, in denen das Steuerrecht den tatsächlichen – zivilrechtlich vorgeprägten – Zufluss finanzieller Leistungsfähigkeit seiner Ansicht nach nicht widerspiegelt, sondern für Zwecke der Besteuerung einer anderen Personen zuordnet.949 In derartigen Fällen sieht er einen (zivilrechtlichen) Ausgleich als geboten an.950 In dieselbe Richtung weist es, wenn Hüttemann ein Korrek­ turbedürfnis in solchen Fällen annimmt, in denen der Gesetzgeber in­ dividuelle Besteuerungsgrundlagen Dritten zurechnet, ohne für einen angemessenen Ausgleich im Innenverhältnis zu sorgen.951 Es ist in der Tat evident, dass es Situationen dieser Art gibt. Sie lassen sich vorläufig so charakterisieren, dass das Steuerrecht selbst von der an sich gebotenen gleichheitsoptimalen, d.h. leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung abweicht, ohne dass seine Wertungen einem kompensierenden internen 947 Siehe oben S. 164; ausführlich dazu unter D. 948 Erforderlich ist hier, dass ohne den zivilrechtlichen Ausgleich ein verfassungswidriger (Gesamt-)Zustand entsteht; siehe wiederum oben S. 164 f. sowie ausführlich im Folgenden, insbesondere unter D.; zu den allgemeinen methodischen Hintergründen siehe oben S. 76 ff. 949 Schön, StuW 2005, 247, 253. 950 Schön, StuW 2005, 247, 253. 951 Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 462 f.; siehe zur Konzernbesteuerung auch dens., in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 127, 145; siehe ferner (mit Blick auf entsprechende Problemlagen bei der Rechtsanwendung durch die Finanzgerichte) Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 516 f.: „ungerechtfertigte Verschiebung der Steuerbelastung“; „fingiert für die Besteuerung eine Leistungsfähigkeit, die tatsächlich nicht gegeben ist“; diese Fallgruppe ebenfalls aufnehmend Schön, StuW 2005, 247, 253; vgl. dazu auch Fn 1043.

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Ausgleich entgegenstehen.952 Diese Beobachtung legt es nahe, im Folgenden zunächst grundsätzlicher auf das Verhältnis der Lastenverteilungsfunktion des Steuerrechts und der zivilrechtlichen Ausgleichsfunktion einzugehen, um anschließend auf dieser Grundlage die Einzelheiten der in dieser Hinsicht in Betracht kommenden normativen Situationen zu analysieren.

C. Leistungsfähigkeitsprinzip und Ausgleichsfunktion des Zivilrechts I. Zur bereichsübergreifenden Ausgleichsfunktion des Zivilrechts Die im Folgenden zu begründende These des Verf. in Bezug auf das Verhält­ nis des Leistungsfähigkeitsprinzips zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem lautet, dass sie grundsätzlich nicht in wertungsmäßigem Widerstreit zueinander treten. Die wichtigste Ausprägung dieses Zusammenhangs – er wird sogleich unter II. konkretisiert – bildet folgende Grundregel: Führt das Steuerrecht zu einem verteilungsgerechten Ergebnis, d.h. ist die iustitia distributiva in Form des Leistungsfähigkeitsprinzips als sachgerechtem Verteilungsmaßstab953 gewahrt, so besteht im Regelfall auch ein Zustand ausgeglichener Gerechtigkeit unter den von der Besteuerung betroffenen Privaten, der keiner Modifikation durch zivilrechtliche Ansprüche (mehr) bedarf. Umgekehrt kann ein Ausgleichsbedürfnis besonders dann entstehen, wenn die Besteuerung vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweicht. Die hier getroffene Aussage, dass zuteilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva) und ausgleichende Gerechtigkeit weithin parallel laufen, mag überraschen, denn beide Formen der Gerechtigkeit werden gerade auch mit Blick auf steuerrechtliche Zusammenhänge als höchst unterschiedlich charakterisiert.954 Diese Einschätzung ist auch zutreffend, soweit 952 Auf die Einzelheiten wird im Laufe der folgenden Abschnitte ausführlich eingegangen. 953 Ausführlich oben in § 5 unter C. (S. 115 ff.). 954 Vgl. etwa (mit unterschiedlicher Stoßrichtung) Drüen, in: Tipke/Kruse, § 4 AO Tz. 277; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit, S. 308; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 26; ausführlich zu der – auf Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 106 ff. (ab 1130b, 30) zurückgehenden – Unterscheidung zwischen zuteilender und ausgleichender Gerechtigkeit und den Charakteristika dieser Gerechtigkeitsformen Canaris, iustitia distributiva, S. 9 ff.; Henkel, Rechtsphilosophie, S. 403 ff.; Küster, FS Raiser, S. 541, 541 ff. sowie auch etwa Coing, Rechtsphilosophie, 4.

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man die Austauschgerechtigkeit (iustitia commutativa) als wichtigsten Fall der ausgleichenden Gerechtigkeit955 in den Blick nimmt und sich der Frage zuwendet, ob das Steuerrecht eigene Bewertungsmaßstäbe an privatautonom ausgehandelte Verträge956 anlegen kann.957 Wie in § 3 bereits herausgestellt worden ist958 und auch von Schön nicht prinzipiell infrage gestellt wird,959 ist dies grundsätzlich zu bejahen, denn der Interessenausgleich zwischen Privaten auf Gleichordnungsebene betrifft einen Gesichtspunkt, der von der gerechten Verteilung der Steuerlast auf die Gesamtheit der potentiell Steuerpflichtigen im Ausgangspunkt getrennt werden muss. Deshalb entscheidet das Steuerrecht grundsätzlich autonom – auf Basis seines eigenen Verteilungsmaßstabes (Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit) – darüber, ob und wie bestehende Verträge sich auf die Besteuerung auswirken. Aufl. 1985, S. 215 ff.; R. Dreier, JuS 1996, 580, 580 ff.; Huster, Rechte und Ziele, S. 36 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 351 ff. 955 Ausschließlich diese Form der ausgleichenden Gerechtigkeit wird bei Tipke, StRO I, S. 260 f. in Bezug genommen; siehe auch Crezelius, Rechtsanwendung, S. 344, S. 346 ff. Daneben bestehen jedoch weitere Ausprägungen ausgleichender Gerechtigkeit (siehe vorläufig die Zusammenstellung bei Henkel, Rechtsphilosophie, S. 410 f.), auf die sogleich eingegangen wird. Die Terminologie ist allerdings nicht einheitlich. Teilweise wird der Begriff „iustitia commutativa“ für alle Ausprägungen ausgleichender Gerechtigkeit verwendet (v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. I, S. 333, 335; Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 129; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 361 (Überschrift zu III.)). Teilweise wird er – wie hier – auf den Aspekt der Austauschgerechtigkeit beschränkt (Henkel, aaO, S. 410 f.). Aristoteles selbst hatte die iustitia commutativa auf freiwillige und unfreiwillige Austauschungen bezogen (näher dazu Küster, FS Raiser, S. 541, 549 mit 545; darauf aufbauend Canaris, iustitia distributiva, S. 11 f.: Vertrag und unerlaubte Handlung; siehe ferner R. Dreier, JuS 1996, 580, 580 f.: „Tauschgerechtigkeit im weiteren Sinne“). 956 Auf Grundlage der bestehenden Zivilrechtsordnung legen die Vertragsparteien das Austauschverhältnis grundsätzlich nach ihren eigenen Vorstellungen fest (siehe nur Flume, Rechtsgeschäft, S. 1 ff., S. 7 f.). Wenn die Grenzen privatautonomer Gestaltung eingehalten sind, ist ihre Vereinbarung folglich auch bestimmend für die jeweilige Tauschgerechtigkeit, ohne dass eine übergeordnete Richtigkeitskontrolle stattfindet; siehe Bydlinski, FS Mayer-Maly, S. 107, 135 ff.; Canaris, iustitia distributiva, S. 44 ff.; Crezelius, Rechtsanwendung, S. 347 ff.; R. Dreier, JuS 1996, 580, 581 („prozedurale Gerechtigkeitsvorstellung“); Flume, aaO, S. 8; Henkel, Rechtsphilosophie, S. 410; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 361 f.; zum engen Zusammenhang zwischen den Grenzen der Privatautonomie und der Gewährleistung marktbezogener Austauschgerechtigkeit näher Larenz/Wolf, BGB AT, § 42 Rn. 1 ff. 957 Vgl. auch bereits die soeben auf S. 182 f. vorgenommene Abschichtung. 958 Siehe oben auf S. 50 ff. 959 Vgl. erneut Schön, StuW 2005, 249, 251 (keine „Besteuerung nach Wahl“) und 253 (keine „ungeprüfte Übernahme aller zivilrechtlichen Differenzierungen in die Welt der Besteuerung“).

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Wie Schön zu Recht betont, ergibt sich eine Rückkoppelung zwar insoweit, als steuerrechtliche Regelungen, die diesen Verteilungsmaßstab zur Anwendung bringen, auch die zivilrechtliche Ausgangslage berücksichtigen müssen, da der zivilrechtliche Ist-Zustand mitentscheidend für Bestehen und Ausmaß wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist.960 Dies ändert aber nichts daran, dass der (idealerweise auf Verteilungsgerechtigkeit angelegte) Steueranspruch „nicht aus dem privatautonomen Gestaltungswillen des Steuerpflichtigen ableitbar oder aus einer freiwilligen Vereinbarung zu rechtfertigen“ ist.961 Austauschgerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit betreffen mithin insoweit in der Tat unterschiedliche Ebenen.962 In der hier zu analysierenden Situation liegen die Dinge jedoch anders: Fraglich ist nicht, inwieweit die Zivilrechtslage in Gestalt vorhandener Verträge die Besteuerung determinieren kann, sondern in welchen Fällen die steuerrechtlich vorgegebene Verteilungsentscheidung ein Ausgleichsbedürfnis begründet, das über zivilrechtliche Ansprüche befriedigt werden kann. Die Zivilrechtsanwendung ist der Steuerrechtsanwendung hier folglich nachgelagert, nicht umgekehrt. Entsprechende Problemlagen können im Übrigen auch – und gerade – dann entstehen, wenn zwischen den beteiligten Privaten keine vertraglichen Beziehungen bestehen, betreffen also eine von der iustitia commutativa im Ausgangspunkt zu unterscheidende, allgemeinere Form der ausgleichenden Gerechtigkeit.963 Während sich der Gesichtspunkt der Austauschgerechtigkeit nämlich auf einen von den Parteien selbst geschaffenen Ausgleichsmaßstab und dessen Nachvollzug durch die Rechtsordnung bezieht, geht es in der vorliegenden Situation – weitergehend – um diejenige Ausgleichsfunktion, die der Zivilrechtsordnung per se, d.h. auch unabhängig von etwaigen vertraglichen Vereinbarungen innewohnt964 und die durch gege960 Siehe wiederum Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. Wie unter B. bereits angesprochen wurde und im Folgenden näher herauszuarbeiten ist, kann ein Ausgleichsbedürfnis vor allem dann entstehen, wenn das Steuerrecht sie entgegen diesem Verteilungsmaßstab nicht oder unzureichend abbildet. 961 Walz, Steuergerechtigkeit, S. 241; siehe ferner P. Kirchhof, StuW 2000, 316, 325 (im Anschluss an BVerfG BStBl. II 1992, 212, 213): „Der Steuerpflichtige kann zwar einen Sachverhalt vertraglich gestalten und damit seine steuererhebliche Leistungsfähigkeit oder Kaufkraft verändern, nicht aber die steuerrechtlichen Folgen dieser Gestaltung in der Autorität des Zivilgesetzgebers bestimmen.“ Dieses Zitat aufnehmend Schön, StuW 2005, 247, 251. 962 Vertiefend Verf., JJZ 2011, 69, 92 ff. 963 Zur Verhältnisbestimmung im Einzelnen näher sogleich. 964 Vgl. die allgemeine Umschreibung der ausgleichenden Gerechtigkeit bei Henkel, Rechtsphilosophie, S. 404 („Verschiebung des Besitzstandes“); Einzelheiten sogleich. Von der Existenz einer derartigen Ausgleichsfunktion geht auch Koller,

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benenfalls vorhandene Sonderbeziehungen lediglich ergänzt bzw. überlagert wird. Der hier umschriebenen Ausprägung ausgleichender Gerechtigkeit kommt die „berichtigende Gerechtigkeit“ sehr nahe, auf die namentlich Heinrich Henkel als weitere (Haupt-)Form der ausgleichenden Ge­ rechtigkeit verweist.965 Sie tritt seinem Ansatz zufolge966 neben die Austauschgerechtigkeit und die Wiederherstellung (restitutio) bei angerichteten Schäden als weithin konsentierten Ausprägungen der ausgleichenden Gerechtigkeit967 und wird von ihm wie folgt charakterisiert: „Die ausgleichende Gerechtigkeit tritt als berichtigende Gerechtigkeit (iustitia correctiva) dort in Erscheinung, wo eine durch Handeln eines Beteiligten verursachte Rechtsverschiebung ohne rechtlichen Grund eingetreten ist. Durch diese ist das Gleichgewicht des Besitzstandes unter den Beteiligten gestört; die ungerechtfertigte Bereicherung ist rückgängig zu machen.“968 Diese Ausführungen bedürfen allerdings dreier Korrekturen bzw. Er­ gänzungen, um dem vorliegenden Zusammenhang gerecht zu werden: Erstens bewirkt das Zivilrecht berichtigende Gerechtigkeit im Bereich der gesetzlichen Anspruchsgrundlagen nicht nur über den Be­ reicherungsausgleich,969 sondern auch über zahlreiche weitere MechanisPrivatrecht und Steuerrecht, S. 111 a.E., S. 113 a.E. aus, allerdings ohne weitere Begründung; siehe ferner Esser/Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 27. 965 Henkel, Rechtsphilosophie, S. 411; näher zu den Hintergründen der von Henkel in Bezug genommenen und ebenfalls bereits bei Aristoteles vorzufindenden iustitia correctiva sowie zu verschiedenen Ausprägungen dieses Gedankens im heutigen Zivilrecht Wendehorst, Anspruch, passim, ausgehend von S. 3 ff., S. 13 ff., die dort auch zu den Gründen der Fokussierung der deutschen Diskussion auf die iustitia commutativa (vgl. bereits oben Fn 955) Stellung nimmt. 966 Näher Henkel, Rechtsphilosophie, S. 410 f., der darüber hinaus noch die Begüns­ tigtenhaftung nennt. 967 Siehe etwa Bydlinski, FS Mayer-Maly, S. 107, 135 ff.; R. Dreier, JuS 1996, 580, 580 f.; grundlegend wiederum Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 106 (1131a, 1 ff.), S. 108 ff. (ab 1131b, 25); siehe auch Coing, Rechtsphilosophie, 4. Aufl. 1985, S. 215 ff., der den dort verwendeten weiten Begriff der iustitia commutativa in der neuesten Auflage seiner Rechtsphilosophie (siehe dort, S. 193, S. 195 f.) aber offensichtlich auf den Aspekt der Austauschgerechtigkeit beschränkt, den Gesichtspunkt der Wiedergutmachung jedoch im selben Atemzug nennt. Canaris, iustitia distributiva, S. 30 f. bezieht die iustitia correctiva hingegen ausschließlich auf unerlaubte Handlungen; zu der auch sonst unterschiedlichen Begriffsverwendung im Schrifttum siehe oben Fn 955. 968 Henkel, Rechtsphilosophie, S. 411. Den Aspekt der erforderlichen Verteilungsstörung betont auch Wendehorst, Anspruch, S. 11 f., S. 14 f. 969 Vgl. speziell zur Ausgleichsfunktion des Bereicherungsrechts etwa Lieb, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 1, 6, 22; v. Caemmerer, FS Rabel,

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men.970 Was die Regelungsbereiche des allgemeinen Zivilrechts angeht, sind hier namentlich das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag,971 der in gewissem Maße verallgemeinerungsfähige Aufwendungsersatzgedanke972 sowie der – im vorliegenden Kontext überaus relevante – Gesamtschuldnerausgleich zu nennen. Daneben können speziellere Anspruchsgrundlagen aus Gebieten des Sonderprivatrechts einschlägig sein, auf die insbesondere im 2. Teil dieser Untersuchung (fallgruppenbezogen) zurückgekommen wird. Zweitens erscheint die Formulierung Henkels zu eng, der Aspekt der ausgleichenden Gerechtigkeit komme nur zum Tragen, wenn „ein zurechenbares Verhalten eines Beteiligten“ vorliegt.973 Vielmehr kann eine zivilrechtlich auszugleichende „Verschiebung des Besitzstandes“974 auch auf einem Ereignis beruhen, das von außen an die Beteiligten herangetragen wird und in ihrem Verhältnis zueinander eine entsprechende Schieflage hervorruft.975 Hierhin können im Einzelfall auch Steuerfolgen zählen.976 Drittens lässt sich zu der hier umschriebenen Form der ausgleichenden Gerechtigkeit auch die Situation zählen, dass ein vertragliches Austauschverhältnis aufgrund von Besteuerungswirkungen gestört wird, die die Vertragsparteien nicht (hinreichend) berücksichtigt haben und für die der (Zivil-)Gesetzgeber – wie im Regelfall – keine (eindeutige) Regelung getroffen hat.977 Die Problemlage ist

Bd. I, S. 333, 337 ff.; Esser/Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 27; Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 127 ff. 970 Vgl. mit Blick primär auf das Schuldrecht namentlich Wendehorst, Anspruch, passim. Diese auch unabhängig von einer vertraglichen Sonderbeziehung bestehende Ausgleichsfunktion des Zivilrechts (vgl. auch Fn 965) findet etwa bei Coing, Rechtsphilosophie, S. 195 f. keine hinreichende Berücksichtigung. 971 Gegenüberstellung der Ausgleichsfunktion speziell des Bereicherungsrechts und des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag bei Staudinger/Martinek, Eckpfeiler, S. 970 f. 972 Dazu näher im 2. Teil. 973 Henkel, Rechtsphilosophie, S. 404 sowie auch S. 411 (siehe das obige wörtliche Zitat). 974 Henkel, Rechtsphilosophie, S. 404 sowie auch S. 411 (siehe wiederum das Zitat oben im Haupttext). 975 Vgl. nur (zum Bereicherungsrecht) BGHZ 107, 117, 118: „Die Nichtleistungskondiktion greift ein, wenn der Tatbestand rechtsgrundlosen Habens auf Kosten eines anderen gegeben ist, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, auf welche Weise dieser Erwerb sich vollzogen hat. Auch rechtsgrundloses Erlangen aufgrund gesetzlicher Vorschrift oder durch (rechtmäßiges) Handeln Dritter, auch staatlicher Hoheitsträger, kann eine bereicherungsrechtliche Haftung auslösen.“ 976 Vgl. auch bereits die einleitend geäußerte Kritik an der in dieser Hinsicht zu engen Kategorie der „fremdbestimmten Steuerwirkung“ (oben S. 11). 977 Insbesondere sind die im bürgerlichen Recht punktuell getroffenen Regelungen über die Kosten- bzw. Lastentragung (z.B. §§ 436 Abs. 2, 448 BGB) in dieser Hin-

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nämlich von ihrer Struktur her sehr ähnlich.978 Allerdings richtet sich die Frage, ob und in welcher Form eine zivilrechtliche Korrektur erfolgen kann, in diesem Bereich in erster Linie nach den konkreten Inhalten des jeweiligen Vertrages (insbesondere der vertraglichen Risikoverteilung),979 so dass insoweit der Aspekt der iustitia commutativa betroffen ist.980 Vor diesem Hintergrund soll hier und im Folgenden – allgemeiner – von der „Ausgleichsfunktion des Zivilrechts“ gesprochen werden, wenn eine Abänderung von Besteuerungsergebnissen über zivilrechtliche Ansprüche in Rede steht. An dem zuletzt genannten Gesichtspunkt wird zugleich deutlich, dass Tauschgerechtigkeitsaspekte auch in diesem Zusammenhang erhebliche Bedeutung erlangen können. Sie sind nämlich dann (mit-)betroffen, wenn eine vertragliche Vereinbarung besteht und die Parteien die Steuerlastverteilung in ihr Austauschprogramm einbezogen haben oder dies hätten tun müssen, um das vertraglich zugrunde gelegte Verhältnis von Leis­ tung und Gegenleistung nicht zu stören. Ein zivilrechtliches Regelungsproblem entsteht selbstverständlich dann nicht, wenn die Vertragsparteien die Steuerfolgen zutreffend ermittelt und unter Wahrung der allgemeinen Grenzen der Privatautonomie in die vertragliche (Gesamt-) Regelung einbezogen haben,981 denn dann haben sie eine für sich (austausch-)gerechte Lösung gefunden, so dass es auf die soeben beschriebene allgemeine Ausgleichsfunktion des Zivilrechts nicht mehr ankommt.982 sicht in aller Regel interpretationsbedürftig (siehe dazu Meincke, JuS 1976, 693, 694). 978 Siehe zur Parallelität der Problemlagen auch Wendehorst, Anspruch, S. 5, S. 14 f.; vgl. zu entsprechenden Beispielsituationen im steuerrechtlichen Kontext Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 24 ff.; Felix/Streck, DB 1975, 2213, 2213 ff.; Flume, Rechtsgeschäft, S. 520 ff.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 516 ff.; dies., StuW 1985, 382, 383; Piltz, FS Spindler, S. 693, 696 ff.; Wollweber, FS Streck, S. 275, 280 ff. 979 Siehe auch etwa Wendehorst, Anspruch, S. 421 sowie für den Steuerkontext beispielhaft Finkenauer, in: MünchKomm.-BGB, § 313 Rn. 233; Flume, Rechtsgeschäft, S. 520 ff.; Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 383 (mit Fn 9); zu weiteren Nachweisen vgl. Fn 985. 980 Vgl. Henkel, Rechtsphilosophie, S. 410 (mit Blick auf andere Äquivalenzstörungen); Larenz/Wolf, BGB AT, § 28 Rn. 116 (für die ergänzende Vertragsauslegung). 981 Vgl. Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 114; Meincke, JuS 1976, 693, 695. Die Steuerfolgen können entweder als Rechnungsposten in das (Gegen-)Leistungsprogramm einbezogen werden, oder die Steuerlastverteilung bildet den (primären) Vertragszweck; siehe zum Stellenwert von Steuertragungsklauseln für die vorliegende Untersuchung bereits oben S. 7 ff. 982 Wenn die Besteuerung allerdings leistungsfähigkeitskonform erfolgt ist und die vertragliche Steuerlastverteilung zu einem Ergebnis führt, das von diesem Maßstab abweicht, lässt sich fragen, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip der Wirksam-

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Zivilrechtlich klärungsbedürftig sind demgegenüber Situationen, in denen die Parteien die Steuerrechtslage unzutreffend eingeschätzt oder überhaupt nicht berücksichtigt haben und dies sich im vertraglichen Austauschprogramm niederschlägt.983 Handelt es sich um einen einfachen Austauschvertrag, so werden die für den jeweiligen Vertragstyp geltenden gesetzlichen Regelungen in dieser Hinsicht in aller Regel nicht weiterhelfen,984 so dass für die Bewältigung entsprechender Problemlagen auf die allgemeinen Grundsätze des Vertrags- und Leistungsstörungsrechts zurückzugreifen ist. Insbesondere wäre zu erwägen, ob eine Korrektur im Wege der (ergänzenden) Vertragsauslegung oder über die Geschäftsgrundlagenlehre in Betracht kommt, wobei aber insbesondere die vertragliche Risikoverteilung einem Ausgleich entgegenstehen kann.985 Bei engerer Bindung der Parteien, etwa im Rahmen von Gesellschaftsverträgen, kommt darüber hinaus eine Kompensation über besondere, aus dem jeweiligen Rechtsverhältnis folgende Ausgleichsansprüche oder Verteilungsrechnungen in Betracht.986 Jedenfalls stellt das Zivilrecht auch für diesen Bereich geeignete Ausgleichsinstrumente zur Verfügung. Wie bereits angesprochen, können ganz ähnliche Problemlagen aber auch dann auftreten, wenn zwischen den Privaten, die von den Auswirkungen der gesetzlichen Steuerlastverteilung betroffen werden, kein besonderes vertragliches Austauschprogramm begründet wurde. Auch hier kann sich die Ausgleichsfrage stellen, wenn und weil die aus steuerrechtlicher Sicht definitive Lastenverteilung im Verhältnis zwischen den Beteiligten eine Schieflage herbeiführt. Dann ist zu fragen, ob das Zivilrecht ausgleichende Gerechtigkeit über seine allgemeinen Anspruchsgrundlagen herstellen kann. Dass das Zivilrecht zumindest im Grundsatz über entsprekeit einer entsprechenden vertraglichen Gestaltung entgegenstehen kann. Ein strukturell gleiches Problem tritt auf, wenn die Parteien zivilrechtliche Ausgleichsansprüche abbedingen, die ein verteilungsgerechtes Gesamtergebnis herbeiführen. Auf beide (im Ergebnis aber unproblematische) Konstellationen wird im jeweiligen Gesamtkontext unter D III 4. und E. eingegangen. 983 Zur Rechtslage speziell bei imperfekten Steuerklauseln vgl. schon oben S. 9 sowie wiederum die Nachweise in Fn 978, 979, insbesondere Wollweber, FS Streck, S. 275, 280 ff. 984 Siehe schon oben bei und in Fn 977. 985 Beispielhafte Zusammenstellung entsprechender Problemlagen bei Finkenauer, in: MünchKomm.-BGB, § 313 Rn. 233, 284 a.E.; Palandt/Ellenberger, BGB, § 157 Rn. 13; Palandt/Grüneberg, aaO, § 313 Rn. 38; siehe speziell zum Aspekt der Risikoverteilung Wollweber, FS Streck, S. 275, 286. 986 Ein Beispiel bildet die gesellschaftsvertragliche Gewinnverteilungsabrede, die teilweise für den Gewerbesteuerausgleich fruchtbar gemacht wird (vgl. bereits oben S. 3). Auf die Einzelheiten sowie auf weitere Konstellationen, die hierhin zählen, wird im 2. Teil dieser Untersuchung eingegangen.

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chende Ausgleichsmechanismen verfügt, ist evident. In Betracht kommen namentlich – falls keine spezielleren Rechtsbehelfe eingreifen – die bereits erwähnten Instrumente des Bereicherungs- und des Gesamtschuldnerausgleichs sowie der Aufwendungsersatzgedanke.987 An dieser Stelle kann daher die Prämisse formuliert werden, dass das Zivilrecht prinzipiell in der Lage ist, eine Güterzuordnung zu korrigieren, die im Verhältnis zwischen den beteiligten Privaten zu unangemessenen Ergebnissen führt. Der Frage, in welchen Situationen genau diese Ausgleichsfunktion im Falle störender Steuerfolgen zum Tragen kommt und welche Anspruchsgrundlagen im Einzelnen Anwendung finden, wird im folgenden Abschnitt (unter D.) sowie im Rahmen der Fallgruppenanalyse im 2. Teil dieser Untersuchung nachgegangen. Hiermit ist selbstverständlich nicht zugleich gesagt, dass jede für das Innenverhältnis als unangemessen, störend oder „ungerecht“ empfundene Steuerfolge zivilrechtlich auszugleichen wäre. Vielmehr knüpft die Zivilrechtsordnung an eine vorgegebene Güterverteilung an und kann im Wesentlichen nur ungerechtfertige Verschiebungen korrigieren,988 ohne als Billigkeitsordnung zu fungieren, die die vorgefundenen Unterschiede nivelliert.989 Wie weit die hier umschriebene Ausgleichsfunktion des Zivilrechts im Einzelnen reicht, bestimmt sich daher im Kern nach der gesetzlichen Ausgestaltung der vorhandenen Ausgleichsmechanismen, insbesondere nach den jeweils verfolgten Zwecken.990 Entscheidend ist folglich eine zu wesentlichen Teilen induktiv zu ermittelnde Gesamtschau aller einschlä-

987 Im Einzelnen sei auf die Fallgruppenanalyse im 2. Teil dieser Untersuchung verwiesen. Wie dort ebenfalls zu zeigen ist, können die hier angesprochenen Ausgleichsmechanismen teilweise auch in Problemlagen fruchtbar gemacht werden, die im vorstehenden Absatz beschrieben worden sind, so dass sich Überschneidungsbereiche ergeben. 988 Vgl. wiederum Henkel, Rechtsphilosophie, S. 404 und S. 411 sowie Küster, FS Raiser­, S. 541, 549 f. (zur Verankerung dieses Gedankens bereits in der aristotelischen Lehre); vgl. zum Verhältnis der ausgleichenden Gerechtigkeit zur iustitia distributiva auch die Nachweise in Fn 993; aus dem rechtsdogmatischen Schrifttum siehe etwa Esser/Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 27; Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 129 sowie Wendehorst, Anspruch, S. 11 f., die eine „gravierende“ (bzw. „qualifizierte“, S. 616) Verteilungsstörung verlangt und auf S. 518 ff., S. 526 ff. auch auf die verfassungsrechtliche Dimension der Fragestellung eingeht. 989 Vgl. speziell zum Bereicherungsrecht BGHZ 107, 117, 118 ff. (120); Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 129; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 234 f., S. 261 f. Hierauf ist im 2. Teil der Untersuchung zurückzukommen. 990 Vgl. nur v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. I, S. 333, 335 ff.; Wendehorst, Anspruch, S. 12, die auf S. 3 ff., S. 12 ff., S. 43 f., S. 50, S. 615 ff., S. 630 auch auf das Verhältnis der konkret vorhandenen zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche zum aristotelischen Konzept eingeht und einen Synchronisierungsversuch unternimmt.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem gigen Anspruchsgrundlagen.991 Eine derartige Analyse kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht annähernd geleistet werden992 – und ist für ihre Zwecke auch nicht erforderlich, denn die nachfolgenden Überlegungen werden erweisen, dass sich für die Frage speziell des Steuerausgleichs zum einen ein übergreifendes Kriterium finden lässt. Zum anderen wird die Fallgruppenanalyse im 2. Teil verallgemeinerungsfähige Leitlinien in Bezug auf Einschlägigkeit und Reichweite der in Betracht kommenden zivilrechtlichen Ausgleichsmechanismen liefern, die in § 17 zusammenfassend dargestellt und vertieft werden.

II. Prinzipiell fehlender Gegensatz 1. Abstrakte Ableitung Ein Ausgleichsbedürfnis der soeben umschriebenen Art besteht in der Regel so lange nicht, wie sich die Besteuerung leistungsfähigkeitskonform vollzieht. Denn die soeben skizzierte Ausgleichsfunktion des Zivilrechts steht prinzipiell in keinem Gegensatz zu der Funktion des Leistungsfähigkeitsprinzips, zuteilende Gerechtigkeit herbeizuführen. Im Gegenteil laufen zuteilende und ausgleichende Gerechtigkeit in dieser Hinsicht weithin parallel. Das hat folgenden Hintergrund: Eine Lastenausteilungsentscheidung, die mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip übereinstimmt, bedarf in aller Regel keiner internen Korrektur, weil sie auch für das Verhältnis der von der Besteuerung betroffenen Privaten zueinander ein sachgerechtes Ergebnis herbeiführt. Ihr liegt nämlich ein gleichheitskonformer Verteilungsmaßstab zugrunde, so dass die sachrelevanten Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die zwischen den Betroffenen bestehen, prinzipiell bereits richtig abgebildet sind. Aus einer Verteilungsentscheidung, die die iustitia distributiva wahrt, resultiert mithin regelmäßig zugleich ein Zustand ausgeglichener Gerechtigkeit unter denjenigen, die dieser Entscheidung unterliegen.993 Hieraus folgt im Um991 Im gleichen Sinne Wendehorst, Anspruch, S. 50 f. (mit Nachweisen aus dem rechtsphilosophischen Schrifttum auf S. 45 ff.). 992 Für Teilbereiche des Schuldrechts ist eine entsprechende Analyse von Wendehorst, Anspruch, passim durchgeführt worden, die sich jedoch im Wesentlichen nur auf die von ihr so genannten „Reststörungen“ im Rahmen der Anspruchsausfüllung bezieht (siehe insbesondere S. 35 ff.), während keine übergreifende Untersuchung der anspruchsbegründenden Sachverhalte stattfindet (vgl. zum „Statikprinzip“ vor allem S. 45, S. 49). 993 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 122: „Die ausgleichende Gerechtigkeit ist Gerechtigkeit zwischen Gleichberechtigten, setzt also einen Akt der austeilenden Gerechtigkeit voraus, der den Beteiligten die Gleichberechtigung […] verliehen hat“ (in anderem Kontext kritisch zu Radbruchs Ausführungen Canaris, iustitia­ distributiva, S. 27 ff.); siehe ferner Bydlinski, FS Mayer-Maly, S. 107, 135 ff. Eine andere Ebene betrifft hingegen die von Drüen, FS Kruse, S. 191, 196 ff. gestellte

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kehrschluss, dass eine Verteilungsentscheidung, die nicht gleichheitsgerecht erfolgt ist, auch im Innenverhältnis einen ausgleichsbedürftigen Zustand begründen kann (aber nicht muss). Über den Innenausgleich wird dann ein Ergebnis erzielt, das wirtschaftlich mit einem verteilungsgerechten Zustand übereinstimmt.994 Dieser letzte Punkt spiegelt sich auch in den Ausführungen Schöns995 zum Ausgleichsbedürfnis bei nicht leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung wider. 2. Ausgangshypothese und immanente Grenzen Die soeben abgeleitete Kernthese vom fehlenden Gegensatz zwischen der Ausgleichsfunktion des Zivilrechts und dem Leistungsfähigkeitsprinzip soll ausgehend von folgender, aus zwei Aussagen bestehender Hypothese konkretisiert werden: (1) Es besteht grundsätzlich kein zivilrechtlicher Korrekturbedarf, wenn das Ergebnis der Steuerrechtsanwendung einen leistungsfähigkeitskonformen Zustand herbeiführt. (2) Umgekehrt kann ein ausgleichsbedürftiger Zustand unter den beteiligten Privaten dann entstehen, wenn das Steuerrecht von der gleichheitsoptimalen Verteilung der Steuerlast nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip abweicht. Diese Ausganghypothese wird im Folgenden erläutert und verfeinert. Dazu werden zunächst die immanenten Grenzen der obigen ersten Aussage herausgearbeitet, deren Analyse es zugleich ermöglichen wird, die zweite Aussage stärker zu konturieren. Unter 3. soll dann auf Ausnahmen von dem Grundsatz eingegangen werden, dass bei leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung kein Ausgleichsbedürfnis vorliegt. Hierbei wird sich erweisen, dass es auch in solchen Ausnahmesituationen (und auf S. 197 f. von ihm verneinte) Frage, ob das Steuerrecht ausgleichende Gerechtigkeit zwischen der Gesamtheit der Steuerpflichtigen herbeiführt. Denn zum einen lässt sich die Frage der ausgleichenden Gerechtigkeit sinnvoll nur dann stellen, wenn zwischen den beteiligten Privaten eine gewisse Nähebeziehung besteht (näher unten D I.). Insbesondere fehlt es zwischen zwei Beteiligten, die nichts als ihre Steuerpflicht gemein haben, ganz offensichtlich an einem Rechtsverhältnis, aus dem zivilrechtliche Ansprüche erwachsen könnten. Zum anderen argumentiert Drüen vom Boden der geltenden Rechtslage aus (vgl. etwa S. 197 Fn 40), die vor allem deshalb erheblichen Raum für zivilrechtliche Korrekturen lässt, weil die Besteuerung in vielen Bereichen nicht leistungsfähigkeitskonform erfolgt. 994 Vgl. insbesondere Bydlinski, FS Mayer-Maly, S. 107, 137 f. (zum Schadensersatz: „[…] womit wieder im Anschluß an die austeilende Gerechtigkeit die ausgleichende Gerechtigkeit […] ins Spiel kommt.“) und Kriele, Gerechtigkeit, S. 59 (zur iustitia commutativa: „Verhältnismäßige Aufrechterhaltung des durch die gerechte Distribution herbeigeführten status quo.“); siehe bereits Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 109 (1132a, 7 ff.). 995 Schön, StuW 2005, 247, 253.

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häufig an einem echten Gegensatz zwischen zivilrechtlicher Ausgleichsfunktion und steuerlichem Leistungsfähigkeitsprinzip fehlt – was die hier vertretene Kernthese untermauert. Dieses Vorgehen wird es ferner ermöglichen, die Ausgangshypothese präziser zu fassen, was abschließend unter 5. geschehen soll, nachdem unter 4. auf die (Sonder-)Situation des Vorteilsausgleichs eingegangen worden ist. Die Aussage, dass ein leistungsfähigkeitsgerechtes steuerliches Ergebnis grundsätzlich keiner Korrektur durch das Zivilrecht bedarf, hat selbstverständlich zur Grundbedingung, dass das Steuerrecht in dem jeweiligen Besteuerungsbereich nicht vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweicht. Für die Zwecke der hier vorzunehmenden Verhältnisbestimmung lassen sich zwei Konstellationen unterscheiden, in denen eine solche Abweichung eintritt; hieraus folgen zugleich die immanenten Grenzen der eingangs formulierten ersten Aussage. Zum einen handelt es sich um Fälle, in denen die Besteuerung bereits im Ausgangspunkt von anderen Sach­ gesetzlichkeiten als dem Leistungsfähigkeitsprinzip geleitet wird, was insbesondere bei der Verfolgung von Lenkungszwecken der Fall ist. Ein Gegensatz zwischen zivilrechtlichem Ausgleichssystem und Leistungsfähigkeitsprinzip kann hier (mangels Umsetzung) von vornherein nicht auftreten.996 Auch lassen sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip für diesen Bereich grundsätzlich keine Rückschlüsse auf ein etwaiges Ausgleichsbedürfnis ziehen.997 Insbesondere bleibt hier für eine verfassungsorientierte, am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtete Anwendung des zivilrechtlichen Ausgleichssystems998 schon deshalb kein Raum, weil die vom Gesetzgeber verfolgten Lenkungszwecke durch den Innenausgleich im wirtschaftlichen Ergebnis konterkariert werden könnten.999 Ob und inwieweit das Zivilrecht zu einer Korrektur entsprechender Steuerwirkungen berufen ist, hängt vielmehr von den Gegebenheiten im Einzelfall ab, ohne dass sich allgemeingültige Regeln formulieren lassen.1000 Es gilt prinzipiell nichts anderes als in sonstigen Bereichen verwaltungsrechtlicher Gestaltung. Bei der Prüfung der Voraussetzungen der möglicherwei 996 Näher oben S. 166 ff. 997 Siehe ebenfalls oben S. 166 ff. 998 Vgl. dazu im Allgemeinen die Ausführungen auf S. 164. 999 Auch wird es in diesem Bereich niemals auf eine verfassungskonforme Aus­ legung des Zivilrechts ankommen, mit der ebendieses Ziel verfolgt wird. Denn die Wahl eines anderen Differenzierungskriteriums als dem Leistungsfähigkeitsprinzip bedarf ohnehin einer tragfähigen Rechtfertigung vor Art. 3 Abs. 1 GG. 1000 Im Folgenden (bei Fn 1016) wird allerdings noch auf spezielle Konstellationen hingewiesen, in denen ein Ausgleichsbedürfnis auch in diesen Steuerrechtsbereichen auftreten kann.

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se in Betracht kommenden zivilrechtlichen Anspruchsnormen sind die einschlägigen steuerrechtlichen Wertungen selbstverständlich – nach Maßgabe der Ausführungen in § 6 – angemessen mit zu berücksichtigen.1001 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung viel interessanter sind hingegen – zum anderen – Situationen, in denen die Besteuerung zwar grundsätzlich am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtet ist, es aber zu punktuellen Abweichungen kommt, indem Steuerlasten anders als nach der tatsächlich vorhandenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zugeordnet werden, ohne dass dies der Verfolgung interventionistischer Zwecke dient.1002 Aus solchen Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip resultiert häufig zugleich ein Ausgleichsbedürfnis unter den beteilig­ ten Privaten – was einen weiteren (indirekten) Beleg für den grundsätzlichen Gleichlauf der zivilrechtlichen Ausgleichsfunktion und dem Leistungsfähigkeitsprinzip darstellt. Knobbe-Keuk und Schön verwenden hierfür den Begriff „Steuerlastverschiebung“1003 – der treffend erscheint, wenn man ihn, wie es diese Autoren offensichtlich tun, auf maßstabswidrige (leistungsfähigkeitswidrige) Verlagerungen bezieht und auch beschränkt. Mit dieser Maßgabe wird im Folgenden an ihn angeknüpft, wobei im Rahmen dieser Untersuchung aber aus den ein­leitend angeführten Gründen in erster Linie die – offeneren – Begriffe „Ver­ schiebung von Steuerfolgen“ bzw. „Steuerwirkungsverschiebung“ Verwendung finden.1004 Derartige „Steuerlastverschiebungen“ können erstens aus Gründen der Praktikabilität, Erhebungseffizienz bzw. zur Sicherung des Steueranspruchs angeordnet sein.1005 Zu denken ist etwa an Situationen, in denen 1001 Der bei Fn 889 formulierte Vorbehalt hinsichtlich des Abwägungsgewichts nicht verfassungsgeleiteter steuerlicher Fiskalzwecknormen greift hier selbstverständlich nicht Platz. 1002 Solche Situationen haben namentlich Hüttemann, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 127, 145; ders., ZHR 171 (2007), 451, 462 f. und Schön, StuW 2005, 247, 253 vor Augen; siehe oben S. 184. 1003 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 516 (in Bezug auf die steuerliche Nichtanerkennung von Familienpersonengesellschaften sowie gleichgerichtete Korrekturen bei der Gewinnermittlung): „ungerechtfertigte Verschiebungen der Steuerbelastung“; Schön, StuW 2005, 247, 253 (mit Blick auf bestimmte steuerliche Organschaftsverhältnisse): „Verschiebung von Steuerlasten oder Verlustverrechnungspotential“; vgl. auch Hüttemann, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 127, 145. 1004 Siehe dazu oben S. 5. In vielen Fällen geht es allerdings in der Tat um Steuerlastverschiebungen (im Besonderen). 1005 Vgl. bereits Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 111 und S. 118 f.

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das Steuerrecht vereinfachend über die Einzelheiten des Verhältnisses der von den Steuerwirkungen betroffenen Privaten hinweggeht, obwohl sie für den Leistungsfähigkeitsindikator, der abgeschöpft werden soll, an sich von Relevanz wären. Hierhin können insbesondere typisierende und pauschalierende Vorschriften gehören.1006 Erhebliche praktische Bedeutung haben ferner Fälle, in denen das Steuerrecht aufgrund von § 44 Abs. 1 AO bzw. speziellerer Vorschriften1007 eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Personen anordnet, so dass die Einstandspflicht aller oder einzelner in Anspruch genommenen Betroffenen über den individuellen Zuwachs an Leistungsfähigkeit hinausgeht, um den Steuereingang sicherzustellen.1008 Hier geht das Steuerrecht selbst davon aus, dass im Falle der Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners ein interner Ausgleich vollzogen werden kann.1009 Dieser Ausgleich hat sich im Allgemeinen am Verhältnis der Leistungsfähigkeitsmehrungen bei den Gesamtschuldnern zu orientieren, so dass über diesen Umweg das an sich gebotene (verteilungs-)gerechte Ergebnis erzielt wird.1010 Zu diesem Bereich zählen auch die steuerlichen Haftungstatbestände, weil sie – ebenfalls zur Sicherung des Steueranspruchs1011 – einen Besteuerungszugriff1012 ermöglichen, der in aller Regel nicht mit einem Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit korrespondiert,1013 und internen Ausgleichsansprüchen ebenso wenig entgegenstehen.1014 1006 Notwendige Bedingung für einen zivilrechtlichen Ausgleich wäre allerdings, dass hierdurch eine Lastenumverteilung zwischen den beteiligten Privaten bewirkt wird; näher im Folgenden. 1007 Vgl. § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG, § 10 Abs. 3 GrStG. 1008 Vgl. nur Hannes, Haftung, S. 1. 1009 Vgl. nur BT-Drucks. VI/1982, S. 112. Auf die Einzelheiten wird im 2. Teil eingegangen. 1010 Zu einzelnen, in dieser Hinsicht relevanten Situationen siehe vorläufig Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 62. Hierauf wird ebenfalls im 2. Teil dieser Untersuchung zurückzukommen sein. 1011 Steeger, Haftung, S. 22 ff.; siehe auch Blesinger, Haftung, S. 1; Hannes, Haftung, S. 23; Schick, Haftung, S. 15 f.; sowie Klein/Rüsken, AO, § 69 Rn. 1 und 4; Loose, in: Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Tz. 8; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 6 Rz. 66. 1012 Zur Rechtsnatur des Haftungsanspruchs näher Schick, Haftung, S. 15 f. 1013 Gesetzliche Haftungsanordnungen sind im Regelfall nicht am Leistungsfähigkeitsprinzip orientiert – und bedürfen daher einer (über den bloßen Fiskalzweck hinausgehenden) Rechtfertigung; vgl. Hannes, Haftung, S. 10 f., S. 23 ff.; näher sogleich unter D II 1. 1014 Im Unterschied zu vielen (anderen) Fällen, in denen steuerliche Gesamtschulden entstehen, ist jedoch im Innenverhältnis zwischen Steuer- und Haftungsschuldner regelmäßig keine Aufteilung vorzunehmen, sondern der Steuerschuldner ist grundsätzlich allein verpflichtet (BFH BStBl. II 1983, 763, 764 a.E.; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 62; Klein/Ratschow, AO, § 44 Rn. 7; B.

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Im vorliegenden Zusammenhang (Praktikabilität und Erhebungseffizienz) können außerdem die indirekten Steuern genannt werden, da sie im wirtschaftlichen Ergebnis nicht den Steuerschuldner, sondern einen dritten Steuerträger (Leistungsempfänger; Erwerber; Verbraucher) belasten sollen und daher bereits strukturell auf eine Überwälzung, d.h. einen Steuerausgleich (im weiteren Sinne) angelegt sind.1015 Ferner sei – be­ sonders mit Blick auf die soeben genannten Fälle der steuerlichen Gesamtschuld, der Haftung sowie der indirekten Besteuerung – darauf hingewie­sen, dass Steuerlastverschiebungen dieser Art auch in Steuerrechtsbereichen eintreten können, die von vornherein nicht vom Leis­ tungsfähigkeitsprinzip geleitet werden, so dass ein entsprechendes Ausgleichsbedürfnis auch bei den oben angesprochenen Lenkungsteuern eintreten kann.1016 Der Aspekt der Leistungsfähigkeit ist hingegen notwendig dann betroffen, wenn die Steuerwirkungsverschiebung – zweitens – auf einer System­entscheidung des Gesetzgebers beruht, die im Bereich von Fiskalzwecknormen getroffen worden ist und dazu führt, dass „das Steuerrecht den tatsächlichen Zufluß finanzieller Leistungsfähigkeit bei einer Person nicht akzeptiert, sondern […] einer anderen Person zurechnet.“1017 Man kann insoweit von einer normativen Verlagerung von Besteuerungsgrundlagen1018 sprechen, wobei mit der im vorstehenden Absatz angeführten ersten Fallgruppe Überschneidungsbereiche bestehen.1019 Es liegt Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 32; Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 73). Umstritten ist allerdings, ob in ihrem Verhältnis zueinander überhaupt Gesamtschulden zur Entstehung gelangen und dementsprechend ein Gesamtschuldnerausgleich in Betracht kommt. Hierauf wird im 2. Teil dieser Untersuchung zurückgekommen (näher unten S. 587); zu weiteren in Betracht kommenden Ansprüchen vgl. Preißer, Gesamtschuld, S. 182 ff.; zu Besonderheiten beim Lohnsteuerabzug vgl. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rn. A 26 ff.; Kloubert, FR 2001, 465, 467 ff. 1015 Siehe nur Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7 Rz. 20; Meincke, JuS 1976, 693, 695; Schön, StuW 2004, 62, 69 sowie speziell zur Umsatzsteuer auch etwa Englisch, in: Tipke/Lang, aaO, § 17 Rz. 12; zu der (Vor-)Frage, inwieweit indirekte Steuern als leistungsfähigkeitskonform ansehen werden können, vgl. die Nachweise in Fn 604. 1016 Der Ausgleich hat sich in diesem Fall aber selbstverständlich nicht am Maßstab der Leistungsfähigkeit zu orientieren (vgl. oben bei Fn 999), sondern muss sich an der Steuerwürdigkeitsentscheidung ausrichten, die der Gesetzgeber für den jeweiligen Bereich an sich getroffen hat. 1017 Schön, StuW 2005, 247, 253. 1018 Vgl. Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 462 f. („wo der Gesetzgeber […] individuelle Besteuerungsgrundlagen Dritten zurechnet“). 1019 So lassen sich die dort angesprochenen indirekten Steuern auch hier einordnen, soweit sie als leistungsfähigkeitskonform anzusehen sind (vgl. dazu die Nach-

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überaus nahe, dass zu dieser zweiten Gruppe die von Schön in Bezug genommenen Fragestellungen aus den Bereichen der Mitunternehmer- und Konzernbesteuerung gehören.1020 So kann im Kontext der Besteuerung von Personengesellschaften beispielsweise deshalb ein Ausgleichsbedürfnis entstehen, weil die erzielten Gewinne steuerlich den Gesellschaftern zugerechnet werden, obwohl sie auf der Ebene eines Verbandes angefallen sind, der zivilrechtlich über ein eigenes, abgesondertes Vermögen verfügt, auf das die individuellen Gesellschafter im Falle einer Thesaurierung nicht zugreifen können.1021 Von einer Mehrung wirtschaftlicher Leis­ tungsfähigkeit beim Mitunternehmer wird man hier schwerlich ausgehen können, solange ihm die Verfügungsgewalt über die Mittel fehlt, die mit dem angefallenen Gewinn korrespondieren.1022 Diese und andere Problemlagen werden im Laufe der vorliegenden Untersuchung noch ausgiebig analysiert. An dieser Stelle genügt zunächst die Erkenntnis, dass ein Ausgleichsbedürfnis regelmäßig dann entsteht, wenn das Steuerrecht zu der Belastung einer Person führt, die nicht selbst Trägerin desjenigen Leistungsfähigkeitszuwachses ist, der nach der für den jeweiligen Besteuerungsbereich getroffenen gesetzgebe­rischen Grundentscheidung an sich den Anknüpfungspunkt für die steuerliche Belastung bilden müsste.1023 Erforderlich ist mithin, dass das Ergebnis der Besteuerung den an sich zugrunde gelegten Leistungsfähigkeitsindikator nicht richtig abbildet und es hierdurch zu einer maßstabswidrigen Umverteilung von Steuerfolgen unter den betroffenen Privaten kommt. Ist weise in Fn 604). Wegen ihrer gesetzlich vorausgesetzten Überwälzung mittels des Veräußerungspreises stellt sich ein zivilrechtliches Regelungsproblem in diesem Bereich jedoch regelmäßig nur dann, wenn die Rechtsfolgen der Besteuerung unrichtig ermittelt bzw. zugrunde gelegt werden; Nachweise zur rechtlichen Bewältigung derartiger Fragestellungen vor allem in § 8 unter B. 1020 Vgl. erneut Schön, StuW 2005, 247, 253. Auch insoweit können Überschneidungsbereiche mit der obigen ersten Fallgruppe bestehen; siehe insbesondere die Haftungsanordnung in § 73 AO. 1021 Dieses, aufgrund der gesetzgeberischen Systementscheidung für das Transparenzprinzip entstehende Korrekturbedürfnis bildet nicht die einzige Fragestellung, die im vorliegenden Kontext im Hinblick auf die Besteuerung von Personengesellschaften von Bedeutung ist; zu weiteren Problemfeldern ausführlich unten im 2. Kapitel des 2. Teils. 1022 Vgl. Hennrichs, FR 2010, 721, 724 und 726; Schön, FS Beisse, S. 471, 488, jeweils mit weiteren Nachweisen zu dem Diskussionsstand, der sich zum Steuer­ entnahmerecht gebildet hat; Einzelheiten ebenfalls im 2. Teil. 1023 Entsprechendes gilt (außerhalb des Anwendungsbereichs des Leistungsfähigkeitsprinzips) für den bei Fn 1016 angesprochenen Fall, dass eine Person allein aus Gründen der Praktikabilität bzw. Erhebungseffizienz mit einer Lenkungsteuer belastet wird, ohne dass sie den Vorgang selbst verwirklicht hat, der nach den Wertungen des Gesetzes die Steuerwürdigkeit begründet.

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eine solche Steuerwirkungsverschiebung gegeben, so liegt es überaus nahe, dass nicht nur das Leistungsfähigkeitsprinzip (im Wege verfassungsorientierter bzw. -konformer Auslegung) für eine Abänderung des steuerlichen Ergebnisses in Stellung gebracht werden kann,1024 sondern auch das Zivilrecht bereits aus sich heraus eine passende Anspruchsgrundlage bereitstellt.1025 Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ausgleichsfunktion laufen dann parallel – und Gleiches gilt in diesem Rahmen spiegelbildlich auch für verteilende und ausgleichende Gerechtigkeit. 3. Ausnahmen von der Ausgangshypothese Die soeben angeführten Fallgruppen haben gemein, dass die Besteuerung im Ganzen oder punktuell nicht leistungsfähigkeitsgerecht erfolgt. Darüber hinaus können aber auch Situationen auftreten, in denen ein Ausgleichsbedürfnis besteht, obwohl das Besteuerungsergebnis leistungsfähigkeitskonform ist. Es handelt sich mithin um Ausnahmen von der obigen ersten Aussage. Diese Ausnahmekonstellationen lassen sich ebenfalls in zwei Fallgruppen aufteilen. Die wichtigste Fallgruppe kann so umschrieben werden, dass der Gesetzgeber einen Verteilungsmaßstab ausgewählt hat, der zwar dem Leistungsfähigkeitsprinzip gerecht wird, nicht jedoch alle Einzelheiten der konkreten Zivilrechtslage abbildet. Mit anderen Worten nimmt der ausgewählte Leistungsfähigkeitsindikator aus sich heraus nicht sämtliche Rechtsverhältnisse in sich auf, die zwischen denjenigen Privaten bestehen, auf die sich die Besteuerung auswirkt.1026 Diese Situation kann insbesondere in den folgenden beiden Konstellationen auftreten: Zum einen sind die unter I. bereits angesprochenen Fällen betroffen, in denen die Rechtslage durch besondere vertragliche Vereinbarungen zwischen den von der Steuerrechtsanwendung betroffenen Privaten überlagert wird, ohne dass sich diese Überlagerung in dem jeweils relevanten Leistungsfähigkeitsindikator widerspiegelt. Ein Ausgleichsbedürfnis entsteht in der Praxis besonders dort, wo die Parteien sich nicht über die Wirkungen der Besteuerung im Klaren waren und hier-

1024 Siehe erneut oben S. 164 f. 1025 Zu den Einzelheiten ausführlich unten D. 1026 Liegt hingegen in der Nichtberücksichtigung der Zivilrechtslage eine Abweichung von dem zugrunde gelegten Leistungsfähigkeitsindikator, handelt es sich nicht um eine Ausnahme, sondern es gelten die soeben unter 2. gemachten Ausführungen zu Abweichungen, etwa aus Praktikabilitätsgründen.

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durch die Parität von Leistung und Gegenleistung gestört ist.1027 Ferner steht es ihnen aus zivilrechtlicher Sicht grundsätzlich offen, die Steuerlast untereinander anders zu verteilen, als dies vom Steuerrecht vorgesehen ist, so dass sie eine Ausgleichspflicht auch selbst begründen können. Ein Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsteht infolge solcher Ausgleichspflichten jedenfalls dann nicht, wenn der Steuergesetzgeber die Verteilungsentscheidung der Parteien1028 selbst ohne Verstoß gegen dieses Prinzip hätte abbilden könnte.1029 Kommt es hingegen zu einem Verteilungsergebnis, das der Steuergesetzgeber selbst nicht ohne Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip anordnen könnte, stellt sich die Frage, ob ein echter Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsteht und wie er gegebenenfalls aufzulösen ist. Hierauf wird unter E. im Gesamtzusammenhang eingegangen.1030 Den zweiten hauptsächlichen Anwendungsfall dieser ersten Fallgruppe bilden Situationen, in denen sonstige Ausgleichsrechnungen vom Ergebnis der Besteuerung beeinflusst werden. Gemeint sind die in § 1 bereits angesprochenen Fälle präexistenter, d.h. anderweitig begründeter zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche (z.B. Schadensersatzansprüche oder Bereicherungsausgleich).1031 Zumindest dann, wenn zwischen den Beteiligten keine Nähebeziehung – etwa vertraglicher oder familienrechtlicher Art – besteht, wird das Steuerrecht solche Ausgleichsansprüche in aller Regel bei der Verteilung der Steuerlast ohne Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip unberücksichtigt lassen können.1032 Aus zivilrechtlicher Sicht muss dann anhand der Wertungen, die hinter dem jeweiligen Ausgleichsanspruch stehen, ermittelt werden, ob und in 1027 Vgl. dazu bereits oben S. 191. 1028 Gleichzustellen ist ein Ergebnis, das unter Wahrung der iustitia commutativa im Wege der Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze durch den Rechtsanwender herbeigeführt worden ist. 1029 Vgl. oben S. 169. Gleiches gilt selbstverständlich erst recht dann, wenn eine der soeben unter 2. angesprochenen Situationen vorliegt (Steuerwirkungsverschiebung wegen unrichtiger Abbildung des Leistungsfähigkeitsindikators durch das Steuerrecht) und die Parteien den leistungsfähigkeitsgerechten Zustand lediglich selbst (vertraglich) herstellen. 1030 Unter D III 4. wird ferner die parallele Fragestellung behandelt, die entsteht, wenn die Parteien einen an sich bestehenden zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch abbedingen, dessen Erfüllung zu einem leistungsfähigkeitsgerechten Gesamtergebnis führen würde. 1031 Vgl. dazu auch Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 115 ff. mit Beispielen. 1032 Läge es hingegen in der Konsequenz des gewählten Leistungsfähigkeitsindikators, dass der entsprechende Anspruch steuerliche Berücksichtigung finden müsste, handelte es sich wiederum um eine Situation der unter 2. beschriebenen Art.

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welcher Weise sich das Ergebnis der Besteuerung auf die Anspruchshöhe auswirkt. Konflikte mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip sind regelmäßig nicht zu befürchten, da der Ausgleichsanspruch das Gerechtigkeitsanliegen des Steuerrechts nicht beeinträchtigt, sondern lediglich punktuell auf eine spezielle Zivilrechtslage reagiert, die vom Steuerrecht systemkonform selbst nicht abgebildet wird.1033 Allerdings können Wertungen des Steuerrechts bei der zivilrechtlichen Rechtsfindung im Einzelfall durchaus eine Rolle spielen.1034 Auf weitere Einzelheiten wird im Gesamtzusammenhang unter F. eingegangen. Beide Situationen, die dieser ersten Fallgruppe angehören, haben mithin gemein, dass die ansonsten bestehende Rechtslage durch eine besondere zivilrechtliche Situation (vertragliche Vereinbarung; anderweitig begründeter präexistenter Anspruch) überlagert wird und dies zur Folge hat, dass die Besteuerung systemimmanent, d.h. aus Sicht des gewählten Leis­tungsfähigkeitsindikators konsequent, nicht alle konkret von ihr betroffenen Personen und die zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse abbildet. Dies lässt eine Verfeinerung der eingangs formulierten Ausgangshypothese zu, die sogleich unter 5. erfolgen wird. Neben dieser ersten Fallgruppe lässt sich eine weitere denkbare Konstellation anführen, bei der eine zivilrechtliche Abänderung eines leistungsfähigkeitskonformen steuerlichen Ergebnisses in Betracht kommt: Auch außerhalb der soeben beschriebenen Überlagerungskonstellationen erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage leistungsfähigkeitskonforme Besteuerungsergebnisse abändert, weil sie anderen Gerechtigkeitswertungen folgt, als vom Steuerrecht für den betroffenen Regelungsbereich zugrunde gelegt werden. Ein Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip besteht wiederum dann nicht, wenn die Zivilrechtsanwendung zu einem Ergebnis führt, das sich (in absoluter wie in relativer Hinsicht) im Rahmen einer möglichen leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung hält.1035 Ist dies nicht der Fall, laufen steuerliche Verteilungsgerechtigkeit und zivilrechtliche Ausgleichsfunktion auseinander, so dass ein Wertungskonflikt entsteht. Hierbei handelt es sich allerdings um einen Grenzfall, der – soweit Verf. ersichtlich – im geltenden Recht nicht vorkommt. Auf die Behandlung

1033 Die Einbeziehung in die Ausgleichsrechung bewirkt mithin in aller Regel keine maßstabswidrige Ungleichverteilung; Einzelheiten unten F III. 1034 Vgl. vorläufig die Beispiele aus dem Schweizer Recht bei Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 115 ff. 1035 Vgl. wiederum oben S. 169.

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derartiger (hypothetischer) Situationen wird unter E. zurückzukommen sein. 4. Sonderfall: Vorteilspartizipation Besondere Beachtung verdienen Situationen, bei denen mehrere Steuerpflichtige zu einer Gemeinschaft zusammengefasst werden, die einheitlich der Besteuerung unterliegt und der hieraus ein Gesamtvorteil erwächst, der bei isolierter Besteuerung ihrer Mitglieder nicht angefallen wäre (Beispiel: saldomäßige Minderbelastung zusammen veranlagter Ehegatten aufgrund des Splittingtarifs). In solchen Fällen kommt es regelmäßig zu einer Überlagerung verschiedener Aspekte, die im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind. Insbesondere kann die Verhältnisbestimmung zum Leistungsfähigkeitsprinzip Schwierigkeiten bereiten: In derartigen Situationen kann ein Ausgleichsbedürfnis zunächst deshalb bestehen, weil die Steuerlast einem oder mehreren Beteiligten ohne Rücksicht auf den bei ihm tatsächlich eingetretenen (internen) Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auferlegt wird. Jedenfalls in Bezug auf die daraus erwachsenden Nachteile kommt es zu einer maßstabswidrigen, weil nicht leistungsfähigkeitsgerechten Steuerlastverschiebung. Folglich muss – entsprechend den Ausführungen unter 2. – ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab gefunden werden, der sich regelmäßig daran zu orientieren hat, wie die Beteiligten bei isolierter Besteuerung stünden.1036 Demgegenüber betrifft die hier primär interessierende Frage der Vorteilsverteilung eine andere Ebene. Dies wird daran deutlich, dass sie sich auch dann stellt, wenn im Falle einer aus zwei Personen bestehenden Gemeinschaft der eine Beteiligte so behandelt wird wie ein Steuerpflichtiger, der isoliert besteuert wird, während der steuerliche Gesamtvorteil ausschließlich beim anderen Beteiligten anfällt. In Bezug auf die Frage, wem dieser Vorteil zuzuweisen ist, muss zwischen zwei grundsätzlich unterschiedlichen Situationen differenziert werden: Denkbar ist zum einen, dass die Besserbehandlung der Gruppe leistungsfähigkeitsgerecht ist. Dann bedarf sie vor Art. 3 Abs. 1 GG keiner Rechtfertigung. Streng genommen ist es hier unzutreffend, überhaupt von einem „Vorteil“ zu 1036 Vgl. die obigen Ausführungen zum Gesamtschuldnerausgleich (bei Fn 1010), der ohnehin häufig mit Situationen der hier beschriebenen Art zusammentreffen wird. Denkbar ist allerdings eine Überlagerung der allgemeinen schuldrechtlichen Ansprüche durch besondere Ausgleichssysteme, wie etwa dem Unter­ haltsanspruch bei (zusammen veranlagten) Ehegatten (dazu näher im 1. Kapitel des 2. Teils).

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sprechen, denn es fehlt an einer echten Begünstigung.1037 Da die steuerliche Behandlung der Gruppe dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht, werden diesem in aller Regel auch Folgerungen für die interne Zuweisung des positiven Steuereffekts zu entnehmen sein, so dass es für Fälle dieser Art Aussagekraft besitzt. Hiermit eng verwandt sind Konstellationen, in denen eine typisierende Vorschrift, die den praktischen Regelfall leistungsfähigkeitskonform abbildet, in atypischen Fällen zu einer Gruppenbegünstigung führt. Dann ist zu fragen, ob aus den Gründen, auf denen die Typisierung beruht, Ableitungen für die Vorteilsverteilung getroffen werden können. Davon zu trennen sind Situationen, in denen die Steuerersparnis aus einer gesetzgeberischen Ausgestaltungsentscheidung resultiert, die bereits im Grundsätzlichen nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Übereinstimmung zu bringen ist und daher zu einer echten Begünstigung der betroffenen Gruppe führt. Betroffen sind mithin punktuelle Lenkungsnormen mit subventionierendem Charakter, so dass es sich um einen Unterfall der unter 2. analysierten Fallgruppe von Gesetzen und Einzelvorschriften handelt, die schon im Ausgangspunkt von anderen Sachgesetzlichkeiten als dem Leistungsfähigkeitsprinzip geleitet werden.1038 Für die Frage der Vorteilszuweisung lassen sich dem Leistungsfähigkeitsprinzip hier keinerlei Aussagen entnehmen: Zwar folgt aus ihm, dass die Besserbehandlung der Gruppe gerechtfertigt werden muss. Für den Aspekt der Vorteilspartizipation lässt es jedoch keine Schlüsse zu. Denn erstens beruht die Gewährung des Gruppenvorteils auf Wertungen, die vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichen und für die es daher auch keine Aussagekraft besitzt. Und zweitens ist das Leistungsfähigkeitsprinzip ohnehin nur auf eine gerechte Verteilung von Steuerlasten ausgerichtet. Es hat mithin die Funktion sicherzustellen, dass die steuerliche Belastung bei wertungsmäßig gleicher wirtschaftlicher Ausgangslage auch gleich ausfällt. Die Verteilung echter Vorteile1039 betrifft jedoch den umgekehrten Fall: Es geht nicht um Leistungsfähigkeit, sondern um Vorteilswürdigkeit. Ableitungen für die Zuweisung der Steuerersparnis lassen­sich mithin nur denjenigen Gründen entnehmen, auf denen die 1037 Auf Einzelheiten zu der Frage, wie zu bestimmen ist, ob ein (echter) Vorteil bzw. Nachteil vorliegt, wird im Zusammenhang mit der Ehegattenbesteuerung im 1. Kapitel des 2. Teils dieser Untersuchung eingegangen. 1038 Siehe zu dieser Fallgruppe oben S. 195 f. Die hier aufgeworfene Frage der Vorteilspartizipation stellt sich allerdings nur dann, wenn der jeweilige Besteuerungsbereich ansonsten vom Leistungsfähigkeitsprinzip beherrscht wird, denn andernfalls fehlt es an einem Bezugspunkt für die Bestimmung, ob ein Vorteil (oder auch ein Nachteil) vorliegt. 1039 Vgl. bei Fn 1037.

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verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips beruht. 5. Verfeinerung der Ausgangshypothese Sieht man von dem zuletzt angeführten Aspekt der Vorteilsausgleichung sowie der am Ende von 3. angesprochenen Situation einer abweichenden zivilrechtlichen Gerechtigkeitsvorstellung außerhalb von Überlagerungssituationen (als eher theoretischem Fall) einmal ab, lässt sich festhalten, dass ein zivilrechtliches Korrekturbedürfnis bei steuerlichen Wirkungen namentlich in zwei Fällen in Betracht kommt: Entweder wird die Steuerlast abweichend vom tatsächlichen Leistungsfähigkeitszuwachs verteilt und führt deshalb zu einem Ungleichgewicht zwischen den betroffenen Privaten. Oder unter ihnen besteht ein besonderes Rechtsverhältnis – insbesondere in Form einer vertraglichen Vereinbarung oder eines präexistenten Ausgleichsanspruchs –, das von der Besteuerung beeinflusst wird und daher die Einbeziehung des steuerlichen Ergebnisses gebietet. Im ersten Fall werden Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ausgleichsfunktion in aller Regel miteinander konform gehen. Im letzten Fall kommt es jedenfalls in aller Regel zu keinem Gegensatz.1040 Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen lässt sich die obige Ausgangsthese wie folgt präziser fassen: (1) Es besteht grundsätzlich kein zivilrechtlicher Korrekturbedarf, wenn die Steuerrechtsanwendung einen leistungsfähigkeitskonformen Zustand herbeiführt und der gewählte Leistungsfähigkeitsindikator alle von dem steuerlichen Ergebnis konkret betroffenen Personen berücksichtigt und die zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse vollständig und sachgerecht abbildet. (2) Umgekehrt entsteht ein ausgleichsbedürftiger Zustand unter mehreren konkret beteiligten Privaten häufig dann, wenn Steuerfolgen abweichend vom tatsächlich vorhandenen Zuwachs oder Abfluss an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zugeteilt werden, oder wenn die Zivilrechtslage bei der Steueranknüpfung (sonst) keine vollständige Berücksichtigung gefunden hat.

1040 Zu weiteren Einzelheiten siehe die folgenden Abschnitte.

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D. Gebotenheit eines Ausgleichs aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips I. Ausgangspunkt und Vorgehensweise Im Folgenden werden die oben1041 angeführten Situationen näher untersucht, in denen das Leistungsfähigkeitsprinzip für einen zivilrechtlichen Ausgleich unter den von der Besteuerung betroffenen Privaten streitet.1042 Zwischen diesen Situationen bestehen zwei wesentliche Gemeinsamkeiten, die eng miteinander zusammenhängen: Erstens handelt es sich um Besteuerungsbereiche, in denen das Leistungsfähigkeitsprinzip zwar grundsätzlich abgebildet wird, die Steuerlast jedoch – sei es aus Gründen der Praktikabilität, Erhebungseffizienz bzw. zur Sicherung des Steueranspruchs, sei es aufgrund einer Systemstrukturentscheidung des Gesetzgebers1043 – abweichend von der dort eigentlich relevanten Ausprägung an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bzw. ihrem tatsächlichen Umfang verteilt wird, ohne dass hierbei Lenkungszwecke verfolgt werden.1044 Zweitens haben diese Situationen gemein, dass die beteiligten Privaten 1041 Siehe S. 196 ff. sowie auch bereits S. 164 f. und unter B. 1042 Auf den umgekehrten Fall wird im Anschluss (unter E.) eingegangen. Unter F II. werden diejenigen Situationen zusammengefasst, für die das Leistungsfähigkeitsprinzip in dieser Hinsicht keine Aussagekraft besitzt. 1043 Denkbar ist auch die bei Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht S. 505 ff., S. 513 ff. in Bezug genommene Situation, dass zivilrechtliche Gestaltungen nicht von den Finanzgerichten anerkannt werden und hierdurch die tatsächlich vorhandene Leistungsfähigkeitsverteilung verfälscht wird. Wenn sich eine so umschriebene Steuerlastverschiebung kraft Rechtsanwendung im Einzelfall feststellen lässt, wird dies regelmäßig bereits dem Regelungsziel der zugrun­ de liegenden Steuerrechtsnormen nicht gerecht, soweit diese auf dem Leistungsfähigkeitsprinzip beruhen (vgl. erneut – in allgemeinerem Kontext – Schön, StuW 2005, 247, 249 ff., 251). Folglich werden sie sich häufig schon auf der vorgelagerten Besteuerungsebene als verfehlt erweisen (vgl. Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 382 a.E.). Tritt eine solche Situation allerdings auf, so stellt sich in der Tat die Frage des Innenausgleichs, die in prinzipiell gleicher Weise zu beantworten ist, wie hier für gesetzgeberische Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip herausgearbeitet wird (im gleichen Sinne Schön, aaO, S. 253); zu dem von Knobbe-Keuk konkret angesprochenen Problemkreis der „Nichtanerkennung“ von Familienpersonengesellschaften bzw. der dort vereinbarten Gewinnverteilungsabrede siehe aus steuerrechtlicher Sicht insbesondere Flume, StbJb 1976/77, 43, 44 ff.; dens., DB 1973, 786, 788 ff.; Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 323 ff., S. 330 ff. sowie auch etwa L. Osterloh, Ge­setzesbindung, S. 360 ff.; Schön, StuW 1996, 275, 286; zur Zivilrechtslage vgl. Felix/Streck, DB 1975, 2213, 2213 ff.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht S. 516 ff. 1044 Lenkungsteuern bzw. -normen sind hingegen aus den auf S. 195 f. und S. 204 f. genannten Gründen nicht betroffen.

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vom Steuerrecht zu einer (weit verstandenen) Gemeinschaft zusammenfasst werden, innerhalb derer die stattfindet. Dieser letzte Punkt ist aus folgenden Gründen von besonderer Relevanz: Aus zivilrechtlicher Perspektive können von vornherein nur Verteilungsentscheidungen abgeändert werden, die sich innerhalb eines ganz bestimmten, abgrenzbaren Personenkreises auswirken, da andernfalls ein Ausgleichsanspruch schon regelungstechnisch nicht in Betracht kommen dürfte und sich – fundamentaler – wohl auch keine Legitimation für eine zivilrechtliche Abänderung finden ließe.1045 Aber auch aus dem Blickwinkel des Leistungsfähigkeitsprinzips ist dieser Gesichtspunkt nicht minder bedeutsam: Es kann naturgemäß nur dort für einen Ausgleich streiten, wo sich eine Verschiebung von Steuerfolgen feststellen lässt, die nicht mit ihm in Übereinstimmung steht. Dies kommt nur innerhalb desselben Besteuerungsbereiches in Betracht, da die Frage, ob eine entsprechende Ungleichverteilung vorliegt, nur auf Grundlage des jeweils einschlägigen Leistungsfähigkeitsindikators beantwortet werden kann.1046 Erforderlich ist ferner, dass das Steuerrecht die beteiligten Privaten in einer gewissen, von der konkret abgeschöpften Ausprägung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit abhängigen Zusammenschau bewertet, denn andernfalls kommt die notwendige maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung (und damit ein gegenläufiges verfassungsgeleitetes Korrekturbedürfnis) von vornherein nicht in Betracht. Betroffen sind mithin Fälle, in denen es um eine Korrektur punktuell leistungsfähigkeitswidriger Steuerlastverteilungsentscheidungen geht. An diesen Zusammenhängen wird zugleich deutlich, dass die Fragestellung – wie bereits einleitend herausgestellt1047 – erhebliche verfassungsrechtliche Relevanz aufweist. Die Fallgruppenanalyse im 2. Teil dieser Untersuchung wird zeigen, dass dieser Aspekt namentlich in der Rechtsprechung der Zivilgerichte bisher zu wenig Berücksichtigung gefunden hat.1048 Diese verfassungsrechtliche Dimension wird, zusammen mit spezifisch steuerrechtlichen Aspekten, unter II. näher untersucht. Anschließend soll die Fragestellung primär aus dem Blickwinkel des Zivilrechts analysiert werden (unter III.).

1045 Vgl. (mit Blick auf die Funktionen des Schuldrechts) auch Wendehorst, Anspruch, S. 7: „[…] hat es doch vordringlich zum Anliegen, im Verhältnis weniger Rechtssubjekte untereinander eine gerechte Vermögensverteilung zu schaffen.“ 1046 Vgl. oben § 5. 1047 Siehe oben S. 13. 1048 Vgl. auch bereits die Nachweise auf S. 8.

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II. Verfassungs- und steuerrechtliche Aspekte 1. Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich Da die entsprechenden steuerrechtlichen Vorschriften vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichen, bedürfen sie einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die Ausführungen zum verfassungskräftigen Charakter des Leistungsfähigkeitsprinzips in § 5 zeigen nämlich, dass in den hier betrachteten Situationen eine absolut leistungsfähigkeitswidrige Besteuerung im dort erläuterten Sinne vorliegt,1049 denn es wird jeweils ein Zugang an Geld bzw. Gütern mit Geldeswert besteuert, der in der (zivilrechtlich vorgeprägten) Lebenswirklichkeit nicht bei der zur Steuerzahlung herangezogenen Person, sondern bei einem Dritten angefallen ist. Entsprechende Tatbestände sind mithin vor Art. 3 Abs. 1 GG1050 zu rechtfertigen.1051 Jedenfalls dann, wenn die Rechtsordnung keine effektiven Ausgleichsmechanismen bereitstellt, wird man sachliche Gründe verlangen müssen, die erhebliches Gewicht aufweisen, da die Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip in diesem Fall ein hohes Ausmaß erreicht.1052 Dies gilt namentlich für solche Besteuerungsbereiche, in denen der Innenausgleich in der Praxis wegen fehlender Solvenz des Ausgleichsschuldners häufig wirtschaftlich leer läuft – was etwa bei zahlreichen Haftungstatbeständen der Fall sein kann,1053 so dass an die Rechtfertigung entsprechender Vorschriften hohe Anforderungen gestellt werden müssen.1054 1049 Siehe oben S. 135 ff. 1050 Zur hauptsächlichen Verankerung des Leistungsfähigkeitsprinzips im allgemeinen Gleichheitssatz ausführlich oben S. 113 ff., S. 121 ff. Reichweite und Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips werden im Einzelfall ferner von weiteren Verfassungsvorschriften mitbestimmt; siehe wiederum vor allem S. 121 ff. Wenn hier und im Folgenden im Zusammenhang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nur Art. 3 Abs. 1 GG in Bezug genommen wird, handelt es sich um eine Vereinfachung, die allein der darstellerischen Stringenz geschuldet ist. 1051 Wie im Folgenden gezeigt wird, gilt dies auch dann, wenn das Zivilrecht einen Ausgleichsanspruch bereitstellt. 1052 Zu den tendenziell hohen Rechtfertigungsanforderungen, die bei Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip richtigerweise erfüllt sein müssen, siehe oben § 5. 1053 Vgl. insbesondere § 219 Satz 1 AO und dazu etwa Blesinger, Haftung, S. 14. Im Innenverhältnis ist in aller Regel ausschließlich der Steuerschuldner verpflichtet (siehe oben Fn 1014). 1054 Da die Haftungstatbestände in aller Regel einen Steuerzugriff bei Personen ermöglichen, die den im jeweiligen Besteuerungsbereich relevanten Leistungsfähigkeitszuwachs selbst nicht erzielt haben (bzw. sonst vom materiellen Steuerrecht als steuerwürdig angesehen werden), sind sie vor Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen; ebenso Bax, Haftung, passim, insbesondere S. 56 f., S. 83 ff.; Han-

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Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch die verfassungsrechtliche Dimension des Innenausgleichs in anderen betroffenen Fallkonstellationen, etwa der Mitunternehmerbesteuerung:1055 Wo die Steuerwirkungsverschiebung auf einer einfachgesetzlichen Strukturentscheidung beruht, die nicht durch spezielle Zwecke wie Erhebungseffizienz oder Anspruchssicherung veranlasst ist und daher ohne größere Schwierigkeiten durch eine Ausgestaltung ersetzt werden könnte, die das Leistungsfähigkeitsprinzip vertretbar abbildet, wird ohne einen werthaltigen Ausgleichsanspruch häufig die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit des betroffenen Steuergesetzes überschritten sein, da der entsprechende Einschnitt in die Verteilungsgerechtigkeit nicht erforderlich1056 ist. Es vermag daher nicht zu verwundern, dass steuerliche Regelungen, die zu der hier beschriebenen Verlagerung von steuerlichen Belastungen führen, teilweise damit gerechtfertigt werden, dass das Zivilrecht Ausgleichsansprüche bereitstellt.1057 Dem liegt (unausgesprochen) die zutreffende Erkenntnis zugrunde, dass der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch zur Verfassungsmäßigkeit des an sich leistungsfähigkeitswidrig konzipierten Steuertatbestandes beitragen kann: Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich. Ob die Einräumung des jeweiligen Anspruchs dafür ausreicht, ist allerdings eine Frage des Einzelfalls. Hierbei geht es – anders als dies bei Schön im Ausgangspunkt anklingt1058 – nicht so sehr darum, „Systembrüche“ bzw. Wertungswidersprüche zwischen den Teilrechtsordnungen Steuerrecht und Zivilrecht nes, Haftung, S. 10 f. Ob der Gedanke der Sicherung des Steueranspruchs, der ihnen als gesetzgeberisches Motiv zugrunde liegt (Nachweise in Fn 1011), in Zusammenschau mit dem konkreten Anknüpfungspunkt des jeweiligen Tatbestandes (vgl. dazu Steeger, Haftung, S. 22 ff.) geeignet ist, sämtliche im geltenden Recht verankerten Haftungsnormen zu rechtfertigen, ist nicht zweifelsfrei (vgl. auch Hannes, aaO, S. 23 ff.); zu den Tatbeständen der AO siehe Bax, aaO, S. 19 ff., S. 56 ff., S. 83 ff.; zu den zivilrechtlichen Haftungsvorschriften, die nach herrschender Meinung (statt vieler Klein/Rüsken, AO, § 69 Rn. 165 ff.; Blesin­ger, Haftung, S. 124; a.A. Schick, Haftung, S. 20 ff.) ebenfalls steuerliche Haftungsschulden begründen, vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 6 Rz. 77. 1055 Siehe zu der dort bestehenden Problemstellung bereits skizzenhaft oben S. 198 f. Auf die Einzelheiten und weitere betroffene Fallgruppen wird im 2. Teil eingegangen. 1056 Siehe wiederum Fn 1052. 1057 Vgl. Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 295 a.E.; Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 125 (jeweils zur transparenten Besteuerung von Personengesellschaften); siehe in diesem Zusammenhang auch die sogleich in Fn 1062 in Bezug genommene Diskussion. Nicht hierhin gehört die von Hey, AöR 128 (2003), 226, 227 ff. erörterte „Saldierungs“- Problematik, da sie sich auf kompensatorische Wirkungen innerhalb des Steuerrechts selbst bezieht. 1058 Vgl. Schön, StuW 2005, 247, 252 f.

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zu verhindern, denn das Zivilrecht greift in diesen Fällen gar nicht (von sich aus) störend in das Steuerrecht und seine Wertungen ein. Vielmehr soll hier ein vom Steuerrecht selbst geschaffener Zustand, der vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips rechtfertigungsbedürftig ist, mit Mitteln des Zivilrechts kompensiert werden – was auch möglich und geboten ist, da sich die verfassungsrechtliche Bewertung auf die einfachgesetzliche Gesamtregelung bezieht.1059 Man kann in diesem Zusammenhang daher zwar durchaus von „einer ‘kongruenten’ oder ‘folgerichtigen’ Abstimmung der beiden gleichrangigen Teilrechtsordnungen“ sprechen,1060 muss sich aber darüber im Klaren sein, dass es hier nicht – wie üblicherweise bei dieser Begriffsverwendung – um die rechtsgebietsübergreifende Auflösung von Wertungsunterschieden geht, sondern vielmehr darum, das Zivilrecht für die Bereinigung eines nicht von ihm verursachten, verfassungsrechtlich problematischen Zustands in Dienst zu nehmen. Ob sich der Gesetzgeber steuerrechtlicher Regelungstechniken oder zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche bedient, um einen verfassungskonformen Gesamtzustand herzustellen, bleibt selbstverständlich ihm überlassen.1061 Muss die Kompensation auf zivilrechtlicher Grundlage erfolgen, weil das Steuerrecht selbst keinen entsprechenden Mechanismus bereitstellt, genügt es allerdings im Allgemeinen nicht, die beteiligten Privaten auf die Möglichkeit eines vertraglichen Ausgleichs zu verweisen, da der benachteiligte Teil eine solche Abrede nicht erzwingen kann.1062 Etwas anderes mag lediglich in Besteuerungssituationen gelten, 1059 Vgl. die Nachweise in Fn 444, insbesondere BVerfGE 82, 60, 83 ff. sowie etwa auch BVerfGE 99, 246, 266 f.; BVerfGE 81, 228, 238 f.; siehe speziell zum vorliegenden Zusammenhang auch bereits oben S. 164 f. 1060 So Schön, StuW 2005, 247, 253. 1061 Vgl. für den vorliegenden Kontext Schön, StuW 2005, 247, 253 und (deutlicher) 255 sowie die in Fn 1059 in Bezug genommenen allgemeineren Nachweise. 1062 Gleichsinnig Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 156 f.; für das Unternehmenssteuerrecht skeptisch auch Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 25 f.; vgl. ferner Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 35 Rn. 25 a.E.; wenig überzeugend hingegen der (in anderem Kontext erfolgte) Hinweis in BVerfGE 120, 1, 52 ff. auf zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. auch BVerfGE 125, 1, 33; siehe zu diesem Fragenkreis aus dem Schrifttum etwa Hennrichs, FS Lang, S. 237, 245; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 127; Seer/ Drüen, BB 2000, 2176, 2178 ff.; Schulze-Osterloh, GS Knobbe-Keuk, S. 531, 537 f.). Jedenfalls in dem hier zu behandelnden Zusammenhang kommt eine derar­tige Argumentation nicht in Betracht, da eine vertragliche Einräumung von Ansprüchen nicht auf die Herbeiführung einer für alle Beteiligten positiven Steuer­folge gerichtet wäre, sondern auf eine zivilrechtliche Umverteilung der Steuerlast hinausliefe, die sich erheblichen Widerständen ausgesetzt sähe (vgl.

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in denen zwischen den beteiligten Privaten typischerweise vertragliche Vereinbarungen bestehen und sich über die Instrumente des Vertragsrecht oder andere einschlägige Regelungsmechanismen zumindest für den Regelfall ein entsprechender Ausgleichsanspruch ableiten lässt.1063 Ist eine solche Situation hingegen nicht gegeben, wird man den Gesetzgeber als verpflichtet ansehen müssen, eine gesetzliche Anspruchsgrundlage bereitzustellen, aus der sich der Ausgleich ergibt.1064 Ob und inwieweit die Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip durch die zivilrechtliche Ausgleichsregelung gerechtfertigt werden kann, hängt – wie eingangs bereits angesprochen – zudem von ihrer Effektivität ab, was insbesondere zur Folge hat, dass eine anderweitige Rechtfertigung erforderlich ist, wenn der Ausgleich im praktischen Regelfall nicht durchgesetzt werden kann. Hieran wird zugleich deutlich, dass der Innenausgleich für den steuerlich zu stark belasteten Beteiligten ganz generell von geringerem Wert ist als eine von vornherein leistungsfähigkeitsgerechte (weniger belastende) Besteuerung: Es obliegt nämlich ihm, den Anspruch mit allen Prozess- Vollstreckungs- und Insolvenzrisiken durchzusetzen. Ferner sei betont, dass auch ein Vollzug des Ausgleichs nichts an der Leistungsfähigkeitswidrigkeit der Besteuerung ändern kann, denn er führt nicht etwa diejenige Leistungsfähigkeitssteigerung herbei, an die die Besteuerung eigentlich anknüpfen müsste, sondern korrigiert lediglich punktuell die eingetretene Steuerfolge. Folglich kann der Ausgleichsanspruch an der Ungleichbehandlung,1065 die durch die leis­tungsfähigkeitswidrige Besteuerung hervorgerufen wird, nichts ändern – und ist damit, wie in der bisherigen Darstellung auch vorausgesetzt, erst auf Rechtfertigungsebene von Bedeutung.1066 Schothöfer, aaO; a.A. aber anscheinend BFH BStBl. II 2010, 116, 120; vgl. auch BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 628). 1063 Vgl. in diesem Zusammenhang auch unten III 3. und 4. Abweichend stellt sich die Rechtslage selbstverständlich auch dann dar, wenn das Eingreifen des Steuergesetzes, das die Steuerlastverschiebung bewirkt, bereits selbst von der Exis­tenz eines entsprechenden vertraglichen Ausgleichsanspruchs abhängt. Hieran ist insbesondere bei der Organschaftsbesteuerung zu denken, soweit das Gesetz die rechtsträgerübergreifende Besteuerung hier vom Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags abhängig macht (vgl. dazu bereits oben Fn 70). 1064 Da es in aller Regel an speziellen Vorschriften fehlt (vgl. bereits oben bei und in Fn 977 sowie sogleich unter III.), werden die allgemeinen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen Anwendung finden. Sie sind regelmäßig auch wertungsoffen genug, um einen Ausgleich zu ermöglichen; näher unten III 2. 1065 Vgl. Fn 1049. 1066 Zu der hier zugrunde gelegten Trennung zwischen der Ebene der (Un-)Gleichbehandlung einerseits und der Ebene der Rechtfertigung andererseits vgl. oben S. 113 ff., insbesondere Fn 614, Fn 652 sowie auch Fn 781.

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2. Verfassungsorientierte Auslegung Die Ausführungen unter 1. hatten hauptsächlich den Fall im Blick, dass die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen, die aus dem Leis­ tungsfähigkeitsprinzip folgen (erste Ausprägung),1067 ohne den zivilrechtlichen Ausgleich nicht eingehalten wären, was zur Verfassungswidrigkeit des jeweils einschlägigen Steuertatbestandes führte. Wie bereits dargestellt,1068 ist in solchen Fällen eine verfassungskonforme Auslegung der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen des Zivilrechts vorzunehmen, die in aller Regel auch möglich sein wird. Hierauf wird sogleich unter III. im Rahmen der Schilderung des zivilrechtlichen Gesamtkontextes eingegangen. Aber auch dann, wenn die Steuerlastverschiebung bereits ohne die Existenz eines Ausgleichsanspruchs gerechtfertigt wäre (etwa aus Gründen der Sicherung des Steueranspruchs), ist ein zivilrechtlicher Ausgleich aus der Perspektive des Leistungsfähigkeitsprinzips wünschenswert, so dass – soweit möglich – eine entsprechende verfassungsorientierte Auslegung des Zivilrechts vorzunehmen ist. Im Unterschied zur verfassungskonformen Auslegung hat diese Vorgehensweise allerdings zur Voraussetzung, dass weder der im Steuerrecht noch der im Zivilrecht verfolgte Regelungsplan ein anderes Ergebnis einfordert,1069 wobei an dieser Stelle zunächst im Schwerpunkt auf die steuerrechtliche Perspektive eingegangen werden soll:1070 Der Regelungsplan des Steuerrechts wird einer entsprechenden leistungsfähigkeitskonformen Auslegung in aller Regel nicht entgegenstehen. Das ist besonders in solchen Bereichen offensichtlich, in denen das Steuerrecht selbst erkennen lässt, dass ein Ausgleich in Betracht kommt bzw. sogar systemimmanent ist. Als Beispiele seien wiederum die steuerliche Gesamtschuld, die Haftung sowie die indirekte Besteuerung bei an sich leistungsfähigkeitskonformen Steuern angeführt.1071 Aber auch in den übrigen Konstellationen der eingangs beschriebenen Art1072 werden steuerliche Wertungen einem internen Ausgleich nicht entgegenstehen. Denn der Gesetzgeber hat die Besteuerung hier grundsätzlich am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtet, also zu verstehen gegeben, dass er prinzipiell ein verteilungsgerechtes Ergebnis anstrebt. 1067 Siehe oben §§ 5, 6, zusammenfassend S. 165. 1068 Vgl. insbesondere oben S. 164 f. 1069 Näher oben § 6, insbesondere S. 164. 1070 Der zivilrechtliche Blickwinkel wird sogleich unter III. erörtert. 1071 Siehe schon oben S. 196 ff. 1072 Siehe oben S. 206 f.

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Da die Abweichung, die über die Steuerwirkungsverschiebung herbeigeführt wird, in diesen Bereichen auch nicht auf einer gesetzgeberischen Entscheidung beruht, wonach insoweit (ausnahmsweise) ein anderer Verteilungsmaßstab zur Anwendung gebracht werden soll,1073 ist nichts dafür ersichtlich, dass das Besteuerungsergebnis als im Innenverhältnis definitives gewollt ist. Daher lässt das Steuerrecht Raum für einen Ausgleich, der ein verteilungsgerechtes wirtschaftliches Gesamtergebnis herbeiführt. Wenn das Zivilrecht – wie regelmäßig1074 – eine hinreichend wertungsoffene Anspruchsnorm bereitstellt, streitet mithin das hohe Abwägungsgewicht des Leistungsfähigkeitsprinzips1075 für einen Ausgleich.1076

III. Zivilrechtliche Aspekte 1. Ausgangspunkt Aus dem Blickwinkel des Zivilrechts stellt sich die Fragestellung als deutlich vielschichtiger dar. Im Ausgangspunkt kann festgehalten werden, dass die geltende Zivilrechtsordnung nur selten spezielle Vorschriften bereitstellt, die die Frage der Steuerlastverteilung (mit)erfassen.1077 Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen sind zudem häufig interpretationsbedürftig, weil sie allgemein für die Kosten- bzw. Lastentragung im jeweiligen Sachbereich gelten.1078 Es bedarf daher im Hinblick auf die in diesem Abschnitt betrachteten Situationen, in denen eine zivilrechtliche Korrektur der im Steuerrecht vorgenommenen Lastenverteilung verfassungsrechtlich erforderlich ist bzw. das Leistungsfähigkeitsprinzip eine solche zumindest nahe legt, in aller Regel eines Rückgriffs auf die allgemeinen Grundsätze und Ausgleichsansprüche des Zivilrechts. Wie bereits angesprochen,1079 können hierzu – abhängig von der konkreten normativen Situation – insbesondere der Gesamt1073 Dies ist bei Lenkungsnormen anders, so dass ihr Sinn und Zweck einer Korrektur entgegenstehen kann; näher oben S. 195 f. 1074 Einzelheiten sogleich unter III. 1075 Vgl. oben S. 168 ff. 1076 Häufig wird jedoch keine Prinzipien- und Wertungsabwägung erforderlich sein, denn auch die Ausgleichsfunktion des Zivilrechts spricht in solchen Situationen für einen Ausgleich; siehe bereits oben S. 199; Weiteres unten III 2. 1077 Siehe aus dem BGB die bereits von Meincke, JuS 1976, 693, 694 angeführten §§ 436 Abs. 2, 448, 748, 1047, 2022 Abs. 2, 2379 Satz 3. 1078 Vgl. zu entsprechenden vertragsrechtlichen Regelungen auch bereits oben S. 189 f. sowie wiederum Meincke, JuS 1976, 693, 694; siehe speziell zur Reichweite der §§ 995, 1047 BGB Schön, ZHR 155 (1991), 247, 271 f. 1079 Siehe oben S. 187 ff.

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schuldner- oder Bereicherungsausgleich, Aufwendungsersatzregelungen, gesetzliche Ansprüche aus Gebieten des Sonderprivatrechts, die (ergänzende) Vertragsauslegung sowie gegebenenfalls auch die Geschäftsgrundlagenlehre und andere Korrekturmechanismen des Vertrags- und Leis­ tungsstörungsrechts berufen sein. Im Folgenden werden die in Betracht kommenden Problemlagen primär aus zivilrechtlicher Perspektive beleuchtet, wobei im Ausgangspunkt danach unterschieden wird, ob ausschließlich gesetzliche Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen (unter 2.) oder zwischen den Beteiligten (auch) vertragliche Bindungen bestehen (unter 3. und 4.).1080 2. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen Betrachtet werden sollen zunächst diejenigen Situationen, in denen vertragliche Vereinbarungen keine Rolle spielen, so dass ausschließlich die bestehenden gesetzlichen Anspruchsgrundlagen relevant sind. Ob und inwieweit das Leistungsfähigkeitsprinzip sich hier durchsetzen kann, hängt von zwei Gesichtspunkten ab, die eng miteinander zusammenhängen. Der erste Aspekt betrifft die verfassungsrechtliche Ausgangslage: Es kann im Einzelfall entscheidend darauf ankommen, ob der Steuertatbestand ohne einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch verfassungswidrig wäre oder aber bereits unabhängig von ihm gerechtfertigt ist. Denn im ersten Fall kann und muss eine verfassungskonforme Auslegung der zivilrechtlichen Anspruchsnormen erfolgen, während im zweiten Fall lediglich eine verfassungsorientierte Auslegung in Betracht kommt, so dass sich etwaige zivilrechtliche Wertungen, die einem Ausgleich entgegenstehen, durchsetzen könnten.1081 Auf diese Unterscheidung kommt es insbesondere dann an, wenn aus zivilrechtlicher Sicht eine Konstellation vorliegt, die der Fallgruppe 2 angehört,1082 bei der also sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen einen Ausgleich aus sich heraus nicht zulassen. Denn in diesem Fall wird lediglich dann Raum für einen – im Wege verfassungskonformer Auslegung herbeizuführenden – Ausgleich bleiben, wenn andernfalls ein verfassungswidriger Zustand entstünde. Liegt hingegen eine Konstellation der Fallgruppe 1 vor, ist das Leistungsfähigkeitsprinzip auch unterhalb dieser Schwelle zu berück1080 Unter 4. wird zudem auf den – allerdings nach derzeitigem Recht hypo­ thetischen – Fall eingegangen, dass ein aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips gebotener und nach den allgemeinen Grundsätzen auch bestehender Ausgleichs­ anspruch aufgrund einer (speziellen) gesetzlichen Regelung ausgeschlossen ist. 1081 Siehe wiederum oben S. 164. 1082 Ausführlich zu Fallgruppe 2 oben S. 72 ff.

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sichtigen, da in Fallgruppe 1 eine umfassende Werteabwägung möglich und auch geboten ist.1083 Der zweite relevante Gesichtspunkt bildet mithin die Frage, ob es sich aus zivilrechtlicher Sicht um eine Konstellation der Fallgruppe 1 oder 2 handelt.1084 Da sowohl die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen als auch die steuerrechtsgeprägten Problemlagen vielgestaltig sind, scheinen zwei Vorgehensweisen methodisch nahe zu liegen. Entweder die jeweilige Problemstellung wird einer Einzelanalyse unterzogen. Oder die einzelnen Anspruchsgrundlagen des Zivilrechts werden auf hinreichende Wertungsoffenheit im Hinblick auf steuerrechtliche Fragestellungen untersucht, um allgemeinere Aussagen zu erhalten. Im 2. Teil dieser Untersuchung wird primär der erste Weg beschritten, wobei die so ermittelten Ergebnisse auch übergreifende Schlussfolgerungen im Hinblick auf die in Betracht kommenden zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen zulassen werden.1085 Bereits an dieser Stelle kann jedoch – auf abstrakterer Ebene – eine übergeordnete Prognose aufgestellt werden, die trotz dieser Viel­ gestaltigkeit der Problemlagen Geltung beansprucht. Diese Prognose lautet­, dass sich für praktisch jede Situation, in der das Leistungsfähigkeitsprinzip für einen internen Ausgleich streitet, eine passende zivilrechtliche Anspruchsgrundlage finden lässt, die wertungsoffen genug ist, um Prinzipien und Wertungen anderer Teilrechtsordnungen angemessen zu berücksichtigen. Mithin wird zumindest im Regelfall eine Konstellation der Fallgruppe 1 gegeben sein, so dass das Leistungsfähigkeitsprinzip auch dann gebührend Berücksichtigung finden kann, wenn der Steuertatbestand bereits aus sich heraus, d.h. ohne einen Ausgleich, zu rechtfertigen wäre. Diese Prognose beruht auf der unter C. bereits angesprochenen Wechselbezüglichkeit zwischen steuerrechtlicher Verteilungsfunktion und zivilrechtlicher Ausgleichsfunktion: In den hier betrachteten Situationen bewirkt das Steuerrecht eine maßstabswidrige Ungleichverteilung der Steuerlast, die sich unmittelbar zwischen zwei oder mehreren Privaten auswirkt, welche vom Steuerrecht zu einer (weit verstandenen) Gemeinschaft zusammengefasst werden. Da das Zivilrecht dazu berufen ist, inkon­ gruente Verteilungsergebnisse nach Maßgabe seiner Ausgleichs­ ansprüche zu korrigieren1086 und auf diesem Wege ausgleichende Gerechtigkeit unter den beteiligten Privaten herbeizuführen, werden sich häufig 1083 Näher dazu oben S. 68 ff. 1084 Auf Situationen der Fallgruppe 3 wird unter 4. eingegangen. 1085 Dazu zusammenfassend § 17. 1086 Vgl. zu diesem Aspekt oben S. 191 ff.

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auch zivilrechtliche Wertungen finden, die für einen Ausgleich streiten, so dass die Ausgleichsfunktion des Zivilrechts bereits aus sich heraus einschlägig ist. Bedenkt man zudem, dass der Ausgleich in den hier betrachteten Situationen verfassungsgeleitet ist und die in Betracht kommenden zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen meist hinreichend wertungsoffen und abstrakt genug formuliert sind, wird das Zivilrecht im Regelfall auch eine passende Anspruchsgrundlage bereitstellen. Ein Ausgleich könnte nur dann scheitern, wenn ihm im Einzelfall zivilrechtliche Wertungen entgegenstehen, die sich im Rahmen einer Abwägung gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip durchsetzen.1087 3. Vertraglicher Ausgleich Besteht zwischen den an der Steuerwirkungsverschiebung beteiligten Privaten1088 eine vertragliche Bindung, wird in aller Regel Anlass zu der Prüfung bestehen, ob der aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips gebotene Ausgleich aus dem Vertrag ableitbar ist. Haben die Parteien den Gesichtspunkt der Steuerlastverteilung und das daraus resultierende Ausgleichsbedürfnis unberücksichtigt gelassen,1089 wird sich häufig die Frage stellen, ob im Vertragsgefüge oder in den gesetzlichen Vorschriften über den betreffenden Vertragstyp ein Anknüpfungspunkt für einen Steuerausgleich auszumachen ist.1090 Gegebenenfalls können auch insoweit die 1087 Wäre ohne einen Ausgleichsanspruch allerdings ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gegeben, käme eine entsprechende Abwägung selbstverständlich nicht in Betracht, sondern der Anspruch müsste in verfassungskonformer Auslegung des Zivilrechts gewährt werden. 1088 Vgl. S. 206 f.: Diese Ausführungen beziehen sich nur auf Personen, die vom Steuerrecht zu einer (irgendwie gearteten) Gemeinschaft zusammengefasst werden, da andernfalls maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebungen nicht in Betracht kommen. Anders liegen die Dinge hingegen, wenn die Steuer ausschließlich die Sphäre eines der Vertragsbeteiligten betrifft, was namentlich in einfachen Austauschverträgen häufig der Fall sein wird; hierauf ist im Folgenden zurückzukommen. 1089 Vgl. bereits oben S. 191. Andere denkbare Situationen sind: (1) Die Parteien haben einen Ausgleich vorgesehen bzw. ihn in das vertragliche Austauschprogramm eingearbeitet. Dann besteht kein Regelungsproblem. (2) Die Parteien haben einen Ausgleichsanspruch, der nach den allgemeinen Grundsätzen bestehen würde, vertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt. Auf Situationen dieser Art wird sogleich unter 4. eingegangen. (3) Die Parteien haben zwar eine Ausgleichsregelung geschaffen. Diese beruht jedoch auf einer Fehleinschätzung der Steuerrechtslage oder greift aus anderen Gründen ins Leere bzw. nicht weit genug. Dann stellt sich ebenfalls die Frage, ob eine Korrektur möglich ist. Diese müsste sich in Übereinstimmung mit dem vertraglichen Regelungsplan vollziehen (vgl. zu derartigen Situationen bereits oben S. 9). 1090 Vgl. wiederum oben S. 191.

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allgemeinen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen fruchtbar gemacht werden, wobei dann eine Verhältnisbestimmung zum einschlägigen Vertragsrecht notwendig werden kann.1091 Darüber hinaus kann an das Instrument der ergänzenden Vertragsauslegung und die Geschäftsgrundlagenlehre gedacht werden.1092 Welche dieser Mechanismen im Einzelnen für den Steuerausgleich nutzbar gemacht werden können, wird die Untersuchung im 2. Teil erweisen.1093 Die hier skizzierte Problemlage ist der soeben behandelten Situation, dass ausschließlich gesetzliche Anspruchsgrundlagen Anwendung finden, strukturell ähnlich, da ebenfalls keine eindeutige, auf die Verteilung der Steuerlast gerichtete Abrede vorhanden ist.1094 Zwar hat sich die Frage, ob ein Ausgleich geschuldet ist, hier in erster Linie am Inhalt des konkreten Vertrages zu orientieren. Häufig werden sich aus diesem Gesichtspunkt jedoch keine weiterreichenden Folgerungen ergeben, denn die Parteien haben die in Form der Steuerwirkungsverschiebung bestehende Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses ja gerade unberücksichtigt gelassen. Im Regelfall wird sich ein Ausgleichsanspruch daher auch bei Vorliegen eines Vertrages ableiten lassen.1095 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Parteien einen an sich bestehenden Ausgleichsanspruch vertraglich ausschließen bzw. die Auslegung ihrer Vereinbarung ergibt, dass (ausnahmsweise) kein Ausgleich geschuldet wird. Ferner ist der Fall denkbar, dass der Ausgleichsanspruch kraft Gesetzes 1091 Als Beispiel sei an dieser Stelle nur auf das Tatbestandsmerkmal „soweit nicht ein anderes bestimmt ist“ in § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB verwiesen. Der 2. Teil wird reichlich Anschauungsmaterial zu der hier abstrakt behandelten Fragestellung liefern. 1092 Siehe zu der im Einzelnen streitigen Abgrenzung zwischen ergänzender Vertragsauslegung und § 313 BGB etwa Busche, in: MünchKomm.-BGB, § 157 Rn. 35; Staudinger/H. Roth, BGB, § 157 Rn. 9 f.; die Rechtsfigur der ergänzenden Vertrags­auslegung ablehnend Wolf/Neuner, BGB AT, § 35 Rn. 68; gegen diesen Ansatz Staudinger/H. Roth, aaO, Rn. 4; für den steuerrechtlichen Kontext siehe übergreifend Wollweber, FS Streck, S. 275, 280 ff.; vgl. auch Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 24 ff. (jeweils auch unter Berücksichtigung des Treuepflichtansatzes im Personengesellschaftsrecht); siehe ferner – mit Blick speziell auf die in Fn 1043 in Bezug genommene Fragestellung – Felix/Streck, DB 1975, 2213, 2213 ff.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht S. 516 ff. (vgl. aber Fn 1095). 1093 Zusammenfassende Würdigung in § 17. 1094 Siehe auch bereits oben S. 191. 1095 Exemplarisch Felix/Streck, DB 1975, 2213, 2213 ff. (zur Geschäftsgrundlagenlehre); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 516 f.; dies., StuW 1985, 382, 383 (auf Basis der ergänzenden Vertragsauslegung). Die Untersuchung im 2. Teil wird allerdings zeigen, dass ein Rückgriff auf diese beiden Rechtsfiguren entbehrlich ist.

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ausgeschlossen ist. Situationen dieser Art werden im folgenden Abschnitt behandelt. 4. Anspruchsverhindernde Regelungen Soeben konnte nachgewiesen werden, dass sowohl das Leistungsfähigkeitsprinzip als auch die Ausgleichsfunktion des Zivilrechts bei den hier (unter D.) analysierten Steuerwirkungsverschiebungen in aller Regel für einen Ausgleich streiten, der über die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen bzw. über Mechanismen des Vertragsrechts effektuiert werden kann. Jedenfalls wird das Zivilrecht in solchen Fällen eine Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Abwägungsfaktor zulassen, so dass es sich um Konstellationen der Fallgruppe 1 handelt. Im Folgenden werden Situationen analysiert, in denen sich diese Ausgangslage grundsätzlich anders darstellt. Zunächst ist der – eher theoretische – Fall denkbar, dass eine gesetzliche Vorschrift dem eigentlichen gebotenen (und über eine passende Anspruchsgrundlage an sich auch erzielbaren) Ausgleich entgegensteht. Wegen der in den vorstehenden Abschnitten aufgezeigten engen Wechselbeziehungen zwischen Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtlicher Ausgleichsfunktion dürfte eine derartige Situation nur dann in Betracht kommen, wenn sich eine gesetzliche Regelung findet, die den Ausgleich ausdrücklich ausschließt, was im derzeit geltenden Recht aber ersichtlich nicht vorkommt. Für die rechtliche Bewertung solcher Problem­ lagen – sie gehören der Fallgruppe 3 an1096 – wäre wie folgt zu unterscheiden: Kann der steuerliche Tatbestand aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann Bestand haben, wenn der Gesetzgeber einen internen Ausgleich ermöglicht, so ist die gesetzgeberische Gesamtregelung1097 verfassungswidrig, da eine verfassungskonforme Auslegung nicht in Betracht kommt. Der Gesetzgeber muss in diesem Fall entweder den Steuertatbestand ändern oder das Ausgleichsverbot beseitigen.1098 Ist die Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip hingegen trotz des gesetzli-

1096 Vgl. dazu im allgemeinen Kontext oben S. 78 f. 1097 Auf Grundlage der Auffassung des BVerfG beschränkt sich die Verfassungswidrigkeit in einem solchen Fall in aller Regel nicht auf den Steuertatbestand, denn die ausgleichsvereitelnde (Zivilrechts-)Norm wird „objektiv erkennbar dem Regelungsziel [dienen], das in verfassungswidriger Weise verfehlt worden ist“ (BVerfGE 82, 60, 85). 1098 Vgl. für ähnliche Zusammenhänge BVerfGE 99, 246, 267; BVerfGE 81, 228, 238 f.

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chen Ausschlusses eines Innenausgleichs gerechtfertigt, bleibt es bei der einfachgesetzlichen Lage, d.h. ein Ausgleich ist nicht geschuldet.1099 Praktisch ungleich relevanter sind Situationen, in denen die beteiligten Privaten den gebotenen und an sich auch bestehenden Ausgleichsanspruch vertraglich ausschließen, beschränken oder abändern, so dass die eigentlich bestehende Zivilrechtslage vertraglich überlagert wird.1100 Betrachtet man die Rechtslage ausschließlich aus zivilrechtlicher Sicht, so ist das Ergebnis eindeutig: Wenn sich die Parteien in den allgemeinen Grenzen der Privatautonomie halten, ist die Abrede wirksam und greift damit auch durch.1101 Im Unterschied zu dem soeben angesprochenen Fall, dass der Ausgleich aufgrund einer eindeutigen gesetzlichen Regelung ausgeschlossen ist,1102 liegt hier jedoch ein Anwendungsfall der Fallgruppe 2 vor. Denn das soeben mitgeteilte Subsumtionsergebnis, dass die Abrede aus zivilrechtlicher Sicht wirksam ist, beruht (zumindest mittelbar) auch auf einer Anwendung derjenigen gesetzlichen Vorschriften und übergreifenden Prinzipien, die für die Reichweite der Vertragsfreiheit entscheidend sind. Folglich bliebe Raum für eine verfassungskonforme Gesetzesauslegung, wenn andernfalls ein Verfassungsverstoß vorläge.1103 Fraglich ist daher, ob den entsprechenden vertraglichen Abreden die rechtliche Anerkennung versagt werden muss, wenn der Steuertatbestand aus verfassungsrechtlicher Sicht an sich nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn die Rechtsordnung zugunsten des leistungsfähigkeitswidrig zu stark belasteten Beteiligten einen Ausgleich vorsieht.1104 Diese Fragestellung lässt sich nicht einfach mit einem Hinweis darauf auflösen, dass der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nachgekommen ist, indem er eine passende Anspruchsgrundlage bereitgestellt hat. Denn er 1099 Ob die beteiligten Privaten in Abweichung hiervon einen Ausgleich vereinbaren können, hängt davon ab, ob die jeweilige Vorschrift zwingenden oder dispositiven Charakter hat. 1100 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die auf S. 201 angesprochene Überlagerungssituation, die sogleich unter E III. aufgegriffen wird. 1101 Statt aller Flume, Rechtsgeschäft, S. 1 ff. 1102 Zur Unterscheidung von Rechtsfolgen kraft privatautonomer Gestaltung und gesetzlichen Anordnungen siehe nur (im allgemeinen Kontext) Flume, Rechtsgeschäft, S. 3. 1103 Als „Einbruchstelle“ (vgl. nur – grundlegend – BVerfGE 7, 198, 206; weitere Nachweise zum Meinungsstand in Fn 846) für die Einwirkung von Verfassungsrecht käme hier in erster Linie § 138 BGB in Betracht (vgl. Flume, Rechtsgeschäft, S. 22 a.E.); zu der streitigen Frage, wann eine privatautonom getroffene Regelung mit Grundrechten kollidieren kann, näher Flume, aaO, S. 20 ff. Ob dies in Situationen der vorliegenden Art der Fall ist, wird sogleich geprüft. 1104 Vgl. oben S. 209: Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich.

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hat den Parteien zugleich die rechtliche Möglichkeit gegeben, über diesen Anspruch zu disponieren. Mithin bildet diese Dispositionsbefugnis den Anknüpfungspunkt der Prüfung. Folglich lautet die Kernfrage, ob insbesondere aus Art. 3 Abs. 1 GG1105 abgeleitet werden kann, dass das Zivilrecht zur Unwirksamkeit von Vereinbarungen führen muss, die den Anspruch ausschließen, beschränken oder abändern. Eine entsprechende Verpflichtung des Gesetzgebers (und damit auch des Rechtsanwenders bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften) besteht jedoch richtigerweise nicht, und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen: Erstens streiten Freiheitsgrundrechte beider Vertragsparteien für die rechtliche Anerkennung von Vereinbarungen, die in freier Selbstbestimmung getroffen werden, da dieser Kernbereich der Vertragsfreiheit als Ausfluss der Privatautonomie insbesondere über Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt ist.1106 Im Übrigen kann es den Parteien schon aus Gründen praktischer Vernunft nicht verwehrt werden, über den Anspruch zu verfügen, ihn etwa inhaltlich zu modifizieren oder in einen Vergleich einzubeziehen. Ferner muss Berücksichtigung finden, dass es dem Anspruchsinhaber auch sonst freisteht, darüber zu entscheiden, ob er seinen Anspruch geltend macht bzw. dessen Durchsetzung erzwingt. Entscheidet er sich dagegen, entsteht dasselbe praktische Ergebnis wie im Falle einer vertraglichen Abbedingung: Der Anspruch wird nicht durchgesetzt. Daran lässt sich zugleich ablesen, dass – zweitens – in den hier beschriebenen Situationen1107 von vornherein keine Kollisionen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu befürchten sind: Aus Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich kein Verbot des Anspruchsinhabers ableiten, über den Anspruch zu verfügen. Denn die Perpetuierung der an sich gleichheitswidrigen Besteuerung, die durch die entsprechende vertragliche Vereinbarung herbeigeführt wird, wirkt ausschließlich zu Lasten desjenigen, der freiwillig auf den Anspruch verzichtet.1108 Dem allgemeinen Gleichheitssatz 1105 Siehe oben Fn 1050. 1106 Siehe etwa Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 54 ff.; Larenz/Wolf, BGB AT, § 34 Rn. 22; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 361 f., auch zum engen Zusammenhang mit dem Aspekt der Austauschgerechtigkeit; siehe dazu bereits oben Fn 956 sowie sogleich in Fn 1108; relativierend Flume, Rechtsgeschäft, S. 17 ff., der jedoch ebenfalls den verfassungsrechtlichen Schutz der Selbstbestimmung betont. 1107 Das im allgemeinen Kontext viel diskutierte Spannungsverhältnis von Gleichheitssatz und Vertragsfreiheit (vgl. etwa Flume, Rechtsgeschäft, S. 21 f. mit Nachweisen) betrifft andere Fallkonstellationen. 1108 Vgl. in ähnlichem Zusammenhang Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 37a sowie Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 362 („Volenti non fit iniuria“),

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kann – schon mit Blick auf den darin liegenden empfindlichen Eingriff in Freiheitsrechte – kein an den Grundrechtsträger gerichtetes Verbot entnommen werden, über die ihm zustehenden Rechtspositionen zu verfügen.1109 Vielmehr muss es dem Berechtigten grundsätzlich unbenommen bleiben, mit seinen Vermögensrechten nach Belieben zu verfahren. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass es den beteiligten Privaten freisteht, über den Ausgleichsanspruch zu verfügen, wenn die allgemeinen, für den jeweiligen Sachbereich anerkannten Grenzen der Privatautonomie unter Einschluss der Selbstbestimmung der Vertragsparteien gewahrt sind. Der soeben erörterten Konstellation, dass ein bestehender gesetzlicher Ausgleichsanspruch vertraglich abbedungen wird, ist der Fall gleichzustellen, dass die (ergänzende) Auslegung eines zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrages zu dem Ergebnis führt, dass kein Ausgleich geschuldet ist: Wie unter 3. gezeigt wurde, handelt es hierbei um eine Ausnahmesituation, denn ein Ausgleichsanspruch wird im Regelfall nach vertragsrechtlichen Grundsätzen ableitbar sein, so dass der (Zivil-)Gesetzgeber auch hier das notwendige Instrumentarium zur Verfügung gestellt hat, um den an sich gebotenen Ausgleich zu ermöglichen. Wenn der Regelungsplan der Parteien eine entsprechende Vertragsauslegung hingegen nicht zulässt, weil hierfür nach dem konkreten vertraglichen Austauschprogramm kein Raum bleibt,1110 entspricht dies wertungsmäßig dem soeben behandelten Fall des ausdrücklichen Anspruchsausschlusses. Entsprechend den obigen Ausführungen beansprucht das im Wege der Analyse des vertraglichen Regelungsprogramms ermittelte Ergebnis mithin Geltung, ohne dass ein Konflikt namentlich mit Art. 3 Abs. 1 GG zu befürchten ist.

die zu Recht betonen, dass solche Situationen keine Gerechtigkeitsprobleme aufwerfen. Der hinter dem Leistungsfähigkeitsprinzip stehende Aspekt der Steuergerechtigkeit (siehe oben S. 115 ff.) ist mithin nicht betroffen. 1109 Vgl. in allgemeinerem Zusammenhang H. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Vorb. Rn. 129, 131 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Rn. 300; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 1 Rn. 52 f., 56 f. 1110 Vgl. dazu im Allgemeinen Busche, in: MünchKomm.-BGB, § 157 Rn. 47 ff., 55 f.; Palandt/Ellenberger, BGB, § 157 Rn. 8 ff.; Staudinger/H. Roth, BGB, § 157 Rn. 4, 32, 37 ff.; Flume, Rechtsgeschäft, S. 326 f.; Larenz/Wolf, BGB AT, § 28 Rn. 120; diese Möglichkeit zu Unrecht negierend anscheinend Canaris, AcP 184 (1984), 201, 216.

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E. Mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip (potenziell) konfligierende zivilrechtliche Ausgleichsansprüche I. Grundsätzliches Soeben (unter D III 4.) sind normative Situationen behandelt worden, in denen gesetzliche oder vertragliche Regelungen dazu führen, dass zivilrechtliche Ausgleichsansprüche, die an sich berufen wären, ein leistungsfähigkeitswidriges Besteuerungsergebnis im Innenverhältnis zu korri­ gieren, nicht eingreifen. Im Folgenden wird auf die – strukturell ähnlichen – Konstellationen eingegangen, in denen das Ergebnis einer an sich leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung im Innenverhältnis der beteiligten Privaten derart abgeändert wird, dass, hätte der Steuergesetzgeber die steuerliche Belastung in entsprechender Weise festgelegt, ein leistungsfähigkeitswidriger Zustand entstünde. Eine solche Situation kann wiederum zum einen dann eintreten, wenn der entsprechende Anspruch gesetzlich festgeschrieben ist.1111 Hierauf wird im Schwerpunkt unter II. eingegangen. Zum anderen kommt der – praktisch ungleich wichtigere – Fall in Betracht, dass die Parteien die Folgen der Besteuerung im Wege einer vertraglichen Vereinbarung abgeändert haben, oder ein entsprechendes Korrekturbedürfnis aus einem von ihnen nicht bedachten Ungleichgewicht resultiert, das aus der Einwirkung der Besteuerung auf ein vertraglich festgelegtes Austauschverhältnis herrührt.1112 Fälle dieser Art werden unter III. behandelt. Zuvor muss allerdings die grundsätzlichere Frage geklärt werden, ob zivilrechtliche (Ausgleichs-)Ansprüche überhaupt geeignet sind, zu einem – verfassungsrechtlich bedeutsamen – leistungsfähigkeitswidrigen Gesamtergebnis zu führen. Das ist deshalb nicht selbstverständlich, weil der einschlägige Steuertatbestand, betrachtet man ihn isoliert, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Fraglich ist mithin auch hier, ob eine zivilrechtliche Umverteilung der Steuerlast den allgemeinen Gleichheitssatz berühren kann. Hiergegen könnte angeführt werden, dass sich der Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit, der über das Leistungsfähigkeitsprinzip vermittelt wird, auf das (öffentlich-rechtliche) Verhältnis des staatlichen Steuergläubigers zu den Steuerschuldnern beschränkt und somit nur die Ebene der Steuergesetzgebung und -rechtsanwendung betrifft, während es sich bei der zivilrechtlichen Anspruchssituation unter den beteiligten Privaten um einen hiervon zu trennenden Problemkreis handelt. Ergänzen ließe sich als Hilfserwägung, dass es auch von 1111 Siehe bereits oben S. 202 f. 1112 Siehe bereits oben S. 191 und S. 200 f.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem

der Durchsetzung her einen erheblichen Unterschied macht, ob die Besteuerung von vornherein leistungsfähigkeitswidrig ist, oder aber ein leis­tungsfähigkeitsgerechtes Besteuerungsergebnis lediglich mit Mitteln des Zivilrechts abgeändert werden kann. Denn während Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis grundsätzlich durchgesetzt werden müssen, steht es im Belieben des privaten Gläubigers, seine Forderungen geltend zu machen.1113 Ganz ähnliche Erwägungen (geringere Effektivität zivilrechtlicher Ansprüche) sind im Übrigen unter D II. als ergänzende Begründung dafür herangezogen worden, dass eine von vornherein leistungsfähigkeitswidrige Besteuerung durch gegenläufige zivilrechtliche Ausgleichsansprüche zwar gerechtfertigt, aber nicht beseitigt werden kann.1114 Hieraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass zivilrechtliche Ansprüche nicht geeignet wären, eine leistungsfähigkeitswidrige Situation herbeizuführen. Vielmehr ist das Zivilrecht – entgegen den soeben dargestellten Einwänden – grundsätzlich in der Lage, ein leistungsfähigkeitswidriges Gesamtergebnis trotz an sich leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung zu begründen. Wäre die obige Argumentation zutreffend, so könnte das Leistungsfähigkeitsprinzip zivilrechtlichen Ansprüchen niemals entgegenstehen, da es von ihnen gar nicht berührt werden kann. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wäre zwar in der Lage, zivilrechtliche Ausgleichsansprüche zu gebieten,1115 könnte aber kein Gegengewicht zu ihnen bilden. Die nachfolgenden Überlegungen zeigen, dass dieses – bereits aus sich heraus unstimmig anmutende – Ergebnis nicht richtig sein kann. Das Leistungsfähigkeitsprinzip bindet als Ausprägung namentlich des allgemeinen Gleichheitssatzes (in den Grenzen einer in Betracht kommenden Rechtfertigung) die gesetzgebende Gewalt,1116 ohne dass im Ausgangspunkt dazwischen zu unterscheiden wäre, ob der Gesetzgeber die entsprechenden Sachverhalte ausschließlich über Vorschriften des öffentlichen Rechts oder mittels einer Kombination aus öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Regelungen erfasst. Vielmehr muss – wie oben

1113 Siehe nur Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 29. Auch die Durchsetzungstechnik ist eine andere: Die Finanzbehörden schaffen sich selbst einen Titel und setzen diesen gegebenenfalls auch selbst durch, während sich der Private jeweils (externer) staatlicher Organe bedienen muss. 1114 Siehe oben S. 211. 1115 Siehe oben unter D. 1116 Hier und im Folgenden werden aus den auf S. 67 f. genannten Gründen nur (förmliche) Bundesgesetze in den Blick genommen.

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bereits herausgestellt wurde1117 – eine rechtsgebietsübergreifende Gesamtschau der einschlägigen einfachgesetzlichen Regelungen erfolgen. Das ist in den hier zu behandelnden normativen Situationen auch unerlässlich: Es kann keinen (entscheidenden) Unterschied machen, ob der Gesetzgeber von vornherein einen leistungsfähigkeitswidrigen Besteuerungstatbestand schafft oder aber eine an sich leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung anordnet, zugleich jedoch mit Blick auf ebendiese Besteuerungssituation1118 eine zivilrechtliche Regelung einführt, wonach im Innenverhältnis der beteiligten Privaten ein (Ausgleichs-)Anspruch besteht, der im Falle seiner Verwirklichung zum selben wirtschaftlichen Ergebnis führt. Es ist noch nicht einmal angezeigt, die zweitgenannte gesetzgeberische Gestaltung mit Blick auf die oben beschriebene, tendenziell schwächere Durchsetzungssituation bei zivilrechtlichen Ansprüchen unter etwas restriktiveren Voraussetzungen als leistungsfähigkeitswidrig anzusehen. Im Gegenteil: Während im Fall einer von vornherein leistungsfähigkeitswidrigen Besteuerung eine zivilrechtliche Korrektur grundsätzlich möglich ist,1119 ist das Ergebnis hier auch aus zivilrechtlicher Sicht definitiv. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden: Ebenso wie zivilrechtliche Ausgleichsansprüche in anderen normativen Situationen zur Verfassungsmäßigkeit des Steuertatbestandes beitragen können,1120 sind sie – spiegelbildlich – geeignet, die Rechtfertigungsbedürftigkeit und gegebenenfalls auch Verfassungswidrigkeit der Gesamtregelung zu begründen. Der Steuergesetzgeber muss die zivilrechtliche Situation folglich auch hier mitberücksichtigen, wenn er sichergehen will, dass seine Vorschriften gleichheitsgerecht ausgestaltet sind. Dies lässt keine Überforderungssituationen befürchten, denn Fälle, in denen ein leistungsfähigkeitsgerechtes Besteuerungsergebnis über zivilrechtliche Ansprüche vereitelt wird, sind praktisch nicht bedeutsam. Wie im Folgenden zu zeigen ist, wird hier nämlich zum einen die zivilrechtliche Ausgleichsfunktion nicht einschlägig sein, so dass das Zivilrecht bereits aus sich heraus eine Beibehaltung des Besteuerungsergebnisses nahe legt (dazu sogleich unter II.). Zum anderen betreffen die soeben herausgearbeiteten Grundsätze nur gesetzliche Ansprüche, nicht hingegen Ansprüche auf vertraglicher Grundlage (siehe sogleich unter III.). 1117 Siehe oben S. 210 und S. 218. 1118 Vgl. dazu sogleich unter II. sowie insbesondere unter F I. (zur erforderlichen Zusammenfassung der Beteiligten zu einem – weit verstandenen – Gemeinschaftsverhältnis). 1119 Ausführlich oben unter D. 1120 Siehe wiederum oben unter D.

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II. Gesetzliche Ansprüche Soeben wurde gezeigt, dass die gesetzgeberische Gesamtregelung den Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung bildet. Hieraus folgt, dass jedenfalls gesetzlich geregelte Ansprüche Berücksichtigung finden müssen, die an das jeweilige Besteuerungsergebnis anknüpfen. Aus Sicht der Ausgleichsfunktion des Zivilrechts wird allerdings im Regelfall kein (genügender) Anlass bestehen, ein leistungsfähigkeitsgerechtes Besteuerungsergebnis abzuändern,1121 so dass die allgemeinen (wertungsoffenen) zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen nicht durchgreifen werden. Etwas anderes wäre nur in ganz außergewöhnlichen Fällen denkbar, in denen sich besondere gesetzliche Wertungen finden lassen, die sowohl ein ausnahmsweises Ausgleichsbedürfnis zur Geltung bringen als auch in der Lage sind, das Leistungsfähigkeitsprinzip im Rahmen der erforderlichen Abwägung zu überwinden.1122 Daher wird ein gesetzlicher Anspruch, der zu einem leistungsfähigkeitswidrigen Ergebnis führt, praktisch nur dann vorkommen, wenn er im Gesetz ausdrücklich und unzweideutig (speziell) festlegt ist, d.h. in Konstellationen der Fallgruppe 3.1123 Sollte dieser Ausnahmefall tatsächlich einmal auftreten,1124 stellt sich die Rechtsfolgenseite wie folgt dar:1125 Da die gesetzgeberische Gesamtregelung aufgrund des Ausgleichsanspruchs nicht mehr leistungsfähigkeitsgerecht ist, bedarf sie einer Rechtfertigung – und zwar regelmäßig sogar in stärkerem Maße, als dies sonst bei (punktuellen) Abweichungen vom Leis­ tungsfähigkeitsprinzip der Fall ist, weil Letztere einer zivilrechtlichen Abänderung grundsätzlich zugänglich sind. Kann die – folglich definitive1126 – Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip allerdings gerechtfertigt werden, bleibt es bei der gesetzlichen Ausgangslage. Andernfalls ist die Gesamtregelung verfassungswidrig, so dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, den Verfassungsverstoß zu beseitigen.

1121 Vgl. wiederum oben C. 1122 Letzteres wäre von vornherein nicht möglich, wenn ansonsten ein verfassungswidriger Zustand entstünde. 1123 Es gilt mithin nichts anderes als in der auf S. 218 betrachteten Parallelkonstellation, dass im Falle einer leistungsfähigkeitswidrigen Besteuerung der gebotene und an sich auch mögliche Ausgleich durch eine zivilrechtliche (Spezial-)Norm vereitelt wird. 1124 Soweit Verf. ersichtlich, kommt er im geltenden Recht nicht vor. 1125 Vgl. wiederum oben auf S. 218 f. 1126 Siehe bereits oben I.

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III. Vertragliche Ansprüche Praktisch weitaus häufiger werden Fälle vorkommen, in denen die Beteiligten selbst die steuerliche Ausgangslage für Zwecke des Innenverhältnisses abändern. Es stellt sich daher abermals1127 die Frage, ob auch vertragliche Abreden – hier: vertraglich begründete Ansprüche – in der Lage sind, einen (verfassungsrechtlich relevanten) leistungsfähigkeitswidrigen Zustand zu begründen. Hierbei geht es in erster Linie um Situa­ tionen, in denen die Parteien die gesetzliche Steuerlastverteilung für Zwecke des Innenverhältnisses über eine entsprechende Steuerklausel korrigiert haben. Dann gelten die Ausführungen unter D III 4. entsprechend: Aus zivilrechtlicher Sicht besteht kein Zweifel an der Wirksamkeit solcher Abreden, soweit sie sich in den allgemeinen Grenzen der Privatautonomie halten. Auch sind sie nicht in der Lage, mit dem Leis­ tungsfähigkeitsprinzip zu kollidieren.1128 Denn der dahinter stehende allgemeine Gleichheitssatz ist schon deshalb nicht betroffen, weil die Übernahme der Steuerlast freiwillig geschieht, so dass dem Gesetzgeber nicht angesonnen werden kann, die Unwirksamkeit der Vereinbarung zum Schutz des Übernehmenden anzuordnen.1129 Gleichzustellen sind diejenigen Fälle, in denen zwar keine ausdrückliche Steuertragungsregelung getroffen wurde, eine zivilrechtliche Korrektur jedoch im konkreten Vertragsgefüge zur Wahrung der iustitia commutativa angelegt und nach Maßgabe der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze auch ableitbar ist.1130 Ganz generell kann festgehalten werden, dass Sachverhalte, bei denen das an sich verteilungsgerechte, d.h. leistungsfähigkeitskonforme (Ge1127 Siehe für die umgekehrte Gestaltung wiederum oben S. 219 ff. 1128 Einen anderen – vorgelagerten – Problemkreis betrifft hingegen die Frage, ob das Steuerrecht diese vertragliche (Um-)Verteilung der Steuerlast im Einzelfall zum Anknüpfungspunkt bestimmter Rechtsfolgen machen muss, wenn ein leistungsfähigkeitskonformes Besteuerungsergebnis erzielt werden soll. Dies hängt im Wesentlichen von dem jeweils einschlägigen Leistungsfähigkeitsindikator ab – und bedarf hier keiner näheren Untersuchung, weil insoweit eine grundsätzlich andere Problemstellung betroffen ist. 1129 Vgl. insoweit auch Schön, StuW 2004, 62, 71, der den Gesetzgeber allerdings als verpflichtet ansieht, auf den „fehlgeleiteten steuerlichen Zugriff“ zu verzichten, wenn sich herausstellt, dass es Steuersubjekten typischerweise gelingt, die Finanzlast an Dritte weiterzugeben. Die von ihm analysierte Frage der rechtlichen Bewältigung von privatrechtlichen Steuerlastüberwälzungen, die vom Gesetzgeber gewollte Belastungseffekte konterkarieren (aaO, S. 69 ff.), dürfte jedoch im Kern rechtspolitischer Natur sein (vgl. aber Fn 1128). 1130 Ein derartiges Korrekturbedürfnis kann sich namentlich aus der unzureichenden oder unzutreffenden Berücksichtigung der Steuerrechtslage durch die Vertragsparteien ergeben.

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samt-)Ergebnis aufgrund spezieller Austauschgerechtigkeitserwägungen überlagert wird, die wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls bei der Zivilrechtsanwendung Berücksichtigung finden müssen, keine verfassungsrechtlichen Probleme aufwerfen. Die entsprechenden zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Wertungen konfligieren im Rahmen solcher normativer Situationen nämlich nicht, sondern sind voneinander unabhängig.1131 Daher bedarf es auch keiner Abwägung zwischen der iustitia­ distributiva einerseits und der iustitia commutativa andererseits. Aus den bisherigen Feststellungen folgt zugleich: Der von Walz in anderem Kontext zum Ausdruck gebrachte Zusammenhang, dass keine Wertungsdivergenzen zwischen Leistungsfähigkeitsprinzip und Privatautonomie auftreten,1132 erweist sich jedenfalls hinsichtlich der hier untersuchten Problemstellung als zutreffend.

F. Schlussfolgerungen für die Aussagekraft des Leistungsfähigkeitsprinzips I. Voraussetzungen für übergreifende Folgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip In diesem Abschnitt sollen in einer Gesamtschau die Voraussetzungen herausgestellt werden, die erfüllt sein müssen, damit aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip gerade für das Verhältnis der Privaten untereinander übergreifende Aussagen für oder gegen das Bestehen von Ausgleichsansprüchen abgeleitet werden können.1133 Ferner werden – im Um1131 Ebenfalls kein Konflikt entsteht selbstverständlich dann, wenn keinerlei Besonderheiten des vertraglichen Austauschprogramms zu berücksichtigen sind, sondern über die allgemeinen Instrumente des Zivilrechts (als Ausfluss seiner Ausgleichsfunktion) ein leistungsfähigkeitsgerechtes Ergebnis erzielt wird (siehe oben S. 215 f.). Dann laufen zuteilende und ausgleichende Gerechtigkeit sogar parallel. 1132 Siehe – mit Blick auf die Frage, inwieweit das Steuerrecht eigene Bewertungsmaßstäbe an privatautonome Gestaltungen anlegen kann – Walz, Steuergerechtigkeit, S. 228: „Die rechtsgeschäftliche Privatautonomie liegt auf einer anderen Ebene und wird deshalb im Prinzip durch den Vollzug objektiven Steuerrechts nicht berührt“; vgl. auch dens., ZHR 147 (1983), 281, 301; siehe dazu bereits oben S. 50 ff. sowie auch S. 185 f.; vgl. ferner Hallerbach, Personengesellschaft, S. 86 sowie in allgemeinerem Zusammenhang auch Walz, aaO, S. 287 ff.; dens., Steuergerechtigkeit, S. 158 f.; ihm folgend Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 85, S. 88. 1133 Untersucht wird mithin, in welchen Fällen das Leistungsfähigkeitsprinzip hauptsächlich als Abwägungsfaktor eine Rolle spielt. Hiervon zu trennen ist die (darauf aufbauende) Frage, ob es sich im Einzelfall auch durchsetzt. Das bestimmt sich nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen in § 6 und § 7.

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kehrschluss – diejenigen Konstellationen zusammengefasst, für die das Leistungsfähigkeitsprinzip keinerlei Aussagekraft besitzt (unter II.). Im Anschluss (unter III.) wird speziell auf die Rechtslage bei anderweitig begründeten (präexistenten) Ausgleichsansprüchen eingegangen,1134 da insoweit ein differenziertes Bild entsteht. Hält man auf Basis der bisherigen Ausführungen zunächst nach allgemeinen Kriterien Ausschau, aus denen sich ergibt, wann das Leistungsfähigkeitsprinzip weitergehende Folgerungen für die hier in Rede stehenden Problemlagen zulässt, so gelangt man zu zwei Bedingungen, die kumulativ erfüllt sein müssen. Die erste Bedingung lautet wie folgt: Es muss im Verhältnis der potentiell von dem Ausgleichsanspruch Be­ troffenen zueinander entweder eine maßstabswidrige (leistungsfähigkeitswidrige) Verschiebung von Steuerfolgen durch das Steuerrecht stattgefunden haben, oder die in Betracht kommende zivilrechtliche Umverteilung der steuerlichen Belastung müsste einen solchen Zustand im wirtschaftlichen Ergebnis herbeiführen. Im ersten Fall spricht das Leistungsfähigkeitsprinzip – vorbehaltlich der zweiten Bedingung, die im übernächsten Absatz dargestellt wird – für einen Ausgleich im Innenverhältnis, im zweiten Fall dagegen. Voraussetzung ist jeweils die Zusammenfassung der Beteiligten in einem (weit verstandenen) Gemeinschaftsverhältnis durch das Steuerrecht. Auf dieses Kriterium ist bereits für die Fälle hingewiesen worden, in denen das Leistungsfähigkeitsprinzip für einen Ausgleich streitet.1135 Das Korrekturbedürfnis folgt hier nämlich daraus, dass das Steuerrecht die erforderliche Verschiebung von Steuerfolgen zugunsten des einen und zulasten des anderen Beteiligten anordnet, sie also in einer Zusammenschau bewertet. Umgekehrt lässt sich als Mindestbedingung dafür, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip gegen eine Abänderung steuerlicher Ergebnisse im Verhältnis zweier Privater untereinander sprechen kann, formulieren, dass im Falle der Geltendmachung des in Betracht kommenden Anspruchs eine entsprechende, maßstabswidrige Umverteilung von Steuerwirkungen entsteht. Erforderlich ist auch hier ein gewisses Gemeinschaftsverhältnis, an das das Steuerrecht anknüpft, denn ohne eine irgendwie geartete Verbindung der Anspruchsbeteiligten in Hinsicht auf die Besteuerungssituation kann es zu keiner maßstabswidrigen Umverteilung zwischen ihnen kommen. Was die Charakteristika des so umschriebenen Gemeinschaftsverhältnisses angeht, kommt es entscheidend auf die Ableitungen an, die für den jeweiligen Besteuerungsbereich 1134 Vgl. zu dieser Fallgruppe schon oben S. 1. 1135 Siehe oben S. 206 f.

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aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu ziehen sind.1136 Daher erscheint es kaum möglich, auf abstrakterer Ebene übergreifende Kriterien zu formulieren. Im Rahmen der Fallgruppenanalyse im 2. Teil wird daher im Einzelfall auszuloten sein, ob ein derartiges Gemeinschaftsverhältnis im Licht des Leistungsfähigkeitsprinzips gegeben ist. Die zweite Bedingung für die Möglichkeit, aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip übergreifende Folgerungen zu ziehen, fußt auf dem soeben1137 herausgearbeiteten Zusammenhang, dass vertragliche Vereinbarungen, die von den betroffenen Privaten im Rahmen der allgemeinen Grenzen der Privatautonomie eingegangen werden, keine Wertungsdivergenzen mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip begründen können. Weichen die Parteien mithin einvernehmlich von einem leistungsfähigkeitskonformen Besteuerungsergebnis ab oder perpetuieren sie einen leistungsfähigkeitswidrigen Zustand, indem sie einen bestehenden Ausgleichsanspruch abbedingen oder einschränken, besitzt das Leistungsfähigkeitsprinzip keinerlei Aussagekraft, sondern es gilt das privatautonom Vereinbarte. Die zweite Bedingung für die Einschlägigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips als einzelproblemübergreifender Abwägungsfaktor lautet dementsprechend, dass keine vorrangige vertragliche Vereinbarung vorliegt, die zu einer entsprechenden Überlagerung der (Gesamt-)Rechtslage führt.

II. Fallgruppen ohne (weitergehende) Aussagekraft des Leistungs­fähigkeitsprinzips Damit ist zugleich die erste Fallgruppe benannt, für die das Leistungs­ fähigkeitsprinzip keine Aussagekraft besitzt. Es handelt sich um Si­ tuationen, in denen die Rechtslage in der soeben beschriebenen Weise vertraglich überlagert ist.1138 Die übrigen Konstellationen, für die das Leis­tungsfähigkeitsprinzip keine weitergehenden Schlüsse zulässt, sind im Laufe dieses Abschnitts (§ 7) ebenfalls bereits angesprochen worden. Sie werden im Folgenden zusammengefasst: Keine Relevanz kommt dem Leistungsfähigkeitsprinzip grundsätzlich zunächst dort zu, wo der Gesetzgeber Lenkungszwecke verfolgt und den jeweiligen Besteuerungs­ bereich bzw. die konkret anwendbaren Einzelvorschriften aus diesem Grund nach anderen Sachgesetzlichkeiten als dem Leistungsfähig­ keitsprinzip strukturiert hat, denn hier kann es von vornherein zu keiner punktuell-maßstabswidrigen Verschiebung von Steuerfolgen kom1136 Vgl. bereits oben S. 207. 1137 Siehe oben unter E III. sowie auch unter D III 4. 1138 Siehe auch bereits oben S. 219 ff. und S. 226 f.

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men.1139 Damit geht einher, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip auch dann keine Aussagekraft besitzt, wenn es um die interne Aufteilung eines Steuervorteils geht, der mehreren Steuerpflichtigen in ihrer Zusammenfassung zu einer Gruppe auf Basis einer Lenkungsnorm gewährt wird.1140 Darüber hinaus können dem Leistungsfähigkeitsprinzip keine Vorgaben entnommen werden, wenn der (unwahrscheinliche, aber denkbare) Fall eintritt, dass das Zivilrecht eine gesetzliche Anspruchsgrundlage bereitstellt, die zwar ein leistungsfähigkeitskonformes steuerliches Ergebnis abändert, jedoch zu einem Gesamtergebnis führt, das ebenfalls (in absoluter wie in relativer Hinsicht) mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbart werden kann.1141 Diese Situation kann deshalb eintreten, weil dem Gesetzgeber häufig mehrere Wege offen stehen, die Besteuerung (und damit auch seine Gesamtregelung) leistungsfähigkeitsgerecht auszugestalten.1142 Führt die Zivilrechtsanwendung zu Ergebnissen, die sich innerhalb dieses inneren Gestaltungsspielraums halten, entsteht kein Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Da in allen diesen Fällen keine Ableitungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip möglich sind, richtet sich die Beantwortung der Frage, ob Ansprüche zwischen den beteiligten Privaten bestehen können, allein nach den sonst einschlägigen Wertungen des Zivil- und Steuerrechts sowie gegebenenfalls des Verfassungsrechts. Es ist dann in der in § 6 beschriebenen Weise vorzugehen.1143

III. Präexistente Ausgleichsansprüche 1. Regelfall: Keine (weitergehende) Aussagekraft Was schließlich die Behandlung von Steuerwirkungen im Rahmen anderweitig begründeter (präexistenter) Ansprüche angeht, kommt dem Leis­ tungsfähigkeitsprinzip in vielen Fällen ebenfalls keine Bedeutung zu. Unter C. ist bereits angesprochen worden, dass in diesem Bereich regelmäßig keinerlei Wertungskonflikte mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip entstehen.1144 Diese Aussage kann nunmehr anhand der unter I. abgelei1139 Näher oben S. 195 f. sowie auch bereits S. 167 f. 1140 Näher oben S. 204 f. 1141 Vgl. oben S. 202. 1142 Näher oben § 5. 1143 Siehe oben S. 173 ff. 1144 Siehe oben S. 201 f.

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teten ersten Bedingung für die Möglichkeit, weitergehende Folgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abzuleiten, untermauert und präzisiert werden: Die Einbeziehung der Steuerfolge in den Ausgleichsanspruch müsste entweder zu einer Korrektur einer maßstabswidrigen Steuerlastverschiebung führen oder aber eine solche im wirtschaftlichen Ergebnis begründen. Voraussetzung ist jeweils eine (irgendwie geartete) Verbindung dieser Personen im Rahmen der Besteuerung, da es andernfalls an einem Bezugspunkt für die Ungleichverteilung fehlt. Daraus folgt: Stammt der potentiell zu berücksichtigende steuerliche Effekt – wie im Regelfall – ausschließlich aus der Sphäre eines der Beteiligten, so kann aus seiner Einbeziehung in die Ausgleichsrechnung von vornherein keine leistungsfähigkeitsrelevante Umverteilung von Steuerfolgen zwischen den Anspruchsbeteiligten resultieren. Steuereffekte, die aus der Sphäre nur eines der Beteiligten herrühren, können zwar ebenfalls eine – freilich begrenzte – Relevanz des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Zivilrechtsanwendung begründen. Im vorliegenden Kontext kommt das insbesondere in Bezug auf Typisierungs- und Pauschalierungsvorschriften in Betracht.1145 Denn eine teilrechtsordnungsübergreifend-verfassungsorientierte Auslegung ist immer dann in Betracht zu ziehen, wenn der Gesetzgeber punktuell vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgewichen ist, ohne damit besondere Lenkungszwecke zu verfolgen.1146 Bei einer daraus resultierenden Bedeutungskraft des Leis­tungsfähigkeitsprinzips würde es sich jedoch im Hinblick auf das Verhältnis der Anspruchsbeteiligten zueinander gleichsam um eine zufällige Erscheinung handeln. Ferner ist die hier in Bezug genommene, am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtete Auslegung des Zivilrechts nur möglich, wenn sich aus ihr kein Konflikt mit den hinter den einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften stehenden Wertungen ergibt.1147 Ganz generell kann festgehalten werden, dass sich die rechtliche Bewertung von Situationen dieser Art primär nach den zivilrechtlichen Prinzipien richtet, die hinter dem jeweiligen Ausgleichsanspruch stehen. In diesem Rahmen – und nur in diesem Rahmen – steht im Einzelfall auch eine am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierte Auslegung offen. Dabei wird es in aller Regel um die Frage gehen, ob Steuerfolgen, die punktuell 1145 Vgl. etwa das bei Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 116 ff. diskutierte dritte Beispiel aus dem Schweizer Recht (siehe dazu auch Fn 1148). 1146 Siehe § 6, insbesondere S. 164 und S. 167; vgl. zu einem Gegenbeispiel (So­ zialzwecknorm) Knobbe-Keuk, in: 25 Jahre Karlsruher Forum, S. 134, 137 f. 1147 Siehe wiederum die in Fn 1146 in Bezug genommenen Nachweise aus § 6 dieser Untersuchung sowie auch die nachfolgenden Ausführungen.

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vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichen, zivilrechtlich perpetuiert werden können oder abzuändern sind.1148 Da das Steuerrecht hier selbst (gerechtfertigt) vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweicht, ohne dass es zu einer maßstabswidrigen Umverteilung des entsprechenden Effekts zwischen den Anspruchsbeteiligten kommt, wird man das Abwägungsgewicht des Leistungsfähigkeitsprinzips als gering einzustufen haben, so dass es entscheidend auf die genuin zivilrechtliche Beurteilung des Sachverhalts ankommt. Und was sonstige steuerrechtliche Wertungen angeht, die im Einzelfall ebenfalls eine Rolle spielen können, ist wiederum zu bedenken, dass ihnen tendenziell nur ein geringes Abwägungsgewicht zukommt, wenn sie weder verfassungsgeleitet noch besonderen Lenkungszwecken geschuldet sind.1149 Für die hier betrachteten Situationen erweist sich die von Koller herausgearbeitete Vorgehensweise im Kern als zutreffend, zunächst die auftretenden Steuerfolgen korrekt zu ermitteln,1150 um darauf aufbauend die einschlägigen zivil- und steuerrechtlichen Wertungen sachgerecht gegeneinander abzuwägen.1151 Allerdings bildet die zivilrechtliche Anspruchsnorm aus den soeben angeführten Gründen den hauptsächlichen Maßstab der Rechtsfindung.1152 Der hier skizzierten Vorgehensweise folgen – um eine in jüngerer Zeit virulent gewordene Fragestellung aufzugreifen – im Kern die Zivilgerichte, wenn es darum geht, über die Anrechnung positiver steuerlicher Effekte auf präexistente Schadensersatzansprüche von Kapitalanlegern zu befinden: Die Gerichte sind (im Rahmen der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätze) bemüht, zunächst die steuerlichen Folgen des Sachverhalts für den Geschädigten in einer Gesamtschau zu ermitteln,1153 um auf dieser Grundlage die Frage der Anrechenbarkeit 1148 Siehe als Anwendungsfall wiederum das von Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 116 ff. erörterte dritte Beispiel aus dem Schweizer Recht. Bemerkenswerterweise findet das Leistungsfähigkeitsprinzip in seinen Ausführungen aber keine Erwähnung. 1149 Siehe oben S. 172 f. 1150 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 114 f.; siehe zum Bereicherungsrecht auch bereits Schön, ZHR 155 (1991), 247, 250, 252 ff. („Vorfrage“). 1151 Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 114 f.; zur Abwägung im Einzelnen vgl. S. 118 f. 1152 Siehe beispielhaft die Nachweise im nachfolgenden Kleintext zum Schadensrecht sowie mit Blick auf den Bereicherungsausgleich auch Schön, ZHR 155 (1991), 247, 263 ff.; siehe in diesem Zusammenhang auch die Kritik an den Ausführungen Kollers oben auf S. 174 f. 1153 Vgl. BGH NJW-RR 2011, 986, 988; BGHZ 186, 205, 213 f., 218 ff.; BGH NJW 2010, 2506, 2508; BGH NJW 2006, 499, 499 ff.; KG WM 2013, 1601, 1605 f.; OLG München WM 2012, 1427, 1431; ausführlich zum Problemkreis Podewils, DStR 2009, 752, 752 ff.; vgl. dazu, dass derartige Bemühungen nicht immer zum Erfolg

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem etwaiger steuerlicher Vorteile zu klären, und zwar nach Maßgabe der allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätze.1154 Hierbei können auch Wertungen des Steuerrechts eine Rolle spielen,1155 allerdings nur in dem Rahmen, der durch das Schadensrecht selbst gesetzt worden ist. Gleiches hat für andere zivilrechtliche Ausgleichsansprüche der hier betrachteten Art zu gelten: Aus den in den vorstehenden Absätzen angeführten Gründen gibt das Zivilrecht den Maßstab vor, auf Grundlage dessen zu entscheiden ist, inwieweit steuerrechtliche Wertungen berücksichtigt werden können. Dieser Maßstab ist zumindest im Ausgangspunkt ein ausgleichsanspruchsindividueller. Nicht ausgeschlossen erscheint zwar, dass sich übergreifende Grundsätze, beispielsweise über die Vorteilsanrechnung finden lassen,1156 die auch für steuerliche Aspekte von Bedeutung sind. Hierbei würde es sich allerdings lediglich um ein Nebenprodukt anderweitig (zivilrechtlich) abgeleiteter Ausgleichsprinzipien handeln, nicht aber um Spezifika gerade des Steuerausgleichs.

2. Ausnahmesituationen Abweichendes kommt allerdings dort in Betracht, wo das Steuerrecht die unter I. als Voraussetzung für die übergreifende Relevanz des Leistungsfähigkeitsprinzips als Abwägungsfaktor betonte Verbindung zwischen den beteiligten Privaten herstellt und das Zivilrecht zugleich einen anderweitig begründeten, d.h. unabhängig von der Steuerfolge eingreifenden Ausgleichsanspruch eröffnet. Löst die Steuerfolge in einer derartigen Situation aufgrund ihrer Maßstabswidrigkeit ein Ausgleichsbedürfnis aus, so besteht – abhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalls und der konkreten Anspruchsgrundlage – die Möglichkeit, dass der Steuerausgleich (ganz oder zum Teil) schon über den präexistenten Anspruch voll-

führen müssen, die kritische Analyse älterer Entscheidungen bei Knobbe-Keuk, in: 25 Jahre Karlsruher Forum, S. 134, 136 f. 1154 Vgl. BGH NJW-RR 2011, 986, 987 f.; BGHZ 186, 205, 213 ff.; BGH NJW 2010, 2506, 2508 f.; BGH NJW 2006, 499, 499 f.; KG WM 2013, 1601, 1605 f.; OLG München WM 2012, 1427, 1431; siehe – allgemein zum Fragenkreis – auch Oetker, in: MünchKomm.-BGB, § 249 Rn. 247 ff. sowie den Vorschlag Knobbe­Keuks, in: 25 Jahre Karlsruher Forum, S. 134, 137 ff., ertragsteuerliche Vorteile gänzlich außer Betracht zu lassen. 1155 Siehe beispielhaft BGHZ 186, 205, 221; KG WM 2013, 1601, 1605 f. sowie die Zusammenstellungen bei Oetker, in: MünchKomm.-BGB, § 249 Rn. 247; Palan­dt/Grüneberg, BGB, Vorb. v. § 249 Rn. 96 (jeweils unter Einschluss anderer Fallgestaltungen) und die kritische Rechtsprechungsanalyse bei Knobbe-Keuk, in: 25 Jahre Karlsruher Forum, S. 134, 135 ff. 1156 Vgl. etwa die Ableitung eines in diese Richtung weisenden „Statikprinzips“ bei Wendehorst, Anspruch, S. 40 ff. und in den nachfolgenden Einzelanalysen innerhalb ihrer Untersuchung; Nachweise zur herrschenden Gegenansicht dort auf S. 38 Fn 79.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

zogen werden kann, so dass es insoweit keines Primärsteuerausgleichs mehr bedarf. Damit ist zugleich der Bogen geschlagen zu der Verbindungslinie, die bereits einleitend für die beiden Grundformen des Steuerausgleichs angedeutet worden ist:1157 Überschneidungsbereiche zwischen Primärsteuerausgleich und Ausgleich über präexistente Ansprüche können dort auftreten, wo die Korrektur einer leistungsfähigkeitswidrigen Verlagerung von Steuerwirkungen in Betracht kommt und zwischen den beteiligten Privaten zudem ein aus anderen Gründen eröffneter Ausgleichsanspruch besteht. Auf die in § 1 ebenfalls schon angeführten möglichen Beispiele (Steuerausgleich über Unterhaltsansprüche und Gewinnverteilungsabreden) sowie auf weitere in Betracht kommende Anwendungsbereiche wird im Rahmen der Fallgruppenanalyse im 2. Teil eingegangen.

1157 Siehe oben S. 3.

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§ 8 Konsequenzen und weiteres Vorgehen A. Analyse der bisherigen Ergebnisse Betrachtet man den ersten Teil dieser Untersuchung in einer Gesamtschau, so lassen sich folgende zentrale Punkte festhalten: Steuerliche Ergebnisse sind einer zivilrechtlichen Korrektur grundsätzlich zugänglich und haben mithin keinen definitiven Charakter im Sinne eines unbedingten Vorrangs vor den Ausgleichsmechanismen des Zivilrechts. Umgekehrt ist aber auch das Zivilrecht nicht frei darin, steuerliche Ergebnisse unter alleiniger Berücksichtigung seiner eigenen Prinzipien und Wertungen abzuändern. Denn es gibt zahlreiche Situationen, in denen steuerrechtliche Wertungen Aussagekraft für die Frage besitzen, ob ein interner Ausgleich vorzunehmen ist oder nicht.1158 Übergreifende Folgerungen konnten speziell im 2. Kapitel für Regelungsbereiche abgeleitet werden, in denen das Leistungsfähigkeitsprinzip als wichtigster, verfassungsgeleiteter Wertung des Steuerrechts Aussagekraft besitzt. Besonders in § 7 wurde gezeigt, in welchen normativen Situationen das Leistungsfähigkeitsprinzip hauptsächlich einschlägig ist, welche Wirkkraft und -richtung ihm im Verhältnis zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem zukommen kann und welche Kriterien hierfür im Einzelfall ausschlaggebend sind. Als zentrale Voraussetzung für die Ableitung weitergehender Aussagen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip hat sich die Zusammenfassung der beteiligten Privaten zu einem Gemeinschaftsverhältnis durch das Steuerrecht erwiesen, denn andernfalls scheidet in ihrem Verhältnis zueinander eine potentiell auszugleichende (bzw. infolge der Zivilrechtsanwendung zu befürchtende) maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung aus.1159 In solchen Situationen kann eine Arbeitsteilung von Steuertatbestand und zivilrechtlichem Ausgleichssystem geboten sein, um ein verfassungsgemäßes bzw. -optimiertes Gesamtergebnis zu erzielen.1160 Damit korrespondiert die Beobachtung, dass die (übergreifende) zivilrechtliche Ausgleichsfunktion häufig 1158 Vgl. insoweit auch Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 110 ff., S. 114 ff. Die von ihm vorgeschlagene Vorgehensweise, „sämtliche in Betracht kommenden Wertungsgesichtspunkte […] sachgerecht gegeneinander abzuwägen“ (S. 115), hat sich jedoch aus den in der bisherigen Untersuchung abgeleiteten Zusammenhängen als zu undifferenziert erwiesen; siehe insbesondere oben S. 174 ff. sowie auch die nachfolgende Darstellung. 1159 Siehe oben § 7, insbesondere S. 228 f. 1160 Siehe insbesondere S. 206 ff.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

Hand in Hand mit den Ergebnissen geht, für die das Leistungsfähigkeitsprinzip streitet.1161 Im Kern geht es bei Situationen der soeben umschriebenen Art um solche des Primärsteuerausgleichs, während sich die Frage eines Ausgleichs über präexistente Ausgleichsrechnungen nur dann stellt, wenn zwischen den von der maßstabswidrigen Steuerwirkungsverschiebung beteiligten Privaten – gleichsam zufällig – ein anderweitig begründeter Anspruch eröffnet ist, über den auch die Steuerfolge kompensiert werden kann.1162 Soweit dies nicht der Fall ist, lautet die zivilrechtliche Kernfrage, ob und über welche Anspruchsgrundlage(n) in der jeweiligen Situation ein Primärsteuerausgleich verwirklicht werden kann. Zu bedenken ist dabei, dass die in Betracht kommenden Sachverhalte den unterschiedlichsten zivilrechtlichen Regelungsbereichen angehören, so dass sich sachgebietsspezifische Lösungswege mit teils singulärem Charakter ergeben können. Ganz generell bedarf es einer sorgfältigen Analyse der hinter den jeweils zu prüfenden Anspruchsnormen stehenden zivilrechtlichen Wertungen.1163 Von ganz wesentlicher Bedeutung für die weitere Untersuchung ist ferner der Zusammenhang, dass Vereinbarungen, die die beteiligten Privaten (in den Grenzen des privatautonom Regelbaren) über die Steuerlastverteilung getroffen haben, nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip kollidieren. Insbesondere sind in dieser Hinsicht keine Konflikte zwischen Privatautonomie und Leistungsfähigkeitsprinzip zu befürchten. Auch sonst wird im Regelfall von der Warte des Steuerrechts aus kein Anlass bestehen, an der Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen zu zweifeln. Denn weder sind steuerrechtliche Wertungen ersichtlich, die einem vertraglichen Ausgleich zwingend entgegenstehen, noch werden in aller Regel sonstige verfassungsrechtliche Vorgaben betroffen sein, denen das Steuerrecht genügen muss und die durch den Ausgleich beeinträchtigt werden könnten. Die jeweilige Vereinbarung ist folglich (nach Maßgabe der jeweils einschlägigen zivilrechtlichen Grundsätze) für das Verhältnis der Vertragsparteien zueinander maßgebend.1164 Das gilt nicht nur dann, wenn die Parteien die Steuerlast ausdrücklich in den Vertrag einbezogen haben, sondern auch, wenn sich entsprechende Folgerungen sonst mit

1161 Ausführlich oben § 7 C. sowie die darauf aufbauenden weiteren Ausführungen. 1162 Siehe soeben in § 7 unter F III. 1163 Siehe zur weiteren Vorgehensweise sogleich unter B. 1164 Zusammenfassend oben S. 229; im Ergebnis ebenso, jedoch ohne nähere Begründung, Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 114.

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Konsequenzen und weiteres Vorgehen

hinreichender Deutlichkeit aus der jeweiligen Austauschbeziehung ableiten lassen. In Bezug auf diejenigen Regelungsbereiche, in denen dem Leistungsfä­ higkeitsprinzip keine oder lediglich eine akzidentielle Aussagekraft zukommt,1165 erscheint es demgegenüber wenig Erfolg versprechend, nach übergreifenden Zusammenhängen Ausschau zu halten. Dies dürfte anhand der im vorstehenden Abschnitt beispielhaft vorgenommenen Kurzanalyse von Steuerwirkungen in präexistenten Ausgleichsrechnungen außerhalb von steuerlichen Gemeinschaftsverhältnissen deutlich geworden sein. Ganz generell sind die in Betracht kommenden rechtstatsächlichen Erscheinungen ebenso wie die normativen Situationen, in denen sie sich widerspiegeln, äußerst vielgestaltig und kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, so dass es nicht möglich erscheint, einfache Handlungsanweisungen zu formulieren.1166 Allerdings sind in § 6 einige Leitlinien mit Blick auf die in Betracht kommenden abwägungsrelevanten Faktoren herausgearbeitet worden. Was speziell einfachgesetzliche Prinzipien und Wertungen des Steuerrechts angeht, die nicht mit der Verfolgung interventionistischer Zwecke zusammenhängen, konnte etwa gezeigt werden, dass ihnen grundsätzlich nur ein geringes Abwägungsgewicht zukommt.1167 Weitergehende Folgerungen sind jedoch wegen der ganz unterschiedlichen Einflussfaktoren, die im Einzelfall Bedeutung erlangen können, schwerlich ableitbar.

B. Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung Die soeben angestellten Erwägungen rechtfertigen es, den Untersuchungsgegenstand auf Sachgebiete zu beschränken und zu konzen­trieren, in denen das Leistungsfähigkeitsprinzip nach Maßgabe der Ausführungen insbesondere in § 7 weitergehende Aussagekraft für die zivilrechtliche Rechtsfindung besitzt. Allerdings stößt der bisher gewählte deduktive Ansatz auch insoweit an seine Grenzen: Obwohl auf die Einzelheiten der Zivilrechtsanwendung bisher nur in Ansätzen eingegangen worden ist, hat die Darstellung ein erhebliches Abstraktionsniveau erreicht, das es schwierig macht, konkrete Folgerungen für die Lösung von Einzelfällen zu ziehen. Die Komplexität der Aufgabenstellung resultiert zu einem wesentlichen Teil aus der in unterschiedlichen Schattierungen auftreten1165 Zusammenstellung soeben in § 7 unter F II. und III 1. 1166 Siehe wiederum die oben auf S. 174 ff. formulierte Kritik an den entsprechenden Ausführungen Kollers. 1167 Siehe oben S. 172 f.

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Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliche Ansprüche

den Gemengelage aus verfassungsrechtlichen, genuin steuerrechtlichen und zivilrechtlichen Wertungen. Deshalb wird im 2. Teil der Blickwinkel zugunsten einer prinzipiell induktiven Vorgehensweise geändert, die auf konkrete, praktisch wichtige Fallgruppen bezogen ist und insbesondere die zivilrechtliche Seite der Fragestellung stärker in den Vordergrund der Betrachtungen rückt. Da allerdings auch diejenigen Problemlagen, die nach den bisherigen Ergebnissen im Verhältnis von zivilrechtlichem Ausgleichssystem und Leis­tungsfähigkeitsprinzip auftreten können, überaus vielschichtig sind, bedarf es einer Auswahl, die sich an der Bedeutung in wissenschaftlicher Diskussion und Praxis orientiert. Wie in § 1 bereits erwähnt, wird sich das 1. Kapitel des 2. Teils mit dem Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten befassen. Im 2. Kapitel werden sodann zentrale Fragen des Steuerausgleichs in gewerblichen Personengesellschaften (unter Einschluss der rechtlichen Bewältigung „fremdbestimmter Steuerwirkungen“) erörtert. Diese Fallgruppen haben gemein, dass Situationen betroffen sind, in denen zwischen den beteiligten Privaten eine Nähebeziehung besteht, weil prinzipiell gleichgerichtete Interessen verfolgt werden. Bei ihnen tritt folglich neben die steuerliche Gemeinschaft, die in § 7 als konstitutiv für die Betroffenheit des Leistungsfähigkeitsprinzips herausgestellt wurde,1168 auch in zivilrechtlicher Hinsicht eine Personenverbindung, die (untechnisch)1169 als „Gemeinschaft“ bezeichnet werden kann, so dass der 2. Teil mit „Steuerausgleich in Gemeinschaften“ überschrieben ist.1170 Bei den Betrachtungen ausgespart bleiben dementsprechend einfache Austauschverträge, auch soweit bei ihnen maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung eine Rolle spielen können,1171 denn hier überwiegt 1168 Zu den Einzelprägungen im Rahmen der untersuchten Fallgruppen siehe die Ausführungen im 2. Teil. 1169 Nicht gemeint ist der Gemeinschaftsbegriff der §§ 741 ff. BGB. 1170 Nicht jede steuerliche Gemeinschaft in dem in § 7 in Bezug genommenen, auf das Leistungsfähigkeitsprinzip bezogenen Sinne ist jedoch mit einer zivilrechtlichen Personenverbindung deckungsgleich. So lässt sich zwar aus der Umsatzsteuerüberwälzung bei Austauschverträgen eine steuerliche Gemeinschaft zwischen Steuerträger und Steuerschuldner ableiten (vgl. oben S. 198). Eine weitergehende, personenbezogene Verbindung besteht zwischen ihnen hingegen in aller Regel nicht. 1171 Vgl. Fn 1170; siehe speziell zu Zivilrechtsfragen der Umsatzsteuerüberwälzung BGH NJW 2002, 2312, 2312 f.; BGH NJW 2001, 2464, 2464 ff.; Finkenauer, in: MünchKomm.-BGB, § 313 Rn. 284 a.E.; Palandt/Ellenberger, BGB, § 157 Rn. 13; Rohde/Knobbe, NJW 2012, 2156, 2158 f.; Wollweber, FS Streck, S. 275, 281 f. und 287 sowie Meincke, JuS 1976, 693, 697 mit Nachweisen aus der älteren

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Konsequenzen und weiteres Vorgehen

der Aspekt der (konkreten) iustitia commutativa, so dass für die Lösung des einzelnen Falls das jeweilige Vertragsgefüge in den Vordergrund rückt.1172 Ganz generell wird nicht auf Problemfelder eingegangen, in denen das individuelle Vertragsverhältnis bestimmend für das Ergebnis ist, da andernfalls eine Atomisierung der Untersuchungsergebnisse zu befürchten ist, und die allgemeinen (einzelproblemübergreifenden) Grundsätze über den Steuerausgleich ohnehin hinter das konkret vereinbarte Austauschprogramm zurücktreten.1173 Dies schließt es aber selbstverständlich nicht aus, für viele der im Folgenden zu untersuchenden Fragestellungen – auch und zuvörderst – nach problemtypenbezogenen vertraglichen Lösungswegen zu suchen. Wo es von Bedeutung ist, wird darüber hinaus auch auf die steuerlichen Folgewirkungen des zivilrechtlichen Ausgleichs eingegangen.1174 Die Ergebnisse der Fallgruppenanalyse im 2. Teil werden übergreifende Schlüsse auf die Bedeutung der in Betracht kommenden zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen für den Steuerausgleich zulassen, so dass ihnen auch Aussagekraft für andere, nicht behandelte Situationen zukommt. Hierauf wird im Rahmen einer Gesamtschau am Ende dieser Untersuchung (in § 17) zurückgekommen. Zu bedenken ist aber wiederum, dass aus der Einbindung einer jeden Fragestellung in den Gesamtkontext des konkret betroffenen Rechtsgebiets gewisse Grenzen für die Verallgemeinerungsfähigkeit von Lösungswegen resultieren. Die Erörterung und Auflösung von Einzelfragen, die sich in denjenigen Rechtsbereichen ergeben, die im 2. Teil näher untersucht werden, bildet ein Nebenprodukt dieser Arbeit.

Rechtsprechung; vgl. auch § 29 UStG; zur Grunderwerbsteuer siehe BGH NJW 2010, 2873, 2875; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 62; H.P. Westermann, in: MünchKomm.-BGB, § 448 Rn. 11; Förster/Herrler, NJW 2010, 2090, 2090 ff. sowie bereits RFHE 6, 171, 174 ff. (mit freilich anderem Ergebnis). 1172 Insoweit treffend bereits RFHE 6, 171, 175 f.; siehe zu weiteren Situationen dieser Art beispielhaft Flume, Rechtsgeschäft, S. 521 ff.; Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 112 f.; Walz, ZIP 1991, 1405, 1405 ff. sowie in allgemeinerem Kontext Finkenauer, in: MünchKomm.-BGB, § 313 Rn. 233; Palandt/Grüneberg, BGB, § 313 Rn. 38; Wollweber, FS Streck, S. 275, 280 ff., 284 ff.; zu steuerlich motivierten Gestaltungen siehe insbesondere Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 143 ff.; Walz, ZHR 147 (1983), 281, 281 ff., 295 ff. Bei den dort auftretenden Problemen handelt es sich im Übrigen nicht um Besonderheiten gerade des steuerlichen Einflusses auf das Zivilrecht, sondern sie können sich auch im Verhältnis zu anderen Teilrechtsordnungen stellen (siehe nur Schulze-Osterloh, aaO, S. 143 f., S. 151 f.). 1173 Siehe zusammenfassend soeben unter A. 1174 Zu diesem Themenkreis übergreifend Wollweber, FS Streck, S. 275, 287 ff.

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2. Teil: Steuerausgleich in Gemeinschaften 1. Kapitel: Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten § 9 Überblick und Problemaufriss Als erstes Problemfeld aus dem Bereich des Steuerausgleichs in Gemeinschaften wird im Folgenden die Frage nach Ausgleichsansprüchen unter Ehegatten untersucht, die nach §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26b, 32a Abs. 5 EStG1175 zusammen veranlagt werden. Auf die Frage, ob auch andere Formen des Zusammenlebens, insbesondere eingetragene Lebenspartnerschaften, in das so genannte Splittingverfahren1176 einzubeziehen sind,1177 wird im Folgenden inzident eingegangen. Wie zu zeigen sein wird, könnten sich auch im Falle ihrer Einbeziehung keine abweichenden Folgerungen für das Innenverhältnis ergeben. Dem Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten kommt seit einigen Jahrzehnten erhebliche praktische Relevanz zu, was sich an einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen ablesen lässt, die diesen Bereich betreffen.1178 Demgegenüber sind im Schrifttum über eine lange Zeitperiode hinweg nur verhältnismäßig wenige übergreifende Ansätze

1175 Zum Zusammenwirken dieser Vorschriften siehe etwa St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26b Rn. A 250. 1176 Der Begriff „Splittingverfahren“ ist zwar an sich unpräzise, da die soeben zitierten Vorschriften, auf die er sich bezieht, solche des materiellen Rechts und nicht des Verfahrensrechts sind. Da er jedoch im Gesetz verankert ist (siehe insbesondere § 32a Abs. 5 EStG: „Splitting-Verfahren“) und auch sonst allgemein von ihm Gebrauch gemacht wird (statt aller BVerfGE 61, 319, 345; BFH BStBl. II 2009, 666, 667), findet er auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Verwendung. 1177 So für eingetragene Lebenspartnerschaften nunmehr BVerfG NJW 2013, 2257, 2257 ff. 1178 Aus der älteren Rechtsprechung des BGH siehe BGH FamRZ 1990, 374, 376 f.; BGH NJW 1988, 2032, 2033; BGHZ 73, 29, 36 ff.; BGH NJW 1977, 378, 378; Nachweise zu jüngeren Entscheidungen in Fn 1181; umfängliche Nachweise der kaum überschaubaren Rechtsprechung der Instanzgerichte seit Ende der 60er Jahre bei Liebelt, FamRZ 1993, 626, 628 ff. Auf zahlreiche dieser Entscheidungen wird im Folgenden (sowie sodann ausführlich in § 11) Bezug genommen.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten

entwickelt worden.1179 Aus neuerer Zeit ist allerdings namentlich auf die Dissertation Dyckmans hinzuweisen, in der die bestehenden Problempunkte analysiert und die dazu bis zum Jahr 2009 bestehenden Meinungsstände vollumfänglich herausgearbeitet werden.1180 Ferner haben zahlreiche jüngere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs der Diskussion neue Impulse verliehen.1181 Allerdings ist diese Diskussion nach wie vor nur schwer überschaubar und nicht frei von Ungereimtheiten, was im Kern darauf zurückzuführen ist, dass sie von drei Rechtsprechungslinien geprägt wird, die unterschiedlichen Ursprungs sind und sich besonders in der Anfangszeit weithin unabhängig voneinander entwickelt haben. Sie überschneiden sich jedoch in vielerlei Hinsicht und weisen erhebliche Reibungspunkte auf. Die erste dieser Rechtsprechungslinien gründet auf einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1976, in dem das Gericht die Ehegatten als einander verpflichtet angesehen hat, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn sich die Steuerschuld desjenigen Ehegatten, der sie begehrt, verringert und der andere Teil keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird.1182 Etwaige steuerliche Nachteile sei-

1179 Zu nennen sind Dostmann, FamRZ 1991, 760, 760 ff.; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 626 ff.; Walz, StVj 1993, 46, 46 ff.; grundlegend Sonnenschein, NJW 1980, 257, 257 ff. 1180 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 25 ff. Auf die verfassungsrechtlichen Hintergründe des Ehegattensplittings, die – wie sich im Folgenden herausstellen wird – auch für die Zivilrechtsanwendung von wesentlicher Bedeutung sind, geht Dyckmans jedoch nur am Rande ein (S. 30 ff.); vgl. aus neuerer Zeit auch Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, passim, insbesondere S. 97 ff. und Witt, DStR 2007, 56, 56 ff., bei denen die Überlagerungsrechtsprechung des BGH (zu ihr sogleich bei Fn 1196) jedoch unverständlicherweise keinen nennenswerten Widerhall findet. 1181 Während sich in der Zeit vor der Jahrtausendwende nur wenig höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Thematik findet (vgl. die Nachweise in Fn 1178), ist die Anzahl der Entscheidungen des BGH seit 2002 erheblich angestiegen, was nicht zuletzt auf die Reform des Rechtsmittelrechts durch das Zivilprozess­ reformgesetz vom 27.7.2001 (BGBl. I 2001, S. 1887) zurückzuführen sein dürfte. Verwiesen sei insbesondere auf die Entscheidungen BGH NJW 2011, 2725, 2725 ff.; BGH FamRZ 2011, 210, 210 f.; BGH NJW 2010, 1879, 1880 ff.; BGH NJW 2007, 2556, 2556 f.; BGH NJW 2007, 2554, 2554 ff.; BGH NJW 2006, 2623, 2623 ff.; BGH FamRZ 2005, 182, 183 f.; BGHZ 155, 249, 252 ff.; BGH NJW 2002, 2319, 2320 ff.; BGH NJW 2002, 1570, 1570 f. 1182 BGH NJW 1977, 378, 378. Dieser Standpunkt entspricht seitdem der ständigen Rechtsprechung; siehe etwa BGH NJW 2011, 2725, 2725; BGH FamRZ 2011, 210, 210; BGH NJW 2007, 2554, 2554; BGH FamRZ 2005, 182, 183; aus dem Schrifttum siehe nur A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 39; Staudinger/ Voppel, BGB, § 1353 Rn. 93.

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Überblick und Problemaufriss

en ihm daher auszugleichen.1183 In neueren Entscheidungen wird hervorgehoben, dass sich der Anspruchsteller grundsätzlich zugleich zu ebendiesem Nachteilsausgleich verpflichten müsse.1184 Während heute im Wesentlichen Einigkeit darüber besteht, dass § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB die Anspruchsgrundlage für das Mitwirkungsbegehren bildet,1185 sind die rechtlichen Grundlagen dieser Verpflichtung zum Nachteilsausgleich und ihr Verhältnis zum Zustimmungsanspruch nach wie vor nicht hinreichend geklärt.1186 Zweitens hat sich ein Streitstand zu der Frage entwickelt, wie die Steuerlasten bzw. etwaige Erstattungsbeträge intern aufzuteilen sind, wenn sich die Ehegatten zusammen veranlagen lassen.1187 Mittlerweile dürfte es der allgemeinen Auffassung entsprechen, dass grundsätzlich ein umfänglicher Steuerausgleich vorzunehmen ist, über den die Gesamtsteuerlast – in Anlehnung an die §§ 268 ff. AO, insbesondere § 270 AO – nach dem Verhältnis der (fiktiven) Steuerbeträge bei Einzelveranlagung aufzu-

1183 Grundlegend wiederum BGH NJW 1977, 378, 378. 1184 Vgl. BGH FamRZ 2011, 210, 210; BGH NJW 2007, 2556, 2557; BGH FamRZ 2005, 182, 183. 1185 Statt vieler BGH NJW 2007, 2554, 2554; umfängliche Nachweise bei Dyck­mans, Ehegattenveranlagung, S. 105; einen gesellschaftsrechtlichen Anspruch erwägend BGHZ 155, 249, 253 f.; näher zum Ganzen in § 11 E. Im Rahmen dieser Untersuchung wird der Begriff „Mitwirkung“, wie er etwa bei Dyckmans, aaO, S. 104 ff. Verwendung findet, als gleichbedeutend mit dem von der Recht­ sprechung bevorzugten Begriff der „Zustimmung“ (bzw. „Einwilligung“) gebraucht, ohne dass hiermit Aussagen über Tenorierungs- und Vollstreckungsfragen beabsichtigt wären; ausführlich zu diesem Themenkreis Dyckmans, aaO, S. 128 ff. 1186 Vgl. aus der neueren Rechtsprechung des BGH einerseits BGH FamRZ 2011, 210, 210 f. (Verknüpfung beider Begehren über § 273 Abs. 1 BGB, d.h. Einordnung der Pflicht zum Nachteilsausgleich als Gegenanspruch) und andererseits BGH NJW 2007, 2556, 2557 (Klageabweisung bei unzureichendem Ausgleichsangebot). 1187 Bis vor kurzem wurden hierzu im Wesentlichen drei Ansätze diskutiert: (1) Auftei­ lung nach dem Verhältnis der Einkünfte (Langel, StbJb 1985/86, 333, 357 f.; vgl. auch BGHZ 73, 29, 38; LG Köln NJW-RR 1991, 1027, 1027); (2) Auf­ teilung nach dem Verhältnis der (fiktiven) Steuerbeträge bei Einzelveranlagung (Nachweise sogleich in Fn 1188); (3) Aufteilung nach dem Verhältnis der tat­ sächlich entrichteten Steuerbeträge (OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 70, 70 f.; LG Stuttgart FamRZ 1998, 241, 241; Traxel, BB 1994, 1762, 1762 f.; siehe auch OLG Hamm FamRZ 2001, 98, 98). Erörterung dieses (aus heutiger Sicht wohl überkommenen) Streitstandes und weitere Nachweise bei BGH NJW 2006, 2623, 2624 f.; Arens, NJW 1996, 704, 705; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 217 ff.; Felder, Verpflichtung, S. 61 ff.; Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 97 ff.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten

teilen sei; bereits erbrachte Leistungen müssten angerechnet werden.1188 Als einschlägige Anspruchsgrundlage für diesen Steuerausgleich steht § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ganz im Vordergrund der Betrachtungen,1189 wobei Einigkeit darüber besteht, dass eine Aufteilung der Steuerlast zu gleichen Teilen nicht in Betracht kommt, weil jeder Ehegatte für die Steuern, die auf seine Einkünfte entfallen, grundsätzlich selbst aufzukommen habe.1190 Allerdings erscheint es nicht zweifelsfrei, ob über den Gesamtschuldnerausgleich auch Erstattungsbeträge intern zugeordnet werden können,1191 denn insoweit handelt es sich nicht um die Unterverteilung

1188 Zu dieser – bereits zuvor herrschenden – Ansicht hat sich der BGH in der Entscheidung BGH NJW 2006, 2623, 2624 f. bekannt (noch offen gelassen in BGHZ 73, 29, 38; siehe auch BGH FamRZ 2005, 104, 105); aus dem Schrifttum siehe etwa Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 62; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 12c; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 209; Dyck­mans, Ehegattenveranlagung, S. 195 ff., S. 217 ff. (S. 223 f.); Pasche, FPR 2012, 312, 313; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 345 ff.; Witt, DStR 2007, 56, 57 ff. (59); siehe bereits OLG Hamm FamRZ 1998, 1166, 1167; OLG Köln Fam RZ­1995, 55, 56; LG Köln NJW-RR 1990, 140, 140 f.; LG Bochum FamRZ 1987, 828, 829; Dostmann, FamRZ 1991, 760, 762; Gernhuber, JZ 1996, 765, 766; Liebelt, NJW 1993, 1741, 1742 f.; dens., FamRZ 1993, 626, 633 f.; Rohn, Ehepflichten, S. 85 f.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 261 f.; Walz, StVj 1993, 46, 60; Witt, Konzernbesteuerung, S. 361 ff. 1189 In der neueren Rechtsprechung wird ausschließlich auf den Gesamtschuldnerausgleich verwiesen: BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2006, 2623, 2623 f.; BGH NJW 2002, 2319, 2320 f.; BGH NJW 2002, 1570, 1570 f.; BFH BSt Bl­­. II 2003, 267, 268; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 96, 96; aus dem Schrifttum siehe Erman/Kroll-Ludwigs, BGB, § 1353 Rn. 24; Boeker, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 61 f.; Palandt/Brudermüller, § 1353 Rn. 12c; Dostmann, FamRZ 1991, 760, 761 ff.; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 203 ff.; Koritz, FPR 2003, 435, 436 f.; Liebelt, NJW 1993, 1741, 1742 f.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 343; Witt, DStR 2007, 56, 57 ff.; weitergehend Sonnenschein, NJW 1980, 257, 258 ff., der zudem auf Ansprüche aus Gesellschaftsrecht, Familienrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag und Bereicherungsrecht hinweist (Erörterung entsprechender Ansätze auch bei Dyckmans, aaO, S. 228 ff.); eine Ausgleichspflicht aus § 1353 BGB grundsätzlich bejahend insbesondere Walz, StVj 1993, 46, 56 ff. Der Unterhaltsanspruch spielt in dieser Diskussion hingegen kaum eine Rolle (vgl. aber insbesondere Hauß, FamRB 2002, 346, 347 f.). 1190 So insbesondere die ständige Rechtsprechung: BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2006, 2623, 2624; BGH NJW 2002, 2319, 2320 a.E.; BGH NJW 2002, 1570, 1570 a.E.; BGHZ 73, 29, 37 f.; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 96, 96; siehe auch etwa Dostmann, FamRZ 1991, 760, 761 f.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 261; ausführlich Fundierung dieses Ansatzes bei Witt, DStR 2007, 56, 57 ff. 1191 Vgl. Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 241, der die Anwendbarkeit des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB aber im Ergebnis bejaht; ebenso, jedoch ohne Begründung, BGH NJW 2006, 2623, 2625; BGH FuR 2002, 498, 498; BFH/NV 2005, 833, 834; aus dem Schrifttum vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 12c; Kruse, in:

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Überblick und Problemaufriss

einer Verbindlichkeit.1192 Demgegenüber besteht offenbar im Ergebnis grundsätzliche1193 Einigkeit darüber, dass ein allein verdienender Ehegatte nicht dazu verpflichtet ist, eine Ausgleichszahlung wegen der ihm zugute kommenden Splittingersparnis1194 zu leisten.1195 Die dritte Hauptlinie der Rechtsprechung betrifft den Ausschluss dieser Ausgleichsansprüche im Falle eines gemeinsamen Wirtschaftens, von dem bei intakter Ehe grundsätzlich auszugehen sei.1196 Diese Situation Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 26; Dostmann, FamRZ 1991, 760, 763; Koritz, FPR 2003, 435, 436 f.; Rohn, Ehepflichten, S. 81 f. 1192 Ablehnend daher Walz, StVj 1993, 46, 54, der § 1353 BGB anwenden will (S. 56 ff.); für Einschlägigkeit des § 816 Abs. 2 BGB hingegen OLG Köln OLGZ 1969, 333, 333 ff. (337); LG Stuttgart FamRZ 1998, 241, 241; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 347; siehe auch OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 191, 191; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260; für § 430 BGB BSG FamRZ 1984, 787, 788; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 832, 834; LG Essen FamRZ 1987, 592, 593. § 432 BGB in Verbindung mit §§ 741 ff. BGB will Gmach, BB 1981, 726, 729 fruchtbar machen. 1193 Zu teilweise abweichenden Anschauungen in Bezug auf Vorteile aus der ehegattenübergreifenden Verlustverrechnung siehe Fn 1219. 1194 Hier und im Folgenden werden die Begriffe „Splittingersparnis“ bzw. „-vorteil“ und „Steuerersparnis“ bzw. „-vorteil“ einheitlich für diejenige Steuerentlas­tung verwendet, die bei Gesamtbetrachtung beider Ehegatten aus der Anwendung der §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26b, 32a Abs. 5 EStG resultiert. In aller Regel folgt sie im Kern aus der Anwendung des Splittingtarifs. Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 246 Fn 471 spricht insoweit von „Progressionsvorteil“. Im Einzelfall können aber auch andere Effekte eine nicht unerhebliche (positive oder negative) Auswirkung auf das steuerliche Gesamtergebnis haben (vgl. vorläufig die Zusammenstellung bei Dyckmans, aaO, S. 247); hierauf ist zurückzukommen; siehe speziell zur Verlustverrechnung sogleich auf S. 248 ff. Der Begriff „Vorteil“ dient im Übrigen allein der Beschreibung eines positiven Gesamtsaldos, nicht aber zur Kennzeichnung eines bestimmten (verfassungs-)rechtlichen Verständnisses des Ehegattensplittings (dazu näher sogleich in § 10). 1195 Vgl. BGH NJW 1977, 378, 378 (gestützt auf unterhaltsrechtliche Erwägungen); dem folgend BSG FamRZ 1984, 787, 788; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 832, 834; Arens, FamRB 2004, 124, 129 a.E.; Felder, Verpflichtung, S. 73 f.; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 88 f.; Tiedtke, FamRZ 1977, 686, 688 f. (wörtlich wiederholt in FPR 2003, 400, 403); siehe auch LG Köln NJW-RR 1991, 1027, 1027; LG Ulm FamRZ 1988, 1051, 1051 a.E.; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 247 ff.; Koritz, FPR 2003, 435, 436 f.; Liebelt, NJW 1994, 609, 610; Rohn, Ehepflichten, S. 82 ff.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 259 f.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 347 f.; weitere Nachweise bei Liebelt, FamRZ 1993, 626, 634 Fn 137. 1196 Vgl. BGH NJW 2011, 2725, 2726; BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2002, 2319, 2321; BGH NJW 2002, 1570, 1570 f.; BFH BStBl. II 2003, 267, 268; OLG Bremen NJW 2011, 2145, 2146; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 441, 441; offener hingegen BGH NJW 2010, 1879, 1881 f.; BGH NJW 2007, 2556, 2557; aus dem Schrifttum vgl. Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 17; Staudinger/ Noack, BGB, § 426 Rn. 209 ff.; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 205 ff.; Koritz, FPR 2003, 435, 437; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 343 f.,

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten

wird als „(familienrechtliche) Überlagerung“ bezeichnet.1197 Der Anspruchsausschluss soll aus einer konkludenten Vereinbarung der Ehegatten folgen.1198 Hiernach wären die an sich bestehenden Ausgleichsansprüche jedenfalls vor der Trennung des Paares in aller Regel verdrängt. Überspitzt formuliert stellt der – teilweise mit viel argumentativer Mühe abgeleitete – Ausgleichsanspruch daher zwar den normativen Regelfall, in der Praxis jedoch einen seltenen Grenzfall dar.1199 Dies gilt umso mehr, als nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch im Jahr der Trennung gegebenenfalls noch eine zeitliche Abgrenzung vorgenommen werden muss.1200 Ferner kann ein etwaiger Ausgleichsanspruch nach dieser Rechtsprechung auch in der Zeit nach der Trennung aufgrund vollzogener Unterhaltsleistungen überlagert sein.1201 Konsequenterweise könnte die Aufteilung von Erstattungsbeträgen, Abschlusszahlungen und Steuernachforderungen in solchen Überlagerungssituationen ebenfalls nicht S. 348 ff.; dens., FamRZ 2003, 565, 568. Auch in anderen Bereichen des Gesamtschuldnerausgleichs unter Ehegatten finden sich entsprechende Rechtsprechungsansätze (vgl. BGH NJW 2008, 849, 850; BGH NJW 2005, 2307, 2307; BGH NJW 1995, 652, 653; BGHZ 87, 265, 269 f.). 1197 Vgl. BGH NJW 2010, 1879, 1881; BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2006, 2623, 2624; BGH NJW 2002, 1570, 1570 f.; OLG Bremen NJW 2011, 2145, 2146; Erman/Kroll-Ludwigs, BGB, § 1353 Rn. 24; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 12c; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 209 f.; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 205; Koritz, FPR 2003, 435, 437; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 348 f.; dens., FamRZ 2002, 741, 741. 1198 BGH NJW 2007, 2556, 2557; BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2002, 2319, 2321; BGH NJW 2002, 1570, 1570 f.; BFH BStBl. II 2003, 267, 268; OLG Bremen NJW 2011, 2145, 2146; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 12c. In BGH NJW 2010, 1879, 1881 wird ergänzend auf die „tatsächliche Gestaltung im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft“ verwiesen. Demgegenüber besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass der Aspekt des Zugewinnausgleichs im gesetzlichen Güterstand prinzipiell keine Auswirkungen auf etwaige Ausgleichsansprüche hat, sondern diesen vielmehr grundsätzlich nachgelagert ist (siehe vorläufig BGH NJW 2006, 2623, 2623 a.E.; Arens, FamRZ 1999, 257, 260). 1199 Vgl. in diesem Zusammenhang den Aufbau zahlreicher Entscheidungen des BGH: Im ersten Schritt wird herausgestellt, dass grundsätzlich jeder Ehegatte selbst für seine Steuerschulden aufzukommen habe, was auch den Innenausgleich nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB leiten müsse (Nachweise in Fn 1190). Von diesem Grundsatz wird sodann in einem zweiten Schritt sofort wieder abgewichen, wenn und weil eine Überlagerungssituation vorliege (exemplarisch BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2002, 2319, 2320 f.; BGH NJW 2002, 1570, 1570 f.; ganz ähnlich etwa Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 209 f.). 1200 BGH NJW 2007, 2554, 2555 f.; siehe auch OLG Bremen NJW 2011, 2145, 2146; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 350 f. 1201 BGH NJW 2007, 2554, 2555; siehe auch Bosch, FamRZ 2002, 366, 368; Hauß, FamRB 2002, 346, 347; Koritz, FPR 2003, 435, 437; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 349 ff.

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einfach an den Verhältnissen bei Einzelveranlagung orientiert werden.1202 Für Steuererstattungen stellt sich die oben angerissene Frage nach der einschlägigen Anspruchsgrundlage dann in besonderem Maße. Gleiches gilt für die Ermittlung des richtigen Aufteilungsmaßstabs. Betrachtet man den soeben skizzierten Diskussionsstand in einer Zusammenschau, so fällt zunächst auf, dass – je nach der für den zu entscheiden­den Fall favorisierten Lösung – mal vom Leitbild des gemeinsamen Wirtschaftens der Ehegatten,1203 mal vom Aspekt der Vermögenstrennung1204 ausgegangen wird. Darüber hinaus lassen sich folgende Spannungsfelder zwischen den soeben aufgezeigten Argumentationslinien ausmachen: Wieso soll der Zustimmungsanspruch zur Voraussetzung haben, dass sich der Ehegatte, der sie verlangt, rechtsgeschäftlich zum Nachteilsausgleich verpflichtet, obwohl eine derartige Ausgleichspflicht (zumindest nach Trennung des Paares) ohnehin bereits vorhanden ist, ohne dass weitere Begründungsakte erforderlich sind? Wie verhalten sich Mitwirkungsverpflichtung und Ausgleichsanspruch überhaupt zueinander und was gilt in den Fällen der „Überlagerung“? Wieso wird in Bezug auf den Zustimmungsanspruch (und auch sonst im Zusammenhang mit der Reichweite der Ausgleichspflicht) nahezu allgemein betont, dass lediglich ein Nachteilsausgleich geschuldet ist und dementsprechend keine­Partizipation an der zusammenveranlagungsbedingten Steuerersparnis in Betracht kommt, obwohl sich die interne Aufteilung der Steuerschuld am Maßstab des § 270 AO orientieren soll, der bei Doppelver-

1202 Engels, FamRZ 2007, 1231, 1231; Koritz, FPR 2003, 435, 437; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 349 f.; unberücksichtigt geblieben in BGH FamRZ 2005, 104, 105. 1203 In diesem Sinne argumentiert vor allem die neuere (Überlagerungs-)Rechtsprechung; vgl. BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2002, 2319, 2321; BGH NJW 2002, 1570, 1571. Dieser Aspekt spielt auch für die verfassungsrechtliche Rolle des Ehegattensplittings eine wesentliche Rolle; näher sogleich in § 10. 1204 Dieser Ansatz ist besonders in der Zeit vor Ausbildung der Überlagerungsdogmatik häufig zum Ausdruck gekommen; er korrespondiert grundsätzlich mit der Zivilrechtslage im gesetzlichen Güterstand sowie bei Gütertrennung (näher § 10); vgl. etwa BGHZ 73, 29, 38; BGH NJW 1977, 378, 378; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 96, 96; Dostmann, FamRZ 1991, 760, 762; Kaufmann, INF 1994, 449, 451; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 633; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 112 f.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 261 sowie aus jüngerer Zeit Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 106. Er findet auch noch in dem Urteil BGH NJW 2006, 2623, 2624 Widerhall, in dem sich das Gericht für eine interne Steueraufteilung nach dem Vorbild des § 270 AO ausgesprochen hat.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten

dienerehen notwendig zu einer anteiligen Aufteilung dieses Vorteils führt?1205 Besonders hinzuweisen ist ferner auf die nach wie vor nicht hinreichend geklärte Rechtslage1206 in Fällen, in denen infolge der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) die Verluste1207 des einen Ehegatten zur Kompensation von positiven Einkünften des anderen Ehegatten nutzbar gemacht werden.1208 Streitig ist insbesondere, ob dem Ehegatten, der die negativen Einkünfte erzielt hat, in dieser Situation ein Anspruch zusteht1209 und ob dieser Anspruch auf den Ausgleich eines etwaigen, aktuellen oder potentiellen1210 Nachteils1211 oder aber auf eine Vorteilsabschöpfung1212 bzw. 1205 Der letztere Zusammenhang wird richtig gesehen von LG Köln NJW-RR 1990, 140, 140 a.E.; Felder, Verpflichtung, S. 72; Fischer-Winkelmann, FuR 1997, 189, 194 a.E.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 262; zu pauschal und daher unzutreffend hingegen Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 232 f. 1206 Zu den wenig aufschlussreichen neueren Entscheidungen des BGH siehe den nachfolgenden Absatz. 1207 Hier und im Rahmen der weiteren Untersuchung werden die Begriffe „Verlust(e)“ und „negative Einkünfte“, der Begrifflichkeit des Gesetzes folgend, als gleichbedeutend verwendet (vgl. zu terminologischen Fragen Röder, Verlustverrechnung, S. 5 ff.). Der Begriff „Verlust“ wird dementsprechend in einem weiteren, auch Werbungskostenüberschüsse umfassenden Sinne verwendet (so auch etwa – stellvertretend für viele – Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11, 15 und 19). 1208 Denkbar ist zum einen der Fall des zusammenveranlagungsbedingten Verlustausgleichs innerhalb desselben Veranlagungszeitraums (siehe beispielhaft BGH NJW 2011, 2725; BGH NJW 2010, 1879). Zum anderen kommt ein periodenübergreifender Verlustabzug nach § 10d EStG in Betracht, durch den der Verlust in ein Jahr zurück- bzw. vorgetragen wird, in dem die Ehegatten zusammen veranlagt werden (siehe die Fälle OLG Köln FamRZ 1995, 92; LG Tübingen NJW-RR 1990, 1221). Der nachfolgend skizzierte Streitstand bezieht sich in erster Linie auf die praktisch wichtigere erste Situation; Weiteres in § 11 F. 1209 Ablehnend Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 99 ff.; bei vorbehaltloser Zustimmung zur Zusammenveranlagung für den Regelfall auch Liebelt, FamRZ 1993, 626, 635 ff. (638); vgl. für den konkreten Fall ferner BGH NJW 2010, 1879, 1881 f. (unter Überlagerungsgesichtspunkten). 1210 Häufig wird sich ein Nachteil erst in der Zukunft ergeben können, weil die (zeitlich unbegrenzte) Vortragsmöglichkeit nach § 10d Abs. 2 EStG entfällt; vgl. die Fälle BGH FamRZ 2011, 210; BGHZ 155, 249. 1211 Wohl herrschende Meinung; vgl. BGH NJW 2011, 2725, 2726; BGH FamRZ 2011, 210, 210; Gernhuber, JZ 1996, 765, 766 f.; Kahlert, ZInsO 2006, 1314, 1315; Langel, StbJb 1985/86, 333, 360 f.; Waclawik, DStR 2011, 480, 483; für nicht über Gesellschaftsrecht lösbare Fälle zweifelnd aber BGHZ 155, 249, 253 und 257; für Anspruchsbegrenzung auf die infolge der Verlusteinbringung entstandene Steuer­ ersparnis Dostmann, FamRZ 1991, 760, 763; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 353. 1212 Grundlegend Sonnenschein, NJW 1980, 257, 259 f., 262; ihm folgend Rohn, Ehepflichten, S. 87; näher – differenzierend – Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 250 ff.; vgl. auch Liebelt, NJW 1993, 1741, 1744.

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Überblick und Problemaufriss

-partizipation1213 gerichtet ist. Die Palette der diskutierten Anspruchsgrundlagen ist in diesem Bereich besonders groß,1214 zumal dem ansons­ ten (primär) für einschlägig angesehenen Gesamtschuldnerausgleich1215 hier von vielen Autoren keinerlei Aussagekraft zugemessen wird.1216 Die Durchdringung des Meinungsstandes wird dadurch erschwert, dass teilweise gar keine Anspruchsgrundlage für das als richtig empfundene Ergebnis angegeben wird1217 und speziell die Nachteilsausgleichslösung häufig in untrennbarem Zusammenhang mit Anspruchsbegehren steht, die auf eine Mitwirkung an der Zusammenveranlagung gerichtet sind.1218 Der soeben skizzierte Meinungsstand zeigt ferner, dass zahlreiche Autoren für die Fälle der Verlusteinbringung ausnahmsweise bereit sind, einen Vorteilsausgleich zu gewähren. Sie bewerten die Rechtslage mithin anders als in sonstigen Situationen, in denen es zu einer zusammenveranlagungsbedingten Steuerersparnis kommt.1219 Als Anspruchsgrundlage steht § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ganz im Vordergrund der Betrachtungen, wobei die Abgrenzung zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktion erhebliche Schwierigkeiten bereitet.1220

1213 Walz, StVj 1993, 46, 59 f. (für „angemessene“ bzw. „faire“ Beteiligung des Verlust einbringenden Ehegatten); vgl. im Ansatz auch BGH NJW 2010, 1879, 1881 f.; für hälftige Aufteilung Ott/Nagel, BB 1997, 185, 185 f. 1214 Für einen Anspruch auf familienrechtlicher Grundlage spricht sich neben Walz, StVj 1993, 46, 59 f. (siehe schon Fn 1189) auch Dostmann, FamRZ 1991, 760, 763 aus; vgl. ferner Gernhuber, JZ 1996, 765, 766 f. Gesellschaftsrecht bemühen hingegen Ott/Nagel, BB 1997, 185, 186; vgl. auch BGHZ 155, 249, 256 f.; zu Ansätzen, die den Bereicherungsausgleich fruchtbar machen wollen, näher sogleich. 1215 Nachweise in Fn 1189. 1216 Vgl. Dostmann, FamRZ 1991, 760, 763 f.; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 243 ff. sowie auch Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 353; siehe aber Gernhuber, JZ 1996, 765, 766. 1217 Vgl. Langel, StbJb 1985/86, 333, 360 f.; Waclawik, DStR 2011, 480, 481 ff. (483) sowie etwa auch Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 353. 1218 Vgl. bereits oben bei und in Fn 1186; beispielhaft BGH NJW 2011, 2725, 2726 sowie wiederum BGH FamRZ 2011, 210, 210; aus dem Schrifttum siehe etwa Kahlert, ZInsO 2006, 1314, 1315; Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425, 430 f. 1219 Zur Behandlung derartiger Situationen siehe oben bei Fn 1195; exemplarisch für diese Unterschiedsbehandlung Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 247 ff. und S. 250 ff.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 262. Dahinter steht die Überlegung, dass mit den negativen Einkünften ein ganz bestimmter Vermögenswert in die gemeinschaftliche Besteuerung eingebracht wird. 1220 Für Nichtleistungskondiktion Sonnenschein, NJW 1980, 257, 259 f. und 262; vgl. auch Walz, StVj 1993, 46, 53 f., der sich im Ergebnis aber für einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch ausspricht (S. 59 f.); für Leistungskondiktion im Grundsatz Kaufmann, INF 1994, 449, 452 f.; Liebelt, NJW 1993, 1741, 1744 (ande­rs jedoch bei Verlustrücktrag: ders., FamRZ 1993, 626, 639 f.); vgl. auch Langel, StbJb 1985/86, 333, 359 f. (den Anspruch im Ergebnis aber ablehnend);

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten Keine grundsätzliche Klärung haben einige neuere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gebracht, die derartige Verlusteinbringungsfälle zum Gegenstand hatten:1221 Der XII. Senat hat im November 2009 entschieden, dass der auf Mitwirkung an der Zusammenveranlagung klagende Ehegatte nicht verpflichtet sei, einen Nachteilsausgleich anzubieten, wenn ein Fall der familienrechtlichen Überlagerung vorliege, in dem die Steuerersparnis für Zwecke des Familienunterhalts eingesetzt worden sei.1222 Der andere Ehegatte bringe in diesem Fall seine Verluste als Unterhaltsbeitrag ein und sei daher nicht berechtigt, der gewählten Gestaltung rückwirkend die Grundlage zu entziehen.1223 Hierfür genüge ein Zusammenleben im Jahr der Verlustentstehung.1224 Zur Frage des Vorteilsausgleichs hat sich der Senat hingegen nicht geäußert.1225 Auf den Tag genau ein Jahr später entschied der IX. Senat, dass ein Vorteilsausgleich in intakten ehelichen Lebensgemeinschaften nicht in Betracht komme, weil davon auszugehen sei, dass die Eheleute von den zusammengelegten beiderseitigen Einkünften gelebt und mit ihnen gewirtschaftet haben.1226 Die Zustimmung zur Zusammenveranlagung könne aber verweigert

differenzierend Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 251 ff.; für Ausgleich auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage hingegen Ott/Nagel, BB 1997, 185, 186. 1221 Den Bezugspunkt der sogleich referierten Entscheidungen bildet jeweils das Zusammenveranlagungsbegehren des positive Einkünfte erwirtschaftenden Ehegatten bzw. der Schadensersatzanspruch, den die Verweigerung der Zustimmung ausweislich der Rechtsprechung nach sich ziehen soll (grundlegend wiederum BGH NJW 1977, 378, 378). 1222 BGH NJW 2010, 1879, 1881 f. Der Rechtsstreit wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen um festzustellen, wie die Ehegatten die entsprechenden Mittel verwendet haben (näher S. 1882). 1223 BGH NJW 2010, 1879, 1881 (unter Hinweis auf Treu und Glauben sowie § 1360b BGB); dieser Entscheidung zustimmend Pasche, FPR 2012, 312, 313 a.E.; vgl. auch bereits Liebelt, FamRZ 1993, 626, 638; a.A. Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425, 429. 1224 BGH NJW 2010, 1879, 1881. Das überzeugt nicht (vgl. Fn 1225; näher unten § 11 F.). 1225 Entsprechende Ausführungen hätten hier aber nahe gelegen, weil sich im konkreten Fall ein Teil der verlustbedingten Steuerersparnis in Steuererstattungen niedergeschlagen hatte, die erst nach der Trennung geflossen waren; kritisch auch Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425, 428, die die Frage eines möglichen Vorteilsausgleichs in dieser Konstellation aber ebenfalls nicht diskutieren und deren Fundamentalkritik an der Entscheidung des BGH, die letztlich die Über­ lagerungsrechtsprechung insgesamt betrifft (vgl. dort S. 428 ff.), viel zu weit greift. 1226 BGH FamRZ 2011, 210, 211. Der Senat greift hier ohne Angabe einer Zitatstelle auf eine Formulierung Sonnenscheins, NJW 1980, 257, 260 zurück, die dieser sinngemäß aus der Entscheidung OLG Celle OLGZ 1970, 326, 328 (zum Verlöbnisrecht) übernommen hatte. Dem im konkreten Fall eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verlustträgers messen die Richter insoweit keine anspruchserweiternde Wirkung zu. Eine Einzelfallanalyse, wie der XII. Senat sie mit Blick auf den Nachteilsausgleich gefordert hat (vgl. Fn 1222), nimmt der XI. Senat hier allerdings nicht vor (vgl. S. 210 f.) – was verwundert, denn die im

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Überblick und Problemaufriss werden, wenn es an einer Verpflichtung zum Nachteilsausgleich fehle.1227 Auf den sich aufdrängenden inneren Widerspruch zwischen diesen beiden Aussagen geht das Gericht mit keiner Silbe ein. Sein Versuch der Abgrenzung zu der soeben skizzierten Entscheidung des XII. Senats1228 ist ebenfalls nicht nachvollziehbar.1229 Bemerkenswerterweise ist der XII. Senat diesen wenig konsistenten Ausführungen in einem späteren Urteil gefolgt, wobei allerdings der Unterschied bestand, dass hier von vornherein eine Nachteilsfreistellungserklärung des Zustimmungsklägers vorgelegen hatte.1230 Einen Vorteilsausgleich lehnen die Richter hier ebenfalls unter einfachem Hinweis auf die vorliegende intakte Lebensgemeinschaft ab, ohne die in ihrer früheren Entscheidung angelegte Einzelfallprüfung1231 anzusprechen.1232 Die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mithin nicht widerspruchsfrei. Ihr kommt ohnehin wenig übergreifende Aussagekraft zu, weil alle drei Entscheidungen von Überlagerungserwägungen geleitet sind. Insbesondere findet sich keine (belastbare) Stellungnahme zu der Frage, ob ein Vorteilsausgleich in Betracht kommt, wenn es an einem Überlagerungssachverhalt fehlt.

Die bisherige, skizzenhafte Darstellung der vorhandenen Problemfelder dürfte ferner deutlich gemacht haben, dass die Diskussion bisher hauptsächlich vom Zivilrecht und seinen Wertungen geprägt wird. Steuerrechtliche Wertungen werden im Wesentlichen nur in Bezug auf die Ableitung des richtigen Maßstabs für die Aufteilung der Gesamtsteuerlast1233 und teilweise auch für die Zuweisung einer verlustbedingten Steuerersparnis1234 als bedeutsam angesehen. Demgegenüber spielen verfassungsrechtliche Wertungen in dieser zivilrechtsgeprägten Diskussion praktisch keine Rolle. Das erstaunt vor allem hinsichtlich der bisher grundsätzlich für richtig erachteten Nichtaufteilung des Splittingvorteils: Sollte hierin eine Privilegierung der zusammen veranlagten Ehegatten zu erblicken sein,1235 würde das Leistungsfähigkeitsprinzip zwar aus Haupttext zitierte Aussage erscheint wegen der konkret vorhandenen Insolvenzsituation nicht zweifelsfrei. 1227 In diesem Sinne BGH FamRZ 2011, 210, 210. 1228 Vgl. BGH FamRZ 2011, 210, 210 f. 1229 Das Urteil BGH FamRZ 2011, 210 weist zwar die Besonderheit auf, dass auf Beklagtenseite der Insolvenzverwalter des anderen Ehegatten gestanden hat. Ausweislich der Urteilsgründe war dieser Aspekt aber nicht ursächlich für die abweichende Sichtweise (vgl. wiederum Fn 1226). 1230 BGH NJW 2011, 2725, 2725 f. Es handelte sich auch in diesem Fall um eine Klage gegen den Insolvenzverwalter des anderen Ehegatten. 1231 Siehe wiederum Fn 1222. 1232 BGH NJW 2011, 2725, 2726. 1233 Siehe wiederum oben bei und in Fn 1188: Orientierung des Ausgleichs an den Aufteilungsvorschriften der §§ 268 ff. AO. 1234 Siehe etwa Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 251 ff.; Felder, Verpflichtung, S. 107; Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425, 431. 1235 Dazu ausführlich sogleich in § 10.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten

den in § 7 genannten Gründen keinerlei Aussagekraft für die interne Verteilung des Gruppenvorteils besitzen, sondern lediglich Rechtfertigungsbedarf für die steuerliche Besserstellung der Gruppe auslösen.1236 Jedoch bestünde die Möglichkeit, dass aus der entsprechenden Legitimationsgrundlage Vorgaben für den internen Ausgleich abzuleiten sind. In dieser Hinsicht könnte insbesondere von Bedeutung sein, dass die Einräumung der Steuerersparnis in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ver­ fassungsrechtlich verbürgten Schutz der Ehe steht,1237 so dass Art. 6 Abs. 1 GG Aussagekraft auch für die Vorteilsberechtigung zukommen könnte. Sollte die Splittingersparnis hingegen mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Übereinstimmung stehen und daher keinen weiteren Rechtfertigungsbedarf auslösen, wäre es gut möglich, dass aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip selbst Aussagen für ihre Verteilung auf die betroffenen Eheleute zu entnehmen sind.1238 Ferner ist nicht ausgeschlossen, dass das Ehegattensplitting sowohl vom Leistungsfähigkeitsprinzip als auch von Art. 6 Abs. 1 GG legitimiert wird, so dass beiden verfassungsrechtlichen Grundlagen Aussagekraft für die Zivilrechtsanwendung zukommen könnten. Folglich ist es sehr wahrscheinlich, dass aus dem Verfassungsrecht Ableitungen für den internen Ausgleich getroffen werden können, die Auswirkungen auf die Zivilrechtsanwendung haben. In diesem Fall käme eine verfassungsorientierte Auslegung der einschlägigen Zivilrechtsvorschriften im Lichte von Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Ein derartiges methodisches Vorgehen hat das Bundesverfassungsgericht in ganz ähnlichem Zusammenhang in der Entscheidung BVerfGE 108, 351 vorgezeichnet.1239 Der soeben angerissene Zusammenhang betrifft in erster Linie den Aspekt des Vorteilsausgleichs. Aber auch für den Nachteilsausgleich sind Ableitungen aus dem Verfassungsrecht überaus nahe liegend, was zum einen auf die möglichen Auslöser eines entsprechenden Bedürfnisses zurückzuführen ist: Hierbei handelt es sich um die in § 26b EStG angelegte (partielle) Gesamtbetrachtung der zusammen veranlagten Verheirateten, die sie flankierende gesamtschuldnerische Haftung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 1236 Siehe oben § 7 C II 4. (S. 204). 1237 Vgl. vorläufig nur BVerfGE 108, 351, 363 ff.; BVerfGE 61, 319, 346 ff. 1238 Vgl. erneut oben § 7 C II 4. 1239 Der Erste Senat des BVerfG hat die Zivilgerichte in dieser Entscheidung dazu angehalten, die unterhaltsrechtlichen Vorschriften des BGB im Sinne derjenigen gesetzgeberischen Entscheidung zu interpretieren, die den Splittingvorteil in Konkretisierung des Schutzauftrags aus Art. 6 Abs. 1 GG der bestehenden, nicht aber der geschiedenen Ehe zuweist; Einzelheiten in § 10 unter B.

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Überblick und Problemaufriss

Var. 3 AO) sowie – bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit – die Eingruppierung der Ehegatten in unterschiedliche Lohnsteuerklassen.1240 Diese Aspekte können das Leistungsfähigkeitsprinzip berühren, soweit sie zu maßstabswidrigen Steuerlastverschiebungen führen.1241 Zum anderen bildet nach heute wohl unangefochtener Ansicht die Rechtslage bei Einzelveranlagung1242 (vgl. § 270 AO mit § 26a EStG) den Maßstab für die interne Steuerlastaufteilung, so dass es – auch mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Hintergründe – lohnenswert erscheint herauszuarbeiten, ob das dahinter stehende Leitbild der Trennung der Wirtschaftsund Vermögenssphären der Ehegatten tatsächlich zutreffend ist. Im Folgenden wird daher zunächst näher auf die verfassungsrechtliche Dimension des Ehegattensplittings eingegangen, um hieraus mögliche Folgerungen für die Zivilrechtslage herauszuarbeiten.

1240 Einzelheiten in § 11 A IV. 1241 Näher oben § 7. 1242 Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2012, d.h. vor Inkrafttreten des StVerein­fG vom 1.11.2011 (BGBl. I 2011, S. 2131), war im Gesetz (§§ 26, 26a EStG) von „getrennter Veranlagung“ die Rede. Die in den nachfolgenden Abschnitten zitierten Stellungnahmen aus Rechtsprechung und Literatur beziehen sich in aller Regel (noch) auf die alte Gesetzeslage, d.h. die getrennte Veranlagung. Soweit sie im Folgenden auf die – strukturell sehr ähnliche – Einzelveranlagung (neuen Rechts) bezogen werden, beanspruchen sie sinngemäß Geltung.

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§ 10 Verfassungsrechtliche Vorgaben A. Ausgangspunkt Die bisherige Diskussion über den Ausgleich unter zusammen veranlagten Verheirateten wird geprägt von Begriffen wie „Vorteils-“ und „Nachteilsausgleich“ sowie „Splitting-“ bzw. „Progressionsvorteil“. Ihnen liegt stillschweigend die Vorstellung zugrunde, dass das Modell der voneinander unabhängigen Besteuerung der Ehegatten, wie es im Rahmen der Einzelveranlagung (§§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26a, 32a Abs. 1 EStG) nunmehr ganz weitgehend verwirklicht ist,1243 den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet, denn das Wort „Vorteil“ kennzeichnet eine positive, der Begriff „Nachteil“ hingegen eine negative Abweichung von diesem „Grundzustand“.1244 Besonders deutlich kommt diese Vorstellung darin zur Geltung, dass nach inzwischen fast einhellig vertretener Ansicht auch im Hinblick auf den zivilrechtlichen Innenausgleich an den Aufteilungsmaßstab der §§ 268 ff. AO anzuknüpfen ist, denn dieser Aufteilungsmaßstab gründet auf dem in § 26a EStG verwirklichten Modell (siehe insbesondere § 270 AO). Aus steuersystematischer Hinsicht kann diese Anknüpfung an die Einzelveranlagung nicht verwundern: Zum einen steht die Einzelveranlagung ohne weiteres mit dem sonst im Einkommensteuerrecht zugrunde gelegten Prinzip der Individualbesteuerung1245 in Übereinstimmung.1246 1243 In § 26a Abs. 2 EStG n.F. (vgl. Fn 1242) ist die schon in früheren Fassungen der Vorschrift vorzufindende Annäherung an eine rein individuelle Besteuerung der Eheleute (vgl. St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26a Rn. A 14 ff.) nochmals erheblich verstärkt worden. 1244 Den Bezugspunkt derartiger Aussagen bildet folglich der individuelle Ehepartner. Bei Gesamtbetrachtung beider Ehegatten ist die Einzelveranlagung hingegen nur in Grenzfällen wirtschaftlich vorteilhaft; näher C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26a Rn. 8 ff.; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 322 ff. 1245 Ausführlich zu ihm Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 77 ff. (A 89). Davon zu trennen zu ist die Frage, inwieweit die Anknüpfung der Besteuerung an eine bestimmte, einzelne Person verfassungsrechtlich erforderlich ist. Entscheidend dafür ist der jeweils abgeschöpfte Leistungs­ fähigkeitsindikator; treffend dazu Ratschow, DStJG 34 (2011), 35, 46 ff.; hierauf ist zurückzukommen. 1246 Siehe etwa C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26a Rn. 1; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26a Rn. A 17; Schmidt/Seeger, § 26a Rn. 2; Tipke, StRO I, S. 376 sowie Fn 1243; vgl. in diesem Zusammenhang auch BFH BStBl. II 2005, 624, 627. Nach den heute herrschenden Anschauungen soll zwar

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Verfassungsrechtliche Vorgaben

Zum anderen gehen auch die §§ 26 ff. EStG selbst offensichtlich vom Grundmodell einer voneinander unabhängigen Besteuerung aus. Denn nicht nur steht die Einzelveranlagung im Gesetzesaufbau an erster Stelle (vgl. §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26a, 26b EStG).1247 Auch müssen beide Ehegatten für die Zusammenveranlagung votieren (§ 26 Abs. 2 Satz 2 EStG), um nicht einzeln veranlagt zu werden (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG).1248 Zu bedenken ist zudem, dass das in § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG enthaltene Wahlrecht ohnehin nur dann eröffnet ist, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben.1249 Andernfalls werden sie wie Einzelpersonen, d.h. rein individuell und damit ohne das Wahlrecht nach § 26a Abs. 2 EStG besteuert (vgl. §§ 25 Abs. 1, 32a Abs. 1 EStG).1250 auch die Zusammenveranlagung mit ihm in Einklang stehen; so z.B. BFH BSt Bl­. II 2006, 598, 599; St. Schneider, aaO, § 26 Rn. A 40, A 250, § 26b Rn. A 16, A 25, B 5 ff.; C. Seiler, aaO, § 26b Rn. 3; Tiedtke, FPR 2003, 400, 404 f.; weitere Nachweise bei Ratschow, DStJG 34 (2011), 35, 39 f.; relativierend Schmidt/Seeger, aaO, § 26b Rn. 2; im Wesentlichen auch Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26 EStG Anm. 1, 4, 27 („Teilabweichung“); Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 91 ff. („Modifizierung“; „im Kern“); Thiede, Ehegattenbesteuerung, S. 56 f. („grundsätzlich“); a.A. noch BVerfGE 6, 55, 67 ff., 77 (näher dazu unter B I.) sowie auch Deusch, Besteuerung, S. 12; Felix, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 80 f.; Mennel, 50. DJT/I, D 180 ff.; Sacksofsky, NJW 2000, 1896, 1897; Zuleeg, DÖV 2005, 687, 687; unentschieden Tipke, aaO, S. 376 f., S. 390. Zumindest in materiell-wertender Hinsicht steht die Zusammenveranlagung dem Modell der Gemeinschafts­besteuerung jedoch viel näher als dem Modell der Individualbesteuerung (vgl. C. Seiler, 66. DJT/I, F 34). Auf die Haushaltsbesteuerung, auf der die Zusammenveranlagung von Ehegatten ideengeschichtlich beruht, und ihrem Verhältnis zur Individualbesteuerung ausführlich Lang, Bemessungsgrundlage, S. 620 ff., S. 624 ff. 1247 Vgl. zu den – ganz ähnlich aufgebauten – §§ 26 ff. EStG 1957 auch bereits BVer  fGE­ 9, 237, 241: getrennte Veranlagung „als Grundform der Ehegatten­ besteuerung“; a.A. etwa St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. C 3; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 16: kein Vorrangverhältnis. 1248 Vgl. nur Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 49. Hieran ändert auch § 26 Abs. 3 EStG nichts, der lediglich von der (nahe liegenden) Annahme ausgeht, dass die Ehegatten mit der in aller Regel wirtschaftlich vorteilhaften Zusammenveranlagung einverstanden sein werden (vgl. BFH BStBl. II 2007, 770, 771 f.; Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26 EStG Anm. 88; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 16). Ob die Wahl der Einzelveranlagung durch einen Ehegatten in Einzelfällen unbeachtlich sein kann, wie insbesondere der BFH meint (siehe vorläufig BFH BStBl. II 1992, 297, 297), kann an dieser Stelle noch dahinstehen, da es sich hierbei um eine Ausnahmesituation handeln würde. 1249 Näher zu diesem Merkmal unten C II 2. 1250 Siehe nur Schmidt/Seeger, EStG, § 26 Rn. 27; Nebe, DStR 1970, 526, 526; unpräzise hingegen Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 15; Witt, DStR 2007, 56, 56 f.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten

Erwiese sich diese Annahme einer grundsätzlich voneinander unabhängigen Veranlagung als normativem Ausgangspunkt der Betrachtungen jedoch als falsch, müsste die Frage nach Bestehen und Reichweite zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche völlig neu gestellt und auf der Basis grundsätzlich anderer Prämissen geklärt werden. Insbesondere wäre für die Ermittlung, in welchen Fällen Vor- bzw. Nachteile vorhanden sind, ein anderer Bezugspunkt zu suchen. Es ließe sich sogar fragen, ob solche Effekte überhaupt eintreten können. So betont Klaus Vogel in einem breit angelegten Beitrag über die verfassungsrechtlichen Hintergründe des gesetzgeberischen Modells der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif, dass von einem „Splittingvorteil“ keine Rede sein könne, denn hierbei handele es sich nicht etwa um eine Subvention.1251 Anknüpfend an das wegweisende Urteil BVerfGE 61, 3191252 geht er vielmehr davon aus, dass das Splittingverfahren zu leistungsfähigkeitsgerechten Ergebnissen führt und nicht ohne weiteres durch ein Modell der getrennten Veranlagung ersetzt werden kann.1253 Wenn das richtig wäre, müsste (umgekehrt) gefragt werden, ob die derzeitige Ausgestaltung der einfachgesetzlichen Ehegattenbesteuerung verfassungskonform ist, denn ihr liegt – wie gezeigt – im Ausgangspunkt das Modell einer individuellen Veranlagung auch dann zugrunde, wenn die Eheleute zusammen leben. Insbesondere wäre überaus fraglich, ob es verfassungsrechtlich haltbar ist, die Zusammenveranlagung an die Zustimmung beider Ehegatten zu binden.1254 Im Folgenden werden die verfassungsrechtlichen Hintergründe des Ehegattensplittings herausgearbeitet und insbesondere der – überaus streitigen – Frage nachgegangen, ob die Zusammenveranlagung (1) verfassungs-

1251 Siehe insbesondere K. Vogel, StuW 1999, 201, 201, 204 und 211; vgl. bereits dens., DStR 1977, 31, 37 sowie etwa auch Lietmeyer, DStZ 1998, 849, 850. 1252 Siehe im Einzelnen BVerfGE 61, 319, 345 ff.; ausführlich zur Rechtsprechung des BVerfG sogleich unter B. 1253 Auf die Frage, ob die Einzelheiten tatsächlich in erster Linie vom gewählten Güterstand abhängen, wie K. Vogel, StuW 1999, 201, 208 ff. meint, wird im Folgenden noch ausführlich eingegangen. 1254 Eine etwaige bürgerlich-rechtliche Mitwirkungspflicht, wie sie in der (Zivil-) Rechtsprechung grundsätzlich bejaht wird, müsste bei der verfassungs­ rechtlichen Prüfung zwar berücksichtigt werden, wäre aber nur begrenzt geeignet, einen möglichen Verfassungsverstoß abzuwenden (vgl. oben § 7 D II 1., S. 211). Hierbei müsste auch Beachtung finden, dass diese Pflicht nach bisheriger Rechtsprechung von der Bereitschaft zum „Nachteilsausgleich“ abhängt. An dieser Begriffsverwendung wird im Übrigen abermals deutlich, dass die Einzelheiten der Zivilrechtslage erst im zweiten Schritt, d.h. nach Ermittlung der zutreffenden (verfassungs-)normativen Ausgangslage, geklärt werden sollte.

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Verfassungsrechtliche Vorgaben

rechtlich geboten ist,1255 (2) eine von mehreren Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers, d.h. eine von Verfassungs wegen (gut) vertretbare Lösung darstellt1256 oder (3) verfassungsrechtlich nicht haltbar ist, wie ebenfalls vertreten wird.1257 Hierdurch soll zum einen geklärt werden, ob verfassungsrechtliche Vorgaben für die Frage ableitbar sind, wem die Splittingersparnis gebührt. Zum anderen soll ermittelt werden, ob das Modell der Einzelveranlagung tatsächlich zum Ausgangspunkt der zivilrechtlichen Überlegungen gemacht werden kann. Die Prüfung soll mit einer Analyse der drei wesentlichen Entscheidungen des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eingeleitet werden, die sich mit dem Ehegattensplitting befassen. Denn zum einen geht die heutige Ausgestaltung der Ehegattenbesteuerung nicht zuletzt auf die erste dieser Entscheidungen aus dem Jahr 1957 zurück1258 und zum anderen stößt die zweite Entscheidung (BVerfGE 61, 319) bis heute auf erhebliche Resonanz in Recht1255 Vgl. BVerfGE 61, 319, 345 ff. (347); Blümich/Ettlich, § 26 EStG Rz. 16; C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 1 ff., § 26b Rn. 1; Frye, FR 2007, 1109, 1112 ff.; Isensee, 57. DJT/II, N 56 ff.; G. Kirchhof, FamRZ 2007, 241, 243 ff.; P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 387 ff.; dens., 57. DJT/I, F 69 ff.; Klein, DStZ 1997, 105, 107 f.; Klose, ZRP 2003, 128, 129 ff.; Lietmeyer, DStZ 1998, 849, 851 ff.; Papier, NJW 2002, 2129, 2130 f.; Scherf, StuW 2000, 269, 269 ff.; C. Seiler, FR 2010, 113, 115 f.; dens., in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 12 ff.; Stöcker, BB 1999, 234, 237 ff.; R. Wendt, FS Tipke, S. 47, 63 ff.; im Wesentlichen auch Richter/ Steinmüller, FR 2002, 812, 815 ff. 1256 Siehe etwa Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513, 568 f.; Birk, FR 2012, 1029, 1031; Jachmann, BB 2008, 591, 591; Liebl, DStZ 2011, 129, 130 f.; Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 17 f.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 645 ff.; Tipke, StRO I, S. 377 ff., S. 390 f. (anders aber bei Gütertrennung); K. Vogel, DStR 1977, 31, 38 (strikter nunmehr ders., StuW 1999, 201, 201 ff.); vgl. auch St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn A 201 ff. (A 205), A 352 sowie – trotz heftiger Kritik – Schuler-Harms, FPR 2012, 297, 299. 1257 Brosius-Gersdorf, Familienförderung, S. 500 ff.; C. Maurer, Anforderungen, S. 126 ff.; Sacksofsky, FR 2010, 119, 121; dies., NJW 2000, 1896, 1899 f.; Vollmer, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 37, 37 ff.; dies., Ehegatten­splitting, S. 78 ff., S. 103 ff., S. 118 ff., S. 170 ff., S. 201 ff.; Zuleeg, DÖV 2005, 687, 689 ff.; siehe ferner Mennel, 50. DJT/I, D 167, 170 ff.; Vorwold, FR 1992, 790, 790 ff. sowie auch Bareis, StuW 2000, 81, 81 ff. mit weiteren Nachweisen zur ökonomischen Kritik, die aber nicht unwidersprochen geblieben ist (vgl. Homburg, StuW 2000, 261, 264 ff.; Scherf, StuW 2000, 269, 269 ff.). 1258 Der Gesetzgeber hat mit seiner Neuregelung der Ehegattenbesteuerung Ende der 50er Jahre den Vorgaben der Entscheidung BVerfGE 6, 55 Rechnung tragen wollen (BT-Drucks. III/260, S. 31 ff.) – und zu diesem Zweck das vom BVerfG (aaO, S. 76 f.) als gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeit angesprochene Splittingverfahren umgesetzt (näher dazu BT-Drucks. III/260, S. 33 f.); ausführlich zur historischen Entwicklung der Ehegattenbesteuerung St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 100 ff.; Thiede, Ehegattenbesteuerung, S. 17 ff., wo jeweils auch auf die Übergangsvorschriften eingegangen wird, die direkt nach der Entscheidung BVerfGE 6, 55 in Kraft getreten sind.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten

sprechung und Schrifttum.1259 Nicht eigens eingegangen zu werden braucht hingegen auf den jüngst ergangenen Beschluss BVerfG NJW 2013, 2257 des Zweiten Senats, da er sich nicht mit den verfassungsrechtlichen Hintergründen des Ehegattensplittings befasst, sondern ausschließlich die Frage der Einbeziehung eingetragener Lebenspartner betrifft.1260

B. Analyse der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Hintergründen des Ehegatten­ splittings I. BVerfGE 6, 55: „Begünstigung“ In dem Beschluss BVerfGE 6, 55 hat sich das Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal grundlegend mit der Verfassungsmäßigkeit der Ehegattenbesteuerung auseinandergesetzt und sich zugleich wegweisend zu den Schutzdimensionen des Art. 6 Abs. 1 GG geäußert. Das Gericht erklärte § 26 EStG damaliger Fassung wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG für unvereinbar mit dem Grundgesetz.1261 Nach § 26 EStG 1951 waren nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten zusammen zu veranlagen und ihre Einkünfte zusammenzurechnen. Dies hatte wegen des (einheitlichen) progressiven Steuertarifs zur Folge, dass zusammen lebende Ehegatten einer höheren Besteuerung unterlagen als einzeln veranlagte Personen mit gleichem (Gesamt-)Einkommen und somit schlechter gestellt wurden als sonstige Haushaltsgemeinschaften. In dieser Benachteiligung Verheirateter erblickte das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen den in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgten Schutz der Ehe,1262 wobei die Richter zugleich in grundlegender Weise die Funktionen des Art. 6 Abs. 1 GG entfaltet haben.1263 Insbesondere hat das Gericht der Vorschrift den Stellenwert einer „wertentscheidende[n] Grundsatznorm“, „das heißt eine[r] verbindliche[n] Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts“ zugemessen1264 und daraus Folgendes abgeleitet: 1259 Nachweise in den folgenden Abschnitten. Demgegenüber wird die dritte hier analysierte Entscheidung (BVerfGE 108, 351) bisher kaum thematisiert. 1260 Dazu ausführlich unten C IV 2 c). 1261 BVerfGE 6, 55, 66 ff., 70 ff. 1262 Siehe insbesondere BVerfGE 6, 55, 67 und 77 ff. sowie auch die wenige Jahre später ergangene Entscheidung BVerfGE 18, 97, 104 ff. im Hinblick auf die Pa­ rallelproblematik, die seinerzeit wegen der Zusammenveranlagung der Eltern mit ihren minderjährigen Kindern bestanden hat. 1263 BVerfGE 6, 55, 71 ff. 1264 BVerfGE 6, 55, 71 f.

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Verfassungsrechtliche Vorgaben „Der in Art. 6 Abs. 1 GG statuierte besondere Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familie umschließt hiernach zweierlei: positiv die Aufgabe für den Staat, Ehe und Familie nicht nur vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren, sondern auch durch geeignete Maßnahmen zu fördern, negativ das Verbot für den Staat selbst, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen.“1265 In Bezug auf diese negative Schutzdimension betont das Gericht, dass Art. 6 Abs. 1 GG „mit Bestimmtheit […] eine Beeinträchtigung von Ehe und Familie durch störende Eingriffe des Staates selbst [verbietet], also insoweit aktuelles Verfassungsrecht“ sei.1266 Dem Gesetzgeber bleibe es hingegen unbenommen, die Ehe zum Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen zu nehmen, „soweit das der Natur des geregelten Lebensgebietes ent­spricht.“1267 Was die „Verschärfung des Steuerdrucks“ angeht, die aus der Zusammenveranlagung nach Maßgabe von § 26 EStG 1951 resultierte, könne davon jedoch keine Rede sein.1268 Vielmehr werde hierdurch der Grundsatz der Individualbesteuerung durchbrochen, „und zwar zum Nachteil der im Ehestand Lebenden“, so dass ein „störende[r] Eingriff in die Ehe“1269 vorliege – was nicht zu rechtfertigen sei.1270

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung mithin auf ein Beeinträchtigungsverbot gestützt, das es an sich abwehrrechtlich („Eingriff“) ableitet. Der Sache nach hat das Gericht allerdings eine gleichheitsrechtliche Prüfung vorgenommen, denn die Verfassungswidrigkeit des damaligen § 26 EStG ist mit seiner Ehegatten diskriminierenden Wirkung begründet worden.1271 Vor diesem Hintergrund verwundert es ein wenig, dass das Gericht hier nicht (ergänzend) auf den allgemeinen Gleichheitssatz abgestellt hat. Vielmehr lehnen die Richter es ausdrücklich ab, Art. 3 Abs. 1 GG (in Form des „Grundsatzes der Steuergerechtigkeit“) als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, was darauf gestützt wird, dass Art. 6 Abs. 1 GG die speziellere „Grundsatznorm“ sei.1272 Erst in späteren Entscheidungen wird die – bereits hier entscheidende – Funktion des Art. 6 Abs. 1 GG als spezielles Diskriminierungsverbot nach-

1265 BVerfGE 6, 55, 76. 1266 BVerfGE 6, 55, 76. 1267 BVerfGE 6, 55, 77. Als Beispiel führt das Gericht die familienrechtlichen Unterhaltspflichten an. Ferner könne die Unvereinbarkeit gesetzlicher Regelungen mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht daraus abgeleitet werden, dass sie „nur in bestimmten Fällen die unbeabsichtigte Nebenfolge haben, sich als Beschwer der Ehe auszuwirken.“ 1268 BVerfGE 6, 55, 79. 1269 BVerfGE 6, 55, 77. 1270 Näher BVerfGE 6, 55, 77 ff. Insbesondere erteilt das BVerfG edukativen Ziel­ setzungen des Gesetzgebers eine deutliche Absage (S. 79 ff.). 1271 Vgl. auch Jarass, AöR 110 (1985), 363, 374 f. 1272 BVerfGE 6, 55, 70 f.; vgl. auch – aber wohl etwas offener – S. 82 ff.

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drücklicher betont.1273 Nach Auffassung des Gerichts steht diese Vorschrift als Benachteiligungsverbot belastenden Differenzierungen entgegen, die gerade an Ehe und Familie geknüpft werden.1274 In solchen Fällen soll Art. 6 Abs. 1 GG als besonderer Gleichheitssatz fungieren.1275 In anderen Situationen stützt sich das Bundesverfassungsgericht hingegen auf eine kombinierte Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG.1276 Dies ist in steuerrechtsgeprägten Entscheidungen besonders dann der Fall, wenn es um die Frage geht, ob der Gesetzgeber die familienbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit richtig abgebildet hat, d.h. in Situationen, in denen eine absolute Leistungsfähigkeitswidrigkeit in Betracht kommt.1277 Für den vorliegend zu untersuchenden Zusammenhang ist entscheidend, dass das Bundesverfassungsgericht von dem Grundmodell der Einzelver-

1273 Siehe etwa BVerfGE 105, 313, 346; BVerfGE 99, 216, 232 und 237; BVerfGE 82, 60, 80; BVerfGE 76, 1, 72; BVerfGE 75, 361, 366 sowie bereits BVerfGE 18, 97, 105 („Verbot diskriminierender Bestimmungen gegen die Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG“) und BVerfGE 13, 290, 295 ff.; BVerfGE 9, 237, 242; ablehnend Kingreen, Stellung, S. 207 ff. 1274 Siehe wiederum z.B. BVerfGE 99, 216, 232; BVerfGE 76, 1, 72. Wie auch die Entscheidung BVerfGE 6, 55, 76 f. zeigt, steht dieses Diskriminierungsverbot der abwehrrechtlichen Komponente des Art. 6 Abs. 1 GG sehr nahe; siehe auch Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 37; Jarass, AöR 110 (1985), 363, 374 f. („im Bannkreis der Abwehrfunktion“); Kingreen, Jura 1997, 401, 405. 1275 Näher dazu Kingreen, Jura 1997, 401, 405. Die entsprechende Vorgehensweise in BVerfGE 6, 55 wäre also auch auf Grundlage der heutigen Rechtsprechung konsequent. 1276 Siehe etwa BVerfGE 87, 234, 255; BVerfGE 87, 1, 36 ff.; weitere Einzelheiten zum Verhältnis zwischen beiden Vorschriften bei Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 3 Rn. 301; Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513, 565 f.; Kingreen, Jura 1997, 401, 406; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 55 ff.; ausführlich Kingreen, Stellung, S. 77 ff., S. 101 ff., S. 124 ff.; kritisch zu dieser „schwankenden Rechtsprechung“ etwa Rüfner, in: BK-GG, Art. 3 Rz. 67; wenig weiterführend jedenfalls die Ausführungen in BVerfGE 13, 290, 295 ff.; grundsätzliche Kritik am Rechtsprechungsansatz bei Kingreen, aaO, S. 136 ff., S. 178 ff., S. 202 ff. 1277 Siehe etwa BVerfGE 99, 264, 259; BVerfGE 82, 60, 86; BVerfGE 61, 319, 342 ff.; stärker zwischen beiden Vorschriften differenzierend BVerfGE 112, 268, 278 ff.; siehe auch die Rechtsprechungsanalyse bei v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 58 ff. Liegt ein Fall relativer Leistungsfähigkeitswidrigkeit vor, in dem Ehe bzw. Familie diskriminiert werden, wendet das Gericht hingegen in der Regel den besonderen, aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleiteten Gleichheitssatz an (vgl. die Nachweise in Fn 1273; im sozialrechtlichen Kontext abweichend jedoch BVerfG NJW 2011, 2867, 2868; BVerfGE 107, 205, 215: Bezugnahme auf beide Vorschriften); zu der hier vorgenommenen Differenzierung zwischen absoluter und relativer Leistungsfähigkeitswidrigkeit ausführlich oben § 5 F. (S. 134 ff.).

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anlagung ausgeht1278 und (lediglich) die durch die damalige Ausgestaltung der Zusammenveranlagung bewirkte Schlechterbehandlung der Ehegatten als mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ansieht. Aus seinen Ausführungen ist abzuleiten, dass es keinen Anstoß daran genommen hätte, wenn die Ehegatten steuerlich so behandelt worden wären wie andere Personen bzw. Haushaltsgemeinschaften auch.1279 Es verwundert daher nicht, dass das Bundesverfassungsgericht das Ehegattensplitting, das es in diesem Beschluss als rechtspolitische Alternative anspricht, ausdrücklich als Begünstigung bezeichnet.1280 Die Einführung entsprechender Re­ gelungen halten die Richter für verfassungsrechtlich unbedenklich, da Art. 6 Abs. 1 GG lediglich einer Benachteiligung, nicht aber einer Begüns­ tigung von Verheirateten entgegenstehe.1281 Das Gericht nimmt an dieser Stelle mithin ganz offensichtlich Bezug auf das Förderungsgebot als Teil der „positiven“ Schutzfunktion, die es im gleichen Zusammenhang aus Art. 6 Abs. 1 GG als „wertentscheidender Grundsatznorm“ abgeleitet hat.1282 1278 Vgl. BVerfGE 6, 55, 66 ff., 77, gestützt auch auf Systemgerechtigkeitserwägungen. Das BVerfG geht hier offensichtlich davon aus, dass nur eine Einzelveranlagung mit dem Prinzip der Individualbesteuerung in Einklang steht, und sieht die Zusammenveranlagung daher als systemwidrigen „Fremdkörper“ an. Dieses Verständnis ist heute weitgehend überwunden (siehe oben Fn 1246); vgl. zur zeitgenössischen Diskussion Ratschow, DStJG 34 (2011), 35, 38 f. 1279 So offensichtlich auch das Verständnis des historischen Gesetzgebers: In den Materialien anlässlich der Einführung des Ehegattensplittings durch das Steueränderungsgesetz 1958 wird ausgeführt, dass gegen eine getrennte Veranlagung auf Grundlage des Beschlusses BVerfGE 6, 55 „keine verfassungsmäßigen Bedenken“ bestünden (BT-Drucks. III/260, S. 33). Das ist in der Entscheidung BVerfGE 9, 237, 241 ff. (zu § 26a EStG 1957) bestätigt worden. 1280 BVerfGE 6, 55, 76 a.E. 1281 BVerfGE 6, 55, 76 f. 1282 BVerfGE 6, 55, 76 (bei Fn 1265 wörtlich zitiert). Die hier aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleiteten Schutzfunktionen dürfen nicht mit den – ebenfalls aus den Grundrechten folgenden – staatlichen Schutzpflichten (zu ihnen etwa Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Vor Art. 1 Rn. 35 f.; Pechstein, Familiengerechtigkeit, S. 147 ff.) gleichgesetzt werden (Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 59; Piero­th/Kingreen, KritV 85 (2002), 219, 232 f.; siehe auch Kingreen, Stellung, S. 119 f.; Pechstein, aaO, S. 155 ff.): Im Gegensatz zu diesen Schutzpflichten wirkt die „negative“ Schutzfunktion des Art. 6 Abs. 1 GG abwehrrechtlich bzw. antidiskriminierend (vgl. auch Kingreen, Jura 1997, 404, 405) und ist das im Haupttext in Bezug genommene (positive) Förderungsgebot im Kern leistungsrechtlich strukturiert (vgl. Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Rn. 8; Burgi, Der Staat 39 (2000), 487, 496). Lediglich soweit der Staat als verpflichtet angesehen wird, „Ehe und Familie […] vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren“ (so BVerfG aaO), ist eine Schutzpflicht (im engeren Sinne) betroffen (vgl. Robbers, aaO, Rn. 10; näher zur Verhältnisbestimmung Burgi, aaO Fn 38); siehe zum Ganzen auch Kingreen, aaO, S. 405 f. Der durch

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Legt man diese Auffassung zugrunde, ist das Ehegattensplitting verfassungsrechtlich nicht (zwingend) geboten, sondern stellt lediglich eine von mehreren, dem Gesetzgeber offen stehenden Möglichkeiten zur Förderung der Ehe dar.1283 Mit anderen Worten wird die hierdurch bewirkte Besserbehandlung der Ehegatten zwar von dem Art. 6 Abs. 1 GG innewohnenden Förderungsgebot getragen, nicht aber gefordert. Eine indi­ viduelle Veranlagung wäre hingegen nicht wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Vielmehr stellt sie gewissermaßen die Nulllinie dar, von der die damalige Regelung (§ 26 EStG 1951) in negativer Hinsicht abgewichen ist und das Splittingmodell in positiver Hinsicht abweichen würde. Auch lässt sich dieser Entscheidung eine aus Art. 6 Abs. 1 GG folgende Pflicht des Gesetzgebers, die Ehe (und die Familie) überhaupt über Vorschriften des Steuerrechts zu fördern,1284 nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen.1285 Jedenfalls aus heutiger Sicht wäre diese Frage zu verneinen, denn das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf das Förderungsgebot einen weiten Gestaltungsspielraum innehat und insbesondere selbst darüber entscheiden kann, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirklichen will.1286

Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete „besondere Schutz“ greift daher weiter als die im allgemeinen Kontext anerkannten Schutzpflichten. Beide Ebenen werden allerdings bisweilen nicht sauber voneinander getrennt (vgl. etwa BVerfGE 108, 351, 365; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 19). 1283 Vgl. auch BVerfGE 6, 55, 80. 1284 Da das hier in Bezug genommene Förderungsgebot leistungsrechtlich strukturiert ist, ginge es um eine steuerliche Behandlung der Ehe, die zugunsten der Verheirateten (positiv) von den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips abweicht, indem es ihre tatsächliche Leistungsfähigkeit (in absoluter Hinsicht) zu niedrig abbildet oder die Ehe zumindest (in relativer Hinsicht) besser stellt als andere Formen des Zusammenlebens bzw. -wirtschaftens; zu der hier in Bezug genommenen Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Leistungsfähigkeitswidrigkeit siehe wiederum oben § 5 F. (S. 134 ff.). 1285 Die wenigen, diesen Fragekreis betreffenden Formulierungen des Gerichts sind unverbindlich und vage; vgl. BVerfGE 6, 55, 79 („so könnte man damit allenfalls“) und 80 („Will man […] Rechnung tragen“). 1286 Siehe etwa BVerfGE 117, 316, 329; BVerfGE 112, 50, 65 f.; BVerfGE 110, 412, 436 und 445; BVerfGE 107, 205, 213; BVerfGE 106, 166, 177 f.; BVerfGE 87, 1, 35 f.; BVerfGE 82, 60, 81 f.; a.A. BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 168 („gewisse steuerliche Begünstigung des Tatbestandes Ehe“ geboten); vgl. auch Klein, DStZ 1997, 105, 108. Die hier zitierten Stellungnahmen des BVerfG dürften sich auch und gerade auf den objektiv-rechtlichen Gehalt des Förderungsgebots beziehen. So heißt es in BVerfGE 110, 412, 445 erst im Anschluss an die im Haupttext zitierte Aussage, dass aus Art. 6 Abs. 1 GG in aller Regel (auch) keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen erwachsen; weitere Einzelheiten unten C.

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II. BVerfGE 61, 319: „keine beliebig veränderbare Steuer‚Vergüns­tigung‘“ Eine völlig andere Färbung weisen hingegen die Ausführungen in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 auf, denen bis heute maßgebende Bedeutung für die verfassungsrechtliche Einordnung des Ehegattensplittings zuerkannt wird. In diesem Urteil hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage auseinandergesetzt, ob das seinerzeit geltende Einkommensteuerrecht der verminderten steuerlichen Leistungsfähigkeit allein erziehender Elternteile hinreichend Rechnung getragen hat. In diesem Zusammenhang haben die Richter auch thematisiert, ob es von Verfassungs wegen geboten war, das Splitting auf diesen Personenkreis zu übertragen. Dem lag die Annahme des Gerichts zugrunde, dass die in aller Regel geringere steuerliche Belastung von Verheirateten, die über den Splittingtarif bewirkt wird, eine hinreichende Entlastung für kindbedingte Mehraufwendungen darstellt.1287 Auf diese – überaus zweifelhafte1288 und spätestens seit der Entscheidung BVerfGE 99, 216 überholte1289 – These braucht hier nicht näher eingegangen zu werden, da für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung in erster Linie die Ausführungen des Gerichts zur Sinnhaftigkeit und verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Ehegattensplittings von Interesse sind. Diese Ausführungen sind ausgesprochen umfangreich, lassen sich jedoch auf zwei Kernargumente zurückführen. Das erste Argument lautet, dass das Splittingverfahren deshalb mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Übereinstimmung steht,

1287 BVerfGE 61, 319, 320 (Entscheidungsformel), 343 ff., 350 ff. 1288 Vgl. BVerfGE 99, 216, 240: Das Splittingverfahren begünstigt kinderlose Ehe­ paare in gleicher Weise. Folglich werden Ehepaare mit Kindern ihnen gegenüber benachteiligt, wenn die entsprechenden Mehrbelastungen nicht über andere Regelungen in hinreichendem Maße abgebildet werden. Hierin läge ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. zum Prüfungsmaßstab oben bei und in Fn 1277). Die Frage der steuerlichen Berücksichtigung kindbedingter Mehraufwendungen stellt sich daher im Kern unabhängig von den Modalitäten der Ehegattenbesteuerung. Die zweifelhafte Argumentation des Gerichts dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Richter die Lage der Alleinerziehenden verbessern wollten, ohne mit der Entscheidung BVerfGE 43, 108 zu brechen, in der die damalige Ausgestaltung der Besteuerung von Ehegatten mit Kindern (mit wenig überzeugenden Erwägungen, vgl. auch schon oben § 5 F III., S. 141 f.) als verfassungsgemäß angesehen worden war (vgl. BVerfGE 61, 319, 344). 1289 Siehe dazu BFH/NV 2005, 46, 47; Blümich/Ettlich, § 26 EStG Rz. 16; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 210; Seer/Wendt, NJW 2000, 1904, 1904 f.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 641 f.

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weil die Ehegatten typischerweise eine Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft (eheliche Wirtschaftsgemeinschaft) bilden.1290 In der entsprechenden Passage des Urteils heißt es (unter mehrmaliger Bezugnahme u.a. auf die Gesetzesmaterialien zum Steueränderungsgesetz 1958, durch das das Ehegattensplitting eingeführt wurde):1291 „Das Splittingverfahren entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Es geht davon aus, daß zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat. Damit knüpft das Splitting an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an, in der ein Transfer steuerlicher Leis­ tungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfindet. Diese Ehegattenbesteuerung steht auch in Einklang mit den Grundwertungen des Familienrechts. Die Institute des Zugewinnausgleichs und neuerdings des Versorgungsausgleichs lassen den Grundsatz erkennen, daß das während der Ehe Erworbene gemeinschaftlich erwirtschaftet ist. Ferner ist durch die gegenseitige Verpflichtungsbefugnis (§ 1357 BGB) und die Beschränkungen der Verwaltungsbefugnis der Ehegatten (§§ 1365 bis 1367, 1369 BGB) auch während der Ehe dem Gedanken der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft familienrechtlich Rechnung getragen.“ 1292

Das zweite Argument leitet das Gericht aus Art. 6 Abs. 1 GG ab: Das Splitting ermögliche es den Ehegatten, partnerschaftlich über die Aufgabenverteilung in der Ehe zu entscheiden.1293 In Anknüpfung an den in den Gesetzesmaterialien angeführten – allerdings zumindest aus heutiger Sicht nicht zweifelsfreien – Zweck, „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“ zu gewährleisten,1294 führt das Gericht aus: „Dieser Zweck des Splittingverfahrens steht in Einklang mit Art. 6 Abs. 1 GG. Aus dieser Grundsatznorm folgt die Pflicht des Staates, die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiellwirtschaftlichen Bereich als eigenständig und selbstverantwortlich zu respektieren. Die Ehegatten bestimmen in gleichberechtigter Partnerschaft ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung. Die Aufgabenverteilung in der Ehe unterliegt der freien Entscheidung der Eheleute. Das Selbstbestimmungsrecht der 1290 BVerfGE 61, 319, 345 f. 1291 Das Gericht verweist u.a. auf BT-Drucks. III/260, S. 34; zu den Hintergründen und weiteren Einzelheiten näher St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 135 ff. Auf den Inhalt der Gesetzesmaterialien wird unter C. näher eingegangen. 1292 BVerfGE 61, 319, 345 f. (die vom Gericht zitierten Fundstellen sind weggelassen worden). 1293 BVerfGE 61, 319, 347. 1294 BVerfGE 61, 319, 346 unter wörtlicher Zitierung von BT-Drucks. III/260, S. 34 sowie unter Hinweis auf BT-Drucks. 7/1470, S. 222: „Gleichwertigkeit der Arbeit von Mann und Frau“. Das Gericht selbst hatte in der Entscheidung BVerf GE 6, 55, 79 ff. deutlich progressiver argumentiert als der historische Gesetzgeber.

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Verfassungsrechtliche Vorgaben Ehegatten in ihren finanziellen Beziehungen untereinander wird insoweit verfassungsrechtlich geschützt. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen ermöglicht das Splitting den Ehegatten die freie Entscheidung, ob einer allein ein möglichst hohes Familieneinkommen erwirtschaften und sich deshalb in seinem Beruf vollständig engagieren soll, während der andere Partner den Haushalt führt, oder ob statt dessen beide Partner sowohl im Haushalt als auch im Beruf tätig sein wollen, so daß beide ihre Berufstätigkeit entsprechend beschränken. Auf diese Weise wird sowohl die bei einer Zusammenveranlagung ohne Splitting gegebene verfassungswidrige Benachteiligung derjenigen Ehe vermieden, in der beide Partner berufstätig sind, als auch die bei getrennter Veranlagung drohende Gefahr der Benachteiligung der Hausfrauen- oder Hausmannehe ausgeschlossen.“1295

Das Bundesverfassungsgericht hat mit diesen Ausführungen das Ziel verfolgt nachzuweisen, dass eine Ausdehnung des Splittingvorteils auf Alleinerziehende mit Kindern nicht von Verfassungs wegen geboten ist, da es bei ihnen sowohl an einer Erwerbsgemeinschaft als auch an einer partnerschaftlichen Aufgabenverteilung fehle.1296 Dazu hätten seine bisher zitierten Erwägungen vollauf genügt, die im Kern darauf gerichtet sind, die Vereinbarkeit des Ehegattensplittings mit Art. 3 Abs. 1 GG (Leis­ tungsfähigkeitsprinzip) und Art. 6 Abs. 1 GG zu begründen. Ohne dass dies für die zu treffende Entscheidung erforderlich gewesen wäre, geht das Bundesverfassungsgericht jedoch weit darüber hinaus und formuliert im Anschluss an die soeben wörtlich zitierte Passage: „Damit ist das Ehegattensplitting keine beliebig veränderbare Steuer-‘Vergüns­ tigung’, sondern – unbeschadet der näheren Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers – eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung.“1297

Nimmt man das beim Wort, wäre das Ehegattensplitting nicht nur eine von mehreren vertretbaren Lösungen, sondern in seinem Kernbereich verfassungsrechtlich gefordert. Der Bruch mit der Entscheidung BVerfGE 6, 55 liegt – schon mit Blick auf die Wortwahl („keine Steuervergünstigung“ anstatt „Begünstigung“) – auf der Hand, wird aber vom Bundesverfassungsgericht nicht erwähnt oder gar problematisiert. Folgte man dem, so stellte das Ehegattensplitting den von Verfassungs wegen gebotenen Grundzustand dar; die Einzelveranlagung wäre rechtfertigungsbedürftig.1298 Es überrascht, dass sich das Gericht nicht mit den in eine andere 1295 BVerfGE 61, 319, 346 f. (Zitatstellen des Gerichts wurden ausgelassen). 1296 So BVerfGE 61, 319, 348. 1297 BVerfGE 61, 319, 347. 1298 Das kommt auch am Ende der bei Fn 1295 wörtlich zitierten Passage des Urteils deutlich zum Ausdruck.

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Richtung weisenden Systemgerechtigkeitserwägungen in der Entscheidung BVerfGE 6, 55 und der dahinter stehenden Auffassung, die Zusammenveranlagung weiche vom Prinzip der Individualbesteuerung ab,1299 auseinandergesetzt hat. Ebenfalls unerwähnt bleibt, dass derselbe Senat die getrennte Veranlagung in einer anderen Entscheidung aus dieser Zeit noch ausdrücklich als verfassungskonform angesehen hatte.1300 Auf Grundlage der nunmehrigen Erwägungen des Gerichts wäre es hingegen überaus fraglich, ob eine Gesetzeslage aufrechterhalten werden kann, nach der es ein dissentierender Ehepartner in der Hand hat, die an sich gebotene Zusammenveranlagung einseitig zu vereiteln (§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG). Es darf im Übrigen bezweifelt werden, dass die Richter die Dinge genauso gesehen hätten, wenn der Gesetzgeber im Jahre 1958 ein anderes Modell der Ehegattenbesteuerung eingeführt hätte. Gleiches wird man denjenigen Stimmen im Schrifttum attestieren müssen, die die derzeitige Ausgestaltung der Ehegattenbesteuerung (fakultative Zusammenveranlagung mit Splittingtarif im Falle des Zusammenlebens) im Anschluss an diese Entscheidung als im Kern verfassungsgeboten ansehen.1301 Ob die Sachargumente des Gerichts zutreffen, wird in den folgenden Abschnitten untersucht.

III. BVerfGE 108, 351: „in Ausgestaltung des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG vom Gesetzgeber zugedachter Steuervorteil“ In jüngerer Zeit hat sich das Bundesverfassungsgericht noch einmal – wenn auch eher am Rande – mit den verfassungsrechtlichen Hintergründen der Ehegattenbesteuerung befasst. Es hatte die Frage zu entscheiden, ob eine Auslegung der seinerzeit geltenden Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt durch die Zivilgerichte mit Art. 6 Abs. 1 GG zu vereinbaren war, nach der die in zweiter Ehe erzielte splittingbedingte Steuerersparnis1302 bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs des ge-

1299 Siehe oben Fn 1278. 1300 BVerfGE 9, 237, 241 ff. (mit Bezug auf die §§ 26 ff. EStG 1957). 1301 Nachweise oben Fn 1255 sowie unter C. 1302 Konkret ging es in der ersten der beiden Verfassungsbeschwerden, die diesem Beschluss zugrunde lagen, um die Behandlung von Steuererstattungen, die wegen der Wahl der Steuerklassenkombination IV/IV im Zuge der Zusammenveranlagung angefallen waren (BVerfGE 108, 351, 356 f.; die dort mitgeteilten rechtlichen Ausführungen des OLG Braunschweig erstaunen!). Im zweiten Fall hatten die Zivilgerichte das nach Steuerklasse III ermittelte Nettoeinkommen des Beschwerdeführers zugrunde gelegt (siehe S. 357 f.).

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schiedenen Ehegatten berücksichtigungsfähig war.1303 Das Bundesverfassungsgericht hat hierin einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG erblickt und dazu u.a. Folgendes angeführt: „Ebenso aber kann der Gesetzgeber einer bestehenden Ehe Vorteile einräumen, die er einer geschiedenen Ehe vorenthält. Nur bei zusammenlebenden Ehegatten kann er davon ausgehen, dass sie grundsätzlich zusammen eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der die Ehegatten jeweils an den Einkünften wie Lasten des anderen teilhaben (BVerfGE 61, 319 [345 f.]). Nur in dieser Erwerbsgemeinschaft erbringt auch der Nichterwerbstätige einen Beitrag zum gemeinsamen Lebensunterhalt. […] Steuerliche Vorteile, deren Entstehen vom Eheschluss ausgelöst werden, die das Zusammenleben der Ehegatten voraussetzen und die der Gesetzgeber in Konkretisierung seines Schutzauftrags allein der bestehenden Ehe einräumt, dürfen ihr durch die Gerichte nicht dadurch wieder entzogen werden, dass sie der geschiedenen Ehe zugeordnet werden und über die Unterhaltsberechnung auch den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten erhöhen.“ 1304

Diese Ausführungen lassen sich als deutliches Zurückrudern von den in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 verwendeten Formulierungen charakterisieren: Die Vorteile, die aus der steuerlichen Behandlung zusammen veranlagter Ehegatten resultieren,1305 werden nicht mehr als im Kern verfassungsrechtlich geboten bezeichnet, sondern ganz offensichtlich nur noch als eine gut vertretbare gesetzgeberische Ausgestaltungsentscheidung angesehen.1306 Auch den Aspekt der Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft verwendet das Gericht in etwas anderem Zusammenhang: Hatte er in dem Urteil BVerfGE 61, 319 noch dazu gedient, die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit des Ehegattensplittings zu begründen, wird er nunmehr im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 GG angeführt, und zwar als rechtfertigendes Element für die Förderung gerade (und nur) der zusammen lebenden Ehegatten. Das Gericht äußert sich allerdings nicht dazu, ob der Gesetzgeber zur Erfüllung seines „Schutzauftrags“ überhaupt steuerliche Vergünstigungen schaffen muss.1307 Stattdessen sieht es ausdrücklich davon ab, näher auf die verfassungsrechtliche Problematik des Ehegattensplittings einzugehen: „Die Ausgangsfälle bieten keinen Anlass, zu den Verfassungsfragen des Ehegattensplittings Stellung zu nehmen, denn sie sind nicht entscheidungserheblich. 1303 Zusammenfassung der damaligen Rechtsprechung in BVerfGE 108, 351, 353 f. 1304 BVerfGE 108, 351, 365. 1305 Vgl. Fn 1302: Gleiches gilt für den unterjährigen Liquiditätsvorteil, der aus der Steuerklassenwahl bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit resultiert. 1306 Im gleichen Sinne offenbar BVerfGE 107, 27, 54 (2. Senat): „einfachgesetzliche Grundentscheidung“. 1307 Das wäre auf Grundlage der übrigen Rechtsprechung des BVerfG zu verneinen (siehe oben bei Fn 1286).

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten Die angegriffenen Urteile verkennen Art. 6 Abs. 1 GG schon allein deshalb, weil sie einen steuerlichen Vorteil, der sich aus dem Steuersplitting gemäß § 32a Abs. 5 EStG ergeben kann, der geschiedenen Ehe haben zukommen lassen. Der Gesetzgeber hat den Vorteil, der aus dem Steuersplitting folgen kann, der bestehenden Ehe von gemeinsam steuerlich veranlagten und zusammenlebenden Ehegatten zugewiesen. […] Hätte er unterhaltsrechtlich die Zuordnung zur geschiedenen Ehe beabsichtigt, hätte er dies ausdrücklich gesetzlich regeln müssen. Dies hat er aber gerade nicht getan, sondern ausschließlich bestehenden Ehen den Splittingvorteil eingeräumt und geschiedene Ehen auf das Realsplitting verwiesen. Eine solche gesetzgeberische Ausgestaltung entspricht dem Schutzauftrag nach Art. 6 Abs. 1 GG, der auch bei der Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beachten ist. […] Schließlich können auch Praktikabilitätserwägungen nicht rechtfertigen, der neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen den ihr in Ausgestaltung des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG vom Gesetzgeber zugedachten Steuervorteil […] zu entziehen.“ 1308

Auch in dieser Passage wird maßgeblich auf die gesetzgeberische Entscheidungsfreiheit abgestellt. Die soeben zitierten Stellen des Beschlusses machen ferner deutlich, dass das Splittingverfahren – anders als dies in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 zum Ausdruck kommt – offenbar keinen notwendigen Ausfluss einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung darstellen soll, sondern vielmehr der Erfüllung des aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden Schutzauftrages dient. Das Gericht hatte hier – wie schon in der Entscheidung BVerfGE 6, 55 – offensichtlich das aus Art. 6 Abs. 1 GG folgende (positive) Förderungsgebot im Auge.1309 Dafür spricht auch, dass die Richter durchgängig das Wort „Vorteil“ verwenden.1310 Die Entscheidung steht mithin den Ausführungen in BVerfGE 6, 55 deutlich näher als denjenigen der Entscheidung BVerfGE 61, 319, wenngleich das Gericht von einer genaueren Analyse der verfassungsrechtlichen Lage bewusst abgesehen hat. Für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse ist ferner das methodische Vorgehen der Richter: Das Bundesverfassungsgericht hat die Zivilgerichte dazu angehalten, die gesetzgeberische Entscheidung über die Zuweisung des Splittingvorteils an die bestehende (und nicht an die geschiedene) Ehe bei der Auslegung der unterhaltsrechtlichen Vorschriften des BGB nachzuvollziehen.1311 Denn diese Zuweisung sei in zu1308 BVerfGE 108, 351, 366 ff. 1309 Vgl. BVerfGE 108, 351, 363 ff. 1310 Siehe insoweit auch bereits BVerfGE 75, 361, 367. 1311 BVerfGE 108, 351, 363 ff.; trotz Würdigung dieser Rechtsprechung nicht mit ihr vereinbar BGHZ 177, 356, 375 ff. (zustimmend jedoch Born, FF 2008, 464, 465; anders noch BGHZ 175, 182, 192; BGHZ 163, 84, 89 ff.; ebenso H.-U. Maurer, in: MünchKomm.-BGB, § 1578 Rn. 33); das Urteil BGHZ 177, 356 aus anderen Gründen verwerfend BVerfGE 128, 193, 211 ff.; in Bezug auf die Zuweisung des

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treffender „Konkretisierung des Schutzauftrags aus Art. 6 Abs. 1 GG“1312 erfolgt, so dass ihre Nichtbeachtung zugleich einen Verstoß gegen ebendiese Verfassungsnorm begründe.1313 Der Entscheidung des einfachen Gesetzgebers über die Zuweisung des Splittingvorteils wird mithin mittelbar verfassungsrechtliche Wirkungen zugemessen, wenn und weil sie mit dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG in Übereinstimmung steht. Diese Anknüpfung an die einfachrechtliche Lage mag zwar so lange als nicht vollends befriedigend erscheinen, wie das Gericht nicht direkt aus Art. 6 Abs. 1 GG ableitet, dass der Splittingvorteil der neuen Ehe gebühren muss, wenn der Gesetzgeber ihn gewährt.1314 Es hätte mithin – entgegen der Einschätzung des Ersten Senats1315 – durchaus Anlass bestanden, sich stärker mit den „Verfassungsfragen des Ehegattensplittings“ zu beschäftigen. Festgehalten werden kann aber zumindest, dass eine derartige verfassungsorientierte Auslegung des Zivilrechts auch im Rahmen der hier zu untersuchenden Fragestellung (Ausgleichsansprüche) Bedeutung erlangen kann – worauf in den folgenden Abschnitten näher einzugehen sein wird.

Splittingvorteils zutreffend nunmehr BGHZ 192, 45, 55 ff. Insbesondere besteht die vom BVerfG aaO, S. 367 für ein anderes Ergebnis geforderte ausdrückliche gesetzliche Regelung auch nach Inkrafttreten des UÄndG (BGBl. I 2007, S. 3189) nicht. Zudem ist in den Gesetzesmaterialien nichts dafür ersichtlich, dass in dieser Hinsicht eine Änderung beabsichtigt war (siehe insbesondere BT-Drucks. 16/1830, S. 24 und dazu Schürmann, FamRZ 2008, 313, 323; abweichend jedoch Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778, 779). Vor diesen Hintergrund erscheint auch die Rechtsprechung des XII. Senats zur Berücksichtigung des Splittingvorteils beim Kindesunterhalt (siehe etwa BGH NJW 2010, 2515, 2516 f.; BGHZ 178, 79, 83 ff. (86 ff.) mit weiteren Nachweisen) nicht völlig zweifelsfrei (vgl. auch Arens, FF 2009, 211, 213; Schürmann, aaO). 1312 BVerfGE 108, 351, 363. 1313 Siehe insbesondere BVerfGE 108, 351, 365: „Bei Vorschriften, die grund­rechtliche Schutzpflichten erfüllen sollen, ist das maßgebende Grundrecht dann verletzt, wenn ihre Auslegung und Anwendung den vom Grundrecht vorgezeichneten Schutzzweck grundlegend verfehlen (vgl. BVerfGE 89, 279 [285 f.]).“ Kritisch anzumerken ist allerdings, dass das Gericht hier offen­sichtlich das aus Art. 6 Abs. 1 GG folgende Förderungsgebot mit einer staat­ lichen Schutzpflicht gleichsetzt (siehe dazu bereits oben Fn 1282). 1314 Die Beschränkung des Splittings auf die bestehende Ehe ist nämlich nicht selbstverständlich, wenn es zutrifft, dass auch die geschiedene Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG in prinzipiell gleichem Maße geschützt wird (vgl. BVerfGE 108, 351, 364; weitere Nachweise bei Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 6). Ob der vom BVerfG herangezogene Aspekt der „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“ bei zusammen lebenden Verheirateten (BVerfG aaO, S. 365) diese Differenzierung rechtfertigen kann, wird unter C IV 1 f) untersucht. 1315 BVerfGE 108, 351, 366.

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IV. Würdigung Die soeben analysierten drei Entscheidungen des Ersten Senats weichen mithin in zentralen Punkten voneinander ab und lassen schon deshalb keinen eindeutigen Schluss auf eine gefestigte Position des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Hintergründen des Ehegattensplittings zu. Auch die Entscheidung BVerfGE 108, 351 hat in dieser Hinsicht keine grundsätzliche Klärung herbeigeführt. Allerdings ist allen Entscheidungen eindeutig zu entnehmen, dass das Modell der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif nach Auffassung des Gerichts verfassungsrechtlich zulässig ist. Legt man seine jüngste Stellungnahme (BVerfGE 108, 351) zugrunde, dürfte es sich eher um einen Ausfluss des in Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Förderungsgebots handeln als um eine von Verfassungs wegen zwingend erforderliche Regelung, wie dies in dem Urteil BVerfGE 61, 319 anklingt. Nicht deutlich ist jedenfalls der derzeitige Standpunkt der Richter zu den Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. Während eine Abschaffung des Ehegattensplittings mit den in der Entscheidung BVerfGE 108, 351 angeführten Grundsätzen in Übereinstimmung zu bringen sein dürfte,1316 ist unklar, welchen Mindestanforderungen eine Ersatzregelung von Verfassungs wegen genügen muss. Von den beiden in dem Urteil BVerfGE 61, 319 angeführten (Haupt-) Gründen für die Berechtigung des Ehegattensplittings wird in der Entscheidung BVerfGE 108, 351 lediglich der Aspekt der „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“ aufgenommen,1317 so dass hierin der (nach Ansicht der Richter) wesentliche Grund für die Besserstellung zusammen lebender Ehegatten im Lichte von Art. 6 Abs. 1 GG zu erblicken sein dürfte. Ungeklärt ist ferner das Verhältnis des Ehegattensplittings zum Leistungsfähigkeitsprinzip: Während das Gericht in dem Urteil BVerfGE 61, 319 davon ausgeht, dass das Splitting leistungsfähigkeitsgerecht ist,1318 klingt die durchgängige Verwendung des Begriffs „Vorteil“ in der Entscheidung BVerfGE 108, 351 eher danach, als würde es sich – entsprechend den Ausführungen in dem Beschluss BVerfGE 6, 55 – um eine punktuelle Abweichung handeln, die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG ermöglicht wird. Auch dieser Befund ist allerdings nicht klar, weil in der Entscheidung BVerfGE 108, 351 auf diejenige Passage des Urteils BVerfGE 1316 Vgl. zudem erneut BVerfGE 107, 27, 54 („einfachgesetzliche Grundentschei­ dung“). 1317 BVerfGE 108, 351, 365; ebenso bereits BVerfG HFR 1989, 442, 442; BVerfG NJW 1988, 127, 127; vgl. auch BVerfG NJW 2013, 2257, 2261. 1318 BVerfGE 61, 319, 345 f.

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61, 319 Bezug genommen wird, die die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit des Ehegattensplittings betrifft.1319 Betrachtet man vor diesem Hintergrund die oben1320 herausgearbeiteten beiden, an dieser Stelle der Untersuchung wesentlichen Fragestellung, so lässt sich festhalten: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann so gedeutet werden, dass der Splittingvorteil den Ehegatten gemeinsam zusteht, denn dem Splittingverfahren liegt der – am Maßstab der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierte1321 bzw. mit der (positiven) Schutzfunktion des Art. 6 Abs. 1 GG zu vereinbarende1322 – Gedanke zugrunde, dass zusammen lebende Verheiratete grundsätzlich eine „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der [sie] jeweils an den Einkünften wie Lasten des anderen teilhaben“.1323 Dieser Gedanke der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft rechtfertigt es nach Auffassung des Gerichts zum einen, Alleinerziehende mit Kindern abweichend zu behandeln.1324 Zum anderen könne vor diesem Hintergrund eine gesetzliche Regelung nicht beanstandet werden, wonach ausschließlich die zusammen lebenden Ehegatten, nicht aber deren unterhaltsberechtigte frühere Partner vom Splittingvorteil profitieren.1325 Es liegt daher sehr nahe, bei der Auslegung der einschlägigen Anspruchsgrundlage(n) im Lichte namentlich von Art. 6 Abs. 1 GG in Rechnung zu stellen, dass der Vorteil beiden Ehepartnern gebühren soll. Dies gilt besonders, wenn man die methodische Vorgehensweise in den Blick nimmt, die das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss BVerfGE 108, 351 vorgezeichnet hat.1326 Eine entsprechende verfassungsorientierte Auslegung der einfachrechtlichen Anspruchsgrundlagen müsste jedenfalls dann vorgenommen werden, wenn die gemeinsame Berechtigung der Ehegatten unmittelbar aus Verfassungsrecht ableitbar wäre, sofern sich der Gesetzgeber für das Modell des Ehegattensplittings entschieden hat1327 bzw. er hierauf sogar verfassungsrechtlich festgelegt wäre. Das wird im Folgenden zu prüfen sein. 1319 In BVerfGE 108, 351, 365 wird auf BVerfGE 61, 319, 345 f. verwiesen. 1320 Siehe oben A. (S. 257). 1321 So BVerfGE 61, 319, 345 ff. 1322 So BVerfGE 108, 351, 365. 1323 BVerfGE 108, 351, 365 unter Hinweis auf BVerfGE 61, 319, 345 f.; siehe ferner BVerfG HFR 1989, 442, 442; BVerfG NJW 1988, 127, 127. Der Aspekt des gemeinsamen, arbeitsteiligen Wirtschaftens kommt in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 auch sonst mehrfach zum Ausdruck (siehe insbesondere S. 346 f.). 1324 BVerfGE 61, 319, 348. 1325 BVerfGE 108, 351, 363 ff. 1326 Näher oben unter III. 1327 In diese Richtung BVerfGE 108, 351, 365 (bei Fn 1304 und in Fn 1313 wörtlich zitiert); BVerfGE 61, 319, 345 ff. (bei Fn 1292 und 1295 wörtlich zitiert).

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Gänzlich unklar ist hingegen, ob die Einzelveranlagung nach Auffassung der Richter auch von Verfassungs wegen als dasjenige „Grundmodell“ angesehen werden kann, von dem aus sich bestimmt, ob ein „Vorteil“ bzw. „Nachteil“ gegeben ist. Diese Vorstellung liegt zwar ersichtlich der Entscheidung BVerfGE 6, 55 zugrunde. Den entsprechenden Erwägungen kommt jedoch zumindest aus heutiger Sicht wenig Aussagekraft zu: Zum einen sind die dort mit Blick auf den Grundsatz der Individualbesteuerung mit angeführten Systemgerechtigkeitsaspekte wenig weiter­ führend, da bloße Systeminkonsequenzen grundsätzlich so lange keine verfassungsrechtliche Bedeutung aufweisen, wie aus ihnen keine gleichheitssatzrelevanten Ungleichbehandlungen resultieren.1328 Im Übrigen ist das diesem Beschluss zugrunde gelegte Verständnis, wonach eine Zusammenveranlagung nicht in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung gebracht werden kann, heute weitgehend überwunden.1329 Zum anderen – und vor allem – ist das Bundesverfassungsgericht von dieser Vorstellung der Einzelveranlagung als „Grundmodell“ in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 eindeutig abgerückt. Demgegenüber finden sich in dem Beschluss BVerfGE 108, 351 – abgesehen von der durchgängigen Verwendung des Begriffs „Vorteil“ – keine weiterführenden Aussagen zu diesem Problemkreis, so dass diese Frage als (aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts) offen bezeichnet werden muss.

C. Das Ehegattensplitting im Spannungsfeld von Leistungsfähigkeitsprinzip und Art. 6 Abs. 1 GG I. Ausgangspunkt Die verfassungsrechtliche Kernfrage, die aus den genannten Gründen auch für die vorliegende Untersuchung von erheblicher Relevanz ist, lautet mithin, ob die Eröffnung des Ehegattensplittings (nur) für zusammen lebende Ehegatten – vom Leistungsfähigkeitsprinzip, gegebenenfalls in Verbindung mit aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden Wertungen,1330 gefordert wird, 1328 Näher oben § 5 F IV. (S. 144 f.). Das Subjektsteuerprinzip bildet auch für den Bereich der Einkommensbesteuerung keinen zwingenden Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips in seiner absoluten Ausprägung (vgl. Ratschow, DStJG 34 (2011), 34, 46 ff.). 1329 Siehe oben Fn 1246. 1330 Zu der Möglichkeit (und Notwendigkeit), den Aussagegehalt des Leistungs­ fähigkeitsprinzips mit Wertungen aus Art. 6 Abs. 1 GG auszufüllen, ausführlich oben S. 122 ff.

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– mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, wiederum gegebenenfalls in Zusammenschau mit Art. 6 Abs. 1 GG, vereinbar ist, ohne aber verfassungsgeboten zu sein1331 oder – eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips darstellt, die über das Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden muss. Ersteres entspricht den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Urteil BVerfGE 61, 319; Letzteres klingt vor allem in der Entscheidung BVerfGE 6, 55 an. Ob die Entscheidung BVerfGE 108, 351 der zweiten oder der dritten Sichtweise zugerechnet werden kann, ist aus den oben genannten Gründen nicht eindeutig zu ermitteln. Erwiese sich die erste Einordnung als zutreffend, wäre eine Abschaffung des Ehegattensplittings für zusammen lebende Verheiratete unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG;1332 das Modell der §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26b, 32a Abs. 5 EStG bildete mithin von Verfassungs wegen für sie den Grundzustand der Besteuerung. Dementsprechend müsste die vorhandene Diskussion über zivilrechtliche Ausgleichsansprüche zwischen zusammen veranlagten Ehegatten bereits im Grundsätzlichen überdacht werden, da in ihr bisher durchgängig das Modell der Einzelveranlagung zum Ausgangspunkt der Überlegungen genommen worden ist. Diese Prämisse wäre hingegen gut vertretbar, wenn man – entsprechend dem zuletzt genannten Verständnis – davon ausgehen könnte, dass sich die steuerliche (Besser-)Behandlung zusammen veranlagter Ehegatten lediglich über Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt. Besonders in diesem Fall wäre allerdings zu begründen, warum der Splittingvorteil lediglich zusammen lebenden Ehegatten zugute kommen kann.1333 Das gleiche Legitimationserfordernis trifft auch denjenigen, der den Aussagegehalt des Leistungsfähigkeitsprinzips im Rahmen der ersten oder zweiten Einordnung mit Wertungen aus Art. 6 Abs. 1 GG ausfüllen will. Im Rahmen der zweiten Einordnung würde es im Übrigen Schwierigkeiten bereiten zu bestimmen, ob die Einzelveranlagung oder die Zusammenveranlagung das Grundmodell der Ehegattenbesteuerung bildet. Dies hätte jedenfalls

1331 Das wäre der Fall, wenn sich die zugunsten des Splittingmodells getroffene gesetzgeberische Entscheidung innerhalb des vom Leistungsfähigkeitsprinzip (gegeben­enfalls in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG) eröffneten Ausgestaltungsspielraums hielte, ohne von ihm gefordert zu werden; näher zu den Hinter­­ gründen oben § 5 F. 1332 Näher zum Prüfungsmaßstab oben bei und in Fn 1277. 1333 Siehe bereits oben Fn 1314. Ob die in dem Beschluss BVerfGE 108, 351 gegebene Begründung trägt, wird im Rahmen der weiteren Ausführungen zu prüfen sein.

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dann zu gelten, wenn man zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gesetzgeber auch ein Modell der rein individuellen Besteuerung einführen dürfte. Wie unter B. dargelegt, hat das Bundesverfassungsgericht dem Aspekt des gemeinsamen Erwerbs und Verbrauchs sowohl in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 als auch in der Entscheidung BVerfGE 108, 351, d.h. ansatzübergreifend, eine zentrale Rolle zugemessen. Deshalb soll im ersten Schritt auf die Tragkraft dieses Arguments eingegangen werden (unter II.). Das erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil dieser Gesichtspunkt schon in den Gesetzesmaterialien bei der Einführung des Ehegattensplittings Erwähnung gefunden hat.1334 Anschließend wird exkurshaft auf weitere dort genannte Begründungsansätze eingegangen (unter III.). Danach wird die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit des Ehegattensplittings untersucht und seinen Bezugspunkten zu Art. 6 Abs. 1 GG nachgegangen, und zwar sowohl bei ausschließlicher Betrachtung von Ehepaaren als auch im Verhältnis zu nicht ehelichen Lebensgemeinschaften (unter IV.). In § 11 werden sodann die Konsequenzen der gefundenen Ergebnisse für eine möglichst verfassungsoptimale Auslegung der zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche aufgezeigt.

II. Zum Aspekt der „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“ 1. Ausgangsbefund Der Gesichtspunkt der Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft (eheliche Wirtschaftsgemeinschaft)1335 spielt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mithin eine entscheidende Rolle für die Rechtfertigung des Ehegattensplittings. Das Gericht hat ihn in dem Urteil BVerfGE 61, 319 herangezogen, um zu begründen, dass das Ehegattensplitting leis­ tungsfähigkeitsgerecht ist, also den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG genügt.1336 In der Entscheidung BVerfGE 108, 351 hat das Gericht zwar an die entsprechende Passage angeknüpft, jedoch nunmehr mit anderer Stoßrichtung, nämlich zur Rechtfertigung des „Vorteils“, der aus dem Ehegattensplitting für zusammen lebende Ehegatten resultiert, vor dem Hintergrund des Schutzes der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG).1337 Das Gericht verwendet das Argument der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft folglich in 1334 BT-Druck. III/260, S. 33 f. Einzelheiten unter II. 1335 Anknüpfend an die Ausführungen in BVerfGE 61, 319, 345 f. werden die Begriffe „Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft“ und „Wirtschaftsgemeinschaft“ hier und im Folgenden als gleichbedeutend verwendet. 1336 BVerfGE 61, 319, 345 f. 1337 BVerfGE 108, 351, 365.

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unterschiedlichen Schattierungen. Die Ausgangslage wird weiter dadurch verkompliziert, dass die finanzgerichtliche Praxis ein ganz ähnliches Kriterium bei der Auslegung des § 26 EStG verwendet. In den (einfachgesetzlichen) Begriff des nicht dauernden Getrenntlebens (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) wird nämlich hineingelesen, dass die Ehegatten nicht nur eine Lebens-, sondern auch eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden müssen, um in den Genuss des dort enthaltenen Wahlrechts zu gelangen.1338 Im Folgenden wird diese Rechtsprechung zunächst kritisch hinterfragt und von der (potentiellen) verfassungsrechtlichen Dimension dieses Aspekts abgeschichtet (unter 2.). Letztere wird im Anschluss unter 3. analysiert. 2. Bedeutung für die Auslegung von § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG Charakteristisch für die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft, die nach ständiger Rechtsprechung der Finanzgerichte vorliegen muss, damit die speziellen Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung (§§ 26 ff. EStG) anwendbar sind,1339 soll es sein, dass das Einkommen der Ehegatten „ein gemeinsames Familieneinkommen bildet, indem es unter gemeinsamer Planung zur Deckung aller Lebensbedürfnisse der Familie verwendet wird.“1340 Die Eheleute müssten „die sie berührenden wirtschaftlichen Fragen gemeinsam erledigen und gemeinsam über die Verwendung des Familieneinkommens entscheiden“.1341 Dieses – über die Anforderungen des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB deutlich hinausgehende1342 – Erfordernis 1338 So die ständige Rechtsprechung: BFH/NV 2007, 1893, 1894; BFH/NV 2002, 483, 484; BFH/NV 1997, 139, 140; BFH BStBl. II 1986, 486, 487; BFH BStBl. II 1972, 173, 174; FG Berlin EFG 2008, 212, 212 f.; FG Hamburg EFG 2000, 682, 683; grundlegend BFH BStBl. III 1967, 84, 85, wo zur Begründung dieses Ansatzes bemerkenswert offen in dubio pro fisco argumentiert wird. Schon vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass das Erfordernis der Wirtschaftsgemeinschaft auch sonst nahezu allgemein anerkannt ist; siehe etwa C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 7 ff.; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. B 20 ff. mit weiteren Nachweisen in Fn 28; Dyckmans, Ehegatten­ veranlagung, S. 36; Genthe, FuR 1999, 53, 54; Liebelt, NJW 1994, 609, 609; ebenso R 26 Abs. 1 EStR 2008; a.A. aber Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 15 (eheliche Lebensgemeinschaft genüge). 1339 Nachweise in Fn 1338. 1340 So BFH BStBl. II 1972, 173, 174. 1341 So BFH/NV 1997, 139, 140; C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 7; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. B 26 f.; Schmidt/Seeger, EStG, § 26 Rn. 10; siehe auch BFH/NV 1987, 431, 433. 1342 Siehe nur Koch, in: MünchKomm.-BGB, § 1364 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen. Die eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB umfasst zwar auch die vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Eheleute (BGHZ 37, 38, 41; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 5). Dies betrifft jedoch in ers-

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einer „Verteilung des Einkommens zum Verbrauch durch die ganze Familie“1343 erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil die Einzelveranlagung und die Zusammenveranlagung, auf die sich das Wahlrecht des § 26 EStG bezieht, nach der Gesetzessystematik zumindest gleichwertige Alternativen bilden.1344 Wieso die Existenz einer Wirtschaftsgemeinschaft mit dem soeben beschriebenen Inhalt zur Voraussetzung für die Einzelveranlagung erhoben wird,1345 ist nicht recht verständlich.1346 Aber auch wenn man über diesen Aspekt hinwegsieht und die Kern­ aussage des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG darin erblickt, dass der Anwendungsbereich der §§ 26b, 32a Abs. 5 EStG eröffnet wird, wenn seine Tatbestandsmerkmale erfüllt sind,1347 ist das Erfordernis einer derartigen Wirtschaftsgemeinschaft nicht zu begründen. Insbesondere ist es nicht etwa so, dass sich der Standpunkt der finanzgerichtlichen Praxis mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrecht-

ter Linie Rücksichtnahme-, Fürsorge-, Beistands- und Auskunfts­pflichten im finanziellen und steuerlichen Bereich sowie gegebenenfalls Beschränkungen bei der Anspruchsdurchsetzung (vgl. BGH aaO, S. 41 ff.; Einzelheiten bei A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 37 ff.; Palandt/Brudermüller, aaO, Rn. 11 ff.); zur grundsätzlich bestehenden Pflicht, an der Zusammenveranlagung mitzuwirken, näher unten § 11 E. Eine (darüber hinausgehende) Verpflichtung zur vollständigen wechselseitigen Partizipation an den erworbenen Mitteln und zur gemeinschaftlichen Mittelverwaltung ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über den Familienunterhalt; sie stünde zudem im Gegensatz zum ehelichen Güterrecht (Einzelheiten im Folgenden). 1343 So BFH BStBl. II 1972, 173, 174; siehe auch C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 9. 1344 Die Gesetzessystematik spricht – wie auf S. 254 f. dargestellt – sogar eher dafür, die Einzelveranlagung als das einfachgesetzliche Grundmodell der Ehegattenbesteuerung anzusehen. 1345 Die ehegattenbesteuerungsspezifische Besonderheit besteht hier (lediglich) in der Möglichkeit zum hälftigen Abzug der in § 26a Abs. 2 EStG genannten Posi­ tionen. Der unter Geltung früherer Fassungen dieser Vorschrift vorzufin­dende Hinweis auf ein aus ihr folgendes „Prinzip der Verbrauchsgemeinschaft“ (vgl. Blümich/Ettlich, § 26a EStG Rz. 4; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 635 ff.; ablehnend Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 28) bzw. „Wirtschaftsgemein­ schaft“ (vgl. BFH BStBl. II 2009, 808, 809 f.) war m.E. schon seinerzeit nicht geeignet, eine derart restriktive Auslegung des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG zu tragen. In Bezug auf die heutige Ausgestaltung des § 26a Abs. 2 EStG kann von einem derartigen Prinzip keinesfalls mehr die Rede sein. 1346 Vgl. (in etwas anderem Zusammenhang) auch Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 27 f., S. 49. 1347 Vgl. etwa Frye, FR 2007, 1109, 1111 f.; Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 15; siehe in diesem Zusammenhang auch den empirischen Befund bei Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 49.

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lichen Hintergründen des Ehegattensplittings deckt.1348 Denn wenn es in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 heißt: „[Das Splittingverfahren] geht davon aus, daß zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat“,1349 legt das Gericht ganz offensichtlich zugrunde, dass es zusammen lebende (= nicht dauernd getrennt lebende) Verheiratete geben kann, die ihre wirtschaft­ lichen Beziehungen anders strukturieren. Innerhalb dieser – wohl auf Typisierungsüberlegungen beruhenden1350 – Rechtsprechung ist auch sonst kein Anhaltspunkt für einen etwaigen Standpunkt des Gerichts ersichtlich, wonach das Splittingverfahren in dem zuletzt genannten Fall keine Anwendung finden kann.1351 In dieses Bild fügt sich auch die Rechtsprechung der Zivilgerichte ein, denn die von ihnen grundsätzlich bejahten Ausgleichsansprüche bei Wahl der Zusammenveranlagung knüpfen gerade an Situationen an, in denen es an einer vollumfänglichen Teilhabe an den Einkünften und Lasten fehlt.1352 Wenn das Splittingverfahren tatsächlich nur für den Fall eröffnet wäre, dass zwischen den Ehegatten eine derartige Wirtschaftsgemeinschaft besteht, müssten zivilrechtliche Ausgleichsansprüche hingegen flächendeckend entfallen – wovon die Zivilrechtsprechung jedoch zu Recht nicht ausgeht. Ferner lässt sich die – von den Finanzgerichten offenbar zugrunde gelegte – Vorstellung von einer Wirtschaftsgemeinschaft, in die alle erworbenen Mittel der Eheleute mit dem Ziel ihrer gemeinschaftlichen Verwendung einfließen, nicht mit dem ehelichen Güterrecht in Übereinstimmung 1348 Siehe demgegenüber den beispielsweise in der Entscheidung BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 168 und von St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. B 25 hergestellten Zusammenhang. 1349 BVerfGE 61, 319, 345 f.; ganz ähnlich BVerfGE 108, 351, 365; zu den Hintergründen dieser etwas distanzierten Wortwahl näher sogleich. 1350 Siehe zudem die weiteren Ausführungen des Gerichts, in denen auf „die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe“ hingewiesen wird (BVerf GE 61, 319, 346); siehe zum Typisierungsaspekt ferner C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 3; Frye, FR 2007, 1109, 1111 f.; Lang, GS Tettinger, S. 553, 560 f.; dens., 60. DJT/II 1, O 75; dens., Bemessungsgrundlage, S. 629 ff.; Lietmeyer, DStZ 1998, 849, 851 f.; Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 17 f.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 649; K. Vogel, DStR 1977, 31, 37 f.; Walz, StVj 1993, 46, 49; vgl. auch BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 168. 1351 Im Gegenteil wird im darauf folgenden Absatz des Urteils auf das „Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanziellen Beziehungen untereinander“ hingewiesen (BVerfGE 61, 319, 347); näher zu diesem Aspekt sogleich. 1352 Vgl. oben § 9: Andernfalls scheiden Ausgleichsansprüche nach dieser Rechtsprechung nämlich unter dem Gesichtspunkt der „familienrechtlichen Überlagerung“ aus.

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bringen, wenn die Ehegatten, wie im praktischen Regelfall, im gesetzlichen Güterstand leben bzw. Gütertrennung vereinbart haben.1353 In diesem Fall bleibt ihr Vermögen nämlich in zuordnungsrechtlicher Hinsicht getrennt (§§ 1363 Abs. 2 Satz 1, 1414 BGB). Im gesetzlichen Güterstand findet lediglich ein vermögensmäßiger Ausgleich bei Beendigung des Güterstandes statt (§ 1363 Abs. 2 Satz 2 BGB),1354 der mit der Vorstellung einer gemeinschaftlichen Wirtschaftsführung während der intakten Ehe nichts zu tun hat.1355 Im Gegenteil verwalten die Ehegatten ihr Vermögen im gesetzlichen Güterstand selbständig (§ 1364 BGB).1356 Die §§ 1365 ff. BGB, die teilweise als Belege für eine engere Bindung der Vermögenssphären angeführt werden,1357 stellen lediglich punktuelle Einschränkungen dieser grundsätzlichen Trennung der Vermögenssphären dar und ha1353 Den Wesenszügen dieser Vorstellung entspricht lediglich die Gütergemeinschaft in ihrer gesetzestypischen Ausformung (vgl. insbesondere §§ 1416, 1421 Satz 2, 1450 ff. BGB); vgl. auch etwa Felix, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 82; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 93; aus den hier genannten Gründen zu weit­gehend demgegenüber Rohn, Ehepflichten, S. 119 ff. Eine hiervon zu trennen­de Frage ist, ob der Gesetzgeber für Zwecke der Ehegattenbesteuerung von Verfassungs wegen davon ausgehen darf, dass zusammen lebende Verheira­ tete – unabhängig von der Zivilrechtslage – in der Lebenswirklichkeit typi­ scherweise gemeinschaftlich wirtschaften (vgl. dazu bei und in Fn 1350 sowie ausführlich unten IV 1.). Die Auslegung des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG kann dieser Gesichtspunkt hingegen aus den im Haupttext genannten Gründen nicht leiten. 1354 Die Einzelheiten zusammenfassend Palandt/Brudermüller, BGB, Vorb. v. § 1363 Rn. 3. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass im Falle der Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten grundsätzlich keine Zugewinnausgleichsforderung entsteht, sondern sich vielmehr der gesetzliche Erbteil erhöht (§ 1371 Abs. 1 BGB). Auch sonst ist die Entstehung dieses Anspruchs mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren verbunden; näher Koch, in: MünchKomm.-BGB, § 1363 Rn. 9. 1355 Vgl. auch St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 83; nicht überzeugend daher BT-Drucks. 7/1470, S. 222 („Reflex“); BVerfG NJW 2013, 2257, 2261; BVerfGE 61, 319, 346; Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26b EStG Anm. 4 (Vermischung beider Ebenen); Liebl, DStZ 2011, 129, 131; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 118 ff. Der Begriff „Zugewinngemeinschaft“ ist irreführend (siehe nur Dethloff, 67. DJT/I, A 87; Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, S. 368). Vielmehr handelt es sich bei ihr gerade  nicht um eine „Gemeinschaft“ im Sinne der sonst im Zivilrecht üblichen Begriffs­verwendung (vgl. §§ 741 ff., 1008 ff., 1415 ff., 2032 ff. BGB), sondern um ein System der Gütertrennung – was das Gesetz in § 1363 Abs. 2 BGB auch deutlich zum Ausdruck bringt (siehe dazu Koch, in: MünchKomm.-BGB, § 1363 Rn. 6 f.). 1356 Diese Vorschrift bildet eine Konsequenz der in § 1363 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordneten Gütertrennung (vgl. Koch, in: MünchKomm.-BGB, § 1364 Rn. 2). 1357 Siehe exemplarisch BVerfG NJW 2013, 2257, 2261; BVerfGE 61, 319, 346; C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 2; Genthe, FuR 1999, 53, 53.

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ben mithin Ausnahmecharakter (vgl. wiederum § 1364 BGB), da auch der gesetzliche Güterstand auf dem Modell der Gütertrennung fußt.1358 Bei § 1357 BGB handelt es sich ebenfalls um eine derartige Sonderregelung.1359 Es ist auch nicht etwa so, dass die Vorschriften über den Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB)1360 zu dem Ergebnis führen, dass alle erworbenen Mittel für den Lebensunterhalt verwendet werden müssen und über sie eine gemeinschaftliche Disposition stattzufinden hat.1361 Dies gilt in besonderem Maße für Doppelverdienerehen1362 und gehobene Einkommen.1363 Der Unterhalt ist ohnehin nicht an eine gemeinsame Kasse zu leisten, sondern an den anderen Ehepartner.1364 Die Vorschriften des Zivilrechts setzen mithin in aller Regel keine vollumfängliche Wirtschaftsgemeinschaft zwischen zusammen lebenden Verheirateten voraus. Vor diesem Hintergrund wäre es erstaunlich und begründungsbedürftig, wenn ihnen der Zugang zu den §§ 26 ff. EStG nur für den Fall eröffnet wäre, dass sie vom gesetzlichen Leitbild bzw. von der selbst (ehevertraglich) gewählten Gestaltung in lebenstatsächlicher Hinsicht abweichen.1365 Es dürfte im Übrigen auch nicht dem Willen des 1358 Vgl. Koch, in: MünchKomm.-BGB, Einl. zu §§ 1363-1563 Rn. 20, Vor § 1363 Rn. 7, § 1363 Rn. 2, § 1365 Rn. 1, § 1369 Rn. 2; Palandt/Brudermüller, BGB, Vorb. v. § 1363 Rn 4, § 1365 Rn. 1, § 1369 Rn 1. 1359 Vgl. etwa A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1357 Rn. 2; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1364 Rn 1. Nichts anderes gilt für die Einschränkungen aufgrund von § 1353 BGB (siehe oben Fn 1342); vgl. Koch, in: MünchKomm.-BGB, § 1364 Rn. 3. 1360 Auf die Reichweite der §§ 1360, 1360a BGB wird unter IV 1 c) näher eingegangen; zum Verhältnis der unterhaltsrechtlichen Vorschriften zum ehelichen Güterrecht siehe Koch, in: MünchKomm.-BGB, Einl. zu §§ 1363-1563 Rn. 1 f. 1361 Siehe nur Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1360a Rn. 4, § 1361 Rn. 3; Staudinger/Voppel, BGB, § 1360a Rn. 5 f., 25. 1362 Vgl. etwa Palandt/Brudermüller, BGB, § 1360 Rn. 10. 1363 Siehe etwa BGH NJW 2004, 674, 676 („Soweit das Einkommen eines Ehegatten zur Bestreitung des angemessenen Familienunterhalts nicht benötigt wird, steht es ihm selbst zur Verfügung“) sowie BGH NJW 2008, 57, 60 („Allerdings wird das verfügbare Einkommen – gerade bei gehobenen Einkünften – häufig nicht in vollem Umfang für den allgemeinen Lebensunterhalt verbraucht, sondern teilweise auch der Vermögensbildung zugeführt. Solche […] Einkommensteile sind damit grundsätzlich der Unterhaltsbemessung ent­zogen“); Erman/Kroll-Ludwigs, BGB, § 1360a Rn. 6; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1360a Rn. 4; Staudinger/Voppel, BGB, § 1360a Rn 5 f., 25. 1364 Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1360 Rn. 3. Im Übrigen steht jedem Ehegatten auch dann, wenn sämtliche Mittel verbraucht werden, ein Teil von ihnen für eigene Bedürfnisse zur Verfügung (siehe zu diesem „Taschengeld­ anspruch“ etwa BGH NJW 2004, 674, 676 f.). 1365 Im Gegenteil ist die Freiheit der Ehegatten, ihre finanziellen Beziehungen untereinander zu regeln und den Güterstand zu bestimmen, prinzipiell über Art. 6

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Gesetzgebers entsprochen haben, ihnen ansonsten den Zugang zu den Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung zu versagen.1366 Darüber hinaus streitet nicht zuletzt Art. 6 Abs. 1 GG dafür, § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (wortlautgetreu!) so auszulegen, dass das eheliche Zusammenleben im Sinne einer Lebensgemeinschaft1367 (vgl. §§ 1353 Abs. 1 Satz 2, 1567 Abs. 1 BGB) ausreicht.1368 Denn aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie sie namentlich in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 zum Ausdruck kommt, „die Pflicht des Staates, die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich als eigenständig und selbstverantwortlich zu respektieren“.1369 Unter dem (abwehrrechtlichen) Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG steht insbesondere das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanziellen Beziehun-

Abs. 1 GG geschützt; siehe vorläufig Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 7; näher zu diesem Gesichtspunkt im Folgenden. 1366 Für eine derart extensive Auslegung des Tatbestandsmerkmals des nicht dauernden Getrenntlebens findet sich in den Materialien nicht der geringste Anhaltspunkt (vgl. BT-Drucks. III/260, S. 33 f.). Im Gegenteil wurde dieses, auch bereits in § 26 EStG 1951 und seinen Vorläuferregelungen enthaltene Merkmal durch die damalige finanzgerichtliche Rechtsprechung äußerst restriktiv ausgelegt (siehe die in den Entscheidungen BVerfGE 6, 55, 78 f. und BFH BStBl. III 1967, 84, 85 mitgeteilten Nachweise); näher zu den Vorstellungen der Gesetzesverfasser sogleich und unter IV. 1367 Der BFH definiert den Begriff „Lebensgemeinschaft“ in ständiger Recht­ sprechung als umfassende persönliche, geistige und räumliche Gemeinschaft der Ehegatten (siehe etwa BFH/NV 2002, 483, 484; BFH/NV 1987, 431, 433; ebenso statt vieler C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 7). Nach der hier vertretenen Auffassung hat dieser Begriff zudem eine vermögensrechtliche Komponente (vgl. oben Fn 1342). Einer daneben stehenden, umfassenden „Wirtschaftsgemeinschaft“ bedarf es hingegen aus den im Haupttext angeführten Gründen nicht. Ferner darf das Merkmal der „räumlichen Gemeinschaft“ nicht zu eng interpretiert werden. Auf die Einzelheiten wird im weiteren Verlauf der Untersuchung noch eingegangen. 1368 Vgl. auch P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 389 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 630 f.; Lietmeyer, DStZ 1998, 849, 852; das Merkmal der Wirtschaftsgemeinschaft ausdrücklich ablehnend Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 14 f. Im Übrigen ist auch bereits die Beschränkung der besonderen Vorschriften über die Ehegatten­besteuerung (§§ 26 ff. EStG) auf zusammen lebende Ehegatten rechtfertigungsbedürftig (siehe bereits oben Fn 1314 sowie S. 273). 1369 Siehe neben BVerfGE 61, 319, 346 f. z.B. BVerfGE 128, 193, 207; BVerfGE 107, 27, 53; BVerfGE 105, 1, 10 f. (zusätzlich gestützt auf Art. 3 Abs. 2 GG); BVerfGE 99, 216, 231; BVerfGE 53, 257, 296 a.E. sowie aus dem Schrifttum etwa Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 66; P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 387; C. Seiler, FR 2010, 113, 115.

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gen untereinander.1370 Hierzu muss richtigerweise auch die einvernehmlich getroffene Entscheidung zählen, grundsätzlich unabhängig voneinander über den Einsatz der erwirtschafteten Mittel zu entscheiden, wenn der Familienunterhalt gesichert ist.1371 Dem läuft die restriktive Auslegung des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG durch die bisherige steuerrechtliche Praxis zuwider, denn wenn man sie beim Wort nimmt, werden die Ehegatten dazu genötigt, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse in einer ganz bestimmten Weise zu organisieren, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, die aus der Zusammenveranlagung resultierende Steuerersparnis zu verlieren. Zudem erschiene es als unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 GG, wenn die Finanzverwaltung Ermittlungen darüber anstellen müsste, ob Ehegatten, die gemäß § 26b EStG (oder § 26a EStG!) veranlagt werden wollen, auch tatsächlich ein gemeinsames Familieneinkommen bilden und dieses gemeinschaftlich „zum Verbrauch durch die ganze Familie“1372 verteilen.1373 Nicht zuletzt deshalb dürfte sich die Praxis mit Vermutungen behelfen,1374 die den selbst gewählten Ausgangspunkt von der Notwendigkeit einer Wirtschaftsgemeinschaft in erheblichem Maße relativieren. Festgehalten werden kann mithin, dass der Aspekt der ehelichen Wirt-

1370 BVerfGE 61, 319, 347; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 7; siehe auch BVerfGE 128, 193, 207; BVerfGE 60, 329, 339; BVerfGE 53, 257, 296 f.; Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 66; Papier, NJW 2002, 2129, 2129; treffend Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 27: „Aufgrund des Abwehrcharakters muss also Gestaltungsfreiheit der Ehegatten beispiels­weise für die güterrechtlichen und finanziellen Verhältnisse bleiben […].“ 1371 Vgl. BVerfGE 103, 89, 101: „Art. 6 Abs. 1 GG gibt [den Eheleuten] das Recht, ihre jeweilige Gemeinschaft nach innen in ehelicher und familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten“ sowie Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 6 Rn. 75: „Die Freiheitsfunktion der Ehe gewährleistet den Ehegatten einen besonderen Freiraum der Lebensgestaltung. Der Staat muss aus Art. 6 Abs. 1 die Privatsphäre der Ehepartner achten. Die Rechtsordnung darf deshalb kein spezifisches Bild der Eheverhältnisse verbindlich oder drängend vorschreiben.“ 1372 Vgl. erneut BFH BStBl. II 1972, 173, 174; C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 9. 1373 In diese Richtung aber BFH/NV 1997, 139, 140 f.; BFH/NV 1987, 431, 433; Schmidt/Seeger, EStG, § 26 Rn. 12. 1374 Statt vieler BFH BStBl. II 1972, 173, 174; Schmidt/Seeger, EStG, § 26 Rn. 11: Vermutung gegen dauerndes Getrenntleben bei häuslicher Gemeinschaft; weitergehend C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 8: § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG unterstelle die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft.

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schaftsgemeinschaft nicht geeignet ist, die Auslegung der §§ 26 ff. EStG zu leiten.1375 3. Verfassungsrechtliche Relevanz Das wirft in noch stärkerem Maße die Frage auf, welche Relevanz diesem Gesichtspunkt bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Ehegattensplittings zukommen kann. Wie die auf S. 277 wörtlich zitierte Passage aus dem Urteil BVerfGE 61, 319 zeigt, führt das Bundesverfassungsgericht ihn im Rahmen einer etwas relativierenden Formulierung an,1376 die in einem gewissem Gegensatz zu der zentralen Rolle steht, die die Richter ihm ganz offensichtlich zumessen wollen. Diese Unsicherheit in der Argumentation des Gerichts hat folgenden Hintergrund: Seine Äußerung geht auf die Gesetzesmaterialien zum Steueränderungsgesetz 1958 zurück – und aus ihnen ergibt sich eindeutig, dass der Aspekt des gemeinschaftlichen Erwerbs und Verbrauchs (anders als dies vom Bundesverfassungsgericht suggeriert wird)1377 keine tragende Begründung des historischen Gesetzgebers für die Rechtfertigung des Ehegattensplittings dargestellt hat. Dieser Gesichtspunkt findet hier vielmehr in eher beschreibender, denn materiell-begründender Weise Erwähnung. In etwas distanzierter Diktion heißt es: „Im Grunde genommen werden also bei diesem Verfahren Mann und Frau wie zwei Ledige behandelt, die Erwerb und Verbrauch gemeinsam durchführen.“1378 – „Das Splittingverfahren, das unterstellt, daß die Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, entspricht in gewissem Grade dem Gedanken nicht nur der allgemeinen Gütergemeinschaft, sondern auch dem durch die neue Ehegesetzgebung für den Fall der Auflösung der Ehe maßgebenden Gedanken der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft.“ 1379

Der Grund für die auch sonst im Wesentlichen von Zweckmäßigkeits­ erwägungen geprägten Ausführungen in den Gesetzesmaterialien dürfte – neben den steuerpositivistischen Grundtendenzen der damaligen Zeit – darin zu erblicken sein, dass die Verfassungsmäßigkeit des Splittingverfahrens aufgrund der Ausführungen in der Entscheidung 1375 Vgl. auch P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 389 f.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 630 f., S. 635 f.; Lietmeyer, DStZ 1998, 849, 852; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 14 f. sowie Frye, FR 2007, 1109, 1111 a.E. („wenn die typische Wirtschaftsgemeinschaft unter Eheleuten nicht besteht“). 1376 Besonders gut zum Ausdruck kommt das in den einleitenden Worten „Es [Das Splittingverfahren] geht davon aus […]“. 1377 Siehe wiederum BVerfGE 61, 319, 345 f. 1378 BT-Drucks. III/260, S. 33. 1379 BT-Drucks. III/260, S. 34.

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BVerfGE 6, 551380 für die gesetzgebenden Körperschaften außer Frage stand,1381 so dass es nur noch darum ging, ihre rechtspolitische Sinnhaftigkeit zu begründen. Jedenfalls war der Aspekt der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft nach Auffassung der Gesetzesverfasser nicht als tragende verfassungsrechtliche Rechtfertigung gedacht – worüber die Ausführungen in dem Urteil BVerfGE 61, 319 hinwegtäuschen.1382 Mithin handelt es sich bei den hierauf gestützten Erwägungen letztlich um eine eigenständige verfassungsrechtliche Argumentation des Gerichts. In der Entscheidung BVerfGE 61, 319 ist sie fruchtbar gemacht worden, um die Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu begründen. In der Entscheidung BVerfGE 108, 351 hat der Senat sie als rechtfertigendes Element für die Besserbehandlung zusammen lebender Verheirateter vor dem Hintergrund des Schutzes der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) verwendet. Betrachtet man zunächst die zuletzt genannte denkbare Funktion des Aspekts der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft im Rahmen der verfassungsrechtlichen Argumentation, so muss zwischen zwei unterschiedlichen Ebenen getrennt werden: Soweit es darum geht, eine Sonderbehandlung Verheirateter zu legitimieren, die anderen Personenkreisen versagt bleibt, welche in Bezug auf den betroffenen Sachbereich vergleichbar sind, kommt als alleinige rechtliche Grundlage der in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgte Schutz der Ehe in Betracht. Der Gesichtspunkt der Erwerbsund Verbrauchsgemeinschaft kann in dieser Hinsicht hingegen keine Rolle spielen, denn er ist evidentermaßen ungeeignet, aus sich heraus Eheförderungsmaßnahmen zu begründen.1383 Ist mithin auf dieser Ebene Art. 6 Abs. 1 GG ausschließlicher Betrachtungsgegenstand, so wäre im vorliegenden steuerrechtlichen Kontext zu prüfen, ob diese Vorschrift eine Andersbehandlung Verheirateter trägt, und zwar entweder im Wege einer Ausfüllung des Leistungsfähigkeitsprinzips mit den durch sie 1380 Siehe insbesondere BVerfGE 6, 55, 76 f. 1381 BT-Drucks. III/260, S. 33. 1382 Auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Dritten Steuerreformgesetz, die vom BVerfG wörtlich übernommen wurde (BVerfGE 61, 319, 345 f.; inhaltlich identisch BVerfGE 108, 351, 365), bleibt diesem Stil treu: „Dieses sogenannte Splitting-Verfahren geht davon aus, daß zusammenlebende Ehe­gatten eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der jeder Ehegatte an den Einkünften und Ausgaben des anderen zur Hälfte teilhat“ (BT-Drucks. 7/1470, S. 222). 1383 Ferner würde sich das zu analysierende Gleichheitsproblem gar nicht stellen, wenn der Aspekt der Wirtschaftsgemeinschaft für den jeweiligen Lebensbereich von entscheidender Bedeutung wäre und nur in Bezug auf die betroffenen Ehegatten vorläge.

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transportierten Wertungen oder als rechtfertigendes Element für seine Durchbrechung.1384 Weil Art. 6 Abs. 1 GG allerdings nicht an ein Zusammenleben der Ehegatten, sondern ausschließlich an die Existenz einer Ehe anknüpft1385 (und nach den herrschenden Anschauungen darüber hinaus auch die Folgewirkungen einer geschiedenen Ehe erfasst),1386 bedarf die Reservierung des Splittingvorteils für nicht dauernd getrennt lebende Eheleute einer anderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, die mithin auf einer weiteren, der Prüfung des Art. 6 Abs. 1 GG gegebenenfalls nachgelagerten Ebene stattzufinden hätte. Nur hier könnte der Aspekt der Erwerbsund Verbrauchsgemeinschaft Bedeutung erlangen1387 – und genau diese Prüfung hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 108, 351 vorgenommen.1388 Auf diesen Fragenkreis kann allerdings erst dann eingegangen werden, wenn feststeht, dass die in der Entscheidung BVerfGE 108, 351 offenbar zugrunde gelegte Prämisse richtig ist, wonach das Ehegattensplitting eine gesetzgeberische Konkretisierung des Schutzes der Ehe darstellt. Davon könnte jedoch keine Rede sein, wenn sich das Splittingverfahren bereits aus sich heraus, d.h. ohne Rückgriff auf Art. 6 Abs. 1 GG, als Ausfluss einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung erwiese, die nur für 1384 Vgl. den Ausgangspunkt der Prüfung auf S. 272 f. 1385 Treffend BVerfGE 66, 84, 93: „Art. 6 Abs. 1 GG enthält eine Grundsatznorm für den gesamten Bereich des die Ehe betreffenden privaten und öffentlichen Rechts. Dabei ist davon auszugehen, daß jede Ehe vor der Rechtsordnung gleichen Rang hat. Verfassungsrechtlich folgt dies daraus, daß Art. 6 Abs. 1 GG unterschiedslos eine jede Ehe unter den Schutz der staatlichen Gemeinschaft stellt […]“; siehe auch bereits BVerfGE 9, 237, 242 f.; a.A. – zu Unrecht (vgl. Doehlert, DStR 1974, 208, 211) – BFH BStBl. II 1970, 739, 740; BFH BStBl. III 1960, 103, 104 f.; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32a Rn. A 51 a.E.; zum verfassungsrechtlichen Ehebegriff grundlegend BVerfGE 10, 59, 66: „Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft“; siehe aus der Folgezeit z.B. BVerfGE 49, 286, 300; BVerfGE 53, 224, 245; BVerfGE 62, 323, 330; BVerfGE 105, 313, 345, wo sich teilweise etwas abweichende Formulierungen finden, die jedoch den Kern der Definition unangetastet lassen (vgl. dazu v. Coelln, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 4 mit Nachweisen). 1386 So BVerfGE 128, 193, 207 f.; BVerfGE 108, 351, 364; BVerfGE 105, 1, 12; BVerf GE 66, 84, 93; BVerfGE 53, 224, 250; Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 71; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 6. 1387 Vgl. BVerfGE 108, 351, 365 sowie auch BVerfG HFR 1989, 442, 442; BVerfG NJW 1988, 127, 127; C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 7; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. B 20 mit B 25 ff.; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32a Rn. A 51. 1388 Vgl. BVerfGE 108, 351, 365.

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zusammen lebende Ehegatten angezeigt ist. In diesem Fall erhielten sie nämlich keine besondere Förderung, sondern lediglich diejenige steuerliche Behandlung, die ihnen bereits mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz gebührte. Der Gesichtspunkt der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft hätte nach dieser Lösung mithin eine andere Funktion: Seine Aufgabe wäre es, plausibel zu machen, warum das Splittingverfahren nur für zusammen lebende Verheiratete leistungsfähigkeitsgerecht ist. Ließe sich das begründen, bedürfte die Reservierung des Splittingvorteils für diesen Personenkreis keiner weiteren Rechtfertigung. Dies würde auch gegenüber dauernd getrennt lebenden (und geschiedenen) Ehegatten gelten, obwohl sie ebenfalls den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG genießen. Denn eine Verschiedenbehandlung von Ehetypen ist gerechtfertigt, wenn sich hierfür hinreichende sachliche Gründe finden lassen,1389 wozu richtigerweise auch eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zählt, da sie in sachangemessener Weise an die Unterschiede anknüpft, die in der Lebenswirklichkeit zwischen diesen Ehearten bestehen.1390 Sind verschiedene Ausprägungen der Ehe bzw. Familie betroffen, bildet mithin Art. 3 Abs. 1 GG den primären Prüfungsmaßstab.1391 Daher wird sogleich unter IV. geprüft, ob der in dem Urteil BVerfGE 61, 319 zum Ausdruck kommende Ansatz zutrifft, wonach das Ehegattensplitting (nur) für zusammen lebende Verheiratete mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Übereinstimmung steht. Sollte das Leistungsfähigkeitsprinzip hingegen nicht bereits aus sich heraus eine genügende Rechtfertigung darstellen, müsste geprüft werden, ob und inwieweit Art. 6 Abs. 1 GG in dieser Hinsicht Bedeutung zukommt. Denn wie bereits angesprochen wurde, ist es methodisch ohne weiteres möglich, den Aussagegehalt des Leistungsfähigkeitsprinzips mit Wertungen aus Art. 6

1389 Vgl. wiederum BVerfGE 108, 351, 364 sowie BVerfGE 117, 316, 325 ff. (zur Familie); BVerfGE 87, 234, 258; BVerfGE 66, 84, 95; BVerfGE 55, 114, 128 ff.; BVerf GE 45, 104, 126. 1390 Dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in diesem Zusammenhang ein zulässiges Differenzierungskriterium darstellt, wird auch daran deutlich, dass die ansonsten vorzunehmende Gleichbehandlung ihrerseits vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG Rechtfertigungsbedarf auslösen würde. 1391 Vgl. BVerfGE 117, 316, 325 ff. (329); BVerfGE 87, 234, 256 ff.; BVerfGE 55, 114, 126 und 128 ff.; BVerfGE 45, 104, 125 f. (Art. 6 Abs. 1 GG biete „keinen Maßstab“); BVerfGE 43, 108, 118 f.; BVerfGE 9, 237, 242 f.; zusammenfassend Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 301; Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513, 566; Kingreen, Jura 1997, 401, 406; siehe auch Vollmer, Ehegattensplitting, S. 179.

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Abs. 1 GG auszufüllen.1392 Wegen des soeben hergestellten Zusammenhangs mit den historischen Gesetzesmaterialien sei jedoch zuvor noch kurz darauf eingegangen, ob sich dort andere Legitimationsgründe für das Ehegattensplitting finden, die in verfassungsrechtlicher Hinsicht weiterführend sind.

III. Andere in den Gesetzesmaterialien genannte Gründe für das Ehegattensplitting Der Aspekt der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft hat mithin keine tragende Begründung des historischen Gesetzgebers zur Legitimation des Splittingverfahrens dargestellt. Auch sonst fällt der historische Befund in dieser Hinsicht ernüchternd aus. In den Materialien findet sich zwar noch der knappe Hinweis auf „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“,1393 dessen verfassungsrechtliche Tragfähigkeit jedoch zweifelhaft erscheint1394 und dessen breite Betonung in dem Urteil BVerfGE 61, 3191395 etwas erstaunt, zumal das Kriterium der „partnerschaftlichen Entscheidung über die Aufgabenverteilung“, das der Senat hieraus ableiten will,1396 eine deutlich andere Färbung aufweist. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass dieser Aspekt in der Entscheidung BVerfGE 108, 351 nicht wieder aufgenommen worden ist.1397 Auf das Kriterium der partnerschaftlichen Aufgabenentscheidung wird im weiteren Verlauf dieser Untersuchung zurückzukommen sein. Daneben findet sich in den Materialien noch der Hinweis auf die (nahe liegenden) Manipulationsmöglichkeiten insbesondere besser gestellter 1392 Zu den Hintergründen siehe erneut oben S. 122 ff. mit Nachweisen. 1393 BT-Drucks. III/260, S. 34. In späterer Zeit heißt es moderner: „Gleichwertigkeit der Arbeit von Mann und Frau“ (BT-Drucks. 7/1470, S. 222). 1394 Insbesondere entnimmt das BVerfG Art. 3 Abs. 2 GG ein Verbot, „überkommene Rollenverteilungen zum Nachteil von Frauen“ festzuschreiben (BVerfGE 87, 234, 258 a.E.; BVerfGE 87, 1, 42); siehe in diesem Zusammenhang auch Mennel, 50. DJT/I, D 174 ff. (179 f.); Sacksofsky, NJW 2000, 1896, 1898 ff.; Vollmer, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 37, 46 und 48; dies., Ehegattensplitting, S. 207 f. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Splittingverfahren auch von kinderlosen Ehepaaren in Anspruch genommen werden kann (Mennel, aaO, D 177; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 641). 1395 BVerfGE 61, 319, 346 f.; vgl. neuestens auch BFH/NV 2012, 1144, 1146. 1396 BVerfGE 61, 319, 347 (bei Fn 1295 wörtlich zitiert); vgl. dazu S. 280 f. sowie unten IV 1. 1397 Er findet auch etwa in BVerfG HFR 1989, 442, 442 und BVerfG NJW 1988, 127, 127 keine Erwähnung.

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Eheleute,1398 der auch in dem Urteil BVerfGE 61, 319 angeführt wird.1399 Hierbei handelt es sich jedoch um ein allgemeines Phänomen, das auch andere Nähebeziehungen betrifft und deshalb ohnehin übergreifender Lösungsansätze bedarf.1400 Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Worte des Ersten Senats aus dem Jahre 1964: „Ebensowenig kann die – übrigens wohl überschätzte – Gefahr von Steuerumgehungen (durch zivilrechtliche Übertragung von Einkünften der Eltern auf die Kinder) die Feststellung der Verfassungswidrigkeit hindern. Zur Bekämpfung von Mißbräuchen gibt das Steuerrecht ausreichende Handhaben […].“1401 Zu berücksichtigen ist ferner, dass auch bei einem Abgehen vom Ehegattensplitting zumindest die ehelichen Unterhaltspflichten angemessen abgebildet werden müssten,1402 was die Gefahr missbräuchlicher Gestaltungen verringert.1403 Jedenfalls kann das Argument, dass sich manche Ehepaare ungerechtfertigte Steuervorteile verschaffen können, isoliert betrachtet keine Rechtfertigung dafür bilden, alle zusammen lebenden Verheirateten besser zu stellen als sonstige Steuerpflichtige.1404 Hiermit ist zugleich die Frage aufgeworfen, ob es sonstige Sachargumente gibt, die eine besondere Behandlung zusammen lebender Ehegatten zu rechtfertigen vermögen. Das wird im Folgenden am Maßstab des Leistungsfähigkeitsprinzips untersucht.

IV. Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit des Ehegattensplittings 1. Ausschließliche Betrachtung von Ehepaaren a) Ausgangspunkt Die Frage, ob das Ehegattensplitting (nur) für zusammen lebende Ehepaare mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Einklang steht, ist vielschichtig 1398 BT-Drucks. III/260, S. 33; BT-Drucks. 7/1470, S. 222. 1399 BVerfGE 61, 319, 347 f.; siehe aus dem Schrifttum auch St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 340a; Birk, FR 2012, 1029, 1031; Jachmann, BB 2008, 591, 591 a.E.; Lietmeyer, DStZ 1998, 849, 851 ff.; Löhr/Serwe, Ehegattensplitting, S. 30; K. Vogel, StuW 1999, 201, 215 ff. 1400 Im gleichen Sinne Kanzler, DStJG 24 (2001), 417, 439 a.E.; Sacksofsky, NJW 2000, 1896, 1903 Fn 81; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 211 f. 1401 BVerfGE 18, 97, 110 f.; im gleichen Sinne auch bereits BVerfGE 13, 290, 315 ff.; BVerfGE 9, 237, 243 ff. 1402 Dazu ausführlich sogleich unter IV. 1403 Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 165. Dass diese Gefahr überschätzt sein dürfte, zeigt auch die rechtsvergleichende Analyse bei Tipke, StRO I, S. 384 1404 Vgl. auch Kanzler, DStJG 24 (2001), 417, 439; C. Maurer, Anforderungen, S. 138; Mennel, 50. DJT/I, D 177 („unlogisch“); Vollmer, Ehegattensplitting, S. 212 f.

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und erfordert eine Untersuchung mehrerer Ebenen bzw. Vergleichspaare. In einem ersten Schritt sollen zunächst verheiratete Paare betrachtet werden. Anschließend (unter 2.) wird auf den Vergleich zusammen lebender Ehegatten mit nicht ehelichen Lebensgemeinschaften eingegangen. In Bezug auf Verheiratete differenziert das Gesetz im Kern danach, ob sie dauernd getrennt leben oder nicht, und eröffnet die Möglichkeit einer Zusammenveranlagung mit Splittingtarif nur dann, wenn dies nicht der Fall ist (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG).1405 Ansonsten werden sie ohne Wahlmöglichkeit einzeln nach dem Grundtarif veranlagt (vgl. §§ 25 Abs. 1, 32a Abs. 1 EStG). In diesem Fall kommt lediglich ein (höhenmäßig begrenztes) Realsplitting für tatsächlich erbrachte1406 Unterhaltsleis­ tungen mit korrespondierender Besteuerung beim Empfänger (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1a EStG) oder ein Abzug nach § 33a Abs. 1 EStG1407 in Betracht. Aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips stellen sich im Kern zwei Fragen: Erstens ist zu klären, ob der Splittingtarif die Verhältnisse zusammen lebender Verheirateter in absoluter Hinsicht richtig bzw. vertretbar widerspiegelt.1408 Zweitens muss geprüft werden, ob die im Gesetz vorgenommene Differenzierung zwischen zusammen lebenden und dauernd getrennt lebenden Ehegatten leistungsfähigkeitsgerecht ist, d.h. die relativen Grenzen des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht überschritten sind.1409 Beide Aspekte sind eng miteinander verknüpft – was es rechtfertigt, sie im Folgenden zusammen zu untersuchen. Den Ausgangspunkt dieser Prüfung soll die unterschiedliche steuerliche Behandlung zusammen lebender und dauernd getrennt lebender Ehegatten bilden. Mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip wäre sie nur dann vereinbar, wenn bei zusammen lebenden Ehegatten davon ausgegangen werden kann, dass ihre Leis­tungsfähigkeit geringer ist als diejenige getrennt lebender Verheirateter mit in der Summe gleich hohen Einkommen, denn die Anwendung 1405 Die (Sonder-)Situation, dass die Anwendung der besonderen Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung an der fehlenden unbeschränkten Steuerpflicht scheitert, kann hier vernachlässigt werden; vgl. dazu BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 167 ff. 1406 Vgl. zu diesem Erfordernis Schmidt/Heinicke, EStG, § 10 Rn. 55; siehe auch BVerfG HFR 1988, 35, 36. 1407 Siehe nur BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 169; näher zu dieser Wahlmöglichkeit P. Fischer, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 10 Rn. 8. 1408 Ausführlich zu der Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit bzw. -widrigkeit, an die an dieser Stelle angeknüpft wird, oben § 5 F. (S. 134 ff.). 1409 Auf das (hier nicht im Schwerpunkt behandelte) Vergleichspaar Einver­dienerehe/ Doppelverdienerehe wird im Folgenden inzident eingegangen.

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des Splittingtarifs führt in aller Regel zu einer geringeren steuerlichen Gesamtbelastung als über das Realsplitting1410 bzw. aufgrund von § 33a Abs. 1 EStG1411 eintreten würde.1412 Bei unbefangener Betrachtung scheint das nicht ohne weiteres auf der Hand zu liegen. Im Gegenteil fallen die Gesamtausgaben zusammen lebender Personen aufgrund des gemeinsamen Haushalts tendenziell geringer aus.1413 Dieser – auch von Teilen des Schrifttums1414 angeführte – Gesichtspunkt sollte jedoch nicht zu stark gewichtet werden, denn das Einkommensteuerrecht fragt auch sonst nicht danach, ob sich aus den individuellen Wohn- und Wirtschaftsverhältnissen des Steuerpflichtigen Einsparpotential ergibt.1415 Würde man Ehepaare deshalb höher besteuern, weil sie zusammen leben, diskriminierte man sie im Verhältnis zu 1410 Näher Vollmer, Ehegattensplitting, S. 42 f.; vgl. auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. C 9 (Realsplitting als „teilweiser Ausgleich“ für den Wegfall des Splittingtarifs; „Annäherung“); im gleichen Sinne BT-Drucks. 8/2100, S. 60; BFH/NV 1995, 776, 777. 1411 Vgl. BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 168 unter Hinweis auf Lang, Bemessungs­ grundlage, S. 565: „Diese im Einkommensteuerrecht weitestgehende Berück­ sichtigung der Einkünfteverteilung zwischen Angehörigen konsumiert den allgemeinen Unterhaltsabzug gemäß § 33a Abs. 1.“ 1412 Für die hier vorzunehmende Betrachtung wird davon ausgegangen, dass die Ehegatten die für sie steuerlich vorteilhafteste Wahl treffen, d.h. im Falle eines Zusammenlebens grundsätzlich für die Zusammenveranlagung votieren. Denn dies geschieht in der Lebenswirklichkeit in den allermeisten Fällen, und zwar unabhängig von darauf gerichteten zivilrechtlichen Ansprüchen (siehe zu ihnen vorläufig die Nachweise in § 9); im gleichen Sinne BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 168. Dies ändert aber nichts daran, dass die fehlende Abzugsfähigkeit tatsächlich erbrachter Unterhaltsleistungen im Falle der Einzelveranlagung (vgl. BFH aaO) vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips überaus problematisch ist, zumal die Zusammenveranlagung nicht in jedem Fall wirtschaftlich vorteilhaft ist (vgl. Fn 1244; siehe demgegenüber aber BVerfG INF 1993, 524, 524 f.; PfeiferEngel­bach, Veranlagung, S. 37). Auch ist der Hinweis auf ein aus § 26a Abs. 2 EStG angeblich folgendes „Prinzip der Verbrauchsgemeinschaft“ (vgl. neben BFH aaO die Nachweise in Fn 1345) jedenfalls nach heutiger Gesetzeslage nicht mehr tragfähig (siehe erneut oben Fn 1345). 1413 Vgl. BVerfGE 125, 175, 230 f.; BGH FamRZ 2004, 792, 793; BGH NJW 2003, 3770, 3771; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 8 sowie auch die in dem Beschluss BVerfGE 6, 55, 59 f. wiedergegebene Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen. 1414 Vgl. Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26b EStG Anm. 7; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32a Rn. C 13; Deusch, Besteuerung, S. 24 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 848; Sacksofsky, NJW 2000, 1896, 1903; K. Vogel, DStR 1977, 31, 38. 1415 Vgl. BVerfGE 6, 55, 77 („systemfremd“); Homburg, StuW 2000, 261, 266; Richter/Steinmüller, FR 2002, 812, 816; Stöcker, BB 1999, 234, 237; Tipke, StRO I, S. 385 f.; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 80.

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sonstigen gemeinsam wirtschaftenden Personen – und genau deshalb hat das Bundesverfassungsgericht § 26 EStG 1951 für verfassungswidrig erklärt.1416 Solange also das Steuerrecht den Aspekt der Haushaltsersparnis (aus guten Gründen)1417 ganz generell ausblendet, kann ihm auch im vorliegenden Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zukommen. b) Problemkern Dass die Besserbehandlung zusammen lebender Ehegatten mit dem Leis­ tungsfähigkeitsprinzip in Übereinstimmung steht, wie dies vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 vertreten worden ist, wird auch von zahlreichen anderen Stimmen als zumindest im Grundsatz zutreffend angesehen.1418 Als zentrales Argument dafür, dass das Splittingverfahren mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar ist (und offenbar sogar von ihm geboten sein soll), hat das Gericht, wie bereits dargelegt, den Aspekt der „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“ angeführt: Der Ausgangspunkt des Splittingverfahrens, wonach „ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat“, entspreche der „wirtschaftlichen Realität der intakten Durchschnittsehe“, „in der ein Transfer steuerlicher Leistungs1416 BVerfGE 6, 55, 67, 77 f.; vgl. auch BVerfGE 18, 97, 104 ff. (107 f.); im gleichen Sinne Blümich/Ettlich, § 26 EStG Rz. 17; C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26b Rn. 9; R. Wendt, FS Tipke, S. 47, 66; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 80. 1417 Die Finanzverwaltung müsste ansonsten Ermittlungen im Privatbereich durchführen – was erhebliche praktische Schwierigkeiten bereiten würden und verfassungsrechtlich nicht unbedenklich ist (vgl. BVerfGE 126, 268, 282; BVerfGE 101, 297, 311 sowie – grundsätzlich ablehnend – P. Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, Einleitung Rn. 36 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Datenschutz). Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass das BVerfG die Zulässigkeit einer Haushaltsbesteuerung in der Entscheidung BVerfGE 6, 55, 67 bejaht hat. Auch darf der Gesetzgeber den Aspekt der Haushaltsersparnis jedenfalls im Sozialrecht berücksichtigen (siehe etwa BVerfGE 125, 175, 230 f.; BVerfGE 87, 234, 256 a.E.; BVerfGE 75, 382, 394). Bei der Unterhaltsbemessung erlangt er ebenfalls Bedeutung (Nachweise in Fn 1413). 1418 C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 1 ff., § 26b Rn. 1; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 201 ff. (A 205); P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 387 ff.; Lietmeyer, DStZ 1998, 849, 851 ff.; Mellinghoff, Stbg 1999, 60, 61; C. Seiler, FR 2010, 113, 115 f.; siehe auch BFH/NV 2005, 46, 46 f.; BFH BSt Bl. II 1970, 739, 740; BFH BStBl. III 1965, 616, 616 f.; Schmidt/Seeger, EStG, § 26 Rn. 1a; Isensee, 57. DJT/II, N 56 ff.; P. Kirchhof, NJW 2000, 2792, 2793 f.; dens., 57. DJT/I, F 69 ff.; Lingemann, Familienbesteuerung, S. 170; Papier, DStR 2007, 973, 977 f.; dens., NJW 2002, 2129, 2130 f.; C. Seiler, 66. DJT/I, F 44; Stöcker, BB 1999, 234, 237 ff.; Tipke, StRO I, S. 377 ff.; K. Vogel, StuW 1999, 201, 201 ff.; R. Wendt, FS Tipke, S. 47, 63 ff.; a.A. Doehlert, DStR 1974, 208, 211 f. und wohl auch Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32a Rn. C 11 ff. (im Gegensatz zu Rn. A 51).

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fähigkeit“ stattfinde.1419 Diese Argumentation läuft darauf hinaus, den Grundsatz der Individualbesteuerung1420 punktuell zu modifizieren,1421 um leistungsfähigkeitskonforme Ergebnisse zu erhalten. Ein derartiges Vorgehen ist methodisch ohne weiteres zulässig.1422 Zu fragen ist allerdings, ob es hier tatsächlich vom Leistungsfähigkeitsprinzip, gegebenenfalls in Zusammenschau mit Art. 6 Abs. 1 GG, getragen wird – was im Folgenden untersucht werden soll. Anknüpfend an die Ausführungen unter II. kann zunächst festgehalten werden, dass es sich bei dieser Vorstellung von einer vollumfänglichen Wirtschaftsgemeinschaft unter zusammen lebenden Ehegatten zu weiten Teilen eher um eine lebenstatsächliche Beobachtung als um die zutreffende Abbildung der (zivilrechtlich geprägten) Rechtslage handelt.1423 Eine derartige Anknüpfung an das wirtschaftliche „Ist“ wäre zwar für sich genommen unschädlich.1424 Jedoch wirft dieses Vorgehen zwei Probleme auf: Erstens stellt sich die Frage nach der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers in diesem Bereich. Fraglich ist nämlich, ob der Umstand, 1419 BVerfGE 61, 319, 345 f. 1420 Er ist für den Gesetzgeber ohnehin nur insoweit bedeutsam, wie im Falle einer Abweichung relativ leistungsfähigkeitswidrige Ergebnisse entstehen (vgl. Fn 1328). 1421 Vgl. zu den Hintergründen Lang, Bemessungsgrundlage, S. 620 ff.; weitere Nach­ weise in Fn 1246. 1422 Näher Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. A 91 f.; C. Seiler, FR 2010, 113, 114 f.; ders., in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 11 f. Insbesondere ließen sich hiergegen keinerlei Systemgerechtigkeitser­ wägungen anführen, wenn dadurch leistungsfähigkeitsgerechte, d.h. gleich­ heitskonforme Ergebnisse entstünden (siehe wiederum oben bei Fn 1328 sowie Fn 1420). 1423 Vgl. zu dem lebenstatsächlichen Element, das dieser Vorstellung zugrunde liegt, auch Lang, GS Tettinger, S. 553, 560 f.; dens., Bemessungsgrundlage, S. 629 f. und S. 641 („rechtstatsächliches Element der intakten Gemeinschaft“); Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 645 („(rein) wirtschaftliche Betrachtungsweise“); Spangenberg, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 55, 59 f.; Tipke, StRO I, S. 378 (wirtschaftliche Anknüpfung); K. Vogel, StuW 1999, 201, 203 (An­knüpfung an die Lebenswirklichkeit). 1424 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 2; allgemein zur Bedeutung des wirtschaftlichen „Ist“ im Steuerrecht Verf., JJZ 2011, 69, 69 ff. mit umfänglichen Nachweisen. Der – verfassungs­ rechtlich ohnehin nur sehr begrenzt relevante (ausführlich oben § 4) – Gesichtspunkt der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist hier schon deshalb nicht berührt, weil die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte von Zivil- und Steuerrecht keinerlei Beeinträchtigungen der Zielsetzungen der jeweils anderen Teilrechtsordnung befürchten lassen (näher zur Kategorie des Wertungswiderspruchs oben S. 65 ff.); vgl. auch Felix, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 73 ff., 86 ff.

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dass es in der Lebenswirklichkeit ohne Zweifel zahlreiche Ehen gibt, die in der oben beschriebenen bzw. einer dem nahe kommenden Form wirtschaften, den Gesetzgeber dazu berechtigt, typisierend1425 sämtliche zusammen lebende Verheiratete zu begünstigen, für die sich der Splittingtarif wirtschaftlich vorteilhaft auswirkt.1426 Denn für diejenigen Ehepaare, die nicht in derartiger Weise „aus einem Topf“ wirtschaften,1427 sondern ihre Einkünfte und ihr Vermögen (entsprechend dem gewählten Güterstand) im Wesentlichen getrennt halten, wirkt sich der Splittingtarif jedenfalls dann wie eine Subvention aus,1428 wenn ein entsprechender, umfänglicher Mitteltransfer nicht über Unterhaltsleistungen herbeigeführt wird. Eine derartige Situation kann besonders dort eintreten, wo der angemessene Lebensunterhalt (vgl. §§ 1360 Satz 1, 1360a Abs. 1 BGB) auch ohne den vollständigen Einsatz der vorhandenen Mittel gesichert ist, wie

1425 Vgl. zur typisierenden Wirkung des Splittingverfahrens auch die Nachweise in Fn 1350. 1426 Wie unter II 2. gezeigt, reicht es für die Anwendbarkeit der §§ 26 ff. EStG aus, dass eine Lebensgemeinschaft besteht (siehe dazu S. 280). Der Splittingtarif wirkt sich immer dann positiv aus, wenn der Grenzsteuersatz der Ehegatten unterschiedlich ist (näher dazu unten c)) und keine weiteren Besonderheiten zu berücksichtigen ist (vgl. Fn 1244). 1427 Bezug genommen wird hier auf die mehrfach vom BVerfG verwendete Formulierung des Wirtschaftens „aus einem Topf“, die das Gericht namentlich im sozialrechtlichen Bereich häufig bemüht hat (erstmalig BVerfGE 9, 20, 29 ff.). So heißt es etwa in der Entscheidung BVerfGE 91, 389, 402: „Grundsätzlich ist nicht zu beanstanden, daß bei der Ermittlung des Bedarfs, welcher der Bemessung von Sozialleistungen zugrundegelegt wird, Einkommen und Vermögen des Ehegatten – unter Zubilligung ausreichender Freibeträge – bedarfsmindernd berücksichtigt werden […]. Dies ist deswegen sachgerecht, weil Eheleute gemäß §§ 1360, 1360a, 1360b BGB einer gesteigerten bürger­lichrechtlichen Unterhaltspflicht unterliegen und gewöhnlich in einer Hausgemeinschaft ‘aus einem Topf’ wirtschaften.“ Im gleichen Sinne BVerfGE 82, 60, 82 a.E.; mit Blick auf den Aspekt der Haushaltsersparnis (vgl. Fn 1417) siehe einerseits BVerfGE 125, 175, 230 f.; BVerfGE 87, 234, 256 (ff.); BVerfGE 75, 382, 394 (zum Sozialrecht) und andererseits BVerf GE 18, 97, 107 f. (zum Steuerrecht). Problematisch wird die Vorstellung von der gemeinsamen „Topfwirtschaft“ besonders dort, wo sich der Gesetzgeber im Sozialrecht über das Fehlen zivilrechtlicher Unterhaltspflichten hinwegsetzt; dies legitimierend jedoch BVerfGE 9, 20, 29 ff.; einschränkend allerdings BVerf GE 87, 234, 264 f. (dazu unten 2 b)). 1428 Siehe insoweit auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 164 Fn 4 („nicht gerechtfertigt“); Lietmeyer, DStZ 1998, 849, 852 („zu günstige Besteuerung“); K. Vogel, DStR 1977, 31, 37 f. („nicht angemessen“). M.E. kann in solchen Situationen durchaus von „Subvention“ gesprochen werden (vgl. demgegenüber K. Vogel, StuW 1999, 201, 201 ff. (204)), denn es geht bei dieser Feststellung nicht um eine Bewertung des Ehegattensplittings insgesamt, sondern um seine Auswirkungen in Fällen, in denen sich die dem Splittingverfahren typisierend zugrunde liegende Vorstellung von einer umfänglichen Mittelteilhabe nicht realisiert.

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dies insbesondere bei gehobenen Einkommen und in Doppelverdienerehen häufiger vorkommt.1429 Hiermit eng zusammen hängt – zweitens – die grundsätzlichere Frage, ob Mittelabflüsse, die in Vollzug eines gemeinsamen Wirtschaftens freiwillig erfolgen, weil sie unterhaltsrechtlich nicht geschuldet sind, überhaupt als Minderungen einkommensteuerlicher Leistungsfähigkeit angesehen werden können. Das ist deshalb nicht zweifelsfrei, weil das Einkommensteuerrecht derartige Zuwendungen ansonsten in aller Regel als unbeachtlich ansieht.1430 Auch das subjektive Nettoprinzip gebietet lediglich die realitätsgerechte Berücksichtigung zwangsläufiger familiärer Unterhaltsverpflichtungen.1431 Den beiden genannten Problembereichen würde allerdings eine erheblich geringere Relevanz zukommen, wenn das Splittingverfahren – wie vielfach behauptet wird1432 – lediglich auf eine Typisierung von Unterhaltsaufwendungen hinauslaufen würde. Es ist daher zunächst zu untersuchen, ob diese Einschätzung zutrifft. c) Typisierung von Unterhaltsaufwand? Im neueren Schrifttum finden sich mehrere Autoren, die der Auffassung sind, dass das Ehegattensplitting als Typisierung der gemäß §§ 1360, 1360a BGB geschuldeten Unterhaltsleistungen verstanden werden kann – woraus folge, dass es ohne weiteres leistungsfähigkeitsgerecht sei.1433 Diese Autoren berufen sich auf die Leitlinien der Oberlandesgerichte zum Trennungsunterhalt (insbesondere Düsseldorfer Tabelle zu § 1361 BGB), für dessen Bemessung grundsätzlich die Hälfte des Gesamteinkommens zum Ausgangspunkt gemacht werde (so genannter Halbteilungsgrundsatz).1434 Dieser Gedanke sei auf den Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) übertragbar, da der Unterhaltsanspruch des in ehelicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten ebenso hoch sei wie der ei1429 Zu solchen Situationen siehe die Nachweise in Fn 1362 und Fn 1363 sowie die Ausführungen unter c). 1430 Einzelheiten unter d). Auf den Ausnahmetatbestand des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG wird ebenfalls noch eingegangen (unter 2 b)). 1431 Nachweise oben S. 141. Auf die umstrittenen Einzelheiten wird sogleich zurückzukommen sein. 1432 Nachweise sogleich unter c). 1433 Seer, FS Kruse, S. 357, 366 ff.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 651 ff. (655, 657); siehe auch Felix, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 83 f.; Jachmann, BB 2008, 591, 591; Lang, GS Tettinger, S. 553, 562; Liebl, DStZ 2011, 129, 131; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 123 f.; K. Vogel, StuW 1999, 201, 224. 1434 Seer, FS Kruse, S. 357, 368 f.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 652 f.; siehe auch Felix, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 83 f.; Jachmann, BB 2008, 591, 591; K. Vogel, StuW 1999, 201, 224.

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nes getrennt lebenden.1435 Eine individuelle Betrachtung werde von der Praxis lediglich bei sehr hohen Einkommen vorgenommen – was aber mit Blick auf den Typisierungsspielraum des Steuergesetzgebers vernachlässigt werden könne.1436 Die hiervon betroffenen Sachverhalte lägen nach derzeitiger Rechtslage ohnehin außerhalb des hauptsächlichen Wirkbereichs des Splittings.1437 Diese Argumentation überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Zunächst ist zu betonen, dass der Gesetzgeber das Ehegattensplitting weder als Unterhaltsabzugsregelung konzipiert, noch es als solche begründet hat.1438 Vielmehr beruht es auf der Idee der (Wirtschafts-)Gemeinschaft der Ehegatten,1439 während eine Unterhaltslösung auf dem Modell einer individuellen Betrachtung fußt.1440 Dementsprechend knüpft das Ehegattensplitting – im Gegensatz namentlich zu den §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 33a Abs. 1 EStG – nicht etwa an erbrachte Unterhaltsleistungen an, sondern greift im Gegenteil sogar unabhängig von darauf gerichteten Pflichten ein.1441 Sein Bezugspunkt ist mithin ein lebenstatsächlicher, nicht aber ein (unterhalts-)rechtlicher.1442 Dass die Anwendung des Splittingtarifs im praktischen Ergebnis auch zu einer (Mit-)Abbildung der jeweiligen Unterhaltspflichten führt, soweit sie in Geld messbar sind,1443 ist lediglich Reflex dieser „im Einkommensteuerrecht weitestgehende[n] Berücksich-

1435 Seer, FS Kruse, S. 357, 367 f.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 652. 1436 Seer, FS Kruse, S. 357, 370 f.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 653 ff. (657); siehe auch Lang, GS Tettinger, S. 553, 562. 1437 Vgl. Lang, GS Tettinger, S. 553, 562 sowie auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 165. 1438 Siehe insoweit auch K. Vogel, StuW 1999, 201, 206. 1439 Siehe die entsprechende, auf S. 282 wörtlich zitierte Passage aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. III/260, S. 33 f.); insoweit zutreffend BFH BStBl. II 1979, 660, 663; vgl. auch BVerfGE 61, 319, 348: „Zwischen Allein­erziehenden und ihren Kindern besteht [anders als bei zusammen lebenden Ehegatten] weder wirtschaftlich noch familienrechtlich eine Gemeinschaft des Erwerbs, die zu einer anteiligen Teilhabe am Familieneinkommen führt, sondern ein Unterhaltsverhältnis.“ 1440 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 564 f.; C. Seiler, 66. DJT/I, F 34 f. Diese materielle Qualifikation gilt unabhängig von den Einzelheiten der rechts­ technischen Einkleidung (treffend C. Seiler, aaO, F 34); zu ihr oben Fn 1246. 1441 Vgl. BGH NJW 2010, 2515, 2517; BGHZ 178, 79, 89. 1442 Vgl. C. Seiler, FR 2010, 113, 115 und 118: Das Eheleben sei am Gemeinschaftsgedanken, nicht aber an intersubjektiven Ansprüchen ausgerichtet. Wirtschaftlich betrachtet hätten die Unterhaltslasten allenfalls latenten Charakter; zur lebens­ tatsächlichen Anknüpfung des Ehegatten­splittings siehe erneut die Nachweise in Fn 1423. 1443 Zu den Besonderheiten des Familienunterhalts näher sogleich.

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tigung der Einkünfteverteilung zwischen Angehörigen“,1444 nicht aber deren Ziel. Das Ehegattensplitting ist mithin sowohl von der hinter ihm stehenden gedanklichen Grundlage als auch von seiner gesetzlichen Konstruktion her etwas qualitativ anderes als eine Unterhaltsabzugsregelung. Hinzu kommt, dass sich die vollumfängliche ehegattenübergreifende Verlustverrechnung, die über die Zusammenveranlagung ermöglicht wird,1445 nicht auf den Unterhaltsaspekt stützen lässt.1446 Auch wenn man die Betrachtungen auf Fälle beschränkt, in denen negative Einkünfte keine Rolle spielen, ist es – entgegen dem Eindruck, den manche Stellungnahmen im Schrifttum1447 erwecken – nicht etwa so, dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, eine Berücksichtigung von Unterhaltsaufwand in entsprechender Höhe festzuschreiben. Vielmehr muss er an der Maximallösung, auf die das Ehegattensplitting hinausliefe, wenn man es als Unterhaltsregelung verstünde, von Verfassungs wegen nicht festhalten. Dies gilt im Kern unabhängig davon, wie man zu der nach wie vor nicht hinreichend geklärten Frage steht, ob sich der Unterhaltsabzug an den sozialrechtlichen (Minimal-)Vorgaben orientieren kann1448 oder die im Regelfall höheren bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten in typisierender Weise zu berücksichtigen sind.1449 Denn auch bei realitätsgerechter Abbildung der Unterhaltsaufwendungen würde sich in weiten Teilen des Wirkbereichs des Splittingtarifs keine hälfti-

1444 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 565. Hieraus folgt zwanglos, dass das Ehegattensplitting § 33a Abs. 1 EStG innerhalb seines Anwendungsbereichs verdrängt (vgl. BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 168). M.E. lässt dies aber (entgegen BFH aaO und Lang, aaO) keine Folgerungen für den Unterhaltsabzug bei der Wahl der Einzelveranlagung zu (siehe auch Fn 1412). 1445 Dazu ausführlich unten § 11 F. 1446 Vgl. Röder, Verlustverrechnung, S. 312; vgl. auch unten § 11, insbesondere unter F. 1447 Vgl. wiederum Jachmann, BB 2008, 591, 591; Lang, GS Tettinger, S. 553, 562; Seer, FS Kruse, S. 357, 366 ff.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 651 ff. (654), jeweils mit Vorbehalten für hohe bzw. sehr hohe Einkommen; siehe auch K. Vogel, StuW 1999, 201, 224. 1448 Vgl. BVerfGE 82, 60, 87 ff. (91); Birk/Wernsmann, JZ 2001, 218, 220 und 222; Böcken­förde, StuW 1986, 335, 336 f.; P. Kirchhof, ZRP 2003, 73, 76; Klein, DStZ 1997, 105, 107; C. Maurer, Anforderungen, S. 39 f.; Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 22 ff.; Sacksofsky, NJW 2000, 1896, 1901; Seer/Wendt, NJW 2000, 1904, 1907. 1449 Vgl. Isensee, 57. DJT/II, N 55 f., N 58 f.; Jachmann, BB 2008, 591, 591 (in gewissem Gegensatz zu S. 592 f.); Kanzler, DStJG 24 (2001), 417, 426 ff.; Lang, 60. DJT/ II 1, O 80; C. Seiler, 66. DJT/I, F 32; K. Vogel, StuW 1999, 201, 219 ff.; dens., DStR 1977, 31, 39; R. Wendt, FS Tipke, S. 47, 60.

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ge Verteilung aller erworbenen Mittel ergeben, zumal ein entsprechender Transfer in vielen Fällen auch zivilrechtlich nicht geschuldet ist.1450 Dies betrifft zunächst den oberen Bereich der zweiten Progressionszone (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG): So muss der Gesetzgeber richtigerweise weder mit verfassungsrechtlicher Zwangswirkung davon ausgehen, dass bei einer Doppelverdienerehe mit zu versteuernden Einkommen von 60.000 EUR und 40.000 EUR1451 eine jährliche Transferleistung in Höhe von 10.000 EUR zur Abdeckung der Kos­ ten für den Lebensunterhalt stattfindet, noch besteht für ihn die Verpflichtung, bei einer Alleinverdienerehe mit einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 EUR von Unterhaltsleistungen in Höhe von 50.000 EUR auszugehen.1452 In Fällen, in denen derartige Transferleistungen in der Praxis – namentlich in Vollzug eines gemeinschaftlichen Wirtschaftens – stattfinden, darf der Gesetzgeber vielmehr typisierend davon ausgehen, dass die entsprechenden Mittel dem beiderseitigen Vermögensaufbau bzw. der Bestreitung von Luxusausgaben dienen.1453 Jedenfalls müsste es dem Gesetzgeber offen stehen, realitätsgerechte Höchstgrenzen für den Abzug festzulegen,1454 wenn man das Ehegattensplitting als Unterhaltsregelung einordnen wollte.1455

1450 Treffend BGHZ 178, 79, 89: „[D]em Splittingvorteil stehen nicht zwangsläufig Aufwendungen gegenüber, erst recht nicht in Höhe der Hälfte des Einkommens, wie es der steuerlichen Aufteilung des Einkommens auf beide Ehegatten entspricht. Für den Splittingvorteil ist es auch nicht erheblich, ob und in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch des weniger oder nicht verdienenden Ehegatten besteht […]. Vielmehr handelt es sich um eine bewusst pauschalierende steuerrechtliche Regelung, die dem Steuerpflichtigen den Vorteil auch belässt, wenn er keine Unterhaltsleistungen erbracht hat.“ Ebenso BGH NJW 2010, 2515, 2517; vgl. demgegenüber noch BGH NJW 1977, 378, 378. 1451 Die Splittingersparnis beträgt hier derzeit etwa 360 EUR (einschließlich Solidaritätszuschlag). 1452 Die höchste Splittingersparnis innerhalb des hier betrachteten Bereichs beträgt derzeit etwas mehr als 8.600 EUR (einschließlich Solidaritätszuschlag) und ist bei einem zu versteuernden Einkommen des Alleinverdieners in Höhe von 105.764 EUR erreicht. Innerhalb der ersten Proportionalzone (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG) ergeben sich dann keine Änderungen mehr. Beim Übergang in die zweite Proportionalzone (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG) steigt die maximal mögliche Ersparnis wieder an und kann sich hier sogar nahezu verdoppeln; dazu näher sogleich. 1453 Wer einen Abzug in der beschriebenen Höhe hingegen aufgrund von Unterhaltserwägungen als verfassungsgeboten ansieht, müsste die in den §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 33a Abs. 1 EStG enthaltenen Abzugsbeschränkungen als ver­fassungswidrig einordnen; zu diesem Gesichtspunkt näher sogleich. 1454 Ob das in den §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 33a Abs. 1 EStG geschehen ist, bedarf für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung keiner abschließenden Entscheidung. 1455 Diese Einordnung überzeugt ohnehin nicht; siehe die einleitenden Aus­führungen sowie die Darstellung im Folgenden.

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Verfassungsrechtliche Vorgaben Anders als dies im Schrifttum1456 teilweise zum Ausdruck kommt, ist es auch nicht etwa so, dass die Vorschriften über den Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) in der bisher betrachteten zweiten Progressionszone1457 notwendig dazu führen, dass das Gesamteinkommen hälftig aufzuteilen ist.1458 Gegen derart pauschale Festlegungen sprechen zunächst die Besonderheiten des Familienunterhalts:1459 Anders als bei getrennt lebenden und geschiedenen Paaren ist die Unterhaltsleis­ tung nicht als laufende Geldrente für den Ehepartner geschuldet, sondern in erster Linie als Naturalleistung in Form wechselseitiger Beiträge zum Familienunterhalt.1460 Daher ist es nicht möglich (und auch nicht erforderlich), den zu leistenden Unterhalt in Form eines fixen Geldbetrages zu beziffern.1461 Ferner sind für das Maß des Unterhalts grundsätzlich die individuellen Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestimmend.1462 Dementsprechend stehen Einkommens­ teile, die nicht zur Aufrechterhaltung des eheprägenden Lebensstandards benötigt werden, zur freien Verfügung.1463 Dass es innerhalb intakter Ehen zu einer einsei1456 Vgl. wiederum Felix, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 83 f.; Jachmann, BB 2008, 591, 591; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 165; Lang, GS Tettinger, S. 553, 562; Seer, FS Kruse, S. 357, 366 ff.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 652 f.; K. Vogel, StuW 1999, 201, 224. 1457 Zu der aufgrund von § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG (zweite Proportionalzone) entstehenden Steuerersparnis siehe den übernächsten Absatz. 1458 Vgl. wiederum die in Fn 1450 wörtlich zitierten Ausführungen in BGHZ 178, 79, 89. 1459 Vgl. insoweit auch Seer, FS Kruse, S. 357, 366 ff.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 651 ff.; zu weitgehend allerdings Spangenberg, in: Seel (Hrsg.), Ehegatten­ splitting, S. 55, 56 ff. (58), die „reale finanzielle Ansprüche“ zu Unrecht negiert. 1460 BGH NJW 2013, 686, 688; BGHZ 169, 200, 212 ff.; BGH NJW 2003, 1112, 1115; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1360a Rn. 2, 14; Staudinger/Voppel, BGB, § 1360a Rn. 50 sowie aus Sicht des Verfassungsrechts BVerfGE 66, 84, 99: „Die Unterhaltspflicht der Ehegatten ist mithin eine wechselseitige; jeder Ehegatte ist gegenüber dem anderen zugleich Unterhaltsberechtigter und Unterhaltsverpflichteter […]. Es wäre mit dem Begriff der ehelichen Gemeinschaft unvereinbar, die Unterhaltspflichten der Ehegatten nach Art schuldrechtlicher Verpflichtungen aus zweiseitigen Verträgen als Leistung und Gegenleistung zu behandeln […].“ 1461 Vgl. BGHZ 169, 200, 213 f.; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1360a Rn. 3; unhaltbar allerdings BFH BStBl. II 1979, 660, 662, wonach aus der Wechselseitigkeit der Unterhaltspflichten folge, dass es an einer Unterhalts„belastung“ des Alleinverdieners fehle; dagegen zutreffend Lang, Bemessungsgrundlage, S. 565 f.; ihm folgend BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 168; zu weitgehend auch Vollmer, Ehegattensplitting, S. 83 ff., denn die in Form der Haushaltsführung bewirkten Unterhaltsleistungen ändern nichts an der finanziellen Belastung des Alleinverdieners. 1462 Siehe etwa BGH NJW 2013, 686, 688; BGH FamRZ 2004, 792, 793; BGH NJW 1998, 1553, 1554; zu möglichen Grenzen der individuellen Betrachtung vgl. Staudinger/Voppel, BGB, § 1360a Rn. 3b sowie in § 11 unter B. 1463 BGH NJW 2004, 674, 675 und 676; vgl. auch BGH NJW 2013, 686, 689 sowie Staudinger/Voppel, BGB, § 1360a Rn. 5 f. und 25; für den Trennungsunterhalt siehe BGH NJW 2008, 57, 60 (dazu sogleich).

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten tigen Vermögensbildung kommen kann, wird im Übrigen in den Vorschriften über den Zugewinnausgleich vorausgesetzt. Eine Bezifferung des Unterhaltsanspruchs wird in der (Gerichts-)Praxis nur dann notwendig, wenn einer der Ehegatten einer dritten Person Unterhalt schuldet. Wie in solchen Fällen vorzugehen ist, lässt sich der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht völlig sicher entnehmen.1464 Aus ihr kann jedoch die Neigung des Gerichts abgeleitet werden, auch hier die Umstände des Einzelfalls zu würdigen.1465 Die rechtsprechende Tätigkeit des Gerichts beschränkt sich daher zu Recht nicht auf eine pauschale Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes.1466 Eine Quotenberechnung komme vielmehr nur in unteren und mittleren Einkommensbereichen in Betracht.1467 Im Übrigen sieht auch die Düsseldorfer Tabelle für den – dort aus den genannten Gründen allein thematisierten – Trennungs- und nachehelichen Unterhalt vor, dass er nach oben „durch den ehelichen Bedarf“, „gemessen an den zu berücksichtigenden ehelichen Verhältnissen“ begrenzt wird.1468 Die soeben für die zweite Progressionszone angestellten Erwägungen beanspruchen in noch deutlich stärkerem Maße für den Splittingeffekt Geltung, der beim Übergang von der ersten in die zweite Proportionalzone (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 5 EStG) entsteht:1469 Während es beispielsweise bei zu versteuernden Einkommen von 60.000 EUR und 250.000 EUR aufgrund des identischen Grenzsteuersatzes

1464 Vgl. die teilweise voneinander abweichenden und wesentliche Fragen offen lassenden jüngeren Entscheidungen des XII. Zivilsenats: BGH NJW 2013, 686, 687 ff.; BGHZ 186, 350, 360 ff.; BGHZ 169, 200, 213 f.; BGH FamRZ 2004, 792, 793 f.; BGH NJW 2004, 674, 675 f.; BGH NJW 2003, 3770, 3771 a.E. 1465 Vgl. etwa BGH FamRZ 2004, 792, 793 f.; BGH NJW 2004, 674, 675; BGH NJW 2003, 1660, 1664 f. 1466 Siehe wiederum BGH FamRZ 2004, 792, 794; BGH NJW 2003, 1660, 1665: Vom Halbteilungsgrundsatz wird abgewichen, soweit die beiderseitigen Einkommen die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägen und soweit Vermögensbildung stattgefunden hat; diesen Aspekt aufnehmend („das Einkommen, das den Lebensstandard geprägt hat“), jedoch tendenziell zu weitgehend BVerfGE 105, 1, 12 (vgl. dazu Dauner-Lieb, AcP 210 (2010), 580, 602 f.): Nähme man die dortigen Ausführungen (vgl. auch BVerfGE 128, 193, 207) beim Wort, wäre der Güterstand der Gütertrennung wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG verfassungswidrig. 1467 BGHZ 186, 350, 361. 1468 So Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2013) unter B I 1. Das entspricht dem geltenden Recht (siehe vorläufig BGH NJW 2008, 57, 60; BGH 1997, 735, 738; weitere Nachweise in § 11 B III.). Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht zweifelsfrei, dass eine Einzelfallprüfung von vielen Gerichten nur bei „überdurchschnittlichen“ bzw. erst bei „weit überdurchschnittlichen“ Einkommen vorgenommen wird; Nachweise zu dieser, in ihren Einzelheiten wenig konsis­tenten Praxis bei Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 44; Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 165. 1469 Diese Wirkung des Splittingtarifs wird bei Lang, GS Tettinger, S. 553, 562 zu Unrecht bagatellisiert.

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Verfassungsrechtliche Vorgaben (42 %) zu gar keiner Splitting­ersparnis kommt,1470 ergibt sich bei Einkommen von 160.000 EUR und 350.000 EUR ein Steuervorteil von knapp 2.900 EUR.1471 Auf Unterhaltserwägungen lässt sich dieses Ergebnis keinesfalls stützen.1472 Gleiches gilt für den Umstand, dass sich der maximal erzielbare Steuervorteil im Bereich des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG fast verdoppelt.1473

Das Ehegattensplitting ist daher keine verfassungsrechtlich zwingende Folge des zivilen Unterhaltsrechts. Es kann auch nicht als typisierende Unterhaltsabzugsregelung verstanden werden, die sich oberhalb der verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen bewegt.1474 Neben den auf S. 294 f. angesprochenen grundsätzlichen Bedenken gegen eine solche Sichtweise spricht hiergegen erstens, dass sich die Splitting(mehr)ersparnis, die nach dem Übergang in die zweite Proportionalzone (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG) entsteht, keinesfalls über Unterhaltserwägungen rechtfertigen lässt. Hierüber kann auch nicht im Wege einer typisierenden Betrachtung hinweggegangen werden, denn eine entsprechende Korrektur des Tarifs wäre problemlos möglich. Zweitens entstünden bereits in weiten Teilen der zweiten Progressionszone (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG) relativ leistungsfähigkeitswidrige Ergebnisse, wenn man ausschließlich an die Unterhaltspflichten anknüpft: Erinnert sei an den Ausgangspunkt der hier vorgenommenen Prüfung, nämlich die Frage, ob und gegebenenfalls warum das Splittingverfahren auf zusammen lebende Ehegatten beschränkt werden kann. Hierfür kann die Unterhaltspflicht keine Rechtfertigung bilden, denn die aufgrund von § 1361 BGB (Trennungsunterhalt) geschuldeten Transferzahlungen bleiben in aller Regel nicht hinter den aus §§ 1360, 1360a BGB resultierenden finanziellen Belastungen zurück, sondern können sogar über sie hinausgehen.1475 Folglich bleibt es dabei, dass es für die steuerliche Besserbehandlung zusam1470 Vgl. auch die Zahlenbeispiele bei Kruhl, StBW 2013, 413, 414 (Tabelle 2); unrichtig daher Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32a Rn. C 4 („in allen anderen Fällen“); Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 15. 1471 Dieser Betrag versteht sich einschließlich Solidaritätszuschlag. Verfügt der weniger Verdienende hingegen über ein zu versteuerndes Einkommen von 250.401 EUR oder mehr, entfällt wiederum jede Splittingersparnis. 1472 Vgl. nur Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 44. 1473 Ab einer Einkommenshöhe des Alleinverdienenden von 501.462 EUR beträgt die Splittingersparnis etwas mehr als 16.500 EUR (einschließlich Solida­ ritätszuschlag), während sie bei einem zu versteuernden Einkommen zwischen 105.765 EUR und 250.400 EUR lediglich bei gut 8.600 EUR liegt (oben Fn 1452). 1474 In diesem Sinne aber Lang, GS Tettinger, S. 553, 562 f.; Seer, FS Kruse, S. 357, 370 f.; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 657. 1475 Wie in § 11 B III. näher dargestellt wird, ist die Bemessung des Trennungs­ unterhalts tendenziell stärker von den individuellen Lebensverhältnissen los­ gelöst.

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men lebender Ehegatten eines außerhalb des Unterhalts­aspekts liegenden rechtfertigenden Grundes bedarf. Gäbe es einen solchen Grund nicht, wäre die unterschiedliche Behandlung zusammen lebender und dauernd getrennt lebender Verheirateter gleichheitswidrig. Festzuhalten bleibt: Neben den eingangs dargestellten prinzipiellen Vorbehalten kann der Unterhaltsaspekt das Ehegattensplitting bereits in absoluter Hinsicht nicht in seinem gesamten Wirkbereich tragen, da sich die Steuerersparnis in der zweiten Proportionalzone keinesfalls auf eine Typisierung von Unterhaltsaufwand stützen lässt. In relativer Hinsicht endet seine Legitimationswirkung schon im Bereich mittlerer Einkommen. Letzteres gilt so lange, wie der Gesetzgeber an den Abzugsbeschränkungen festhält, die in den §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 33a Abs. 1 EStG verankert sind. d) Wirtschaftsgemeinschaft und Leistungsfähigkeitsprinzip Folglich ändert der Unterhaltsaspekt nichts daran, dass sich das Splittingverfahren lediglich über die im Lebenstatsächlichen fußende Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft innerhalb intakter Ehen rechtfertigen lässt, in der es zu einer vollständigen Mittelpartizipation kommt, die sich im Kern unabhängig von den zivilrechtlichen Unterhaltspflichten vollzieht. Speziell im Bereich höherer Einkommen ist hiermit die Vorstellung verbunden, dass Transferleistungen vollzogen werden, die der Finanzierung von Luxusausgaben bzw. zur Vermögensbildung dienen. Folglich bleibt es bei den beiden unter b) angesprochenen Problemfeldern: Darf der Gesetzgeber typisierend zugrunde legen, dass innerhalb intakter Ehen gemeinschaftlich gewirtschaftet wird und es deshalb zu einer vollumfänglichen wechselseitigen Teilhabe an den erworbenen Mitteln kommt? Stellen derartige Leistungen überhaupt einen einkommensteuerlich relevanten Leistungsfähigkeitstransfer dar, soweit sie die Unterhaltspflichten übersteigen? Das Bundesverfassungsgericht ist in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 lediglich auf die erste Frage eingegangen – und hat sie ohne nähere Prüfung unter Berufung auf „die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe“ bejaht.1476 Der dort vorgenommene Schluss vom üblicher1476 BVerfGE 61, 319, 345 f. im Anschluss an Lang, Bemessungsgrundlage, S. 629 f.; dem folgend etwa Frye, FR 2007, 1109, 1112 f. Die Ausführungen Langs, aaO, S. 626 ff. betreffen zwar beide Fragen, differenzieren aber nicht zwischen ihnen. M.E. sollte dies jedoch zumindest im Ausgangspunkt geschehen, um nicht Gefahr zu laufen, die bestehenden normativen und empirischen Problemstellungen zu vermengen.

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weise erfolgenden Mitteltransfer innerhalb intakter Ehen auf die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit des Ehegattensplittings bleibt allerdings lückenhaft, weil die Richter über die zweite Frage hinweggegangen sind.1477 Diese Frage ist deshalb von zentraler Bedeutung, weil ein Mitteltransfer unter Angehörigen, der über die gesetzlichen Unterhaltspflichten hinausgeht, in aller Regel keine einkommensteuerrechtliche Relevanz aufweist und daher grundsätzlich nicht zu einer Leistungsfähigkeitsminderung führt (vgl. § 12 Halbs. 1 mit Nr. 1, 2 EStG).1478 Letztere Ausgestaltungsentscheidung des Gesetzgebers ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden1479 und rechtspolitisch gut vertretbar, da es sich bei den entsprechenden Zahlungen um die Verwendung disponiblen Einkommens handelt.1480 Vor diesem Hintergrund würde sich das Ehegattensplitting jedenfalls insoweit als relativ leistungsfähigkeitswidrige Privilegierung zusammen lebender Ehegatten darstellen, als es zu einer Berücksichtigung von Transferleistungen führt, die dazu dienen, Vermögen aufzubauen bzw. Luxusausgaben zu finanzieren. Bei dieser Sicht der Dinge wäre das Splittingverfahren wiederum nur für kleine und mittlere Einkommen leis­ tungsfähigkeitsgerecht. Daraus folgt: Auch wer mit dem Bundesverfassungsgericht darin übereinstimmt, dass die Existenz einer umfänglichen Wirtschaftsgemeinschaft unter zusammen lebenden Ehegatten typisie-

1477 Vgl. auch Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 649: „Daß wirtschaftlich betrachtet eine ‘Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft’ vorliegt und tatsächlich ‘in einen Topf gewirtschaftet wird’, ist aber noch keine zwingende rechtliche Begründung dafür, daß die Einkünfte der Ehegatten für die Berechnung der Einkommensteuer beiden Ehegatten je zur Hälfte zugerechnet werden müssen.“ 1478 Vgl. auch Liebl, DStZ 2011, 129, 130; zur klarstellenden Bedeutung des § 12 EStG in dieser Hinsicht näher Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 241; vgl. in ähnlichem Zusammenhang auch die Argumentation in BFH BStBl. II 2006, 883, 886 f. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass ein Abzug von Unterhaltsaufwendungen nach derzeitiger Gesetzeslage grundsätzlich nur in Höhe des existenznotwendigen Bedarfs möglich ist (vgl. §§ 32 Abs. 6, 33a Abs. 1 EStG); Nachweise zu der dahinter stehenden verfassungsrechtlichen Diskussion auf S. 295. 1479 Vgl. nur BVerfGE 107, 27, 47 ff.: Zwangsläufigkeit und Pflichtbestimmtheit als (potentielle) verfassungsrechtliche Grenzen; siehe in diesem Zusammenhang auch Fn 1482. 1480 Vgl. in etwas anderem Zusammenhang (Höhe des Unterhaltsabzugs) Birk/Wernsmann, JZ 2001, 218, 220; Sacksofsky, NJW 2000, 1896, 1901; Seer/Wendt, NJW 2000, 1904, 1908 f. sowie auch BVerfGE 82, 60, 91. Mit gleicher Stoßrichtung wird auch § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG kritisiert, soweit er zur Abziehbarkeit von Unterhaltsleistungen führt, die zivilrechtlich nicht geschuldet sind (Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 98 a.E.).

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rend bejaht werden kann,1481 muss begründen, warum diese Gemeinschaftsvorstellung hier mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Übereinstimmung steht.1482 Diese Begründung ließe sich verhältnismäßig leicht führen, wenn es sich bei einer intakten Ehe tatsächlich um eine „Gemeinschaft des Er­ werbs“1483 im strengen Wortessinne handelte, das Gesamteinkommen also gemeinschaftlich erzielt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG) würde. Dies trifft jedoch evidentermaßen nicht zu1484 – und hierin unterscheidet sich die wirtschaftlich-lebenstatsächliche Ausgangslage bei zusammen lebenden Ehegatten etwa von derjenigen in Mitunternehmerschaften:1485 Jeder Ehegatte erwirtschaftet seine Einkünfte selbst (vgl. § 26b sowie auch § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG).1486 Erst in einem zweiten Schritt (Mitteltransfer) fließen sie in die Wirtschaftsgemeinschaft1487 ein.1488 Man 1481 Darauf wird im Nachgang unter e) eingegangen. 1482 Ließe sich diese Begründung nicht finden, läge eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips vor, die über Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden müsste (vgl. den Ausgangspunkt der Prüfung auf S. 272 f.). Das Kriterium der rechtlichen Zwangsläufigkeit des Mitteltransfers, das Lang, Bemessungsgrundlage, S. 626 seiner Prüfung voranstellt, ist jedenfalls nicht erfüllt; näher oben S. 277 ff. sowie soeben unter c) und sogleich unter i). Es verwundert daher nicht, dass Lang diesen Ausgangspunkt im weiteren Verlauf seiner Ausführungen nicht aufrechterhalten kann (siehe insbesondere S. 629 f.). 1483 Vgl. erneut BVerfGE 61, 319, 345 f. sowie die ihm folgenden Autoren (Nachweise auf S. 257); siehe auch – allerdings im Rahmen einer deutlich distanzierteren Wortwahl – BT-Drucks. III/260, S. 33 f. (dazu oben S. 282). 1484 Siehe etwa BFH BStBl. II 2002, 501, 502; Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26b EStG Anm. 27 ff.; Schmidt/Seeger, EStG, § 26b Rn. 2 („Einkünftezurechnung ohne Einkünfteerzielung“); Bareis, StuW 2000, 81, 82; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 626; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 649 f.; Tiedtke, FPR 2003, 400, 404; K. Vogel, StuW 1999, 201, 204. 1485 Vgl. auch Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 649 f.; a.A. offenbar Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 164 Fn 4 („durchaus […] vergleichbar“). Für den Bereich der Mitunternehmerbesteuerung ist zwar streitig, ob die Gewinne von der Mit­ unternehmerschaft oder den Mitunternehmern erzielt werden (dazu näher unten im 2. Kapitel). Sie beruhen aber jedenfalls auf deren gemeinschaftlicher Betätigung. 1486 Selbstverständlich ändert dies nichts daran, dass eine gemeinsame Einkünfteerzielung bzw. eigene Einkünfte eines mitarbeitenden Ehegatten möglich sind (siehe nur Blümich/Ettlich, § 26a EStG Rz. 15). Allerdings bedarf es hierzu einer eigenständigen rechtlichen Grundlage. 1487 Sie wird an dieser Stelle zunächst als bestehend unterstellt; zum Typisierungs­ aspekt siehe sogleich unter e). 1488 Vgl. wiederum Bareis, StuW 2000, 81, 82; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 626; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 649 f. Das wird im Gesetz in § 26b EStG dadurch technisch nachvollzogen, dass die von den Ehegatten erzielten Einkünfte erst in einem zweiten Schritt „zusammengerechnet“ und ihnen „gemeinsam zugerech-

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mag vor diesem Hintergrund zwar in einem weiteren, wirtschaftlichen Sinne von einer „Erwerbsgemeinschaft“ sprechen können.1489 Dies ändert aber nichts daran, dass die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft die Einkommensverwendung, nicht aber die Einkommenserzielung betrifft.1490 Festzuhalten ist somit, dass es bei alleiniger Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Ehe vor dem Hintergrund der allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts erhebliche Schwierigkeiten bereitet, das Ehegattensplitting als leistungsfähigkeitsgerecht anzusehen, denn der Mitteltransfer, der in Vollzug des gemeinsamen Wirtschaftens erfolgt, ist auf der Ebene der Einkommensverwendung angesiedelt. Daraus folgt: Wer diesen Mitteltransfer dennoch als (ausnahmsweise) leis­ tungsfähigkeitskonform ansehen will, muss dies auf Wertungen stützen, die außerhalb des Einkommensteuerrechts angelegt sind. Es liegt nahe, hierfür den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) heranzuziehen1491 – und in der Tat bildet diese Vorschrift eine genügende Grundlage für dieses Vorgehen:1492 Die Kernfrage lautet, ob der Gesetzgeber im Falle zusammen lebender Verheirateter ausnahmsweise berechtigt ist, das Modell der rein individuellen Besteuerung, das namentlich den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften über den Unterhaltsabzug zugrunde liegt (siehe oben c)), durch ein Gemeinschaftsmodell zu ersetzen, das sich auf der Ebene der Einkommensverwendung

net“ werden (vgl. St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26b Rn. B 2). 1489 Vgl. Tipke, StRO I, S. 378 sowie auch BVerfGE 107, 27, 54; Liebl, DStZ 2011, 129, 130 a.E.; K. Vogel, StuW 1999, 201, 204. 1490 Vgl. Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26b EStG Anm. 4; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 626 sowie mit Blick auf die nicht ehelichen Lebensgemeinschaften Philipowski, in: Eser, nichteheliche Lebensgemeinschaft, S. 61, 68 f., der diesen Gedanken jedoch offensichtlich nicht auf Eheleute übertragen will. Sein Hinweis auf die Vorschriften des Familienrechts (S. 66 f.) trägt dieses Ergebnis allerdings aus den bereits angeführten Gründen nicht; siehe ferner unten i). 1491 Vgl. P. Kirchhof, ZRP 2003, 73, 75: verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung von Ehe und Mitunternehmerschaft. Wegen der soeben aufgezeigten Unterschiede erscheint dieser Schluss jedoch nicht zwingend. 1492 Vgl. Isensee, 57. DJT/II, N 56 ff.; G. Kirchhof, FamRZ 2007, 241, 241 ff. (244 f.); P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 387 ff.; Liebl, DStZ 2011, 129, 130 f.; C. Seiler, FR 2010, 113, 115 f.; dens., in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 12 ff.; R. Wendt, FS Tipke, S. 47, 63.

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auswirkt.1493 Diese Frage ist zu bejahen.1494 Denn aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG steht die Ehe, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten, unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.1495 Hieraus leitet das Bundesverfassungsgericht ab, dass die in Vollzug dieser Gemeinschaft erwirtschafteten Mittel beiden Partnern grundsätzlich zu gleichen Teilen zuzuordnen sind,1496 zumal die Beiträge, die sie innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft erbringen, als gleichwertig anzusehen sind (vgl. auch § 1360 Satz 2 BGB).1497 Das so umschriebene Gemeinschaftsmodell hebt sich mithin nicht nur in lebenstatsächlicher Hinsicht, sondern vor allem auch in seiner verfassungsrechtlichen Fundierung von einem bloßen Unterhaltsverhältnis ab.1498 Der Gesetzgeber trägt ihm einkommensteuerlich Rechnung, wenn er es in Gestalt der Zusammenveranlagung mit Splittingverfahren nachvollzieht.1499 Art. 6 Abs. 1 GG erlaubt mithin eine entsprechende bereichsspezifische Justierung des Leistungsfähigkeitsbegriffs1500 und legitimiert dadurch zum einen eine Andersbehandlung von Ehegatten im Vergleich zu sonstigen einander unterhaltspflich1493 Vgl. auch C. Seiler, FR 2010, 113, 114 ff.; dens., in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 11 ff. Wie bereits auf S. 291 angesprochen, stellt sich diese Frage im Kern unabhängig von der rechtstechnischen Umsetzung (und deren umstrittener Einordnung). Auf die weitergehende – und von den meisten der in Fn 1492 zitierten Autoren bejahte – Frage, ob der Gesetzgeber in entsprechender Weise vorgehen muss, das Ehegattensplitting also verfassungsgeboten ist, wird unter h) eingegangen. 1494 Siehe wiederum die Nachweise in Fn 1492. 1495 Näher BVerfGE 105, 1, 10 ff.; Di Fabio, NJW 2003, 993, 993 ff.; G. Kirchhof, Fam RZ 2007, 241, 244; C. Seiler, FR 2010, 113, 115 f.; siehe auch BVerfGE 128, 193, 207; BVerfGE 76, 1, 44 f.; BVerfGE 35, 382, 408; Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 48; Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Rn. 35, 38, 73; v. Coelln, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 19 a.E.; Isensee, 57. DJT/II, N 56 f.; P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 387 ff.; näher zum verfassungsrechtlichen Ehebegriff Fn 1385. 1496 BVerfGE 128, 193, 207; BVerfGE 105, 1, 12; ganz ähnlich Dethloff, 67. DJT/I, A 48 f., A 130. Die entsprechenden Ausführungen des Gerichts sind in dieser Allgemeinheit jedoch zu weit gefasst (siehe oben Fn 1466). 1497 BVerfGE 128, 193, 207; BVerfGE 105, 1, 10 ff.; zu § 1360 Satz 2 BGB siehe etwa BT-Drucks. 7/650, S. 99; BGH NJW 2004, 674, 676; Weber-Monecke, in: Münch­ Komm.-BGB, § 1360 Rn. 15; Staudinger/Voppel, BGB, § 1360 Rn. 21, 25. 1498 Vgl. P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 387 ff.: „Erwerbsgemeinschaft“, nicht nur „Unterhaltsgemeinschaft“. 1499 Vgl. erneut Isensee, 57. DJT/II, N 56 f.; G. Kirchhof, FamRZ 2007, 241, 244 f.; P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 387 ff.; C. Seiler, FR 2010, 113, 115 f.; dens., in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 12 ff. 1500 Zu den methodischen Hintergründen siehe oben S. 122 ff. Des vom BVerfG in dem Urteil BVerfGE 61, 319, 347 f. in etwas anderem Zusammenhang herangezogenen Aspekts der partnerschaftlichen Entscheidung über die Aufgabenverteilung bedarf es an dieser Stelle hingegen nicht; näher zu ihm unten h).

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tigen Personen und zum anderen eine Modifikation des Grundsatzes der Individualbesteuerung.1501 Festzuhalten bleibt, dass das Ehegattensplitting leistungsfähigkeitskonform ist. Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, bedarf es jedoch der ergänzenden Heranziehung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe, denn der Aspekt der Wirtschaftsgemeinschaft unter zusammen lebenden Ehegatten erlangt (nur) vermittelt über Art. 6 Abs. 1 GG Bedeutung. e) Zum Typisierungsproblem Es bleibt die bisher noch offen gelassene1502 Frage, ob der Gesetzgeber die in Rede stehende Vorstellung von einer Wirtschaftsgemeinschaft, innerhalb derer eine vollumfängliche Teilhabe an den erworbenen Mitteln stattfindet, überhaupt in typisierender Weise zugrunde legen darf.1503 Im Ausgangspunkt ist zu betonen, dass es sich hierbei eine sehr grobe Typisierung handelt, wie wiederum an der Einbeziehung von Ehegatten mit hohen Einkommen deutlich wird, denn besonders bei ihnen dürfte es in der Lebenswirklichkeit häufig vorkommen, dass im Wesentlichen getrennt gewirtschaftet wird (Doppelverdienerehen) bzw. es sonst an einer hälftigen Mittelüberlassung fehlt (Alleinverdienerehen). Namentlich für den Bereich der zweiten Proportionalzone bewegt sich diese Vorstellung an der Grenze des Vertretbaren. M.E. ist sie allerdings noch haltbar,1504 und zwar aus folgenden Gründen: Erstens ist nur wenig belastbares empirisches Material zu diesem Fragenkreis vorhanden1505 – was es rechtfertigt, dem Gesetzgeber einen relativ weiten Einschätzungsspielraum ein1501 Siehe wiederum oben S. 291. 1502 Siehe die Ausführungen am Anfang von d). 1503 Siehe zu den allgemeinen Voraussetzungen und Grenzen zulässiger Typisierung etwa BVerfGE 122, 210, 232 f.; BVerfGE 120, 1, 30; BVerfGE 117, 1, 31. Das Erfordernis der „Orientierung am Regelfall“ bzw. „typischen Fall“ wird man hier allerdings weit auslegen können, da es im vorliegenden Zusammenhang nicht zu Härtefällen kommen kann (dazu sogleich). 1504 Vgl. auch Lang, 60. DJT/II 1, O 75 („zumindest nicht als realitätsfremd“); Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 17 f.; Seer, FS Kruse, S. 357, 371; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 657 f. sowie insoweit auch G. Kirchhof, FamRZ 2007, 241, 244 („nahe liegend und sachgerecht“); a.A. Vollmer, Ehegattensplitting, S. 89 f., S. 202 f. 1505 Näher zu entsprechenden Untersuchungen Spangenberg, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 55, 60 ff.; siehe auch Dethloff, 67. DJT/I, A 19 a.E.; siehe in diesem Zusammenhang auch Homburg, StuW 2000, 261, 265 und 268 („Tatsachenfrage“; „empirisch testbar“) und Lang, 60. DJT/II 1, O 74 f.: Entscheidend ist, „ob das Bundesverfassungsgericht die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe richtig annimmt“; vgl. insoweit auch Vollmer, Ehegatten­splitting, S. 203 („Diese Annahme ist weder be- noch widerlegt.“) sowie Schuler-Harms, FPR 2012, 297, 299.

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zuräumen. Dies gilt umso mehr, als es, zweitens, im vorliegenden Zusammenhang nicht zu Härtefällen kommen kann, denn im Gegensatz zu anderen Typisierungsvorschriften begünstigt das Splittingverfahren alle diejenigen, die vom typischen Fall abweichen.1506 Drittens wäre auch das nahe liegende Alternativmodell des Unterhaltsabzugs mit einer weit reichenden Typisierung verbunden.1507 Und viertens spricht nicht zuletzt der soeben entfaltete Aussagegehalt des Art. 6 Abs. 1 GG für die Berechtigung der gesetzgeberischen Typisierung, denn sie orientiert sich am verfassungsrechtlich verbürgten Gemeinschaftsmodell. f) Rechtfertigung der Beschränkung auf zusammen lebende Ehepaare Um zur Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit des Ehegattensplittings zu gelangen, bedarf es folglich, wie gezeigt, eines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 GG. Das macht es fraglich, ob der Gesetzgeber seinen Anwendungsbereich auf zusammen lebende Ehegatten beschränken durfte.1508 Denn über Art. 6 Abs. 1 GG ist jede Ehe, die dieser Vorschrift unterfällt,1509 geschützt, so dass eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Ausprägungen der Ehe ihrem Regelungsanliegen tendenziell entgegenläuft und daher rechtfertigungsbedürftig ist.1510 Genau diese Prüfung hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 108, 361 durchgeführt – und die Berechtigung der gesetzgeberischen Differenzierung bejaht.1511 Was zunächst seine methodische Herangehensweise angeht, erstaunt es allerdings, dass das Gericht auch in diesem Zusammenhang ausschließlich Art. 6 Abs. 1 GG in Bezug nimmt.1512 Das ist deshalb nicht zweifelsfrei, weil die Richter in anderen Fällen, in denen es ebenfalls um das Verhältnis zwischen verschiedenen Ehearten gegangen ist, Art. 3 Abs. 1 GG als primären Prüfungsmaßstab herangezogen haben.1513 Insbesondere wird in dem Beschluss BVerfGE 66, 84, der den Unterhaltsvorrang des geschiedenen Ehegatten nach früherem Recht (§ 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) betrifft und den das Gericht im vorliegenden Zusammen-

1506 Zur geringeren Rechtfertigungsintensität bei begünstigenden Typisierungen vgl. Huster, Rechte und Ziele, S. 291 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 1507 Dazu näher sogleich unter h). 1508 Zur Prüfungsreihenfolge siehe auch bereits oben S. 283 ff. 1509 Zum verfassungsrechtlichen Begriff der Ehe siehe Fn 1385. 1510 Vgl. nur Doehlert, DStR 1977, 208, 211; siehe dazu bereits S. 284. 1511 BVerfGE 108, 351, 363 ff. (365); vgl. auch die Nachweise in Fn 1418. 1512 Vgl. BVerfGE 108, 351, 364 ff.; siehe auch C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 7. 1513 Siehe oben S. 285 mit Nachweisen.

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hang mehrfach zitiert,1514 neben Art. 6 Abs. 1 GG auch Art. 3 Abs. 1 GG herangezogen: Eine isolierte Prüfung am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG sei deshalb nicht möglich, weil von zwei auf dieser Gewährleistung beruhenden Grundrechtspositionen auszugehen sei.1515 Demgegenüber spricht das Gericht den allgemeinen Gleichheitssatz an der betreffenden Stelle der Entscheidung BVerfGE 108, 351 nicht an. Inhaltlich weichen seine Ausführungen allerdings nicht von den soeben beschriebenen Grundsätzen ab. Es heißt hier nämlich: „Wegen der Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit einer geschiedenen mit einer erneut geschlossenen Ehe […] lassen sich aus Art. 6 Abs. 1 GG für die Ausgestaltung der jeweiligen Rechtsposition durch den Gesetzgeber keine besonderen Anforderungen herleiten. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz der Ehe unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ehekonstellationen verwirklichen will. Zu prüfen ist lediglich, ob es für die Verschiedenbehandlung von Ehen durch den Gesetzgeber hinreichende Gründe gibt. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden, ob der Gesetzgeber die gerechteste oder zweckmäßigste Regelung getroffen, sondern ob er die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt hat, die auch mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Ehen durch Art. 6 Abs. 1 GG gesetzt sind.“ 1516

Die Begründung des Gerichts dafür, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum hier nicht überschritten hat, ist kurz – und aus sich heraus wenig überzeugend, im Ergebnis aber zutreffend: Die Richter weisen zunächst auf die Rechtsprechung des Gerichts zu den zivilrechtlichen Unterhaltspflichten hin, nach der eine Differenzierung zwischen bestehenden und geschiedenen Ehen durch den Gesetzgeber zulässig sein kann.1517 Dieser Hinweis kann sich nur auf den, angesichts der soeben wörtlich zitierten Ausführungen des Gerichts ohnehin selbstverständlichen, Zusammenhang beziehen, dass eine Unterschiedsbehandlung verschiedener Arten von Ehen nicht per se verfassungswidrig ist. Weitergehende Aussagen lassen sich diesem Hinweis jedoch nicht entnehmen. Denn erstens hängt die Anwendbarkeit des Splittingverfahrens nicht nur vom Bestand der Ehe ab, sondern vor allem auch davon, ob die Ehegatten zusammen leben.1518 Und zweitens erscheint es schwerlich möglich, aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Ausgestaltung der zi1514 BVerfGE 108, 351, 364. 1515 BVerfGE 66, 84, 93. 1516 BVerfGE 108, 351, 364 (unter Auslassung der Zitatstellen des Gerichts). 1517 BVerfGE 108, 351, 364 f. 1518 Bei der Lektüre der Entscheidung BVerfGE 108, 351 gewinnt man hingegen bisweilen den Eindruck, als gehe das Gericht davon aus, dass das Splittingverfahren bei jeder bestehenden Ehe eröffnet wäre.

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vilrechtlichen Unterhaltspflichten Rückschlüsse für das Verhältnis von zusammen und getrennt lebenden Eheleuten zum staatlichen Steuergläubiger abzuleiten. Als einziges Sachargument dafür, dass der Gesetzgeber für steuerliche Zwecke in entsprechender Weise differenzieren darf, führt das Gericht den Gesichtspunkt der Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft an, die lediglich im Falle des Zusammenlebens Bedeutung erlange. Warum es hierauf ankommen soll, begründet das Gericht nicht, sondern verweist lediglich auf das Urteil BVerfGE 61, 319.1519 Bei der zitierten Stelle dieses Urteils handelt es sich um die bereits analysierten Ausführungen zur Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit des Ehegattensplittings. Man wird die Entscheidung BVerfGE 108, 351 daher so verstehen müssen, dass die gesetzliche Differenzierung deshalb vor Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt ist, weil das Ehegattensplitting nur bei zusammen lebenden Ehegatten zu leistungsfähigkeitskonformen Ergebnissen führt. Diese Begründung ist in der Tat tragend, bedarf aber mit Blick auf die bisher gefundenen Ergebnisse einer Ergänzung: Das Ehegattensplitting steht nur deshalb mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Einklang, weil der Gesetzgeber von Verfassungs wegen (Art. 6 Abs. 1 GG) davon ausgehen darf, dass in intakten Ehen gemeinschaftlich gewirtschaftet wird. Dieser Gemeinschaftsgedanke kann jedoch naturgemäß nur in solchen Fällen Bedeutung erlangen, in denen die Eheleute tatsächlich zusammen leben. Die geänderte Lebenssituation nach der Trennung stellt daher einen „hinreichenden Grund“1520 für eine unterschiedliche Behandlung getrennt lebender Eheleute dar.1521 Gleiches gilt – eng damit verknüpft – für den Leistungsfähigkeitsgedanken als solchen: Als leistungsfähigkeitsgerecht kann das Splittingverfahren von vornherein nur dort angesehen werden, wo überhaupt von einer hälftigen Mittelaufteilung ausgegangen werden kann, denn andernfalls fehlt es eindeutig an dem erforderlichen Leistungsfähigkeitstransfer. Da es bei getrennt lebenden Ehegatten in aller Regel an einer Mittelteilhabe fehlt, die die bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten übersteigt,1522 wäre ihre Einbeziehung in das Ehegattensplitting leistungsfähigkeitswidrig. Auch hierin liegt ein hinreichender sachlicher Grund für eine unter1519 BVerfGE 108, 351, 365 nimmt Bezug auf BVerfGE 61, 319, 345 f. 1520 Siehe die bei Fn 1516 wörtlich zitierten Ausführungen in der Entscheidung BVer fGE 108, 351. 1521 Im gleichen Sinne etwa auch BFH/NV 2005, 46, 47; BFH/NV 2003, 157, 158; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 201; C. Seiler, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 20 f. 1522 Siehe insoweit auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 644; zur steuerlichen Berücksichtigung tatsächlich erbrachter Unterhaltsleistungen siehe oben S. 288.

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schiedliche rechtliche Behandlung,1523 denn die Anwendung des Splittingtarifs auf getrennt lebende (und geschiedene) Ehegatten müsste als Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips vor Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden. Festzuhalten bleibt, dass sowohl der Gedanke der Wirtschaftsgemeinschaft als auch das Leistungsfähigkeitsprinzip selbst es legitimieren, dauernd getrennt lebende Ehegatten nicht in das Splittingverfahren einzubeziehen. Die daraus resultierende Unterschiedsbehandlung ist folglich mit Art. 6 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG vereinbar. g) Zwischenfazit Das Ehegattensplitting und seine Beschränkung auf zusammen lebende Ehegatten lässt sich über das Leistungsfähigkeitsprinzip in Zusammenschau mit den Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG rechtfertigen und stellt daher eine zulässige Handlungsoption des Gesetzgebers dar. Hieraus folgt zugleich, dass die von Teilen des Schrifttums verfochtene Argumentation, wonach das Ehegattensplitting zu einer nicht zu rechtfertigenden Begünstigung von Einverdienerehen gegenüber Doppelverdienerehen führe und hierdurch eine mittelbare Diskriminierung von Frauen hervorrufe,1524 nicht überzeugt. Das Splittingverfahren spiegelt die Leis­ tungsfähigkeit zusammen lebender Verheirateter vielmehr in vertretbarer Weise wider und kann schon deshalb nicht als Förderung eines bestimmten Ehetypus verstanden werden.1525

1523 Vgl. auch bereits oben S. 285. 1524 In diesem Sinne Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 95; dies., Familienförderung, S. 500 ff.; C. Maurer, Anforderungen, S. 130 ff.; Mennel, 50. DJT/I, D 167, 172 ff.; Sacksofsky, FR 2010, 119, 121; dies., NJW 2000, 1896, 1898 ff.; Vollmer, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 37, 37 ff.; dies., Ehegattensplitting, S. 78 ff., S. 118 ff., S. 204 ff.; siehe auch Kanzler, DStJG 24 (2001), 417, 436 ff.; Schuler-Harms, FPR 2012, 297, 299 f.; Vorwold, FR 1992, 790, 790 ff.; Zuleeg, DÖV 2005, 687, 689 ff. sowie aus ökonomischer Sicht Bareis, StuW 2000, 81, 87 f. (dagegen Homburg, StuW 2000, 261, 264 ff.). 1525 So kann es – entgegen Brosius-Gersdorf, Familienförderung, S. 500 ff. – bereits im Ausgangspunkt keinen Verstoß gegen ein „Neutralitätsgebot“ des Staates in Bezug auf die verschiedenen Eheformen (vgl. S. 491 ff.) darstellen, wenn zwei Ehepaare, die beide über ein „Gesamteinkommen von 100.000 Euro“ verfügen, steuerlich gleich behandelt werden (vgl. zuletzt BVerfG NJW 2013, 2257, 2259 und 2260 f.); den dahinterstehenden Ansatz ablehnend auch (mit weiteren Gegenargumenten) Homburg, StuW 2000, 261, 264 ff.; G. Kirchhof, FamRZ 2007, 241, 245; P. Kirchhof, FPR 2003, 387, 388 f.; Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 16; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 128 f.; Seer, FS Kruse, S. 357, 371 f.; C. Seiler, FR 2010, 113, 115 f.; ders., in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 16 ff.; Tipke, StRO I, S. 386 f.; K. Vogel, StuW 1999, 201, 206 f.

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Zu prüfen bleibt noch, ob die – dem soeben skizzierten Ansatz genau entgegengesetzte – Auffassung zutrifft, wonach das Ehegattensplitting nicht nur eine mögliche Handlungsoption des Gesetzgebers darstellt, sondern verfassungsrechtlich geboten ist. Dieser Ansatz wird von Teilen des Schrifttums vertreten und klingt, wie gezeigt, auch in der Entscheidung BVerfGE 61, 319 an.1526 Da das Ehegattensplitting aus den oben herausgearbeiteten Gründen keine zwingende Folge des Leistungsfähigkeitsprinzips bildet, ist zu prüfen, ob Art. 6 Abs. 1 GG diese Auffassung trägt. Das soll im Folgenden geschehen. h) Ehegattensplitting aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG geboten? Als Begründung für die These, das Ehegattensplitting könne nicht ohne Verfassungsverstoß abgeschafft werden, wird zunächst angeführt, dass zusammen lebende Ehegatten von Verfassungs wegen (Art. 6 Abs. 1 GG) eine „gleichberechtigte Verantwortungsgemeinschaft“ bilden, die das Steuerrecht über das Ehegattensplitting nachvollziehen muss.1527 Diesem Ansatz kann jedoch nicht gefolgt werden, da er den Aussagegehalt des Art. 6 Abs. 1 GG überspannt. Richtigerweise lässt sich dieser Vorschrift lediglich entnehmen, dass es dem Gesetzgeber unbenommen ist, Rechtsfolgen an den Mitteltransfer zu knüpfen, der in intakten ehelichen Lebensgemeinschaften typischerweise vorkommt. Wie unter d) und e) nachgewiesen wurde, ist diese Lösung aber weder in normativer noch in empirischer Hinsicht selbstverständlich, sondern vielmehr begründungsbedürftig und nur mit einigem argumentativen Aufwand mit dem Leistungs­fähigkeitsprinzip in Einklang zu bringen. Bereits vor diesem Hintergrund erschiene es zweifelhaft, den Gesetzgeber mit verfassungsrechtlicher Zwangswirkung auf das Verfahren der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif festzulegen. Dies wäre nur dann anders, wenn es – entsprechend der Argumentation der hier abgelehnten Ansicht – zutreffen würde, dass das Gemeinschaftsmodell, wie es Art. 6 Abs. 1 GG zweifellos zugrunde liegt, eine ganz bestimmte Ausgestaltung gerade der Einkommensbesteuerung erfordert. Diese These ist jedoch aus folgendem Grund nicht überzeugend: Wie unter II 2. gezeigt wurde, umfasst der freiheitsrechtliche Gehalt des Schutzes der Ehe das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanzi-

1526 Vgl. erneut BVerfGE 61, 319, 345 ff.; Schrifttumsnachweise sogleich. 1527 In diesem Sinne G. Kirchhof, FamRZ 2007, 241, 244 f.; siehe auch Isensee, 57. DJT/II, N 56 ff.; P. Kirchhof, ZRP 2003, 73, 73 ff. (75 f.); dens., FPR 2003, 387, 387 ff.; C. Seiler, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 7, 12 ff.

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ellen Beziehungen untereinander.1528 Solange der Gesetzgeber ihnen in Erfüllung dieses Schutzauftrags1529 erhebliche Freiräume in der (zivilrechtlichen) Organisation ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse belässt, kann ihn keine Pflicht treffen, für Zwecke der Besteuerung ein ganz bestimmtes Bild der ehelichen Verhältnisse zugrunde zu legen,1530 obwohl feststeht, dass viele Ehe ihre wirtschaftlichen Beziehungen – in Ausübung ihrer durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Freiheit und in Übereinstimmung mit dem Zivilrecht – anders ausgestalten. Das Splittingverfahren wird mithin von dem Gemeinschaftsgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG nicht zwingend gefordert. Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in dem Urteil BVerfGE 61, 319 in einer anderen, der soeben verfochtenen Argumentation entgegenlaufenden Weise effektuiert: Das Splittingverfahren ermögliche es, über die Aufgabenverteilung in der Ehe partnerschaftlich zu entscheiden; dieses Recht sei durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt.1531 Auch dieser Gesichtspunkt spricht jedoch nicht zwingend für eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, das Splittingverfahren aufrechtzuerhalten. Denn der Eingriff in die Aufgabenverteilungsentscheidung der Ehegatten dürfte minimal sein, wenn man das Ehegattensplitting durch eine Unterhaltsabzugslösung als alternativer verfassungskonformer Lösung1532 ersetzte. Vielmehr handelte es sich lediglich um eine mittelbare Folgewirkung einer ebenfalls leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung, die wohl nur in ganz seltenen Fällen tatsächlich einmal Auswirkungen auf die Ausgestaltung der

1528 Einzelheiten und Nachweise auf S. 280 f. 1529 Vgl. insbesondere BVerfGE 103, 89, 101; BVerfGE 80, 81, 92; Jarass, in: Jarass/ Piero­th, GG, Art. 6 Rn. 7; Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 27; zur möglichen Bedeutung der Institutsgarantie in diesem Zusammenhang siehe BVerfGE 15, 328, 332; Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Rn. 30; v. Coelln, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 31 ff. (33: eheliches Güterrecht). 1530 G. Kirchhof, FamRZ 2007, 241, 244 spricht von einer „Erwerbs-, Verbrauchs- und Verantwortungsgemeinschaft“; zu weitgehend auch die Ausführungen in der Entscheidung BVerfGE 105, 1, 12 (darauf Bezug nehmend BVerfGE 128, 193, 207); siehe dazu bereits oben Fn 1466. 1531 BVerfGE 61, 319, 346 ff. Im gleichen Sinne argumentieren weite Teile des Schrifttums; siehe etwa C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 4; Frye, FR 2007, 1109, 1114; Klein, DStZ 1997, 105, 106 und 107 f.; Klose, ZRP 2003, 128, 129 ff.; Lang, GS Tettinger, S. 553, 562 f.; Lietmeyer, DStZ 1998, 849, 851; Stöcker, BB 1999, 234, 237 ff.; K. Vogel, StuW 1999, 201, 224 f.; R. Wendt, FS Tipke, S. 47, 65. 1532 Dazu sogleich.

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ehelichen Verhältnisse hätte.1533 Dieses Argument kann daher bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung vernachlässigt werden. Es ist für den vorliegenden Zusammenhang in späteren Entscheidungen des Gerichts auch nicht wiederholt worden.1534 Daher bleibt es dabei, dass der Gesetzgeber an das typische Bild der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft anknüpfen kann, dies aber von Verfassungs wegen nicht muss. Aus den bisherigen Zusammenhängen folgt zugleich, dass gegen eine Kappung des Splittingtarifs keine prinzipiellen Bedenken bestehen.1535 Ferner könnte der Gesetzgeber das Ehegattensplitting durch eine realitätsgerechte Berücksichtigung der zu erbringenden finanziellen Unterhaltsleistungen ersetzen.1536 Diese Lösung würde vor allem in den unteren Einkommensgruppen auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen wie der Splittingtarif.1537 Ob sie insgesamt zu (steuer-)gerechteren Ergebnissen führt, hängt von ihrer Ausgestaltung sowie von dem vertretenen Stand1533 Vgl. G. Kirchhof, FamRZ 2007, 241, 243; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 206. Wegen des gebotenen Unterhaltsabzugs besteht – entgegen BVerfGE 61, 319, 347 – auch nicht die Gefahr einer „Benachteiligung der Hausfrauen- oder Hausmann­ ehe“. 1534 Siehe die Nachweise in Fn 1317. 1535 Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513, 569 sowie auch Jachmann, BB 2008, 591, 591; Seer, FS Kruse, S. 357, 370; Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 657 f., die dies jedoch vom Unterhaltsaspekt aus begründen; a.A. Richter/Steinmüller, FR 2002, 812, 818 f.; Scherf, StuW 2000, 269, 275; Stöcker, BB 1999, 234, 237 ff.; K. Vogel, StuW 1999, 201, 222 ff.; R. Wendt, FS Tipke, S. 47, 64; vgl. auch C. Seiler, FR 2010, 113, 116. Das hauptsächliche Gegenargument, Alleinverdienerehepaare würden bei einer Kappung des Tarifs höher besteuert als Doppelverdienerehepaare mit gleichem Gesamteinkommen, greift schon deshalb nicht durch, weil der Gesetzgeber in typisierender Weise davon ausgehen darf, dass sich bei höheren und höchsten Einkommen kein vollumfänglicher Mitteltransfer vollzieht. 1536 Lediglich für den Sonderfall der Gütergemeinschaft bestünde Anlass für eine abweichende Beurteilung; vgl. oben Fn 1353 sowie K. Vogel, StuW 1999, 201, 209 ff.; siehe demgegenüber aber Söhn, FS K. Vogel, S. 639, 649 f.; zu den derzeit diskutierten Reformansätzen (unter Einschluss des hier nicht behandelten Aspekts der Familienbesteuerung) näher Blümich/Ettlich, § 26 EStG Rz. 16; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 355 ff.; Jachmann, BB 2008, 591, 591 ff.; P. Kirchhof, ZRP 2003, 73, 73 ff.; Lang, GS Tettinger, S. 553, 553 ff.; Liebl, DStZ 2011, 129, 133 ff.; Sacksofsky, NJW 2000, 1896, 1896 ff.; Schuler-Harms, FPR 2012, 297, 300 f.; C. Seiler, FR 2010, 113, 117 ff.; dens., 66. DJT/I, F 32 ff.; Tipke, StRO I, S. 392 f. 1537 Hierin liegt auch die innere Rechtfertigung für die Rechtsprechung des BVerfG zu der parallelen Frage nach der Zulässigkeit einer Einkommens- und Vermögenszurechnung unter zusammen lebenden Eheleuten im Sozialrecht, die das Gericht mit Blick auf die bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten sowie Typisierungserwägungen (Vermutung für tatsächliche Unterhaltsleistung; „Topfwirtschaft“) bejaht; siehe etwa BVerfGE 91, 389, 402 (in Fn 1427 wörtlich zitiert); BVerfGE 87, 234, 256 und 264; BVerfGE 82, 60, 82 a.E. Auf diesen Aspekt wird

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punkt zu der Frage ab, in welchem Umfang der Gesetzgeber Unterhaltsleistungen berücksichtigen muss bzw. sollte.1538 Jedenfalls wäre auch mit einer Unterhaltsabzugslösung eine weit reichende Typisierung verbunden, die möglicherweise vielen Einzelfällen ebenso wenig gerecht wird wie das Splittingverfahren.1539 Dies spricht rechtspolitisch dafür, die – mit Art. 6 Abs. 1 GG gut zu vereinbarende – Entscheidung für das Splittingverfahren auch für die Zukunft beizubehalten. i) Irrelevanz des Güterstandes Betont sei noch, dass die hier vorgenommene verfassungsrechtliche Bewertung unabhängig vom jeweiligen Güterstand gilt, da sie an einen typisierend unterstellten (und mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG vertretbar unterstellbaren) Mitteltransfer in der Lebenswirklichkeit anknüpft, der sich im Kern unabhängig von der zivilrechtlichen Ausgangslage vollzieht.1540 Demgegenüber sind viele Autoren der Ansicht, dass das Ehegattensplitting zwar die Verhältnisse im gesetzlichen Güterstand (und erst recht bei Gütergemeinschaft) richtig bzw. vertretbar abbilde, jedoch mit dem Güterstand der Gütertrennung nicht in Übereinstimmung zu bringen sei.1541 Diese Grenzziehung trifft nicht zu:1542 Innerhalb einer bestehenden Ehe stellt auch die Zugewinngemeinschaft eine (Sonder-)Form der Gütertrennung dar. Zugespitzt formuliert schließen sich Zugewinnausgleich und unter 2 b) mit Blick auf die nicht ehelichen Lebensgemeinschaften zurückzukommen sein. 1538 Vgl. dazu S. 295. 1539 Vgl. auch Blümich/Ettlich, § 26 EStG Rz. 16; G. Kirchhof, FamRZ 2007, 241, 244; Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 17 f.; Seer, FS Kruse, S. 357, 371; K. Vogel, DStR 1977, 31, 39. Dies gilt namentlich für die Festlegung nummerischer Höchstgrenzen (vgl. zur rechtspolitischen Diskussion St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 356 mit weiteren Nachweisen). 1540 Vgl. auch C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 8. 1541 Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26b EStG Anm. 4; Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513, 568; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 627 ff.; Seer, FS Kruse, S. 357, 363 ff.; Tipke, StRO I, S. 377 ff.; vgl. auch Lang, GS Tettinger, S. 553, 563; K. Vogel, StuW 1999, 201, 208 ff.; dens., DStR 1977, 31, 37 f.; Walz, StVj 1993, 46, 48 f. Aus diesem Befund werden unterschiedliche Konsequenzen abgeleitet; für Verfassungswidrigkeit der Erstreckung des Splittingverfahrens auf Fälle der Gütertrennung Tipke, aaO, S. 379 f.; a.A. Pflüger, aaO; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 630 f.; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 121 f.; Seer, aaO, S. 366, jeweils mit Typisierungs- bzw. Praktikabilitätserwägungen bzw. unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 GG. 1542 Siehe bereits oben unter II 2., insbesondere S. 277 ff.

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gemeinsames Wirtschaften sogar aus, denn ersterer kann nur beansprucht werden, wenn keine Lebensgemeinschaft mehr besteht.1543 Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass das Splittingverfahren auf eine Periodisierung der Zugewinnausgleichsforderung hinauslaufe.1544 Dieser These kann bereits im Grundsätzlichen entgegenhalten werden, dass der Zugewinnausgleich die Vermögens- und nicht die Einkommenssphäre betrifft.1545 Aber auch sonst überzeugt sie nicht: Sowohl im normativen (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB) als auch im lebenstatsächlichen Regelfall wird der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet.1546 In diesem Fall gelangt eine Zugewinnausgleichsforderung typischerweise noch nicht einmal zur Entstehung. Vielmehr kommt es grundsätzlich zu einer pauschalen Erhöhung des gesetzlichen Erbteils, und zwar unabhängig davon, ob überhaupt ein Zugewinn entstanden ist und vom wem er erzielt wurde (§ 1371 Abs. 1 BGB).1547 Auch sonst sind Entstehung und Höhe der Zugewinnausgleichsforderung mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren verbunden.1548 Das Ehegattensplitting bildet sie mithin nicht einmal annähernd ab. Anders als dies teilweise zum Ausdruck kommt,1549 fehlt es vor ihrer Begleichung ohnehin an einem aktuellen Leistungsfähigkeitstransfer.1550 1543 Vgl. auch C. Maurer, Anforderungen, S. 128; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 91 f. 1544 So aber Lang, Bemessungsgrundlage, S. 629; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 119 a.E.; Seer, FS Kruse, S. 357, 364; Tipke, StRO I, S. 378; vgl. auch Felix, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 73, 82. 1545 Vgl. in etwas allgemeinerem Zusammenhang – treffend – Homburg, StuW 2000, 261, 265 f.; zur Zugehörigkeit von Zugewinnausgleichszahlungen zum Vermögensbereich siehe BFH BStBl. II 1993, 434, 434 ff.; Schmidt/Heinicke, EStG, § 10 Rn. 65 a.E.; Liebelt, NJW 1994, 609, 613; Mellinghoff, Stbg 1999, 60, 68 mit weiteren Nachweisen; a.A. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 644 ff. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass es (entgegen Lang) zur Rechtfertigung des Ehegatten(voll)splittings keines Rückgriffs auf den Zugewinnausgleich bedarf. 1546 Siehe zum Lebenszeitprinzip etwa A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 15 ff.; zur verfassungsrechtlichen Relevanz der grundsätzlichen Unauflösbarkeit der Ehe näher BVerfGE 53, 224, 245 ff. Die Einzelheiten sind nicht unumstritten; siehe einerseits Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Rn. 59 f. und andererseits Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 6 Rn. 51 f. 1547 Die Vorschrift greift mithin sogar dann ein, wenn der Überlebende ansonsten selbst ausgleichspflichtig geworden wäre (arg. § 1371 Abs. 1 Halbs. 2 BGB); sehr kritisch zu dieser erbrechtlichen Lösung etwa Koch, in: MünchKomm.-BGB, § 1371 Rn. 4 („Der gesetzliche Güterstand wird denaturiert“). 1548 Näher Koch, in: MünchKomm.-BGB, § 1363 Rn. 9. 1549 Vgl. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 639: „laufende Berücksichtigung eines wirtschaftlich verwirklichten Einkünftetransfers“. 1550 Vgl. auch C. Maurer, Anforderungen, S. 128; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 45 f. sowie Vollmer, Ehegattensplitting, S. 91 f., die in Fn 268 zutreffend darauf

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In einer Betrachtung, die sich ausschließlich an den zivilrechtlichen Güterständen orientiert, würde es folglich viel näher liegen, die Trennlinie zwischen (gesetzestypischer) Gütergemeinschaft einerseits und gesetzlichem Güterstand und Gütertrennung andererseits zu ziehen.1551 Eine derartige Differenzierung erscheint verfassungsrechtlich vertretbar,1552 entspricht jedoch nicht der Gesetzeslage.1553 Der Gesetzgeber ist vielmehr typisierend davon ausgegangen, dass Ehepaare – unabhängig von dem gewählten Güterstand – in aller Regel gemeinschaftlich wirtschaften.1554 Das ist, wie gezeigt, bei ausschließlicher Betrachtung verheirateter Paare mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar. j) Ergebnis Das Ehegattensplitting ist sowohl bei isolierter Analyse der Verhältnisse zusammen lebender Verheirateter als auch im Vergleich zu getrennt leben­ den Eheleuten mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar.1555 Dieses Ergebnis beruht maßgeblich auf Art. 6 Abs. 1 GG, da die ihm innewohnende Gemeinschaftsvorstellung den Aussagegehalt des Leis­ tungsfähigkeitsprinzips mitbestimmt. Von Verfassungs wegen geboten ist das Splittingverfahren hingegen nicht. Es könnte auch durch eine sachgerechte Typisierung des Unterhaltsaufwandes ersetzt werden.

hinweist, dass das Einkommen einem potentiellen Zugewinnausgleich durch Verausgabung entzogen werden kann. 1551 Vgl. auch Lingemann, Familienbesteuerung, S. 174 ff.; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 93. 1552 Erforderlich wäre allerdings, die erbrachten Unterhaltsleistungen in den zuletzt genannten Güterständen realitätsgerecht abzubilden. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung des Gesetzgebers, mittels steuerrechtlicher Regelungen sicherzustellen, dass die „Chance, Zugewinn zu bilden“, möglichst groß ist (so K. Vogel, StuW 1999, 201, 214 f.; vgl. auch Richter/Steinmüller, FR 2002, 812, 817), ist m.E. nicht begründbar. 1553 Sie wäre rechtspolitisch auch nicht zu empfehlen, da hierdurch zahlreiche Ehegatten in die rechtlich komplizierte und teilweise mit haftungsrechtlichen Risiken und sonstigen Nachteilen verbundene Gütergemeinschaft (vgl. Staudinger/ Thiele, BGB, Vorbem zu §§ 1415 ff. Rn. 10 mit weiteren Nachweisen) gedrängt würden. 1554 Vgl. wiederum C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 8. 1555 Ob Gleiches auch im Verhältnis zu sonstigen Lebensgemeinschaften gilt, wird unter 2. untersucht.

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2. Vergleich zwischen zusammen lebenden Ehepaaren und anderen Formen des Zusammenlebens a) Ausgangspunkt Darüber hinaus ist fraglich, ob die Beschränkung des Splittingverfahrens auf zusammen lebende Ehegatten, d.h. der Ausschluss anderer Formen des Zusammenlebens, verfassungsgemäß ist. Betroffen ist mithin auch hier der Aspekt der relativen Leistungsfähigkeitskonformität bzw. -widrigkeit. Als Mindestvoraussetzung für einen Gleichheitsverstoß lässt sich formulieren, dass die jeweilige Gemeinschaft in lebenstatsächlicher Hinsicht mit einem zusammen lebenden Ehepaar vergleichbar sein muss, d.h. ebenfalls davon ausgegangen werden kann, dass es zu einer vollumfänglichen Mittelteilhabe in Vollzug eines gemeinsamen Wirtschaftens kommt.1556 Erst wenn das bejaht werden kann, stellt sich die Frage, ob es Gründe gibt, die eine Besserbehandlung Verheirateter rechtfertigen. Zu fragen wäre namentlich, ob eine derartige Differenzierung von Art. 6 Abs. 1 GG getragen wird.1557 Dieser Gesichtspunkt ist hier auch deshalb von wesentlicher Bedeutung, weil es eines Rückgriffs auf die in dieser Vorschrift verankerte Gemeinschaftsvorstellung bedurfte, um das Ehegattensplitting überhaupt verfassungsrechtlich zu legitimieren.1558 Im Folgenden wird zunächst auf nicht eheliche Lebensgemeinschaften1559 mit Ausnahme eingetragener Lebenspartnerschaften ein­ gegangen. Letztere werden im Anschluss gesondert analysiert. Dies rechtfertigt sich zum einen durch die gesetzliche Ausgestaltung der eingetragenen Lebenspartnerschaft, die dem Eherecht weitgehend nachgebildet ist, und zum anderen durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auf eine Pflicht des Gesetzgebers hinausläuft, Ehen und Lebenspartnerschaften ganz weithin gleich zu behandeln.1560 Die dahinter stehende verfassungsrechtliche Problemstellung wird ebenfalls erörtert. 1556 Siehe zu diesem, zu wesentlichen Teilen empirischen Aspekt vor allem oben 1 e). 1557 Vgl. wiederum oben S. 283 f. (mit Fn 1383). 1558 Näher oben 1 d). Auf diesen Aspekt wird unter c) zurückzukommen sein. 1559 Dieser Begriff stellt ein Sammelbecken für ganz unterschiedliche Formen des Zusammenlebens dar und bereitet daher erhebliche Definitionsschwierigkeiten (siehe etwa Kingreen, Stellung, S. 57 ff.; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 6 ff.; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 144 ff.). Welche dieser Formen für die jeweilige rechtliche Prüfung relevant sind, hängt von der konkreten Fragestellung ab (treffend Kingreen, aaO, S. 59); siehe für den vorliegenden Kontext sogleich unter b) sowie Kingreen, aaO, S. 262 f. 1560 Einzelheiten und Nachweise unter c) und d); siehe zum Ehegattensplitting nunmehr BVerfG NJW 2013, 2257, 2257 ff.

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b) Nicht eheliche Lebensgemeinschaften Fraglich ist zunächst, ob sich Spielarten der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft1561 finden lassen, für die die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich ihre Partner in Bezug auf die Art ihres Wirtschaftens typischerweise wie Eheleute verhalten, so dass im Wesentlichen gleiche Sachverhalte vorliegen.1562 Teilweise wird eine derartige Vergleichsgruppenbildung schon im Ausgangspunkt mit dem Argument infrage gestellt, dass es bei nicht ehelichen Lebensgemeinschaften – anders als bei Verheirateten – an einer institutionellen Verfestigung ihrer Partnerschaft fehle.1563 Insbesondere ließe sich anführen, dass zwischen ihren Partnern keinerlei Unter­haltspflichten bestehen. Zumindest der zuletzt genannte Gesichtspunkt greift jedoch jedenfalls im Ausgangspunkt nicht durch: Wie oben gezeigt, stellt das Splittingverfahren gerade keine Regelung dar, die sich in typisierender Weise an die Pflicht zum Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) anlehnt.1564 Vielmehr knüpft es an die gesetzgeberische Vorstellung an, dass Ehegatten typischerweise eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden, in der auch dann eine umfängliche wechselseitige Mittelteilhabe stattfindet, wenn eine solche rechtlich nicht geschuldet ist. Den Bezugspunkt des Ehegattensplittings bildet mithin nicht die Unterhaltspflicht, sondern der Erfahrungssatz, dass unter zusammen lebenden Verheirateten typischerweise eine hälftige Partizipation an dem Erwirtschafteten stattfindet. Nimmt man das ernst, hätte auch das (allgemeinere) Argument der fehlenden institutionellen Verfestigung in nicht ehelichen Lebensgemeinschaften eine nur begrenzte Durchschlagskraft. Entscheidend kann nämlich nur sein, unter welchen Voraussetzungen die jeweilige Partnerschaft in lebenstatsächlicher Hinsicht als derart verfestigt angesehen werden kann, dass die Annahme gerechtfertigt ist, die Beteiligten werden sich (auch ohne institutionelle Fundierung und gesetzliche Unterhaltspflichten) so verhalten wie Ehegatten. Es erscheint nahe liegend, hier eine Parallele zum Sozialrecht zu ziehen, denn das Bundesverfassungsgericht hatte für diesen Bereich in dem Urteil BVerfGE 87, 234 über ein strukturell ähnliches Problem zu entschei1561 Vgl. Fn 1559. 1562 Zu dem hier verwendeten Wesentlichkeitskriterium vgl. Kingreen, Jura 1997, 401, 407 f. 1563 Vgl. etwa BVerfG NJW 1990, 1593, 1593; Isensee, 57. DJT/II, N 59 f.; Seer, FS Kruse, S. 357, 372 f.; Tipke, StRO I, S. 387 a.E. 1564 Wäre dies anders, bedürfte es von vornherein keiner Gleichstellung von Ehegatten und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften (vgl. BVerfGE 87, 234, 264 f.: Unterhaltspflicht als genügender Grund für eine gesetzgeberische Differenzierung; siehe ferner BVerfGE 75, 387, 395).

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den.1565 Es ging um die Frage, ob und in welchen Fällen der Gesetzgeber dazu berechtigt war, im Bereich der früheren Arbeitslosenhilfe das Einkommen (sowie auch das Vermögen) des Partners einer „eheähnlichen Gemeinschaft“ ohne weiteres, d.h. ohne Prüfung der Verhältnisse des Einzelfalls, auf den Hilfeanspruch des Berechtigten anzurechnen.1566 Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst hervorgehoben, dass der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner diesem nicht zum Unterhalt verpflichtet sei. Auch „beim Wirtschaften aus einem Topf“ könne er sein Einkommen daher „ganz oder in einem hohen Maße zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden.“1567 Vor diesem Hintergrund komme eine Einkommensanrechnung nur dann in Betracht, wenn „die Bindungen der Partner so eng sind, daß von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, daß sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar.“1568 Ob eine derartige Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft1569 besteht, lasse sich in der Verwaltungspraxis nur anhand von Indizien nachweisen. Als Beispiele führt das Gericht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt sowie die Befugnis an, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen zu verfügen.1570 1565 Vgl. zum Folgenden auch Kingreen, Stellung, S. 258 ff. sowie in ähnlichem Kontext v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 139 ff. 1566 Vgl. zu dieser so genannten „verschärften Bedürftigkeitsprüfung“ auf Grundlage des damaligen § 137 Abs. 2a AFG, der „eheähnlichen Gemeinschaften“ in dieser Hinsicht nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten gleichstellte, BVerfGE 87, 234, 239; inzidente Bestätigung dieser Entscheidung in BVerfG NJW 2006, 895, 895. 1567 BVerfGE 87, 234, 264; vgl. demgegenüber noch BVerfGE 9, 20, 28 ff. (30). 1568 BVerfGE 87, 234, 265; zu der hier angesprochenen „verschärften Bedürftigkeitsprüfung“ vgl. Fn 1566. 1569 So das in BVerfGE 87, 234, 264 angeführte Kriterium. Es findet sich nunmehr ausdrücklich in § 7 Abs. 3 Nr. 3 c), Abs. 3a SGB II. Über die Vorgaben der Entscheidung BVerfGE 87, 234, 267 hinausgehend werden hier auch Partner nicht eingetragener gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften erfasst; näher zu der heutigen Regelung BT-Drucks. 16/1410, S. 19 f.; Spellbrink/Becker, in: Eicher (Hrsg.), SGB II, § 7 Rn. 91 ff. Entsprechende Grundsätze gelten auch im Bereich der Sozialhilfe (§ 20 SGB XII); siehe dazu etwa Wenzel, in: Fichtner/Wenzel (Hrsg.), SGB XII, § 20 Rn. 1 ff. 1570 BVerfGE 87, 234, 265. Entsprechende Kriterien sind in § 7 Abs. 3a SGB II aufgenommen worden. Demgegenüber hat das Gericht eine geschlechtliche Bezie-

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Man könnte erwägen, diese Grundsätze auf die hier in Rede stehende Thematik zu übertragen,1571 denn die Frage, ob in der Lebenswirklichkeit typischerweise ein Transfer wirtschaftlicher Mittel stattfindet, erscheint bei vordergründiger Betrachtung deckungsgleich mit derjenigen nach der Partizipation am Einkommen des Partners (und der darauf beruhenden sozialrechtlichen Anrechnungsmöglichkeit).1572 Dieser Schluss erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen als nicht zwingend. Denn die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich auf den Lebensbedarf, der durch die Arbeitslosenhilfe abgedeckt worden ist – und beschränken sich ganz offensichtlich auch auf ihn. Dies wird an der Wortwahl des Gerichts deutlich, das von den „Not- und Wechselfällen“ des Lebens spricht, in denen „zunächst“ der gemeinsame Lebensunterhalt sichergestellt wird, „bevor“ (!) das Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendet wird. Es versteht die „Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“ daher ganz offenkundig gerade nicht als umfängliche Wirtschaftsgemeinschaft, in der eine hälftige Teilhabe an allen erworbenen Mitteln stattfindet. Die soeben zitierten Ausführungen („zunächst“; „bevor“) sprechen sogar eher dafür, dass das Gericht im Regelfall nicht von einer Umverteilung von Einkommensteilen ausgeht, die über die sozialrechtlich relevanten Beträge hinausgehen. Richtigerweise kann dies für den typischen Fall auch nicht angenommen werden: Wie unter 1. dargelegt wurde, ist es bereits für zusammen lebende Ehegatten alles andere als selbstverständlich, von einer derart struk­ turierten Wirtschaftsgemeinschaft auszugehen, wenn eine gewisse Einkommens­schwelle überschritten ist. Namentlich im obersten Wirkbereich des Splittings bewegt sich diese Vorstellung an der Grenze des Vertretbaren. Die Annahme, in eheähnlichen Gemeinschaften würde eine vollumfängliche Mittelpartizipation stattfinden, erscheint noch deutlich fern liegender als unter Ehegatten, zumal weder gesetzliche Unterhaltspflichten bestehen noch sonst eine institutionelle Verfestigung der Gemeinschaft vorhanden ist.1573 An dieser Stelle – fehlende Verhung als nicht erforderlich angesehen (S. 268 f.; ebenso Dethloff, 67. DJT/I, A 147 für den zivilrechtlichen Kontext). 1571 Vgl. in anderem Zusammenhang die Argumentation in BGHZ 121, 116, 121 ff. (123). 1572 In diesem Sinne Kingreen, Stellung, S. 266 ff. 1573 Vgl. auch Bültmann, StuW 2004, 131, 134 f.; Philipowski, in: Eser (Hrsg.), nicht­ eheliche Lebensgemeinschaft, S. 61, 67 f.; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 130 f. sowie BVerfGE 87, 234, 265: „Ohne rechtlichen Hinderungsgrund kann der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner auch jederzeit sein bisheriges Verhalten ändern und sein Einkommen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen

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gleichbarkeit in lebenstatsächlicher Hinsicht – entfaltet die eingangs angesprochene Argumentation mit der nicht bestehenden rechtlichen Fundierung nicht ehelicher Lebensgemeinschaften mithin ihre eigentliche Wirkkraft. Gegen eine Übertragung des Kriteriums der Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft auf das Steuerrecht spricht auch, dass ein derartiges Vorgehen kaum praktikabel und missbrauchsanfällig wäre.1574 Die besondere Missbrauchsgefahr im Bereich des Einkommensteuerrechts resultiert daraus, dass sich entsprechende Umstände hier – anders als im Sozialrecht – praktisch immer zugunsten der betroffenen Steuerpflichtigen auswirken würden, so dass ein erheblicher finanzieller Anreiz bestünde, derartige Sachverhalte wahrheitswidrig zu behaupten. Die Finanzbehörden wären personell (und möglicherweise auch rechtlich)1575 gar nicht in der Lage, die entsprechenden Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Festzuhalten bleibt: Eine einkommensteuerliche Gleichbehandlung von zusammen lebenden Ehegatten und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften ist schon deshalb nicht geboten, weil bei Letzteren nicht davon ausgegangen werden kann, dass es typischerweise zu einer vollumfänglichen Mittelteilhabe als Folge eines gemeinsamen Wirtschaftens kommt.1576 Eines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 GG bedarf es für dieses Ergebnis nicht. Lediglich soweit Unterhaltsleistungen in nicht ehelichen Lebensgemeinschaften trotz fehlender Rechtspflicht unausweichlich sind, weil das Einkommen des einen Partners auf die Höhe der Sozialleistung des anderen Partners angerechnet wird, bedarf es einer einkommensteuerlichen Berücksichtigung.1577 Der Gesetzgeber hat hierfür mittlerweile in § 33a

verwenden“; a.A. hingegen Deusch, Besteuerung, S. 62 ff. (kein Unterschied); vgl. auch Vollmer, Ehegattensplitting, S. 108 f. 1574 Diese Erwägung wäre sogar geeignet, eine festgestellte Ungleichbehandlung zu rechtfertigen; siehe dazu (im allgemeinen Kontext) oben S. 150. 1575 Vgl. oben Fn 1417 sowie für den vorliegenden Zusammenhang Tipke, StRO I, S. 387 f. 1576 Hiermit ist selbstverständlich nicht gesagt, dass sich die Dinge im Einzelfall nicht auch anders darstellen können (vgl. schon Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 131 f.: „Jedenfalls soll in einem Konkubinat das Leben aus einem Topf und das Arbeiten in einen Topf bisweilen inniger und überzeugter vor sich gehen, als in manchen Ehen.“). Derartige Situationen stellen aber nicht den Regelfall dar, so dass sie nicht geeignet sind, die Ausgestaltungsentscheidung des Gesetzgebers zu determinieren. 1577 Siehe auch Kingreen, Stellung, S. 267 f.; Seer, FS Kruse, S. 357, 373; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 96 f.

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Abs. 1 Satz 3 EStG im Wesentlichen Vorsorge getroffen.1578 Solange das der Fall ist, der Steuerabzug also mit dem tatsächlich vollzogenen Mitteltransfer korrespondiert,1579 entstehen auch keinerlei Wertungsdi­ vergenzen zwischen Steuer- und Sozialrecht, da die Regelungsanliegen beider Teilrechtsordnungen einander an diesem Punkt nicht beeinträchtigen.1580 c) Eingetragene Lebenspartnerschaften aa) Ausgangspunkt Von den soeben herausgestellten lebenstatsächlichen Unterschieden zwischen zusammen lebenden Ehegatten und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften (im Allgemeinen) kann in Bezug auf Lebenspartner hingegen keine Rede sein: Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist nicht nur institutionell in annähernd gleicher Weise verfestigt wie die Ehe,1581 was sich auch an den identisch ausgestalteten Unterhaltspflichten zeigt.1582 Es erscheint darüber hinaus auch kaum denkbar, dass der empirische Befund über die Art und Weise des gemeinsamen Wirtschaftens nennenswert anders ausfällt als bei Eheleuten.1583 Bei vergleichender Betrachtung 1578 Zum aktuellen Anwendungsbereich der Vorschrift siehe Schmidt/Loschelder, EStG, § 33a Rn. 21; vgl. auch oben Fn 1569; näher zu dieser Schnittstelle zwischen Sozial- und Steuerrecht Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rn. A 143 f., B 45 ff.; siehe auch v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 151 ff. 1579 Dieser Mitteltransfer betrifft allein den unteren Einkommensbereich. 1580 Vgl. demgegenüber Deusch, Besteuerung, S. 63; Kingreen, Stellung, S. 266 ff.; zu den Charakteristika von Wertungsdivergenzen siehe oben S. 65 ff. 1581 Rechtsgebietsübergreifender Überblick bei Palandt/Brudermüller, BGB, Einl LPartG Rn. 2. Ob diese gesetzliche Institutionalisierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe vereinbar ist, wie namentlich das BVerfG in dem Urteil BVerfGE 105, 313, 342 ff. gemeint hat (ebenso z.B. Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 6 Rn. 47 ff.; Pieroth/Kingreen, KritV 85 (2002), 219, 224 ff.; Robbers, JZ 2001, 779, 781 ff.; a.A. etwa Burgi, Der Staat 39 (2000), 487, 501 ff.; Diederichsen, NJW 2000, 1841, 1841 ff.; Pauly, NJW 1997, 1955, 1955 ff.; Scholz/Uhle, NJW 2001, 393, 397 ff.; Tettinger, JZ 2002, 1146, 1147 ff. sowie die Sondervoten Papiers und Haas', BVer fGE 105, 313, 357 ff., 359 ff.), bedarf für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung keiner Erörterung. 1582 Siehe im vorliegenden Zusammenhang § 5 LPartG in Verbindung mit §§ 1360 Satz 2, 1360a BGB. 1583 Gleichsinnig Liebl, DStZ 2011, 129, 132; Stepputat, FR 2010, 831, 837; nicht überzeugend daher Bültmann, StuW 2004, 131, 140. Anführen ließe sich le­ diglich, dass empirische Untersuchungen darauf hindeuten, dass bei Vorhandensein von Kindern stärker gemeinsam gewirtschaftet wird (vgl. Dethloff, 67. DJT/I, A 19 a.E., A 91) und dass dieser Fall in Ehen zweifellos viel häufiger auf-

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zusammen lebender Verheirateter und zusammen lebender Lebenspartner stellt es folglich eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips dar, Letztere nicht in das Splittingverfahren einzubeziehen.1584 Dieser relativ leistungsfähigkeitswidrige Zustand1585 bedarf einer tragfähigen Rechtfertigung.1586 Ob eine derartige Rechtfertigung – trotz nahezu identischen Befundes in der Lebenswirklichkeit – möglich ist, wird bisher in erster Linie mit Blick auf das Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG diskutiert. Umstritten ist, ob diese Vorschrift eine rechtliche Besserbehandlung Verheirateter trägt oder ob sich auch in solchen Fällen das aus Art. 3 Abs. 1 GG tritt als in Lebenspartnerschaften. Durchschlagend wäre allerdings auch dieses Argument nicht, denn zum einen ist der zugrunde liegende empirische Befund unsicher und zum anderen kann die Zusammenveranlagung unabhängig davon gewählt werden, ob Kinder vorhanden sind oder nicht (siehe auch Stepputat, aaO). 1584 Siehe auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rz. 167; Liebl, DStZ 2011, 129, 132; Merkt, DStR 2012, 1157, 1159 f.; Mössner, in: Zukunft der Familienbesteuerung, S. 11, 19 f.; Rauch, DStR 2006, 1823, 1823 ff.; Spangenberg, in: Seel (Hrsg.), Ehegattensplitting, S. 55, 58; Stepputat, FR 2010, 831, 837; Wiemann, NJW 2010, 1427, 1430; zur Vergleichbarkeit von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern vgl. in ähnlichen Zusammenhängen BVerfG NJW 2012, 2719, 2720; BVerfGE 131, 239, 258; BVerfGE 126, 400, 422 f.; BVerfGE 124, 199, 219; BVerfG NJW 2008, 209, 210 f.; BVerwGE 129, 129, 132 ff. Überhaupt nicht angesprochen wird das Leistungsfähigkeitsprinzip bemerkenswerterweise in BVerfG NJW 2013, 2257, 2258. Entgegen Ipsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. VII, § 154 Rn. 21 ist differentia specifica nicht „die Potentialität für die Erzeugung und Erziehung von Nachwuchs“ (ebenso Schmidt/Seeger, EStG, § 26 Rn. 1a), sondern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (inkonsistent Ipsen, aaO, Rn. 42 ff.), die hier identisch ist. Eine davon zu trennende Frage ist, ob die Ungleichbehandlung über Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden kann; dazu sogleich. 1585 Nach bisheriger Gesetzeslage ist bei eingetragenen Lebenspartnern lediglich ein Unterhaltsabzug nach § 33a Abs. 1 EStG möglich gewesen (BFH BStBl. II 2006, 515, 517; siehe nunmehr aber Fn 1648). Sie haben damit sogar schlechter gestanden als getrennt lebende und geschiedene Ehegatten, da ein Wahlrecht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG für sie nicht in Betracht kam (BFH BStBl. II 2006, 883, 884 ff.). 1586 Das BVerfG steht auf dem Standpunkt, dass die erforderliche Rechtfertigungs­ intensität in derartigen Fällen vor allem deshalb hoch ist, weil eine Unterschiedsbehandlung von Personengruppen vorliegt, die das (subjektiv nicht steuerbare) Merkmal der sexuellen Orientierung betrifft (vgl. BVerfGE 131, 239, 256 ff.; BVerfGE 126, 400, 417 ff.; BVerfGE 124, 199, 219 ff.). Letzteres erscheint zwar gut vertretbar, ist jedoch nicht entscheidend. Wie sogleich gezeigt wird, lautet die Kernfrage vielmehr, ob Art. 6 Abs. 1 GG in solchen Situationen geeignet ist, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen (dazu näher sogleich unter bb)). Bejaht man diese Eignung nämlich, so würde sich Art. 6 Abs. 1 GG als verfassungsimmanenter Differenzierungsgrund zumindest im Regelfall auch durchsetzen.

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folgende Gleichbehandlungsgebot durchsetzt. Auf letztere Ansicht läuft die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinaus, während die zuerst genannte Auffassung den bis vor kurzem herrschenden Anschauungen entsprochen hat. Dass dieser Standpunkt nach wie vor richtig ist, wird sogleich unter bb) nachgewiesen. Für den vorliegenden Zusammenhang spielt allerdings noch ein anderer Gesichtspunkt eine wesentliche Rolle, der in der bisherigen Diskussion kaum Niederschlag gefunden hat: Unter 1. konnte nachgewiesen werden, dass das Ehegattensplitting nur deshalb als leistungsfähigkeitsgerecht angesehen werden kann, weil der Gesetzgeber an die Gemeinschaftsvorstellung anknüpfen darf, die Art. 6 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Gäbe es diese verfassungsrechtliche Legitimation für die einkommensteuerliche Anerkennung der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft nicht, könnte das Splittingverfahren nicht aufrechterhalten werden, weil es mit Blick auf die Systematik des Einkommensteuerrechts und damit die steuerliche Behandlung anderer Sachverhalte zu relativ leistungsfähigkeitswidrigen Ergebnissen führte, für die keine andere Rechtfertigung ersichtlich wäre. Daraus folgt: Wer das Ehegattensplitting auf die eingetragene Lebenspartnerschaft übertragen will, gewährt ihr eine rechtliche Behandlung, die sich nur über Art. 6 Abs. 1 GG begründen lässt, bezieht sie also mittelbar (über den allgemeinen Gleichheitssatz) in die Schutzwirkung dieser Vorschrift ein.1587 Dieser Zusammenhang spricht – unabhängig vom jeweiligen Standpunkt zur Reichweite des Förderungsgebots – dafür, das Splittingverfahren auf zusammen lebende Verheiratete zu beschränken.1588 bb) Abschied vom Förderungsgebot? Ob Art. 6 Abs. 1 GG – darüber hinaus – bereits aus sich heraus geeignet ist, eine rechtliche Besserbehandlung Verheirateter zu rechtfertigen, ist umstritten. Nach der bis vor wenigen Jahren herrschenden Meinung ist 1587 Siehe in allgemeinerem Zusammenhang auch Liebl, DStZ 2011, 129, 132 und insbesondere Michael, NJW 2010, 3537, 3537 und 3540 f. 1588 A.A. (kontextübergreifend) Michael, NJW 2010, 3537, 3537 und 3540 f. (Kritik an seinem Ansatz sogleich unter bb), insbesondere in Fn 1638). Anders ausgedrückt: Weil eingetragene Lebenspartnerschaften nach geltendem Verfassungsrecht nicht in den besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG einbezogen sind (vgl. die Nachweise sogleich in Fn 1593), kommt für sie die unter 1 d) abgeleitete bereichsspezifische Justierung des Leistungsfähigkeitsbegriffs nicht in Betracht. Folglich wirkte sich eine Übertragung der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif auf sie als relativ leistungsfähigkeitswidrige Begünstigung aus, die nicht gerechtfertigt werden könnte.

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dies der Fall gewesen und hat seine Grundlage im (primär) objektivrechtlichen Förderungsgebot1589 gefunden.1590 Namentlich für den Bereich des Steuerrechts war anerkannt, dass der Gesetzgeber Ehen besser behandeln durfte als andere Formen des Zusammenlebens.1591 Das ist bis vor kurzem nur von wenigen Stimmen in Abrede gestellt worden, die sich deshalb gegen eine steuerliche Besserbehandlung von Verheirateten ausgesprochen haben, weil die Ehe aufgrund des gesellschaftlichen Wandels aus heutiger Sicht weithin austauschbar sei und daher keine besondere Förderung verdiene.1592 Diese Auffassung hat sich zu Recht nicht durchsetzen können, da der gesellschaftliche Wandel die Funktionen der Ehe unberührt gelassen hat, so dass der in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Schutzgedanke nach wie vor Geltung beansprucht und damit für eine Förderung der Ehe streitet.1593 1589 Näher dazu Burgi, Der Staat 39 (2000), 487, 496 f.; zum weiten gesetzgeberischen Ermessen, das das BVerfG dem Gesetzgeber bei der Förderung von Ehe und Familie einräumt, siehe die Nachweise in Fn 1286. 1590 Grundlegend wiederum BVerfGE 6, 55, 76 f.; auf die dortigen Ausführungen Bezug nehmend etwa BVerfGE 87, 1, 35; BVerfGE 82, 60, 81; BVerfGE 55, 114, 126 f.; deutlich auch BVerfG NJW 1993, 3058, 3058; siehe ferner etwa BVerwGE 129, 129, 133 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 301; Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 6 Rn. 43; Burgi, Der Staat 39 (2000), 487, 501 ff.; Diederichsen, NJW 2000, 1841, 1842; Ipsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. VII, § 154 Rn. 53 ff.; G. Kirchhof, AöR 129 (2004), 542, 562; Pauly, NJW 1997, 1955, 1956 f.; Scholz/Uhle, NJW 2001, 393, 397 f.; Tettinger, JZ 2002, 1146, 1148; Zippelius, DÖV 1986, 805, 808 f.; Nachweise speziell zur Ehegattenförderung im Steuerrecht sogleich in Fn 1591. 1591 Vgl. neben BVerfGE 6, 55, 76 f. und BVerfGE 108, 361, 363 ff. auch etwa BVerfG NJW 1990, 1593, 1593; BVerfG BStBl. II 1990, 764, 764; BVerfG NJW 1984, 114, 114 (zum Erbschaftsteuerrecht, primär gestützt auf Art. 3 Abs. 1 GG); mit Blick auf das Ehegattensplitting siehe C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 1; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. A 211 ff.; Schöberle, aaO, § 32a Rn. C 20; Isensee, 57. DJT/II, N 58; Kanzler, DStJG 24 (2001), 417, 441; Klein, DStZ 1997, 105, 108; Selder, DStR 2013, 1064, 1066 f.; Thiede, Ehegattenbesteuerung, S. 93; aus der finanzgerichtlichen Rechtsprechung siehe z.B. BFH/NV 2007, 663, 665; BFH BStBl. II 2006, 884, 885; BFH BStBl. II 2006, 515, 517; BFH GrS BStBl. II 1989, 164, 169. 1592 Vgl. Deusch, Besteuerung, S. 34 ff., S. 43 ff.; C. Maurer, Anforderungen, S. 62 ff. (S. 68); Vollmer, Ehegattensplitting, S. 180 ff. (mit S. 178 ff.). 1593 Näher BVerfGE 105, 313, 345 f.; Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 6 Rn. 44; Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Rn. 17 f., 31 ff. (35), 46; Brosius-Gersdorf, Familienförderung, S. 486 ff.; Burgi, Der Staat 39 (2000), 487, 498 ff.; Di Fabio, NJW 2003, 993, 994, 997 f.; Ipsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. VII, § 154 Rn 13 ff.; P. Kirchhof, ZRP 2003, 73, 75 f.; Löhr/Serwe, Ehegattensplitting, S. 25 f., S. 31 ff.; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 45 ff.; Scholz/Uhle, NJW 2001, 393, 393 f. Dass sich kein Verfassungswandel vollzogen hat, der dazu nötigte, den verfassungsrechtlichen Be-

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Dieser weit verbreitete Konsens im Grundsätzlichen ist in jüngerer Zeit durch mehrere Entscheidungen zunächst des Ersten und sodann auch des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts partiell aufgebrochen worden, denn die neuere Rechtsprechung des Gerichts läuft auf eine Pflicht des Gesetzgebers hinaus, Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft weithin gleich zu behandeln.1594 Als Legitimationsgrundlage für eine Besserstellung Verheirateter kommt Art. 6 Abs. 1 GG nach dieser Rechtsprechung nur noch gegenüber sonstigen Lebensgemeinschaften in Betracht.1595 Den Ausgangspunkt dieser Rechtsprechungsentwicklung bildet das Urteil BVerfGE 105, 313, in der der Erste Senat die gesetzliche Regelung der eingetragenen Lebenspartnerschaft für verfassungsgemäß angesehen hat.1596 In diesem Urteil bekennen sich die Richter zwar verbal zum „Förderungsauftrag“ bzw. „-gebot“ zugunsten der Ehe, stellen jedoch im selben Atemzug fest, dass hieraus kein Gebot abgeleitet werden könne, andere Lebensformen zu benachteiligen.1597 Dementsprechend folge aus dem Förderungsauftrag keine Pflicht des Gesetzgebers, die Ehe im Umfang stets mehr zu schützen als andere Lebensgemeinschaften.1598 Das kann nicht überzeugen: Von „Förderung“ der Ehe kann nur dann die Rede sein, wenn sie eine im Vergleich zu anderen Formen des Zusammenlebens bevorzugte Behandlung erfährt;1599 andernfalls liegt bloße griff der Ehe und damit den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 GG aus heutiger Sicht weiter zu fassen (so aber Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 53, 83; Deusch, Besteuerung, S. 40 ff.; Kreß, ZRP 2012, 234, 234 f.; vgl. auch Michael, NJW 2010, 3537, 3537 ff.), ist ganz weithin anerkannt; ausführlich Kingreen, Stellung, S. 66 ff.; Pieroth/Kingreen, KritV 85 (2002), 219, 220 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen zur Gegenauffassung; siehe auch etwa BVerfG NJW 1993, 3058, 3058; Bültmann, StuW 2004, 131, 132; Robbers, aaO, Rn. 45 ff.; dens., JZ 2001, 779, 781; Burgi, aaO, S. 491 f.; Ipsen, aaO, Rn. 9. 1594 Siehe insbesondere BVerfG NJW 2012, 2719, 2720 f.; BVerfGE 126, 400, 414 ff., 419 ff., 425 ff.; BVerfGE 124, 199, 219 ff., 224 ff. (I. Senat); BVerfG NJW 2013, 2257, 2257 ff.; BVerfGE 131, 239, 258 ff. (II. Senat); Einzelheiten und weitere Nachweise im Folgenden. 1595 Gleicher Befund bei Selder, DStR 2013, 1064, 1006; vgl. BVerfG NJW 2013, 2257, 2259; BVerfGE 131, 239, 259 ff.; BVerfGE 124, 199, 224 ff. 1596 BVerfGE 105, 313, 342 ff. (zur materiellen Verfassungsmäßigkeit des LPartDisBG vom 16.2.2001, BGBl. I 2001, S. 266); Nachweise zur Gegenauffassung in Fn 1581. 1597 BVerfGE 105, 313, 348. Dem sind Teile des Schrifttums gefolgt; vgl. Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 6 Rn. 49; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn. 21; Brosius-Gersdorf, Familienförderung, S. 487 Fn 7 sowie auch Classen, JZ 2010, 411, 411; Pieroth/Kingreen, KritV 85 (2002), 219, 233 ff. 1598 BVerfGE 105, 313, 348 f. 1599 Einen entsprechenden Vergleichsmaßstab wendet auch das BVerfG selbst an, wenn es an gleicher Stelle ausführt, dass es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sei, die Ehe „gegenüber anderen Lebensformen“ zu begünstigen (BVerfGE 105, 313, 348); nicht überzeugend demgegenüber Pieroth/Kingreen, KritV 85 (2002), 219,

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Gleichbehandlung vor.1600 Förderungsgebot bedeutet daher denklogisch Differenzierungsgebot.1601 Hieraus folgt zugleich, dass der Erste Senat das Förderungsgebot in dieser Entscheidung der Sache nach aufgegeben hat.1602 Festgehalten hat der Senat allerdings daran, dass der Gesetzgeber die Ehe gegenüber anderen Lebensformen „begünstigen“ bzw. „privilegieren“ darf,1603 eine Förderung also zulässig ist. Was speziell das Ehegattensplitting angeht, hat das Gericht jedoch ausdrücklich offen gelassen, ob es sich hierbei um eine zulässige Maßnahme zur Förderung der Ehe handelt.1604 Deutlich bewahrendere Töne schlug demgegenüber zwischenzeitlich1605 der Zweite Senat in einem Nichtannahmebeschluss aus dem Jahre 2007 an, der die Einbeziehung eingetragener Lebenspartner in den beamtenbe-

233, denen zufolge das Förderungsgebot eine ausschließlich bipolare Struktur aufweise und daher von der rechtlichen Behandlung anderer Tatbestände unabhängig sei (ähnlich Classen, JZ 2010, 411, 411); zutreffend hingegen G. Kirchhof, AöR 129 (2004), 542, 563 a.E.: „im Vergleich zu anderen Gemeinschaften“ sowie Vollmer, Ehegattensplitting, S. 178: „Dabei ist zu beachten, daß sich jede Eheförderung im Verhältnis zu Unverheirateten als eine belastende Ungleichbehandlung darstellt.“ 1600 Treffend Hillgruber, JZ 2010, 41, 42; Ipsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. VII, § 154 Rn 54; Selder, DStR 2013, 1064, 1066 („Selbstverständlichkeit“); Tettinger, JZ 2002, 1146, 1148. Eine rein terminologische Frage ist es hingegen, ob man als Gegenbegriff zu „Förderung“ das Wort „Benachteiligung“ verwenden will (so etwa BVerfGE 82, 60, 80; anders hingegen G. Kirchhof, AöR 129 (2004), 542, 562 f. und wohl auch – allerdings nicht völlig klar – das Sondervotum Haas', BVerfGE 105, 359, 361) oder aber einen neutraleren Begriff bevorzugt. 1601 Siehe auch BFH/NV 2012, 1144, 1146. Solange man am Förderungsgebot festhält, erweist sich folglich die Auffassung, die ein „Differenzierungs-“ „Abstands-“ bzw. „Abbildungsgebot“ bejaht, notwendig als richtig. Sie wird beispielsweise vertreten von Bültmann, StuW 2004, 131, 134 und 140; Burgi, Der Staat 39 (2000), 487, 501 ff.; Ipsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. VII, § 154 Rn 54 ff.; Kanzler, DStJG 24 (2001), 417, 441; G. Kirchhof, AöR 129 (2004), 542, 562 a.E.; Pauly, NJW 1997, 1955, 1956; Robbers, JZ 2001, 779, 782; Scholz/ Uhle, NJW 2001, 393, 397 f.; Tettinger, JZ 2002, 1146, 1148 ff.; Zippelius, DÖV 1986, 805, 808 f. 1602 Ebenso Hillgruber, JZ 2010, 41, 41; Michael, NJW 2010, 3537, 3537 f.; vgl. auch Rieble, NJW 2011, 819, 821. 1603 BVerfGE 105, 313, 348. 1604 BVerfGE 105, 313, 357. 1605 Siehe nunmehr aber die konträren Beschlüsse BVerfG NJW 2013, 2257; BVerf GE 131, 239, die unter dem Eindruck der sogleich zu analysierenden Entscheidungen des Ersten Senats ergangen sein dürften; zu diesen Beschlüssen näher unten S. 329 f.

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soldungsrechtlichen Familienzuschlag erster Stufe betraf.1606 Der Senat hat sich hier – entsprechend den zuvor anerkannten Grundsätzen – auf den Standpunkt gestellt, dass Art. 6 Abs. 1 GG eine Besserbehandlung von Ehegatten aus sich heraus legitimieren könne, weil nur die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehe und der Gesetzgeber daher keinesfalls willkürlich handele, wenn er an diese, in der Verfassung selbst vorgenommene Unterscheidung anknüpfe.1607 Die Verfassung bilde mithin mit Art. 6 Abs. 1 GG selbst den sachlichen Differenzierungsgrund.1608 In diesem Sinne stelle die Vorschrift ein Differenzierungsgebot dar.1609 Als Korrektiv führt der Zweite Senat in diesem Beschluss lediglich an, dass die Art und Weise der Unterscheidung im Hinblick auf die tatsächlichen Lebensverhältnisse und ihre rechtliche Ausgestaltung nicht unverhältnismäßig sein dürfe.1610 Den Ersten Senat ließen diese Aussagen offensichtlich unbeeindruckt. Denn in der Entscheidung BVerfGE 124, 119, die die Besserbehandlung von Verheirateten bei der Hinterbliebenenversorgung im öffentlichen Dienst betrifft, jedoch in ihrer Bedeutung weit über diese Fragestellung hinausreicht,1611 hat er der Sache nach auch die Zulässigkeit einer auf Art. 6 Abs. 1 GG gestützten Eheförderung aufgegeben, soweit es um den Vergleich mit eingetragenen Lebenspartnerschaften geht.1612 Ausgehend 1606 BVerfG NJW 2008, 209, 210 f., bestätigt in BVerfG NJW 2008, 2325, 2326. Auf die mit diesen Entscheidungen im engsten Zusammenhang stehenden europarechtlichen Fragestellungen (vgl. EuGH NJW 2011, 2187, 2189 f. – „Römer“; EuGH NJW 2008, 1649, 1652 f. – „Maruko“; näher dazu Fastenrath, NJW 2009, 272, 273 ff.) braucht vorliegend nicht eingegangen zu werden, da der Richtlinie 2000/78/EG (ABl. EG L 303 v. 2.12.2000, S. 16) keine Aussagen über die Zulässigkeit des Ehegattensplittings entnommen werden können (näher BFH/NV 2007, 663, 665 f.; Löhr/Serwe, Ehegattensplitting, S. 65 f.; siehe auch Gehm, StBW 2012, 892, 892 a.E.; Michael, NJW 2010, 3537, 3539 a.E.); zu weiteren Sekundärrechtsakten sowie den Vorschriften des Primärrechts und der EMRK näher Löhr/ Serwe, aaO, S. 52 ff.; vgl. auch v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 176 ff. 1607 BVerfG NJW 2008, 209, 210 und 211; vgl. auch BVerfG NJW 2008, 2325, 2326: „der verfassungsrechtlichen Wertung aus Art. 6 I GG folgend“. 1608 BVerfG NJW 2008, 209, 211. 1609 BVerfG NJW 2008, 209, 210. 1610 BVerfG NJW 2008, 209, 210 und 211. 1611 Vgl. Hoppe, DVBl. 2009, 1516, 1517 ff.; Wiemann, NJW 2010, 1427, 1429 f. sowie die nachfolgenden Ausführungen. 1612 Vgl. BVerfGE 124, 199, 219 ff., 224 ff.; treffend dazu Hillgruber, JZ 2010, 41, 41 f.; Selder, DStR 2013, 1064, 1066 f.; siehe auch Rieble, NJW 2011, 819, 821 sowie Michael, NJW 2010, 3537, 3537 („Abstandsverbot“), der der Entscheidung allerdings folgt; ebenso Classen, JZ 2010, 411, 411 f.; Wiemann, NJW 2010, 1427, 1427 ff.; sie einschränkend interpretierend demgegenüber Löhr/Serw­e­, Ehegat-

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von Art. 3 Abs. 1 GG wendet das Gericht einen strengen Maßstab bei der Prüfung an, ob ein hinreichend gewichtiger Differenzierungsgrund besteht, was es vor allem darauf stützt, dass eine Ungleichbehandlung von Personengruppen vorliege und zudem das Merkmal der sexuellen Orientierung betroffen sei.1613 Ein derartiger rechtfertigender Grund bestehe jedoch nicht, da sich die Lebenssituationen von Ehegatten und Lebenspartnern nicht unterschieden.1614 Sowohl die Ehe als auch die Lebenspartnerschaft seien nämlich auf Dauer angelegt und begründeten gegenseitige Einstandspflichten.1615 Auch der Aspekt, dass aus der Ehe häufig Kinder hervorgehen, habe insoweit keine Bedeutung, sondern betreffe in erster Linie den Schutz der Familie.1616 Vor diesem Hintergrund reiche Art. 6 Abs. 1 GG als Legitimationsgrundlage für eine Besserbehandlung Verheirateter allein nicht aus.1617 In nicht überzeugender Weise1618 heißt es hier: „Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht. Denn aus der Befugnis, in Erfüllung und Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Förderauftrags die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich kein in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenes Gebot ableiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Es ist verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zu Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind (vgl. tensplitting, S. 47 ff., die die Ausführungen des Senats (zu Unrecht) als „nicht verallgemeinerungsfähig“ ansehen (S. 47 a.E.). 1613 BVerfGE 124, 199, 219 ff.; dem folgend etwa Stepputat, FR 2010, 831, 834 f.; siehe dazu bereits oben Fn 1586. 1614 BVerfGE 124, 199, 226 ff. (mit Blick auf die betriebliche Hinterbliebenenversorgung). 1615 BVerfGE 124, 199, 225; dem folgend Classen, JZ 2010, 411, 411. 1616 BVerfGE 124, 199, 226 f.; vgl. auch S. 229 f. Es erstaunt, dass das BVerfG bei der hier vorgenommenen Separierung des Schutzes der Ehe von dem der Familie (zustimmend Wiemann, NJW 2010, 1427, 1429; offener BVerfGE 126, 400, 426 ff.) die herrschende Gegenauffassung (vgl. die Nachweise in Fn 1593) nicht einmal erwähnt. Vor allem steht dieser Ansatz in offensichtlichem Gegensatz zu der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG; siehe exemplarisch BVerfGE 76, 1, 51 sowie aus jüngerer Zeit BVerfGE 117, 316, 328 f. Die nunmehr in BVerfG NJW 2013, 2257, 2262 vom Zweiten Senat in dieser Hinsicht getroffenen Aussagen gehen offenkundig an den lebenstatsächlichen Gegebenheiten vorbei (dazu zuletzt Selder, DStR 2013, 1064, 1066 f.). 1617 BVerfGE 124, 199, 224 ff. 1618 Siehe oben bei Fn 1599. Ferner vermischt das BVerfG in seinen sogleich wörtlich zitierten Ausführungen die Ebenen Zulässigkeit und Gebot der Eheförderung (treffend dazu wiederum Hillgruber, JZ 2010, 41, 42).

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Verfassungsrechtliche Vorgaben BVerfGE 105, 313 [348]). Hier bedarf es jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertigt.“1619

Diese Rechtsprechung hat der Senat in der Entscheidung BVerfGE 126, 400 aufgegriffen und die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft nach den bis 2008 geltenden Vorschriften des ErbStG 1997 über Steuerklassen und -sätze (§§ 15, 19) sowie Freibeträge (§§ 16, 17) für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt.1620 Wörtlich heißt es – ebenfalls ohne Überzeugungskraft:1621 „Die Befugnisse des Staates, in Erfüllung seiner grundgesetzlichen Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 1 GG für Ehe und Familie tätig zu werden, bleiben also gänzlich unberührt von der Frage, inwieweit Dritte etwaige Gleichbehandlungsansprüche geltend machen können. Allein der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) entscheidet nach Maßgabe der vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Anwendungsgrundsätze darüber, ob und inwieweit Dritten, wie hier den Lebenspartnern, ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit einer gesetzlichen oder tatsächlichen Förderung von Ehegatten und Familienangehörigen zukommt. Dies verkennt der Bundesfinanzhof in den angegriffenen Entscheidungen, indem er die Förderung der Ehegatten und damit die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner im Erbschaftsteuerrecht im Wesentlichen durch den bloßen Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 GG für gerechtfertigt hält, weil sich nur die Ehegatten, nicht aber die Lebenspartner auf den grundrechtlichen Schutz der Ehe berufen können.“1622

In entsprechender Weise hat der Erste Senat sodann in Bezug auf die Frage entschieden, ob eingetragene Lebenspartner in die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. einzubeziehen waren.1623 Dieser Rechtsprechungslinie ist schließlich auch der Zweite Senat gefolgt, als er erneut über die Übertragung des beamtenbesoldungsrechtlichen Familienzuschlags erster Stufe auf Lebenspartner zu befinden hatte.1624 Bemerkenswerterweise fehlt es in dem entsprechenden Beschluss an jeder Ausein1619 BVerfGE 124, 199, 226. Auf Grundlage der Ausführungen in dieser Entscheidung dürfte ein solcher Sachgrund im Verhältnis der Ehe zur eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht in Betracht kommen (treffend Michael, NJW 2010, 3537, 3541; Wiemann, NJW 2010, 1427, 1429 f.). Vor diesem Hintergrund muss die wiederholte Betonung des „Förderungsauftrags“ bzw. der Begünstigungsmöglichkeit in diesem Teil der Entscheidung (siehe namentlich auch S. 225) erstaunen, denn sie geht insoweit ins Leere. 1620 BVerfGE 126, 400, 414 ff., 419 ff., 425 ff.; die Entscheidung begrüßend Messner, DStR 2010, 1875, 1876. 1621 Siehe wiederum bei und in Fn 1599. 1622 BVerfGE 126, 400, 420 f. 1623 BVerfG NJW 2012, 2719, 2720 f. 1624 BVerfGE 131, 239, 258 ff.

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andersetzung mit der eigenen, entgegengesetzten Rechtsprechung des Senats aus den Jahren 2007 und 2008.1625 In der Konsequenz dieser Entscheidungen liegt es, Lebenspartner in das Ehegattensplitting einzube­ ziehen,1626 denn wie unter aa) herausgestellt wurde, bestehen in Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit keinerlei (rechtlich relevante) Unterschiede zur Ehe.1627 Diese Konsequenz hat der Zweite Senat jüngst auch gezogen, wenngleich der Aspekt der wirtschaftlichen Leistungs­ fähigkeit in seinen Ausführungen bemerkenswerterweise nicht vorkommt.1628 Inhaltlich knüpft seine Entscheidung nahtlos an die vorstehend analysierten Judikate des Gerichts an. Wie bereits dargestellt, vermag diese Rechtsprechung allerdings nicht zu überzeugen. Sie läuft auf eine Pflicht zur Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft hinaus, die – wie im Schrifttum bereits mit deutlichen Worten herausgestellt worden ist – nicht mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbart werden kann.1629 Denn Art. 6 Abs. 1 GG stellt nur die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung, so dass die Vorschrift selbst einen tragfähigen Differenzierungsgrund bildet.1630 Dies hat der Rechtsanwender so lange zu akzeptieren, wie sich kein Verfassungswandel vollzieht1631 bzw. die Vorschrift nicht geändert wird.1632 Einer weiter1625 Nachweise in Fn 1606. 1626 Gleicher Befund bei FG Nürnberg EFG 2011, 464, 466 f.; FG Niedersachsen DSt  RE 2011, 675, 675 f.; Hoppe, DVBl. 2009, 1516, 1517 ff.; Liebl, DStZ 2011, 129, 131 ff.; Messner, DStR 2010, 1875, 1878; Selder, DStR 2013, 1064, 1064 ff.; Stepputat, FR 2010, 831, 836 ff.; Wiemann, NJW 2010, 1427, 1429 f.; im Ergebnis auch BFH/NV 2012, 1144, 1146 f.; vgl. ferner Gehm, StBW 2012, 892, 895 f.; mit Blick auf die Besonderheiten des Einkommensteuerrechts unentschieden (jedoch kritisch) Birk, FR 2012, 1029, 1032; mit Blick auf diesen Regelungsbereich a.A. aber Löhr/Serwe, Ehegattensplitting, passim, insbesondere S. 48 ff. 1627 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch BVerfGE 124, 199, 224 ff. sowie BVer fGE 126, 400, 422 f. Der Hinweis auf Geschwistergemeinschaften in BFH/NV 2012, 1144, 1145 f. (siehe auch Selder, DStR 2013, 1064, 1067) vermag demgegenüber schon deshalb nicht zu überzeugen, weil es bei ihnen an einer vergleichbaren institutionellen Verfestigung fehlt (vgl. zudem die Ausführungen unter b)). 1628 BVerfG NJW 2013, 2257, 2257 ff. 1629 Hillgruber, JZ 2010, 41, 41 f.; Rieble, NJW 2011, 819, 821; Selder, DStR 2013, 1064, 1066 f. (siehe die wörtlichen Zitate sogleich in Fn 1632); kritisch zum Ansatzpunkt des BVerfG auch Birk, FR 2012, 1029, 1032; für den Regelungsbereich speziell des Ehegattensplittings gleichsinnig Löhr/Serwe, Ehegattensplitting, passim, insbesondere S. 17 ff., S. 44 ff. (S. 50 f.). 1630 Hillgruber, JZ 2010, 41, 42; vgl. auch Rieble, NJW 2011, 819, 821. 1631 An ihm fehlt es bisher; siehe die entsprechenden Nachweise in Fn 1593. 1632 Prononciert Hillgruber, JZ 2010, 41, 42 (zur abweichenden Rechtsprechung des BVerfG): „eklatante verfassungsgerichtliche Missachtung dieser Wertentscheidung“, „objektiv willkürlich“; Selder, DStR 2013, 1064, 1067: „demontiert“,

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gehenden Rechtfertigung für die Privilegierung der Ehe bedarf es daher – anders als das Bundesverfassungsgericht meint – von vornherein nicht.1633 Die in Rechtsprechung und Schrifttum verbreiteten Ansätze zur argumentativen Unterfütterung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe (etwa: „rechtliche Absicherung der Partner bei der Gründung einer Familie mit gemeinsamen Kindern“)1634 haben mithin im Kern beschreibenden, nicht aber materiell-begründenden Charakter. Dementsprechend läuft auch die entgegengesetzte – inhaltlich ohnehin zweifelhafte1635 – Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, dass die Rechtfertigung für die Privilegierung der Ehe in der auf Dauer übernommenen, auch rechtlich verbindlichen Verantwortung für den Partner liege und insoweit kein Unterschied zur eingetragenen Lebenspartnerschaft bestehe,1636 bereits im Ausgangspunkt leer, weil es darauf angesichts der vom Verfassungsgeber selbst getroffenen Entscheidung (Art. 6 Abs. 1 GG) gar nicht ankommt.

Allein fraglich kann vielmehr sein, welche Grenzen der Gesetzgeber bei der zulässigen und gebotenen Differenzierung zwischen der Ehe und sonstigen Formen des Zusammenlebens einhalten muss. Richtigerweise ist er in der Intensität der Förderung der Ehe prinzipiell frei, solange er die allgemeinen (sachbereichsbezogenen) verfassungs-1637 und europarechtli-

„Leerformel“; gleichsinnig Rieble, NJW 2011, 819, 821 „Das lässt sich als mutige ‘kreationistische’ Verfassungsfortentwicklung einordnen – aber ebenso als klarer Verfassungsbruch durch das Verfassungsgericht, dem es nicht zukommt, die spießbürgerlichen Vorstellungen von ‘Herrenchiemsee’ zu ändern. Mit den strengen Maßstäben der hier besprochenen Entscheidung [BVerfGE 128, 193, d. Verf.] spricht alles für den Verfassungsbruch, also die ignorierte Bindung des Gerichts an das Grundgesetz.“ 1633 Richtig BVerfG NJW 2008, 209, 210 f.; Hillgruber, JZ 2010, 41, 42; siehe auch etwa BFH/NV 2012, 1144, 1145; BFH BStBl. II 2006, 515, 517; Birk, FR 2012, 1029, 1032; Ipsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. VII, § 154 Rn 58; Pauly, NJW 1997, 1955, 1956 f.; Rieble, NJW 2011, 819, 821 sowie für die einkommensteuerrechtliche Behandlung auch Löhr/Serwe, Ehegattensplitting, S. 17 ff., S. 44 ff. (S. 50 f.); a.A. C. Maurer, Anforderungen, S. 63 ff.; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 178 ff. 1634 So BVerfG NJW 1993, 3058, 3058; siehe beispielsweise auch BVerfGE 76, 1, 51 sowie die Nachweise in Fn 1593; vgl. in diesem Zusammenhang ferner Art. 119 WRV. 1635 Siehe oben Fn 1616. 1636 Siehe insbesondere BVerfGE 124, 199, 225 sowie auch etwa Rauch, DStR 2006, 1823, 1826 f. 1637 Im Sachgebiet des Steuerrechts ist namentlich auf das Leistungsfähigkeitsprinzip hinzuweisen (dazu ausführlich oben 1.). Nicht jedoch kann – aus den hier an­ geführten Gründen – die rechtliche Behandlung eingetragener Lebenspartnerschaften den Vergleichsmaßstab bilden; insoweit a.A. Löhr/Serwe, Ehegatten­ splitting, S. 45 ff. (unter Bezugnahme auf die jüngere Rechtsprechung des Ersten Senats).

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chen1638 Vorgaben einhält. Ferner muss er „die tatsächlichen Lebensverhältnisse“ der übrigen Formen des Zusammenlebens respektieren und „ihre rechtliche Ausgestaltung“ vertretbar abbilden,1639 soweit eine solche vorhanden ist.1640 Mithin unterliegen sie dem allgemeinen freiheitsund gleichheitsrechtlichen Schutz,1641 wobei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, ihrem Zusammenleben einen institutionellen Rahmen zu verleihen.1642 Die Behandlung Verheirateter ist jedoch aus der gleichheitsrechtlichen Betrachtung auszuklammern. Für die Besteuerung eingetragener Lebenspartner folgt daraus vor allem, dass sie eine in absoluter Hinsicht leistungsfähigkeitsgerechte Behandlung erfahren müssen. Den Gesetzgeber trifft zwar keine Pflicht, sie in das Splittingverfahren einzubeziehen. Jedoch muss er die vorhandenen zivilrechtlichen Unterhaltspflichten in angemessener Höhe abbilden.1643

1638 Vgl. in vorliegendem Kontext Fn 1606. Nicht hingegen geht es an, eingetragene Lebenspartner ganz generell und losgelöst von den konkret einschlägigen europarechtlichen Vorgaben unter Berufung auf eine europarechtsfreundliche Auslegung des nationalen Verfassungsrechts in den besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG einbeziehen zu wollen (so aber Michael, NJW 2010, 3537, 3537 und 3539 ff.). 1639 Bezug genommen wird hier auf die Formulierungen des Zweiten Senats in BVer fG NJW 2008, 209, 210 und 211. M.E. bleibt für die dort vorgenommene Vergleichsbetrachtung (und das darauf basierende Verhältnismäßigkeitskriterium) kein Raum, wenn der Gesetzgeber in der im Haupttext beschriebenen Weise vorgeht. 1640 Vgl. auch BVerwGE 129, 129, 133 f.; Robbers, JZ 2001, 779, 783 f. („Sachgerechtigkeit“); weitergehend Kingreen, Stellung, S. 174 ff., S. 206 f.; Vollmer, Ehegattensplitting, S. 178 f. 1641 Zum freiheitsrechtlichen Schutz nicht ehelicher Lebensgemeinschaften vgl. Kingreen, Jura 1997, 401, 407; dens., Stellung, S. 71 ff.; v. Proff zu Irnich, eheähnliche Gemeinschaft, S. 63 ff.; Robbers, JZ 2001, 779, 781; zum Aspekt des Vergleichs ihrer Ausprägungen untereinander siehe Kingreen, aaO, S. 261 ff.; Pauly, NJW 1997, 1955, 1956 f. 1642 Robbers, JZ 2001, 779, 781 ff.; vgl. auch etwa BVerfG NJW 1993, 3058, 3058 f.; Zippelius, DÖV 1986, 805, 809. Ob und inwieweit er hierzu sogar verpflichtet ist, bedarf für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung keiner Klärung. Nicht ausgeschlossen ist es selbstverständlich auch, eine Vorschrift, die nach ihrem Wortlaut nur Ehen erfasst, auf andere Formen des Zusammenlebens anzuwenden, wenn dies nach den allgemeinen methodischen Grundsätzen möglich ist (im gleichen Sinne Robbers, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 6 Rn. 44; siehe insbesondere BVerfGE 82, 6, 11 ff., 13 ff.; BGHZ 121, 116, 121 ff.; vgl. auch Kingreen, Jura 1997, 401, 407 f.; dens., Stellung, S. 244 ff.). Letzteres ist jedoch namentlich dann nicht der Fall, wenn mit der jeweiligen Vorschrift eine Privilegierung der Ehe bezweckt worden ist. 1643 Insoweit auch BVerfGE 105, 313, 356 f.; vgl. dazu oben 1 c) sowie auch BFH BSt Bl. II 2006, 515, 517. Ob das in § 33a EStG geschehen ist (so etwa BFH BSt  Bl. II 2006, 883, 885 ff.; Löhr/Serwe, Ehegattensplitting, S. 73 ff.; a.A. Liebl,

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Verfassungsrechtliche Vorgaben

Als Ergebnis ist festzuhalten: Art. 6 Abs. 1 GG bietet eine genügende Rechtfertigung für die im Ehegattensplitting liegende Förderung zusammen lebender Verheirateter, und zwar gerade auch im Verhältnis zu eingetragenen Lebenspartnern. Insoweit handelt es sich bei dem Ehegattensplitting um eine gesetzgeberische Konkretisierung des aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden Förderungsgebots,1644 die aus sich heraus geeignet ist, die Schlechterbehandlung anderer Formen des Zusammenlebens zu rechtfertigen.1645 Die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auf eine grundsätzliche Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft hinausläuft, vermag nicht zu überzeugen. Die Aussage, dass Art. 6 Abs. 1 GG insoweit Vorrang vor Art. 3 Abs. 1 GG genießt,1646 erweist sich mithin nach wie vor als richtig. d) Ergebnis und Folgerungen Eine Übertragung des Ehegattensplittings auf nicht eheliche Lebensgemeinschaften ist weder geboten noch sinnvoll, solange es an einer institutionellen Verfestigung der jeweiligen Gemeinschaft fehlt. Es besteht auch keine Verfassungspflicht, seinen Anwendungsbereich auf eingetragene Lebenspartnerschaften zu erweitern, obwohl die lebenstatsächliche Ausgangslage hier im Wesentlichen gleich und die Lebenspartnerschaft rechtlich in ähnlicher Weise verfestigt ist wie die Ehe. Denn erstens trägt das Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG bereits aus sich heraus eine Besserbehandlung Verheirateter. Und zweitens führte eine Einbeziehung der Lebenspartner in das Splittingverfahren dazu, sie mittelbar am verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe teilhaben zu lassen.1647 Für den weiteren Verlauf dieser Untersuchung spielt es allerdings keine entscheidende Rolle, dass eingetragene Lebenspartnerschaften aufgrund DStZ 2011, 129, 132; vgl. auch oben Fn 1585), bedarf für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung keiner abschließenden Klärung. 1644 Vgl. BVerfGE 108, 351, 365 (jedoch mit Blick auf den Vergleich zwischen bestehenden und geschiedenen Ehen). 1645 Vgl. BVerfGE 6, 55, 76 f. Eine derartige Rechtfertigung wird im Übrigen nur dann erforderlich, wenn sich die Lebenssituationen in Bezug auf den jeweiligen rechtlichen Kontext als vergleichbar erweisen. 1646 So Coester-Waltjen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 6 Rn. 43, die diesen Gedanken allerdings in der Neuauflage vor dem Hintergrund der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG relativiert hat. Dieser Vorrang wirkt sich (erst) auf Rechtfertigungsebene aus; zu Unrecht (siehe Fn 1584) weitergehend Ipsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb. StaatsR, Bd. VII, § 154 Rn 58 (fehlende Vergleichbarkeit); zum Verhältnis zu Art. 3 Abs. 3 GG siehe BVerfG NJW 2008, 209, 210; Hillgruber, JZ 2010, 41, 43. 1647 Näher oben S. 323.

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der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in das Splittingverfahren einzubeziehen sind,1648 denn die daran anknüpfenden, den Innenausgleich betreffenden Sachfragen sind identisch.1649 Dass Art. 6 Abs. 1 GG eine entscheidende Rolle für die Legitimation des Splittingverfahrens spielt und dass dieser Umstand auch für den zivilrechtlichen Ausgleich Bedeutung erlangen kann, ändert hieran im Ergebnis nichts. Denn durch die Gleichbehandlung mit der Ehe wird die Lebenspartnerschaft mittelbar (und notwendig) in die Schutzwirkung des Art. 6 Abs. 1 GG einbezogen. Das hat zur Konsequenz, dass die Folgerungen, die aus dieser Vorschrift für die Zivilrechtslage zu ziehen sind, gleichsam reflexartig auch für die Lebenspartnerschaft Geltung beanspruchen.

1648 BVerfG NJW 2013, 2257, 2257 ff. (sogar mit Rückwirkung; dazu Sanders, NJW 2013, 2236, 2237); siehe nunmehr § 2 Abs. 8 EStG in der Fassung des Gesetzes v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, S. 2397. Wie die Ausführungen unter c) zeigen, ist diese Einbeziehung jedoch ihrerseits verfassungsrechtlich nicht zu halten. 1649 Die Frage nach zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen stellt sich (unabhängig vom Aspekt der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit) so lange, wie es in der Rechtspraxis zu einer Anwendung des Splittingverfahrens kommt. Aus Sicht des Zivilrechts bildet die Steuerrechtslage nämlich ein extern vorgegebenes Faktum (vgl. kontextübergreifend Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 112).

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§ 11 Zivilrechtlicher Steuerausgleich A. Folgerungen aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben I. Ausgleichsanspruch als normativer Ausnahmefall Die bisherigen Erkenntnisse lassen wichtige Rückschlüsse für die hier zu prüfende Frage nach zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen zu. Insbesondere ergeben sich aus den soeben aufgezeigten verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Ehegattensplittings Folgerungen sowohl für die Frage, wie die entstandene Steuerersparnis zu verteilen ist, als auch dafür, ob die Einzelveranlagung tatsächlich dasjenige Grundmodell bildet, von dem aus sich bestimmen lässt, ob ein Vorteil bzw. Nachteil vorliegt.1650 Auf die entsprechenden Einzelheiten wird sogleich eingegangen. Dem vorgelagert ist jedoch folgende zentrale Erkenntnis, die sich ebenfalls aus den soeben analysierten Hintergründen des Ehegattensplittings ergibt: Legt man die Vorstellungen zugrunde, auf denen es basiert und die seine verfassungsrechtliche Legitimation begründen, so haben zivilrechtliche Ausgleichsansprüche unter zusammen veranlagten Verheirateten Ausnahmecharakter. Dies gilt zunächst für die Steuerersparnis, die im Regelfall aus der Anwendung des Splittingverfahrens resultiert: Sie ist verfassungsrechtlich nur deshalb gerechtfertigt, weil der Steuergesetzgeber typisierend davon ausgehen darf, dass unter zusammen lebenden Verheirateten ein umfassender wechselseitiger Mitteltransfer infolge des gemeinsamen Wirtschaftens stattfindet. Wenn die Verhältnisse innerhalb der jeweiligen Ehe diesem Modell entsprechen, kommt es weder zu einer einseitigen Vermögensbildung noch zu einem einseitigen Mehrkonsum. Folglich besteht auch kein Bedürfnis für einen zivilrechtlichen Ausgleich, weil ohnehin beide Partner gleichmäßig an den erworbenen Mitteln teilhaben. Diese Aussage – kein Ausgleichsbedürfnis und damit auch kein zu erfüllender Ausgleichsanspruch – greift nicht nur in Bezug auf die Splittingersparnis Platz, sondern betrifft gleichermaßen den Aspekt des Nachteilsausgleichs, der in dieser Situation ebenfalls keine Bedeutung erlangt, weil eine entsprechende Kompensation bereits durch die wechselseitige Teilhabe an Einkünften und Lasten bewirkt wird. Gleiches gilt für etwaige Nachzahlungen und Steuererstattungen, da sie

1650 Siehe zu diesen Fragestellungen § 10 A.

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aus den gemeinschaftlichen Mitteln bedient werden bzw. diese mehren.1651 Die in der Zivilrechtsdogmatik vorherrschende Vorstellung, dass solche Fälle der so genannten „familienrechtlichen Überlagerung“ zwar praktisch häufig auftreten, jedoch in normativer Hinsicht einen Ausnahmefall bilden, weil grundsätzlich eine Ausgleichspflicht besteht,1652 trifft mithin nicht zu, wenn man die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Ehegattenbesteuerung mit in die Betrachtungen einbezieht. Die geschilderte Sichtweise beruht vielmehr auf einem Modell der grundsätzlichen Vermögensseparierung, das sich an den Regelgüterständen orientiert,1653 jedoch bereits aus zivilrechtlicher Sicht nicht vollständig ist, weil es die Unterhaltspflichten ausblendet.1654 Demgegenüber liegt dem Ehe­ gattensplitting eine am lebenstatsächlichen Regelfall orientierte wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde,1655 die in Teilbereichen von der zivilrechtlichen Ausgangslage abweicht.1656 Entspricht die jeweilige Ausgestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse diesem Regelfall, scheiden zivilrechtliche Ansprüche von vornherein aus.1657 Nur wenn die Eheleute hiervon abweichen, d.h. soweit sie getrennt wirtschaften, kann ein Ausgleichsbedürfnis entstehen. Aber auch in einem solchen Fall kommt eine einvernehmliche Kompensation über Unterhaltsleistungen oder auf sonstige Weise in Betracht.1658 Vor diesem Hintergrund sollte der Begriff „familienrechtliche Überlagerung“ aufgegeben werden, denn er kehrt das Regel-Ausnahme-Verhältnis um, indem er suggeriert, dass zwischen zusammen veranlagten Ehegatten im Normalfall, d.h. bei fehlender „Überlagerung“, ein Steueraus1651 Es fehlt folglich an dem in § 7 herausgearbeiteten Kriterium der maßstabswidrigen Steuerlastverschiebung. 1652 Nachweise in § 9. 1653 Näher zur Rechtslage im gesetzlichen Güterstand sowie bei Wahl von Gütertrennung oben S. 277 ff. und S. 313 ff. 1654 Näher dazu unten B. 1655 Siehe wiederum BVerfGE 61, 319, 346: „Damit knüpft das Splitting an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an, in der ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfindet […].“ 1656 Dazu näher oben S. 277 ff., S. 293 ff. und S. 313 ff. 1657 Ganz ähnlich Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 205 ff. (S. 209 f.), der allerdings – anders als hier – offenbar davon ausgeht, dass Ausgleichsansprüche unter zusammen lebenden Ehegatten praktisch immer ausscheiden, weil eine Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Das erscheint in dieser Allgemeinheit jedoch nicht realitätsgerecht (siehe bereits oben S. 305 f. sowie im Folgenden); zu weitgehend jedenfalls Struck, StVj 1993, 351, 351 ff., der Ausgleichs- und sonstigen Ansprüchen außerhalb des Güterrechts ablehnend gegenübersteht. 1658 Einzelheiten in den folgenden Abschnitten.

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gleich geschuldet wäre. Wie gezeigt, trifft dies jedoch nicht zu: Im lebens­ praktischen Regelfall, den der Gesetzgeber (in Übereinstimmung mit den Wertungen des Verfassungsrechts) zum Anknüpfungspunkt seiner Regelung gemacht hat, erfolgt die Besteuerung vielmehr leistungsfähigkeitsgerecht – und es besteht mangels maßstabswidriger Steuerlastverschiebung gerade kein zivilrechtliches Ausgleichsbedürfnis.1659 Der Begriff „Überlagerung“ ist in der bisherigen Untersuchung dementsprechend auch in einem völlig anderen Sinne verwendet worden, nämlich zur Bezeichnung von Situationen, in denen deshalb kein Ausgleich geschuldet ist, weil die Parteien einen leistungsfähigkeitswidrigen Zustand rechtsgeschäftlich perpetuiert haben oder einvernehmlich von einem leistungsfähigkeitskonformen Besteuerungsergebnis abgewichen sind.1660

II. Aufteilung der Steuerersparnis Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen lässt sich auch beantworten, wie die Steuerersparnis, die sich aus der Zusammenveranlagung ergibt, erforderlichenfalls verfassungsoptimal zuzuweisen ist. Was zunächst die Höhe dieser Ersparnis angeht, bildet sie im Normalfall hauptsächlich eine Folge der Anwendung des Splittingtarifs (§ 32a Abs. 5 EStG).1661 Daneben können aus der materiell-rechtlichen Ausgestaltung der Zusammenveranlagung, insbesondere der in § 26b EStG zum Ausdruck kommenden Einheitsvorstellung, sowie aus dem Eingreifen besonderer Steuersätze (z.B. §§ 32b, 34 EStG) weitere Effekte resultieren, die sich insgesamt positiv oder negativ auswirken.1662 Aus dem Zusammenwirken dieser Aspekte ergibt sich als Saldo die tatsächliche Steuer- bzw. „Splitting“ersparnis,1663 ohne dass für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung zwischen den verschiedenen Einflussfaktoren unterschieden

1659 Zum Aspekt der Vorteilsberechtigung siehe sogleich unter II. 1660 Zusammenfassend oben S. 229. 1661 Anders kann sich die Lage namentlich dann darstellen, wenn es zu einer ehegattenübergreifenden Verlustverrechnung kommt. Diese Situationen bleiben zunächst ausgeklammert, da insoweit Besonderheiten zu beachten sind. Auf sie wird im Nachgang (in einer Gesamtschau) unter F. eingegangen. 1662 Vgl. die Zusammenstellung bei C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26a Rn. 8 ff.; siehe auch unten IV 4. Nicht gemeint ist hier allerdings der bei C. Seiler primär beleuchtete (Grenz-)Fall, dass die Zusammenveranlagung insgesamt nachteilig ist (vgl. Fn 1244). Er kann für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung vernachlässigt werden, da sich die Ehegatten in derartigen Fällen in aller Regel einzeln veranlagen lassen. 1663 Zu der hier verwendeten Terminologie siehe oben Fn 1194.

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werden müsste,1664 denn das Verfahren der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif hat (als Ganzes) einheitliche verfassungsrechtliche Wurzeln, die wichtige Rückschlüsse für die interne Verteilung der Steuerersparnis zulassen. Sie werden im Folgenden aufgezeigt. Die Vorschriften über die Besteuerung zusammen veranlagter Ehegatten finden ihre Rechtfertigung sowohl im Leistungsfähigkeitsprinzip als auch – eng damit verknüpft – im verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe. Wie in § 10 nachgewiesen wurde, bedarf es eines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 GG, um die Übereinstimmung dieser besonderen Ausprägung der Einkommensbesteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu begründen. Nach der hier vertretenen, vom Bundesverfassungsgericht jedoch nicht geteilten Auffassung hat die Vorschrift ferner als Legitimationsgrundlage für die Besserbehandlung zusammen lebender Verheirateter im Vergleich zu Lebenspartnern gedient. Für die Verteilung der Steuerersparnis lassen sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ebenfalls ganz wesentliche Folgerungen ableiten: Wie bereits in ähnlichem Zusammenhang auf S. 304 betont worden ist, schützt die Vorschrift die Ehe, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten als gleichberechtigte Partner,1665 deren einvernehmliche Beiträge zur Ausgestaltung des Ehe- und Familienlebens von Verfassungs wegen als gleichwertig angesehen werden.1666 Aus diesem Befund hat das Bundesverfassungsgericht für den nachehelichen Unterhalt abgeleitet, dass beide Ehegatten grundsätzlich Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten haben; es sei ihnen dementsprechend zu gleichen Teilen zuzuordnen.1667 Diese Ausführungen lassen sich ohne weiteres auf die Splittingersparnis übertragen, da sie das steuerrechtliche Spiegelbild und damit eine wirtschaftliche Folge ebendieses arbeitsteiligen Wirtschaftens darstellt.1668 Art. 6 Abs. 1 GG streitet mithin dafür, sie beiden Partnern gleichermaßen zugute kommen zu lassen. 1664 Eine Ausnahme ist lediglich dort zu machen, wo Verluste eine Rolle spielen (siehe dazu Fn 1661). 1665 Vgl. wiederum BVerfGE 128, 193, 207; BVerfGE 105, 1, 10; BVerfGE 35, 382, 408 (jeweils unter ergänzender Heranziehung von Art. 3 Abs. 2 GG) sowie auch BVer fGE 76, 1, 44 f.; weitere Nachweise in Fn 1495; näher zum verfassungsrechtlichen Ehebegriff oben Fn 1385. 1666 BVerfGE 128, 193, 207; BVerfGE 105, 1, 10 ff. Dieser Zusammenhang kommt im einfachen Recht in § 1360 Satz 2 BGB zum Ausdruck; siehe dazu die Nachweise in Fn 1497. 1667 BVerfGE 128, 193, 207; BVerfGE 105, 1, 12; siehe auch Dethloff, 67. DJT/I, A 48 f., A 59 f. Die von dem Gericht in diesem Kontext verwendeten Formulierungen gehen jedoch teilweise zu weit (vgl. oben Fn 1466 und 1530). 1668 Zur Verallgemeinerungsfähigkeit der obigen Ausführungen vgl. Dethloff, 67. DJT/I, A 130, allerdings bezogen auf die Ausgleichssysteme Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich in Scheidungssituationen.

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Auch aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip als zweiter verfassungsrechtlicher Grundlage der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif lassen sich Ableitungen treffen: Als leistungsfähigkeitsgerecht kann dieses Verfahren (nur) deshalb angesehen werden, weil zusammen lebende Ehegatten typischerweise eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden, in der eine voll­ umfängliche Mittelteilhabe stattfindet. Hierin unterscheidet sich die Ausgangslage namentlich von getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten. Der Gedanke der Wirtschaftsgemeinschaft als hinter dem Splittingverfahren stehender Typisierungsaspekt spricht ebenfalls dafür, die Ehegatten gleichberechtigt an der Steuerersparnis zu beteiligen.1669 Sowohl der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe als auch das Leistungsfähigkeitsprinzip streiten mithin dafür, den Splittingvorteil beiden Partnern zuzuweisen. Diese gemeinsame Teilhabe ist wiederum dann sichergestellt, wenn das jeweilige Ehepaar auch tatsächlich in der soeben beschriebenen Weise wirtschaftet. Wie unter I. dargelegt, stellt sich die Ausgleichsfrage dann aber von vornherein nicht. Dies kann anders sein, wenn der – aus normativer Sicht untypische – Fall eintritt, dass kein umfassender Mitteltransfer stattfindet, weil die Eheleute weder gemeinschaftlich wirtschaften, noch sonst eine hälftige Aufteilung sämtlicher erworbenen Mittel stattfindet. Dann trägt das Ehegattensplitting den Charakter einer echten Steuervergünstigung.1670 Wie soeben nachgewiesen, lassen die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Ehegattensplittings hier Ableitungen für die interne Zuweisung des entsprechenden Steuervorteils zu: Da Art. 6 Abs. 1 GG „die Ehe“ und nicht den allein- oder besserverdienenden Ehegatten schützt, ist es von Verfassungs wegen vorzugswürdig, wenn beide Partner zu gleichen Teilen vom ihm profitieren. Gleiches folgt aus dem Gedanken der Wirtschaftsgemeinschaft, dem eine einseitige Vereinnahmung ebenfalls zuwiderläuft. Die gebotene gleichberechtigte Partizipation an der Splittingersparnis kann auch bei grundsätzlich getrenntem Wirtschaften dadurch bewirkt werden, dass sie einvernehmlich (und in voller Höhe) für Zwecke des Familienunterhalts genutzt wird und auf diese Weise die übrigen finanzi1669 Zu den methodischen Hintergründen siehe § 7 C II 4. 1670 Mit „Steuervergünstigung“ ist hier – entsprechend den Ausführungen bei und in Fn 1428 – nicht die rechtliche Einordnung des Ehegattensplittings insgesamt gemeint. Vielmehr geht es um seine Auswirkungen in atypischen Fällen; vgl. erne­ut § 7 C II 4.: Es handelt sich um die auf S. 204 abstrakt umschriebene Situation einer typisierenden und für den typischen Fall auch leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung, die in Ausnahmefällen einen subventionierenden Effekt hervorruft.

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ellen Beiträge beider Ehegatten verringert.1671 Wie unter B. nachgewiesen wird, kann eine derartige Vorteilsteilhabe – je nach Einzelfall – sogar unterhaltsrechtlich geschuldet sein. Ist der Steuervorteil nicht für Unterhaltszwecke verwendet worden,1672 so spricht der verfassungsrechtliche Befund dafür, ihn hälftig aufzuteilen – und zwar auch dann, wenn ein Ehegatte nicht finanziell, sondern durch die Haushaltsführung zum Familienunterhalt beiträgt, denn sowohl aus Art. 6 Abs. 1 GG als auch aus § 1360 Satz 2 BGB folgt, dass dieser Beitrag gleichwertig ist.1673 Der Splittingvorteil darf mithin nicht zur einseitigen Vermögensbildung oder sonst zu eigenen Zwecken des allein- oder besserverdienenden Ehegatten genutzt werden.1674 Diese Ausführungen stehen selbstverständlich unter dem Vorbehalt, dass eine entsprechende verfassungsorientierte Auslegung des Zivilrechts möglich ist1675 – was aber bereits bei summarischer Prüfung nahe liegt, zumal auch die von der bisher herrschenden Meinung befürwortete Orientierung an den §§ 268 ff. AO1676 bei Doppelverdienerehen zu einer verhältnismäßigen Aufteilung der Steuerersparnis führt. Aus den soeben angeführten Gründen wird dieser Aufteilungsmaßstab allerdings den hinter dem Splittingverfahren stehenden Wertungen nicht gerecht und 1671 Bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit und Steuerklassenkombination III/V kann das dadurch geschehen, dass der in Steuerklasse III eingruppierte Ehegatte vorab den gesamten Mehrverdienst, den er im Vergleich zu Steuerklasse IV erzielt, dem Familienunterhalt zugute kommen lässt und der übrige Unterhaltsbedarf im Verhältnis der (verbleibenden) Nettobezüge aufgeteilt wird. Hierdurch würde zugleich der gebotene unterjährige Nachteilsausgleich (dazu im Folgenden) praktisch vollzogen. Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine vorläufige Regelung, da nach erfolgter Veranlagung weiterer Ausgleichsbedarf bestehen kann (dazu ebenfalls im Folgenden). 1672 Diese Situation wird ausgeblendet in BGH NJW 1977, 378, 378, wenn dort offenbar von einer ausnahmslosen Partizipation an der Splittingersparnis über Unterhaltsleistungen ausgegangen wird. 1673 Siehe wiederum BVerfGE 128, 193, 207; BVerfGE 105, 1, 10 ff. und die Nachweise zu § 1360 Satz 2 BGB in Fn 1497. 1674 Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand leben (vgl. bereits oben § 10 C II 2. und IV 1 i)). Denn Ausgleichsansprüche unter Ehegatten scheiden nicht deshalb aus, weil die entsprechenden Mittel potentiell den Zugewinn mehren. Vielmehr ist der Zugewinnausgleich solchen Ansprüchen grundsätzlich nachgelagert; vgl. – mit Blick auf das Verhältnis zwischen Zugewinn- und Gesamtschuldnerausgleich – BGHZ 188, 282, 299; BGH NJW 2006, 2623, 2623 a.E.; BGH NJW 1988, 133, 133 f.; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 203, 225; Gerhards, FamRZ 2001, 661, 662 ff.; Gernhuber, JZ 1996, 696, 697; Kotzur, NJW 1989, 817, 817 f.; abweichend Bosch, FamRZ 2002, 366, 372 ff.; Hauß, FamRB 2002, 346, 347 und 350. 1675 Dazu ausführlich unten B. und C. 1676 Nachweise auf S. 244.

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ist daher durch ein Modell der hälftigen Aufteilung zu ersetzen, wenn die Teilhabe nicht anderweitig gesichert ist. Die §§ 268 ff. AO mögen der Finanzverwaltung zwar in ihrem direkten Anwendungsbereich (Vollstreckungsverfahren) einen praktikablen Maßstab an die Hand geben.1677 Für die materiellrechtlich zutreffende Verteilung der Steuerersparnis ist er jedoch aus den genannten Gründen ungeeignet.1678 Das hier vertretene Vorgehen lässt auch keine teilrechtsordnungsübergreifenden Wertungsdivergenzen befürchten, denn die §§ 268 ff. AO verkörpern keine tragenden Prinzipien des Steuerrechts, sondern können im Gegenteil sogar als Abweichung von der gesetzgeberischen Vorstellung von einer umfänglichen Wirtschaftsgemeinschaft unter zusammen lebenden Ehegatten verstanden werden.1679 Ob diese Aufteilungsmöglichkeit zum Schutz der Ehegatten verfassungsrechtlich geboten ist,1680 kann an dieser Stelle noch dahinstehen,1681 denn es steht fest, dass der im Gesetz gewählte Aufteilungsmaßstab jedenfalls zu keiner verfassungsoptimalen Zuweisung des Steuervorteils führt. Hiergegen lässt sich auch nicht anführen, dass frühere Fassungen des EStG (§ 22 Abs. 3 EStG 1925, § 16 Abs. 2 EStG 1920)1682 einen Maßstab für die zivilrechtliche Unterverteilung der Steuerlast vorgesehen haben, der sich ebenfalls an den Ver-

1677 Dazu näher unten III 2. 1678 Im Übrigen kann auch in Bezug auf den Nachteilsausgleich keine vollumfängliche Anknüpfung an die §§ 268 ff. AO erfolgen; dazu sogleich ausführlich unter IV. 1679 Siehe auch Lingemann, Familienbesteuerung, S. 171; Tipke, StRO I, S. 380; Vorwold, FR 1992, 789, 789 f.; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen in § 6 D II. Wegen des Vorrangs verfassungsrechtlicher Wertungen muss hier auch das häufig vorgebrachte Argument (vgl. statt vieler Witt, DStR 2007, 56, 58 ff.) zurücktreten, es sei ein möglichst steuerrechtskonformer Maßstab anzulegen. 1680 In diesem Sinne z.B. Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 268 – 280 AO Rz. 6 (mit weiteren Nachweisen zum Streitstand); C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26b Rn. 11; Lingemann, Familienbesteuerung, S. 171; a.A. Tipke, StRO I, S. 380. 1681 Hierauf wird unter IV 3. zurückgekommen. 1682 So lautete § 22 Abs. 3 EStG 1925: „Für die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten untereinander gilt jeder Ehegatte als Schuldner des Steuerteils, der nach den Verhältniszahlen berechnet wird, die sich ergeben, wenn jeder Ehegatte getrennt mit seinem Einkommen veranlagt worden wäre.“ Zum zivilrechtlichen Charakter dieser Vorschriften siehe etwa Becker, in: Handkommentar der Reichssteuergesetze/II 2, § 22 EStG Bem. 23; Strutz, EStG/II, § 22 Anm. 14. Sie begründeten den Ausgleichsanspruch nicht selbst, sondern knüpften an einen bestehenden Anspruch – namentlich aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB – an (Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 67).

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten hältnissen bei getrennter Veranlagung orientierte.1683 Denn erstens war den damaligen Fassungen des EStG eine Splittingersparnis unbekannt, so dass die soeben zitierten Vorschriften die hier untersuchte Frage des Vorteilsausgleichs gar nicht betrafen, sondern im Gegenteil in erster Linie die Zuweisung des progressionsbedingten Steuernachteils regelten.1684 Zweitens stammen sie aus der Zeit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes, so dass namentlich Art. 6 Abs. 1 GG keine Aussagekraft für den Innenausgleich entfalten konnte. Und drittens stimmen sie (auch sonst) nicht mit den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Grundlagen des Ehegattensplittings überein: Dort wo – entsprechend der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Typisierungsvorstellung – gemeinschaftlich gewirtschaftet wird, bedarf es überhaupt keines Innenausgleichs. Im normativen Regelfall würden diese Vorschriften daher jedenfalls aus heutiger Sicht einen Fremdkörper darstellen.1685 Der Gesetzgeber war daher gut beraten, sie zu streichen.1686

Als Ergebnis kann festgehalten werden: Den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Ehegattensplittings entspricht es am ehesten, die Steuer­ ersparnis beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zugute kommen zu lassen. An einem – über Instrumente des Zivilrechts zu befriedigenden – Ausgleichsbedürfnis fehlt es folglich, wenn die Ehegatten eine einvernehmliche Regelung getroffen haben, in deren Konsequenz ebendieses Ergebnis eintritt.1687 Das ist der Fall, wenn entweder eine hälftige Teilhabe am Gesamteinkommen sichergestellt ist (vollumfängliches gemeinschaftli1683 Vgl. demgegenüber Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 223 f.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 261 f.; Witt, DStR 2007, 56, 60; dens., Konzernbesteuerung, S. 363. 1684 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 70. Dieser Steuernachteil bildete auch den Auslöser für die Entscheidung BVerfGE 6, 55 (zu § 26 EStG 1951; näher oben § 10 B I.). 1685 Siehe aus dem zeitgenössischen Schrifttum bereits Becker, in: Handkommentar der Reichssteuergesetze/II 2, § 22 EStG Bem. 23; Kuhn, EStG, § 22 Anm. 5 a.E.; Strutz, EStG/II, § 22 Anm. 14 (Vorrang anderweitiger Vereinbarungen) sowie Liebis­ch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 70 ff. (mit Blick auf die damaligen Güterstände); vgl. auch – treffend – BT-Drucks. III/260, S. 66. Dazu, dass sich (punktuelle) zivilrechtliche Ausgleichsregelungen in Steuergesetzen ganz generell störend auf das Innenverhältnis der Beteiligten auswirken können, vgl. nur RFHE 6, 171, 175. 1686 Weiterführend erscheint hingegen der Gesetzgebungsvorschlag Dyckmans', Ehegattenveranlagung, S. 274 ff., wo ebenfalls eine hälftige Verteilung der Splitting­ ersparnis vorgesehen ist. Die von ihm de lege ferenda für richtig erachteten (und auch nach Ansicht des Verf. zutreffenden) Ergebnisse lassen sich jedoch bereits auf Grundlage des geltenden Rechts erreichen; näher im Folgenden. 1687 Die rechtliche Einordnung derartiger Abreden bereitet erhebliche Schwierig­ keiten; näher A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 5 ff.; Gernhuber/ Coester­-Waltjen, Familienrecht, S. 140 ff., jeweils mit umfänglichen Nachweisen zum Streitstand. Für Zwecke der vorliegenden Untersuchung braucht dieser Frage allerdings nicht nachgegangen zu werden, denn es kommt hier entscheidend auf Bestehen und Vollzug einer entsprechenden Vereinbarung an, nicht aber

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ches Wirtschaften; entsprechend hohe Transferleistungen) oder der Splittingvorteil zumindest in voller Höhe in den Familienunterhalt einfließt und sich hierdurch die sonstigen finanziellen Beiträge beider Ehegatten verringern.1688 In den übrigen Fällen entspricht es dem verfassungsrechtlichen Befund, einen Ausgleich zu gewähren, der zu einer hälftigen Aufteilung führt. Ob und auf Basis welcher Anspruchsgrundlage(n) dies möglich ist, wird unter B. und C. erörtert.

III. Einzelveranlagung als Grundmodell 1. Ableitung Auch die Frage, ob die Einzelveranlagung als dasjenige Grundmodell anzusehen ist, von dem aus ermittelt werden kann, ob ein „Vorteil“ bzw. „Nachteil“ vorliegt, kann nunmehr wie folgt beantwortet werden: Ein Bedürfnis, steuerliche Wirkungen auszugleichen, kann nur dann entstehen, wenn unter den Ehegatten keine vollständige Partizipation an den erworbenen Mitteln stattfindet. Es handelt sich mithin um den – gemessen an den Grundlagen des Ehegattensplittings – untypischen Fall, dass die Ehegatten getrennt voneinander wirtschaften und auch keine hälftige Teilhabe an den erwirtschafteten Mitteln über Unterhalts- oder sonstige Transferleistungen herbeiführen. Das Splittingverfahren hat hier subventionierende Wirkung; bei der entstandenen Steuerersparnis handelt es sich um einen echten Steuervorteil.1689 Als Bezugspunkt für diese Feststellung kann nur das Modell der Einzelveranlagung fungieren, denn es führt für die Situation des getrennten Wirtschaftens von Ehegatten zu grundsätzlich leistungsfähigkeitsgerechten Ergebnissen.1690 Spiegelbildlich kann dort von einem „Nachteil“ gesprochen werden, wo die Zusammenveranlagung mangels einvernehmlicher Wirtschaft mit den vorhandenen Mitteln zu einer Schlechterstellung eines Ehegatten im Vergleich zu seiner Situation bei Einzelveranlagung führt.1691 Wird die daraus resulauf ihre genaue rechtliche Qualifikation. Auf die Frage ihrer Geltungsdauer wird zurückzukommen sein. 1688 Denkbar ist selbstverständlich auch eine anderweitige Kompensationsregelung. 1689 Siehe zu dieser Einordnung oben Fn 1670. 1690 Zum Problem des (von der steuerrechtlichen Praxis nicht gewährten) Unterhaltsabzugs bei Einzelveranlagung siehe allerdings Fn 1412. Auf diesen Aspekt kommt es vorliegend jedoch nicht an, denn soweit Unterhaltsleistungen erbracht werden, fehlt es ohnehin an einem Ausgleichsbedürfnis. 1691 Gleichzustellen ist der Nachteil, der in einem solchen Fall bereits unterjährig infolge der Wahl der Steuerklassenkombination III/V bei dem in Steuerklasse V eingruppierten Partner entsteht; näher unten IV.

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tierende maßstabswidrige Steuerlastverschiebung1692 nicht anderweitig, insbesondere durch freiwillige Beiträge zum Familienunterhalt, kompensiert, stellt sich die Frage nach zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen. Wie sogleich unter IV. gezeigt wird, handelt es sich hierbei allerdings so lange um einen seltenen Grenzfall, wie die Eheleute eine funktionierende Lebensgemeinschaft bilden. Wie in § 10 unter A. nachgewiesen wurde, geht die Anknüpfung an die Einzelveranlagung zudem konform mit dem steuersystematischen Ausgangsbefund.1693 Gegen dieses Vorgehen bestehen auch sonst keine verfassungsrechtlichen Bedenken: Eine ausnahmslos getrennte Veranlagung von Ehegatten würde im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keinen Legitimationsbedarf auslösen, wenn ein realitätsgerechter Abzug der Unterhaltsleistungen gewährleistet ist.1694 Sie wäre auch mit Art. 6 Abs. 1 GG zu vereinbaren, der eine steuerliche Förderung von Ehegatten zwar ermöglicht, aber nicht erzwingt.1695 Festzuhalten bleibt: Soweit die Ehegatten gemeinschaftlich wirtschaften, bedarf es keines Grundmodells, von dem aus zu bestimmen ist, ob ein Vorteil bzw. Nachteil vorliegt, denn Ausgleichsansprüche kommen dann von vornherein nicht in Betracht. Soweit die Ehegatten hingegen getrennt wirtschaften und eine vollständige Teilhabe an dem Erwirtschafteten auch nicht von sich aus auf andere Weise herbeiführen, bildet das Modell der Einzelveranlagung den Vergleichsmaßstab. 2. Innenausgleich und §§ 268 ff. AO An das Modell der Einzelveranlagung knüpft namentlich auch die Zivilrechtsprechung an, wenn sie auf die Aufteilungsvorschriften der §§ 268 ff. AO Bezug nimmt.1696 Wie unter II. gezeigt worden ist, kann der Aufteilungsmaßstab, der diesen Vorschriften zugrunde liegt (siehe in erster Linie § 270 AO), zwar nicht für die Zuweisung der Splittingersparnis fruchtbar gemacht werden. Für die sogleich im Einzelnen zu erörternde Frage des Nachteilsausgleichs erweist er sich jedoch prinzipiell als richtig, wenn Ausgleichsansprüche in Betracht kommen, weil die Ehegatten

1692 Dazu ebenfalls vertiefend unten IV. 1693 Siehe oben S. 254 f. 1694 Siehe oben S. 312 f. 1695 Siehe insbesondere § 10 C IV 1 d) und h). 1696 BGH NJW 2006, 2623, 2625 (unter Hinweis primär auf § 270 AO); weitere Nachweise in Fn 1188 sowie im Folgenden.

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getrennt wirtschaften und den eingetretenen Nachteil auch nicht anderweitig kompensieren.1697 Der häufig vorzufindende, mehr oder weniger pauschale Hinweis auf die §§ 268 ff. AO1698 (bzw. speziell auf § 270 AO)1699 bedarf jedoch einer Einschränkung: Für die im Innenverhältnis zutreffende Aufteilung der Steuerschuld kann keinesfalls die gesamte, in den §§ 270 ff. AO enthaltene Aufteilungsregelung Bedeutung erlangen. Übertragbar ist lediglich die dort formulierte Bezugnahme auf die Einzelveranlagung, d.h. der hinter diesen Vorschriften stehende Rechtsgedanke. Das hat folgenden Hintergrund: Ein Nachteilsausgleich im Innenverhältnis muss vollumfänglich an die Rechtslage bei Einzelveranlagung anknüpfen. Einzubeziehen sind die gesamte Steuerschuld sowie sämtliche Abzugsbeträge, Vorauszahlungen und Tilgungsleistungen, die in der jeweiligen Situation eine Rolle spielen.1700 Demgegenüber erfasst die Aufteilung nach Maßgabe der §§ 268 ff. AO im Wesentlichen nur rückständige Beträge (siehe insbesondere §§ 270 Satz 1, 272 Abs. 1 Satz 1, 273 Abs. 1 AO).1701 Das erklärt sich daraus, dass die Verwirklichung der gesamtschuldnerischen Haftung den Anknüpfungspunkt für diese Vorschriften bildet. Vor diesem Hintergrund dienen sie (lediglich) dazu, diese Haftung im Vollstreckungsverfahren, d.h. soweit sie noch aktuell ist, zu neutralisieren.1702 Dementsprechend ist es für die Zwecke der §§ 268 ff. AO grundsätzlich unerheblich, ob und von wem bereits Tilgungsleistungen auf die Gesamtschuld erbracht worden sind, da derartige Leistungen im Regelfall nicht in die Aufteilung einbezogen werden.1703 Ausnahmen gelten zwar für Steuerabzugsbeträge und getrennt festgesetzte Vorauszahlungen (§ 276 Abs. 3

1697 Einzelheiten in den folgenden Abschnitten. 1698 Vgl. Felder, Verpflichtung, S. 69; Fischer-Winkelmann, FuR 1997, 189, 193 f.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 262; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 345 f. 1699 Vgl. BGH NJW 2006, 2623, 2625; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 62; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 17; Palandt/Bruder­ müller, BGB, § 1353 Rn. 12c; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 26; Genthe, FuR 1999, 153, 156; Rohn, Ehepflichten, S. 85 f. 1700 Näher dazu in den folgenden Abschnitten. 1701 Vgl. zur begrenzten Reichweite der Aufteilungsvorschriften nur B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 268 Rz. 10 („recht zufällig“). 1702 Vgl. etwa BFH BStBl. II 2001, 133, 137; Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Vor §§ 268 – 280 AO Rz. 1 sowie BT-Drucks. III/260, S. 66 f. (zu den Beweggründen des historischen Gesetzgebers). 1703 BFH BStBl. II 2001, 133, 137; Klein/Brockmeyer, AO, § 270 Rn. 1. Das ergibt sich aus den soeben zitierten Vorschriften.

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AO)1704 sowie für Zahlungen, die nach Antragstellung bzw. Vollstreckungseinleitung erfolgen (§ 276 Abs. 6 AO). Vorher erbrachte Leistungen, einschließlich zusammen festgesetzter Vorauszahlungen (vgl. §§ 276 Abs. 3, 272 AO), bleiben hingegen grundsätzlich unberücksichtigt.1705 Für die Frage des sachangemessenen Innenausgleichs sind derartige Sachverhalte jedoch von erheblicher Bedeutung.1706 Hinzu kommt, dass die §§ 268 ff. AO wegen ihres eingeschränkten Wirkbereichs und der entgegengesetzten Anspruchsrichtung keinerlei Vorschriften über die Aufteilung von Erstattungsansprüchen enthalten.1707 Stattdessen finden in Bezug auf die Aufteilung von Steuererstattungen unter die Ehegatten diejenigen Grundsätze Anwendung, die für die Auslegung des in § 37 Abs. 2 Satz 1 AO enthaltenen Zuordnungskriteriums („auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist“) entwickelt worden sind.1708 Dies soll selbst dann gelten, wenn der Erstattungsanspruch auf § 276 Abs. 6 Satz 2 AO beruht, also innerhalb des Aufteilungsverfahrens entstanden ist.1709 Die hierdurch entstehenden Ergebnisse 1704 Anders als Steuerabzugsbeträge spielen getrennt festgesetzte Vorauszahlungen in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle; näher Müller-Eiselt, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 276 AO Rz. 11; Klein/Brockmeyer, AO, § 276 Rn. 4. 1705 Zur Reichweite des Begriffs der „zusammen festgesetzten Vorauszahlungen“ vgl. Fn 1704. Für die abschließende Aufteilung sind sie nur dann von Bedeutung, wenn sie selbst gemäß § 272 Abs. 1 AO aufgeteilt wurden bzw. gemäß § 272 Abs. 2 AO aufzuteilen sind. Auch im Anwendungsbereich des § 272 AO kann eine Aufteilung nur für solche Beträge erfolgen, die zur Zeit der Antragstellung rückständig gewesen sind (§ 272 Abs. 1 Satz 1, 4 AO; siehe dazu Schlücking, DStR 1985, 141, 143). 1706 Richtig gesehen in BT-Drucks. III/260, S. 66 a.E. (zu § 7 StAnpG), wo auf das Erfordernis eines ergänzenden Innenausgleichs hingewiesen wird. 1707 Vgl. auch BFH/NV 2005, 1222, 1223; Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 268 AO Rz. 3. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob der Aufteilungsmaßstab des § 270 AO im Anwendungsbereich des § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG fruchtbar gemacht werden kann. Das wird von der ganz herrschenden Meinung ebenfalls verneint; Nachweise sogleich in Fn 1713. 1708 Überblick zur Aufteilung von Erstattungsansprüchen bei zusammen veranlagten Ehegatten bei BMF BStBl. I 2013, 70, 71 ff.; Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 250 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 81 ff.; Bergmann, BB 1992, 893, 893 ff.; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 159 ff., S. 182 ff., jeweils mit umfänglichen Nachweisen; siehe aus der Rechtsprechung BFH BStBl. II 2009, 38, 39 f.; BFH BStBl. II 2006, 453, 453 ff.; BFH BStBl. II 1991, 47, 47 ff. sowie für den Fall der Einzelveranlagung nach zusammen festgesetzten Vorauszahlungen BFH BStBl. 2011, 607, 608 ff. („Fortentwicklung der Rechtsprechung“). 1709 BFH BStBl. II 1995, 493, 493 ff.; Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 276 AO Rz. 13; Klein/Brockmeyer, AO, § 276 Rn. 8; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 276 Rz. 18 f.: Auch für Zwecke des § 276 Abs. 6 AO sei an die zu § 37 Abs. 2 Satz 1 AO anerkannten Grundsätze anzuknüpfen.

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sind für das Innenverhältnis häufig korrekturbedürftig,1710 und zwar schon deshalb, weil es für die Erstattungsberechtigung unter zusammen veranlagten Ehegatten (§ 36 Abs. 4 Satz 2 EStG mit § 37 Abs. 2 Satz 1 AO)1711 grundsätzlich nicht darauf ankommt, in wessen Person die Steuerschuld bzw. ein etwaiger Steuerermäßigungstatbestand entstanden ist.1712 Insbesondere wird eine entsprechende Anwendung des in § 270 AO enthaltenen Aufteilungsmaßstabs für diesen Bereich nahezu einhellig abgelehnt.1713 Dies hat etwa bei Lohnsteuerabzugsbeträgen zur Folge, dass sich die Höhe des Erstattungsanspruchs ausschließlich nach dem Verhältnis der einbehaltenen Beträge bestimmt.1714 1710 Siehe etwa BGH NJW 2006, 2623, 2624; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 178 a.E. und S. 195; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 628 f.; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 122; Walz, StVj 1993, 46, 49 f. sowie auch Boeker, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz. 67; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 82 und BFH BStBl. II 2006, 453, 454. Da heute allgemein anerkannt sein dürfte, dass die Aufteilung steuerrechtlicher Erstattungsansprüche und die Frage des zivilrechtlichen Innenausgleichs zwei voneinander zu trennende Ebenen betreffen, sind auch in dieser Hinsicht keine teilrechtsordnungsübergreifenden Wertungsdivergenzen zu befürchten, wenn das steuerliche Ergebnis zivilrechtlich abgeändert wird (siehe in ähnlichem Zusammenhang bereits oben S. 341). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das in § 37 Abs. 2 Satz 1 AO enthaltene Zuordnungskriterium eher technischer, „formaler“ Natur ist (siehe Fn 1712) und mithin keine zentralen steuerrechtlichen Wertungen verkörpert. 1711 Was das Verhältnis dieser beiden Vorschriften zueinander angeht, wird § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG als speziellere Regelung angesehen (BFH BStBl. II 2001, 353, 356 f.; Lammers, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 36 EStG Anm. 10; Brenner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 36 Rn. G 14; Heuermann, DB 1996, 1052, 1053). Der Unterverteilungsmaßstab wird jedoch durch entsprechende Anwendung des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO bestimmt (BFH BStBl. II 2006, 453, 453 ff.; BFH BStBl. II 1990, 719, 719 f.; Brenner, aaO, Rn. G 35 f. sowie die Nachweise in Fn 1708); zur begrenzten Wirkkraft, die die Rechtsprechung § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG in diesem Zusammenhang zumisst, vgl. BFH BStBl. II 1996, 436, 437 f.; BFH BStBl. II 1990, 719, 720 f.; BMF BStBl. I 2013, 70, 71; Brenner, aaO, Rn. G 36; Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 256. 1712 Siehe die Nachweise in Fn 1708; vgl. zur „formalen“ Natur der Zuordnung nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO etwa BFH/NV 1997, 537, 538 f.; BFH BStBl. II 1991, 47, 48 f.; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz. 67. 1713 Streitstand bei Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 270 AO Rz. 8 f.; so etwa FG Köln EFG 1993, 422, 423; FG Berlin EFG 1987, 53, 54 Klein/Brockmeyer, AO, § 268 Rn. 5; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, Vor §§ 268 – 280 Rz. 4; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 82; Kruse, aaO, § 268 AO Tz. 2; Dyck­ mans, Ehegattenveranlagung, S. 178 ff.; im gleichen Sinne BFH/NV 2005, 1222, 1223; BFH BStBl. II 1990, 520, 522 f.; Müller-Eiselt, aaO, § 268 AO Rz. 3; a.A. Hessisches FG EFG 1977, 544, 545; Stadie, BB 1977, 979, 980. 1714 BFH/NV 2008, 330, 331; BFH/NV 2007, 1825, 1825; BFH BStBl. II 1991, 47, 47 ff.; BFH BStBl. II 1990, 520, 522 f.; BMF BStBl. I 2013, 70, 73; LfSt Bayern DStR 2012, 132, 134; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 82. Ist nur bei einem Ehegatten Lohnsteuer einbehalten worden, so steht ihm der Erstattungsanspruch nach

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Festzuhalten bleibt, dass die §§ 268 ff. AO wegen ihres begrenzten Anwendungsbereichs (nur rückständige Steuern; keine Erstattungsbeträge) nicht auf den zivilrechtlichen Innenausgleich übertragen werden können. Weiterführend ist lediglich die in ihnen zum Ausdruck kommende Anknüpfung an die Verhältnisse bei Einzelveranlagung, da es sich hierbei um den richtigen Vergleichsmaßstab für Zwecke des Nachteilsausgleichs handelt. Auch wenn verbreitet (methodisch ohnehin unzutreffend)1715 von „Analogie“ die Rede ist,1716 dürfte damit nichts anderes gemeint sein als die Übernahme ebendieses Rechtsgedankens.1717

IV. Nachteilsausgleich 1. Allgemeines Was die Frage des Nachteilsausgleichs angeht, erhellen die bisherigen Ausführungen, dass ein entsprechendes Bedürfnis unter prinzipiell gleichen Voraussetzungen angenommen werden kann, wie sie für die Frage des Vorteilsausgleichs herausgearbeitet worden sind (getrenntes Wirtschaften; keine ausreichenden Kompensationsleistungen). Allerdings wird die nachfolgende Analyse ergeben, dass dieser Fall zumindest in intakten Lebensgemeinschaften seltener auftritt als ein Bedürfnis nach Aufteilung der Steuerersparnis. Wie im Anschluss unter B. gezeigt wird, sind derartige Situationen in vielen Fällen auch nicht über die Anherrschender Meinung auch dann zu, wenn dieser im Wesentlichen auf steuerlichen Verlusten seines Partners beruht (BFH/NV 2008, 330, 331; BFH/NV 2001, 293, 293; BFH BStBl. II 1991, 47, 48 f.; BFH BStBl. II 1983, 162, 163 f.; Klein/ Brockmeyer, AO, § 268 Rn. 5; näher zum Streitstand Dyck­mans, Ehegattenveranlagung, S. 182 ff.). 1715 Das Ergebnis jeder Analogiebildung besteht in einer Rechtsfolgenerstreckung (siehe nur Bydlinski, Methodenlehre, S. 474 f., S. 477). Die Rechtsfolgen der §§ 268 ff. AO betreffen das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis der Ehegatten zum staatlichen Steuergläubiger und sind vollstreckungsbeschränkender Natur. Ihre Übertragung auf das Innenverhältnis kommt daher von vornherein nicht in Betracht; siehe auch bereits Gernhuber, JZ 1996, 765, 766; Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 104 f. 1716 Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 62; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 17; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 26; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 262; vgl. auch BGH NJW 2006, 2623, 2625 („entsprechende Heranziehung“); Genthe, FuR 1999, 153, 156. 1717 Dass es richtigerweise um diesen Rechtsgedanken geht, kommt deutlich zum Ausdruck bei Dostmann, FamRZ 1991, 760, 762; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 223 ff.; Gernhuber, JZ 1996, 765, 766; Kaufmann, INF 1994, 449, 451; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 633; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 117; Walz, StVj 1993, 46, 60; Witt, DStR 2007, 59, 63; dems., Konzernbesteuerung, S. 363.

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spruchsgrundlagen des allgemeinen Schuldrechts, sondern über das Unterhaltsrecht zu lösen. Zunächst soll aber in einem ersten Schritt dargelegt werden, welche Vorgaben sich aus der verfassungsrechtlichen Perspektive – und zwar namentlich aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips – für die Frage des internen Ausgleichs ergeben. Das ist leichter zu beantworten als die bisher in erster Linie erörterte Frage der Verteilung des Splittingvorteils. 2. Lohnsteuerklassenkombination III/V Ein Nachteilsausgleich kommt unter den eingangs genannten Voraussetzungen dann in Betracht, wenn einer der Eheleute eine höhere Steuerlast zu tragen hat, als ihn bei Einzelveranlagung treffen würde. Das auslösende Moment hierfür wird häufig die Wahl der Lohnsteuerklassenkombination III/V bilden, denn der in der Steuerklasse V eingruppierte Ehegatte wird für Zwecke des Lohnsteuerabzugs bereits während des laufenden Jahres zugunsten seines Partners benachteiligt, wenn man beide Eheleute isoliert betrachtet.1718 Hieran ändert es auch nichts, dass die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer, die sich im Zuge der späteren Veran­ lagung ergibt,1719 unabhängig von der Steuerklassenwahl ist, denn im Vergleich­zur Rechtslage bei getrennter Behandlung, mit der die Lohnsteuerklasse IV korrespondiert,1720 entstehen für den Ehegatten mit Steuerklasse V bereits unterjährig laufende steuerliche Nachteile. Bleibt diese Situation definitiv, weil die Ehegatten weder gemeinsam wirtschaften noch sonst eine einvernehmliche Kompensation her­ beiführen,1721 spricht der verfassungsrechtliche Befund mit Eindeutigkeit für einen laufenden Ausgleichsanspruch, da es sich um punktuell wir-

1718 Entsprechende Fragestellungen können sich namentlich auch bei Bezug von Arbeitslohn von mehreren Arbeitgebern (Steuerklasse VI, § 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG) sowie bei Anwendung des Faktorverfahrens (§ 39f EStG) ergeben. Wegen der ungleich höheren praktischen Bedeutung konzentriert sich die Untersuchung aber auf Fälle, in denen die Lohnsteuerklassenkombination III/V gewählt wurde. Für andere Situationen gelten die nachfolgenden Überlegungen sinngemäß. 1719 Eine Veranlagung ist bei Steuerklassenkombination III/V gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a EStG obligatorisch. Die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung folgt in diesem Fall aus § 25 Abs. 3 Satz 2 EStG mit § 56 Satz 1 Nr. 1 b) EStDV. 1720 Vgl. sogleich in Fn 1722. 1721 Wie eingangs bereits betont worden ist, handelt es sich hierbei um einen Ausnahmefall, wenn eine intakte Lebensgemeinschaft besteht; näher im Folgenden.

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kende Steuerlastverschiebungen handelt,1722 die zu leistungsfähigkeitswidrigen Ergebnissen führen und infolge des Lohnsteuerabzugs auftreten, den der Gesetzgeber aus Gründen der fiskalischen Praktikabilität eingeführt hat.1723 Zwar bereitet die (nach allgemeinen Grundsätzen erforderliche)1724 verfassungsrechtliche Rechtfertigung der zugrunde liegenden steuerrechtlichen Vorschriften hier schon deshalb keine Schwierigkeiten, weil die Steuerklassen III und V nur dann vergeben werden, wenn beide Ehegatten dies beantragen (§ 38b Satz 2 Nr. 3, 5 EStG).1725 Dies ändert aber nichts daran, dass erst bei Vollzug des Ausgleichs während des laufenden Jahres1726 sachangemessene Ergebnisse entstehen.1727 1722 Den Bezugspunkt für diese Feststellung bildet die Lohnsteuerklasse IV (vgl. auch Hauß, FamRB 2002, 346, 348), da sie die tatsächlich vorhandene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Zwecke des unterjährigen (vorläufig wirkenden) Steuerabzugs in vertretbar typisierender Weise abbildet, wenn beide Ehegatten Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit erzielen (vgl. Trzaskalik, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 38b Rn. B 10 mit A 14) und grundsätzlich getrennt wirtschaften. Wie unter III. gezeigt wurde, bilden nämlich bei grundsätzlich getrenntem Wirtschaften die Verhältnisse bei Einzelveranlagung die Vergleichsgrundlage. Für Zwecke des Lohnsteuerabzugs korrespondiert hiermit die Lohnsteuerklasse IV. 1723 Vgl. zu Letzterem nur Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 38 EStG Anm. 5; näher zu dieser Fallgruppe oben § 7 C II 2. (insbesondere S. 196 f.). 1724 Siehe oben § 7 D II. 1725 Nicht zu folgen ist LG Bonn FamRZ 1999, 1133, 1133 f., wonach ein Anspruch des mehr verdienenden gegen den weniger verdienenden Ehegatten auf Zustimmung zur Wahl der Lohnsteuerklassenkombination III/V aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehen soll. Denn erstens ändert die Lohnsteuerklasseneinstufung – anders als die Wahl der Zusammenveranlagung (vgl. dazu oben S. 242 f. sowie unten E.), mit der das LG Bonn diese Situation gleichsetzt – nichts an der Höhe der Gesamtsteuerlast nach erfolgter Veranlagung. Und zweitens ist auch die angestrebte unterjährige Liquiditätssteigerung nicht zweifelsfrei, da die Rechtsprechung auch in diesem Bereich die Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen zulässt (BFH BStBl. II 2005, 358, 359 f.), wovon die Finanzverwaltung in jüngerer Zeit anscheinend vermehrt Gebrauch macht. Hierdurch kann der Liquiditätsvorteil sogar in sein Gegenteil verkehrt werden (vgl. die wegen § 37 Abs. 3 Satz 4 bis 12 EStG unberücksichtigt bleibenden Beträge). 1726 Dieser Ausgleich ist selbstverständlich nur vorläufiger Natur, da er lediglich den Lohnsteuerabzug betrifft. Unter den eingangs angeführten Voraussetzungen bedarf es daher gegebenenfalls noch einer Gesamtbereinigung im Zuge der Veranlagung; näher dazu in den folgenden Abschnitten. 1727 Gegen die verfassungsrechtliche Gebotenheit von Ausgleichsansprüchen kann auch nicht angeführt werden, dass die Steuerklassenkombination freiwillig gewählt wurde und deshalb eine vertragliche Überlagerung vorliege (vgl. zu derartigen Fallgruppen oben § 7 D III 4., E III. und F I.; zu der hier verwendeten Terminologie siehe S. 337). Die entsprechende Zustimmung lässt nämlich nicht auf einen Verzichtswillen im Hinblick auf daran anknüpfende Ausgleichsansprüche schließen. Es handelt sich vielmehr um zwei unterschiedliche Ebenen.

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Folglich ist nach Möglichkeit eine verfassungsorientierte Auslegung des Zivilrechts vorzunehmen, die ein entsprechendes Ergebnis herbeiführt.1728 Allerdings ist der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen, dass Ausgleichsansprüche unter zusammen lebenden Ehegatten bei Wahl der Steuerklassenkombination III/V praktisch ausnahmslos wegen der dann angeblich immer vorliegenden „familienrechtlichen Überlagerung“ entfallen sollen.1729 Das ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass es auch in einem solchen Fall sowohl an einem gemeinsamen Wirtschaften als auch an einem sonstigen Mitteltransfer fehlt.1730 Diese Rechtsprechung hat jedoch einen richtigen Kern, denn jedenfalls innerhalb einer intakten Lebensgemeinschaft wird sich die Ausgleichsfrage nur in seltenen Fällen stellen, da der in Steuerklasse III eingeordnete Ehegatte im lebenspraktischen Regelfall entsprechend höhere finanzielle Beiträge zum Familienunterhalt erbringt, wenn nicht ohnehin vollumfänglich gemeinschaftlich gewirtschaftet wird. Insoweit besteht ein gradueller Unterschied zur Verteilung der Splittingersparnis: Bei grundsätzlich getrenntem Wirtschaften der Ehegatten wird die Bereitschaft zum Nachteilsausgleich in vielen Fällen deutlich stärker ausgeprägt sein als zur Aufteilung des Steuervorteils – was durch eine Zivilrechtsprechung und -dogmatik gefördert wird, die einen Anspruch auf Vorteilsteilhabe bisher grundsätzlich ablehnt.1731 Es geht allerdings nicht an, Ausgleichsansprüche ganz generell, d.h. ohne Prüfung des Einzelfalls, unter Berufung auf eine „fa1728 Vgl. oben § 7 D II 2. und III 2. Auf welcher Grundlage dieser Ausgleich erfolgen kann, wird in den folgenden Abschnitten beleuchtet. 1729 Vgl. BGH NJW 2010, 1879, 1881 (anders nur bei entgegenstehender [sic!] Vereinbarung); BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2002, 2319, 2321 (anders wenn Ausgleich „vorbehalten“). In den zuletzt genannten Entscheidungen setzt das Gericht der Sache nach – und zu Unrecht – Zusammenveranlagung und Steuerklassenkombination III/V gleich; aus Instanzrechtsprechung und Schrifttum siehe etwa OLG Bremen NJW 2011, 2145, 2146; OLG Köln FamRZ 1993, 806, 808; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 441, 441; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 210; schon im Grundsätzlichen abweichend LG Gießen FamRZ 2001, 97, 97 f. 1730 Im gleichen Sinne Bergschneider, FamRZ 2002, 1181, 1181 f.; vgl. auch Wever, FamRZ 2006, 1181, 1181; die Rechtsprechungslinie grundsätzlich ablehnend hingegen Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425, 428 (zu weitgehend) 1731 Siehe oben Fn 1195. Ob diese Auffassung vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse aufrechterhalten werden kann, wird im Folgenden untersucht. Wie gezeigt, spricht der verfassungsrechtliche Befund mit Eindeutigkeit dagegen. Unter B. wird zunächst auf die – in Rechtsprechung und Schrifttum bisher nicht berück­sichtigte – unterhaltsrechtliche Relevanz des Steuervorteils eingegangen.

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milienrechtliche Überlagerung“ abzulehnen. Die Frage, auf welcher Grundlage ein Ausgleich geschuldet ist, wird in den folgenden Abschnitten (unter B. und C.) erörtert. 3. Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme Ein Ausgleichsbedürfnis kann sich darüber hinaus aus dem Aspekt der gesamtschuldnerischen Einstandspflicht (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO) für rückständige Steuerschulden ergeben. Diese Frage stellt sich, wenn die Ehegatten als Gesamtschuldner für offene Einkommensteuer-Vorauszahlungen (§ 37 EStG), Abschlusszahlungen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG) oder Steuernachforderungen (vgl. § 273 Abs. 1 AO) in Anspruch genommen werden und ein Ehegatte auch den nicht auf ihn entfallenden Teil der Steuerlast begleicht.1732 Ein entsprechender Ausgleich hätte in Bezug auf Vorauszahlungen vorläufigen1733 und hinsichtlich Abschlusszahlungen sowie Nachforderungen prinzipiell endgültigen Charakter. Was zunächst Vorauszahlungsschulden angeht,1734 muss allerdings in einem ersten Schritt begründet werden, warum sie überhaupt von der gesamtschuldnerischen Haftung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO erfasst werden. Dieser Standpunkt wird zwar offenbar allgemein zugrunde gelegt,1735 ist jedoch angesichts des Wortlauts dieser Vorschrift nicht 1732 Demgegenüber folgt das unterjährige Ausgleichsbedürfnis, das bei der Lohnsteuerklassenkombination III/V unter den Ehegatten auftreten kann, nicht aus der Verwirklichung ihrer gesamtschuldnerischen Haftung, denn diese erstreckt sich nicht auf Lohnsteuerschulden. Das Lohnsteuerabzugsverfahren betrifft vielmehr nur den jeweiligen Arbeitnehmerehegatten und dessen Arbeitgeber; nur in diesem Verhältnis können insoweit Gesamtschulden entstehen (vgl. § 42d Abs. 3 EStG). Das unterjährige Ausgleichsbedürfnis unter den Ehegatten gründet folglich auf den (steuerlich definitiven) Folgen des Lohnsteuerabzugs selbst. Davon zu trennen ist die Frage des abschließenden Ausgleichs im Zuge der Veranlagung. Auf die dort auftretenden steuerschuldrechtlichen Fragestellungen wird in den folgenden Abschnitten näher eingegangen. 1733 Es gilt mithin nichts anderes als bei Steuerklassenkombination III/V (vgl. Fn 1726; näher im Folgenden). 1734 Vgl. die Fälle BGH NJW 2002, 1570; OLG Köln OLGZ 1969, 332 (allerdings jeweils nach erfolgter Veranlagung). 1735 An einer Begründung fehlt es jedoch zumeist; vgl. BFH BStBl. II 2006, 453, 454 f.; BFH/NV 2006, 1445, 1446; BGH NJW 2002, 1570, 1570; Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 253; Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 11 a.E. Der bisweilen angeführte § 155 Abs. 3 Satz 1 AO (vgl. Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. D 2) trägt nicht, da in dieser Vorschrift vorausgesetzt wird, dass eine (anderweitig begründete) gesamtschuldnerische Haftung besteht (nicht nachvollziehbar auch B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 17). Es verhält sich daher genau umgekehrt: Die Anwendbarkeit des § 155 Abs. 3 AO ist Folge der gesamtschuldnerischen Haftung (vgl. FG Rheinland-Pfalz EFG

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selbstverständlich, denn bei Festsetzung der Vorauszahlungen steht wegen § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG noch nicht fest, ob die Ehegatten „zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind“.1736 Dass das Gesetz (dennoch) davon ausgeht, dass Vorauszahlungen zusammen festgesetzt werden können1737 und sich die gesamtschuldnerische Haftung auf die entsprechenden Verbindlichkeiten erstreckt, folgt aber zweifelsfrei aus der Existenz des § 272 AO.1738 Dies hat für solche Fälle zu gelten, in denen der Finanzverwaltung keine Anhaltspunkte bekannt werden, die eine Einzelveranlagung wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. §§ 26 Abs. 3, 37 Abs. 3 Satz 2 EStG).1739 Ein Bedürfnis für einen unterjährigen Ausgleich entsteht hier unter grundsätzlich gleichen Bedingungen wie bei der Lohnsteuerklassenkombination III/V,1740 d.h. wenn es sowohl an einem gemeinsamen Wirtschaften als auch an sonstigen Kompensationsmaßnahmen fehlt. Der Ausgleich kann am Aufteilungsmaßstab des § 272 Satz 1 AO orientiert werden, der ebenfalls vorläufiger Natur ist.1741

1989, 234, 234; Blümich/Ettlich, § 26b EStG Rz. 37). Ferner sei in diesem Zusammen­hang darauf hingewiesen, dass § 26b EStG nach richtiger Ansicht kein Spezialgesetz zu § 155 Abs. 3 AO ist (näher dazu Frotscher, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 155 Rz. 59; Seer, in: Tipke/Kruse, § 155 AO Tz. 38 sowie sogleich unter 4.). 1736 Vgl. Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. D 2. 1737 In der Praxis ergehen zusammengefasste Vorauszahlungsbescheide (vgl. § 37 Abs. 3 Satz 1 EStG mit § 155 Abs. 1, 3 AO sowie Fn 1735); siehe etwa die Fälle BFH BStBl. II 2011, 607; BFH/NV 2006, 1445; BFH BStBl. II 1982, 123. 1738 Insoweit auch Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. D 2, allerdings lediglich als bestätigendes Argument (vgl. Fn 1735). 1739 Vgl. Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. D 2 sowie auch BFH BStBl. II 1982, 123, 124 f.; FG Rheinland-Pfalz EFG 1989, 234, 234; zum Fall zusammen festgesetzter Vorauszahlungen (siehe Fn 1734, 1735) und anschließender Einzelveranlagung vgl. BFH BStBl. II 2011, 607, 608 ff.; zu der (Sonder-) Situationen, dass die Vorauszahlungen in einem solchen Fall bereits gemäß § 272 AO aufgeteilt wurden, vgl. Schlücking, DStR 1985, 141, 143 f. 1740 Diese Parallelität der Interessenlagen ist wenig verwunderlich: Die Lohnsteuer hat im Verhältnis zur Einkommensteuer bei materieller Betrachtung ebenfalls Vorauszahlungscharakter (siehe etwa BFH BStBl. II 1992, 752, 753; Eisgruber, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 38 Rn. 1; Heuermann, DB 1996, 1052, 1052), und die Tilgung einer auf den anderen Ehegatten entfallenden Vorauszahlungsschuld bewirkt eine interne Steuerlastverschiebung, die in der jeweiligen Höhe derjenigen bei Steuerklassenkombination III/V wirtschaftlich entspricht. 1741 Siehe zu Letzterem Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 272 AO Rz. 2; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 272 Rz. 2, 8 ff. Entsprechende unter­ jährige Kompensationsleistungen wären anzurechnen, wenn es im Zuge der Veranlagung zu einer Gesamtbereinigung kommt. Falls vor der Veranlagung kein Ausgleich geleistet wurde, müsste die Tilgung der wirtschaftlich fremden Vo­ rauszahlungsschuld ebenfalls in der Gesamtrechnung Berücksichtigung finden,

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Unter den soeben genannten Voraussetzungen kann ein Ausgleich ferner dann in Betracht kommen, wenn sich im Zuge der Veranlagung ergibt, dass eine Abschlusszahlung zu leisten ist (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG), die ein Ehegatte mit Rücksicht auf seine gesamtschuldnerische Haftung aus § 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO vollständig übernimmt. Mit derartigen Fällen hat sich die Zivilrechtsprechung häufiger auseinanderzusetzen.1742 Dem gleichzustellen sind Steuernachforderungen infolge einer Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung,1743 auf die sich die gesamtschuldnerische Haftung ebenfalls zweifelsfrei erstreckt. Dem Leistenden sind für Zwecke des Nachteilsausgleichs diejenigen Beträge zu erstatten, die er (bei Einbeziehung sämtlicher Umstände)1744 nicht aufzubringen hätte, wenn er einzeln veranlagt worden wäre,1745 denn das Leistungsfähigkeitsprinzip streitet auch in diesen Fällen für einen Nachteilsausgleich. Soweit die Ehegatten nämlich getrennt wirtschaften, entstehen punktuell leistungsfähigkeitswidrige Ergebnisse, die der Erhebungseffizienz geschuldet sind und ohne einen Ausgleich perpetuiert würden.1746 In allen genannten Situationen kann allerdings jeder der Ehegatten einen Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung nach Maßgabe der §§ 268 ff. AO stellen. Wenn dies geschieht, entfällt das Ausgleichsbedürfnis, soweit diese Vorschriften dazu führen, dass die gesamtschuldnerische Haftung neutralisiert wird. Wie unter III 2. gezeigt wurde, ist dies jedoch grundsätzlich nur in Höhe des zur Zeit der Antragstellung (vgl. §§ 276 Abs. 1, 272 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 AO) bzw. Vollstreckungseinleitung (§ 276 Abs. 2 AO) noch rückständigen Betrages der Fall, während Zahlunda, wie unter III. gezeigt wurde, die Verhältnisse bei Einzelveranlagung den Maßstab des Nachteilsausgleichs bilden. 1742 Vgl. die Fälle OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 96; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 441. In der Gerichtspraxis treten Konstellationen dieser Art häufig in Kombination mit auf Mitwirkung an der Zusammenveranlagung gerichteten Begehren auf (vgl. BGH NJW 2007, 2554; BGH NJW 2002, 2319; OLG Hamm FamRZ 1998, 241; OLG Hamm FamRZ 1990, 291). Praktische Bedeutung kommt dieser Fallgruppe nicht zuletzt bei Lohneinkünften zu, wenn die Steuerklassenkombination III/V gewählt wurde (vgl. aber Fn 1725 a.E.). 1743 Siehe etwa den Fall BGH NJW 2006, 2623. 1744 Hierzu zählen selbstverständlich auch unterjährige Ausgleichsmaßnahmen aus Anlass der Steuerklassenwahl bzw. der Übernahme von Vorauszahlungen (vgl. Fn 1741); weitere Einzelheiten in den folgenden Abschnitten. 1745 Das Ausgleichsbedürfnis kann den (nach-)gezahlten Betrag auch übersteigen – und im Einzelfall sogar zugunsten eines Ehegatten bestehen, der eine Steuererstattung vereinnahmt hat. Derartige Effekte resultieren allerdings nicht aus der gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme für rückständige Steuern. Sie werden sogleich unter 4. beleuchtet. 1746 Siehe wiederum oben § 7 C II 2., S. 196 f.

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gen vor dem maßgebenden Zeitpunkt im Regelfall keine Berücksichtigung finden. Ein Ausgleichsbedürfnis, das aus dem Gesichtspunkt der gesamtschuldnerischen Haftung resultiert, kann also auch nach Aufteilung der Gesamtschuld (fort-)bestehen.1747 Dies gilt selbstverständlich erst recht, wenn ein Ehegatte die gesamte offene Steuergesamtschuld getilgt hat, denn dann kommt eine Aufteilung der Steuerschuld nicht mehr in Betracht (§§ 269 Abs. 2 Satz 2, 270 Satz 1 AO).1748 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die gesamtschuldnerische Haftung zusammen veranlagter Ehegatten (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO) auf keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken stößt, denn sie lässt sich im Außenverhältnis zum staatlichen Steuergläubiger als steuerschuldrechtliche Konsequenz der Wahl der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif begreifen1749 und führt im Innenverhältnis zu keinen unangemessenen Ergebnissen, da zivilrechtliche Ausgleichsansprüche in Betracht kommen. Einer (ergänzenden) Rechtfertigung über die §§ 268 ff. AO, wie sie von der herrschenden Meinung als erforderlich angesehen wird,1750 bedarf es folglich nicht. Verfassungsrechtlich geboten sind diese Vorschriften so lange nicht, wie es den Ehegatten offen steht, die Einzelveranlagung zu wählen.1751 Eine häufig zitierte, scheinbar in eine andere Richtung weisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts1752 hatte hingegen mit der Vermögensabgabe nach § 38 LAG 1952 einen Fall obligatorischer Zusammenveranlagung im Blick.

1747 Nur angedeutet werden kann hier, dass auch der umgekehrte Fall denkbar ist – und in der Praxis häufig auftritt: Die Anwendung der Aufteilungsvorschriften kann dazu führen, dass ein Ausgleichsbedürfnis überhaupt erst entsteht bzw. sich verstärkt (näher dazu unten D III.). Ferner sei darauf hingewiesen, dass die §§ 268 ff. AO auch sonst in aller Regel zu keinem abschließenden Ergebnis für das Innenverhältnis führen (vgl. demgegenüber Peetz, FamRZ 2007, 1799, 1799; Tiedtke, FPR 2003, 400, 402), denn sie ermöglichen keine angemessene Aufteilung der Splittingersparnis (näher oben II.) und sind in den praktisch häufigen Erstattungssituationen sogar von vornherein unanwendbar (siehe oben III 2.). Hierauf ist ebenfalls zurückzukommen. 1748 Siehe etwa BFH BStBl. II 1991, 493, 494 f.; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 269 AO Tz. 6. 1749 Vgl. Tipke, StRO I, S. 380 und sogleich unter 4. 1750 Vgl. C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26b Rn. 11; Schmidt/Seeger, EStG, § 26b Rn. 2; Krumsiek, Zusammenveranlagung, S. 140 ff.; siehe auch BFH BSt Bl. II 2008, 418, 419; BFH BStBl. II 1971, 331, 332; Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 268 – 280 AO Rz. 6. 1751 Siehe auch Zöllner, in: Pahlke/Koenig, AO, § 268 Rz. 3 f.; Pump, INF 1987, 481, 485 f. 1752 BVerfGE 12, 151, 173 ff.

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4. Sonstige Fälle der Schlechterstellung im Zuge der Zusammen­ veranlagung Darüber hinaus sind Situationen denkbar, in denen der Nachteil weder aus der Lohnsteuerklassenkombination noch (in voller Höhe) aus der Tilgung einer ausstehenden Steuergesamtschuld resultiert, sondern sich sonst infolge der Zusammenveranlagung ergibt. So kann die Zusammenveranlagung in Konsequenz der in § 26b EStG angeordneten Zusammenrechnung der Einkünfte, ihrer gemeinsamen Zurechnung und der Behandlung der Ehegatten „gemeinsam als Steuerpflichtiger“ (so genannte „Einheit des Einkommens“)1753 in bestimmten Fällen punktuell negative Effekte hervorrufen. Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn ein Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG) Platz greift1754 oder bei Frei- bzw. Pauschbeträgen eine Gemeinschaftsbetrachtung vorzunehmen ist.1755 Derartige Effekte vermindern in erster Linie die auf die Ehegatten zu verteilende Gesamtsteuerersparnis.1756 Hierdurch sowie durch die Orientierung des Nachteilsausgleichs an den Verhältnissen bei Einzelveranlagung wird sichergestellt, dass sich die beschriebenen Nachteile nicht einseitig zulasten eines Ehegatten auswirken. Größere Schwierigkeiten für den Innenausgleich bereiten hingegen Fälle, in denen aufgrund der in § 26b EStG vorgeschriebenen Zusammenrechnung der Einkünfte Verluste des einen Ehegatten mit positiven Einkünften des anderen Ehegatten zu verrechnen sind.1757 Dies kann bei peri1753 Vgl. C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26b Rn. 7 a.E.; Schmidt/Seeger, EStG, § 26b Rn. 9 sowie auch BFH BStBl. II 1987, 297, 300; St. Schneider, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26b Rn. A 30. Dieser Begriff ist allerdings nicht ganz präzise, da bereits ab der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) eine Einheitsbetrachtung vorzunehmen ist (siehe etwa St. Schneider, aaO, Rn. A 33, B 50, 55; Schmidt/Seeger, aaO, Rn. 8). Inwieweit sie auch schon auf Einkunftsermittlungsebene durchgeführt werden kann, ist hingegen (bei Fehlen ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen) weniger klar (näher C. Seiler, aaO, Rn. 4; Röder, Verlustverrechnung, S. 81 f.). Die Rechtsprechung löst derartige Fälle im Sinne einer „Meistbegünstigung“ der Ehegatten (ausführlich zum Ganzen St. Schneider, aaO, Rn. A 32, A 80, B 20 ff.). 1754 Aufgrund von §§ 26b, 32a Abs. 5 EStG erfasst er das gesamte zu versteuernde Einkommen der Ehegatten (Blümich/Ettlich, § 26b EStG Rz. 33). 1755 Näher C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26b Rn. 5. 1756 Siehe bereits oben unter II. sowie den Hinweis in Fn 1662. 1757 Siehe zu diesem Zwang zur Verlustverrechnung nur Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26b EStG Anm. 30, 40; Schmidt/Seeger, EStG, § 26b Rn 10. Lediglich ihre Reichweite hängt vom jeweils vertretenen Standpunkt zum Verhältnis zwischen § 26b EStG und § 2 Abs. 3 EStG ab (vgl. dazu Fn 1753); speziell zum Verlustabzug nach § 10d EStG siehe Blümich/Ettlich, § 26b EStG Rz. 24; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26b Rn. B 58 ff. sowie § 62d

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odenübergreifender Betrachtung sowohl für den einzelnen Ehegatten als auch im Gesamtsaldo zu Steuernachteilen führen. Die Besonderheiten, die in Bezug auf die Behandlung von Verlusten für die Frage des Innenausgleichs auftreten können, werden, wie bereits angesprochen,1758 im Gesamtzusammenhang unter F. analysiert. Im Folgenden soll daher zunächst auf eine andere Fallgruppe eingegangen werden, und zwar auf diejenige mit der größten Praxisrelevanz. Hierbei handelt es sich um einseitig nachteilige Effekte, die sich aus der Anrechnung (§ 36 Abs. 2 EStG) von Vorauszahlungen und Abzugsteuern auf die Einkommensteuer der zusammen veranlagten Eheleute ergeben:1759 Hat beispielsweise ein Ehegatte Vorauszahlungen erbracht, die auf seine eigenen Einkünfte entfallen,1760 sich jedoch im Zuge der Veranlagung als zu hoch erweisen, und kommt die entsprechende Überzahlung infolge ihrer Anrechnung auf die Steuerschuld (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG) wirtschaftlich nicht ihm, sondern seinem Partner zugute, weil in dessen Person weder (ausreichend hohe) Vorauszahlungen noch Abzugsbeträge angefallen sind, so entsteht ihm ein nachteiliger Steuereffekt – und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Höhe im konkreten Fall eine Abschluss­ zahlung angefallen ist und wer diese getilgt hat.1761 Dieser nachteilige Steuereffekt resultiert nicht aus einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme des benachteiligten Ehegatten, denn in der entsprechenden Höhe hat kein Steuerrückstand (mehr) bestanden, da die Vorauszahlungen gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG auf die EinkommensteuEStDV; aufgrund von § 10d Abs. 1 Satz 5, 6 EStG besteht in diesem Bereich allerdings ein gewisser Gestaltungsspielraum. 1758 Siehe Fn 1661. 1759 Verzerrende Effekte, die schon unterjährig Ausgleichsbedarf auslösen, sind hingegen bereits unter 2. und 3. erörtert worden (Lohnsteuerklassenkombination III/V; Begleichung wirtschaftlich fremder Einkommensteuer-Vorauszahlungen). Für sie stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Vornahme bzw. Nichtvornahme von Ausgleichsmaßnahmen während des laufenden Jahres für eine etwaige Gesamtbereinigung nach erfolgter Veranlagung zukommt; siehe dazu in Bezug auf Vorauszahlungen Fn 1741 und für Lohnsteuerklasseneffekte die Ausführungen in den folgenden Abschnitten. 1760 In diesem Fall greifen die unter 3. dargestellten Grundsätze nicht ein, da der betroffene Ehegatte nicht (vor dem Hintergrund seiner gesamtschuldnerischen Einstandspflicht) auf eine Vorauszahlungsschuld geleistet hat, die auf Einkünften seines Partners beruht. 1761 Eine etwaige Abschlusszahlung muss zwar im Innenverhältnis in voller Höhe von dem profitierenden Ehegatten getragen werden; das folgt aus den unter 3. dargestellten Grundsätzen. Jedoch wird der nachteilige Effekt, der seinem Partner deshalb entstanden ist, weil dessen Leistungen nicht ihm selbst zugute gekommen sind (fehlende Steuererstattung!), hierdurch nicht kompensiert.

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er anzurechnen waren.1762 Vielmehr bildet er eine Folge der Anrechnung selbst – und tritt auf Grundlage der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) unabhängig von der Gesamtschuldanordnung des § 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO und deren Reichweite ein. Diese Aussage soll im Folgenden im Rahmen eines Exkurses näher untermauert werden, zumal – wie sich noch zeigen wird – den Fragenkreisen der Anrechnung und der Reichweite der Steuergesamtschuld erhebliche Bedeutung für die vorliegende Untersuchung zukommt. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass Beträge, die gemäß § 36 Abs. 2 EStG anzurechnen sind, im Wortlaut des § 44 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO keine hinreichende Entsprechung finden, denn als Schulderlöschensgründe mit Gesamtwirkung werden hier lediglich die Erfüllung und die Aufrechnung angeführt. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der Gesamtschuldtatbestände in erster Linie das Sicherungsinteresse des Steuergläubigers im Blick hatte,1763 das jedoch nur bei rückständigen Beträgen aktuell wird. Insbesondere bezieht sich der in § 44 Abs. 2 Satz 1 AO verwendete Begriff der „Erfüllung“ augenscheinlich auf Tilgungsleistungen, die auf noch offene Steuergesamtschulden erbracht werden, denn dieser Begriff lehnt sich ersichtlich an sein zivilrechtliches Vorbild (vgl. § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB mit §§ 362 ff. BGB) an.1764 Damit geht einher, dass anscheinend Einigkeit darüber besteht, diesen Begriff für steuerrechtliche Zwecke als deckungsgleich mit dem der „Zahlung“ (vgl. §§ 47, 224 AO) anzusehen.1765 Auch die Aufrechnung (§ 44 Abs. 2 Satz 2 AO) betrifft rückständige Steuern, und die weiteren Vorschriften des § 44 Abs. 2 AO sprechen ebenfalls für ein derartiges Verständnis.1766 Leistungen, die ganz oder zu wesentlichen Teilen 1762 Gleiches gilt selbstverständlich für Abzugsbeträge nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. An der hier beschriebenen Fallgruppe wird im Übrigen erneut deutlich, dass eine Aufteilung nach Maßgabe der §§ 268 ff. AO häufig nicht ausreicht, um angemessene Ergebnisse für das Innenverhältnis zu erzielen. 1763 Siehe vorläufig etwa Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 5. 1764 Die Vorschriften über die Steuergesamtschuld orientieren sich ganz generell zu wesentlichen Teilen an ihrem bürgerlich-rechtlichen Gegenstück (siehe vorläufig nur Woerner, BB 1967, 241, 241). Auf die Einzelheiten wird unter C II. zurückzukommen sein. 1765 Vgl. Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 26 f.; Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 18; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 19 f.; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 17 f.; Heuermann, DB 1996, 1052, 1057. Von den meisten dieser Autoren wird ebenfalls ausdrücklich auf § 362 Abs. 1 BGB Bezug genommen. 1766 In § 44 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO sind ausstehende Beträge betroffen. Auch die Aufteilungsnormen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 4 AO) beziehen sich in erster Linie auf

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schon während des laufenden Veranlagungszeitraums, d.h. vor Entstehung der Gesamtschuld1767 erbracht wurden (Vorauszahlungen, Abzugsbeträge) und aufgrund ihrer – zwingend vorgeschriebenen – Anrechnung Tilgungswirkung entfalten,1768 bevor eine etwaige Abschlusszahlung fällig wird (vgl. § 36 Abs. 2, 4 Satz 1 EStG), lassen sich hingegen kaum unter den Wortlaut des § 44 Abs. 2 Satz 1 bzw. 2 AO fassen,1769 zumal derartige Tatbestände den zivilrechtlichen Vorbildregelungen fremd sind.1770 Die damit aufgeworfene Frage, ob sich die gesamtschuldnerische Haftung zusammen veranlagter Ehegatten (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO) von vornherein nur auf nach Anrechnung noch rückständige Steuerschulden bezieht, bedarf an dieser Stelle jedoch keiner abschließenden Klärung.1771 Denn dass Anrechnungsbeträge – ebenso wie nachträgliche Tilgungsleis­ tungen gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1, 2 AO – Gesamtwirkung entfalten und daher die hier beschriebenen Effekte hervorrufen können, folgt, wie bereits angedeutet, schon aus der gesetzlichen Regelung der Zusammenveranlagung selbst, der mithin auch (begrenzte) steuerschuldrechtliche Aussagekraft zukommt: Zwar wird die in § 26b EStG angeordnete besondere steuerliche Behandlung zusammen veranlagter Ehegatten („gemeinsam als Steuerpflichtiger“) von der heute herrschenden Meinung – prinzipiell zu Recht – lediglich auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und damit der Einkommensteuer bezogen.1772 Richtigerweise zeitigt rückständige Zahlungen. Jedenfalls bildet eine noch offene Steuerschuld die Voraussetzung für ihre Anwendbarkeit; näher oben III 2. 1767 Zu den Einzelheiten der streitigen Frage nach dem Zeitpunkt der Gesamtschuld­ entstehung bei zusammen veranlagten Ehegatten siehe unten C II. An dieser Stelle genügt die Feststellung, dass die Gesamtschuld frühestens mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstehen kann (§ 38 AO, 36 Abs. 1 EStG); zu dem daraus resultierenden (Prognose-)Problem bei der Festsetzung von Vorauszahlungen näher oben 3. 1768 Näher zu dieser Anrechnung und den maßgebenden Zeitpunkten unten C II. Die Tilgungswirkung der Anrechnung folgt unzweifelhaft aus der Zusammenschau von § 36 Abs. 2 und 4 EStG sowie der amtlichen Überschrift des § 36 EStG; vgl. nur BFH BStBl. II 1981, 767, 769; Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 47 Rz. 16; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 47 AO Tz. 17, 19. 1769 A.A. (beiläufig und im Zusammenhang mit den Aufteilungsvorschriften) BFH BStBl. II 1991, 493, 494; BFH BStBl. II 1988, 406, 407. 1770 Vgl. Fn 1764. So betrifft die Anrechnung nach §§ 366, 367 BGB den völlig anderen Fall der unzureichenden Leistung bei mehreren rückständigen Verbindlichkeiten. Situationen, in denen – wie hier – die Pflicht besteht, Zahlungen zu leisten, die den Gläubiger einer noch gar nicht entstandenen (Gesamt-)Schuld absichern sollen, sind dem bürgerlichen Recht hingegen unbekannt. 1771 Auf sie wird unter C II. zurückgekommen. 1772 Besonders deutlich Blümich/Ettlich, § 26b EStG Rz. 20, 37; Seer, in: Tipke/Kruse, § 155 AO Tz. 38; Lippross, DB 1984, 1850, 1850; Tiedtke, FPR 2003, 400,

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§ 26b EStG aber darüber hinaus auch (allerdings sehr begrenzte) steuerschuldrechtliche Folgewirkungen,1773 die im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind: Aus § 26b EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 6 EStG ergibt sich, dass eine Einkommensteuer, d.h. ein einheitlicher Steuerbetrag festzusetzen ist.1774 Mit dieser einen festzusetzenden Steuer korrespondiert notwendig eine (einheitliche) Einkommensteuerschuld der Ehegatten,1775 die mithin als steuerschuldrechtliches Spiegelbild der in § 26b EStG angeordneten Einkommensermittlungsgemeinschaft umschrieben werden kann.1776 Aus der Subjektsqualität der Ehegatten folgt,

404 f.; a.A. noch Gmach, BB 1981, 727, 728 f. sowie Rößler, BB 1983, 626, 626 ff. mit weitgehenden verfahrens- und steuerschuldrechtlichen Folgerungen (zu Letzteren näher sogleich); zu weiteren abweichenden Ansätzen, die nach dem Inkrafttreten von § 26b EStG 1975 vertreten wurden, heute aber zu Recht überwunden sind, näher Preißer, Gesamtschuld, S. 93 ff. sowie auch Seer, aaO. 1773 A.A. Seer, in: Tipke/Kruse, § 155 AO Tz. 38 („betrifft nicht das Steuerschuld­ recht“). 1774 Vgl. BT-Drucks. 7/1470, S. 299; Blümich/Ettlich, § 26b EStG Rz. 20; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 17; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 26b Rn. A 25, B 50. Vor diesem Hintergrund kann § 32a Abs. 5 Satz 1 EStG nicht als Aufteilungsvorschrift verstanden werden (so aber namentlich Lang, Bemessungsgrundlage, S. 626 f.). Das von Lang angeführte Prinzip der Individualbesteuerung sollte hier schon angesichts der verfassungsrechtlichen Fundierung der Vorstellung von der Gemeinschaft der Ehegatten nicht überhöht werden (vgl. oben S. 303 ff.), zumal es richtigerweise nur nach Maßgabe des Gesetzes, gegebenenfalls in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, Wirkkraft entfaltet (vgl. auch S. 272, S. 291). Dass die Ehegatten jeweils einzeln Steuerpflichtiger und Steuerschuldner sind, versteht sich ohnehin (siehe oben bei Fn 1772 sowie im Folgenden). 1775 Vgl. auch Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 2 Rn. 69; Genthe, FuR 1999, 153, 153 f.; Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 34; Lippross, DB 1984, 1850, 1852 (weitergehend als hier für notwendig inhaltsgleiche Schuld beider Ehegatten); Preißer, Gesamtschuld, S. 100 sowie im allgemeinen Zusammenhang P. Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 2 Rn. 114, 116: Die festzusetzende Einkommensteuer bilde die einkommensteuerliche Zahllast; sie bezeichne die Einkommensteuerschuld. Diese von Kirchhof betonte Beziehung zwischen § 2 Abs. 6 EStG und § 36 Abs. 1 EStG (und damit auch § 38 AO) ist offenbar allgemein anerkannt; vgl. BFH BStBl. II 2001, 581, 583 („festgesetzte Jahressteuerschuld“); Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 72; Lammers, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 36 EStG Anm. 12; Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 36 Rn. 1; Schmidt/Loschelder, EStG, § 36 Rn. 1. 1776 Diese einheitliche Steuerschuld entsteht mit der Wahl der Zusammenveranlagung und wirkt auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Veranlagungszeitraums (§ 36 Abs. 1 EStG) zurück; vgl. BFH BStBl. II 2005, 690, 691 f. sowie auch Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 16 und Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 11 (zu der streitigen Frage, wann die Steuergesamtschuld unter zusammen veranlagten Ehegatten entsteht; dazu näher unten C II.).

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dass es für diese Schuld zwei Einstandspflichtige gibt,1777 so dass man zwar (untechnisch) von einer „gemeinsamen Steuerschuld“ sprechen kann,1778 sich jedoch klar machen muss, dass dem Steuergläubiger zwei Forderungen zustehen, da die Ehegatten die geschuldete Geldzahlung nicht gemeinschaftlich erbringen müssen.1779 Allerdings lässt sich weder aus § 26b EStG noch aus der Steuerrechtssubjektivität der Ehegatten mit hinreichender Deutlichkeit ableiten, welchen Umfang die Einstandspflicht des jeweiligen Ehegatten für die einheitliche Steuerschuld hat1780 und wie verfahrensrechtlich vorzugehen ist.1781 Solange das Gesetz jedoch diese, in der Konsequenz der Zusammenveranlagung liegende einheitliche Schuld zweier Subjekte nicht wieder auflöst, müssen Leistungen, die auf sie erbracht werden bzw. gemäß § 36 Abs. 2 EStG auf sie anzurechnen sind, notwendig zu ihrem Erlöschen

1777 Bei der in § 26b EStG verankerten Behandlung der Ehegatten „gemeinsam als Steuerpflichtiger“ handelt es sich um eine bloße Fiktion, die primär der einheitlichen Einkommensermittlung geschuldet ist und – wie hier gezeigt wird – auch begrenzte steuerschuldrechtliche Bedeutung hat, aber nichts an der Existenz zweier Steuerpflichtiger und -schuldner ändert; so zu Recht die heute wohl allgemein vertretene Ansicht; siehe neben den Nachweisen in Fn 1772 etwa C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26b Rn. 7; Frotscher, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 155 Rz. 59; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 624; Lippross, DB 1984, 1850, 1850. Hieraus folgt zugleich, dass § 155 Abs. 3 AO nicht von § 26b EStG verdrängt wird (Frotscher, aaO; Seer, in: Tipke/Kruse, § 155 AO Tz. 38, jeweils mit Nachweisen zur Gegenauffassung). 1778 So etwa BFH/NV 2006, 1445, 1446; FG Köln EFG 2010, 2003, 2003. 1779 Siehe erneut Lippross, DB 1984, 1850, 1850 sowie auch Preißer, Gesamtschuld, S. 101 („Einzelschulden“); nicht überzeugend hingegen Rößler, BB 1983, 626, 627 ff. (629), der aus der Einheitlichkeit der Einkommensteuerschuld folgert, es könne keine Mehrheit von Forderungen geben, und auf dieser Basis eine gemeinschaftliche Schuld bejahen will; gegen ihn zu Recht Lippross, aaO sowie auch Preißer, aaO, S. 97 ff., S. 101. 1780 Hierzu bedarf es ergänzender steuerschuldrechtlicher Regelungen. Schon eine Zusammenschau der §§ 44, 268 ff. AO und ein Seitenblick auf § 420 BGB macht deutlich, dass unterschiedliche Ausgestaltungen möglich sind; a.A. Lippross, DB 1984, 1850, 1852, der eine notwendig inhaltsgleiche Steuerschuld beider Ehegatten annimmt, die in Höhe der festgesetzten Einkommensteuer besteht und eine Konsequenz der Zusammenveranlagung und der Verbindung der Besteuerungsverfahren bildet (ähnlich Genthe, FuR 1999, 153, 154). Lippross ist zuzugestehen, dass dieses Ergebnis sehr nahe liegen würde, wenn es an einschlägigen steuerschuldrechtlichen Vorschriften fehlte; dazu näher sogleich; zu dem heute nicht mehr aktuellen Streit, ob beide Ehegatten in vollem Umfang Steuerschuldner sind oder aber hinsichtlich der nicht auf sie entfallenden Einkünfte lediglich als Haftende angesehen werden können, näher Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 32 ff.; Preißer, Gesamtschuld, S. 96. 1781 Vgl. § 155 Abs. 3 AO und Fn 1777.

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(vgl. § 47 AO) führen,1782 d.h. aus der Perspektive der Ehegatten betrachtet Gesamtwirkung entfalten. Man kann folglich von einer „Tilgungsgemeinschaft“ sprechen,1783 die ebenfalls bereits aus § 26b EStG selbst folgt. Der in § 44 Abs. 2 Satz 1, 2 AO angeordneten Gesamtwirkung von Erfüllung und Aufrechnung hätte es mithin für die Fälle zusammen veranlagter Ehegatten eigentlich nicht bedurft. Der Vollständigkeit halber ist aber darauf hinzuweisen, dass die hier getroffenen Aussagen selbstverständlich dort nicht gelten, wo der Gesetzgeber abweichende Anordnungen getroffen hat – was namentlich in § 276 Abs. 6 AO für Aufteilungssituationen geschehen ist.1784 Hiermit ist allerdings nicht zugleich gesagt, dass die in § 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO getroffene Gesamtschuldanordnung zur Gänze überflüssig wäre. Wie gezeigt, beschränkt sich die steuerschuldrechtliche Folge­ wirkung der Zusammenveranlagung auf die Entstehung einer Schuld zweier Rechtssubjekte, ohne dass sich aus § 26b EStG mit zwingender Evidenz folgern ließe, dass beide Ehegatten auf den vollen Steuerbetrag in Anspruch genommen werden können.1785 Einzuräumen ist aber, dass sich die gesetzgeberische Entscheidung für eine gesamtschuldnerische Einstandspflicht der Ehegatten als nahe liegende steuerschuldrechtliche Folgerung aus der in § 26b EStG zum Ausdruck kommenden Einkommensermittlungsgemeinschaft begreifen lässt.1786 Notwendig ist diese Verknüpfung von Zusammenveranlagung und Gesamtschuld allerdings nicht. So könnte der Gesetzgeber die Einstandspflicht des jeweiligen 1782 Es versteht sich, dass die (in § 47 AO nicht ausdrücklich genannten) Anrechnungsbeträge Erlöschenswirkung entfalten; siehe oben Fn 1768. 1783 Vgl. in etwas anderem Zusammenhang Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 11. 1784 Die §§ 268 ff. AO führen allerdings nach zutreffender herrschender Meinung (siehe vorläufig BFH BStBl. II 2008, 418, 419; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 15) nicht zu einer Aufspaltung der einheitlichen Steuer(gesamt)schuld in Teilschulden. Daher bleibt es dabei, dass geleistete Zahlungen zum Erlöschen dieser Schuld führen, soweit sie nicht nach § 276 Abs. 6 Satz 2 AO (bzw. § 272 Abs. 1 Satz 6 AO) zu erstatten sind. 1785 A.A. Genthe, FuR 1999, 153, 154; Lippross, DB 1984, 1850, 1852 („notwendig“); siehe demgegenüber bereits Fn 1780 sowie im Folgenden. 1786 So spricht der BFH davon, dass das „Wesen der Zusammenveranlagung“, das in der steuerlichen Behandlung als ein Steuerpflichtiger bestehe, mit der Gesamtschuldnerschaft korrespondiere (BFH BStBl. II 1997, 115, 116); siehe ferner Tipke, StRO I, S. 380 sowie schon Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 34 f.; zu weitgehend Krumsiek, Zusammenveranlagung, S. 119 a.E., wenn er von einem „Sonderfall eines Gesamtschuldverhältnisses aufgrund gemeinsamer Tatbestandserfüllung“ (siehe auch S. 125 f.) spricht. Dagegen lässt sich anführen, dass die Ehegatten ihre Einkünfte prinzipiell unabhängig voneinander erzielen – und die Möglichkeit haben, sich einzeln veranlagen zu lassen.

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Ehepartners auf Teile der (einheitlichen) Schuld begrenzen1787 oder die Einheitsbetrachtung von vornherein auf die Einkommensermittlungsebene beschränken und auf steuerschuldrechtlicher Ebene eine vollständig abweichende Regelung treffen, insbesondere Teilschulden anordnen.1788 Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass es der Anwendung des § 44 Abs. 2 AO nicht bedarf, um die Gesamtwirkung der Anrechnung (§ 36 Abs. 2 EStG) zu begründen, da sie bereits in der Konsequenz der Zusammenveranlagung selbst liegt. Für das Innenverhältnis kann es bei wertender Betrachtung allerdings keinen Unterschied machen, ob die jeweilige Leistung auf eine rückständige Gesamtschuld erfolgt ist oder sie bereits im Vorhinein erbracht wurde und nunmehr angerechnet wird, denn in beiden Fällen geht es darum, dass die Leistung im wirtschaftlichen Ergebnis ganz oder zum Teil auf eine fremde Steuerschuld entfallen ist, und zwar jeweils in Konsequenz der Zusammenveranlagung bzw. der gesamtschuldnerischen Haftung. Von dem sonst üblichen Fall der Gesamtschuld, wie er in anderen Rechtsbereichen auftritt, unterscheidet sich die hier unter 4. analysierte Anrechnungskonstellation lediglich dadurch, dass die Einkommensteuerschuld nach ihrer Entstehung und Festsetzung in aller Regel nicht in voller Höhe beglichen werden muss, weil der staatliche Steuergläubiger sich bereits im Vorhinein über Vorauszahlungs- und Abzugsbeträge abgesichert hat. Für das Innenverhältnis können derartige Erhebungsmodalitäten jedoch keinen entscheidenden Unterschied machen. Auch für die hier beleuchteten Effekte gilt mithin: Das Ehegattensplitting führt zwar zu leistungsfähigkeitsgerechten Ergebnissen, wenn die Ehegatten – entsprechend dem gesetzlich typisierten Regelfall – gemeinschaftlich wirtschaften. Bei getrennter Wirtschaft führt diese gesetzliche Gesamtbetrachtung jedoch Rechtsfolgen herbei, die bei der dann erforderlich werdenden isolierten Betrachtung leistungsfähigkeitswidrig und damit ausgleichsbedürftig sein können, wenn es unter den Ehegatten an hinreichenden Kompensationsmaßnahmen fehlt. Als Maßstab für den 1787 Dieses Regelungsmodell liegt den §§ 268 ff. AO zugrunde, die aber nur partiell wirken (näher oben III 2.). Will der Gesetzgeber in derartiger Weise vorgehen, so muss er einen Aufteilungsmaßstab festlegen und ferner bestimmen, ob Zahlungen, die über den jeweiligen Teilbetrag hinausgehen, (Gesamt-)Tilgungswirkung entfalten oder zu erstatten sind. Letzteres ist in den §§ 272 Abs. 1 Satz 6, 276 Abs. 6 Satz 2 AO geschehen (siehe oben Fn 1784). 1788 Vgl. Preißer, Gesamtschuld, S. 101 sowie auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 626 f. Eine gemeinschaftliche Schuld kommt hingegen nicht in Betracht (siehe oben bei und in Fn 1779).

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Nachteilsausgleich sind in einem solchen Fall die Verhältnisse bei Einzelveranlagung heranzuziehen.1789 Dies hat, anders als im direkten Anwendungsbereich der §§ 268 ff. AO, im Wege einer Gesamtschau zu erfolgen, die alle für das Innenverhältnis relevanten Umstände umfasst. In dieser Weise dürfte auch die Zivilrechtsprechung zu verstehen sein, wenn sie sich für eine entsprechende Anwendung des § 270 AO ausspricht.1790

V. Sonderfälle 1. Zusammenveranlagung im Jahr der Eheschließung Bevor die Frage erörtert wird, ob und auf welcher zivilrechtlichen Grundlage der nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen in Betracht kommende Steuerausgleich im Innenverhältnis zu vollziehen ist, soll noch auf diejenigen Situationen eingegangen werden, in denen § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG eine Zusammenveranlagung mit Splittingersparnis ermöglicht, obwohl die Ehegatten nicht während des gesamten Veranlagungszeitraums (Kalenderjahr, § 25 Abs. 1 EStG) verheiratet waren bzw. zusammen gelebt haben.1791 Dies betrifft zunächst das Jahr der Eheschließung. 1789 Siehe oben III. Hingewiesen sei aber erneut auf den Ausnahmecharakter dieses Vorgehens. In intakten Lebensgemeinschaften ist es grundsätzlich nicht erforderlich. 1790 Vgl. BGH NJW 2006, 2623, 2625; siehe in diesem Zusammenhang erneut die Nachweise in Fn 1717. Mit der von ihm für zutreffend erachteten „entsprechenden“ Anwendung des § 270 AO unvereinbar ist es jedoch, wenn der BGH in dem hier entschiedenen Fall offenbar ausschließlich den nachzuzahlenden Betrag aufteilen will, ohne sämtliche steuerlich und zivilrechtlich relevanten Umstände in eine Gesamtabrechnung einzubeziehen. Damit ist das Gericht zwar dem zu bewertenden Fall insoweit gerecht geworden, als dort der Zeitraum vor der Trennung betroffen war, für den grundsätzlich kein Ausgleich beansprucht werden kann, weil richtigerweise zu vermuten ist, dass ein laufender Ausgleich in Bezug auf die einschlägigen Steuereffekte stattfindet (siehe insbesondere unten B V.). Der grundsätzlichen Ausführungen des Gerichts zum Ausgleichsmaßstab hätte es jedoch vor diesem Hintergrund überhaupt nicht bedurft. Welche Verwirrung derartige Ausführungen stiften können, zeigt der Beitrag Schulenburgs, FR 2008, 668, 669 f.; zu der Frage, ob der vom BGH angelegte Maßstab zur Aufteilung der Nachzahlung im konkreten Fall zutreffend gewesen ist, vgl. Wever, FamRZ 2006, 1181, 1181 f. 1791 Ob sich diese Regelung, die häufig zu leistungsfähigkeitswidrigen Ergebnissen führen wird, namentlich unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung verfassungsrechtlich halten lässt, ist nicht zweifelsfrei. Das BVerfG ist in der Entscheidung BVerfGE 76, 361, 367 f. offenbar von ihrer Verfassungsmäßigkeit ausgegangen, ohne diese jedoch grundsätzlich zu hinterfragen. Jedenfalls sieht das Gericht die Regelung als „Vergünstigung“ an, die „auf einem Entgegen-

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Von vornherein kein Anlass für einen Ausgleich besteht hier, wenn die Verlobten ohnehin bereits seit Jahresanfang gemeinsam gewirtschaftet haben oder unter ihnen sonst eine umfängliche Teilhabe an den erworbenen Mitteln stattgefunden hat. Anders kann dies zum einen dann sein, wenn in der Zeit vor der Eheschließung zwar – wie häufig – eine Lebensgemeinschaft bestanden hat, es jedoch an einer vollständigen Mittelpartizipation fehlte. Zum anderen ist der Fall denkbar, dass die Verlobten noch nicht einmal zusammen gelebt haben. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen kommt für den entsprechenden Zeitraum in beiden Situationen ein zivilrechtlicher Ausgleich in Betracht. Was zunächst den Nachteilsausgleich angeht, ist namentlich an den Fall zu denken, dass das Paar seine Steuerklassen nach der Eheschließung in III und V ändert. Allerdings ist dies gemäß § 39 Abs. 6 Satz 2 EStG nur mit Wirkung ab Eheschließung möglich1792 – was zur Konsequenz hat, dass für den Folgezeitraum die allgemeinen, unter IV 2. herausgearbeiteten Grundsätze gelten, während sich für den Zeitraum davor kein Ausgleichsbedürfnis ergibt. Ein Nachteilsausgleich für den Zeitraum vor der Eheschließung kommt folglich nur dann in Betracht, wenn der Nachteil eine andere Ursache als die Steuerklassenwahl hat. Dann greifen die soeben unter IV 3. und 4. dargestellten Grundsätze ein. Die Splittingersparnis fällt hingegen (nach vollzogener Veranlagung) immer für das gesamte Kalenderjahr an. Je nachdem, ob für die Zeit nach der Eheschließung die Steuerklassenkombination III/V gewählt wurde und ob der entsprechende unterjährige Liquiditätsvorteil gemeinschaftlich genutzt worden ist oder nicht, besteht ein Ausgleichsbedürfnis entweder in Bezug auf den gesamten Steuervorteil oder einen Teil von ihm. Entsprechend den Ausführungen unter II. wäre dieser Betrag hälftig aufzuteilen, um verfassungsoptimale Ergebnisse zu erzielen.1793 2. Zusammenveranlagung im Jahr der Trennung § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG lässt die Zusammenveranlagung auch dann für das gesamte Kalenderjahr zu, wenn sich die Eheleute in diesem Zeitraum kommen des Gesetzgebers beruht“ (S. 368 a.E.). Dieser Fragenkreis bedarf für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung keiner näheren Erörterung, denn solange wie § 26 Abs. 1 EStG unverändert bleibt, besteht in vielen Fällen – losgelöst von der jeweiligen Rechtfertigungsmöglichkeit – Anlass für einen zivilrechtlichen Ausgleich (näher sogleich). 1792 Näher dazu Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 39 Rn. H 2 ff. (mit rechtspolitischer Kritik). 1793 Ob und auf welcher Grundlage dies möglich ist, wird unter B. und C. analysiert.

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getrennt haben. Anders als in intakten Ehen besteht in einer solchen Situation immer Ausgleichsbedarf, denn eine umfängliche Mittelteilhabe kann hier für die Zeit nach der Trennung nicht mehr aus der Ausgestaltung des ehelichen Zusammenlebens resultieren.1794 Mit dieser Feststellung auf das Engste verbunden ist die Frage, ob und zu welchem Grad dieser Ausgleich im Wege des Trennungsunterhalts (§ 1361 BGB) zu bewirken ist bzw. inwieweit er auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt werden muss. Darauf wird sogleich unter B. eingegangen. Die soeben getroffene Feststellung, dass für den Zeitraum des dauernden Getrenntlebens immer ein Ausgleichsbedürfnis besteht, für dessen Befriedigung namentlich das Instrument des Trennungsunterhalts in Betracht kommt, wäre allerdings ergänzungsbedürftig, wenn man sich mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs1795 auf den Standpunkt stellt, dass ein „dauerndes Getrenntleben“ (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) eher anzunehmen sein kann als ein „Getrenntleben“ im Sinne von § 1361 Abs. 1, § 1567 Abs. 1 BGB.1796 Denn wenn es an einem „Getrenntleben“ im Sinne des Familienrechts fehlt, besteht die eheliche Lebensgemeinschaft unverändert fort, was zur Folge hat, dass es in vielen Fällen zu einem umfänglichen Mitteltransfer kommt, der auf Unterhaltsleistungen beruht – die §§ 1360, 1360a BGB bleiben anwendbar – oder sonst in Vollzug des Zusammenlebens herbeigeführt wird. In derartigen Fällen fehlt es von vornherein an einem Ausgleichsbedürfnis. Hinter der eingangs zitierten finanzgerichtlichen Rechtsprechung dürfte die Vorstellung stehen, dass es für die Anwendung der §§ 26, 26b EStG nicht nur einer intakten ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern zudem einer umfänglichen Wirtschaftsgemeinschaft bedarf.1797 Diese Vorstellung ist jedoch 1794 Die von Traxel, BB 1995, 1217, 1217 f. und Wi. Müller, DStZ 1997, 86, 86 vorausgesetzte Situation, dass trotz zivilrechtlichen Getrenntlebens eine Wirtschaftsgemeinschaft fortbestehen kann, wenn die Ehegatten in derselben Wohnung leben (vgl. § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB), kann nicht eintreten, denn ein Getrenntleben im Sinne der familienrechtlichen Vorschriften setzt gerade das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts voraus (siehe nur Ey, in: MünchKomm.-BGB, § 1567 Rn. 16, 24 f.). 1795 BFH/NV 2002, 483, 484; BFH BStBl. II 1986, 486, 487; ebenso Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26 EStG Anm. 28; Mellinghoff, Stbg 1999, 60, 61. 1796 Nach herrschender Meinung ist der Begriff des „Getrenntlebens“ in den beiden zuletzt genannten Vorschriften identisch zu verstehen; siehe Erman/Kroll-Ludwigs, BGB, § 1361 Rn. 5; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 5; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1567 Rn. 1; Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 14 mit weiteren Nachweisen. 1797 Vgl. die Nachweise in Fn 1795; zum umgekehrten Ansatz Traxels und Wi. Müllers (Wirtschaftsgemeinschaft trotz fehlender Lebensgemeinschaft) siehe Fn 1794.

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aus den auf S. 275 ff. genannten Gründen unzutreffend. Wie dort bereits herausgearbeitet wurde, ist vielmehr kein genügender Grund dafür ersichtlich, den Begriff des „dauernden Getrenntlebens“ mit einem vom Familienrecht abweichenden Inhalt auszufüllen. Vertretbar wäre dies lediglich dort, wo die häusliche Gemeinschaft aufgrund äußerer Umstände längerfristig aufgehoben ist, ohne dass die übrigen Voraussetzungen des § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen. Aber selbst dann erscheint eine steuerrechtliche Sonderbehandlung nicht zwingend geboten,1798 zumal sich an der Pflicht zum Familienunterhalt nichts ändert1799 und der darauf beruhende Mitteltransfer häufig ein erhebliches Ausmaß erreichen wird. Die hier vertretene Auffassung, dass auch für steuerrechtliche Zwecke an der zivilrechtlichen Einordnung festgehalten werden kann, gilt ebenso für den umgekehrten Fall: Nach nahezu einhelliger Auffassung im Steuerrecht soll es – anders als im Familienrecht (§ 1567 Abs. 2 BGB) – an einem „dauernden Getrenntleben“ grundsätzlich fehlen, d.h. die Zusammenveranlagung zulässig sein, wenn es im Laufe des jeweiligen Kalenderjahres zu einem Versöhnungsversuch im Sinne dieser Vorschrift gekommen ist.1800 Das überzeugt ebenfalls nicht: Die Ehegatten haben die meiste Zeit des Jahres getrennt voneinander gelebt, so dass es in aller Regel zu keiner vollständigen Mittelteilhabe gekommen ist und die Splittingersparnis daher den Charakter einer Subvention hätte, soweit es an Unterhaltsleistungen fehlt.1801 Die Beschränkung des Ehegattensplit1798 So auch eine verbreitete Neigung innerhalb der steuerrechtlichen Praxis; siehe BFH BStBl. III 1967, 84, 85 a.E.; FG Köln EFG 1984, 551, 552; C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 9; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26 Rn. B 29; Schmidt/Seeger, EStG, § 26 Rn. 11. Die dort vorgenommene Orientierung am Zivilrecht erscheint aber inkonsequent, wenn man das Bestehen einer umfänglichen Wirtschaftsgemeinschaft zur einfachgesetzlichen Voraussetzung für das Ehegattensplitting erhebt, wie dies einhellig – aber zu Unrecht – getan wird (Nachweise in Fn 1338); wohl deshalb vorsichtiger formulierend BFH/ NV 1998, 585, 585 a.E.; BFH/NV 1997, 139, 140. 1799 Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 5. 1800 BFH/NV 2007, 458, 459; BFH/NV 1998, 463, 463; FG Köln EFG 1994, 791, 791 ff.; Hessisches FG EFG 1988, 639, 639; Blümich/Ettlich, § 26 EStG Rz. 64; C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 26 Rn. 10; St. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Melling­ hoff, EStG, § 26 Rn. B 33 f.; Schmidt/Seeger, EStG, § 26 Rn. 11; Bergmann, BB 1984, 590, 590 f.; Liebelt, NJW 1994, 609, 609; Mellinghoff, Stbg 1999, 60, 61; Pasche, FPR 2012, 312, 312; a.A. für „kurzfristige“ Versöhnungsversuche Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26 EStG Anm. 28; siehe auch Arens, Fam RB 2004, 124, 126 a.E. Auch sonst sind zahlreiche Einzelheiten umstritten; näher Wi. Müller, DStZ 1997, 86, 86 ff. 1801 Derjenige Mitteltransfer, der über Unterhaltsleistungen herbeigeführt worden ist, kann – wie sonst auch – im Rahmen von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (bzw. § 33a EStG) abgebildet werden.

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tings auf zusammen lebende Ehepaare findet ihre Rechtfertigung aber nicht zuletzt darin, dass nur bei ihnen in typisierender Weise von einem umfänglichen Mitteltransfer in Vollzug des gemeinsamen Wirtschaftens ausgegangen werden kann.1802 Die Einbeziehung getrennt lebender Ehegatten in das Splittingverfahren wäre hingegen unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten kaum haltbar und wird auch von Art. 6 Abs. 1 GG nicht gefordert.1803 Vor diesem Hintergrund erscheint schon die Regelung des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht unbedenklich, soweit sie die Möglichkeit zur Zusammenveranlagung auch dann eröffnet, wenn sich die Ehegatten am Jahresanfang trennen.1804 Jedenfalls sollte davon abgesehen werden, den dahinter stehenden, tendenziell leistungsfähigkeitswidrigen Rechtsgedanken ohne hinreichenden sachlichen Grund (z.B. Nachweisschwierigkeiten oder sonstige Praktikabilitätserwägungen)1805 auf nicht eindeutig geregelte Sachverhalte zu übertragen.1806 Ein derartiger Grund ist in Bezug auf die Situation des Versöhnungsversuchs aber nicht ersichtlich,1807 zumal feststeht, dass die Ehegatten innerhalb einer Phase des grundsätzlichen Getrenntlebens lediglich „über kürzere Zeit“ (§ 1567 Abs. 2 BGB)1808 zusammen gelebt haben.1809 Zudem eröffnet die derzeitig herrschende Auslegung des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG Manipulationsmöglichkeiten, denn sie gibt getrennt lebenden Ehegatten einen Anreiz, in jedem Kalenderjahr ein kurzfristiges Zusam1802 Siehe oben § 10 C IV 1 e) und f). 1803 Siehe ebenfalls oben § 10 C IV 1 f). 1804 Vgl. bereits Fn 1791. Bis zum StÄndG 1968 hatte in dieser Hinsicht noch eine Viermonatsfrist gegolten. Die Änderung erfolgte vor dem Hintergrund der Entscheidung BVerfGE 23, 1, die zu einer parallelen Fragestellung (Kinderfreibeträge) ergangen ist. Der Gesetzgeber wollte das Veranlagungsverfahren mit dem Lohnsteuerverfahren synchronisieren und vertrat den Standpunkt, dass das Lohnsteuerverfahren aus Praktikabilitätsgründen nur auf die Verhältnisse zu festen Stichtagen Rücksicht nehmen könne und keine rückschauenden Betrachtungen erlaube (BT-Drucks. V/3430, S. 6 f.). 1805 Vgl. in ähnlichem Zusammenhang BVerfGE 75, 361, 368. 1806 Die Aussage, die „Zielsetzung“ des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG (welche?) weiche insoweit von der des § 1567 BGB ab (so Hessisches FG EFG 1988, 639, 639), trifft mithin nicht den Kern. 1807 Insbesondere sind in dieser Hinsicht keine Divergenzen zwischen Veranlagungsverfahren und Lohnsteuerverfahren (vgl. Fn 1804) zu befürchten. 1808 Weithin anerkannt ist, dass dieser Zeitraum im Regelfall eine Größenordnung von drei Monaten nicht überschreiten darf; näher Ey, in: MünchKomm.-BGB, § 1567 Rn. 59 mit Nachweisen. 1809 Die Auffassung des FG Köln EFG 1994, 791, 792, wonach die hier vertretene Auffassung „ein vertieftes Eindringen in die Intimsphäre [sic!] der Ehegatten erforderlich machen“ würde, trifft daher nicht zu.

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menleben in Form eines (gescheiterten) Versöhnungsversuchs zu behaupten, um sich einen Steuervorteil zu verschaffen.1810 Für die Finanzverwaltung sind derartige Angaben kaum auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar, wenn sie übereinstimmend erfolgen.1811 Im Übrigen bleibt es auch nach zivilem Unterhaltsrecht in solchen Fällen bei der Anwendbarkeit der Vorschriften über den Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB),1812 die nach der Systematik des Einkommensteuerrechts ihre Entsprechung in den §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1a EStG1813 (bzw. § 33a Abs. 1 EStG), nicht aber in den §§ 26 ff. EStG finden.

VI. Zwischenbilanz Ausgleichsansprüche unter zusammen veranlagten Ehegatten bilden einen Ausnahmefall. Sie kommen von vornherein nicht in Betracht, wenn es – entsprechend dem Modell, das dem Ehegattensplitting zugrunde liegt – zu einer vollumfänglichen wechselseitigen Teilhabe an Einkünften und Lasten kommt. Ob diese Teilhabe die Folge eines gemeinschaftlichen Wirtschaftens bildet oder auf andere Weise, namentlich über Unterhaltsleistungen, herbeigeführt wird, spielt für die Ausgleichsfrage keine entscheidende Rolle. Lediglich dort, wo es an einer vollständigen Mittelpartizipation fehlt, kommen Ausgleichsansprüche in Betracht. In diesen Fällen ist die Feststellung, ob und in welcher Höhe ein Vor- bzw. Nachteil entstanden ist, am Maßstab des hypothetischen steuerlichen Ergebnisses bei Einzelveranlagung vorzunehmen. Was zunächst die Frage des Nachteilsausgleichs angeht, wird sie sich in intakten Ehen auch im Falle eines grundsätzlich getrennten Wirtschaftens nur selten stellen. Denn wenn ein Ehegatte Steuerschulden begleicht, die (ganz oder teilweise) auf Einkünften seines Partners beruhen, kommt es in aller Regel zu einer einvernehmlichen Kompensation. Auch aus der Wahl der Steuerklassenkombination III/V wird in intakten Ehen selten ein unterjähriges Ausgleichsbedürfnis erwachsen, weil die daraus 1810 Vgl. auch das bei Rohn, Ehepflichten, S. 96 f. angedeutete „Gestaltungsmodell“. 1811 Wohl deshalb wird teilweise – allerdings mit Unterschieden im Einzelnen – vertreten, dass der Versöhnungsversuch von gewisser Dauer und/oder nach außen deutlich erkennbar gewesen sein muss; näher dazu Wi. Müller, DStZ 1997, 86, 86 ff. (mit Zusammenfassung der Instanzrechtsprechung); weitere Nachweise zum Streitstand in Fn 1800. 1812 Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 5; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1361 Rn. 9; Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 309. 1813 Vgl. P. Fischer, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 10 Rn. 10 und Schmidt/Heinicke, EStG, § 10 Rn. 51, die beide auf § 1567 BGB hinweisen.

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resultierenden Nachteile in aller Regel über Unterhaltsleistungen ausgeglichen werden. Lediglich dann, wenn (und soweit) es sowohl an einem gemeinsamen Wirtschaften als auch an einem einvernehmlichen Ausgleich des jeweiligen Nachteils – sei es über Unterhaltsleistungen, sei es auf andere Weise – fehlt, stellt sich die Frage nach der Existenz eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs. Während dieser Frage in intakten Lebensgemeinschaften, wie dargelegt, kaum Bedeutung zukommt, kann sie im Jahr der Trennung praktisch relevant werden, zumal auch die §§ 268 ff. AO, von denen in dieser Situation häufig Gebrauch gemacht wird,1814 eine nur begrenzte Reichweite aufweisen. Die Frage nach der Teilhabe an der Splittingersparnis (Vorteilsverteilung) wird sich in der Praxis hingegen auch in intakten Lebensgemeinschaften dort häufiger stellen, wo nicht alle erworbenen Mittel für den Familienunterhalt verwendet werden, d.h. bei hohen Einkommen und in Doppelverdienerehen.1815 Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Ehegattensplittings sprechen dafür, sie hälftig aufzuteilen. Ob und auf welchen zivilrechtlichen Grundlagen ein Steuerausgleich vorgenommen werden kann, wird in den folgenden Abschnitten untersucht.

B. Steuerausgleich und Unterhalt I. Ausgangspunkt In der bisherigen zivilrechtlichen Diskussion wird nahezu durchgängig zugrunde gelegt, dass sich ein etwaiger Steuerausgleich nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen des Schuldrechts zu vollziehen hat. Ganz im Vordergrund der Betrachtungen steht der Nachteilsausgleich, wobei hierfür vorrangig oder ausschließlich der Gesamtschuldnerausgleich fruchtbar gemacht wird.1816 Ein Vorteilsausgleich wird hingegen – zumindest bei Alleinverdienerehen – meist ohne nennenswerten Begründungsaufwand verwehrt.1817 Demgegenüber wird die Frage, ob ein Steuerausgleich auf Grundlage des Unterhaltsrechts vorgenommen werden kann

1814 Vgl. nur Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 268  –  280 AO Rz. 7. 1815 Näher im Folgenden; siehe auch bereits S. 351. 1816 Siehe die Nachweise in Fn 1189. 1817 Siehe die Nachweise in Fn 1195. Lediglich Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 246 ff. befasst sich intensiver mit einem Ausgleich auf familien- und bereicherungsrechtlicher Grundlage, lehnt ihn im Ergebnis aber ebenfalls ab.

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(oder gar muss), kaum erörtert1818 und teilweise auch inzident abgelehnt.1819 Der so skizzierte Diskussionsstand ist ergänzungsbedürftig. Denn wie unter A. bereits angeklungen ist und im Folgenden nachgewiesen wird, kommt dem Unterhaltsanspruch im vorliegenden Zusammenhang eine zentrale Bedeutung zu. Dies soll zunächst (unter II.) in Bezug auf den Anspruch auf Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) gezeigt werden, der Anwendung findet, wenn die Ehegatten zusammen leben. Im ersten Schritt wird auf sein Verhältnis zum Nachteilsausgleich eingegangen, da ihm in dieser Hinsicht die größte Bedeutung zukommt. Anschließend werden die Beziehungen zwischen Familienunterhalt und Vorteilsausgleich analysiert. Unter III. wird dann untersucht, ob sich mit Blick auf § 1361 BGB Änderungen für den Zeitraum nach einer möglichen Trennung der Ehegatten ergeben.

II. Familienunterhalt 1. Nachteilsausgleich Für das Verhältnis von Nachteilsausgleich und Familienunterhalt ist von wesentlicher Bedeutung, woraus das Ausgleichsbedürfnis resultiert. Zunächst ist an den Fall zu denken, dass ein Ausgleich deshalb in Betracht kommt, weil einer der Ehegatten mit Rücksicht auf seine gesamtschuldnerische Haftung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO) die gesamte Steuerschuld (festgesetzte Vorauszahlung bzw. Abschlusszahlung oder Nachforderung) beglichen hat.1820 Ausgleichsbedarf besteht hier wegen desjenigen Teils der steuerlichen Gesamtschuld, den er bei getrennter Besteuerung nicht zu tragen hätte, der also auf seinen Partner entfällt. Zumindest im Ausgangspunkt scheint dem Unterhaltsrecht in dieser Hinsicht keinerlei Be1818 Wenn diese Frage überhaupt berührt wird, so geschieht dies in aller Regel im Rahmen von Hilfs- bzw. Ergänzungserwägungen; vgl. OLG Hamm FamRZ 2001, 98, 98; OLG Köln FamRZ 1993, 806, 808; Dostmann, FamRZ 1991, 760, 765; Pasche, FPR 2012, 312, 314 f.; Rohn, Ehepflichten, S. 84; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 351; dens., FamRZ 2006, 1181, 1182 sowie auch BGH NJW 1977, 378, 378 (vgl. erneut Fn 1195) und BGH NJW 1983, 1545, 1547 (für den Bereich des begrenzten Realsplittings). Größere Bedeutung kommt diesem Aspekt allerdings bei Hauß, FamRB 2002, 346, 347 f. und Felder, Verpflichtung, S. 72 ff. zu; siehe für die Zeit nach der Trennung auch OLG Bremen NJW 2011, 2145, 2146; hierauf ist zurückzukommen. 1819 Vgl. B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 33; Dyckmans, Ehegatten­ veranlagung, S. 220 Fn 337 (siehe andererseits aber S. 246 f.) sowie für den entschie­denen Fall auch BGHZ 73, 29, 37; siehe ferner BGH NJW 2002, 2319, 2321. 1820 Näher dazu oben A IV 3.

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deutung zuzukommen. Denn es ist allgemein anerkannt, dass die Tilgung fremder Schulden keine Unterhaltsleistung darstellt.1821 Um eine „fremde“ Schuld in diesem Sinne handelt es sich hier deshalb, weil die Besteuerung an Einkünfte anknüpft, die die Ehegatten unabhängig voneinander erzielt haben.1822 Auch § 26b EStG nötigt zu keiner abweichenden Einordnung, da die Vorschrift nichts an der getrennten Einkommenserzielung ändert, sondern sich in erster Linie auf Einkommensermittlungsebene auswirkt und eine wechselseitige Einstandspflicht der Ehegatten nicht aus sich heraus bedingt.1823 Letztere folgt vielmehr zweifelsfrei erst aus § 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO, dem insoweit konstitutive Wirkung zukommt.1824 Wenn die Tilgungsleistung also selbst keine Unterhaltsrelevanz aufweist, so muss spiegelbildlich auch der Ausgleichsanspruch, der aus ihr herrührt, auf eine außerhalb des Unterhaltsrechts angesiedelte Rechtsgrundlage gestützt werden, wofür namentlich § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht kommt.1825 Ebenso wenig könnte § 1360b BGB einem derartigen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch entgegenstehen, da sich der Anwendungsbereich dieser Norm auf Leistungen beschränkt, die ihrer Art nach zum Familienunterhalt gehören.1826 1821 BGH FamRZ 1990, 280, 282; BGH NJW 1985, 2265, 2265; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1360a Rn. 7; Staudinger/Voppel, BGB, § 1360a Rn. 16; speziell für Steuerschulden siehe BGHZ 73, 29, 37 sowie auch BGH NJW 2002, 2319, 2321; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 239; Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425, 429. Anders kann sich die Rechtslage hingegen bei Verbindlichkeiten darstellen, die für gemeinsame Zwecke eingegangen wurden; vgl. etwa BGHZ 87, 265, 269 f.; Gernhuber, JZ 1996, 765, 767 f., 773 f.; Kotzur, NJW 1989, 817, 819; Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 92 ff.; Nickl, NJW 1991, 3124, 3124 f. Erforderlich ist, dass der finanzierte Vermögensgegenstand bzw. die finanzierte Ausgabe unterhaltsrechtlich von Belang ist (vgl. Gernhuber, aaO S. 768); speziell zu Gesamtschulden, die aus Geschäften nach § 1357 BGB herrühren, siehe A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1357 Rn. 19, 40; Staudinger/Voppel, BGB, § 1357 Rn. 15, 37, 86; Gernhuber, aaO, S. 767 f.; Kotzur, aaO, S. 821. 1822 Vgl. oben S. 302 f. sowie die Nachweise aus der Rechtsprechung des BGH in Fn 1190 (unter Hinweis auf § 1363 Abs. 2 Satz 1 BGB) und Staudinger/Voppel BGB, § 1360a Rn. 16 und § 1360b Rn. 15b. 1823 Ausführlich oben A IV 4. In den hier betrachteten Situationen fehlt es zudem an einem gemeinsamen Wirtschaften, so dass sich eine gemeinschaftliche Verantwortlichkeit der Ehegatten für die gesamte Steuerschuld auch nicht über Einkommensverwendungserwägungen (vgl. dazu § 10 C IV 1 d) ableiten lässt. 1824 Siehe ebenfalls oben A IV 4. 1825 Vgl. BGHZ 73, 29, 38; Staudinger/Voppel BGB, § 1360b Rn. 15b; zur Frage des Steuerausgleichs auf schuldrechtlicher Grundlage ausführlich unten C. 1826 Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1360b Rn. 5; Staudinger/Voppel, BGB, § 1360b Rn. 7, 10 (möglicherweise weitergehend aber Rn. 15b); Dyck­mans, Ehegattenveranlagung, S. 239; vgl. auch Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425,

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Das bedeutet allerdings nicht, dass einer solchen Tilgungsleistung überhaupt keine unterhaltsrechtlichen Bezüge zukommen könnten. Vielmehr sei abermals betont, dass im praktischen Regelfall sogar das Gegenteil richtig sein dürfte.1827 Denn wenn ein Ehegatte die gesamte Steuerschuld begleicht, wird dem in aller Regel eine Abrede zugrunde liegen, wonach sein Partner entsprechend höhere Unterhaltsleistungen (oder sonstige Kompensationsmaßnahmen) erbringt: Ausgleich durch Unterhalt.1828 In intakten Lebensgemeinschaften werden mithin in aller Regel auch dann keine (noch zu erfüllenden) Ausgleichsansprüche bestehen, wenn prinzipiell getrennt gewirtschaftet wird. Anders als nach der Kategorienbildung der Rechtsprechung sollte allerdings auch insoweit nicht von „Überlagerung“ gesprochen werden.1829 Vielmehr wird hier lediglich der Ausnahmetatbestand des getrennten Wirtschaftens partiell zurückgeführt zum gesetzlich typisierten Regelfall der vollständigen Teilhabe an Einkünften und Lasten. Dieser Situation der Begleichung einer rückständigen Steuergesamtschuld gleichzustellen sind die unter A IV 4. angesprochenen Fälle, in denen sich der individuelle Steuernachteil im Zuge des Veranlagungsverfahrens aus der Anrechnung nach § 36 Abs. 2 EStG ergibt: Da die entsprechenden Beträge im wirtschaftlichen Ergebnis ebenfalls auf die Tilgung einer fremden Steuerschuld entfallen, besteht wiederum kein direkter Bezug zum Unterhaltsrecht. Allerdings spricht die Lebenserfahrung auch

429; a.A. offenbar BFH BStBl. II 2003, 267, 268 („Rechtsgedanke“) sowie auch (im allgemeineren Zusammenhang) Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 125 ff. („Gedanke“). 1827 Im gleichen Sinne Wever, FamRZ 2002, 741, 741. 1828 Vgl. erneut Wever, FamRZ 2002, 741, 741 sowie BFH BStBl. II 2006, 453, 454; BFH BStBl. II 1995, 492, 494 („Zufälligkeit des jeweils handelnden [bzw.: ‘zahlenden’] Ehegatten“) und BGH NJW 2002, 1570, 1571 sowie insoweit auch Struck, StVj 1993, 351, 353 f. Dass die Eheleute frei darin sind, ihre Unterhaltspflichten in entsprechender Weise zu konkretisieren, kann keinem Zweifel unterliegen; vgl. zur (begrenzten) Disponibilität des Unterhaltsanspruchs etwa Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1360 Rn. 4; Staudinger/Voppel, BGB, § 1360 Rn. 18; zu der nicht unumstrittenen rechtlichen Qualifikation derartiger Abreden vgl. erneut Fn 1687. Ein weiterer unterhaltsrelevanter Effekt, der sich infolge der Steuerzahlung ergeben kann, ist eine (zeitweise) Verminderung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des leistenden Ehegatten (vgl. nur Born, in: MünchKomm.-BGB, § 1603 Rn. 47). Dieser Effekt kann allerdings vernachlässigt werden, weil hiermit nicht notwendig zugleich eine Erhöhung der Unterhaltspflicht seines Partners einhergeht und es auch im Falle einer derart erhöhten Unterhaltspflicht kaum je zu einer Kompensation des Steuernachteils kommen wird. 1829 Siehe bereits oben S. 336 f.

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insoweit dafür, dass die Ehegatten in den allermeisten Fällen eine einvernehmliche Kompensationsregelung treffen werden. Aus unterhaltshaltsrechtlicher Sicht anders stellt sich die Lage hingegen dar, wenn infolge der Wahl der Steuerklassenkombination III/V ein unterjähriges Ausgleichsbedürfnis entsteht: Diese Wahl wird normalerweise in Zuverdienerehen bzw. sonst bei erheblichen Einkommensdifferenzen getroffen, da sie in dieser Situation zu einem unterjährigen Liquiditätsvorteil führt.1830 In einem solchen Fall wird der Nachteilsausgleich regelmäßig in dem Anspruch des in Steuerklasse V eingruppierten Ehegatten auf Familienunterhalt aufgehen.1831 Denn das Maß des geschuldeten Unterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnissen,1832 wird also zu wesentlichen Teilen vom Einkommen des voll- bzw. besserverdienenden Ehegatten bestimmt.1833 Ferner sind die finanziellen Beiträge, die die Eheleute zum Familienunterhalt zu leisten haben, anerkanntermaßen nach dem Verhältnis der Nettoeinkommen zu ermitteln.1834 Folglich hat der in Steuerklasse III eingruppierte Ehegatte entsprechend höhere monetäre Unterhaltsleistungen zu erbringen, was praktisch immer zu dem gebotenen Nachteilsausgleich führt. Wenn demgegenüber in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck zu kommen scheint, dass ein Steuerausgleich auch hier nur auf Basis eines schuldrechtlichen Anspruchs in Betracht kommt, weil die Tilgung fremder Steuerschulden keine Unterhaltsleistung darstellt,1835 so kann dem nicht gefolgt werden. Denn das Ausgleichsbedürfnis resultiert hier nicht daraus, dass der steuerlich schlechter gestellte Ehegatte 1830 Vgl. nur Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 38b Rn. B 14; siehe allerdings Fn 1725. 1831 Siehe bereits Hauß, FamRB 2002, 346, 347. Der vertraglichen Konstruktion in OLG Bremen NJW 2011, 2145, 2146; OLG Köln FamRZ 1993, 806, 808 und OLG Hamm FamRZ 2001, 98, 98 hätte es daher nicht bedurft. 1832 Siehe etwa BGH FamRZ 2004, 792, 793; BGH NJW 1998, 1553, 1554; Staudinger/ Voppel, BGB, § 1360a Rn. 3 ff. 1833 Vgl. BGH NJW 2008, 57, 59; Staudinger/Voppel, BGB, § 1360a Rn. 3b. 1834 BGH NJW 2004, 674, 676; BGH NJW 1974, 1238, 1238 f.; Staudinger/Voppel, BGB, § 1360 Rn. 22 f., 41. 1835 In diesem Sinne BGH NJW 2002, 2319, 2321 (mit 2320 ff.) unter Hinweis auf BGHZ 73, 29, 37, wo es allerdings um einen Nachzahlungsfall ging; vgl. auch B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 33. An den Ausführungen des Gerichts ist zwar selbstverständlich richtig, dass im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens abgeführte Beträge keine Unterhaltsleistungen darstellen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Ausgleich für das dadurch entstandene Ungleichgewicht über Unterhaltsleistungen zu bewirken ist (siehe die Ausführungen im Haupttext).

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mit einer Steuerschuld des anderen Ehegatten belastet worden ist. Vielmehr sind die jeweiligen Lohnsteuerschulden unabhängig voneinander entstanden und auch bereits unabhängig voneinander getilgt worden. Es geht mithin darum, das aus der steuerlich insoweit definitiven Lage resultierende Ungleichgewicht zu bereinigen. Wenn es zutrifft, dass sich die Beiträge zum Familienunterhalt nach den Nettoeinkommen be­ stimmen,1836 dann wird dieser Ausgleich – wie dargelegt – ohne weiteres über eine entsprechend erhöhte Unterpflicht abgebildet. Wäre es hingegen richtig, dass ein (vorrangiger) schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch besteht, so müsste sich die Pflicht zum Familienunterhalt konsequenterweise nach dem Verhältnis der auf diese Weise bereinigten Bezüge bemessen. Das wäre jedoch praxisfern, denn die Ehegatten richten ihre Beiträ­ge zum Familienunterhalt nach den Mitteln aus, die ihnen tatsächlich (netto) zugeflossen sind. Nicht zuletzt deshalb dürfte für Zwecke des Unterhalts auch sonst ganz generell an die Nettobezüge angeknüpft werden.1837 Ferner dürfte dieser Zusammenhang den eigentlichen Grund dafü­r bilden, warum der Bundesgerichtshof den angeblich „an sich“ bestehenden schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch im Falle der Steuerklassenkombination III/V in neueren Entscheidungen als „familienrechtlich überlagert“ ansieht.1838 Entgegen der Auffassung des Gerichts ist das jedoch in diesem Bereich – anders als bei den zuvor erörterten Fällen der Verwirklichung der Gesamtschuld und diesen wirtschaftlich entsprechenden Situationen – keine Frage eheinterner Vereinbarungen,1839 sondern in aller Regel einfach das Ergebnis der gesetzlichen Unterhaltspflicht. Richtigerweise werden etwaige schuldrechtliche Ausgleichsansprüche vom Anspruch auf Familienunterhalt verdrängt, denn sie würden – wie soeben skizziert – störend in sein Gefüge eingreifen. Dass Anspruchskonkurrenz ausscheidet, folgt zudem aus den nachfolgend dargestellten Besonderheiten des Unterhaltsanspruchs, die faktisch ins Leere liefen, wenn man einen daneben stehenden schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch in gleicher Höhe zuließe. Im Gegensatz zu schuldrechtlichen Ansprüchen richtet sich der Anspruch auf Familienunterhalt in erster Linie auf Naturalleistungen in Form wechselseitiger Bei1836 Siehe exemplarisch die Nachweise in Fn 1834. 1837 Das kommt z.B. in der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.2013) deutlich zum Ausdruck. 1838 Nachweise in Fn 1729. Wie dort bereits betont wurde, gehen die Ausführungen des Gerichts über die sachliche Reichweite dieser „Überlagerung“ zu weit. 1839 Vgl. demgegenüber BGH NJW 2010, 1879, 1881; BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2002, 2319, 2321.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten träge zum Familienunterhalt und nicht auf die Überlassung von Geldmitteln.1840 Er kann deswegen nicht abgetreten und nach herrschender Meinung auch nicht gepfändet werden.1841 § 1360a Abs. 2 Satz 2 BGB trifft eine besondere Fälligkeitsregelung, indem er anordnet, dass die erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung gestellt werden müssen. Gemäß §§ 1360a Abs. 3, 1613 BGB kann Unterhalt nur in bestimmten, dort genannten Ausnahmefällen für die Vergangenheit gefordert werden. Ferner ist es aufgrund von §§ 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB nicht möglich, auf den Anspruch für die Zukunft zu verzichten. Gemäß § 1360b BGB können überzahlte Beträge grundsätzlich nicht zurückverlangt werden.

Damit kann festgehalten werden, dass sich der unterjährige Nachteilsausgleich bei der Steuerklassenkombination III/V über den Unterhaltsanspruch zu vollziehen hat und daher (nur) unter Berücksichtigung der soeben aufgezeigten Besonderheiten und Restriktionen geltend gemacht werden kann, wenn er nicht freiwillig durchgeführt wird.1842 Folglich ist ein Nachteilsausgleich auf schuldrechtlicher Basis grundsätzlich nicht möglich, wenn der Nachteil aus der Steuerklassenkombination III/V resultiert. Abweichendes wäre lediglich in Ausnahmesituationen denkbar, in denen der Steuernachteil wegen der Besonderheiten des Einzelfalls höher ist als der finanzielle Mehrbeitrag, den der steuerlich besser gestellte Ehepartner zum Familienunterhalt zu leisten hat. Derartige Fälle können jedoch wegen ihrer geringen Praxisrelevanz für die Zwecke der weiteren Untersuchung vernachlässigt werden.

1840 Nachweise in Fn 1460. 1841 Näher Staudinger/Voppel, BGB, § 1360 Rn. 62 und 66 ff. mit Nachweisen. 1842 Die hier getroffene Aussage, dass der Ausgleich ausschließlich über den Anspruch auf Familienunterhalt durchzuführen ist, gilt in gleicher Weise für Verbindlichkeiten, die für Zwecke unterhaltsrelevanter Bedürfnisbefriedigung eingegangen wurden (vgl. Fn 1821); in diese Richtung auch Palandt/Brudermüller, BGB, § 1357 Rn. 23 sowie möglicherweise Gernhuber, JZ 1996, 765, 767 f. („vom Unterhaltsrecht gesteuerter Innenausgleich“) und 773 f. („stets nach den für den Barunterhalt geltenden Regeln abzuwickeln“); vgl. auch bereits Kotzur, NJW 1989, 819, 821; Nickl, NJW 1991, 3124, 3124 f.; a.A. jedenfalls Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 89 ff., die die Vorschriften über den Familienunterhalt lediglich als gesetzlichen Ausgleichsmaßstab innerhalb des Gesamtschuldnerausgleichs ansieht; in dieser Hinsicht wenig klar Staudinger/Voppel, BGB, § 1357 Rn. 86; Käppler, AcP 179 (1979), 245, 271 f. (einerseits) und 284 (andererseits) sowie auch A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1357 Rn. 40. Spiegelbildlich stehen dem unterhaltspflichtigen Ehegatten in solchen Situationen keinerlei Ansprüche aus § 426 BGB zu (vgl. Nickl, aaO).

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2. Vorteilsausgleich Fraglich ist, ob auch ein Ausgleich des Splittingvorteils über den Anspruch auf Familienunterhalt geschuldet sein kann. Das ist schwieriger zu beantworten als beim Nachteilsausgleich. Die Steuerersparnis kann sich in der Praxis im Wesentlichen auf zwei Wegen realisieren: Zum einen kommt es bei der Wahl der Steuerklassenkombination III/V bereits unterjährig zu einer Liquiditätssteigerung infolge der (partiellen) Vorwegnahme der Splittingersparnis.1843 Zum anderen kann sich – namentlich bei Wahl der Steuerklassen IV und IV – im Zuge der Veranlagung eine Steuererstattung ergeben.1844 Ob derartige Sachverhalte unterjährig bzw. im Jahr des Zuflusses1845 unterhaltsrechtliche Relevanz haben, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es lassen sich grob die nachfolgenden Situationen unterscheiden.1846 Was zunächst Allein- und Zuverdienerehen angeht, kommt es für die Frage, ob eine Teilhabe an der Steuerersparnis unterhaltsrechtlich geschuldet ist (oder aber stattdessen auf eine andere rechtliche Grundlage gestützt werden müsste), auf die Umstände des Einzelfalls an. In den unteren und mittleren Einkommensgruppen wird sie häufig bereits zur Deckung des notwendigen Bedarfs der Familie benötigt, so dass ein entsprechender Unterhaltsanspruch besteht. Anders ausgedrückt: Wenn der Anspruch auf Familienunterhalt das gesamte verfügbare Einkommen erfasst, wie dies bei kleinen und mittleren Einkommen die Regel ist, kommt es ohne weiteres zu der verfassungsoptimalen hälftigen Zuordnung der Splittingersparnis, da der Unterhalt beiden Ehegatten gemeinschaftlich zugute kommt.1847 Bei höheren Einkommen können sich die Dinge hingegen anders darstellen. Entscheidend ist hier, ob der Einsatz 1843 Dieser Liquiditätsvorteil deckt sich in aller Regel nicht mit der tatsächlichen Splittingersparnis, wie sie im Zuge der Veranlagung anfällt. Nach Vornahme der – obligatorischen (Fn 1719) – Veranlagung ist eine Gesamtkonsolidierung notwendig, die jedoch während intakter Ehe in aller Regel einvernehmlich erfolgen wird; siehe dazu bereits oben A IV 3. und 4. sowie soeben unter 1. 1844 Denkbar ist allerdings auch, dass der Erstattungsbetrag die Splittingersparnis nicht vollständig abdeckt oder eine Abschlusszahlung geschuldet bleibt, deren Höhe sich durch die Splittingersparnis verringert hat. Dann fehlt es von vornherein (ganz oder zum Teil) an einer unterhaltsrechtlichen Relevanz, so dass ein Ausgleich nur auf anderem Wege in Betracht kommt. 1845 Steuererstattungen erhöhen die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit im Jahr ihrer Vereinnahmung (siehe etwa Erman/Kroll-Ludwigs, BGB, § 1361 Rn. 30; Born, in: MünchKomm.-BGB, § 1603 Rn. 17, 47; Dostmann, FamRZ 1991, 760, 765; Pasche, FPR 2012, 312, 314; Wever, FamRZ 2000, 1181, 1182). 1846 Vgl. auch bereits Felder, Verpflichtung, S. 72. 1847 Derartige Fälle hat offensichtlich Hauß, FamRB 2002, 346, 347 vor Augen.

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des Steuervorteils erforderlich ist, um den, bezogen auf die individuellen ehelichen Lebensverhältnisse,1848 angemessenen Unterhalt der Familie abzudecken – was vom Einzelfall abhängt.1849 Die Situation, dass hierzu nicht das gesamte Einkommen benötigt wird, kommt durchaus vor,1850 zumal bei höheren Einkommen üblicherweise ein Teil des Erwirtschafteten für die Vermögensbildung verwendet wird.1851 Soweit dies der Fall ist, kann der Vorteilsausgleich nur auf anderer Grundlage erfolgen. Klarere Aussagen lassen sich hingegen für Doppelverdienerehen mit beiderseits hohen Einkommen treffen. Hier wird der – betragsmäßig ohnehin relativ geringe – Splittingvorteil in aller Regel keine unterhaltsrechtliche Relevanz aufweisen, da in solchen Fällen typischerweise kein vollständiger Einsatz beider Einkommen erforderlich ist, um den Eigenbedarf der Familie zu decken,1852 so dass die Ehegatten frei darin sind, wesentliche Teile ihrer Bezüge für sich selbst zu verwenden. Wenn die Steuerersparnis in einem derartigen Fall ganz oder größtenteils bei einem der Ehepartner anfällt, bedarf es für den Ausgleich folglich auch hier einer anderen rechtlichen Grundlage als den Unterhaltsanspruch. Darauf wird unter C. eingegangen.

III. Trennungsunterhalt Die bisher mit Blick auf den Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) herausgearbeiteten Grundsätze gelten im Kern auch für die Zeit nach einer etwaigen Trennung der Ehegatten weiter, soweit für diesen Zeitraum eine Zusammenveranlagung in Betracht kommt.1853 Der Anspruch auf Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) unterscheidet sich in seiner Ausgestaltung zwar in verschiedener Hinsicht vom Anspruch auf Familienunterhalt. Insbesondere handelt es sich bei ihm um einen einseitigen Anspruch des wirtschaftlich schwächeren gegen den leistungsfähigeren Ehegatten, der sich nur noch auf den eigenen Unterhalt bezieht und gemäß § 1361 Abs. 4 BGB auf die Zahlung einer laufenden Geldrente ge1848 Vgl. BGH NJW 2013, 686, 688; BGH FamRZ 2004, 792, 793; zu möglichen Grenzen der individuellen Betrachtung vgl. Staudinger/Voppel, BGB, § 1360a Rn. 3b sowie unten III. 1849 Vgl. BGH NJW 2008, 57, 60. 1850 Siehe etwa BGH NJW 2004, 674, 676 (in Fn 1363 wörtlich zitiert); Staudinger/ Voppel, BGB, § 1360a Rn. 5 f., 25. 1851 BGH NJW 2013, 686, 689; BGH NJW 2008, 57, 60; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1360a Rn. 4. 1852 Vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, § 1360 Rn. 10. 1853 Siehe dazu oben A V 2.

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richtet ist.1854 Jedoch bemisst sich die Höhe des – auch hier geschuldeten – angemessenen Unterhalts weiterhin nach den ehelichen Lebens-, Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB), so dass prinzipiell eine Beibehaltung des vor der Trennung erreichten Lebensstandards verlangt werden kann.1855 Insbesondere sind die bis zur Trennung bestehenden Lebensverhältnisse grundsätzlich maßgebend dafür, in welcher Weise die Einkünfte für den Lebensunterhalt und für die Vermögensbildung aufzuteilen sind.1856 Hieraus folgt, dass – entsprechend den Ausführungen zum Familienunterhalt – in aller Regel ein unterhaltsrechtlicher Nachteilsausgleich bei Wahl der Steuerklassen III und V durchzuführen ist1857 und in vielen Fällen zudem eine Teilhabe am Splittingvorteil zu erfolgen hat. Derartige Unterhaltsleistungen können im Rahmen des Trennungsunterhalts sogar unter erleichterten Bedingungen geschuldet sein. Denn dieser Anspruch ist stärker objektiviert als derjenige auf Familienunterhalt, so dass der individuelle Lebensstil der Ehegatten für das Maß des Trennungsunterhalts eine tendenziell geringere Bedeutung aufweist als beim Familienunterhalt.1858 Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist nämlich derjenige Lebensstandard entscheidend, der nach dem vorhandenen Einkommen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters als

1854 Vgl. Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 1; Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 19, 288. 1855 Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 6; Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 20; zu den Hintergründen siehe Weber-Monecke, aaO, Rn. 1; Palandt/ Brudermüller, BGB, § 1361 Rn. 1. Anderes gilt hingegen bei objektiv unangemessenem Aufwand (vgl. dazu die folgenden Ausführungen). 1856 BGH NJW 2008, 57, 60; BGH NJW 1997, 735, 738; Erman/Kroll-Ludwigs, BGB, § 1361 Rn. 7; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 3; Palandt/ Brudermüller, BGB, § 1361 Rn. 62. Anderes gilt allerdings, wenn sich die Lebenshaltung bei Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs als übertrieben sparsam darstellt (näher sogleich). 1857 Abweichendes gilt hingegen aus den unter II 1. genannten Gründen dann, wenn der Nachteil einen anderen Grund als die Steuerklassenwahl hat. Allerdings kommt es in derartigen Fällen in der Praxis häufig zu Anträgen nach §§ 268 ff. AO (Fn 1814). Geschieht dies nicht bzw. wird hierdurch kein vollständiger Nachteilsausgleich bewirkt und treffen die Ehegatten – wie häufig – auch keine einvernehmliche Lösung, so bedarf es einer schuldrechtlichen Anspruchsgrundlage; dazu sogleich unter C. 1858 Vgl. BGH NJW 2008, 57, 60 sowie die Nachweise im Folgenden; relativierend aber BGH NJW 2013, 686, 689. Wenig klar ist insbesondere, wie stark sich typisierende Erwägungen auf das Maß des Familienunterhalts auswirken können (vgl. dazu Staudinger/Voppel, BGB, § 1360a Rn. 3 ff.).

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angemessen erscheint.1859 Nur in diesem Rahmen soll das tatsächliche Konsumverhalten der Ehegatten Berücksichtigung finden können.1860 Insbesondere bleibt eine zu dürftige Lebensführung außer Betracht.1861 Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen der tatsächlichen Lebensführung und den effektiven Einkommens- und Vermögensverhältnissen besteht.1862 Denn der Unterhaltspflichtige soll nicht auf Kosten des Berechtigten Vermögensbildung betreiben können, die zu einer unangemessenen Einschränkung der Lebensverhältnisse führt.1863 Legt man das zugrunde, so wird in vielen Fällen, in denen die Ehegatten bereits vor ihrer Trennung unabhängig voneinander gewirtschaftet haben, über den Unterhaltsanspruch aus § 1361 BGB eine stärkere Partizipation am Splittingvorteil erzielt, als sie vor der Trennung bestanden hat. Allerdings ist auch auf Grundlage von § 1361 BGB nicht notwendig eine vollständige Teilhabe am Splittingvorteil geschuldet, denn besonders bei höheren Einkünften ist es mit dem anzulegenden objektiven Maßstab durchaus vereinbar, dass ein Teil der Bezüge nicht für die allgemeine Lebensführung verwendet wird, sondern der Vermögensbildung dient.1864 Der soeben abgeleitete Zusammenhang, dass die gebotene hälftige Partizipation am Splittingvorteil über den Trennungsunterhalt tendenziell leichter erzielbar ist als im Wege des Familienunterhalts, wird ferner durch eine – nicht zweifelsfreie – (Gerichts-)Praxis untermauert, die für den Normalfall im Wege einer pauschalierten Bedarfsermittlung davon ausgeht, dass die Einkünfte praktisch vollständig zur Lebensführung eingesetzt werden, und hiervon lediglich bei weit überdurchschnittlichen Einkommen abweicht.1865 Dies führt im typischen Fall zu einer prinzipi1859 So BGH NJW 2008, 57, 60; im gleichen Sinne Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 3, 6; Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 23. 1860 BGH NJW 2013, 686, 689; BGH NJW 2008, 57, 60; siehe auch BGH NJW 1997, 735, 738, wo allerdings die individuellen Umstände eine tendenziell stärkere Berücksichtigung finden. 1861 BGH NJW 2008, 57, 60; BGH NJW 1997, 735, 738; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 6; Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 23. 1862 Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 6; vgl. auch BGH NJW 1997, 735, 738. 1863 BGH NJW 1997, 735, 738; BGH NJW 1992, 2477, 2480; Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 23. 1864 BGH NJW 2008, 57, 60; BGH NJW 1997, 735, 738; BGH NJW 1992, 2477, 2480; Weber-Monecke, in: MünchKomm.-BGB, § 1361 Rn. 6; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1361 Rn. 58, 62; Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 172 f. 1865 Ausführlich dazu Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 165, 172 ff.; zur Unterhaltsbemessung bei hohen Einkommen vgl. BGH NJW 1994, 2618, 2619 f.; BGH NJW 1987, 2739, 2740 f.

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ell hälftigen Aufteilung der Einkünfte1866 und damit auch zu einem vollumfänglichen Ausgleich der Steuerwirkungen in positiver wie in negativer Hinsicht. Eines darüber hinausgehenden schuldrechtlichen Ausgleichs bedarf es in solchen Fällen in aller Regel nicht, soweit der Unterhaltsanspruch reicht.1867 Im Gegenteil zeigt sich hier besonders deutlich, wie störend sich derartige Ansprüche auf das Gleichgewicht auswirken würden, das aus der Unterhaltspflicht resultiert. Im Übrigen kommt auch in dieser Hinsicht keine Anspruchskonkurrenz in Betracht, da für den Anspruch auf Trennungsunterhalt aufgrund von § 1361 Abs. 4 BGB ebenfalls zahlreiche Besonderheiten gelten, die ins Leere liefen, wenn man daneben schuldrechtliche Ansprüche in gleicher Höhe zu­ ließe. Wenn der Bundesgerichtshof im vorliegenden Zusammenhang von einer an sich bestehenden schuldrechtlichen Ausgleichspflicht ausgeht, die nur dann entfällt, wenn es tatsächlich zur Leistung von Trennungsunterhalt gekommen ist,1868 so vermag dies aus den genannten Gründen nicht zu überzeugen. Vielmehr ist der Steuerausgleich vorrangig über den Unterhaltsanspruch herbeizuführen.1869 Raum für einen Ausgleich auf schuldrechtlicher Grundlage bleibt hingegen nur dann, wenn (und soweit) der Unterhaltsanspruch nicht einschlägig ist, weil er eine zu geringe Reichweite hat oder ein Ehegatte Steuerschulden beglichen hat, die auf seinen Partner entfallen sind.1870 Auf den schuldrechtlichen Steuerausgleich wird sogleich unter C. eingegangen.

IV. Zusammenfassende Würdigung Ein Ausgleich für Nachteile, die ein Ehegatte deshalb erleidet, weil er einen rückständigen Gesamtschuldbetrag begleicht oder sonst steuerliche Leistungen erbringt, die (erst) infolge der Zusammenveranlagung 1866 Zu den Einzelheiten siehe wiederum Staudinger/Voppel, BGB, § 1361 Rn. 179 ff. Der so genannte „Erwerbstätigenbonus“ (vgl. etwa Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1.1.2013, unter B I 1.), kann hier vernachlässigt werden (im gleichen Sinne Wever, FamRZ 2006, 1181, 1182), da er zu wesentlichen Teilen der Pauschalierung erwerbsbedingten Mehraufwandes dient (Einzelheiten und Nachweise zum Streitstand bei Voppel, aaO, Rn. 193 ff.). 1867 Im gleichen Sinne Hauß, FamRB 2002, 346, 347 f.; siehe aber den Vorbehalt in Fn 1857. 1868 So BGH NJW 2007, 2554, 2555 f.; ganz ähnlich bereits Koritz, FPR 2003, 435, 437. Bosch, FamRZ 2002, 366, 368 verlangt für dieses Ergebnis offensichtlich sogar eine vertragliche Abrede, die er allerdings als gegeben unterstellt. 1869 Vgl. erneut Hauß, FamRB 2002, 346, 347 f. 1870 Siehe wiederum Fn 1857.

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nicht ihm, sondern seinem Partner zugute kommen, kann nur auf schuldrechtlicher Basis erlangt werden. Ob und aufgrund welcher Anspruchsgrundlage dies möglich ist, wird im Folgenden untersucht. Im Rahmen intakter Lebensgemeinschaften wird sich diese Frage jedoch nur sehr selten stellen, weil die entsprechende Ausgleichsforderung in aller Regel in eine einvernehmliche Unterhalts- oder sonstige Kompensationsregelung einbezogen wird, so dass es keines darüber hinausgehenden Nachteilsausgleichs bedarf. Auch eine Aufteilung der Steuergesamtschuld (§§ 268 ff. AO) kann im Einzelfall dazu führen, dass kein Nachteil entsteht.1871 Von diesem Instrument wird namentlich im Falle einer Trennung verbreitet Gebrauch gemacht. Soweit auf diesem Weg keine Nachteilskompensation erlangt worden ist, wird ein Ausgleich nach der Trennung häufig nur auf schuldrechtlicher Basis möglich sein, da zwischen den Ehegatten oft auch dann keine einvernehmliche Ausgleichsregelung erzielt werden kann, wenn (mit Blick auf den erzielbaren Steuervorteil) Einigkeit über die Wahl der Zusammenveranlagung bestanden hat.1872 Abweichendes gilt für denjenigen unterjährigen Nachteil, der einem Ehegatten aus seiner Eingruppierung in Steuerklasse V erwächst. Er wird praktisch immer durch eine entsprechend erhöhte Unterhaltspflicht (§§ 1360, 1360a BGB bzw. § 1361 BGB bei Getrenntleben) seines Partners ausgeglichen und kann (nur) nach Maßgabe der unterhaltsrechtlichen Vorschriften geltend gemacht werden. Dieser unterhaltsrechtliche Nachteilsausgleich verdrängt etwaige, daneben in Betracht kommende schuldrechtliche Anspruchsgrundlagen. Eine Effektuierung des Unterhaltsanspruchs wird jedoch zumindest in intakten Lebensgemeinschaften in aller Regel nicht erforderlich werden. Vielmehr entspricht es der Lebens-

1871 Denkbar ist selbstverständlich auch, dass sich die Ehegatten einzeln veranlagen lassen, wofür der Antrag eines Teils ausreicht (§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die hier erörterten Fragen stellen sich dann naturgemäß nicht, weil keine Zusammenveranlagung stattfindet. Steuerliche Effekte können sich allerdings auch hier auswirken, und zwar in erster Linie auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs (vgl. ferner die Ausführungen Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 270 f.). Dem wird hier nicht im Einzelnen nachgegangen, weil dieser Teil der Untersuchung den zivilrechtlichen Konsequenzen der Zusammenveranlagung gewidmet ist. Sie stellt für die Ehegatten in aller Regel ohnehin die wirtschaftlich sinnvollere Lösung dar (vgl. Fn 1244). Hierin liegt nach richtiger Ansicht auch der eigentliche Grund für die aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB abzuleitende Pflicht, an der Zusammenveranlagung mitzuwirken (zu ihr ausführlich unten D.). 1872 Zu der etwaigen, hierauf gerichteten Rechtspflicht vgl. Fn 1871; Einzelheiten unten D.

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erfahrung, dass der in Steuerklasse III eingeordnete Ehegatte seiner Unterhaltspflicht nachkommt. Demgegenüber hängt es vom Einzelfall ab, ob auch die gebotene hälftige Teilhabe am Splittingvorteil unterhaltsrechtlich geschuldet ist, sei es über entsprechend höhere Unterhaltsleistungen des in Steuerklasse III eingruppierten Ehegatten, sei es im Wege der Zurverfügungstellung einer etwaigen Steuererstattung, die aus der Steuerersparnis resultiert. Im Bereich unterer und mittlerer Einkommen stellt dies den Regelfall dar. Bei höheren Einkommen ist eine Vorteilspartizipation im Rahmen des Trennungsunterhalts tendenziell eher geschuldet als auf Grundlage der §§ 1360, 1360a BGB. Raum für die allgemeinen schuldrechtlichen Ansprüche bleibt nur, soweit über den Unterhaltsanspruch kein (vollständiger) Ausgleich erzielbar ist.1873

V. Übergreifende Folgerungen Die in diesem Abschnitt herausgearbeiteten Ergebnisse untermauern den bereits unter A. herausgestellten Befund: Solange zwischen den Ehegatten eine intakte Lebensgemeinschaft besteht, stellen Ausgleichsansprüche einen seltenen Ausnahmefall, denn – derartige Ansprüche scheiden von vornherein aus, wenn die Eheleute – entsprechend dem (verfassungsgeleiteten) gesetzlichen Leitbild – gemeinschaftlich wirtschaften. – Gleichzustellen ist der Fall, dass eine vollständige Teilhabe an den erworbenen Mitteln aufgrund entsprechend hoher Unterhalts- oder sonstiger Transferleistungen gewährleistet ist. – Keines (zusätzlichen) Ausgleichs bedarf es ferner dann, wenn zwischen den Ehegatten einvernehmliche Regelungen über die Aufteilung der jeweiligen steuerlichen Effekte getroffen und durchgeführt worden sind. Die Lebenserfahrung zeigt, dass es zu derartigen Übereinkünften in aller Regel auch bei grundsätzlich getrenntem Wirtschaften kommt. Nimmt man hinzu, dass zusammen lebende Ehegatten nach dem gesetzlichen Leitbild sogar vollumfänglich gemeinschaftlich wirtschaften und dass dieses Leitbild von Verfassungs wegen eine vertretbare Typisierungsentscheidung darstellt, so erscheint es gerechtfertigt, von folgendem Erfah1873 Auf dieser Basis wird sogleich unter C. untersucht, unter welchen Voraussetzungen ein schuldrechtlicher Steuerausgleich in Betracht kommt.

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rungssatz (tatsächliche Vermutung)1874 auszugehen: Unter zusammen lebenden Ehegatten findet ein laufender Ausgleich der entstehenden einkommensteuerlichen Vor- und Nachteile statt.1875 Dieser Erfahrungssatz dürfte letztlich auch der bereits mehrfach angesprochenen (und kritisierten) Überlagerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegen.1876 Er findet zudem im Recht des Familienunterhalts – es ist, wie gezeigt, mit der vorliegenden Problemstellung eng verbunden – eine Entsprechung, wenn vertreten wird, der Anspruchsteller habe zu beweisen, dass es an genügenden Unterhaltsleistungen des beklagten Ehegatten fehle.1877 1874 Besonders in der Rechtsprechung wird der Begriff „tatsächliche Vermutung“ verwendet, wenn es – wie hier – angezeigt erscheint, eine Beweisführung aufgrund von einschlägigem Erfahrungswissen zu erleichtern; vgl. z.B. BGHZ 146, 298, 302 ff.; BGHZ 114, 273, 276; BGH NJW 2002, 3165, 3166; BGH NJW 1994, 1281, 1283; BGHZ 98, 174, 178. Im Schrifttum wird der Begriff „tatsächliche Vermutung“ kritisiert; die Berücksichtigung derartigen Erfahrungswissens sei einfach der Beweiswürdigung zuzuordnen (vgl. etwa Prütting, in: MünchKomm.-ZPO, § 292 Rn. 28; Zöller/Greger, ZPO, Vor § 284 Rn. 33). 1875 Ähnlich Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 349; vgl. auch BFH BStBl. II 2006, 453, 454; BFH BStBl. II 1995, 492, 494 („Zufälligkeit des jeweils handelnden [bzw.: ‘zahlenden’] Ehegatten“) und insoweit auch Struck, StVj 1993, 351, 353 f. (siehe aber oben Fn 1657); de lege ferenda für eine entsprechende (widerlegbare) gesetzliche Vermutung Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 276; möglicherweise weitergehend jedoch seine Ausführungen auf S. 205 ff., die den Eindruck vermitteln, als sei im Rahmen einer intakter Ehe deshalb kein Ausgleich geschuldet, weil praktisch immer eine Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden (siehe oben S. 336 mit Fn 1657); zu eng hingegen Walz, StVj 1993, 46, 54, der eine derartige Vermutung nur bei „geringfügigeren Beträgen“ annimmt; undeutlich Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 150 (mit S. 148 ff. und S. 109), in deren Untersuchung dem Aspekt der einvernehmlichen Regelung in Bezug auf die Fallgruppe des Steuerausgleichs ohnehin eine viel zu geringe Bedeutung beigemessen wird. 1876 Vgl. BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2002, 2319, 2321; BGH NJW 2002, 1570, 1570 f. sowie auch etwa BFH BStBl. II 2003, 267, 268; OLG Karlsruhe Fam RZ 1991, 441, 441; im allgemeineren Zusammenhang siehe BGH NJW 2005, 2307, 2307; BGHZ 87, 265, 269 f.; OLG Bremen NJW 2000, 82, 83; Staudinger/ Noack, BGB, § 426 Rn. 211; Bosch, FamRZ 2002, 366, 367; Wever, Fam RZ 2003, 565, 568; dens., FamRZ 1996, 905, 907. Diese Rechtsprechung ist jedenfalls in Bezug auf den Steuerkontext in rechtlicher Hinsicht zu undifferenziert (siehe oben S. 375 und S. 381) und teilweise in tatsächlicher Hinsicht zu pauschal, da sie den Ehegatten den Nachweis, dass ein ausgleichsbedürftiger Steuereffekt (fort-)besteht, in manchen Bereichen gänzlich abschneidet (siehe oben S. 351 f.). Der Begriff „Überlagerung“ ist ohnehin unglücklich (siehe oben S. 336 f. und S. 373). 1877 So Staudinger/Voppel, BGB, § 1360 Rn. 76. Es dürfte allerdings zu weit gehen, dem Anspruchsteller den vollen Beweis für die Nichterbringung des Unterhalts aufzubürden. Nach allgemeinen Grundsätzen hat nämlich der Anspruchsgegner Erfüllung zu beweisen. Auch im Bereich des Familienunterhalts sollte daher bes-

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Aus diesem Erfahrungssatz folgt: Will ein Ehegatte einen Ausgleichsanspruch gerichtlich geltend machen, so muss er nicht nur die Voraussetzungen der jeweils einschlägigen Anspruchsgrundlage darlegen und gegebenenfalls beweisen,1878 sondern auch die für die Erfüllung dieses Anspruchs streitende Vermutung erschüttern, d.h. Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ernsthafte Zweifel daran ergeben, dass innerhalb seiner Ehe ein regelmäßiger Steuerausgleich stattfindet.1879 Wegen des in den bisherigen Abschnitten herausgestellten graduellen Unterschieds zwischen Vor- und Nachteilsausgleich erscheint es allerdings gerechtfertigt, diese Vermutung in Bezug auf die Aufteilung der Splittingersparnis bereits dann als erschüttert anzusehen, wenn nachgewiesen ist, dass die Eheleute über ein hohes Gesamteinkommen verfügen und im Wesentlichen getrennt wirtschaften.1880 Bei getrennt lebenden Ehegatten besteht hingegen kein Raum für einen derartigen Erfahrungssatz.1881 Ausgleichsansprüche können daher ohne diese Restriktion geltend gemacht werden, soweit die ihnen zugrunde ser mit einem Erfahrungssatz gearbeitet werden, der die richterliche Überzeugungsbildung im Rahmen von § 286 ZPO leitet (vgl. Fn 1874), solange er nicht durch den Anspruchsteller erschüttert worden ist. 1878 Im Falle eines Anspruchs aus §§ 1360, 1360a BGB siehe das soeben (auch in Fn 1877) Angeführte. 1879 Dem beklagten Ehepartner steht es dann selbstverständlich offen, Erfüllung zu beweisen (vgl. erneut Fn 1877). 1880 Eine hiervon zu trennende Frage ist allerdings, auf welcher rechtlichen Grund­ lage der Ausgleich verlangt werden kann. Ist dies – wie häufig – der Unterhaltsanspruch, so wird wegen § 1613 BGB (in Verbindung mit § 1360a Abs. 3 bzw. § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB) in aller Regel im Nachhinein keine Partizipation mehr möglich sein (siehe die bisherigen Ausführungen sowie sogleich unter C I.). 1881 Vgl. oben § 10 C IV 1 f). Auch in der Rechtsprechung wird in ähnlicher Weise differenziert; vgl. BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2006, 2623, 2624; BGH NJW 2002, 1570, 1571 sowie in ähnlichen Zusammenhängen BGHZ 188, 282, 300; BGH NJW 2005, 2307, 2307; BGH NJW 1995, 652, 653 f.; BGHZ 87, 265, 269 f.; aus dem Schrifttum siehe für den Steuerkontext Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 208 f. sowie im allgemeinerem Zusammenhang Staudinger/ Noack, BGB, § 426 Rn. 211 ff.; Bosch, FamRZ 2002, 366, 367; Kleinle, FamRZ 1997, 8, 10; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 125 ff., S. 130 ff.; dens., FamRZ 2003, 565, 568 ff.; dens., FamRZ 1996, 905, 907. Der maßgebende Zeitpunkt ist allerdings umstritten; Überblick zum Streitstand bei Staudinger/ Noack, aaO, Rn. 214; Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 157 ff.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 163 ff. Jedenfalls für den Steuerkontext bildet die Trennung (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 1567 BGB) die relevante zeitliche Zäsur, da für den Zeitraum danach nicht mehr ohne weiteres von einem freiwilligen Steuerausgleich ausgegangen werden kann (ganz ähnlich Dyckmans, aaO, S. 211 f.).

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liegenden steuerlichen Effekte auf die Zeit nach der Trennung entfallen.1882 Unter getrennt lebenden Ehegatten wird ohnehin leichter feststellbar sein, ob die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, denn der Umfang von Unterhalts- und sonstigen Kompensationsleistungen lässt sich in aller Regel anhand der vorhandenen Zahlungsströme ermitteln. Auch im Falle eines Getrenntlebens ist der Vorrang des Unterhaltsanspruchs zu beachten, soweit dieser reicht.

C. Steuerausgleich auf schuldrechtlicher Grundlage I. Anwendungsbereiche Ein schuldrechtlicher Ausgleich von Steuerwirkungen kommt mithin nur insoweit in Betracht, wie – die Ehegatten getrennt wirtschaften, – sie nicht für eine einvernehmliche Ausgleichsregelung gesorgt haben (in intakten Ehen zu vermuten)1883 – und der jeweilige Effekt auch nicht über einen vorrangigen Unterhaltsanspruch auszugleichen ist. Der Steuernachteil, der aus der Eingruppierung in Steuerklasse V resultiert, kann daher in aller Regel nicht auf schuldrechtlicher Basis kompensiert werden. Denn der Ausgleich hat unterjährig im Wege erhöhter Unterhaltsleistungen des in Steuerklasse III eingeordneten Ehegatten zu erfolgen. Etwaige schuldrechtliche Ansprüche werden hingegen aus den unter B. angeführten Gründen vom Unterhaltsanspruch verdrängt. Falls eine nachträgliche Kompensation an den dort herausgestellten Besonderheiten des Unterhaltsanspruchs scheitert, bleibt folglich kein Raum (mehr) für einen Ausgleich. Das erscheint unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten unbedenklich, denn das Zivilrecht stellt mit dem Unterhaltsanspruch eine genügende Kompensationsgrundlage zur Verfügung. Dass die entsprechenden Leistungen grundsätzlich nicht für die Vergangenheit eingefordert werden können, beruht lediglich auf den Eigenhei1882 Vgl. im allgemeineren Zusammenhang auch Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 211. Soweit die Zeit vor der Trennung betroffen ist, gelten hingegen die zuvor dargestellten Grundsätze; näher unten D. 1883 Siehe soeben unter B V. Darüber hinaus kann in der Nichtgeltendmachung eines an sich bestehenden Ausgleichsanspruchs im Einzelfall auch eine ehebedingte Zuwendung zu erblicken sein (vgl. für andere Zusammenhänge BGH NJW-RR 2010, 1513, 1514; Bosch, FamRZ 2002, 366, 367 und 369; Gernhuber, JZ 1996, 765, 769), die einem Ausgleich für die Vergangenheit grundsätzlich entgegensteht.

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ten seiner Rechtsnatur, die sachangemessen und verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Dieser Zusammenhang hat dementsprechend auch Bedeutung für den Ausgleich nachteiliger steuerlicher Effekte, die im Zuge der Veranlagung auftreten, wenn ein solcher (nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen) über Mechanismen des Schuldrechts vollzogen werden kann: Um die Höhe des Ausgleichsbetrages zu ermitteln, ist zwar grundsätzlich ein Vergleich zu der hypothetischen Lage bei Einzelveranlagung anzustellen, der sämtliche für das Innenverhältnis relevanten Aspekte wie Abzugsbeträge, Vorauszahlungen und Tilgungsleistungen berücksichtigt. Für die Zwecke des schuldrechtlichen Ausgleichs muss jedoch unterstellt werden, dass dem in Steuerklasse V eingruppierten Ehegatten Unterhaltsleistungen zugute gekommen sind, die denjenigen unterjährigen Nachteil kompensiert haben, den er im Vergleich zur Einordnung in Steuerklasse IV erlitten hat. Dies gilt auch dann, wenn es an (genügenden) Unterhaltsleistungen gefehlt hat, denn bei anderer Vorgehensweise würden die Eigenarten des Unterhaltsanspruchs ausgehöhlt. Es spielt insoweit auch keine Rolle, ob die Lebensgemeinschaft intakt ist oder sich die Ehegatten getrennt haben, denn der Unterhaltsanspruch deckt in beiden Fällen den unterjährigen Steuernachteil ab, der aus der Einordnung in Steuerklasse V resultiert. Ähnliches gilt für die Frage des Vorteilsausgleichs. Er kommt auf schuldrechtlicher Basis nur insoweit in Betracht, wie er nicht in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen ist. Für untere und mittlere Einkommen folgt daraus, dass schuldrechtliche Ausgleichsansprüche grundsätzlich nicht in Betracht kommen, da der Unterhaltsanspruch hier in aller Regel das gesamte einsatzfähige Einkommen erfasst. Dies betrifft nicht nur die Splittingersparnis, die unterjährig im Mehrverdienst nach Steuerklasse III verkörpert wird, sondern auch Steuererstattungen, die auf dem Splittingvorteil beruhen.1884 Auch insoweit besteht im Übrigen kein Unterschied zwischen intakten Lebensgemeinschaften und getrennt lebenden Paaren. Abweichendes gilt bei hohen Einkommen und Doppelverdienerehen. Hier muss konkret ermittelt werden, wie weit der Unterhaltsanspruch reicht. Soweit er den Steuervorteil nicht abdeckt, bleibt Raum für einen Ausgleich auf schuldrechtlicher Basis. Wie unter B III. nachgewiesen wurde, kann dies im Falle eines sparsamen Lebenszuschnitts inner1884 Zu ihrer unterhaltsrechtlichen Relevanz siehe Fn 1845. Der Fall, dass der so konkretisierte Unterhaltsanspruch ausnahmsweise nicht zu einer (annähernd) vollständigen Vorteilsteilhabe führt (vgl. dazu im Allgemeinen Fn 1844), kann für den Bereich kleiner und mittlerer Einkommen vernachlässigt werden.

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halb intakter Lebensgemeinschaft in weiterem Umfang der Fall sein als nach Trennung des Paares.

II. Gesamtschuldnerausgleich 1. Ausgangspunkt In Rechtsprechung und Schrifttum wird § 426 BGB als hauptsächliche Rechtsgrundlage für den schuldrechtlichen Innenausgleich angeführt,1885 wobei namentlich in den neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ausschließlich § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB angesprochen wird,1886 während in der Literatur auch § 426 Abs. 2 BGB (ergänzende) Erwähnung findet.1887 Da der Aspekt des Nachteilsausgleichs ganz im Vordergrund der Betrachtungen steht1888 und ein Vorteilsausgleich weithin abgelehnt wird, hat sich keine Diskussion darüber gebildet, inwieweit Letzterer auf § 426 BGB gestützt werden kann. Allerdings führt die von der bisher herrschenden Meinung befürwortete Orientierung am Aufteilungsmaßstab des § 270 AO dazu, dass bei Doppelverdienerehen auch die Splitting­ ersparnis verhältnismäßig unter den Ehegatten aufzuteilen ist. Wie in diesem Abschnitt gezeigt wird, bildet § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (zwar nicht die alleinige, wohl aber) die zentrale Vorschrift für den Nachteils- und den Vorteilsausgleich, soweit ein solcher auf schuldrechtlicher

1885 Nachweise aus der Rechtsprechung sogleich in Fn 1886; aus dem neueren Schrifttum siehe beispielhaft Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 203 ff.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 343; Witt, DStR 2007, 56, 57 ff. sowie bereits etwa Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 105 ff.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260 ff.; weitere Nachweise im Folgenden. 1886 Vgl. BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2006, 2623, 2623 f.; BGH NJW 2002, 2319, 2320 f.; BGH NJW 2002, 1570, 1570 f. sowie auch BFH BStBl. II 2003, 267, 268; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 96, 96; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 12c; Liebelt, NJW 1993, 1741, 1742 f. und in anderem Zusammenhang BGHZ 120, 50, 55 ff.; Habersack, BB 2007, 1397, 1397; Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 457. 1887 Vgl. Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 203 f. Fn 260; Kaufmann, INF 1994, 449, 450 a.E.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 258, 260 f. und 263; Walz, StVj 1993, 46, 50; Witt, DStR 2007, 56, 57; ebenso (mit Blick auf § 44 AO insgesamt) Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 61 ff.; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 26 f. Teile der in Fn 1885 zitierten Autoren gehen auch noch auf andere Anspruchsgrundlagen ein. Hierauf ist zurückzukommen (vgl. die Bemerkung bei Fn 1890). Teilweise wird überhaupt nicht zwischen den in § 426 BGB angelegten Ansprüchen unterschieden (vgl. Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 105 ff.). 1888 Vgl. zum Folgenden die Darstellung in § 9 (mit umfänglichen Nachweisen).

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Zivilrechtlicher Steuerausgleich

Basis erfolgen kann.1889 Zunächst wird auf die Frage eingegangen, warum und mit welchen Maßgaben diese Vorschrift überhaupt auf Steuergesamtschulden Anwendung finden kann, wie weit der Anspruch inhaltlich reicht und welche Besonderheiten speziell bei zusammen veranlagten Ehegatten zu beachten sind. Danach wird erörtert, ob auch § 426 Abs. 2 BGB für den Innenausgleich fruchtbar gemacht werden kann. Im Anschluss soll untersucht werden, ob Raum für Ansprüche aus Bereicherungsrecht bleibt. Diese Frage stellt sich besonders dort, wo der Gesamtschuldnerausgleich nicht einschlägig ist bzw. zu kurz greift. Auf andere Anspruchsgrundlagen, die im Zusammenhang mit dem Innenausgleich diskutiert werden,1890 wird im Rahmen der weiteren Ausführungen inzident eingegangen. 2. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB: Anwendbarkeit a) Problemaufriss Dass die zivilrechtliche Ausgleichsvorschrift des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch auf Gesamtschulden anwendbar ist, die sich aus dem Steuerrecht ergeben, d.h. öffentlich-rechtlichen Ursprungs sind, ist heute ganz weitgehend anerkannt und wird in der Regel stillschweigend zugrunde gelegt.1891 Dabei wird offensichtlich davon ausgegangen, dass die Vorschrift unmittelbar einschlägig ist und über sie ein prinzipiell vollumfänglicher Ausgleich jedenfalls der Nachteile erzielt werden kann, die einem Ehegatten infolge von Zusammenveranlagung und gesamtschuldnerischer Haftung entstehen. In diesem Abschnitt (unter 2.) wird zunächst untersucht, ob sich die These von der unmittelbaren Anwendbarkeit des § 426 1889 Demgegenüber hat § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Innenausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten naturgemäß keinen Anwendungsbereich; zu § 426 Abs. 2 BGB näher sogleich und unten 4. 1890 Vgl. die Nachweise in Fn 1189. 1891 Siehe die Nachweise in Fn 1886 sowie auch etwa BGH FamRZ 1990, 374, 376; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 61; Binnewies/Wollweber, ZEV 2008, 517, 517; Koritz, FPR 2003, 435, 436 f.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260 ff.; Walz, StVj 1993, 46, 50; vgl. für den Bereich der Steuerhaftung ferner BGHZ 120, 50, 54 ff., wo allerdings von einer Analogie zu § 426 Abs. 1 BGB ausgegangen wird; dem folgend BGH ZIP 2013, 409, 410; BGH ZIP 2004, 164, 164 f.; OLG Frankfurt/Main DStR 2012, 2546, 2548 f.; vgl. auch Habersack, BB 2007, 1397, 1397; Kleindiek, DStR 2000, 559, 562; Schauhoff, StbJb 2000/2001, 325, 330 und insoweit auch St. Simon, ZGR 2007, 71, 79, der jedoch zu Unrecht (dazu unten S. 426) von einem vorrangigen Bereicherungsanspruch ausgeht; gegen die in BGHZ 120, 50 befürwortete analoge und für eine direkte Anwendung des § 426 BGB demgegenüber Witt, Konzernbesteuerung, S. 346 ff.; vgl. auch Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 457 ff.; W. Müller, FS Beisse, S. 363, 368; Stengel/ Scholderer, ZGR 1997, 41, 58 ff.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten

Abs. 1 Satz 1 BGB angesichts des öffentlich-rechtlichen Charakters der Steuergesamtschuld halten lässt. Unter 3. wird dann der Frage nachgegangen, inwieweit die Vorschrift von ihrer sachlichen Reichweite her geeignet ist, einen umfassenden Steuerausgleich zu bewirken. Die entsprechenden Ausführungen gelten selbstverständlich nur für Situationen, in denen ein schuldrechtlicher Steuerausgleich nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen überhaupt in Betracht kommt. b) Öffentlich-rechtlicher Charakter des Ausgleichs? Sucht man nach Gegenpositionen zu den soeben skizzierten herrschenden Anschauungen, so stößt man zunächst auf Liebisch, der Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts vertreten hatte, dass im Falle einer steuerlichen Gesamtschuld zwar ein § 426 Abs. 1 BGB inhaltlich entsprechender Ausgleichsanspruch eingreife, dieser Anspruch jedoch kein zivilrechtlicher sei, sondern dem öffentlichen Recht angehöre.1892 Dies leitet er aus der öffentlich-rechtlichen Natur des steuerlichen Gesamtschuldverhältnisses ab: Es handele sich hierbei um „ein einheitliches Rechtsinstitut, dessen unmittelbare Wirkungen nicht teils dem öffentlichen Recht und teils dem Privatrecht zugewiesen werden können. Da auch die aus ihm entspringenden Rechte und Pflichten der Schuldner untereinander ihren Ursprung im öffentlichen Recht haben, kann die Verpflichtung, die steuerliche Leistung im Innenverhältnis nach Kopfteilen zu tragen, nebst dem dazu gehörenden Ausgleichsanspruch nur dem öffentlichen Recht angehören.“1893 Da die Voraussetzungen vorlägen, unter denen die Verwendung privatrechtlicher Rechtssätze im Steuerrecht

1892 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 68 f.; für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug ebenso Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rn. A 30; Kloubert, FR 2001, 465, 468; H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 255 ff.; Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 174, 207; vgl. auch bereits oben S. 22 f.; Nachweise zu ähnlichen Ansätze, die in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts vereinzelt vertreten werden, bei de Wall, Anwendbarkeit, S. 523. 1893 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 69. Das erinnert an folgende Formulierung O. Mayers, Deutsches Verwaltungsrecht/I, S. 118: „Es gibt keine öffentlichrechtlichen Rechtsinstitute mit unmittelbarer zivilrechtlicher Wirkung. Die Wirkung ist ein Teil des Rechtsinstitutes und kann nicht anderer Natur sein als dieses.“ Mit Blick auf Gesamtschulden nach § 42d Abs. 3 EStG ganz ähnlich Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rn. A 30; Kloubert, FR 2001, 465, 468; H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 255.

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Zivilrechtlicher Steuerausgleich

zulässig sei,1894 könne § 426 BGB für den Innenausgleich herangezogen werden, und zwar als öffentlich-rechtliche Rechtsregel.1895 Diese Sonderstellung, die Liebisch dem Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB1896 zumessen will, überzeugt schon deshalb nicht, weil es sich in dem hier betroffenen Kontext, d.h. im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander, um eine öffentlich-rechtliche Inselvorschrift in einem Meer zivilrechtlicher Normen und Rechtsverhältnisse handeln würde, die in Konkurrenz zu diesem Anspruch treten können,1897 auf seinen Inhalt einwirken und sogar geeignet sind, ihn zu suspendieren.1898 So wird der öffentlich-rechtliche Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nach Auffassung Liebischs verdrängt, wenn die Gesamtschuldner eine abweichende vertragliche – also zivilrechtliche – Vereinbarung getroffen haben.1899 Ferner entspricht es dem Standpunkt Liebischs, dass der Anspruchsinhalt durch die privatrechtlichen Beziehungen der Beteiligten beeinflusst werden kann.1900 Darüber hinaus sieht er die ordentliche Gerichtsbarkeit als zuständig für Streitigkeiten über diesen Anspruch an, und zwar ungeachtet seines angeblich öffentlich-rechtlichen Charakters.1901 1894 So ganz offensichtlich Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 68 f. unter Bezugnahme auf RFHE 6, 171, 176 f. 1895 In diesem Sinne Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 67 ff. mit S. 7 ff. (S. 13): Es gehe hierbei nicht um eine Analogie, sondern um die Anwendung eines allgemeinen Rechtsgedankens, der in der jeweiligen zivilrechtlichen Vorschrift (hier: § 426 Abs. 1 BGB) zum Ausdruck gebracht worden sei. Die diesen Ausführungen Liebischs zugrunde liegende Frage nach dem methodischen Fundament der Anwendung von Zivilrechtsvorschriften auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse ist nach wie vor aktuell (vgl. bereits Fn 105 sowie die Darstellung im Folgenden). 1896 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 68 ff. hatte bei seinen Ausführungen in erster Linie den hier behandelten Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB im Blick; zu den Besonderheiten, die in Bezug auf § 426 Abs. 2 BGB zu beachten sind (vgl. vorläufig Liebisch, aaO, S. 74, S. 108 ff.), näher unten 4. 1897 Vgl. Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 74. 1898 Dazu ausführlich unten 3 d); siehe vorläufig die sogleich zitierten Stellungnahmen Liebischs. 1899 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 70. Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, wäre auch ein bestehender Unterhaltsanspruch vorrangig – und haben schuldrechtliche Ausgleichsansprüche ohnehin Ausnahmecharakter. 1900 Näher Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 70 ff. 1901 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 69 f. Insbesondere handele es sich nicht um eine „Steuersache“ im Sinne von § 242 RAO 1931 (= § 227 RAO 1919), der den Zugang zu den ordentlichen Gerichten gesperrt hätte; aus heutiger Sicht für Zuständigkeit der Finanzgerichte hingegen Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 174, 207 (vgl. oben Fn 1892); ebenso H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 267 ff., allerdings auf Basis einer unhaltbaren Argumentation.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten

Bei näherem Hinsehen lässt sich die Zuordnung Liebischs auch losgelöst von diesen Gesichtspunkten nicht halten. Es ist zwar selbstverständlich richtig, dass die Steuergesamtschuld öffentlich-rechtlicher Natur ist, weil Ansprüche, die im öffentlichen Recht fußen, über die öffentlichrechtliche Vorschrift des § 44 Abs. 1 AO (bzw. speziellere Normen)1902 zu Gesamtschulden verbunden werden.1903 Dies ändert aber nichts daran, dass § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nur als zivilrechtliche Ausgleichsregelung fruchtbar gemacht werden kann:1904 Den Bezugspunkt dieser Vorschrift bildet das Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern. Dieses Rechts-

1902 Vgl. § 10 Abs. 3 GrStG, § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG. 1903 Wenn es diese Vorschriften nicht gäbe, müsste erwogen werden, ob die zivilrechtlichen Normen über die Gesamtschuld für das Steuerschuldrecht fruchtbar gemacht werden können (zu den methodischen Hintergründen sowie Bei­ spielen aus anderen Bereichen des öffentlichen Rechts siehe de Wall, Anwendbarkeit, S. 517 ff. mit entsprechenden Nachweisen). Für die Situationen gemeinschaftlicher Tatbestandsverwirklichung (vgl. Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 14; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 7 sowie bereits Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 27) sowie den Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten in ihrer derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung (näher oben S. 362 mit weiteren Nachweise in Fn 1786) liegt dies in der Tat sehr nahe (anders möglicherweise Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 421 Rn. 62: Steuergesamtschuld als auf gesetzlicher Anordnung beruhender Ausnahmefall; vgl. auch Preißer, Gesamtschuld, S. 103 a.E., S. 127 f.). Abweichendes lässt sich allerdings für das Verhältnis von Steuerschuldner und Haf­ tendem vertreten (vgl. dazu Boeker, aaO, Rz. 13 f.; Kruse, aaO, Tz. 5; Liebisch, aaO, S. 28 ff.; Preißer, aaO, S. 128; zum von der herrschenden Meinung im Zivilrecht zugrunde gelegten Kriterium der „Gleichstufigkeit“ siehe etwa Palandt/ Grüneberg, BGB, § 421 Rn. 7 ff.; seine Übertragbarkeit auf das öffentliche Recht bejahend de Wall, aaO, S. 518), dessen Einordnung auch auf Grundlage des § 44 Abs. 1 AO nicht unumstritten ist (Nachweise in Fn 1014). In keinem Fall käme es jedoch zu einer direkten Anwendung von Zivilrecht. Richtigerweise werden Zivilrechtsvorschriften im Falle ihrer Übertragung auf das Steuerrecht (situativ) zu solchen des öffentlichen Rechts (näher Schick, Haftung, S. 6 ff.; allgemein für die Ergänzung von Lücken mittels Zivilrechtsvorschriften Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 61 ff.; de Wall, aaO, S. 45 f.). Über die methodische Grundlegung dieser Lückenergänzung (insbesondere: Analogie; Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze) besteht allerdings nach wie vor keine Einigkeit; siehe zu diesem Fragenkreis etwa Gurlit, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 806 ff.; Maurer, aaO, S. 62 f.; ausführlich de Wall, aaO, passim, insbesondere S. 53 ff. sowie (zur Gesamtschuld) S. 517 ff.; speziell zum Steuerschuldverhältnis Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 96 f.; Schick, aaO, S. 13 f. und auch bereits Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 7 ff.; grundsätzlich ablehnend noch O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht/I, S. 117 f. 1904 Siehe auch (ohne Begründung) Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 248 f.; weitere Nachweise im Folgenden.

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Zivilrechtlicher Steuerausgleich

verhältnis1905 ist zivilrechtlicher Natur, da gleichgeordnete Private, nicht aber der staatliche Steuergläubiger (oder sonstige Hoheitsträger) betroffen sind.1906 Folglich ist die zivilrechtliche Ausgleichsordnung auch dazu berufen, etwaige Schieflagen zu korrigieren, die aus der gesamtschuldnerischen Haftung für das Innenverhältnis resultieren; jede der einschlägigen Anspruchsgrundlagen hat mithin zivilrechtlichen Charakter.1907 Aus denselben Gründen ist auch der aktuell noch verbreitete Ansatz nicht überzeugend, den Gesamtschuldnerausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug als öffentlich-rechtlich einzuordnen.1908 Dies schließt es aber selbstverständlich nicht aus, steuerrechtliche Wertungen maßgeblich im Rahmen des Binnenausgleichs (und generell für das Innenverhältnis) zu berücksichtigen.1909 1905 Vgl. zu der entscheidenden Bedeutung, die die Rechtsprechung „der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird“ für die Zuordnung in Zweifelsfällen zumisst, insbesondere GmS-OGB BGHZ 102, 280, 283 f.; GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313 f.; zum Verhältnis dieser Qualifikation des Rechtsverhältnisses zur Qualifikation von Einzelnormen siehe etwa de Wall, Anwendbarkeit, S. 24 ff. mit umfänglichen Nachweisen. 1906 Ebenso Clemens, Steuerprozesse, S. 42 sowie de Wall, Anwendbarkeit, S. 523 (mit Blick auf vereinzelt vertretene Gegenauffassungen aus anderen Gebieten des Verwaltungsrechts); vgl. auch Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121, 1123 mit weiteren Nachweisen; speziell zu dem § 426 Abs. 1 BGB nachgebildeten § 24 Abs. 2 BBodSchG siehe Frenz, BBodSchG, § 24 Rn. 48; Landel, in: Landel/Vogg/Wüterich, BBodSchG, § 24 Rn. 30; G. Wagner, BB 2000, 417, 428; allgemeiner Guttenberger, Ausgleichsansprüche, S. 71. Sowohl auf Grundlage der Subordinationstheorie (zu ihr GmS-OGB BGHZ 97, 312, 314; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 142 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 44) als auch bei Anwendung der Zuordnungslehre (näher Ehlers, aaO, S. 143 ff.; Maurer, aaO, S. 44 f.; Kombination beider Gesichtspunkte in GmS-OGB BGHZ 108, 284, 286 f.) gelangt man mithin zu einer zivilrechtlichen Qualifikation des Gesamtschuldnerausgleichs – und zwar auch dann, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit handelt, denn es fehlt bereits an einem Hoheitsträger als Normadressaten bzw. an einem (darauf beruhenden) Subordinationsverhältnis. 1907 Vgl. auch BGHZ 120, 50, 54 ff. 1908 So aber die in Fn 1892 genannten Autoren; dagegen zu Recht Heuermann, StuW 1998, 219, 225; ders., Systematik, S. 350 ff.; Lang, RdA 1999, 64, 65 ff. Die herrschende Meinung spricht sich richtigerweise für eine zivilrechtliche Einordnung aus; vgl. BAG NJW 2004, 3588, 3588 f.; BAG BStBl. II 1977, 581, 582; Blümich/ Wagner, § 42d EStG Rz. 122; Schmidt/Krüger, EStG, § 42d Rn. 64; Staudinger/ Noack, BGB, § 426 Rn. 52, 248 f. 1909 Vgl. dazu Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rn. A 31; Kloubert, FR 2001, 465, 467 ff.; Heuermann, StuW 1998, 219, 225 f.; dens., Systematik, S. 357 ff.; Lang, RdA 1999, 64, 66; zu den methodischen Hintergründen vgl. oben § 7. Über die erforderliche teilrechtsordnungsübergreifende Wertungsabstimmung können auch die Problembereiche, die Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 174, 182 ff. und Kloubert, FR 2001, 465, 468 ff. ausgemacht haben, einer sachan-

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Ganz generell kann eine interne Korrektur von Steuerwirkungen unter Privaten nur auf zivilrechtlicher Grundlage erfolgen, da die entsprechende Rechtsvorschrift gleichgeordnete Private betrifft und daher notwendig zivilrechtlicher Natur ist.1910 Ebenso wie sich beispielsweise die Folgen der Ehegattenbesteuerung auf die Höhe bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche auswirken können,1911 sind auch die allgemeinen schuldrechtlichen Anspruchsgrundlagen in geeigneten Fällen dazu berufen, steuerlich definitive Rechtsfolgen zu korrigieren. Dies entspricht ganz offensichtlich auch dem grundsätzlichen Standpunkt Liebischs, wenn er die (privatrechtliche) Geschäftsführung ohne Auftrag und das Bereicherungsrecht als auf das Innenverhältnis anwendbar ansieht.1912 Anders als Liebisch meint, lässt sich eine Sonderstellung für den Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB jedoch – wie dargelegt – nicht begründen. Dass der Innenausgleich auf zivilrechtlicher Basis stattzufinden hat, ist seinerzeit im Übrigen auch in § 22 Abs. 3 EStG 1925 vorausgesetzt gewesen.1913 c) Analogieerfordernis Die Frage, um die es eigentlich geht (und die auch bei Liebisch zur Sprache kommt),1914 ist vielmehr eine andere: Zu beantworten ist, ob die zivilrechtliche Vorschrift des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (als solche) auch auf Steuergesamtschulden Anwendung finden kann. Es geht mithin nicht darum, einen Privatrechtssatz für das Steuerschuldverhältnis fruchtbar zu machen,1915 ihn also in das öffentliche Recht zu übertragen,1916 sondern um die aus zivilrechtlicher Perspektive zu beantwortende Frage, ob gemessenen Lösung zugeführt werden. Einer Zuweisung des Innenverhältnisses „zum notwendigen Regelungsbereich der Steuerrechtsordnung“ (so Stolterfoht, aaO, S. 183 a.E. „aus funktioneller Sicht“) bedarf es daher nicht. 1910 Vgl. wiederum Fn 1906. 1911 Siehe oben B. 1912 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 74. 1913 Näher zu dieser Vorschrift oben S. 341 f.; zu ihrem zivilrechtlichen Charakter siehe die in Fn 1682 zitierten Autoren; weitere Nachweise zu der seinerzeit herrschen­ den Meinung, wonach der Innenausgleich ausschließlich auf zivilrechtlicher Basis zu erfolgen hat, bei Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 67 f. 1914 Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 68 f. 1915 So aber Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 68 f.; richtig hingegen die Ausführungen in der von ihm erörterten Entscheidung RFHE 6, 171, 174 ff., soweit hier von einer strikten Trennung zwischen den „öffentlich-rechtliche[n] Beziehungen zwischen Staat und Steuerpflichtigen“ und dem „bürgerlich-rechtlichen Rückgriff“ ausgegangen wird. 1916 Näher dazu Fn 1903 und bereits Fn 105.

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im Innenverhältnis unter den beteiligten Gesamtschuldnern des Steuerrechts eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift gerechtfertigt ist.1917 Eine derartige Prüfung wird allerdings namentlich von de Wall offenbar nicht für erforderlich erachtet: In verwaltungsrechtlichen Vorschriften, die eine Gesamtschuld anordnen, wird seiner Ansicht zufolge zugleich auf die entsprechenden bürgerlich-rechtlichen Regelungen Bezug genommen, so dass die §§ 421 – 427 BGB grundsätzlich ohne weiteres anwendbar seien.1918 Dies habe auch zur Folge, dass § 426 Abs. 1 BGB (unmittelbare) Anwendung finde, ohne dass es einer Analogie bedürfe.1919 Der Ansatz de Walls überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht: Die §§ 421 ff. BGB können richtigerweise nicht ohne weitere Prüfung auf öffentlichrechtliche Gesamtschulden übertragen werden. Wie namentlich Schick mit Blick auf den steuerrechtlichen Kontext treffend herausgestellt hat, ändert die Verwendung eines aus dem Zivilrecht herrührenden Begriffs in Vorschriften des Verwaltungsrechts (hier: „Gesamtschuld“) nichts daran, dass die jeweilige Rechtsfigur mit Blick auf den spezifisch verwaltungsrechtlichen Kontext, in den sie eingebettet ist, ausgelegt werden muss und zudem öffentlich-rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegt, die dem Zivilrecht fremd sind.1920 Diesen Zusammenhang erkennt der Sache nach auch de Wall an, wenn er die Aussage des § 421 Satz 1 Halbs. 2 BGB, der Gläubiger könne die Leistung „nach seinem Belieben“ von jedem der Schuldner verlangen, völlig zu Recht nicht auf verwaltungsrechtliche Gesamtschulden übertragen will, da es im öffentlichen Recht keine freie, ungebundene Auswahl, sondern nur ein pflichtgemäßes Ermessen geben kann.1921 1917 Dies bestimmt sich allerdings nach ganz ähnlichen Kriterien; vgl. wiederum RFHE 6, 171, 176 f.; näher im Folgenden. 1918 de Wall, Anwendbarkeit, S. 517 (mit weiteren Nachweisen) und S. 524. 1919 de Wall, Anwendbarkeit, S. 524. Abweichendes gelte (nur) dann, wenn das Gesamtschuldverhältnis bereits selbst auf einer Analogie zu den zivilrechtlichen Vorschriften beruhe. Dann könne auch § 426 Abs. 1 BGB nur analog angewendet werden. 1920 Schick, Haftung, S. 7 ff., der auf S. 10 neben anderen Beispielen den Gesamtschuldbegriff der AO in Bezug nimmt; siehe zum Steuerschuldrecht etwa auch Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 64 f. 1921 de Wall, Anwendbarkeit, S. 520 ff. unter Hinweis auf die herrschende Meinung im Verwaltungsrecht (z.B. Finkenauer, NJW 1995, 432, 433); siehe für das Steuerrecht etwa BFH BStBl. II 2005, 780, 781; Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 1; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 65; Martens, StuW 1970, 603, 606 f.; Preißer, Gesamtschuld, S. 10 sowie die gesetzliche Anordnung in § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG (siehe auch noch ausdrücklich § 47 Abs. 2 EAO 1974, BT-Drucks. 7/79, S. 25); nicht überzeugend daher Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 2 so-

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Vor diesem Hintergrund muss auch der – ohnehin nur summarisch begründete – Standpunkt de Walls, die §§ 422 – 425 BGB seien sinngemäß auf verwaltungsrechtliche Gesamtschuldverhältnisse anwendbar,1922 mit einem Fragezeichen versehen werden.1923 Was speziell Steuergesamtschulden angeht, gelten in dieser Hinsicht ohnehin Besonderheiten, da § 44 Abs. 2 AO eine Sonderregelung enthält, die – entgegen dem Eindruck, der bisweilen erweckt wird1924 – in vielerlei Hinsicht nicht deckungsgleich mit den §§ 422 – 425 BGB ist. Beispielsweise kann ein zivilrechtlicher Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) gemäß § 423 BGB Gesamtwirkung entfalten,1925 während einem Erlass auf Grundlage der §§ 163, 227 AO nach § 44 Abs. 2 Satz 3 AO lediglich Einzelwirkung zukommt.1926 Auch sonst unterscheiden sich die im Steuerschuldrecht relevanten „Tatsachen“1927 in Konstruktion und Wirkweise teilweise erheblich von den funktional vergleichbaren zivilrechtlichen Rechtsfiguren, wie im Ausgangspunkt auch Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 6 (richtig hingegen Rz. 25) und B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 2, 7, soweit sie (auch) § 421 Satz 1 Halbs. 2 BGB für anwendbar erklären. Die von ihnen in Bezug genommene Trennung zwischen „der schuld­rechtlichen Regelung der Gesamtschuld“ und „ihrer verfahrensmäßigen Geltendmachung“ (vgl. auch BT-Drucks. 7/4292, S. 19; Tipke, FR 1970, 479, 482) überzeugt in diesem Zusammenhang nicht, weil es in § 421 Satz 1 Halbs. 2 BGB gerade um das freie Belieben bei der Geltendmachung einer bestehenden Gesamtschuld geht. Auch § 44 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AO zeigt im Übrigen, dass der Gesamtschuldbegriff des Steuerrechts von § 421 BGB abweichen kann. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass dem Gesichtspunkt der Ermessensausübung bei Steuergesamtschulden häufig nur wenig Bedeutung zukommt (vgl. Boeker, aaO, Rz. 46 f., siehe aber auch Rz. 48 ff.). 1922 de Wall, Anwendbarkeit, S. 521. 1923 Richtigerweise bleibt es auch in Bezug auf die Einzelvorschriften der §§ 422 – 425 BGB dabei, dass geprüft werden muss, ob und inwieweit sie sich in die jeweils betroffene öffentlich-rechtliche (Gesamt-)Regelung einfügen; vgl. allgemein zu dieser Vorgehensweise Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 62 sowie auch – stellvertretend für zahlreiche Stellen seiner Untersuchung – de Wall, Anwendbarkeit, S. 77 ff. selbst. 1924 Vgl. etwa BT-Drucks. VI/1982, S. 170; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 7. 1925 Ob Einzel- oder Gesamtwirkung gewollt ist und welche Rechtsfolgen im Einzelnen greifen sollen, muss durch Auslegung ermittelt werden (siehe nur Erman/ Böttcher, BGB, § 423 Rn. 1). 1926 Vgl. BFH/NV 1989, 761, 761; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 31; Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 19; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 22; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 19; zu möglichen Ausnahmesituationen vgl. BFH BStBl. II 2002, 267, 269; Boeker, aaO; Koenig, aaO; Preißer, Gesamtschuld, S. 174 ff. sowie bereits Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 44 f. 1927 Vgl. die Begriffsverwendung in § 425 Abs. 1 BGB und § 44 Abs. 2 Satz 3 AO.

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auch wenn sie sich häufig begrifflich an diese anlehnen.1928 Welche Auswirkungen derartige Ereignisse auf die Steuergesamtschuld haben, muss im Wege der Auslegung der einschlägigen Vorschriften der AO ermittelt werden,1929 ohne dass es hierzu eines Rückgriffs auf zivilrechtliche Regelungen bedarf. Hieran wird deutlich, dass die Steuergesamtschuld der bürgerlich-rechtlichen Gesamtschuld in ihren Rechtsfolgen1930 zwar ähnelt, aber keineswegs ein (völliger) Gleichlauf besteht.1931 Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Anwendbarkeit des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht selbstverständlich, sondern im Gegenteil begründungsbedürftig.1932 Eine entsprechende Prüfung hat der Reichsfinanzhof bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1921 vorgenommen – und die Vorschrift für anwendbar erklärt.1933 Was den methodischen Ausgangspunkt angeht, hat das Gericht allerdings – trotz zutreffender Erkenntnis, dass es sich um eine zivilrechtliche Fragestellung handelt1934 – anscheinend denselben Prüfungsmaßstab angelegt, den die höchstrichterliche Rechtsprechung seinerzeit in aller Regel verwendet hat, um zu prüfen, ob eine zivilrechtli-

1928 Vgl. wiederum Schick, Haftung, S. 10 und Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rz. 63 ff., der den öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Vorschriften und die daraus resultierenden Besonderheiten herausstellt. So ist schon unter Geltung der RAO 1931, die keine § 44 Abs. 2 AO entsprechende Regelung kannte, zu Recht betont worden, dass § 425 BGB nicht ohne Modifikationen Anwendung finden konnte (Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 46 ff.; vgl. auch bereits RFHE 9, 339, 342 a.E.). 1929 Vgl. wiederum Schick, Haftung, S. 10 sowie den Überblick bei Boeker, in: Hübsch­mann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 31 ff. und Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 19 ff. 1930 Was den Entstehungstatbestand angeht, bestehen – je nach Teilbereich – größere Unterschiede; vgl. die Nachweise in Fn 1903. Dieser Frage braucht für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung nicht nachgegangen zu werden; ausführliche Analyse der Entstehungstatbestände von Steuergesamtschulden bei Preißer, Gesamtschuld, passim, insbesondere S. 27 ff. 1931 Schick, Haftung, S. 10 spricht für derartige Situationen treffend von „faux amis“. 1932 Ganz generell muss das zivilrechtliche Innenverhältnis mit Rücksicht auf etwaig einschlägige Wertungen des Steuerrechts bestimmt werden. Dies zeigt sich besonders gut am Beispiel des Lohnsteuerabzugs; vgl. die Nachweise in Fn 1909 und im vorliegenden Zusammenhang besonders Kloubert, FR 2001, 465, 468 f.; siehe in anderem Kontext (Steuerhaftung bei gewerbesteuerlicher Organschaft) auch BGHZ 120, 50, 57 ff.; zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft vgl. BGH ZIP 2013, 409, 410 f. 1933 RFHE 6, 171, 176 f. 1934 RFHE 6, 171, 174 ff. (dazu oben Fn 1915).

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che Vorschrift innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses fruchtbar gemacht werden kann.1935 Es heißt hier: „Wo nach bürgerlichem Rechte Gesamtschuldverhältnisse mehrere einem dritten Gläubiger verbindlich machen, hat § 426 BGB. für den Fall, daß nichts anderes bestimmt ist, auch die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet. Daß dieser Satz, wie z.B. Staudinger […] annimmt, ohne weiteres auch dann gilt, wenn das Gesamtschuldverhältnis ein öffentlich-rechtliches ist, ließe sich nur annehmen, wenn diese bürgerlich-rechtliche Ordnung bürgerlich-rechtlicher Gesamtschuldverhältnisse einen Grundsatz des Rechtsbewußtseins ausspricht, der auch als für das öffentliche Recht geltend angesehen werden muß.“1936

Richtigerweise kommt es vorliegend jedoch nicht auf die (nach wie vor nicht vollständig geklärte) Frage an, mittels welcher methodischen Konstruktion zivilrechtliche Regelungen und Grundsätze in das öffentliche Recht transportiert werden können:1937 Weil es hier, wie auf S. 394 f. gezeigt wurde, darum geht, § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB als Vorschrift des bürgerlichen Rechts innerhalb eines zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses anzuwenden, kann ohne weiteres auf den Methodenkanon des Zivilrechts zurückgegriffen werden. Da diese Vorschrift in ihrem direkten Anwendungsbereich nur bürgerlich-rechtliche Gesamtschulden betrifft, die Steuergesamtschuld jedoch eine öffentlich-rechtliche Rechtsfigur darstellt, die sich, wie gezeigt, in zahlreichen Punkten von ihrem zivilrechtlichen Gegenstück unterscheidet, muss geprüft werden, ob ein Analogieschluss, d.h. eine innerzivilistische Analogie1938 gerechtfertigt ist.1939

1935 Insoweit zutreffend die Beobachtung Liebischs, Steuerrecht und Privatrecht, S. 68; näher zu der damaligen Neigung der Rechtsprechung, Zivilrechtssätze nicht im Wege der Analogie auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse zu übertragen, sondern sie als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken anzusehen, de Wall, Anwendbarkeit, S. 54 f. 1936 RFHE 6, 171, 176. 1937 Vgl. zu dieser Frage Fn 1903. 1938 Vgl. in anderem Zusammenhang de Wall, Anwendbarkeit, S. 54. 1939 Vgl. insoweit auch de Wall, Anwendbarkeit, S. 524, der seine Aussage allerdings (nicht nachvollziehbar) lediglich auf solche öffentlich-rechtliche Gesamtschulden bezieht, die nicht auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung beruhen; siehe ferner Guttenberger, Ausgleichsansprüche, S. 76 f. sowie auch BGHZ 120, 50, 55 ff., wo jedoch ein Sonderfall (Steuergesamtschuld zwischen Schuldner und Haftendem) betroffen war (vgl. dazu auch die weiteren Nachweise am Ende von Fn 1891). Demgegenüber will die herrschende Meinung die Vorschrift offenbar direkt anwenden (vgl. etwa Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 3; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 248; siehe auch die Nachweise in Fn 1891) – was aus den genannten Gründen nicht überzeugt.

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d) Analogievoraussetzungen Als (Einzel-)Analogie bezeichnet man gemeinhin die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung einer Norm auf einen ähnlichen, gesetzlich jedoch nicht geregelten Sachverhalt.1940 Als Voraussetzungen werden eine (planwidrige) Regelungslücke und die – im Wege einer wertenden Betrachtung festzustellende – Gleichheit der Sachlagen genannt.1941 Was zunächst die erforderliche Gesetzeslücke angeht, machen die Materialien zu § 44 AO 1977 deutlich, dass der Gesetzgeber deshalb keine Regelung für den Innenausgleich in die AO aufgenommen hat, weil davon ausgegangen wurde, dass der Ausgleich „nach den Vorschriften des bürgerlichen Recht über die Gesamtschuld (§§ 421 ff. BGB)“ erfolgen kann.1942 Dass § 426 BGB jedenfalls im praktischen Ergebnis Anwendung finden konnte, entsprach seinerzeit auch einem seit Jahrzehnten gesicherten Erkenntnisstand.1943 Das – vom Gesetzgeber mithin bejahte – Ausgleichsbedürfnis sollte also nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vorschriften befriedigt werden. Allerdings ist § 426 Abs. 1 BGB, wie gezeigt, bei näherem Hinsehen nicht unmittelbar einschlägig. Eine Gesetzes­ lücke, die dem Regelungsplan des Gesetzgebers zuwiderläuft, liegt somit vor.1944

1940 Vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 474 f., S. 477; Larenz, Methodenlehre, S. 381, S. 383 a.E.; Zippelius, Methodenlehre, S. 55 ff. 1941 Vgl. Bydlinski, Methodenlehre, S. 472 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff., S. 381 ff. 1942 So BT-Drucks. VI/1982, S. 115; im gleichen Sinne auch bereits BT-Drucks. III/260, S. 65 f. (zum StAnpG). Die Bezugnahme auf die (Gesamt-)Regelung der „§§ 421 ff. BGB“ greift allerdings zu weit. Gemeint ist ersichtlich § 426 BGB (präziser daher BT-Drucks. III/260, S. 65 f.). Man wird diese Formulierung im Übrigen auch nicht so verstehen können, dass die Gesetzesverfasser von einer Sperrwirkung des § 426 BGB im Verhältnis zu anderen zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen ausgegangen sind. Das wäre auch unhaltbar. 1943 Vgl. die Nachweise bei Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 67, z.B. Becker, RAO, § 95 Anm. 7. Allerdings machen die grundlegende Entscheidung RFHE 6, 171, 176 f. sowie die Ausführungen Liebischs, aaO, S. 67 ff. deutlich, dass die methodische Begründung der Anwendbarkeit des § 426 Abs. 1 BGB seit jeher umstritten gewesen ist und kein allgemeiner Konsens des Inhalts bestanden hat, die Vorschrift sei ohne weiteres und unmittelbar einschlägig. Allerdings wurde letztere Auffassung seinerzeit von vielen unkritisch zugrunde gelegt (siehe etwa Mattern/Meßmer, RAO, Rn. 2683; Hannes, Haftung, S. 12). 1944 Zum Kriterium der Planwidrigkeit und der Abgrenzung zum rechtspolitischen Fehler näher Larenz, Methodenlehre, S. 373 ff. In der Terminologie Larenz', aaO, S. 377 und S. 379 handelt es sich hier im Übrigen um eine „unbewusste“ Lücke, da die Gesetzesverfasser offensichtlich von der direkten Anwendbarkeit des § 426 BGB ausgegangen sind.

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Die Gleichheit der Interessenlagen hat bereits der Reichsfinanzhof in seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1921 geprüft und bejaht. Das Gericht ist zunächst auf die gesetzgeberischen Hintergründe eingegangen, auf denen die Einführung des § 426 BGB beruhte. Unter Bezugnahme auf die Motive stellt das Gericht heraus, dass die Gesetzesverfasser des BGB die Ausgleichsfrage nicht davon abhängig machen wollten, ob das konkrete, zwischen den Gesamtschuldnern bestehende Rechtsverhältnis den Anspruch auf Ausgleich begründe.1945 Vielmehr sollten „die mehreren Gesamtschuldner in Ermangelung gegenteiliger Bestimmung von vornherein mit der Begründung des Gesamtschuldverhältnisses als in einem inneren Schuldverhältnisse stehend anzusehen“ sein, „welches sie verpflichtet, so zu handeln, daß es überhaupt zu keinem Regresse kommt.“1946 Hierauf beruhe die in § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltene Regelung.1947 Das Gericht fährt wie folgt fort: „Diese Ausführungen erscheinen zwingend auch für das steuerrechtliche Gesamtschuldverhältnis. Wenn aus praktischen Rücksichten eines reibungslosen Steuereinzugs das Gesetz der Steuerbehörde das Recht gibt, die hohe Abgabe von dem einen oder anderen der Vertragsbeteiligten nach freiem Ermessen im ganzen Betrag einzuziehen, ist dies nicht anders denkbar, als daß gleichzeitig unter den Steuerschuldnern ein inneres Schuldverhältnis angenommen wird, das sie ‘einander zu der erforderlichen Mitwirkung und Beitragung bei der Leistung verpflichtet, sofern nicht nach dem inneren Verhältnis die Leistung nur von einem oder einigen Genossen zu bewirken ist’. § 426 BGB. enthält also eine Regelung auch für das Verhältnis der Gesamtschuldner zueinander bei steuerrechtlichen Gesamt­ schuldverhältnissen.“1948

Die Ansicht des Reichsfinanzhofs überzeugt zwar hinsichtlich des gefundenen Ergebnisses, nicht jedoch in Bezug auf alle Teile der gegebenen 1945 RFHE 6, 171, 176 unter Hinweis auf die entsprechende Aussage in den Motiven (Motive II, S. 169, in: Mugdan/II, S. 93). 1946 So RFHE 6, 171, 176; inhaltsgleich Motive II, S. 169 f., in: Mugdan/II, S. 93, wo es auch heißt, § 337 Abs. 1 E I (= § 426 Abs. 1 BGB) enthalte daher „ein Prinzip über das innere Verhältniß überhaupt.“ Die hier zitierten Ausführungen der Motive betreffen in erster Linie den Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch und weniger den – praktisch ungleich bedeutsameren – Ausgleichsanspruch nach erfolgter Gläubigerbefriedigung. Das erklärt, wieso der RFH die Pflicht betont, „so zu handeln, daß es überhaupt zu keinem Regresse kommt.“ In der im Folgenden zitierten Passage ist aus demselben Grund von „Mitwirkung und Beitragung bei der Leistung“ die Rede. 1947 RFHE 6, 171, 176. Nach Auffassung der Gesetzesverfasser ist sie „praktische[n] Erwägungen“ geschuldet (Motive II, S. 169, in: Mugdan/II, S. 93). 1948 RFHE 6, 171, 176 f. Das innerhalb dieser Ausführungen des RFH in Bezug genommene wörtliche Zitat ist wiederum Motive II, S. 170, in: Mugdan/II, S. 93 entnommen.

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Begründung. Anders als es in der soeben wörtlich zitierten Passage suggeriert wird, ist die Anerkennung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Gesamtschuldnern nicht zwingend geboten.1949 Dies gilt besonders dann, wenn – wie häufig – bereits ein anderweitig begründetes Rechtsverhältnis zwischen den Mitschuldnern vorhanden ist.1950 Die entsprechende Entscheidung des BGB-Gesetzgebers muss vielmehr als rechtspolitische verstanden werden, die vor dem Hintergrund divergierender Regelungen in den Partikularrechten und unterschiedlichen Standpunkten in der zeitgenössischen Literatur erfolgt ist.1951 Allerdings – und darin ist dem Reichsfinanzhof uneingeschränkt zuzustimmen – ist es konsequent, diese für die bürgerlich-rechtliche Gesamtschuld getroffene gesetzgeberische Entscheidung zugunsten eines gesetzlichen Ausgleichsanspruchs auf die Steuergesamtschuld zu übertragen, denn die Interessenlagen sind insoweit identisch: Die Steuergesamtschuld erfüllt (trotz einiger Unterschiede im Entstehungstatbestand und in den Rechtsfolgen)1952 im Kern dieselbe Funktion wie die bürgerlichrechtliche Gesamtschuld,1953 nämlich die Sicherung des Gläubigers durch eine vollumfängliche und rasch realisierbare Haftung mehrerer Schuldner.1954 Auch wäre ein Innenausgleich in vielen Fällen nicht ohne weiteren Begründungsaufwand sichergestellt. 1949 Näher Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 125 ff.; zur Sinnhaftigkeit der gesetzlichen Regelung siehe demgegenüber Ehmann, Gesamtschuld, S. 98 ff. 1950 Sehr kritisch zum Standpunkt der Materialien und ihn im Ergebnis ablehnend Keuk, JZ 1972, 528, 530 f.; siehe auch Denck, JZ 1976, 669, 673 f.; Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 128 ff.; Meier, Gesamtschulden, S. 260 ff., S. 293 ff. 1951 Näher Motive II, S. 169, in: Mugdan/II, S. 93; darauf Bezug nehmend etwa RGZ 79, 288, 289 f.; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 2; ausführlich Ehmann, Gesamtschuld, S. 88 ff.; Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 103 ff., S. 117 ff. (mit stark relativierendem eigenen Standpunkt auf S. 125 ff., S. 128 ff.); Witt, Konzernbesteuerung, S. 369 ff.; Nachzeichnung der historischen Entwicklung des Gesamtschuldregresses (ausgehend von den römischen Grundlagen) bei Meier, Gesamtschulden, S. 263 ff. In RFHE 6, 171, 176 wird dieser Zusammenhang nur am Rande angesprochen. 1952 Vgl. die obigen Ausführungen. 1953 Vgl. zu ihr Motive II, S. 155 f., in: Mugdan/II, S. 86: „Der praktische und wirthschaftliche Zweck der Sammtobligationen besteht aber allerdings wesentlich darin, dem Gläubiger die Vortheile größerer Sicherheit und leichterer und bequemerer Verfolgung seines Rechts zu verschaffen […].“ Darauf Bezug nehmend Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 421 Rn. 1; siehe ferner etwa Staudinger/ Noack, BGB, § 421 Rn. 2. 1954 Vgl. BFH BStBl. II 1995, 300, 302; BFH BStBl. III 1966, 400, 402; FG Münster EFG 1997, 324, 325; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 46; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 5, 30; Kieker, Gewerbesteuerumlage, S. 33; Krumsiek, Zusammenveranlagung, S. 116; Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 76. Dass der dahinter stehende Zweck, nämlich die Sicherstellung des Steuer-

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Darüber hinaus ist die Finanzverwaltung – trotz gewisser Ermessensbindungen1955 – in aller Regel nicht gehalten, die Entscheidung über die Inanspruchnahme an den rechtlichen Beziehungen auszurichten, die im Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern bestehen.1956 Sie wäre hierzu meist auch gar nicht in der Lage, da ihr – wie sich am Beispiel der Zusammenveranlagung von Ehegatten besonders gut ablesen lässt – die Einzelheiten des Innenverhältnisses häufig nicht bekannt sind.1957 Die Vorbehalte, die in anderen Regelungsbereichen des Verwaltungsrechts gegen eine entsprechende Anwendung des § 426 Abs. 1 BGB vorgebracht worden sind,1958 können daher für Steuergesamtschulden keine Geltung beanspruchen. Sie erscheinen ohnehin wenig überzeugend.1959 eingangs (siehe nur Hannes, Haftung, S. 1), dem Zivilrecht naturgemäß fremd ist (vgl. Preißer, Gesamtschuld, S. 127 f.), ändert an dieser Funktionsgleichheit nichts. Ein prinzipieller Unterschied besteht auch dann nicht, wenn man ein Gesamtschuldverhältnis zwischen Steuerschuldner und Haftendem bejaht (vgl. BGH ZIP 2013, 409, 410; BGHZ 120, 50, 55 ff.; Kruse, aaO, Tz. 5; Liebisch, aaO, S. 74; a.A. Preißer, Gesamtschuld, S. 182 ff.; siehe auch unten § 14 B IV 2 b)). Allerdings ist der Steuerschuldner dann in aller Regel im Innenverhältnis voll einstandspflichtig (siehe oben Fn 1014). 1955 Vgl. oben S. 395 mit Fn 1921. 1956 Siehe etwa Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 46; Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 13; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 30; Pump, INF 1987, 481, 486 (teilweise unter Hinweis auf § 155 Abs. 3 Satz 3 AO) sowie auch BT-Drucks. III/260, S. 65 f.; BFH/NV 2005, 1240, 1241 f.; BFH/NV 1987, 349, 352; BFH BStBl. II 1973, 573, 573; a.A. Preißer, Gesamtschuld, S. 150 ff.; zu weitgehend auch Krumsiek, Zusammenveranlagung, S. 129 ff.; zu (Ausnahme-) Situationen, in denen striktere Vorgaben für die Ermessensausübung bestehen, näher Boeker, aaO, Rz. 48 ff. 1957 Vgl. in allgemeinerem Zusammenhang auch de Wall, Anwendbarkeit, S. 525. 1958 Siehe insbesondere BGHZ 184, 288 295 f.; BGH NJW 1981, 2457, 2458 (zur gefahrenabwehrrechtlichen Störerinanspruchnahme) sowie etwa auch Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 3; Papier, DVBl. 1985, 873, 879; näher zur Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Innenausgleich bei Altlasten G. Wagner, BB 2000, 417, 419 ff. 1959 Für (direkte oder analoge) Anwendbarkeit dieser Regelung auf die polizeiliche Störerhaftung z.B. Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 248; Finkenauer, NJW 1995, 432, 432 ff.; Guttenberger, Ausgleichsansprüche, S. 76 ff.; Haibt/Rinne, ZIP 1997, 2113, 2115 f.; Kormann, UPR 1983, 281, 287 f.; Pohl, NJW 1995, 1645, 1648 f.; vgl. auch VGH München NJW 1993, 81, 81; Harms, NJW 1999, 3668, 3672 f. Richtigerweise kann es sich nur um eine Analogie handeln (siehe oben c)); näher zu dem hier angesprochenen Fragenkreis, der für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung aus den genannten Gründen keiner grundsätzlichen Klärung bedarf, Guttenberger, Ausgleichsansprüche, S. 71 ff.; Kloepfer/Thull, DVBl. 1989, 1121, 1121 ff. (1123 ff.); de Wall, Anwendbarkeit S. 524 ff. Aus heutiger Sicht muss auch an eine (Gesamt-)Analogie zu § 9 Abs. 2 USchadG, § 24 Abs. 2 BBodSchG gedacht werden (vgl. dazu G. Wagner, VersR 2008, 565, 577; zur Verhältnisbestimmung näher Guttenberger, aaO, S. 92 ff.).

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Schließlich sei betont, dass sich an der analogen Anwendbarkeit des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann nichts ändert, wenn es zu einer Aufteilung der Gesamtschuld nach Maßgabe der §§ 268 ff. AO kommt. Das folgt schon daraus, dass die Aufteilung nicht die Gesamtschuld insgesamt, sondern grundsätzlich nur ihre noch rückständigen Teile betrifft.1960 Hieran wird im Übrigen zugleich deutlich, dass die im Schrifttum vertretene Auffassung, die Gesamtschuld unter zusammen veranlagten Ehegatten sei auflösend bedingt durch den Aufteilungsantrag,1961 nicht überzeugt. Nach zutreffender herrschender Meinung bleibt die Gesamtschuld vielmehr bestehen (arg. § 44 Abs. 2 Satz 4 AO); die §§ 268 ff. AO wirken sich lediglich in Bezug auf ihre Durchsetzung aus.1962 Dass die Gesamtschuld auch nach der Aufteilung fortbesteht, wird im Übrigen in § 279 Abs. 2 AO vorausgesetzt.1963 Lediglich für den Anspruchsumfang kann es daher von Bedeutung sein, ob und in welcher Höhe es zu einer Aufteilung gekommen ist. e) Zwischenergebnis Das Innenverhältnis unter Gesamtschuldnern des öffentlichen Rechts ist ausschließlich zivilrechtlicher Natur. § 426 Abs. 1 BGB findet in diesem Bereich keine unmittelbare Anwendung. Jedenfalls auf Steuergesamtschulden ist die Vorschrift aber analog anwendbar. 3. Inhaltliche Reichweite der Analogie zu § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB a) Ausgangspunkt Im Folgenden soll die inhaltliche Reichweite der Analogie zu § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB analysiert werden. Fraglich ist in diesem Zusammen1960 Näher oben A III 2. 1961 So Preißer, Gesamtschuld, S. 100: Es entstünden Teilschulden; für Teilschulden nach Aufteilung auch Klein/Brockmeyer, AO, § 268 Rn. 4; Hannes, Haftung, S. 22 f.; vgl. ferner BFH BStBl. II 2002, 214, 216; BFH BStBl. II 1971, 331, 332 („im Ergebnis“); Reuß, EFG 2010, 8, 8 („faktisch“). 1962 BFH BStBl. II 2008, 418, 419; BFH BStBl. II 1988, 406, 406; Hessisches FG EFG 2005, 920, 921; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 17; Müller-Eiselt, aaO, Vor §§ 268 – 280 AO Rz. 5; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, Vor §§ 268 – 280 Rn. 1, § 268 Rn. 9 ff.; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 15, § 268 Tz. 5; Pump, INF 1987, 481, 481; siehe ferner BGH FamRZ 1990, 374, 376; BGHZ 73, 29, 36 f. In diesem Sinne dürfte auch BT-Drucks. III/260, S. 66 f. (zu § 7 StAnpG) zu verstehen sein; ebenso im Ergebnis BFH BStBl. II 2007, 594, 596 f., wo die Zweifelhaftigkeit der von der Rechtsprechung bisweilen verwendeten Formulierungen besonders deutlich wird. 1963 Auch § 280 AO lässt Folgerungen für den vorliegenden Zusammenhang zu (näher Kruse, in: Tipke/Kruse, § 268 AO Tz. 6).

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hang, ob die Besonderheiten der Steuergesamtschuld Modifikationen im Vergleich zum Normalfall der bürgerlich-rechtlichen Gesamtschuld erforderlich machen, d.h. inwieweit die soeben grundsätzlich bejahte Gleichheit der Interessenlagen trägt. Hierfür können die Einzelheiten der gesetzlichen Ausgestaltung der Steuergesamtschuld sowie etwaige, dahinter stehende steuerrechtliche Wertungen von erheblicher Relevanz sein.1964 Wenigstens ebenso bedeutsam ist die (vorgelagerte) Frage, welchen Umfang die Steuergesamtschuld überhaupt hat, denn die Analogie zu § 426 Abs. 1 BGB kann – zumindest ohne weiteren Begründungsaufwand – nur so weit reichen, wie die Steuergesamtschuld selbst reicht. Diese Frage stellt sich in Bezug auf den endgültigen Steuerausgleich nach Ablauf des Veranlagungszeitraums.1965 Ihr soll zuerst nachgegangen werden. b) Reichweite der Steuergesamtschuld Dass die Steuergesamtschuld unter zusammen veranlagten Ehegatten (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO) die gesamte festzusetzende Steuer betrifft, wird nahezu allgemein zugrunde gelegt und offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt.1966 Angesichts des Schwebezustandes, der daraus resultiert, dass die Wahl der Zusammenveranlagung (vgl. § 26 EStG) in aller Regel erst einige Zeit nach Ende des Veranlagungszeitraums erfolgt,1967 wird heute im Wesentlichen nur darüber gestritten, ob auch die Gesamtschuld selbst erst mit Wahlrechtsausübung entsteht, dann aber auf das Ende des Veranlagungszeitraums zurückwirkt,1968 oder ob sie schon mit 1964 Vgl. mit Blick auf die besondere Situation der Steuergesamtschuld bei der Lohnsteuer schon oben Fn 1909. 1965 Was zusammen festgesetzte Vorauszahlungen angeht, ist die Bezugsgröße für den unterjährigen Binnenregress analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB hingegen eindeutig (gesamter festgesetzter Vorauszahlungsbetrag); näher zum Ganzen oben S. 352 f. 1966 Siehe etwa BGH NJW 2006, 2623, 2623; BFH BStBl. II 2003, 267, 268; BFH BSt Bl. II 2001, 133, 137; BFH BStBl. II 1990, 719, 719; Blümich/Ettlich, § 26 EStG Rz. 94, 100; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 16 und § 47 AO Rz. 40; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 16; Lippross, DB 1984, 1850, 1852. 1967 Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 EStG wird die Wahl für den jeweiligen Veranlagungszeitraum nunmehr zwingend durch Angabe in der gemeinsamen Steuererklärung (§ 25 Abs. 3 Satz 2 EStG) getroffen. Für § 26 Abs. 3 EStG bleibt daher in der Praxis wenig Raum (vgl. die bei Blümich/Ettlich, § 26 EStG Rz. 114 aufgezählten Fallgruppen). 1968 So die heute herrschende Meinung; siehe Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 16; Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 10; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 16; vgl. auch BFH BStBl. II 2005, 690, 691 f. sowie Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 13; dens., FS Tipke, S. 277, 287, der sich je-

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Ablauf des Veranlagungszeitraums zur Entstehung gelangt, und zwar auflösend bedingt durch die Wahl der Einzelveranlagung.1969 Am Ergebnis, nämlich der Erfassung der gesamten festzusetzenden Steuer, ändert sich aber nichts. Diese Sicht der Dinge hat zur Folge, dass auch solche Beträge kraft Gesetzes in die Gesamtschuld einbezogen sind, die die Steuerschuld der Ehegatten bereits aufgrund ihrer Anrechnung nach § 36 Abs. 2 EStG verringern, also nicht zu einem Steuerrückstand führen können. Wie auf den S. 357 ff. bereits angeklungen, erscheint dieser Standpunkt vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Steuergesamtschuld, den Steuergläubiger möglichst optimal abzusichern, nicht zweifelsfrei, denn es bedarf in Bezug auf die Anrechnungsbeträge keiner derartigen Sicherung.1970 Hiermit deckt sich die oben durchgeführte Analyse des § 44 Abs. 2 AO, die ergeben hat, dass Anrechnungsbeträge weder nach dem Wortlaut noch nach der inneren Systematik dieser Vorschrift in den Anwendungsbereich der in ihr genannten Schulderlöschenstatbestände (Erfüllung, Aufrechnung) fallen,1971 obwohl ihre Gesamtwirkung evident ist. So betrachtet, erschiene es gut vertretbar, es zunächst bei dem oben abgeleiteten Modell einer einheitlichen Steuerschuld zu belassen, die mit Wahl der Zusammenveranlagung entsteht und auf den Zeitpunkt der Beendigung des Veranlagungszeitraums zurückwirkt.1972 Anrechnungsbeträge entfalten nach diesem Modell ohne weiteres Gesamtwirkung; einer (entdoch nicht zur Frage der Rückwirkung äußert. Wie sich die Rechtslage vor der Wahl der Zusammenveranlagung darstellt, ist ohnehin weithin unklar; für echten Schwebezustand offenbar Boeker, aaO; für getrennte Schulden hingegen Koenig, aaO; gänzlich anders FG Rheinland-Pfalz EFG 1985, 50, 51: Gesamtschuldentstehung ex nunc mit Bekanntgabe des Steuerbescheides; vgl. auch Seibel, in: Herrmann/Heuer/Raupach (Voraufl.), § 36 EStG Anm. 75; hiergegen zu Recht Gluth, Entstehung, S. 105. 1969 So die noch vor einigen Jahren herrschende Meinung; siehe Krumsiek, Zusammenveranlagung, S. 125 f. (für den Regelfall); Preißer, Gesamtschuld, S. 100 sowie die Vorauflagen einiger der in Fn 1968 zitierten Kommentierungen (siehe die Nachweise bei Gluth, Entstehung, S. 36 f.). 1970 Angerechnet werden nach § 36 Abs. 2 EStG nur tatsächlich „entrichtete“ Vo­ rauszahlungen bzw. durch Steuerabzug „erhobene“ Einkommensteuer; siehe dazu Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 102, 113 ff. 1971 Siehe oben S. 358 f. 1972 Siehe wiederum oben unter A IV 4. Hierbei handelt es sich um kein außergewöhnliches Phänomen, denn gesetzlich eingeräumten Wahl- und Gestaltungsrechten ist generell eigen, dass die Höhe der festzusetzenden Steuer erst durch ihre Ausübung fixiert wird, und zwar anerkanntermaßen rückwirkend; vgl. in ähnlichem Zusammenhang BFH BStBl. II 2005, 690, 691 f.; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 16 und für den allgemeinen Kontext z.B. Blümich/ Ettlich, § 36 EStG Rz. 75; Brenner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 36

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sprechenden) Anwendung von § 44 Abs. 2 Satz 1 AO bedarf es daher nicht.1973 Die Steuergesamtschuld könnte daher auf Beträge beschränkt werden, die nach der Anrechnung noch rückständig sind. Ob das Gesetz einen derart eingegrenzten Gesamtschuldinhalt – mit entsprechenden Folgewirkungen für die analoge Anwendung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB – zulässt, wird sogleich analysiert. Zuvor sei in einem ersten Schritt auf die hiermit eng zusammenhängende Frage eingegangen, was das Gesetz genau unter „Anrechnung“ versteht und wie sie vollzogen wird. Nach der herrschenden Meinung sind die Begriffe „Anrechnung“ (§ 36 Abs. 2 EStG) und „Abrechnung“ (§ 36 Abs. 4 EStG) deckungsgleich. Die Anrechnung erfolgt durch Verwaltungsakt (so genannte Anrechnungs- bzw. Abrechnungsverfügung) und ist der Steuerfestsetzung daher nachgelagert.1974 Die Tilgungswirkung als steuerschuldrechtliche Komponente der Anrechnung bildet somit die Folge eines Verfahrensaktes und tritt mit Wirksamwerden der Anrechnungsverfügung im Erhebungsverfahren ein.1975 Die Verfügung ist folglich konstitutiv für das (vollständige oder teilweise) Erlöschen der Einkommen­steuerschuld.1976 Bei dieser Sicht der Dinge könnte die Gesamtschuld erst mit Bekanntgabe der Anrechnungsverfügung unter Mitteilung der geschuldeten Abschlusszahlung (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG) entstehen, wenn der im vorstehenden Absatz zur Diskussion gestellten (Gesamtschuld-)Konzeption zu folgen wäre. Für diese Zuweisung auch der steuerschuldrechtlichen Dimension der Anrechnung zum Erhebungsverfahren (Anrechnung durch AnrechnungsRn. B 2; B. Schwarz, aaO, § 38 Rz. 26 ff.; ausführlich Gluth, Entstehung, passim, insbesondere S. 98 ff. (S. 103 ff.). 1973 Siehe oben S. 361 f. 1974 In diesem Sinne BFH BStBl. II 2001, 353, 354 ff.; BFH BStBl. II 2000, 581, 582 f.; BFH BStBl. II 1979, 461, 462 f.; Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 51 ff.; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 47 AO Rz. 39, 44 ff.; Brenner, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 36 Rn. A 2, A 26; A 232, A 271 ff.; Heuermann, DB 1996, 1052, 1055 und 1056 a.E. Eine nähere Begründung für diesen Standpunkt findet sich bei Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. A 36 (mit Blick auf die Anrechnung von Vorauszahlungen); auf sie wird zurückzukommen sein; zu den Einzelheiten des Verhältnisses der Anrechnungsverfügung zum Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) näher Brenner, aaO, Rn. A 234 ff. 1975 Vgl. Brenner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 36 Rn. A 273 sowie BFH BStBl. II 1979, 461, 462 f. Die ausschließlich erhebungsverfahrensrechtliche Relevanz der Anrechnung wird betont von Brenner, aaO, § 36 Rn. A 2, A 232; in gleichem Sinne BFH BStBl. II 2001, 353, 354 ff.; BFH BStBl. II 2000, 581, 582 f.; Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 51 ff. 1976 Klar ausgesprochen bei Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. A 36.

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verfügung) spricht eine Zusammenschau der in § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG und § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 AO enthaltenen Vorschriften, denen dieses Verständnis ganz offensichtlich zugrunde liegt. Zwingend ist dieser Ansatz jedoch nicht: Ebenso wie die Steuerschuld gemäß § 36 Abs. 1 EStG kraft Gesetzes und damit unabhängig von ihrer Festsetzung entsteht,1977 könnte auch die im zweiten Absatz dieser Norm geregelte Anrechnung in steuerschuldrechtlicher Hinsicht bereits mit Ablauf des Veranlagungszeitraums durchgreifen, und zwar ebenfalls kraft Gesetzes.1978 Die Anrechnungsverfügung als erhebungsverfahrensrechtliche Komponente der Anrechnung hätte dann – ebenso wie die Steuerfestsetzung im Veranlagungsverfahren – im Wesentlichen deklaratorische Wirkung.1979 Die eingangs zitierten Vorschriften ließen sich in erster Linie als verfahrensrechtliche Regelungen begreifen, wobei allerdings besonders die in § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG zum Ausdruck kommende Korrespondenz zwischen Veranlagung und Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen1980 auch Auswirkungen auf die materiell-rechtlich zutreffende Höhe des Anrechnungsbetrages hätte.1981 Dieser würde nämlich rückwirkend auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Veranlagungszeitraums fixiert, so dass die gleichen Grundsätze eingriffen, die im Bereich der Steuerfestsetzung für die Ausübung von Wahlrechten anerkannt sind.1982

1977 Statt aller Lammers, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 36 EStG Anm. 12; Hintergründe bei Kruse, FS Tipke, S. 277, 277 ff. Die Steuerfestsetzung wirkt deklaratorisch, soweit sie die nach materiellem Recht entstandene Steuerschuld zutreffend abbildet; im Übrigen ist sie konstitutiv. 1978 Soweit Anrechnungsbeträge erst zu einem späteren Zeitpunkt i.S.v. § 36 Abs. 2 EStG „entrichtet“ bzw. „erhoben“ werden (z.B. in Form der so genannten „fünften Vorauszahlung“; zu ihr Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 103), entfalten sie in diesem Zeitpunkt (ex nunc) Erfüllungswirkung (FG Köln EFG 1982, 475, 476). Die hiergegen von Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. A 36 geäußerten Bedenken sind nicht begründet (vgl. auch Fn 1982). 1979 Vgl. Fn 1977. 1980 Ihre Reichweite ist streitig; vgl. einerseits BFH BStBl. II 2001, 353, 354 ff. und andererseits Heuermann, DB 1996, 1052, 1052 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen. 1981 Gleiches gilt für die Vorlage bzw. Nichtvorlage der in den Sätzen 2 und 3 genannten Bescheinigungen (vgl. BFH BStBl. II 1992, 956, 957). 1982 BFH BStBl. II 1992, 956, 957; zu den Einzelheiten bei den Wahlrechten siehe Fn 1972. Die mit Blick auf nachträgliche Herabsetzungen von Vorauszahlungen gegen diesen Ansatz geäußerten Bedenken bei Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. A 36 greifen nicht durch. Die Anrechnung wird in einem solchen Fall kraft Gesetzes rückwirkend in Höhe des Differenzbetrages beseitigt. Dieser Differenzbetrag ist nach allgemeinen Grundsätzen zu erstatten (Schmidt, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 37 EStG Anm. 52).

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Der soeben skizzierte Standpunkt, d.h. die Scheidung der steuerschuldrechtlichen von den verfahrensrechtlichen Wirkungen der Anrechnung, ist bisher nur vereinzelt ausdrücklich vertreten worden.1983 Er klingt aber bisweilen in der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung an, wenn die Rede davon ist, die Anrechnungsverfügung habe deklaratorischen Charakter.1984 Ferner findet er darin eine – zwar nur mittelbare, inhaltlich aber sehr gewichtige – Stütze, dass die herrschende Meinung den Ablauf des Veranlagungszeitraums auch als Entstehungszeitpunkt für Erstattungsansprüche nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG ansieht:1985 Da der Erstattungsanspruch die negative Differenz aus Steuerschuld und Anrechnungsbeträgen darstellt, beruht diese herrschende Sichtweise notwendig auf der Vorstellung, dass die Anrechnung in steuerschuldrechtlicher Hinsicht ebenfalls bereits mit Ablauf des Veranlagungszeitraums wirksam wird, denn ohne die Berücksichtigung des anzurechnenden Betrages wäre die Entstehung eines Erstattungsanspruchs ausgeschlossen.1986 Auf dieser Grundlage wäre es für den umgekehrten Fall (Steuerschuld übersteigt Anrechnungsbetrag) nahe liegend, dass die Steuergesamtschuld nach Wahl der Zusammenveranlagung rückwirkend mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht, jedoch nur in Höhe des Betrages, der sich nach erfolgter Anrechnung ergibt. Die Gesamtwirkung der Anrechnung ließe sich ohne weiteres aus dem unter A IV 4. abgeleiteten Modell der ein1983 Vgl. BFH BStBl. II 1992, 956, 957; FG Köln EFG 1982, 475, 476; Sedemund, DStZ 2002, 560, 562. 1984 BFH BStBl. II 2012, 220, 222; BFH BStBl. II 2005, 504, 505; BFH BStBl. II 2001, 133, 134, wo auch von „bereits getilgte[n] Teile[n] des Steueranspruchs“ gesprochen wird. Von „deklaratorischer“ Bedeutung der Anrechnung ist – trotz offensichtlichen Festhaltens an der herrschenden Meinung – auch bei Schmidt/Loschelder, EStG, § 36 Rn. 30 die Rede; vgl. ferner etwa Lammers, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 36 EStG Anm. 24. 1985 Diese so genannte „materielle Rechtsgrundtheorie“ wird beispielsweise vertreten von BFH BStBl. II 2000, 491; 493 f.; BFH BStBl. II 1996, 557, 558; BFH/NV 1994, 839, 840 f.; FG Hamburg EFG 2006, 1076, 1077; Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 247; Lammers, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 36 EStG Anm. 51; Brenner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 36 Rn. A 291, G 55 f.; Schmidt/ Loschelder, EStG, § 36 Rn. 27, § 37 Rn. 1; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 42 ff. (45), § 38 Tz. 19; W. Hein, DStR 1990, 301, 304 f. Steuererstattungsansprüche, die auf Leistungen nach Ablauf des Veranlagungszeitraums beruhen, entstehen im Zeitpunkt der Leistung (FG Hamburg aaO; vgl. oben Fn 1978). A.A. („formelle Rechtsgrundtheorie“) BFH BStBl. II 1991, 281, 282; BFH BSt Bl. II 1988, 521, 523; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 37 Rz. 10; grundsätzlich auch Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz. 31. 1986 Soweit Verf. ersichtlich, ist dieser Zusammenhang bisher weder im Rahmen der Streitfrage über den Rechtscharakter der Anrechnung noch innerhalb der Diskussion über den Entstehungszeitpunkt von Erstattungsansprüchen zur Kenntnis genommen worden.

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heitlichen Steuerschuld der Ehegatten begründen, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 44 Abs. 2 Satz 1 AO bedürfte. M.E. erscheint der zuletzt genannte Standpunkt vorzugswürdig, da er in Bezug auf die Anrechnung eine trennscharfe Abschichtung der steuerschuldrechtlichen von den verfahrensrechtlichen Fragestellungen ermöglicht1987 und die Gesamtschuld der Ehegatten – entsprechend ihrer Funktion als Sicherungsmittel – auf rückständige Steuern begrenzt. Dies hätte freilich zugleich eine sehr begrenzte Reichweite der Analogie zu § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Folge, die dann lediglich die auf den S. 352 ff. (unter 3.) beschriebenen Beträge erfasste und daher aus sich heraus nicht geeignet wäre, einen vollumfänglichen Steuerausgleich herbeizuführen. Folglich müsste untersucht werden, ob der Rechtsgedanke des Gesamtschuldnerausgleichs in noch grundsätzlicherer, über die einfache Analogie hinausgehender Weise für das Innenverhältnis fruchtbar gemacht könnte oder ob es hierfür einer gänzlich anderen schuldrechtlichen Anspruchsgrundlage bedürfte. De lege lata braucht eine derartige Klärung jedoch im Ergebnis nicht vorgenommen zu werden: Die hier skizzierte Konzeption ist zwar mit dem Sinn und Zweck der Steuergesamtschuld und dem Regelungsinhalt des § 44 Abs. 2 AO bestens zu vereinbaren, erscheint jedoch nach geltendem Recht nicht gangbar, und zwar aufgrund der – etwas abseitigen, im vorliegenden Kontext aber zentralen – Aufteilungsvorschriften der §§ 272, 276 AO: Wenn Steuerabzugsbeträge und getrennt festgesetzte Vorauszahlungen gemäß § 276 Abs. 3, 6 AO in die Aufteilung der Gesamtschuld einzubeziehen sind,1988 so setzt das Gesetz voraus, dass auch bereits der auf sie entfallende Teil der Steuerschuld in die Gesamtschuld einbezogen war.1989 Das gleiche Verständnis liegt § 272 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AO in Be1987 Diese Abschichtung ist jedenfalls dann erforderlich, wenn man der vorzugswürdigen herrschenden Meinung zur Entstehung des Erstattungsanspruchs aus § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG (siehe oben bei und in Fn 1985) folgt. 1988 Die rückständige Steuer wird um die entsprechenden Beträge erhöht, um sie nach § 276 Abs. 6 AO anrechnungs- und damit gegebenenfalls auch erstattungsfähig zu machen; vgl. BFH BStBl. II 1991, 493, 494; Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 276 AO Rz. 10; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 276 Rz. 2, 20; zu den gesetzgeberischen Motiven siehe BT-Drucks. VI/1982, S. 215. 1989 Von einem entsprechend weiten Gesamtschuldbegriff wird daher auch in den Kommentierungen der Aufteilungsvorschriften ausgegangen; vgl. Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 276 AO Rz. 10, 12; Klein/Brockmeyer, AO, § 276 Rn. 4, 7; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 268 Rz. 10, § 270 Rz. 1, § 276 Rz. 14, 18, 20; gleiches Verständnis bei BFH BStBl. II 1991, 493, 494; BFH BStBl. II 1988, 406, 407; vgl. auch BT-Drucks. VI/1982, S. 215; weitere Nachwei-

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zug auf zusammen festgesetzte Vorauszahlungen zugrunde: Da das Gesetz davon ausgeht, dass die entsprechenden Beträge in die abschließende Aufteilung der Gesamtschuld einbezogen werden können, müssen sie von vornherein Teile der Gesamtschuld gebildet haben. Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass sich die heute vorherrschenden Anschauungen zur Steuergesamtschuld bei zusammen veranlagten Ehegatten (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO) als richtig erweisen: Die Gesamtschuld erstreckt sich auf die gesamte festzusetzende Einkommensteuer. Sie entsteht mit der Wahl der Zusammenveranlagung und wirkt auf den Ablauf des Veranlagungszeitraums zurück. Der Innenausgleich analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB kann sich daher prinzipiell auf die gesamte Steuerschuld der Ehegatten beziehen, ohne dass hierfür weitergehende methodisch-inhaltliche Überlegungen erforderlich wären. Was die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 EStG angeht, ist allerdings diejenige Auffassung vorzugswürdig, die ihre steuerschuldrechtliche Wirksamkeit ebenfalls bereits auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Veranlagungszeitraums bezieht. Gleichwohl sind die Ehegatten Gesamtschuldner auch desjenigen Teils der Steuerschuld, der infolge der Anrechnung erlischt. Man kommt daher nicht umhin, die Gesamttilgungswirkung der anzurechnenden Beträge über § 44 Abs. 2 Satz 1 AO begründen zu müssen, wobei allerdings eine Analogie vorzugswürdig erscheint,1990 denn in ihrem direkten Anwendungsbereich erfasst diese Vorschrift – wie gezeigt – lediglich Leistungen, die auf Steuerschulden entfallen, welche (nach der Anrechnung) noch rückständig sind. c) Befreiungsanspruch In der bisherigen Diskussion über den Inhalt des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB unter zusammen veranlagten Ehegatten wird praktisch ausschließlich auf den Ausgleichsanspruch eingegangen, der aus solchen Leistungen1991 resultieren kann, die bereits auf die Steuergesamtschuld erbracht worden sind.1992 Weithin ausgeblendet se zu diesem, die gesamte festzusetzende Steuer erfassenden Gesamtschuldbegriff eingangs in Fn 1966. 1990 Für direkte Anwendbarkeit der Vorschrift hingegen (ohne Begründung) BFH BSt Bl. II 1991, 493, 494; BFH BStBl. II 1988, 406, 407; dem folgend Müller-Eiselt, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 276 AO Rz. 12; Klein/Brockmeyer, AO, § 276 Rn. 7 a.E.; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 276 AO Tz. 7. 1991 Wie dargelegt, sind hiermit sowohl Anrechnungsbeträge als auch Zahlungen auf rückständige Steuerschulden gemeint. 1992 Exemplarisch BGH NJW 2006, 2623, 2623 ff.; BFH BStBl. II 2003, 267, 268; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 96, 96; anders aber BGHZ 73, 29, 37; Dostmann,

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wird hingegen, dass aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB anerkanntermaßen auch ein – zeitlich vorgelagerter – Anspruch auf Mitwirkung bei der Befriedigung des Gläubigers folgt.1993 Dieser Anspruch ist in erster Linie auf Befreiung von dem Teil der Schuld gerichtet, den der andere Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragen hat.1994 In den Motiven heißt es hierzu: „Diese Bestimmung [§ 337 Abs. 1 E I = § 426 Abs. 1 BGB] hat übrigens eine über das nach empfangener und bewirkter Leistung in Frage kommende Ausgleichungsund Regreßrecht hinausgehende Bedeutung. Sie enthält ein Prinzip über das innere Verhältniß überhaupt. Es erhellt hieraus besonders, daß die mehreren Schuldner in Ermangelung gegentheiliger Bestimmung von vornherein mit der Begründung des Gesammtschuldverhältnisses als in einem inneren Schuldverhältnisse stehend anzusehen sind, das sie verpflichtet, so zu handeln, daß es überhaupt zu einem Regresse nicht kommt. Sie sind kraft dieses inneren Schuldverhältnisses einander zu der erforderlichen Mitwirkung und Beitragung bei der Leistung verpflichtet, sofern nicht nach dem inneren Verhältnisse die Leistung nur von einem oder einigen Genossen zu bewirken ist. Letzterenfalls haben aber die nicht Leis­ tungspflichtigen gegen die Leistungspflichtigen auch einen Anspruch darauf, daß sie selbst vor dem Anspruche des Gläubigers bewahrt bleiben.“1995 FamRZ 1991, 760, 762; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 204 sowie in anderem Kontext Stengel/Scholderer, ZGR 1997, 41, 60. In der neueren Rechtsprechung des BGH ist von „Freistellung“ lediglich im Zusammenhang mit dem Zustimmungsanspruch (zu ihm unten D.) die Rede (vgl. BGH NJW 2011, 210, 210; BGH FamRZ 2005, 182, 183; BGH FamRZ BGH NJW 2002, 2319, 2320). Diese grundsätzliche Freistellungsverpflichtung soll sich auf den Nachteilsaspekt beschränken (vgl. die Nachweise auf S. 243). In BGH NJW 2007, 2554, 2555 a.E. wird jedoch selbst in einem derartigen Fall (wenn auch beiläufig) von „Zahlung“ gesprochen, obwohl es der Sache nach um Freistellung gegangen ist. 1993 Die entsprechende Beobachtung Preißers, Gesamtschuld, S. 181 ist nach wie aktuell; Nachweise aus dem zivilrechtlichen Kontext sogleich in Fn 1994. 1994 BGH ZIP 2006, 1591, 1592; BGHZ 153, 173, 175; BGH NJW 1986, 978, 979; BGH NJW 1981, 1666, 1667 f.; BGHZ 23, 361, 363; RGZ 92, 143, 151 a.E.; RGZ 79, 288, 290; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 12, 70 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 4 f.; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 6, 73 ff.; Ehmann, Gesamtschuld, S. 24 a.E.; a.A. (diesen Mitwirkungsanspruch ablehnend) Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 135 ff.; siehe auch Meier, Gesamtschulden, S. 319 ff., S. 601 ff. Die weiteren Ausprägungen der Mitwirkungspflicht, die über diesen Befreiungsanspruch hinaus in Betracht kommen (zu ihnen Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 16), haben für Steuergesamtschulden keine praktische Bedeutung. Die Dinge auf den Kopf stellt Stamm, NJW 2004, 811, 811 ff., wenn er vertritt, dass § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließlich einen Befreiungs- und keinen Ausgleichsanspruch enthält. Dem steht nicht nur der Wille des historischen Gesetzgebers entgegen (näher sogleich; siehe auch Meier, aaO, S. 281 Fn 124), sondern die gesamte Normstruktur des § 426 BGB, der sowohl in Abs. 1 Satz 2 als auch in Abs. 2 Satz 1 die Existenz eines entsprechenden Ausgleichsanspruchs voraussetzt. 1995 Motive II, S. 169 f., in: Mugdan/II, S. 93 a.E.; vgl. auch bereits oben S. 400 mit weiteren Nachweisen.

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Dieser Befreiungsanspruch entsteht mit der Begründung der Gesamt­ schuld,1996 wird jedoch erst fällig, wenn auch die Gesamtschuld selbst fällig ist, denn bevor sich die Leistungspflichten im Außenverhältnis aktualisieren, bedarf es keiner internen Mitwirkungsmaßnahmen.1997 Primärer Anspruchsinhalt bildet die Leistung an den Gläubiger in Höhe des jeweils zu tragenden Anteils.1998 Es bestehen keine prinzipiellen Bedenken, den so umrissenen Befreiungsanspruch auf die Steuergesamtschuld zu übertragen,1999 wobei aber auf die Besonderheiten des jeweiligen Sachbereichs der Besteuerung Rücksicht zu nehmen ist. In Bezug auf die hier zu erörternde Gesamtschuld unter zusammen veranlagten Ehegatten ist Folgendes zu beachten: Im Ausgangspunkt muss wiederum zwischen zusammen festgesetzten Vorauszahlungen und der Gesamtkonsolidierung im Zuge der Veranlagung unterschieden werden. Was zunächst den Bereich der Vorauszahlungen angeht, gelangt der Anspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Entstehung, sobald auch die Pflicht der Ehegatten, Vorauszahlungen zu leisten, entsteht.2000 Der Anspruch wird – als Befreiungsanspruch – allerdings erst 1996 Siehe wiederum Motive II, S. 169 a.E., in: Mugdan/II, S. 93 („mit der Begründung des Gesammtschuldverhältnisses“) sowie BGH NJW 2010, 435, 435 f.; BGHZ 181, 310, 313; BGH ZIP 2006, 1591, 1592; BGH NJW 1981, 1666, 1667; BGHZ 35, 317, 325; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 7; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 4; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 6. 1997 BGH NJW 1986, 978, 979; OLG Köln NJW-RR 1995, 1282, 1282; Staudinger/ Noack, BGB, § 426 Rn. 78; siehe auch BGHZ 153, 173, 175; BGH NJW 1981, 1666, 1667; RGZ 79, 288, 290; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 70; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 5. 1998 BGHZ 153, 173, 175; BGH NJW 1995, 652, 654; BGHZ 23, 361, 363; RGZ 79, 288, 290; OLG Köln NJW-RR 1995, 1282, 1282; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 4; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 71 f.; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 76 f.; vgl. auch Fn 1994. 1999 Vgl. Binnewies/Wollweber, ZEV 2008, 517, 517 f.; im gleichen Sinne bereits RFHE 6, 171, 176 f., wo nicht zuletzt auf ebendiesen Anspruch Bezug genommen wird (näher oben S. 400 mit Fn 1946); mit Blick auf Gesamtschulden nach § 42d Abs. 3 EStG ebenso H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 255 f.; Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 174, 205; a.A. hingegen Preißer, Gesamtschuld, S. 187. Die von ihm angeführten verfahrensrechtlichen Bedenken greifen nicht durch (siehe dazu im Folgenden) – und könnten richtigerweise ohnehin nicht von ausschlaggebender Bedeutung für das Innenverhältnis sein. 2000 Vgl. bei und in Fn 1996 sowie auch H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 255 f. Nach im Vordringen befindlicher, den Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 2 EStG zurückdrängender Auffassung setzt die Entstehung der Vorauszahlungsschuld jedenfalls der Höhe nach den Erlass eines Vorauszahlungsbescheides voraus; vgl. Schmidt, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 37 EStG Anm. 25; Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. A 9 (mit umfänglichen Nachweisen zum Streitstand); Kruse, FS Tipke, S. 277, 285.

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mit Fälligkeit der jeweiligen Vorauszahlung (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 3 Satz 1 EStG)2001 fällig und wandelt sich in einen auf Geldzahlung gerichteten Ausgleichsanspruch um,2002 wenn ein Ehegatte Leistungen an das Finanzamt erbracht hat, die über seine interne Einstandspflicht hinausgehen. Der (zuvor bestehende) Befreiungsanspruch ist auf die Leis­ tung des im Innenverhältnis zu tragenden Anteils an den Steuergläubiger gerichtet.2003 Der entsprechenden Zahlung kommt gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 AO Gesamttilgungswirkung zu – was keinerlei verfahrensrechtliche Schwierigkeiten bereitet,2004 wenn das Leistungsgebot, wie im praktischen Regelfall, an beide Ehegatten gerichtet ist.2005 Zu betonen ist allerdings erneut, dass der Anspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nur so weit reichen kann, wie ein unterjähriger schuldrechtlicher Steuerausgleich überhaupt möglich ist. Das bestimmt sich nach den Ergebnissen der bisherigen Untersuchung. Letzteres gilt auch für die Gesamtkonsolidierung, die über § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ebenfalls nur erfolgen kann, soweit Raum für einen schuldrechtlichen Ausgleich bleibt. Die Situation stellt sich hier etwas komplizierter dar als in Bezug auf die soeben erörterten Vorauszahlungen – was seinen Grund erneut in den Besonderheiten der Anrechnung (§ 36 Abs. 2 EStG) hat. Im Einzelnen ergibt sich folgende Rechtslage: Der Anspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht – ebenso wie die Gesamtschuld nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO – mit Wahl der Zusammenveranlagung und wirkt auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Veranlagungszeitraums zurück.2006 Als Befreiungsanspruch wird er zeitgleich mit der Abschlusszah-

2001 Einzelheiten zur Fälligkeit bei Stolterfoht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37 Rn. B 9 f. 2002 Es ist weithin anerkannt, dass es sich bei dem Befreiungs- und Ausgleichsanspruch in materiell-rechtlicher Hinsicht um einen einheitlichen Anspruch handelt; vgl. BGHZ 181, 310, 313; BGH NJW 1995, 652, 654; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 7; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 4 ff.; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 6, 73; Ehmann, Gesamtschuld, S. 24 f.; speziell für Steuerschulden auch Binnewies/Wollweber, ZEV 2008, 517, 517 f. 2003 Vgl. Fn 1998 sowie für Steuergesamtschulden Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 174, 205; wenig klar hingegen H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 256. 2004 Vgl. demgegenüber Preißer, Gesamtschuld, S. 181, S. 187. 2005 In der Praxis ergehen zusammengefasste Vorauszahlungsbescheide (§ 37 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 155 Abs. 1, 3 AO) mit daran anknüpfenden Leistungsgeboten (vgl. Fn 1737); zu Situationen, in denen dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, siehe die nachfolgenden Ausführungen zur Gesamtkonsolidierung. 2006 Ausführlich oben b). Für Zwecke des Innenausgleichs kommt dieser Rückwirkung allerdings keine praktische Bedeutung zu.

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lung fällig (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG)2007 und ist auf die Leistung des intern zu tragenden Anteils an den Steuergläubiger gerichtet. Die Gesamttilgungswirkung der entsprechenden Zahlung folgt wiederum aus § 44 Abs. 2 Satz 1 AO.2008 Sie ist richtigerweise unabhängig davon, ob die Steuer auch bereits gegenüber dem zahlenden Ehegatten festgesetzt worden war.2009 Zwar ist im allgemeinen Kontext umstritten, ob Zahlungen auf (noch) nicht festgesetzte Steuerschulden Erlöschenswirkung (§ 47 AO) entfalten können.2010 In der hier betrachteten Konstellation ist der Anspruch jedoch bereits gegenüber einem der Ehegatten festgesetzt (und fällig gestellt) worden. Dies hat zur Folge, dass diejenigen, die ein unmittelbares Erlöschen der Steuerschuld des Zahlenden mangels entsprechender Festsetzung ablehnen, zur Anwendung des § 48 Abs. 1 AO gelangen müssten – was zur Folge hat, dass die gegenüber dem anderen Ehegatten festgesetzte Steuerschuld erlischt, und zwar gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 AO mit Gesamtwirkung.2011 Zu beachten ist weiter, dass sich der Befreiungsanspruch nur auf die nach Anrechnung noch rückständige Steuerschuld beziehen kann, denn dieser Anspruch kann naturgemäß nur so weit reichen, wie die (noch vorhandene) Einstandspflicht im Außenverhältnis reicht. Hieraus folgt zugleich: Zeitgleich mit dem Befreiungsanspruch wegen rückständiger Beträge kann der Anspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch bereits in seiner Ausprägung als Ausgleichsanspruch bestehen, und zwar in Bezug auf die bereits angefallenen, asymmetrisch beglichenen Anrechnungsbeträge.2012 Dieser Zahlungsanspruch wird richtigerweise ebenfalls nicht vor Be-

2007 Zum Streit über die genaue Reichweite der Fälligkeit, die im Falle inhaltlich unrichtiger Anrechnungsverfügungen für die Frage der Zahlungsverjährung von erheblicher Bedeutung ist, vgl. BFH BStBl. II 2012, 220, 222 f.; BFH BStBl. II 2010, 382, 386 f.; Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 245. 2008 Teilleistungen sind zulässig und entfalten Gesamttilgungswirkung (BFH BStBl. II 1991, 939, 941; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 26). 2009 Vgl. demgegenüber erneut Preißer, Gesamtschuld, S. 181. Im praktischen Regelfall ergehen ohnehin zusammengefasste Bescheide (vgl. § 155 Abs. 3 Satz 1, § 122 Abs. 7 Satz 1 AO) mit an beide Ehegatten gerichteten Leistungsgeboten, so dass sich die hier erörterte Frage von vornherein nicht stellt. 2010 Bejahend BFH BStBl. II 1997, 112, 113; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 47 Rz. 3 ff. (6); verneinend Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 47 AO Rz. 14; Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 47 Rz. 2; Söhn, FS Kruse, S. 239, 240 ff. (245 f.). 2011 Dass das Gesetz eine Leistungsbewirkung sogar durch einen Nichtschuldner zulässt (§ 48 Abs. 1 AO), zeigt im Übrigen, dass die verfahrensrechtlichen Bedenken bei Preißer, Gesamtschuld, S. 181, S. 187 ins Leere gehen. 2012 Vgl. wiederum oben b).

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kanntgabe des Steuerbescheides (§ 36 Abs. 4 EStG)2013 fällig, denn in aller Regel lässt sich erst auf Grundlage dieses Bescheides zuverlässig ermitteln, welche Beträge im Innenverhältnis auszugleichen sind.2014 Dies gilt umso mehr, als beide Forderungen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, denn sie sollen in ihrer Kombination zu einem für das Innenverhältnis interessengerechten Ergebnis führen.2015 Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Befeiungsanspruch entfällt, soweit eine Aufteilung der Steuergesamtschuld (§§ 268 ff. AO) dazu führt, dass der staatliche Steuergläubiger keine Leistungen erzwingen kann, die über die internen Einstandspflichten hinausgehen. Befreiungsanspruch und Aufteilungsergebnis sind jedoch keineswegs deckungsgleich. So bezieht sich der Befreiungsanspruch von seinem Umfang her ausschließlich auf rückständige Steuern, während für die Aufteilung auch Anrechnungsbeträge und nachträgliche Zahlungen bedeutsam sein können (vgl. erneut § 276 Abs. 3, 6, § 272 Abs. 1 Satz 4, 5 AO).2016 Andererseits bildet die Gesamtheit der individuellen Umstände den Maßstab für Bestehen und Höhe des Befreiungsanspruchs, während für die Aufteilung nur diejenigen Umstände bedeutsam sind, die in den §§ 270 ff. AO Widerhall gefunden haben.2017 Aufgrund dessen ist richtigerweise auch keine eheinterne Pflicht aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB anzuerkennen, vorrangig von den §§ 268 ff. AO Gebrauch zu machen und vorhandene zivilrechtliche Ansprüche erst subsidiär durchzusetzen: Die Aufteilungsvorschriften ändern wegen ihres pauschaleren Maßstabs nichts am Erfordernis eines abschließenden zivilrechtlichen Innenausgleichs – und kön-

2013 Es sei darauf hingewiesen, dass der in § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG verwendete Begriff „Steuerbescheid“ nicht ganz präzise ist (näher Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 244). 2014 Darüber hinaus werden auch etwaige, auf der Überzahlung von Anrechnungsbeträgen beruhende Erstattungsansprüche erst mit Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 EStG). Erstattungsbeträge sind nach richtiger Ansicht im Grundsatz ebenfalls über den Gesamtschuldnerausgleich zu erfassen (Einzelheiten unten f)). 2015 Vgl. auch Fn 2002; Einzelheiten zur Reichweite des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in den nachfolgenden Abschnitten. 2016 Näher oben A III 2. Dementsprechend können sich infolge der Aufteilung sogar Erstattungsansprüche gegen den Steuergläubiger ergeben (§ 276 Abs. 6 Satz 2, § 272 Abs. 1 Satz 6 AO). 2017 Siehe wiederum oben A III 2. Abweichendes gilt allerdings im Bereich des § 274 AO, dem jedoch in der Praxis nur sehr geringe Relevanz zukommen dürfte, zumal Aufteilungsanträge in der Regel erst nach Trennung des Paares gestellt werden.

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nen im normativen Regelfall des gemeinschaftlichen Wirtschaftens einen derartigen Ausgleich überhaupt erst notwendig machen.2018 d) Einordnung in den Gesamtkontext des Gesamtschuldnerausgleichs unter Ehegatten. Innen- und Außenlösung In den vorstehenden Abschnitten ist neben anderem gezeigt worden, dass der historische Gesetzgeber mit der Einführung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern schaffen wollte, das unabhängig davon zur Entstehung gelangt, ob zwischen ihnen eine anderweitig begründete Sonderbeziehung vorhanden ist oder nicht.2019 Die rechtspolitische Bewertung dieser gesetzgeberischen Entscheidung fällt ebenso unterschiedlich aus2020 wie die Auffassungen über die Reichweite dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses im Einzelnen.2021 Dass die Ausgleichsvorschrift des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB prinzipiell auch im Falle eines daneben bestehenden Rechtsverhältnisses Anwendung findet, kann zwar angesichts der Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung keinem Zweifel unterliegen.2022 Dieser normative Ausgangsbefund ändert jedoch nichts daran, dass überall dort Abstimmungsbedarf entsteht, wo zwischen den Gesamtschuldnern Sonderbeziehungen auf speziellerer Grundlage vorhanden sind.2023 Wie im Folgenden gezeigt wird, stellt sich dieses Problem gerade auch bei Gesamtschulden von Ehegatten. 2018 Vgl. beispielhaft die Entscheidung FG Berlin-Brandenburg EFG 2010, 6, 7. Hierauf wird zurückzukommen sein. 2019 Motive II, S. 169 f., in: Mugdan/II, S. 93 a.E. (auf S. 411 wörtlich zitiert). 2020 Siehe einerseits Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 1 („Geniestreich“); Ehmann, Gesamtschuld, S. 113 („nahezu geniale Regelung“) und andererseits Keuk, JZ 1972, 528, 530 („über das Ziel hinausgeschossen“). Ob es dieser besonderen Regressregelung bedurft hätte, ist nicht zweifelsfrei (vgl. Goet­te, Gesamtschuldbegriff, S. 125 ff.). Allerdings erleichtert sie die Rechtsanwendung, da sie die Suche nach einer speziellen Anspruchsgrundlage erübrigt (vgl. auch Ehmann, Gesamtschuld, S. 98 ff. sowie Motive II, S. 169 f., in: Mugdan/II, S. 93: „[p] raktische Erwägungen“). 2021 Vgl. dazu Meier, Gesamtschulden, S. 293 ff. sowie bereits Denck, JZ 1976, 669, 672 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 2022 So zu Recht die ganz herrschende Meinung; siehe etwa Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 26; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 5 (mit weiteren Nachweisen); Ehmann, Gesamtschuld, S. 110; insoweit auch Denck, JZ 1976, 669, 673; a.A. insbesondere Goette, Gesamtschuldbegriff, S. 128 ff.; Keuk, JZ 1972, 528, 530; siehe auch Meier, Gesamtschulden, S. 293 ff. (S. 384 ff.). Situationen, in denen der Gesamtschuldnerausgleich verdrängt wird, sind zwar ebenfalls denkbar, haben aber Ausnahmecharakter (näher im Folgenden). 2023 Vgl. nur Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 5; Ehmann, Gesamtschuld, S. 108 ff.; Meier, Gesamtschulden, S. 293 ff. (S. 365 ff.).

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Fragt man in einem ersten Schritt zunächst auf abstrakterer Ebene, welche grundsätzlichen Möglichkeiten bestehen, das Spannungsverhältnis zwischen Gesamtschuldnerausgleich und präexistentem Rechtsverhältnis aufzulösen, so liegt es sehr nahe, § 426 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB („soweit nicht ein anderes bestimmt ist“) fruchtbar zu machen und über diese Vorschrift etwaige speziellere Wertungen, die aus dem daneben bestehenden Rechtsverhältnis folgen, innerhalb des Gesamtschuldnerausgleichs zur Geltung zu bringen (hier so genannte „Innenlösung“). Diese Vorgehensweise entspricht dem grundsätzlichen Standpunkt der Materialien2024 und ist weit verbreitet.2025 Häufig wird sie bei der Behandlung von Einzelfragen als selbstverständlich zugrunde gelegt.2026 Wenn aus dem speziellen Rechtsverhältnis eigenständige Ausgleichsansprüche ableitbar sind, treten sie im Anwendungsbereich der Innenlösung neben den Gesamtschuldnerausgleich,2027 allerdings in aller Regel mit identischem Anspruchsumfang.2028 Um die einzige Möglichkeit zur Auflösung des beschriebenen Konkurrenzverhältnisses handelt es sich bei der Innenlösung jedoch nicht.2029 Vielmehr kommen auch Situationen in Betracht, in denen eine speziellere Rechtsbeziehung den Gesamtschuldnerausgleich nicht nur inhaltlich

2024 Motive II, S. 169, in: Mugdan/II, S. 93. 2025 Vgl. etwa Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 26; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 5. 2026 Vgl. Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 4 ff., 35 ff.; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 14 f. (weniger deutlich aber Rn. 16); Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 8 f.; speziell für den Gesamtschuldnerausgleich unter Ehegatten siehe etwa Kleinle, FamRZ 1997, 8, 9 ff.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 123 ff.; weitere Nachweise, auch zur Rechtsprechung, in Fn 2045. 2027 Vgl. Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 14, 32; Bydlinski, in: Münch­Komm.-BGB, § 426 Rn. 26; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 5; Ehmann, Gesamtschuld, S. 108 ff. 2028 Einzelheiten zum Verhältnis dieser Ansprüche zueinander bei Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 32 f.; siehe auch Meier, Gesamtschulden, S. 296 ff. Für derartige Fälle erscheint es durchaus gerechtfertigt, den Gesamtschuldnerausgleich mit Keuk, JZ 1972, 528, 530 als „einfach überflüssig“ anzusehen (siehe auch Meier, aaO, S. 315: „irgendein Erkenntnisfortschritt ist aber damit nicht verbunden“). Diese Kritik muss sich aus den bereits genannten Gründen jedoch auf die rechtspolitische Ebene beschränken. Hierhin gehört im Kern auch die Kritik Meiers, aaO, passim, etwa S. 259 ff., S. 293 ff. an der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung von Regressmöglichkeiten trotz im Wesentlichen gleicher Interessenlagen. 2029 Vgl. mit Blick auf den Gesamtschuldnerausgleich unter Ehegatten auch bereits Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 31, die jedoch im Rahmen ihrer Untersuchung (anders als hier) weitgehend von der Innenlösung ausgeht.

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prägt, sondern verdrängt (hier so genannte „Außenlösung“).2030 Dass es diese Möglichkeit geben muss, folgt schon aus dem dispositiven Charakter des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB,2031 aus dem sich ergibt, dass es den Gesamtschuldnern offen steht, die Vorschrift (innerhalb der allgemeinen Grenzen privatautonomer Gestaltung) abzubedingen und sie gegebenenfalls durch eine eigene vertragliche Ausgleichsregelung zu ersetzen.2032 Mit der Annahme derartiger Derogationsabreden sollte zwar vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Grundentscheidung für einen Gesamtschuldnerausgleich, der die Eigenheiten speziellerer Rechtsverhältnisse in sich aufnehmen kann (vgl. wiederum § 426 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB), zurückhaltend umgegangen werden, so dass in Zweifelsfällen die Innenlösung vorzuziehen ist.2033 An der prinzipiellen Berechtigung von Vertragsparteien, den Gesamtschuldnerausgleich für unanwendbar zu erklären und ihn gegebenenfalls durch andere Ausgleichsmechanismen zu ersetzen, kann dies jedoch nichts ändern. Diese Möglichkeit steht insbesondere auch gesamtschuldnerisch haftenden Ehegatten offen – und von ihr wird in der Praxis sehr häufig Gebrauch gemacht, nämlich immer dann, wenn eine (ausdrückliche oder stillschweigende) Abrede darüber getroffen wird, keinen Einzelausgleich bei Begleichung gemeinsamer Schulden vorzunehmen, sondern derartige Sachverhalte entweder pauschal oder von Fall zu Fall in eine Unterhalts-

2030 Die terminologische Nähe zur „Innen-“ und „Außentheorie“ bei § 42 AO (vgl. dazu nur Klein/Ratschow, AO, § 42 Rn. 10) ist beabsichtigt. 2031 Vgl. Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 4; Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 70; Meier, Gesamtschulden, S. 296 f.; andeutungsweise auch Motive II, S. 169 a.E., in: Mugdan/II, S. 93 („in Ermangelung gegentheiliger Bestimmung“); relativierend aber Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 13. 2032 Anders als dies bei Ehmann, Gesamtschuld, S. 109 zum Ausdruck kommt, kann der Charakter der Gesamtschuld nicht negiert werden, wenn der Ausgleichsanspruch rechtsgeschäftlich ausgeschlossen wird. Bei Gesamtschulden auf gesetzlicher Grundlage wäre das von vornherein unmöglich. Auch sonst lässt sich diese These kaum mit der Legaldefinition der Gesamtschuld in § 421 Satz 1 BGB in Übereinstimmung bringen. An der Grenze des Darstellbaren bewegt sie sich jedenfalls dort, wo die Ausschlussvereinbarung der Gesamtschuldentstehung zeitlich nachfolgt (stark relativierend deshalb auch Ehmann, aaO). Ferner muss Berücksichtigung finden, dass das Gesetz selbst die Möglichkeit eröffnet, das Innenverhältnis rechtsgeschäftlich zu gestalten, indem es den Verteilungsmaßstab der Parteidisposition anheim stellt (§ 426 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Vor diesem Hintergrund spricht m.E. kein zwingender Grund dagegen, auch dann von einer Gesamtschuld auszugehen, wenn der Binnenregress vollständig ausgeschlossen wird. 2033 Vgl. auch Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 4, der zudem auf § 426 Abs. 2 BGB hinweist.

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oder sonstige eheinterne Ausgleichsregelung einzubeziehen.2034 Für § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, dessen Bezugspunkt die einzelne Verbindlichkeit bildet, bleibt dann naturgemäß kein Raum mehr. Dies gilt erst recht, wenn die Ehegatten vollständig gemeinschaftlich wirtschaften, denn eine derartige Praxis steht einem Einzelausgleich bereits aus sich heraus entgegen.2035 Geringere Schwierigkeiten bereitet die Verhältnisbestimmung zwischen Gesamtschuldnerausgleich und weiterem Rechtsverhältnis hingegen in aller Regel dann, wenn dieses Rechtsverhältnis nicht durch spezielle rechtsgeschäftliche (Ausgleichs-)Abreden geprägt ist. In derartigen Fällen kann grundsätzlich von der Innenlösung Gebrauch gemacht werden, zumal sie angesichts der Maßstabsflexibilität des § 426 Abs. 1 Satz 1 (Halbs. 2) BGB praktisch immer zu angemessenen Ergebnissen führt.2036 Es gibt allerdings auch hier Fälle, in denen ausnahmsweise eine Außen2034 Erneut sei der BFH zitiert, der treffend von der in der Rechtspraxis oft vorzufindenden „Zufälligkeit des jeweils zahlenden Ehegatten“ gesprochen hat (BFH BSt Bl. II 2006, 453, 454; BFH BStBl. II 1995, 492, 494; deutlich auch Wever, Fam RZ 2002, 741, 741). Besonders bei wirtschaftlich bedeutsamen Ausgaben kommt allerdings auch ein (isolierbarer) „Kooperationsvertrag“ in Betracht (vgl. insbesondere Gernhuber, JZ 1996, 765, 769 f.). In derartigen Fällen wird häufig der Anwendungsbereich der Innenlösung eröffnet sein. Vielfach wird es jedoch bei einer einzelschuldübergreifenden, schlicht-einvernehmlichen Ausgleichspraxis bleiben (vgl. – neben den eingangs zitierten Stellungnahmen – etwa BGHZ 87, 265, 269 f.; OLG Bremen NJW 2000, 82, 83; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 19 f.; Bosch, FamRZ 2002, 366, 367; Wever, FamRZ 2003, 565, 568). M.E. kommt ihr zumindest insoweit rechtsgeschäftlicher Gehalt zu, als sie für die Zeit ihres Bestehens Einzelausgleichsansprüchen entgegensteht (vgl. A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 14). Allerdings bereitet die rechtliche Qualifikation derartiger Abreden sowie die Bestimmung des Grades ihrer Verbindlichkeit und der Rechtsfolgen im Falle der Nichtbeachtung erhebliche Schwierigkeiten (näher A. Roth, aaO, Rn. 5 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, S. 140 ff. mit umfänglichen Nachweisen zum Streitstand; siehe auch Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 129 ff.). Im Einzelfall kann auch eine ehebedingte Zuwendung vorliegen, wenn Übereinstimmung darüber besteht, dass ein Ehegatte für die volle Schuld aufkommen soll, ohne eine vermögensmäßige oder eine sonstige, aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ableitbare Kompensation zu erhalten (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1513, 1514; Bosch, aaO, S. 367 und 369 f.; Gernhuber, aaO, S. 770). 2035 Für den Steuerkontext konnte mit Blick auf diese Zusammenhänge gezeigt werden, dass Einzelausgleichsansprüche einen Ausnahmefall darstellen (oben S. 335 ff.). Nimmt man den Vorrang des Unterhaltsrechts (oben B. und im Folgenden) hinzu, so bleibt für einen schuldrechtlichen Ausgleich nur in Grenzfällen Raum (oben I. mit B V.); unscharf insoweit z.B. BFH BStBl. II 2003, 267, 268. Auf die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf andere Fallgruppen der Ehegattengesamtschuld wird im Folgenden kurz eingegangen. 2036 Vgl. nur Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 175, 206.

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lösung in Betracht zu ziehen ist. Sie sind zwar selten, dafür aber umso komplexer. Zu denken ist an Situationen, in denen ein Ausgleich auf schuldrechtlicher Basis angesichts der sich aus dem Gesetz ergebenden Besonderheiten des speziellen Rechtsverhältnisses nicht in Betracht kommt. So ist in Bezug auf den Steuerausgleich unter Ehegatten herausgearbeitet worden, dass es Situationen geben kann, in denen unterhaltsrechtliche Regelungen potentiell konkurrierende schuldrechtliche Ansprüche verdrängen.2037 Bereits diese kurzen Ausführungen dürften deutlich gemacht haben, dass die Frage des Gesamtschuldnerausgleichs unter Ehegatten sehr facettenreich und in ihren Einzelheiten kaum überblickbar ist. Insbesondere kann das in § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB angelegte Ausgleichssystem hier in Konkurrenz zu familienrechtlichen Vorschriften, insbesondere zum Unterhaltsrecht,2038 sowie zu Abreden unter den Ehegatten treten.2039 Soweit derartige Besonderheiten reichen, muss geprüft werden, ob der Gesamtschuldnerausgleich verdrängt wird (Außenlösung), was – wie gezeigt – häufig der Fall sein wird.2040 Es erscheint auch sonst kaum möglich, allgemeine Kriterien für die Behandlung sämtlicher Fallgruppen der Ehegattengesamtschuld zu formulieren,2041 denn sowohl die gesamtschuldauslösenden Sachverhalte als auch die Möglichkeiten zur Ausgestaltung der ehelichen Wirtschaft und des ehelichen Unterhalts sowie die jeweils einschlägigen rechtlichen Vorgaben sind überaus vielgestaltig.

2037 Siehe oben B., insbesondere S. 375 f., S. 381 und S. 382 f. Diese Grundsätze sind auch auf andere Fallgruppen der Gesamtschuld unter Ehegatten über­ tragbar – und finden im Regelungsbereich der §§ 1360  –  1360b BGB überall dort Anwendung, wo die Verbindlichkeit eingegangen wurde, um unterhalts­ relevante Bedürfnisse zu befriedigen (näher oben bei und in Fn 1842); zur Rechtslage nach Trennung des Paares vgl. (mit unterschiedlichen Ansätzen) OLG Köln FamRZ 1991, 1192, 1193 f.; Gernhuber, JZ 1996, 765, 774; Kleinle, FamRZ 1997, 8, 10 ff.; Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 206 ff.; Wever, Vermögensaus­ einandersetzung, S. 145 ff.; dens., FamRZ 2003, 565, 569 f. Auf die Rechtslage im Falle rückständiger Einkommensteuerschulden wird unter D III. ausführlich eingegangen. 2038 Zum ehelichen Güterrecht ergibt sich ein derartiges Konkurrenzverhältnis hingegen im Regelfall nicht; Überblick bei Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 203 ff., 225; speziell zum Zugewinnausgleich näher Gerhards, FamRZ 2001, 661, 662 ff.; siehe auch bereits oben Fn 1674. 2039 Vgl. auch die einleitende Feststellung Mehdorns, Gesamtschuldnerausgleich, S. 28. 2040 In den übrigen Fällen (Innenlösung) beeinflussen diese Umstände den Ausgleichsmaßstab. 2041 Optimistischer hingegen Gernhuber, JZ 1996, 696, 696.

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Es verwundert daher nicht, dass die Praxis eine schwer überblickbare Zusammenschau von Einzelfalljudikaten liefert2042 und sich in vielen Fällen mit dem – hier schon mehrfach kritisierten2043 – Begriff der „Überlagerung“ behilft, über den insbesondere begründet wird, dass für Zeiten des ehelichen Zusammenlebens im Nachhinein grundsätzlich kein Gesamtschuldnerausgleich beansprucht werden kann.2044 Der Überlagerungsbegriff erleichtert es seinerseits, die Frage nach der Innen- oder Außenlösung zu überdecken oder zumindest als weniger dringlich erscheinen zu lassen.2045 Gleiches gilt in Bezug auf die Abschichtung zwischen rechtsgeschäftlicher und gesetzlicher Derogation des Gesamtschuldnerausgleichs.2046 Wie bereits angedeutet, kann in derartigen Situationen nur die Außenlösung richtig sein,2047 denn einem Einzelausgleich steht in aller Regel eine zwischen den Ehegatten getroffene verbindlichkeitsübergreifende (Gesamt-)Abrede entgegen.2048 Im Einzelfall können darüber hinaus auch 2042 Vgl. etwa die Zusammenstellungen bei Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 45 ff.; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 17 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 11 f. 2043 Zusammenfassend Fn 1876. 2044 Siehe etwa BGHZ 188, 282, 299 f.; BGH NJW 2008, 849, 850; BGH NJW 2005, 2307, 2307; BGH NJW 2000, 1944, 1945; BGH NJW 1995, 652, 653; BGHZ 87, 265, 269 f.; Erman/Böttcher, BGB, § 426 Rn. 19; Palandt/Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 10; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 202; Bosch, FamRZ 2002, 366, 367; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 125 ff.; deutlich offener hingegen Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, S. 174. 2045 Vgl. exemplarisch BGHZ 87, 265, 269 f.; Bosch, FamRZ 2002, 366, 367; Wever, FamRZ 1996, 905, 907. Die Rechtsprechung geht offenbar (zu Unrecht) von der Innenlösung aus; vgl. BGH NJW 2008, 849, 850; BGH NJW 2005, 2307, 2307; BGH NJW 2000, 1944, 1945; BGH NJW 1995, 652, 653; ebenso etwa Palandt/ Grüneberg, BGB, § 426 Rn. 10; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 206; Kotzur, NJW 1989, 817, 818 ff.; speziell zum Gesamtschuldnerausgleich für Steuerschulden siehe beispielhaft BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2006, 2623, 2624; BGH NJW 2002, 2319, 2320 f.; BGH NJW 2002, 1570, 1570 f.; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 12c; Koritz, FPR 2003, 435, 436 f. 2046 Exemplarisch BGHZ 188, 282, 292 f.; BGH NJW 2005, 2307, 2307, wo im selben Atemzug sowohl von einer Überlagerung „durch die eheliche Lebensgemeinschaft“ als auch von einer „stillschweigend geschlossenen Vereinbarung“ die Rede ist. 2047 Ebenso ganz offensichtlich Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 45, der jedoch das hierdurch ausgelöste Spannungsverhältnis zu seinem auf die Innenlösung ausgerichteten Grundansatz (vgl. Erman/Ehmann, aaO, Rn. 4 ff.; Ehmann, Gesamtschuld, S. 108 ff.) nicht auflöst. 2048 Vgl. oben bei und in Fn 2034. Dass die Überlagerungsjudikatur auf eine Außenlösung hinauslaufen muss, zeigt wiederum folgende Überlegung: Der Gesamtschuldnerausgleich bleibt in derartigen Fällen nicht deshalb aus, weil die Ehegatten in Bezug auf die jeweilige Verbindlichkeit eine Unterverteilungsabrede (vgl.

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vorrangige gesetzliche Wertungen, insbesondere unterhaltsrechtlicher Natur, zur Verdrängung des Gesamtschuldnerausgleichs führen.2049 Dies kann vor allem dort praktisch werden, wo keine Ausgleichsregelung getroffen wurde bzw. eine vorhandene Abrede entweder eine zu geringe Reichweite hat oder sich außerhalb des parteidisponiblen Rahmens bewegt.2050 Ferner muss man sich klarmachen, dass in den genannten Fällen in aller Regel auch die übrigen Anspruchsgrundlagen des allgemeinen Schuldrechts auszuscheiden haben. Die Abschirmwirkung der Außenlösung geht also über eine „Überlagerung“ nur des Gesamtschuldnerausgleichs weit hinaus. Jedenfalls erscheint die Fixierung der Praxis auf § 426 BGB dort wenig förderlich, wo – wie im Regelfall – Besonderheiten des Familienrechts und der praktischen Handhabung durch die Ehegatten eine wesentliche Rolle spielen. Mithin führt kein Weg an einer Detailanalyse der jeweils betroffenen Gesamtschuldfallgruppe vorbei, die das Ziel verfolgt, bereichsspezifisch zwischen Innen- und Außenlösung abzugrenzen und für den Anwendungsbereich der Innenlösung sachangemessene Unterverteilungskriterien herauszuarbeiten.2051 Eine derartige Analyse ist im Rahmen der bisherigen Untersuchung für die Frage des Steuerausgleichs vorgenommen worden, und zwar in Form einer umfassenden Verhältnisbestimmung von Familienrecht und Ehepraxis zum schuldrechtlichen Ausgleichssys­ tem und damit auch zum Gesamtschuldnerausgleich. Unter A. und B. konnte insbesondere eine (inzidente) Abschichtung von Außen- und Innenlösung vorgenommen werden: Soweit spezielle eheinterne Ausgleichsmechanismen einschlägig sind oder vorrangige Unterhaltsansprüche eingreifen, bleibt für § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB und die sonstigen Anspruchsgrundlagen des allgemeinen Schuldrechts kein Raum. Nur soweit es hieran fehlt, kann der Gesamtschuldnerausgleich einschlägig sein, und es muss – in Ausgestaltung der Innenlösung – nach einem geeigneten Aufteilungsmaßstab gesucht werden.2052 § 426 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB) getroffen haben, die – gleichsam zufällig – mit den tatsächlich übernommenen Tilgungsanteilen übereinstimmt. Vielmehr entspricht es ihrer Vereinbarung, im Nachhinein überhaupt keinen Einzelausgleich vorzunehmen, denn ein solcher ist aufgrund ihrer einvernehmlich geübten Praxis nicht erforderlich, sondern würde im Gegenteil störend in das Gefüge der Gesamtlösung eingreifen, die sich auf diesem Wege ergeben hat. 2049 Siehe oben bei und in Fn 2037. 2050 Vgl. in diesem Zusammenhang Fn 1828. 2051 Ausführliche Fallgruppenanalyse bei Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, passim, die jedoch im Wesentlichen auf Grundlage der Innenlösung erfolgt; vgl. auch bereits Gernhuber, JZ 1996, 765, 765 ff. sowie Bosch, FamRZ 2002, 366, 367 ff. 2052 Hierauf wird sogleich unter e) zurückgekommen.

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Innerhalb dieser Abschichtung konnten für den Steuerkontext Erfahrungssätze herausgearbeitet werden,2053 die auch auf andere Problemkreise übertragbar erscheinen. Dies liegt schon deshalb nahe, weil sich die verfassungsrechtliche Fundierung der ehelichen Gemeinschaftsvorstellung nicht auf die Frage des Steuerausgleichs beschränkt. Graduelle Unterschiede können vor allem daraus folgen, dass sich der Steuerausgleich auf eindeutig zuordenbare monetäre Größen auf der Einnahmenseite bezieht, während gemeinschaftliche Schulden ansonsten häufig der gemeinsamen Bedürfnisbefriedigung dienen, ohne dass es zu einseitiger Vermögensbildung kommen kann.2054 Ist das der Fall, so wird ein schuldrechtlicher Ausgleich noch weniger angezeigt sein als im Steuerkontext, zumal die Unterhaltsrelevanz in derartigen Situationen sogar stärker ausgeprägt sein kann.2055 Jedenfalls erscheint es auch für andere Fallgruppen sinnvoll, Erfahrungssätze herauszuarbeiten, die genügend Raum für atypische Verhältnisse des Einzelfalls lassen.2056 e) Aufteilungsmaßstab sowie weitere Aspekte Soweit nach den Ergebnissen der bisherigen Untersuchung ein Ausgleich analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht kommt (Innenlösung), stellt sich die Frage nach dem angemessenen Aufteilungsmaßstab. Sie lässt sich auf Grundlage der bisherigen Ausführungen leicht beantworten: § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass er Wertungen aus anderen Regelungsbereichen in sich aufnehmen kann.2057 Dies geschieht über seinen zweiten Halbsatz, der sich als Kernstück der Vorschrift begreifen lässt und sie für beliebige Unterverteilungsmaßstäbe öffnet, die an den Innenausgleich herangetragen werden.2058 Als anderweitige Bestimmungen, die im Sinne von § 426 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB maßstabsprägend sein können, kommen (zumindest in erster Linie)2059 2053 Siehe oben B V. 2054 Zur möglichen Relevanz des Aspekts der Vermögensbildung für den Innenausgleich vgl. auch Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 45 a.E. 2055 Vgl. die in Fn 2037 in Bezug genommenen Nachweise, etwa Gernhuber, JZ 1996, 765, 767 ff. und Kotzur, NJW 1989, 817, 819 und 821. 2056 Demgegenüber erweist sich die Überlagerungsrechtsprechung bisweilen als zu pauschal; siehe für den Steuerkontext wiederum Fn 1876. 2057 Vgl. erneut Motive II, S. 169 f., in: Mugdan/II, S. 93 sowie Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 4 ff., 35 ff.; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 14 ff.; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 5 ff., 41 ff., 51 ff., 186 ff. 2058 Vgl. Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 4 f., 14; Bydlinski, in: Münch­Komm.-BGB, § 426 Rn. 14; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 5, 72; Ehmann, Gesamtschuld, S. 103 ff.; Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 71. 2059 Ob es andere maßstabsprägende Aspekte als das Gesetzesrecht und vertragliche Vereinbarungen geben kann, ist umstritten; ablehnend Gernhuber, JZ 1996, 696,

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gesetzliche Vorschriften und Wertungen sowie rechtsgeschäftliche Abreden2060 in Betracht.2061 Der Gesamtschuldnerausgleich ist daher in besonderem Maße geeignet, Prinzipien und Wertungen2062 anderer Teilrechtsordnungen Rechnung zu tragen, und ermöglicht dementsprechend auch eine verfassungsorientierte Auslegung, die sich an den Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG und am Leistungsfähigkeitsprinzip ausrichtet. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die bisherige Praxis, die den Aufteilungsmaßstab in Anlehnung an die §§ 268 ff. AO bestimmen will und damit inzident davon ausgeht, dass der Gesamtschuldnerausgleich an steuerrechtlichen Wertungen und Zusammenhängen orientiert werden kann. Diese Indienstnahme des Gesamtschuldnerausgleichs durch das Steuerrecht und die dahinter stehenden verfassungsrechtlichen Aspekte fällt auch deshalb besonders leicht, weil § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nur analog auf Steuergesamtschulden angewendet werden kann – was eine weitgehende Anlehnung an steuerrechtliche Wertungen umso nahe liegender erscheinen lässt.2063 Hieraus folgt, dass für Zwecke des Gesamtschuldnerausgleichs von den Grundsätzen über den Vor- und Nachteilsausgleich ausgegangen werden 698 f. (unter Einbeziehung allgemeiner Rechtsgedanken); Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 69 ff., S. 76 ff. („Gesetz im weiteren Sinne“ unter Einschluss von Rechtsprinzipien). Auch in den Materialien wird lediglich auf „Gesetz“ und „Rechtsgeschäft“ verwiesen (Motive II, S. 169, in: Mugdan/II, S. 93). Einen weitergehenden Ansatz verfolgt namentlich die Rechtsprechung des BGH, wenn sie insbesondere auf die „Natur der Sache“ Bezug nimmt; siehe etwa BGH NJW 2008, 849, 850; BGH NJW 2000, 1944, 1945; BGH NJW 1995, 652, 653; BGHZ 87, 265, 268; aus dem Schrifttum siehe Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 5, 7 ff.; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 206; offen lassend Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 14. 2060 Vorausgesetzt ist, dass derartige Umstände im Einzelfall keine Außenlösung erforderlich machen. 2061 Vgl. – treffend – Ehmann (unter Bezugnahme auf Rabel): „Die anderweitige Bestimmung i.S. des § 426 I 1 kann sich dabei aus allen ‘der Rechtsordnung innewohnenden Rechtssätzen’, d.h. aus Parteivereinbarung, aus Gesetz oder aus dem Inhalt und Zweck der jeweiligen Rechtsverhältnisse ergeben“ (Ehmann, Gesamtschuld, S. 116 mit S. 106). Allerdings haben „Inhalt und Zweck“ des jeweiligen Rechtsverhältnisses richtigerweise keine von Parteivereinbarung bzw. Gesetz abgelöste, eigenständige Bedeutung (näher Gernhuber, JZ 1996, 696, 698; Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 74). 2062 Vgl. Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 72 f. 2063 Vgl. auch bereits oben b), insbesondere S. 393 und S. 397 mit Nachweisen. Dass öffentlich-rechtliche Wertungen den Innenausgleich bei verwaltungsrechtlichen Gesamtschulden prägen können, liegt auch den Ausführungen de Walls, Anwendbarkeit, S. 526, S. 528 ff. zugrunde. Auf demselben Gedanken beruht die besondere Ausgleichsregelung in § 24 Abs. 2 Satz 1, 2 Halbs. 1 BBodSchG, die § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nachgebildet ist (Einzelheiten zu ihr unter 4.).

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kann, die unter A. herausgearbeitet wurden. Dies hat für die ehegatteninterne Gesamtbereinigung nach Ablauf des Veranlagungszeitraums zur Folge, dass sämtliche individuellen Nachteile, die im Vergleich zur Einzelveranlagung entstanden sind, grundsätzlich ausgeglichen werden müssen und die Steuerersparnis, die per Saldo aus der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif resultiert, prinzipiell hälftig aufzuteilen ist.2064 Wem der Ausgleichsanspruch (bzw. der vorgelagerte Befreiungsanspruch) zusteht und welche Höhe er hat, muss durch eine Zusammenschau aller für das Innenverhältnis bedeutsamen Umstände und Vorgänge ermittelt werden, zu denen insbesondere die Verursachung der Steuerlast, Abzugsbeträge und Vorauszahlungen sowie die Begleichung einer etwaigen Abschlusszahlung bzw. Nachforderung zählen.2065 Dennoch wird über § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in vielen Fällen nur eine partielle Gesamtbereinigung möglich sein. Denn die Möglichkeit zur Vornahme eines schuldrechtlichen Ausgleichs endet dort, wo störend in das Gefüge eines (vorrangigen) Unterhaltsanspruchs eingegriffen würde.2066 In derartigen Fällen ist die Ausgleichsrechnung entsprechend anzupassen bzw. scheidet ein Ausgleich auf schuldrechtlicher Grundlage ganz aus.2067 Im folgenden Abschnitt wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit der Gesamtschuldnerausgleich auch in Fällen fruchtbar gemacht werden kann, in denen sich eine Steuererstattung ergibt. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass die Geltendmachung des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB den allgemeinen Schranken des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB unterliegt.2068 Im vorliegenden (Steuer-)Kontext dürften sich jedoch aus der daraus resultierenden Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme nur ganz ausnahmsweise Ein2064 Hingegen stellt sich in Bezug auf den unterjährigen Ausgleich für zusammen festgesetzte Vorauszahlungen von vornherein nur die Frage des Nachteilsausgleichs. Dieser hat sich am Aufteilungsmaßstab des § 272 AO zu orientieren (näher oben S. 353). 2065 Siehe auch bereits (zusammenfassend) oben I. 2066 Siehe oben unter I. sowie auch soeben unter d). Nicht gemeint ist hier der Fall einer eheinternen Abrede, die den Gesamtschuldnerausgleich gänzlich verdrängt, denn dann stellt sich die hier analysierte Frage nach der Reichweite des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (Innenlösung) von vornherein nicht (siehe ebenfalls oben d)). 2067 Zu den Einzelheiten siehe oben I. mit S. 374 ff. In der entsprechenden Höhe greift die Außenlösung Platz, da der Gesamtschuldnerausgleich insoweit derogiert wird. 2068 Vgl. allgemein für den Gesamtschuldnerausgleich unter Ehegatten OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 444, 445; Gerhards, FamRZ 2001, 661, 664 f.; Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 62 sowie in ähnlichem Zusammenhang auch BGH NJW 1989, 1920, 1922.

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schränkungen ergeben, denn Steuerschulden haben ihren Bezugspunkt auf der Einnahmenseite und knüpfen an erzieltes Einkommen an,2069 das sowohl für Steuerzahlungszwecke als auch für den Innenausgleich eingesetzt werden kann. Was schließlich das Verhältnis des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zu anderen Anspruchsgrundlagen angeht, kann für den hier untersuchten Bereich (Innenlösung beim Steuerausgleich) festgehalten werden, dass sich weder im Regelungskontext des Steuerrechts noch im Familienrecht konkurrierende Ansprüche finden.2070 Im Verhältnis zu den allgemeinen schuldrechtlichen Anspruchsgrundlagen hat der Gesamtschuldnerausgleich richtigerweise Vorrang.2071 Auch ein Ausgleich auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage kommt in aller Regel nicht in Betracht.2072 2069 Vgl. auch schon oben bei Fn 2054. 2070 Vgl. zu der dahinter stehenden methodischen Fragestellung oben S. 417 mit Nachweisen in Fn 2027 und 2028. Einen familienrechtlichen Anspruch zieht Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260 in Erwägung, sieht ihn jedoch als „zweifelhaft“ an (S. 263). Namentlich Walz, StVj 1993, 46, 56 ff. (61) spricht sich hingegen offen für einen Anspruch aus § 1353 BGB aus, und zwar in erster Linie wegen einer vermeintlich fehlenden Anspruchsgrundlage für die Unterverteilung von Erstattungsbeträgen. Speziell in Bezug auf Fälle der Verlusteinbringung wird ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch ebenfalls bejaht (Dostmann, FamRZ 1991, 760, 763; Walz, aaO, S. 59 f.) bzw. erwogen (Gernhuber, JZ 1996, 765, 766 a.E.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 353); a.A. OLG Braunschweig ZVI 2008, 30, 31 f. sowie Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 246 f. mit S. 233 ff. (mit weiteren Nachweisen), der sich generell gegen Ansprüche dieser Art ausspricht (vgl. aber unten Fn 2261). Im Folgenden wird sich in der Tat zeigen, dass die Ableitung eines derartigen familienrechtlichen Zahlungsanspruchs – er dürfte auf eine kühne Rechtsfortbildung hinauslaufen – weder in Bezug auf die Erstattungsverteilung noch für Fälle der Verlusteinbringung erforderlich ist. Bereits an dieser Stelle sei ferner darauf hingewiesen, dass sich im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB vermehrt Stimmen finden, die die daran angeblich anknüpfende Ausgleichsobliegenheit aus ebendieser Vorschrift ableiten wollen. Wie unter E. nachgewiesen wird, ist dem aber ebenfalls nicht zu folgen. 2071 Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 15 a.E.; siehe auch Walz, StVj 1993, 46, 51 f. und 53 sowie Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 175, 206. Dies gilt immer dann, wenn – wie hier – lediglich die Tilgung der Gesamtschuld als solche den Anknüpfungspunkt für den potentiell konkurrierenden Anspruch bilden kann (insoweit nicht deutlich Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 5, 53). Auch wenn man an dieser Stelle anders entscheiden will (so Sonnenschein, NJW 1980, 257, 258 ff.), können etwaige Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. Bereicherungsrecht keinen weitergehenden Umfang haben als der Anspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (treffend BGH NJW 1963, 2067, 2068; siehe auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 228 f. und S. 231 f.; Witt, DStR 2007, 56, 60 sowie Erman/Ehmann, aaO, Rn. 15, 32). 2072 Treffend Walz, StVj 1993, 46, 52 f.; weitergehend aber Sonnenschein, NJW 1980, 257, 258; siehe ferner Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 236 f.; Ott/Nagel, BB

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f) Steuererstattungen § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bezieht sich sowohl in seiner Ausprägung als Befreiungsanspruch als auch in seiner Ausprägung als Ausgleichsanspruch auf die Unterverteilung der Gesamtschuld, d.h. einer Verbindlichkeit. Vor diesem Hintergrund könnte man annehmen, dass die Vorschrift von vornherein keine Rechtsgrundlage für die interne Aufteilung von Beträgen bilden kann, die gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG an die Ehegatten auszuzahlen sind, denn die dahinter stehende Frage nach der zivilrechtlich richtigen Erstattungsberechtigung scheint auf den ersten Blick den genauen Gegensatz zur Mitwirkungspflicht an der Tilgung der Steuergesamtschuld abzubilden.2073 Wenn das richtig wäre, müsste nach einer anderen Anspruchsgrundlage gesucht werden, um zu der zivilrechtlich zutreffenden Aufteilung von Steuererstattungen zu gelangen. Bevor auf diese Frage eingegangen wird, soll zunächst (auf vorgelagerter Ebene) herausgearbeitet werden, warum ein ergänzender zivilrechtlicher Ausgleich im Falle einer Steuererstattung überhaupt erforderlich sein kann. Der Hauptgrund hierfür besteht darin, dass sich die steuerliche Erstattungsberechtigung anerkanntermaßen nach den zu § 37 Abs. 2 Satz 1 AO entwickelten Grundsätzen bestimmt.2074 Mit dem Tatbestandsmerkmal „auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist“ wird an ein weitgehend formales Kriterium angeknüpft,2075 das losgelöst von der zivilrechtlich angemessenen Zuordnung Anwendung findet.2076 Diese 1997, 185, 186; vgl. in ganz ähnlichem Zusammenhang (Verpflichtung, der Zusammenveranlagung zuzustimmen) auch BGHZ 155, 249, 253 ff.; dagegen zu Recht Wever, FamRZ 2003, 1457, 1457 f. 2073 In diesem Sinne Walz, StVj 1993, 46, 54. 2074 Siehe oben S. 346 f. mit Nachweisen insbesondere in Fn 1708. Hinzuweisen ist ferner auf § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, den die Rechtsprechung jedoch restriktiv auslegt (Nachweise in Fn 1711). In steuerpraktisch unstreitigen Fällen erfolgt die Erstattung an denjenigen, dessen Kontoverbindung im amtlichen Erklärungsvordruck angegeben wird (ausführliche Analyse der rechtlichen Wirkungen dieser Angabe bei Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 191 ff.). Auch in solchen Fällen kann aber ein Bedürfnis nach Vornahme eines (ergänzenden) Innenausgleichs bestehen (vgl. die nachfolgenden Ausführungen). 2075 Vgl. BFH/NV 1997, 537, 538 f.; BFH BStBl. II 1991, 47, 48 f.; LfSt Bayern DStR 2012, 132, 135; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz. 67; Klein/ Brockmeyer/Ratschow, AO, § 37 Rn. 17. 2076 Siehe wiederum oben S. 346 f. In BFH BStBl. II 1991, 47, 49 heißt es treffend, dass die steuerliche Regelung der Erstattungsberechtigung in Bezug auf das Innenverhältnis „nur einen groben Ausgleich“ bewirke (ebenso etwa BGH NJW 2006, 2623, 2624; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 178 a.E.; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 629); weitere Nachweise sogleich in Fn 2080. Deshalb waren die Ansätze nicht überzeugend, die für die zivilrechtliche Erstattungsberechtigung das Krite-

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Fruchtbarmachung eines für die Praxis handhabbaren, genuin steuerrechtlichen Kriteriums ist auch gerechtfertigt, denn die Finanzverwaltung kennt die Einzelheiten der Zivilrechtslage nicht – und ist weder dazu berufen noch in der Lage, sie zuverlässig zu ermitteln.2077 Hieraus folgt zugleich: Anders als dies häufig zum Ausdruck kommt, ist es nicht zielführend, die einschlägigen steuerlichen Erstattungsvorschriften (§ 36 Abs. 4 Satz 2, 3 EStG, § 37 Abs. 2 AO) bei Beteiligung mehrerer Steuerschuldner in das System der §§ 420 ff. BGB einordnen zu wollen,2078 denn bei der steuerlich zutreffenden Erstattungsberechtigung handelt es sich um eine steuerrechtsautonome Fragestellung, die ohne Rückgriff auf zivilrechtliche Vorschriften beantwortet werden kann und muss.2079 Die Frage der zivilrechtlichen Korrektur dieser steuerlich definitiven (und demgemäß von außen an das Zivilrecht herangetragenen) Entscheidung stellt sich hingegen auf nachgelagerter Ebene und betrifft ausschließlich das Innenverhältnis.2080 Zu betonen ist allerdings erneut, dass sich die Ausgleichsfrage nur dann stellt, wenn die Ehegatten nicht ohnehin gemeinschaftlich wirtschaften bzw. die Steuererstattung sonst einvernehmlich für Unterhaltszwecke oder auf andere Weise nutzen.

rium des § 37 Abs. 2 AO fruchtbar machen wollten (Nachweise in Fn 1187); treffend BGH aaO; Dyckmans, aaO, S. 221; Liebelt, aaO, S. 631 f. 2077 Im gleichen Sinne BGH NJW 2006, 2623, 2624; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 629 sowie BFH/NV 2005, 833, 834, wo betont wird, dass es Sache der ordentlichen Gerichte und nicht des Finanzamtes sei, über den gerechten Ausgleich zwischen den Ehegatten zu entscheiden; vgl. auch bereits oben S. 402; siehe ferner BFH BStBl. II 1995, 492, 494; BFH BStBl. II 1991, 47, 49; BFH/NV 1990, 238, 239; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz. 59, 67; Drüen, in: Tipke/ Kruse, § 37 AO Tz. 26, 59 und für andere Zusammenhänge auch BFH BStBl. II 2002, 330, 332; BFH/NV 2000, 547, 548; BFH/NV 1997, 537, 538 f.; a.A. Preißer, Gesamtschuld, S. 199 f. 2078 So aber etwa BSG FamRZ 1984, 787, 788; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 832, 834; LG Essen FamRZ 1987, 592, 593; Blümich/Ettlich, § 36 EStG Rz. 250; Lammers, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 36 EStG Anm. 55; Gmach, BB 1981, 726, 727 und 729; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 69 ff.; Rohn, Ehepflichten, S. 77 f.; siehe auch BFH BStBl. II 1997, 522, 524 sowie Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 155 ff. (S. 158 f.) mit umfänglichen Nachweisen. 2079 Das schließt es zwar nicht aus, in geeigneten Fällen Anleihen an bürgerlich-rechtliche Regelungen zu nehmen (vgl. exemplarisch Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 79, 83: „Rechtsgedanke“). Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass es ausschließlich um die Auslegung von Steuerrecht geht. 2080 Siehe etwa BFH BStBl. II 2006, 453, 454; BFH/NV 2005, 833, 834; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz. 67; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 82; Liebelt, NJW 1994, 609, 611; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 122; Rohn, Ehepflichten, S. 80 f.; Vermengung beider Ebenen bei Stadie, BB 1977, 979, 979 f.

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Ist dieser praktische Regelfall nicht gegeben und kommt daher ein Einzelausgleich in Betracht, muss in einem ersten Schritt geprüft werden, ob sich die einschlägige Anspruchsgrundlage bereits aus dem Unterhaltsrecht ergibt: Wie auf den S. 377 ff. gezeigt, erhöhen Steuererstattungen die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit, was besonders bei kleinen und mittleren Einkommen zur Folge hat, dass der Ausgleich in erster Linie über den Unterhaltsanspruch (§§ 1360, 1360a bzw. § 1361 BGB) vollzogen werden muss.2081 Wegen des unter B. herausgearbeiteten Vorrangs des Unterhaltsanspruchs stellt sich die Frage eines Erstattungsausgleichs auf schuldrechtlicher Grundlage dann nicht mehr.2082 Sollte in einem derartigen Fall ausnahmsweise einmal eine schuldrechtliche Gesamtkonsolidierung erforderlich und möglich sein, muss der Erstattungsbetrag folglich so behandelt werden, als sei er beiden Ehegatten im Wege des Unterhalts zur Hälfte zugute gekommen.2083 Anders kann sich die Lage hingegen im oberen Einkommensbereich sowie bei getrennt wirtschaftenden Doppelverdienern darstellen, da dem Erstattungsbetrag hier häufig keine Unterhaltsrelevanz zukommt.2084 In einem derartigen Fall kann daher ein Ausgleich (auch) für vereinnahmte Steuererstattungen auf schuldrechtlicher Grundlage erfolgen. Bleibt danach Raum für eine schuldrechtliche Korrektur, stellt sich die eingangs aufgeworfene Frage, ob der Gesamtschuldnerausgleich hierfür fruchtbar gemacht werden kann oder aber ein anderes Ausgleichsregime, namentlich das Bereicherungsrecht,2085 herangezogen werden muss. Das so umrissene Problem bildet eine weitere Folgewirkung der Absicherung des Steuergläubigers über Abzugsbeträge und Vorauszahlungen, die auf die Steuergesamtschuld angerechnet werden (und kein zivilrechtliches Gegenstück kennen). Der Erstattungsanspruch nach § 36 Abs. 4 Satz 2 2081 Zusammenfassend oben I. 2082 A.A. Dostmann, FamRZ 1991, 760, 765: Vorrang des schuldrechtlichen Ausgleichs; im gleichen Sinne Koritz, FPR 2003, 435, 437; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 351; ders., FamRZ 2006, 1181, 1182. 2083 Vgl. oben S. 377 sowie (zu einer parallelen Fragestellung) S. 387. 2084 Siehe wiederum oben B II 2. 2085 Für Anwendbarkeit des § 816 Abs. 2 BGB OLG Köln OLGZ 1969, 333, 333 und 337; LG Stuttgart FamRZ 1998, 241, 241; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 347; siehe auch OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 191, 191; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260. Da die Ehegatten nicht Gesamtgläubiger des Erstattungsanspruchs sind (siehe oben bei Fn 2078), kann § 430 BGB – entgegen BSG FamRZ 1984, 787, 788; OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 832, 834 – von vornherein keine Anwendung finden (vgl. auch LG Köln NJW-RR 1991, 1027, 1027). Der Frage einer Analogiebildung braucht nicht nachgegangen zu werden, da bereits § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, gegebenenfalls in Kombination mit § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, zielführend ist; dazu näher im Folgenden.

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EStG entsteht nämlich, wenn die Anrechnungsbeträge die festzusetzende Steuer der Ehegatten und damit die Steuergesamtschuld2086 übersteigen, und zwar grundsätzlich im Zeitpunkt des Ablaufs des Veranlagungszeitraums.2087 Dieser Zusammenhang lässt zugleich Folgerungen für Art, Umfang und Grundlage des zivilrechtlichen Innenausgleichs zu: Eine Steuererstattung nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG kann hiernach, wirtschaftlich betrachtet, als Rückfluss von Anrechnungsbeträgen charakterisiert werden, die die (vollständig getilgte) Steuergesamtschuld übersteigen und daher bei ex post-Betrachtung zu viel geleistet wurden.2088 Die Erstattung stellt den Ehegatten, der sie vereinnahmt, folglich im Nachhinein so, als sei der korrespondierende Anrechnungsbetrag nicht durch ihn bzw. zu seinen Gunsten geleistet worden.2089 Das rechtfertigt es, in etwas vereinfachender Weise auch für den Ausgleich analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zugrunde zu legen, dass erstattete Leistungen im wirtschaftlichen Ergebnis nicht an den Steuergläubiger geflossen sind. Dementsprechend können sie bei der Bestimmung des Anteils des vereinnahmenden Ehegatten an der Tilgung der Steuergesamtschuld außer Ansatz bleiben. So betrachtet, spielen für den Innenausgleich nur die nicht zurückgewährten Leistungen eine Rolle. Demzufolge ist die Frage nach einer vom Gesamtschuldnerausgleich zu trennenden Erstattungsberechtigung falsch gestellt – und nicht zielführend, weil ausschließlich § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB Anwendung findet, über den alle tilgungsrelevanten Effekte abgebildet werden können.2090 Das erscheint auch folgerichtig: Die Grundlage der Ausgleichsrechnung müssen sämtliche steuer- und zivilrechtlich bedeutsamen Vorgänge und Umstände bilden,2091 zu denen auch die Vereinnahmung der Steuererstattung zählt. Es besteht kein genügender Anlass, diesen Aspekt zu isolieren, zumal sich die Steuererstattung – wie ge2086 Ausführlich oben 3 b). 2087 So die zutreffende herrschende Meinung; Nachweise zum Streitstand und weitere Einzelheiten in Fn 1985. 2088 Im gleichen Sinne Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 241 („‘negative’ Steuerzahlungen“). 2089 Entsprechend § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hängt die steuerliche Erstattungsberechtigung nämlich davon ab, wessen Schuld mit der anzurechnenden Leistung getilgt werden sollte; vgl. nur BFH BStBl. II 2009, 38, 39; Boeker, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz. 65 ff. mit 59 ff.; weitere Nachweise in Fn 1708. 2090 Für die Einschlägigkeit des Gesamtschuldnerausgleichs in Erstattungsfällen auch (allerdings ohne Problemerörterung und ohne Abschichtung zum Unterhaltsrecht) BGH NJW 2006, 2623, 2625; BGH FuR 2002, 498, 498; BFH/NV 2005, 833, 834; Koritz, FPR 2003, 435, 436 f.; siehe ferner Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 12c; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 26. 2091 Zusammenfassend oben unter I.; siehe auch soeben unter e).

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zeigt – problemlos in die Gesamtrechnung integrieren lässt, und zwar gewissermaßen als durchlaufender Posten.2092 Es bleibt mithin auch für Erstattungssituationen dabei, dass die zivilrechtliche Kernfrage in der Aufteilung der Steuergesamtschuld besteht. Hierfür ist die steuerliche Erstattungszuweisung lediglich mittelbar von Bedeutung, und zwar für die Bestimmung, welcher Ehegatte im Ergebnis welchen Teil der Steuerschuld getragen hat. Damit kann – entgegen den eingangs dargestellten Bedenken – festgehalten werden, dass § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch in dieser Hinsicht eine genügende Grundlage für den Steuerausgleich darstellt, wobei es allerdings nicht um eine isolierte Aufteilung der Erstattung geht, sondern, wie sonst auch, um die Ermittlung der Anteile an der Gesamtschuld insgesamt.2093 Da sowohl der Ausgleichsanspruch analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB als auch der Auszahlungsanspruch nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG (erst) mit Bekanntgabe des Steuerbescheides fällig werden,2094 besteht auch nicht die Gefahr einer Inanspruchnahme aus dem Gesamtschuldinnenverhältnis, bei der der Erstattungsbetrag unberücksichtigt bleibt. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die hier mit Blick auf Erstattungssituationen nach § 36 Abs. 4 EStG angestellten Erwägungen auf Fälle übertragbar sind, in denen die Erstattung auf einer anderen Ursache als der

2092 Etwas komplizierter können sich die Dinge allerdings darstellen, wenn die Steuererstattung unterhaltsrelevant ist (vgl. oben bei Fn 2083). In derartigen Fällen wird es aber praktisch nie zu einem Ausgleich auf schuldrechtlicher Basis kommen können. 2093 Ergänzend sei zudem darauf hingewiesen, dass es insbesondere nicht möglich erscheint, § 816 Abs. 2 BGB analog anzuwenden (vgl. demgegenüber aber OLG Köln OLGZ 1969, 333, 337 und Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 347, die die Vorschrift sogar für unmittelbar einschlägig halten). Denn als wertungsmäßig vergleichbare Situationen kommen hier nur die Fälle des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG in Betracht. Der Anspruch wäre folglich auf die Herstellung des steuerlich richtigen Erstattungsergebnisses (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO) gerichtet (vgl. LG Köln NJW-RR 1991, 1027, 1027; Walz, StVj 1993, 46, 55 sowie insoweit auch OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 191, 191; LG Stuttgart FamRZ 1998, 241, 241; Dyck­mans, Ehegattenveranlagung, S. 229 f.; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 124 ff.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260). Für einen derartigen Anspruch besteht jedoch aus zivilrechtlicher Sicht weder Notwendigkeit noch Anlass, denn die zivilrechtlich richtige Erstattungszuweisung ist gerade nicht deckungsgleich mit der steuerrechtlichen; im gleichen Sinne Liebelt, FamRZ 1993, 626, 631. 2094 In Bezug auf § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB siehe oben c). Für den Erstattungsanspruch folgt die Fälligkeit aus § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG selbst (Bekanntgabe des Steuerbescheides, siehe BFH/NV 2002, 471, 472 mit weiteren Nachweisen); zum Begriff „Steuerbescheid“ im Sinne von § 36 Abs. 4 EStG vgl. erneut Fn 2013.

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positiven Differenz von Anrechnungsbeträgen und Steuergesamtschuld beruht.2095 g) Grenzen Die Reichweite des Gesamtschuldnerausgleichs endet allerdings notwendigerweise dort, wo es nicht mehr (nur) um die Aufteilung der Steuerschuld geht, sondern um überschießenden Vorteilsausgleich, d.h. wo Leistungen beansprucht werden, die über die volle Tragung der Schuld durch den Anspruchsgegner hinausgehen und sie damit in dieser Hinsicht übersteigen. Zu denken ist an Fälle, in denen ein Ehegatte keine oder so geringe Einkünfte hat, dass er im Falle einer Einzelveranlagung keine oder nur wenig Steuern zu zahlen hätte.2096 Soweit nämlich der Gesamtschuldnerausgleich (nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen) eröffnet ist, führt er in derartigen Fällen zwar zu dem Ergebnis, dass der allein- bzw. besserverdienende Ehegatte im Innenverhältnis die gesamte Steuerlast zu tragen hat.2097 Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Partizipation an der (restlichen) Splittingersparnis kann § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB jedoch nicht tragen, da in der entsprechenden Höhe keine Gesamtschuld bestanden hat.2098 Hierfür bedarf es folglich einer 2095 Zu denken ist beispielsweise an den Fall, dass sich eine im Steuerbescheid nach § 36 Abs. 4 EStG ausgewiesene und getilgte Abschlusszahlung im Rechtsmittelverfahren als zu hoch erweist. Der aus der Überzahlung resultierende Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO (vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, § 37 AO Tz. 27, 34) kann für Zwecke des zivilrechtlichen Innenausgleichs ebenso behandelt werden wie eine Erstattung nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG – und führt daher zur Nichtberücksichtigung der mit ihr korrespondierenden Tilgungsleistung. Gegebenenfalls muss eine ergänzende Ausgleichsrechnung erfolgen, wenn auf Grundlage des ursprünglichen Bescheides bereits eine (vorläufige) Bereinigung durchgeführt worden war. 2096 Die zuletzt genannte (zweite) Alternative erfasst Situationen, in denen die zusammenveranlagungsbedingte Steuerersparnis mehr als doppelt so hoch ist wie die Steuerlast des weniger Verdienenden bei Einzelveranlagung. Die hier erörterte Frage stellt sich für den darüber hinausgehenden Teil des Steuervorteils. 2097 Beträgt die Steuerlast seines Partners bei hypothetischer Einzelveranlagung 0, folgt dies aus dem Aspekt des Nachteilsausgleichs. Liegt sie etwas höher, beruht dieses Ergebnis aus einer Kombination von Nachteils- und Vorteilsausgleich. 2098 Vgl. demgegenüber die Ausführungen zur Ausgleichsfähigkeit von verlusteinbringungsbedingten Steuervorteilen in Organschaften bei Witt, Konzernbesteuerung, S. 368 ff. (S. 374 ff.), der sich insoweit für eine teleologische Extension des § 426 Abs. 1 BGB ausspricht. Das überzeugt jedoch nicht, da hierdurch das System des Gesamtschuldnerausgleichs gesprengt würde, denn dieser findet seinen Bezugspunkt – und damit zugleich seine innere Beschränkung – in der internen Aufteilung einer Schuld. Um nichts anderes ist es im Übrigen auch in den von Witt, aaO, S. 373 ff. in Bezug genommenen Entscheidungen gegangen, in denen

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anderen Anspruchsgrundlage. Auf diese Frage wird unter III. näher eingegangen. 4. Ergänzende Anwendung von § 426 Abs. 2 BGB? Handelt es sich bei § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB mithin – sieht man von der soeben herausgearbeiteten Einschränkung ab – um die zentrale Anspruchsgrundlage für den schuldrechtlichen Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten, so stellt sich zugleich die Frage, ob auch die Legalzession nach § 426 Abs. 2 BGB eingreift, die diesen Anspruch ergänzen würde. Auch insoweit kann es sich, gemäß den Ausführungen unter 2., nur um eine analoge Anwendung handeln. Es entspricht der heute nahezu unangefochtenen Auffassung, diese Vorschrift auch auf Steuergesamtschulden anzuwenden,2099 wobei wiederum ganz verbreitet von einer unmittelbaren Anwendung ausgegangen wird.2100 Nach herrschender Meinung soll sich der übergehende Steueranspruch für Zwecke des Innenausgleichs allerdings in eine privatrechtliche Forderung verwandeln, die vor den Zivilgerichten geltend zu machen ist und auch sonst im Wesentlichen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen unterliegt.2101 Eine Minderheitsauffassung spricht sich hingegen für die Beibehaltung des öffentlich-rechtlichen Charakters des Anspruchs aus, ohne jedoch –

der Rechtsgedanke des § 426 Abs. 1 BGB auf strukturell ähnliche Fragestellungen übertragen wurde; gegen den Ansatz Witts auch bereits Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 459; vgl. ferner Habersack, BB 2007, 1397, 1398 sowie schon Kieker, Gewerbesteuerumlage, S. 52, S. 60 f.; Kleindiek, DStR 2000, 559, 562; W. Müller, FS Beisse, S. 363, 368 f.; Simon, DStR 2000, 431, 434; siehe ferner die Ausführungen in § 17. 2099 Zusammenfassend H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 257 („darf heute als gesichert gelten“); Einzelnachweise sogleich sowie bereits in Fn 1887. Die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbreitete Gegenauffassung (Nachweise bei Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 108 f.) ist in jüngerer Zeit kaum noch vertreten worden (näher sogleich bei Fn 2105). 2100 Siehe etwa Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 64; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 27; Binnewies/Wollweber, ZEV 2008, 517, 517 ff.; Walz, StVj 1993, 46, 50; Witt, DStR 2007, 56, 57. 2101 Blümich/Wagner, § 42d EStG Rz. 123; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 64; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 42; Staudinger/ Noack, BGB, § 426 Rn. 250; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 27; Binnewies/ Wollweber, ZEV 2008, 517, 518; Heuermann, Systematik, S. 350 f.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 171; Preißer, Gesamtschuld, S. 187 ff.; Stolterfoht, JZ 1975, 658, 658 ff.; Walz, ZIP 1991, 1405, 1410 f.; siehe auch BGHZ 75, 23, 24 f. sowie (distanzierter) B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 35; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 38 AO Tz. 50; Einzelheiten im Folgenden.

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was sich von selbst versteht2102 – dem Zessionar staatliche Eingriffsbefugnisse einzuräumen.2103 Als wesentlicher Vorteil der ergänzenden Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB wird der Übergang etwaiger Sicherungs- und Vorzugsrechte des Steuergläubigers auf den befriedigenden Gesamtschuldner angeführt (vgl. §§ 412, 401 BGB).2104 Diese heute kaum mehr in Zweifel gezogene Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB auf Steuergesamtschulden2105 hätte folgende Konsequenzen: Der Erfüllungsbegriff in § 44 Abs. 2 Satz 1 AO und die gleichgestellten 2102 Siehe nur RGZ 143, 91, 94; Stolterfoht, JZ 1975, 658, 662; de Wall, Anwendbarkeit, S. 503; Walz, ZIP 1991, 1405, 1410 und 1412. 2103 Ausführlich Clemens, Steuerprozesse, S. 23 ff.; H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 257 ff. sowie bereits Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 74, S. 108 ff. (S. 111); ebenso Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 42d Rn. A 30; André, NJW 1973, 1495, 1495 f.; siehe auch Rimmelspacher, ZZP 95 (1982), 280, 282 ff.; dens., JZ 1975, 165, 165 f.; Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 174, 205 ff. (207). 2104 Blümich/Wagner, § 42d EStG Rz. 123; Clemens, Steuerprozesse, S. 18 f.; Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 74 und S. 110; Preißer, Gesamtschuld, S. 187 f.; Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 174, 205 f.; ders., JZ 1975, 658, 659; Walz, ZIP 1991, 1405, 1410; siehe auch B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 35 sowie für den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Zusammenhang Erman/ Böttcher, BGB, § 426 Rn. 46; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 39 f., 45; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 122, 135. Richtigerweise kann auch § 412 BGB allenfalls analog angewendet werden, was schon daraus folgt, dass die Verweisungs­vorschrift (§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB) selbst nicht unmittelbar einschlägig ist (siehe oben). Der in den §§ 412, 426 Abs. 2 Satz 1 BGB verwendete Forderungsbegriff ist ohnehin nur auf Ansprüche aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen zugeschnitten (vgl. zum Sprachgebrauch des Gesetzes etwa Palandt/Grüneberg, BGB, § 398 Rn. 9; Staudinger/Busche, BGB, Einl. zu §§ 398 ff. Rn. 5, 6 und 8). Ferner sei darauf hingewiesen, dass dem leistenden Gesamtschuldner nach den allgemeinen, zu § 426 Abs. 2 BGB anerkannten Grundsätzen auch ein Anspruch auf Einräumung etwaiger nicht akzessorischer Sicherungsrechte gegen den Gläubiger zustehen müsste (siehe nur Bydlinski, aaO, Rn. 45; Staudinger/Noack, aaO, Rn. 135). Auf die Übertragbarkeit dieses Gedankens auf Steuergesamtschulden ist, soweit Verf. ersichtlich, bisher noch nicht eingegangen worden. Welche Reichweite die entsprechende Anwendung der §§ 412, 401 BGB im Steuerrecht hätte, ist ohnehin nicht zweifelsfrei (vgl. Rimmelspacher, ZZP 95 (1982), 280, 285 ff.; Walz, ZIP 1991, 1405, 1411 f.). Haftungsansprüche nach §§ 69 ff. AO sollen nicht auf den Zessionar übergehen (so BGHZ 75, 23, 25 f.; ihm folgend Drüen, in: Tipke/Kruse, § 38 AO Tz. 49; Preißer, aaO, S. 188 f.; Rimmelspacher, aaO, S. 285; a.A. wohl H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 258 Fn 113); zur Frage des Übergangs staatlicher Vorzugsrechte näher Clemens, aaO, S. 100 ff.; Rimmelspacher, aaO, S. 285 ff.; Walz, aaO, S. 1412. 2105 Eine Legalzession von Steueransprüchen ablehnend lediglich Friedrich, StuW 1979, 259, 265 (mit Blick auf Bürgschaften für Steuerschulden); W. Müller, FS Beisse, S. 363, 368; Pyszka/Hahn, GmbHR 2010, 689, 691 Fn 13 (beiläufig und ohne Hinweis auf die entgegenstehende herrschende Meinung). Im allgemeineren verwaltungsrechtlichen Kontext finden sich ebenfalls nur vereinzelt ableh-

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Schulderlöschenstatbestände2106 müssten in Bezug auf ihre Wirkungen einschränkend ausgelegt werden: Der Steueranspruch ginge nicht schlechthin unter, sondern bliebe für Zwecke des Binnenregresses erhalten, soweit die Legalzession analog § 426 Abs. 2 BGB reicht,2107 die ihrerseits an die Reichweite des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (analog­) anknüpft.2108 Es gilt mithin nichts anderes, als im bürgerlichrechtlichen Kontext für das Verhältnis von § 422 Abs. 1 BGB zu § 426 Abs. 2 BGB anerkannt ist.2109 Anders als § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bezieht sich die Legalzession aber nur auf solche Forderungsteile, die gegenüber dem staatlichen Steuergläubiger getilgt wurden, so dass § 426 Abs. 2 BGB nur mit dem Ausgleichs-, nicht aber mit dem vorgelagerten Befreiungsanspruch korrespondiert.2110 Was speziell den Gesamtschuldnerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten angeht, müsste der Begriff der Befriedigung in § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB – entsprechend den obigen Ausführungen zu § 44 Abs. 2 Satz 1 AO – weit verstanden werden und würde auch Anrechnungsbeträge erfassen.2111 Selbstverständlich wäre auch in Bezug auf § 426 Abs. 2 BGB zu beachten, dass der Gesamtschuldnerausgleich im Anwendungsbereich der Außenlösung verdrängt wird.2112 Ob der Steueranspruch tatsächlich (mit den soeben dargestellten Konsequenzen) analog § 426 Abs. 2 BGB auf den leistenden Gesamtschuldner übergehen kann, bedarf an dieser Stelle zwar keiner abschließenden Beurteilung, denn dem daraus resultierenden Ausgleichsanspruch kommt nende Stellungnahmen (vgl. Harms, NJW 1999, 3668, 3674; Kormann, UPR 1983, 281, 287 Fn 31). 2106 Gemeint sind Aufrechnung (§ 44 Abs. 2 Satz 2 AO) und Anrechnung (näher oben 3 b), insbesondere S. 410). 2107 Vgl. bereits H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 260; für den bürgerlich-rechtlichen Kontext (Verhältnis von § 422 Abs. 1 BGB zu § 426 Abs. 2 BGB) siehe nur Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 38; Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 120 f.; Einzelheiten zur rechtskonstruktiven Basis und den damit verbundenen Begründungsschwierigkeiten bei Ehmann, Gesamtschuld, S. 79 ff. (S. 102) mit umfänglichen Nachweisen. 2108 Siehe nur Walz, ZIP 1991, 1405, 1407. Das folgt aus § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB („Soweit ein Gesamtschuldner […] von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann […]“). Einzelheiten bei Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 124 ff.; zum gänzlich abweichenden Ansatz Stamms, NJW 2004, 811, 811 ff. näher oben Fn 1994. 2109 Nachweise in Fn 2107. 2110 Vgl. Erman/Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 26; Preißer, Gesamtschuld, S. 187 f.; Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 175, 205. 2111 Vgl. oben 3 b) sowie auch Fn 2106. 2112 Ausführlich oben 3 d).

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in den Fällen des § 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO keinerlei praktische Relevanz zu: Da Sicherungs- und Vorzugsrechte in diesem Bereich bedeutungslos sind, hätte die Legalzession keine eigenständige Bedeutung.2113 Der Anspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB genügt mithin vollauf als Ausgleichsgrundlage unter zusammen veranlagten Ehegatten. Dies vorausgeschickt, sei im Folgenden allerdings auf mehrere Aspekte hingewiesen, die eine Übertragung des § 426 Abs. 2 BGB auf Steuergesamtschulden (und generell eine Legalzession von Steueransprüchen und anderen öffentlich-rechtlichen Forderungen des Staates) als überaus zweifelhaft erscheinen lassen. Was zunächst den methodischen Ausgangspunkt angeht, ist erneut zu betonen, dass die Vorschriften des § 426 BGB nicht unmittelbar anwendbar sind, sondern ihre Übertragung nur im Wege einer – begründungsbedürftigen – Analogie möglich ist.2114 Am Wortlaut des § 426 Abs. 2 BGB wird dieser Zusammenhang besonders gut deutlich, denn wenn hier von „Übergang“ der „Forderung“ die Rede ist, wird damit auf den Anwendungsbereich des Abtretungsrechts verwiesen, dessen Bezugspunkt zivilrechtliche Forderungen bilden.2115 Mithin stellt sich auch in Bezug auf § 426 Abs. 2 BGB die (für § 426 Abs. 1 BGB bejahte)2116 Frage nach der Vergleichbarkeit der Sachlagen bei wertender Betrachtung.2117 Richtigerweise kann davon lediglich insoweit die Rede sein, als auch im Kontext von Gesamtschulden auf öffentlich-rechtlicher Grundlage ein strukturgleiches Bedürfnis für einen Übergang von Sicherungs- und Vorzugsrechten bestehen kann.2118 Sieht man von diesem eher rechtspraktischen Argument ab, können die Sachlagen hingegen kaum als im Rechtssinne vergleichbar angesehen werden. Fragt man in einem ersten Schritt nach den Hintergründen für die Schaffung des § 426 Abs. 2 BGB, so stößt man auf folgende Passage aus den Motiven:

2113 Verf. ist aus dem Kontext der Ehegattenbesteuerung kein gerichtlich entschiedener Fall bekannt, in dem es entscheidend auf die Legalzession angekommen wäre. Im Gegenteil nimmt die neuere Gerichtspraxis ausschließlich auf § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB Bezug (Nachweise in Fn 1886). 2114 Ausführlich oben 2 c) und d) (mit Blick auf § 426 Abs. 1 BGB). 2115 Zum unmittelbaren Geltungsbereich der §§ 398 – 413 BGB siehe nur Palandt/ Grüneberg, BGB, § 398 Rn. 9; Staudinger/Busche, BGB, Einl. zu §§ 398 ff. Rn. 5; zum dort verwendeten Forderungsbegriff näher Staudinger/Busche, aaO, Rn. 8 2116 Siehe erneut oben 2 c). 2117 Vgl. (allgemein für das Verhältnis des Abtretungsrechts zu öffentlich-rechtlichen Ansprüchen) Staudinger/Busche, BGB, Einl. zu §§ 398 ff. Rn. 6. 2118 Vgl. die Nachweise in Fn 2104, insbesondere Clemens, Steuerprozesse, S. 18 f. und Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 110 f.

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Zivilrechtlicher Steuerausgleich „Ein Recht des zahlenden Gesammtschuldners auf Klageabtretung, ohne daß unter den Gesammtschuldnern eine Verpflichtung zur Ausgleichung besteht, ist nicht anzuerkennen; es würde dem inneren Schuldverhältnisse widersprechen. Wann und soweit ein solches Verpflichtungsverhältniß besteht, bestimmt der Entw., da die Abtretung sich nur als Formalität erweisen würde, den Uebergang der Rechte des Gläubigers kraft Gesetzes auf den Gesammtschuldner, der mehr als seinen Antheil geleistet hat […].“2119

Mit der Einführung des § 426 Abs. 2 BGB wollte der Gesetzgeber dem leistenden Gesamtschuldner folglich einen bequemen Erwerbsweg eröffnen, indem er ihm nicht nur einen Anspruch auf Abtretung eingeräumt,2120 sondern den Anspruchsübergang sogar kraft Gesetzes angeordnet hat. Den Anknüpfungspunkt dieses Gedankens bildet mithin die rechtsgeschäftliche Abtretung, die lediglich aus praktischen Gründen („Formalität“) nicht als erforderlich angesehen wurde. Dieser enge Zusammenhang mit der rechtsgeschäftlichen Abtretung kommt im Gesetzestext besonders darin zum Ausdruck, dass in § 412 BGB unter anderem auf die §§ 399, 400 BGB verwiesen wird, woraus abzuleiten ist, dass nicht abtretbare Forderungen zumindest im Grundsatz nicht den Gegenstand einer Legalzession bilden können.2121 Dieser Zusammenhang spricht mit Eindeutigkeit gegen eine analoge Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB auf Steuergesamtschulden, denn es ist heute zu Recht allgemein anerkannt, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht auf Private übertragen werden können.2122 Hierfür wird im Wesentlichen angeführt, dass staatliche Hoheitsrechte infolge 2119 Motive II, S. 170, in: Mugdan/II, S. 94. 2120 Vgl. als Gegenmodell § 255 BGB; näher zur Verhältnisbestimmung Stolterfoht, JZ 1975, 658, 660. 2121 Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 133. Die bei ihm und etwa auch bei Erman/ Ehmann, BGB, 12. Aufl. 2008, § 426 Rn. 28 angeführten, auf teleologischen Erwägungen beruhenden Einschränkungen können nicht auf Gesamtschulden öffentlich-rechtlichen Ursprungs übertragen werden (näher im Folgenden). 2122 VG Berlin EFG 1964, 292, 292 f.; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 18; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 38 AO Tz. 39; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 46 Rz. 8 a.E.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 168; Rimmelspacher, ZZP 95 (1982), 280, 286; im allgemeinerem Zusammenhang auch de Wall, Anwendbarkeit, S. 503 f.; a.A. noch Liebisch, S. 112 f. Die im Haupttext getroffene Aussage gilt mithin unabhängig von der umstrittenen Frage, ob § 399 Alt. 1 BGB in derartigen Situationen (Legalzession) entsprechend angewendet werden kann (bejahend Friedrich, StuW 1979, 259, 265 f.; verneinend H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 257 Fn 109; siehe auch RGZ 135, 25, 30 f.). Man muss sich im Übrigen erneut vergegenwärtigen, dass es ohnehin nur um eine sinngemäße Anwendung des BGB-Zessionsrechts auf Steueransprüche gehen kann. Auf die Möglichkeit einer Einzelanalogie zu § 399 Alt. 1 BGB kommt es daher nicht entscheidend an.

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der neuzeitlichen Staatsentwicklung unveräußerlich seien.2123 Privatpersonen hätten weder die zu ihrer Realisierung erforderlichen Rechte inne, noch könnten ihnen diese eingeräumt werden.2124 Die Verwaltung sei nicht nur daran gehindert, die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten und deren Vollstreckbarkeit im Verwaltungszwang zu übertragen, sondern könne sich ihrer Entscheidungszuständigkeiten ganz generell nicht begeben.2125 Eine rechtsgeschäftliche Übertragung derartiger Verantwortlichkeiten sei mit ihrer Bindung an Gesetz und Recht, die dem Schutz der betroffenen Bürger diene, nicht zu vereinbaren.2126 Was speziell den Steueranspruch angeht, wird ferner darauf hingewiesen, dass die Erzielung von Einkünften für ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen steuerbegründendes Merkmal sei (§ 3 Abs. 1 AO), das bei einer Übertragung der Steuerforderung entfiele.2127 Vor dem Hintergrund dieses überzeugend begründeten Konsenses über die rechtsgeschäftliche Unübertragbarkeit des Steueranspruchs muss es erstaunen, mit welcher Selbstverständlichkeit manche Autoren im selben Atemzug die Möglichkeit einer Legalzession bejahen.2128 2123 Drüen, in: Tipke/Kruse, § 38 AO Tz. 39; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 168; de Wall, Anwendbarkeit, S. 503; Walz, ZIP 1990, 1405, 1410; näher zu diesem Aspekt Rimmelspacher, ZZP 95 (1982), 280, 286 mit weiteren Nach­ weisen. Umstritten ist heute nur noch, ob eine Abtretung an andere Hoheits­ träger zulässig ist; dies grundsätzlich bejahend BFH BStBl. II 2000, 46, 54 f.; BFH BStBl. II 1973, 513, 515; Klein/Ratschow, AO, § 46 Rn. 4; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 46 Rz. 8; siehe aber BFH BStBl. II 1989, 1004, 1006; a.A. Drüen, aaO; R. Hein, BB 1977, 991, 991; Kruse, aaO, S. 168 f.; de Wall, aaO, S. 504. 2124 B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 46 Rz. 8 a.E. Die Beleihung eines Privaten wird nur auf gesetzlicher Grundlage als möglich angesehen (de Wall, Anwendbarkeit, S. 503). 2125 de Wall, Anwendbarkeit, S. 503; zum Vollstreckungsaspekt vgl. auch Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 168. 2126 de Wall, Anwendbarkeit, S. 503. 2127 VG Berlin EFG 1964, 292, 292; ebenso Rimmelspacher, ZZP 95 (1982), 280, 286; siehe auch Friedrich, StuW 1979, 259, 266. Auf eine etwaige Gegenleistung des Zessionars könne nicht abgestellt werden, weil man andernfalls wieder zu dem überwundenen System der Steuerverpachtung gelangte. 2128 Exemplarisch Drüen, in: Tipke/Kruse, § 38 AO Tz. 39 und 41 ff.; Stolterfoht, JZ 1975, 658, 658; de Wall, Anwendbarkeit, S. 503 f. mit Fn 1194. Offen angesprochen wird dieser Gesichtspunkt hingegen bei Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 112 f., der das entsprechende Spannungsverhältnis jedoch dadurch vermeidet, indem er sich – unhaltbar – für die Abtretbarkeit von Steueransprüchen an Private ausspricht. Nicht überzeugend aufgelöst wird es jedenfalls bei RGZ 135, 25, 30 und VG Berlin EFG 1964, 292, 292 (näher im Folgenden). Auch die Argumentation Rimmelspachers, ZZP 95 (1982), 280, 287 vermag nicht zu überzeugen, denn auch auf Grundlage der von ihm angenommenen Aufspaltung des Steueranspruchs in mehrere Elemente ändert sich nichts daran, dass es um die

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Dass man den gesetzlichen Anspruchsübergang – im Gegensatz zur rechtsgeschäftlichen Abtretung – weithin als unproblematisch ansieht, dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass die herrschende Meinung und die ständige Praxis von einer Umwandlung des Steueranspruchs in eine zivilrechtliche Forderung ausgehen, die die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte eröffnet und dazu führt, dass die zuvor vorhandenen steuerrechtlichen Strukturmerkmale (in mehr oder weniger großem Umfang)2129 durch bürgerlich-rechtliche ersetzt werden.2130 Hierbei handelt es sich um eine kühne Rechtsfortbildung, die sich bei näherem Hinsehen als nicht hinreichend fundiert erweist: Dieser Ansatz fußt auf einem Urteil des Reichsgerichts aus dem Jahre 1931 zur parallelen Problemstellung bei der Zollbürgschaft,2131 das einer tragfähigen Begründung entbehrt, weil es die Umwandlung der öffentlich-rechtlichen Durchsetzung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs durch eine Privatperson geht. Auf den Ansatz Walz', ZIP 1991, 1405, 1410 wird im Rahmen der weiteren Ausführungen näher eingegangen. 2129 Die genaue Ausgestaltung dieser Forderung und ihre Geltendmachung dürfen als ungesichert bezeichnet werden. So ist in Bezug auf die Verjährung umstritten, ob steuerrechtliche oder zivilrechtliche Grundsätze eingreifen (siehe einerseits Preißer, Gesamtschuld, S. 189 und andererseits Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 64; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 171; vermittelnd Binnewies/Wollweber, ZEV 2008, 517, 518 f.); zur Reichweite des § 401 BGB siehe bereits oben Fn 2104. Weitere Problemfelder spricht Friedrich, StuW 1979, 259, 266 an. Hinzuweisen ist ferner auf das bisher nicht hinreichend geklärte Verhältnis der (fortbestehenden) Zuständigkeit der Finanzverwaltung für das Festsetzungsverfahren zum zivilrechtlichen Charakter der Forderung (vgl. dazu die knappen Ausführungen Kruses, aaO). So erscheint es überaus fraglich, ob analog § 426 Abs. 2 BGB auch ein nicht durch Verwaltungsakt konkretisierter Anspruch übergehen kann, denn in diesem Fall verwandelte sich eine nicht fällige Forderung (vgl. § 220 Abs. 2 Satz 2 AO) infolge Legalzession in einen durchsetzbaren Anspruch (zum Gesichtspunkt der Anspruchsidentität näher sogleich). Dieser Aspekt kann deshalb praktische Bedeutung erlangen, weil verbreitet vertreten wird, dass eine Steuerfestsetzung zu unterbleiben hat, wenn die Steuerschuld bereits vollständig durch einen anderen Gesamtschuldner getilgt wurde (BFH BStBl. II 1975, 895, 896; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 26; allerdings nicht zweifelsfrei!). Darüber hinaus erscheint die Umwandlung des Steueranspruchs in eine zivilrechtliche Forderung auch deshalb als problematisch, weil dem Schuldner hierdurch die Möglichkeit genommen wird, von gesetzlich vorgesehenen Billigkeitsentscheidungen im Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren zu profitieren. Jedenfalls steht ein überzeugendes Gesamtkonzept für die hier aufgeworfenen Themengebiete nach wie vor aus. 2130 Nachweise in Fn 2101. Der hier angeführte Zusammenhang kommt bereits in der grundlegenden Entscheidung RGZ 135, 25, 30 (zu ihr näher sogleich) deutlich zum Ausdruck; ebenso deutlich VG Berlin EFG 1964, 292, 292. 2131 RGZ 135, 25, 26 ff. (29 f.); Näheres zu diesem Urteil und seinen möglichen Hintergründen (Rechtsschutzlücke nach damaligem Recht) bei Rimmelspacher, JZ 1975, 165, 165 f. Frühere Entscheidungen hatten sich hingegen noch nicht grund-

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Zollforderung in einen zivilrechtlichen Anspruch nicht erklärt, sondern nur behauptet.2132 In der Folgezeit hat die Praxis diese Entscheidung dennoch kritiklos weitergeschrieben.2133 Wo ein Begründungsversuch unternommen wird, bleibt es im Kern bei Zweckmäßigkeitserwägungen ohne zwingende rechtliche Evidenz.2134 Demgegenüber ist zu betonen, dass § 426 Abs. 2 BGB in seinem direkten Anwendungsbereich zu einem identitätswahrenden Übergang der betroffenen Forderung führt.2135 Nur diese Rechtsfolgenanordnung könnte folglich im Wege der Analogie auf den Steueranspruch übertragen werden.2136 Seine von der herrschenden Meinung für richtig erachtete Metasätzlich mit der hier erörterten Frage auseinandergesetzt (vgl. RGZ 70, 405, 409; RGZ 67, 214, 220 f.). 2132 Siehe im Einzelnen die treffenden Analysen bei Clemens, Steuerprozesse, S. 31 ff. und Rimmelspacher, JZ 1975, 165, 165. Die Kritik Preißers, Ge­ samtschuld, S. 188 an den Ausführungen Rimmelspachers verfängt nicht, denn den Bezugspunkt dieser Ausführungen bildet die „Auferstehung“ als zivilrecht­ liche Forderung, die weder vom RG noch von Preißer überzeugend begründet wird. Ferner beruht die Entscheidung des RG auf überkommenden Vor­ stellungen über das Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht und kann auch deshalb die vertretene These nicht (mehr) tragen (näher H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 259). Auch ist die seinerzeit bestehende Rechtsschutzlücke aus heutiger Sicht entfallen (siehe dazu Clemens, aaO, S. 33 ff.; Rimmelspacher, aaO, S. 166). 2133 Vgl. BGHZ 75, 23, 24 f.; BGH NJW 1973, 1077, 1078; BGHZ 39, 319, 323; RGZ 146, 317, 319 f.; BFH BStBl. II 1976, 579, 580; die Entscheidung BGH NJW 1973, 1077 zu Recht ablehnend André, NJW 1973, 1495; 1495 f.; Rimmelspacher, JZ 1975, 165, 165 f. 2134 Vgl. insbesondere Stolterfoht, JZ 1975, 658, 659 ff. („nicht erstrebenswert“, „pragma­tische Aspekte“, „gilt es daher im Rahmen des Möglichen dafür zu sorgen“) sowie auch Walz, ZIP 1991, 1405, 1410 f. Bezeichnenderweise ist Stolterfoht wenige Jahre später stillschweigend von diesem Standpunkt abgerückt (Stolterfoht, DStJG 9 (1986), 175, 207); siehe ferner die treffenden Ausführungen Friedrichs, StuW 1979, 259, 265 f. zu weiteren vorgebrachten Argumenten. 2135 Siehe nur BGHZ 9, 65, 72; Bydlinski, in: MünchKomm.-BGB, § 426 Rn. 40 mit weiteren Nachweisen; für den hier untersuchten steuerrechtlichen Kontext siehe Clemens, Steuerprozesse, S. 23 f.; Friedrich, StuW 1979, 259, 266; Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 111; Rimmelspacher, JZ 1975, 165, 165 f.; H. Schäfer, Dreiecksbeziehung, S. 257 f., S. 260 f.; vgl. in ähnlichem Zusammenhang auch RGZ 143, 91, 93 f.; unhaltbar deshalb VG Berlin EFG 1964, 292, 292: „ein Forderungsübergang im eigentlichen Sinne“ finde „gar nicht statt“. Hiervon nicht weit entfernt sind auch die Ausführungen Walz', ZIP 1991, 1405, 1410 (zu seinem Ansatz näher sogleich). 2136 Siehe zur Analogie im Allgemeinen oben bei Fn 1940. Die Ausführungen im Haupttext gelten in gleichem Maße für diejenigen, die § 426 Abs. 2 BGB sogar unmittelbar anwenden wollen. Der Hinweis Walz', ZIP 1991, 1405, 1410 „auf den begrenzten Zweck der cessio legis“ und die verschiedenen (gesetzes-)„tech-

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morphose hin zu einer zivilrechtlichen Forderung ist hiermit unvereinbar.2137 Für sie ist auch sonst keine rechtliche Grundlage ersichtlich. Insbesondere ist die Behauptung falsch, der zivilrechtliche Charakter des Anspruchs folge daraus, dass nunmehr ein Privater Forderungsinhaber sei.2138 Denn im Wege des § 426 Abs. 2 BGB kann lediglich der (als solcher) bestehende2139 Steueranspruch übergehen,2140 nicht aber wird – wie bei § 426 Abs. 1 BGB – ein originärer Ausgleichsanspruch geschaffen, der in der Tat zivilrechtlicher Natur wäre.2141 Konsequenterweise bleiben daher nur zwei Möglichkeiten: Entweder man erkennt den Übergang des Steueranspruchs an, oder man lehnt die analoge Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB ab. Der erste Weg wird von der eingangs bereits erwähnten Minderheitsauffassung eingeschlagen, die den öffentlich-rechtlichen Charakter des übergeleiteten Anspruchs beibehalten will.2142 Da die abgabenrechtlichen Vorschriften über die Steuerfestsetzung, -erhebung und -voll­ streckung jedoch nicht mit einer privaten Rechtsinhaberschaft kompati-

nischen“ Möglichkeiten eines Übergangs von Sicherungs- und Vorzugsrechten trägt m.E. nur de lege ferenda, da sich der Gesetzgeber in § 426 Abs. 2 BGB nun einmal für das Konzept der Legalzession entschieden hat (vgl. erneut die auf S. 437 zitierten Materialien), die weiter reicht als ein isolierter Übergang derartiger Berechtigungen (näher Stolterfoht, JZ 1975, 658, 660; siehe auch Clemens, Steuerprozesse, S. 18 f.). 2137 Hierüber helfen auch die eher begrifflichen Erwägungen Stolterfohts, JZ 1975, 658, 661 zur Identität nicht hinweg; vgl. in diesem Zusammenhang auch Friedrich, StuW 1979, 259, 266. 2138 Vgl. BGH NJW 1973, 1077, 1078: „Die als Steuerforderung entstandene Forderung dient in der Hand des Bürgen der Durchsetzung seines privatrechtlichen Rückgriffsanspruchs gegen den Hauptschuldner und keinen öffentlichen Belangen mehr. Deshalb kann sie in seiner Hand auch nur noch eine privatrechtliche Geldforderung sein, für die der ordentliche Rechtsweg gegeben ist“; im gleichen Sinne BGHZ 75, 23, 24 f.; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 35; vgl. auch Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 27; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 171. 2139 Vgl. oben bei Fn 2107. 2140 Ablehnend auch bereits André, NJW 1973, 1495, 1495 f., der auf die allgemeinen Grundsätze über die Abgrenzung von Zivilrecht und öffentlichem Recht (vgl. dazu oben S. 392 f.) hinweist und zu Recht betont, dass eine bloße, infolge der Legalzession eintretende Verschiebung der Aktivlegitimation nichts am Charakter der Forderung ändern kann (ähnlich Clemens, Steuerprozesse, S. 23 ff.; Rimmelspacher, JZ 1975, 165, 165 f.; vgl. auch bereits RGZ 143, 91, 93 f.). 2141 Ausführlich oben 2 b); ebenso bereits Clemens, Steuerprozesse, S. 42 ff. 2142 Nachweise in Fn 2103.

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bel sind,2143 ist auch dieser Weg nur über die Inkaufnahme weit reichender Rechtsfortbildungsakte gangbar.2144 Nimmt man hinzu, dass eine rechtsgeschäftliche Abtretung wegen ebendieser Vorbehalte allgemein als unzulässig angesehen wird,2145 spricht vieles dafür, eine analoge Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB auf Steuergesamtschulden – sowie generell eine Legalzession öffentlich-rechtlicher Ansprüche des Staates – abzulehnen.2146 Insbesondere hilft es nicht weiter, kurzerhand die „rein vermögensrechtlichen“ Elemente des Anspruchs von seiner hoheitlichen Einkleidung „abzutrennen“ und sie isoliert übergehen lassen zu wollen.2147 Dies wäre nicht nur in Bezug auf die in den §§ 412, 426 Abs. 2 Satz 1 BGB vorausgesetzte Anspruchsidentität überaus bedenklich,2148 sondern würde auch die verfahrensrechtlichen Rechte des Schuldners im Bereich der Steuererhebung und -vollstreckung leer laufen lassen2149 – was mit dem Rechtsgedanken2150 namentlich des § 404 BGB unvereinbar wäre.2151 Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass der Ansatz der herrschenden Meinung im Wesentlichen am Ergebnis des Übergangs von

2143 Vgl. nur – treffend – Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, S. 168 sowie die obigen, gegen eine Abtretbarkeit öffentlich-rechtlicher Ansprüche angeführten Argumente. 2144 Vgl. bereits Friedrich, StuW 1979, 259, 266 sowie auch Stolterfoht, JZ 1975, 658, 662. Auch die hier in Bezug genommene Auffassung käme folglich nicht umhin, öffentlich-rechtliche Instrumente durch zivilrechtliche zu ersetzen. Das wird an dem (wenig durchdachten und rechtlich kaum einzuordnenden) Hinweis H. Schäfers, Dreiecksbeziehung, S. 261 f. auf „schlicht-hoheitliche Handlungsbefugnisse“ des privaten Zessionars deutlich. Die Ausführungen Stolterfohts, DSt JG 9 (1986), 175, 207 betreffen lediglich die gerichtliche Geltendmachung. Auch Clemens, Steuerprozesse, S. 23 ff., S. 62 ff. ist weit davon entfernt, ein geschlossenes Konzept zu den sich aufdrängenden materiell- und verfahrensrechtlichen Fragen eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs in privater Hand zu liefern. 2145 Siehe oben S. 437 f. 2146 So Friedrich, StuW 1979, 259, 265 f.; siehe auch W. Müller, FS Beisse, S. 363, 368 (jedoch nur im Rahmen einer kurzen Feststellung und ohne Hinweis auf die entgegenstehende herrschende Meinung). 2147 So aber Walz, ZIP 1991, 1405, 1410; in diese Richtung auch Clemens, Steuerprozesse, S. 62 ff. Die von Clemens herangezogene Rechtsprechung zur Abtretung von Erstattungsansprüchen betrifft Forderungen gegen den Staat und damit (wie er auch selbst erkennt) einen völlig anderen Fall. 2148 Siehe oben bei und in Fn 2136. 2149 Vgl. bereits Fn 2129, wo noch auf weitere Schwierigkeiten eines aus dem öffentlichen Recht herrührenden Anspruchs in privater Hand hingewiesen wird. 2150 Vgl. oben Fn 2104. 2151 Vgl. auch Friedrich, StuW 1979, 259, 266; Harms, NJW 1999, 3668, 3674.

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Sicherungs- und Vorzugsrechten ausgerichtet ist,2152 ohne sich jedoch dogmatisch einigermaßen überzeugend begründen zu lassen. Einzuräumen bleibt allerdings, dass die hier bevorzugte Gegenauffassung wenig erstrebenswerte praktische Folgewirkungen hätte, da die Legalzession auch in solchen Bereichen ausscheiden müsste, in denen Sicherungsrechten größere Bedeutung zukommt.2153 Zu erwägen wäre daher, ob ihre Übertragung auch auf anderem Wege als dem Übergang des Steueranspruchs herbeigeführt werden kann.2154 Sollte diese Möglichkeit nicht offen stehen, wäre es Aufgabe des Gesetzgebers, für eine interessengerechte Lösung zu sorgen. Nachdenklich stimmt in diesem Zusammenhang allerdings, dass einzelne verwaltungsrechtliche Gesetze neueren Datums zwar interne Ausgleichsansprüche nach dem Vorbild des § 426 Abs. 1 BGB enthalten (§ 24 Abs. 2 BBodSchG, § 9 Abs. 2 USchadG),2155 einen gesetzlichen Anspruchsübergang jedoch gerade nicht anordnen.2156 Hieraus lässt sich folgern, dass der Gesetzgeber zumindest für diese Bereiche2157 kein Bedürfnis für eine sinngemäße Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB anerkennt – was sich als weiteres (systematisches) Argument für die hier bevorzugte Lösung anführen lässt.

2152 So in bemerkenswerter Deutlichkeit Blümich/Wagner, § 42d EStG Rz. 123; Heuermann, Systematik, S. 351; Walz, ZIP 1991, 1405, 1410; siehe auch bereits Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 74. 2153 Überblick bei Drüen, in: Tipke/Kruse, § 38 AO Tz. 41 ff.; näher Clemens, Steuerprozesse, S. 18 ff.; siehe auch bereits Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht, S. 108 ff. Darüber hinaus ist nicht überall zweifelsfrei, ob ein daneben stehender gesetzlicher Ausgleichsanspruch existiert. Das müsste im Wege einer Fallgruppenanalyse geklärt werden (vgl. Stolterfoht, JZ 1975, 658, 659). Für Steuergesamtschulden stellt sich diese Frage aufgrund der Existenz des § 426 Abs. 1 BGB nicht. 2154 Vgl. in diesem Zusammenhang den Ansatz Rimmelspachers, Anspruch, S. 223 ff.; gegen ihn Clemens, Steuerprozesse, S. 19; Stolterfoht, JZ 1975, 658, 660; siehe auch die in Fn 2136 und bei Fn 2149 formulierten Vorbehalte. 2155 Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass sich in den (untereinander inhaltgleichen) § 24 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG, § 9 Abs. 2 Satz 2 USchadG keine § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nachgebildete hilfsweise Einstandspflicht nach Kopfteilen findet (siehe dazu G. Wagner, BB 2000, 417, 422 f.; für entsprechende Anwendung dieser Regelung nunmehr ders., VersR 2008, 565, 575 f.). 2156 Eine analoge Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB scheidet vor diesem Hintergrund aus; so zu Recht Landel, in: Landel/Vogg/Wüterich, BBodSchG, § 24 Rn. 20; vgl. auch Frenz, BBodSchG, § 24 Rn. 35. 2157 Zu der Frage, ob diese Vorschriften verallgemeinerungsfähig sind, näher G. Wagner, VersR 2008, 565, 577; vgl. im vorliegenden Zusammenhang auch oben S. 402.

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III. Überschießender Vorteilsausgleich Unter II. ist gezeigt worden, dass die meisten Fälle, in denen ein schuldrechtlicher Anspruch in Betracht kommt, über den Gesamtschuldnerausgleich bewältigt werden können. Lediglich soweit es ausschließlich um Vorteilsteilhabe geht, hat sich dieses Ausgleichsregime als nicht weiterführend erwiesen, weil die Reichweite der Gesamtschuld überschritten ist.2158 Bliebe es dabei, so würde die Splittingersparnis ganz oder zum überwiegenden Teil bei dem allein- bzw. besserverdienenden Ehegatten verbleiben. Hierdurch entstünde ein Spannungsverhältnis zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Ehegattensplittings, denen es am ehesten entsprechen würde, den Steuervorteil beiden Ehegatten gleichmäßig zugute kommen zu lassen.2159 Als unproblematisch stellt sich die Lage wiederum dar, wenn die Ehegatten gemeinschaftlich wirtschaften bzw. das vorhandene Gesamteinkommen (unter Einschluss etwaiger Steuererstattungen) sonst in voller Höhe für gemeinschaftliche Zwecke verwenden, denn dann ist eine hälftige Beteiligung an der Splittingersparnis sichergestellt. Ist dies nicht der Fall und würde der Steuervorteil zu einseitiger Vermögensbildung bzw. zu einseitigem Mehrkonsum führen, stellt sich die Frage nach der Existenz eines Ausgleichsanspruchs. Die bisherige Untersuchung hat hierzu Folgendes ergeben: Im Bereich unterer und mittlerer Einkommen wird die hälftige Teilhabe an der Splittingersparnis in aller Regel über den Unterhaltsanspruch (§§ 1360, 1360a bzw. § 1361 BGB) geschuldet sein. Bei höheren Einkommen ist dies vom Einzelfall abhängig, wobei der Anspruch auf Trennungsunterhalt tendenziell weiter reicht als der Anspruch auf Familienunterhalt.2160 Im Anwendungsbereich des Unterhaltsanspruchs werden etwaige schuldrechtliche Ansprüche verdrängt.2161 Soweit die Einsetzung des Steuervorteils nicht über den Unterhaltsanspruch geschuldet ist, bleibt hingegen Raum für einen Ausgleich auf schuldrechtlicher Grundlage. Der hierzu primär berufene Gesamtschuldnerausgleich hilft in der vorliegend analysierten Situation jedoch, wie gezeigt, nicht weiter, weil seine Reichweite durch den Umfang der Steuergesamtschuld begrenzt wird. Folglich stellt sich die Frage, ob es bei dem daraus resultierenden Zustand bleibt oder die Privatrechtsordnung einen Ausgleichsmechanismus bereitstellt, der über den Gesamtschuldnerausgleich hinausreicht.

2158 Näher oben II 3 g). 2159 Ausführlich oben A II. 2160 Näher oben B II 2. und III. 2161 Siehe erneut oben B II. und III.

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Zu denken ist in erster Linie an einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion).2162 Dem allein- bzw. besserverdienenden Ehegatte ist der zusammenveranlagungsbedingte Steuervorteil – ganz oder zum überwiegenden Teil – zugeflossen,2163 und zwar infolge einer Güterzuordnung, die sich aus der Anwendung des Steuerrechts ergibt, d.h. nicht als Leistung verstanden werden kann,2164 und die einer zivilrechtlichen Abänderung grundsätzlich zugänglich ist.2165 Überaus

2162 Neben dem Bereicherungsrecht auch einen Anspruch aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB erwägend, diesen jedoch im Ergebnis ablehnend Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 246 f. Wie im Folgenden gezeigt wird, können die hier analysierten Fälle schon über das Bereicherungsrecht sachangemessen gelöst werden, so dass es der Ableitung eines familienrechtlichen Zahlungsanspruchs auch insoweit (siehe bereits Fn 2070) nicht bedarf. 2163 Erlangt worden ist – je nach Einzelfall – ein (höherer) Erstattungsbetrag, d.h. eine Forderung gegen den Fiskus gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, und/oder eine Verminderung der zu tragenden Steuerschuld. Im Falle des Bestehens des Bereicherungsanspruchs würde sich der Anspruch daher praktisch immer auf Wert­ ersatz nach § 818 Abs. 2 BGB richten. Demgegenüber ist Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 248 f. (in Anlehnung an Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB, § 812 Rn. 131) der Ansicht, dass es sich bei der Splittingersparnis lediglich um einen rechnerischen Saldo handele, der sich nicht gegenständlich abbilden lasse, so dass es an einem kondizierbaren Gegenstand fehle. Diese Sichtweise erscheint hier zu eng, denn die Splittingersparnis manifestiert sich unmittelbar in einer rechtlich greifbaren, vermögenswerten Position des vereinnahmenden Ehegat­ten, die er folglich (gegenständlich) erlangt hat (vgl. auch Sonnenschein, NJW 1980, 257, 259; Walz, StVj 1993, 46, 53 sowie in ähnlichem Zusammenhang Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 460, jeweils mit Blick auf Verlusteinbringungsfälle; zu ihnen unten F II 1 d)). Die Kernfrage, um die es auch Dyck­mans, aaO der Sache nach geht, lautet vielmehr, ob dieser Mittelzufluss einer vorhandenen rechtlichen Güterzuweisung zuwiderläuft (siehe zu dem dahinter stehenden grundsätzlichen Zusammenhang auch etwa Staudinger/St. Lorenz, BGB, § 812 Rn. 65 a.E.). Sie wird hier wegen der stärkeren Sachnähe (erst) beim Merkmal „auf Kosten“ problematisiert. 2164 Vertiefend unten F II 1 d) in Bezug auf die streitige Parallelproblematik in Verlust­ einbringungssituationen; vgl. in strukturell ähnlichen Kontexten auch Pezzer, verdeckte Gewinnausschüttung, S. 200; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 162 ff.; Stengel/Scholderer, ZGR 1997, 41, 50. Es ist im Übrigen auch nicht möglich, als geleisteten (Primär-)Gegenstand die Zustimmung zur Zusammenveranlagung anzusehen (vgl. im Ansatz auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 248 f.) und die Splittingersparnis sodann § 818 Abs. 1 BGB zu unterstellen. Ein so abgeleiteter Anspruch (aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1, 2 BGB) scheiterte nämlich jedenfalls daran, dass die Zustimmung mit Rechtsgrund erfolgt (näher unten E.; vgl. auch Fn 2382). 2165 Das Besteuerungsergebnis stellt daher keinen Behaltensgrund im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB dar; vgl. in anderen Zusammenhängen auch SchulzeOster­loh, AcP 190 (1990), 139, 163; Stengel/Scholderer, ZGR 1997, 41, 53 sowie die entsprechenden Nachweise in Fn 2393; zum Verhältnis der Tatbe­

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fraglich ist allerdings, ob dieser Vermögensvorteil „auf Kosten“2166 des anderen Ehegatten erlangt wurde.2167 Zur Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmals wird ganz verbreitet auf das Zuweisungskriterium abgestellt, das über die Eingriffskondiktion2168 hinaus auch auf andere Arten der Nichtleistungskondiktion übertragen werden kann.2169 Seine Bejahung bereitet hier erhebliche Schwierigkeiten. Denn die Nichtleistungskondiktion knüpft an sich an eine Vermögensmehrung auf Schuldnerseite an, die einer rechtlichen Güterzuweisung zuwiderläuft, welche bereits vor dem Ereignis, das den Bereicherungsanspruch auslöst, angelegt gewesen sein muss und sich in aller Regel aus den im jeweiligen Sachbereich

standsmerkmale „auf Kosten“ und „ohne rechtlichen Grund“ zueinander vgl. Fn 2166. 2166 Teilweise wird das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten“ als entbehrlich angesehen und die entsprechenden Problemstellungen beim Merkmal „ohne rechtliche Grund“ erörtert (siehe insbesondere Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 240 f. sowie auch Esser/Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 79 f.; dagegen etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 135, S. 138 ff.). An den Sachergebnissen ändert sich durch diese Vorgehensweise aber nichts. 2167 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 249 verortet das Problem, wie in Fn 2163 dargelegt, hingegen bereits bei der Frage des kondizierbaren Gegenstandes. Die im Folgenden diskutierte Problemstellung wird (in anderen Kontexten) zu wenig gewürdigt bei Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 162 ff.; Stengel/Scholderer, ZGR 1997, 41, 53. 2168 Um eine solche handelt es sich vorliegend nicht, da das potentiell zu korrigierende Ergebnis Folge der Besteuerung und nicht einer Eingriffshandlung ist (unpräzise daher – in anderem Zusammenhang – Stengel/Scholderer, ZGR 1997, 41, 53); zu der streitigen Frage, ob die übrigen Anwendungsfälle der Nichtleistungskondiktion aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB typologisch-offen unterteilt werden sollten oder ob ein derartiges Vorgehen keinen Erkenntniswert aufweist, siehe einerseits Esser/Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 36; Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 196 f. und andererseits Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 371 ff., S. 378 ff., die sich für eine einheitliche „Abschöpfungskondiktion“ aussprechen (S. 232 f., S. 383 f.); zu den verschiedenen Ausprägungen der Rechtswidrigkeitslehren, die sich weder im Allgemeinen (vgl. Jakobs, Eingriffserwerb, S. 153 ff. zur Lehre Fritz Schulz') noch in Bezug auf die Eingriffskondiktion haben durchsetzen können, und ihrem Verhältnis zur herrschenden Zuweisungslehre ausführlich Schwab, in: MünchKomm.-BGB, § 812 Rn. 238 ff.; Reuter/Martinek, aaO, S. 241 ff. (mit vermittelnder Auffassung). Die Unterschiede zwischen den vertretenen Ansätzen sind im Wesentlichen gradueller Natur – und selten entscheidend für die Auflösung der hinter dem jeweiligen Einzelproblem stehenden Wertungsfrage (vgl. auch Lieb, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 238 f.). 2169 Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 65; Palandt/Sprau, BGB, § 812 Rn. 36; Staudinger/St. Lorenz, BGB, § 812 Rn. 23; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 245, S. 374; offenbar auch BGHZ 107, 117, 121; anders wohl Lieb, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 235.

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einschlägigen Zivilrechtsvorschriften ergibt.2170 Hier liegen die Dinge anders, denn eine derart verdichtete, präexistente Rechtsposition, wonach der Splittingvorteil beiden Ehegatten zur Hälfte zusteht, lässt sich der geltenden Zivilrechtsordnung nicht entnehmen.2171 Vielmehr soll die wertungsmäßig richtige Güterzuordnung erstmalig über den Bereicherungsanspruch hergestellt werden. Dieser Einwand gilt in noch stärkerem Maße, wenn man verlangt, dass der zu kondizierende Vorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Gläubigers stammen muss.2172 Die Steuerersparnis hat nämlich zu keinem Zeitpunkt einen Bestandteil des Vermögens des anderen Ehegatten gebildet und konnte daher auch nicht in derartiger Weise verschoben werden. Den Bereicherungsanspruch mit diesen Argumenten abzulehnen, erschiene jedoch vorschnell. Was zunächst den Ausgangspunkt der Betrachtungen angeht, ist mit der heute wohl herrschenden Auffassung zu betonen, dass es entscheidend auf das zuweisungswidrige Haben und nicht auf eine Verminderung vorhandenen Gläubigervermögens an2170 Vgl. BGHZ 107, 117, 118 ff. (120 f.); Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 65; Schwab, in: MünchKomm.-BGB, § 812 Rn. 235 ff., 297 f.; Lieb, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 249; Palandt/Sprau, BGB, § 812 Rn. 3 ff., 36; Staudinger/St. Lorenz, BGB, § 812 Rn. 1 („Rechtsfortwirkung“), 23 ff., 31, 77; Esser/Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 74 ff. (S. 79); Kleinheyer, JZ 1970, 471, 474 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 168 ff.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 234 f. („Güterschutzfunktion“), S. 238 f., S. 248 ff., S. 374; Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 98 ff., S. 173 f.; dezidiert Wilburg, Bereicherung, S. 114: „Der Bereicherungsanspruch muß als Rechtsfortwirkung ebenso wie der Schadensersatz aus einem Mutterrecht hervorwachsen.“ Der hier dargestellte Zusammenhang beansprucht auch für andere Arten der Nichtleistungskondiktion als der Eingriffskondiktion Geltung. Beispielsweise wird bei der Verwendungs- und der Rückgriffskondiktion Vermögen des Bereicherungsgläubigers nutzbar gemacht (vgl. auch Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 376 f.). 2171 Dass das steuerliche Verteilungsergebnis für das Innenverhältnis nicht definitiv ist (vgl. Fn 2165), ändert nichts am Fehlen einer derartigen (materiell-positiven) Zuweisungsentscheidung; in anderem Kontext (Verlustverrechnung im gewerbesteuerlichen Organkreis nach früherem Recht) in Bezug auf den zuletzt angeführten Aspekt zutreffend Habersack, BB 2007, 1397, 1399 f.; Kleindiek, DStR 2000, 559, 563. 2172 Vgl. etwa Jakobs, Eingriffserwerb, S. 164 ff. sowie für den steuerrechtlichen Kontext Pezzer, verdeckte Gewinnausschüttung, S. 200 f. Anklänge an diese, besonders in früherer weit verbreitete Vermögensverschiebungslehre finden sich nach wie vor namentlich bei Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB, § 812 Rn. 109 f., 133 f., 151 ff. und Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 135, S. 189. Dieser Ansatz steht allerdings in einem Spannungsverhältnis zur Zuweisungslehre, die auch von den zuletzt zitierten Autoren zugrunde gelegt wird; näher zur Verhältnisbestimmung Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 237 ff.; vgl. auch Lieb, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 16 ff.

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kommt.2173 Daher stellt sich im Kern die Frage, ob die erforderliche Güterzuweisung notwendig mit einer präexistenten, gesetzlich verdichteten Rechtsposition korrespondieren muss. Das wird man in der Tat für den Regelfall anzunehmen haben, denn andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Rechtsanwender die von ihm für richtig erachtete Güterzuordnung selbst herstellt,2174 wodurch das Bereicherungsrecht zu einem reinen Billigkeitsrecht degeneriert würde.2175 Fraglich kann daher nur sein, ob in der vorliegenden Konstellation deshalb eine Ausnahme von diesem Grundsatz gemacht werden kann, weil die materiell-richtige Zuweisung des Steuervorteils mit hinreichender Deutlichkeit aus den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Ehegattensplittings abgeleitet werden kann.2176 Methodisch wäre eine derartige verfassungsorientierte Auslegung zulässig,2177 wenn das Bereicherungsrecht an dieser Stelle hinreichend wertungsoffen ist, insbesondere keine bereicherungsrechtlichen Grundwertungen entgegenstünden.2178 Dazu ist zunächst zu betonen, dass diejenigen Gesichtspunkte, die darüber entscheiden, wem die betroffene Vermögensposition gebührt, aus

2173 Siehe etwa Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 64 f.; Schwab, in: MünchKomm.-BGB, § 812 Rn. 241; Staudinger/St. Lorenz, BGB, § 812 Rn. 24; Esser/ Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 79 f.; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 232 f., S. 237 ff., S. 382 f. sowie auch BGHZ 107, 117, 118. Im Schrifttum wird treffend herausgestellt, dass es um Bereicherung und nicht um Entreicherung geht (siehe namentlich Esser/Weyers, aaO, S. 79 a.E.). 2174 Vgl. in allgemeinerem Kontext bereits oben S. 192 f. 2175 Vgl. BGHZ 107, 117, 118 ff. (120); Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 129; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 234 f., S. 261 f.; allgemeiner v. Caemmerer, FS Rabel, Bd. I, S. 333, 337 ff. (339); zu entsprechenden Bestrebungen in der Anfangszeit des BGB näher Staudinger/Martinek, Eckpfeiler, S. 975; in diese Richtung noch BGH NJW 1986, 2700, 2700 f.; kritisch dazu etwa Medicus/ Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 662. 2176 Siehe erneut oben A II. 2177 Um eine verfassungskonforme Auslegung geht es demgegenüber an dieser Stelle nicht: Die geltende Zivilrechtsordnung stellt, wie eingangs nachgewiesen, in aller Regel hinreichende Ausgleichsmöglichkeiten zur Verfügung. Die hier betrachteten Situationen kommen praktisch kaum vor, so dass es sich um Grenzfälle handelt. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Gesamtrechtslage ohne diesen Ausgleich als verfassungswidrig darstellte. 2178 Näher zu den methodischen Grundlagen oben § 6 B IV. und § 7 D II 2. sowie III 2. (jeweils mit Blick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip). Es müsste sich folglich um einen Anwendungsfall der Fallgruppe 1 handeln. Den verfassungsrechtlichen Wertungen kommt – entsprechend allgemeinen Grundsätzen (vgl. oben § 6 C II. und D I.) – erhebliches Abwägungsgewicht zu; vgl. in diesem Zusammenhang erneut die ganz ähnliche Vorgehensweise des BVerfG in der Entscheidung BVerf GE 108, 351 in Bezug auf das Unterhaltsrecht (dazu oben S. 268 f. und S. 271).

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allen Teilen der Rechtsordnung stammen können.2179 Denn das Bereicherungsrecht kann die materiell richtige Zuweisung nicht aus sich heraus festlegen, sondern im Wesentlichen nur an anderer Stelle der Rechtsordnung getroffene Entscheidungen nachvollziehen und zur Geltung bringen.2180 Die Tatbestandsmerkmale „auf Kosten“ und „ohne rechtlichen Grund“2181 sind daher in hohem Maße wertungsoffen – und eignen sich daher grundsätzlich auch für eine Aufladung mit verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Um der soeben skizzierten Gefahr reiner Billigkeitsentscheide zu entgehen, wird man aber fordern müssen, dass die materiell richtige Zuweisung (nicht nur vertretbar, sondern) zweifelsfrei aus dem Verfassungsrecht ableitbar ist – was einen seltenen Ausnahmefall darstellt. Ist dieser Fall aber, wie hier, gegeben, so kann es keine entscheidende Rolle spielen, ob die entsprechende Güterverteilung bereits in der zivilrechtlichen Vermögensordnung zum Ausdruck gekommen war oder aber erstmalig über das Instrument des Bereicherungsausgleichs hergestellt wird.2182 Denn es ist kein tragender Grund dafür ersichtlich, die – hinreichend wertungsoffenen – Tatbestandsmerkmale des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB restriktiv auszulegen, wenn im Verfassungsrecht fußende Wertungen mit Eindeutigkeit für eine abweichende Lösung streiten. Dies erscheint auch ohne systematische Verwerfungen möglich, wenn man bereit ist, den Zuweisungsbegriff hier bereichsspezifisch in entsprechender Weise zu justieren2183 und die erforderliche „Berührung mit einem

2179 Vgl. BGHZ 107, 117, 118 ff.; Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 64; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 234 f., S. 261 f. 2180 Vgl. Esser/Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 30 f.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 662; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 234 f., S. 261 f. 2181 Zu ihrem Verhältnis zueinander siehe die Nachweise in Fn 2166. 2182 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Gesetzgebungsgeschichte, referiert bei Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 21: Die ursprüngliche Formulierung „aus dem Vermögen“ wurde durch die Worte „auf Kosten“ ersetzt (Protokolle S. 2941, in: Mugdan/II, S. 1170), was es ermöglichte, u.a. solche Fälle zu erfassen, in denen der Begünstigte den Vorteile anstelle des Bereicherungsgläubigers erlangt. 2183 So lassen sich bei etwas erweitertem Verständnis des Zuweisungsbegriffs die folgenden, von Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 375 ange­ führten Kriterien durchaus bejahen: „Sicherlich bleibt allen Bereicherungen ‘in sonstiger Weise’ als verbindende Mindestgemeinsamkeit, daß dem Bereicherungsschuldner ohne eine Leistung Vermögenswerte zugeflossen sind, die ihm nicht gebühren, weil ihre Integration in seine Vermögenssphäre der materiellrechtlichen Zuweisungsordnung zuwiderliefe.“

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fremden Vermögen“2184 mit Blick namentlich auf Art. 6 Abs. 1 GG weit zu verstehen.2185 Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass der überschießende Vorteils­ ausgleich in den hier zu bewertenden Fällen über § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (mit § 818 Abs. 2 BGB)2186 herbeigeführt werden kann.2187 Keiner näheren Befassung bedarf an dieser Stelle hingegen die Frage, ob diese Vorschrift einen Steuerausgleich auch darüber hinaus tragen könnte. Denn in den übrigen Fallkonstellationen führt bereits der Gesamtschuldnerausgleich zu sachangemessenen Ergebnissen, hinter dem ein gleichgerichteter Bereicherungsanspruch richtigerweise zurücktritt.2188

D. Trennung nach vorheriger einvernehmlicher Ausgleichs­ praxis I. Grundsätzliches In diesem Abschnitt sollen die bisherigen Erkenntnisse, teils im Wege einer Zusammenfassung, auf den (gerichts-)typischen Fall2189 angewendet werden, dass sich die Ehegatten nach einer Zeit des gemeinschaftlichen 2184 Vgl. Protokolle S. 2943, in: Mugdan/II, S. 1171; Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 64; Lieb, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 249; Esser/Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 27; Jakobs, Eingriffserwerb, S. 64; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 238 f. Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 49 ff. zufolge hat das Prinzip des abstrakten Vermögensschutzes auch bereits dem 1. Entwurf zugrunde gelegen. Der in Fn 2182 referierten Änderung komme daher keine materiell-inhaltliche Bedeutung zu (S. 55 f.). 2185 Dass sich der hier bejahte Anspruch nicht unmittelbar in eine der im Schrifttum diskutierten Unterarten der Nichtleistungskondiktion einordnen lässt (vgl. auch Fn 2168), ist unschädlich, denn diese Kondiktionstypen, die im Anschluss an die wegweisende Arbeit v. Caemmerers, FS Rabel, Bd. I, S. 333, 352 ff. herausgearbeitet wurden, sind anerkanntermaßen nicht abschließend; siehe – neben v. Caemmerer, aaO, S. 375 f. – etwa Lieb, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 8, 222; Esser/Weyers, Schuldrecht/II 2, S. 87; Reuter/Martinek, aaO, S. 371 ff. (S. 378 f.) sowie auch Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB, § 812 Rn. 28; Larenz/Canaris, Schuldrecht/II 2, S. 196 a.E. 2186 Siehe Fn 2163. 2187 Entsprechend den obigen Ausführungen zum Gesamtschuldnerausgleich (siehe S. 414 f.) wird dieser Anspruch mit Bekanntgabe des Steuerbescheids (§ 36 Abs. 4 EStG) fällig. 2188 Siehe oben bei und in Fn 2071. Auch eines (daneben stehenden) familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs bedarf es daher nicht (siehe bereits Fn 2162). 2189 Siehe etwa BGH NJW 2007, 2554; BGH NJW 2006, 2623; BGH NJW 2002, 2319, BGH NJW 2002, 1570; OLG Hamm FamRZ 1998, 241; OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 70; OLG Hamm FamRZ 1990, 291.

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Wirtschaftens bzw. einer einvernehmlichen Ausgleichspraxis2190 trennen. Betroffen ist der Zeitraum, für den eine Zusammenveranlagung (noch) in Betracht kommt.2191 Es ist bereits gezeigt worden, dass bei der so skizzierten, typischen Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Nachhinein grundsätzlich kein (Steuer-)Ausgleich für Zeit­ räume verlangt werden kann, in denen die Ehegatten zusammen gelebt haben.2192 Demgegenüber finden nach der Trennung2193 diejenigen Grundsätze Anwendung, die im Rahmen der bisherigen Untersuchung für das getrennte Wirtschaften abgeleitet worden sind. Für Steuereffekte, die sich auf den Zeitraum nach der Trennung beziehen, ist mithin in erster Linie § 1361 BGB2194 und in zweiter Linie, nämlich bei fehlender unterhaltsrechtlicher Relevanz, § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB analog bzw. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB einschlägig.2195 Hieraus folgt: Solange die Ehegatten eine etwaige Steuerklassenkombination III/V auch nach der Trennung beibehalten,2196 ist der unterjährige Steuerausgleich über den Unterhaltsanspruch zu vollziehen.2197 Ferner gelten für Vorauszahlungen, Abschlusszahlungen, Nachforderungen und Steuererstattungen, die auf den Zeitraum nach der Trennung entfallen, die allgemeinen Grundsätze über den Vor- und Nachteilsausgleich. Schwierigkeiten entstehen allerdings dann, wenn sich – wie häufig – steuerliche Effekte nach der Trennung auswirken, die sich auf den Zeitraum vor der Trennung beziehen. Hiervon betroffen sind in erster Linie Steuererstattungen und Abschlusszahlungen, die für die Zeit des gemeinsamen Zusammenlebens angefallen sind. Die Sachlage ver­ kompliziert sich weiter, wenn sich die Ehegatten im Laufe des Veranla2190 Letztere ist für die Zeit des Zusammenlebens zu vermuten (siehe oben S. 383 f.). 2191 Dazu oben A V 2. 2192 Siehe insbesondere oben B V. 2193 Jedenfalls für Zwecke des Steuerausgleichs ist maßgebender Zeitpunkt derjenige der Trennung im Sinne von § 1567 BGB, § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG (näher Fn 1881; zum in dieser Hinsicht bestehenden Gleichlauf beider Vorschriften siehe oben A V 2.). 2194 Siehe oben B III. mit II. 2195 Zu § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB als Kernvorschrift des schuldrechtlichen Steuerausgleichs ausführlich oben C. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB betrifft die Aufteilung des über den Gesamtschuldbetrag hinausgehenden (überschießenden) Vermögensvorteils, soweit dieser nicht vom Unterhaltsanspruch erfasst wird (siehe soeben unter C III.). 2196 Vgl. aber § 39 Abs. 5 EStG. Nach Verwaltungsauffassung (BMF BStBl. I 2010, 762, 764) muss die Änderung der Steuerklassen (erst) für das Folgejahr erfolgen. Das geht konform mit der in § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG eröffneten Möglichkeit, die Zusammenveranlagung auch für das Jahr der Trennung zu wählen. 2197 Siehe insbesondere oben S. 379 ff. sowie auch S. 386 f.

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gungszeitraums getrennt haben, auf den sich die Erstattung bzw. Abschlusszahlung bezieht. Da eine zeitanteilige Aufschlüsselung dieser Beträge kaum möglich, jedenfalls nicht praktikabel ist,2198 erscheint es richtig, für alle Situationen, in denen der Zeitraum des Zusammenlebens nicht vernachlässigt werden kann,2199 nach einer einheitlichen Lösung zu suchen.2200 Da eine schuldrechtliche Gesamtkonsolidierung (unter Einbeziehung etwaiger Unterhaltseffekte) aus den eingangs angeführten Gründen nicht in Betracht kommt, kann es nur um die isolierte Zuweisung des jeweiligen Erstattungsbetrages bzw. der jeweiligen Abschlusszahlung gehen.2201

II. Steuererstattungen Was zunächst Erstattungsbeträge angeht, gilt auch hier, dass die steuerliche Erstattungsberechtigung zu keinem endgültigen Ergebnis führt, sondern in Bezug auf das Innenverhältnis einer zivilrechtlichen Abänderung zugänglich ist.2202 Schwierigkeiten bereitet allerdings der Verteilungsmaßstab, da eine Gesamtbetrachtung aller Steuerwirkungen in den hier beleuchteten Situationen nicht möglich ist. Entschärft wird die Problemstellung aber für den Regelfall dadurch, dass Steuererstattungen bis in die oberen Einkommensbereiche hinein2203 unmittelbare unterhaltsrechtli2198 Vgl. Arens, FF 2007, 255, 256 f.; Engels, FamRZ 2007, 1231, 1231 f.; demgegenüber für Quotierung Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 216 f.; Hauß, FamRB 2002, 346, 347; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 350 f.; siehe auch BGH NJW 2007, 2554, 2555 f. 2199 Auszuscheiden sind mithin Fälle, in denen die Ehegatten nur eine unwesentliche Zeit zusammen gelebt haben, etwa ein Versöhnungsversuch im Sinne von § 1567 Abs. 2 BGB. Wie unter A V 2. gezeigt wurde, geht es im Übrigen nicht an, bei Vorliegen eines derartigen Versöhnungsversuchs sogar die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG zu bejahen. 2200 Das erscheint auch deshalb vertretbar, weil unterjährige Steuereffekte, die nach der Trennung anfallen, ohnehin weitgehend über § 1361 BGB (Lohnsteuerklassenkombination III/V) bzw. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB (zusammen festgesetzte Vorauszahlungen) ausgeglichen werden können. 2201 Siehe auch bereits Engels, FamRZ 2007, 1231, 1231; Koritz, FPR 2003, 435, 437; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 349 f.; im Ausgangspunkt auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 217 ff. und S. 241 f., der jedoch auch hier den Aufteilungsmaßstab der Rechtsverhältnisse bei Einzelveranlagung fruchtbar machen will, welcher jedoch notwendigerweise doch wieder an die Gesamtkonsolidierung anknüpfen müsste (richtig S. 226 a.E.), die Dyckmans gerade vermeiden will (S. 241 f.); zur Kritik an der entsprechenden Vorgehensweise des BGH in der Entscheidung BGH NJW 2006, 2623 siehe bereits oben Fn 1790. 2202 Näher oben C II 3 f). 2203 Siehe zum einen die auf S. 380 f. dargestellte Gerichtspraxis und zum anderen die Ausführungen im folgenden Absatz.

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che Bedeutung haben, indem sie zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit bzw. zu einer Verringerung der Bedürftigkeit des Vereinnahmenden führen, wodurch eine annährend hälftige Teilhabe an dem Erstattungsbetrag sichergestellt ist.2204 Dieses Ergebnis ist auch interessengerecht: Es wird in aller Regel schon der bisherigen (einvernehmlichen) Ausgleichs­ praxis entsprochen haben, den Erstattungsbetrag für Unterhaltszwecke zur Verfügung zu stellen. Ferner ist er häufig ganz oder zu wesentlichen Teilen deckungsgleich mit der Splittingersparnis, die ohnehin beiden Partnern zur Hälfte gebührt.2205 Die Situation, dass der Unterhaltsanspruch den Erstattungsbetrag nicht erfasst, wird hingegen in der hier unter D. betrachteten Fallgruppe auch bei höheren Einkommen kaum Bedeutung erlangen,2206 denn jedenfalls bei gemeinschaftlichem Wirtschaften während intakter Ehe ist die Erstattung bedarfsprägend, da es in diesem Fall der konkreten Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft entsprochen hat, zu gleichen Teilen an sämtlichen Einnahmen teilzuhaben.2207 An ebendiese Ausgestaltung der Lebensverhältnisse knüpft der Unterhaltsanspruch aus § 1361 BGB an.2208 Bildet die Steuererstattung hingegen auch unter Berücksichtigung der bisherigen ehelichen Praxis keinen Bestandteil des angemessenen Lebensunterhalts, weil im Falle eines hohen Einkommens zwar die einschlägigen Steuereffekte ausgeglichen wurden,2209 jedoch keine umfängliche wechselseitige Partizipation an den jeweils erworbenen Mitteln stattgefunden hat, bleibt ausnahmsweise Raum für einen schuldrechtlichen Ausgleich. Hiervon betroffen sind primär Doppelverdienerehen.2210 Was zunächst den Ausgleichsmaßstab angeht, kann für den Regelfall an die obigen Ausführungen angeknüpft werden, nach denen eine hälftige

2204 Siehe insbesondere oben bei und in Fn 1866. 2205 Demgegenüber für eine Aufteilung nach dem Verhältnis der geleisteten Steuerbeträge Koritz, FPR 2003, 435, 437; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 350. 2206 Die oben abgeleitete Aussage, dass es bei hohen Einkommen im Einzelfall an einer Unterhaltsrelevanz fehlen kann (für Erstattungssituationen zusammenfassend S. 429), gilt zwar auch für diesen Bereich, jedoch in deutlich abgeschwächter Ausprägung; dazu sogleich. 2207 Näher oben S. 377 f., auch zu der bei höheren Einkommen erforderlichen Einzelfallbetrachtung. 2208 Näher oben B III. 2209 Dies wird in der Regel im Rahmen einer laufenden Bereinigung sämtlicher vermögensmäßigen Aspekte der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt sein (siehe oben bei und in Fn 2034). 2210 Vgl. oben S. 378.

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Aufteilung angemessen erscheint.2211 In Bezug auf die erforderliche Anspruchsgrundlage ist die Rechtslage hingegen noch weniger klar als bei dem auf S. 429 ff. erörterten Fall der schuldrechtlichen Gesamtbereinigung über § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, in der die steuerliche Erstattungszuweisung, wie dargelegt, als bloßer Rechnungsposten angesehen werden kann. Anders als dort geht es vorliegend nämlich um die Frage der isolierten Erstattungsberechtigung. Nach Auffassung des Verf. kann § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB aber auch hier als hauptsächliche Ausgleichsgrundlage fruchtbar gemacht werden. Denn wenn die steuerliche Zuweisung des Erstattungsbetrages nicht zu einer auch für das Innenverhältnis angemessenen Aufteilung führt,2212 erweist sich die auf kongruente Tragung der Steuerlast gerichtete Abrede, die die Ehegatten während der Zeit ihrer intakten Lebensgemeinschaft getroffen haben, im Nachhinein als nicht vollständig durchgeführt, weil infolge der einseitigen Erstattungsvereinnahmung ein Ungleichgewicht entstanden ist. Der eigentlich erforderliche Beitrag des vereinnahmenden Ehegatten zur Tilgung der Steuergesamtschuld ist daher bei ex post-Betrachtung des wirtschaftlichen (Gesamt-)Ergebnisses nicht vollständig erbracht worden, wodurch die Anwendbarkeit des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnet ist. Aus diesen Zusammen­hängen lässt sich ferner folgern, dass in der entsprechenden Höhe auch die Vereinbarung der Ehegatten, für die Zeit der intakten Lebens­ gemeinschaft keinen Einzelausgleich durchzuführen,2213 ausnahmsweise nicht eingreift.2214 Das rechtfertigt es, den Differenzbetrag zwischen steuerlicher Zuweisung und zivilrechtlich angemessener Verteilung als über den Gesamtschuldnerausgleich geschuldet anzusehen. Wer diese These von der Einschlägigkeit des Gesamtschuldnerausgleichs auch im Fall einer isolierten Erstattungsaufteilung nach Trennung der 2211 Dies betrifft in erster Linie Situationen, in denen die Steuererstattung im Wesentlichen die zusammenveranlagungsbedingte Steuerersparnis widerspiegelt. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen eine andere Aufteilung angemessen ist, insbesondere wenn der Erstattungsbetrag überwiegend auf Vorauszahlungen eines Ehegatten beruht, die auf seine Einkünfte entfallen sind und sich im Nachhinein als zu hoch erweisen. 2212 Zum steuerrechtlichen Maßstab siehe oben C II 3 f). 2213 Siehe dazu oben S. 418 f. 2214 Eine Rückwirkung auf die Zeit der intakten Lebensgemeinschaft ist in diesem (Ausnahme-)Fall folglich weder aufgrund Zweckerreichung (vgl. A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 14) noch wegen „Überlagerung“ (vgl. statt vieler erneut BGH NJW 2005, 2307, 2307; BGH NJW 1995, 652, 653 sowie für den Steuerkontext BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2002, 1570, 1571) gesperrt.

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Ehegatten nicht teilt, müsste zur Prüfung des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gelangen, der nach der hier vertretenen Lösung entsprechend den Ausführungen unter C III. eingreifen würde.2215 Zwingend auf den Anspruch aus Nichtleistungskondiktion zurückzugreifen wäre nach der hier vertretenen Lösung lediglich dort, wo es um überschießenden Vorteilsausgleich geht, der nicht bereits über den Unterhaltsanspruch abgebildet wird.2216 Diese Frage kann sich bei Alleinverdienerehen mit hohem Einkommen stellen.2217 In einem derartigen Fall besteht ein Anspruch auf hälftigen Ausgleich, wenn die Steuererstattung im Wesentlichen auf der zusammenveranlagungsbedingten Steuerersparnis beruht.2218 An den hier gefundenen Ergebnissen könnte im Übrigen auch eine etwaige, vor der Trennung einvernehmlich betriebene Praxis, nach der die Steuererstattung stets vollständig von einem der Ehegatten vereinnahmt worden ist, nichts ändern. Denn mit dieser Praxis wird in aller Regel eine Abrede korrespondieren, der zufolge der profitierende Ehegatte im Jahr der Vereinnahmung entsprechend höhere finanzielle Leistungen für die eheliche Lebensgemeinschaft zu erbringen hat – wozu es infolge der Trennung aber nicht mehr kommen kann.2219 An die Stelle dieser Praxis tritt nunmehr der Anspruch aus § 1361 BGB bzw. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB; § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB.

2215 Denkbar wäre auch, dasselbe Ergebnis über eine ergänzende Auslegung der eheinternen Abrede zu erreichen. Dies würde allerdings voraussetzen, dass man bereit ist, ihr eine entsprechend weit gehende, anspruchsbegründende Wirkung zuzumessen, die insoweit – ausnahmsweise – auch noch nach der Trennung fortbesteht (zur streitigen Rechtsnatur und Reichweite solcher Vereinbarungen siehe Fn 2034). § 816 Abs. 2 BGB findet hingegen aus den in Fn 2093 genannten Gründen keine Anwendung. 2216 Näher oben C III. 2217 Voraussetzung ist, dass der bei Fn 2207 skizzierte Fall des gemeinschaftlichen Wirtschaftens nicht vorliegt, da dann bereits der Unterhaltsanspruch eingreift. Auch sonst ist die Reichweite des Unterhaltsanspruchs bei höheren Einkommen eine Frage des Einzelfalls (siehe wiederum oben B III. mit II 2.). 2218 Woraus die Steuererstattung resultiert, müsste im einzelnen Fall festgestellt werden. Kein Ausgleichsanspruch besteht, soweit sie auf Steuervorauszahlungen des Alleinverdieners beruht, die sich im Nachhinein als zu hoch herausstellen (vgl. auch bereits Fn 2211). 2219 Derartige Vereinbarungen überdauern die Trennung ohnehin nicht. Hierauf wird sogleich – im Zusammenhang mit der Behandlung von Abschlusszahlungen – näher eingegangen.

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III. Abschlusszahlungen Zu klären bleibt noch der Fall, dass sich im Zuge der Veranlagung keine Erstattung, sondern eine Abschlusszahlung ergibt. Wenig Probleme bereitet hier die Bestimmung der einschlägigen Anspruchsgrundlage, denn es handelt sich um rückständige Steuern, so dass § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB Anwendung findet. In diesem Kontext kann die einvernehmliche Regelung, die die Ehegatten während bestehender Lebensgemeinschaft getroffen haben, einem Einzelausgleich von vornherein nicht entgegen stehen,2220 denn in Bezug auf Sachverhalte nach der Trennung entfalten derartige Abreden keine Bindungswirkung mehr.2221 Deutlich schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage nach dem zutreffenden Ausgleichsmaßstab. Auch hier muss nämlich berücksichtigt werden, dass die bisherige, unterjährig durchgeführte Ausgleichspraxis einer nachträglichen Gesamtbereinigung sämtlicher Steuereffekte entgegensteht. Leicht zu lösen ist lediglich der Fall, dass die Ehegatten einvernehmlich eine Rücklage für die ausstehende Abschlusszahlung gebildet haben; sie ist selbstverständlich einzusetzen. In anderen Fällen könnte erwogen werden, die Abschlusszahlung – spiegelbildlich zur grundsätzlichen Behandlung von Steuererstattungen – hälftig aufzuteilen.2222 Dieses Ergebnis erscheint bei Doppelverdienern mit ähnlich hohen Bezügen auch interessengerecht.2223 Argumentieren ließe sich, dass diese Lösung auch sonst immer dann plausibel ist, wenn die Ehegatten vor der Trennung gemeinschaftlich gewirtschaftet haben, denn dann sind ihnen diejenigen Geldbeträge, die nunmehr für die Steuerzahlung benö-

2220 Anders als bei der soeben untersuchten Erstattungszuweisung geht es vorliegend nicht darum, die während intakter Lebensgemeinschaft einvernehmlich vollzogene Güter- und Schuldenverteilung im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nachträglich zu korrigieren – was nur ganz ausnahmsweise möglich ist –, sondern um die Unterverteilung einer Schuld, die erst nach der Trennung zu begleichen ist. 2221 BGH NJW 2007, 2554, 2555; BGH NJW 2006, 2623, 2624; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 208 f. sowie für den allgemeineren Kontext etwa Wever, Ver­ mögensauseinandersetzung, S. 130. Dies hat unabhängig von der streitigen rechtlichen Einordnung derartiger Abreden (siehe erneut oben Fn 2034) zu gelten, denn auch diejenigen, die einen wichtigen Grund für ihre Aufhebung verlangen (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, S. 141 mit Nachweisen zum Streitstand), müssten die Trennung als solchen ansehen (zur Maßgeblichkeit des Trennungszeitpunkts siehe wiederum Fn 1881). 2222 Vgl. für Konsumschulden BGH NJW 2008, 849, 850; OLG Köln FamRZ 1991, 1192, 1194; Kleinle, FamRZ 1997, 8, 12; Nickl, NJW 1991, 3124, 3125; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 139 ff. 2223 Einzelheiten sogleich bei Fn 2230.

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tigt werden, zu gleichen Teilen zugute gekommen.2224 Hierbei kann jedoch nicht stehen geblieben werden: Die Abschlusszahlung muss aus vorhandenen Mitteln aufgebracht werden, und diese Möglichkeit ist in Alleinverdienerehen und bei stark differierenden Einkommenshöhen schon rein faktisch in höchst unterschiedlichem Maße gegeben.2225 Ferner spricht der Rechtsgedanke des § 1360b BGB gegen eine hälftige Teilung, denn im wirtschaftlichen Ergebnis würde sie in vielen Fällen auf eine Rückgewähr von zuvor geleistetem Unterhalt hinauslaufen.2226 Weiterführend erscheint es vor diesem Hintergrund, eine Vergleichsbetrachtung anzustellen, die den hypothetischen Fall beleuchtet, dass die Ehegatten sich nicht getrennt hätten. Es kann davon ausgegangen werden, dass der allein- bzw. besserverdienende Ehegatte die Abschlusszahlung in diesem Fall voll übernommen und im Gegenzug seinen finanziellen Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft um den entsprechenden Betrag verringert hätte. Überträgt man dieses Ergebnis auf die tatsächlich vorhandene Trennungssituation, so entsteht eine stimmige Lösung: Der Allein- bzw. Besserverdiener hat die Abschlusszahlung im Innenverhältnis allein zu tragen. Gleichzeitig vermindert sich seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit.2227 Die hierdurch jedenfalls bei kleinen und mittleren Einkommen bewirkte indirekte Beteiligung seines Partners an der Steuerlast ist lediglich Folge der unterhaltsrechtlichen Beachtlichkeit einkommensteuerlicher Effekte auf Schuldnerseite2228 – und erscheint auch interessengerecht, weil sie mit der bisher geübten ehelichen Praxis konform geht.2229 Verfügen beide Ehegatten über nennenswertes 2224 So der Standpunkt der Revision in BGHZ 73, 29, 38; vgl. im Ausgangspunkt auch Nickl, NJW 1991, 3124, 3127; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 140 (für Konsumschulden). 2225 Dieses Argument in Bezug auf Konsumschulden ablehnend allerdings Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 139 ff. 2226 Im gleichen Sinne BGHZ 73, 29, 39; vgl. auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 243 sowie in ähnlichem Zusammenhang Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 211; Kleinle, FamRZ 1997, 8, 10; Kotzur, NJW 1989, 817, 821; a.A. (nicht überzeugend) Nickl, NJW 1991, 3124, 3127. 2227 So dürfte im Ergebnis auch Nickl, NJW 1991, 3124, 3127 zu verstehen sein. 2228 Siehe zu ihr nur Born, in: MünchKomm.-BGB, § 1603 Rn. 17, 46 ff. Die hier in Rede stehenden Einkommensteuerschulden wären im Übrigen auch nach den allgemeinen Grundsätzen über die Berücksichtigungsfähigkeit von Verbindlichkeiten unterhaltsrelevant; näher Mehdorn, Gesamtschuldnerausgleich, S. 210 mit S. 208. 2229 Vgl. auch (allgemein für gemeinsame Schulden) Wever, FamRZ 2003, 565, 569 f. Dass hieraus im wirtschaftlichen Gesamtergebnis häufig keine hälftige Schuldentragung resultiert, ist aus den im Haupttext genannten Gründen wertungskonsistent – und daher auch nicht über einen Korrekturposten zu kompensieren

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Einkommen, so erscheint es angemessen, die Abschlusszahlung im Verhältnis der unterhaltsrelevanten Bezüge aufzuteilen2230 und die entsprechenden Beträge sodann bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.2231 Ist der allein- bzw. besserverdienende Ehegatte nicht bereit, die Abschlusszahlung freiwillig zu übernehmen, so steht dem einkommensmäßig schlechter gestellten Partner die Möglichkeit offen, eine Aufteilung der Steuergesamtschuld (§§ 268 ff. AO) zu erwirken. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Anwendung der Aufteilungsregelungen dann häufig ihrerseits einen internen Ausgleich erforderlich macht – und zwar in umgekehrter Richtung: Dem steuerlichen Aufteilungsmaßstab liegt das Modell des getrennten Wirtschaftens der Ehegatten während des betroffenen Veranlagungszeitraums zugrunde (vgl. § 270 AO), das vorliegend jedoch wegen der vor der Trennung vollzogenen einvernehmlichen Ausgleichspraxis nicht passt. Namentlich durch die einseitige Berücksichtigung von Steuerabzugsbeträgen (§ 276 Abs. 3, 6 AO) kann selbst bei geringsten Abschlusszahlungen eine erhebliche Schieflage entstehen, da hierdurch die Wirkung einer etwaigen Lohnsteuerklassenkombination III/V faktisch rückabgewickelt wird.2232 Hieran wird erneut deutlich, dass über die Aufteilung in den meisten Fällen keine zivilrechtskompatiblen Ergebnisse erzielt werden können.2233

(vgl. Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 147 f.; a.A. OLG Köln FamRZ 1991, 1192, 1193 f.; Kleinle, FamRZ 1997, 8, 11). 2230 Vgl. für andere Verbindlichkeitstypen BGH FamRZ 1988, 264, 265; demgegenüber offenbar für volle Einstandspflicht des Ehegatten mit dem höheren Einkommen BGH NJW 2007, 2554, 2555 a.E.; BGH NJW 2002, 2319, 2320 ff. (jedoch ohne Begründung); vgl. auch Engels, FamRZ 2007, 1231, 1231. 2231 Die Ehegatten können allerdings auch vereinbaren, dass der eine Teil die Verbindlichkeit in voller Höhe trägt und dafür im Gegenzug weniger Unterhalt zu leisten hat (vgl. BGH NJW 2008, 849, 850 f.; BGH NJW 2007, 3564, 3565; BGH NJW 2005, 2307, 2308; OLG Köln FamRZ 1991, 1192, 1193; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 149 ff.). 2232 Vgl. exemplarisch den Fall FG Berlin-Brandenburg EFG 2010, 6, 6 f. sowie die in BGH NJW 2007, 2554, 2554 und BGH NJW 2002, 2319, 2319 f. mitgeteilten Sachverhalte. 2233 Siehe für andere Fallgruppen bereits oben S. 415 f. sowie unter A II. und III 2.; vgl. demgegenüber Peetz, FamRZ 2007, 1799, 1799.

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E. Pflicht zur Zusammenveranlagung und Steuerausgleich I. Meinungsstand Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass im Verhältnis der Ehegatten untereinander die grundsätzliche Pflicht besteht, der Zusammenveranlagung zuzustimmen,2234 wenn die Tatbestandsmerkmale des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG im jeweiligen Veranlagungszeitraum (möglicherweise)2235 erfüllt sind.2236 Diese Pflicht wird aus § 1353 2234 Vgl. zur Terminologie oben Fn 1185. Im Außenverhältnis zum staatlichen Steuergläubiger ist hingegen aufgrund von § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG jeder Ehegatten frei darin, die Einzelveranlagung zu wählen. Nach Auffassung des BFH soll dies allerdings (unter Missbrauchsgesichtspunkten) dann anders sein, wenn der die Zustimmung verweigernde Ehegatte selbst über keine nennenswerten positiven oder negativen Einkünfte verfügt (näher BFH BStBl. II 1992, 297, 297; BFH BSt Bl. II 1977, 871, 872; siehe auch etwa BFH/NV 2011, 1142, 1144; BFH/NV 2008, 568, 568; Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 26 EStG Anm. 60; Schmidt/Seeger, EStG § 26 Rn. 21; Mellinghoff, Stbg 1999, 60, 61 f.; noch weitergehend wohl Langel, StbJb 1985/86, 333, 342). Das überzeugt schon deshalb nicht, weil die Zusammenveranlagung steuersystematisch nicht den Grund­ zustand der Ehegattenbesteuerung bildet (näher oben S. 254 f.). Auch ohnedies ist es nicht Aufgabe der Finanzverwaltung, über das Innenverhältnis der Ehe­ gatten und die Gründe für die Verweigerung der Zusammenveranlagung zu befinden (ablehnend auch Blümich/Ettlich, § 26 EStG Rz. 94 a.E.; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 130 f.; Tiedtke, FPR 2003, 400, 401; Walz, StVj 1993, 46, 58; ausführlich Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 73 ff.; unhaltbar daher Langel, aaO). 2235 Vgl. BGH FamRZ 2005, 182, 183 f.: Der Zustimmungsanspruch bestehe bereits dann, wenn die Wahlmöglichkeit des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG „zweifelhaft erscheint“. Andernfalls würde dem Anspruchsteller nach Auffassung des Gerichts die Möglichkeit genommen, eine entsprechende „Entscheidung der hierfür zuständigen Finanzbehörden“ bzw. -gerichte herbeizuführen (zustimmend Arens, FF 2005, 60, 61 f.; Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 107 f.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 358; siehe auch A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 39; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 12a). Das überzeugt nicht, denn die Zivilgerichte sind genauso gut in der Lage, die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG zu prüfen (ebenso C. Meyer, FamRZ 2005, 184, 185, auch zu weiteren Aspekten). Dies gilt umso mehr, wenn man der hier vertretenen Ansicht folgt, wonach für das „dauernde Getrenntleben“ im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG identische Kriterien zu gelten haben wie im Familienrecht (näher oben S. 366 ff. mit S. 275 ff.). 2236 Grundlegend BGH NJW 1977, 378, 378 (sogleich wörtlich zitiert); aus der neueren Rechtsprechung siehe BGH NJW 2011, 2725, 2725; BGH FamRZ 2011, 210, 210; BGH NJW 2010, 1879, 1880; BGH NJW 2007, 2556, 2557; BGH NJW 2007, 2554, 2554; BGH FamRZ 2005, 182, 183; BGHZ 155, 249, 252 f.; BGH NJW 1988, 2032, 2033. Aufgrund des neuen § 26 Abs. 2 Satz 4 EStG wird es in Zukunft voraussichtlich vermehrt zu Eilverfahren kommen, die auf die Sicherstellung der steuerrechtlichen Möglichkeit zur Zusammenveranlagung gerichtet sind (näher Elden, NJW-Spezial 2012, 708, 708 f.).

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Abs. 1 Satz 2 BGB abgeleitet;2237 ihr prinzipielles Bestehen ist heute weithin unstreitig.2238 In der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1976 heißt es zu den Voraussetzungen dieses Anspruchs: „Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich für beide Ehegatten die Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist. Die Ehefrau ist daher ihrem Ehemann gegenüber verpflichtet, in eine Zusammenveranlagung einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des Ehemanns verringert, die Ehefrau aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird […].“2239 2237 Siehe die Nachweise jüngeren Datums in Fn 2236, in denen zum Teil pauschal auf „§ 1353 BGB“ verwiesen wird; nähere Begründung der Anwendbarkeit des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB bei Rohn, Ehepflichten, S. 109 ff. In der grundlegenden Entscheidung BGH NJW 1977, 378, 378 wurde diese Norm nicht ausdrücklich erwähnt, wohl aber implizit in Bezug genommen; für Anwendung des § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB bereits LG Zweibrücken MDR 1976, 144, 145; Sauer, FamRZ 1969, 458, 458 f.; siehe ferner OLG Köln OLGZ 1969, 333, 335 f. sowie auch Diederich­sen, NJW 1977, 217, 219; a.A. noch OLG Nürnberg FamRZ 1971, 434, 435 (näher zum Ganzen Langel, StbJb 1985/86, 333, 335 ff.); die Vollstreckbarkeit nach wie vor ablehnend Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 137 ff. In der Entschei­dung BGHZ 155, 249, 253 ff. hat der BGH ferner – allerdings wenig überzeu­ gend (vgl. bereits oben Fn 2072) – die Möglichkeit bejaht, einen (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB vorrangigen) Zustimmungsanspruch aus § 705 BGB unter dem Gesichtspunkt der Ehegatteninnengesellschaft abzuleiten (ablehnend Arens, FF 2005, 60, 61 sowie – in Bezug auf den entschiedenen Fall – auch Spieker, FamRZ 2004, 174, 175; Wever, FamRZ 2003, 1457, 1457 f.); zu weiteren denkbaren Grundlagen der Mitwirkungspflicht Dyckmans, aaO, S. 99 ff., der auch zutreffend darauf hinweist, dass ein vertraglicher Anspruch in aller Regel nicht in Betracht kommt. Auf die unterhaltsrechtliche Begründung bei Felder, Verpflichtung, S. 22 ff. (mit S. 7 ff.) wird im Folgenden zurückzukommen sein. 2238 Siehe aus dem Schrifttum etwa Erman/Kroll-Ludwigs, BGB, § 1353 Rn. 22; A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 39; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1353 Rn. 12a; Staudinger/Voppel, BGB, § 1353 Rn. 93; Arens, FF 2005, 60, 61; Liebelt, NJW 1994, 609, 610; C. Meyer, FamRZ 2005, 184, 184; Tiedtke/Szczesny, Fam RZ 2011, 425, 428 f.; umfängliche Nachweise bei Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 99 ff., S. 104 ff. (S. 105); a.A. – bereits im Grundsätzlichen (vgl. Fn 1657) – Struck, StVj 1993, 351, 353 f. Die für Teilbereiche geäußerten datenschutz­ rechtlichen Bedenken bei Tiedtke, FamRZ 1977, 686, 687 ff. (wiederholt in FPR 2003, 400, 402 f.) vermögen spätestens seit der Entscheidung BGHZ 186, 13, 21 f. nicht mehr zu überzeugen. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht ist nach ständiger Rechtsprechung schadensersatzbewehrt (BGH NJW 2010, 1879, 1880; BGH NJW 1988, 2023, 2033; BGH NJW 1977, 378, 378; OLG Hamm FamRZ 2001, 98, 98; OLG Köln FamRZ 1989, 1174, 1174; ausführlich dazu Dyckmans, aaO, S. 132 ff.). Die praktische Bedeutung dieses Schadensersatzanspruchs dürfte aufgrund von § 26 Abs. 2 Satz 4 EStG ebenfalls (vgl. Fn 2236) zunehmen (siehe wiederum Elden, NJW-Spezial 2012, 708, 708). 2239 BGH NJW 1977, 378, 378; inhaltlich ebenso (in geschlechtsneutraler Formulierung) BGH NJW 2011, 2725, 2725; BGH FamRZ 2011, 210, 210; BGH NJW 2010,

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Eine derartige „zusätzliche steuerliche Belastung“ ist nach Auffassung des Gerichts in der Schlechterstellung im Vergleich zur Einzelveranlagung zu erblicken.2240 Erforderlichenfalls sei dieser Nachteil auszugleichen.2241 In einer späteren Entscheidung hat der für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs eine Einschränkung für den Fall formuliert, dass die Ehegatten über längere Zeit die Steuerklassenkombination III/V innehatten, ohne dass es zu Ausgleichszahlungen gekommen war: Der Nachteilsausgleich beschränke sich dann – unter Überlagerungsgesichtspunkten – auf einen etwaigen Nachforderungsbetrag.2242 Die hier zum Ausdruck kommende Maßgeblichkeit des konkreten Innenverhältnisses hat das Gericht auch in der Folgezeit betont – und herausgestellt, dass der Zustimmungsanspruch in den Konstellationen der so genannten „familienrechtlichen Überlagerung“ (je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls) auch vorbehaltlos bestehen kann.2243 Trotz der durch diese jüngeren Entscheidungen herbeigeführten Präzisierung der Rechtsprechungslinie ist die Rechtslage nach wie vor in mehreren Punkten nicht hinreichend geklärt: Erstens hebt das Gericht auch auf Grundlage seines neueren Ansatzes, wonach es für Bestehen und Höhe des Ausgleichsanspruchs maßgeblich auf die Rechtslage im Innenverhältnis ankommen soll, den Aspekt des Nachteilsausgleichs hervor,2244 obwohl sich der Ausgleich auf Basis seiner aktuellen Rechtsprechung

1879, 1880; BGH NJW 2007, 2554, 2554; BGH FamRZ 2005, 182, 183; BGHZ 155, 249, 252 f.; BGH NJW 1988, 2032, 2033; OLG Dresden FamRZ 2010, 588, 589. Diese Verpflichtung bleibe auch nach der Scheidung „als Nachwirkung der Ehe“ bestehen (BGH NJW 1977, 378, 378; ebenso BGH NJW 2002, 2319, 2320; Staudinger/Voppel, BGB, § 1353 Rn. 93b; Tiedtke, FamRZ 1977, 686, 689). 2240 Siehe wiederum BGH NJW 1977, 378, 378; Nachweise aus der neueren Rechtsprechung im Folgenden. 2241 BGH NJW 1977, 378, 378. Für den zu entscheidenden Fall kam diesem Aspekt aber keine Bedeutung zu. 2242 BGH NJW 2002, 2319, 2320 ff.; siehe auch Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 355 f. Dass der Zusammenveranlagung begehrende, besser verdienende Ehegatte den Nachforderungsbetrag allein zu tragen hat, setzen die Richter ohne Begründung voraus. Dieser Standpunkt überzeugt bei Doppelverdienerehen jedoch nicht (näher oben S. 456 ff.). 2243 BGH NJW 2011, 2725, 2725 a.E.; BGH NJW 2010, 1879, 1881; vgl. auch BGH FamRZ 2011, 210, 210 a.E.; BGH NJW 2007, 2556, 2557; BGH NJW 2007, 2554, 2555. 2244 Siehe (neben den bereits zitierten Entscheidungen) auch BGH FamRZ 2011, 210, 210 f.; BGH NJW 2007, 2556; 2557; BGH NJW 2007, 2554, 2557 ff.; BGH FamRZ 2005, 182, 183; OLG Dresden FamRZ 2010, 588, 589 ff. sowie aus dem Schrifttum A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 39; Staudinger/Voppel, BGB, § 1353 Rn. 93; Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425, 430 f.

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grundsätzlich am Rechtsgedanken des § 270 AO zu orientieren hat2245 – was dazu führt, dass bei Doppelverdienern nicht nur ein Ausgleich der im Vergleich zur Einzelveranlagung bestehenden Nachteile, sondern auch eine Beteiligung an der Splittingersparnis geschuldet wäre.2246 Zweitens – und vor allem – ist das Verhältnis zwischen Mitwirkungsanspruch und Ausgleichspflicht weithin unklar: Unterzieht man die einschlägigen Judikate einer genauen Analyse, so ist festzustellen, dass aus heutiger Sicht zwar im Wesentlichen Einigkeit darüber besteht, dass die Zustimmung zur Zusammenveranlagung grundsätzlich nur Zug um Zug gegen ein Angebot zum Nachteilsausgleich2247 begehrt werden kann.2248 Einschränkungen ergeben sich dort, wo dies unter dem Gesichtspunkt der „Überlagerung“ geboten erscheint.2249 Unklar sind jedoch bereits die Modalitäten des für erforderlich gehaltenen Ausgleichsangebots. Verbreitet wird eine „Verpflichtung“2250 bzw. „bindende Zusage“2251 verlangt, diesen Ausgleich durchzuführen. An anderer Stelle klingt es hingegen eher so, als sei die Zustimmung zur Zusammenveranlagung – weiter­ gehend – nur Zug um Zug gegen die Bewirkung des Ausgleichs ge­ schuldet.2252 Umstritten ist in diesem Zusammenhang auch, ob bei mangelnder oder zweifelhafter Zahlungsfähigkeit bzw. -bereitschaft vom 2245 Nachweise in Fn 1188. 2246 Vgl. bereits oben S. 247 f. Nach richtiger Ansicht ist der Steuervorteil sogar hälftig aufzuteilen (näher oben A II. in Zusammenschau mit den weiteren Ausführungen hier in § 11); diese Auffassung ablehnend allerdings BGH NJW 1977, 378, 378, dies jedoch gestützt auf Unterhaltserwägungen, die dem hier vertretenen Standpunkt zumindest in den praktischen Ergebnissen häufig nicht fern stehen werden, soweit es um die Frage des Vorteilsausgleichs geht. 2247 Zur Zweifelhaftigkeit dieses Kriteriums siehe bereits den vorstehenden Absatz. 2248 Vgl. BGH FamRZ 2011, 210, 210 f.; BGH NJW 2007, 2556, 2557; im gleichen Sinne BGH NJW 2007, 2554, 2555 f.; BGH NJW 2002, 2319, 2320 und 2322; siehe auch BGHZ 155, 249, 252 f. und 255 a.E.; ebenso etwa OLG Dresden FamRZ 2010, 588, 589; siehe aber BGH FamRZ 2005, 182, 184, wo angedeutet wird, dass ein zivilrechtlicher Nachteilsausgleich aufgrund der Anwendbarkeit der §§ 268 ff. AO entbehrlich sein kann (im gleichen Sinne Peetz, FamRZ 2007, 1799, 1799; Tiedtke, FamRZ 1977, 686, 687). 2249 Siehe die Nachweise in Fn 2242 und Fn 2243. 2250 Vgl. BGH FamRZ 2005, 182, 183 sowie auch etwa OLG Hamm FamRZ 1990, 291, 293; Staudinger/Voppel, BGB, § 1353 Rn. 93. 2251 So BGH NJW 2007, 2556, 2557. In BGHZ 155, 249, 255 a.E. ist hingegen lediglich von der (bloßen) „Bereitschaft“ zum Nachteilsausgleich die Rede. 2252 Vgl. BGH NJW 2007, 2554, 2555 (unter 6.); in diese Richtung auch Tiedtke/ Szczes­ny, FamRZ 2011, 425, 430. Je nach Fallgestaltung ginge es um Zahlung oder Freistellung; undeutlich BGH NJW 2002, 2319, 2322, wo zwar von „Freistellung“ (selbst) die Rede ist, zugleich aber die Frage der Sicherheitsleistung diskutiert wird (zu ihr näher sogleich), die sich jedoch nur dann stellen kann, wenn die Ausgleichsleistung noch aussteht.

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Anspruchsteller eine Sicherheitsleistung verlangt werden kann.2253 In den befürwortenden Stellungnahmen wird nicht mitgeteilt, auf welche rechtliche Grundlage dieses Begehren gestützt werden kann.2254 Darüber hinaus sind die Rechtsfolgen eines ausgebliebenen bzw. unzureichenden Ausgleichsangebots durch den Zustimmungskläger bisher nicht befriedigend geklärt. So hat der IX. Senat im Jahr 2007 die Klage eines Zustimmung begehrenden Ehegatten abgewiesen, dessen Angebot zu gering war.2255 Demgegenüber hebt derselbe Senat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 hervor, dass in derartigen Fällen eine Zug um Zug-Verurteilung zu erfolgen habe.2256 Dies entspricht offensichtlich auch der Auffassung des XII. Senats.2257 Nach der zuerst angeführten Sicht der Dinge wäre das Angebot des zu erbringenden Ausgleichs (in richtiger Höhe!) anspruchsbegründendes Merkmal, denn andernfalls hätte die Klage nicht abgewiesen werden dürfen. Die zuletzt dargestellte Einordnung behandelt das Ausgleichsangebot hingegen als anspruchsbegrenzendes Merkmal, wobei die entsprechenden Urteile auf ein Verständnis hindeuten, wonach die Ausgleichspflicht als (bloßer) Gegenanspruch angesehen wird, der über § 273 Abs. 1 BGB mit dem Zustimmungsbegehren verknüpft werden kann2258 – und damit vom Zustimmungsanspruch aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB prinzipiell losgelöst

2253 Diese Möglichkeit bejahend BGH FamRZ 2011, 210, 211; BGH NJW 2007, 2556, 2557; vgl. auch BGH NJW 2011, 2725, 2726 f.; sie jedenfalls für den zu entscheidenden Fall verneinend BGH NJW 2002, 2319, 2322, und zwar unter Hinweis auf die Möglichkeit, die Aufteilung der Steuergesamtschuld (§§ 268 ff. AO) zu erwirken; aus demselben Grund „generell“ ablehnend Staudinger/Voppel, BGB, § 1353 Rn. 93. 2254 In BGH NJW 2007, 2556, 2557 wird keine Rechtsgrundlage genannt. In BGH FamRZ 2011, 210, 211 wird lediglich auf den jedenfalls insoweit nicht passenden § 321 Abs. 1 BGB hingewiesen. 2255 BGH NJW 2007, 2556, 2557; ebenso schon LG Berlin FamRZ 1992, 436, 437; siehe auch OLG Frankfurt/Main FamRZ 2004, 877, 878; OLG Hamm FamRZ 1990, 291, 292 f.; OLG Köln OLGZ 1969, 333, 335 f.; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 634; der Entscheidung des BGH insoweit folgend Englisch, NJW 2007, 2557, 2557. Bemerkenswerterweise hat der XII. Senat die Dinge in dem nahezu taggleich ergangenen Urteil BGH NJW 2007, 2554 anders bewertet (dazu sogleich). 2256 BGH FamRZ 2011, 210, 210 f. Der sich aufdrängende Widerspruch zu der soeben zitierten Senatsentscheidung BGH NJW 2007, 2556 wird nicht thematisiert. 2257 Vgl. BGH NJW 2007, 2554, 2555 sowie auch BGH NJW 2011, 2725, 2725. 2258 So jedenfalls BGH FamRZ 2011, 210, 210 f., wo ausdrücklich auf § 273 Abs. 1 BGB hingewiesen wird (ebenso Waclawik, DStR 2011, 480, 483). Als Gegenanspruch wird die Ausgleichspflicht offensichtlich auch in BGH NJW 2007, 2554, 2555 behandelt.

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wäre. In den übrigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs lassen sich Belege für beide Sichtweisen finden.2259

II. Stellungnahme Richtigerweise stellt sich die Rechtslage wie folgt dar: Für die Frage, ob überhaupt ein Ausgleichsanspruch besteht, können nur die in der bisherigen Untersuchung abgeleiteten Grundsätze maßgebend sein, d.h. es kommt für Existenz, Art und Höhe dieses Anspruchs im Einklang mit der neueren Rechtsprechung2260 allein auf das konkrete Innenverhältnis an. Entgegen abweichenden Stellungnahmen2261 lässt sich hingegen aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. Abs. 2 der Norm2262 keine darüber hinausgehende Ausgleichsobliegenheit stützen.2263 Denn andernfalls würden die erforderlichen, in den vorangegangenen Abschnitten herausgearbeiteten Differenzierungen eingeebnet, die durchweg zu Lösungen führen, die sachoptimal und verfassungskompatibel erscheinen. Insbesondere müsste bei der Frage, welchen Umfang der Ausgleich genau haben müsste, 2259 Die Ausführungen in BGH NJW 2002, 2319, 2320 und 2322 stehen der Entscheidung BGH NJW 2007, 2554 nahe und sprechen für das zweitgenannte Verständnis. Für das erstgenannte Verständnis lassen sich hingegen die Urteile BGHZ 155, 249, 253 und 255 a.E. sowie BGH FamRZ 2005, 182, 183 anführen, allerdings ebenfalls ohne zwingende Evidenz. 2260 Vgl. erneut die Nachweise in Fn 2242 und Fn 2243. 2261 Vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 70, 70; OLG Hamm FamRZ 1990, 291, 292 f.; Staudinger/Voppel, BGB, § 1353 Rn. 93; Kaufmann, INF 1994, 449, 452; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 634 ff.; dens., NJW 1993, 1741, 1743; inkonsistent Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 108 f., S. 115 f., S. 233 (Obliegenheit des Zustimmung begehrenden Ehegatten zur vertraglichen Verpflichtung zum Nachteilsausgleich aufgrund von § 1353 Abs. 2 Alt. 1 BGB) und S. 233 ff. (kein darauf gerichteter familienrechtlicher Ausgleichsanspruch, da dieser Ausgleich bereits gemäß – und in den Grenzen des – § 426 BGB bestehe). 2262 Zur Verhältnisbestimmung näher Rohn, Ehepflichten, S. 129 ff. 2263 Dass der Zustimmung begehrende Ehegatte in Bezug auf den Ausgleichsanspruch mit Gegenansprüchen aufrechnen bzw. Zurückbehaltungsrechte geltend machen kann, ist – wie sonst auch – hinzunehmen (vgl. demgegenüber OLG Hamm FamRZ 1990, 291, 292 f. und die ihm folgenden Stimmen). Eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen über die Anspruchsdurchsetzung ist hier insbesondere auch deshalb nicht angezeigt, weil die von der Praxis verbreitet geforderte Freistellungserklärung ihrerseits Rechtsunsicherheit hervorrufen kann (vgl. Fn 2264) und in vielen Fällen überschießende Wirkung hat, da häufig nach materiellem Recht überhaupt kein Ausgleich beansprucht werden kann (dazu näher im Folgenden). Ist hingegen zu besorgen, dass die Erfüllung eines bestehenden Ausgleichsanspruchs ohne hinreichenden Grund verweigert wird, kann der Anspruchsgegner Sicherheitsleistung verlangen (dazu ebenfalls im Folgenden).

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auf identische Erwägungen zurückgegriffen werden, um Ergebnisse zu vermeiden, die entweder von vornherein unangemessen sind oder jedenfalls den Rahmen dessen sprengen, was für den Anspruchsgegner ansonsten, d.h. außerhalb der Zustimmungskonstellation rechtlich erzielbar wäre.2264 Das lässt vier Folgerungen zu: Erstens ist die von der Rechtsprechung jedenfalls verbal vorgenommene Beschränkung auf den Nachteilsausgleich zu eng.2265 Vielmehr geht es um den Innenausgleich insgesamt, der, wie angesprochen, auch Vorteilselemente enthalten kann.2266 Zweitens entbindet der Umstand, dass § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB in Bezug auf das Mitwirkungsbegehren einschlägig ist, den Rechtsanwender nicht davon, das Bestehen des Ausgleichsanspruchs positiv festzustellen, und zwar unter Heranziehung der jeweils einschlägigen Anspruchsgrund­ lage.2267 Hieraus folgt zugleich, drittens, dass der verbreitet gefor­ derten „Verpflichtung“ bzw. „bindenden Zusage“, den Ausgleich zu be­ wirken,2268 keine materiell-begründende Bedeutung zukommen kann. Hat sie mithin lediglich deklaratorischen Charakter, so ist sie schlicht überflüssig, denn was (im Falle der Durchführung der Zusammenveranlagung) ohnehin von Rechts wegen geschuldet ist, muss nicht zusätzlich noch rechtsgeschäftlich begründet werden.2269 Erst recht geht es nicht an, 2264 Die Gerichtspraxis behilft sich bisweilen damit, dass Klageanträge als ausreichend angesehen werden, mit denen Zustimmung „Zug um Zug gegen Freistellung von steuerlichen Nachteilen“ des Partners begehrt wird (vgl. den in der Entscheidung OLG Koblenz FamRZ 2005, 224, 224 mitgeteilten Sachverhalt). Hierdurch wird das im Haupttext angesprochene Problem jedoch nicht gelöst, sondern lediglich in das Vollstreckungsverfahren verlagert (vgl. § 120 Abs. 1 FamFG mit §§ 894 Satz 2, 726 Abs. 2 ZPO), und zwar mit ungewissem Ausgang (exemplarisch wiederum OLG Koblenz aaO). 2265 Wenn auch in neueren Entscheidungen noch von Nachteilsausgleich die Rede ist (Nacheise in Fn 2244), so geht dies auf die Ausführungen in dem Urteil BGH NJW 1977, 378, 378 zurück, die jedoch, wie gezeigt, in vielerlei Hinsicht ergänzungsbedürftig sind. 2266 Treffend Arens, FF 2005, 60, 62. 2267 Daran fehlt es etwa in den Entscheidungen BGH FamRZ 2011, 210, 210 f.; OLG Dresden FamRZ 2010, 588, 591 sowie bei Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425, 430. 2268 Nachweise in Fn 2250 und Fn 2251. 2269 Im gleichen Sinne Rohn, Ehepflichten, S. 134 f.; insoweit auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 235; nicht überzeugend hingegen Koritz, FPR 2003, 435, 436 f.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 357. Erklärungen der hier in Rede stehenden Art sind im Gegenteil in besonderem Maße geeignet, zu Missverständnissen zu führen – und damit unnötigen Rechtsstreit hervorzurufen. Besondere Friktionen entstehen dort, wo die Ausgleichsleistung – wie häufig – über den Unterhalt zu bewirken ist.

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die Zustimmungsklage abzuweisen, wenn der Kläger lediglich bereit ist, eine (nach Dafürhalten des jeweiligen Spruchkörpers) höhenmäßig nicht ausreichende Verpflichtungserklärung abzugeben.2270 Viertens – und vor allem – hat die bisherige Untersuchung ergeben, dass eine Ausgleichspflicht nur in Ausnahmefällen besteht und dass im Prozess zudem eine tatsächliche Vermutung gegen sie streitet.2271 Auch aus diesem Grund sollte die innerhalb der (Gerichts-)Praxis bestehende Ausgleichsfixierung aufgegeben werden. In der neuesten Rechtsprechung wird dieser Zusammenhang der Sache nach auch anerkannt, wenn festgestellt wird, dass die Zustimmungspflicht in „Überlagerungsfällen“ vorbehaltlos bestehen kann.2272 Bei Licht betrachtet ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis allerdings (auch hier)2273 genau umgekehrt: Im Normalfall steht die Zustimmungspflicht von vornherein unter keinem Ausgleichsvorbehalt. Sind die Entstehungsvoraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs hingegen im Einzelfall erfüllt,2274 so bleibt nach dem bisher Ausgeführten lediglich die Frage zu beantworten, ob die Zustimmung von der Bewirkung dieses (nach materiellem Recht geschuldeten) Ausgleichs abhängig gemacht werden kann. Was die rechtliche Konstruktion angeht, könnte die Ausgleichsleistung entweder als anspruchsbegründendes oder -begrenzendes Tatbestandsmerkmal der Zustimmungspflicht aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB eingeordnet werden. Oder sie müsste als Gegenanspruch im Wege des allgemeinen Zurückbehaltungsrechts geltend gemacht werden können. Dazu ist Folgendes zu sagen: Als anspruchsbegründendes Merkmal kann die Ausgleichsbewirkung schon deshalb nicht eingeordnet werden, weil die damit einhergehende Konsequenz der Klageabweisung bei fehlender oder unzureichender Ausgleichserbringung evident sachwidrig wäre, wenn sich die Zusammenveranlagung – wie in der Regel – als wirtschaftlich insgesamt vorteilhaft erweist.2275 2270 So aber – wie gezeigt – BGH NJW 2007, 2556, 2557; siehe auch die weiteren Nachweise in Fn 2255. 2271 Näher oben B V. 2272 Nachweise in Fn 2243. 2273 Siehe für die Ausgleichsverpflichtung selbst bereits oben unter A I. sowie in der weiteren Darstellung. Aus den soeben genannten Gründen kann auch im Zusammenhang mit der Zustimmungspflicht nichts anderes gelten. 2274 Praktische Relevanz kommt dem wiederum vor allem dann zu, wenn die Ehegatten sich trennen und der jeweilige Steuereffekt erst nach der Trennung eintritt (siehe dazu soeben unter D.); vgl. beispielhaft die Fälle BGH NJW 2010, 1879; BGH NJW 2007, 1554, BGH NJW 2002, 2319. 2275 Auf Grundlage dieser Lösung würden ferner die Prozessrollen falsch verteilt – und entstünden auch sonst sinnwidrige Ergebnisse: Obwohl es nach allgemeinen Grundsätzen dem auf Zustimmung in Anspruch genommenen Ehegatten obläge, Bestehen und Höhe seines Ausgleichsanspruchs darzulegen und gegebenenfalls

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Auch als anspruchsbegrenzendes Merkmal, das aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Alt. 1 BGB selbst folgt2276 und bereits aus sich heraus, d.h. ohne Rückgriff auf die §§ 273 Abs. 1, 274 Abs. 1 BGB eine Zug um ZugVerurteilung tragen könnte,2277 kann die Durchführung des Ausgleichs nicht angesehen werden. Denn im Zeitpunkt der Zustimmungserteilung fehlt es (zumindest im Grundsatz)2278 an der erforderlichen Beeinträchtigung rechtlicher Interessen2279 des dissentierenden Ehegatten: Der Ausgleich selbst – er nimmt alle kompensationsbedürftigen Steuereffekte in sich auf – wird erst später, nämlich mit bzw. nach Bekanntgabe des Steuerbescheides (vgl. § 36 Abs. 4 EStG) fällig2280 und kann daher zur Zeit der Zustimmungserklärung noch nicht beansprucht werden. Für eine zeitliche Vorverlagerung der Ausgleichsbewirkung besteht schon deshalb kein Anlass, weil es vor Ergehen des Bescheides zu keiner Inanspruchnahme durch den staatlichen Steuergläubiger kommen kann.2281 Hiermit ist zugleich gesagt, dass der Ausgleichsanspruch – mangels Fälligkeit – auch nicht geeignet ist, ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu begründen. Er kann dem Mitwirkungsanspruch daher auch nicht in Gestalt eines Gegenanspruchs entgegengehalten werden. Eine Beeinträchtigung rechtlicher Interesse des Zustimmungsgegners kommt vielmehr hauptsächlich dann in Betracht, wenn abzusehen ist, dass der Anspruchsteller nicht bereit oder in der Lage sein wird, den Ausgleichsanspruch bei Fälligkeit zu erfüllen. Auch diese Frage stellt sich in erster Linie bei Mitwirkungsbegehren, die in der Zeit nach Trennung des

zu beweisen, wäre hiernach der auf Zustimmung Klagende genötigt, einen – möglicherweise nicht geschuldeten – Maximalausgleich anzubieten, um nicht Gefahr zu laufen, die Klage vollständig zu verlieren (vgl. erneut den Fall BGH NJW 2007, 2556). Angesichts der häufig unklaren Rechtslage erschiene das unzumutbar. 2276 Vgl. wiederum Fn 2262. 2277 Diese rechtliche Konstruktion am Klarsten darstellend BGH NJW 1983, 1545, 1546 (für den strukturell vergleichbaren Fall der Zustimmung zum begrenzten Realsplitting). Die Beweislast für Bestehen und Höhe des Ausgleichsanspruchs müsste allerdings auch hier bei der beklagten Partei liegen (vgl. Fn 2275). 2278 Zu Fällen unsicherer Zahlungsfähigkeit bzw. -bereitschaft siehe im Folgenden. 2279 Vgl. dazu Rohn, Ehepflichten, S. 132 ff. 2280 Für etwaige schuldrechtliche Ausgleichsansprüche (aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) siehe S. 414 f. und Fn 2187. Ist der Ausgleich über den Unterhalt zu bewirken, so kommt es auf den Zeitpunkt des Eintritts des jeweiligen unterhaltsrelevanten Steuereffekts (Erstattungsvereinnahmung; Begleichung der Abschlusszahlung) an. Eine vorzeitige Erfüllung würde hier sogar störend wirken (vgl. auch Fn 2269). 2281 Vgl. auch bereits BGH NJW 1983, 1545, 1547 (für den strukturell ähnlichen Fall der Zustimmung zum Realsplitting).

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Paares gestellt werden.2282 Hieran knüpft die Diskussion über eine möglicherweise zu erbringende Sicherheitsleistung des Zustimmung begehrenden Ehegatten an. Da ein darauf gerichteter Anspruch des Zustimmungsgegners nicht ersichtlich ist,2283 könnte es sich lediglich um eine Obliegenheit handeln, die (als anspruchsbegrenzendes Merkmal)2284 aus § 1353 BGB selbst folgt. Der Fall, dass eine Absicherung des beklagten Ehegatten zum Schutz seiner Vermögensinteressen erforderlich ist und er seine Mitwirkung daher von einer Sicherheitsleistung abhängig machen darf,2285 kann in der Tat eintreten. Hiergegen wird zwar (im Ausgangspunkt zutreffend) angeführt, dass es an einem entsprechenden Bedürfnis fehlt, soweit die §§ 268 ff. AO nötigenfalls effektuiert werden können.2286 Dies gilt etwa dann, wenn im Innenverhältnis lediglich die Freistellung von einer Abschlusszahlung geschuldet ist, die infolge der Aufteilung von dem klagenden Ehegatten getragen werden müsste.2287 Die Aufteilungsvorschriften sind jedoch, wie bereits an anderer Stelle dargelegt worden ist,2288 in ihrer Wirkkraft begrenzt2289 und ermöglichen insbesondere keine sachgerechte Abbildung des geschuldeten Vorteilsausgleichs.2290 Wenn die interne Verteilung eines Erstattungsbetrages in Rede steht – dieser Fall tritt in der Praxis häu-

2282 Vgl. wiederum Fn 2274. 2283 Ein Anspruch auf Sicherheitsleistung besteht nur auf Basis einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung oder kraft Parteivereinbarung (siehe etwa Grothe, in: MünchKomm.-BGB, § 232 Rn. 1; Staudinger/Repgen, BGB, Vorbem zu §§ 232 ff. Rn. 4 ff.); unrichtig daher BGH FamRZ 2011, 210, 211: Die dort vorgenommene Bezugnahme auf § 273 Abs. 1 BGB setzt einen Gegenanspruch voraus, der jedoch nicht existiert. 2284 Vgl. die vorstehenden Ausführungen. 2285 Vgl. in ähnlichem Zusammenhang (Zustimmung zum begrenzten Realsplitting) BGH NJW 1983, 1545, 1547. 2286 Vgl. BGH NJW 2002, 2319, 2322; Staudinger/Voppel, BGB, § 1353 Rn. 93; Arens, FamRB 2004, 124, 128; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 359. Jedoch wird die Wirkkraft der §§ 268 ff. AO von den Vertretern dieses Ansatzes überbewertet; dazu näher sogleich. 2287 So lagen die Dinge etwa in der Entscheidung BGH NJW 2002, 2319 – weswegen hier in der Tat keine Sicherheit zu leisten war. Wegen der Einbeziehung von Steuerabzugsbeträgen in die Aufteilung (§ 273 Abs. 3, 6 AO) kann sie in solchen Fällen allerdings überschießende Wirkungen entfalten; dazu im Folgenden. 2288 Siehe oben A II., III 2. und IV 3. 2289 Vgl. auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 109 f., S. 116 f. 2290 Auch in Bezug auf den Ausgleich von Nachteilen sind die §§ 268 ff. AO lückenhaft: Ist (ausnahmsweise) ein vollumfänglicher Nachteilsausgleich geschuldet, so wird die Effektivität der Aufteilungsvorschriften besonders dadurch begrenzt, dass Vorauszahlungsbeträge grundsätzlich nicht in die abschließende Aufteilung einzubeziehen sind (siehe wiederum oben A III 2.).

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fig auf2291 –, sind sie sogar von vornherein unanwendbar.2292 Bereits diese knappen Ausführungen zeigen, dass es für die Frage, ob und in welcher Höhe Sicherheit zu leisten ist, auf den Einzelfall ankommt, wobei einerseits der geschuldete Ausgleich und andererseits die jeweilige Reichweite der §§ 268 ff. AO entscheidend sind. An dieser Stelle sei im Übrigen abermals darauf hingewiesen, dass ein Aufteilungsantrag nach vollzogener Zusammenveranlagung einen internen Ausgleich sogar selbst notwendig machen kann, und zwar in umgekehrter Richtung.2293 Das ist der Fall, wenn die Aufteilung – namentlich wegen der Berücksichtigung von Steuerabzugsbeträgen (§ 276 Abs. 3, 6 AO) – überschießende Wirkung hat, indem sie zu einer faktischen Rückabwicklung von Sachverhalten führt, für die aus zivilrechtlicher Sicht kein Ausgleich verlangt werden kann. Ist ein derartiger Fall gegeben, wird man den Ehegatten, der die Aufteilung beantragt hat, als gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet ansehen müssen, seinen Antrag Zug um Zug gegen die Erbringung eines etwaigen, ihm geschuldeten Ausgleichs zurückzunehmen.2294 Festzuhalten bleibt, dass die Aufteilung teils von vornherein nicht in Betracht kommt (Erstattungsfälle), teils unzureichenden und teils überschießenden Charakter hat. Daher trifft die These, der Innenausgleich könne über die §§ 268 ff. AO vollzogen werden,2295 in aller Regel nicht zu.2296 Sieht man von dem soeben erörterten Aspekt einer etwaigen Sicherheitsleistung ab, besteht die einzige materielle Voraussetzung des Zustimmungsanspruchs darin, dass die Zusammenveranlagung (bei Gesamtbetrachtung der Verhältnisse beider Ehegatten) wirtschaftlich vorteilhaft ist – was den Regelfall bildet.2297 Dass dieser Gesichtspunkt in der Recht2291 Vgl. auch Wever, FamRZ 2006, 1181, 1181. 2292 Vgl. auch Felder, Verpflichtung, S. 54 ff. 2293 Siehe bereits oben S. 458. 2294 Vgl. andeutungsweise FG Berlin-Brandenburg EFG 2010, 6, 7, wo auch zu Recht betont wird, dass das steuerliche Antragsrecht selbst keinen Beschränkungen unterliegt. Bei der Bewirkung dieses Ausgleichs handelt es sich um ein anspruchsbegrenzendes Merkmal im Sinne der obigen Ausführungen; die Beweislast für Bestehen und Höhe des Ausgleichsanspruchs liegt beim beklagten Ehegatten. Da der Aufteilungsantrag erst nach Bekanntgabe des Leistungsgebots gestellt werden kann (§ 269 Abs. 2 Satz 1 AO), fehlt es in dieser Fallkonstellation auch nicht an der Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs. 2295 In diesem Sinne Peetz, FamRZ 2007, 1799, 1799; Tiedtke, FamRZ 1977, 686, 687 (wörtlich wiederholt in FPR 2003, 400, 402); siehe auch BGH FamRZ 2005, 182, 184. 2296 Siehe wiederum oben S. 458. 2297 Vgl. Fn 1244. Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG müssen selbstverständlich ebenfalls erfüllt sein (vgl. Fn 2235).

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sprechung des Bundesgerichtshofs bisher kaum Widerhall gefunden hat,2298 dürfte auf eine zu starke Fixierung auf den Aspekt der Vermögenstrennung zurückzuführen sein, der bereits in der auf S. 460 wörtlich zitierten Passage aus der grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1976 deutlich zum Ausdruck kommt und in der Folgezeit ständig wiederholt wurde. Bei der auf Gemeinschaftsvorstellungen gründenden Möglichkeit der Zusammenveranlagung geht es jedoch – im Gegensatz zu anderen, aus § 1353 BGB abgeleiteten Rücksichtnahmepflichten2299 – nicht so sehr darum, „die finanziellen Lasten des anderen Teils zu vermindern“,2300 sondern in erster Line um die Erzielung der für beide Teile steuergünstigsten Lösung.2301 Hiermit korrespondiert auch, dass die Splittingersparnis nach richtiger Ansicht hälftig aufzuteilen ist.2302 Was für den Sonderfall gilt, in dem der Ehegatte, der die Zustimmung begehrt, steuerliche Verluste seines Partners nutzen will, um sie mit eigenen positiven Einkünften auszugleichen, wird im folgenden Abschnitt im Gesamtzusammenhang untersucht.

2298 Die einschlägigen Judikate des BGH (Nachweise in Fn 2236) nehmen vielmehr die (individuellen) Verhältnisse des einzelnen Ehegatten in den Blick (siehe erneut das auf S. 460 wörtlich wiedergegebene Zitat); anders hingegen Teile der Instanzrechtsprechung und des Schrifttums; vgl. OLG Hamm FamRZ 1990, 291, 292; LG Köln NJW-RR 1990, 140, 140; A. Roth, in: MünchKomm.-BGB, § 1353 Rn. 39; Arens, FF 2007, 255, 277; Liebelt, NJW 1994, 609, 610; Rohn, Ehepflichten, S. 125 f. sowie auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 105 ff., der diesen Standpunkt allerdings auch dem BGH unterstellt, obwohl er dort nicht (deutlich) zum Ausdruck kommt. 2299 Vgl. nur Staudinger/Voppel, BGB, § 1353 Rn. 89. 2300 So aber die in Fn 2239 zitierte Rechtsprechung. 2301 Vgl. auch bereits Rohn, Ehepflichten, S. 125 f. Die hier betonte Gemeinschaftsvorstellung findet auch im Wortlaut des § 1353 BGB deutlichen Widerhall. Nicht überzeugend ist deshalb auch der Ansatz, der – entgegen BGH NJW 1977, 378, 378 – eine Zustimmungspflicht des allein bzw. mehr verdienenden Ehegatten verneinen will; so aber Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 119 ff.; Felder, Verpflichtung, S. 43 ff.; Tiedtke, FamRZ 1977, 686, 691 (wörtlich wiederholt in FPR 2003, 400, 407 f.). 2302 Der (wechselseitige) Mitwirkungsanspruch besteht mithin unabhängig davon, ob und in welchem Umfang Unterhaltspflichten vorhanden sind; vgl. demgegenüber Felder, Verpflichtung, S. 7 ff., S. 22 ff. sowie auch Rohn, Ehepflichten, S. 147 ff. Felder ist zwar zuzugeben, dass der Zusammenveranlagung erhebliche unterhaltsrechtliche Relevanz zukommen kann. Ihre vermögensrechtlichen Auswirkungen können aber, wie gezeigt, weit über den Unterhaltsaspekt hinausgehen. Schon deshalb überzeugt es nicht, die Pflicht zur Mitwirkung an der Zusammen­veranlagung aus dem Unterhaltsrecht abzuleiten, wie Felder dies vertritt; weitere Kritikpunkte an ihrem Ansatz bei Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 103 f. (mit weiteren Nachweisen).

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F. Sonderfall: Ehegattenübergreifende Verlustverrechnung I. Einleitung Zu klären bleibt noch die hier in § 11 bisher weithin ausgeklammerte Frage,2303 ob und auf welcher Grundlage einem Ehegatten, der negative Einkünfte erzielt hat, die aufgrund der Zusammenveranlagung mit positiv­en Einkünften seines Partners verrechnet wurden, Ausgleichsansprüche zustehen können. Ferner ist zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen er von dem profitierenden Ehegatten auf Mitwirkung an der Zusammenveranlagung in Anspruch genommen werden kann. Der Meinungsstand zu diesem Fragenkreis ist bereits in § 9 etwas eingehender analysiert worden.2304 Festzustellen ist, dass beide Gesichtspunkte noch stärker als sonst miteinander verbunden wären, wenn man dem auch in diesem Bereich vorherrschenden Nachteilsausgleichsansatz2305 folgte.2306 Die entsprechende Ausgleichspflicht (genauer: -obliegenheit)2307 könnte hier nämlich von vornherein nur einen Annex des Zustim­ mungsanspruchs selbst bilden,2308 wenn es zutrifft, dass der Gesamtschuldnerausgleich in Verlusteinbringungsfällen in Bezug auf interperiodisch auftretende Nachteile unanwendbar ist,2309 denn ein etwaiger

2303 Vgl. Fn 1661 und S. 356 f. 2304 Siehe oben S. 248 ff. 2305 Nachweise in Fn 1211. Unter „Nachteil“ kann hier – entsprechend der allgemeinen Terminologie – wiederum jede Schlechterstellung des Verluste einbringenden Ehegatten im Vergleich zu seiner finanziellen Situation bei Einzelveranlagung verstanden werden. Dass dieser Nachteil häufig erst in späteren Jahren in Form des Entfalls einer Steuerersparnis eintreten kann (vgl. Fn 2308), ändert hieran nichts (vgl. demgegenüber BGHZ 155, 249, 253 und 257; dagegen zu Recht OLG Brandenburg ZVI 2008, 30, 31). 2306 Vgl. auch bereits oben S. 249. 2307 Vgl. oben S. 464. 2308 Vgl. die in Fn 1218 in Bezug genommenen Nachweise. Da eine derartige Kons­ truktion nach richtiger Ansicht zumindest für den Normalfall abzulehnen ist (ausführlich oben S. 464 ff.), bleibt lediglich zu fragen, ob in Verlusteinbringungssituationen ausnahmsweise eine andere Lösung möglich erscheint; dazu im Folgenden. In diesem Bereich könnte es häufig von vornherein nur um eine Verpflichtung zur Ausgleichsleistung, nicht aber um die Ausgleichsbewirkung selbst gehen, denn der entsprechende Nachteil wird normalerweise aus dem Entfall einer Vortragsmöglichkeit nach § 10d Abs. 2 EStG (gegebenenfalls in Verbindung mit § 10d Abs. 1 Satz 5, 6 EStG) resultieren und sich daher erst in späteren Jahren aktualisieren können (siehe beispielhaft BGH FamRZ 2011, 210, 210; OLG Dresden FamRZ 2010, 588, 589 sowie schon Fn 1210). 2309 Nachweise in Fn 1216; näher dazu unten II 1 e).

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Bereicherungsanspruch2310 könnte lediglich eine Vorteilsabschöpfung, nicht aber einen Nachteilsausgleich tragen.2311 Im Ausgangspunkt kann jedoch nichts anderes gelten, als soeben unter E. herausgearbeitet wurde: Um die Frage beantworten zu können, ob die Mitwirkung an der Zusammenveranlagung von einer Gegenleistung abhängig zu machen ist, muss zunächst analysiert werden, welche Ausgleichsansprüche überhaupt bestehen, wenn die Eheleute zusammen veranlagt werden. Denn andernfalls bestünde die Gefahr, dem Zustimmung begehrenden Ehegatten Leistungen abzuverlangen, die störend in das innereheliche Wirtschafts- bzw. Anspruchsgefüge eingreifen würden.2312 Deshalb wird auch in diesem Abschnitt in einem ersten Schritt geprüft, welche ehegatteninternen Ansprüche in Betracht kommen, wenn die Zusammenveranlagung erfolgt. Anknüpfend an eine im Schrifttum vielfach vorgenommene Unterscheidung2313 wird zunächst auf Fälle eingegangen, in denen die negativen Einkünfte des einen Ehegatten bereits im Verlustentstehungsjahr mit positiven Einkünften des anderen Ehegatten ausgeglichen werden. Anschließend wird untersucht, ob Be2310 Ansprüche aus anderen Rechtsgebieten erscheinen demgegenüber nicht zielführend: Ein selbständiger, vom Zusammenveranlagungsbegehren losgelöster familienrechtlicher Ausgleichsanspruch dürfte sich nicht ohne dogmatische Verwerfungen begründen lassen (vgl. bereits oben Fn 2070) – und ist, wie im Folgenden gezeigt wird, auch in diesem Bereich nicht erforderlich. Ebenso wenig wird sich ein Ausgleich im Regelfall auf eine gesellschaftsrechtliche Grundlage stellen lassen (vgl. Fn 2072). 2311 Vgl. nur Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 261 f. (mit Fn 543), S. 267 f.; inkonsistent BGH FamRZ 2011, 210, 210 f., soweit hier auch im Hinblick auf die Verpflichtung zum Nachteilsausgleich auf § 273 Abs. 1 BGB Bezug genommen wird, denn eine Anspruchsgrundlage für den so vorausgesetzten Gegenanspruch nennt das Gericht nicht; sie ist auch nicht ersichtlich; konsequent hingegen Dyck­mans, aaO, S. 244 f., S. 251 (mit S. 110 f. Fn 227), wenn er herausstellt, dass ein Nachteilsausgleichsbegehren nur im Zusammenhang mit dem Zustimmungsanspruch geltend gemacht werden kann. Inhaltlich überzeugt dieser Ansatz aber ebenfalls nicht; dazu sogleich. 2312 Siehe oben S. 464 f. Genau diese Gefahr hat sich in der Entscheidung BGH Fam RZ 2011, 210 realisiert: Trotz der (angeblich) bestehenden umfänglichen Wirtschaftsgemeinschaft (so S. 211) soll das Zustimmungsbegehren von der Verpflichtung zum Nachteilsausgleich abhängig gemacht werden können (so S. 210). Das kann nicht überzeugen: Der Ehegatte, der die negativen Einkünfte erzielt hat, profitiert in dieser Situation aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens bereits von der verlustbedingten Steuerentlastung (vgl. auch BGH NJW 2010, 1879, 1881). Ihm für die spätere Zeit einen Anspruch auf vollen (!) Nachteilsausgleich zu gewähren, ist daher evident interessenwidrig – und zwar unabhängig davon, wie lange die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft noch fortbesteht. 2313 Statt vieler Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 250 ff., S. 262 ff.; Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 93 ff., S. 102 ff.

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sonderheiten zu beachten sind, wenn negative Einkünfte gemäß § 10d EStG in einen Veranlagungszeitraum vor- bzw. zurückgetragen werden, in dem eine Zusammenveranlagung stattfindet. Hierauf aufbauend soll in einem zweiten Schritt analysiert werden, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung besteht. Für die Zivilrechtslage nicht entscheidend ist wiederum die – zu wesentlichen Teilen von Praktikabilitätserwägungen geleitete und für die Eheleute eher zufällige – steuerverfahrensrechtliche Zuweisung der aus der Verlustverrechnung resultierenden Steuerersparnis, die auch hier einer internen Korrektur ohne weiteres zugänglich ist.2314 Ebenfalls unmaßgebend sind die oben bereits skizzierten steuerlichen Details der Verlust­ verrechnung,2315 deren Ergebnis in gleicher Weise als außerzivilistisches Faktum2316 an das Innenverhältnis herangetragen wird.2317 Betont sei aber erneut, dass die ehegattenübergreifende Verlustverrechnung eine zwingende Folge der Zusammenveranlagung darstellt und sich bei periodenübergreifender Betrachtung im Gesamtsaldo auch nachteilig auswirken kann.2318

II. Ausgleichsansprüche bei Zusammenveranlagung 1. Verlustausgleich im Jahr der Verlustentstehung a) Ausgangspunkt In Literatur und Teilen der Rechtsprechung besteht die Neigung, einem Ehegatten, der negative Einkünfte erwirtschaftet hat, in stärkerem Maße als sonst einen Ausgleich zu gewähren, und zwar entweder im Wege einer Vorteilskompensation bzw. -teilhabe, die meist auf einen (ausnahms-

2314 Vgl. (für Erstattungsansprüche) oben S. 346 f. und S. 427 f.; zusammenfassend Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 182 ff. 2315 Zu Nachweisen und Einzelheiten siehe Fn 1753 und 1757. 2316 Vgl. in allgemeinerem Zusammenhang Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 112. 2317 Eine (begrenzte) Gestaltungsmöglichkeit besteht aufgrund von § 10d Abs. 1 Satz 5, 6 EStG lediglich in Verlustabzugsfällen; hierauf ist zurückzukommen. Von der steuertechnischen Behandlung zu trennen ist hingegen die Frage, ob die Verlustzuordnung, wie sie im materiellen Steuerrecht vorgesehen ist, Folgerungen für das zivilrechtliche Innenverhältnis zulässt (vgl. vorläufig die in Fn 1234 nachgewiesenen Stellungnahmen); zu ihr ebenfalls in den nachfolgenden Abschnitten. 2318 Siehe dazu oben S. 356.

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weise bejahten) Bereicherungsanspruch gestützt wird,2319 oder über eine Verpflichtung des profitierenden Ehegatten zum Nachteilsausgleich, die sogar im Falle eines gemeinschaftlichen Wirtschaftens Platz greifen soll.2320 Dahinter steht die Vorstellung, dass die positiven steuerlichen Wirkungen, die Verluste mit sich bringen können, im Innenverhältnis dem Verlustträger gebühren, wobei die meisten Stimmen (ausdrücklich oder inzident) von einer vollständigen Zuweisung an ihn ausgehen.2321 Fraglich ist mithin, ob in Verlustsituationen ein Sonderregime eingreift oder ob es bei den allgemeinen, im Rahmen der bisherigen Untersuchung abgeleiteten Grundsätzen über den Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten bleiben kann. Letzteres hat jedenfalls für den­ jenigen Teil der Steuerersparnis zu gelten, der auf der progressionsmildernden Wirkung des Splittingtarifs beruht, denn entsprechend den Ergebnissen der bisherigen Untersuchung steht der darauf entfallende Ermäßigungsbetrag beiden Ehegatten zur Hälfte zu. Im Folgenden soll zunächst überblicksartig aufgezeigt werden, welche Rechtslage sich für den Fall ergäbe, dass die allgemeinen Grundsätze über den ehegatteninternen Steuerausgleich auch in Verlustverrechnungssituationen Anwendung finden. Anschließend wird geprüft, ob es bei den so erzielten Ergebnissen bleiben kann oder ob hiervon – zugunsten oder zulasten des negative Einkünfte erzielenden Ehegatten – abzuweichen ist. b) Rechtslage bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze Nach den allgemeinen Grundsätzen über den Steuerausgleich in Zusammenveranlagungsfällen wären keine klagbaren Leistungen, d.h. weder ein separater Vorteilsausgleich, noch ein separater Nachteilsausgleich geschuldet, wenn die Ehegatten – wie im Regelfall – gemeinschaftlich wirtschaften bzw. ein dem gleichkommendes Ergebnis über Beiträge zum Familienunterhalt oder auf andere Weise einvernehmlich herbeiführen; dies ist bei zusammen lebenden Eheleuten zu vermuten.2322 Hierfür entscheidend sind – wie sonst auch2323 – die Verhältnisse zur Zeit des 2319 Nachweise oben S. 248 f., auch zu weiteren Begründungsansätzen (siehe zu ihnen schon Fn 2310). 2320 So insbesondere BGH FamRZ 2011, 210, 210 mit 211 (dazu kritisch oben bei und in Fn 2312); vgl. auch die weiteren Nachweise in Fn 1211; a.A. BGH NJW 2010, 1879, 1881 f. (kein Nachteilsausgleich bei „Überlagerung“). 2321 Vgl. die Nachweise in Fn 1211 (voller Nachteilsausgleich) und Fn 1212 (Abschöpfung der gesamten Steuerersparnis); anders aber die in Fn 1213 zitierten Autoren (lediglich Vorteilsteilhabe geschuldet). 2322 Siehe wiederum (teils zusammenfassend) oben B V. 2323 Siehe insbesondere oben D.

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Eintritts des jeweiligen Steuereffekts. Nach richtiger Ansicht ist auch dann auf diesen Zeitpunkt abzustellen, wenn es um die verlustbedingte Steuerersparnis geht: Es kommt auf dasjenige Ereignis bzw. diejenigen Ereignisse an, in dem/denen sie sich monetär niederschlägt.2324 Im Regelfall wird es sich hierbei um eine im Zuge der Veranlagung vereinnahmte Steuererstattung bzw. die Verringerung einer geschuldeten Abschlusszahlung handeln, so dass es auf die Verhältnisse bei Ergehen des Steuerbescheides (§ 36 Abs. 4 EStG) ankommt. Verlustbedingte Auswirkungen können aber auch bereits im Verlustentstehungsjahr selbst eintreten, wenn Einkommensteuer-Vorauszahlungen wegen der zu erwartenden negativen Einkünfte des anderen Ehegatten geringer ausfallen.2325 Soweit die Eheleute am maßgebenden Zeitpunkt hingegen getrennt wirtschaften und die Steuereffekte auch nicht anderweitig kompensieren, wäre der Ehegatte, der die negativen Einkünfte erzielt hat, zunächst gemäß­§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB von jeder Einstandspflicht für die Steuergesamtschuld freizustellen (allgemeiner, innerperiodischer Nachteils­ ausgleich).2326 Darüber hinaus könnte er hälftige Teilhabe an der verlustbedingten Steuerersparnis verlangen.2327 Diese Partizipation wäre primär über den Unterhaltsanspruch und in zweiter Linie über Instrumente des

2324 A.A. BGH NJW 2010, 1879, 1881: Entscheidend sei das Verlustentstehungsjahr. Das kann nicht überzeugen, wie auch an dem vom BGH entschiedenen Fall selbst deutlich wird: Dort waren Teile der verlustbedingten Steuerersparnis (in Form von Erstattungszahlungen) erst nach der Trennung des Paares vereinnahmt worden, was vom BGH jedoch nicht hinreichend gewürdigt wird. Die von dem Gericht offenbar zugrunde gelegte Vorstellung, die Ehegatten würden die gesamte Steuerersparnis bereits im Jahr der Verlustentstehung zur Grundlage ihrer Ausgabenpraxis machen (dem zustimmend Pasche, FPR 2012, 312, 313 a.E.), leuchtet nicht ein (vgl. auch bereits die Kritik auf S. 250): Zum einen lassen sich während des laufenden Jahres weder die Verlusthöhe noch die damit einhergehende Steuerersparnis mit hinreichender Sicherheit ermitteln. Zum anderen standen die entsprechenden Mittel zu dieser Zeit noch gar nicht zur Verfügung. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist im Übrigen auch in Bezug auf Unterhaltsansprüche anerkannt, dass es entscheidend auf den Zeitpunkt des Mittelzuflusses ankommt (vgl. oben Fn 1845). 2325 Vgl. beispielhaft den in BGH NJW 2010, 1879 mitgeteilten Sachverhalt. 2326 Dostmann, FamRZ 1991, 760, 763; Gernhuber, JZ 1996, 765, 766. Sind ausschließlich rückständige Zahlungen betroffen, die auf die Einkünfte seines Partners entfallen, führt bereits eine Aufteilung nach den §§ 268 ff. AO zu angemessenen Ergebnissen. Sollten darüber hinaus (auch) für die Person des Verlustträgers unterjährig Beträge nach § 36 Abs. 2 EStG angefallen sein, so kann er hierfür nach allgemeinen Grundsätzen (Unterhaltsanspruch bzw. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) Ausgleich verlangen. 2327 Hierbei ist vorausgesetzt, dass die allgemeinen Grundsätze über den Vorteils­ ausgleich Anwendung finden. Ob das zutrifft, wird sogleich untersucht.

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Schuldrechts zu bewirken,2328 wobei auf schuldrechtlicher Ebene nur § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB Anwendung finden könnte, da ein Fall überschießender Vorteilsteilhabe vorläge.2329 Und in Situationen, in denen sich die verlustbedingte Steuerersparnis teils während und teils nach einer Zeit der einvernehmlichen Ausgleichspraxis finanziell auswirkt,2330 kommen Ausgleichsansprüche nur für Steuereffekte in Betracht, die nach Beendigung dieser Praxis eintreten.2331 Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob an diesen Ergebnissen festgehalten werden kann oder ob sie mit Blick auf die Besonderheiten der Verlustsituation einer Abänderung bedürfen. Unter c) soll zunächst untersucht werden, ob die verfassungsrechtliche Basis der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif die hälftige Aufteilung auch derjenigen Steuer­ersparnis trägt, die aus Verlusten resultiert. Andernfalls ließe sich insbesondere die Aufladung des Bereicherungsanspruchs über die Wertungen vor allem des Art. 6 Abs. 1 GG2332 insoweit nicht halten, so dass eine Vorteilspartizipation auf dieser Grundlage nicht in Betracht käme. Unter d) und e) wird dann – mit umgekehrten Vorzeichen – geprüft, ob dem Ehegatten, der die negativen Einkünfte generiert hat, sogar ein weitergehender Ausgleich zusteht, wie vielfach vertreten wird.2333 c) Vorteilszuweisung im Licht der Hintergründe der Zusammen­ veranlagung Die unter A. getroffenen Ableitungen2334 beanspruchen richtigerweise auch im Falle der Einbringung negativer Einkünfte in die Zusammenveranlagung Geltung: Der ehegattenübergreifende Verlustausgleich, der aufgrund von § 26b EStG durchzuführen ist,2335 bildet nichts anderes als eine 2328 Vgl. die Ausführungen unter B. und C. (zusammenfassend C III.). 2329 Näher oben C II 3 g) und III. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass es mit der hälftigen Vorteilsaufteilung sein Bewenden hätte. Ein Ausgleich für Nachteile, die in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen dadurch entstehen, dass der nunmehr verbrauchte Verlust nicht mehr genutzt werden kann, kommt daneben nicht in Betracht (näher unten e)). 2330 Vgl. erneut den Fall BGH NJW 2010, 1879 (verlustbedingte Verringerung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen vor der Trennung sowie Erstattungsleistungen nach der Trennung). 2331 Vgl. oben D. Insbesondere müssten verlustbedingte Erstattungsbeträge entsprechend den dortigen Ausführungen beiden Ehegatten zur Hälfte zugute kommen. 2332 Näher oben C III. 2333 Siehe wiederum Fn 2321. 2334 Siehe insbesondere S. 337 ff. 2335 Siehe oben S. 473 mit S. 356. Er setzt sich in einem gemeinsamen Verlustabzug mit verdoppelten Abzugsbeträgen nach § 10d EStG fort.

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(weitere) Folge derjenigen Gemeinschaftsvorstellung, auf der das Ehegattensplitting fußt und die ihre Legitimationsgrundlage im Kern in Art. 6 Abs. 1 GG findet.2336 Der Gesetzgeber ist nämlich, wie in § 10 nachgewiesen, in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass zusammen lebende Ehepaare typischerweise eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden, in die alle erworbenen Mittel einfließen.2337 Vor diesem Hintergrund ist die einfachgesetzlich angeordnete Verlustverrechnung nur konsequent, denn die in den Verlusten verkörperte Verminderung der zur Verfügung stehenden Mittel tragen die Eheleute auf dieser Grundlage ebenso gemeinschaftlich, wie sie die verbleibenden Überschüsse, die aus den positiven Einkünften des anderen Ehegatten resultieren, zusammen nutzen. Ebenso konsequent ist es dann, dass auch die Steuerersparnis, die infolge des Verlustausgleichs eintritt, in diese Wirtschaftsgemeinschaft einfließt und damit beiden Partnern zu gleichen Teilen zugute kommt – und von Verfassungs wegen auch zugute kommen soll.2338 Dies gilt umso mehr, als diese Steuerersparnis aus einer Kombination der positiven Einkünfte des einen und der negativen Einkünfte des anderen Ehegatten herrührt.2339 Daraus folgt, dass überall dort verfassungskompatible Ergebnisse entstehen, wo die Ehegatten auch tatsächlich gemeinschaftlich wirtschaften.2340 Jedenfalls von Verfassungs wegen besteht keinerlei Anlass, die so bewirkte hälftige Teilhabe an der Steuerersparnis abzuändern. Im Gegenteil stünde jede Korrektur der hälftigen Zuweisung über Instrumente des Zivilrechts in einem Spannungsverhältnis zu der verfassungsgeleiteten Gemeinschaftsvorstellung, die hinter dem Modell der Zusammenveranlagung steht. Fehlt es hingegen an einer Wirtschaftsgemeinschaft bzw. 2336 Vgl. aus den allgemeinen Ausführungen in § 10 insbesondere S. 303 ff.; siehe speziell für den Bereich der Verlustverrechnung auch Röder, Verlustverrechnung, S. 311 ff.; M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41, 62 f. und 68, allerdings mit unterschiedlichen Einschätzungen zu der Frage, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen auf diese Form der Verlustverrechnung festgelegt ist – worin sich die in § 10 diskutierten Standpunkte widerspiegeln. 2337 Siehe insbesondere S. 300 ff. 2338 Vgl. erneut die auf S. 304 und S. 338 nachgewiesenen Stellungnahmen, insbesondere aus der Entscheidung BVerfGE 105, 1. 2339 Vgl. auch Ott/Nagel, BB 1997, 185, 185. Des von ihnen bemühten gesellschaftsrechtlichen Ausgleichsanspruchs bedarf es jedoch nicht, weil bereits auf Grundlage der unter b) in Bezug genommenen (allgemeinen) Ausgleichsmechanismen angemessene Ergebnisse erzielt werden können. Inhaltlich überzeugt der gesellschaftsrechtliche Ansatz ohnehin nicht (vgl. wiederum Fn 2072). 2340 Vgl. – in dieser Hinsicht zutreffend – BGH NJW 2011, 2725, 2726; BGH FamRZ 2011, 210, 211 (kein Vorteilsausgleich bei Wirtschaftsgemeinschaft); BGH NJW 2010, 1879, 1881 (kein Nachteilsausgleich bei „Überlagerung“).

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sonst an einvernehmlichen Mechanismen, über die eine hinreichende Vorteilspartizipation herbeigeführt wird, so spricht der verfassungsrechtliche Befund wiederum für eine hälftige Aufteilung über die zivilrechtlichen Instrumente.2341 Es gilt mithin (auch insoweit) nichts anderes, als unter A II. mit Bezug auf die Splittingersparnis ausgeführt wurde. Festgehalten werden kann daher, dass die unter b) skizzierten allgemeinen Grundsätze zumindest im Ausgangspunkt Anwendung finden können, da die so erzielten Ergebnisse sachangemessen sind. d) Darüber hinausgehender Vorteilsausgleich? Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass es einer tragfähigen Begründung bedarf, wenn über die hälftige Teilhabe an der verlustbedingten Steuerersparnis, wie sie nach den allgemeinen Grundsätzen geschuldet wäre, hinausgegangen werden soll. Besonders befremdlich muss dieses Ansinnen dort erscheinen, wo die Ehegatten gemeinschaftlich wirtschaften, denn es bedürfte hier eines ergänzenden schuldrechtlichen Ausgleichsanspruchs in Höhe der (zweiten) Hälfte der Steuerersparnis, der dem innerehelichen Wirtschaftsgefüge zuwiderläuft und daher störenden Charakter hätte.2342 Aber auch dort, wo die Ehegatten ihre Vermögenssphären prinzipiell getrennt halten und von (Steuer-)Ausgleichsmaßnahmen absehen, hätte dieser Anspruch in aller Regel nur ergänzenden Charakter, denn er würde neben den im Normalfall geschuldeten Unterhalt treten. Letzteres hätte selbst dann zu gelten, wenn die Eheleute sich getrennt haben. Die Störungseigenschaft, die einem schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch in intakten ehelichen Wirtschaftsgemeinschaften zukäme, wird auch von denjenigen nicht verkannt, die die verlustbedingte Steuerersparnis im Grundsatz ausschließlich demjenigen Ehegatten zuweisen wollen, der die Verluste erwirtschaftet hat, und hierfür das Bereicherungsrecht heranziehen.2343 Sie wollen nämlich dann eine Ausnahme ma2341 Im Ergebnis ähnlich Walz, StVj 1993, 46, 59 f., der sich für eine „angemessene“ bzw. „faire“ Beteiligung ausspricht, die er allerdings über § 1353 BGB herbeiführen will. Nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung (zusammenfassend oben b)) bedarf es eines derartigen familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs jedoch nicht (vgl. auch bereits Fn 2310 und Fn 2070). 2342 Vgl. insoweit wiederum die in Fn 2340 zitierten Urteile sowie die Nachweise sogleich in Fn 2344. Derartige Überlegungen sind es auch, die ganz allgemein zu der Überlagerungsrechtsprechung des BGH geführt haben. 2343 Siehe zu diesem Grundansatz schon die Nachweise in Fn 1212 und Fn 1220 sowie die Darstellung im Folgenden. Diese Herangehensweise beruht wiederum auf dem Modell der Vermögenstrennung (vgl. für den allgemeinen Zusammenhang oben S. 336), das auch in diesem Bereich unbefriedigend ist, weil es vom

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chen, wenn die Ehegatten verabredet haben, von den beiderseitigen Einkommen zu leben und mit ihnen zu wirtschaften; dann sei der Anspruch ausgeschlossen.2344 Dieser vollständige Anspruchsausschluss steht allerdings in einem erheblichen Spannungsverhältnis zu der von diesen Autoren verfochtenen Auffassung, die Steuerersparnis stehe ansonsten allein dem Verlustträger zu. Das gemeinschaftliche Wirtschaften führt nämlich nur zu einer hälftigen Teilhabe. Die oben skizzierte Ergänzungsproblematik, insbesondere die mögliche Unterhaltsrelevanz der Steuerersparnis, findet bei ihnen auch sonst keinen nennenswerten Widerhall.2345 Ferner besteht unter diesen Autoren Uneinigkeit darüber, ob es sich um einen Anspruch aus Leistungs- oder Nichtleistungskondiktion handeln soll2346 und worin der maßgebende Gegenstand der Bereicherung zu erblicken ist. Eingehender ist die Rechtslage insbesondere von Sonnenschein und in neuerer Zeit namentlich von Dyckmans analysiert worden.2347 In seinem grundlegenden Beitrag über den internen Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten aus dem Jahr 1980 geht Sonnenschein zwar davon aus, dass einem einkunftslosen Ehegatten keinerlei Ansprüche wegen der zusammen-

Grundsatz her die Gemeinschaftsvorstellung hintanstellt, die der Zusammenveranlagung zugrunde liegt und die sich im realen Leben auch vielfältig manifestiert. 2344 Liebelt, NJW 1993, 1741, 1744; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260; siehe ferner Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 259 f.; Kaufmann, INF 1994, 449, 453 und insoweit auch Walz, StVj 1993, 46, 54. In diesem Fall bestehe ein Rechtsgrund im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. 2345 Lediglich angedeutet wird der unterhaltsrechtliche Zusammenhang bei Dyck­ mans, Ehegattenveranlagung, S. 256. Einen anderen Aspekt betrifft die bei Liebelt, FamRZ 1993, 626, 638 anklingende und der Sache nach in BGH NJW 2010, 1879, 1881 mit Blick auf den Nachteilsausgleich übernommene These, bereits die Verlusteinbringung als solche sei wie eine Unterhaltsleistung zu behandeln, so dass § 1360b BGB entsprechende Anwendung finden könne. Das überzeugt nicht: Unterhaltsrelevant kann lediglich die verlustbedingte Steuerersparnis sein, die typischerweise bei dem anderen Ehegatten anfällt. Stellt er diese für Unterhaltszwecke zur Verfügung, bewirkt er damit den nach allgemeinen Grundsätzen vorzunehmenden Vorteilsausgleich. Wird sogar gemeinschaftlich gewirtschaftet, stellt sich die Ausgleichsfrage von vornherein nicht. Und in den verbleibenden Fällen, in denen der verlusttragende Ehegatte überhaupt nicht oder nicht genügend an der Steuerersparnis beteiligt wird, kann ein Anspruchs­ ausschluss nicht auf § 1360b BGB, sondern allenfalls auf § 1613 BGB (mit § 1360a Abs. 3 BGB bzw. § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB) gestützt werden. 2346 Siehe bereits die Nachweise in Fn 1220 sowie die Darstellung im Folgenden. 2347 Demgegenüber hat der BGH die Rechtslage nicht abschließend geklärt, sondern sie aufgrund von Überlagerungserwägungen der Sache nach dahinstehen lassen (vgl. BGH NJW 2011, 2725, 2726; BGH FamRZ 2011, 210, 211).

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten veranlagungsbedingten Steuerersparnis zustehen.2348 Anders sei die Rechtslage jedoch in Verlusteinbringungsfällen zu bewerten. Hier könne der Ehegatte, der die negativen Einkünfte erwirtschaftet habe, grundsätzlich eine Ausgleichszahlung in Höhe der verlustbedingten Steuerersparnis verlangen, und zwar nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB.2349 Sein Partner sei bereichert, weil die Entstehung der – ansonsten allein von ihm zu tragenden – Steuerschuld ganz oder teilweise verhindert werde.2350 Es fehle in der Regel auch an einer Leistung, da keine Vermehrung des Vermögens des anderen Ehegatten beabsichtigt sei, sondern über die Zusammenveranlagung vielmehr in erster Linie die gemeinsame Steuerschuld vermindert werden solle, ohne eine Entscheidung für das Innenverhältnis vorwegzunehmen.2351 Ein Rechtsgrund sei im Regelfall ebenfalls nicht gegeben, da es sich bei den negativen Einkünfte um eine vermögenswerte Position handele, die nach ihrem steuerlichen Zuweisungsgehalt demjenigen Steuerpflichtigen zustehe, der die Verluste erlitten habe.2352 Unerheblich sei, ob der Verlustträger die negativen Einkünften in den Folgejahren selbst hätte nutzen können, denn bereicherungsrechtlich komme es entscheidend auf die Vermögensmehrung bei dem anderen Ehegatten an, die in Form der Steuerersparnis eingetreten sei.2353 Ein rechtlicher Grund im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB könne jedoch im Einzelfall aus der ehelichen Lebensgemeinschaft folgen, wenn eine Abrede über eine gemeinschaftliche Wirtschaftsführung bestehe.2354 Die Ausführungen Sonnenscheins sind in der Folgezeit teils auf Zuspruch,2355 überwiegend jedoch auf Kritik gestoßen.2356 Viele Autoren erblicken in der Zustimmung zur Zusammenveranlagung eine Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinne,2357 wobei aber nicht hinreichend klar wird, ob der zugewendete Gegenstand 2348 Sonnenschein, NJW 1980, 257, 262. Nach der hier vertretenen Auffassung trifft das nicht zu. 2349 Sonnenschein, NJW 1980, 257, 259 f. und 262. 2350 Sonnenschein, NJW 1980, 257, 259. 2351 Sonnenschein, NJW 1980, 257, 259. Stehe hingegen der Wille, das Vermögen des anderen zu mehren, im Vordergrund, sei von einer Leistung auszugehen, die zugleich mit Rechtsgrund (Schenkung) erfolge. Für den Regelfall liege es aber aus den genannten Gründen näher, eine Nichtleistungskondiktion anzunehmen. 2352 Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260 und 262; siehe auch Walz, StVj 1993, 46, 59; vgl. demgegenüber Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 99 f. sowie Gernhuber, JZ 1996, 765, 766: Der Steuervorteil gebühre dem verlusttragenden Ehegatten nicht. 2353 Sonnenschein, NJW 1980, 257, 262. 2354 Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260; siehe dazu die Kritik bei Fn 2344. 2355 Vgl. Rohn, Ehepflichten, S. 87; Walz, StVj 1993, 46, 53 f. und 59. 2356 Vgl. Dostmann, FamRZ 1991, 760, 763 f.; Langel, StbJb 1985/86, 333, 359 f.; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 637 sowie Gernhuber, JZ 1996, 765, 766 f.: Eine rechtliche Grundlage für den Vorteilsausgleich sei nicht zu entdecken und folge insbesondere nicht aus dem Bereicherungsrecht. 2357 Kaufmann, INF 1994, 449, 452 f.; Langel, StbJb 1985/86, 333, 359; Liebelt, Fam RZ 1993, 626, 637; dezidiert a.A. Walz, StVj 1993, 46, 53 f. („[…] sind keine Zweifel mehr möglich: Eine Leistung fehlt.“); ebenso Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 100.

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Zivilrechtlicher Steuerausgleich in den negativen Einkünften oder in der infolge des Verlustausgleichs eintretenden Steuerersparnis bestehen soll.2358 Verbreitet wird davon ausgegangen, dass ein Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts zumindest im Regelfall vorliege. Teilweise wird auf die familienrechtliche Pflicht hingewiesen, der Zusammenveranlagung zuzustimmen.2359 Andere stellen primär auf die eheliche Lebensgemeinschaft und sonstige eheinterne Abreden ab und beziehen sich in zweiter Linie auf § 814 BGB sowie eine Analogie zu § 1360b BGB.2360 Nach anderer Ansicht soll der Bereicherungsanspruch an der erforderlichen Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs scheitern, da die Steuerersparnis in keiner Weise mit einem potentiellen späteren steuerlichen Nachteil des Verlustträgers zusammenhänge.2361 In jüngerer Zeit hat sich insbesondere Dyckmans eingehender mit der hier in Rede stehenden Problemstellung befasst. Ähnlich wie Sonnenschein unterscheidet er zwischen dem Splittingvorteil, der sich allein aus der Progressionsmilderung ergibt und für den kein Ausgleich geschuldet sei,2362 und der Steuerersparnis, die aus dem Verlustausgleich resultiert. In Bezug auf sie gelangt er zu einer differenzierten Lösung:2363 Was zunächst das erlangte „Etwas“ angeht, ist Dyckmans der Ansicht, dass es sich hierbei nur um die Verluste selbst handeln könne, nicht aber um die verlustbedingte Steuerersparnis, denn diese stelle lediglich einen abstrakten rechnerischen Saldo dar, der sich nicht gegenständlich abbilden lasse.2364 Demgegenüber handele es sich bei den Verlusten um eine rechtlich geschützte Position, die dem verlusttragenden Ehegatten eindeutig zugeordnet werden könne, und damit um einen tauglichen Bereicherungsgegenstand.2365 Für die Frage, ob die Verlus­te durch Leistung erlangt worden sind, müsse wie folgt unterschieden werden:2366 Innerhalb intakter ehelicher Wirtschaftsgemeinschaften würden die Verluste dem Ehepartner im Wege der Zustimmung zur Zusammenveranlagung bewusst und

2358 Vgl. insbesondere die Ausführungen Langels, StbJb 1985/86, 333, 359 f., in denen auf beide Aspekte hingewiesen wird, sowie auch Kaufmann, INF 1994, 449, 452 f. und Liebelt, FamRZ 1993, 626, 637, die der Sache nach auf diese Ausführungen Bezug nehmen. 2359 Langel, StbJb 1985/86, 333, 360; vgl. auch Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 100; a.A. Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 258 f. 2360 Liebelt, FamRZ 1993, 626, 638; siehe auch Kaufmann, INF 1994, 449, 453; zum erstgenannten Aspekt siehe bei Fn 2344; zur Frage der Anwendbarkeit von § 1360b BGB siehe Fn 2345. 2361 Dostmann, FamRZ 1991, 760, 763 a.E.; dagegen zu Recht Kaufmann, INF 1994, 449, 452; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 638; vgl. auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 257. 2362 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 247 ff. Auf die entsprechenden Ausführungen ist unter C III. bereits eingegangen worden. 2363 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 250 ff. 2364 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 251 f. unter Bezugnahme auf S. 248 f.; dazu kritisch schon oben in Fn 2163 sowie in der nachfolgenden Darstellung. 2365 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 251 f. 2366 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 253 ff.

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Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten zweckgerichtet zur Verfügung gestellt, und zwar donandi causa.2367 Diese Leis­ tung erfolge jedoch mit Rechtsgrund, den Dyckmans in der innerehelichen Abrede über das gemeinsame Wirtschaften erblickt.2368 Anders sei die Rechtslage hingegen zu bewerten, wenn keine Wirtschaftsgemeinschaft mehr bestehe. Hier fehle es an einer Leistung, da der zustimmende Ehegatte lediglich die Zusammenveranlagung erreichen, nicht jedoch dem anderen seine Verluste zur Verfügung stellen wolle.2369 Da negative Einkünfte eine vermögenswerte Position darstellten, die dem verlusttragenden Ehegatten zugewiesen seien, liege ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt einer fremden Rechtsposition vor.2370 Da es in Ermangelung einer Abrede über das gemeinsame Wirtschaften in aller Regel auch an einem Rechtsgrund fehle, sei ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB begründet.2371 Er richte sich auf die gesamte Steuerersparnis, die der Ehegatte mit den positiven Einkünften durch die Einbeziehung der Verluste seines Partners erlange.2372 Für eine Aufteilung der Steuerersparnis spricht sich Dyckmans hingegen nur de lege ferenda aus.2373

2367 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 254; siehe auch S. 258 und S. 260 Fn 535. Als kausales Schuldverhältnis, das mittels dieser Zuwendung „als Behaltensgrund für die negativen Einkünfte“ konstituiert werden soll, sieht Dyckmans für den Regelfall anscheinend – wenig überzeugend – eine ehebezogene Zuwendung an (vgl. Fn 2368). Die von ihm ebenfalls in Betracht gezogene condictio ob rem verwirft er hingegen im Ergebnis (S. 254 f. Fn 511 a.E.). 2368 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 259 f. Im Regelfall sei insoweit von einer ehebezogenen Zuwendung auszugehen (siehe dort, Fn 532). Das überzeugt nicht, da die Beiträge, die die Eheleute einvernehmlich in die Lebensgemeinschaft einbringen, als gleichwertig anzusehen sind; näher zur rechtlichen Einordnung derartiger Abreden oben Fn 2034. Richtigerweise ist im Falle des gemeinschaftlichen Wirtschaftens ohnehin von der – Einzelausgleichsansprüche von vornherein verdrängenden – Außenlösung auszugehen (näher oben S. 417 ff.). Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, kommt auch kein ergänzender Vorteilsausgleich im Sinne der obigen Darstellung in Betracht. 2369 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 255 f. Diese Aussage orientiert sich ersichtlich an den entsprechenden Ausführungen Sonnenscheins. 2370 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 256 f. Die Annahme einer Eingriffskondiktion überzeugt im vorliegenden Zusammenhang allerdings nicht (siehe oben Fn 2168). 2371 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 260 f. 2372 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 251, S. 261 f., S. 267 f. Wie sich dieser Anspruch zu der Verpflichtung zum Nachteilsausgleich verhält, die Dyckmans zufolge zur Bedingung für die Zustimmung zur Zusammenveranlagung gemacht werden kann (so S. 245 Fn 465, S. 251, S. 258 f. mit S. 108 ff. (S. 112 f.)), beantwortet er allerdings nicht. 2373 Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 267, S. 275 (vgl. auch schon oben Fn 1686). Nach hier vertretener Ansicht ist eine hälftige Aufteilung der Steuer­ersparnis hingegen bereits de lege lata möglich (siehe oben b)). Sie dürfte in der Lebenswirklichkeit ohnehin häufig bereits einvernehmlich – im Wege eines gemeinschaftlichen Wirtschaftens, über Unterhaltsleistungen oder sonstige Ausgleichsmaßnahmen – praktiziert werden.

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Anders als Dyckmans meint, können die negativen Einkünfte selbst nicht den Bereicherungsgegenstand bilden, denn sie sind nicht gegenständlich erlangbar,2374 sondern stellen lediglich eine Rechengröße dar, die sich im Zuge der Zusammenveranlagung (nur) deshalb vorteilhaft auswirkt, weil eine Verrechnung mit den positiven Einkünften des anderen Ehegatten stattfinden kann.2375 Das Vermögen dieses Ehegatten wird vielmehr allein durch die Steuerersparnis gemehrt, die aus dieser Verrechnung resultiert.2376 Sie manifestiert sich auch gegenständlich, nämlich in Form von Erstattungsansprüchen bzw. einer Verminderung der geschuldeten Steuer.2377 Nur diese Positionen können folglich den Bereicherungsgegenstand bilden. Richtigerweise fehlt es (auch)2378 insoweit an einer Leistung,2379 und zwar unabhängig davon, ob eine intakte Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft besteht oder nicht: Erstens ist die jeweils erlangte Vermögensposition 2374 Zu der heute ganz weithin zugrunde gelegten gegenständlichen Sichtweise siehe nur Schwab, in: MünchKomm.-BGB, § 812 Rn. 1 ff. 2375 Diese bereicherungsrechtliche Einordnung gilt unabhängig von der Frage, inwieweit Verlusten ein wirtschaftlicher Wert beigemessen werden kann, weil ihnen das Potential innewohnt, im Wege der Verrechnung mit positiven Einkünften steuerlich nutzbar gemacht zu werden (vgl. dazu im Folgenden). Zu einer derartigen (interpersonellen) Verlustnutzung kommt es gemäß § 26b EStG, wenn die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen (nicht thematisiert in BFH GrS BStBl. II 2008, 608; zu Folgefragen dieser Entscheidung, die den hier betrachteten Bereich betreffen, siehe Schmidt/Heinicke, EStG, § 10d Rn. 15; Moog, DStR 2010, 1122, 1122 f.). Dies ändert aber nichts daran, dass negative Einkünfte ihrer Natur nach nicht gegenständlich erlangbar sind (vgl. auch Fichtelmann, NJW 1972, 2118, 2119; Keuk, StuW 1973, 74, 84) und sich nur die erzielte Steuerersparnis konkret im Vermögen des anderen Ehegatten auswirkt (dazu sogleich). Dass Dyckmans die erlittenen Verluste dennoch als tauglichen Bereicherungsgegenstand ansieht, muss gerade vor dem Hintergrund seiner eigenen Ausführungen zur angeblich von vornherein fehlenden bereicherungsrechtlichen Relevanz der zusammenveranlagungsbedingten Steuerersparnis (Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 248 f.; dazu im Folgenden) erstaunen. 2376 Vgl. in ähnlichem Kontext (Verlustverrechnung im gewerbesteuerlichen Organkreis nach früherem Recht) auch Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 460; St. Simon, ZGR 2007, 71, 104 f. 2377 Näher oben b). Auf die bereicherungsrechtliche Relevanz solcher Beträge ist (mit Blick auf die Splittingersparnis) bereits oben in Fn 2163 eingegangen worden, wo auch die Vorbehalte Dyckmans gegenüber der hier vertretenen Sichtweise erörtert wurden. Das dahinter stehende Problem sollte m.E. besser bei den Tatbestandsmerkmalen „durch Leistung“ und insbesondere „auf dessen Kosten“ verortet werden; dazu sogleich. 2378 Zur parallelen Fragestellung in Bezug auf die splittingbedingte Steuerersparnis siehe bereits oben C III. 2379 Vgl. wiederum, wenn auch ohne Begründung, Walz, StVj 1993, 46, 53 f.: „[…] sind keine Zweifel mehr möglich: Eine Leistung fehlt.“

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(Steuererstattung bzw. Steuerschuldverringerung) nicht von dem verlusttragenden Ehegatten zugewendet worden, sondern stellt einfach das Ergebnis eines Rechtsanwendungsvorgangs durch die Finanzbehörde dar, welche nicht als Leistungsmittlerin dieses Ehegatten angesehen werden kann.2380 Der erlangte Vorteil bildet mithin lediglich eine mittelbare Folgewirkung der Mitwirkung an der Zusammenveranlagung, nicht jedoch den Leistungsinhalt selbst.2381 In dem Zustimmungsverhalten als solchem kann die maßgebende Leistungshandlung ebenfalls nicht erblickt werden, was schon daraus folgt, dass die Mitwirkung in aller Regel familienrechtlich geschuldet ist, also mit Rechtsgrund erfolgt und daher keinen Bereicherungsanspruch auslösen kann.2382 Selbst wenn man sich über diese Bedenken hinwegsetzte, fehlte es – zweitens – praktisch immer an der erforderlichen Zweckgerichtetheit2383 bzw. Tilgungsbestimmung,2384 denn der Wille, einen vermeintlich bestehenden Anspruch zu erfüllen, der auf eine entschädigungslose Vorteils-

2380 Vgl. im Ansatz auch Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 99 f. sowie schon Fn 2164; zum Erfordernis der Leistungsbewirkung durch den Anspruchsteller bzw. einen von ihm eingeschalteten Dritten siehe Wendehorst, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 812 Rn. 44; Staudinger/St. Lorenz, BGB, § 812 Rn. 5. Im Rahmen des parallelen Streitstandes, der sich nach früherem Recht zur Rechtslage bei der gewerbesteuerlichen Organschaft gebildet hatte, war ebenfalls ganz weithin anerkannt, dass nur ein Anspruch aus Nichtleistungskondiktion in Betracht kommen konnte (vgl. etwa BFH BStBl. II 2005, 490, 492; Habersack, BB 2007, 1397, 1399; Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 460 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), 629, 634 f.; St. Simon, ZGR 2007, 71, 104 f.). 2381 Vgl. zu dem hier angesprochenen Unmittelbarkeitskriterium Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB, § 812 Rn. 55. Nicht zu verwechseln ist es mit der besonders in früherer Zeit vielfach geforderten unmittelbaren Vermögensverschiebung, auf die es richtigerweise nicht ankommen kann (siehe oben S. 447 f.). 2382 Vgl. (mit Blick auf die parallele Fragestellung der Aufteilung der progressionsbedingten Steuerersparnis) oben Fn 2164 mit unten III. Die in Fn 2164 angesprochene Konstruktion – Behandlung der Zustimmung als Leistung und Abbildung der Steuerersparnis über § 818 Abs. 1 BGB – wäre im Übrigen ihrerseits kaum überzeugend. Insbesondere ist es schwerlich möglich, die verlustbedingte Steuerersparnis wie eine Nutzung oder ein Surrogat der Mitwirkungshandlung einzuordnen (vgl. die nachfolgenden Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten“); zur Notwendigkeit, zwischen der Mitwirkung an der Zusammenveranlagung und der Frage, ob (auch) die Steuerersparnis zugewendet worden ist, abzuschichten, siehe die nachfolgenden Ausführungen (mit Fn 2385). 2383 Siehe zu diesem, von der herrschenden Meinung angewendeten Kriterium nur Erman/Buck-Heeb, BGB, § 812 Rn. 12; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 80 ff. (S. 89 ff.). 2384 Auf dieses Kriterium beziehen sich etwa Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB, § 812 Rn. 46 f.; Schwab, in: MünchKomm.-BGB, § 812 Rn. 48.

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zuwendung gerichtet ist, wird sich kaum je nachweisen lassen,2385 und eine Schenkung oder sonstige unentgeltliche Zuwendung wird nur ganz ausnahmsweise intendiert sein, da in aller Regel die Absicht im Vordergrund steht, die steuerliche Gesamtlast zu verringern und hieran über Unterhaltsleistungen oder auf andere Weise unmittelbar zu partizipieren.2386 Für die Annahme einer eigenständigen, gerade auf die Steuerersparnis bezogenen Zuwendungsabsicht wird zudem überall dort umso weniger Raum bleiben, wo der verlusttragende Ehegatte, wie im Regelfall,2387 sogar dazu verpflichtet ist, an der Zusammenveranlagung mitzuwirken.2388 Aus beiden Gründen kommt folglich nur eine Bereicherung „in sonstiger“ Weise in Betracht, so dass sich erneut die Frage stellt, ob der Steuervorteil „auf Kosten“ des Ehegatten mit den negativen Einkünften erlangt worden ist.2389 Nach den allgemeinen, unter b) referierten Grundsätzen, die sich, wie gezeigt,2390 prinzipiell auf die Zuweisung verlustbedingter Steuervorteile übertragen lassen, wäre dies nur für die Hälfte der Steuer­

2385 Der „notwendige Bezug zu seinem Schuldverhältnis“ (Staudinger/St. Lorenz, BGB, § 812 Rn. 5) ist im Hinblick die Steuerersparnis mithin nicht ersichtlich (offenbar verkannt von Kaufmann, INF 1994, 449, 452 und Liebelt, FamRZ 1993, 626, 637). Dies gilt gerade auch dann, wenn – wie häufig (vgl. unten III.) – die Pflicht besteht, an der Zusammenveranlagung mitzuwirken (vgl. demgegenüber Langel, StbJb 1985/86, 333, 359 f.), denn die bloße Erfüllung dieser Ver­ bindlichkeit spricht tendenziell sogar dagegen, dass in Bezug auf die Steuerersparnis ein eigenständiger Leistungszweck verfolgt wird, der gerade auf ihre Zuwendung gerichtet ist. Die Frage des Innenausgleichs stellt sich vielmehr auf nachgelagerter Ebene und ist prinzipiell unabhängig von der Zustimmungspflicht (insoweit zutreffend Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 248, S. 253 f., S. 259). 2386 Vgl. – zutreffend – Sonnenschein, NJW 1980, 257, 259. Aus dem im vorstehenden Absatz angeführten ersten Grund würde es jedoch auch in dem hier in Bezug genommenen Ausnahmefall an einer Leistung fehlen. Deshalb kann die von Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 254 f. Fn 511 im Ergebnis abgelehnte Frage dahinstehen, ob eine condictio ob rem in Betracht kommt. Die durchgängige Annahme von Leistungen donandi causa in ehelichen Wirtschaftsgemeinschaften – Dyckmans geht von ehebezogenen Zuwendungen aus (S. 259 f. Fn 532) – kann jedenfalls nicht überzeugen (siehe oben Fn 2368). 2387 Siehe wiederum unten III. 2388 Siehe auch Fn 2385. 2389 Vgl. zur parallelen Fragestellung der Aufteilung der progressionsbedingten Steuer­ ersparnis auch schon oben C III. Anders als Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 256 f. meint, würde es sich vorliegend nicht um eine Eingriffskondiktion handeln (siehe zum Fragenkreis oben Fn 2168 und 2185). 2390 Siehe oben c).

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ersparnis der Fall.2391 Abweichendes könnte lediglich dann gelten, wenn sich begründen ließe, dass der entsprechende Betrag bereicherungsrechtlich ausschließlich demjenigen Ehegatten zugute kommen muss, bei dem die Verluste angefallen sind. Das wird im Schrifttum vielfach bejaht: Verluste stellten aufgrund ihrer Ausgleichsfähigkeit (bzw. ihres Abzugspotentials im hypothetischen Fall einer Einzelveranlagung) eine vermögenswerte Position dar, die nach ihrem steuerlichen Zuweisungsgehalt demjenigen zustehe, bei dem sie angefallen seien.2392 Das überzeugt nicht,2393 und zwar aus vier Gründen, die auf das Engste miteinander zusammenhängen: Erstens ist nicht die Frage entscheidend, wem die negativen Einkünfte zugewiesen sind, sondern es kommt darauf 2391 Bei dieser Aussage ist wiederum vorausgesetzt, dass ein Ausgleich über das Schuldrecht überhaupt in Betracht kommt, weil der entsprechende Betrag nicht bereits vom Unterhaltsanspruch erfasst wird (vgl. wiederum oben b) in Zusammenschau mit den dort in Bezug genommenen allgemeinen Grundsätzen). 2392 In diesem Sinne Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 252, S. 256 f.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260 und 262; vgl. auch Kaufmann, INF 1994, 449, 452; Langel, StbJb 1985/86, 333, 359; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 637 und 639 f. sowie aus der Rechtsprechung OLG Frankfurt/Main FamRZ 2004, 877, 878; OLG Köln NJW 1998, 3785, 3786; OLG Köln FamRZ 1995, 92, 93; LG Tübingen NJW-RR 1990, 1221, 1222; FG Niedersachsen EFG 1987, 571, 571; in Bezug auf gewerbesteuerliche Organschaften nach früherem Recht gleichsinnig etwa Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 461 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), 629, 634 f.; St. Simon, ZGR 2007, 71, 104 f.; ders., DStR 2000, 431, 435 f.; vgl. auch Herlinghaus, GmbHR 2002, 989, 994; Witt, Konzernbesteuerung, S. 380 f.; a.A. im familienrechtlichen Kontext LG Stuttgart FamRZ 1992, 680, 681, wo aber zu Unrecht (siehe oben S. 447 f.) entscheidend auf die fehlende Entreicherung beim Verlustträger abgestellt wird; vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 191, 191. 2393 Vgl. mit Blick auf die parallele Fragestellung im früheren Recht der gewerbesteuerlichen Organschaft auch Habersack, BB 2007, 1397, 1399 f.; Kleindiek, DStR 2000, 559, 563. Entgegen Habersack (siehe auch Kieker, Gewerbesteuerumlage, S. 74 ff.; Kleindiek, aaO; W. Müller, FS Beisse, S. 363, 369 f.; vgl. ferner BFH BSt Bl. II 2005, 490, 492; Schauhoff, StbJb 2000/2001, 325, 329 f.) haben die einschlägigen Steuervorschriften allerdings aus sich heraus keinen Behaltensgrund dargestellt. Vielmehr sind die Besteuerungsergebnisse auch in diesem Bereich einer zivilrechtlichen Abänderung prinzipiell zugänglich gewesen; vgl. Hüttemann, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 127, 146; dens., ZHR 171 (2007), 451, 457, 461 f.; St. Simon, ZGR 2007, 71, 80 f., 105; dens., DStR 2000, 431, 434 ff. sowie (zum Vorsteuerabzug bei der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft) BGH ZIP 2013, 409, 411; siehe ferner BGHZ 120, 50, 55 ff. (zu § 426 Abs. 1 BGB) und für den Bereich der Ehegattenbesteuerung auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 260; vgl. in anderem Zusammenhang ferner Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 163. Eine davon zu unterscheidende Frage (vgl. auch bereits oben Fn 2165, 2171) ist allerdings, ob der Bereicherungsanspruch aus anderen Gründen nicht einschlägig ist; dazu im Folgenden; zu der hier zugrunde gelegten Trennung zwischen den Tatbestandsmerkmalen „auf Kosten“ und „ohne rechtlichen Grund“ vgl. Fn 2166.

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an, wem die erzielte Steuerersparnis gebührt. Ein Rechtssatz, aus dem sich ergibt, dass diese dem verlusttragenden Ehegatten zusteht,2394 ist nicht ersichtlich.2395 Zweitens kommt der bloßen Ausgleichs- bzw. Abzugsfähigkeit von Verlusten bei isolierter Betrachtung, d.h. solange es an verrechenbaren positiven Einkünften fehlt, ohnehin kein wirtschaftlicher Wert zu.2396 Die entstandene Steuerersparnis bildet daher – drittens – keinen alleinigen Ausfluss der negativen Einkünfte, sondern ist vielmehr die Folge ihres Ausgleichs mit den positiven Einkünften des anderen Ehegatten. Viertens wird die Möglichkeit dieses interpersonellen Verlustausgleichs überhaupt erst durch § 26b EStG eröffnet – was zur Folge hat, dass die hierdurch begründete Steuerersparnis beiden Ehegatten hälftig zusteht. Im Einzelnen stellt sich die Rechtslage wie folgt dar: Richtig ist zwar, dass negative Einkünfte normalerweise auf das Engste mit der Person desjenigen Steuerpflichtigen verbunden sind, der sie erwirtschaftet hat.2397 Insbesondere lässt sich über die Berechtigung zu ihrer Geltendmachung nicht rechtsgeschäftlich verfügen,2398 sondern sie können gemäß § 10d EStG grundsätzlich nur für den Verlustträger selbst im Wege der Übertragung in andere Veranlagungszeiträume nutzbar gemacht werden.2399 Die neuere Rechtsprechung verneint sogar die Vererblichkeit von Verlustvorträgen.2400 Diese im Normalfall bestehende strikte Personen2394 Vgl. zum Merkmal „auf Kosten“ die Ausführungen auf S. 445 ff. 2395 Vgl. bereits Gernhuber, JZ 1996, 765, 766 f. 2396 Siehe für die bereicherungsrechtliche Lage auch Habersack, BB 2007, 1397, 1399 f. (vgl. auch bereits oben Fn 2171); vgl. ferner (mit Blick auf den Verlustabzug nach § 10d EStG) BFH BStBl. II 2011, 826, 827; BGHZ 155, 249, 253 und 257; Fichtelmann, NJW 1972, 2118, 2119; Kahlert, ZInsO 2006, 1314, 1315 sowie in ähnlichem Zusammenhang auch BFH BStBl. II 2005, 262, 268; BFH BSt Bl. II 2000, 622, 624; Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11, 27; Röder, Verlustverrechnung, S. 308 f.; speziell zur Ausgleichsfähigkeit von Verlusten siehe insbesondere Keuk, StuW 1973, 74, 84. 2397 Vgl. BFH GrS BStBl. II 2008, 608, 612 f.; RFH RStBl. 1941, 658, 658; Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 112, A 180; Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11, 22 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 63. 2398 Siehe etwa BFH GrS BStBl. II 2008, 608, 613; Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11, 23; speziell für laufende Verluste (Verlustausgleich) näher Keuk, StuW 1973, 74, 84; für Verlustvorträge siehe nur RFH RStBl. 1941, 658, 658; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 63. 2399 Siehe nur BFH GrS BStBl. II 2008, 608, 612 f.; Lambrecht, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 10d Rn. 6, 9; zu den verfassungsrechtlichen Hintergründen der grundsätzlich fehlenden Übertragbarkeit negativer Einkünfte auf andere Personen näher Röder, Verlustverrechnung, S. 283 ff. 2400 BFH GrS BStBl. II 2008, 608, 611 ff.; BGH BStBl. II 2005, 262, 264 ff.; zur Unvererblichkeit des „Verlustausgleichs“ Keuk, StuW 1973, 74, 84.

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bezogenheit negativer Einkünfte wird jedoch aufgrund von § 26b EStG für zusammen veranlagte Ehegatten durchbrochen, indem das Gesetz hier ausnahmsweise einen interpersonellen Verlustausgleich zulässt.2401 Ohne die auf diese Weise ermöglichte Verlustverrechnung wären die negativen Einkünfte in dem hier betrachteten Veranlagungszeitraum wirtschaftlich ohne Wert2402 und verkörperten für den verlusttragenden Ehegatten zunächst nur eine (ungewisse) Chance, in späterer Zeit2403 eine Steuerersparnis zu erlangen.2404 Abweichend von diesen Grundsätzen werden die Ehegatten stattdessen in die Lage versetzt, für das Jahr der Zusammenveranlagung eine Steuer­ ersparnis zu realisieren – und nur um die Aufteilung dieser Steuerersparnis geht es vorliegend.2405 Sie bildet keine ausschließliche Folge der – isoliert betrachtet zunächst wertlosen – negativen Einkünfte, sondern kommt allein durch deren Kombination mit den positiven Einkünften des anderen Ehegatten zustande.2406 Auch wird die Höhe der Steuerentlas­ tung maßgeblich vom Umfang der verrechenbaren positiven Einkünfte

2401 Vgl. – treffend – Röder, Verlustverrechnung, S. 14 f., S. 80 f., S. 311 ff. (mit S. 283 ff.), auch zur (verfassungs-)dogmatischen Einordnung; siehe ferner Blümich/Ettlich, § 26b EStG Rn. 13; P. Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 2 Rn. 94; Kempermann, DStJG 28 (2005), 99, 107 f.; Matsubara, Verluste, S. 89 f., S. 94; M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41, 68; missverständlich Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11, 23 (siehe aber S. 26); relativierend BFH BStBl. II 2005, 624, 627. Hiermit geht ein einheitlicher Verlustabzug nach § 10d EStG einher, der ebenfalls Ausnahmecharakter hat (vgl. RFH RStBl. 1941, 658, 658; Fichtelmann, NJW 1972, 2118, 2118); zu den steuertechnischen Einzelheiten siehe Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 200 ff.; St. Schneider, aaO, § 26b Rn. B 20 ff., B 60 ff. sowie die weiteren Nachweise in Fn 1753 und 1757. 2402 Siehe die Nachweise in Fn 2396. 2403 Der Fall der Rücktragsmöglichkeit in einen Zeitraum der Einzelveranlagung kann hier vernachlässigt werden. Wegen der Gemeinschaftsvorstellung, die § 26b EStG zugrunde liegt (dazu im Folgenden), wäre für ihn im Übrigen keine bereicherungsrechtliche Sonderbehandlung angezeigt. 2404 Siehe auch BGHZ 155, 249, 253 und 257; Kahlert, ZInsO 2006, 1314, 1315 sowie in ähnlichem Zusammenhang BFH BStBl. II 2005, 262, 267 f.; BFH BStBl. II 2000, 622, 624; Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11, 27; Habersack, BB 2007, 1397, 1399 f.; Keuk, StuW 1973, 74, 84; zur Frage des wirtschaftlichen Werts von Verlustvorträgen siehe auch Fn 2415. 2405 Wie eingangs gezeigt, bildet auch nur sie den Gegenstand der Bereicherung, denn sie allein wirkt sich im Vermögen der Ehegatten aus, und nur sie ist gegenständlich fassbar. 2406 Vgl. erneut Ott/Nagel, BB 1997, 185, 185 sowie insoweit auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 262 Fn 543 und S. 267 f., der hieraus jedoch nur Folgerungen de lege ferenda ziehen will.

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bestimmt.2407 Wird zusammen veranlagten Ehegatten mithin ausnahmsweise eine interpersonelle Verlustausgleichsmöglichkeit zugestanden, die zu einer Steuerersparnis führt, so ist hierin wiederum eine Aus­ prägung ihrer besonderen einkommensteuerlichen Behandlung zu er­ blicken, die im Kern auf Art. 6 Abs. 1 GG beruht.2408 Dieser Zusammenhang streitet, wie unter c) bereits betont, für eine hälftige Aufteilung der Ersparnis. Aus denselben Gründen ist es nicht möglich, von der These, der Verlust stehe demjenigen Ehegatten zu, der ihn erlitten hat, darauf zu schließen, dass ihm auch die gesamte Steuerersparnis zugute kommen muss.2409 Ein Rechtssatz, aus dem abgeleitet werden könnte, dass dem verlusttragenden Ehegatten die Steuerersparnis bereicherungsrechtlich in voller Höhe zugewiesen ist, ist vielmehr nicht ersichtlich.2410 Im Gegenteil spricht das § 26b EStG zugrunde liegende Gemeinschaftsmodell, über das die konkrete Steuerersparnis überhaupt erst zur Entstehung gebracht wird, für eine hälftige Zuweisung entsprechend den allgemeinen Grundsätzen. Die eingangs formulierte These – Zugehörigkeit des Verlusts zur Person des Verlustträgers – ist ohnehin fragwürdig, weil sie ebendieser gemeinschaftlichen Behandlung zusammen veranlagter Verheirateter zuwiderläuft, die das Gesetz in den §§ 26b, 10d EStG sowohl für den Verlust­ ausgleich als auch für den Verlustabzug2411 zum Ausdruck bringt.2412 2407 Vgl. wiederum Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 262 Fn 543 und S. 267 f. sowie in anderem Kontext (gewerbesteuerliche Organschaft) auch Habersack, BB 2007, 1397, 1399. 2408 Vgl. Röder, Verlustverrechnung, S. 311 ff.; M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41, 62 f. und 68 (dazu bereits oben Fn 2336). 2409 So aber der Sache nach Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 251 f., S. 261 f.; Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260 und 262; vgl. auch die übrigen in Fn 2392 zitier­ ten Autoren. Die von Sonnenschein angeführte Ausgleichsfähigkeit ne­ gativer Einkünfte, deren aktueller Vermögenswert im Übrigen zu verneinen ist (vgl. oben bei Fn 2402), ist, wie gezeigt, etwas anderes als die erst über den Ausgleich mit positiven Einkünften entstehende Steuerersparnis; im gleichen Sinne wie hier Kahlert, ZInsO 2006, 1314, 1315; speziell zum Aspekt der Nicht­ entstehung eines Verlustabzugs nach § 10d EStG siehe den nachfolgenden Absatz. 2410 Im gleichen Sinne Gernhuber, JZ 1996, 765, 766 f., der einen Vorteilsausgleich aber insgesamt ablehnt; vgl. auch Kahlert, ZInsO 2006, 1314, 1315. 2411 Vgl. zu ihm Hallerbach, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Anm. 108; R 10d Abs. 2 Satz 2 EStH 2012: verdoppelte Abzugsbeträge unabhängig von Verlust­ herkunft. 2412 Die bei Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 252 ausschließlich betrachteten technischen Einzelheiten zu § 26b EStG stützen diese These ebenso wenig wie sein Argument, im Falle der getrennten (sic!) Veranlagung [heute: Einzelveranlagung] entstünde eine individuelle Verlustabzugsmöglichkeit nach § 10d EStG.

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Zumindest für den Regelfall des gemeinschaftlichen Wirtschaftens bzw. einer sonstigen einvernehmlichen Ausgleichspraxis spricht das hier verwirklichte Gemeinschaftsmodell sogar ganz generell dagegen, die Rechtslage bei hypothetischer Einzelveranlagung als Referenzmodell anzusehen.2413 Vor diesem Hintergrund kann es für die Zwecke des Vorteilsausgleichs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auch nicht darauf ankommen, dass dem Ehegatten, der die negativen Einkünfte erzielt hat, bei Einzelveranlagung ein Verlustabzug nach § 10d EStG zugestanden hätte.2414 Dies gilt unabhängig von der – nicht zweifelsfreien – Frage, inwieweit einer derartigen Rechtsposition für den Fall ihrer Existenz ein wirtschaftlicher Wert zugemessen werden kann.2415 Denn erstens findet sie, wie gezeigt, in der erzielten Steuerersparnis keine Entsprechung. Zweitens gelangt sie in den hier zu bewertenden Fällen noch nicht einmal zur Entstehung, so dass ihr von vornherein weder ein wirtschaftlicher Wert noch gar ein bereicherungsrechtlicher Zuweisungsgehalt innewohnen kann.2416 VielAuch in § 62d Abs. 1 Satz 2 EStDV findet sie keine genügende Basis (vgl. demgegenüber Dyckmans, aaO, Fn 498), denn diese Vorschrift betrifft lediglich die steuertechnische Behandlung von Fällen, in denen eine Aufteilung deshalb notwendig ist, weil sich die Ehegatten nicht (mehr) zusammen veranlagen lassen. 2413 Siehe erneut oben c) in Zusammenschau mit den dort in Bezug genommenen weiteren Teilen dieser Untersuchung. Auf diesen Aspekt wird sogleich unter e) zurückgekommen. 2414 Aus den in Fn 2392 zitierten Stellungnahmen kommt diese Sichtweise namentlich bei Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 252 und Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260 und 262 zum Ausdruck. 2415 In BFH GrS BStBl. II 2008, 608, 612 wird der Verlustvortrag als „aufschiebend, durch die Entstehung künftiger positiver Gesamtbeträge der Einkünfte bedingter Einkommensteuerminderungsanspruch“ definiert; ihm komme „dem Grunde nach“ wirtschaftlicher Wert zu (siehe auch BFH BStBl. II 2004, 414, 414 f.). Dies ändert aber nichts daran, dass sowohl die Entstehung der entsprechenden Steuerersparnis ungewiss, als auch ihre Höhe nicht bestimmbar ist (Witt, BB 2008, 1199, 1200; vgl. bereits oben bei Fn 2404) und ihr ökonomischer Wert von der jeweiligen gesetzlichen Ausgestaltung der Verlustverrechnung abhängt (Röder, Verlustverrechnung, S. 308). Es verwundert daher nicht, dass Unklarheit darüber besteht, ob Verlustvorträgen Vermögensgegenstandseigenschaft zukommt; grundsätzlich bejahend wohl BFH BStBl. II 2004, 414, 414; ablehnend BFH BSt Bl. II 2005, 262, 267 f.; Kahlert, ZInsO 2006, 1314, 1315; siehe auch BFH BSt Bl. II 2000, 622, 624; Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11, 27 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 307; differenzierend Fichtelmann, NJW 1972, 2118, 2119; zur bilanzrechtlichen Behandlung näher Röder, aaO, S. 307 f. Letztere kann aber nicht entscheidend für die bereicherungsrechtliche Bewertung sein (näher Habersack, BB 2007, 1397, 1399 f.). 2416 Gleicher Gedanke in anderem Kontext (gewerbesteuerlicher Organkreis nach früherem Recht) bei Kleindiek, DStR 2000, 559, 563; siehe insoweit auch Habersack, BB 2007, 1397, 1399. Ein bereicherungsrechtlich relevanter Zuweisungsge-

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mehr tritt – drittens – an die Stelle dieser individuellen Betrachtung das in § 26b EStG zum Ausdruck kommende Gemeinschaftsmodell, das für eine hälftige Aufteilung streitet. Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass über Bereicherungsrecht kein Ergebnis erzielbar ist, das über eine gleichmäßige Teilhabe an der Steuerersparnis hinausgeht. e) Ergänzender Nachteilsausgleich? Es bleibt die – eng mit den zuletzt angestellten Erwägungen verknüpfte – Frage, ob der verlusttragende Ehegatte in Bezug auf solche Veranlagungszeiträume eine weitergehende Kompensation verlangen kann, in denen er seine negativen Einkünfte bei hypothetischer Einzelveranlagung aufgrund von § 10d EStG in eigener Person hätte nutzen können, wenn es nicht zu der Zusammen­veranlagung gekommen wäre (interperiodischer Nach­teilsausgleich).2417 Auch hier ist zu beachten, dass es nur um einen ergänzenden Ausgleich gehen kann,2418 denn über den Unterhaltsanspruch und gegebenenfalls das Bereicherungsrecht ist auch dort eine Teilkompensation in Höhe der hälftigen Steuerersparnis sichergestellt, wo es an einem gemeinsamen Wirtschaften fehlt.2419 Ein derartiger (ergänzender) Nachteilsausgleich kommt jedenfalls dort nicht in Betracht, wo die Ehegatten – entsprechend dem hinter § 26b EStG stehenden Gemeinschaftsmodell – zusammen wirtschaften.2420 Denn zum einen besteht dann schon in lebenstatsächlicher Hinsicht keiner­ lei Anlass, das von den Ehegatten einvernehmlich begründete Wirtschaftsgefüge punktuell aufzubrechen. Zum anderen streiten die verfassungsrechtlichen Hintergründe des Ehegattensplittings gegen Einzelausgleichsmaßnahmen in diesem Bereich – und auch schon dagegen, halt kann sich nur aus den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften ergeben (siehe oben S. 446 f.), die aber für den Fall der Zusammenveranlagung einen derartigen Verlustabzug gerade nicht zulassen; a.A. namentlich Sonnenschein, NJW 1980, 257, 260 und 262. 2417 Diese Frage wird von den in Fn 1211 nachgewiesenen Stimmen prinzipiell bejaht, die einen Vorteilsausgleich aber – anders als hier – in aller Regel ablehnen; vgl. zu der Verhältnisbestimmung, die hinter diesem Ansatz steht, insbesondere Kahlert, ZInsO 2006, 1314, 1315. 2418 Vgl. die einleitenden Bemerkungen unter d). 2419 Auch für den Bereich des Nachteilsausgleichs wird diese Ergänzungsfunktion von vielen nicht zur Kenntnis genommen; siehe als Beispiel erneut die Entscheidung BGH FamRZ 2011, 210, wo dieser Zusammenhang ignoriert und der verlusttragende Ehegatten daher zulasten seines Partners überkompensiert wird (näher oben Fn 2312). 2420 Vgl. zum Folgenden bereits oben c) sowie die Ausführungen zu Beginn und am Ende von d); zutreffend BGH NJW 2010, 1879, 1881 f.; a.A. wiederum BGH Fam RZ 2011, 210, 210 f.

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die Rechtslage bei Einzelveranlagung überhaupt zum Ausgangspunkt der Überlegungen zu machen.2421 Die Rechtslage bei Einzelveranlagung könnte daher nur dann von Bedeutung sein, wenn die Ehegatten tatsächlich getrennt wirtschaften und auch sonst keine einvernehmliche Teilhabe an den erworbenen Mitteln herstellen, denn für derartige Fälle stellt diese Rechtslage normalerweise das zutreffende Referenzmodell dar.2422 In der hier vorliegenden Konstellation kann dabei allerdings nicht stehen geblieben werden: In diesem Bereich – und nur hier – käme es nämlich zu einem echten Spannungsverhältnis mit der verfassungsgeleiteten Gemeinschaftsvorstellung, die hinter § 26b EStG steht, denn diese streitet für einen Anspruch auf hälftige Vorteilsteilhabe, während bei Maßgeblichkeit der Verhältnis bei Einzelveranlagung voller Nachteilsausgleich zu leisten wäre, der in aller Regel wertmäßig höher ausfällt. Anders als in den übrigen Fällen, in denen­aufgrund der Zusammenveranlagung eine Steuerersparnis entsteht, können diese beiden Rechtsfolgen nicht einfach miteinander kombiniert werden, weil der entstandene Nachteil nicht, wie sonst, in einem aliud-Verhältnis zu der Steuerersparnis steht, sondern bei veranlagungszeitraumübergreifender Betrachtung vielmehr deren (nachteilige) Kon­ sequenz bildet. Diese Friktionen betreffen nicht nur den Anspruchs­ umfang,2423 sondern auch bereits das „Ob“ des Nachteilsausgleichs, denn gewährte man in dieser Situation einen (ergänzenden) Ausgleich, müsste von den allgemeinen, im Kern auf Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG beruhenden Grundsätzen über den Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten abgewichen werden.2424 Die gebotene hälftige Aufteilung der Steuerersparnis würde zugunsten einer asymmetrischen Unterverteilung der vorhandenen Steuereffekte ausgehöhlt – wofür eine tragfähige Begründung erforderlich wäre. An einer solchen fehlt es jedoch. Bereits die Suche nach einer einschlägigen Anspruchsgrundlage stößt auf kaum überwindbare Schwierigkeiten. Zwar trifft die verbreitete These, der Gesamtschuldnerausgleich komme

2421 Vgl. oben A. 2422 Vgl. oben A III. 2423 Siehe die obigen Ausführungen zur ergänzenden Funktion eines etwaigen Nachteilsausgleichs. 2424 Entsprechend den Ausführungen unter A., insbesondere S. 339 f., beanspruchen diese Grundsätze prinzipiell auch für den (atypischen) Fall des getrennten Wirtschaftens Geltung, weil sie an die Zusammenveranlagung anknüpfen, die einheitliche verfassungsrechtliche Wurzeln hat (vgl. zu dem zuletzt genannten Aspekt auch M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41, 68).

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insoweit von vornherein nicht in Betracht,2425 in dieser Allgemeinheit nicht zu. Gernhuber hat zu Recht herausgestellt, dass der hier in Rede stehende Nachteilsausgleich bei interperiodischer Betrachtung konzeptionell durchaus über § 426 BGB bewältigt werden könnte, wenn die Ehegatten auch in dem Jahr der Nachteilsrealisation zusammen veranlagt werden.2426 Anderes gilt hingegen für Veranlagungszeiträume, in denen eine Gesamtschuld nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO nicht (mehr) zur Entstehung gelangt.2427 In derartigen Fällen ist auch keine andere Anspruchsgrundlage einschlägig.2428 Aber auch dann, wenn der Anwendungsbereich des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnet ist, wäre es erforderlich, eine rechtliche Wertung an den Gesamtschuldnerausgleich heranzutragen, aus der sich ergibt, dass ein Nachteilsausgleich zu gewähren ist.2429 Im vorstehenden Absatz konnte jedoch – im Gegenteil – gezeigt werden, dass ein derartiger Anspruch seinerseits einen Konflikt mit denjenigen Wertungen hervorriefe, auf denen die Zusammenveranlagung fußt. Es muss daher mit der hälftigen Aufteilung der Steuerersparnis sein Bewenden haben. Die so erzielten Ergebnisse erscheinen auch nicht unbillig, wenn man bedenkt, dass dieser Steuervorteil sofort, d.h. bereits für das Jahr der Zusammenveranlagung vereinnahmt werden kann. Darüber hinaus wird eine gewisse zusätzliche Kompensation häufig mittelbar aus dem Unterhaltsrecht folgen, da sich die fehlende Abzugsfähigkeit der Verluste im Jahr der Nachteilsrealisation negativ auf die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit auswirkt bzw. eine etwaige Bedürftigkeit erhöht wird. Schließlich ist zu bedenken, dass der Ehegatte, der die negativen Einkünfte erwirtschaftet hat, der Zusammenveranlagung nur dann zustimmen muss, wenn sich diese über die Totalperiode hinweg voraussichtlich als insgesamt vorteilhaft erweist.2430 2. Verlustabzug Zu klären bleibt, welche Rechtsfolgen eingreifen, wenn negative Einkünfte gemäß § 10d EStG in einen Veranlagungszeitraum vor- bzw. zu2425 Nachweise in Fn 1216. 2426 Gernhuber, JZ 1996, 765, 766. 2427 Gernhuber, JZ 1996, 765, 766. 2428 Offener Gernhuber, JZ 1996, 765, 766 f. Die von ihm erwogenen Ansprüche (§ 1353 BGB; Bereicherungsrecht) greifen hier jedoch nicht durch. 2429 Vgl. zu diesem Blankettcharakter des Gesamtschuldnerausgleichs oben S. 417, S. 423 f. Der Anwendungsbereich der Innenlösung ist so lange eröffnet, wie die Ehegatten getrennt wirtschaften. 2430 Dazu sogleich unter III.

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rückgetragen werden, in dem eine Zusammenveranlagung stattfindet. Die negativen Einkünfte können zum einen aus einem Veranlagungs­ zeitraum stammen, in dem seinerseits eine Zusammenveranlagung durchgeführt worden ist.2431 Zum anderen kann der Fall eintreten, dass ein Verlust, der bei Einzelveranlagung entstanden ist, in einen Zeitraum vor- oder zurückgetragen wird, in dem eine Zusammenveranlagung stattfindet.2432 In der bisherigen Diskussion wird vor allem der zuletzt genannte Fall in den Blick genommen, und dort speziell die Situation des Verlustrücktrags.2433 Das dürfte daran liegen, dass ihr jedenfalls vor Einführung von § 10d Abs. 1 Satz 5, 6 EStG die größte praktische Bedeutung zugekommen ist.2434 Es entspricht der überwiegenden Auffassung, dass Steuererstattungen, die auf dem Verlustabzug nach § 10d Abs. 1 EStG (in Verbindung mit § 62d Abs. 2 Satz 1 EStDV) beruhen, demjenigen Ehegatten gebühren, bei dem die negativen Einkünfte angefallen sind.2435 Nach Dafürhalten des Verf. stellt sich die Rechtslage in der soeben beschriebenen Situation demgegenüber wie folgt dar: Haben die Ehegatten während der gesamten Zeit, d.h. auch schon im Verlustabzugsjahr getrennt gewirtschaftet und kann deshalb ein umfassender Steuerausgleich vorgenommen werden, so sind die zurückgetragenen Verluste für 2431 Vgl. dazu bereits Liebelt, FamRZ 1993, 626, 640 (für den Verlustrücktrag). Nicht in das Themengebiet der vorliegenden Untersuchung gehört demgegenüber der in § 62d Abs. 1 EStDV in Bezug genommene Fall, dass ein Verlust, der einem Veranlagungszeitraum entstammt, in dem eine Zusammenveranlagung durchgeführt worden ist, in einen Veranlagungszeitraum vor- bzw. zurückgetragen wird, in dem die Ehegatten einzeln veranlagt werden (vgl. auch § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV); vgl. dazu Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 262 f. Fn 546. 2432 Den zuerst genannten Fall betrifft § 62d Abs. 2 Satz 1 EStDV. Die Vorschrift ist deklaratorischer Natur (BFH BStBl. II 2005, 624, 628). Die Situation der Verlust­ entstehung bei Einzelveranlagung kann gleichgestellt werden (v. Groll, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. B 134 (Voraufl.)). 2433 Siehe dazu (neben den sogleich in Fn 2434 zitierten Entscheidungen) Dostmann, FamRZ 1991, 760, 764 f.; Felder, Verpflichtung, S. 115 f.; Kaufmann, INF 1994, 449, 453; Traxel, BB 1994, 1762, 1762 f.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, S. 353; vgl. auch Bergmann, BB 1992, 893, 894 f.; weitergehende Ansätze bei Dyck­mans, Ehegattenveranlagung, S. 262 ff.; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 638 ff.; 2434 Vgl. die Entscheidungen OLG Köln FamRZ 1995, 92; LG Tübingen NJW-RR 1990, 1221; FG Berlin EFG 1990, 26. 2435 Vgl. die in den Fn 2433 und 2434 zitierten Stellungnahmen mit Ausnahme von Bergmann, BB 1992, 893, 894 f., der sich aber nicht abschließend zur Zivilrechtslage äußert, und Traxel, BB 1994, 1762, 1762 f., der die in Bezug auf § 37 Abs. 2 AO anerkannten Grundsätze zu Unrecht auch auf den Innenausgleich beziehen will; gänzlich a.A. Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 104: gar kein Innenausgleich.

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Zwecke dieses Innenausgleichs so zu behandeln, als wären sie bereits im Abzugsjahr selbst angefallen. Sie sind also zunächst von etwaigen positiven Einkünften des verlusttragenden Ehegatten abzuziehen.2436 Ein verbleibender Verlustüberhang, der folglich auf die positiven Einkünfte seines Partners entfällt, ist nach den bisher entwickelten Grundsätzen zu behandeln, so dass die darauf beruhende Steuerersparnis beiden Ehegatten hälftig zusteht.2437 Auch in diesem Bereich geht es mithin nicht um eine isolierte Aufteilung der Steuererstattung, sondern um einen umfänglichen Innenausgleich, in dem die Erstattung lediglich einen Rechnungsposten bildet.2438 Wird die Steuererstattung allerdings von dem ausgleichspflichtigen Ehegatten vereinnahmt und erhöhen sich hierdurch seine Unterhaltspflichten, so ist der schuldrechtliche Ausgleichsanspruch seines Partners (aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB)2439 in entsprechender Höhe zu kürzen.2440 Für den (Regel-)Fall des gemeinschaftlichen Wirtschaftens2441 im Abzugsjahr und anschließender Trennung kann ein umfassender Innenausgleich hingegen nicht mehr rückwirkend erfolgen, sondern es ist nur noch die Steuererstattung aufzuteilen.2442 Nach allgemeinen Grundsätzen wäre sie beiden Ehegatten zur Hälfte zugewiesen, was in erster Linie über den Unterhaltsanspruch realisiert werden müsste.2443 Demgegenüber entspricht es auch hier der vorherrschenden Meinung, dass die Steuererstat-

2436 Siehe insoweit auch Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 263; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 639; zur steuertechnischen Behandlung siehe ferner R 10d Abs. 6 EStH 2011. Reduzieren sich die positiven Einkünfte des verlusttragenden Ehegatten infolgedessen auf Null, ist die gesamte Steuerlast von seinem Partner zu tragen. 2437 Für eine abweichende Beurteilung besteht hier umso weniger Veranlassung, als der verlusttragende Ehegatte gemäß § 10d Abs. 1 Satz 5, 6 EStG sogar selbst wählen kann, ob und inwieweit er einen Verlustrücktrag wünscht (dazu sogleich). 2438 Näher oben S. 430 f. 2439 Zur Frage der im Einzelfall anwendbaren Anspruchsgrundlage(n) näher oben S. 429 ff., S. 444 ff.; vgl. insoweit auch Liebelt, FamRZ 1993, 626, 639 f. 2440 Siehe oben S. 429. 2441 Gleichgestellt sind hier und im Folgenden Situationen, in denen die Ehegatten ein gleichwertiges Ergebnis durch andere einvernehmliche Ausgleichsmechanismen herbeiführen. 2442 Vgl. oben D I. Die Ausgleichsfrage stellt sich selbstverständlich von vornherein nicht, wenn die Ehegatten trotz Einzelveranlagung im Verlustentstehungsjahr weiterhin gemeinschaftlich wirtschaften. 2443 Näher oben D II., auch zu den in zweiter Linie anwendbaren schuldrechtlichen Anspruchsgrundlagen.

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tung dem Ehegatten gebührt, der diese Verluste erlitten hat.2444 Das wird in erster Linie mit dem mangelnden Gemeinschaftsbezug dieser Verluste begründet. Diese Auffassung war bereits vor der Änderung des § 10d Abs. 1 EStG durch das StandOG 19932445 nicht zweifelsfrei: Erstens beruht die Steuererstattung zum Teil auf der progressionsmildernden Wirkung des Splittingtarifs, die beiden Partnern zu gleichen Teilen gebührt. Zweitens werden die negativen Einkünfte infolge ihres Rücktrags in vielen Fällen zumindest auch auf positive Einkünfte des anderen Ehegatten entfallen,2446 was entsprechend den Ausführungen unter 1. zu einer hälftigen Aufteilung der entstandenen Steuerersparnis führen muss. Drittens wird es häufig so sein, dass dieser andere Ehegatte seinem Partner wegen dessen wirtschaftlichen Misserfolgs im Verlustentstehungsjahr Unterhalt geleistet hat.2447 Nach heutigem Recht ist m.E. jeder Anlass entfallen, die Steuererstattung entgegen diesen Überlegungen ausschließlich dem verlusttragenden Ehegatten zuzuweisen. Denn er hat es nunmehr aufgrund von § 10d Abs. 1 Satz 5, 6 EStG selbst in der Hand festzulegen, ob und inwieweit es zu einem Verlustrücktrag kommen soll.2448 Belässt er es bei dem Verlustrücktrag, so wird diese Entscheidung auf der Einschätzung beruhen, dass der erzielbare Steuervorteil höher ausfällt (oder überhaupt nur zur Entstehung gelangt), wenn der Verlust im Rahmen der Zusammenveranlagung im Abzugsjahr effektuiert wird. Dann spricht aber nichts dagegen, die entstandene Steuerersparnis in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsmodell, das die Zusammenveranlagung trägt und diesen Vorteil daher ermöglicht, beiden Partnern zur Hälfte zukommen zu lassen.

2444 Siehe insbesondere LG Tübingen NJW-RR 1990, 1221, 1222; Dostmann, FamRZ 1991, 760, 764 f. (allerdings in offensichtlichem Widerspruch zu der ansonsten von ihm vertretenen Nachteilsausgleichslösung); vgl. auch die übrigen Nachweise in Fn 2433; differenzierend FG Berlin EFG 1990, 26, 27 (im steuerrechtlichen Kontext). Demgegenüber dürfte in der Entscheidung OLG Köln FamRZ 1995, 92 ein Fall des getrennten Wirtschaftens betroffen gewesen sein. 2445 BGBl. I 1993, S. 1569: Einführung von § 10d Abs. 1 Satz 4, 5 EStG, der Vorgängervorschriften der heutigen Sätze 5 und 6. Die Neuregelung galt erstmals für den Veranlagungszeitraum 1994. 2446 Diesen Fall hat Bergmann, BB 1992, 893, 894 a.E. offensichtlich im Blick. 2447 Nach aktuellem Recht kann in einem derartigen Fall sogar erwogen werden, den verlusttragenden Ehegatten als gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet anzusehen, eine Antragstellung nach § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG zu unterlassen. 2448 Zur Maßgeblichkeit seines Antrags vgl. Hallerbach, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Anm. 90; Schmidt/Heinicke, EStG, § 10d Rn. 27; vgl. aber Fn 2447.

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Als weniger problematisch erweist sich die Rechtslage hingegen, wenn die negativen Einkünfte zwar ebenfalls aus einem Veranlagungszeitraum stammen, im dem eine Einzelveranlagung stattgefunden hat, sie jedoch gemäß § 10d Abs. 2 EStG in einen Veranlagungszeitraum mit Zusammenveranlagung vorgetragen werden: Haben die Ehegatten in einem derartigen Fall ausnahmsweise die gesamte Zeit über getrennt gewirtschaftet und kommt deshalb eine Gesamtkonsolidierung in Betracht, so können die Verluste für Innenausgleichszwecke so behandelt werden, als wären sie im Abzugsjahr selbst erlitten worden.2449 Wirtschaftet das Paar hingegen zur Zeit des Eintritts des maßgebenden Steuereffekts gemeinschaftlich, so ist kein separater Ausgleich geschuldet.2450 Stammt der vorgetragene Verlust demgegenüber aus einem Veranlagungszeitraum, in dem ebenfalls eine Zusammenveranlagung stattgefunden hat, so gilt Folgendes: Wurde im Verlustentstehungsjahr gemeinschaftlich gewirtschaftet, diese Übung aber vor Vereinnahmung der Steuererstattung aufgegeben, so ist der auf den Verlustabzug entfallende Erstattungsbetrag hälftig aufzuteilen. Gleiches gilt in dem korrespondierenden Rücktragsfall, wenn im Abzugsjahr gemeinschaftlich gewirtschaftet wurde. In dieser Situation besteht noch weniger Anlass für Korrekturen als in dem oben analysierten Fall der Verlustherkunft aus getrennter Veranlagung, denn die hinter der Zusammenveranlagung stehende Gemeinschaftsvorstellung greift hier sowohl im Entstehungs- als auch im Abzugsjahr Platz.2451 Haben die Ehegatten hingegen die ganze Zeit über gemeinschaftlich gewirtschaftet, so besteht – wie sonst auch – kein Anlass für einen Innenausgleich. Und wenn sie während des gesamten Zeitraums (trotz Zusammenveranlagung) getrennt gewirtschaftet haben, sind die Verluste für die Zwecke des dann eröffneten umfänglichen Innenausgleichs dem Ehegatten zuzuweisen, der sie erlitten hat.2452

2449 Vgl. dazu wiederum oben 1. 2450 Näher oben 1 b). Für die weitere, theoretisch denkbare Situation, dass im Verlust­ entstehungsjahr (trotz Einzelveranlagung) gemeinschaftlich gewirtschaftet und diese Praxis danach trotz Zusammenveranlagung beendet wurde, gelten die Ausführungen im nachstehenden Absatz entsprechend. 2451 Vgl. auch FG Berlin EFG 1990, 26, 27; a.A. Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 265; Liebelt, FamRZ 1993, 626, 640. 2452 Zur Verhältnisbestimmung bei beiderseits negativen Einkünften vgl. (mit Blick auf § 62d Abs. 1 EStDV) Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 31 ff.

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III. Mitwirkungsanspruch Fraglich ist noch, ob in diesem Bereich (ehegattenübergreifende Verlustnutzung) Besonderheiten für den Mitwirkungsanspruch gelten. In den vorstehenden Abschnitten konnte gezeigt werden, dass die Ausgleichsansprüche, die im Falle der Zusammenveranlagung in Betracht kommen, hier ebenfalls zu interessengerechten Ergebnissen führen. Auch für diesen Bereich ist daher der unter I. in Bezug genommenen, wohl herrschenden Auffassung nicht zu folgen, dass der Ehegatte, der die Verluste erlitten hat, der Zusammenveranlagung nur dann zustimmen muss, wenn sich sein Partner im Gegenzug zu einem vollständigen interperiodischen Nachteilsausgleich verpflichtet. Diese Auffassung führt im Gegenteil zu sachlich nicht veranlassten Ergebnissen, insbesondere zu einer Überkompensation des verlusttragenden Partners. Auch im Übrigen besteht grundsätzlich kein Anlass, von den unter E. gefundenen Ergebnissen abzuweichen. Vielmehr gilt auch hier: Wenn nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen ein Ausgleich in Betracht kommt, kann die Mitwirkung an der Zusammenveranlagung weder von einer vertraglichen Verpflichtung zu ebendiesem Ausgleich noch – mangels Fälligkeit – von dessen Bewirkung abhängig gemacht werden.2453 Bestehen allerdings berechtigte Zweifeln an der Fähigkeit bzw. Bereitschaft des anspruchstellenden Ehegatten, eine etwaige Ausgleichsleistung bei Fälligkeit zu erbringen, obliegt es diesem, auf Verlangen seines Partners Sicherheit zu leisten.2454 Es bleibt die Frage, wie das unter E. herausgestellte Vorteilhaftigkeitskriterium2455 in Verlustsituationen effektuiert werden kann, da nicht mehr nur (leicht ermittelbare) monetäre Auswirkungen betroffen sind, die aus einem einzigen Veranlagungszeitraum herrühren, sondern negative Einkünfte aufgrund von § 10d EStG interperiodische Relevanz entfalten. Entsprechend den obigen Ausführungen kann es bei der Ermittlung der Vorteilhaftigkeit der Zusammenveranlagung wiederum nur um eine ehegattenübergreifende Betrachtung gehen, d.h. sämtliche positiven und negativen Steuerwirkungen bei beiden Partnern sind in den Saldo ein­ zubeziehen.2456 Dabei ist die Totalperiode in den Blick zu nehmen, denn 2453 Ausführlich oben S. 465 ff.; vgl. zum letzten Punkt auch bereits Fn 2308. 2454 Siehe oben S. 467 f. 2455 Siehe S. 469 f. 2456 Ebenso Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 111 (mit S. 107); a.A. OLG Frankfurt/Main FamRZ 2004, 877, 878; Kaufmann, INF 1993, 449, 453 f.; zum abweichenden Ansatz der Rechtsprechung des BGH und zu weiteren Nachweisen siehe Fn 2298.

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dem in Anspruch genommenen Ehegatten kann nur dann angesonnen werden, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn sich diese insgesamt als vorteilhaft erweist.2457 Besteht – wie häufig – ein Prognose­ problem,2458 kommt es entscheidend auf die Verhältnisse an, die im Zeitpunkt des Zustimmungsbegehrens absehbar sind.2459

2457 Wohl allgemeine Ansicht; vgl. Arens, FamRB 2004, 124, 129; Dyckmans, Ehe­ gattenveranlagung, S. 110 ff. sowie insoweit auch BGH NJW 2010, 1879, 1880 f.; OLG Frankfurt/Main FamRZ 2004, 877, 878; Kaufmann, INF 1993, 449, 453 f.; vgl. ferner Pfeifer-Engelbach, Veranlagung, S. 30 f. 2458 Dies kann wegen § 10d Abs. 1 Satz 5, 6 EStG selbst dann der Fall sein, wenn ein Verlustrücktrag in Betracht kommt (vgl. demgegenüber Dyckmans, Ehegattenveranlagung, S. 113). 2459 Vgl. insoweit auch Arens, FamRB 2004, 124, 128 f.

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2. Kapitel: Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften § 12 Problemverortung A. Einkommensteuer I. Transparenzprinzip und zivilrechtliche Ausgangslage Personengesellschaften unterliegen als solche weder der Einkommensnoch der Körperschaftsbesteuerung.2460 Sind sie gewerblich tätig oder wird ihre Betätigung gemäß § 15 Abs. 3 EStG einer gewerblichen gleichgestellt, so erfolgt die Besteuerung aufgrund von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bei den Gesellschaftern, soweit diese als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen sind.2461 Entsprechendes gilt für land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie Zusammenschlüsse selbständig Tätiger2462 (§ 13 Abs. 7, § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine gewisse ertragsteuerrechtliche Eigenständigkeit kommt den Personengesellschaften zwar nach heutigem Verständnis namentlich im Hinblick auf die Gewinnermittlung zu, da auch das Steuerrecht nicht negieren kann, dass der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG in Bezug genommene Gewinn bei der Gesell-

2460 Siehe nur Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 162; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 160; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 361. 2461 Andernfalls ist zu prüfen, ob der jeweilige Gesellschafter andere als gewerbliche Einkünfte erzielt, insbesondere solche aus Kapitalvermögen (vgl. zu diesem Fragenkreis Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 257 ff.; Hallerbach, Personengesellschaft, S. 155 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 512; Schulze-Osterloh, DStJG 2 (1979), 131, 145); siehe zum Problem der „Nichtanerkennung“ von Familienpersonengesellschaften bzw. der vereinbarten Gewinnverteilungsabrede oben Fn 1043. Hingewiesen sei an dieser Stelle ferner auf eine (Minderheits-)Auffassung im Schrifttum, die § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG wortlautgetreu so auslegen will, dass es bei den Gesellschaftern einer OHG und einer KG von vornherein nicht auf das Merkmal „Mitunternehmer“ ankommt; siehe Hallerbach, aaO, S. 144 ff.; Meßmer, FS Döllerer, S. 429, 431 ff. (439 ff.) sowie auch noch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 381; zum Standpunkt der herrschenden Meinung siehe etwa Seer, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 97, 98 ff. 2462 Praktische Bedeutung kommt in diesem Bereich lediglich Freiberufler-Mitunternehmerschaften zu; siehe nur Stuhrmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 18 Rn. E 3.

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Problemverortung

schaft und nicht bei den Gesellschaftern anfällt.2463 Mangels eigener Steuerpflicht und -schuldnereigenschaft fehlt den Personengesellschaften jedoch die (volle) Steuerrechtssubjektivität.2464 Diese Grundsätze sollen im Ausgangspunkt auch für vermögensverwaltende Personengesellschaften gelten, so dass die Überschussermittlung auf Gesellschaftsebene erfolgt und die Besteuerung bei den Gesellschaftern durchgeführt wird.2465 An den hier überblicksartig dargestellten Grundsätzen hat auch die optionale Tarifermäßigung für thesaurierte Gewinne nach § 34a Abs. 1 EStG nichts geändert;2466 auf sie wird zurückzukommen sein. Die gesetzgeberische Systementscheidung zugunsten einer transparenten Besteuerung von Personengesellschaften nötigt folglich zu einer Scheidung zwischen derjenigen Handlungseinheit, in deren Vermögen sich die erzielten Gewinne bzw. Überschüsse widerspiegeln (Gesellschaft), und denjenigen Personen, bei denen ebendiese Gewinne bzw. Überschüsse der Besteuerung unterliegen (Gesellschafter). Es liegt auf der Hand, dass diese Ausgestaltungsentscheidung Abgrenzungsprobleme mit sich bringt und Spannungspotential birgt. Bei der Auslegung der einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften – insbesondere von § 15 Abs. 1 2463 Vgl. BFH BStBl. II 2011, 706, 708; BFH BStBl. II 2010, 751, 754; BFH GrS BSt Bl. II 1993, 616, 622; BFH GrS BStBl. II 1991, 691, 699; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 164; Hennrichs, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 10 Rz. 12 ff.; dens., StuW 2002, 201, 202 f.; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kern­ fragen, S. 1, 15 f.; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 293 ff.; Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 294 f.; Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 31 ff.; Schön, StuW 1996, 275, 282; zu den zivilrechtlichen Hintergründen näher im Folgenden. Auf die strei­tige Frage, ob die Gesellschaft über die im Haupttext getroffene Feststellung hinaus auch Subjekt der Einkünfteerzielung ist, wird im Folgenden zurückgekommen; gegen die Vorstellung einer partiellen Steuerrechtsfähigkeit von Personenge­ sellschaften Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 74 ff.; Reiß, StuW 2000, 399, 405 f. 2464 Vgl. BFH BStBl. II 2012, 207, 208; BFH BStBl. II 2008, 420, 423 f.; BFH GrS BSt Bl. II 1995, 617, 621; BFH GrS BStBl. II 1984, 751, 761 a.E.; Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 90 a.E. und 97; Hennrichs, FR 2010, 721, 721; Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 40 ff. (45 f.); zumin­dest in der Terminologie weitergehend aber ders., DStJG 25 (2002), 123, 134. 2465 Vgl. nur BFH GrS BStBl. II 2005, 679, 681; BFH GrS BStBl. II 1984, 751, 762; Reiß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. A 12; Raupach, FS Beisse, S. 403, 420; näher zur steuerlichen Behandlung vermögensverwaltender Personengesellschaften Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 307 ff.; Reiß, StuW 1986, 232, 245 ff. Der Ansatz der herrschenden Meinung ist allerdings schon im Ausgangspunkt nicht zweifelsfrei; siehe etwa Hallerbach, Personengesellschaft, S. 169 ff., deren Lösungsvorschlag (S. 178 f.: Übertragung der Doppelverpflichtungslehre) allerdings noch weniger überzeugt. 2466 Siehe etwa Crezelius, FS Spiegelberger, S. 65, 65 ff.; Hey, DStR 2007, 925, 926 ff.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Satz 1 Nr. 2 EStG – manifestiert sich dieses Spannungsverhältnis in der häufig wiederkehrenden Frage, wie weit die Vielheitsvorstellung, die der transparenten Besteuerung zugrunde liegt, im Einzelfall reicht, und wann eine Einheitsbetrachtung angezeigt ist.2467 Diese Frage ist – auch nach Überwindung der so genannten „Bilanzbündeltheorie“ vor etwa 40 Jahren2468 – bereits im Grundsätzlichen umstritten2469 und trotz (oder gerade wegen) mehrerer Entscheidungen des Großen Senats des Bundesfinanzhofs2470 nach wie vor nicht befriedigend gelöst.2471 Die Ursache des Problems liegt in der – je nach Gesellschaftsform und gesellschaftsvertraglicher Ausgestaltung unterschiedlich weit ausgeprägten, jedoch bei Außengesellschaften stets vorhandenen – zivilrechtlichen Verselbständigung der Personengesellschaft von ihren Gesellschaftern, die sich namentlich in einer eigenen, von den individuellen Gesellschaftern prinzipiell getrennten Handlungsorganisation und einem abgeson2467 Vgl. dazu etwa Groh, ZIP 1998, 89, 89 f., 91 ff.; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 15 f.; Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 40 ff.; Schön, StuW 1996, 275, 277 ff.; weitere Nachweise im Folgenden. 2468 Näher dazu Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 85; Hallerbach, Personengesellschaft, S. 108 ff.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 362 ff.; Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 20 ff.; zum klassischen Verständnis der Mitunternehmerbesteuerung siehe namentlich Beck­er, Grundlagen, S. 92 ff. (S. 94 f.) mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des RFH; grundlegende Kritik an der darauf gründenden „Bilanzbündeltheorie“ bei Meßmer, StbJb 1972/73, 127, 129 ff., 177 ff., 192 ff. (ebenfalls mit umfänglichen Rechtsprechungsnachweisen); zur historischen Entwicklung eingehend Kurth, Besteuerung, S. 128 ff.; zur Rechtsprechungsentwicklung seit Anfang der 70er Jahre siehe die Entscheidungen BFH BStBl. II 1972, 118, 119 f.; BFH BStBl. II 1974, 15, 16; BFH BStBl. II 1974, 645, 646; BFH BStBl. II 1976, 744, 745; BFH BStBl. II 1979, 763, 766; BFH GrS BStBl. II 1981, 164, 167 f.; BFH BStBl. II 1982, 456, 457 f. sowie die Nachweise in Fn 2470; aus dem damaligen Schrifttum siehe etwa Kruse, DSt JG 2 (1979), 37, 47 ff.; Woerner, DStZ/A 1977, 299, 299 ff. 2469 Vgl. nur Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 293 ff.; Aufbereitung des Streitstandes bei Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 45 ff. mit umfänglichen Nachweisen. 2470 Siehe insbesondere BFH GrS BStBl. II 1984, 751, 761 f. (der Einheitsbetrachtung zuneigend); BFH GrS BStBl. II 1991, 691, 698 ff. (den Einheitsgedanken betonend, und zwar noch über die seinerzeit im Zivilrecht herrschenden Anschauungen hinaus); BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 621 ff.; BFH GrS BStBl. II 1995, 617, 620 ff. (jeweils einer Vielheitsbetrachtung zuneigend); ausführliche Rechtsprechungsanalysen bei Bodden, Einkünftequalifikation, S. 18 ff.; Gschwendtner, FS Klein, S. 751, 752 ff.; Hallerbach, Personengesellschaft, S. 124 ff.; Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 23 ff.; Schön, StuW 1996, 275, 275 ff. 2471 Vgl. Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 99; Groh, ZIP 1998, 89, 91 ff.; Hennrichs, FR 2010, 721, 722 und 728; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 293 ff.; Prinz, FR 2010, 736, 738; Schön, StuW 1996, 275, 277 ff.

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Problemverortung

derten Vermögen2472 mit mehr oder weniger weit reichenden Zugriffsbeschränkungen2473 manifestiert. Nicht zuletzt dieser Befund ist es gewesen, der dazu geführt hat, dass den Personengesellschaften in einem viele Jahrzehnte andauernden Prozess, der in dem Urteil BGHZ 146, 341 seinen Schlusspunkt gefunden hat,2474 Rechtsfähigkeit zuerkannt worden ist.2475 Hält man sich vor Augen, dass die soeben skizzierte Selbständigkeit der Personengesellschaft seit jeher in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung angelegt gewesen ist, so wird klar, dass die heute im Steuerrecht vorgenommene partielle Einheitsbetrachtung keine Folge der Anerkennung der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit der Gesellschaft ist, sondern vielmehr nur dieselben Ursachen hat, die die Zivilisten zu ebendieser Annahme geführt haben. Es nimmt daher nicht wunder, dass sich in zahlreichen jüngeren steuerrechtlichen Stellungnahmen ein ganz ähnliches begriffliches Herantasten an die Rechtsnatur der Personengesellschaft nachweisen lässt, wie es im Zivilrecht für den Bereich der Personenhandelsgesellschaften bereits Jahrzehnte zuvor vorzufinden war.2476 Ein Befreiungsschlag, wie er für viele Gesellschaftsrechtler in der Anerkennung der Rechtsfähigkeit gelegen hat, bleibt dem Steuerrecht jedoch verwehrt: Zwar zeigt § 3 Abs. 1 KStG, dass sogar nicht rechtsfähige Vereinigungen 2472 Ausführlich zu diesen Aspekten (ausgehend vom Begriff der „Außengesellschaft“) Verf., Verbandsmitgliederhaftung, S. 221 ff. mit umfänglichen Nachweisen; diese Zivilrechtslage ignorierend BVerfGE 116, 164, 199; ebenso BVerf GE 127, 224, 250 a.E. 2473 Dazu näher in den folgenden Abschnitten; siehe vorläufig nur Flume, Personengesellschaft, S. 145 ff. 2474 BGHZ 146, 341, 342 ff.: Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der BGB-Außengesellschaft sowie der unbeschränkt-akzessorischen Haftung ihrer Gesellschafter. 2475 Anders als bei der BGB-Gesellschaft hat sich dieser Prozess bei den Personenhandelsgesellschaften nahezu unbemerkt vollzogen; näher Verf., Verbandsmitgliederhaftung, S. 175 f. Den Auslöser für die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Personengesellschaften insgesamt bildeten die Arbeiten Flumes aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts; grundlegend Flume, ZHR 136 (1972), 177, 184 ff., 193; siehe ferner etwa dens., Personengesellschaft, S. 6 f., S. 50 ff., S. 89 ff., S. 315; dens., DB 1973, 786, 786; weitere Nachweise bei Verf., aaO, S. 130 f. 2476 Vgl. etwa BFH GrS BStBl. II 2005, 679, 681 f.; BFH GrS BStBl. II 1984, 751, 761 f.; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 163, 167, 180; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 72 ff.; dazu auch Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 293 ff. (296 a.E.); Wacker, FS Goette, S. 561, 569; kritisch schon Hallerbach, Personengesellschaft, S. 6; siehe in Bezug auf das Gesellschaftsrecht die bis zur Jahrhun­ dertwende zurückreichenden Nachweise bei Verf., Verbandsmitgliederhaftung, S. 56.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Steuerrechtssubjekte sein können. Dem Rückgriff auf diese Vorschrift steht jedoch das einkommensteuerrechtliche Transparenzprinzip entgegen, das auf alle Arten von Personengesellschaften bezogen wird2477 und nicht im Wege der Rechtsfortbildung überwunden werden kann.2478 Diese Zusammenhänge erhellen zugleich, dass es für Zwecke der Steuerrechtsanwendung nicht entscheidend darauf ankommen kann, ob und inwieweit Personengesellschaften in anderen Bereichen der Rechtsordnung als rechtsfähig einzuordnen sind. Ebenso wenig ist es dementsprechend von Bedeutung, ob man im Zivilrecht einer strikten Einheitsvorstellung folgt,2479 die Gruppenlehre Flumes zugrunde legt2480 oder eine ähnlich ausgeprägte Verselbständigung vom Boden der Rechtszuständigkeit der Gesellschafter aus begründen will.2481 Die Aussage, dass die Steuerrechtsanwendung nicht von den zivilrechtlichen Theorien determiniert wird,2482 trifft daher durchaus zu. Dies ändert aber nichts daran, dass das Steuerrecht der aus dem Zivilrecht folgenden Selbständigkeit der Personengesellschaft – als von außen an die Besteuerung herangetragenes Faktum – Rechnung tragen muss, um eine nach seiner eigenen Teleologie möglichst sachgerechte Besteuerung zu erreichen.2483 Wie bereits angedeutet, ist diese Möglichkeit jedoch aus prinzipiellen Gründen begrenzt: Die Eigenständigkeit der Personengesellschaft nötigt zwar an sich auch für das Steuerrecht zur Anwendung eines Einheitsmodells, soweit 2477 Vgl. die einleitenden Nachweise; zu der hieraus folgenden Unanwendbarkeit des § 3 Abs. 1 KStG auf den Bereich der Personengesellschaften siehe insbesondere BFH GrS BStBl. II 1984, 751, 759 f. 2478 Dazu näher im nachfolgenden Absatz. 2479 Dafür Verf., Verbandsmitgliederhaftung, S. 202 f. mit weiteren Nachweisen, auch zu Folgefragen. 2480 Nachweise in Fn 2475 sowie bei Verf., Verbandsmitgliederhaftung, S. 57, S. 130 ff., S. 225; mit Blick auf den steuerrechtlichen Kontext siehe insbesondere Flume, DB 1973, 786, 786; Keuk, StuW 1974, 1, 3 a.E.; Schön, StuW 1996, 275, 282 f.; dens., StuW 1988, 253, 253 f. und 261. 2481 Vgl. zuletzt Beuthien, NZG 2011, 481, 484 („Gesamtrechtsfähigkeit“); näher und kritisch zu dem dahinter stehenden Ansatz schon Verf., Verbandsmitgliederhaftung, S. 58 f. mit weiteren Nachweisen. 2482 In diesem Sinne (allerdings zum Teil mit entgegengesetzter Stoßrichtung als hier) Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 164; P. Fischer, FS Beisse, S. 189, 198; Reiß, StuW 1986, 232, 233; Schulze-Osterloh, FS L. Schmidt, S. 307, 309 f.; Wacker, FS Goette, S. 561, 564 ff. 2483 Vgl. Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 294 (einkünfterelevante Subjektfähigkeit von Personengesellschaften auch nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise); im gleichen Sinne Schön, StuW 1996, 275, 288; sehr deutlich auch Hennrichs, FR 2010, 721, 726 (unter Bezugnahme auf das Leistungsfähigkeitsprinzip); ders., StuW 2002, 201, 208 f. (mit Fn 76); siehe ferner Rau, Prinzipien, S. 114, S. 126, S. 128 ff.; näher zu diesem Aspekt in den folgenden Abschnitten.

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Problemverortung

die auf Gesellschaftsebene erzielten Einkünfte2484 betroffen sind.2485 Dieses lässt sich im geltenden Recht jedoch nur suboptimal umsetzen, da auch eine weitgehende Orientierung am Einheitsgedanken nicht über das prinzipielle Problem hinweghelfen kann, das in der Systementscheidung für die Besteuerung der Gesellschaftsgewinne auf Gesellschafterebene selbst liegt,2486 die die äußerste Grenze jeder richterlichen Rechtsfortbildung bildet.2487 Mit anderen Worten: Der häufig hervorgehobene „Dualismus“ zwischen Einheits- und Vielheitsvorstellung2488 ist in Teilen2489 nichts anderes als die Umschreibung eines unbefriedigenden Rechtszustandes, der für den Rechtsanwender aber de lege lata unausweichlich ist.

II. Zivilrechtliche Folgefrage: Steuerentnahmerecht Das so skizzierte Spannungsverhältnis der transparenten Besteuerung zur zivilrechtlichen Ausgangslage wirft nicht nur im Hinblick auf die 2484 Auf die Aussagekraft derjenigen Ansätze, die zur Rechtfertigung der Besteuerung der Gesellschaftsgewinne auf Gesellschafterebene angeführt werden (Gleich­ stellung von Einzel- und Mitunternehmern; Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung), für die hier zu behandelnde Problemstellung wird zurückzu­kommen sein; vgl. zu diesen Ansätzen zunächst Hallerbach, Personengesellschaft, S. 120 ff. (mit Nachweisen). 2485 Diese Aussage darf nicht in der Weise verallgemeinert werden, dass eine Personengesellschaft stets die weitestmögliche „Abschirmwirkung“ entfalten würde oder gar müsste; vgl. zu diesem Problemkreis etwa Reiß, StuW 1986, 232, 232 f.; speziell zu dem in der Entscheidung BFH GrS BStBl. II 1995, 617 thematisierten Beispiel des gewerblichen Grundstückshandels Hallerbach, Personengesellschaft, S. 181 ff.; Schön, StuW 1996, 275, 287. Die Kritik Grohs, ZIP 1998, 89, 91 f. verfängt daher m.E. nicht. Auch eine Kapitalgesellschaft ist im Übrigen einem steuerrechtlichen „Durchgriff“ zugänglich, wenn dies nach Sinn und Zweck des jeweiligen Tatbestandes geboten ist (vgl. für das vorliegende Beispiel Hallerbach, aaO, S. 188 ff.; Weber-Grellet, DStR 1995, 1341, 1342). 2486 Vgl. Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 99; Hennrichs, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 10 Rz. 2; Prinz, FR 2010, 736, 741; Rau, Prinzipien, S. 212 f. 2487 Vgl. Reiß, StuW 1986, 232, 232 („de lege lata […] unüberschreitbare Grenze“) sowie auch Groh, ZIP 1998, 89, 89; Kempermann, GmbHR 2002, 200, 200; Meßmer, FS Döllerer, S. 429, 429. 2488 Siehe etwa Hallerbach, Personengesellschaft, S. 1; Schön, StuW 1996, 275, 276, 277 f., 281 f.; dens., StuW 1988, 253, 253 f. sowie auch Rätke, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 88 f. („duales System“); Groh, ZIP 1998, 89, 89 f. („Transparenz und Trennung“); Hennrichs, FR 2010, 721, 721 f. („vagabundieren“, „Spannungsverhältnis“); Prinz, FR 2010, 736, 738 („semitransparente Anknüpfungspunkte“); kritisch aber Reiß, StuW 2000, 399, 405 (gegen jede Abschirmwirkung). 2489 Vgl. Fn 2485.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Steuerrechtsanwendung Schwierigkeiten auf, sondern kann auch monetäre Asymmetrien im innergesellschaftlichen Bereich hervorrufen, die die Frage aufwerfen, ob ihnen mittels zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche begegnet werden kann. Die transparente Besteuerung bewirkt nämlich, dass Gewinne bzw. Überschüsse, die im Vermögen der Gesellschaft verkörpert sind, bei den Gesellschaftern besteuert werden. Es verwundert daher nicht, dass sich im Gesellschaftsrecht eine Diskussion darüber gebildet hat, ob und auf welcher Grundlage dem Gesellschafter ein Steuerentnahmerecht im Falle thesaurierter Gewinne zustehen kann, wenn es an einer einschlägigen gesellschaftsvertraglichen Regelung fehlt.2490 Diese Frage stellt sich prinzipiell unabhängig von der Steuerrechtsanwendung im Einzelnen, d.h. der de lege lata für richtig erachteten Reichweite von Einheits- und Vielheitsmodell, denn die Problemstellung ist prinzipieller Natur, da sie – wie soeben herausgestellt wurde – ihre Ursache in der transparenten Besteuerung selbst findet. Auf sie wird sogleich in § 13 eingegangen.

B. Gewerbesteuer Als weniger problemträchtig erscheint auf den ersten Blick das Gewerbesteuerrecht, da § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG anordnet, dass Steuerschuldnerin die Gesellschaft selbst ist. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass der Dualismus zwischen Einheits- und Vielheitsbetrachtung auch hier zivilrechtliche (Folge-)Fragen auslöst, die in § 14 erörtert werden sollen. Folgt man beispielsweise der ständigen Steuerrechtspraxis darin, dass auch Sonder- und Ergänzungsbilanzergebnisse der Gewerbebesteuerung unterliegen,2491 so stellt sich die – ebenfalls viel diskutierte – Frage, ob und auf welchem Weg innergesellschaftliche Ausgleichsansprüche in Betracht kommen, denn die entsprechende Steuerbelastung wird infolge der Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft „sozialisiert“,2492 obwohl sie ihre Ursache in Vorgängen findet, die aus den Handlungen einzelner Ge­ sellschafter herrühren.2493 Hierbei handelt es sich folglich um die umgekehrte Fragestellung wie beim Steuerentnahmerecht. Die strukturelle Gemeinsamkeit der beiden Fallgruppen besteht darin, dass eine ergebnisrelevante Handlung, die auf eine Person bzw. rechtlich verselbständigte Einheit zurückzuführen ist, bei einer anderen Person bzw. Einheit eine 2490 Nachweise sogleich in § 13. 2491 Nachweise in § 14 unter A., auch zum Gegenstandpunkt. 2492 Vgl. etwa die Begriffsverwendung bei Levedag, GmbHR 2009, 13, 16. 2493 Auf diese und andere Fragenbereiche wird im Einzelnen unter in § 14 eingegangen.

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Problemverortung

Besteuerungsfolge auslöst. Damit ist zugleich der Bogen geschlagen zu der bereits einleitend angesprochenen Diskussion über so genannte „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ im Unternehmenssteuerrecht.2494 Die dahinter stehende Problemstellung wird auf Grundlage der im Folgenden gefundenen Einzelergebnisse aufbereitet und in § 15 einer übergreifenden Lösung zugeführt, die notwendig exkurshafte Züge trägt, weil die Fragestellung weit über den Bereich der Personengesellschaftsbesteuerung hinausreicht.

C. Aussagekraft des Leistungsfähigkeitsprinzips Die obigen Ausführungen dürften ferner deutlich gemacht haben, dass die gesamte Fragestellung wesentliche Bezüge zum Leistungsfähigkeitsprinzip aufweist. Ihm käme erhebliche Aussagekraft für die Zivilrechtsanwendung zu, wenn sich in der jeweils zu bewertenden Konstellation eine punktuell-maßstabswidrige Verschiebung von Steuerlasten feststellen ließe. Dieser Aspekt ist bereits in § 7 mit Blick auf die Diskussion über das Steuerentnahmerecht angesprochen worden2495 und wird im Folgenden vertieft. Jedenfalls liegt es angesichts der soeben umrissenen gesetzlichen Ausgangslage und den bisherigen Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung überaus nahe, zunächst die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung und der dahinter stehenden Vielheitsvorstellung zu beleuchten, um aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben mögliche Rückschlüsse für die Zivilrechtsanwendung abzuleiten. Hierauf wird im Kontext des Steuerentnahmerechts in § 13 unter C. eingegangen.2496

D. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstands Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf gewerbliche Personengesellschaften, deren Gesellschafter als Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen sind – was schon wegen der großen praktischen Bedeutung dieser Fallgruppe gerechtfertigt erscheint. Vor allem die Ausführungen zum Steuerentnahmerecht (in § 13) werden jedoch auch Folgerungen für andere Arten von Personengesellschaften zulassen, da die normative Ausgangslage hier 2494 Siehe § 1 (S. 10 f.). 2495 Siehe oben § 7 C II 2. (S. 199) in Verbindung mit den Ausführungen unter § 7 D. 2496 In späteren Abschnitten, in denen diese Frage ebenfalls von Bedeutung ist, wird auf die entsprechenden Feststellungen verwiesen.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

häufig identisch oder jedenfalls ganz ähnlich ist. Nicht eigens eingegangen wird auf Mitunternehmerschaften, die nicht auf einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage beruhen.2497 Wenngleich ihre steuerliche Behandlung ebenfalls ein Innenausgleichsbedürfnis hervorrufen kann, kommt es in diesem Bereich maßgeblich auf die konkrete rechtliche Ausgestaltung des jeweiligen Gemeinschaftsverhältnisses an, so dass übergreifende Aussagen kaum möglich erscheinen.2498

2497 Abweichend von ihrem Wortlaut soll die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auch auf andere, vergleichbare Gemeinschaftsverhältnisse Anwendung finden können; siehe nur Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 174 mit entsprechenden Nachweisen; a.A. Meßmer, FS Döllerer, S. 429, 439 ff. (442). 2498 Wer etwa Gütergemeinschaften unter bestimmten Voraussetzungen der Mitunternehmerbesteuerung unterwerfen will, muss für die Frage des Innenausgleichs die im 1. Kapitel herausgearbeiteten familienrechtlichen und rechtspraktischen Zusammenhänge mit in Rechnung stellen.

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§ 13 Steuerentnahmerecht A. Präzisierung der Fragestellung Die Frage nach Existenz und Reichweite eines Steuerentnahmerechts kann sich überall dort stellen, wo ein Gesellschafter aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift (vgl. § 122 Abs. 1 Halbs. 2, § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB),2499 wegen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht,2500 oder – wie häufig – infolge eines Gesellschafterbeschlusses2501 oder unmittelbar durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung2502 daran gehindert ist, einen Betrag in Höhe des vollen, bei ihm besteuerten Anteils am Gesellschaftsgewinn zu entnehmen. Dieser Fall kann auch bei einem gesellschaftsrechtlichen Vollentnahmerecht auftreten, nämlich dann, wenn der 2499 Zum Verhältnis von § 169 Abs. 1 und § 122 Abs. 1 HGB zueinander ausführlich Schön, FS Beisse, S. 471, 480 f.; siehe auch Huber, GS Knobbe-Keuk, S. 203, 207 f. Fn 15 und 16. Ob § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB auch auf gewerbliche Dauergesellschaften bürgerlichen Rechts (vgl. § 721 Abs. 2 BGB) angewendet werden kann, ist umstritten; vgl. einerseits Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 120 Rn. 10 und andererseits C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 721 Rn. 15. 2500 Zu BGB-Gesellschaften, die § 721 Abs. 2 BGB unterfallen, vgl. C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 721 Rn. 11 und 16; Staudinger/Habermeier, BGB, § 722 Rn. 10; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 632d sowie Fn 2499 und die folgenden Nachweise; zum Kapitalentnahmerecht nach § 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB siehe etwa Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 34; Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 7; Hueck, FS Hübner, S. 72, 86; zum streitigen Verhältnis von § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB und innergesellschaftlichen Treuepflichten vgl. Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 41; Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 8, 21; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 944 f., 950 f.; Wertenbruch, aaO, Rz. I 634b; ausführlich zu diesem Themenkreis Schön, FS Beisse, S. 471, 473 ff.; zum Kommanditisten vgl. Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 169 Rn. 14; Grunewald, in: MünchKomm.-HGB, § 169 Rn. 7; Hopt, FS Odersky, S. 799, 803; Huber, ZGR 1988, 1, 8; Priester, FS Quack, S. 373, 388 f. sowie wiederum die Nachweise in Fn 2499. 2501 Zu der häufig genutzten Möglichkeit, in einem Ergebnisverwendungsbeschluss Teile des Gewinns zu thesaurieren, siehe mit Blick auf die Personenhandelsgesellschaften etwa Grunewald, in: MünchKomm.-HGB, § 167 Rn. 5 ff. (10); Priester, aaO, § 122 Rn. 48 ff. (52); Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 32 ff.; Hennrichs, WPg 2009, 1066, 1070 f.; Schön, FS Beisse, S. 471, 482; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 939; in Bezug auf Dauergesellschaften bürgerlichen Rechts gelten prinzipiell gleiche Grundsätze; vgl. C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 721 Rn. 9 ff. Im Gesellschaftsvertrag kann auch vorgesehen sein, bestimmte Teile des Gewinns ohne besondere Beschlussfassung zu thesaurieren (siehe nur Staub/C. Schäfer, aaO, Rn. 42); weitere Einzelheiten in den nachfolgenden Abschnitten. 2502 Vgl. Fn 2501.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

steuerliche Gewinn höher ausfällt als der für Zwecke der zivilrechtlichen Gewinnverteilung maßgebende.2503 Für diese Situationen ist zu klären, ob der betroffene Gesellschafter dazu berechtigt ist, denjenigen Betrag zu entnehmen, den er für die Steuerzahlung benötigt.2504 Vorausgesetzt ist, dass der Gesellschaftsvertrag für Fälle dieser Art keine Regelung trifft.2505 Die so umschriebene Fragestellung betrifft nahezu ausschließlich den in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG in Bezug genommenen Ge-

2503 Vgl. Schön, FS Beisse, S. 471, 487 f. sowie auch etwa Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 5; zum Verhältnis von steuerrechtlicher, handelsrechtlicher und innergesellschaftlicher Rechnungslegung zueinander siehe Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 120 Rn. 11 ff., 34 ff.; Staub/C. Schäfer, aaO, Rn. 4 ff., 29 f. Die steuerrechtlich und gesellschaftsrechtlich maßgebenden Ergebnisse können aufgrund von steuerlichen Ergänzungsbilanzen auseinanderfallen (einschränkend Schulze-Osterloh, ZGR 1991, 488, 491 ff., der in bestimmten Situationen des Eintritts von Gesellschaftern Ergänzungsbilanzen auch nach Handelsrecht für erforderlich ansieht; kritisch dazu Gschwendtner, DStR 1993, 817, 818; Schön, FR 1994, 658, 663 f.; siehe auch – allgemeiner – Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 25 ff.). Der Hauptgrund für derartige Unterschiede liegt aber in spezifisch steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften. Das BilMoG vom 25.5.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102) hat – trotz Abschaffung der so genannten umgekehrten Maßgeblichkeit – zu einer Verringerung solcher Differenzen geführt (vgl. Priester, aaO, Rn. 7b, 26 f., 42, 73). Insbesondere sind die so genannten Ermessensabschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB a.F. entfallen (vgl. etwa die bei Binz/Sorg, DB 1996, 969, 969 mitgeteilten Sachverhaltsangaben zum Fall BGHZ 132, 263: steuerlicher Gewinn in Höhe von rund 17 Mio. DM bei handelsrechtlichem Verlust von 1,2 Mio. DM). Speziell bei persönlich haftenden Gesellschaftern von Personenhandelsgesellschaften wird die hier diskutierte Problemstellung ferner durch das gewinnunabhängige Kapitalentnahmerecht nach § 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB abgefedert (siehe zu diesem Zusammenhang Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 1). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass dieses Recht seinerseits treuepflichtbedingten Einschränkungen unterliegen kann (vgl. Fn 2500). Ferner wird es in vielen Fällen zugunsten von Tätigkeitsvergütungen für die geschäftsführenden Gesellschafter abbedungen (siehe etwa Staub/C. Schäfer, aaO, § 122 Rn. 14, 23 f., 27). 2504 Auf den genauen höhenmäßigen Umfang des Steuerentnahmerechts wird zurückzukommen sein. 2505 Auf die Frage der vertraglichen Disponibilität des Steuerentnahmerechts wird unter D III. zurückzukommen sein. Fragen der kautelarjuristischen Zweckmäßigkeit (vgl. zu den vorgeschlagenen Klauseln etwa Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 48 ff.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 23 ff.; Barz, FS Knur, S. 25, 26 ff.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 19; Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 725 f.; Schumm, NWB 2009, 1266, 1268; Winter, Ubg 2009, 822, 824 f.) bilden hingegen nicht den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung (vgl. schon oben S. 9). Hingewiesen sei allerdings auf die aktuelle Diskussion über Auslegungsprobleme und Anpassungsfragen, die die Einführung des § 34a EStG aufgeworfen hat (siehe dazu die Nachweise in Fn 2769).

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Steuerentnahmerecht

winnanteil („Gewinnermittlung erster Stufe“),2506 denn die Sondervergütungen und die ihnen rechtsfortbildend gleichgestellten Beträge (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG, Sonderbereich)2507 fallen beim Gesellschafter selbst an, so dass sich die Ausgleichsfrage für sie in aller Regel nicht stellt.2508 Gleiches gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen. Mit einzubeziehen sind hingegen Ergebniskorrekturen, die aus Ergänzungsbilanzen resultieren.2509 In ihnen spiegeln sich 2506 An diese, herrschende Begriffsverwendung (siehe etwa Tiede, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 450; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 401; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 299 ff.) wird im Folgenden angeknüpft; siehe zu terminologischen Fragen Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 11 f. sowie auch etwa Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 294 f. und 299 ff.; ausführlich zur stufenweisen steuerlichen Gewinnermittlung Regniet, aaO, S. 93 ff. 2507 Näher dazu Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 366 ff., S. 437 ff.; Kruse, DStJG 2 (1979), 37, 55 ff.; Schön, DStR 1993, 185, 187 ff.; Überblick zur Gewinnermittlung zweiter Stufe bei Hennrichs, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 10 Rz. 130 ff. 2508 Die hier vorgenommene Differenzierung kommt, soweit Verf. ersichtlich, bisher lediglich bei Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 28 f. zum Ausdruck. Für den Bereich der Tätigkeitsvergütungen wird sie ferner angedeutet bei Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 122 Rn. 17; Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 64; Bezzenberger/v. Falkenhausen/Schneider, in: MünchHdb.-GesR, § 63 Rn. 80; zu der insoweit (Sonderbereich) ganz ähnlichen Lage wie beim Einzelunternehmer vgl. Kempermann, GmbHR 2002, 200, 203. Insbesondere unterliegen Tätigkeitsvergütungen und Zinserträge aus Gesellschafterkonten in aller Regel keinen Entnahmebeschränkungen (vgl. Priester, aaO, Rn. 51; Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 24, 27, 35). Nur wenn dies im Einzelfall anders ist, stellt sich ein Steuerausgleichsproblem. Zu Friktionen kann es allerdings dort kommen, wo infolge der von der herrschenden Meinung befürworteten kor­respondierenden Bilanzierung im Sonderbereich Abweichungen vom Imparitätsprinzip in Kauf zu nehmen sind, wie z.B. bei Pensionszusagen, die in der Sonderbilanz des betroffenen Gesellschafters ungeachtet des fehlenden Realisationstatbestandes aktiviert werden müssen (vgl. nur Hey, DStJG 24 (2001), 155, 191 f.; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 304; ausführlich zu diesem Problemkreis Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 102 ff. mit Nachweisen zum Streitstand). Beschränkt man den Steuerausgleich nämlich auf das Ergebnis der Gewinnermittlung erster Stufe, so bleibt der Gesellschafter insoweit kompensationslos (vgl. dazu auch Westerfelhaus, DB 1989, 93, 93 ff., der gesellschaftsvertraglichen Korrekturbedarf sieht). Das kann m.E. aber hingenommen werden, denn der entsprechende Ertrag ist nach den Grundsätzen steuerlicher Gewinnermittlung nun einmal beim Gesellschafter selbst angefallen. 2509 Hier und im Folgenden wird an die herrschende Begriffsverwendung angeknüpft, wonach Ergänzungsbilanzen ihren Bezugspunkt in der „ersten Stufe“ der Gewinnermittlung (vgl. Fn 2506) finden (statt vieler Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 243, 261; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 301 f.). Einen weiteren, auch Sonderbilanzen umfassenden Begriff der „Ergänzungsbilanz“ legt Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 4 ff. zugrunde. Nach seiner Terminologie geht es hier um „Wertkorrekturbilanzen“.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

zwar ebenfalls Besonderheiten aus Vorgängen wider, die aus der Sphäre des einzelnen Gesellschafters stammen.2510 Ungeachtet ihrer streitigen dogmatischen Einordnung2511 finden Ergänzungsbilanzen ihren Bezugspunkt jedoch in den Bilanzansätzen der Gesellschaft.2512 Sie werden in Abhängigkeit von den geschäftlichen Aktivitäten der Gesellschaft laufend fortgeschrieben und betreffen daher die Gewinnermittlung erster Stufe, nicht aber Wirtschaftsgüter in der Rechtszuständigkeit des Gesellschafters.2513 Beziehen sich die entsprechenden periodischen Wertkorrekturen mithin im Kern auf die Betätigung der Gesellschaft2514 und damit ihre Vermögenssphäre,2515 so erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass auch die dadurch generierten Ergebnisse auf Gesellschaftsebene anfallen. Im Vermögen des Gesellschafters kommt es hingegen grundsätzlich erst bei Beendigung seiner Mitgliedschaft zu Veränderungen.2516 Etwaige Wert­änderungen der Beteiligung können hingegen außer Betracht bleiben, weil sie nicht in der Ergänzungsbilanz abgebildet werden und nach wohl allgemeiner Ansicht auch sonst keinerlei Auswirkungen auf die laufende Besteuerung haben.2517 2510 Überblick bei Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 460 ff. 2511 Für Abbildung ergänzender Wertansätze der einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens etwa BFH BStBl. II 2006, 128, 129; Blümich/Bode, § 15 EStG Rz. 554; Tiede, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 500; für Verständnis als bloß rechnerische Korrekturposten bzw. – eng damit zusammenhängend – für Abbildung von Wertkorrekturen in Bezug auf die Gesellschaftsbeteiligung selbst: Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 264; Gschwendtner, DStR 1993, 817, 822 ff.; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 301 f.; Marx, StuW 1994, 191, 192; Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 20 ff., S. 129; Reiß, StuW 1986, 232, 236 ff.; Schön, Gewinnübertragungen, S. 106 ff. Mit letzterer Einordnung geht häufig die Vorstellung einher, dass es sich um eine Bilanz des Gesellschafters und nicht der Gesellschaft handelt (dazu – differenzierend – Schön, DStR 1994, 658, 665 f.). 2512 Näher Reiß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. E 18 ff.; siehe auch etwa Gschwendtner, DStR 1993, 817, 824; Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 302; Marx, StuW 1994, 191, 192 f.; Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 78 f., S. 122 f., S. 129. 2513 Siehe nur Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 251, 261; vgl. auch Marx, StuW 1994, 191, 192 f. Dass es zu einer derartigen laufenden Berücksichtigung von Wertkorrekturen kommt, ist einfach der Rechtstechnik der transparenten Besteuerung geschuldet (vgl. Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 302 sowie auch Reiß, aaO, Rn. 265; dens., StuW 1986, 232, 238; siehe zur Kritik Marx, aaO, S. 195 f.). 2514 Siehe auch Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 302. 2515 Vgl. Reiß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. E 18 ff.; Gschwendtner, DStR 1993, 817, 824 („Reflexwirkung“); Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 78 f., S. 122 f., S. 129. 2516 Vgl. auch Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 243. 2517 Siehe zu diesem Fragenkreis, der eng mit dem dogmatischen Grundlagenstreit betreffend die Rechtsnatur von Ergänzungsbilanzen (dazu oben Fn 2511) verbunden

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Steuerentnahmerecht Das hier zugrunde gelegte Verständnis mag zwar nicht über jeden Zweifel erhaben sein.2518 Es erweist sich jedoch nicht zuletzt im Hinblick auf die dadurch erzielten praktischen Resultate als überlegen. Würde man nämlich in Bezug auf Ergänzungsbilanzergebnisse gesellschafterindividuelle Korrekturrechnungen für Steuerentnahmezwecke vornehmen, so entstünden in vielen Fällen ungereimte Ergebnisse: Führt eine Ergänzungsbilanz für den jeweiligen Gesellschafter etwa – wie häufig – zu einer Gewinnreduktion infolge von Mehrabschreibungen, die auf einem über dem Buchwert liegenden Erwerbspreis der Beteiligung beruhen,2519 so müsste die Gesellschaft bei Ausblendung dieses Effekts einen Steuerausgleich für tatsächlich gar nicht geschuldete Steuern leisten. Umgekehrt bliebe der Gesellschafter bei ergänzungsbilanzbedingten Mehrgewinnen kompensationslos, obwohl bei ihm keine aktuelle Vermögensmehrung festzustellen ist und die entsprechenden Wirtschaftsgüter dem Gesellschaftsvermögen zugehören. Die soeben angestellten Erwägungen können auch auf andere steuerspezifischgesellschafterbezogene Anpassungen des Gewinnanteils erster Stufe2520 übertragen werden: Haben die entsprechenden Mehr- oder Mindererträge ihren Bezugspunkt in der Betätigung der Gesellschaft und ist mithin deren Vermögensbereich betroffen, so wirken sie sich auf die Höhe eines etwaigen Steuerentnahmerechts aus. Nur dann, wenn mit ihnen ausnahmsweise eine (aktuelle) Steigerung oder Verringerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Gesellschafters korrespondiert,2521 wäre eine Korrektur in entsprechender Höhe vorzunehmen. Ganz generell sind in Bezug auf den Gewinnanteil nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG für Zwecke des Innenausgleichs keine gesellschafterindividuellen Korrekturrechnungen angezeigt, soweit Vorgänge auf Gesellschaftsebene betroffen sind. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die entsprechenden ergebnisrelevanten Sachverhalte aus der Sphäre einzelner Gesellschafter herrühren,2522 denn an der Betroffenheit des Vermögens- und damit Leistungsfähigkeitsbereichs der Gesellschaft2523 ändert sich hierdurch nichts.2524 Die dahinter stehende Aussaist (vgl. auch Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 19): Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 265; Gschwendtner, DStR 1993, 817, 824; Reiß, StuW 1986, 232, 238; Schön, FR 1994, 658, 660 ff.; dens., Gewinnübertragungen, S. 98 ff. 2518 Vgl. die Ausführungen bei Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 264 f.; Gschwendtner, DStR 1993, 817, 819 ff.; Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 388; Schön, FR 1994, 658, 665 f. 2519 Vgl. nur Hennrichs, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 10 Rz. 123; Schulze-Osterloh, ZGR 1991, 488, 488 f. 2520 Überblick bei Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 301 f. 2521 Vgl. die bei Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 301 Fn 44 diskutierten Situationen. 2522 Vgl. beispielhaft die bei Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 300 f. angesprochenen Vorschriften. 2523 Dazu vertiefend unten C. 2524 Anders mag man lediglich dann entscheiden, wenn es um personenbezogene Subventionen geht und die „Sozialisierung“ der entsprechenden Beträge dem Sinn und Zweck der einschlägigen Fördernorm zuwiderlaufen würde – was jedoch nur selten der Fall sein dürfte (vgl. mit Blick auf eine andere Fragestellung Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 300 f.).

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften ge, dass die bloße „Fremdbestimmtheit“ einer Steuerfolge für sich genommen kein Ausgleichsbedürfnis auslöst,2525 wird im Rahmen der weiteren Darstellung fundiert.2526

B. Meinungsstand Das Meinungsbild betreffend die Existenz eines Steuerentnahmerechts ist heterogen. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 mit Blick auf die Personenhandelsgesellschaften tendenziell ablehnend gegenüber einem derartigen Anspruch geäußert.2527 Das Gesetz kenne kein Steuerentnahmerecht neben dem Anspruch aus § 122 HGB. Die Zubilligung eines derartigen Anspruchs bedürfe daher grundsätzlich einer besonderen Regelung im Gesellschaftsvertrag.2528 Fehle eine solche, bleibe die Entscheidung über ein Steuerentnahmerecht im einzelnen Fall dem Tatrichter überlassen.2529 Teile des Schrifttums sind dieser Entscheidung gefolgt.2530 Hiernach komme ein Steuerentnahmerecht unter Treuepflichtgesichtspunkten nur im Einzelfall nach Abwägung mit den Gesellschaftsinteressen in Betracht.2531

2525 Im Kontext des Steuerentnahmerechts ginge es um eine Korrektur seiner Höhe. 2526 In § 15 wird hierzu ein übergreifendes Kriterium herausgearbeitet. 2527 BGHZ 132, 263, 277; demgegenüber unergiebig die Entscheidungen BGH NJW 2013, 2511, 2513 (offen lassend); BGH ZIP 2010, 1232, 1233 (Bezugnahme auf BGHZ 132, 263, 277); BGH ZIP 1990, 1327, 1328 (ersichtlich auf die konkret gewählte Gestaltung bezogen). 2528 BGHZ 132, 263, 277, unter Ablehnung der verbreitet vertretenen Ableitung eines ohne weiteres eingreifenden Steuerentnahmerechts aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (näher zum Meinungsstand im Folgenden). 2529 BGHZ 132, 263, 277, wo offenbar inzident auf das Interessenabwägungserfordernis Bezug genommen wird, zu dem sich das Gericht in unmittelbarem Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Ausführungen bekannt hat (S. 276). 2530 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 122 Rn. 17; Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 55; Oetker/Weitemeyer, HGB, § 122 Rn. 38; v. Gerkan/Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 122 Rn. 16; Bezzenberger/v. Falkenhausen/Schneider, in: MünchHdb.-GesR, § 63 Rn. 79; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 637; siehe auch OLG Karlsruhe DB 2003, 935, 935 f. sowie zuvor bereits Hopt, FS Odersky, S. 799, 804 f. und auch schon Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 38 f. 2531 Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 122 Rn. 17; Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 55 a.E.; Bezzenberger/v. Falkenhausen/ Schneider, in: MünchHdb.-GesR, § 63 Rn. 79; Wertenbruch, in: Westermann/ Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 637a sowie bereits Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 38 f.

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Steuerentnahmerecht

Überwiegend wird die Skepsis des II. Senats jedoch nicht geteilt und von der grundsätzlichen Existenz eines Steuerentnahmerechts ausgegangen.2532 Allerdings herrscht Uneinigkeit über die rechtliche Ableitung. Traditionell wird dieser Anspruch als Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht angesehen.2533 Andere leiten ihn aus einer (ergänzenden) Auslegung des Gesellschaftsvertrages ab, wenn dieser selbst die Rechtsgrundlage für die Entnahmebeschränkung bereitstellt.2534 Zwischen diesen Ansätzen bestehen erhebliche Berührungspunkte, da Treuepflichten auch bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags eine wesentliche Rolle spielen können.2535 Nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung folgt das Steuerentnahmerecht hingegen aus einer direkten2536 oder analogen2537 Anwendung von § 110 HGB. Dieser Ansatz wird mit der besonderen Struktur der transparenten Besteuerung begründet: Eine „Aufwendung in Gesellschaftsangelegenheiten“ sei deshalb gegeben, weil es um die Besteuerung der bei der Gesellschaft angefallenen Gewinne und damit um ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gehe.2538 Diese Gewinne 2532 Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 122 Rn. 3; Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 60 f.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 21 und 30 f.; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rn. 69; H. Haack, NWB 2009, 1675, 1681; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 295 a.E.; ders., ZHR 171 (2007) 451, 462 a.E.; Priester, DStR 2001, 795, 800; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198 f.; Schön, in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 41 f.; ders., FS Beisse, S. 471, 487 f.; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 951 ff.; siehe aus der Zeit vor der Entscheidung des BGH auch etwa Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 11; Huber, ZGR 1988, 1, 41; Priester, FS Quack, S. 373, 394; Schön, StuW 1988, 253, 258 f.; H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 666 sowie bereits Lehmann, FS Heymann II, S. 733, 735 f. 2533 Siehe etwa Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 122 Rn. 3; Schlegelberger/ Martens, HGB, § 122 Rn. 11; Balz, DB 1988, 1305, 1305 f.; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rn. 69; Erker, Kompensation, S. 136 f.; Ernst, BB 1961, 377, 380; Huber, ZGR 1988, 1, 88; vgl. auch die Nachweise in Fn 2531. 2534 Heymann/Emmerich, HGB, § 122 Rn. 18; vgl. auch Hopt, FS Odersky, S. 799, 804; Schön, StuW 1988, 253, 259. 2535 Vgl. K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 105 Rn. 188; Staudinger/Habermeier, BGB, § 705 Rn. 13 sowie im vorliegenden Zusammenhang etwa Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 30 („treuepflichtbedingte Auslegung von Gesetz oder Gesellschaftsvertrag“) und auch Balz, DB 1988, 1305, 1305. 2536 So vor allem Schön, in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 41 f.; ders., FS Beisse, S. 471, 487 f.; ders., StuW 1988, 253, 259; grundlegend Lehmann, FS Heymann II, S. 733, 735; dem folgend Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 61; ders., DStR 2001, 795, 800; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952 sowie K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198, der sich für die Insolvenzfestigkeit des Steuerentnahmerechts ausspricht (S. 199 f.: grundsätzlich Masseschulden). 2537 So Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 295 a.E.; ders., ZHR 171 (2007) 451, 462 a.E. 2538 Schön, FS Beisse, S. 471, 488; ausführlich ders., StuW 1988, 253, 257 ff.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften würden den Gesellschaftern lediglich zugerechnet, und zwar mit dem Ziel, eine zeitnahe Besteuerung der Gesellschaftsgewinne sicherzustellen2539 und so Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu Einzelunternehmern und Kapitalgesellschaften zu vermeiden.2540 Soll die Besteuerung bei den Gesellschaftern mithin, materiell betrachtet, die Besteuerung der Gesellschaft ersetzen, so resultiere hieraus eine Pflicht zum Aufwendungsersatz.2541 Dieser habe aber lediglich Vorschusscharakter, da auch thesaurierte Gewinne irgendwann den Gesellschaftern zuflössen, so dass die Auszahlung zu Lasten des Kapitalkontos des Entnehmenden zu buchen2542 und später gegen seine Gewinn- und Auseinandersetzungsansprüche zu verrechnen sei.2543

Bei genauerem Hinsehen besteht unter den Befürwortern eines grundsätzlich eingreifenden Steuerentnahmerechts nicht nur Uneinigkeit über seine dogmatische Ableitung, sondern auch über seine inhaltliche Reichweite. Teilweise klingt die Vorstellung an, es genüge, wenn der jeweilige Gesellschafter überhaupt die Möglichkeit habe, einen Betrag zu entnehmen, der die geschuldete Steuer zumindest abdeckt.2544 Die Frage nach einem Steuerausgleich stellt sich auf dem Boden dieser Auffassung folglich nur bei hohen Thesaurierungsquoten.2545 Andere wollen das Steuerentnahmerecht hingegen zusätzlich zu dem jeweils entnahmefähigen Gewinnbetrag gewähren. Es sei nämlich auf diejenigen Teile des Ergebnisses zu beziehen, die thesauriert werden.2546 Hiernach wäre ein Steuerausgleich immer schon dann vorzunehmen, wenn das Entnahmerecht hinter dem beim Gesellschafter besteuerten Gewinnanteil zurückbleibt. Klärungsbedürftig ist ferner die Frage, ob auf die persönlichen (Steuer-) Verhältnisse des jeweiligen Gesellschafters oder auf einen überindividu-

2539 Schön, StuW 2005, 247, 253; ders., in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 42. 2540 Siehe insbesondere Schön, FS Beisse, S. 471, 488; dens., DStR 1993, 185, 191; dens., StuW 1988, 253, 257 f. sowie Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 362, S. 427 und Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 45; dens., DStJG 25 (2002), 123, 139 f. 2541 Schön, StuW 1988, 253, 258 f. 2542 Schön, FS Beisse, S. 471, 488; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952; anders noch Lehmann, FS Heymann II, S. 733, 736 a.E. 2543 K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 199; Schön, StuW 1988, 253, 259. 2544 So Erker, Kompensation, S. 136; im gleichen Sinne Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 43; vgl. auch Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 22; offen lassend H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 666. 2545 Vgl. Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 43. 2546 So deutlich Schön, FS Beisse, S. 471, 487 f.; ders., StuW 1988, 253, 258 f.; vgl. insoweit auch BGHZ 132, 263, 277.

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Steuerentnahmerecht

ellen Maßstab abzustellen ist.2547 Ferner ist zu untersuchen, ob eine Steuerentnahme auch bereits zur Begleichung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen vorgenommen werden kann, wie vielfach zugrunde gelegt wird.2548

C. Transparente Besteuerung und Leistungsfähigkeitsprinzip I. Ausgangspunkt Der im vorstehenden Abschnitt referierte Ansatz, der das Steuerentnahmerecht aus dem Aufwendungsersatzgedanken ableiten will, fußt auf der Vorstellung einer zumindest zeitweisen2549 Verschiebung von Steuerlas­ ten zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, die in der Konsequenz der transparenten Besteuerung liegt. Diese führe zu einer Zurechnung steuerlicher Leistungsfähigkeit bei einer anderen Person als dem eigentlichen Träger dieser Leistungsfähigkeit.2550 Anknüpfend an die einleitenden Ausführungen,2551 wirft dies die Frage auf, ob es sich vorliegend um einen Anwendungsfall der in § 7 abstrakt umschriebenen Konstellation einer punktuell-maßstabswidrigen Verschiebung von Steuerlasten handelt, die einen zivilrechtlichen Korrekturbedarf auslösen kann. Zu prüfen ist daher in einem ersten Schritt, ob die transparente Besteuerung als Auslöserin der Problemstellung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar ist und welche Rolle einem Steuerentnahmerecht in dieser Hinsicht zukommen kann.

2547 Vgl. etwa H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 666 („Steuer des am höchsten besteuerten Gesellschafters“); siehe zu diesem Problemkreis auch Barz, FS Knur, S. 25, 29 f.; Ernst, BB 1961, 377, 379 f.; Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 23 ff. 2548 Vgl. Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 31; Huber, ZGR 1988, 1, 41; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 953; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 637a; a.A. Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB, § 169 Rn. 25. 2549 Vgl. wiederum Schön, StuW 1988, 253, 259 und insbesondere 260 f. sowie auch Hennrichs, FR 2010, 721, 726; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 295. 2550 Hennrichs, FR 2010, 721, 724 und 726; Schön, StuW 2005, 247, 253; näher zur Auffassung dieser Autoren über die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung sogleich unter II. 2551 Siehe oben in § 12 unter C. mit den dort in Bezug genommenen Stellen dieser Untersuchung.

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II. Meinungsstand Die Frage nach der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung wird selten ausdrücklich gestellt und noch seltener eindeutig beantwortet. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass sie in einem engen Zusammenhang mit der allgemeinen Diskussion über die Hintergründe der transparenten Besteuerung und insbesondere die Reichweite des Einheits- und Vielheitsgedankens steht.2552 So betonen diejenigen, die einer Vielheitsbetrachtung zuneigen, dass die in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Bezug genommenen Einkünfte von den Gesellschaftern selbst erzielt werden, und zwar als originäre eigene Einkünfte.2553 Dieses Verständnis wird aus einer Zusammenschau dieser Vorschrift mit § 2 Abs. 1 EStG abgeleitet.2554 Aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG folge zudem, dass die Gesellschafter selbst die Unternehmer des Betriebs seien, wenn die Voraussetzungen des Mitunternehmerbegriffs vorlägen.2555 Bei dieser Sicht der Dinge liegt es fern, die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung eigens zu hinterfragen, denn es erscheint evident, dass Einkünfte bei denjenigen Personen besteuert werden dürfen, die sie selbst erzielt haben.2556 2552 Detaillierte Darstellung des hierzu bestehenden Meinungsstandes, der im Folgenden lediglich skizziert wird, bei Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 45 ff. 2553 In diesem Sinne BFH BStBl. II 2012, 207, 208; BFH BStBl. II 2010, 751, 754; BFH BStBl. II 2008, 420, 423 f.; BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 621; Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 162 f.; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 163; Bodden, DStZ 2002, 391, 391 ff. (394, 396 f.); P. Fischer, FS Beisse, S. 189, 189 ff. (193 ff.); Kurth, Besteuerung, S. 280 ff. (S. 301 ff.); Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 74 ff., S. 81 ff.; Reiß, Stbg 1999, 356, 364 f.; ders., DStJG 17 (1994), 3, 10 f.; vgl. auch Meßmer, FR 1990, 205, 207 ff.; Tipke, NJW 1980, 1079, 1081; Walz, JZ 1985, 192, 194 sowie Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 97, der allerdings einer Einheitsbetrachtung zuneigt (siehe Anm. 90 ff., 99). In einem gewissen Spannungsverhältnis zur Annahme „originärer“ Gesellschaftereinkünfte steht es allerdings, dass zahlreiche Stimmen im selben Atemzug das Merkmal der „Zurechnung“ anführen (siehe beispielhaft BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 621; Schmidt/Wacker, aaO, Rn. 160), obwohl ihm auf dieser Grundlage eigentlich keine eigenständige Bedeutung zukommen könnte; inkonsistent jedenfalls Rätke, aaO, Anm. 92, 97, 99; überzeugender Bodden, aaO, S. 396. 2554 Näher Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 97; Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 162; Bodden, Einkünftequalifikation, S. 42 ff.; P. Fischer, FS Beisse, S. 189, 190 ff. 2555 BFH BStBl. II 2012, 207, 208; BFH BStBl. II 2010, 751, 754; BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 621; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 163; Bodden, DStZ 2002, 391, 397, 400; P. Fischer, FS Beisse, S. 189, 189 ff.; Wacker, FS Goette, S. 561, 566 ff.; insoweit a.A. Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 98. 2556 Vgl. die Ausführungen bei Bodden, Einkünftequalifikation, S. 49; P. Fischer, FS Beisse, S. 189, 189, 191, 194; Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 117 ff. (S. 125); in diesem Sinne dürften auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010,

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Steuerentnahmerecht

Als erheblich weniger eindeutig stellt sich die Rechtslage hingegen auf Grundlage desjenigen Ansatzes dar, dessen Vertreter – ausgehend vom zivilrechtlichen Befund – auch für die Zwecke der Einkommensbesteuerung weitgehend zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern trennen wollen.2557 Hiernach werden die Gewinne von der Gesellschaft erzielt und den Gesellschaftern lediglich für Zwecke der Besteuerung zugerechnet.2558 Unternehmerin des Betriebes sei allein die Gesellschaft.2559 Diese Sichtweise lasse sich zwanglos mit dem Normtext der Vorschriften des Einkommensteuerrechts vereinbaren.2560 Auf Grundlage dieser Auffassung liegt es an sich nahe, die transparente Besteuerung jedenfalls dort als leistungsfähigkeitswidrig anzusehen, wo Entnahmebeschränkungen bestehen, denn bei den Gesellschaftern selbst ist dann in der entsprechenden Höhe keine aktuelle Mehrung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eingetreten.2561 § 18 Rz. 12 a.E. und Reiß, StuW 2000, 399, 405 zu verstehen sein; vgl. ferner Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 76 (siehe aber S. 77) sowie auch BFH BStBl. II 2012, 207, 209, wo offenbar – unrichtig – davon ausgegangen wird, der auf Gesellschaftsebene erwirtschaftete Gewinn sei den Gesellschaftern rechtlich zugewiesen (dazu ausführlich im Folgenden). 2557 Vgl. (mit teils unterschiedlichen Folgerungen im Einzelnen) BFH GrS BStBl. II 1991, 691, 698 ff.; Gschwendtner, FS Klein, S. 751, 756 ff., 760 ff.; Hallerbach, Personengesellschaft, S. 115 ff., S. 137 ff.; Hennrichs, FR 2010, 721, 722 ff.; Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 43 ff.; dens., DStJG 25 (2002), 123, 134 ff.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 361 ff.; dies., StuW 1974, 1, 2 ff.; Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 291 ff.; Rau, Prinzipien, S. 124 ff.; Raupach, FS Beisse, S. 403, 418 ff.; Schön, StuW 1996, 275, 282 ff.; dens., DStR 1993, 185, 191 f.; dens., StuW 1988, 253, 253 ff.; Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 218 ff. 2558 Hallerbach, Personengesellschaft, S. 137 ff.; Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 294 ff.; ders., DStJG 25 (2002), 123, 139 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 361 ff. (S. 367 f.); Raupach, FS Beisse, S. 403, 404 f., 408, 418 ff.; Schön, StuW 2005, 247, 253; im gleichen Sinne Hennrichs, FR 2010, 721, 722 ff. (726); prägnant Schön, DStR 1993, 185, 191: „Das Einkommen der Gesellschaft wird [den Gesellschaftern] als fremdes zugerechnet“; ausführlich ders., StuW 1996, 275, 285 f., der nur „im wirtschaftlichen Ergebnis“ von originären Einkünften der Gesellschafter ausgeht. Viele Vertreter dieses Ansatzes nennen als Legitimationsgrundlage für die transparente Sofortbesteuerung der Gesellschaftsgewinne den Aspekt der rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung (siehe oben S. 515 f. im Kleindruck). 2559 Hallerbach, Personengesellschaft, S. 137 ff., S. 159 f.; Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 44 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 367 f.; Rau, Prinzipien, S. 128 f.; Schön, StuW 1996, 275, 283 f., 285; ders., DStR 1993, 185, 191. 2560 Näher Schön, StuW 1996, 275, 285; siehe auch Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 45 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 365 sowie bereits dies., StuW 1974, 1, 3 f. 2561 Vgl. Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1306.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Diese Position bildet in der Tat den Ausgangspunkt einer grundlegenden Untersuchung Schöns zu dem vorliegenden Fragenkreis.2562 Bei der Gewinnzurechnung ohne Entnahmemöglichkeit handele es sich um eine Fiktion, die sich aus der Perspektive des Gesellschafters nicht als leistungsfähigkeitsorientierte Einkünfteermittlung begründen lasse.2563 Diese Einschätzung relativiert Schön allerdings am Ende seiner Untersuchung erheblich: Da der Gesellschaftsgewinn bei periodenübergreifender Betrachtung im Ergebnis vollständig den Gesellschaftern zugute komme, werde – wenn auch zeitverschoben – letztlich immer ihre Leistungsfähigkeit erfasst.2564 In einem späteren Beitrag gelangt er deshalb zu der Einschätzung, dass ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht vorliege.2565 Die Gesellschaft wirtschafte auf Rechnung und Gefahr ihrer Gesellschafter, so dass diesen das Einkommen der Personengesellschaft als eigene Einkünfte zugerechnet werden könne.2566 An anderer Stelle klingt bei Schön allerdings wieder die entgegengesetzte Blickrichtung an.2567 Deutlicher als Schön geht Hüttemann von der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung aus.2568 Er verweist insbesondere auf die hierdurch bewirkte Kongruenz von Außenhaftung und Verlusttragung,2569 betont (wie Schön) die lediglich zeitpunktbezogene 2562 Schön, StuW 1988, 253, 254 f. sowie 256 und 257 f.; dem folgend Hallerbach, Personengesellschaft, S. 119 („Auch nach wirtschaftlichem Verständnis ist der stehenbleibende Gewinnanteil kein für den Gesellschafter disponibles Einkommen und steigert nicht seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.“). Im Gegensatz zu Schön (dazu sogleich) relativiert sie diese Einschätzung allerdings nicht, sieht die transparente Besteuerung aber dennoch – mit der von ihr gegebenen Begründung allerdings wenig überzeugend – angesichts „der auch zivilrechtlich gerechtfertigten unterschiedlichen Besteuerungskonzeption von Personen- und Kapitalgesellschaften“ als zulässig an (S. 124). 2563 Schön, StuW 1988, 253, 256. 2564 Schön, StuW 1988, 253, 260; siehe auch Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 220. 2565 Schön, StuW 1996, 275, 285 („im wirtschaftlichen Ergebnis“). 2566 Schön, StuW 1996, 275, 286 f. 2567 Vgl. Schön, in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 42; dens., FS Beisse, S. 471, 488 („steigern im steuerlichen Sinne nicht seine finanzielle Leistungsfähigkeit“) sowie auch dens., StuW 2005, 247, 253. 2568 Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 45; im gleichen Sinne ders., DStJG 34 (2011), 291, 295; siehe auch dens., DStJG 25 (2002), 123, 139 f. (vgl. aber S. 141 mit S. 134 ff.); skeptischer noch ders., DStJG 23 (2000), 127, 142: Begründung lediglich einer „objektiven“ Leistungsfähigkeit, die die Belastung mit einem proportionalen Steuersatz gegebenenfalls rechtfertigen könne. 2569 Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 139 f.; dem folgend Drüen, GmbHR 2008, 393, 398; vgl. im Ausgangspunkt auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 13 Rz. 175 sowie bereits Schön, Stbg 2000, 1, 14.

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Steuerentnahmerecht

Relevanz der Einkünftezuordnung2570 und stützt den fehlenden Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip auch auf die von ihm befürwortete Existenz eines Steuerentnahmerechts.2571 Ob das Steuerentnahmerecht – wie bei ihm zugrunde gelegt wird – tatsächlich geeignet ist, einen leis­ tungsfähigkeitskonformen Zustand herbeizuführen,2572 wird noch zu hinterfragen sein. Die Gegenauffassung vertritt namentlich Hennrichs, der zu dieser Fragestellung die klarste Position entwickelt hat. Er spricht sich gegen die Konformität der transparenten Besteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip und de lege ferenda für eine steuerliche Gleichbehandlung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften aus.2573 Die transparente Besteuerung widerspreche den zivilrechtlichen Grundentscheidungen, denen eine Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern zugrunde liege.2574 Die Gewinne und Verluste der Gesellschaft wirkten sich zunächst nur in ihrem Vermögen aus, während die Gesellschafter lediglich mittelbar über Wertänderungen ihrer Mitgliedschaft betroffen seien.2575 Im Unterschied zum Einzelunternehmer komme es bei den Gesellschaftern nur dann zu einer Leistungsfähigkeitssteigerung, wenn ein Entnahmerecht vorhanden sei und dieses auch tatsächlich ausgeübt werde, wobei in Bezug auf die Verwendung des Gewinns stets ein Einigungsrisiko bestehe.2576 Im Ganzen stünden die Personengesellschaften den Kapitalgesellschaften daher näher als dem Einzelunternehmer, so dass die Gleichbehandlungsthese abzulehnen sei.2577 Aber auch aus genuin steuerrechtlicher Sicht sei in der Person der Gesellschafter so lange keine Mehrung eigener Leistungsfähigkeit gegeben, wie es an einer Ausschüttung fehle, denn der relevante Leistungsfähigkeitsindikator sei der Gewinn und dieser falle nur bei der Gesellschaft an.2578 Thesaurierte 2570 Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 295. 2571 Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 45. 2572 Vgl. insoweit auch Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 125. 2573 Hennrichs, FR 2010, 721, 722 ff.; siehe auch bereits dens., StuW 2002, 201, 205 ff.; im gleichen Sinne Rau, Prinzipien, S. 124 ff., S. 211 ff., S. 268. 2574 Hennrichs, FR 2010, 721, 723 ff. 2575 In diesem Sinne Hennrichs, FR 2010, 721, 723 und 726 a.E. 2576 Hennrichs, FR 2010, 721, 724 f. 2577 Hennrichs, FR 2010, 721, 725; siehe insoweit auch Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 141. 2578 Hennrichs, FR 2010, 721, 726. Die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft sei aber nur eine solche auf Zeit, da sie in Form von Ausschüttungen, spätestens bei der Liquidation, an die Gesellschafter weitergegeben werde (siehe auch bereits Schön, StuW 1988, 253, 260). Das ökonomische Ideal bestehe daher in einem Anrechnungssystem. Das gegenwärtige Körperschaftsteuersystem sieht Hennrichs aber als praktikablen Kompromiss an.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Gewinne könnten folglich keine Leistungsfähigkeitssteigerung bei den Gesellschaftern bewirken.2579 Nach Auffassung Hennrichs komme auch der transparenten Verlustzurechnung überschießender Charakter zu, da sich die Verluste ebenfalls zunächst nur im Gesellschaftsvermögen auswirkten.2580 Hieran ändere auch die persönliche Gesellschafterhaftung nichts, da sie bei wirtschaftlicher Betrachtung nur dann aktuell werde, wenn das Gesellschaftsvermögen nicht mehr zur Deckung der Schulden ausreiche.2581 Erst in einem derartigen Fall tatsächlicher Verlusttragung sei daher eine steuerliche Berücksichtigung angezeigt.2582

III. Präzisierung der Fragestellung Für Zwecke der vorliegenden Untersuchung allein von Interesse ist, ob die transparente Besteuerung im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern eine maßstabswidrige Steuerlastverschiebung begründet, sie also in absoluter Hinsicht nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Einklang zu bringen ist, weil die Leistungsfähigkeitssteigerung nicht bei den Gesellschaftern, sondern bei der Gesellschaft selbst angefallen ist.2583 In einem derartigen Fall könnte ein gesellschaftsinterner Ausgleichsanspruch in Form eines Steuerentnahmerechts nämlich von Verfassungs wegen geboten oder zumindest wünschenswert sein.2584 Im Ausgangspunkt nicht maßgebend ist hingegen die relative Dimension der Problemstellung, d.h. der Vergleich der Besteuerungssysteme, die für Einzelunternehmer, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften Platz greifen. Die Frage, inwieweit eine rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung verfassungsgeboten bzw. rechtspolitisch und ökonomisch sinnhaft ist,2585 bedarf hier folglich keiner grundsätzlichen Klä2579 Hennrichs, FR 2010, 721, 726. Die Frage des Steuerentnahmerechts sieht er als Folgeproblem dieses „fehlerhaften“ Besteuerungssystems an. 2580 Hennrichs, FR 2010, 721, 726 a.E. Bei den Gesellschaftern könne es hingegen nur zu einer Wertminderung ihrer Beteiligung kommen. 2581 Hennrichs, FR 2010, 721, 726 f. unter Hinweis auf die Ausgleichsansprüche nach § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB; siehe auch Rau, Prinzipien, S. 134 f.; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 169 f. 2582 Hennrichs, FR 2010, 721, 727 und 730. Zuvor bestehe nur ein abstraktes Risiko der Inanspruchnahme. 2583 Vgl. – allgemein zu dieser Fallkonstellation – oben § 7 D II 1. 2584 Siehe ebenfalls oben § 7 C II 2. und D. 2585 Siehe zu diesem Fragenkreis aus jüngerer Zeit etwa BVerfGE 127, 224, 250; BVer fGE 116, 164, 197 ff.; Drüen, GmbHR 2008, 393, 393 ff.; Hennrichs, FR 2010, 721, 722 ff., 727 ff.; dens., StuW 2002, 201, 201 ff.; Hennrichs/Lehmann, StuW 2007, 16, 16 ff.; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 13 ff.; dies., FS Herzig, S. 7, 7 ff., 14 ff.; dies., DStR 2007, 925, 925 ff., 929 ff.;

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Steuerentnahmerecht

rung, wenngleich – wie die obige Darstellung zeigt – Berührungspunkte zwischen der absoluten und der relativen Dimension der Problemstellung bestehen, so dass auf Einzelaspekte dieser Diskussion zurückzukommen ist.

IV. Determinanten der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit und Folgerungen Aus den bisherigen Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung lässt sich ableiten, dass die Frage nach der absoluten Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit bzw. -widrigkeit gesetzlicher Regelungen hauptsächlich an zwei Aspekten festzumachen ist, wenn es – wie hier – um die Bewertung von Vorschriften geht, die innerhalb eines gesetzlichen Systems getroffen worden sind.2586 Zum einen ist von erheblicher Bedeutung, welche Ausprägung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Gesetzgeber für den jeweiligen Besteuerungsbereich gewählt hat, denn diese bildet den Anknüpfungspunkt der Prüfung. Der gewählte Leistungsfähigkeitsindikator muss vertretbar und in sich konsequent umgesetzt werden, damit kein absolut leistungsfähigkeitswidriger Zustand entsteht.2587 Zum anderen muss die Zivilrechtslage angemessen Berücksichtigung finden, denn steuerliche Leistungsfähigkeit besteht in aller Regel nicht unabhängig von den zivilrechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen, sondern wird – wie namentlich Schön zu Recht herausgestellt hat – im Gegenteil zu wesentlichen Teilen von diesen konstituiert.2588

dies., FR 2001, 870, 870 ff., 878 ff.; dies., DStJG 24 (2001), 155, 156 ff.; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 10 ff.; dies., Steuergesetzgebung, S. 60 ff., S. 104 ff.; Lang, FS Reiß, S. 379, 379 ff.; Lauterbach, Unternehmenssteuerrecht, S. 1 ff., S. 46 ff. (S. 58 ff.), S. 95 ff.; Loritz, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), aaO, S. 31, 31 ff., 46 ff.; Musil/Leibohm, FR 2008, 807, 810 ff.; Palm, JZ 2012, 297, 298 ff.; Rau, Prinzipien, S. 105 ff., S. 201 ff.; D. Schneider, DB 2004, 1517, 1518 ff.; Schön, Stbg 2000, 1, 1 ff., 4 ff., 13 ff.; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 167 ff.; Seer, FS Lang, S. 655, 658 ff.; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 146 ff., 158 ff.; Tipke, StRO II, S. 1190 ff.; F. Wagner, StuW 2006, 101, 101 ff.; Witt, Konzernbesteuerung, S. 422 ff. 2586 Die transparente Einkommensbesteuerung bei Personengesellschaften bildet ein Subsystem innerhalb des Ertragsteuerrechts. 2587 Näher oben § 5 F III. 2588 Schön, StuW 2005, 247, 249 ff.; dazu oben § 7 B I.; vgl. für den vorliegenden Kontext auch bereits oben bei Fn 2483.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Den Bezugspunkt des Steuerzugriffs bildet hier der Gewinn,2589 der für den Bereich der Ertragsbesteuerung eine anknüpfungsfähige Ausprägung des Erwerbseinkommens2590 und damit einen tauglichen Leistungsfähigkeitsindikator darstellt.2591 Der Gewinn wird – aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips ebenfalls prinzipiell unbedenklich – periodisch ermittelt und sogleich der Besteuerung unterworfen.2592 Allerdings ist dieser laufende Gewinn nicht bei den Gesellschaftern angefallen, sondern bei der Gesellschaft.2593 Die entsprechenden Mittel befinden sich in ihrem Vermögen, und nur sie ist an den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen beteiligt.2594 Diese Zusammenhänge lassen bereits aus sich heraus wichtige Rückschlüsse auf die Relevanz mehrerer in der bisherigen Diskussion angeführten Argumente zu: Zunächst kann es für die Beurteilung der Leistungs­ fähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung nicht entscheidend darauf ankommen, dass thesaurierte Gewinne bei Betrachtung der Totalperiode in der Regel wertmäßig irgendwann einmal im Vermögen der Gesellschafter ankommen2595 und die Leistungsfähigkeits-

2589 Die folgende Darstellung nimmt – etwas vereinfachend – zunächst ausschließlich Situationen in den Blick, in denen Verluste keine Rolle spielen. Auf die Besonderheiten, die im Falle auftretender Verluste zu beachten sind, wird unter D. zurückgekommen. 2590 Vgl. auch bereits oben S. 137. 2591 Siehe nur Hennrichs, FR 2010, 721, 726; Hey, FS Herzig, S. 7, 10; Tipke, StRO II, S. 687 ff. sowie die auf S. 111 f. herausgearbeitete Definition des Leistungsfähigkeitsindikators. 2592 Näher zum Periodizitätsprinzip namentlich Drüen, Periodengewinn, S. 22 ff.; vgl. auch die nachfolgenden Ausführungen. 2593 Siehe auch bereits (mit Blick speziell auf Ergänzungsbilanzen) oben S. 511 ff. Hervorgehoben sei, dass sich die Ausführungen im Haupttext nur auf den Gewinnanteil nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG beziehen (siehe oben A.). 2594 Vgl. auch etwa Hennrichs, FR 2010, 721, 726; dens., StuW 2002, 201, 207 f.; Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 294; Rau, Prinzipien, S. 124 ff. (S. 128 ff.); Schön, StuW 1996, 275, 282 ff.; unhaltbar demgegenüber BVerfGE 116, 164, 199 (wiederholt in BVerfGE 127, 224, 250 a.E.); ebenso wenig überzeugend Musil/Leibohm, FR 2008, 807, 813; Reiß, DStJG 17 (1994), 3, 11; gegen die soeben zitierte Entscheidung des BVerfG zu Recht Hennrichs, aaO, S. 723; ders., FS Lang, S. 237, 244 f.; Hennrichs/Lehmann, StuW 2007, 16, 18 ff.; siehe auch etwa Lauterbach, Unternehmenssteuerrecht, S. 79 ff.; Rau, aaO, S. 123 f.; Palm, JZ 2012, 297, 298 ff.; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 168 ff.; weitere Kritikpunkte an ihr bei Hennrichs/Lehmann, aaO, S. 16 ff.; Hey, FS Herzig, S. 7, 15. 2595 Vgl. demgegenüber die Argumentation bei Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 295; Schön, StuW 1988, 253, 260; Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 220.

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mehrung auf Gesellschaftsebene daher nur eine vorläufige ist.2596 Das trifft zwar prinzipiell zu,2597 ändert aber nichts daran, dass der im Gesetz für Zwecke der (Sofort-)Besteuerung gewählte und daher für die Beur­ teilung der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung allein maßgebende Leistungsfähigkeitsindikator „(Gesellschafts-) Gewinn“2598 seinen zeitlichen Bezugspunkt im jeweiligen Wirtschaftsjahr der Gesellschaft findet (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 4a Abs. 1 Satz 1 EStG), das in der Regel mit dem Kalenderjahr als Veranlagungszeitraum der Einkommensteuer (§ 25 Abs. 1 EStG) übereinstimmt (vgl. § 4a EStG).2599 Hiermit korrespondiert, dass die zu tragende Einkommensteuerschuld gemäß § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des entsprechenden Veranlagungszeitraums entsteht. Der so, d.h. periodenbezogen definierte und besteuerte Gewinn kann daher bei den Gesellschaftern zumindest dann nicht zu der einkommensteuerlich allein relevanten Leistungsfähigkeitsmeh2596 Siehe zu diesem Zusammenhang, der auch für Kapitalgesellschaften Gültigkeit besitzt, etwa Hennrichs, FR 2010, 721, 726; dens., StuW 2002, 201, 205 ff. (mit ähnlichen Folgerungen wie hier); Hey, Harmonisierung, S. 254 ff.; Lauterbach, Unternehmenssteuerrecht, S. 60 f.; Rau, Prinzipien, S. 178. Bei Betrachtung der Totalperiode macht es für die Höhe des Ergebnisses keinen Unterschied, ob man auf den Gesellschaftsanteil in einer eigenen Bilanz des Gesellschafters oder auf den von der Gesellschaft zugewiesenen Gewinnanteil abstellt. Der wesentliche – und für den vorliegenden Zusammenhang entscheidende (dazu sogleich) – Unterschied besteht jedoch in der Periodisierung (näher Schön, Gewinnübertragungen, S. 103 f. sowie auch etwa Reiß, StuW 1986, 232, 234). Dies hat für die rechtstechnische Ausgestaltung des Ausgleichanspruchs als Steuerentnahmerecht Bedeutung (dazu unten D II 1 d)). 2597 Vgl. etwa Hallerbach, Personengesellschaft, S. 51: Nicht entnommene Gewinn­ anteile fließen den Gesellschaftern spätestens mit Auseinandersetzung der Gesellschaft zu. Einschränkend anzumerken ist zwar, dass thesaurierte Gewinne im Falle späterer Verluste aufgezehrt werden können und damit nicht zur Ausschüttung gelangen (hierauf hat schon Lehmann, FS Heymann II, S. 733, 733 hingewiesen). Dieser Aspekt kann jedoch vernachlässigt werden, da gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG auch die hiermit korrespondierenden Verlustanteile zuzurechnen sind und somit die Steuerlast (in den allgemeinen Grenzen der Verlustberücksichtigung) verringern (vgl. auch Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 220). Gleiches gilt für die ebenfalls bei Lehmann, FS Heymann II, S. 733, 733 angesprochene Situation einer möglicherweise fehlenden Wertpartizipation im Falle von Veräußerungsvorgängen (vgl. auch Schön, StuW 1988, 253, 259: „in der Regel“), denn auch bei entgeltlicher Anteilsübertragung unter Buchwert entsteht steuerlich ein berücksichtigungsfähiger Verlust (vgl. nur Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rn. 510); siehe zum gesamten Fragenkreis auch Fn 2596. 2598 Vgl. Fn 2593. 2599 Bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr kommt es lediglich zu geringfügigen zeitlichen Verschiebungen (vgl. § 4a Abs. 2 EStG), die den hier dargestellten prinzipiellen Zusammenhang unberührt lassen.

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rung im jeweiligen Kalenderjahr führen,2600 wenn er auf Gesellschaftsebene einbehalten wird.2601 Aus den gleichen Gründen spielt es auch keine entscheidende Rolle, dass der Wert der Beteiligungen der Gesellschafter infolge des Gewinns ansteigen kann.2602 Denn nicht nur ist eine entsprechende Werterhöhung – zumal betragsmäßig – nicht zwingend.2603 Vor allem bildet nicht die (unrealisierte) Steigerung des Beteiligungswerts, sondern vielmehr der Gesellschaftsgewinn selbst den vom Gesetz gewählten Bezugspunkt der Besteuerung.2604 Dieser ist aber ausschließlich bei der Gesellschaft angefallen.2605 Hiermit ist selbstverständlich nicht gesagt, dass die in den vorstehenden beiden Absätzen angeführten Gesichtspunkte im vorliegenden Kontext keinerlei Relevanz besäßen. So sind sie in zivilrechtlicher Hinsicht für die Ausgestaltung des Ausgleichsanspruchs und die Verbuchung entsprechender Leistungen von Bedeutung.2606 Und unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel könnten sie geeignet sein, die Rechtfertigung einer etwaigen Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip2607 zu erleichtern, denn hierfür ist ohne Zweifel von erheblicher Bedeutung, dass der wirtschaftliche Erfolg der Gesellschaftstätigkeit letztlich den Gesellschaftern zugute kommt.2608 Die Leistungsfähigkeitskonformität der transpa2600 Ein ähnlicher Gedanke findet sich in anderem Zusammenhang bei Hennrichs, FS Lang, S. 237, 251 a.E. 2601 Im gleichen Sinne Hennrichs, FR 2010, 721, 726; ders., StuW 2002, 201, 208; vgl. in ähnlichem Zusammenhang (Teilhabersteuer) auch Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 13 a.E.; dies., DStJG 24 (2001), 155, 217 f. (mit Blick auf Kapitalgesellschaften) sowie Lauterbach, Unternehmenssteuerrecht, S. 97 f. (mit Fn 490) und Tipke, NJW 1980, 1079, 1080 f., der diesen Gedanken jedoch auf Kapitalgesellschaften beschränken will. 2602 Vgl. demgegenüber Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 125; siehe zu der hier abgelehnten Argumentation auch Schön, StuW 1988, 253, 255; vgl. mit Blick auf die Körperschaftsbesteuerung ferner Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 72; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 161 f. 2603 Ausführlich dazu Schön, StuW 1988, 253, 255 f.; vgl. auch Hey, DStJG 24 (2001), 155, 218. 2604 Zur fehlenden steuerlichen Maßgeblichkeit von Wertentwicklungen der Beteiligung vgl. die Nachweise in Fn 2517. 2605 Erneut sei darauf hingewiesen, dass Gewinne im Sonderbereich aus den unter A. genannten Gründen in aller Regel nicht zum Gegenstand der vorliegenden Betrachtungen gehören. 2606 Vgl. vorläufig Schön, FS Beisse, S. 471, 488; dens., StuW 1988, 253, 259 sowie bereits Fn 2596; näher unten D II 1 d). 2607 Dazu in den folgenden Abschnitten. 2608 Vgl. Schön, StuW 1996, 275, 285, der darauf allerdings – anders als nach der hier vertretenen Auffassung – die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung stützt.

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renten Besteuerung – nur um sie geht es an dieser Stelle – können sie jedoch vor dem Hintergrund des vom Gesetz gewählten Anknüpfungspunkts der Besteuerung und der zivilrechtlichen Ausgangslage nicht aus sich heraus begründen. Gleiches gilt für das Argument, die transparente Besteuerung bewirke Wettbewerbsgerechtigkeit gegenüber anders besteuerten Rechtsformen, da sie dazu führe, dass die Gesellschaftsgewinne sofort besteuert würden.2609 Dieses Argument betrifft nämlich ausschließlich die relative Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips, nicht aber die hier allein entscheidende Frage, bei wem (Gesellschaft oder Gesellschafter) diese Besteuerung leistungsfähigkeitskonform stattfinden kann.2610 Insbesondere bliebe es dem Gesetzgeber grundsätzlich unbenommen, das in §§ 1, 3 Abs. 1 KStG vorgezeichnete Modell auf Personengesellschaften zu übertragen.2611 Denn weder ist bei ihnen eine einzelunternehmerähnliche Besteuerung geboten,2612 noch bildet, wie Hennrichs überzeugend herausgestellt hat, die bei Personenunternehmen typischerweise bestehende unbeschränkte Gesellschafterhaftung einen zwingenden Hinderungsgrund.2613 Auch der ökonomisch geprägte Ansatz, wonach wirtschaftliche Leistungsfähigkeit immer nur bei natürlichen Personen anfallen kann,2614 hilft hier nicht weiter, denn die rechtliche Beurteilung kann die Zuweisung von Rechten und Pflichten durch die (Zivil-)Rechtsordnung nicht negieren, da diese die wirtschaftlichen Realitäten der betroffenen Personen und damit ihre steuerliche Leistungsfähigkeit unmittelbar prägt.2615 2609 Vgl. wiederum Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 45; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 362; Schön, FS Beisse, S. 471, 488; dens., StuW 1988, 253, 257 f.; sehr kritisch zu diesem Ansatz Hallerbach, Personengesellschaft, S. 123. 2610 Vgl. zu diesem Fragenkreis auch Hallerbach, Personengesellschaft, S. 124 f. 2611 Vgl. auch Hennrichs, FR 2010, 721, 722 ff., 727 ff.; weitere Nachweise zu diesem Fragenkreis in Fn 2615. 2612 Hierauf wird sogleich zurückgekommen (unter VI.). 2613 Hennrichs, FR 2010, 721, 726 f. und 730 f. (oben auf S. 522 im Kleintext referiert); siehe auch dens., StuW 2002, 201, 211; Palm, JZ 2012, 297, 300; Rau, Prinzipien, S. 134 f.; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 169 f. 2614 Vgl. Bach, StuW 1991, 116, 127 f.; D. Schneider, DB 2004, 1517, 1518 f. (siehe aber 1520) sowie auch Flume, StbJb 1973/74, 53, 67 ff.; Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1306; Palm, JZ 2012, 297, 301 f.; weitere Nachweise bei Tipke, StRO II, S. 1195 f. Dieser Ansatz richtet sich in seiner Reinform schlechthin gegen die Legitimität einer Körperschaftsbesteuerung (Hennrichs, FR 2010, 721, 726). 2615 Im gleichen Sinne Hennrichs, FR 2010, 721, 726; vgl. auch Rau, Prinzipien, S. 124 ff. (mit S. 113 ff.); speziell zur Körperschaftsbesteuerung siehe Hennrichs, StuW 2002, 201, 205; R. Wendt, FS Friauf, S. 859, 868 ff.; vgl. auch die Begründungsansätze bei Hey, FS Herzig, S. 7, 10; ders., Harmonisierung, S. 253 f.; Jach-

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Im vorliegenden Zusammenhang ebenso wenig bedeutsam ist es auch, welchen Standpunkt man zu der Frage einnimmt, ob nach dem System des Einkommensteuerrechts (vgl. § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) die Gesellschafter selbst Subjekte der Einkommenserzielung sind und Unternehmereigenschaft innehaben2616 oder ob auch hier ausschließlich auf die Gesellschaft abgestellt werden kann.2617 Denn selbst wenn das Einkommensteuerrecht die Gesellschafter als die maßgebenden Akteure ansehen sollte, hätte dies für die Beurteilung der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Gewinnbesteuerung keinerlei Aussagekraft: Das einfache Recht ist insoweit Gegenstand, nicht Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung.2618 Der gewählte Leistungsfähigkeits­ indikator muss konsequent umgesetzt sein – was nicht durch einfachgesetzliche Fiktionen ersetzt werden kann.2619

V. Rechtslage bei Vollentnahmerecht Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten kaum Schwierigkeiten bereiten Situationen, in denen dem Gesellschafter für das jeweilige Geschäftsjahr2620 gesellschaftsrechtlich ein Entnahmerecht in voller Höhe des

mann, DStJG 23 (2000), 9, 17 f.; Tipke, StRO II, S. 1193 ff.; differenzierend Witt, Konzernbesteuerung, S. 464 ff. Wenn der Gesetzgeber sich folglich – aus guten Gründen – für eine Sofortbesteuerung der Gewinne von Personengesellschaften entscheidet, wäre ein unmittelbarer Zugriff bei der Gesellschaft ebenso wie bei den Körperschaften leistungsfähigkeitsgerecht, wobei sich mit Blick auf die Vorläufigkeit dieser Leistungsfähigkeitsmehrung (siehe oben bei Fn 2596) auch hier die Frage stellt, wie Ausschüttungen steuerlich angemessen berücksichtigt werden können; vgl. zu diesem Fragenkreis etwa Hennrichs, FR 2010, 721, 726; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 14; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 66 ff.; Lauterbach, Unternehmenssteuerrecht, S. 58 ff.; Rau, aaO, S. 176 ff.; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 158 ff. (161 f., 164 f.); zum klassischen Streit über die eigene Leistungsfähigkeit von Körperschaften siehe nur Birk, StuW 2000, 328, 333; Hey, aaO, S. 246 ff. (mit zahlreichen weiteren Nachweisen). 2616 Nachweise in Fn 2553 bis 2555. 2617 Nachweise in Fn 2557 bis 2560. 2618 Siehe auch Rau, Prinzipien, S. 124. 2619 Genau hierauf liefe die soeben referierte Auslegung des einfachen Rechts nämlich hinaus (zutreffend Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 295; Schön, StuW 1996, 275, 284). 2620 Das Geschäftsjahr (vgl. § 721 Abs. 2 BGB, §§ 120 – 122 HGB) deckt sich in aller Regel mit dem steuerlichen Wirtschaftsjahr (vgl. § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 1, Nr. 3 Satz 1 EStG). Etwaige Zeitdifferenzen wären angesichts ihrer Geringfügigkeit unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten vernachlässigbar (vgl. bereits oben bei und in Fn 2599 sowie im Folgenden).

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(Steuer-)Gewinns2621 zusteht. Zwar bleibt es auch hier dabei, dass sich der Gewinn als Anknüpfungspunkt der Besteuerung unmittelbar bei der Gesell­ schaft realisiert. Ferner korrespondiert der Zeitpunkt der Ent­ nahmeberechtigung2622 in aller Regel nicht mit dem der Entstehung der Einkommensteuer (§ 36 Abs. 1, § 25 Abs. 1 EStG), denn die er­ forderlichen innergesellschaftlichen Willensbildungsakte (Aufstellung des Jahresabschlusses, Bilanzfeststellung und gegebenenfalls Ergebnis­ verwendungsbeschluss)2623 erfolgen in aller Regel2624 erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums.2625 Auch kann das Entnahmerecht gesellschaftsvertraglich an gewisse Modalitäten, insbesondere die Einhaltung einer Kündigungsfrist, gebunden sein.2626 Derartige, lediglich einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum betreffende Gegebenheiten können unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten jedoch vernachlässigt werden, denn Gewinne, die sich als innerhalb verhältnismäßig kurzer Frist entnehmbar erweisen, lassen im Sinne der in § 5 herausgearbeiteten Definition2627 typischerweise auf die Fähigkeit schließen, Steuern aus vorhandenen Mitteln zu zahlen.2628 Entgegen 2621 Vgl. oben Fn 2503. 2622 Näher dazu etwa Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 7 f.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 46 f., § 122 Rn. 4 f., 16 f.; Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 6 ff.; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 945 ff. (auch zum Charakter als verhaltener Anspruch). Aus den im nachfolgenden Absatz genannten Gründen kommt es allein auf diesen Zeitpunkt an (zum Verhältnis des Entnahmerechts zum Auszahlungsanspruch bei den Personenhandelsgesellschaften näher Schwandtner, aaO, S. 9 ff.). 2623 Dazu im Einzelnen, auch zu den rechtlich zulässigen Zeitspannen, Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 11 ff. Umstritten ist, ob der Feststellungsbeschluss auf den gesamten Jahresabschluss zu beziehen ist oder eine Feststellung der Bilanz genügt (siehe einerseits Staub/C. Schäfer, aaO, Rn. 16 und andererseits Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 120 Rn. 59); zu der Möglichkeit, einen Ergebnisverwendungsbeschluss zu fassen, siehe bereits oben Fn 2501. 2624 Vgl. Fn 2620. 2625 Einschränkend anzumerken ist allerdings, dass auch die Einkommensteuerschuld häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig wird (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG sowie auch Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 12). Andererseits muss bedacht werden, dass es bereits während des laufenden Jahres zu Zahlungspflichten in Form von Einkommensteuer-Vorauszahlungen (§ 37 EStG) kommen kann. Auf die Frage, ob es deshalb angezeigt ist, bereits unterjährig ein Steuerentnahmerecht zu gewähren (vgl. schon oben S. 517), wird zurückzukommen sein (dazu unten D II 3.). 2626 Vgl. Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 120 Rn. 98; Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 71. 2627 Siehe oben S. 111 f. 2628 An dieser Stelle erscheint eine strikt zivilrechtliche Betrachtung folglich zu formalistisch. Der Gesetzgeber ist in der hier betrachteten Situation (Vollentnahme-

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Hennrichs2629 kommt es hierfür auch nicht auf den tatsächlichen Vollzug der Entnahme durch Auszahlung des entsprechenden Betrages oder zumindest seine Umbuchung auf ein Gesellschafterkonto mit Fremdkapitalcharakter2630 an.2631 Dies gilt ungeachtet des von ihm betonten Zusamrecht) m.E. unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten frei darin, den Gewinn bei der Gesellschaft oder bei den Gesellschaftern zu besteuern. Ein zivilrechtliches Ausgleichsbedürfnis kann im Einzelfall aber dann eintreten, wenn die erforderlichen Beschlüsse über längere Zeit blockiert werden (vgl. etwa den Fall BGH ZIP 2010, 1232); auch hierauf ist unter D. zurückzukommen. 2629 Hennrichs, FR 2010, 721, 724 f. und 726; gleichsinnig Rau, Prinzipien, S. 133 f., S. 214. 2630 Hennrichs, FR 2010, 721, 724 f. sieht den Gewinn auch bereits in der zuletzt genannten Situation (Umwandlung in Fremdkapital) als entnommen an; siehe auch Reiß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. E 138, 142, 144; Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 12, S. 46; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 635a (vgl. aber Rz. I 634, 637c, 638). Von der weit überwiegenden Auffassung wird hingegen nur in der Auszahlung selbst die relevante Entnahmehandlung erblickt und daher auch in Bezug auf Konten mit Fremdkapitalcharakter zwischen bloßer Entnahmefähigkeit und tatsächlicher Entnahme getrennt (siehe etwa Ehricke, in: Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 4 f., 9 (vgl. aber Rn. 24); Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 1 sowie § 120 Rn. 56 f., 70 f.; Huber, ZGR 1988, 1, 46 f., 72 ff. sowie die Entnahmedefinition bei Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 5; vgl. auch Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 122 Rn. 1, 5 f. sowie Schlegelberger/ Martens, HGB, § 122 Rn. 4 f., der jedoch nur in Bezug auf das Kapitalent­ nahmerecht nach § 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB überhaupt von „Entnahme“ spricht). Für die vorherrschende Begriffsverwendung spricht zwar neben dem Wortlaut des § 122 Abs. 1 HGB der Umstand, dass auch Fremdkapitalkonten Auszahlungsbeschränkungen (hiernach also: Entnahmebeschränkungen) unterliegen können (näher unten Fn 2635; siehe zu diesem Aspekt auch Fn 2631; zu dem daran anknüpfenden Streit über die inhaltliche Reichweite des Kapital­ entnahmerechts nach § 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB siehe etwa v. Gerkan/Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 122 Rn. 3). Ferner lässt sich für diese­Sichtweise eine ältere Rechtsprechung des BGH anführen, nach der eine haftungs­schädliche Einlagenrückgewähr nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB noch nicht mit Umbuchung auf ein Fremdkapitalkonto, sondern erst bei tatsächlichem Mittelabfluss eintreten soll (BGHZ 39, 319, 331; ebenso etwa Huber, aaO, S. 25). Diese Auffassung wird allerdings von Teilen des Schrifttums mit guten Gründen abgelehnt (siehe etwa K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, §§ 171, 172 Rn. 72) – was für das bei Hennrichs zum Ausdruck kommende Begriffs­ verständnis spricht. Für dieses Verständnis lässt sich auch das Regelungsgefüge der §§ 120 – 122 HGB (näher Schwandtner, aaO, S. 9; zu § 122 Abs. 2 HGB siehe auch Priester, aaO, Rn. 43 a.E.) sowie der Umstand anführen, dass ein Gewinn anerkanntermaßen schon dann als „bezogen“ im Sinne von § 169 Abs. 2 HGB gilt, wenn er auf ein Fremdkapitalkonto umgebucht wurde (siehe etwa Grunewald, in: MünchKomm.-HGB, § 169 Rn. 12; Hennrichs/Pöschke, in: HdJ III/1, Rz. 93). 2631 Vgl. auch Schön, StuW 1988, 253, 254 f. und 258 („zumindest die Entnahmefähigkeit“; „Entnehmbarkeit“). Über die im Haupttext formulierte Kritik hinaus

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menhangs, dass nicht rechtzeitig abgerufene Beträge gemäß § 122 HGB dauerhaft im Eigenkapital einer Personenhandelsgesellschaft verbleiben und daher gewissermaßen „eingemauert“ werden.2632 Denn wenn der Gesellschafter den Betrag überobligatorisch im Eigenkapital der Gesellschaft belässt, ist dies seiner freien Entscheidung geschuldet, die bei wertender Betrachtung als Einkommensverwendung angesehen werden kann.2633 Lediglich ergänzend sei zudem darauf hingewiesen, dass die nach dem gesetzlichen Regelstatut vorgesehene „Einmauerung“ von nicht rechtzeitig zur Entnahme geltend gemachten Gewinnen in den meisten Fällen im Gesellschaftsvertrag zugunsten einer abweichenden Entnahmeregelung abbedungen wird.2634

VI. Längerfristige Entnahmehindernisse Anders stellt sich die Rechtslage hingegen dann dar, wenn die Gewinnanteile nicht oder nicht vollständig entnommen werden können und

ist zu bedenken, dass auch Beträge auf Fremdkapitalkonten mit Ausschüttungsbeschränkungen belegt sein können (vgl. sogleich in Fn 2635), so dass mit der Umbuchung nicht in jedem Fall auch eine Steigerung aktueller Leistungsfähigkeit einhergeht. Insoweit ist der hier kritisierte Ansatz sogar zu weitgehend. 2632 Siehe im Einzelnen Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 29, 32; Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 10, 22; Hennrichs/Pöschke, in: HdJ III/1, Rz. 60; Huber, ZGR 1988, 1, 45, 52; zur streitigen Frage des maßgebenden Zeitpunkts näher Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 14 ff. Demgegenüber ist die Rechtslage bei der BGB-Gesellschaft bereits im Grundsätzlichen umstritten (siehe einerseits Priester, aaO, § 120 Rn. 10 und andererseits C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 721 Rn. 16); in Bezug auf den Kommanditisten vgl. Grunewald, in: MünchKomm.-HGB, § 169 Rn. 8; Schwandtner, aaO, S. 47 f., S. 57 ff. 2633 Vgl. auch Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 73, die diesen Gedanken jedoch zu Unrecht (dazu sogleich unter VI.) auch in Situationen für tragfähig erachtet, in denen Entnahmebeschränkungen von Bedeutung sind. Hallerbach, Personengesellschaft, S. 46 f., S. 48 geht in der im Haupttext beschriebenen Situation von einer „Umwandlung“ des nicht entnommenen Gewinnanteils in eine Einlage aus. Richtigerweise bleibt der Eigenkapitalcharakter (arg. § 120 Abs. 2 Halbs. 1, § 122 HGB) jedoch – mangels Entnahmeverlangen – einfach erhalten (vgl. Eh­ ricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 8; Hennrichs/Pöschke, in: HdJ III/1, Rz. 61). Mithin kann lediglich wertungsmäßig von einer „Einlage“ gesprochen werden (in diesem Sinne wohl Huber, ZGR 1988, 1, 102). 2634 Bei den in der Praxis regelmäßig anzutreffenden Drei- oder Mehrkontenmodellen werden die entnehmbaren Gewinnanteile zumeist auf Forderungskonten verbucht und damit in einen unentziehbaren Anspruch umgewandelt (näher Huber, ZGR 1988, 1, 73 ff., 86 ff.; siehe auch etwa Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 56, 70, § 122 Rn. 28; zur Kontenqualifikation näher Hennrichs/Pöschke, HdJ III/1, Rz. 72).

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hiervon nicht nur ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum betroffen ist.2635 In derartigen Situationen liegt es vor dem Hintergrund der bisherigen Feststellungen nahe, die Sofortbesteuerung bei den Gesellschaftern in entsprechender Höhe als leistungsfähigkeitswidrig anzusehen, denn die Gewinne befinden sich im Gesellschaftsvermögen, das zivilrechtlich gegenüber den Gesellschaftervermögen abgeschottet ist.2636 Gegen diese Sichtweise werden allerdings weitere, über die unter IV. bereits abgehandelten Bedenken hinausgehende Einwände formuliert, deren Stichhaltigkeit im Folgenden geprüft wird. Zunächst könnte mit Blick auf § 122 Abs. 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 HGB, § 721 Abs. 2 BGB angeführt werden, dass das Gesetz vom Grundsatz der Vollausschüttung2637 ausgeht,2638 der über die Besteuerung bei den Gesellschaftern lediglich typisierend nachvollzogen wird.2639 Eine derartige Sichtweise überzeugt allerdings aus drei Gründen nicht.2640 Ers­ 2635 Zu möglichen Ursachen näher sogleich. Wenn im Folgenden von „Entnahmebeschränkungen“ bzw. „Thesaurierung“ die Rede ist, so beziehen sich die entsprechenden Ausführungen nicht nur auf Eigenkapitalkonten, sondern auch auf den Fall, dass der Gewinnanteil zwar in Fremdkapital umgewandelt wurde, jedoch ausnahmsweise Ausschüttungssperren eingreifen, die – anders als die unter V. in den Blick genommenen Sachverhalte – nicht nur vernachlässigbar kurze Zeiträume betreffen; zu § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB vgl. Ulmer, FS Lutter, S. 935, 947 f.; zum Kommanditisten vgl. Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 169 Rn. 14; zu entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen näher Huber, ZGR 1988, 1, 81 f., der auch dann noch vom Fremdkapitalcharakter des entsprechenden Kontos ausgeht, wenn die eingestellten Beträge erst bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses beansprucht werden können; so ders., GS Knobbe-Keuk, S. 203, 205 f.; insoweit a.A. Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 120 Rn. 98; Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 71. 2636 Siehe erneut Hennrichs, FR 2010, 721, 723 ff.; dens., StuW 2002, 201, 208; Rau, Prinzipien, S. 128 ff. sowie im Ausgangspunkt auch Schön, StuW 1988, 253, 254 ff. 2637 Diese Begriffsverwendung herrscht vor (vgl. die Nachweise in Fn 2638); abweichend Binz/Sorg, DB 1996, 969, 970 („Entnahme“); siehe zur Terminologie und damit zusammenhängenden inhaltlichen Fragen schon oben Fn 2630. 2638 Siehe dazu BGHZ 132, 253, 276; C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 721 Rn. 13; Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 26; v. Gerkan/Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 122 Rn. 7; Hennrichs, WPg 2009, 1066, 1070; Hennrichs/Pöschke, in: HdJ III/1, Rz. 80; Huber, GS Knobbe-Keuk, S. 203, 207; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 632c f.; zu den historischen Hintergründen näher Schön, FS Beisse, S. 471, 474 f. 2639 In diesem Sinne Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 73 und S. 77; Reiß, DStJG 17 (1994), 3, 18. 2640 Vgl. auch die vergleichende Betrachtung mit der Rechtslage bei den Kapitalgesellschaften bei Rau, Prinzipien, S. 130 ff. sowie bereits Hennrichs, StuW 2002, 201, 208 f.

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tens können Entnahmehindernisse bzw. -beschränkungen auch nach dem gesetzlichen Regelungsmodell Bedeutung erlangen,2641 was nicht leichter Hand hinwegtypisiert werden kann.2642 Sieht man von den Besonderheiten ab, die für den Kommanditisten gelten,2643 werden im Wesentlichen Fälle erfasst, in denen die finanziellen Grundlagen gefährdet sind, die zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks benötigt werden.2644 Darüber hinaus kann der – praktisch wichtigere – Fall eintreten, dass das Besteuerungsergebnis den gesellschaftsrechtlich maßgebenden, potentiell ausschüttungsfähigen Gewinn übersteigt.2645 Vor allem wird, zweitens, in den Gesellschaftsverträgen in aller Regel vom Gesetzesrecht abgewichen, weil die daraus folgende, tendenziell weit reichende Entnahmebefugnis2646 den in der Praxis vorzufindenden Selbstfinanzierungsbedürfnissen nicht gerecht wird.2647 Es findet sich daher in den meisten Verträgen eine Thesaurierungsregelung,2648 wobei 2641 Dieses Regelungsmodell sieht zwar keine Rücklagenbildung vor (siehe etwa Priester, FS Quack, S. 373, 389; H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 662 sowie die Nachweise in Fn 2638). Jedoch können Entnahmebeschränkungen für den Kommanditisten aus § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB sowie für alle Personengesellschafter aus einer direkten oder analogen Anwendung von § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB bzw. der Treuepflicht herrühren (zur Verhältnisbestimmung vgl. oben Fn 2499 und 2500). 2642 Im gleichen Sinne Rau, Prinzipien, S. 131 ff. 2643 Auf sie wird unter D. (S. 558) zurückgekommen. 2644 Näher Schön, ZHR 168 (2004), 268, 278 f.; ders., in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 36 f.; im gleichen Sinne Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, § 120 Rn. 41 ff.; Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 33, 37; weitergehend wohl BGHZ 132, 263, 276; näher zum Streitstand Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 20 f. (vgl. auch oben Fn 2500). Eine Entnahmebeschränkung nach § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB führt zu einer dilatorischen Einrede gegen den Gewinnanspruch (siehe Priester, aaO, Rn. 33; Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 17 sowie auch oben Fn 2635). 2645 Näher dazu oben bei und in Fn 2503, wo auch beispielhaft auf den Sachverhalt der Entscheidung BGHZ 132, 263 sowie auf weitere Einzelheiten hingewiesen wurde, auf die unter D. zurückzukommen ist. 2646 Vgl. den vorstehenden Absatz. 2647 Vgl. Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 48, 52; Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 2; Barz, FS Knur, S. 25, 25 ff.; Priester, FS Quack, S. 373, 389 f.; H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 658. Die betriebswirtschaftliche Sicht der Dinge fällt allerdings differenzierter aus; näher dazu Schön, in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 33 ff. unter Hinweis insbesondere auf Moxter, JZ 1996, 860, 861 und Rückle, FS Beisse, S. 433, 445 ff., die ablehnend zu den in der Entscheidung BGHZ 132, 263, 276 zum Ausdruck kommenden Vorstellungen (vgl. dazu auch Fn 2644 und 2650) Stellung beziehen; siehe aus finanztheoretischer Sicht auch Haar, NZG 2007, 601, 605. 2648 Siehe etwa Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 49 („Schwerpunkt der kautelarjuristischen Vertragsgestaltung“); Barz, FS Knur, S. 25, 26 („wirtschaftli-

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mannigfaltige Ausgestaltungsmöglichkeiten bestehen.2649 Häufig ist eine Bildung offener Rücklagen durch Ergebnisverwendungsbeschluss vereinbart.2650 Der Gesellschaftsvertrag kann auch vorsehen, bestimmte Teile des Gewinns ohne gesonderte Beschlussfassung in eine Rücklage einzustellen.2651 Gebräuchlich sind ferner Klauseln, die sich auf den entnahmefähigen Gewinnanteil beziehen und die nach den allgemeinen Grundsätzen eingreifenden Entnahmebeschränkungen2652 erweitern.2653 Den so skizzierten kautelarjuristischen Regelfall kann eine auf das Leis­ tungsfähigkeitsprinzip ausgerichtete Besteuerung nicht übergehen, denn die vorhandenen zivilrechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen sind Gradmesser steuerlicher Leistungsfähigkeit.2654 Deshalb lässt sich auch nicht argumentieren, die Gesellschafter hätten sich bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages selbst der jeweiligen Thesaurierungsregelung unterworfen.2655 Vielmehr ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den steuerliche Leistungsfähigkeit prägenden Gehalt vertraglicher Regelungen sachgerecht in den Besteuerungstatbeständen abzubilden. cher Kernpunkt jeden Gesellschaftsvertrages“); Huber, ZGR 1988, 1, 46 („durchweg“); Schön, FS Beisse, S. 471, 482 a.E. („Kernbestand eines fachgerechten Gesellschaftsvertrags“). 2649 Vgl. nur die bei Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 50 ff. nachgewiesenen Gestaltungsmodelle. 2650 Siehe die Nachweise in Fn 2501; zur Frage gemeinschaftlicher oder getrennter Rücklagenkonten ausführlich Huber, ZGR 1988, 1, 89 ff. Auch ohne vertragliche Grundlage können die Gesellschafter ad hoc über die Bildung von Rücklagen beschließen, was dann aber regelmäßig einstimmig erfolgen muss (siehe im Einzelnen Hennrichs, WPg 2009, 1066, 1070 f.). Eine Pflicht zur Zustimmung kommt – anders als in BGHZ 132, 263, 276 angedeutet – nur ausnahmsweise in Betracht; näher Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 41, 44; Huber, GS Knobbe-Keuk, S. 203, 207 f. Fn 16; Schön, FS Beisse, S. 471, 483; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 944 f.; weitergehend Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 120 Rn. 5; Priester, FS Quack, S. 373, 391 ff. (393). 2651 Siehe etwa Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 52; Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 42. 2652 Siehe oben bei und in Fn 2641. 2653 Dazu bereits oben Fn 2635, auch zur Abgrenzung zu den unter V. in Bezug genommenen Situationen. 2654 Vgl. wiederum Schön, StuW 2005, 247, 249 ff. sowie für den vorliegenden Zusammenhang insbesondere Hennrichs, StuW 2002, 201, 208. Eine am praktischen Regelfall vorbeigehende Typisierung ist ohnehin unzulässig; siehe nur BVerfGE 122, 210, 232 f. 2655 Vgl. demgegenüber Drüen, GmbHR 2008, 393, 398 f.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 73 („Einkommensverwendung“); gegen diesen Ansatz, der – wie Schön, StuW 1988, 253, 256 f. nachgewiesen hat – bis zur Jahrhundertwende zurückreichende Wurzeln hat, auch Hennrichs, StuW 2002, 201, 208; Rau, Prinzipien, S. 132 f. (im Anschluss an Schön, aaO).

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Drittens handelt es sich bei der transparenten Besteuerung auch gar nicht um ein Strukturprinzip, das der typisierenden Abbildung von Entnahmerechten dienen soll.2656 Vielmehr wird sie auf die unterschiedlichsten Gesellschafts- und Gemeinschaftsverhältnisse bezogen,2657 ohne dass für Zwecke der Besteuerung Rücksicht darauf genommen würde, ob und inwieweit jeweils Entnahmemöglichkeiten bestehen. In Bezug auf die Personengesellschaften lässt sich die Argumentation sogar umdrehen: Die Legitimation des nach dem Gesetz bestehenden Vollausschüttungsgrundsatzes wird hier u.a. darauf gestützt, dass die Gesellschafter die Steuerlast für die Gesellschaftsgewinne zu tragen haben.2658 Gegen eine Leistungsfähigkeitswidrigkeit der transparenten Besteuerung könnte ferner eingewendet werden, dass Personengesellschaften (im Gegensatz zu Körperschaften) auch nach dem zivilrechtlichen Befund typischerweise auf die Personen der konkreten Gesellschafter bezogen sind und durch diese konstituiert werden.2659 So wird im Zusammenhang mit der Legitimation der transparenten Sofortbesteuerung der Gesellschaftsgewinne argumentiert, dass es die Gesellschafter seien, die gemeinschaftlich am Markt teilnehmen.2660 Sie hätten es selbst in der Hand, über die Verwendung der Gesellschaftsgewinne zu disponieren.2661 Die Unternehmung werde auf ihre Rechnung und Gefahr geführt.2662 Aufgrund seines 2656 Siehe zu den vertretenen Legitimationsansätzen (Gleichstellung von Einzel- und Mitunternehmer; Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung) wiederum Hallerbach, Personengesellschaft, S. 120 ff. sowie die Darstellung unter IV. und im Folgenden. Der hier in Rede stehende Typisierungsaspekt spielt innerhalb dieser Diskussion ersichtlich keine Rolle. 2657 Ein Überblick über den von der herrschenden Meinung für zutreffend erachteten Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG findet sich etwa bei Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 173 ff.; vgl. auch Fn 2497. 2658 Vgl. Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 1. 2659 In diesem Sinne etwa Hallerbach, Personengesellschaft, S. 99 („Personalisierung“); Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 76 („personalistische Strukturkomponente“); siehe auch die Nachweise im Folgenden. Dieser Gedanke dürfte auch hinter den Ausführungen in BVerfGE 116, 164, 198 ff. stehen. 2660 Vgl. Reiß, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 15 Rn. 162 f.; P. Fischer, FS Beisse, S. 189, 191 und 197; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 18 Rz. 12 a.E.; Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 85 ff. („gemeinschaftliche Tatbestandsverwirklichung“). 2661 Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 139. 2662 BFH BStBl. II 2010, 751, 754; BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 621; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 74; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 390; Schön, StuW 1996, 275, 286 f. Häufig wird in dieser Hinsicht eine Verbindungslinie zum Mitunternehmerbegriff der herrschenden Meinung gezogen (vgl. BFH aaO sowie auch Reiß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. A 10, 13; P. Fischer, FS Beisse, 189, 196 ff.). Richtigerweise weist das Merkmal „auf Rechnung und Gefahr“ jedoch nur auf den Aspekt des Mitunternehmerrisikos

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Einverständnisses mit der Gemeinschaftsordnung (Gesellschaftsvertrag) und seiner Unterwerfung unter das Mehrheitsprinzip disponiere der Gesellschafter über die Erbringung von Leistungen durch die Gesellschaft und müsse sich die Tatbestandsverwirklichung daher im Wege des Durchgriffs zurechnen lassen.2663 Derartige Überlegungen stehen im Kern auch hinter der nach wie vor verbreiteten Gleichstellungsthese,2664 die heute vielfach so verstanden wird, dass die Gesellschafter einem Einzelunternehmer insoweit gleichzustellen seien, als die Vorschriften des Gesellschaftsrechts nicht entgegenstehen.2665 Selbst wenn man dem Gleichstellungsgedanken im Grundsätzlichen folgen wollte – was überaus zweifelhaft erscheint2666 –, so wäre es im vorliegenden Kontext (Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung im Falle von Entnahmebeschränkungen) jedoch gerade die gesellschaftsrechtliche Ausgangslage, die sowohl einer Gleichsetzung von Gesellschaft und Gesellschaftern als auch der hierdurch bewirkten Gleichbehandlung von Einzelunternehmer und Gesellschafter entgegenhin (Knobbe-Keuk, StuW 1986, 106, 113 f.); das Erfordernis einer Mitunternehmerinitiative ablehnend auch Schön, aaO, S. 286; Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 223 ff. 2663 So Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 97; siehe auch BFH GrS BStBl. II 1995, 617, 622 a.E.; Bodden, DStZ 2002, 391, 398 f.; P. Fischer, FS Beisse, S. 189, 196; Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 93 f.; Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 225 a.E. 2664 Diese Verknüpfung mit der Gleichstellungsthese wird beispielhaft in dem Urteil BFH BStBl. II 2010, 751, 754 hergestellt: Die Gesellschafter seien in Bezug auf die Unternehmereigenschaft dem Einzelunternehmer gleichrangig. Der Mitunternehmer unterscheide sich vom Einzelunternehmer nur dadurch, dass er seine unternehmerische Tätigkeit nicht allein, sondern zusammen mit anderen aus­ übe; ebenso BFH BStBl. II 2012, 207, 208; im gleichen Sinne Pinkernell, Ein­ künftezurechnung, S. 118 ff.; vgl. auch Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 220. 2665 BFH BStBl. II 2005, 173, 176; BFH BStBl. II 2001, 26, 27; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 161; im gleichen Sinne Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Anm. 81; Kempermann, GmbHR 2002, 200, 202 f.; weitergehend wohl P.  Fischer, FS Beisse, S. 189, 191, 196; reservierter BFH GrS BStBl. II 1991, 691, 698; für sonderbetriebsbezogene Anwendung Schön, Gewinnübertragungen, S. 93 ff. 2666 Zum engen Zusammenhang zwischen der Gleichstellungsthese und der überkommenen Bilanzbündeltheorie siehe etwa Crezelius, JZ 1991, 546, 549; Hallerbach, Personengesellschaft, S. 121; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 362 f.; sie ablehnend auch Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 91; Lang, FS L. Schmidt, S. 291, 297 a.E.; Kruse, DStJG 2 (1979), 37, 40; Loritz, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 31, 46; Prinz, FR 2010, 736, 741 ff.; Rau, Prinzipien, S. 217 ff.; Reiß, Stbg 1999, 356, 367; Schön, StuW 1996, 275, 284; ders., DStR 1991, 185, 190 ff.

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steht. Denn die Vermögenstrennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern und die damit verbundene fehlende unmittelbare Zugriffsberechtigung der Gesellschafter auf die Gesellschaftsgewinne stellen nun einmal zivilrechtliche Tatsachen dar, die aus den bereits genannten Gründen auch steuerlich nicht negiert werden dürfen.2667 Die Lage beim Einzelunternehmer ist in dieser Hinsicht hingegen völlig anders, denn er kann jederzeit unbeschränkten Zugriff auf sein Vermögen nehmen.2668 Zwar ist es den Gesellschaftern einer Personengesellschaft möglich, die vorhandene Entnahmeregelung einvernehmlich abzuändern.2669 Für die rechtliche Bewertung ist das aber aus zwei Gründen nicht von entscheidender Bedeutung: Erstens können ökonomische Gründe eine derartige Korrektur unsinnig erscheinen lassen oder sie in Grenzfällen gar unmöglich machen.2670 Dann kann keine Rede von einer validen Zugriffsmöglichkeit sein.2671 Zweitens kann nicht davon ausgegangen werden, dass typischerweise ein Interessengleichlauf unter den Gesellschaftern besteht, diese also gleichsam einen monolithischen Block bilden, auf den für Zwecke der Besteuerung prinzipiell gleiche Grundsätze angewendet werden könnten wie auf den Einzelunternehmer. Dass dieses Bild schief ist, lehrt die Vielzahl innergesellschaftlicher Streitigkeiten, die in der Gerichtspraxis ständig anzutreffen ist.2672 Speziell in Bezug auf den vor2667 Vgl. erneut Hallerbach, Personengesellschaft, S. 118 ff.; Hennrichs, FR 2010, 721, 722 ff.; dens., StuW 2002, 201, 208; Rau, Prinzipien, S. 128 ff. und auch S. 215 ff. sowie bereits Schön, StuW 1996, 275, 283 f., der die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung aber letztlich bejaht. 2668 Siehe auch Crezelius, JZ 1991, 546, 549; Hallerbach, Personengesellschaft, S. 121 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 361 f.; dies., DB 1990, 905, 907; Kruse, DStJG 2 (1979), 37, 40; Schön, DStR 1993, 185, 191 f. sowie Hennrichs, FR 2010, 721, 725, der zu Recht auf die besondere Fragwürdigkeit der Gleichstellungsthese in Bezug auf Kommanditisten, insbesondere von Publikumsgesellschaften, hinweist; nicht überzeugend demgegenüber Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 125. 2669 Das betont Reiß, DStJG 17 (1994), 3, 18. 2670 Vgl. oben S. 533 f. 2671 Das besonders in früherer Zeit vorgebrachte Argument, die Gesellschafter dürften es nicht in der Hand haben, die Versteuerung des erzielten Gewinns zu manipulieren (dazu Schön, StuW 1988, 253, 257 f.; siehe aus jüngerer Zeit Reiß, DStJG 17 (1994), 3, 18 a.E.), greift schon deshalb nicht durch, weil es dem Gesetzgeber unbenommen ist, die Gewinne auf Gesellschaftsebene zu besteuern. 2672 Treffend Hennrichs, StuW 2002, 201, 209 („Endet die Einigkeit, wird sogleich ersichtlich und für den Einzelnen vielleicht gelegentlich empfindlich spürbar, dass die unmittelbare Alleinberechtigung als Einzelunternehmer und die ge­ sellschaftsrechtlich vermittelte Mitberechtigung als Gesellschafter zweierlei sind“) und 211; siehe auch Kruse, DStJG 2 (1979), 37, 40; Rau, Prinzipien, S. 124 ff.

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liegenden Kontext sei nur darauf hingewiesen, dass nach dem Mehrheitsprinzip zustande gekommene Entnahmebeschränkungen zu einer Aushungerung von Minderheitsgesellschaftern führen können.2673 Festzuhalten bleibt daher, dass die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der Sofortbesteuerung der Gesellschaftsgewinne auf Gesellschafterebene weder über die Gleichstellungsthese noch unter Hinweis auf die tendenziell engen Bindungen unter den Gesellschaftern begründet werden kann, wenn die entsprechenden Gewinnanteile nicht zeitnah entnehmbar sind. Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten muss in diesem Fall vielmehr eine Trennlinie zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern gezogen werden.2674 Auch insoweit2675 gilt: Die typischerweise bestehende Gesellschafterbezogenheit der Personengesellschaft ist zwar geeignet, die erforderliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu erleichtern, kann die Leistungsfähigkeitskonformität der transparenten Besteuerung aber nicht selbst begründen.

VII. Ergebnis und Folgerungen Die transparente Sofortbesteuerung der Gesellschaftsgewinne erweist sich nach alledem als absolut leistungsfähigkeitswidrig, soweit es im jeweiligen Fall an einem relativ kurzfristig effektuierbaren Entnahmerecht in Höhe des vollen Steuergewinns fehlt.2676 Da die Ausgestaltung der Mitunternehmerbesteuerung lediglich auf einer einfachgesetzlichen Sys­ tementscheidung beruht, die keinen übergreifenden Gerechtigkeitsanliegen geschuldet ist und daher durch eine andere Form der Besteuerung ersetzt werden könnte,2677 ist sie auch nicht aus sich heraus geeignet, die

2673 Siehe nur Ernst, BB 1961, 377, 379 a.E.; Schön, in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 31, 38 f. 2674 Siehe auch bereits Hennrichs, FR 2010, 721, 722 ff.; dens., StuW 2002, 201, 208 f.; Rau, Prinzipien, S. 128 ff., S. 211 ff. Diese Autoren nehmen allerdings – anders als hier – eine Leistungsfähigkeitssteigerung bei dem jeweiligen Gesellschafter nur dann an, wenn es tatsächlich zu einer (Voll-)Entnahme des Gewinn­ anteils gekommen ist; bloße Entnahmefähigkeit reiche hingegen nicht aus (Einzelnachweise oben V.). 2675 Vgl. zu weiteren Aspekten schon oben bei Fn 2608. 2676 Auf Besonderheiten, die dort zu berücksichtigen sind, wo Verluste eine Rolle spielen, wird unter D II 2. zurückgekommen. 2677 Insbesondere könnten die Gesellschaftsgewinne im Einklang mit den aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgenden Vorgaben auf Gesellschaftsebene besteuert werden (vgl. oben S. 527). Auch hat sich die Gleichstellungsthese als nicht hinreichend tragfähig erwiesen (siehe oben VI.).

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erforderliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu begründen.2678 Andererseits ist die Rechtfertigungsschwelle in diesem Bereich verhältnismäßig niedrig, denn die an der Steuerlastverschiebung Beteiligten (Gesellschaft und Gesellschafter) sind eng miteinander verbunden, die Gesellschafter bestimmen in ihrer Gesamtheit die Geschicke der Gesellschaft und bei Betrachtung der Totalperiode kommen ihnen die Gesellschaftsergebnisse spätestens bei der Liquidation unmittelbar zugute.2679 Ohne einen zivilrechtlichen Ausgleich würde allerdings ein leistungs­ fähigkeitswidriger Zustand über eine potentiell lange Zeitdauer ent­ schädigungslos perpetuiert, ohne dass eine (verfassungsgeleitete) steuerrechtliche Wertung ersichtlich ist, die gegen eine Kompensation auf zivilrechtlicher Grundlage spricht.2680 Ein interner Steuerausgleich ist mithin zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung erforderlich, mit Blick auf die engen Verbindungslinien zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern aber auch ausreichend. Das Steuerentnahmerecht dient hier folglich dazu, einen verfassungskonformen Gesamtzustand herzustellen.2681 Es handelt sich vorliegend daher in der Tat um einen Anwendungsfall der in § 7 beschriebenen Situation der Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich.2682 Das Ausgleichsbedürfnis resultiert nämlich daraus, dass das Steuerrecht punktuell vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweicht, ohne hierdurch wenigstens gleichwertige Gerechtigkeitsanliegen zu verfolgen. Aus diesen Zusammenhängen folgt zugleich, dass das Zivilrecht in diesem Bereich im Wesentlichen dienende Funktion hat: Da die transparente Besteuerung nur dann als gerechtfertigt angesehen werden kann, wenn mit ihr ein Steuerentnahmerecht einhergeht, kommt eine verfassungskonforme Auslegung der potentiell einschlägigen zivilrechtlichen Rechtsgrundlagen in Betracht, so dass sich die aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip resultierenden Vorgaben zugunsten dieses Entnahmerechts nicht nur in Fallgruppe 1, sondern auch in Fallgruppe 2 gegen potentiell entgegenstehende zivilrechtliche Wertungen durchsetzen könnten.2683 2678 Erforderlich wären Gerechtigkeitswertungen, denen im Rahmen einer Abwägung in der jeweiligen Konstellation Vorrang eingeräumt werden kann (näher oben § 5). 2679 Siehe im Einzelnen oben IV. und VI. 2680 Vgl. zu den Hintergründen oben § 7 D. 2681 A.A. Rau, Prinzipien, S. 215: Ein Steuerentnahmerecht könne lediglich zu einer Reduktion der Anforderungen an die Rechtfertigung führen. 2682 Dazu oben § 7 D II 1. 2683 Zu den methodischen Hintergründen siehe wiederum oben § 7 D., insbesondere unter III., sowie die dort in Bezug genommenen Verweise auf die übrigen Teile dieser Untersuchung.

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Einschränkend hinzuweisen ist allerdings auf den ebenfalls in § 7 herausgearbeiteten Vorrang vertraglicher Regelungen, mittels derer die betei­ ligten Privaten über ein an sich bestehendes bzw. ableitbares Steuer­ entnahmerecht disponieren: In einem solchen Fall der vertraglichen Überlagerung hat es mit der privatautonom geschaffenen Regelung sein Bewenden, da ein Konflikt namentlich mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu befürchten ist.2684 Auf die hieraus resultierenden Folgerungen für die Zivilrechtsanwendung wird im folgenden Abschnitt zurückgekommen. Ferner sei klarstellend hervorgehoben, dass die Existenz eines Steuerentnahmerechts nichts an der Leistungsfähigkeitswidrigkeit der Besteuerung thesaurierter Gewinne bei den Gesellschaftern ändern kann. Vielmehr­wird hierdurch lediglich die maßstabswidrige Steuerlastverschiebung kompensiert, ohne am bestehenden Anknüpfungspunkt der Besteuerung etwas zu ändern.2685 Leistungsfähigkeitsgerecht ist die transparente Besteuerung folglich nur dort, wo ein volles Gewinnentnahmerecht besteht. Für die auf S. 516 aufgeworfene Frage nach der inhaltlichen Reichweite eines Steuerentnahmerechts folgt hieraus, dass es auf diejenigen Teile des Steuergewinns zu beziehen ist, die gesellschaftsrechtlich nicht entnommen werden können, denn insoweit ist eine Lage entstanden, die nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip übereinstimmt.2686

D. Zivilrechtlicher Steuerausgleich I. Ausgangspunkt Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass ein Steuerentnahmerecht in Ermangelung abweichender Abreden von Verfassungs wegen grundsätzlich2687 dort geboten ist, wo Gesellschaftsgewinne längerfristigen Zugriffsbeschränkungen unterliegen. Die in die entgegengesetzte Richtung weisenden Ausführungen des II. Zivilsenats des Bundesge2684 Dazu ausführlich oben § 7 D III 4., S. 219 ff. 2685 Siehe im allgemeineren Kontext bereits oben § 7 D II 1. a.E. (mit weiteren Gesichtspunkten); siehe auch Rau, Prinzipien, S. 215, der allerdings anscheinend – weitergehend als hier – im Ergebnis zur Verfassungswidrigkeit der transparenten Besteuerung gelangt (vgl. S. 220 f.); aus den genannten Gründen nicht überzeugend Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 45 (vgl. auch Pinkernell, Einkünftezurechnung, S. 125), soweit er die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit der transparenten Besteuerung auf das Bestehen eines Steuerentnahmerechts stützt. 2686 Vgl. auch Schön, FS Beisse, S. 471, 487 f. 2687 Die Einzelheiten werden in diesem Abschnitt untersucht.

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richtshofs in dem Urteil BGHZ 132, 2632688 greifen hingegen nicht durch. Das Argument des Gerichts, das Gesetz kenne kein Steuerentnahmerecht neben dem Anspruch aus § 122 HGB, überzeugt im Kontext der zugehörigen Entscheidungsgründe schon deshalb nicht, weil diese sich u.a. auf die Bildung offener Rücklagen beziehen,2689 die im Gesetz ebenfalls nicht vorgesehen sind.2690 In derartigen Situationen muss vielmehr die gesellschaftsrechtliche Grundlage der Rücklagenbildung daraufhin untersucht werden, ob auch die Entnahme des zur Steuerzahlung erforderlichen Betrages ausgeschlossen sein soll.2691 Wird im Gesellschaftsvertrag hingegen nicht von den gesetzlichen Vorschriften (§ 721 Abs. 2 BGB bzw. §§ 120 ff., 167 ff. HGB) abgewichen, so überzeugt der Hinweis des Gerichts auf die fehlende gesetzliche Verankerung eines Steuerentnahmerechts noch weniger, denn das Gesetz geht – wie das Gericht auch selbst feststellt2692 – vom Grundsatz der Vollausschüttung aus.2693 Eine besondere Regelung über die Steuerfolgen musste aus der Sicht des historischen Gesetzgebers zudem deshalb fernliegend erscheinen, weil die um die Jahrhundertwende eingreifende Steuerbelastung vernachlässigbar gering war.2694 Steht § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB bzw. die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht2695 der Entnahme des Gewinns ausnahmsweise entgegen, so muss vielmehr gefragt werden, wie weit die einschlägige Beschränkung inhaltlich reicht, d.h. ob sie auch den zur Steuerzahlung erforderlichen Betrag erfasst.2696 Bei sonstigen Entnahmehindernissen,2697 zu denen namentlich die im Fall des BGH 2688 BGHZ 132, 263, 277: Steuerentnahmerecht grundsätzlich nur kraft besonderer gesellschaftsvertraglicher Regelung; siehe bereits oben B. 2689 Vgl. BGHZ 132, 263, 275 ff. 2690 Siehe oben Fn 2641. Hinzu kommt, dass die Frage des Steuerentnahmerechts in dem konkret vom BGH bewerteten Gesellschaftsvertrag abschließend geregelt war (Binz/Sorg, DB 1996, 969, 971), so dass es der entsprechenden Erwägungen des Gerichts gar nicht bedurft hätte (siehe bereits oben Fn 2684 sowie im Folgenden). 2691 Dazu näher unten III. 2692 BGHZ 132, 263, 276. 2693 Siehe im Einzelnen die Nachweise in Fn 2638; aus diesem Grund kritisch zu der Begründung des Gerichts auch Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 31; Binz/Sorg, DB 1996, 969, 972; den Standpunkt des BGH ablehnend auch die in Fn 2532 nachgewiesenen Autoren; die Argumentation des Gerichts verteidigend hingegen (nicht überzeugend) Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 55. 2694 Siehe dazu nur Ernst, BB 1961, 377, 377; Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 39 f. 2695 Vgl. zur Verhältnisbestimmung oben Fn 2499 und 2500. 2696 Dazu sogleich unter II 1 b). 2697 Vgl. zu ihnen bereits oben S. 532 f.

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vorliegende Konstellation zählt, dass das Steuerergebnis den für Ausschüttungszwecke maßgebenden Gewinn übersteigt,2698 bedarf es ebenfalls einer genaueren Analyse der jeweiligen rechtlichen Situation, um zu ermitteln, wann ein Steuerentnahmerecht besteht, welchen Inhalt es hat und wie es rechtstechnisch umzusetzen ist.2699 Im Folgenden (unter II.) wird zunächst auf Fälle eingegangen, in denen im Gesellschaftsvertrag nicht von den Entnahmevorschriften des Gesetzes abgewichen worden ist. Anschließend (unter III.) werden Situationen analysiert, in denen besondere Thesaurierungsregelungen bestehen, insbesondere offene Rücklagen gebildet werden. Klargestellt sei abermals, dass die nachfolgenden Ausführungen nur dann von Bedeutung sind, wenn der Gesellschaftsvertrag für die jeweils betroffene Situation keine spezielle Regelung in Bezug auf die Entnahme der entsprechenden Steuerbeträge bereitstellt. Besteht eine solche Regelung hingegen und sind die Grenzen privatautonomer Gestaltung eingehalten,2700 so ist sie maßgebend, ohne dass das Leistungsfähigkeitsprinzip abweichende Folgerungen tragen könnte.2701

II. Rechtslage bei fehlender Abweichung vom Gesetzesrecht 1. Ausschließlich positive Einkünfte a) Ausgangspunkt Zunächst soll auf Fälle eingegangen werden, in denen die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften dazu führt, dass eine Entnahme in Höhe des vollen Steuergewinns nicht zulässig ist. Dabei wird hier (unter 1.) vorausgesetzt, dass sich die Frage nach einer Verrechnung von Verlusten in der jeweiligen Situation nicht stellt, denn andernfalls müssen weitergehende Überlegungen angestellt werden – was im Anschluss (unter 2.) geschehen soll. 2698 Im konkret entschiedenen Fall stand einem Steuerergebnis in Höhe von rund 17 Mio. DM sogar ein handelsrechtlicher Verlust von 1,2 Mio. DM gegenüber, der im Wesentlichen auf Abschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB a.F. beruhte (siehe die bei Binz/Sorg, DB 1996, 969, 969 mitgeteilten Sachverhaltsdetails). Nicht zuletzt auf Fälle dieser Art dürften sich die – allerdings auch insoweit nicht überzeugenden (dazu im Folgenden) – Ausführungen des Gerichts zum Steuerentnahmerecht bezogen haben (vgl. wiederum BGHZ 132, 263, 275 ff. sowie dazu Binz/ Sorg, aaO, S. 972); siehe aber Fn 2690. 2699 Dazu ebenfalls unter II. 2700 Siehe zu den vorgeschlagenen Steuerklauseln die Nachweise in Fn 2505. 2701 Näher oben § 7 D III 4., S. 219 ff., sowie S. 540.

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Anknüpfend an die Ausführungen unter C VII. bezieht sich das Steuerentnahmerecht auf denjenigen Teil der Steuerlast, der auf den thesaurierten Gewinn entfällt. Dazu ist zunächst die Differenz zwischen dem Gewinnanteil nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG und dem Umfang des konkret vorhandenen gesellschaftsrechtlichen Entnahmerechts zu ermitteln.2702 Mit einzubeziehen ist ein etwaiges Kapitalentnahmerecht nach § 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB, und zwar auch dann, wenn es über den nach Handelsrecht maßgebenden Gewinn hinausgeht,2703 denn soweit das Gesellschaftsrecht eine Entnahmebefugnis (gleich welcher Art) bereitstellt, entfällt das Bedürfnis für einen weitergehenden Steuerausgleich.2704 Deshalb wird dem Kapitalentnahmerecht in solchen Situationen zu Recht eine Art Pufferfunktion beigemessen, denn es führt in vielen Fällen dazu, dass sich die Frage eines Steuerausgleichs nicht bzw. in weniger starker Ausprägung stellt.2705 Bedeutung kommt dem 2702 Der Sonderbereich spielt aus den auf S. 511 (mit Fn 2508) genannten Gründen im Normalfall keine Rolle. 2703 Wird das Kapitalentnahmerecht in einer solchen Situation geltend gemacht, so handelt es sich richtigerweise auch aus steuerrechtlicher Sicht um eine Entnahme und nicht um eine Sondervergütung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG (vgl. auch Groh, DStZ 2001, 358, 359 sowie Reiß, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15 Rn. E 337, der jedoch nicht auf die Besonderheiten des Kapitalentnahmerechts eingeht). Dem steht nicht entgegen, dass das – gewinn­unabhängige – Kapitalentnahmerecht im handelsrechtlichen Schrifttum ganz verbreitet als (typisierte) Tätigkeitsvergütung gerechtfertigt wird (siehe etwa Oetker/Weitemeyer, HGB, § 122 Rn. 2; Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 1; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 632b). Denn zum einen stellt die tatsächliche Erbringung von Dienstleistungen keine Tatbestandsvoraussetzung dar. Zum anderen fehlt es insoweit an einer besonderen Vereinbarung, wonach einem geschäftsführenden Gesellschafter eine gewinnunabhängige Tätigkeitsvergütung zu zahlen ist, die bei der Gesellschaft zu Aufwand führt (vgl. zu diesem Erfordernis etwa BFH BStBl. II 1999, 284, 285; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn. 440). Aus beiden Gründen scheidet eine Einordnung als eindeutig tätigkeitsbezogene Gegenleistung aus (vgl. dazu FG Münster EFG 2004, 1750, 1752; Schmidt/Wacker, aaO, Rn. 561 sowie auch BFH BStBl. II 2001, 621, 624; BFH BStBl. II 2000, 612, 613 f.). 2704 Auch findet die Verbuchung in jedem Fall zulasten des Kapitalkontos statt; vgl. unten S. 555 f. 2705 Vgl. Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 1; Oetker/Weitemeyer, HGB, § 122 Rn. 2; Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 1; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 632b. Liegt die gesellschaftsrechtliche Entnahmebefugnis aufgrund von § 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB höher als der steuerliche Gewinnanteil des Gesellschafters, so kann dies für die Frage des Steuerentnahmerechts in Folgejahren ausgeklammert werden, da hierin eine Substanzverringerung (Einlagenrückgewähr) ohne Gewinnbezug liegt. Gleiches kann im Übrigen gelten, wenn der (entnahmefähige) handelsrechtliche Gewinn ausnahmsweise höher ausfällt als der steuerliche Gewinnanteil (erster Stufe), denn aus Sicht des Steuerrechts geht es in Höhe der

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dort zu, wo steuerrechtliche Vorschriften zu einem höheren Gewinn führen als sich nach handelsrechtlicher Rechnungslegung ergibt.2706 Verbleibt hingegen trotz Anwendung von § 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB eine Differenz, stellt sich die sogleich unter c) zu erörternde Frage nach Grundlagen und Inhalt eines Steuerentnahmerechts. Gleiches gilt im Anwendungsbereich eines Gewinnentnahmerechts (siehe insbesondere § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB), wenn der Steuergewinn höher ausfällt. b) Steuerentnahmerecht als immanente Grenze von Entnahme­ beschränkungen Entnahmebeschränkungen können sich ferner aus der „soweit“-Einschränkung in § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB sowie aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben,2707 wobei Letztere in Ausnahmefällen auch für ein etwaiges Kapitalentnahmerecht Bedeutung erlangen kann.2708 M.E. lässt sich die Frage nach Existenz und Ableitung eines Steuerentnahmerechts in derartigen Konstellationen relativ leicht beantworten: Das vielfach angeführte „Selbstfinanzierungsbedürfnis“ der Gesellschaft2709 (wenn man ein solches überhaupt anerkennt)2710 bzw. die Reichweite sonstiger Gesellschaftsbelange müssen notwendig dort enden, wo es um die Besteuerung ihrer Gewinne geht.2711 Gleiches gilt spiegelbildlich für die Treuebindungen der Gesellschafter.2712 Eine Legitimation dafür, dass die Gesellschaft mit ihren Bruttoerträgen wirtschaften kann, ist nicht ersichtlich, zumal die Besteuerung dieser Erträge auch tatsächlich stattfindet, und zwar bei den Gesellschaftern.2713 Es wäre daher schon im Differenz ebenfalls nicht um Gewinnverteilung. Auf Sachverhalte, die demgegenüber bei interperiodischer Betrachtung Bedeutung erlangen, wird sogleich unter 2. eingegangen. 2706 Treffend Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 1; vgl. zu den Ursachen solcher Differenzen oben Fn 2503. 2707 Zur Verhältnisbestimmung bei den betroffenen Gesellschaftsformen vgl. oben Fn 2499 und 2500. 2708 Vgl. Fn 2500 und 2644. 2709 Vgl. etwa BGHZ 132, 263, 276; Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 48; Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 2. 2710 Siehe zum Streitstand die Nachweise in Fn 2644 und 2647. Die Einzelheiten bedürfen für Zwecke der vorliegenden Untersuchung keiner grundsätzlichen Klärung. 2711 Vgl. auch Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952; a.A. Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 55; siehe ferner OLG Karlsruhe DB 2003, 935, 935 f. sowie die weiteren, in Fn 2531 zitierten Autoren. 2712 Siehe aber Fn 2714. 2713 Im gleichen Sinne Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952; siehe auch K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198; Schön, FS Beisse, S. 471, 488.

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Ansatz verfehlt, ein Thesaurierungsbedürfnis der Gesellschaft in Bezug auf Beträge anzunehmen, die der Steuerbelastung entsprechen, welche auf ihre Gewinne anfallen – und hieran kann es aus den unter C. genannten Gründen auch nichts ändern, dass die Besteuerung nicht unmittelbar bei ihr, sondern bei den Gesellschaftern stattfindet.2714 Im Gegenteil bedarf es eines Steuerausgleichs in Thesaurierungssituationen gerade deshalb, weil der dann vorliegende Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip abgefedert werden kann, um zu einem verfassungskonformen Gesamtzustand zu gelangen.2715 Würden die Gesellschafter mit den Steuern belastet, die auf die Gesellschaftsgewinne entfallen, ohne dass ihnen ein parallel laufendes Entnahmerecht zusteht, so widerspräche dies zudem dem Rechtsgedanken des § 707 BGB,2716 so dass ein Steuerausgleich auch aus genuin zivilrechtlicher Sicht geboten erscheint. Der „offenbare Schaden der Gesellschaft“ im Sinne von § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB kann dementsprechend von vornherein nicht aus der Entnahme von Beträgen resultieren, die der Gesellschafter für die Begleichung derjenigen Steuern benötigt, die auf den Gewinnanteil nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG entfallen.2717 Gleiches gilt erst recht für die engeren Treuepflichtschranken, denen das Kapitalentnah2714 Vgl. bereits Schön, in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 42; dens., StuW 1988, 253, 258 f.; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952. Die bei Ulmer, aaO, S. 953 zum Ausdruck kommende Einschränkung für ganz ungewöhnliche, existenzbedrohende Liquiditätsengpässe auf Gesellschaftsebene ändert an der fehlenden Berechtigung der Gesellschaft zur längerfristigen Thesaurierung des Steuerbetrages nichts, sondern trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass auch das Steuerentnahmerecht als eigennütziges Gesellschafterrecht gewissen, engen Treuebindungen unterliegt (dazu näher auf S. 551 f.). Eine mehr als nur kurzfristige Leistungsverweigerung kann auf einen derartigen Umstand hingegen schon von Verfassungs wegen nicht gestützt werden (a.A. offenbar OLG Karlsruhe DB 2003, 935, 935 f.). 2715 Ausführlich dazu oben C., insbesondere unter VI. und VII. 2716 Siehe auch K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952 sowie in anderen bzw. allgemeineren Kontexten Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 59; Binz/Sorg, DB 1996, 969, 972; Priester, DStR 2001, 795, 800; a.A. Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 637, dem entgegenzuhalten ist, dass es vorliegend um keine direkte Anwendung dieser Norm geht, sondern um ihren Rechtsgedanken, der offensichtlich einschlägig ist, wenn ein Gesellschafter zur Begleichung einer Schuld herangezogen wird, die sich auf Erträge bezieht, welche die Gesellschaft erwirtschaftet hat und dauerhaft in ihrem Vermögen verbleiben sollen (siehe auch H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 663). 2717 Im gleichen Sinne Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 21 a.E.; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952 f.; siehe als einzige Einschränkung den in Fn 2714 gemachten Vorbehalt; a.A. Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 55.

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merecht (§ 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB) unterliegt2718 – und ganz allgemein für Entnahmebeschränkungen, die in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht wurzeln.2719 Folglich muss das Steuerentnahmerecht in den hier beleuchteten Situationen nicht auf eine besondere (Anspruchs-)Grund­ lage gestützt werden, sondern es bildet bereits eine immanente Grenze der inhaltlichen Reichweite der einschlägigen Entnahmebeschränkung selbst. Der für die Steuerzahlung erforderliche Betrag markiert jedenfalls in diesem Bereich folglich die Mindesthöhe des Entnahmerechts.2720 Festgehalten werden kann daher, dass das Gesellschaftsrecht den von Verfassungs wegen gebotenen Steuerausgleich hier ohne weiteres sicherstellt. c) Übrige Fälle: Analoge Anwendung der Aufwendungsersatz­ vorschriften Anders ist die Ausgangslage hingegen, wenn der unter a) angesprochene Fall eintritt, dass der Steuergewinn das gesellschaftsrechtliche Entnahmerecht (unter Einschluss eines etwaigen Kapitalentnahmerechts) übersteigt, weil er höher ist als das für die gesellschaftsrechtliche Verteilung zur Verfügung stehende Ergebnis. Dann stellt sich die Frage, ob zusätzlich Mittel in Höhe des Steuerbetrags, der auf den überschießenden Teil des Steuergewinns entfällt, entnommen werden können.2721 Wie unter C. nachgewiesen wurde, streitet das Leistungsfähigkeitsprinzip auch hier für eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung des Zivilrechts. Wie der unter B. referierte Meinungsstand belegt, ist das Gesellschaftsrecht in Situationen dieser Art ebenso in der Lage, den erforderlichen Ausgleichsanspruch zu gewährleisten, so dass sich nur noch die Frage stellt, welcher Ansatz dogmatisch am überzeugendsten ist. Den verfassungsrechtlichen Erfordernissen nicht gerecht wird jedenfalls diejenige Auffassung, die einen Steuerausgleichsanspruch (in Ermangelung einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung) nur ausnahmsweise und nach Abwägung mit den Gesellschaftsinteressen zulassen will.2722 Die namentlich von Schön für den Bereich der Personenhandelsgesellschaften vertretene, inzwischen im Vordringen befindliche Ableitung über § 110 HGB2723 weist hohe Überzeugungskraft auf, weil sie die Folge2718 Siehe auch Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952. 2719 Vgl. aber wiederum Fn 2714. 2720 Siehe auch bereits Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 21 a.E. Auf den genauen Anspruchsinhalt und -umfang wird unter d) eingegangen. 2721 Vgl. wiederum oben C VII. a.E.: Es genügt nicht, dass der Entnahmebetrag überhaupt ausreicht, um die Steuerbelastung abzudecken. 2722 Vgl. BGHZ 132, 263, 276 f. sowie die Nachweise in Fn 2530. 2723 Siehe die Nachweise in Fn 2536 und 2537 und die Darstellung auf S. 515 f.

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rungen, die aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu ziehen sind, am Sinnfälligsten zum Ausdruck bringt. Im Schrifttum wird an diesem Ansatz zwar kritisiert, dass es wegen der Pflicht zur Steuerzahlung an einem freiwilligen Vermögensopfer und damit an einer „Aufwendung“ fehle.2724 Dieses Argument verfängt jedoch schon deshalb nicht, weil die im Auftragsrecht fußenden Aufwendungsersatzvorschriften nach heutigem Verständnis grundsätzlich auch auf unfreiwillige Vermögensverminderungen bezogen werden.2725 In § 110 HGB kommt dieser Zusammenhang sogar positivrechtlich zum Ausdruck, nämlich in Gestalt von § 110 Abs. 1 Halbs. 2 HGB.2726 Die besseren Gründe sprechen aber ohnehin dafür, in Bezug auf die Freiwilligkeit auf die Rechtslage im Innenverhältnis abzustellen, so dass eine gegenüber einem Dritten bestehende Rechtspflicht zur Leistung der Anwendung des § 110 Abs. 1 Halbs. 1 HGB nicht entgegensteht.2727 Insbesondere passen die Anspruchsrestriktionen, die für erlittene Verluste entwickelt worden sind,2728 in diesem Kontext nicht. Einzuräumen ist der Kritik allerdings, dass § 110 HGB keine unmittelbare Anwendung finden kann, und zwar deshalb, weil es an einer Aufwen-

2724 Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 56. 2725 Vgl. etwa BAG GrS NJW 1962, 411, 414; BGH NJW 1960, 1568, 1569; Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 1; H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 670 Rn. 14; C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 713 Rn. 16; Staub/C. Schäfer, HGB, § 110 Rn. 1; zu den umstrittenen Grundlagen ausführlich Staudinger/Martinek, BGB, § 670 Rn. 17 ff.; Larenz, Schuldrecht/II 1, S. 417 ff. 2726 Es ist weithin anerkannt, dass diese Vorschrift – über ihren Wortlaut hinaus – auch auf Geschäftsbesorgungen außerhalb von Geschäftsführungsmaßnahmen und damit auf alle Gesellschafter anwendbar ist (Goette, in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 3, 7, 16; Schlegelberger/Martens, HGB, § 110 Rn. 1, 4). Deshalb findet § 110 HGB seinem gesamten Inhalt nach auch auf den Kommanditisten Anwendung (Langhein, in: MünchKomm.-HGB, § 110 Rn. 5 f.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 110 Rn. 6, 23). § 110 Abs. 1 Halbs. 2 HGB ist gerade deshalb ins Gesetz aufgenommen worden, weil um die Jahrhundertwende die heute prinzipiell überwundene Vorstellung vorherrschte, dass nur freiwillige Vermögensopfer unter das zivilrechtliche Aufwendungsersatzregime fallen können (vgl. Denkschrift HGB, S. 83; näher zu diesem Aspekt Goette, aaO, Rn. 1, 16; vgl. zum restriktiveren Standpunkt des Gesetzgebers bei der Schaffung von § 713 BGB Protokolle, S. 2422 ff., in: Mugdan/II, S. 986 f.; Motive II, S. 609, in: aaO, S. 340). Aus heutiger Sicht ist § 110 HGB hingegen entbehrlich, denn inhaltsgleiche Ergebnisse wären auch über eine Anwendung von §§ 713, 670 BGB (mit § 105 Abs. 3 HGB) erzielbar (vgl. wiederum Goette, aaO sowie Fn 2731). 2727 So die herrschende Meinung, die sich im gesellschaftsrechtlichen Kontext gebildet hat; siehe etwa Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 10, 12; Schlegelberger/Martens, HGB, § 110 Rn. 15; Staub/C. Schäfer, HGB, § 110 Rn. 12; Faust, FS K. Schmidt, S. 357, 359. 2728 Vgl. die Nachweise in Fn 2725.

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dung „in den Gesellschaftsangelegenheiten“ fehlt.2729 Denn der Gesetzes­ anwender kann nicht daran vorbeigehen, dass die Personengesellschaft nach dem positiven Gesetzesrecht nicht als Einkommensteuersubjekt anzusehen ist, so dass der Gesellschafter durch die Steuerzahlung keine fremde, sondern eine eigene Schuld begleicht und damit in einer eigenen Angelegenheit tätig wird.2730 Aus dem gleichen Grund ist es in Bezug auf die BGB-Gesellschaft ebenfalls nicht möglich, den in diesem Bereich geltenden Aufwendungsersatzanspruch (§§ 713, 670 BGB)2731 unmittelbar anzuwenden. Allerdings kann eine analoge Anwendung von § 110 HGB bzw. der §§ 713, 670 BGB vorgenommen werden.2732 Die erforderliche Regelungslücke2733 ist darin zu erblicken, dass der historische Gesetzgeber die aus heutiger Sicht praktisch überaus bedeutsame Frage des Steuerentnahmerechts nicht geregelt hat, obwohl sie sich selbst dort stellen kann, wo der Gesellschaftsvertrag keine Abweichungen vom Gesetzesrecht vorsieht. Diese Lücke ist auch planwidrig: Sie ist erst nachträglich durch den extremen Anstieg der Steuersätze im Zuge der historischen Entwicklungen im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden, während ein derartiges Problem bei Inkrafttreten von BGB und HGB nicht einmal im Ansatz existierte.2734 2729 Vgl. demgegenüber Schön, in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 42; dens., FS Beisse, S. 471, 488; dens., StuW 1988, 253, 259. Wählt man hingegen – anders als hier – § 110 Abs. 1 Halbs. 2 HGB zum Anknüpfungspunkt der Prüfung, so fehlt es an einem Verlust, der aus einer Geschäftsbesorgung für die Gesellschaft (vgl. Fn 2726) und daher ebenfalls aus einem Tätigwerden in einer Gesellschaftsangelegenheit (vgl. Schlegelberger/Martens, HGB, § 110 Rn. 4, 21; Staub/C. Schäfer, HGB, § 110 Rn. 6) resultiert. 2730 Vgl. Langhein, in: MünchKomm.-HGB, § 110 Rn. 11, 13; Goette, in: Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 12, 14; Erker, Kompensation, S. 136; insoweit zutreffend Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 56 sowie auch Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 637, der für die von ihm vertretene Ablehnung einer Analogie zu § 110 HGB jedoch keine Begründung liefert. 2731 Auch diese Vorschriften werden weit ausgelegt: Nach heutigem Verständnis lassen sich über §§ 713, 670 BGB auch unfreiwillige Vermögensopfer erfassen (C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 713 Rn. 16; siehe auch die Nachweise in Fn 2725). Der in § 713 BGB in Bezug genommene Geschäftsführungsbegriff wird – ebenso wie § 110 Abs. 1 Halbs. 2 HGB (siehe dazu Fn 2726) – weit ausgelegt (Schlegelberger/Martens, HGB, § 110 Rn. 34; Staub/C. Schäfer, HGB, § 110 Rn. 34). Aus diesem Grund bedarf es im Recht der BGB-Gesellschaft keiner Analogie zu § 110 HGB (Ulmer, aaO; a.A. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1722). 2732 Mit Blick auf § 110 HGB ebenso (jedoch ohne weitere Begründung) Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 295 a.E.; ders., ZHR 171 (2007) 451, 462 a.E. 2733 Zu den Analogievoraussetzungen siehe oben S. 399. 2734 Vgl. zu Letzterem Ernst, BB 1961, 377, 377; Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 39 f. sowie bereits oben S. 541. In der Terminologie Larenz', Methodenlehre, S. 379 handelt es sich mithin um eine „nachträgliche Lücke“.

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Steuerentnahmerecht

Der dem Gesetz zugrunde liegende Grundsatz der Vollausschüttung belegt zudem, dass das Steuerentnahmerecht kongruent mit dem gesetzlichen Regelungssystem geht. Was die ebenfalls erforderliche Gleichheit der Sach- bzw. Interessenlagen angeht,2735 ist darauf zu verweisen, dass die Lösung über den Aufwendungsersatzanspruch die ma­terielle Lage zutreffend abbildet, die sich (jenseits des positiven Gesetzesrechts) aus den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips ergibt: Wertungsmäßig handelt es sich bei der Besteuerung thesaurierter Gewinne aus den bereits angeführten Gründen2736 um eine Gesellschaftsangelegenheit.2737 Hiermit ist zugleich gesagt, dass die in der Kommentarliteratur zu § 110 HGB vorzufindende Differenzierung zwischen „Betriebssteuern“, zu denen etwa die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuer zählen sollen, und der Einkommensteuer als persönlicher Steuer des Gesellschafters2738 neben der Sache liegt, soweit Letztere auf Gesellschaftsgewinne entfällt. Bei materieller Betrachtung handelt es sich auch insoweit um eine „Betriebssteuer“ in diesem Sinne. Für die (analoge) Anwendbarkeit der Aufwendungsersatzregelungen kann die technische Ausgestaltung der Besteuerung ohnehin keinen entscheidenden Unterschied machen, denn für das Verhältnis der Beteiligten untereinander ist sie häufig rein zufällig. Dieser Zusammenhang lässt sich besonders gut anhand der Gewerbesteuer deutlich machen: In Bezug auf die Entstehung von Aufwendungsersatzansprüchen kann es schlechterdings keinen Unterschied machen, ob das Gesetz den Gesellschafter als Steuerschuldner ansieht (so das ganz herrschende Verständnis des § 5 Abs. 1 GewStG in seiner bis 1976 geltenden Fassung)2739 und dieser die Steuer auch selbst begleicht,2740 oder ob die Gesellschaft Steuerschuldnerin ist (so § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG heutiger Fassung)2741 und der Gesellschafter aufgrund seiner steuerlichen Haftung2742 für diese Schuld in Anspruch genommen wird.2743

2735 Siehe zu den Analogievoraussetzungen wiederum oben S. 399. 2736 Siehe wiederum oben C. sowie auch den nachfolgenden Absatz. 2737 Vgl. erneut K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198; Schön, StuW 1988, 253, 258 f.; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952, die sich jedoch für eine unmittelbare Anwendung von § 110 HGB aussprechen. 2738 Staub/C. Schäfer, HGB, § 110 Rn. 17; siehe auch Langhein, in: MünchKomm.-HGB, § 110 Rn. 11; Schlegelberger/Martens, HGB, § 110 Rn. 16. 2739 Nachweise bei Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175, 175 ff., die selbst die Gegenauffassung vertreten hat. 2740 Hierbei handelte es sich um einen Ausnahmefall, denn der Steuerbescheid wurde auch zur damaligen Zeit an die Gesellschaft adressiert (vgl. Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175, 177 f.) – und die Steuer von dieser auch getragen. 2741 Vgl. zu dieser Gesetzesänderung BFH BStBl. II 2010, 751, 756; BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 624. 2742 Siehe im Einzelnen etwa Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 5 Anm. 61, 122 ff., 145 ff. 2743 Auf sämtliche hier angeschnittenen Fragen wird in § 14 zurückzukommen sein.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Insbesondere ist die hier entwickelte Lösung über eine analoge Anwendung von § 110 HGB (Personenhandelsgesellschaften) bzw. der §§ 713, 670 BGB (BGB-Gesellschaft) dem konkurrierenden Treuepflichtkonzept2744 überlegen:2745 Die Treuepflicht ist als „die Ausrichtung des internen Gesellschaftsrechts auf ein harmonisches Zusammenwirken aller Beteiligten zur Erreichung des Gesellschaftszwecks“ umschrieben worden.2746 Treuepflichten haben damit ihren Bezugspunkt in der Abwägung und Begrenzung mitgliedschaftlicher Interessen und Befugnisse und dienen in vielen Fällen dem Minderheitenschutz.2747 Vorliegend geht es jedoch nicht um eine Ausprägung der Pflicht der Gesellschaft zu loyalem Verhalten gegenüber dem betroffenen Gesellschafter,2748 sondern um die Begründung eines prinzipiell vorbehaltlosen Entnahmerechts, das an ein erlaubtes und erwünschtes Verhalten der Gesellschaft (Gewinnerzielung) anknüpft und Aufwendungsersatzcharakter hat, weil es sich bei der Steuerzahlung – wie dargelegt – bei materiell-verfassungsbezogener Betrachtung um eine Gesellschaftsangelegenheit handelt.2749 Auch wird das

2744 Nachweise in Fn 2533. Der ebenfalls vertretenen Lösung über eine ergänzende Vertragsauslegung (vgl. die Nachweise in Fn 2534) bedarf es schon deshalb nicht, weil sich über die entsprechende Anwendung der Aufwendungsersatzvorschriften sachangemessene Ergebnisse erzielen lassen. Es besteht daher auch kein Anlass, zu der streitigen Frage nach dem Verhältnis von ergänzender Vertragsauslegung und dispositivem Gesetzesrecht grundsätzlich Stellung zu beziehen (vgl. dazu etwa Flume, Rechtsgeschäft, S. 325 sowie speziell zum Personengesellschaftsrecht Staub/C. Schäfer, HGB, § 105 Rn. 197 f.; Flume, Personengesellschaft, S. 33 ff.). 2745 Wäre dies anders, könnte das Vorliegen einer Regelungslücke in Zweifel gezogen werden; für einen Anwendungsvorrang der Aufwendungsersatzvorschriften offenbar Schön, FS Beisse, S. 471, 487 f., allerdings ohne Diskussion der Tragfähigkeit des Treuepflichtansatzes. 2746 So Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 949, der die von ihm ausgemachten Einzel­ ausprägungen der Treuepflicht auf den S. 950 ff. weiter ausdifferenziert. 2747 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 593. 2748 Vgl. zu dem Loyalitätsgedanken, der mit der Treuepflicht auf das Engste verbunden ist, etwa BGHZ 25, 47, 53 f.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228, 240; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166 f.; dens., AcP 180 (1980), 84, 110 ff., 120 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 587 ff. Die Einzelheiten der dogmatischen Ableitung und des Inhalts der Treuepflicht (siehe dazu Ulmer/C. Schäfer, in: MünchKomm­.-BGB, § 705 Rn. 222 ff.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 105 Rn. 228 ff.; Flume, Personengesellschaft, S. 257 ff.; Hennrichs, aaO, S. 225 ff.; Hüffer, FS Steindorff, S. 59, 60 ff., 64 ff.; Lutter, aaO, S. 102 ff.; Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 949 ff.; Winter, Treuebindungen, passim; Zöllner, Schranken, S. 337 ff.; zusammenfassend Erker, Kompensation, S. 66 ff.) bedürfen hier aus den im Haupttext angeführten Gründen keiner grundsätzlichen Befassung. 2749 Unterstellte man Situationen dieser Art dem Treuepflichtregime, so führte dies zur Entbehrlichkeit der gesellschaftsrechtlichen Aufwendungsersatztatbestände

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Abwägungsmoment, das dem Treuepflichtansatz immanent ist,2750 der hier bestehenden Sachlage nicht gerecht: Wie schon auf S. 544 f. betont, bleibt in Bezug auf das Steuerentnahmerecht grundsätzlich kein Raum für eine Abwägung mit Gesellschaftsinteressen, denn betroffen sind Steuern auf Erträge, die die Gesellschaft erwirtschaftet hat, sich in ihrem Vermögen befinden und dort auch über längere Zeit verbleiben sollen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass sich dem Verfassungsrecht ein Ausgleichserfordernis selbst dort entnehmen lässt, wo lediglich Teile des Gewinns thesauriert werden, denn bereits insoweit kommt es zu einer leistungsfähigkeitswidrigen Steuerlastverschiebung, die zivilrechtlich zu korrigieren ist. Auf bloße Rücksichtnahmeerwägungen ließe sich ein derartiges Ergebnis kaum stützen.2751 Diesen Zusammenhängen trägt der Aufwendungsersatzanspruch viel besser Rechnung, da er als Sozialanspruch prinzipiell vorbehaltlos eingreift und daher ohne weiteres geltend gemacht werden kann.2752 Sozialansprüche unterliegen zwar ihrerseits gewissen Treuepflichtschranken.2753 So werden die Gesellschafter als verpflichtet angesehen, bei der Geltendmachung von Aufwendungsersatzansprüchen „unter freilich engen Voraussetzungen“ gebührend auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen.2754 Zu bedenken ist aber, dass es sich bei Sozialansprüchen um eigennützige Rechte handelt2755 und ein länger (§§ 110 HGB, 713, 670 BGB) – was schwerlich als mit dem Gesetz vereinbar angesehen werden könnte. 2750 Vgl. etwa Ulmer/C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 705 Rn. 224 ff.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 244 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 121 ff.; Zöllner, Schranken, S. 343 ff.; siehe zur Einfallbezogenheit des Umfangs von Treuepflichten auch K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 105 Rn. 190; Staub/C. Schäfer, HGB, § 105 Rn. 232 f.; Lutter, aaO, S. 105 ff.; Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 950 f.; Winter, Treuebindungen, S. 185 ff. 2751 Vgl. die Argumentation Erkers, Kompensation, S. 136 f. Eben aus diesem Abwägungsdenken heraus erklärt sich der hier bekämpfte restriktive Standpunkt der in Fn 2531 zitierten Autoren; vgl. in diesem Zusammenhang auch BGHZ 132, 263, 276 f. (mit dem auf S. 277 vorgenommenen Hinweis auf die „Entscheidung des Einzelfalls durch den Tatrichter“). 2752 Siehe nur Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 27 f.; Langhein, in: MünchKomm.-HGB, § 110 Rn. 9. 2753 Siehe nur K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 105 Rn. 191. 2754 So Schlegelberger/Martens, HGB, § 110 Rn. 6. Die im Kontext der Treuepflichtbeschränkungen bei Aufwendungsersatzansprüchen diskutierte Subsidiaritätsfrage (siehe dazu Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 28; Staub/C. Schäfer, HGB, § 110 Rn. 20) stellt sich in Bezug auf Einkommensteuerschulden hingegen naturgemäß nicht. 2755 Zu der in Bezug auf die Reichweite der Treuepflicht als wesentlich angesehenen Unterscheidung zwischen eigennützigen und uneigennützigen Rechten siehe

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andauerndes Durchsetzungshindernis wertungsmäßig kaum mit dem § 707 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken vereinbar wäre.2756 Speziell in Bezug auf das Steuerentnahmerecht tritt hinzu, dass der über sie eröffnete Innenausgleich verfassungsgeboten ist. Daher ist ein Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft nur bei „ganz ungewöhnlichen, für die Gesellschaft existenzbedrohenden Liquiditätsengpässen“ anzuerkennen2757 – und kann auch in einem solchen Fall nur von kurzer Dauer sein.2758 d) Anspruchshöhe und -modalitäten sowie Verbuchung Was die Höhe des Steuerausgleichs angeht, ist auf die persönlichen Verhältnisse des betroffenen Gesellschafters abzustellen, d.h. es muss die konkrete Mehrbelastung kompensiert werden, die auf den thesaurierten Teil des Steuergewinns entfällt.2759 Ermäßigungsbeträge nach § 35 EStG sind abzuziehen.2760 Gleiches gilt für Anrechnungsbeträge nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, die auf Kapitalerträge der Gesellschaft entfallen.2761 Nicht hingegen ist auf eine überindividuelle Referenzgröße wie den Spitetwa Ulmer/C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 705 Rn. 223 f., 226 f.; Staudinger/Habermeier, BGB, § 705 Rn. 51; Erker, Kompensation, S. 71; Hüffer, FS Steindorff, S. 59, 61 f., 70; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 168; Winter, Treuebindungen, S. 19 ff., S. 23 ff., S. 95 ff., S. 121 ff. sowie bereits Hueck, FS Hübner, S. 72, 81 f. 2756 Siehe mit Blick auf das Steuerentnahmerecht schon oben S. 545; zur Relevanz der § 707 BGB zugrunde liegenden Wertung für den Umfang von Treuepflichten vgl. im allgemeinen Kontext Ulmer/C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 705 Rn. 233; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 105 Rn. 192 sowie in Bezug auf den Aufwendungsersatzanspruch Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 30. 2757 So in Bezug auf § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB Ulmer, FS Lutter, S. 935, 953. 2758 Siehe bereits oben Fn 2714; für das allgemeine Aufwendungsersatzrecht tendenziell weitergehend Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 28; Schlegelberger/Martens, HGB, § 110 Rn. 6, 32. 2759 Den Anknüpfungspunkt der Berechnung bildet mithin der Grenzsteuersatz des jeweiligen Gesellschafters. Im Falle eines Teilentnahmerechts kann davon aus­ gegangen werden, dass der thesaurierte Teil des Steuergewinns in den obersten anwendbaren Progressionsbereich fällt; vgl. zu dem hier angesprochenen Problemkreis auch Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 32; Barz, FS Knur, S. 25, 29 f.; Ernst, BB 1961, 377, 379 f.; Bezzenberger/v. Falkenhausen/Schneider, in: MünchHdb.-GesR, § 63 Rn. 77, allerdings jeweils mit Blick auf gesellschaftsvertragliche Regelungsmöglichkeiten. 2760 Vertiefend unten § 14 C. 2761 Vgl. BGH NJW 1995, 1088, 1090. Demgegenüber scheiden Ausgleichsansprüche der Gesellschaft schon deshalb aus, weil ihr die Kapitalerträge zugute gekommen sind, während die Besteuerung beim Gesellschafter erfolgt (vgl. zu diesem Fragenkreis auch – im Ergebnis offen lassend – BGH NJW 2013, 2511, 2512 f.).

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zensteuersatz oder den Steuersatz des am höchsten besteuerten Gesellschafters2762 abzustellen.2763 Denn aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgt, dass der konkret durch die Steuerbelastung entstandene Nachteil auszugleichen ist – nicht mehr und nicht weniger.2764 Dass der Gesellschafter deshalb bei der Anspruchsgeltendmachung gegebenenfalls seine privaten Verhältnisse offen legen muss,2765 kann ihm als Preis dafür zugemutet werden, dass er sein Steuerentnahmerecht effektuieren möchte. Soweit die Tarifbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG in Anspruch genommen wird,2766 richtet sich der relevante Betrag nach dem dort in Bezug genommenen Thesaurierungssteuersatz,2767 wobei aber zu berücksichtigen ist, dass dieser ermäßigte Steuersatz seinerseits nicht auf Beträge zur Anwendung gelangt, die zu Steuerzwecken entnommen werden.2768 Im Falle einer Nachversteuerung nach § 34a Abs. 4 EStG stellt 2762 Vgl. H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 666. 2763 Dies gilt selbstverständlich vorbehaltlich abweichender Regelungen des Gesellschaftsvertrages (vgl. Fn 2759); siehe wiederum oben bei Fn 2701 und die dort in Bezug genommenen Verweisungen. 2764 Vgl. insoweit auch Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 23 ff. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch die sogleich auf S. 555 f. dargestellte buchhalterische Behandlung und der dort ebenfalls herausgestellte Vorschusscharakter des Steuerentnahmerechts (vgl. auch Schön, StuW 1988, 253, 259). 2765 Darauf weisen etwa Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 53 und Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 32 hin. 2766 Zu der – grundsätzlich zu verneinenden – Frage eines treuepflichtbedingten Anspruchs auf einheitliche Wahlrechtsausübung vgl. Erker, Kompensation, S. 143 ff.; Reichert/Düll, ZIP 2008, 1249, 1254 ff.; Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 726; Schumm, NWB 2009, 1266, 1269. Die Gestaltungsvorschläge, die etwa bei Crezelius, FS Spiegelberger, S. 65, 68; Levedag, GmbHR 2009, 13, 19 f.; Reichert/Düll, aaO; Rodewald/Pohl, aaO, S. 726 f. zum Ausdruck kommen, betreffen demgegenüber Synchronisierungsbemühungen im Hinblick auf das Verhältnis bestehender Steuerklauseln zu § 34a EStG (treffend Winter, Ubg 2009, 822, 824; vgl. auch Fn 2769). 2767 Den Bezugspunkt des § 34a EStG bildet der Mitunternehmeranteil (arg. § 34a Abs. 1, 2 EStG) unter Einschluss von Sonderbilanzergebnissen (siehe etwa Crezelius, FS Spiegelberger, S. 65, 66; Hey, DStR 2007, 925, 927 f.). Für Zwecke des Innenausgleichs ist aber wiederum in aller Regel nur entscheidend, welcher Steuersatz auf die auf erster Stufe erzielten Gewinne entfällt (siehe wiederum Fn 2702), so dass es darauf ankommt, ob die Thesaurierungsbegünstigung gerade auf diejenigen Teile des Gewinns Anwendung findet, die im Gesellschaftsvermögen verbleiben. Hiervon kann in Zweifelsfällen wegen der eingeschränkteren Zugriffsmöglichkeit ausgegangen werden. 2768 Siehe etwa Crezelius, FS Spiegelberger, S. 65, 68; Hey, DStR 2007, 925, 927; Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 725 Fn 17. Dies betrifft auch Entnahmen zur Leistung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen, soweit solche zulässig sind (siehe dazu unten 3.). Für ihre Höhe ist gemäß § 37 Abs. 3 Satz 5 EStG zudem der individuelle Steuersatz bestimmend; kritisch zur Gesamtregelung Dörfler/Graf/ Reichl, DStR 2007, 645, 649 f.; näher zu möglichen Auswirkungen der Neurege-

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sich die Ausgleichsfrage demgegenüber nicht, weil sich die Nachversteuerung auf entnommene Beträge bezieht.2769 Die Anspruchshöhe ist bestimmbar und das Entnahmerecht entsteht, wenn sowohl der Jahresabschluss festgestellt als auch die Steuer festgesetzt2770 ist.2771 Wird der Feststellungsbeschluss verzögert,2772 so kann der Gesellschafter dennoch den auf die Gesellschaftsgewinne entfallenden Teil der festgesetzten Steuer verlangen, denn hierbei handelt es sich um den Mindestbetrag des Entnahmerechts, den er selbst dann beanspruchen kann, wenn sich der gesamte Steuergewinn im Nachhinein als nicht entnehmbar erweist.2773 Die Rechtsgrundlage bildet der im Zusammenhang mit dem gesellschaftsrechtlichen Entnahmerecht grundsätzlich anerkannte Vorschussanspruch.2774 Der endgültige, gegebenenfalls lung auf bestehende Steuerklauseln Crezelius, aaO, S. 68; Levedag, GmbHR 2009, 13, 19 f.; Rodewald/Pohl, aaO, S. 726. 2769 Im Ausgangspunkt schwerlich verständlich daher die Erwägungen bei Erker, Kompensation, S. 141 f.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 19. Die dem zugrunde liegende Diskussion findet ihren Grund letztlich ausschließlich in Auslegungsproblemen bestehender Steuerklauseln (treffend Winter, Ubg 2009, 822, 824; siehe auch Crezelius, FS Spiegelberger, S. 65, 68; Levedag, aaO, S. 19 f.; Reichert/Düll, ZIP 2008, 1249, 1256 f.; Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 726; Schumm, NWB 2009, 1266, 1268 ff.). 2770 Da es für Zwecke des Steuerentnahmerechts auf die individuellen Verhältnisse eines jeden Gesellschafters ankommt, ist sein Einkommensteuerbescheid maßgebend, nicht aber der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung. 2771 Weil erst zu diesem Zeitpunkt endgültig feststeht, ob und in welcher Höhe es zu einer Gewinnthesaurierung kommt und daher in der Besteuerung eine (das Aufwendungsersatzregime eröffnende) Gesellschaftsangelegenheit zu erblicken ist, kann zuvor auch kein Befreiungsanspruch entsprechend § 257 BGB zur Entstehung gelangen. Wegen der engen Bezogenheit des Steuerentnahmerechts auf die gesetzliche Entnahmebefugnis erscheint die Anerkennung eines (vorgelagerten) Befreiungsanspruchs im vorliegenden Kontext ohnehin unangebracht. 2772 Vgl. den Fall BGH ZIP 2010, 1232, 1232 f. 2773 Siehe oben S. 544 ff. und S. 548 ff. (mit der in Fn 2714 und bei Fn 2757 gemachten Einschränkung, die ausnahmsweise aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht resultieren kann, jedoch nur vorübergehender Natur ist). 2774 Vgl. zu ihm Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 122 Rn. 11; Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 13. Die vielfach vorzufindende Auffassung, wonach dieser Anspruch nur ausnahmsweise und unter sehr engen Voraussetzungen geltend gemacht werden kann (siehe etwa – zusammenfassend – Ehricke, in: Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 16), überzeugt für den vorliegenden Kontext nicht, denn in Höhe des Steuerbetrages steht bereits jetzt fest, dass eine Entnahme zulässig sein wird. Ferner ist hier, anders als in sonstigen Vorschusssituationen (vgl. Oetker/Weitemeyer, HGB, § 122 Rn. 14), eine erhebliche Nähe zum Bereich des Aufwendungsersatzes gegeben – was ebenfalls für eine Vorschussberechtigung unter erleichterten Bedingungen spricht. Der spezifisch aufwendungsersatzrechtliche Vorschussanspruch aus §§ 713, 669 BGB greift hingegen

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höhere Entnahmebetrag ergibt sich erst im Zuge des Feststellungsbeschlusses, so dass die Ausübung dieses Vorschussrechts eine Abrechnung erforderlich macht.2775 Verzögert sich hingegen (auch) die Steuerfestsetzung, so besteht mangels im Steuerbescheid konkretisierter Zahlungspflicht (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG) noch kein aktuelles Ausgleichsbedürfnis. Eine andere Frage ist, ob dem Gesellschafter in Bezug auf zu erbringende Einkommensteuer-Vorauszahlungen nach § 37 EStG bereits unterjährig ein Steuerentnahmerecht zustehen kann, das ebenfalls eine Endabrechnung erforderlich machen würde. Darauf wird unter 3. eingegangen. Eine hiernach zulässige Steuerentnahme ist nicht als betrieblicher Aufwand, sondern – wie andere Entnahmen auch – über das Kapitalkonto des betroffenen Gesellschafters zu verbuchen.2776 Hiermit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die einbehaltenen Gewinne in aller Regel zu einem späteren Zeitpunkt im Vermögen des Gesellschafters realisieren werden.2777 Zugleich spiegelt sich hierin die Bezogenheit des Steuerentnahmerechts auf die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Gesellschafters wider.2778 Entnahmefähig ist in späteren Jahren folglich

nicht (analog) ein, weil vor dem Feststellungsbeschluss nicht feststeht, ob und in welcher Höhe eine Gewinnthesaurierung stattfinden wird; vgl. bereits Fn 2771; näher unten 3. 2775 Auch etwaige Nachforderungen und Erstattungsbeträge, die sich aus Änderungen oder Berichtigungen der Steuerfestsetzung ergeben, können nach den allgemeinen aufwendungsersatzrechtlichen Grundsätzen (vgl. zu den §§ 670, 667 BGB etwa Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rn. 2) im Innenverhältnis Korrekturbedarf auslösen; siehe auch – allerdings mit anderer Ableitung als hier – Barz, FS Knur, S. 25, 32 f.; Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 33. 2776 Schön, FS Beisse, S. 471, 488; näher ders., StuW 1988, 257, 259 (allerdings für Verbuchung auf einem „besonderen Kapitalkonto des Gesellschafters“); ihm folgend K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 199; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952; vgl. auch bereits Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 39; anders noch Lehmann, FS Heymann II, S. 733, 736 a.E. und offenbar auch H. Haack, NWB 2009, 1675, 1681. Wegen der Besonderheiten des Steuerentnahmerechts ist in dieser Hinsicht (Verbuchung) folglich von den ansonsten im Bereich des gesellschaftsrechtlichen Aufwendungsersatzes anerkannten Grundsätzen (vgl. etwa Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 30, 32) abzuweichen, so dass die unter c) abgeleitete Analogie zu § 110 HGB bzw. den §§ 713, 670 BGB nicht uneingeschränkt durchgreift. Auch sonst besteht kein Anlass, insoweit von den allgemeinen, für Entnahmen anerkannten Rechtsgrundsätze (vgl. insbesondere oben C V.) abzugehen. 2777 Näher dazu Schön, StuW 1988, 253, 259 (mit 260 f.) sowie oben C IV., insbesondere Fn 2596. 2778 Siehe erneut Schön, StuW 1988, 253, 259.

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nur noch der Nettobetrag der Gewinne,2779 so dass der Steuerentnahme bei Betrachtung der Totalperiode Vorschusscharakter zukommt.2780 Dass die Ausübung des Steuerentnahmerechts für den Kommanditisten im Einzelfall aufgrund von § 172 Abs. 4 HGB haftungsschädlich sein kann,2781 kann als systemimmanent hingenommen werden, zumal das Steuerentnahmerecht zu seinen Gunsten eingreift und er daher nicht gezwungen ist, von ihm Gebrauch zu machen. 2. Besonderheiten bei Verlusten Weitergehende Überlegungen sind notwendig, wenn Verluste eine Rolle spielen. Denkbar ist zum einen, dass der gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG zugewiesene Gewinnanteil keine oder eine nur verminderte Steuerlast auslöst, weil ein Ausgleich mit sonstigen, negativen Einkünften des Gesellschafters – sei es aus dem Sonderbereich, sei es aus anderen Einkunftsarten – stattfindet. In der entsprechenden Höhe ist mit der Gewinnzuweisung zunächst keine aktuelle steuerliche Mehrbelas­ tung verbunden, so dass insoweit grundsätzlich auch kein Steuerentnahmerecht besteht.2782 Anderes gilt allerdings namentlich dort, wo aufgrund dieses Verlustausgleichs eine ansonsten bestehende Rücktragsmöglich2779 K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 199. 2780 Schön, FS Beisse, S. 471, 488. Zu betonen ist aber, dass dem Begriff „Vorschuss“ in diesem Kontext eine ganz andere Bedeutung zukommt als im Zusammenhang mit den §§ 713, 669 BGB sowie mit § 122 HGB, § 721 Abs. 2 BGB (dazu vertiefend unten 3.). 2781 A.A. anscheinend H. Haack, NWB 2009, 1675, 1680 f., der aber – anders als hier – offensichtlich von einer Verbuchung als betrieblicher Aufwand ausgeht. Ein Wiederaufleben der Haftung kommt in der hier betrachteten Situation, dass ausschließlich positive Einkünfte eine Rolle spielen, vor allem dann in Betracht, wenn der Steuergewinn höher ausfällt als das handelsrechtliche Ergebnis (vgl. auch Priester, DStR 2001, 795, 799); zu Verlustsituationen vgl. unten 2. 2782 Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung ist kein Grund für einen Steuerausgleich ersichtlich, wenn gar keine Steuern zu zahlen sind (a.A. Balz, DB 1988, 1305, 1305 f.: Steuerentnahmerecht wegen „fiktiver“ Steuern; vgl. auch Barz, FS Knur, S. 25, 31; im gleichen Sinne wie hier bereits Ganßmüller, Steuerentnahmerecht, S. 24 f.). Vielmehr bleibt es auch insoweit dabei, dass die individuellen Verhältnisse des betroffenen Gesellschafters maßgebend sind (siehe oben 1 d)). Es besteht m.E. auch kein genügender Anlass, hiervon abzuweichen, wenn die Verlustverrechnung Folge der Zusammenveranlagung des Gesellschafters mit seinem Ehepartner ist (a.A. wiederum Balz, DB 1988, 1305, 1306). Allerdings müssen bei der dann erforderlich werdenden periodenübergreifenden Betrachtung (dazu sogleich) auch die Verhältnisse des anderen Ehegatten Berücksichtigung finden. Was eheinterne Ausgleichsansprüche in Verlustfällen angeht, sei auf die Ausführungen in § 11 unter F. verwiesen.

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keit nach § 10d Abs. 1 EStG entfällt. In Höhe der dadurch hervorgerufenen nachteiligen Steuerwirkung besteht dann ein sofort effektuierbares Steuerentnahmerecht. Gleiches gilt in Folgejahren, soweit aufgrund des Verlustausgleichs positive Steuerwirkungen aus andernfalls bestehenden Verlustvorträgen entfallen. Besonderheiten sind zum anderen dann zu beachten, wenn dem Gesellschafter in Vorjahren gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG keine Gewinne, sondern Verluste zugewiesen worden sind und die Gesellschaft nunmehr positive Einkünfte erwirtschaftet, die Entnahmebeschränkungen unterliegen.2783 Richtigerweise besteht ein Recht zur Steuerentnahme nur in Bezug auf denjenigen Teil des Gewinns, der die in der Vergangenheit zugewiesenen Verluste übersteigt. Denn entweder hat der Gesellschafter diese Verluste bereits innerhalb des entsprechenden Veranlagungszeitraums zum Ausgleich anderer, positiver Einkünfte genutzt bzw. ein wirtschaftlich entsprechendes Ergebnis zwischenzeitlich über einen Verlustabzug nach § 10d EStG erzielt.2784 Dann hat bereits eine genügende Kompensation stattgefunden, die darauf beruht, dass das Transparenzprinzip den Gesellschafter spiegelbildlich auch in die Lage versetzt, von den – für ihn fremden – Verlusten der Gesellschaft zu profitieren.2785 Oder ihm steht in Höhe der (gegebenenfalls nach erfolgter Teilverrechnung verbliebenen) negativen Einkünfte ein Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG zu, den er nunmehr zur (Teil-)Kompensation des zugewiesenen Gewinnanteils nutzen kann. Auch dann bleibt für ein zusätzliches Steuerentnahmerecht grundsätzlich kein Raum.2786

2783 Vgl. zu Situationen dieser Art auch bereits Barz, FS Knur, S. 25, 31 f.; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198 f.; Schön, StuW 1988, 253, 259. 2784 Dies gilt wiederum (vgl. Fn 2782) auch dann, wenn die Verrechnung mit Einkünfte eines zusammen veranlagten Ehegatten stattgefunden hat, denn im (Außen-)Verhältnis zur Gesellschaft ist allein die private Verlustnutzung entscheidend; zu eheinternen Ausgleichsansprüchen siehe erneut oben § 11 F. 2785 Für eine Kompensationsleistung an die Gesellschaft für die Nutzung ihrer Verluste, d.h. für einen Vorteilsausgleich, der gewissermaßen die Umkehrung des Steuerentnahmerechts darstellt, besteht weder Anlass noch (Anspruchs-)Grundlage. Hierauf wird vertiefend in § 14 unter D I. in Bezug auf die spiegelbildliche Fragestellung beim Gewerbesteuerausgleich eingegangen. 2786 Verlustabzugsbeschränkungen nach § 10d Abs. 2 EStG („Mindestbesteuerung“) können im Normalfall vernachlässigt werden, zumal sie wegen der Verlustausgleichs- und -abzugsmöglichkeit in den Vorjahren häufig nicht von Bedeutung sind und ein Verlustvortrag zeitlich unbegrenzt möglich ist. In Extremfällen kann ein ergänzendes Steuerentnahmerecht allerdings unter Treuepflichtgesichtspunkten gerechtfertigt sein.

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Nichts anderes gilt für die besondere, für den Kommanditisten geltende Entnahmebeschränkung nach § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB.2787 Die hier in Bezug genommenen Verluste waren steuerlich nämlich entweder nach Maßgabe von § 15a Abs. 1 EStG ausgleichs- bzw. nach § 10d EStG abzugsfähig.2788 Dann gelten die soeben getroffenen Feststellungen entsprechend. Oder es handelt sich um verrechenbare Verluste, die nunmehr gemäß § 15a Abs. 2 Satz 1 EStG den entstandenen Gewinn mindern, so dass aus diesem ebenfalls keine aktuelle wirtschaftliche Belastung resultiert und daher auch insoweit kein Bedürfnis für einen Steuerausgleich besteht. Ergänzend sei noch auf denjenigen Ansatz hingewiesen, der die Entnahmebeschränkung des § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB über dessen Wortlaut hinaus auch auf Fälle anwenden will, in denen es zwar an Verlustzuweisungen aus Vorjahren fehlt, die bedungene Einlage aber von vornherein nicht vollständig auf­ gebracht war.2789 Auch wenn man dem folgt,2790 stellt sich richtigerweise kein Steuerausgleichsproblem, denn der Gewinn wird hier lediglich dazu nutzbar gemacht, die versprochene Einlage sicherzustellen (vgl. auch § 167 Abs. 2 HGB), die ohnehin aus gesellschaftsfreiem Vermögen aufgebracht werden müsste. Aus dem gleichen Grund wirft auch die Lösung der überwiegenden Auffassung, die sich stattdessen (bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen) für eine Aufrechnungsbefugnis bzw. ein Zurückbehaltungsrecht der Gesellschaft ausspricht,2791 kein Innenausgleichsproblem auf.

3. Entnahmerecht wegen Einkommensteuer-Vorauszahlungen? Zu klären bleibt noch die Frage, ob dem Gesellschafter ein unterjähriges Entnahmerecht wegen von ihm zu leistender Einkommensteuer-Vorauszahlungen zusteht. Das wird vielfach bejaht bzw. als sinnvolle gesell-

2787 A.A. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rn. 69 sowie offensichtlich auch Schön, FS Beisse, S. 471, 488. 2788 Hier wird etwas vereinfachend unterstellt, dass sich das steuerrechtliche mit dem handelsrechtlichen Ergebnis deckt. Fehlt es hingegen steuerlich ganz oder teilweise an einer Verlustzuweisung, gelten in Bezug auf den Differenzbetrag die allgemeinen, unter 1. beschriebenen Grundsätze. 2789 Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 169 Rn. 12. 2790 Die entgegenstehende herrschende Meinung ist in Fn 2791 nachgewiesen. 2791 Siehe etwa Grunewald, in: MünchKomm.-HGB, § 169 Rn. 6; Oetker/Oetker, HGB, § 169 Rn. 9; v. Gerkan/Haas, in: Röhricht/Graf v. Westphalen (Hrsg.), HGB, § 169 Rn. 5 ff.; Schwandtner, Gewinnausschüttungen, S. 49 ff. Auch nach diesem Ansatz wird der Gewinnauszahlungsanspruch jedoch dann versagt, wenn der Kommanditist noch keine Einlage geleistet hat und sein Kapitalanteil infolge früherer Verlustzuweisungen negativ ist (siehe nur v. Gerkan/Haas, aaO, Rn. 9).

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schaftsvertragliche Gestaltung angesehen.2792 Für die Annahme eines derartigen Entnahmerechts besteht jedoch in vielen Fällen kein genügender Anlass, wenn – wie hier vorausgesetzt – keine spezielle vertragliche Grundlage besteht: Da zum Zeitpunkt der einzelnen Vorauszahlungen noch nicht feststeht, welche Steuer für den betroffenen Veranlagungszeitraum tatsächlich anfallen wird und in welcher Höhe Entnahmen zulässig sind, ist zunächst festzuhalten, dass ein Steuerausgleich für Einkommen­ steuer-Vorauszahlungen vorläufiger Natur wäre und eine Endabrechnung erforderlich machen würde.2793 Man könnte daher in Erwägung ziehen, den aufwendungsersatzrechtlichen Vorschussanspruchs aus §§ 713, 669 BGB2794 fruchtbar zu machen.2795 Da die jeweilige Vorauszahlung jedoch bereits ihrerseits zu einem Vermögensopfer führt und daher selbst als Aufwendung eingeordnet werden kann (arg. § 257 BGB),2796 erscheint es richtiger, die Prüfung unmittelbar bei § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB anzusetzen. Dazu müsste es sich bei den Vorauszahlungen bei wertender Betrachtung um Angelegenheiten der Gesellschaft (und nicht des Gesellschafters) handeln.2797 Da für ihre Festsetzung auch die außergesellschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Gesellschafters und gegebenenfalls seines zusammen veranlagten Ehegatten von (erheblicher) Bedeutung sind (vgl. § 37 Abs. 3 EStG), könnte sich ein Steuerausgleich von vornherein nur auf denjenigen Teil einer jeden Vorauszahlung beziehen, der auf den im Vorauszahlungsbescheid angesetzten Gewinnanteil nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG entfällt. 2792 Siehe die Nachweise in Fn 2548 sowie aus vertragsgestaltender Sicht etwa Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 64; Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 33; Barz, FS Knur, S. 25, 28 f. 2793 Siehe bereits oben 1 d). 2794 Der Anspruch aus §§ 713, 669 BGB findet auch auf nicht geschäftsführungs­ befugte Gesellschafter Anwendung (vgl. bereits Fn 2731 sowie C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 713 Rn. 15; Staub/C. Schäfer, HGB, § 110 Rn. 34). Über § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB greift er auch zugunsten der Gesellschafter von OHG und KG ein (vgl. Langhein, in: MünchKomm.-HGB, § 110 Rn. 27; Schlegelberger/Martens, HGB, § 110 Rn. 34). 2795 Seine Anwendbarkeit auf das Steuerentnahmerecht bejahend (in allgemeinerem Kontext) Lehmann, FS Heymann II, S. 733, 735. Hierbei könnte es sich aber wiederum nur um eine analoge Anwendung handeln (vgl. oben 1 c)). 2796 Vgl. etwa H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 670 Rn. 6; Staudinger/Bittner, BGB, § 257 Rn. 1, 3; Staudinger/Martinek, BGB, § 670 Rn. 9. Es handelt sich mithin um mehr als eine bloße Vorfinanzierung. Letztere bildet jedoch das Kennzeichen des Vorschussanspruchs (vgl. H. Seiler, aaO, § 669 Rn. 1, 5; Staudinger/ Martinek, aaO, § 669 Rn. 1). Dass der Gesellschafter im Außenverhältnis zum staatlichen Steuergläubiger zur Leistung der Vorauszahlungen verpflichtet ist, steht der Annahme einer Aufwendung nicht entgegen (siehe oben S. 547 ff.). 2797 Näher oben 1 c).

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Aber auch wenn man diese Einschränkung berücksichtigt, kann im Zeitpunkt der jeweiligen Vorauszahlung richtigerweise nicht angenommen werden, dass es sich bei ihr um eine Gesellschaftsangelegenheit handelt: Wie oben herausgestellt, kommt es hierfür entscheidend darauf an, ob und in welcher Höhe Gesellschaftsgewinne thesauriert werden. Nur soweit dies der Fall ist, handelt es sich, materiell betrachtet, nämlich um eine Angelegenheit der Gesellschaft. Erweist sich der Gewinn hingegen im Nachhinein als entnehmbar, so entspricht die Besteuerung beim Gesellschafter dem Leistungsfähigkeitsprinzip mit der Folge, dass ein Steuerausgleich ausscheidet. Dementsprechend handelt es sich auch bei den vorgelagerten Einkommensteuer-Vorauszahlungen um eine eigene Angelegenheit des Gesellschafters, da sie seine (prognostizierte) Leistungsfähigkeit abbilden. Der Aufwendungsersatzcharakter der Vorauszahlungen steht folglich im Zeitpunkt ihrer Bewirkung nicht fest – und wird sich in vielen Fällen bei ex post-Betrachtung als nicht gegeben erweisen. Eine (analoge) Anwendung der §§ 110 HGB, 713, 670 BGB kommt daher ebenso wenig in Betracht wie ein Vorschuss entsprechend §§ 713, 669 BGB. Auch der Umstand, dass die mit den Einkommensteuer-Vorauszahlungen korrespondierenden Vermögensmehrungen zunächst auf der Ebene der Gesellschaft verbleiben, nötigt nicht zu der Annahme, dass es sich bei den Vorauszahlungen zumindest zeitweilig um Gesellschaftsangelegenheiten handelt: Wie unter C V. herausgestellt wurde, können Sachverhalte, die einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum betreffen, unter Leis­ tungsfähigkeitsgesichtspunkten vernachlässigt werden und lösen daher kein (eigenständiges) Ausgleichsbedürfnis aus. Hierhin gehört auch die Pflicht, Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu erbringen, denn die daraus resultierende Liquiditätsminderung betrifft den in der Regel relativ kurzen, aus ex ante-Sicht weitgehend bestimmbaren Zeitraum bis zum Feststellungsbeschluss.2798 Hiermit ist allerdings nicht gesagt, dass es kein Korrektiv gäbe, über das zugunsten des Gesellschafters Härten abgefedert werden können, die aus dem vorauszahlungsbedingten Entzug privater Liquidität resultieren. Insoweit kann nämlich wiederum der im gesellschaftsrechtlichen Entnahmerecht fußende Vorschussanspruch effektuiert werden,2799 der auch im Falle von Einkommensteuer-Vorauszahlungen einer extensiveren Handhabung zugänglich ist, als in anderen Zusammenhängen bisweilen aner-

2798 Auf Situationen, in denen es in dieser Hinsicht zu Verzögerungen kommt, wird im Folgenden eingegangen. 2799 Siehe bereits oben S. 554.

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kannt wird.2800 M.E. erscheint es gerechtfertigt, dem Gesellschafter ein derartiges Recht in folgenden beiden Fällen einzuräumen: Erstens kann er einen Vorschuss (in Höhe des auf den prognostizierten Gesellschaftsgewinn entfallenden Teils der Vorauszahlungen) verlangen, wenn die entsprechenden Beträge so hoch ausfallen, dass er typischerweise Schwierigkeiten hat, sie aus seinem gesellschaftsfreien Vermögen aufzubringen. Weitergehende Zugeständnisse in dieser Hinsicht sind schon angesichts des Verwaltungsaufwands, den die Ermittlung und spätere Verrechnung der im Einzelfall zutreffenden Beträge gerade in vielgliedrigen Gesellschaften mit sich bringt, allerdings nicht zu machen. Die zweite Situation, in der ein aus dem Entnahmerecht folgender Vorschussanspruch im Falle von Einkommensteuer-Vorauszahlungen geltend gemacht werden kann, ist eng verwandt mit der auf S. 554 thematisierten Fallkonstellation. Dort ist herausgestellt worden, dass ein Vorschussrecht besteht, wenn es in Bezug auf den Feststellungsbeschluss zu Verzögerungen kommt, die Steuer jedoch bereits festgesetzt wurde.2801 Ist hingegen abzusehen, dass sich die Steuerfestsetzung verzögern wird,2802 und hat der Gesellschafter Vorauszahlungen erbringen müssen, so kann er ebenfalls einen Vorschuss in angemessener Höhe verlangen, wenn zu dieser Zeit kein (genügendes) Entnahmerecht besteht, weil entweder kein Feststellungsbeschluss vorliegt oder die entnehmbaren Beträge einen zu geringen Umfang aufweisen. Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten kann dem Gesellschafter nämlich ein längerfristiger Verbleib der für die Steuerzahlung (hier: in Form geleisteter Einkommensteuer-Vorauszahlungen) benötigten Beträge im Gesellschaftsvermögen nicht zugemutet werden.2803

2800 Vgl. oben Fn 2774. In dieser Hinsicht (Vorschuss auf Entnahmerecht) ist es nämlich von wesentlicher Bedeutung, dass die Besteuerung ihren Bezugspunkt in Erträgen findet, die sich zumindest vorläufig im Vermögen der Gesellschaft befinden; vgl. im Folgenden. 2801 Dann kann der auf den Gesellschaftsgewinn entfallende Teil der Steuerschuld – als Mindestbetrag des Entnahmerechts – vorschussweise beansprucht werden. 2802 Davon kann m.E. ausgegangen werden, wenn der Einkommensteuerbescheid (vgl. Fn 2771) voraussichtlich nicht innerhalb eines Jahres nach Ende des Veranlagungszeitraums vorliegen wird. 2803 Vgl. wiederum oben C V. und VI.

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III. Vom Gesetz abweichende Entnahmeregelungen 1. Bei Einstimmigkeit bzw. kraft Gesellschaftsvertrag Zu klären bleibt die Rechtslage in dem praktisch häufigen Fall, dass vom Gesetzesrecht zugunsten einer weitergehenden Gewinnthesaurierung, namentlich in Form der Bildung offener Rücklagen, abgewichen wird.2804 Hier unter 1. wird zunächst auf Situationen eingegangen, in denen die Thesaurierung ihre Grundlage in einem einstimmig gefassten Ergebnisverwendungsbeschluss findet oder bereits unmittelbar im Gesellschaftsvertrag selbst vorgesehen ist.2805 Auf Besonderheiten, die bei mit Mehrheit gefassten Beschlüssen zu beachten sind, wird im Anschluss unter 2. eingegangen. Wird die Frage des Steuerausgleichs in der einschlägigen Entnahmeregelung nicht behandelt,2806 so ist zu prüfen, ob der Gesellschafter im Innenverhältnis (trotz der Thesaurierungsentscheidung) die volle Steuerlast tragen muss oder ob ihm in Bezug auf die einbehaltenen Gewinnteile ein besonderes Steuerentnahmerecht zusteht, das folglich auf eine partielle Erweiterung des vereinbarten Entnahmerechts bzw. eine inzidente Einschränkung der Thesaurierungsregelung hinauslaufen würde. Zu bedenken ist ferner, dass in Situationen der hier beschriebenen Art ein weiteres Entnahmehindernis hinzukommen kann: Ist der Steuergewinn höher als das für Zwecke der gesellschaftsrechtlichen Verteilung bzw. Thesaurierung maßgebende Ergebnis, so stellt sich die Frage des Steuerentnahmerechts bereits insoweit,2807 d.h. schon im Vorfeld der Thesaurierungsentscheidung – und hat daher zwei verschiedene Anknüpfungspunkte. Im Ausgangspunkt kann wiederum an die Ausführungen unter II. angeknüpft werden: In Bezug auf das Ausgleichsbedürfnis, das aus der – auch hier vorliegenden – maßstabswidrigen Steuerlastverschiebung resultiert, macht es keinen prinzipiellen Unterschied, ob das Entnahmehindernis aus einer gesetzlichen Vorschrift, einer Diskrepanz zwischen steuerlicher und gesellschaftsrechtlicher Rechnungslegung oder aus einer besonderen Thesaurierungsregelung resultiert.2808 In jedem Fall handelt es sich bei der Besteuerung der betroffenen Teile des Gewinns bei materieller 2804 Zu Hintergründen und Ausgestaltungsmöglichkeiten siehe oben S. 533 f. 2805 Zu den Einzelheiten siehe wiederum die auf S. 533 f. in Bezug genommenen Nachweise. 2806 Auf andere Fälle wird weiter unten eingegangen. 2807 Vgl. dazu oben II 1 c) sowie in Fn 2503. 2808 Vgl. oben C.; diese Situationen gleichsetzend auch Schön, in: 5. Max Hachenburg-Gedächtnisvorlesung, S. 17, 41 f.; ders., FS Beisse, S. 471, 487 f.; ders., StuW 1988, 253, 258 f.; siehe ferner etwa Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 30; K.

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Betrachtung um eine Gesellschaftsangelegenheit, die erforderlichenfalls2809 die analoge Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Aufwendungsersatzregelungen eröffnet.2810 Diese Lösung ist auch der konkurrierenden Anspruchsbegründung über eine ergänzende Vertragsauslegung überlegen, die namentlich für diejenigen Fälle vertreten wird, in denen die Entnahmebeschränkung – wie hier – auf einer besonderen Thesaurierungsentscheidung auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage beruht.2811 Denn zum einen bleiben dem Rechtsanwender nach der hier vertretenen Lösung sachlich nicht veranlasste Differenzierungen in Bezug auf die rechtliche Grundlage des Steuerentnahmerechts erspart. Zum anderen macht die Möglichkeit, eine Analogie zu den gesetzlich besonders geregelten Aufwendungsersatzvorschriften zu bilden, einen Rückgriff auf die (allgemeineren) Grundsätze über die ergänzende Vertragsauslegung entbehrlich.2812 Das Steuerentnahmerecht hat mithin eine einheitliche, im Aufwendungsersatzgedanken fußende Grundlage, ohne dass zwischen verschiedenen Ursachen unterschieden werden müsste, auf denen die jeweilige Entnahmebeschränkung beruht.2813 Dass die hier vertretene Auffassung auf eine Einschränkung der getroffenen Thesaurierungsentscheidung hinauslaufen kann, ist hinnehmbar. Wiederum ist nämlich zu betonen, dass es um Gewinne geht, die im Gesellschafts- und nicht im Gesellschaftervermögen anfallen und dort auch verbleiben sollen – und deren steuerliche Belastung daher schon von Verfassungs wegen grundsätzlich auch von der Gesellschaft zu tragen ist. Im selben Atemzug ist allerdings hervorzuheben, dass die Gesellschafter es selbstverständlich in der Hand haben, auch diese Rechtsfolge im Rahmen ihrer Entnahmeregelung abzuändern.2814 Aus gleichheitsrechtlicher Sicht bestehen hiergegen (unter dem Gesichtspunkt der vertraglichen Überlagerung) keinerlei Einwände.2815 Und aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist allgemein anerkannt, dass Aufwendungsersatzansprüche vertraglich ab-

Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198. 2809 In den unter II 1 b) behandelten Fällen bedarf es aus den dort genannten Gründen keiner gesonderten Anspruchsbegründung. 2810 Vgl. oben II 1 c). 2811 Vgl. die Nachweise Fn 2534; zum ebenfalls (ursachenübergreifend) vertretenen Treuepflichtansatz siehe bereits oben S. 550 f. 2812 Siehe auch bereits oben Fn 2744. 2813 Vgl. lediglich die in Fn 2809 in Bezug genommene Einschränkung. 2814 Zu Inhalt und Auslegungsproblemen derartiger Steuerklauseln vgl. Fn 2505. 2815 Näher oben S. 540 in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Teilen dieser Untersuchung.

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dingbar sind.2816 Auch ein vollständiger Ausschluss des Steuerentnahmerechts wäre zulässig, wenn er – wie hier vorausgesetzt – allseits konsentiert ist,2817 zumal die Gesellschaftsergebnisse bei Betrachtung der Totalperiode letztlich den Gesellschaftern zugute kommen.2818 Wegen der erheblichen negativen Auswirkungen, die ein vollständiger oder teilweiser Ausschluss des Steuerentnahmerechts für die Liquidität der betroffenen Gesellschafter haben kann, wird man allerdings fordern müssen, dass sich in der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Grundlage hinreichende Anhaltspunkte für den Willen finden lassen, dass auch die an sich einschlägige Steuerentnahmebefugnis ausgeschlossen werden soll.2819 Schweigt die getroffene Entnahmeregelung hingegen in Bezug auf diesen Punkt, dann bleibt es dabei, dass der Gesellschafter (zusätzlich) denjenigen Steuerbetrag entnehmen kann, der auf die ihm zugerechneten thesaurierten Gewinne entfällt. Soweit in einem derartigen Fall schon während des laufenden Jahres klar ist, dass es zu einer Thesaurierung kommen wird,2820 kann ein Gesellschafter, der Einkommensteuer-Vorauszahlungen leisten muss, in Bezug auf die entsprechenden Gewinnteile bereits unterjährig Aufwendungsersatz analog § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB verlangen, denn dann steht fest, dass es sich in dieser Höhe um eine Gesellschaftsangelegenheit handelt.2821

2816 Siehe nur Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 110 Rn. 38; Schlegelberger/Martens, HGB, § 110 Rn. 35 sowie – speziell in Bezug auf das Steuer­ entnahmerecht – auch K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198. 2817 Ebenso K. Schmidt, in: Festschrift 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198; zu der Frage, ob das Steuerentnahmerecht kraft Mehrheitsbeschlusses ausgeschlossen werden kann, näher sogleich unter 2. 2818 Vgl. in anderem Zusammenhang (Mehrheitsklauseln) auch Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 55. Mit Blick auf § 138 BGB ergeben sich daher keine Bedenken. Auch der Rechtsgedanke des § 707 BGB (vgl. oben S. 545 mit Fn 2716 und S. 551 f.) steht nicht entgegen, da alle betroffenen Gesellschafter zugestimmt haben (vgl. BGH ZIP 2008, 697, 697 a.E.; Palandt/Sprau, BGB, § 707 Rn. 2). 2819 In einem derartigen Fall wäre ferner zu prüfen, ob sich der Ausschluss des Steuer­ entnahmerechts weitergehend auch auf die Situation bezieht, dass der Steuergewinn das gesellschaftsrechtlich maßgebende Ergebnis übersteigt (vgl. oben bei Fn 2807) – was nahe liegen wird. 2820 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag selbst Entsprechendes vorsieht. 2821 Vgl. – auch zur Abgrenzung – oben II 3. Daneben kann im Einzelfall der dort abgeleitete entnahmerechtliche Vorschussanspruch treten. In solchen Fällen bedarf es einer Endabrechnung, sobald Steuerfestsetzung und Feststellungsbeschluss vorliegen. Ein derartiges Vorgehen ist in den aufwendungsersatzrechtlichen Vorschriften auch angelegt (siehe dazu Fn 3090 sowie bereits Fn 2775).

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2. Bei mit Mehrheit getroffenen Beschlüssen Entscheidungen über eine vom Gesetz abweichende Ergebnisverwendung2822 müssen grundsätzlich einstimmig getroffen werden.2823 Allerdings sind Mehrheitsbeschlüsse zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht (vgl. § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB).2824 Umstritten sind in dieser Hinsicht insbesondere die inhaltlichen Anforderungen, die an eine solche Mehrheitsklausel zu stellen sind.2825 So verneinen zahlreiche Autoren die Zulässigkeit von Thesaurierungsbeschlüssen, die sich auf eine allgemeine Mehrheitsklausel stützen: Aufgrund der Kernbereichsrelevanz von Beschränkungen des Gewinnrechts sei eine qualifizierte, auf die Ergebnisverwendung bezogene und sie konkretisierende, insbesondere das mögliche Ausmaß der Thesaurierung determinierende Klausel erforderlich.2826 In seiner Entscheidung aus dem Jahr 1996 ist der II. Zivilsenat ganz offensichtlich ebenfalls von diesem Verständnis ausgegangen.2827 Andere lassen hingegen eine allgemeine Mehrheitsklausel ge2822 Die – nicht zweifelsfreie und jedenfalls bis vor kurzem kontrovers diskutierte – Frage, wie Gewinnermittlung und -verwendung voneinander abzugrenzen sind (siehe dazu BGHZ 132, 263, 272 ff.; Priester, FS Quack, S. 373, 384 ff.; Schön, FS Beisse, S. 471, 471 ff., 481 ff.; Schulze-Osterloh, BB 1995, 2519, 2519 ff.; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 940 ff.; ausführlich zum Streitstand Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 120 Rn. 72 ff.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 34 ff.), hat aufgrund der Änderungen durch das BilMoG (vgl. bereits oben Fn 2503) kaum mehr praktische Relevanz (vgl. auch Priester, aaO, Rn. 27, 73; Staub/C. Schäfer, aaO, Rn. 34 a.E., 36 ff.). So sind sämtliche handelsrechtlichen Wahlrechte, die der BGH in der Entscheidung BGHZ 132, 263, 275 f. in Bezug genommen hat, gestrichen worden (Überblick über die Gesetzesänderungen bei Priester, aaO, Rn. 26 f.). Die Bildung offener Rücklagen stellt unstreitig einen Akt der Ge­ winnverwendung dar (statt aller BGHZ 170, 283, 290; BGHZ 132, 263, 275). Für anderweitige Beschränkungen der Entnahme festgestellter Gewinne (vgl. oben S. 533 f.) kann nichts anderes gelten. 2823 Siehe nur Flume, Personengesellschaft, S. 161; Huber, GS Knobbe-Keuk, S. 203, 207 f. sowie die in Fn 2650 in Bezug genommenen Nachweise (auch zur Frage einer möglichen Zustimmungspflicht). 2824 Statt aller Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 54; weitere Nachweise im Folgenden. 2825 Zur Frage der Zulässigkeit einer Gewinnthesaurierung mit vertragsändernder Mehrheit vgl. BGH BB 1976, 948, 949 und dazu Ulmer, BB 1976, 950, 950 f. sowie Huber, GS Knobbe-Keuk, S. 203, 208 f.; Schön, FS Beisse, S. 471, 482 f. 2826 In diesem Sinne (mit teils unterschiedlichen Anforderungen im Einzelnen) C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 721 Rn. 9 f.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 120, 41 ff., § 122 Rn. 36; Haar, NZG 2007, 601, 603; C. Schäfer, ZGR 2013, 237, 255 f.; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 944; Wahlers/Orlikowski-Wolf, ZIP 2012, 1161, 1164 ff.; Wertenbruch, in: Westermann/Wertenbruch (Hrsg.), Hdb. Personengesellschaften, Rz. I 637d; ders., ZIP 2007, 798, 801. 2827 Vgl. BGHZ 132, 263, 268 f. und 274.

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nügen, wenn sich durch Auslegung eindeutig ermitteln lasse, dass sie auch auf den Bereich der Ergebnisverwendung zu beziehen sei.2828 In der Gewinnthesaurierung sei kein Eingriff in den Kernbereich zu erblicken, weil sich der Gewinn in einer Wertsteigerung der Beteiligung widerspiegele.2829 Ferner zeige ein vergleichender Blick auf das Recht der GmbH, dass das Gewinnentnahmerecht nicht unentziehbar sei.2830 Von den Vertretern dieser Auffassung wird zudem auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Mehrheitsbeschlüssen in Personengesellschaften2831 verwiesen.2832 In seiner Entscheidung in der Rechtssache „Otto“ hat der II. Zivilsenat die hier aufgeworfene Frage zwar ausdrücklich offen gelassen, weil der zu bewertende Gesellschaftsvertrag eine die Gewinnverwendung betreffende Mehrheitsklausel enthielt, so dass sich dieses Problem nicht stellte.2833 Die übrigen Ausführungen in dieser Entscheidung dürften jedoch in der Tat den Schluss zulassen, dass auch Entscheidungen über die Gewinnverwendung zumindest im Grundsatz von einer allgemeinen Mehrheitsklausel abgedeckt werden können.2834 Namentlich die von dem Gericht­für nachträgliche Beitragserhöhungen formulierte Einschränkung2835 ist hier nicht einschlägig.2836 Eindeutig ist diese Lesart des Urteils freilich nicht, denn die Bezugnahmen des Gerichts auf die bisherige Rechtsprechung zum Bestimmtheitsgrundsatz sowie auf die Kern­ bereichslehre2837 sind inhaltlich nicht hinreichend klar und lassen ins­ 2828 Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 55; Grunewald, in: MünchKomm.-HGB, § 167 Rn. 11; Priester, DStR 2008, 1386, 1391; K. Schmidt, ZGR 2008, 1, 22; H.P. Westermann, ZIP 2007, 2289, 2293; vgl. auch H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 663. 2829 Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 55; dagegen Wahlers/Orlikowski­Wolf, ZIP 2012, 1161, 1165. 2830 Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 55; K. Schmidt, ZGR 2008, 1, 22; H.P. Westermann, ZIP 2007, 2289, 2293 a.E. 2831 Vgl. BGHZ 170, 283, 285 ff. („Otto“) sowie aus der Folgezeit etwa BGH ZIP 2013, 65, 65 ff.; BGHZ 191, 293, 298 ff.; BGHZ 183, 1, 5 f.; BGHZ 179, 13, 19 ff. 2832 So wird das Urteil BGHZ 170, 283 von Grunewald, in: MünchKomm.-HGB, § 167 Rn. 11 und Priester, aaO, § 122 Rn. 55 in Bezug genommen. 2833 BGHZ 170, 283, 290; siehe dazu auch Wahlers/Orlikowski-Wolf, ZIP 2012, 1161, 1162, die auf S. 1163 ferner auf die Entscheidung BGH DStR 2009, 1544, 1544 f. hinweisen, in der der II. Zivilsenat aber keine über das „Otto“-Urteil hinausreichenden Aussagen getroffen hat. 2834 Vgl. BGHZ 170, 283, 285 ff. 2835 BGHZ 191, 293, 301; BGHZ 170, 283, 287; siehe auch BGHZ 183, 1, 7; dazu näher im übernächsten Absatz. 2836 Ebenso Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 55; vgl. demgegenüber Haar, NZG 2007, 601, 603; Wertenbruch, ZIP 2007, 798, 801. 2837 BGHZ 170, 283, 286 ff.

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besondere die Frage offen, ob und unter welchen Umständen für Mehrheits­ beschlüsse unterhalb der Schwelle von Beitragserhöhungen Minderheitenschutz bereits auf Ebene der Ermächtigungsgrundlage (in der Terminologie des II. Senats also: „auf erster Stufe“) über qualifizierte Bestimmtheitsanforde­ rungen zu erreichen ist.2838 Die Folgerechtsprechung des Senats deutet jedenfalls darauf hin, dass es solcher qualifizierten Anforderungen grundsätzlich nicht bedürfen soll.2839 Ein derartiges Verständnis erscheint in Bezug auf kernbereichsrelevante Beschlüsse nicht zweifelsfrei.2840 Wenn man ihm aber folgt, müssten in diesem Bereich zumindest hohe Anforderungen an die Prüfung gestellt werden, ob die erforderliche „Eindeutigkeit“ der Ermächtigungsgrundlage2841 gegeben ist. Dies hat wegen des im Recht der Personengesellschaften verbürgten Vollausschüttungsgrundsatzes auch für Entnahmebeschränkungen zu gelten.2842 Besteht eine Eingriffsgrundlage, die diesen Voraussetzungen genügt, so wäre in Bezug auf mehrheitlich gefasste Gewinnverwendungsbeschlüsse (erst) „auf zweiter Stufe“ eine inhaltliche Wirksamkeitsprüfung durchzuführen.2843 Allgemein anerkannt ist in diesem Zusammenhang, dass mit Mehrheit beschlossene Ergebnisver­ wendungsentscheidungen unter Treuepflichtvorbehalt stehen, wodurch insbesondere einem „Aushungern“ von Minderheitsgesellschaftern vorgebeugt werden kann.2844

2838 Dazu ausführlich – m.E. jedoch über den Inhalt der „Otto“-Rechtsprechung hinausgehend – K. Schmidt, ZIP 2009, 737, 738 ff.; ders., ZGR 2008, 1, 16 ff.; vgl. auch Priester, DStR 2008, 1386, 1388 f.; Sigle, FS Hüffer, S. 973, 975 f.; zu weitgehend jedenfalls Wertenbruch, ZIP 2007, 798, 799. Die Ausführungen Goettes, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 119 Rn. 55 ff. (59), die die Senatsrechtsprechung ersichtlich inspiriert haben (vgl. auch dort Fn 217: „ebenso jetzt“), können jedenfalls kaum als authentische Interpretationsgrundlage gerichtlicher Entscheidungen dienen. 2839 Siehe insbesondere BGHZ 179, 13, 20 ff. (dazu kritisch K. Schmidt, ZIP 2009, 737, 741) sowie auch BGH ZIP 2013, 65, 65 ff.; BGHZ 191, 293, 298 ff.; BGHZ 183, 1, 5 f.; zu dem Beschluss BGH DStR 2009, 1544 siehe bereits oben Fn 2833; näher zur jüngeren Rechtsprechung C. Schäfer, ZGR 2013, 237, 241 f. (mit entsprechenden Folgerungen auf S. 243 ff.; siehe aber S. 250 ff.). 2840 Eingehend zu diesem Fragenkreis C. Schäfer, ZGR 2013, 237, 250 ff. 2841 Siehe erneut BGHZ 170, 283, 287. 2842 Vgl. die Nachweise in Fn 2826. 2843 Näher BGHZ 179, 13, 21; BGHZ 170, 283, 287 f.; C. Schäfer, ZGR 2013, 237, 263 ff. 2844 Vgl. (mit Unterschieden im Einzelnen) BGHZ 170, 283, 290; BGHZ 132, 263, 276; Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 122 Rn. 52; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 122 Rn. 4; Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 56; Schlegelberger/Martens, HGB, § 122 Rn. 21; Haar, NZG 2007, 601, 603 f.;

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Für die Frage des Steuerentnahmerechts ergeben sich bei Thesaurierungsentscheidungen, die nach diesen Grundsätzen wirksam zustande gekommen sind, im Ausgangspunkt keine grundlegend anderen Folgerungen als bei einstimmig getroffenen Entnahmeregelungen: Dem Gesellschafter steht auch hier ein aufwendungsersatzrechtlich begründetes Entnahmerecht in Bezug auf denjenigen Teil der Steuerschuld zu, der auf den thesaurierten Gewinn entfällt. Allerdings stellt sich in diesem Bereich die zusätzliche Frage, ob auch das Steuerentnahmerecht kraft Mehrheitsbeschlusses abbedungen oder beschränkt werden kann. Das ist richtigerweise nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig:2845 Da dieser Anspruch Aufwendungsersatzcharakter hat, kann er nicht ohne Einwilligung des Betroffenen entzogen oder beschränkt werden.2846 Aus dem gleichen Grund wird kaum anzunehmen sein, dass eine gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel, die die Gewinnverwendung im Allgemeinen betrifft bzw. abdeckt, mit Eindeutigkeit so ausgelegt werden kann, dass sie auch Einschränkungen des Steuerentnahmerechts erfasst.2847 Im Gegenteil ist jedenfalls insoweit der im „Otto“-Urteil bereits auf Bestimmtheitsebene gemachte Vorbehalt einschlägig, wonach Lastenvermehrungen einer eindeutigen gesellschaftsvertraglichen Legitimationsgrundlage bedürfen, „die auch Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung der Gesellschafter erkennen lassen muss“.2848 Denn Steuerzahlungen auf thesaurierte Gewinne stehen – wie bereits herausgestellt – einer Nachschusspflicht wertungsmäßig gleich, so dass der Rechtsgedanke des § 707 BGB einschlägig ist.2849 Nur im Falle einer derart qualifizierten Klausel kann mithin die hiernach erforderliche, antizipiert im Gesell-

Huber, GS Knobbe-Keuk, S. 203, 208 f.; K. Schmidt, ZGR 2008, 1, 22 f.; Schön, FS Beisse, S. 471, 484. 2845 Vgl. auch Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 56 a.E.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 30 sowie auch § 120 Rn. 43; K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198. 2846 Vgl. nur K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198 a.E. 2847 Noch weitergehend K. Schmidt, FS 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht, S. 193, 198 a.E. („betrifft diesen Anspruch nicht“). 2848 BGHZ 170, 283, 287. Auch trifft hier die hinter diesem Vorbehalt stehende Überle­gung zu, dass eine Unterwerfung unter den Mehrheitswillen in diesem Berei­ ch typischerweise nicht in ihrer vollen Tragweite erfasst wird (siehe S. 286 f.). 2849 Siehe oben bei und in Fn 2716; vgl. im vorliegenden Kontext insbesondere Priester, in: MünchKomm.-HGB, § 122 Rn. 59; Binz/Sorg, DB 1996, 969, 972; Ulmer, FS Lutter, S. 935, 952; H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 663.

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Steuerentnahmerecht

schaftsvertrag erteilte Zustimmung zum Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs angenommen werden.2850 Folgt man der hier vertretenen, restriktiven Auffassung nicht oder sind die soeben abgeleiteten Erfordernisse im Einzelfall erfüllt, so wäre auf „zweiter Stufe“ sorgfältig zu prüfen, ob in dem entsprechenden, das Steuerentnahmerecht ausschließenden oder beschränkenden Mehrheitsbeschluss ein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zu erblicken ist2851 – was immer dann nahe liegt, wenn es an einem außergewöhnlichen Liquiditätsengpass auf Gesellschaftsebene fehlt.2852 Dies hat besonders dann zu gelten, wenn der überstimmte Gesellschafter aufgrund des Beschlusses nicht einmal in der Lage ist, den Steuerbetrag aus entnommenen Gewinnen zu bestreiten.2853

2850 Vgl. in Bezug auf § 707 BGB etwa BGH ZIP 2008, 697, 697; BGH ZIP 2006, 754, 755 f.; C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 707 Rn. 7 ff.; K. Schmidt, ZGR 2008, 1, 20 f. sowie wiederum BGHZ 170, 283, 287; BGHZ 191, 293, 301. 2851 Vgl. im allgemeinen Kontext BGHZ 179, 13, 21 a.E.: Bei einem Eingriff in „relativ unentziehbare Rechte“ der Minderheit liege „regelmäßig eine treuepflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht vor.“ 2852 Vgl. auch Staub/C. Schäfer, HGB, § 122 Rn. 30 sowie für § 707 BGB C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 707 Rn. 9. In Fällen, in denen ein derartiger Liquiditätsengpass vorzufinden ist, muss allerdings immer bedacht werden, dass der Gesellschaft ohnehin ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht zustehen kann, das bereits das Entnahmerecht selbst beschränken und daher auf vorgelagerter Ebene eingreifen würde (vgl. oben S. 552). 2853 Vgl. auch OLG München DB 1994, 1465, 1466; Staub/C. Schäfer, HGB, § 120 Rn. 43; Flume, Personengesellschaft, S. 161 f. In einem derartigen Fall dürfte die § 707 BGB-Relevanz des Beschlusses im Übrigen kaum ernsthaft zu bestreiten sein (treffend H. Westermann, FS v. Caemmerer, S. 657, 663).

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§ 14 Gewerbesteuerausgleich A. Einleitung I. Die klassische Fragestellung Das Spannungsverhältnis von Einheits- und Vielheitsvorstellung bei der Besteuerung von Personengesellschaften setzt sich im Bereich der Gewerbesteuer fort und kann auch hier steuerwirkungsbedingte Schieflagen hervorrufen, die die Frage aufwerfen, ob zivilrechtliche Ausgleichsansprüche in Betracht kommen. Jedoch ist der normative Ausgangspunkt hier ein anderer als im Hinblick auf das bisher diskutierte Steuerentnahmerecht. Während nämlich die Einkommensteuerlast, die auf die gewerblichen Einkünfte entfällt, im Außenverhältnis in voller Höhe von den Gesellschaftern zu tragen ist, bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG seit 1977, dass Steuerschuldnerin der Gewerbesteuer die Personengesellschaft selbst ist,2854 während in Bezug auf die Gesellschafter lediglich eine Haftungsinanspruchnahme in Betracht kommt.2855 Trotz dieser scheinbar eindeutigen Regelung2856 und des Umstandes, dass das gewerbliche Unternehmen einer Personengesellschaft (vgl. § 2 Abs. 1 GewStG) zivilrechtlich von dieser betrieben wird,2857 besteht auch in Bezug auf die Gewerbesteuer ein Grundlagenstreit über die Unternehmensinhaberschaft.2858 Er ist namentlich für die Frage bedeutsam, welche Ergebnispositionen in den Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG einzubeziehen sind. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist das auch für Zwecke des Innenausgleichs von wesentlicher Bedeutung. Für die Vertreter des Einheitsmodells,2859 die sich auf den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer stützen können, handelt es sich bei § 5 2854 Vgl. bereits oben S. 549. 2855 Siehe nur Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 5 Anm. 61, 145 ff. Allerdings entsprach es auch vor 1977 der (freilich nicht zweifelsfreien) Praxis, dass der Gewerbesteuerbescheid an die Gesellschaft gerichtet wurde und die Steuer von ihr zu tragen war (näher dazu Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175, 177 f.; siehe auch etwa BT-Drucks. 7/5458, S. 11; BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 624). 2856 Vgl. auch Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 62 f. 2857 Siehe im vorliegenden Zusammenhang namentlich Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 20 f. 2858 Einzelheiten und Nachweise in den nachfolgenden Absätzen. 2859 Siehe für den gewerbesteuerrechtlichen Kontext insbesondere Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 758 ff.; dies., StuW 1985, 382, 384 ff.; dies., JbFStR 1975/76, 175, 176 ff. sowie Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.),

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Gewerbesteuerausgleich

Abs. 1 Satz 3 GewStG um den selbstverständlichen Ausdruck der persönlichen Steuerpflicht der Gesellschaft als (alleiniger) Trägerin des Gewerbebetriebs.2860 Dieser Vorschrift wird daher lediglich bestätigender Charakter zugemessen,2861 denn ihr Aussagegehalt sei schon vor der Aufnahme in das Gesetz geltendes Recht gewesen.2862 Da es in Bezug auf die Gewerbesteuer ausschließlich auf den Betrieb der Gesellschaft und dessen Ertragskraft ankomme, sei lediglich der von ihr generierte Gewinn maßgebend, so dass gesellschafterindividuelle Ergebniskorrekturen grundsätzlich keine Bedeutung für die Höhe des Gewerbeertrags haben könnten.2863 Dies gelte insbesondere für Ergänzungsbilanzergebnisse und Sondervorgänge, die ausschließlich die Verhältnisse des einzelnen Gesellschafters betreffen.2864 Folgt man dieser Auffassung, so wirft die Gewerbesteuer kein besonderes Ausgleichsproblem auf, denn es handelt sich bei ihr um Aufwand, der aus der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft herrührt und von dieser auch getragen wird.2865 Für die Gesellschafter ergäbe sich hieraus, systematisch konsequent, eine gleichmäßige Verminderung des verteilungsfähigen Gewinns, so dass kein Ausgleichsbedürfnis bestünde und es insbesondere an einer maßstabswidrigen Steuerlastverschiebung fehlte.2866 Kernfragen, S. 1, 20 ff.; Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 62 ff.; vgl. auch Kruse, DStJG 2 (1979), 37, 51 f.; Orth, Verlust-Kompensation, S. 200 ff. 2860 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 384. Der nachträglich geschaffene Satz 4 sei deshalb verfehlt (näher dies., Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 725 f.). 2861 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 384 a.E. 2862 Näher Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175, 176 ff.; siehe auch schon dies., StuW 1974, 1, 28 f. 2863 Vgl. (teilweise mit Unterschieden im Einzelnen) Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 21 f.; Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 64; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 758 ff.; dies., StuW 1985, 382, 384 ff.; dies., JbFStR 1975/76, 175, 186 ff.; Kruse, DStJG 2 (1979), 37, 51 f. 2864 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 386 ff.; dies., JbFStR 1975/76, 175, 187 ff.; speziell zur Anteilsveräußerung Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 20 f. 2865 § 4 Abs. 5b EStG ändert nichts daran, dass die Gewerbesteuerbelastung Aufwand darstellt, der den verteilungsfähigen Gewinn mindert (siehe etwa BFH/NV 2011, 1120, 1125; Selder, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 5 Rn. 22; Leve­dag, GmbHR 2009, 13, 15). 2866 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich auf Grundlage dieser Auffassung auch die Frage eines Ausgleichs unter den Gesellschaftern für inkongruente Wirkungen der Einkommensteueranrechnung nach § 35 EStG nicht stellte. Ferner wäre die Rechtslage im Falle von Gewerbeverlusten deutlich weniger problematisch; vgl. zu diesen Fragenkreisen sogleich unter II. sowie ausführlich unten C. und D.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Die soeben skizzierte Auffassung ist allerdings bekanntlich nicht die der herrschenden Meinung und findet insbesondere in der Rechtsprechung der Finanzgerichte keinen Widerhall. Ungeachtet § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG wird vielmehr das primär für das Einkommensteuerrecht abgeleitete Vielheitsmodell2867 auch hier als einschlägig angesehen.2868 Dementsprechend seien auch aus gewerbesteuerrechtlicher Sicht die Gesellschafter – und nicht die Gesellschaft – Betreiber des Unternehmens.2869 § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verweise zur Bestimmung des Steuergegenstandes nämlich auf den Begriff des „gewerblichen Unternehmens“ nach Einkommensteuerrecht und nehme damit die Gesamtregelung des § 15 EStG (und damit auch deren Auslegung durch die Rechtsprechung) in Bezug.2870 Dasselbe Verständnis liege auch § 7 Satz 1 GewStG zugrunde, wo unterschiedslos auf den einkommensteuerlich maßgebenden Gewinn und damit auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG insgesamt verwiesen werde.2871 Legt man diese Ansicht zugrunde, so lässt sich § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG dogmatisch nicht einordnen,2872 denn die Vorschrift zwingt nach diesem Verständnis zu einer Differenzierung zwischen Steuer2867 Dazu oben S. 518. 2868 Ausführlich BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 621 ff.; dem folgend etwa BFH BStBl. II 2010, 751, 755 f.; aus dem Schrifttum siehe beispielhaft Blümich/Gosch, § 5 GewStG Rz. 39; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 5 Anm. 18, 60 f., 70, 72; Levedag, GmbHR 2009, 13, 14; Wacker, FS Goette, S. 561, 576; trotz Zweifeln auch Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 99 ff.; vgl. ferner Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 16 ff.; ausführliche Nachzeichnung der Rechtsprechung, auch des abweichenden Standpunktes des RFH, bei Authenrieth, DStZ 1988, 120, 121 f.; Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 386 ff. 2869 BFH BStBl. II 2010, 751, 755 f.; BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 622 ff.; Blümich/ Gosch, § 5 GewStG Rz. 39; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 5 Anm. 18, 60 f., 70, 72; Levedag, GmbHR 2009, 13, 14; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 35 ff.; Wacker, FS Goette, S. 561, 576. 2870 Vgl. BFH BStBl. II 2010, 751, 756; BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 622 f.; Wacker, FS Goette, S. 561, 576; siehe auch Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 5 Anm. 18, 70. 2871 BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 623; siehe auch Levedag, GmbHR 2009, 13, 14; dezidiert a.A. Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 385; Kruse, DStJG 2 (1979), 37, 51 f.; weitere Argumente bei BFH aaO, S. 623 f. sowie Authenrieth, DStZ 1988, 120, 122. 2872 Vgl. BFH BStBl. II 2010, 751, 756; Blümich/Gosch, § 5 GewStG Rz. 39; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 5 Anm. 18, 61, 70; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 37 ff.; Wacker, FS Goette, S. 561, 577. Diese Vorschrift wird von den Vertretern des Vielheitsmodells als rein verfahrensrechtliche Regelung verstanden, die Bekanntgabe und Vollstreckung erleichtern soll (BFH GrS BSt Bl. II 1993, 616, 624; Blümich/Gosch, aaO; Sarrazin, aaO, Anm. 70 ff.; Wacker, aaO; siehe auch BT-Drucks. 7/5458, S. 11). Dass sie in das Gesetz aufgenommen worden sei, zeige im Übrigen, dass sie nicht nur deklaratorischer Natur sein könne (BFH aaO; Sarrazin, aaO, Anm. 73).

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pflichtigem und Steuerschuldner2873 – und bewirkt zugleich eine Belas­ tung der Gesellschaft mit Steuern auf Gewinne, die nicht auf ihre eigene gewerbliche Betätigung, sondern auf das Handeln ihrer Anteilseigner zurückzuführen wären, denn Letztere sind hiernach als Unternehmensinhaber anzusehen. Ebenso fragwürdig muss es – umgekehrt – erscheinen, dass es nicht zu einer gewerbesteuerlichen Belastung der Gesellschaftervermögen kommt.2874 Die gesellschafterbezogene Sichtweise führt ferner dazu, dass der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft den Bezugspunkt des Steuerzugriffs bildet, so dass prinzipiell alle ergebnisrelevanten Vorgänge auf erster und zweiter Stufe der Gewinnermittlung auch für die Gewerbesteuer von Bedeutung sind.2875 Genau hierin liegt der Grund für ein weiteres klassisches Steuerausgleichsproblem, nämlich die Frage, ob die Gewerbesteuerbelastung gesell­ schaftsintern nach Verursachungsbeiträgen aufgeteilt werden kann.2876 Auf diese Frage wird in einem ersten Schritt unter B. eingegangen. Hierfür ist es nicht erforderlich, das soeben angerissene Grundsatzproblem betreffend die Reichweite des Gewerbesteuerzugriffs bei Personengesellschaften und deren Hintergründe abschließend zu klären. Denn die extensive, dem Vielheitsgedanken verbundene finanzgerichtliche Rechtsprechung, auf der die hier zu erörternde Frage des Innenausgleichs aufbaut, bildet aus zivilrechtlicher Sicht ein von außen vorgegebenes Faktum,2877 das nicht negiert werden kann, solange die Praxis an ihrer Sicht der Dinge festhält und in entsprechender Weise judiziert wird. Daher bleibt für die nachfolgenden Betrachtungen nichts anderes übrig, als zu unterstellen, dass der Gewerbeertrag seinen Bezugspunkt in allen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu subsumierenden Gewinnteilen findet. Dass das dahinter stehende Vielheitsmodell schon in Bezug auf das Einkommensteuerrecht nicht zweifelsfrei ist2878 und zudem kaum mit den Be2873 Vgl. Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 5 Anm. 61, 104 ff.; Günkel/Leve­ dag, FR 2004, 261, 262 und 265; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 24, S. 37; Wacker, FS Goette, S. 561, 576 f. 2874 Vgl. Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 37 f. 2875 Siehe etwa Levedag, GmbHR 2009, 13, 14; Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 100 f.; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 12; Wacker, FS Goette, S. 561, 576. 2876 Siehe vorläufig die treffende Analyse bei Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 388 f. sowie Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 63 („Kollateralschäden“), der auch zutreffend darauf hinweist, dass hierzu nach aktuellem Recht auch Vorgänge nach § 7 Satz 2 GewStG zählen. Darauf ist zurückzukommen. 2877 Vgl. kontextübergreifend Koller, Privatrecht und Steuerrecht, S. 112. 2878 Vgl. oben S. 504 f. sowie die weiteren Ausführungen in den §§ 12, 13.

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sonderheiten des Gewerbesteuerrechts vereinbar erscheint,2879 muss folglich ebenfalls hingenommen werden. Immerhin scheint auch der Gesetzgeber von einem derartigen Verständnis auszugehen, wie namentlich § 10a Satz 4, 5 EStG belegt.2880 Die dahinter stehende Vorstellung von den Gesellschaftern als den maßgebenden Akteuren kommt in der neueren Gesetzgebung darüber hinaus auch etwa in den – ihrerseits nicht zweifelsfreien – Vorschriften der §§ 7 Satz 2, 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG sowie in § 35 EStG zum Ausdruck.

II. Weitere Problemfelder Gerade die zuletzt angeführten jüngeren Vorschriften werfen aus zivilrechtlicher Sicht weiteren, über die unter I. skizzierte klassische Fragestellung hinausgehenden Klärungsbedarf auf. So ist im Zuge der Einführung des § 35 EStG eine Diskussion darüber entstanden, ob im Verhältnis der Gesellschafter untereinander ein Ausgleich wegen inkongruenter Aufteilung von Anrechnungsbeträgen in Betracht kommt bzw. vereinbart werden sollte.2881 Das hat folgenden Hintergrund: Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG ist für die Bestimmung des jeweiligen Anteils am Gewerbesteuer-Messbetrag der allgemeine zivilrechtliche Gewinnverteilungsschlüssel maßgebend,2882 wobei inzwischen weithin anerkannt ist, dass dies für alle betroffenen Leistungsbeziehungen gilt2883 und prinzipiell nicht über gesellschaftsvertragliche Gestaltungen überwunden werden

2879 Siehe wiederum etwa Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 20 ff.; Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 384. 2880 Vgl. Blümich/Drüen, § 10a GewStG Rz. 61, 67; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 93; Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Anm. 46 f., 49; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 21 und 24 f.; Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 64 sowie auch Wacker, FS Goette, S. 561, 576 und 578; zu den Hintergründen dieser Regelung näher unten D II 2. 2881 Siehe dazu vorläufig Selder, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 5 Rn. 22; Leve­dag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 64; Schmidt/Wacker, EStG, § 35 Rn. 24; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 44 ff.; Neu, DStR 2000, 1933, 1936 ff.; Ottersbach, DStR 2002, 2023, 2023 ff.; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 87 ff.; M. Wendt, FR 2000, 1173, 1179 f. 2882 Zu Einzelheiten siehe Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 35 Rn. 25 ff. 2883 BFH BStBl. II 2010, 116, 119 f.; dem folgend nunmehr BMF BStBl. I 2010, 43, 43; ebenso Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 35 Rn. 25; Schmidt/Wacker, EStG, § 35 Rn. 8, 23; siehe auch bereits Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 63 f.; Ottersbach, DStR 2002, 2023, 2024; M. Wendt, FR 2000, 1173, 1179 f.; a.A. noch – differenzierend – BMF BStBl. I 2009, 440, 442 f.; BMF BStBl. I 2007, 701, 703; dem folgend Ritzer/Stangl, DStR 2002, 1785, 1787.

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kann.2884 Hinter dieser Regelung steht die Überlegung, dass die Gewerbesteuer Gesellschaftsaufwand darstellt (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG), der daher auch bei der Gewinnverteilung gleichförmig berücksichtigt wird.2885 Hierbei wird jedoch unterstellt, dass kein gesellschaftsinterner Ausgleich für gewerbesteuerrelevante Sachverhalte stattfindet, die auf Handlungen einzelner Gesellschafter beruhen.2886 Damit ist der Bogen geschlagen zu dem unter I. angesprochenen klassischen Steuerausgleichsproblem, mit dem die durch § 35 EStG aufgeworfene Fragestellung folglich eng verbunden ist.2887 So ist angenommen worden, dass sich die klassische Problemstellung infolge der Einführung des § 35 EStG zumindest im Grundsatz erledigt habe.2888 Dies hätte zur Konsequenz, dass es – wegen zweier entgegenlaufender Steuerwirkungen2889 – prinzipiell keines darüber hinausgehenden Innenausgleichs mehr bedürfte.2890 Diese Einschätzung trifft jedoch nicht zu.2891 Hiervon könnte nämlich nur dann ausgegangen werden, wenn die Anrechnung zumindest im Regelfall dazu führte, dass die über den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel „sozialisierte“2892 Gewerbesteuerbelastung, die auf gesellschafterindividuelle Handlungen entfällt,2893 aufgrund von 2884 Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 64; Schmidt/Wacker, EStG, § 35 Rn. 8, 24; Levedag, GmbHR 2009, 13, 16; siehe bereits Reiß, StuW 2000, 399, 412; a.A. noch Hey, FR 2001, 870, 874 a.E.; vgl. auch Bechler/Schröder, DB 2002, 2238, 2240; Daragan/Ley/Strahl, DStR 2000, 1973, 1979; Priester, DStR 2001, 795, 800; zu verbliebenen Gestaltungsmöglichkeiten vgl. Herzig/ Lochmann, DB 2000, 1728, 1732 f. 2885 Vgl. Herzig/Lochmann, DB 2000, 1728, 1729; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 61; J. Thiel, StuW 2000, 413, 419. 2886 Vgl. auch Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 7, 62, 64; Reiß, StuW 2000, 399, 412; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 87 ff.; M. Wendt, FR 2000, 1173, 1179 f. 2887 Vgl. auch Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 7, 62, 64; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 39 f., 44 f.; Hey, FR 2001, 870, 874; Kläne, Steuerwirkungen, S. 222 ff., S. 276 f.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 16; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 76 f.; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 87 ff. 2888 In diese Richtung Daragan/Ley/Strahl, DStR 2000, 1973, 1979; Herzig/Lochmann, DB 2000, 1728, 1729; Priester, DStR 2001, 795, 800. 2889 Vgl. Levedag, GmbHR 2009, 13, 16. 2890 Wäre das zutreffend, müsste eine Totalrevision der in der Praxis verbreiteten Gewerbesteuerklauseln durchgeführt werden (vgl. erneut Daragan/Ley/Strahl, DStR 2000, 1973, 1979; Priester, DStR 2001, 795, 800). 2891 Ebenso Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 39 f.; siehe ferner Kläne, Steuerwirkungen, S. 223 ff. sowie mit Blick auf § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG auch Scheifele, DStR 2006, 253, 253. 2892 Siehe etwa die Begriffsverwendung bei Levedag, GmbHR 2009, 13, 16. 2893 Hintergründe sogleich unter B I.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

§ 35 EStG bei allen Gesellschaftern vollkompensiert würde. Davon kann jedoch schon wegen der Anrechnungsüberhänge, die gerade bei hohen Sondervergütungen und anderen Gewinnen aus dem Sonderbereich in aller Regel auftreten werden,2894 keine Rede sein.2895 Darüber hinaus findet § 35 EStG nur auf Gesellschafter Anwendung, die natürliche Personen sind,2896 so dass es in anderen Fällen von vornherein zu keiner gegenläufigen Steuerwirkung kommen kann. Da beide Problemfelder folglich nebeneinander bestehen, werden sie im Folgenden auch darstellerisch getrennt. Die Anrechnungsfrage wird – als Folgeproblem – im Nachgang (unter C.) analysiert. Dies erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil sich diese Fragestellung im Wesentlichen auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander bezieht,2897 während die Belastung der Gesellschaft mit Gewerbesteuer, die aus der Sphäre einzelner Gesellschafter herrührt, zumindest im Ausgangspunkt das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern betrifft.2898 Unter D. wird sodann auf Situationen eingegangen, in denen gewerbesteuerliche Verluste eine Rolle spielen, denn in dieser Hinsicht stellen sich auch in Bezug auf die Gewerbesteuer besondere Innenausgleichspro-

2894 Zu Einzelheiten siehe (teilweise mit Berechnungsbeispielen) Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 62, 64; Daragan/Ley/Strahl, DStR 2000, 1973, 1979; Herzig/Lochmann, DB 2000, 1728, 1732; Hey, FR 2001, 870, 874 a.E.; Korezkij, BB 2001, 389, 391; Levedag, GmbHR 2009, 13, 16; Neu, DStR 2000, 1933, 1936; Ritzer/Stangl, DStR 2002, 1785, 1786; Rödder, DStR 2002, 939, 941; vgl. auch den Sachverhalt der Entscheidung BFH BStBl. II 2010, 116; siehe speziell zu gewerbesteuerpflichtigen Anteilsveräußerungen Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 35 Rn. 27; Schmidt/Wacker, EStG, § 35 Rn. 8; Füger/Rieger, DStR 2002, 933, 937 f.; Scheifele, DStR 2006, 253, 259; allgemein zu Anrechnungsüberhängen und ihren Entstehungsgründen Levedag, aaO, Anm. 7; Herzig/ Lochmann, aaO, S. 1731 ff.; M. Wendt, FR 2001, 1173, 1177 ff. 2895 Siehe auch Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 40; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 61 ff.; vgl. ferner Levedag, GmbHR 2009, 13, 16. Ein Anrechnungsvortrag ist im Gesetz nicht vorgesehen (siehe dazu etwa BFH BStBl. II 2009, 7, 8 ff.; Schmidt/Wacker, EStG, § 35 Rn. 16; Rödder, DStR 2002, 939, 940). 2896 Siehe nur Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 35 Rn. 6. Dies betonen im vorliegenden Kontext auch Kläne, Steuerwirkungen, S. 70; Scheifele, DStR 2006, 253, 253. Dahinter steht die Überlegung, dass § 35 EStG nicht zuletzt als Kompen­ sation für die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes gedacht gewesen ist (vgl. BT-Drucks. 14/2683, S. 97; dazu vertiefend Hey, FR 2001, 870, 870 f.; dies., DStJG 24 (2001), 155, 182 ff., 204 ff.; Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 128 ff.; Jachmann, BB 2000, 1432, 1434 ff.; J. Thiel, StuW 2000, 413, 413 ff.) – und daher nur Personenunternehmen zugute kommen kann. 2897 Näher unten C II. 2898 Dazu vertiefend unten B II.

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bleme.2899 Dies gilt sowohl für die innerperiodische Verrechnung von Verlusten zwischen der Gesellschaft und/oder den Gesellschaftern als auch im Falle des Entstehens vortragsfähiger Fehlbeträge nach § 10a GewStG. So weist Satz 4 dieser Norm den gesamten gewerbesteuerrechtlichen Fehlbetrag der Mitunternehmerschaft den Gesellschaftern zu und knüpft dabei zudem (wie auch § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG) an den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel an. Dies kann zu Inkongruenzen führen und insbesondere zur Folge haben, dass es bei Gesellschafterwechseln zu einem sachlich nicht veranlassten, asymmetrischen Untergang von Verlustverrechnungspotential kommt.2900 Aufgrund von § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG kann hierfür sogar eine Änderung der Anteilseignerstruktur bei unmittelbar oder mittelbar beteiligten Körperschaften genügen. Für derartige Situationen lässt sich die Frage stellen, ob der Gesellschaft (oder den übrigen Gesellschaftern) Ausgleichsansprüche wegen des Entfalls vortragsfähiger Fehlbeträge zustehen können, denn die Ursache hierfür ist auf der Ebene der betroffenen Gesellschafter gesetzt worden. Auch hierauf wird unter D. eingegangen. Damit ist zugleich das allgemeinere – und weit über den Bereich des Gewerbesteuerrechts hinausreichende – Problem der Bewältigung der im Schrifttum häufig so genannten „fremdbestimmten Steuerwirkungen“ angesprochen,2901 das sich beispielsweise auch im Bereich der „Zinsschranke“ (§§ 4h EStG, 8a KStG) sowie im Anwendungsbereich des § 8c KStG und der auf ihn verweisenden Vorschriften2902 stellen kann. Dieser Problemkreis wird im Anschluss – aufbauend auf die bis dahin erzielten Erkenntnisse – im Rahmen einer Gesamtschau beleuchtet.2903

2899 Soweit Verf. ersichtlich, hat sich zu den hier angerissenen Fragestellungen, die unter D. im Einzelnen erörtert werden, bisher kein Meinungsstand gebildet. 2900 Zu den Auswirkungen von § 10a Satz 4, 5 GewStG bei Änderungen im Gesellschafterbestand siehe im Einzelnen R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 GewStR 2009; Blümich/Drüen, § 10a GewStG Rz. 67 ff.; Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Anm. 69 ff.; Einzelheiten und Hintergründe unter D II 2.; zum Schicksal von Verlustvorträgen bei sonstigen Strukturvorgängen näher Kleinheisterkamp, aaO, Anm. 59 ff. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf Situationen, in denen auf Ebene der Gesellschaft selbst keine gewerbesteuerrechtlich relevanten Veränderungen stattfinden. 2901 Siehe bereits oben S. 10 f. 2902 Siehe neben § 10a Satz 10 GewStG auch § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG, § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG. 2903 Siehe unten § 15.

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B. Gesellschafterbedingte Veränderungen des Gewerbeertrags I. Meinungsstand Es dürfte allgemein anerkannt sein, dass ein innergesellschaftliches Ausgleichsbedürfnis besteht, wenn die Gesellschaft mit Gewerbesteuer für Sachverhalte belastet wird, die nicht auf ihr unternehmerisches Handeln zurückzuführen, sondern vielmehr einzelnen Gesellschaftern zurechenbar sind.2904 Es sei angezeigt, denjenigen mit dem entsprechenden Steueraufwand zu belasten, der ihn verursacht habe.2905 Andererseits müssten ihm spiegelbildlich auch Gewerbesteuerminderungen zugute kommen, die auf seine Handlungen zurückgehen.2906 Gedacht wird in erster Linie an Ergänzungsbilanzergebnisse sowie Gewinne und Verluste aus dem Sonderbereich2907 und aus (ausnahmsweise)2908 gewerbesteuerpflichtigen Anteilsveräußerungen.2909 Die so skizzierte Sichtweise lässt sich sowohl vom Standpunkt der Einheitslehre als auch auf Grundlage der Vielheitsvorstellung vertreten, wenn man voraussetzt, dass der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft gewerbesteuerlich verhaftet ist:2910 Aus der Warte des Vielheitsmodells werden die individuellen Verursachungsbeiträge über den Umweg des Innenausgleichs sachgerecht verteilt und auf diese Weise – unter faktischer Loslösung von § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG – Ergebnis2904 In diesem Sinne Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123; Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 22 ff.; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 21 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765 f.; dies., StuW 1985, 382, 388 f.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 15 a.E.; Reiß, StuW 2000, 399, 412; vgl. auch Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 43. 2905 Vgl. Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123; Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 23; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 21 f.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765 f.; dies., StuW 1985, 382, 389; Levedag, GmbHR 2009, 13, 15 ff.; Reiß, StuW 2000, 399, 412; Roser, EStB 2003, 157, 157 f. 2906 Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 23; Levedag, GmbHR 2009, 13, 15 a.E., 17; siehe auch Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 36. 2907 Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765 f.; dies., StuW 1985, 382, 389; Levedag, GmbHR 2009, 13, 15 a.E., 17; Reiß, StuW 2000, 399, 412; Roser, EStB 2003, 157, 157 f. sowie auch Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 43, die jedoch im Ausgangspunkt stärker differenzieren (Rn. 37, 41); differenzierend auch Rabald, Steuerwirkungen, S. 403 ff. 2908 Einzelheiten unter III. 2909 Vgl. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 38, 41, 43; Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 22 ff.; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 21 f.; Roser, EStB 2003, 157, 157 f.; Scheifele, DStR 2006, 253, 254; Stümper/Walter, GmbHR 2008, 31, 35. 2910 Siehe dazu oben A I.

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Gewerbesteuerausgleich se erzielt, die sich wertungsmäßig mit denjenigen der Einkommensbesteuerung decken.2911 Aus Sicht des Einheitsmodells wird hingegen die Abweichung der Besteuerung von der an sich konsequenten ausschließlichen Bezugnahme auf die Verhältnisse der Gesellschaft so weit wie möglich auf zivilrechtlichem Wege korrigiert.

Wird mithin die Sinnhaftigkeit eines Innenausgleichs wohl allgemein bejaht, so besteht doch Streit über die Frage, ob es hierzu einer besonderen gesellschaftsvertraglichen Regelung bedarf. Dieser Frage hat sich Brigitte Knobbe-Keuk in einem grundlegenden Beitrag aus dem Jahr 1985 angenommen – und sie verneint.2912 Ausgehend vom Einheitsmodell kritisiert sie zunächst die finanzgerichtliche Praxis, nach der zum Gewerbeertrag unterschiedslos auch solche Vorgänge zählen sollen, die aus Ergänzungsbilanzergebnissen und dem Sonderbereich herrühren.2913 Hierdurch werde auf zivilrechtlicher Ebene Ausgleichsbedarf ausgelöst, denn die übrigen Gesellschafter müssten eine Steuerbelastung mittragen, die nicht auf dem Handeln der Gesellschaft beruhe – was nicht interessengerecht sei.2914 Dahinter steht die Überlegung, dass es sich bei der Gewerbesteuerbelastung um Gesellschaftsaufwand handelt (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG), der nach allgemeinen Verbuchungsgrundsätzen an sich gleichmäßig (über den Gewinnverteilungsschlüssel) auf alle Gesellschafter entfiele.2915 Eben an dieser Stelle setzt Knobbe-Keuk an, die über eine zweckentsprechende Auslegung der Gewinnverteilungsabrede (und damit im Wege einfacher Auslegung)2916 zu einem von ihr als sachgerecht angesehenen Ergebnis gelangen will:2917 Den Ausgangspunkt ihrer Lösung bildet die 2911 Hieran wird im Übrigen deutlich, dass die Bezugnahme auf den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel in § 10a Satz 4, 5 GewStG, § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG auch nach diesem Verständnis inkonsequent ist (vgl. auch BFH BStBl. II 2008, 140, 145 f.). 2912 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 389; ebenso dies., Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765 f. (mit Berechnungsbeispiel). 2913 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 384 ff. (in Anknüpfung an frühere Stellungnahmen; vgl. die Nachweise oben S. 570 f.). 2914 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 388 f.; siehe auch dies., Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765 f. 2915 Siehe dazu nur Levedag, GmbHR 2009, 13, 14 f.; Scheifele, DStR 2006, 253, 254 a.E. 2916 Über eine ergänzende Vertragsauslegung könne dem Problem hingegen nicht begegnet werden, und zwar insbesondere deshalb nicht, weil verschiedene Lösungsmöglichkeiten in Betracht kämen und eine Lückenfüllung durch den Rechtsanwender als vertragsunbeteiligten Dritten stets problematisch sei (Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 389). 2917 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 389.

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Überlegung, dass die Rechtsprechung der Gewerbesteuer ihren Charakter als Gesellschaftssteuer genommen und sie zu einer Zusatzbelastung auf einkommensteuerpflichtige Einkünfte der Gesellschafter umfunktioniert habe.2918 Bei dem Gewinnanteil, der den Gesellschaftern zivilrechtlich zustehe, handele es sich jedoch um eine Bruttogröße, die sich auf den Betrag vor eigenen Steuern beziehe.2919 Da die Besteuerung nach dem Verständnis der herrschenden Meinung aber der Sphäre des einzelnen Gesellschafters zugehöre, sei der Gesellschaftsgewinn nach Gewerbesteuer nicht mehr als Bemessungsgrundlage für seine Verteilung unter den Gesellschaftern geeignet.2920 Vielmehr habe jeder Gesellschafter die auf seine einkommensteuerlichen Einkünfte entfallende Gewerbesteuer selbst zu tragen.2921 Daher komme für die Gewinnverteilung nur eine Ausgangsgröße in Betracht, die nicht durch Verhältnisse einzelner Gesellschafter beeinflusst werde – und das sei der Gesellschaftsgewinn vor Gewerbesteuer.2922 Aus dieser Größe seien vorläufige Gewinnanteile zu bilden, die individuell um den Gewerbesteueraufwand gekürzt werden müssten, der dem einzelnen Gesellschafter zuzurechnen sei.2923 Ihm zuzuordnen seien die auf das Ergebnis der Gesellschaftsbilanz entfallende Gewerbesteuer entsprechend dem Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssel sowie die auf seine Ergänzungs- und/oder Sonderbilanzen entfallende Gewerbesteuer in voller Höhe.2924 Der Ansatz Knobbe-Keuks ist in Teilen des Schrifttums auf Zustimmung gestoßen.2925 Von anderer Seite wird er hingegen abgelehnt und zugleich herausgestellt, dass ein Gewerbesteuerausgleich nur auf spezieller vertraglicher Grundlage in Betracht komme:2926 Auf die Vertragsauslegung 2918 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 389. 2919 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 389. 2920 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765; dies., StuW 1985, 382, 389. 2921 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765; dies., StuW 1985, 382, 389. 2922 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765; dies., StuW 1985, 382, 389. 2923 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765; dies., StuW 1985, 382, 389. 2924 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765 f.; dies., StuW 1985, 382, 389. 2925 Regniet, Ergänzungsbilanzen, S. 139; Reiß, StuW 2000, 399, 412; im gleichen Sinne Selder, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 5 Rn. 22; siehe auch Döllerer, DStR 1985, 295, 301, der jedoch bei atypisch stillen Gesellschaften von einem Zahlungsanspruch ausgeht. 2926 Siehe insbesondere Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123 f.; zustimmend Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 24 f.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 15 a.E.; siehe auch

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lasse sich das von Knobbe-Keuk für richtig erachtete Ergebnis nicht stützen, da Maßnahmen auf Gesellschafterebene, die zu Ergänzungs- bzw. Sonderergebnissen führten, regelmäßig mit Einverständnis der übrigen Gesellschafter erfolgten bzw. nur mit ihrer Zustimmung zulässig seien.2927 Wenn in einem derartigen Fall keine Ausgleichsvereinbarung getroffen werde, müsse davon ausgegangen werden, dass die Gesellschafter es bei den allgemeinen Grundsätzen über die Aufwandsverbuchung belassen­wollten, so dass eine abweichende Vertragsauslegung nicht in Betracht komme.2928 Auch sei (selbst in Sonderfällen) keine andere Anspruchs­grundlage einschlägig, da weder das Bereicherungsrecht Anwendung finde, noch das Treuepflichtkonzept oder die Geschäftsgrundlagenlehre fruchtbar gemacht werden könnten.2929 Nach dieser Auffassung ist ein Gewerbesteuerausgleich folglich nur dann geschuldet, wenn eine besondere, darauf gerichtete Vereinbarung getroffen worden sei.2930 Keine Unterschiede zum Ansatz Knobbe-Keuks ergeben sich allerdings in Bezug auf die Art und Weise dieses Ausgleichs, denn nach den vorgeschlagenen Vertragsklauseln soll er (zumindest im Grundsatz) über eine Verbuchung des Gewerbesteueraufwands nach Verursachungsbeiträgen bewirkt werden.2931

II. Stellungnahme: Ausgangspunkt Auch für diesen Bereich gilt zunächst das zum Steuerentnahmerecht Angeführte: Besteht eine wirksam getroffene vertragliche Bestimmung, die den Gewerbesteuerausgleich abschließend regelt, so erübrigt sich die

Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 120 ff.; vgl. ferner BFH BSt Bl. II 1978, 647, 648; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 42 f.; Crezelius, FS Spiegelberger, S. 65, 70 a.E.; Günkel/Levedag, FR 2004, 261, 265 f.; vgl. speziell in Bezug auf Sondervergütungen auch Rabald, Steuerwirkungen, S. 403 ff. 2927 Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123 a.E. 2928 In diesem Sinne Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123 a.E. und 124. 2929 Näher Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123 f.; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 42; siehe auch Levedag, GmbHR 2009, 13, 15 a.E. 2930 Siehe wiederum Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123 f. sowie die in Fn 2926 zitierten weiteren Autoren. 2931 Vgl. (ohne Einschränkungen) Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 43; Levedag, GmbHR 2009, 13, 15 a.E.; im Ausgangspunkt auch Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 23 f.; Roser, EStB 2003, 157, 157 f., die sich jedoch (namentlich mit Blick auf die Fälle des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG) dort für die Vereinbarung von Leistungspflichten aussprechen, wo kein genügend hoher Gesellschaftsgewinn angefallen ist.

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hier zu bewertende Fragestellung, weil diese Regelung Vorrang hat.2932 Ist die entsprechende Vertragsklausel hingegen inhaltlich uneindeutig oder besteht wegen einer Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten Auslegungs- oder Anpassungsbedarf, so richtet sich die Problembewältigung nach den allgemeinen vertrags- und gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen.2933 An dieser Stelle zu beantworten bleibt daher die Frage, ob zivilrechtliche Ausgleichsmechanismen auch dann in Betracht kommen, wenn keine besondere Vereinbarung besteht.2934 Wie soeben dargelegt, hat KnobbeKeuk diese Frage bejaht und zugleich einen engen Zusammenhang mit den gewerbesteuersystematischen Verwerfungen hergestellt, die sie in der finanzgerichtlichen Praxis vorgefunden hat – und die in jüngerer Zeit auch verstärkt Eingang in die Gesetzgebung gefunden haben.2935 Ihre Beobachtung, dass die Orientierung der Gewerbesteuer am Vielheitsge­ danken durch Einbeziehung von Vorgängen auf Gesellschafterebene ein innergesellschaftliches Ausgleichsbedürfnis hervorgerufen hat, ist offensichtlich zutreffend.2936 Knobbe-Keuk zufolge muss dem auf zivilrechtlichem Wege (durch interessengerechte Auslegung der Gewinnverteilungsabrede) begegnet werden. Allerdings stellt sie keine vollständige Kongruenz zwischen ihrem gewerbesteuerrechtlichen Ansatz und der zivilrechtlichen Seite des Problems her, denn die Differenzierungen, die nach ihrer Auffassung bei richtiger Anwendung der gewerbesteuerrechtlichen Vorschriften im Hinblick auf den Sonderbereich an sich vorzunehmen wären, finden in ihren Ausführungen zum Innenausgleich keinen Widerhall.2937 2932 Näher oben S. 540 mit den dort in Bezug genommenen Teilen dieser Untersuchung. Eine Analyse der im Einzelnen vorgeschlagenen Klauselwerke (vgl. die Nachweise in Fn 2931) bildet nicht den Gegenstand der vorliegenden Betrachtungen (vgl. auch schon oben Fn 2505). 2933 Diese sollen hier ebenfalls nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden (siehe dazu Haase, StuW 2012, 148, 155 ff.); vgl. zu Auslegungsfragen bei bestehender Gewerbesteuerklausel, die infolge der Einführung des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG entstanden sind, Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 24, der eine Einbeziehung der hierdurch ausgelösten Steuerfolgen im Wege ergänzender Vertragsauslegung grundsätzlich bejahen will. Der von ihm für Fälle des Fehlens einer entsprechenden Regelung erwogene Anspruch auf Änderung des Gesellschaftsvertrags (S. 26 ff.) ist nach der im Folgenden entwickelten Lösung nicht erforderlich. 2934 Scheifele, DStR 2006, 253, 255 zufolge soll es sich hierbei nach wie vor um den empirischen Regelfall handeln. 2935 Vgl. insbesondere die am Ende von A I. zitierten neueren Vorschriften. 2936 Zu Einzelheiten siehe die nachfolgenden Ausführungen. 2937 Vgl. einerseits Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 760 f. (Tätigkeitsvergütungen als Teil des Gewerbeertrages) sowie auch dies., StuW

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Einer sorgfältigen Scheidung zwischen diesen beiden Ebenen bedarf es in der Tat, und zwar in stärkerem Maße, als es bisher im Schrifttum anerkannt wird.2938 Es ist nämlich nicht die Aufgabe des zivilrechtlichen Ausgleichsregimes, systematische Fehler zu bereinigen, die bei Fassung bzw. Auslegung steuerrechtlicher Tatbestände entstanden sind. Vielmehr geht es im vorliegenden Kontext aus zivilrechtlicher Warte allein um die Bewältigung etwaiger Ungleichgewichte, die hierdurch im Innenverhältnis eingetreten sind2939 – was deckungsgleich sein kann, aber nicht sein muss. Welche Ausgestaltung bzw. Auslegung von Normen des Gewerbesteuerrechts „eigentlich“ richtig bzw. konsequent wäre, ist für die Zivilrechtsanwendung mithin, isoliert betrachtet, ohne Bedeutung.2940 Auch können einfachgesetzliche Strukturprinzipien des Steuerrechts im Rahmen der zivilrechtlichen Rechtsfindung von vornherein kein Abwägungsgewicht entfalten, soweit sie in dem jeweiligen Sachbereich (hier: Gewerbebesteuerung von Personengesellschaften) vom Steuergesetzgeber gar nicht umgesetzt worden sind. Das lenkt den Blick – entsprechend der in dieser Untersuchung herausgearbeiteten grundsätzlichen Vorgehensweise – erneut auf das Leistungsfähigkeitsprinzip und damit die Frage, ob in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation eine punktuell-maßstabswidrige, d.h. partiell nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip übereinstimmende Verschiebung von Steuerlasten festzustellen ist.2941 Diese Prüfung ist eröffnet, weil das Gewerbesteuerrecht jedenfalls in seiner heutigen Ausprägung am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen ist – was dem Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts entspricht2942 und kaum ernsthaft bestritten werden kann.2943 Macht man mit der soeben formulierten Fragestellung ernst, so ergibt sich zumindest im Ausgangspunkt allerdings ein Perspektivenwechsel: Bisher nehmen nahezu alle Autoren, die sich zu diesem Problem geäußert haben, inzident auf das Verhältnis der Gesellschafter un1985, 382, 385 f. (Anwendung der Hinzurechnungsvorschriften bei Darlehens-, Miet- und Pachtzinsen) und andererseits dies., Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765 f.; dies., StuW 1985, 382, 389 (Innenausgleich offenbar unterschiedslos und in voller Höhe für alle Gewerbesteuerwirkungen aus dem Sonderbereich); in Bezug auf Steuerklauseln in dieser Hinsicht differenzierend hingegen Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 37, 41. 2938 Darauf wird sogleich im Einzelnen zurückgekommen (unter III.). 2939 Vgl. oben § 7; vertiefend vor allem unten in § 15. 2940 Siehe zu Folgerungen, die hieraus für die vorliegende Fragestellung zu ziehen sind, ebenfalls sogleich unter III. 2941 Siehe bereits die einleitenden Ausführungen in § 12 unter B. und C. 2942 BVerfGE 120, 1, 44 f.; BVerfGE 116, 164, 185 f. 2943 Vgl. die Nachweise in Fn 789.

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tereinander Bezug, indem sie es im Wege einer differenzierten Verbuchung gesellschafterindividueller Gewerbesteuereffekte auf ihren Konten lösen wollen.2944 Aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips ist hingegen in erster Linie das Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft betroffen, denn bei dieser treten Steuerwirkungen auf, deren Ursache nicht sie, sondern der einzelne Gesellschafter gesetzt hat. Unter III. wird daher in einem ersten Schritt der Frage nachgegangen, inwieweit es sich bei den hier in Rede stehenden Gewerbesteuereffekten um prinzipiell ausgleichsfähige Steuerlastverschiebungen zwischen dem einzelnen Gesellschafter und der Gesellschaft handelt, wobei auch auf den Drittbezug der Fragestellung, d.h. das Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftern einzugehen ist. Sodann wird unter IV. untersucht, ob und auf welche Weise ein zivilrechtlicher Ausgleich in Betracht kommt.

III. Gewerbesteuerbelastung und Leistungsfähigkeitsprinzip Analysiert man die Problemstellung unter dem Blickwinkel des Leistungsfähigkeitsprinzips,2945 so gelangt man zu ganz ähnlichen Befunden wie beim Steuerentnahmerecht – wenn auch weithin in entgegengesetzter Richtung: Was zunächst die Gewerbesteuerbelastung auf Gesellschaftsergebnisse angeht, die auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung erzielt worden sind,2946 ist zumindest im Ausgangspunkt keine Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip festzustellen. Denn die entsprechende Leistungsfähigkeitsmehrung ist auf Ebene der Gesellschaft eingetreten, weshalb die Steuertragung durch sie konsequent ist.2947 Ein Steuerausgleichsproblem stellt sich auch dann nicht, wenn die Gesellschafter zivilrechtlich zur (Voll-)Entnahme ihres Gewinnanteils berechtigt sind, denn zur Verteilung gelangt ohnehin nur der nach Abzug der Steuerlast verbleibende Gewinnbetrag. Es bleibt noch zu klären, ob von dem betroffenen Gesellschafter ohne besondere Vereinbarung nicht wenigstens ein Ausgleich für laufende Ge2944 Vgl. – neben Knobbe-Keuk – die in Fn 2931 nachgewiesenen Autoren. 2945 Die nachfolgende Darstellung baut auf den Ausführungen zum Steuerentnahmerecht, insbesondere zur Aussagekraft des Leistungsfähigkeitsprinzips bei der Besteuerung von Personengesellschaften (oben § 13 C.), auf, so dass die dort abgehandelten Einzelaspekte, soweit sie für den vorliegenden Kontext von Bedeutung sind, zur Vermeidung von Wiederholungen nicht erneut erörtert werden. 2946 Entsprechend den Ausführungen auf S. 573 wird hier und im Folgenden unterstellt, dass sich der Gewerbeertrag grundsätzlich nach dem Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft bestimmt, so dass beide Stufen der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung einbezogen sind. 2947 Vgl. auch schon oben bei Fn 2865.

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werbesteuerauswirkungen verlangt werden kann, die sich aus einer etwaigen Ergänzungsbilanz ergeben. Wie unter II. herausgestellt wurde, kann es hierfür keine Rolle spielen, welchen Standpunkt man zu der Frage einnimmt, ob es gewerbesteuersystematisch richtig ist, diese Ergebnisse in den Gewerbeertrag einzubeziehen.2948 Für die zivilrechtliche Betrachtung kommt es vielmehr in erster Linie darauf an, ob in dieser Höhe beim Gesellschafter eine aktuelle Steigerung bzw. Verminderung seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit eingetreten ist, denn nur dann läge eine punktuell-maßstabswidrige Verschiebung von Steuerwirkungen vor. Dies ist jedoch – analog den Ausführungen zur spiegelbildlichen Fragestellung beim Steuerentnahmerecht2949 – nicht der Fall, denn den Bezugspunkt auch dieser Ergebnisse bilden die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens, mit denen sie (und nicht der einzelne Gesellschafter) wirtschaftet und deren Schicksal folgerichtig ihre Vermögenssphäre betrifft, so dass sich die entsprechenden Veränderungen auf der ersten Stufe der steuerlichen Gewinnermittlung niederschlagen.2950 Anders gewendet: Der Gesellschafter hat zwar die Ursache des ergänzungsbilanzbedingten Mehr- und Mindergewinns gesetzt. Auswirkungen hat dies – aufgrund steuerspezifischer Korrekturen – aber (zunächst) nur auf die Gewinnermittlung auf Ebene der Gesellschaft, ohne dass hiermit eine (realisierte) Erhöhung oder Verminderung eigener Vermögenswerte des Gesellschafters korrespondierte.2951 Die Zuweisung der laufenden Ergänzungsbilanzergebnisse zur Gesellschaft erscheint daher unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten (wenn nicht als geboten, so doch) gut vertretbar. Dies gilt umso mehr, als dieser Sachverhalt auch im Falle einer späteren, gewerbesteuerpflichtigen Anteilsveräußerung bzw. -aufgabe Berücksichtigung finden kann.2952 Selbstverständlich steht es den Gesellschaftern aber offen, gesellschaftsvertraglich eine Korrektur ergänzungsbilanzbedingter Steuerwirkungen zu vereinbaren, was in der Praxis auch bisweilen geschieht.2953 Ohne eine derartige Regelung besteht jedoch zumindest von Verfassungs wegen kein Anlass für eine zivilrechtliche Abänderung. Vielmehr ist insoweit das allgemeinere Problem der „fremdbestimmten Steuerwirkungen“ an2948 Dazu näher Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 388. 2949 Siehe oben § 13 A. 2950 Siehe oben S. 512 mit entsprechenden Nachweisen. 2951 Speziell zur fehlenden steuerlichen Abbildung von Wertänderungen der Beteiligung vor Beendigung der Mitgliedschaft vgl. Fn 2517. 2952 Dazu unten S. 606 f. 2953 Vgl. erneut Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 43; Levedag, GmbHR 2009, 13, 17 (siehe andererseits aber den dort in Fn 30 zitierten Gestaltungsvorschlag).

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gesprochen, das in § 15 übergreifend analysiert wird. An dieser Stelle kann jedenfalls festgehalten werden, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu einem laufenden Ausgleich von Gewerbesteuerfolgen nötigt, die auf Ergänzungsbilanzergebnisse entfallen.2954 Anders stellt sich Rechtslage hingegen in Bezug auf Erträge und Aufwendungen dar, die auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung zu berücksichtigen sind, denn sie aktualisieren sich im Gesellschaftervermögen.2955 Hierin ist eine Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip zu er­blicken, da die darauf entfallenden Gewerbesteuerwirkungen nicht beim Gesellschafter, sondern bei der Gesellschaft eintreten.2956 Gleichzustellen sind Veräußerungs- und Aufgabevorgänge, die den Gesellschaftsanteil selbst betreffen, soweit sie – aufgrund von § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG oder nach anderen Vorschriften oder Grundsätzen2957 – ausnahmsweise gewerbesteuerpflichtig sind, denn auch insoweit fallen Ergebniserzielungs- und Steuertragungssubjekt auseinander.2958 2954 Gleiches gilt grundsätzlich auch für andere gesellschafterindividuellen Umstände, die sich auf die Gewinnermittlung erster Stufe auswirken; dazu bereits oben S. 513. 2955 In Bezug auf Sondervergütungen wird hier (etwas vereinfachend, vgl. Fn 2508) unterstellt, dass die entsprechenden Beträge ausgeschüttet werden bzw. zumindest zeitnah entnehmbar sind. 2956 Nur hierauf kann es für das Innenverhältnis wiederum ankommen. Demgegenüber ist es – um die bei Fn 2937 in Bezug genommenen Ausführungen Knobbe-Keuks aufzugreifen – auch in dieser Hinsicht nicht von Bedeutung, welche Positionen aus dem Sonderbereich bei gewerbesteuersystematisch „richtiger“ Gesetzesfassung bzw. -auslegung zu berücksichtigen wären. 2957 So sieht der BFH Teilanteilsveräußerungen (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG) sowie Vorgänge nach § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG und § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG als gewerbesteuerpflichtig an (vgl. BFH BStBl. II 2010, 912, 915; BFH BStBl. II 2007, 777, 780 f.; BFH BStBl. II 2004, 754, 754 ff.; jeweils streitig); siehe ferner die ausdrückliche gesetzliche Anordnung in § 18 Abs. 3 Satz 2 UmwStG (zu seinem Verhältnis zu § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG näher Günkel/Levedag, FR 2004, 261, 261 f. und 264 f.); weitere Einzelheiten bei Roser, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 7 Anm. 323 ff.; siehe zum Ganzen auch Behrens/Schmitt, BB 2002, 860, 860 ff.; Beußer, FR 2001, 880, 880 ff.; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 41 ff. 2958 Siehe auch die Nachweise in Fn 2909. Der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer wird hierdurch geradezu gesprengt; vgl. auch die Kritik bei Hey, in: Schön/ Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 20 ff.; Beußer, FR 2001, 880, 884; Günkel/Levedag, FR 2004, 261, 262 ff. Auf die daraus resultierenden Folgefragen bei der Zivilrechtsanwendung wird unter IV. zurückgekommen. Entgegen Günkel/ Levedag, aaO, S. 265 f. (vgl. auch Hey, GS Trzaskalik, S. 219, 235 f.) ist es allerdings nicht möglich, die Vielheitsvorstellung auf die Spitze zu treiben und entgegen § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG den veräußernden Gesellschafter in Bezug auf derartige Vorgänge als Schuldner der Gewerbesteuer anzusehen (wie hier Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 46 ff.; siehe auch Bechler/Schröder, DB 2002,

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Die hier für Zwecke der Zuordnung steuerlicher Leistungsfähigkeit inzident zugrunde gelegte Unterscheidung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern mag zwar speziell aus steuerrechtlichem Blickwinkel gewöhnungsbedürftig erscheinen, korrespondiert jedoch wiederum mit der zivilrechtlichen Zuweisung von Rechten und Pflichten, die zu einer Trennung zwischen den betroffenen Vermögenssphären nötigt2959 und die im Gewerbesteuerrecht in § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG sogar einen positivrechtlichen Anhaltspunkt findet.2960 Allerdings – und das bildet den Hintergrund des bisher im Schrifttum vertretenen Lösungsvorschlags2961 – kommt der vorliegenden Problemstellung insoweit Drittwirkung zu, als eine entschädigungslose Zuweisung des Gewerbesteuereffekts zur Gesellschaft Auswirkungen auch auf die Situation der übrigen Gesellschafter hätte, weil sich hierdurch, vermittelt über den Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssel, die Höhe ihrer Konten ändern würde. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Konsequenzen, die aus diesem Umstand für die aktuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der anderen Gesellschafter zu ziehen sind, auch von der Ausgestaltung ihres Entnahmerechts abhängen.2962 Daran zeigt sich, dass eben doch die Gesellschaft selbst das primär betroffene Rechtssubjekt ist. Andererseits machen die vorstehenden Überlegungen deutlich, dass die oben festgestellte Steuerlastverschiebung zwischen dem jeweils betroffenen Gesellschafter und der Gesellschaft auch Auswirkungen auf die übrigen Gesellschafter hat – und daher auch von denjenigen nicht negiert werden könnte, die (anders als hier vertreten) einer eigenen Leistungsfähigkeitssphäre der Ge­ sellschaft ablehnend gegenüberstehen. Berücksichtigt man zudem, dass 2238, 2239; Behrens/Schmitt, BB 2002, 860, 861; Brinkmann/Schmidtmann, DStR 2003, 93, 94; Füger/Rieger, DStR 2002, 933, 935). Auch erscheint die bei Günkel/Levedag zugrunde gelegte Differenzierung zwischen Anteilsveräußerungen und Veräußerungen von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens (vgl. S. 266) ebenso inkonsequent wie die Nichterstreckung ihres Gedankens auf Veräußerungsgewinne nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG (S. 263 Fn 20); siehe zum erstgenannten Gesichtspunkt auch Schot­höfer, aaO, S. 47; vgl. ferner Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 63; Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 386 ff. 2959 Näher oben § 12 A. und § 13 C. 2960 Steuersystematisch zwingend ist dieses Argument – insbesondere vor dem Hintergrund der neueren Gesetzgebung – allerdings nicht (vgl. wiederum die am Ende von A I. zitierten Vorschriften). Die Annahme einer eigenen Leistungsfähigkeitssphäre der Gesellschaft entspricht jedoch der unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht negierbaren zivilrechtlichen Ausgangslage (Einzelheiten in § 13 unter C.). 2961 Gemeint ist die oben bei Fn 2944 in Bezug genommene Verbuchungslösung. 2962 Vgl. die Ausführungen in § 13 unter C V. und VI.; hierauf wird sogleich unter IV 1. zurückgekommen.

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der leistungsfähigkeitswidrige Zustand ohne einen Ausgleich definitiv würde,2963 gelangt man wiederum2964 zu dem Ergebnis, dass ein zivilrechtlicher Ausgleich von Verfassungs wegen erforderlich ist, um einen leis­ tungsfähigkeitswidrigen Zustand nicht auch im Innenverhältnis zu perpetuieren.

IV. Zivilrechtliche Ausgleichsbewirkung 1. Zum Ansatz Knobbe-Keuks Auf Grundlage dieser Ausführungen müsste die Suche nach einem Ausgleichsanspruch an sich beim Verhältnis der Gesellschaft zum betroffenen Gesellschafter ansetzen, wobei die Parallelen zum Steuerentnahmerecht auch insoweit auf der Hand liegen. Zu fragen wäre in erster Linie nach Zahlungsansprüchen der Gesellschaft gegen diesen Gesellschafter2965 wegen derjenigen Gewerbesteuerbelastung, die auf seine Sonderbilanz und gegebenenfalls auf Anteilsveräußerungen durch ihn entfällt.2966 Der Ansatzpunkt Knobbe-Keuks ist hingegen ein anderer, denn nach ihrer Lösung ist die Gesellschaft an dem vorgeschlagenen Ausgleichsmechanismus nicht unmittelbar beteiligt, da er sich unter den Gesellschaftern (durch verursachungsgerechte Verbuchung der Gewerbesteuerlast) vollzieht.2967 Zu diesem Ergebnis gelangt sie über eine Auslegung der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsabrede.2968 Wäre ihr Ansatz 2963 Die hier in Rede stehenden, Gewerbesteuerwirkungen auslösenden Erträge und Aufwendungen verbleiben dauerhaft auf Gesellschafterebene. Insoweit besteht ein Unterschied zu dem in § 13 erörterten Steuerentnahmerecht, das nur der Überbrückung eines endlichen Zeitraums dient (siehe insbesondere oben S. 526). 2964 Vgl. oben § 13 C VII. In Anknüpfung an die dortigen Ausführungen erscheint ein Innenausgleich auch hier erforderlich, aber auch ausreichend, um die Steuerlastverschiebung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. 2965 Vgl. andeutungsweise bereits Döllerer, DStR 1985, 295, 301 (mit Blick auf atypisch stille Gesellschaften) sowie auch Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175, 194 (auf Grundlage vertraglicher Regelung). Diejenigen Autoren, die (auch) Zahlungsansprüche auf gesetzlicher Grundlage ablehnen (siehe insbesondere Authenrieth, DStZ 1988, 120, 124; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 42), beziehen sich hingegen auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander. 2966 Hier und im Folgenden wird zunächst der Gewinnfall behandelt, d.h. Situationen betrachtet, in denen sich die Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft erhöht. Auf Verlustfälle wird unter D. eingegangen. 2967 Eine derartige (Verbuchungs-)Lösung bildet auch die Konsequenz der vorgeschlagenen Steuerklauseln (siehe oben bei Fn 2931). Die auf S. 590 ff. angeführten Kritikpunkte sind diesen Vorschlägen in gleicher Weise entgegenzuhalten. 2968 Einzelheiten oben B I.

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zutreffend, hätten die Gesellschafter die Angelegenheit folglich bereits selbst vertraglich geregelt – und es läge, ebenso wie im Falle einer ausdrücklichen Steuerklausel, eine vorrangige Vereinbarung vor, die die Frage nach anderweitigen Ausgleichsansprüchen unter dem Gesichtspunkt der vertraglichen Überlagerung erübrigte.2969 Daher ist zunächst zu klären, ob der von Knobbe-Keuk vorgenommenen Interpretation des Gesellschaftsvertrags zu folgen ist, die sie als einfache, nicht als ergänzende Auslegung verstanden wissen will.2970 Dazu müssten die Erklärungen der Gesellschafter (bei normativer Auslegung)2971 so zu verstehen sein, dass bei Fassung der Gewinnverteilungsabrede gewollt war, nur den rein gesellschaftsbezogenen Teil der Gewerbesteuerbe­ lastung als betrieblichen Aufwand zu verbuchen, während die übrigen Teile der Steuer verursachungsgerecht aufzuteilen sind.2972 Diese Differenzierung überfordert m.E. die getroffene Regelung, die an dem hier problematischen Punkt gerade schweigt, obwohl sich in den einschlägigen Vertragswerken in aller Regel detaillierte Klauseln über Gewinnverteilung, Kontenbildung, Verbuchung und Entnahmen finden und die von Knobbe-Keuk vertretene Verbuchungslösung ein nicht unkompliziertes, mehrstufiges Berechnungsverfahren erfordert,2973 für das sich im Vertragstext kein Anhaltspunkt findet. Man wird auch kaum sagen können, dass diese Lösung deswegen in der Konsequenz der getroffenen Vereinbarung liegt, weil die Rechtsprechung die Gewerbesteuer zu einem Annex der Einkommensteuer der Gesellschafter umfunktioniert habe.2974 Dem lässt sich entgegenhalten, dass 2969 Vgl. oben S. 581 f. 2970 Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 389. 2971 Näher zu ihr Flume, Rechtsgeschäft, S. 307 ff.; speziell für den Bereich der Per­ sonengesellschaftsverträge siehe etwa Staub/C. Schäfer, HGB, § 105 Rn. 192; Flume, Personengesellschaft, S. 32; zu Besonderheiten in diesem Bereich vgl. Ulmer­/C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 705 Rn. 172 f. 2972 Die bei Authenrieth, DStZ 1988, 120, 124 („bewußt“) angedeutete Vorstellung, eine derartige Auslegung scheitere von vornherein daran, dass übereinstimmend eine Verbuchung als Aufwand gewollt gewesen sei, überzeugt nicht. Richtig ist zwar, dass ein tatsächlich übereinstimmendes Verständnis der Vertragsbeteiligten (selbstverständlich) stets Vorrang hat (siehe nur Flume, Rechtsgeschäft, S. 299 ff., S. 313 a.E.). Davon kann jedoch im Regelfall, zumal bei Verwendung von Vertragsmustern, nicht die Rede sein. Näher liegt es vielmehr, dass sich die Gesellschafter über das hier betroffene (Spezial-)Problem keine konkreten Vorstellungen gemacht haben – was die Möglichkeit einer normativen Auslegung eröffnet. 2973 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 766 sowie aus kautelarjuristischer Perspektive etwa Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 43. 2974 So aber Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 389.

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sich weder am grundsätzlichen Verständnis der Gewerbesteuer als Betriebssteuer2975 noch an der steuertechnischen Stellung der Gesellschaft als Bescheidadressatin und jedenfalls seit 1977 auch als Steuerschuldnerin2976 etwas geändert hat. Ferner müssen die vorhandenen Vertragsklauseln gerade vor dem Hintergrund der von Knobbe-Keuk kritisierten Rechtsprechung betrachtet werden, welche den Begriff des Gewerbeertrags weit versteht2977 und mittlerweile (im Kern unverändert) seit mehreren Jahrzehnten Bestand hat. Wenn gleichwohl im Vertrag keine spezielle Vorschrift aufgenommen wurde, weist die vorhandene Regelung gerade nicht auf das von Knobbe-Keuk für zutreffend erachtete Verständnis hin.2978 Abweichendes ließe sich allenfalls für ältere Gesellschaftsverträge annehmen, deren Gewinnverteilungsregelung unverändert geblieben ist. Aber auch hier würde diesem Verständnis ein anders gerichteter, einvernehmlicher Vollzug des Vertrages (Verbuchung als Gesellschaftsaufwand) entgegenstehen.2979 Hinzu kommt, dass über den Ansatz Knobbe-Keuks keine befriedigende Lösung für alle in Betracht kommenden Situationen möglich ist. Zunächst funktioniert er uneingeschränkt nur dann, wenn auf den im Innenverhältnis stärker zu belastenden Gesellschafter ein genügend hoher Gewinnanteil entfällt, um den von ihm zu tragenden Teil der Gewerbesteuer abzudecken.2980 Denn andernfalls trifft ihn die Steuerlast nicht unmittelbar (durch Verringerung seines Gewinnrechts),2981 sondern es kommt lediglich zu einer Reduktion seines Kapitalanteils, mit dem – mangels Nachschusspflicht bzw. Einbehalt entnahmefähiger Beträge – in 2975 Vgl. nur Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 1 Rn. 14 und § 2 Rn. 1 ff. So gelten die §§ 8, 9 GewStG (selbstverständlich) auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Personengesellschaft. 2976 Vgl. zu diesen Aspekten oben S. 570 mit S. 549. 2977 Nachzeichnung der Entwicklung dieser Rechtsprechung bei Authenrieth, DStZ 1988, 120, 121 f. 2978 Insoweit gehen die Ausführungen Authenrieths, DStZ 1988, 120, 123 f. in die richtige Richtung; vgl. auch Rabald, Steuerwirkungen, S. 403 ff. 2979 Vgl. zur Bedeutung einer einvernehmlichen tatsächlichen Handhabung von Gesellschaftsverträgen Ulmer/C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 705 Rn. 172; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 105 Rn. 149; Flume, Personengesellschaft, S. 32 f. 2980 Vgl. Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 23 f.; Roser, EStB 2003, 157, 158; Schot­ höfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 96 f. Nur diesen Fall betrachtet Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 765 f. (mit Beispielrechnung). 2981 Der hier angesprochene Aspekt der fehlenden Liquiditätsverlagerung kann sich sogar bei ausreichend hohem Gewinnanteil des Gesellschafters stellen, weil hierfür auch die Ausgestaltung des Entnahmerechts von Bedeutung ist; dazu im Folgenden.

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aller Regel keine aktuelle wirtschaftliche Belastung einhergeht, so dass es an einer effektiven Entlastung der Gesellschaft fehlt.2982 Dieser Fall kann insbesondere bei hohen Gewinnen im Sonderbereich2983 und steuerpflichtigen Veräußerungen des Mitunternehmeranteils2984 auftreten.2985 Speziell im Falle der Veräußerung der Beteiligung durch den betroffenen Gesellschafter erweist sich die Verbuchungslösung auch aus anderen Gründen häufig als nicht weiterführend: Scheidet er nämlich nach dem Gewerbesteuer auslösenden Vorgang aus der Gesellschaft aus oder ist die Anteilsveräußerung selbst gewerbesteuerpflichtig, so ist ein Steuerausgleich über die Verbuchungslösung nur zu erreichen, wenn der Gewer­ besteueraufwand handelsrechtlich (spätestens) auf den Zeitpunkt des Ausscheidens verbucht wird und hierdurch zugleich sein eigenes Gewinnrecht gemindert wird, d.h. die Periode vor dem Ausscheiden betroffen ist.2986 Andernfalls ginge die Mehrsteuer (bei Fehlen besonderer Überwälzungsvereinbarungen)2987 nämlich wirtschaftlich zulasten der verbleibenden Gesellschafter bzw. eines etwaigen Erwerbers2988 – was in-

2982 Vgl. wiederum Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 23 f.; Roser, EStB 2003, 157, 158; siehe beispielhaft Brinkmann/Schmidtmann, DStR 2003, 93, 95 (Tabelle 3). 2983 Vgl. Roser, EStB 2003, 157, 158. 2984 Siehe zu den Einzelheiten oben S. 586. 2985 Vgl. Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 23 (zu § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG). 2986 Hiervon scheinen Bechler/Schröder, DStR 2003, 869, 870 auszugehen; vgl. auch Günkel/Levedag, FR 2004, 261, 267 a.E. Das dürfte jedoch nicht zutreffen, da der Veräußerer im Zeitpunkt der Gewinnverteilung regelmäßig bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden ist (vgl. auch die Nachweise in Fn 2987 zu Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Erwerber). 2987 Im Falle einer Anteilsveräußerung bestünde auf Grundlage der Verbuchungslösung zwar grundsätzlich die Möglichkeit, die Mehrsteuer über eine Anpassung der Gegenleistung auf den Veräußerer abzuwälzen (siehe für Veräußerungsgewinne Brinkmann/Schmidtmann, DStR 2003, 93, 95; vgl. auch Füger/Rieger, DStR 2002, 933, 936; Günkel/Levedag, FR 2004, 261, 266 ff.; Scheifele, DStR 2006, 253, 256 f.; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 69 f.). Dies würde aber eine entsprechende vertragliche Vorsorge voraussetzen, die ihrerseits die Kenntnis des Erwerbers von allen gewerbesteuerpflichtigen Sondervorgängen auf Veräußererebene bedingt (vgl. auch Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 29 f.). Wie die Ausführungen unter 2. zeigen werden, bedarf es der hier in Rede stehenden kaufvertraglichen Vorsorge ohnehin nicht, weil der Gesellschaft selbst ein gesetzlicher Steuerausgleichsanspruch gegen den ausscheidenden Gesellschafter zusteht. Ein (zusätzlicher) Regelungsbedarf kann sich lediglich dann ergeben, wenn eine anders gerichtete gesellschaftsvertragliche Steuerklausel besteht (vgl. wiederum Brinkmann/Schmidtmann, aaO). 2988 Diese Situation in den Blick nehmend anscheinend (mit Blick auf Veräußerungsgewinne) Beußer, FR 2001, 880, 884 f.; Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 21 f.; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 76.

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teressenwidrig wäre2989 und verfassungsrechtlich nicht zu halten ist. Die im Innenverhältnis gebotene Steuertragung durch den ausscheidenden Gesellschafter kann in derartigen Fällen folglich rechtssicher nur über einen Zahlungsanspruch (bzw. einen vorgelagerten Befreiungsanspruch) erreicht werden, der konsequenterweise der Gesellschaft als Schuldnerin der (Mehr-)Steuer zustehe müsste.2990 Hieran wird zugleich deutlich, dass die Verbuchungslösung – anders als man vielleicht denken könnte2991 – auch im wirtschaftlichen Ergebnis nicht mit einem Zahlungsanspruch der Gesellschaft deckungsgleich ist. Letzteres ist, wie soeben gezeigt, vielmehr lediglich dann sichergestellt, wenn auf Gesellschaftsebene ein genügend hoher Gewinn erwirtschaftet wurde und der betroffene Gesellschafter nicht aus der Gesellschaft ausscheidet. Darüber hinaus muss ihm ein gesellschaftsrechtliches Entnahmerecht in Höhe des gesamten, auf ihn entfallenden Gewinns zustehen. Denn nur in diesem Fall macht es im wirtschaftlichen Ergebnis keinen Unterschied, ob der Gewinnanteil des Gesellschafters bereits von vornherein um den auf ihn entfallenden Teil der Gewerbesteuerbelastung gemindert ist (Verbuchungslösung), oder ob zwar eine gleichmäßige Verteilung des Steueraufwandes erfolgt, dem so erhöhten (entnahmefähigen) Gewinnanteil jedoch ein Zahlungsanspruch der Gesellschaft gegenübersteht. Anders stellt sich die Lage hingegen dar, wenn – wie häufig – vereinbart ist, den Gewinn ganz oder teilweise zu thesaurieren. In diesem Fall stünde der betroffene Gesellschafter nach dem Ansatz KnobbeKeuks besser, als wenn die Gesellschaft einen Zahlungsanspruch in Höhe der auf ihn entfallenden Mehrsteuer innehätte: Der Lösung KnobbeKeuks zufolge kommt es bei der Gesellschaft zu einem sofortigen Mittelabfluss in Höhe (auch) des hier in Rede stehenden Teils der Gewerbesteuer, während der Gesellschafter lediglich eine Verminderung seines Gewinnanteils erfährt, den er aber ohnehin nicht bzw. nicht in voller Höhe entnehmen könnte, so dass es bei ihm an einer aktuellen gewerbesteuerbedingten Mehrbelastung fehlt (Vollthesaurierung) oder diese geringer ausfällt (Teilthesaurierung). Die Verbuchungslösung läuft folglich der vertraglichen Thesaurierungsregelung zuwider, wenn man mit der oben fundierten, auf Knobbe-Keuk selbst zurückgehenden Prämisse 2989 Vgl. für Fälle des § 7 Satz 2 GewStG wiederum Hey, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 22. 2990 Vgl. auch – allerdings nur für Fälle, in denen kein genügender Gesellschaftsgewinn vorhanden ist – Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 24; Roser, EStB 2003, 157, 158. 2991 Vgl. die darstellerische Gleichsetzung beider Ansätze bei Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175, 194.

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übereinstimmt, dass nicht die Gesellschaft, sondern der Gesellschafter die von ihm verursachte Gewerbesteuerbelastung zu tragen hat. Der infolge der Steuerzahlung eintretende Liquiditätsentzug bei der Gesellschaft wirkt nämlich wirtschaftlich wie eine Gewinnauszahlung an den Gesellschafter, die jedoch ganz oder zum Teil der vereinbarten Entnahmeregelung widerspricht. Deshalb ist die von Knobbe-Keuk vorgeschlagene Auslegung des Gesellschaftsvertrags in Situationen dieser Art nicht möglich. Sie führte vielmehr ihrerseits zu Inkongruenzen innerhalb des Vertragsgefüges. Schon weil sich die Verbuchungslösung aus den genannten Gründen teils als unzureichend, teils als vertragsinkompatibel erweist, kann sie auch nicht das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung bilden.2992 Es bleibt daher bei der eingangs aufgeworfenen Frage, ob sich ein unmittelbarer Zahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den betroffenen Gesellschafter begründen lässt. 2. Ausgleichsansprüche der Gesellschaft a) Ausgangspunkt Für die Ableitung eines derartigen Anspruchs kommen im Wesentlichen zwei Wege in Betracht, die beide bereits in der bisherigen Untersuchung vorgezeichnet sind.2993 So kann – in Anknüpfung an die obige Darstellung zum Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten2994 – zum einen erwogen werden, ob sich der (verfassungsrechtlich gebotene)2995 Innenausgleich in der vorliegenden Konstellation unter dem Aspekt des Gesamtschuldnerausgleichs begründen lässt (dazu sogleich unter b)). Zum anderen legen die Ausführungen zum Steuerentnahmerecht2996 nahe zu prüfen, ob das Aufwendungsersatzregime auch in dieser, d.h. in umgekehrter Richtung fruchtbar gemacht werden kann (siehe c)). Da ohne einen zivilrechtlichen Ausgleichsmechanismus ein verfassungswidriger (Gesamt-)Zustand entstünde,2997 steht dem Rechtsanwender die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der in Betracht kommenden zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen offen, so dass eine Anspruchsableitung sowohl in Situatio-

2992 Ein solches Vorgehen ablehnend auch (aus anderen Gründen) Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123 f.; Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 385. 2993 Auf sonstige Anspruchsgrundlagen wird im Anschluss unter d) eingegangen. 2994 Siehe oben S. 388 ff. 2995 Vgl. die nachfolgenden Ausführungen im Kleintext. 2996 Siehe insbesondere oben S. 546 ff. 2997 Näher oben III. in Zusammenschau mit § 13 C VII.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften nen der Fallgruppe 1 als auch der Fallgruppe 2 möglich ist.2998 Nicht weiterführend wäre hingegen die Überlegung, bereits im Wege einer restriktiven Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften über den Gewerbeertrag anzusetzen, die die (auszugleichenden) leistungsfähigkeitswidrigen Steuerlastverschiebungen von vornherein zu vermeiden sucht.2999 Denn zum einen ließe sich das Problem hierdurch zwar verringern, aber kaum vollständig beseitigen, wie namentlich die Exis­tenz des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG belegt.3000 Zum anderen bleibt dem Zivilrechtsanwender nichts anderes übrig, als angemessen auf die Rechtsprechung der Finanzgerichte zu reagieren, die im Kern feststeht und aller Voraussicht nach auch keiner (verfassungsrechtlich motivierten) Abänderung unterliegen wird.3001 Ferner werden die nachfolgenden Ausführungen erweisen, dass die einschlägigen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen einen befriedigenden Ausgleich bereits aus sich heraus zulassen (Fallgruppe 1) – was die Problemstellung in einem milderen Licht erscheinen lässt.

b) Gesamtschuldnerausgleich Ein entsprechender Ausgleichsanspruch der Gesellschaft kann in vielen Fällen3002 auf eine analoge Anwendung von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB3003 gestützt werden.3004 Das hat folgenden Hintergrund: Neben die Steuerschuld der Gesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG) tritt die Steuer­haftung ihrer Gesellschafter (vgl. § 191 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 4 AO in Verbindung mit den Grundsätzen über die zivilrechtliche Gesellschaf­ terhaftung3005).3006 Haftungsschuldner sind die persönlich haftenden Ge2998 Dazu ausführlich oben § 7 D. 2999 Vgl. in diesem Zusammenhang erneut die Problemanalyse bei Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 384 ff., 388 f. 3000 Siehe zu anders gerichteten Ansätzen bereits oben Fn 2958. 3001 Siehe erneut den oben auf S. 573 dargestellten Ausgangspunkt der Betrachtungen. 3002 Zum betroffenen Gesellschafterkreis näher sogleich (bei und in Fn 3008 sowie unten c)). 3003 Zur Möglichkeit (und Erforderlichkeit) der Analogiebildung zu § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Steuergesamtschulden näher oben S. 389 ff., S. 399 ff. 3004 Zu Einzelheiten über den aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB folgenden Befreiungs- und Zahlungsanspruch bei Steuergesamtschulden siehe oben S. 410 ff. 3005 Zu Ableitung und Grundlagen der akzessorischen Haftung der Gesellschafter von (Außen-)Personengesellschaften ausführlich Verf., Verbandsmitgliederhaftung, passim, insbesondere S. 169 ff. (mit umfänglichen Nachweisen). 3006 Siehe etwa BFH BStBl. II 2002, 267, 267; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 191 AO Rz. 26, Vor §§ 69 – 77 AO Rz. 36 ff.; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, Vor §§ 69 – 77 Rz. 41 ff.; Loose, in: Tipke/Kruse, § 191 AO Tz. 6, Vor § 69 AO Tz. 35 ff.; Dißars, DStR 1995, 1510, 1510 ff.; Heintzen, DStZ 2010, 199, 200 ff.; Wiesner, FS Hellwig, S. 413, 415 f. (ganz herrschende Meinung); a.A. insbesondere Schick, Haftung, S. 23 ff. mit beachtlichen, de lege lata (§ 191 Abs. 4 AO!) jedoch nicht durchschlagenden Argumenten; siehe auch Loose, aaO, § 191 AO Tz. 6 mit weiteren Nachweisen zum Streitstand.

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Gewerbesteuerausgleich

sellschafter von Personenhandelsgesellschaften (§§ 128, 161 Abs. 2 HGB), die Gesellschafter von BGB-Gesellschaften3007 sowie Kommanditisten, soweit ihre gesellschaftsrechtliche Haftung (vgl. §§ 171, 172, 176 HGB) reicht.3008 Die herrschende Meinung legt § 44 Abs. 1 Satz 1 AO zudem so aus, dass zwischen Steuerschuldner (hier: Gesellschaft) und Haftendem (hier: Gesellschafter) eine Gesamtschuld besteht.3009 Diese Sichtweise ist allerdings wegen der Akzessorietät der Haftung in Zweifel gezogen worden.3010 So kann die Gegenmeinung auf die im Gesellschaftsrecht nahezu unangefochtene Auffassung verweisen, dass zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern kein bürgerlich-rechtliches Gesamtschuldverhältnis besteht.3011 Wie Flume gezeigt hat, ist dieses Verständnis allerdings bereits im zivilrechtlichen Kontext nicht zwingend.3012 Was den Bereich des Steuerrechts angeht, belegt § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG sogar positivrechtlich, dass die Akzessorietät der Haftung einer Verknüpfung mit der Steuerschuld zu einer Gesamtschuld nicht entgegensteht3013 – und der steuerrechtliche Gesamtschuldbegriff folglich weiter reicht als der im Zivilrecht vorherrschende. An dieser Stelle zeigt sich erneut, dass die Gesamtschuld nach § 44 AO ein steuerrechtsspezifisches Verständnis erfordert.3014 Insbesondere können sich ihre Entstehungsvoraussetzungen erheblich von denjenigen ihres bürgerlich-rechtlichen Pendants unter-

3007 Näher zur akzessorischen Gesellschafterhaftung in BGB-Außengesellschaften Verf., Verbandsmitgliederhaftung, S. 227 ff., S. 247 ff. 3008 Siehe im Einzelnen Loose, in: Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Tz. 37 ff. Soweit die Haftung ausgeschlossen (vgl. § 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB) bzw. nicht ausreichend ist, greift die hier vorgeschlagene Ableitung des Innenausgleichs über § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB analog nicht durch. 3009 Siehe etwa BFH BStBl. II 2002, 267, 268; BFH BStBl. II 1983, 763, 764; BGH ZIP 2013, 409, 410; BGH ZIP 2004, 164, 164 f.; BGHZ 120, 50, 54; Boeker, in: Hübsch­ mann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 13; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 5; Loose, aaO, Vor § 69 Tz. 12, 23; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 13 (für entsprechende Anwendung). 3010 Siehe im Einzelnen Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 7 sowie auch Klein/ Ratschow, AO, § 44 Rn. 7; gegen das Zustandekommen einer Gesamtschuld auch Martens, StuW 1970, 603, 610 a.E.; Preißer, Gesamtschuld, S. 217 f. 3011 Statt vieler BGHZ 39, 319, 323 f.; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 128 Rn. 19; Staub/Habersack, HGB, § 128 Rn. 20. 3012 Vgl. Flume, Personengesellschaft, S. 286 ff. 3013 Auf Rechtsfolgenseite (vgl. § 44 Abs. 2 AO) kann die Akzessorietät der Haftung allerdings Modifikationen erforderlich machen; vgl. wiederum Koenig, in: Pahlke/Koenig, AO, § 44 Rz. 7 sowie für den zivilrechtlichen Kontext bereits Flume, Personengesellschaft, S. 286 ff. 3014 Näher oben S. 395 ff.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

scheiden.3015 Für eine Anerkennung von Gesamtschulden zwischen Steuerschuldner und Haftendem auch außerhalb von § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG spricht ferner ihre weitgehende Gleichstellung in § 33 Abs. 1 AO3016 sowie der hinter § 44 AO stehende Rechtsgedanken, den Steuergläubiger möglichst weitgehend abzusichern.3017 Da die Haftungsschuld unabhängig von ihrer verfahrensrechtlichen Durchsetzung entsteht (vgl. §§ 37 Abs. 1, 38 AO),3018 kommt auch die Gesamtschuld ungeachtet der Bescheidlage zustande.3019 Der Haftungsanspruch (und damit auch die Steuergesamtschuld) erfasst richtigerweise auch Gewerbesteuerschulden, die erst nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters entstehen (vgl. § 18 GewStG), wenn sie durch Vorgänge ausgelöst worden sind, die die Zeit seiner Mitgliedschaft betreffen, insbesondere auf ihn selbst zurückzuführen sind:3020 Zwar folgt aus der Akzessorietät der Haftung, dass sie nicht zur Entstehung gelangen kann, bevor nicht auch die Steuerschuld selbst entstanden ist.3021 Allerdings richten sich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Haftungseröffnung nach Zivilrecht.3022 Hiernach hängt die Haftung für eine (einmal entstandene) Gesellschaftsverbindlichkeit im Falle des Ausscheidens des Gesellschafters davon ab, wann diese „begründet“ wurde (vgl. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dafür entscheidend ist weder der Zeitpunkt ihrer Entstehung noch ihrer Fälligkeit, sondern es kommt darauf an, wann die Rechtsgrundlage gelegt worden ist.3023 Bei gesetzlichen Schulden handelt es sich um eine „Altverbindlichkeit“ in diesem Sinne, wenn der das Schuldverhältnis begründende Tatbestand bereits vor dem Ausscheiden des Gesellschafters erfüllt war.3024 Dieser Gedanke beansprucht auch bei öffentlichrechtlichen Verbindlichkeiten Geltung: Entscheidend ist der schuldauslösende

3015 Vgl. bereits oben Fn 1930 mit Fn 1903. 3016 Loose, in: Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Tz. 12; vgl. auch § 37 Abs. 1 AO. 3017 Näher oben S. 401 sowie für den vorliegenden Kontext Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 5. 3018 Statt aller Drüen, in: Tipke/Kruse, § 38 AO Tz. 37; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, Vor §§ 69 – 77 Rz. 18. 3019 Vgl. nur (allgemein für Steuergesamtschulden) Boeker, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 44 AO Rz. 41 ff.; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 2, 27 ff. 3020 A.A. möglicherweise, da allein auf den Schuldentstehungszeitpunkt abstellend B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, Vor §§ 69 – 77 Rz. 47; Loose, in: Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Tz. 36; zu den Defiziten der Verbuchungslösung im vorliegenden Zusammenhang siehe oben S. 591 f. 3021 Siehe nur Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 191 AO Rz. 19; Loose, in: Tipke/Kruse, § 191 AO Tz. 12. 3022 Vgl. etwa BFH/NV 1995, 561, 562; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 191 AO Rz. 16; Loose, in: Tipke/Kruse, Vor § 69 AO Tz. 24. 3023 BGHZ 150, 373, 376; BGHZ 55, 267, 269 f.; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 128 Rn. 49; Staub/Habersack, HGB, § 128 Rn. 62 sowie für den vorliegenden Zusammenhang VG Würzburg DStR 2012, 1463, 1464 f.; vgl. auch VGH München DStR 2013, 1791, 1792 f. 3024 K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 128 Rn. 57.

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Gewerbesteuerausgleich Tatbestand,3025 d.h. im vorliegenden Kontext die Verwirklichung des einzelnen gewerbesteuerbegründenden Vorgangs.3026

Folgt man den obigen Ausführungen zur Gesamtschuldentstehung, so ist auch der Anwendungsbereich des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnet.3027 Die analoge Anwendung3028 dieser Vorschrift erscheint vor dem Hintergrund des erweiterten steuerrechtlichen Gesamtschuldbegriffs folgerichtig – und korrespondiert mit dem häufig nachweisbaren zivilrechtlichen Ausgleichsbedürfnis in diesem Bereich, das ungeachtet der Einzelheiten der steuertechnischen Ausgestaltung zur Entstehung gelangt.3029 Allerdings ergibt sich für den Normalfall der Steuerhaftung lediglich ein Ausgleichsanspruch des in Anspruch genommenen Haftenden gegen den Steuerschuldner, weil Letzterer nach den Wertungen des einschlägigen Einzelsteuergesetzes für die Steuer aufzukommen hat, während die Haftung nur Sicherungszwecken dient.3030 Wird ein Gesellschafter folglich aufgrund seiner Haftung für Gewerbesteuerschulden der Gesellschaft in 3025 K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 128 Rn. 57 a.E.; ausführlich Wiesner, FS Hellwig, S. 413, 425 ff. 3026 So zu Recht BVerwG NJW 1990, 590, 591 f. („im Keim begründet“); Wiesner, FS Hellwig, S. 413, 425 f.; siehe auch VG Würzburg DStR 2012, 1463, 1465; vgl. ferner BFH BStBl. II 1995, 300, 301; BFH BStBl. II 1989, 952, 954. 3027 Siehe (speziell für das Verhältnis von Steuerschuldner und Haftendem) auch BFH BStBl. II 1983, 763, 764; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 62; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 31 f.; Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 457; W. Müller, FS Beisse, S. 363, 368; Witt, Konzernbesteuerung, S. 346 ff. Diese Stimmen wollen die Vorschrift jedoch – anders als hier vertreten (vgl. Fn 3003) – unmittelbar anwenden. BGHZ 120, 50, 55 ff. stützt sich im vorliegenden Kontext hingegen auf den „Rechtsgedanken“ bzw. eine Analogie zu § 426 Abs. 1 BGB (siehe auch die in Fn 1891 nachgewiesenen, auf diese Entscheidung Bezug nehmenden Stellungnahmen). Diese, vom sonst üblichen Vorgehen des Gerichts abweichende Herangehensweise (vgl. die Nachweise in Fn 1886, 1891) dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Gesamtschuldnerausgleich in dieser Hinsicht weiter reicht als nach bürgerlichem Recht (vgl. K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 128 Rn. 19, 31), wenn man mit der herrschenden Meinung (Nachweise in Fn 3011) davon ausgeht, dass zivilrechtlich zwischen Gesellschaft und akzessorisch haftendem Gesellschafter kein Gesamtschuldverhältnis besteht. 3028 Vgl. Fn 3003. 3029 Vgl. die Argumentation in BGHZ 120, 50, 55 ff. (57 f.), die ebenfalls einen Anspruch des Steuerschuldners gegen den Haftenden betrifft (siehe dazu auch Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 457); allgemein zur Gebotenheit der analogen Anwendung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Steuergesamtschulden oben S. 399 ff. (mit Fn 1954). 3030 Vgl. BFH BStBl. II 1983, 763, 764 a.E.; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 44 AO Rz. 62; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 32. Dieser Aspekt wird von Klein/Ratschow, AO, § 44 Rn. 7 generell gegen die Annahme einer Gesamtschuld von Steuerschuldner und Haftendem angeführt. Es sind jedoch Fall-

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Anspruch genommen, so tritt neben3031 seinen Aufwendungsersatzanspruch aus § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB3032 auch der Gesamtschuldnerausgleich analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB.3033 Auf diesem Wege kann der Gesellschafter jedoch nicht notwendig für den gesamten Haftungsbetrag Regress nehmen, denn diese Ansprüche enden richtigerweise dort, wo die Gewerbesteuer auf Vorgänge in seinem eigenen Vermögen zurückzuführen ist, da es sich bei materiell-verfassungsbezogener Betrachtung3034 insoweit um eine eigene Angelegenheit dieses Gesellschafters handelt, so dass er für die entsprechende Steuer auch selbst aufzukommen hat.3035 Dieser Gedanke beansprucht für die hier zu bewertende, umgekehrte Fragestellung (Tilgung der Steuergesamtschuld durch die Gesellschaft) in gleicher Weise Geltung: Im Innenverhältnis hat der Gesellschafter die in seinem Vermögensbereich ausgelöste Gewerbesteuer selbst zu tragen, so dass der Gesellschaft in dieser Höhe ein Ausgleichsanspruch analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht.3036 Auch in anderen Zusammenhängen wird im Übrigen davon ausgegangen, dass ein auf § 426 Abs. 1 BGB gestützter Rückgriff des Haftenden gegen den Steuerschuldner ausnahmsweise begründet sein kann.3037 gestaltungen denkbar, in denen ein hiervon abweichender Innenausgleich angezeigt ist; dazu im Folgenden. 3031 Es besteht – entsprechend den Ausführungen auf S. 416 f. zur Innenlösung – Anspruchskonkurrenz (vgl. nur Staudinger/Noack, BGB, § 426 Rn. 5; weitere Nachweise in Fn 2022). 3032 Siehe zu diesem Anspruch etwa C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 713 Rn. 15; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 128 Rn. 31; abweichende Anspruchsableitung bei Flume, Personengesellschaft, S. 297. 3033 Vgl. für den strukturell ähnlichen Fall der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft BGHZ 120, 50, 55 ff., wo jedoch nicht näher auf etwaige andere, neben den Gesamtschuldnerausgleich tretende Ansprüche eingegangen wird. 3034 Zur Möglichkeit und Notwendigkeit, den Gesamtschuldnerausgleich mit materiell-verfassungsbezogenen Wertungen „aufzuladen“, näher oben S. 423 f. 3035 Näher oben III. in Zusammenschau mit § 13 D. (zur Reichweite des Aufwendungsersatzgedankens beim Steuerentnahmerecht). Eine ganz ähnliche Überlegung findet sich für den Bereich der gewerbesteuerlichen Organschaft wiederum in der Entscheidung BGHZ 120, 50, 55 ff. (58 f.) sowie bei Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 457 f. und Witt, Konzernbesteuerung, S. 349 ff.; siehe auch BGH ZIP 2013, 409, 410 (zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft): im Innenverhältnis volle Steuertragung durch die Organgesellschaft. 3036 A.A. Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 127 f., dessen auf § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG gestützte Ausführungen schon deshalb wenig konsequent erscheinen, weil er auf S. 12 ff. dem Vielheitsmodell zuneigt; zur Anspruchsausgestaltung im Einzelnen vgl. erneut den Hinweis in Fn 3004. 3037 Siehe wiederum BGH ZIP 2013, 409, 410; BGHZ 120, 50, 55 ff. (für strukturell ähnliche Fälle der Haftung im Organkreis) sowie auch BFH BStBl. II 1983, 763, 764 a.E.; B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 44 Rz. 32.

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Gewerbesteuerausgleich

Diesem Gesamtschuldnerregress steht auch § 707 BGB nicht entgegen, da es sich bei dem hier betrachteten Teil der Gewerbesteuer bei materieller Betrachtung um eine eigene Angelegenheit des Gesellschafters handelt, für die er folglich auch selbst aufzukommen hat.3038 Dass die Gesellschaft im Außenverhältnis belastet wird, ist lediglich das Ergebnis einer (an diesem Punkt überaus zweifelhaften) steuertechnischen Ausgestaltung, die aus Sicht des Innenverhältnisses zufällig erscheint. Vor diesem Hintergrund läuft die Inanspruchnahme des Gesellschafters auf eine bloße Erstattung verauslagter Kosten hinaus. Entsprechende Leistungen sind daher auch nicht als Einlage zu verbuchen,3039 sondern dienen der Kompensation des bei der Gesellschaft anfallenden Steueraufwands, der richtigerweise von dem betroffenen Gesellschafter zu tragen ist. Daher handelt es sich aus Sicht der Gesellschaft um betrieblich veranlasste Wertzuführungen (Betriebseinnahmen),3040 die der Neutralisierung eines im Außenverhältnis getragenen Aufwands dienen.3041 Beim Gesellschafter fallen Sonderbetriebsausgaben bzw. Veräußerungskosten an.3042 Der 3038 Entgegen Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 23 f. geht es folglich nicht um eine „Nachschusspflicht“. 3039 Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 99 ff.; a.A. Kläne, Steuerwirkungen, S. 219 ff.; Scheifele, DStR 2006, 253, 256; vgl. auch die Gestaltungsvorschläge bei Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 24 und Scheifele, aaO, S. 255 f., zu denen zu bemerken ist, dass die von den Vertragsparteien gewählte Bezeichnung für die steuerrechtliche Beurteilung nicht bindend ist (vgl. auch Kläne, aaO, S. 219 a.E.). Kläne spricht sich gegen eine Verbuchung dieser „Einlage“ auf dem Kapitalkonto des Gesellschafters und für die disquotale Bildung eines „gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkontos“ ohne individuelle Zugriffsrechte aus (S. 220 ff.). Ersteres liegt in der Tat auf der Hand, da es andernfalls an der erforderlichen Kompensation fehlen würde (siehe auch Schothöfer, aaO, S. 100). Letzteres ist hingegen abzulehnen: Es handelt sich um den Versuch, die unzutreffende Einordnung entsprechender Leistungen als Einlagen mittels einer gekünstelt wirkenden und dogmatisch überaus fragwürdigen Konstruktion (vgl. Reiß, DB 2005, 358, 360: „frei schwebender Nonsens“) zu retten. Die hier vertretene Verbuchung als Ertrag erscheint demgegenüber klar, sachangemessen und komplikationsfrei. 3040 Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 102; vgl. zum Betriebseinnah­ menbegriff nur BFH BStBl. II 1998. 618, 618 f.; BFH BStBl. II 1988, 995, 996; in Bezug auf den vorliegenden Kontext a.A. wiederum Kläne, Steuerwirkungen, S. 220. 3041 Nachteilige Sekundärsteuereffekte auf Gesellschaftsebene, die aus der Gewerbesteuerpflichtigkeit des entsprechenden Ertrages bei gleichzeitig fehlender Abzugsfähigkeit des damit korrespondierenden Gewerbesteueraufwands (vgl. § 7 Satz 1 GewStG, § 4 Abs. 5b EStG) resultieren, sind hinzunehmen. Es handelt sich hierbei um nicht ausgleichsfähige Steuerfolgen im Sinne von § 15 B., da es insoweit an einer maßstabswidrigen Steuerlastverschiebung fehlt. 3042 Näher Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 100 ff.; vgl. zum Sonder­ betriebsausgabenbegriff nur BFH BStBl. II 1976, 188, 190 a.E.; Schmidt/Wacker,

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

Sachverhalt wird folglich im Ergebnis prinzipiell3043 so behandelt, wie wenn der Steuerzugriff unmittelbar beim Gesellschafter selbst stattgefunden hätte – was auch sachgerecht erscheint. In Anknüpfung an die obigen Ausführungen zum Vorrang vertraglicher Vereinbarungen sei noch darauf hingewiesen, dass ein Ausgleich dann nicht geschuldet ist, wenn die Gesellschafter bewusst keine Gewerbesteuerklausel in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen haben, weil sie es übereinstimmend bei der Steuertragung durch die Gesellschaft belassen wollten.3044 Demgegenüber ist es nicht möglich, die bloße Nichtvornahme des Ausgleichs als konkludente Abbedingung des Anspruchs zu werten, und zwar schon deshalb nicht, weil die Existenz dieses Anspruchs bisher nicht anerkannt gewesen ist, so dass sich auch kein entsprechender Verzichtswille gebildet haben kann. c) Aufwendungsersatz Im Folgenden wird untersucht, ob ein gleichgerichteter Ausgleichsanspruch der Gesellschaft auch unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes begründet sein kann.3045 Praktische Bedeutung hätte ein derartiger Anspruch vor allem dort, wo der Gesamtschuldnerausgleich nicht durchgreift, weil es an einer (genügend weit reichenden) Gesellschafterhaftung fehlt – was insbesondere beim Kommanditisten nach Leistung eines seiner Haftsumme entsprechenden Einlagebetrages der Fall sein kann (vgl. § 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB). In Bezug auf die parallele Fragestellung beim Steuerentnahmerecht konnte insoweit auf eine Analogie zu § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB zurückgegriffen werden, die im Wesentlichen darauf gründet, dass die Belastung mit Steuern auf fremde Erträge bei materiell-verfassungsbezogener Betrachtung keine eigene Angelegenheit darstellt, sondern es sich EStG, § 15 Rn. 640. Dass die Dinge hier anders einzuordnen sind als beim Steu­ erentnahmerecht, ist darauf zurückzuführen, dass die dortige Problemstellung lediglich einen vorübergehenden Zeitraum betrifft; siehe oben S. 555 f. 3043 Vgl. einschränkend Fn 3041. 3044 Vgl. oben S. 581 f., S. 588 f. und Fn 2972. § 426 Abs. 1 BGB ist dispositiver Natur (Nachweise in Fn 2031). Dass die Gesellschaft selbst nicht an einer derartigen Vereinbarung beteiligt wäre, ist unschädlich, da die Gesellschafter die Herren des Gesellschaftsvertrages sind. 3045 Was das Verhältnis dieses Anspruchs zum Gesamtschuldnerausgleich angeht, sei wiederum auf Fn 3031 verwiesen. Die soeben zu § 707 BGB und in Bezug auf die Abbedingung des Anspruchs getroffenen Feststellungen gelten in gleicher Weise. Auch Aufwendungsersatzansprüche sind selbstverständlich dispositiver Natur (vgl. nur H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 670 Rn. 4).

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Gewerbesteuerausgleich

um eine solche des Gewinnerzielungssubjekts handelt – was die entsprechende Anwendbarkeit der gesellschaftsrechtlichen Aufwendungsersatzvorschriften eröffnet.3046 In der vorliegend zu bewertenden Situation greift dieser Gedanke zwar ebenfalls Platz.3047 Jedoch können die eingangs zitierten Vorschriften nicht fruchtbar gemacht werden, weil sie ausschließlich die umgekehrte Anspruchsrichtung betreffen. Für Situationen, in denen die Gesellschaft – wie hier – Aufwendungen für den Gesellschafter tätigt,3048 die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, findet sich hingegen keine besondere Anspruchsgrundlage. Auch die an zahlreichen Stellen des Zivilrechts enthaltenen Verweisungen auf § 670 BGB, die strukturverwandte Situationen betreffen,3049 sind hier nicht einschlägig. Insbesondere handelt es sich weder um eine Geschäftsbesorgung im Sinne von § 675 Abs. 1 BGB,3050 noch können die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (unmittelbar oder entsprechend) angewendet werden, denn die Belastung der Gesellschaft mit dem hier in Rede stehenden Teil der Gewerbesteuer findet im Hinblick auf das Verhältnis der Parteien zueinander ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis, so dass richtigerweise auch der Ausgleichsanspruch aus diesem entspringen muss.3051

3046 Näher oben S. 549. 3047 Vgl. bei und in Fn 3035. 3048 Wie auf S. 549 dargestellt, steht dem Aufwendungscharakter nicht entgegen, dass die Gesellschaft im Verhältnis zum staatlichen Steuergläubiger dazu verpflichtet ist, die Steuerzahlung zu erbringen. 3049 Zusammenstellung bei H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 670 Rn. 3. 3050 Näher zu dem heute ganz herrschenden engen Geschäftsbesorgungsbegriff Heermann, in: MünchKomm.-BGB, § 675 Rn. 2 ff.; Staudinger/Martinek, BGB, § 675 Rn. A 6 ff. mit Vorbem zu §§ 662 ff. Rn. 9 ff., 17 ff.; Larenz, Schuldrecht/II 1, S. 421 ff. Vorliegend fehlt es namentlich an der erforderlichen selbständigen Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen, da es in Bezug auf die Steuerzahlung an jeder Eigenverantwortlichkeit der Gesellschaft im Sinne eines Ermessens- bzw. Gestaltungsspielraums fehlt (siehe zu diesem Kriterium Heermann, aaO, Rn. 6; Staudinger/Martinek, aaO, Rn. A 11). Auf weitere Gründe, die gegen eine (analoge) Anwendung von §§ 675 Abs. 1, 670 BGB sprechen, wird in Fn 3066 eingegangen. 3051 Vgl. für ähnliche Zusammenhänge Flume, Personengesellschaft, S. 297; K. Müller, JZ 1968, 769, 771 f.; abweichend hingegen Faust, FS K. Schmidt, S. 357, 369 ff.; allgemein zum Vorrang eines spezielleren (insbesondere: vertraglichen) Rechtsverhältnisses für die Frage, ob Aufwendungsersatz geschuldet ist oder nicht, BGHZ 140, 102, 109 f.; H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 677 Rn. 43; Staudinger/Bergmann, BGB, Vorbem zu §§ 677 ff. Rn. 188, 196 f.

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In derartigen Situationen, in denen weder eine Verweisung auf § 670 BGB noch ein spezialgesetzlicher Aufwendungsersatzanspruch3052 einschlägig ist, besteht verbreitet die Neigung, § 670 BGB als Ausfluss eines allgemeinen Rechtsgedankens analog anzuwenden.3053 So hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs den Erstattungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters bei Begleichung der Gewerbesteuerschuld der Gesellschaft auf § 670 BGB gestützt.3054 Der IX. Senat will diese Vorschrift analog anwenden, wenn ein Insolvenzverwalter zugunsten der Gesellschafter einer insolventen Personengesellschaft steuerliche Jahresabschlüsse für die Masse erstellt.3055 In Bezug auf die umsatzsteuerrechtliche Organschaft hat der II. Zivilsenat einen Anspruch der Organ­trägerin auf Nachteilsausgleich ebenfalls aufwendungsersatzrechtlich abgeleitet, ohne jedoch eine konkrete Anspruchsgrundlage zu nennen.3056 Ihre wichtigste Bedeutung dürfte die entsprechende Anwendung des § 670 BGB im Arbeitsverhältnis haben.3057 Nach Auffassung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts sei in dieser Vorschrift ein allgemeiner Rechtsge3052 Hierhin zählt etwa § 110 HGB; weitere Beispiele bei H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 670 Rn. 4. 3053 Vgl. Erman/Berger, BGB, § 670 Rn. 3; H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 670 Rn. 3 sowie auch Heermann, aaO, § 675 Rn. 11; Staudinger/Martinek, BGB, Vorbem zu §§ 662 ff. Rn 19; weitere Nachweise im Folgenden. 3054 BGH DB 1978, 627, 627. Hierbei kann es sich jedoch nur um eine Analogie gehandelt haben. Auf die methodischen Hintergründe seiner Konstruktion ist das Gericht nicht eingegangen; für Anwendbarkeit des § 670 BGB auch (ebenfalls ohne nähere Begründung) Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 110 Rn. 2, § 128 Rn. 36; Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 128 Rn. 31. Die normative Ausgangslage bei Begleichung einer Gesellschaftsverbindlichkeit durch einen ausgeschiedenen Gesellschafter ist der vorliegend zu bewertenden Fragestellung deshalb ähnlich, weil die herrschende Meinung die Anwendbarkeit des § 110 HGB auf ausgeschiedene Gesellschafter verneint (statt vieler K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 128 Rn. 61 mit weiteren Nachweisen); siehe zu den umstrittenen Einzelheiten der rechtlichen Bewältigung dieses Problems auch etwa BGHZ 39, 319, 323 ff.; Flume, Personengesellschaft, S. 296 ff.; Habersack, AcP 198 (1998), 152, 164 ff.; Meier, Gesamtschulden, S. 315 f. 3055 BGH ZIP 2010, 2164, 2166 (nicht zweifelsfrei). Die in Rede stehenden Jahresabschlüsse wurden von den Gesellschaftern für Steuererklärungszecke (Einkommensteuer) benötigt. Der Insolvenzverwalter sei zu ihrer Erstellung aufgrund eines zwischen ihm und den Gesellschaftern bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses verpflichtet (S. 2165). 3056 BGHZ 146, 264, 276 f.; vgl. aber BGH ZIP 2013, 409, 410 (ausschließliche Bezugnahme auf den Gesamtschuldnerausgleich); a.A. jedenfalls BGH ZIP 2004, 164, 164; Pyszka/Hahn, GmbHR 2010, 689, 691. 3057 Siehe beispielhaft BAG NJW 2004, 2036, 2037 f.; BAG NJW 1981, 702, 702 f.; BAG DB 1973, 1509, 1509 f.; BAG GrS NJW 1962, 411, 414 f.; kritisch zu der dogmatischen Ableitung des BAG H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 670 Rn. 24.

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danke zum Ausdruck gekommen.3058 Der Grundsatz des § 670 BGB sei so selbstverständlich und von der Sache her so notwendig, dass er für den Arbeitsvertrag auch ohne ausdrückliche Statuierung einer entsprechenden Anwendbarkeit analog anzuwenden sei.3059 Dahinter steht die Überlegung, dass die Gewährung eines Aufwendungsersatzanspruchs grundsätzlich überall dort angezeigt ist, wo eine Tätigkeit befugtermaßen in fremdem Interesse ausgeübt wird, ohne dass die damit verbundenen Aufwendungen als mit einer etwaigen Vergütung abgegolten angesehen werden können.3060 Ob § 670 BGB tatsächlich in entsprechender Weise auf breiter Front fruchtbar gemacht werden kann,3061 bedarf für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung keiner grundsätzlichen Klärung. In Bezug auf den hier zu bewertenden Kontext lassen sich die Analogievoraussetzungen nämlich unschwer bejahen. Was die erforderliche planwidrige Regelungs­ lücke3062 angeht, machen die §§ 110 HGB, 713 BGB zunächst deutlich, dass der Gesetzgeber ein Bedürfnis für innergesellschaftlichen Aufwendungsersatz gesehen hat. Dass er keine besondere Rechtsgrundlage normiert hat, die sich auf die entgegengesetzte Anspruchsrichtung bezieht, dürfte einfach darauf zurückzuführen sein, dass entsprechende Fallgestaltungen in der Praxis kaum auftreten. Jedenfalls kann aus der Nicht­ 3058 BAG GrS NJW 1962, 411, 414; siehe auch etwa BAG NJW 2004, 2036, 2037; BAG DB 1973, 1509, 1509 a.E. 3059 BAG GrS NJW 1962, 411, 414 (mit Blick auf vom Arbeitnehmer erlittene Sachschäden); vgl. aus der neueren Rechtsprechung zu diesem Problemkreis (mit gewissen Unterschieden im Einzelnen) etwa BAG NJW 2007, 1486, 1486 f.; BAG NJW 1995, 2372, 2372 f.; BAG NJW 1993, 1028, 1028 f.; BAG NJW 1981, 702, 702 f. 3060 Vgl. BAG DB 1973, 1509, 1509 a.E. und insbesondere K. Müller, JZ 1968, 769, 770 f., der zudem den Aspekt der Vertragsdurchführung hervorhebt, welcher jedoch namentlich bei der Verweisung auf § 670 BGB im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag keine Bedeutung erlangen kann bzw. dort eines abweichenden Verständnisses bedarf. Gleiches gilt für die in BAG DB 1973, 1509, 1509 a.E. gewählte Formulierung „auf dessen Wunsch“; vgl. zu dem zuerst im Haupttext genannten Gesichtspunkt auch Erman/Berger, BGB, § 670 Rn. 3; H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 670 Rn. 3; Staudinger/Martinek, BGB, § 670 Rn. 1, 3, 6 und zu dem zuletzt angeführten Aspekt etwa BGH NJW 1985, 269, 269 f.; BAG GrS NJW 1962, 411, 414 f.; Staudinger/Martinek, aaO, § 675 Rn. A 38. 3061 In diesem Sinne K. Müller, JZ 1968, 769, 771 ff.; vgl. auch Erman/Berger, BGB, § 670 Rn. 3, 5. Müller verlangt im Wesentlichen, dass die Tragung der Aufwendung der Sphäre des anderen Teils zugewiesen sein muss. Er bevorzugt allerdings Einzelanalogien zu den zu § 670 BGB hinführenden Vorschriften; vgl. demgegenüber die distanzierte Diktion H. Seilers, in: MünchKomm.-BGB, § 670 Rn. 3, 24, der sich aber nicht grundsätzlich zu der hier in Rede stehenden Fragestellung äußert. 3062 Siehe zu den Analogievoraussetzungen wiederum oben S. 399.

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existenz einer solchen Vorschrift nicht darauf geschlossen werden, der Gesetzgeber habe einen derartigen Anspruch versagen wollen.3063 In Hinsicht auf die Gleichheit der Interessenlagen kann wiederum an die Ausführungen zum Steuerentnahmerecht auf S. 549 angeknüpft werden. Der Gedanke, dass ein fremdnützig Handelnder3064 aufgrund dieser Tätigkeit keinen Vermögensverlust erleiden soll,3065 trägt auch hier.3066 Bedenkt man zudem, dass der verfassungsrechtlich geforderte Steuerausgleich nicht in allen Fällen über den Gesamtschuldnerausgleich sichergestellt werden kann, ist im Ergebnis festzuhalten, dass die Gesellschaft ihren Anspruch auch auf § 670 BGB analog stützen kann. Mit dem Recht auf Aufwendungsersatz korrespondiert ein Befreiungsanspruch entsprechend § 257 BGB.3067

3063 Die Materialien zu den §§ 110 HGB, 713 BGB beschäftigen sich lediglich mit der Sinnhaftigkeit der hier getroffenen Anordnungen, ohne auf die umgekehrte Si­ tuation einzugehen (vgl. Denkschrift HGB, S. 83 f.; Motive II, S. 606 ff., in: Mugdan/II, S. 339 f.; Protokolle, S. 2421 ff., in: aaO, S. 986 f.). Es wäre auch fern­ liegend, dass diesen Vorschriften in dieser Richtung Ausschlussfunktion zukommen sollte. 3064 Das von K. Müller, JZ 1968, 769, 772 herangezogene Kriterium, die Aufwendungstragung müsse nach dem Gesamtinhalt des Schuldverhältnisses dem anderen Teil zugewiesen sein, ist vorliegend aus den auf S. 598 genannten Gründen erfüllt. 3065 Vgl. Erman/Berger, BGB, § 670 Rn. 1; Staudinger/Martinek, BGB, § 670 Rn. 1, 3, 6. 3066 Zwar ist die Existenz des § 670 BGB gerade auch der Unentgeltlichkeit des Auftrags geschuldet (Heermann, in: MünchKomm.-BGB, § 675 Rn. 20; Staudinger/ Martinek, BGB, § 670 Rn. 2). Jedoch steht der Gesellschaft in der vorliegenden Situation keine entsprechende Gegenleistung zu. Genau dieser Gedanke der partiell fehlenden vertraglichen Vergütung trägt auch die Verweisung auf § 670 BGB in § 675 Abs. 1 BGB – und begrenzt diese zugleich (vgl. Heermann, aaO; Staudinger/Martinek, aaO, § 675 Rn. A 38). Vor diesem Hintergrund könnte man im vorliegenden Kontext auch an eine Analogie zu §§ 675 Abs. 1, 670 BGB denken. Ein derartiges Vorgehen ist jedoch im Ergebnis abzulehnen, da es auf eine partielle Suspendierung des von der herrschenden Meinung in Bezug auf § 675 BGB zu Recht zugrunde gelegten engen Geschäftsbesorgungsbegriffs (vgl. oben Fn 3050) hinausliefe, für die wegen der Möglichkeit einer situativen Einzelanalogie zu Vorschriften des Auftragsrechts kein Bedürfnis besteht (vgl. zum Problemkreis Heermann, aaO, Rn. 11; Staudinger/Martinek, aaO, Vorbem zu §§ 662 ff. Rn. 18 f.; Larenz, Schuldrecht/II 1, S. 423). Dies gilt besonders dann, wenn man § 675 BGB als nucleus eines eigenständigen Geschäftsbesorgungsrechts begreift (vgl. Staudinger/Martinek, aaO, Rn. 21). Beschränkt man die Vorschrift hingegen wortlautgetreu auf Dienst- und Werkverträge, so fehlt es m.E. in der vorliegenden Situation schon an einer genügenden Analogiebasis. 3067 Bei der Steuerpflicht handelt es sich zwar nicht um eine im Sinne dieser Vorschrift „eingegangene“ Verbindlichkeit. Besteht die Aufwendung – wie hier – jedoch bereits von vornherein in der Belastung mit einer Verbindlichkeit, so

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d) Sonstige Ansprüche Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. So bedarf es wegen der Einschlägigkeit von Gesamtschuldnerausgleich und § 670 BGB keiner (in die gleiche Richtung weisenden) ergänzenden Vertragsauslegung.3068 Das Treuepflichtkonzept hat sich aus den auf S. 505 f. angeführten Gründen für den Steuerausgleich als nicht weiterführend erwiesen.3069 Des teilweise erwogenen Anspruchs auf Änderung des Gesellschaftsvertrages3070 bedarf es ebenfalls nicht, weil ein angemessener Steuerausgleich auch ohne eine ausdrückliche gesellschaftsvertragliche Regelung besteht.3071 Und die Frage, ob das Bereicherungsrecht fruchtbar gemacht werden kann, stellt sich schon deshalb nicht, weil bereits das Vertragsrecht für einen hinreichenden Ausgleich sorgt.3072 e) Anspruchshöhe und -modalitäten Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich nach der konkreten gewerbesteuerlichen Mehrbelastung, die bei der Gesellschaft infolge derjenigen Vorgänge eingetreten ist, die dem Gesellschafter nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen3073 zurechenbar sind.3074 Fraglich ist, wie sich in diesem Kontext der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG auswirkt. Er soll nämlich eine gewisse Kompensation für die fehlende gewerbesteuerliche Abzugsfähigkeit des Unternehmerlohns bei natürli-

erschei­ nt die Gewährung des Befreiungsanspruchs ebenfalls gerechtfertigt (gleichsinnig Staudinger/Bittner, BGB, § 257 Rn. 3). 3068 Vgl. auch oben Fn 2744 und S. 563. 3069 Im vorliegenden Kontext ablehnend auch (mit Blick auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander) Authenrieth, DStZ 1988, 120, 124; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 42. 3070 Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 26 ff., der primär § 313 BGB effektuieren will; vgl. zu Vertragsänderungsansprüchen aus § 313 BGB sowie unter Treuepflichtgesichtspunkten auch (im Ergebnis aber ablehnend) Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 132 ff. 3071 Vgl. auch bereits Fn 2933. Eine andere Frage ist, ob es zweckmäßig erscheint, den Gewerbesteuerausgleich ausdrücklich zu regeln. Bei der Klauselfassung wären die unter 1. angeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen und die Ausführungen in den nachfolgenden Abschnitten zu bedenken. 3072 Für Vorrang des vertraglichen Aufwendungsersatzes vor dem Bereicherungsrecht K. Müller, JZ 1968, 769, 772; zur parallelen Fragestellung in Bezug auf die Geschäftsführung ohne Auftrag vgl. oben Fn 3051. 3073 Siehe insbesondere oben III. 3074 Auch insoweit besteht eine Parallele zum Steuerentnahmerecht; vgl. (vertiefend) oben S. 552 f.

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chen Personen und Personengesellschaften ermöglichen3075 – was es rechtfertigen könnte, ihn für Zwecke des Innenausgleichs den geschäftsführenden Gesellschaftern zuzuweisen.3076 Hiergegen spricht jedoch, dass es sich bei § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG um eine grobe Typisierung handelt, die unabhängig von den konkreten Verhältnissen der jeweils betroffenen Gesellschaft eingreift, so dass nur ein loser Zusammenhang zwischen der gesetzlichen Ausgestaltung der Vorschrift und den hinter ihr stehenden Erwägungen ausgemacht werden kann.3077 Berücksichtigt man zudem, dass der Freibetrag betriebs- und nicht personenbezogen gewährt wird,3078 besteht m.E. kein genügender Anlass für gesellschafterindividuelle Korrekturrechnungen. Sollte der von der Gesellschaft generierte Gewinn den Freibetrag allerdings nicht erreichen,3079 so ist der Differenzbetrag dem Ausgleichsschuldner zugute zu bringen, denn in entsprechender Höhe ist es auf Gesellschaftsebene zu keiner (ausgleichsbedürftigen) Mehrbelastung gekommen.3080 Wie auf S. 585 bereits angedeutet, sind ferner dort Besonderheiten zu beachten, wo das Ausscheiden eines Gesellschafters Gewerbesteuer auslöst, für den eine Ergänzungsbilanz bestanden hat: Da die ergänzungsbilanzbedingten Mehr- oder Minderergebnisse auch im Innenverhältnis die Gesellschaft belastet haben bzw. dieser zugute gekommen sind,3081 muss nach der nunmehr erfolgten Realisierung des Veräußerungsgewinns im Gesellschaftervermögen für Zwecke des Innenausgleichs eine entsprechende Korrektur vorgenommen werden. Hat der Gesellschafter seine Beteiligung beispielsweise über Buchwert erworben, und hat die Gesellschaft deshalb von den Mehrabschreibungen aus seiner Ergänzungsbilanz profitiert, so kann sie im Falle einer späteren Veräußerung dieser Beteiligung keine vollständige Erstattung der auf den Veräußerungsge-

3075 Siehe etwa Blümich/Gosch, § 11 GewStG Rz. 9 a.E.; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 11 Anm. 11; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, S. 774. 3076 Soweit Verf. ersichtlich, wird diese Frage im zivilrechtlichen Kontext bisher nicht diskutiert. 3077 Vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 11 Rn. 4 sowie auch die Kritik bei Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 11 Anm. 11 f. (unter Hinweis auf die rechtspolitische Diskussion). 3078 Vgl. Blümich/Gosch, § 11 GewStG Rz. 9; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 11 Rn. 4 ff.; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 11 Anm. 14. 3079 Auf Verlustfälle wird unter D. eingegangen. 3080 Haben in einem solchen Fall mehrere Gesellschafter in ihrem Bereich Gewinne erzielt, so ist der Differenzbetrag verhältnismäßig aufzuteilen. 3081 Näher oben S. 584 ff.

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winn entfallenden Gewerbesteuer verlangen, sondern muss sich die abschreibungsbedingte Steuerermäßigung anrechnen lassen. Der Anspruch entsteht als Befreiungsanspruch – analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. §§ 670, 257 BGB – mit Entstehung der Gewerbesteuer (§ 18 GewStG).3082 Er wird als solcher nicht vor Festsetzung der Gewerbesteuer gegenüber der Gesellschaft (vgl. § 16 Abs. 1 GewStG) fällig3083 und wandelt sich nach Tilgung der Steuer durch die Gesellschaft in einen Zahlungsanspruch um.3084 Auf die Verbuchung entsprechender Zahlungen ist bereits auf S. 599 f. eingegangen worden. f) Vorauszahlungen Komplexer stellt sich die Rechtslage dar, wenn die Gesellschaft Vorauszahlungen (§§ 19 ff. GewStG) zu entrichten hat. Deren Bezugspunkt bildet gemäß § 19 Abs. 2 GewStG grundsätzlich die Steuer, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat, so dass der einzelne Gesellschafter denjenigen Teil einer jeden Vorauszahlung zu tragen hat, der im Rahmen dieser Veranlagung auf die Sondervorgänge in seinem Vermögen entfallen ist. Anpassungen nach § 19 Abs. 3 GewStG sind zu berücksichtigen, soweit sie in dieser Hinsicht von Bedeutung sind. Als einschlägige Anspruchsgrundlagen greifen hier ebenfalls die §§ 670, 257 BGB3085 und in der Regel auch § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB3086 (je in analoger Anwendung) 3082 Zu Besonderheiten, die im Falle von Vorauszahlungen (§ 19 GewStG) zu beachten sind, näher sogleich unter f). 3083 Zum Anspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB vgl. oben S. 412 ff. mit Fn 1997 (Fälligkeit der Steuerschuld maßgebend). Soweit sich aus § 257 Satz 2 BGB eine Vorverlagerung der Fälligkeit des aufwendungsersatzrechtlich begründeten Befreiungsanspruchs ergibt (siehe etwa Krüger, in: MünchKomm.-BGB, § 257 Rn. 7; Staudinger/Bittner, BGB, § 257 Rn. 19), wird dies den Besonderheiten des Steueranspruchs nicht gerecht, dessen Höhe sich vor Bescheiderteilung kaum rechtssicher ermitteln lässt; zu der vorgelagerten, ihrerseits nicht unstreitigen Frage, ob Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis überhaupt vor ihrer Festsetzung erfüllt werden können (hier: gemäß § 48 Abs. 1 AO) vgl. B. Schwarz, in: Schwarz (Hrsg.), AO, § 47 Rz. 6 f.; Kruse, in: Tipke/Kruse, § 44 AO Tz. 1, 5. 3084 Zu § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB vgl. bei und in Fn 2002; zu § 257 BGB siehe Staudinger/Bittner, BGB, § 257 Rn. 8; lediglich in der Konstruktion abweichend Krüger, in: MünchKomm.-BGB, § 257 Rn. 5. 3085 Bei dem betreffenden Teil der Vorauszahlungsschuld handelt es sich bei wertender Betrachtung ebenfalls um eine Angelegenheit des Gesellschafters (und nicht der Gesellschaft); vgl. für das Steuerentnahmerecht (in umgekehrter Anspruchsrichtung) oben S. 564; zum Aufwendungscharakter von Vorauszahlungen näher S. 559. 3086 Soweit die Haftung des jeweiligen Gesellschafters reicht, erfasst sie auch Vorauszahlungsschulden.

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ein. Auch in dieser Hinsicht besteht vor der Schuldtilgung durch die Gesellschaft ein Befreiungs- und anschließend ein Zahlungsanspruch.3087 Der so umrissene unterjährige Ausgleich ist naturgemäß nur vorläufiger Natur. Nach erfolgter Steuerfestsetzung muss daher auch hier3088 eine Endabrechnung entsprechend den Ausführungen unter e) erfolgen, wobei aber zusätzlich zu berücksichtigen ist, wer die Vorauszahlungen getragen hat und ob es zu einer Erstattung nach § 20 Abs. 3 GewStG gekommen ist.3089 Sowohl § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB als auch die im Auftragsrecht fußenden Aufwendungsersatzvorschriften bieten eine genügende Grundlage sowohl für eine derartige Gesamtkonsolidierung als auch (im Besonderen) für die Unterverteilung etwaiger Erstattungsbeträge.3090

C. Pauschale Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG I. Problemaufriss und Meinungsstand Im vorstehenden Abschnitt konnte gezeigt werden, dass der Gesellschaft ein Ausgleichsanspruch wegen Gewerbesteuer zusteht, die aufgrund steuerpflichtiger Vorgänge im Vermögen eines Gesellschafters angefallen ist. Wie eingangs unter A II. bereits angesprochen, sind bisher allerdings diejenigen Steuereffekte ausgeblendet worden, die sich aus der Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG ergeben. Sie können im Verhältnis der Gesellschafter untereinander3091 zu Inkongruenzen führen, weil die hier 3087 Zu weiteren Einzelheiten vgl. oben S. 412 f. (zu der parallelen Fragestellung bei zusammen veranlagten Ehegatten in Bezug auf den Gesamtschuldnerausgleich). 3088 Siehe wiederum oben S. 412 ff. 3089 Zur Rechtslage im Falle einer Abschlusszahlung (§ 20 Abs. 2 GewStG) vgl. oben S. 413 f. 3090 Entsprechende Ausgleichszahlungen sind im System der §§ 667 ff. BGB angelegt; vgl. Staudinger/Martinek, BGB, § 667 Rn. 2 und etwa auch H. Seiler, in: MünchKomm.-BGB, § 669 Rn. 8. Zur Anwendbarkeit des Gesamtschuldnerausgleichs auch im Falle von Steuererstattungen näher oben S. 429 ff. Nichts anderes gilt für Nachforderungs- und Erstattungsbeträge, die im Falle einer späteren Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung anfallen (zum Aufwendungsersatz­ anspruch vgl. Fn 2775; zum Gesamtschuldnerausgleich vgl. S. 354, S. 371 f., S. 425 sowie wiederum S. 429 ff.). 3091 Auf das – in dieser Hinsicht im Ergebnis unproblematische – Verhältnis zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft wird sogleich kurz eingegangen (unter II 1.). Diejenigen Verwerfungen und Rechtsanwendungsprobleme, die die „Verlegenheitslösung“ (so Hey, FR 2001, 870, 871) des § 35 EStG auch losgelöst von der Mitunternehmerbesteuerung bereiten kann (vgl. etwa Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 35 Rn. 2, 12 f., 19 f.; Hey, aaO, S. 871 ff.; Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 127; M. Wendt, FR 2000, 1173, 1177 ff.), sind für das Innenverhältnis lediglich mittelbar von Interesse, da für die Ausgleichsfrage wiederum allein ent-

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geregelte Steuerermäßigung nur Gesellschafter betrifft, die natürliche Personen sind,3092 und der Anrechnungsmodus des § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG keine Rücksicht darauf nimmt, wer die Gewerbesteuerlast im Innenverhältnis tatsächlich zu tragen hat.3093 Dies hat zur Folge, dass das (potentielle)3094 Anrechnungsvolumen eines Gesellschafters, den eine über seinen Anteil am allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel hinausreichende interne Einstandspflicht trifft, im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern zu gering ausfällt, während seine Mitgesellschafter prinzipiell ein höheres Anrechnungsvolumen in Anspruch nehmen können, als ihnen bei Maßgeblichkeit des Innenverhältnisses zustünde.3095 Dies hat eine Diskussion darüber losgelöst, ob und wie derartige Effekte im Innenverhältnis kompensiert werden können. Verbreitet wird in dieser Hinsicht von einem innergesellschaftlichen Regelungsbedarf ausgegangen,3096 wobei sich die Vorschläge allerdings erheblich unterscheiden. Vielfach wird versucht, die aus § 35 EStG resultierenden, unerwünschten Steuereffekte über eine Anpassung der vorgeschlagenen Gewerbesteuerklausel zu neutralisieren, wobei auch insoweit verschiedene scheidend ist, ob die Besteuerung zu einem maßstabswidrigen Ungleichgewicht zwischen den Gesellschaftern führt (vgl. oben B II.). Darauf ist unter II 2. zurückzukommen. 3092 Näher oben bei Fn 2896. 3093 Dazu bereits oben S. 574 f. Diese Vorschrift findet nicht nur bei der Ermittlung des Anteils der Gesellschafter am Gewerbesteuer-Messbetrag Anwendung, sondern gemäß § 35 Abs. 4 EStG auch für die Aufteilung der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG (vgl. dazu BT-Drucks. 16/4841, S. 65). 3094 In welchem Umfang dieses Anrechnungsvolumen tatsächlich nutzbar ist und damit zu einer Steuerermäßigung führt, richtet sich nach den übrigen Vorschriften des § 35 EStG (vgl. nur BFH BStBl. II 2009, 7, 8). So können Anrechnungsüberhänge (vgl. Fn 2894) im Einzelfall auch in der Person des hier in Bezug genommenen Gesellschafters entstehen. 3095 Vgl. auch Kläne, Steuerwirkungen, S. 223; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 87 ff.; M. Wendt, FR 2000, 1173, 1179 f. sowie die Nachweise zum Streitstand im nachfolgenden Absatz. Allerdings wird es in solchen Fällen bei den Mitgesellschaftern häufig zu Anrechnungsüberhängen kommen, so dass diese Anrechnungsvolumina zu keiner Steuerermäßigung führen (vgl. Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 7, 64; siehe bereits oben S. 576 mit weiteren Nachweisen). Hierauf wird unter II 2. ebenfalls zurückgekommen. 3096 Vgl. etwa Selder, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 5 Rn. 22; Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 64 a.E.; Schmidt/Wacker, EStG, § 35 Rn. 24; Kläne, Steuerwirkungen, S. 222 ff.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 16 f.; Neu, DStR 2000, 1933, 1937 f.; Ottersbach, DStR 2002, 2023, 2023. Speziell bei gewerbesteuerpflichtigen Anteilsveräußerungen werden darüber hinaus auch kaufvertragliche Ausgleichsregelungen vorgeschlagen (vgl. Rödder, DStR 2002, 939, 943; Scheifele, DStR 2006, 253, 259).

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Lösungsvarianten vorzufinden sind.3097 Dieser Ansatz will folglich die gesellschaftsvertragliche Gewinnverteilungsregelung für den Ausgleich unter den Gesellschaftern nutzbar machen – was jedoch analog den Ausführungen unter B IV 1. nicht in jedem Fall Erfolg verspricht. Von anderer Seite wird hingegen eine Vereinbarung direkter Ausgleichsansprüche unter den Gesellschaftern vorgeschlagen,3098 wodurch die mit der Verbuchungslösung einhergehenden Probleme insoweit vermieden würden. Einigkeit dürfte – im Unterschied zu der unter B. diskutierten Fragestellung – allerdings darüber bestehen, dass ein Ausgleich nur auf besonderer vertraglicher Grundlage vorzunehmen ist.3099

II. Stellungnahme 1. Zum Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern Über den so skizzierten Diskussionsstand hinausgehend, soll zunächst Klarheit darüber verschafft werden, ob ein Ausgleich (auch) im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft in Betracht kommt. Den Anknüpfungspunkt bilden die auf erster Stufe erzielten Gewinne, denn die entsprechende Gewerbesteuerbelastung trägt im Innenverhältnis die Gesellschaft, während die damit korrespondierende Steuerermäßigung gemäß § 35 EStG bei den Gesellschaftern anfällt. Dennoch besteht in dieser Hinsicht im Ergebnis kein Regelungsproblem. Steht dem Gesellschafter nämlich ein volles Gewinnentnahmerecht zu, so ist er bereits durch die – insoweit kongruente – Aufwandsbuchung belastet,3100 da sein Entnahmeanspruch um den anteiligen Gewerbesteuerbetrag sinkt, den er folglich wirtschaftlich unmittelbar trägt.3101 Es ist deshalb nur konsequent (und bedarf daher keiner internen Abänderung), dass ihm auch die darauf entfallende Steuerermäßigung nach § 35 EStG zugute kommt. So3097 Siehe im Einzelnen Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 44 f.; Kläne, Steuerwirkungen, S. 277 ff.; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 76 f.; Neu, DStR 2000, 1933, 1937 sowie auch Ottersbach, DStR 2002, 2023, 2023 ff. und Schmidt/ Wack­er, EStG, § 35 Rn. 24; kritischer Überblick bei Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 87 ff. 3098 Vgl. Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 7 a.E., 64 a.E., wo allerdings nicht (hinreichend) zum Ausdruck kommt, dass sich die meisten anderen Autoren nicht für Direktansprüche, sondern für eine Verbuchungslösung aussprechen (vgl. die Nachweise in Fn 3097); präziser ders., GmbHR 2009, 13, 16 mit Formulierungsvorschlag auf S. 17. 3099 Besonders deutlich Selder, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 5 Rn. 22, der ausdrücklich zwischen diesen beiden Fragenkreisen differenziert. 3100 Vgl. Fn 2865. 3101 Gleiche Überlegung oben S. 584.

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weit die Gewerbesteuer hingegen auf thesaurierte Gewinne anfällt, ist die Gesellschaft im Innenverhältnis ohnehin verpflichtet, die darauf entfallende Steuerlast zu tragen. Aus diesem Grund muss sie dem Gesellschafter, wie in § 13 herausgearbeitet, die Entnahme des entsprechenden, vom ihm geschuldeten Einkommensteuerbetrages gestatten, so dass sich die Ermäßigung nach § 35 EStG lediglich als Rechnungsposten auswirkt, der zu einer höhenmäßigen Verringerung des Steuerentnahmerechts führt.3102 Einer weitergehenden Kompensation bedarf es deshalb auch in dieser Situation nicht. 2. Zum Verhältnis der Gesellschafter untereinander Damit bleibt die Frage, ob Ansprüche der Gesellschafter untereinander in Betracht kommen, wenn keine vorrangige vertragliche Regelung getrof­fen wurde.3103 Dies ist von vornherein nicht der Fall, soweit es zu einem Entfall von Anrechnungsvolumen kommt, weil einzelne Mitunternehmer keine natürlichen Personen sind. Der Anteil am Gewerbesteuer-Messbetrag, der gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG an sich auf sie entfallen würde, kann sich bei ihnen nämlich von vornherein nicht in einer Steuerermäßigung niederschlagen, weil diese nur natürlichen Personen zugute kommt.3104 Da das entsprechende Anrechnungsvolumen infolgedessen verfällt, fehlt es insoweit bereits an einer (maßstabswidrigen) Verschiebung von Steuerwirkungen unter den Gesellschaftern.3105 Daher ist weder ein Bedürfnis noch ein rechtlicher Anknüpfungspunkt für einen Ausgleichsanspruch ersichtlich.3106 Diese Überlegung ist verallgemeinerungsfähig: Immer dann, wenn es bei einem Gesellschafter (gleich aus welchen Gründen) zu einem Anrechnungsüberhang3107 kommt, kann in der entsprechenden Höhe kein Ausgleichsanspruch ge3102 Vgl. bereits oben S. 552. 3103 Siehe zum Vorrang vertraglicher Vereinbarungen wiederum oben S. 581 f.; zu den vorgeschlagenen Regelungsmöglichkeiten vgl. die Nachweise unter I. 3104 Zu den Hintergründen siehe erneut Fn 2896. 3105 Der hier beschriebene Sachverhalt ähnelt den in § 15 zu analysierenden „fremdbestimmten Steuerwirkungen“. Derartige Effekte können (in Ermangelung einer besonderen vertraglichen Regelung) nur dann einen Ausgleichsanspruch auslösen, wenn sie im Verhältnis der Beteiligten untereinander einen nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbarenden Zustand begründen (vgl. im Folgenden sowie unter D II 2. und in § 15). 3106 Ohne eine maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung wäre auch in diesem Bereich weder eine (kompensierende) ergänzende Vertragsauslegung noch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB ableitbar. In Hinsicht auf den Bereicherungsanspruch fehlte es schon an einem erlangten „Etwas“. 3107 Vgl. zu diesem Begriff und den Ursachen von Anrechnungsüberhängen die Nachweise am Ende von Fn 2894.

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gen ihn begründet sein, denn wegen des Entfalls der potentiellen Steuer­ ermäßigung, die ihren Grund in der (zumindest rechtspolitisch zweifelhaften)3108 Ausgestaltung des § 35 EStG findet, besteht keinerlei Ausgleichsmasse. Das hat für Situationen, in denen der Gewerbesteuer-Messbetrag aufgrund von § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG inkongruent aufgeteilt wird, zur Folge, dass sich ein Innenausgleich von vornherein nur auf denjenigen Betrag beziehen könnte, um den sich die Steuerermäßigung eines profitierenden Gesellschafters gerade wegen dieser Aufteilung erhöht. Dieser Betrag wird in vielen Fällen Null sein, weil es infolge der konkreten Ausgestaltung des § 35 EStG in solchen Fällen häufig zu Anrechnungsüberhängen in erheblicher Höhe kommt.3109 Aber auch dann, wenn eine derartige Erhöhung des Steuerermäßigungsbetrages tatsächlich einmal eintritt, besteht m.E. kein hinreichender Anknüpfungspunkt für einen Ausgleichsanspruch, sei es aus ergänzender Vertragsauslegung, sei es aus Bereicherungsrecht. In jedem Fall müsste nämlich abgeleitet werden, dass dieser Ermäßigungsbetrag nicht dem vereinnahmenden, sondern dem (in Bezug auf das potentielle Anrechnungsvolumen) benachteiligten Gesellschafter zusteht. Eine derartige Ableitung ist jedoch nicht möglich. Sie müsste, da es um die Abänderung einer steuerrechtlich vorgegebenen Zuweisung geht, zweifelsfrei aus 3108 Vgl. bereits die Nachweise in Fn 3091. Die Unzulänglichkeiten, die § 35 EStG schon bei Einzelgewerbetreibenden bereiten kann, „potenzieren sich“ (vgl. Hey, FR 2001, 870, 875) bei der Mitunternehmerschaft und sind jedenfalls rechtspolitisch kaum zu rechtfertigen (siehe auch Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 35 Rn. 25; Korezkij, BB 2001, 389, 390 ff.). Nach BFH/NV 2011, 1120, 1125; BFH BStBl. II 2010, 116, 120; BFH BStBl. II 2009, 7, 8 ff. ist § 35 EStG allerdings verfassungsrechtlich haltbar; siehe auch Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 8 f.; Schmidt/Wacker, EStG, § 35 Rn. 3; a.A. Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 127 f.; Jachmann, BB 2000, 1432, 1435 f.; Schön, StuW 2000, 151, 156; kritisch auch Gosch, aaO, Rn. 2; Hey, aaO; speziell zur Vereinbarkeit mit Finanzverfassungsrecht siehe einerseits Hidien, BB 2000, 485, 486 f.; Hüttemann, aaO, S. 126 und andererseits Levedag, aaO, Anm. 8; Hey, aaO, S. 877 f.; Jachmann, aaO, S. 1436 f. Für die Frage des Innenausgleichs könnte eine von der Auffassung des BFH abweichende verfassungsrechtliche Einordnung erst dann von Bedeutung sein, wenn die Norm aufgrund dessen nicht mehr anzuwenden ist, denn andernfalls besteht das Ausgleichsproblem fort. Keine Validität bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Vorschriften kann allerdings nach richtiger Ansicht das von BFH BStBl. II 2010, 116, 120 verwendete Argument haben, die beteiligten Privaten könnten etwaige Unzulänglichkeiten der Gesetzeslage durch vertragliche Vereinbarungen abfedern (siehe für den vorliegenden Kontext auch Gosch, aaO, Rn. 25 a.E.); siehe zu diesem Problemkreis bereits oben S. 210 mit Fn 1062. 3109 Zu Einzelheiten siehe die Nachweise in Fn 2894.

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Verfassungsrecht folgen3110 – was nicht der Fall ist. Grundvoraussetzung hierfür wäre nämlich eine nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbarende Verschiebung von Steuerwirkungen. Davon kann keine Rede sein: § 35 EStG zielt darauf ab, einkommensteuerpflichtige Gewerbetreibende für die wirtschaftliche Belastung, die ihnen die Gewerbesteuer bereitet, in pauschalierter Form zu kompensieren,3111 wobei es im Regelfall zu einer vollständigen (wirtschaftlichen) Entlastung von der Gewerbesteuer kommen soll.3112 Diese Entlastung ist vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht zu beanstanden,3113 sondern im Gegenteil geboten, wenn man sich die Leistungsfähigkeitswidrigkeit des geltenden Gewerbesteuerrechts vor Augen führt, die richtigerweise in der Sonderbesteuerung von Gewerbetreibenden zu erblicken ist.3114

3110 Vgl. (mit Blick auf den Bereicherungsanspruch) sogleich in Fn 3147 mit den dort in Bezug genommenen Teilen dieser Untersuchung. In Ermangelung konkreter, anders gerichteter Anhaltspunkte im jeweiligen Vertragsgefüge besteht auch kein rechtlicher Anknüpfungspunkt dafür, ein hiervon abweichendes Ergebnis über das Instrument der (ergänzenden) Vertragsauslegung zu erzielen; zum weitgehenden Gleichlauf der gesetzlichen und vertraglichen Ausgleichsmechanismen in derartigen Situationen siehe oben § 7. 3111 Vgl. BT-Drucks. 14/2683, S. 97; BT-Drucks. 16/4841, S. 65; BFH BStBl. II 2010, 912, 915; Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 6; J. Thiel, StuW 2000, 413, 415 f. 3112 Vgl. BT-Drucks. 14/2683, S. 97; BT-Drucks. 16/4841, S. 65; BVerfGE 120, 1, 42; BFH BStBl. II 2009, 7, 9 f.; Hey, FR 2001, 870, 873. 3113 Die rechtsformübergreifende Dimension der Fragestellung – den Hintergrund der Einführung des § 35 EStG bildete das Bestreben des Gesetzgebers, die Steuerbelastung von Personenunterunternehmen und Kapitalgesellschaften nach Senkung des Körperschaftsteuersatzes anzunähern (siehe dazu die Nachweise in Fn 2896) – kann hier vernachlässigt werden, weil eine etwaige, daraus resultierende Verfassungswidrigkeit des § 35 EStG (vgl. zum Diskussionsstand Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 35 Rn. 2; Hey, FR 2001, 870, 876 f. und 879; dies., DStJG 24 (2001), 155, 205 ff.; Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 127 f.; Schön, Stbg. 2000, 1, 16; bereits im Ansatz ablehnend BFH BStBl. II 2009, 7, 9; Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 9; Schmidt/Wacker, EStG, § 35 Rn. 3, allerdings jeweils unter Hinweis auf die wenig überzeugenden Ausführungen in BVerfGE 116, 164, 198 ff.) keine maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung unter den Gesellschaftern von Personengesellschaften begründen kann (vgl. auch oben Fn 3108). 3114 Vgl. dazu bereits oben S. 147 f.; im gleichen Sinne wie hier Jachmann, BB 2000, 1432, 1434 f.; vgl. auch Birk, StuW 2000, 328, 332; Hey, DStJG 24 (2001), 155, 182 f.; nicht berücksichtigt in BFH BStBl. II 2009, 7, 9 f., wo der Anrechnung der Charakter einer Subvention zugemessen wird (ebenso Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 127; weniger deutlich BVerfGE 116, 164, 184 ff.; a.A. offenbar BVerf GE 120, 1, 41 ff.).

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Ist die Vollentlastung der Gesellschafter3115 mithin aus Leistungsfähigkeitsgründen wünschenswert,3116 so kann in Bezug auf Steuerermäßigungsbeträge, die die tatsächlich getragene Gewerbesteuer kompensieren (oder darunter liegen), keine zugunsten des jeweiligen Gesellschafters eingreifende, maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung festgestellt werden. Ausgleichsansprüche scheiden dann aus. Dies gilt ungeachtet der durch § 35 EStG bewirkten Inkongruenzen, denn sie sind allein seiner imperfekten Ausgestaltung geschuldet3117 – und können schon deshalb nicht über Ausgleichsmechanismen zugunsten einer leistungsfähigkeitsgerechten Verteilung von Ermäßigungsbeträgen überwunden werden, weil sie ihre Ursache in Anrechnungsüberhängen finden, die ihrerseits nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Einklang stehen und einer zivilrechtlichen Abänderung ebenso wenig zugänglich sind.3118 Damit bleibt festzuhalten, dass von einer im Innenverhältnis relevanten Steuerwirkungsverschiebung nur im Falle einer Überkompensation eines Gesellschafters die Rede sein kann. Eine solche ist zwar denkbar, weil gemäß § 35 Abs. 4 EStG auch die Aufteilung der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG) nach Maßgabe von § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG erfolgt. Dieser Fall dürfte jedoch eher theoretischer Natur sein und kann daher vernachlässigt werden, denn in solchen Situa-

3115 Die Entlastung kann bei den Gesellschaftern ansetzen, da sie die Gewerbesteuer wirtschaftlich tragen; zu den auf erster Stufe erzielten Gewinnen siehe oben 1.; zum Ausgleichanspruch der Gesellschaft wegen Gewerbesteuer auf Gewinne, die im Vermögen der Gesellschafter angefallen sind, näher oben B. 3116 Ebenso Jachmann, BB 2000, 1432, 1435; vgl. auch Birk, StuW 2000, 328, 332; Hey, DStJG 24 (2001), 155, 182 f. Hinzu kommt, dass eine Vollentlastung auch in der Konsequenz einer gleichheitsgerechten Ausgestaltung der Steuerermäßigungsvorschrift selbst liegen dürfte (vgl. Gosch, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 35 Rn. 12; Birk, aaO; Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 127; a.A. BFH BStBl. II 2009, 7, 8 ff.; Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 9; Schmidt/Wacker, EStG, § 35 Rn. 3). Dass auch die Vollentlastung selbst systematische Bedenken aufwerfen und zu rechtspolitischen Verwerfungen führen kann (Hey, aaO, S. 208 f.; dies., FR 2001, 870, 878 f.; Hüttemann, aaO, S. 128; Schön, Stbg 2000, 1, 16), wird hier selbstverständlich nicht verkannt, betrifft jedoch eine andere Ebene, weil sich hierhin schlicht die Verfehltheit der Gewerbesteuer widerspiegelt (vgl. wiederum Hey, aaO, S. 209; Schön, aaO). 3117 Das gesetzgeberische Ziel der für den typischen Fall eintretenden Vollentlastung wird sowohl im allgemeinen Kontext als auch erst recht bei Mitunternehmerschaften verfehlt (siehe insbesondere Hey, FR 2001, 870, 873 ff. sowie die weiteren Nachweise in Fn 3091 und Fn 3108). 3118 Vgl. oben S. 574 f. (zu der in dieser Hinsicht fehlenden rechtsgeschäftlichen Steuerbarkeit des nach § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG maßgeblichen allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels).

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tionen entstehen in aller Regel Anrechnungsüberhänge,3119 die eine derartige Überkompensation verhindern. Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass ein Ausgleich für Steuerwirkungen, die ihre Ursache in § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG finden, nicht geschuldet ist. Den Parteien steht es aber selbstverständlich frei, hiervon abzuweichen und eine anders gerichtete vertragliche Ausgleichsregelung zu treffen.3120 Bei der Klauselfassung wäre allerdings zu bedenken, dass eine pauschale Bezugnahme auf das Verhältnis der intern zu tragenden Anteile an der Gewerbesteuer3121 zu ungereimten Ergebnissen führen kann:3122 Treten – wie häufig – Anrechnungsüberhänge auf, so kann der Fall eintreten, dass ein Gesellschafter Ausgleichsleistungen zu erbringen hat, obwohl er selbst gar nicht von einer entsprechenden Steuerermäßigung profitiert hat. Umgekehrt kann es zu einer Ausgleichsberechtigung kommen, obwohl der profitierende Gesellschafter das damit korrespondierende Anrechnungsvolumen gar nicht in eigener Person hätte nutzen können.3123 Sollen derartige Verwerfungen vermieden werden, so bleibt nur der Weg einer Als-Ob-Betrachtung, die sich an den konkreten Verhältnissen der betroffenen Gesellschafter ausrichtet – und daher eine Berücksichtigung (und Offenlegung) aller einkommensteuerlich relevanten Daten erfordert.3124 Im Ergebnis dürfte es kaum möglich sein, eine sowohl prakti­ kable als auch interessengerechte Vertragsklausel zu formulieren.3125

D. Ausgleich in Verlustsituationen I. Innerperiodische Verlustverrechnung Da Verlustsituationen in der bisherigen Darstellung ausgeklammert worden sind, sollen sie im Folgenden in einer Gesamtschau beleuchtet 3119 Vgl. wiederum Fn 2894. 3120 Siehe Fn 3103 mit oben I. (zu den diskutierten Gestaltungsvorschlägen). 3121 Vgl. die bei Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 44 f. diskutierten Vorschläge. 3122 Vgl. auch Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 77 f. 3123 Siehe auch Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 94 ff. In dem zuletzt genannten Fall müsste ein gerechter (hälftiger?) Aufteilungsmaßstab gefunden werden. Die hier aufgezeigten Ungereimtheiten lassen sich auch nicht durch eine Klausel der bei Levedag, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 35 EStG Anm. 64 a.E. beschriebenen Art beseitigen. 3124 Vgl. auch – kritisch – Neu, DStR 2000, 1933, 1937, der auf S. 1938 zu Recht auf die Komplexität der Aufgabenstellung hinweist; siehe in diesem Zusammenhang auch den Vorschlag Klänes, Steuerwirkungen, S. 224 f. 3125 Vgl. Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 107 f. mit Einzelanalysen der vorgeschlagenen Klauseln auf S. 90 ff.

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werden. Zunächst ist zu klären, ob Ausgleichsansprüche in Betracht kommen, wenn ein Gesellschafter in dem ihm zuzuordnenden gewerbesteuerlichen Bereich (etwa aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens)3126 Verluste erleidet, die der Gesellschaft in demselben Erhebungszeitraum zugute kommen, weil dort entsprechend hohe Erträge3127 angefallen sind.3128 Fraglich ist daher, ob der Gesellschafter eine Kompensation für diese Verlustnutzung beanspruchen kann, ihm insbesondere ein Zahlungsanspruch gegen die Gesellschaft in Höhe der bei ihr eingetretenen Steuerermäßigung zusteht.3129 Insoweit kommt weder eine entsprechende Anwendung von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht, da es nicht um die Aufteilung der Steuergesamtschuld, sondern um darüber hinausgehenden3130 Vorteilsausgleich geht.3131 Noch kann eine Analogie zu § 670 BGB Platz greifen, denn es fehlt an einer Aufwendung des Gesellschafters für die Gesellschaft bzw. an einem vergleichbaren Sachverhalt.3132 Auch scheitert m.E. eine Anspruchsableitung aus ergänzender Vertragsauslegung, denn aus dem vertraglichen Gefüge wird sich ein entsprechender Zahlungsanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft kaum überzeugend ableiten lassen.3133 Enthält der Gesellschaftsvertrag hingegen eine Gewerbesteuerklausel mit dem unter B I. skizzierten Inhalt, so kommt die Steuerermäßigung dem betreffenden Gesellschafter grundsätzlich mittelbar im Wege der Gewinnverteilung zugute.3134 Inwieweit hiermit ein zeitnaher Mittelzufluss einhergeht, bestimmt sich nach der vorhandenen Entnahmeregelung. Wie 3126 Zur Abschichtung der Vermögensbereiche von Gesellschaft und Gesellschaftern im Hinblick auf den vorliegenden Kontext näher oben B III. 3127 Zu Einzelheiten siehe Fn 3129. 3128 Auf Situationen, in denen wegen des Fehlbetrags des Gesellschafters auf Ebene der Gesellschaft ein Verlustvortrag nach § 10a GewStG entsteht bzw. sich erhöht, wird unter II. eingegangen. 3129 Da der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG auf Gesellschaftsebene zu berücksichtigen ist (siehe oben B IV 2 e)), kommt eine derartige, verlustbedingte Steuerersparnis nur in Bezug auf Gesellschaftsgewinne in Betracht, die den Freibetrag übersteigen. Andernfalls wirken sich die Verluste nämlich nicht aus. 3130 Im Innenverhältnis muss die Gesellschaft die Steuerlast selbstverständlich allein tragen; vgl. zu strukturgleichen Situationen oben S. 432 und S. 475. 3131 Vgl. ebenfalls oben S. 432 f. 3132 Vgl. in anderem Zusammenhang auch Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 460. 3133 Wie im Folgenden gezeigt wird, ist ein angemessener Interessenausgleich auch ohnedies erzielbar, so dass es einer ergänzenden Vertragsauslegung im vorliegenden Kontext ebenfalls (vgl. für andere Fallkonstellationen bereits S. 605 und die in Fn 3068 in Bezug genommenen Teile dieser Untersuchung) nicht bedarf. 3134 Vgl. erneut Authenrieth, DStZ 1988, 120, 123; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 17 Rn. 43.

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bereits herausgestellt worden ist,3135 findet die Verbuchungslösung jedoch keine Anwendung, wenn es an einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung fehlt, so dass nach anderen Kompensationsmöglichkeiten Ausschau zu halten ist. Vor dem Hintergrund der Ausführungen zur ehegattenübergreifenden Verlustverrechnung in § 11 liegt es nahe zu prüfen, ob ein Ausgleichsanspruch des Gesellschafters aus Bereicherungsrecht abgeleitet werden kann.3136 Wie dort gezeigt wurde, besteht das erlangte „Etwas“ in derartigen Fällen in der erzielten Steuerersparnis.3137 Ferner kann es sich nur um eine Nichtleistungskondiktion handeln, so dass § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB die einschlägige Anspruchsnorm bildet.3138 Als äußerst problematisch hat sich im Rahmen der Prüfung dieses Anspruchs das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten“ erwiesen.3139 So ist im Bereich des Einkommensteuerrechts umstritten, ob es schon deshalb bejaht werden kann, weil Verluste wegen ihrer Ausgleichs- bzw. Abzugsfähigkeit eine vermögenswerte Position des Verlustträgers mit eigenem (steuerlichem) Zuweisungsgehalt darstellen.3140 Richtigerweise ist das zu verneinen. Es muss vielmehr zwischen der rechtlichen Zuweisung der negativen Einkünfte einerseits und dem Gebühren der verlustverrechnungsbedingten Steuerersparnis andererseits differenziert werden.3141 Letztere ist unter zusammen veranlagten Ehegatten hälftig aufzuteilen, und zwar (allein) deshalb, weil die Verlustverrechnung die Folge der einkommensteuerrechtlichen Anerkennung desjenigen verfassungsgeleiteten Gemeinschaftsmodells bildet, das im Kern auf Art. 6 Abs. 1 GG fußt.3142 Auf die vorliegende Fallkonstellation sind die zuletzt angeführten Erwägungen nur teilweise übertragbar. Ein wesentlicher Unterschied besteht 3135 Siehe oben B IV 1. 3136 Vgl. oben § 11 F. (mit C III.), insbesondere S. 483 ff. 3137 Siehe im Einzelnen oben S. 483 mit den dort in Bezug genommenen Teilen dieser Untersuchung. 3138 Vgl. oben S. 483 ff. (mit Darstellung des Streitstandes, der zu dieser Frage im Hinblick auf die ehegattenübergreifende Verlustverrechnung besteht, auf S. 479 ff.). Diese Einordnung fällt im vorliegenden Zusammenhang noch leichter als im Kontext der Ehegattenbesteuerung, weil es hier keines gesonderten Mitwirkungsverhaltens der Beteiligten bedarf, das die Verlustberücksichtigung überhaupt erst ermöglicht. 3139 Siehe insbesondere S. 485 ff. mit S. 445 ff. 3140 Vgl. die Nachweise in Fn 2392; zum gesamten Streitstand, der sich im Bereich der Ehegattenbesteuerung gebildet hat, siehe wiederum S. 479 ff. 3141 Dazu ausführlich oben S. 486 ff. 3142 Näher oben S. 476 ff., S. 487 ff. mit S. 448 ff. Andernfalls wäre § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gar nicht einschlägig (siehe sogleich in Fn 3147).

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zunächst darin, dass dem Gesellschafter in Hinsicht auf die erlittenen Verluste von vornherein keine rechtlich fassbare Position mit eigenem Zuweisungsgehalt zustehen kann,3143 denn mangels eigener Steuerschuldnerschaft (und nach richtiger Ansicht auch: fehlender Gewerbe­ steuerpflicht)3144 könnte er sie selbst gar nicht nutzen.3145 Noch weniger gebührt ihm die verlustbedingte Steuerersparnis.3146 Denn anders als im Falle zusammen veranlagter Eheleute ist keine verfassungsrechtliche Wertung ersichtlich, nach der die Steuerersparnis dem Gesellschafter zweifelsfrei (ganz oder zum Teil) zuzuweisen wäre.3147 Zwar kann im hiesigen Kontext durchaus von einer leistungsfähigkeitsrelevanten Steuerwirkungsverschiebung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft gesprochen werden.3148 Anders als im Gewinnfall kann dem Leistungsfähigkeitsprinzip hier jedoch kein zwingender zivilrechtlicher Korrekturauftrag entnommen werden. Betrachtet man die Rechtslage nämlich aus der Perspektive des Gesellschafters, so ist festzustellen, dass weder die fehlende Verlustnutzungsmöglichkeit im Jahr der Verlustentstehung noch die steuerliche Zuweisung des Ermäßigungsbetrages an die Gesellschaft in seiner Personen einen leistungsfähigkeitswidrigen Zu-

3143 Bereits die Einordnung einkommensteuerrechtlicher Verluste bereitet unter diesem Gesichtspunkt erhebliche Schwierigkeiten; vgl. im Einzelnen oben S. 488 ff. (mit Fn 2396 und 2415). Aus dem im Haupttext genannten Grund müssten auch diejenigen, die sich im Bereich der Ehegattenbesteuerung (zu Unrecht) für eine vollständige Zuweisung der Steuerersparnis an den Verlustträger aussprechen (vgl. wiederum die Nachweise in Fn 2392), hier zu einem abweichenden Ergebnis gelangen. 3144 Näher zum Problemkreis oben A I. 3145 Gleichsinnig mit Blick auf die strukturell vergleichbare Problemstellung bei der gewerbesteuerlichen Organschaft nach früherem Recht Kleindiek, DStR 2000, 559, 563; vgl. auch BFH BStBl. II 2005, 490, 492; Habersack, BB 2007, 1397, 1399. Auch die (pauschale) rechnerische Zurechnung gewerbesteuerlicher Fehlbeträge der Mitunternehmerschaft an die Gesellschafter nach § 10a Satz 4 GewStG ändert nichts daran, dass ausschließlich die Gesellschaftsebene von der Besteuerung betroffen ist. Letztlich handelt es sich um eine Fiktion, über die insbesondere – in überaus zweifelhafter Weise – erreicht wird, dass es bei einem Ausscheiden von Gesellschaftern zum Untergang von Verlustverrechnungspotential kommt (näher dazu unten II 2.). 3146 Allein hierauf kann es entsprechend den Ausführungen auf S. 486 ff. richtigerweise ankommen. 3147 Wie auf S. 448 ff. herausgestellt, bildet im Bereich der Ehegattenbesteuerung namentlich Art. 6 Abs. 1 GG das Einfallstor für eine extensivere Interpretation des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, die nur deshalb vorgenommen werden kann, weil die hälftige Zuweisung der Steuerersparnis zweifelsfrei aus Verfassungsrecht abgeleitet werden kann. 3148 Vgl. die bisherigen Ausführungen in diesem Abschnitt, insbesondere unter B III.

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stand begründet.3149 Dass es zu keiner aktuellen3150 Benachteiligung des Gesellschafters kommt, wird bei Betrachtung der hypothetischen Rechtslage deutlich, die entstünde, wenn er die in seinem Vermögen erzielten Ergebnisse in eigener Person zu versteuern hätte. Selbst in diesem Fall hätten die Verluste in dem betreffenden Erhebungszeitraum keinerlei Auswirkungen auf seine steuerliche Lage,3151 ohne dass hiergegen aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips etwas zu erinnern wäre.3152 Wieder3149 Vgl. wiederum oben S. 448 ff.: Da es um eine Korrektur dieser präexistenten einfachgesetzlichen Zuweisung ginge, die der Bereicherungsanspruch nur in dem dort herausgestellten Ausnahmefall leisten kann, müsste die Zuweisung der Steuerersparnis gerade an den Gesellschafter zweifelsfrei aus Verfassungsrecht folgen. Die hier vorliegende maßstabswidrige Besserbehandlung der Gesellschaft genügt hingegen nicht für eine bereicherungsrechtliche Korrektur. Wie im Folgenden gezeigt wird, stellt die Zivilrechtsordnung auch ohnedies andere (nachgelagerte) Ausgleichsmechanismen bereit, die in aller Regel bewirken, dass dieser Zustand nicht definitiv bleibt. 3150 Zu Kompensationsmöglichkeiten in Folgejahren näher sogleich. 3151 Da § 10a GewStG lediglich einen Verlustvortrag, nicht jedoch einen Verlustrücktrag zulässt (siehe nur Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 5), könnte sich ein Steuernachteil (im Rahmen der hier vorgenommenen hypothetischen Betrachtung) auch nicht aus dem Entfall einer Rücktragsmöglichkeit ergeben (vgl. auch Fn 3152). 3152 Insbesondere ist in der fehlenden Verlustrücktragsmöglichkeit (vgl. Fn 3151) kein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip zu erblicken (siehe auch BFH BStBl. II 1990, 1083, 1084 ff.; FG Hamburg EFG 1986, 354, 354 f.; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 5; Kleinheisterkamp, in: Lenski/ Steinbe­ rg, GewStG, § 10a Anm. 15; Kube, DStR 2011, 1781, 1789; Röder, Verlust­verrechnung, S. 386). Zwar ist bereits im Grundsätzlichen umstritten, inwie­ weit der Gesetzgeber eine periodenübergreifende Verlustberücksich­ tigung vorsehen muss und wie derartige Regelungen dogmatisch einzuordnen sind (vgl. einerseits namentlich Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 62;  Lang, DStJG 24 (2001), 49, 64 ff.; dens., Bemessungsgrundlage, S. 187 ff.; Lang/Englisch, StuW 2005, 3, 6 ff.; Tipke, StRO II, S. 754 ff., S. 780 ff. sowie auch Kleinheisterkamp, aaO, Anm. 13; Bareis, DB 2013, 144, 145 f.; v. Groll, in: Lehner (Hrsg.), Verluste, S. 23, 33 f.; Hey, FR 2011, 131, 140 f.; dies., in: Schön/ Osterl­ oh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 22 f.; Orth, Verlust-Kompensation, S. 115 ff.; Reil, Leistungs- und Verlustfähigkeit, S. 172 ff., S. 200 ff.; Röder, StuW 2012, 18, 21 ff.; dens., Verlustverrechnung, S. 236 ff.; Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61, 64 f.; M. Wendt, DStJG 28 (2005), 41, 68 f.; siehe andererseits insbesondere P. Kirchhof, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 2 Rn. 120; dens., in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136 f.; dens., StuW 2002, 3, 9; dens., StuW 1985, 319, 329; Schick, Verlustrücktrag, S. 12 ff. sowie auch BVerfG HFR 1978, 293, 293 f.; Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11, 32 f.; vgl. ferner BVerfGE 96, 1, 7; BFH BStBl. II 2005, 609, 610; Drüen, Periodengewinn, S. 88 ff., S. 103 ff.; Heuermann, FR 2012, 435, 436 ff.; Ismer, DStJG 34 (2011), 91, 102 ff., 108 f.; Kube, aaO, S. 1784 ff.; Lehner, in: Lehner (Hrsg.), Verluste, S. 1, 15; C. Seiler, DStJG 34 (2011), 61, 81 f.; weitere Nachweise zum Streitstand bei Kube, aaO, S. 1783; Lehner, aaO, S. 12 ff.; demgegenüber unergiebig, da allein auf Folgerichtigkeits­

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erwägungen beruhend, der viel zitierte Beschluss BVerfGE 99, 88, 95 ff.; wie hier Eckhoff, aaO, S. 34; Lang/Englisch, aaO, S. 9; ebenfalls für den vorliegenden Konte­xt ohne Aussagekraft BVerfGE 123, 111, 125 (zutreffend Röder, StuW 2012, 18, 23 f.); speziell zur Mindestbesteuerung siehe – ebenfalls mit unterschied­ lichen Ansätzen – BFH BStBl. II 2013, 512, 513 ff.; BFH BStBl. II 2013, 498, 499 ff.; BFH BStBl. II 2011, 826, 828; BFH BStBl. II 2010, 1061, 1065; Hallerbach, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Anm. 12 f.; Lambrecht, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 10d Rn. 4; Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 80 ff.; Bareis, aaO, S. 146 ff.; Desens, FR 2011, 745, 748 ff.; Hackmann, StuW 2006, 124, 124 ff.; Heuermann, FR 2012, 435, 439 ff.; Hey, aaO; Kube, aaO, S. 1789 f.; Lang, GmbHR 2012, 57, 61; Lang/Englisch, aaO, S. 3 ff.; Röd­er, StuW 2012, 18, 22 ff.; Schaumburg/Schaumburg, aaO, S. 65 f.; M. Wendt, aaO, S. 74 ff.; ausführlich zu den vertretenen Ansätzen Drüen, FR 2013, 393, 394 ff.). Ansatzübergreifend dürfte heute allerdings im Wesentlichen anerkannt sein, dass überhaupt die Möglichkeit bestehen muss, Verluste perioden­übergreifend zum Abzug zu bringen (näher dazu – mit Nachweisen – Lang/Englisch, aaO, S. 11 f.). Anerkannt ist speziell in Bezug auf die Gewerbesteuer ferner, dass ihr vielfach hervorgehobener Objektsteuercharakter einem Verlustabzug nicht entgegensteht (siehe nur – stellvertretend für viele – Orth, aaO, S. 118 ff.). Richtigerweise verbleibt dem Gesetzgeber jedoch – wegen des unvermeidbaren Spannungsverhältnisses zwischen der Notwendigkeit einer pe­ riodenbezogenen Besteuerung und den Vorgaben des Leistungsfähigkeitsprinzips (vgl. BVerfG NJW 1992, 168, 169; BFH BStBl. 2013, 512, 513; BFH BStBl. II 2010, 1061, 1064; näher Desens, aaO, S. 747; Röder, Verlustverrechnung, S. 235 ff.; siehe auch Drüen, aaO; Heuermann, aaO, S. 436 ff.; Ismer, aaO) – ein erheblicher Ausgestaltungsspielraum (vgl. BVerfG aaO, BFH BStBl. II 2005, 609, 610; Hallerbach, aaO, Anm. 10; Heuermann, aaO, Rn. A 73 ff., A 80 ff.; Desens, aaO, S. 747 f.; Drüen, aaO, S. 93 ff.; Ismer, aaO, S. 108 ff.; Kube, aaO, S. 1787 f.), der einen Verlustrücktrag nicht als zwingend erscheinen lässt (vgl. mit Blick auf § 10a GewStG BFH BStBl. II 1990, 1083, 1085; Kleinheisterkamp, aaO, Anm. 14 f.; Kube, aaO, S. 1789 sowie für das Einkommensteuerrecht auch Heuermann, aaO, Rn A 87, A 89 f.; Drüen, aaO, S. 103; Eckhoff, aaO, S. 34 f.; strenger Tipke, StRO II, S. 780 f. sowie im Ausgangspunkt auch Röder, Verlustverrechnung, S. 259 f. (siehe aber S. 267 ff.); vgl. ferner M. Wendt, aaO, S. 69; zu weitgehend jedenfalls Reil, aaO, S. 202 ff.). Das gilt umso mehr, als das Haushaltsplanungs- und Einnahmenverstetigungsargument, das hinter dem fehlenden Verlustrücktrag in § 10a GewStG steht (vgl. BT-Drucks. 7/4604, S. 3), gerade für den Bereich der Gewerbesteuer gut nachvollziehbar erscheint (näher BFH BStBl. II 1990, 1083, 1085; FG Hamburg EFG 1986, 354, 355; Güroff, aaO; Klein­ heisterkamp, aaO, Anm. 15; vgl. ferner BFH BStBl. II 2013, 498, 501 f.; Kube, aaO (mit Fn 86); Röder, Verlustverrechnung, S. 386; Schick, aaO, S. 21 sowie für den einkommensteuerrechtlichen Kontext auch BVerfGE 87, 153, 178 f.; Heuermann, aaO, Rn. A 85; Desens, aaO, S. 749; Drüen, aaO, S. 94 f., S. 103; Kube, aaO, S. 1788; Röder, Verlustverrechnung, S. 272 f.; M. Wendt, aaO, S. 60; im Hinblick auf die Mindestbesteuerung ablehnend aber Hallerbach, aaO, Anm. 13; Röder, StuW 2012, 18, 25; zweifelnd BFH BStBl. II 2011, 826, 829; anders hingegen BFH BStBl. II 2013, 512, 515 („qualifizierter Fiskalzweck“) sowie für den gewerbesteuerrechtlichen Kontext auch BFH/NV 2006, 1150, 1151; FG Hamburg EFG 2012, 434, 436; siehe aber FG München EFG 2008, 1736, 1737 f.).

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um ist die Eigenheit der Verlustverrechnung zu bedenken, die darin besteht, dass die entstandene Steuerermäßigung ohne die (kompensierten) Gewinne der Gesellschaft gar nicht zustande gekommen wäre.3153 Es ist keine verfassungsrechtliche Wertung ersichtlich, die zu einem sofortigen Ausgleich nötigt bzw. die Steuerermäßigung dem verlusttragenden Gesellschafter (sonst) in bereicherungsrechtlich beachtlicher Weise zuweist. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB scheidet mithin aus, da die Steuerersparnis nicht „auf Kosten“ des Gesellschafters erlangt wurde. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass er (bei Fehlen abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelungen) keinen sofortigen Steuerausgleich beanspruchen kann. Die soeben vorgenommene Betrachtung der hypothetischen Rechtslage, die bei Annahme eines eigenen Gewerbebetriebs des Gesellschafters (in Bezug auf den ihm zuzuordnenden Teil des Gewerbeertrags bzw. -verlusts) entstünde, weist zugleich den Weg zu einer Bewältigung der vorliegenden Problemlage, die im Einklang mit der gesetzlichen Ausgestaltung der Gewerbesteuer steht und zu Ergebnissen führt, die inhaltlich angemessen sind und dem Leistungsfähigkeitsprinzip gerecht werden. Den Ausgangspunkt der hier vorgeschlagenen Lösung bildet die Überlegung, dass der Gesellschafter die bei ihm entstandenen Verluste bei hypothetisch eigener Steuerschuldnerschaft selbst steuerlich nutzen könnte, sobald er wieder Gewinne erwirtschaftet (vgl. § 10a GewStG).3154 Dieser Gedanke lässt sich für das Innenverhältnis fruchtbar machen: Da die Gesellschaft diese Verluste ihrerseits bereits genutzt hat, ohne hierfür einen Ausgleich leisten zu müssen, kann sie den Gesellschafter in dieser Situation nicht mehr zur Erstattung der Gewerbesteuer heranziehen, die auf seine nunmehrigen Gewinne (gleicher Höhe) entfällt.3155 Insoweit fehlt es nämlich an einer maßstabswidrigen Steuerlastverschiebung zum 3153 Näher oben S. 487 ff. 3154 Einen in eine ähnliche Richtung weisenden Ansatz hat Hüttemann, ZHR 171 (2007), 451, 464 für den Ausgleich im gewerbesteuerlichen Organkreis nach früherem Recht formuliert, allerdings auf Grundlage des – hier abgelehnten – Bereicherungsanspruchs, der m.E. in dieser Hinsicht auch deshalb nicht passt, weil er (allein) auf Vorteilsausgleichung abzielt und das Nachteilsmoment ausblendet. Hinzuweisen ist ferner auf die Überlegungen Witts, Konzernbesteuerung, S. 339 ff. zu Konzernumlagen, der im Ergebnis aber anders entscheidet (S. 378 ff.) – was maßgeblich auf der von ihm vorgenommenen teleologischen Extension des § 426 Abs. 1 BGB beruht, der aber nicht zu folgen ist (siehe Fn 2098). 3155 Vgl. einschränkend Fn 3129: Sollten sich die Verluste wegen des Freibetrags nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG nicht steuerermäßigend ausgewirkt haben, kann der Gesellschafter in der entsprechenden Höhe (ausnahmsweise) keine Anrechnung beanspruchen.

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Nachteil der Gesellschaft, da diese bereits im Vorhinein von den – für sie ebenfalls fremden – Verlusten des Gesellschafters profitiert hat. Auf diese Weise steht der Gesellschafter folglich im Innenverhältnis im Wesentlichen so, wie wenn er seinen Verlust selbst genutzt hätte – was evident interessengerecht erscheint. Eine ganz ähnliche Überlegung ist auch schon beim Steuerentnahmerecht angestellt worden3156 und erweist sich mithin bereichsübergreifend als weiterführend. Die rechtstechnische Umsetzung fällt hier leicht: Bei der Gewerbesteuer auf die später erzielten Gewinne handelt es sich bei wertender (leistungsfähigkeitsorientierter) Betrachtung nicht um eine eigene Angelegenheit des Gesellschafters, sondern um eine solche der Gesellschaft, weil ihr zuvor die Verluste des Gesellschafters zugute gekommen waren. Daher greifen die Ausgleichsansprüche aus §§ 670, 426 Abs. 1 Satz 1 BGB analog in entsprechender Höhe nicht durch. Eine derartige Kompensation erhält der Gesellschafter (mangels einschlägiger, einen Vorteilsausgleich ermöglichender Anspruchsgrundlage) nur dann nicht, wenn er in einem Verlustjahr ausscheidet. Das kann – trotz der damit verbundenen Besserstellung der Gesellschaft – gerade noch hingenommen werden, da dieser Verlust auch bei hypothetisch eigener Gewerbesteuerzuständigkeit des Gesellschafters nicht zu seinen Gunsten verrechnet werden könnte und daher bei ihm definitiv bliebe.3157 Will der Gesellschafter in derartigen Fällen eine Kompensation sicherstellen, so muss er folglich eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung durchsetzen.3158 Denkbar ist ferner der Fall, dass auf Gesellschaftsebene Verluste zu verzeichnen sind, während der Gesellschafter in dem ihm zuzuordnenden Bereich Gewinne erwirtschaftet hat, die mit diesen Verlusten verrechnet werden. Dann schuldet er der Gesellschaft für den betroffenen Erhebungszeitraum keinen Steuerausgleich, da es an einer aktuellen steuerlichen Belastung der Gesellschaft fehlt.3159 Anders stellt sich die Lage hin3156 Vgl. oben S. 557 f. 3157 Gewerbesteuerrechtliche Fehlbeträge gehen im Fall der Betriebseinstellung unter (vgl. nur FG München EFG 2010, 1914, 1917; Röder, Verlustverrechnung, S. 385). 3158 Ergänzend sie darauf hingewiesen, dass er ohne weitere Vorsorge auch nach der Verbuchungslösung kompensationslos bliebe (vgl. mit Blick auf den Gewinnfall oben S. 591 f.). 3159 Vgl. die obigen Ausführungen zu der umgekehrten Fallgestaltung. Auch der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG kommt in diesem Fall ausnahmsweise dem Gesellschafter zugute (siehe oben S. 606); zu Situationen, in denen mehrere Gesellschafter Gewinne erzielen, die nicht vollständig mit den Gesellschaftsverlusten verrechnet werden können, siehe sogleich im Kleintext (Beispiel 2).

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gegen in Folgejahren dar, in denen die Gesellschaft wieder Gewinne erzielt. Hier entsteht ihr in aller Regel ein Nachteil, weil es wegen der Verlustverrechnung zu einem Entfall von Verlustabzugspotential nach § 10a GewStG gekommen ist.3160 Hierfür hat der Gesellschafter – gegebenenfalls ergänzend zur Kompensationsleistung für Neugewinne3161 – nunmehr Ausgleich zu leisten.3162 Schließlich kommen auch (komplexere) Situationen in Betracht, in denen positive und negative Gewerbeerträge verschiedener Gesellschafter zu berücksichtigen sind. Der Ausgleich kann auch hier – entsprechend den unter B. herausgearbeiteten allgemeinen Grundsätzen3163 – zwischen der Gesellschaft und jedem einzelnen Gesellschafter vollzogen werden, wobei die vorstehenden Lösungsansätze gegebenenfalls zu kombinieren sind. Das soll anhand zweier Beispiele3164 verdeutlicht werden. Beispiel 1: Hat die Gesellschaft im Jahr 01 keinen Gewinn erzielt, und beträgt der Gewinn des Gesellschafters A 10, während der Gesellschafter B einen gleich hohen Verlust erlitten hat, so scheiden Ausgleichsansprüche aus, da keine Steuer anfällt. Erwirtschaften die Beteiligten im Jahr 02 einen Gewinn von je 10, so bestehen zwischen der Gesellschaft und B keinerlei Ausgleichsansprüche, während A der Gesellschaft die auf 20 entfallende Steuer erstatten muss. Beispiel 2: Hat die Gesellschaft im Jahr 01 einen Verlust von 10 erlitten, während A und B jeweils einen Gewinn von 10 erzielt haben, so muss jeder von beiden die auf 5 entfallende Steuer tragen.3165 Erwirtschaften alle Beteiligten im Jahr 02 wiederum einen Gewinn von 10, so haben A und B der Gesellschaft jeweils die auf 15 entfallende Steuer zu erstatten.

3160 Entscheidend ist die Höhe des konkret aus der fehlenden Verrechnung resul­ tierenden Nachteils, der im Wege einer Als-Ob-Betrachtung unter Berück­ sichtigung aller gewerbesteuerrechtlich relevanten Umstände (insbesondere Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG und Änderungen auf Gesellschafterebene; zu ihnen unten II 2.) zu ermitteln ist. 3161 Vgl. das Beispiel 1 sogleich im Kleintext. 3162 Ist der Gesellschafter zwischenzeitlich aus der Gesellschaft ausgeschieden und kommt deshalb kein Gesamtschuldnerausgleich mehr in Betracht, bleibt es bei der analogen Anwendbarkeit von § 670 BGB (vgl. für den Gewerbesteuerausgleich in umgekehrter Richtung BGH DB 1978, 627, 627 mit Fn 3054). 3163 Siehe insbesondere III. und IV. 3164 Der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG wird bei den hier und im folgenden Abschnitt erörterten Beispielen aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt. 3165 Es bleibt hier nur die Möglichkeit, den Verlust verhältnismäßig aufzuteilen.

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II. Periodenübergreifende Verlustverrechnung 1. Bei unveränderten Verhältnissen Die hier entwickelten Lösungsansätze können prinzipiell auch dann angewendet werden, wenn der Verlust eines Gesellschafters dazu führt, dass in dem betreffenden Erhebungszeitraum auf Ebene der Mitunternehmerschaft ein gemäß § 10a GewStG vortragsfähiger Fehlbetrag entsteht oder sich erhöht. Dann hat der Gesellschafter für später in seinem Bereich erzielte Gewinne (prinzipiell losgelöst von der Entwicklung bei der Gesellschaft) so lange keinen Steuerausgleich zu leisten, wie diese Gewinne die zuvor bei ihm entstandenen Verluste nicht übersteigen, denn entweder hat die Gesellschaft diese Verluste bereits selbst genutzt, oder es kommt zu einer Verrechnung mit einem Verlustvortrag, der auf den Gesellschafter zurückgeht.3166 Profitiert hingegen ein anderer Gesellschafter von den vorgetragenen Verlusten, weil sie mit Gewinnen verrechnet werden, die in seinem Bereich entstanden sind,3167 so kann es auch hier bei einem Ausgleichsvollzug zwischen der Gesellschaft und den einzelnen Gesellschaftern bleiben, wie sogleich im Kleintext an Beispielen verdeutlicht wird. Die Möglichkeit des Innenausgleichs wird bei unveränderten Verhältnissen auch nicht durch die in § 10a Satz 4 GewStG angeordnete, im Kern fiktive3168 Unterverteilung der Fehlbeträge der Mitunternehmerschaft auf die Gesellschafter beeinträchtigt, da gemäß § 10a Satz 5 GewStG auch der gesamte Gewerbeertrag in gleichförmiger Weise auf die Gesellschafter entfällt.3169 Diese Vorschriften wirken sich daher so lange nicht störend auf das Innenverhältnis aus, wie der Gesellschafterbestand unverändert bleibt3170 bzw. es nicht zu einer Anwendung von § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG kommt.3171 Auch im Wirkbereich der Mindestbesteuerung (vgl. § 10a Satz 5 mit Satz 2 GewStG) ergeben sich keine grundsätz3166 Eine Ausnahme gilt wiederum dann, wenn es aufgrund von § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG im Einzelfall an einer Steuerersparnis auf Ebene der Gesellschaft fehlt (vgl. Fn 3155). 3167 In diesem Fall schuldet er der Gesellschaft in entsprechender Höhe keine (aktuelle) Ausgleichsleistung, weil es an einer Steuerbelastung der Gesellschaft fehlt. Zu beachten ist aber, dass die Verluste für Zwecke des Innenausgleichs vorrangig mit etwaigen Gewinnen der Gesellschaft zu verrechnen sind. 3168 Vgl. bereits oben Fn 3145 sowie sogleich unter 2. 3169 Vgl. die nachfolgend erörterten Beispiele sowie auch R 10a.3 Abs. 3 Satz 6 GewS tR 2009. 3170 Gleiches gilt für die Höhe der Beteiligungen; vgl. R 10a.3 Abs. 3 Satz 6, 8 Gew­ StR 2009; H 10a.3 Abs. 3 GewStH 2009; Blümich/Drüen, § 10a GewStG Rz. 72. 3171 Auf derartige Situationen wird sogleich unter 2. eingegangen.

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lichen Veränderungen.3172 Diese Zusammenhänge sollen anhand der folgenden beiden Beispiele3173 demonstriert werden. Beispiel 3 (ohne Mindestbesteuerung): Die Gesellschaft besteht aus A und B, die zu 50 % an Gewinn und Verlust beteiligt sind. Im Jahr 01 erleidet A in seinem Bereich einen Verlust von 20, während die Gesellschaft und B einen Gewinn von Null erzielt haben. Im Jahr 02 erwirtschaften die Gesellschaft und B einen Gewinn von je 10, während sich bei A weder ein Gewinn noch ein Verlust ergibt. Im Jahr 03 stellt sich die Sachlage so dar wie im Jahr 01 – Da der (Gesamt-)Verlust aus 01 gemäß § 10a Satz 4 GewStG gleichförmig auf A und B zu verteilen ist und Gleiches aufgrund von § 10a Satz 5 GewStG auch für den gesamte Gewerbeertrag aus 02 gilt, kommt es in 02 zu einer vollständigen Verlustverrechnung. Für 02 kann A keinen Ausgleich beanspruchen, denn entsprechend den Ausführungen unter 1. ist ihm die aus seinem Verlust resultierende Steuerersparnis nicht zugewiesen. Jedoch muss er hinsichtlich seines Gewinns in 03 keine Ausgleichszahlung erbringen. Vielmehr hat B der Gesellschaft nunmehr die auf 10 entfallende Steuer zu erstatten. Die restliche Steuer muss sie auch im Innenverhältnis selbst tragen. Beispiel 4 (mit Mindestbesteuerung): Im obigen Beispiel wird die Angabe „10“ durch „1 Mio. EUR“ und die Angabe „20“ durch „2 Mio. EUR“ ersetzt. Dann ergibt sich gemäß § 10a Satz 4 GewStG für 01 bei A und B ein Verlustvortrag von je 1 Mio. EUR. Der Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft in 02 in Höhe von 2 Mio. EUR wird aufgrund von § 10a Satz 5 GewStG ebenfalls gleichmäßig auf beide Gesellschafter verteilt. Gemäß § 10a Satz 5 mit Satz 1, 2 GewStG können je 500.000 EUR in voller Höhe und je weitere 500.000 EUR zu 60 % mit dem Verlust aus 01 verrechnet werden, so dass sich für A und B in 02 ein vortragsfähiger Fehlbetrag von je 200.000 EUR ergibt und für 02 Steuern auf 400.000 EUR zu entrichten sind. Im Innenverhältnis ist dieser Betrag je zur Hälfte von der Gesellschaft und B zu tragen, da er auf die von ihnen generierten Gewinne entfällt. In 03 ist aufgrund von § 10a Satz 5 in Verbindung mit Satz 1 GewStG eine Verrechnung des gesamten vorgetragenen Fehlbetrags (400.000 EUR) möglich, so dass 1,6 Mio. EUR zu versteuern sind. Diese Steuer ist wiederum zur Hälfte von B und der Gesellschaft zu tragen. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass auch im Anwendungsbereich der Mindestbesteuerung eine Aufteilung nach Verursachungsbeiträgen möglich ist. Die hier zu beobachtende zeitliche Verschiebung spiegelt lediglich die durch § 10a Satz 5 GewStG ausgelöste spätere steuerliche Verlustberücksich-

3172 Dazu sogleich Beispiel 4; zu den verfassungsrechtlichen Fragen, die die Mindestbesteuerung aufwirft, siehe die Nachweise in Fn 3152 sowie – speziell zu § 10a GewStG – BFH/NV 2006, 1150, 1151; FG Hamburg EFG 2012, 434, 435 ff.; FG Berlin-Brandenburg EFG 2010, 1576, 1577 f.; FG München EFG 2008, 1736, 1737 f.; Blümich/Drüen, § 10a GewStG Rz. 112; Kleinheisterkamp, in: Lenski/ Steinberg, GewStG, § 10a Anm. 16; Lang/Englisch, StuW 2005, 3, 14 f.; Röder, Verlustverrechnung, S. 384 f. Sie bedürfen hier aus dem in Fn 3108 genannten Grund ebenfalls keiner abschließenden Klärung. 3173 Vgl. erneut Fn 3164.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften tigung wider, ohne dass der Innenausgleich hierdurch in grundsätzlicher Weise erschwert würde.

2. Bei Änderungen auf Gesellschafterebene Die in § 10a Satz 4, 5 GewStG getroffene Regelung entfaltet hingegen dort ihre zentrale Bedeutung, wo es zum Ausscheiden eines Gesellschafters bzw. zu einem Gesellschafterwechsel kommt.3174 Denn die Zuweisung der Fehlbeträge der Mitunternehmerschaft an die Gesellschafter bewirkt in derartigen Fällen, dass die gemäß § 10a Satz 4 GewStG auf den ausscheidenden Gesellschafter entfallenden Verlustvorträge untergehen3175 – was in aller Regel Innenausgleichsfragen auswirft.3176 Ähnliche Auswirkungen können aufgrund von § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG eintreten, wenn sich an der Anteilseignerstruktur einer an der Personengesellschaft beteiligten Körperschaft etwas ändert, denn im Anwendungsbereich von § 8c KStG geht der gemäß § 10a Satz 4 GewStG auf die Körperschaft entfallende Fehlbetrag ganz oder teilweise unter.3177 Wie eingangs bereits angesprochen,3178 steht diese gesellschafterindivi­ duelle Zurechnung des Verlustvortrags in einem Spannungsverhältnis sowohl zu der in § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG angeordneten, mit dem zivilrechtlichen Befund übereinstimmenden Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft als auch dem betriebsbezogenen Charakter der Gewerbe­ steuer.3179 Zu stimmigen Ergebnissen führt die in § 10a Satz 4, 5 GewStG getroffene Regelung lediglich dann, wenn der Verlustvortrag bei Ausscheiden eines Gesellschafters in derselben Höhe entfällt, in der die ent3174 Besonders hervorgehoben in R 10a.1 Abs. 2 Satz 2 GewStR 2009. Dem stehen Veränderungen der Beteiligungshöhen gleich (vgl. oben Fn 3170). 3175 Siehe die Nachweise in Fn 2900. 3176 Dazu näher im Folgenden. 3177 Zu den Hintergründen der Einführung des § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG siehe BT-Drucks. 16/11108, S. 30 sowie auch – kritisch – Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Anm. 77 f.; Schöneborn, NWB 2011, 366, 366 f.; Suchanek, Ubg 2009, 178, 178 f., 182 ff.; näher zu den nicht unstreitigen Einzelheiten der im Haupttext in Bezug genommenen Nr. 1 der Vorschrift Kleinheisterkamp, aaO Anm. 81; Schöneborn, aaO, S. 368 ff., 372 ff. Gleiche Rechtsfolgen greifen gemäß Nr. 2 ein, wenn die Körperschaft mittelbar über eine oder mehrere andere Mitunternehmerschaften an der Gesellschaft beteiligt ist (näher dazu Kleinheisterkamp, aaO, Anm. 82; Schöneborn, aaO, S. 370 ff.). 3178 Siehe oben A I. 3179 Zu Recht kritisch auch Blümich/Drüen, § 10a GewStG Rz. 62; Hey, Beihefter zu DStR 2009, 109, 117; Hüttemann, in: Gedächtnissymposion Knobbe-Keuk, S. 39, 64; vgl. ferner Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Anm. 46 f.; siehe zum früheren Recht etwa Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175, 201 f.; Orth, Verlust-Kompensation, S. 200 ff. (S. 205 f.).

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sprechenden Fehlbeträge tatsächlich durch ihn selbst, d.h. in seiner Vermögenssphäre, generiert worden sind.3180 Hierbei würde es sich allerdings um ein Zufallsergebnis handeln, denn zum einen führt die Festschreibung des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels als Aufteilungsmaßstab bei unterschiedlich hohen Ergebnissen in den Bereichen der Gesellschafter zu Inkongruenzen. Und zum anderen werden die gesamten Fehlbeträge der Mitunternehmerschaft auf die Gesellschafter verteilt – und damit insbesondere auch diejenigen Verluste, die die Gesellschaft selbst erlitten hat.3181 Den Hintergrund der hier getroffenen Regelung bildet das von der Rechtsprechung auch für den Bereich der Gewerbesteuer vertretene Vielheitsmodell, wie es namentlich in dem so genannten Fehlbetragsbeschluss des Großen Senats aus dem Jahr 1993 deutlich zum Ausdruck gekommen ist.3182 Nach Auffassung des Großen Senats erfordert der Verlustabzug nicht nur Unternehmens-, sondern auch Unternehmeridentität.3183 Da bei einer gewerblichen Personengesellschaft die Gesellschafter (und nicht die Gesellschaft) auch in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht Unternehmer des Betriebs seien, stünde ihnen auch das Recht des Verlustabzugs zu, so dass das Ausscheiden eines Gesellschafters zum Untergang von Verlustabzugspotential führe.3184 Konsequent umgesetzt wurde dieser Rechtsprechungsansatz in § 10a Satz 4, 5 GewStG allerdings nicht, denn auch gesellschafterindividuelle (Sonder-)Verluste werden über die Anknüpfung an den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel sinnwidrig vergemeinschaftet.3185

3180 Vgl. oben Fn 3157. 3181 Vgl. das instruktive Beispiel bei Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175, 201 f. 3182 BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 621 ff. 3183 BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 620 (unter Hinweis auf § 10a Satz 2 (heute: Satz 8) in Verbindung mit § 2 Abs. 5 GewStG). 3184 BFH GrS BStBl. II 1993, 616, 621 ff., 624 ff.; gleichsinnig aus jüngerer Zeit etwa BFH BStBl. II 2013, 176, 177; BFH BStBl. II 2011, 903, 904; BFH BStBl. II 2010, 751, 756. 3185 Vgl. bereits oben Fn 2911; siehe auch Blümich/Drüen, § 10a GewStG Rz. 113. In § 10a Satz 4, 5 GewStG ist eine Verwaltungsauffassung festgeschrieben worden, die im Gegensatz zu der – insoweit konsequenten, ihrerseits aber mit Schwie­ rigkeiten verbundenen (dazu näher Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewS tG, § 10a Anm. 360 f., 366 f.) – höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH BStBl. II 2008, 140, 145 f.; BFH/NV 2006, 885, 886 f.; BFH BStBl. II 1994, 364, 365: Berücksichtigung von Sonderergebnissen beim jeweiligen Gesellschafter) gestanden hat (vgl. BT-Drucks. 16/3368, S. 22 und dazu Blümich/Drüen, aaO; Kleinheisterkamp, aaO, Anm. 362); zu Folgeproblemen für das Innenverhältnis siehe die nachfolgenden Ansätze.

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Der hier aufgezeigte, rechtspolitisch überaus zweifelhafte Befund3186 ändert jedoch nichts daran, dass der Rechtsanwender (einstweilen)3187 an die vom Gesetzgeber getroffene Ausgestaltungsentscheidung gebunden ist. Dies gilt auch für die in § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG vorgenommene Bezugnahme auf die (ihrerseits höchst bedenkliche)3188 Regelung des § 8c KStG.3189 Aus Sicht des Innenverhältnisses sind die aus diesen Vorschriften resultierenden Rechtsanwendungsergebnisse hinzunehmen, und es stellt sich lediglich die Frage, ob und in welchem Maße sie einer zivilrechtlichen Abänderung zugänglich sind.3190 Dem wird im Folgenden für die Fälle der Änderung des Gesellschafterbestandes auf der Ebene der Personengesellschaft nachgegangen.3191 Zunächst sind Situationen denkbar, in denen das Ausscheiden eines Gesellschafters wegen der „Sozialisierung“ seiner Verluste positive Auswirkungen auf die Gesellschaft bzw. die übrigen Gesellschafter hat. Beruht der vortragsfähige Fehlbetrag nämlich auf Verlusten, die ein Gesellschafter in seinem Bereich erlitten hat, und scheidet dieser nunmehr aus der Gesellschaft aus, so bleibt der Verlustvortrag erhalten, soweit er aufgrund von § 10a Satz 4 GewStG (kalkulatorisch) auf die übrigen Gesellschafter entfällt.3192 Aus den unter I. angeführten Gründen kann der aus3186 Siehe erneut die Nachweise in Fn 3179; für Verfassungswidrigkeit wohl Hey, Beihefter zu DStR 2009, 109, 117. 3187 Vgl. Fn 3190. 3188 Siehe etwa FG Hamburg EFG 2012, 1586, 1587; FG Hamburg EFG 2011, 1460, 1463 ff.; Blümich/Brandis, § 8c KStG Rz. 22; Roser, in: Gosch (Hrsg.), KStG, § 8c Rz. 26; Drüen, Ubg 2010, 543, 545 ff.; dens., Ubg 2009, 23, 28 f.; Hey, in: Schön/ Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 1, 17 ff.; dies., Beihefter zu DStR 2009, 109, 113; Lang, GmbHR 2012, 57, 57 ff., 60 ff.; Röder, StuW 2012, 18, 28 ff.; vgl. demgegenüber aber Sächsisches FG EFG 2011, 1457, 1458; Suchanek, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 8c KStG Anm. 6; Jochum, FR 2011, 497, 498 ff., 502 ff.; differenzierend Frotscher, in: Frotscher/Maas (Hrsg.), § 8c KStG Rz. 11 ff.; speziell zum Zusammenwirken mit der Mindestbesteuerung siehe Lang, aaO, S. 61 sowie die entsprechenden Nachweise in Fn 3152. 3189 Zur Kritik speziell an § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG siehe Blümich/Drüen, § 10a GewStG Rz. 88 sowie die Nachweise in Fn 3177. 3190 Vgl. Fn 3108: Etwas anders würde erst dann gelten, wenn eine derartige Vorschrift wegen Verfassungsverstoßes keine Anwendung mehr findet. Bis dahin besteht ein etwaiges zivilrechtliches Korrekturbedürfnis unverändert fort. 3191 Zu den in § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG geregelten mittelbaren Änderungen der Anteilseignerstruktur siehe Fn 3195, 3201 und 3203. 3192 Vgl. nur R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 GewStR 2009. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Rechtslage bei ausnahmsweise gewerbesteuerpflichtigen Veräußerungsverlusten (vgl. oben S. 586). Sie werden zunächst innerperiodisch auf Ebene der Mitunternehmerschaft verrechnet (vgl. aaO, Nr. 9 Satz 1). Nicht ausgeglichene Fehlbeträge bleiben erhalten, soweit sie nach Maßgabe von § 10a Satz 4 GewStG auf die verbliebenen Gesellschafter entfallen (vgl. auch Blümich/

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scheidende Gesellschafter hier keine Kompensation verlangen, wenn es an einer besonderen vertraglichen Regelung fehlt. Kommt es hingegen zu einem Gesellschafterwechsel, so steht der bei den übrigen Gesellschaftern erhalten gebliebene Verlustvortrag im Innenverhältnis richtigerweise dem Erwerber zu, denn der Fehlbetrag resultiert aus der erworbenen Beteiligung, und es besteht kein Grund, ihn auch für Innenausgleichszwecke zu sozialisieren. Auf diese Weise wird es dem ausscheidenden Gesellschafter ermöglicht, wenigstens eine Teilkompensation3193 zu erlangen, und zwar vom Erwerber auf Grundlage des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses.3194 In den allermeisten Fällen wird das Ausscheiden eines Gesellschafters allerdings bewirken, dass Verlustabzugspotential verloren geht, das im Innenverhältnis einem anderen Gesellschafter oder der Gesellschaft zugestanden hat.3195 Überträgt im obigen Beispiel 3 etwa B seine Beteiligung im Laufe des Jahres 02 auf C, so stehen Verluste in Höhe von bis zu3196 10 nicht mehr für eine Verrechnung nach § 10a Satz 5 GewStG zur Verfügung, obwohl diese im Innenverhältnis nicht B, sondern A zugestanden haben.3197 Der gleiche Effekt tritt auch dann ein, wenn die Gesellschaft vortragsfähige Verluste erlitten hat und anschließend ein Gesellschafter ausscheidet. Der diesem gemäß § 10a Satz 4 GewStG zugerechnete Fehlbetrag geht dann unter.

Drüen, § 7 GewStG Rz. 129; Behrens/Schmitt, BB 2002, 860, 863; a.A. offenbar Roser, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 7 Anm. 379). 3193 Der auf den ausscheidenden Gesellschafter gemäß § 10a Satz 4 GewStG entfallende Fehlbetrag geht auch im Falle eines Gesellschafterwechsels unter (siehe etwa Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a Rn. 97 sowie auch R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 3 mit Nr. 1 GewStR 2009). 3194 Zu denken ist insbesondere an eine entsprechende Justierung eines etwaigen Kaufpreises. 3195 Das wird in aller Regel auch die Folge der Anwendung von § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG sein. Nach herrschender Meinung findet § 8c KStG in diesem Kontext nur auf Verlustvorträge, nicht aber auf laufende Verluste entsprechende Anwendung (näher dazu Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Anm. 371 mit umfänglichen Nachweisen, auch zu der anders gerichteten Verwaltungsauffassung). 3196 Vgl. R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 9 Satz 2, 3 GewStR 2009; H 10a.3 Abs. 3 GewStH 2009: zeitanteilige Aufteilung des Gewerbeertrags in 02. 3197 Erwähnt sei ferner, dass sich der Eintritt des C im Anwendungsbereich der Mindestbesteuerung zudem deshalb nachteilig auswirken kann, weil gemäß § 10a Satz 5 mit Satz 1 GewStG nur ein Teil des Sockelbetrags von 1 Mio. EUR für den Verlustabzug zur Verfügung steht (näher Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 10a Anm. 365).

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Fraglich ist, ob in den zuletzt genannten Fällen ein interner Ausgleich in Betracht kommt. Ein strukturgleiches Problem ist auf S. 611 f. bereits im Kontext der Anrechnung nach § 35 EStG erörtert worden. Die dort angestellten Erwägungen gelten hier in gleicher Weise:3198 Da die Verluste (aufgrund der imperfekten Ausgestaltung steuerrechtlicher Vorschriften) untergehen, fehlt es schon an einer Verschiebung von Steuerwirkungen – und damit sowohl an Ausgleichspotential als auch an einer einschlägigen Anspruchsgrundlage.3199 Die Frage, ob § 10a GewStG in dieser Hinsicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbaren ist, bedarf daher auch insoweit3200 keiner abschließenden Klärung. Für Innenausgleichszwecke ist nämlich allein entscheidend, ob es gerade im Verhältnis der Beteiligten zueinander zu einer nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip übereinstimmenden Zuweisung von Steuerfolgen gekommen ist. Daran fehlt es hier.3201 Auf einer völlig anderen Ebene ist hingegen eine (Folge-)Frage angesiedelt, die sich insbesondere im Vorfeld von Anteilsveräußerungen stellt:3202 Fraglich ist, ob es dem betreffenden Gesellschafter angesonnen werden kann, einstweilen auf die in Aussicht genommene Veräußerung seiner Beteiligung zu verzichten, wenn durch sie nachteilige steuerliche Folgen für die Gesellschaft bzw. andere Gesellschafter hervorgerufen würden, weil es zum Untergang von Verlustverrechnungspotential käme.3203 Anknüpfungs­punkt für ein derartiges Unterlassungsbegehren wäre die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in ihrer Ausprägung als auf dem Loyalitätsgedanken beruhender Interessenwahrungs- bzw. Rücksicht-

3198 Zur Verallgemeinerungsfähigkeit dieses Gedankens siehe unten in § 15. 3199 Vgl. zu Letzterem Fn 3106. Erst recht nicht in Betracht kommt ein Nach­ teilsausgleichsanspruch gegen einen neu eintretenden Erwerber (zutreffend Knobbe-Keuk, JbFStR 1975/76, 175, 202 Fn 81). 3200 Vgl. bereits oben S. 628. 3201 In den Fällen des § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG gilt dies sowohl auf Ebene der Personengesellschaft als auch auf Ebene der Körperschaft. 3202 Was die Fälle des (einfachen) Ausscheidens von Gesellschaftern angeht, kann sich ein strukturgleiches Problem stellen, wenn der Gesellschaftsvertrag ein freiwilliges Ausscheiden zulässt. Ähnliches gilt für Kündigungssachverhalte, wobei hier allerdings die Wertung des § 723 Abs. 3 BGB in Rechnung zu stellen ist (vgl. dazu C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 723 Rn. 51 f.; Winter, Treuebindungen, S. 28 f.). 3203 Vgl. wiederum bei Fn 3191: Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Fälle des § 10a Satz 4, 5 GewStG. Auf mögliche Besonderheiten im Anwendungsbereich des § 8c KStG (hier: mit § 10a Satz 10 Halbs. 2 GewStG) wird in § 15 zurückgekommen.

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nahmepflicht.3204 Die hier aufgeworfene Frage stellt sich im Wesentlichen nur in solchen Fällen, in denen die Anteilsübertragung bereits unmittelbar kraft gesellschaftsvertraglicher Regelung zulässig ist, denn andernfalls wären die übrigen Gesellschafter in aller Regel berechtigt, ihre Zustimmung zu verweigern.3205 Ein derartiges, situatives Veräußerungshindernis3206 müsste aus den Treuepflichtschranken abgeleitet werden können, denen prinzipiell jede Rechtsausübung unterliegt.3207 So ist weithin anerkannt, dass ein Gesellschafter im Rahmen des Zumutbaren auf die Belange der übrigen Beteiligten Rücksicht nehmen muss und sich 3204 Vgl. für den allgemeinen Kontext Lutter, AcP 180 (1980), 84, 110 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 587 f. Betroffen wäre hier die „mitgliedschaftliche Treuepflicht“ im Sinne der Kategorienbildung Wiedemanns, FS Heinsius, S. 949, 950, 953 ff. 3205 Die Wirksamkeit der Veräußerung ist dann von der Zustimmung sämtlicher Mitgesellschaft abhängig (statt aller C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 719 Rn. 27), die in ihrer Entscheidung grundsätzlich frei sind. Allerdings sind im Einzelfall – ihrerseits treuepflichtbedingte – Einschränkungen denkbar: Da die Anteilsübertragung (losgelöst von den streitigen Einzelheiten ihrer dogmatischen Konstruktion; siehe dazu etwa C. Schäfer, aaO, Rn. 22; Flume, Personenge­ sellschaft, S. 349 ff.) zum Austausch eines Vertragspartners führt, beanspruchen hier diejenigen Grundsätze Anwendung, die für eine Pflicht zur Mitwirkung an einer Vertragsänderung anerkannt sind (BGH ZIP 2005, 25, 25; BGH NJW 1987, 952, 953). Eine derartige Pflicht ist nur in Ausnahmesituationen anzuerkennen (vgl. die vom BGH aaO entschiedenen Fälle sowie die bei Lutter, AcP 180 (1980), 84, 124 f. diskutierten Beispiele; siehe allgemein für Vertragsänderungen auch etwa BGH NJW 2011, 1667, 1669; BGHZ 183, 1, 8; Ulmer/C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 705 Rn. 231 ff.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 105 Rn. 239 ff.; Winter, Treuebindungen, S. 31 ff.; kritisch Flume, aaO, S. 280; ausführlich zum Ganzen Lettl, AcP 202 (2002), 3, 4 ff., 13 ff.). Im vorliegenden Kontext wäre zudem zu berücksichtigen, dass wegen des Untergangs von Verlustabzugspotential ein triftiger Grund für die Verweigerung der Zustimmung bestünde (vgl. mit Blick auf die Fälle des § 4h Abs. 5 Satz 2 EStG auch Erker, Kompensation, S. 117). 3206 M.E. wäre es schuldrechtlicher Natur, da die Beteiligung kraft Gesellschaftsvertrags veräußerlich gestellt ist (vgl. § 137 Satz 1 BGB). Im Falle eines schuldhaften Verstoßes wäre entsprechend allgemeinen Grundsätzen Schadensersatz geschuldet; siehe dazu etwa Ulmer/C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 705 Rn. 242; K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 105 Rn. 193; Erker, Kompensation, S. 76 f.; speziell zu Fragen des Steuerkontextes vgl. dies., aaO, S. 185 ff. 3207 Eine vertraglich zugelassene freie Veräußerbarkeit von Anteilen wird man den eigennützigen Rechten (dazu oben Fn 2755) gleichstellen können (vgl. zu ähnlichen Sachverhalten Ulmer/C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 705 Rn. 224 a.E., 228 ff.; in Bezug auf frei übertragbare Anteile an Kapitalgesellschaften vollständige Ineinssetzung bei Erker, Kompensation, S. 99, S. 105; vgl. auch Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 362). Dass Anteilsübertragungen überhaupt dem Treuepflichtregime unterliegen, sollte nicht zweifelhaft sein (näher zu einem Streitstand, der sich zu dieser Frage im Aktienrecht gebildet hat, Ziemons/Jaeger, aaO, S. 360).

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nicht willkürlich über anerkennenswerte Interessen hinwegsetzen darf.3208 Andererseits ist in der vorliegenden Situation zu bedenken, dass den Veräußerungsinteressen des Gesellschafters im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung3209 erhebliches Gewicht zukommt, denn die freie Veräußerbarkeit der Beteiligung ist vertraglich vereinbart – und hierauf muss der Gesellschafter grundsätzlich auch vertrauen dürfen.3210 M.E. geht es nicht an, die Folgen zweifelhafter Besteuerungsentscheidungen des Gesetzgebers auf dem Rücken des veräußerungswilligen Gesellschafters auszutragen,3211 zumal er möglicherweise über Jahre gehindert wäre, seine Beteiligung zu übertragen, wenn das Gesellschaftsinteresse am Erhalt des Verlustvortrags hier als vorrangig angesehen würde.3212 Ein treuepflichtbedingtes Veräußerungshindernis wird man daher im Regelfall nur dann in Betracht ziehen können, wenn der Entfall der Verlustvorträge erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hätte und zudem abzusehen ist, dass lediglich ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum betroffen sein wird. Ferner wäre der veräußerungswillige Gesellschafter wegen etwaiger, ihm entstehender Vermögensnachteile zu kompensieren.

3208 So Ulmer/C. Schäfer, in: MünchKomm.-BGB, § 705 Rn. 224, 227, 229; Staub/C. Schäfer, HGB, § 105 Rn. 232, 235 (für eigennützige Rechte, vgl. Fn 3207); siehe auch etwa Erker, Kompensation, S. 71 ff.; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166 ff., 177; Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 953 f.; Winter, Treubindungen, S. 20 f., S. 27 ff. 3209 Zum Abwägungserfordernis und zur Einzelfallbezogenheit des Umfangs von Treuepflichten siehe die Nachweise in Fn 2750. 3210 Vgl. (in anderen Zusammenhängen) BGH NJW 2011, 1667, 1669 f.; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 171 ff.; dens., AcP 180 (1980), 94, 124 f.; zum Recht auf Desinvestition durch Auflösung der Gesellschaft deutlich (und sehr weitgehend) BGHZ 103, 184, 189 ff. („Linotype“); BGHZ 76, 352, 353 ff. Zwischen dem Vertrauensschutzgedanke und dem Treuepflichtkonzept bestehen auch ohnedies enge Verbindungslinien (vgl. Hüffer, FS Steindorff, S. 59, 73 ff.; Lutter, aaO, S. 121 f.; Zöllner, Schranken, S. 339 ff.). 3211 Ein anderes Ergebnis liegt lediglich dort nahe, wo die Gesellschafter einvernehmlich eine steuergünstige Gestaltung gewählt haben. Hier kann dem einzelnen Gesellschafter in stärkerem Maße angesonnen werden, auf eine Rechtsausübung zu verzichten, die der angestrebten Steuerfolge entgegensteht. 3212 Vgl. auch (allerdings zum Kündigungsrecht) BGH NJW 1973, 1602, 1602: beliebige Vertragsverlängerungen nicht zumutbar.

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§ 15 Folgerungen für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ A. Untersuchungsrelevante Sachbereiche Im steuerrechtlichen Schrifttum wird als übergreifende Kategorie für Problemlagen der vor allem in § 14 beschriebenen Art verschiedentlich der Begriff „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ verwendet.3213 Hierunter sollen Steuerfolgen fallen, die nicht durch das Verhalten des Steuerträgers, sondern eines anderen Wirtschaftssubjekts ausgelöst werden.3214 Die entsprechenden Autoren nehmen zumeist Bezug auf eine breit angelegte Untersuchung Rabalds, der derartige Effekte einer ökonomisch-juristischen Analyse zugeführt hat und dabei von einem sehr weiten Begriff der „fremdbestimmten Steuerwirkung“ ausgeht, weil er sämtliche Steuerfolgen, die überhaupt vom (Entscheidungs-)Verhalten anderer abhängen, darunter fassen will.3215 Für Zwecke der hier zu erörternden Frage nach einem Innenausgleich im Falle einer Beeinflussung der Gesellschaftsbesteuerung durch Vorgänge auf Gesellschafterebene (und umgekehrt)3216

3213 Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 22 ff.; Brinkmann/Schmidtmann, DStR 2003, 93, 94 a.E.; D. Carlé/Demuth, KÖSDI 2008, 15979, 15980; Kläne, Steuerwir­ kungen, S. 1 ff.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 13 ff.; Neu, DStR 2000, 1933, 1936 f.; Prinz/Thiel, FR 1992, 192, 193 f.; Scheifele, DStR 2006, 253, 253; Schildknecht/Riehl, DStR 2009, 117, 117; Söffing, DStZ 1993, 587, 587 ff.; Stümper/ Walter, GmbHR 2008, 31, 35; vgl. auch etwa Crezelius, FR 2002, 805, 805 ff. („Besteuerung aus Drittverhalten“); Roser, EStB 2003, 157, 157 f. („Ebenenmischung“). 3214 Vgl. Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 22; Kläne, Steuerwirkungen, S. 1; Leve­ dag, GmbHR 2009, 13, 13; Scheifele, DStR 2006, 253, 253 Fn 3; Schildknecht/ Riehl, DStR 2009, 117, 117; Söffing, DStZ 1993, 587, 588 sowie auch Crezelius, FR 2002, 805, 805 ff. 3215 Siehe die Definition und weitere Begriffserläuterung bei Rabald, Steuerwirkungen, S. 1 ff. Im Bereich der von ihm im Schwerpunkt untersuchten Personenhandelsgesellschaften fasst er hierunter jede fremd(mit)bestimmte Entscheidung über die Vornahme steuerwirksamer Handlungen einschließlich der Ausnutzung steuerlicher Wahlrechte und Spielräume (S. 157 ff. sowie auch etwa S. 299 ff.). Als weiteres Beispiel führt er die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderliche Zustimmung des Unterhaltsempfängers zum begrenzten Real­splitting an (S. 4 ff.). Sogar die von den staatlichen Gewalten ausgehende Fremdbestimmung bilde einen Anwendungsbereich (S. 7 f.: „fremdbestimmte Steuerwirkungen i.w.S.“). 3216 Vgl. auch die nähere Umschreibung sogleich in Fn 3217 und Fn 3225; im Ausgangspunkt treffend Kläne, Steuerwirkungen, S. 1; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 65: „Auseinanderfallen von Verursachungs- und Auswirkungssphäre“ (vgl. aber Fn 3217).

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bedarf es eines derart weit gefassten Ansatzes jedoch nicht3217 – und diese Auffassung scheinen auch die eingangs zitierten Autoren zu teilen, wenn sie als Beispielsituationen zumeist verschiedene der hier bereits besprochenen Fallgruppen aus dem Gewerbesteuerrecht benennen.3218 In der Tat sind „fremdbestimmte“ Steuerfolgen dieser Art sehr häufig gewerbesteuerrechtlichen Ursprungs – was wiederum auf den bereits mehrfach hervorgehobenen Zusammenhang zurückzuführen ist, dass gesellschafterindividuelle Handlungen in diesem Bereich oftmals Steuerfolgen auf Gesellschaftsebene auslösen.3219 Nach der (ökonomisch geprägten) Kategorienbildung Rabalds würde es sich hierbei um einen Teilausschnitt der von ihm so genannten „sphärenübergreifenden Steuerwirkungen“ („Infektionswirkungen“) handeln.3220 Im Gewerbesteuerrecht zählen hierhin insbesondere Sonder- und Ergänzungsbilanzergebnisse,3221 steuerpflichti-

3217 Gleichsinniger Ausgangspunkt in der – überaus lesenswerten – ökonomischen Dissertation Klänes, Steuerwirkungen, S. 1, der seinen Untersuchungsgegenstand, ausgehend vom weitergehenden Ansatz Rabalds, in ähnlicher Weise eingrenzt (S. 9 ff., S. 12 ff.) und die so umschriebenen „sphärenübergreifenden Steuerwirkungen“ einer übergreifenden Analyse zuführt (S. 63 ff.; siehe auch – im Wesentlichen zusammenfassend – Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 68 ff.). Die vorliegende Untersuchung geht jedoch insoweit über den Ansatz Klänes (siehe insbesondere aaO, S. 13 f., S. 19 ff., S. 63 f. S. 131 f. sowie auch Marx/Löffler/ Kläne, aaO, S. 65, S. 67 f., S. 71 f.) hinaus, als sich die Frage des Innenausgleichs generell bei Steuerfolgen stellen kann, die auf Ebene der Gesellschafter eintreten, obwohl der steuerauslösende Sachverhalt auf Gesellschaftsebene verwirklicht wurde (siehe auch Fn 3225; speziell zum Steuerentnahmerecht, das bei Kläne, bedingt durch seinen insoweit (zu) engen Untersuchungsgegenstand, nicht thematisiert wird, näher oben § 13). Zudem geht Kläne nicht auf die – hier primär interessierende – Frage nach Ausgleichsansprüchen ohne spezielle vertragliche Regelung ein (vgl. lediglich S. 216), sondern diskutiert als Lösungsansätze nur Problemabhilfen durch rechtsgeschäftliche Gestaltungen (S. 185 ff., S. 214 ff.; dazu unten D.) sowie Korrekturvorschläge de lege ferenda (S. 295 ff.). 3218 Vgl. Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 22; D. Carlé/Demuth, KÖSDI 2008, 15979, 15980; Neu, DStR 2000, 1933, 1936 ff.; Prinz/Thiel, FR 1992, 192, 193 f.; Roser, EStB 2003, 157, 157 f.; Scheifele, DStR 2006, 253, 253 ff.; Söffing, DStZ 1993, 587, 588 ff.; Stümper/Walter, GmbHR 2008, 31, 35 sowie – auch für andere Besteuerungsbereiche – Levedag, GmbHR 2009, 13, 13 f. 3219 Siehe § 14 A I. sowie die weitere Darstellung in § 14; siehe auch Kläne, Steuerwirkungen, S. 68 ff. 3220 Näher Rabald, Steuerwirkungen, S. 221 ff. Bei den sogleich im Haupttext angeführten Beispielen handelte es sich genauer um Anwendungsfälle der „Infektionswirkung II“ (vgl. S. 223, S. 225). 3221 Vgl. Kläne, Steuerwirkungen, S. 71 ff., S. 79 ff.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 13 und 15 a.E.; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 68 ff.; Neu, DStR 2000, 1933, 1936 ff.; Prinz/Thiel, FR 1992, 192, 192 ff.; Rabald, Steuerwirkungen, S. 400 ff., S. 471 ff.; Roser, EStB 2003, 157, 157 f.; Söffing, DStZ 1993, 587, 588 ff.

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Folgerungen für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“

ge Anteilsveräußerungen3222 und der soeben in § 14 unter D. erörterte Untergang von Verlustverrechnungspotential bei Veränderungen der An­ teilseignerstruktur.3223 Aber auch außerhalb des Gewerbesteuerrechts findet sich ein schier unerschöpflicher Fundus an entsprechenden Problemlagen.3224 Die im Bereich der Personengesellschaften wohl prominenteste unter ihnen bildet die unter § 13 untersuchte Frage des Steuerentnahmerechts. Auch sonst lassen sich im Einkommensteuerrecht zahlreiche Konfliktfelder dieser Art ausmachen.3225 Insbesondere bilden die jüngeren Reformen des Unternehmenssteuerrechts den Auslöser für eine Vielzahl an Fragestellungen, die in den vorliegenden Zusammenhang gehören.3226 Als wichtiges neueres Problemfeld ist insbesondere die Zinsschranke zu nennen, da 3222 Vgl. Bormann, FS Spiegelberger, S. 22, 22; Brinkmann/Schmidtmann, DStR 2003, 93, 94 ff.; D. Carlé/Demuth, KÖSDI 2008, 15979, 15980; Kläne, Steuerwirkungen, S. 2, S. 65, S. 84 ff.; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 69 f.; Roser, EStB 2003, 157, 157 f.; Scheifele, DStR 2006, 253, 253; Stümper/Walter, GmbHR 2008, 31, 35. 3223 Vgl. Kläne, Steuerwirkungen, S. 95 ff.; Rabald, Steuerwirkungen, S. 486 ff.; weitere Beispiele bei Kläne, aaO, S. 90 ff. Die in der bisherigen Untersuchung zu den soeben aufgezählten Problemfeldern getroffenen Feststellungen zeigen bereits, dass die Frage des Innenausgleichs (je nach normativer Ausgangslage) unterschiedlich zu beantworten ist; dazu vertiefend unten B. 3224 Zahllose Beispiele bei Kläne, Steuerwirkungen, passim, insbesondere S. 2, S. 63 ff.; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 68 ff. (jeweils mit Systematisierungsversuch); siehe auch bereits den 3. Teil der Untersuchung Rabalds (vgl. etwa – teils allerdings nicht mehr aktuell – Rabald, Steuerwirkungen, S. 290 ff., S. 331 ff., S. 494 ff.) sowie die Aufzählung bei Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 142. 3225 Vgl. die Zusammenstellung bei Kläne, Steuerwirkungen, S. 104 ff.; siehe auch die bei Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 300 f. in Bezug genommenen Vorschriften; speziell zu Behaltefristen siehe Crezelius, FR 2002, 805, 805 ff.; Kläne, aaO, S. 109 ff., S. 132 ff. (dazu auch unten B.). Für den vorliegenden Zusammenhang ist entscheidend, ob sich die jeweilige Steuerfolge in der Vermögenssphäre einer anderen Person (Gesellschafter oder Gesellschaft) als derjenigen auswirkt, durch die bzw. in der die Ursache für diese Steuerfolge gesetzt wurde. Bejahendenfalls ist eine „fremdbestimmte Steuerwirkung“ im hier zugrunde gelegten Sinne gegeben; ansonsten fehlt es an einer solchen. Letzteres gilt etwa für die gesellschafterbezogene Auslegung des § 4 Abs. 4a EStG durch die Rechtsprechung des BFH (grundlegend BFH BStBl. II 2008, 420, 423 f.). Ob und inwieweit eine gesellschafts- oder gesellschafterbezogene Auslegung ansonsten „fremdbestimmte“ Steuerfolgen auslöst, lässt sich nicht einheitlich beantworten, sondern hängt von den Gegebenheiten im jeweiligen Einzelbereich der Besteuerung ab (vgl. erneut Hüttemann, aaO, allerdings mit Blick auf die steuersystematischen Zusammenhänge). 3226 Vgl. die Aufzählungen bei Kläne, Steuerwirkungen, S. 2; Levedag, GmbHR 2009, 13, 13 f.; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 65 f.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

ihre Betriebsbezogenheit dazu führt, dass Individualeffekte, die gemäß § 4h EStG beachtlich sind,3227 in die Kollektivsphäre einwirken – und damit im Falle einer gesellschaftsbezogener Betrachtung3228 „sozialisiert“ werden, was zu Inkongruenzen führt. Wegen der auf der Hand liegenden Parallelen zu den soeben mit Blick auf § 10a GewStG diskutierten Problemlagen3229 sei hier insbesondere auf den Untergang von Zins- und EBITDA-Vorträgen bei Ausscheiden von Gesellschaftern nach § 4h Abs. 5 Satz 2 EStG sowie die entsprechende Anwendung von § 8c KStG im Falle von Anteilseignerwechseln bei unmittelbar oder mittelbar beteiligten Körperschaften (§ 4h Abs. 5 Satz 3 EStG) hingewiesen.3230 Im selben Atemzug ist hervorzuheben, dass § 8c KStG auch in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich den Auslöser fremdbestimmter Steuerfolgen bildet, weil er dazu führt, dass Verluste der Körperschaft im Falle von Veränderungen auf Gesellschafterebene nicht mehr genutzt werden können.3231 Diese und andere Fragestellungen sind zu wesentlichen Teilen in der Dissertation Erkers analysiert werden.3232 Allerdings nimmt Erker keine Einordnung in den Gesamtkontext der „fremdbestimmten Steuerwirkungen“ vor3233 und diskutiert als mögliche Grundlage für gesellschafts-

3227 Hierhin zählen Vorgänge im Sonderbetriebsvermögen (vgl. die Nachweise in Fn 3228) sowie Veränderungen der Gesellschafterstruktur (dazu im Folgenden). 3228 Umstritten ist dies insbesondere für Finanzierungsaufwendungen, die sich auf das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter beziehen; siehe zu diesem Pro­ blemkreis etwa (mit unterschiedlichen Ansätzen) BMF BStBl. I 2008, 718, 724; Blümich/Heuermann, § 4h EStG Rz. 40 f.; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 4h EStG Anm. 29; Schmidt/Loschelder, EStG, § 4h Rn. 9; Hoffmann, GmbHR 2008, 113, 113 ff.; Kußmaul/Ruiner/Schappe, DStR 2008, 904, 904 ff.; siehe auch die Einordnung in den Gesamtzusammenhang bei Hüttemann, DStJG 34 (2011), 291, 300 f. 3229 Siehe § 14 D.; vgl. zu entsprechenden Zusammenhängen nur Suchanek, Ubg 2009, 178, 178 ff.; Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 727. 3230 Zu Einzelheiten vgl. Liekenbrock, DB 2012, 2488, 2488 ff. 3231 Näher dazu Kläne, Steuerwirkungen, S. 160 ff. Gleiches gilt, soweit das Gesetz § 8c KStG in anderen Regelungsbereichen für entsprechend anwendbar erklärt, was im Kontext der Körperschaftsbesteuerung in Bezug auf vortragsfähige Gewerbesteuerverluste (§ 10a Satz 10 Halbs. 1 GewStG) und die „Zinsschranke“ (§ 8a Abs. 1 Satz 3 KStG) der Fall ist; weitere Beispiele für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ im Rahmen der Besteuerung von Körperschaften bei Kläne, aaO, S. 148 ff. 3232 Erker, Kompensation, S. 2 ff., S. 99 ff. (insbesondere § 8c KStG und „Zinsschranke“). 3233 So wird die Monographie Rabalds weder in ihrem Literaturverzeichnis erwähnt, noch findet sie sonst in ihrer Untersuchung Widerhall.

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interne Ansprüche lediglich die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.3234 In erster Linie sollte jedoch – entsprechend der bisherigen Vorgehensweise – danach gefragt werden, ob es in derartigen Problemlagen bereits aufgrund der allgemeinen zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche zu einer Kompensation im Innenverhältnis kommen kann.3235 Wie bereits herausgestellt,3236 würde diese Kompensation nämlich unabhängig von dem Interessenabwägungsmoment Platz greifen, das dem Treupflichtkonzept immanent ist – und damit prinzipiell „flächendeckend“ wirken. So konnte am Beispiel des Steuerentnahmerechts gezeigt werden, dass der Treuepflichtansatz dort zu Unzulänglichkeiten führt, wo sich eine (verfassungsrechtlich fundierte) Ausgleichsnotwenigkeit feststellen lässt.3237 Er ist in derartigen Bereichen auch gar nicht erforderlich, weil das Zivilrecht hier durchgängig andere (speziellere) Ausgleichsmechanismen zur Verfügung stellt.3238

3234 Erker, Kompensation, S. 3, S. 59 ff., S. 99 ff. Aus ihr leitet sie hauptsächlich situativ wirkende – und grundsätzlich schadensersatzbewehrte (S. 185 ff.) – Handlungs- und Unterlassungspflichten ab. In Teilbereichen macht sie den Treuepflichtansatz aber auch nutzbar, um primäre Ausgleichsansprüche zu begründen (S. 162, S. 164, S. 170). Auf ihren Ansatz wird unter C. zurückgekommen. Was die „klassischen“ Steuerausgleichsprobleme angeht, behandelt Erker, aaO, S. 133 ff. lediglich das Steuerentnahmerecht, verfolgt aber auch hier den – jedenfalls insoweit nicht passenden (siehe oben S. 550 f. sowie im Folgenden) – Treuepflichtansatz. Diese Problemstellung diskutiert sie zudem nur exkurshaft im Kontext des § 34a EStG (vgl. Erker, aaO, S. 131 ff., S. 139 ff.). Folgt man hingegen den in § 13 herausgearbeiteten Grundsätzen, so wirft § 34a EStG (wegen seiner gesellschafterbezogenen Ausgestaltung und Wirkung) kein besonderes Innenausgleichsproblem auf (ebenso Levedag, GmbHR 2009, 13, 18; Winter, Ubg 2009, 822, 824), sondern ist lediglich für die Höhe des Steuerentnahmerechts bedeutsam (dazu oben S. 553). Die Ausführungen Erkers, aaO, S. 141 ff. betreffen denn auch im Wesentlichen Auslegungsprobleme bei bestehenden Steuerklauseln. Auch die bei Levedag, aaO, S. 15 angesprochenen, aus der Gewerbebesteuerung herrührenden Folgefragen stellen sich auf dem Boden des hier in § 14 B. vertretenen Ansatzes nicht. 3235 Vgl. auch die Vorgehensweise soeben in § 14 unter D II 2. 3236 Siehe oben S. 550 f. 3237 Siehe erneut oben S. 550 f. 3238 Das konnte für sämtliche in dieser Arbeit untersuchten Einzelbereiche nachgewiesen werden, in denen Verfassungsrecht für einen (prinzipiell unbedingten) Ausgleichsanspruch streitet (vgl. auch Fn 3250 sowie in § 17). Die von Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 244 f. in anderem Zusammenhang aufgeworfene Frage des „Dulde und liquidiere“ stellt sich hier von vornherein nicht, weil die Vornahme der steuerauslösenden Maßnahmen in den hier in Rede stehenden Besteuerungsbereichen keinen rechtlichen Bedenken unterliegen (näher sogleich).

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Eine Ableitung primärer Zahlungspflichten aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht3239 erschiene ohnedies gewöhnungsbedürftig, weil treuepflichtbedingte Rücksichtnahmegebote3240 bei der schädigenden Maßnahme selbst ansetzen und daher (bereits) auf dieser Ebene zu einer Regulierung und Sanktionierung führen müssten.3241 Für die soeben in Bezug genommenen, typischen Ausgleichskonstellationen passen derartige Einschränkungen der Handlungsmacht jedoch von vornherein nicht, weil die Rechtmäßigkeit der steuerauslösenden Maßnahmen bei ihnen außer Zweifel steht.3242 In welchen normativen Situationen genau ein Steuerausgleich bereits nach allgemeinen Grundsätzen (und damit unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht)3243 in Betracht kommt, wird – anknüpfend an die bisherigen Ergebnisse dieser Untersuchung – im Folgenden herausgestellt. Im Anschluss wird auf die Tragfähigkeit des Treuepflichtkonzepts in anderen Fällen eingegangen.

B. Ausgleichsfähige und nicht ausgleichsfähige Steuerfolgen Den Anknüpfungspunkt der Überlegungen sollen die soeben auf S. 635 f. angesprochenen, neueren unternehmenssteuerrechtlichen Vorschriften bilden. Sie haben gemein, dass sie nicht nur rechtspolitisch, sondern auch verfassungsrechtlich umstritten sind, und zwar insbesondere deshalb, weil sich jeweils die Frage stellt, ob sie eine nicht gerechtfertigte Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips verkörpern.3244 Wie be3239 Vgl. erneut Erker, Kompensation, S. 135 f., S. 162, S. 164, S. 170; dazu auch unten C. (im Kleintext). 3240 Um sie ginge es im vorliegenden Kontext (vgl. die Nachweise in Fn 3204). 3241 Vgl. nur K. Schmidt, in: MünchKomm.-HGB, § 105 Rn. 192 f.; Staub/C. Schäfer, HGB, § 105 Rn. 230 f.; siehe auch die Nachweise in Fn 3294, 3301. Zahlungsansprüche können im Allgemeinen erst im Falle eines Treuepflichtverstoßes unter dem Gesichtspunktes des Schadensersatzes begründet sein (vgl. die Nachweise in Fn 3206). 3242 So knüpfen sowohl das Steuerentnahmerecht (§ 13) als auch der in § 14 unter B. für das Gewerbesteuerrecht abgeleitete Ausgleichsanspruch an die Generierung von Gewinnen durch die Gesellschaft bzw. den Gesellschafter an. Ein Verbot, derartige Gewinne zu erzielen, wäre absurd. 3243 Selbstverständlich ist auch in diesem Bereich nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall zugleich eine Treuepflichtverletzung vorliegt (vgl. beispielhaft Stengel/ Scholderer, ZGR 1997, 41, 61 f.). In den im Rahmen dieser Untersuchung thematisierten Problemfeldern war dies jedoch nicht der Fall. 3244 Zu § 8c KStG vgl. die Nachweise in Fn 3188. An der entsprechenden Stelle finden sich zugleich Nachweise speziell zum Meinungsstand in Bezug auf § 10a Satz 10 GewStG; zur „Zinsschranke“ siehe etwa BFH BStBl. II 2012, 611, 613 ff.; FG Berlin-Brandenburg EFG 2012, 358, 359; Blümich/Heuermann, § 4h EStG Rz. 25; Frotscher, in: Frotscher/Maas (Hrsg.), § 8a KStG Rz. 9 ff.; Förster, in: Gosch

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reits an verschiedenen Stellen dieser Untersuchung angeklungen, kommt diesem Aspekt jedoch für Zwecke des Innenausgleichs nur sehr begrenzt Bedeutung zu: Zum einen besteht die Frage des zivilrechtlichen Ausgleichs so lange fort, wie die jeweilige Vorschrift nicht wegen Verfassungsverstoßes für unanwendbar erklärt bzw. geändert oder aufgehoben worden ist.3245 Zum anderen reicht die bloße Leistungsfähigkeitswidrigkeit einer Vorschrift nicht aus, um (unter dem Gesichtspunkt verfassungskonformer bzw. -orientierter Auslegung) die Anwendbarkeit das zivilrechtliche Ausgleichssystem zu begründen bzw. nahe zu legen. Vielmehr muss hinzukommen, dass es hierdurch zu einer maßstabswidrigen, d.h. nicht leistungsfähigkeitskonformen Verschiebung von Steuerfolgen gerade zwischen den beteiligten Privaten kommt.3246 Dafür ist entweder erforderlich, dass eine Leistungsfähigkeitsminderung, die bei einem der Beteiligten eingetreten ist, bei einer anderen Person eine positive Steuerfolge auslöst, die eigentlich Ersterem gebührt;3247oder eine Leistungsfähigkeitsmehrung bei der einen Person löst bei dem anderen Beteiligten eine Steuerbelastung aus. Hieran fehlt es insbesondere, wenn es lediglich zu einem Untergang steuerlich vorteilhafter Positionen wie etwa Verlust- oder Zinsvorträgen kommt,3248 ohne dass bei demjenigen, der diese Rechtsfolge ausgelöst hat, eine damit korrespondierende Leistungsfähigkeitsmehrung zu verzeichnen ist, die ihrerseits nicht der Besteuerung unterliegt.3249 Dann lassen sich weder verfassungsrechtliche Wertungen nachweisen, die für einen Ausgleich streiten, noch besteht überhaupt Ausgleichspotential in Form einer existenten Vermögensmehrung, die aus einer maßstabswidrig unterbliebenen Steuerbelastung resultiert. Anders formuliert: Bloße Inkongruenzen, die durch „fremdbestimmte Steu(Hrsg.), KStG, Exkurs § 4h EStG Rz. 35 f.; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 4h EStG Anm. 6; C. Seiler, in: Kirchhof (Hrsg.), EStG, § 4h Rn. 3 ff.; Schmidt/ Loschelder, EStG, § 4h Rn. 4; Heuermann, DStR 2013, 1, 1 ff.; Hey, Beihefter zu DStR 2009, 109, 112; dies., BB 2007, 1303, 1305 f.; Musil/Volmering, DB 2008, 12, 14 f.; speziell zur Rechtslage bei den Personengesellschaften siehe Förster, aaO, § 8a Rz. 25; Schmidt/Loschelder, aaO, Rn. 32. 3245 Vgl. bereits oben S. 628 mit Fn 3108. 3246 Siehe im Allgemeinen oben § 7, insbesondere unter D., sowie zuletzt S. 611 ff. und S. 630. 3247 Siehe speziell zum Zuweisungsaspekt zuletzt § 14 D I. (mit den dort in Bezug genommenen Teilen dieser Untersuchung). 3248 Gleiches gilt im Anwendungsbereich der „Zinsschranke“ auch für Steuernachteile in Form von Abzugsbeschränkungen für Zinsaufwendungen der Gesellschaft, die bei gesellschaftsbezogener Betrachtung (Nachweise zum Meinungsstand in Fn 3228) aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters herrühren (näher dazu Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 4h EStG Anm. 29 mit Beispielrechnung; Kläne, Steuerwirkungen, S. 115 ff.). 3249 Vgl. wiederum bereits oben S. 630 mit S. 611 ff.

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erwirkungen“ hervorgerufen werden, reichen weder für sich allein noch in Kombination mit der im Regelfall mit ihnen einhergehenden Leis­ tungsfähigkeitswidrigkeit der zugrunde liegenden Steuervorschriften aus, um einen Ausgleichsanspruch hervorzurufen. Damit ist festzuhalten, dass in Bezug auf den Innenausgleich zwei Kategorien „fremdbestimmter Steuerwirkungen“ gebildet werden können, nämlich (potentiell)3250 ausgleichsfähige und nicht ausgleichsfähige.3251 Ausgleichsfähig sind Steuerfolgen, die eine leistungsfähigkeitswidrige Verschiebung von Steuerlasten (bzw. -vorteilen) im soeben erläuterten Sinne mit sich bringen. Wie bereits herausgestellt, gehören hierhin insbesondere die einkommensteuerliche Belastung der Gesellschafter wegen auf Gesellschaftsebene thesaurierter Gewinne3252 und – umgekehrt – die Erhöhung der Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft wegen Erträgen, die im Vermögensbereich der Gesellschafter angefallen sind.3253 Nur innerhalb dieser Kategorie „fremdbestimmter“ Steuerfolgen kann sich dementsprechend auch die Frage nach einer Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich stellen.3254 Die Abgrenzung zwischen ausgleichsfähigen und nicht ausgleichsfähigen Steuerfolgen kann im Einzelfall schwierig sein und eine eingehende Untersuchung der steuerverfassungsrechtlichen Hintergründe erforderlich machen. Verwiesen sei auch insoweit auf die soeben in Bezug genommenen Ausführungen zum Steuerentnahmerecht und zum Gewerbesteuerausgleich. Einordnungsschwierigkeiten

3250 Erforderlich ist jeweils, dass eine „passende“ zivilrechtliche Anspruchsgrundlage eingreift. Nach den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung kann davon allerdings praktisch immer ausgegangen werden (siehe auch § 17). Ferner ist zu bedenken, dass vertraglich vereinbarten Regelungen Vorrang zukommt (siehe wiederum vor allem oben S. 540 mit den dort in Bezug genommenen Teilen dieser Untersuchung). 3251 Bei Letzteren kann ein Ausgleich grundsätzlich nur aufgrund besonderer vertraglicher Abrede geschuldet sein; vgl. dazu den nachfolgenden Kleintext sowie unten D. 3252 Näher § 13. Abweichendes gilt für entnahmefähige Gewinne. Zwar kann auch in Bezug auf sie von einer „fremdbestimmten Steuerwirkung“ gesprochen werden, da hier ebenfalls Gesellschaftsgewinne auf Ebene der Gesellschafter besteuert werden. Jedoch geht der Steuerzugriff hier kongruent mit der auf Ebene der Gesellschafter eingetretenen Leistungsfähigkeitssteigerung, so dass es an der erforderlichen maßstabswidrigen Verschiebung von Steuerfolgen fehlt (ausführlich dazu oben § 13 C., insbesondere unter V.). 3253 Siehe oben § 14 B. 3254 Siehe im Kontext der Besteuerung von Personengesellschaften insbesondere oben S. 539 mit § 7 D II.

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Folgerungen für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ bereiten auch etwa die namentlich bei Crezelius3255 erörterten einkommensteuerrechtlichen Vorschriften, in denen die Beibehaltung der Buchwertverknüpfung an die Beachtung einer Behaltefrist geknüpft ist. In aller Regel werden hier nicht ausgleichsfähige Steuerfolgen zur Entstehung gelangen, wenn derartige Fristen nicht gewahrt bleiben. Dies gilt beispielsweise für den rückwirkenden Teilwertansatz bei Nichteinhaltung der in § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG geregelten Frist. Denn den Bezugspunkt der Besteuerung bildet der Wert des betroffenen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt seiner Übertragung, so dass es um einen Wertzuwachs geht, der im Vermögen des veräußernden Gesellschafters3256 generiert wurde – und den das Gesetz daher leistungsfähigkeitskonform auch sogleich bei ihm der Besteuerung unterwerfen könnte, da die Übertragung einen geeigneten Realisationstatbestand darstellt.3257 Ein interner Ausgleich kommt hier folglich nur nach Maßgabe der causa in Betracht, die der Übertragung zugrunde liegt.3258 In vielen Fällen wird sich eine auf Kompensation gerichtete Steuerklausel anbieten.3259

3255 Crezelius, FR 2002, 805, 805 ff.; siehe auch Kläne, Steuerwirkungen, S. 109 ff., S. 132 ff.; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 69, 71 f.; zu gewerbesteuerrechtlichen Auswirkungen Roser, EStB 2003, 157, 157 f. 3256 Im Hinblick auf § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 EStG wird hier aus Gründen darstellerischer Einfachheit nur auf den Satzteil vor „und umgekehrt“ Bezug genommen. 3257 Vgl. Hüttemann, DStJG 25 (2002), 123, 134 ff. Dieser Gedanke lag § 6 Abs. 5 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 zugrunde; siehe dazu etwa Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn. L 3. Die in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG angeordnete Nichtaufdeckung der stillen Reserven trotz Rechtsträgerwechsels erscheint folglich ihrerseits begründungsbedürftig; vgl. Schmidt/Kulosa, EStG, § 6 Rn. 690; Gosch, DStR 2010, 1173, 1175; insoweit auch Crezelius, FR 2002, 805, 811. Einzuräumen ist allerdings, dass die steuersystematische Einordnung dieser Regelung vor dem Hintergrund des Transparenzprinzips erhebliche Schwierig­ keiten bereitet (vgl. dazu auch etwa Dornheim, Ubg 2012, 618, 618 ff.; Leisner-Egensperger, DStZ 2010, 900, 901 ff.) – wie auch an den divergierenden Entscheidungen des I. und IV. Senats des BFH zu Übertragungen von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften (BFH BStBl. II 2010, 971, 972 f.; BFH BStBl. II 2010, 471, 474 f.) deutlich wird. 3258 Im Gegensatz zu vielen anderen Situationen, in denen nicht ausgleichsfähige Steuerfolgen (im vorstehend definierten Sinne) auftreten, besteht hier zwischen den an der Steuerwirkung beteiligten Privaten in aller Regel eine konkrete, auf die Übertragung selbst gerichtete Abrede, die dementsprechend weitergehende Folgerungen zulassen kann, als sonst namentlich über den Treuepflichtansatz (dazu sogleich unter C.) erzielbar sind. Ob diese Abrede bereits aus sich heraus ein (schuldrechtliches) Maßnahmenverbot oder – näher liegend – eine Pflicht zu Kompensationsleistungen trägt, ist eine Frage des Einzelfalls. 3259 Vgl. Schmidt/Kulosa, EStG, § 6 Rn. 718; D. Carlé/Demuth, KÖSDI 2008, 15979, 15985; Crezelius, FR 2002, 805, 807; Kläne, Steuerwirkungen, S. 244, S. 250; Roser, EStB 2003, 157, 157 f sowie mit Blick auf § 6 Abs. 3 EStG auch etwa Stümper/Walter, GmbHR 2008, 31, 33. Die sogleich unter D. in Bezug auf Steuerklauseln bei nicht ausgleichsfähigen Steuerfolgen formulierten Vorbehalte gelten in diesem Bereich (aus dem in Fn 3258 genannten Grund) nicht. Ungleich größere

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Fehlt es an der oben beschriebenen Steuerwirkungsverschiebung, bleibt grundsätzlich3260 kein Raum für einen Ausgleichsanspruch, so dass – entsprechend der unter A. fundierten Vorgehensweise3261 – nur noch zu prüfen ist, ob im Einzelfall andere zivilrechtliche Mechanismen eingreifen, über die ein (gewisser) Schutz vor steuerlicher Benachteiligung erreicht werden kann. Genau hierauf zielt die Untersuchung Erkers, die sich im Schwerpunkt damit befasst, für zahlreiche Beispiele steuerschädlicher Maßnahmen auszuloten, ob und inwieweit bei ihnen Restriktionen aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht abgeleitet werden können.3262 In Bezug auf die von ihr behandelten Fallkonstellationen – u.a. „Zinsschranke“ und § 8c KStG3263 – stellt sich diese Frage in der Tat, denn hier gelangen durchgängig nicht ausgleichsfähige Steuerfolgen zur Entstehung. Gleiches gilt für die ebenfalls von ihr analysierten erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften.3264 Im Folgenden wird daher im Rahmen einer kritischen Gesamtschau der Frage nachgegangen, inwieweit mit dem Treuepflichtansatz ein Instrument zur befriedigenden zivilrechtlichen Bewältigung nicht ausgleichsfähiger fremdbestimmter Steuerfolgen zur Verfügung steht. Im Anschluss (unter D.) wird sodann auf die Problematik gesellschaftsvertraglicher Regelungsversuche in diesem Bereich eingegangen.

C. Zur Tragfähigkeit des Treuepflichtkonzepts Erker fasst die Einzelergebnisse ihrer Untersuchung3265 so zusammen, dass die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht einen Lösungsansatz für Probleme können hingegen die in § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG in Bezug genommenen Vorgänge aufwerfen. 3260 Vgl. Fn 3251. 3261 Vgl. auch das beispielhafte Vorgehen auf S. 630 ff., auf das sogleich zurückgekommen wird. 3262 Erker, Kompensation, S. 99 ff. 3263 Nachweise in Fn 3232. 3264 Erker, Kompensation, S. 2 f., S. 28 ff., S. 48 ff., S. 125 ff. Hierhin gehören auch die meisten der von Rabald im 3. Teil seiner Arbeit analysierten Beispiele für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ (vgl. Fn 3224). Einen problemübergreifenden Ansatz zur gesellschaftsinternen Behandlung derartiger Fälle formuliert Rabald allerdings nicht (vgl. dazu auch Kläne, Steuerwirkungen, S. 2 Fn 11) – weswegen seine Untersuchung hier auch nicht im Einzelnen besprochen wird. Auf den Ansatz Klänes ist bereits in Fn 3217 eingegangen worden. Der größte Teil der von ihm ausgemachten Problemfelder (siehe insbesondere Kläne, aaO, S. 63 ff.) betrifft ebenfalls nicht ausgleichsfähige Steuerfolgen. 3265 Sie werden hier nicht vollständig nachgezeichnet, weil die Treuepflicht zumindest im Regelfall kein geeigneter Weg ist, um Ausgleichsansprüche zu begründen

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Folgerungen für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“

Fälle der hier in Rede stehenden Art bildet.3266 Zugleich betont sie jedoch durchgängig die Einzelfallbezogenheit der Aufgabenstellung und das treuepflichtkonzeptimmanente Abwägungserfordernis.3267 Genau diese Eigenheiten des Treuepflichtkonzepts machen verallgemeinerungsfähige Aussagen zu einzelnen Problemkreisen jedoch schwierig und bereichsübergreifende Folgerungen letztlich unmöglich.3268 Nach Dafürhalten des Verf. erscheint der Grundtenor Erkers in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Treuepflichtansatzes zu weitgehend.3269 Richtigerweise bildet die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht kein Mittel, um nicht ausgleichsfähige fremdbestimmte Steuerfolgen flächendeckend oder auch nur für den Regelfall zu verhindern bzw. an die entsprechenden, steuerlich nachteiligen Handlungen auf diesem Weg Schadensersatz- oder gar primäre Ausgleichsansprüche zu knüpfen.3270 Dies ist auf S. 630 ff. bereits exemplarisch für die Fälle gezeigt worden, in denen es aufgrund einer Anteilsveräußerung zum Untergang gewerbesteuerrechtlicher Verlustvorträge kommt.3271 An diesem Beispiel wird zugleich die volle Tragweite des Problems deutlich: Vorliegend sind in aller Regel Vorgänge betroffen, die aus gesellschaftsrechtlicher Sicht „unverdächtig“ erscheinen und daher, anders als „klassische“ Treuepflichtsituationen,3272 kein genuin zivilrechtliches Loyalitätsproblem aufwerfen.3273 Vielmehr ist es das Steuerrecht, das störend in das zivilrechtliche Rechte- und Pflichtengefüge einwirkt, indem es an ein zivilrechtlich an sich nicht zu beanstandendes Verhalten einen steuerlichen Nachteil knüpft, der in der Person eines anderen Beteiligten eintritt.3274 Hieraus kann zwar nicht gefolgert werden, dass das Treue(siehe bereits oben S. 638 sowie im Folgenden). Allerdings werden verschiedene Folgerungen Erkers in den nachfolgenden Kleintextpassagen kritisch beleuchtet. 3266 Erker, Kompensation, S. 215. 3267 Erker, Kompensation, passim sowie zusammenfassend S. 215 f. 3268 Diese Folgerung lässt sich auch an den Einzelergebnissen Erkers, Kompensation, S. 99 ff. ablesen, die den Treuepflichtansatz, je nach Sachproblem, in ganz unterschiedlicher Intensität fruchtbar macht. 3269 Auch erscheinen ihre Ausführungen zu Einzelfragen bisweilen sehr progressiv; dazu sogleich exemplarisch im Kleintext. 3270 Vgl. auch bereits oben S. 550 f. und S. 638. 3271 Siehe für andere Veräußerungskonstellationen auch die Erörterung des Ansatzes Erkers im nachfolgenden Kleintext. 3272 Vgl. nur die bei Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 169 ff. angeführten Beispiele sowie auch etwa Fleischer, NZG 2000, 561, 561 („Schlichtung von Binnenstreitigkeiten“). 3273 So letztlich auch Erker, Kompensation, S. 217. 3274 Vgl. zu Einzelfragen auch Frotscher, in: Frotscher/Maas (Hrsg.), KStG, § 8c Rz. 85; Erker, Kompensation, S. 155.

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pflichtkonzept in diesem Bereich überhaupt nicht anwendbar wäre. Speziell bei intendierten Veränderungen der Beteiligungshöhe und in Ausscheidensfällen wird das Abwägungspendel jedoch häufig zugunsten des handelnwollenden Gesellschafters ausschlagen, wenn und weil dieser auf die ihm gesellschaftsrechtlich an sich zugewiesene Veräußerungsmöglichkeit vertrauen darf.3275 Auch insoweit kann auf die obigen Ausführungen zu § 10a GewStG verwiesen werden. Einen weitergehenden Ansatz hat Erker speziell für den Anwendungsbereich des § 8c KStG bei personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaften formuliert:3276 Bei frei veräußerlichen Anteilen komme den Veräußerungsinteressen zwar grundsätzlich der Vorrang zu, da dem Gesellschafter eine Desinvestition möglich sein müsse.3277 Jedoch sei er stets dazu verpflichtet, seine Veräußerungsabsichten offenzulegen.3278 Ferner habe er den übrigen Gesellschaftern anzubieten, seine 25 % übersteigende Beteiligung selbst zu übernehmen.3279 Auf ein entsprechendes Erwerbsangebot habe er grundsätzlich ebenso einzugehen3280 wie auf das Angebot, eine Kompensationszahlung wegen desjenigen Kaufpreisausfalls zu leisten, der ihm entsteht, wenn er maximal 25 % der Gesellschaftsanteile an einen externen Erwerber überträgt.3281 Gegebenenfalls sei ihm sogar ein niedrigerer Kaufpreis zuzumuten, solange dieser insgesamt noch eine angemessene Höhe erreiche.3282 Erforderlich sei aber jeweils, dass sich der Erwerber und gegebenenfalls auch die betroffenen Altgesellschafter verpflichteten, über einen längeren Zeitraum nicht mehr als 25 % der Anteile zu erwerben.3283 Diese Lösung erscheint kompliziert und wenig praxisgerecht, wirft Bewertungsprobleme auf und ist insbesondere geeignet, die legitimen Veräußerungsinteressen

3275 Vgl. im Ausgangspunkt auch Erker, Kompensation, S. 105, auf deren Ansatz sogleich im Kleintext zurückgekommen wird; noch restriktiver als hier an­ scheinend Frotscher, in: Frotscher/Maas (Hrsg.), KStG, § 8c Rz. 85 (unter Hinweis auf Art. 14 GG): generell kein Treuepflichtverstoß; zu weitgehend jedenfalls die Folgerungen, die Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 361 ff. (mit Blick auf andere Zusammenhänge) bei börsennotierten Aktiengesellschaften mit Großaktionären aus der Treuepflicht ableiten wollen. Dieser Fragenkreis bedarf hier keiner grundsätzlichen Vertiefung (siehe dazu – Verhältnis von Verfügungsfreiheit und Treuepflicht im Aktienrecht – zuvörderst Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 171 ff.). 3276 Erker, Kompensation, S. 105 ff. (mit S. 114). 3277 Erker, Kompensation, S. 105. 3278 Erker, Kompensation, S. 110 ff. 3279 Erker, Kompensation, S. 106 a.E., S. 115. 3280 Erker, Kompensation, S. 105 ff. (S. 108). 3281 Erker, Kompensation, S. 106. 3282 Erker, Kompensation, S. 109. 3283 So Erker, Kompensation, S. 109 f. unter Hinweis darauf, dass die Rechtsfolgen des § 8c KStG auch nachträglich noch eintreten können.

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Folgerungen für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ des ausscheidenswilligen Gesellschafters zu untergraben.3284 So wäre dieser in vielen Fällen zu langwierigen (Nach-)Verhandlungen gezwungen – und müsste einen Erwerbsinteressenten, der seine gesamte Beteiligung erstehen will, gegebenenfalls damit konfrontieren, dass er lediglich 25 % der Gesellschaftsanteile erwerben kann und sich zudem noch dazu verpflichten müsste, diese Beteiligung mittelfris­ tig nicht zu steigern.3285 Die Frage, welche Rechtsfolgen eingreifen, wenn das Geschäft deshalb scheitert, beantwortet Erker nicht. Ferner läuft der veräußerungswillige Gesellschafter nach ihrer Lösung Gefahr, den 25 % übersteigenden Teil seiner Beteiligung (gegen Kompensationsleistung) behalten zu müssen, obwohl er sich – legitimerweise – aus der Gesellschaft zurückziehen will.3286 Der richtige Weg, Anteilsveräußerungen an bestimmte Kautelen zu binden, besteht daher nicht im Treuepflichtansatz, sondern in steuerrechtsgeleiteten Vinkulierungsklauseln, die zudem ein höheres Maß an Rechtssicherheit herstellen.3287 Ein Allheil­mittel bilden freilich auch sie nicht – was allerdings daran liegt, dass die zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Bereich bereits im Grundsätzlichen begrenzt sind. Hierauf wird sogleich unter D. zurückgekommen. Erwähnt sei ferner, dass Erker zudem keine Lösung für den auf S. 630 ff. erörterten Fall anbietet, dass der Steuernachteil bei frei veräußerbaren Beteiligungen an Personengesellschaften bei jedem Ausscheiden eintritt, d.h. keine Schwellenwerte überschritten sein müssen (§ 10a Satz 4, 5 GewStG, § 4h Abs. 5 Satz 2 EStG). Sie erörtert in diesem Kontext nämlich nur Situationen, in denen die Veräußerung an die Zustimmung der übrigen Gesellschafter gebunden ist.3288

In anderen Fällen als Veräußerungen bedarf es ebenfalls einer sorgfältigen Abwägung, die bei der Frage ansetzen muss, ob eine zivilrechtlich eigentlich legitime Handlungsmöglichkeit mit Blick auf die durch sie ausge­ lösten Steuerfolgen ausnahmsweise beschnitten werden kann. Erneut sei betont, dass sich pauschale Aussagen schon deshalb verbieten, weil das jeweilige Ausmaß der Treuebindung von der Realstruktur der Ge­ sellschaft und den konkreten Gegebenheiten der einzelnen Situation

3284 Bei GmbH-Geschäftsanteilen sind ferner Friktionen mit § 15 Abs. 4 GmbHG zu befürchten. 3285 Wie genau diese Verpflichtung ausgestaltet sein soll und wem gegenüber sie abzugeben ist, teilt Erker, Kompensation, S. 110, S. 124 a.E. nicht mit. 3286 Ein einstweiliger Verbleib in der Gesellschaft kann dem betroffenen Gesellschafter richtigerweise nur in Extremfällen angesonnen werden (vgl. oben S. 632). 3287 Die Einwände Erkers, Kompensation, S. 113 f. überzeugen nicht; vgl. in diesem Zusammenhang auch die bei Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 358 f. aufgezeigten Gestaltungsoptionen für börsennotierte Aktiengesellschaften, die dauerhaft zu einem wesentlichen Teil in Familienbesitz verbleiben sollen. Ohne eine derartige Vorsorge bleibt es – entgegen Ziemons/Jaeger, aaO, S. 363 ff. – jedoch im Grundsatz bei der freien Veräußerbarkeit der Aktien. 3288 Erker, Kompensation, S. 116 f.

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abhäng­t.3289 Raum für treuepflichtbedingte Einschränkungen wird vor allem dort bestehen, wo die Gesellschafter einvernehmlich eine Steuerfolge angestrebt haben, die nunmehr durch das intendierte Verhalten des Einzelnen zunichte gemacht oder beeinträchtigt würde.3290 Lediglich hingewiesen sei auf ein Sonderproblem, das sich namentlich im Anwendungsbereich des § 8c KStG und der auf ihn verweisenden Vorschriften (§ 4h Abs. 5 Satz 3 EStG, § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG, § 10a Satz 10 GewStG) sowie (auch sonst) im Regelungsbereich der „Zinsschranke“ stellen kann: Hier können schädliche Steuerfolgen auch infolge von Vorgängen eintreten, die nicht auf Ebene der betroffenen Gesellschaft selbst hervorgerufen, sondern durch mittelbar Beteiligte im Wege von Veränderungen der Beteiligungs- oder Finanzierungsstruktur ausgelöst werden.3291 Dann verkompliziert sich die Fragestellung, weil ausgehend von der steuerlich nachteilig betroffenen (Unter-)Gesellschaft gefragt werden muss, ob bei derartigen Sachverhalten konzernweite Treuepflichten gegen mittelbar beteiligte (Ober-)Gesellschafter bestehen können und wieweit sie im Einzelfall reichen. Erker bejaht hier zwar das Eingreifen des Treupflichtregimes,3292 unterfüttert ihren Ansatz jedoch kaum, sondern nimmt lediglich auf einen Meinungsstand Bezug, der sich zu schädigenden Einflussnahmen im mehrstufigen Konzern gebildet hat.3293 Zu bedenken ist aber erneut, dass es bei der hier in Rede stehenden Problemstellung nicht um „typische“ Treuepflichtsachverhalte geht,3294 denn das Problem beruht einzig auf der nachteilhaften Ausgestaltung steuerrechtlicher Vorschriften, mit der gerade kein korrespondierender Vorteil bei der handelnden Person einhergeht. Das Treuepflichtregime könnte daher auch in diesem Bereich nur punktuell-einzelfallbezogen und nach sorgfältiger Abwägung Anwendung finden.3295 Pauschale Aussagen verbieten sich daher. Bemerkenswerterweise diskutiert Erker die Reichweite ihres Ansatzes in Bezug auf Veräußerungssachverhalte nicht, obwohl gerade der von ihr aufgeworfene Fall

3289 Nachweise in Fn 2750; vgl. beispielhaft die Diskussion des Problems steuerschädlicher Finanzierungsentscheidungen bei Erker, Kompensation, S. 165 ff. 3290 Vgl. schon oben Fn 3211. 3291 Vgl. das bei Erker, Kompensation, S. 5 ff., S. 22 ff., S. 56 ff., S. 117 ff. analysierte Beispiel. 3292 Vgl. Erker, Kompensation, S. 74, S. 93 ff. 3293 Vgl. dazu etwa Scholz/Emmerich, GmbHG, Anhang § 13 Rn. 77; Stimpel, AG 1986, 117, 118 ff.; Tröger, Treupflicht, S. 37 ff.; Winter, Treuebindungen, S. 255 ff. sowie aus der Rechtsprechung BGHZ 89, 162, 165 ff.; BGHZ 65, 15, 20 f. („ITT“); allgemeiner zum Problemkreis der Reichweite von Treuebindungen im Konzern Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 236 ff. 3294 Derartige „typische“ Fallkonstellationen haben die in Fn 3293 zitierten Stimmen im Blick; vgl. auch etwa die bei Zöllner/Beurskens, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rn. 76 ff.; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anhang § 13 Rn. 67 ff., 71 ff., 80 ff. in Bezug genommenen Situationen. 3295 Im Hinblick auf Finanzierungsentscheidungen gleichsinnig Erker, DStR 2012, 498, 499 f.; dies., Kompensation, S. 169 f.; vgl. aber den nachfolgenden Absatz.

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Folgerungen für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ dazu Anlass gegeben hätte.3296 Einen deutlichen Standpunkt nimmt sie hingegen in Bezug auf steuerschädliche Umstrukturierungs- und Finanzierungsentscheidungen im Konzern ein. Was Finanzierungsentscheidungen angeht, gebiete die Treuepflicht, die Interessen von Konzerngesellschaften und Minderheitsge­ sellschaftern angemessen zu berücksichtigen.3297 Soweit dies ohne gravierende Nachteile möglich sei, müsse die schonendste Finanzierungsvariante gewählt werden.3298 Abweichend beurteilt Erker die Rechtslage hingegen bei Umstrukturierungsentscheidungen: Hier sei in der Durchführung der entsprechenden Maßnahme grundsätzlich kein Treuepflichtverstoß zu erblicken.3299 Dennoch bestehe ein treuepflichtbedingter Anspruch von Minderheitsgesellschaftern auf Ausgleich des eingetretenen Steuernachteils.3300 Es unterliegt allerdings erheblichen Zweifeln, ob die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht einen derartigen primären Ausgleichsanspruch überhaupt tragen kann, zumal die durchgeführte Maßnahme Erkers Ansicht zufolge rechtmäßig ist.3301 Richtigerweise wird man auch hier unterscheiden müssen: Entweder erweist sich die Maßnahme selbst (mit Blick auf die durch sie ausgelöste Steuerfolge) im Einzelfall ausnahmsweise als treuepflichtwidrig. Dann hat sie zu unterbleiben, und im Falle eines Verstoßes finden die allgemeinen Grundsätze über Schadensersatz wegen Treuepflichtverletzungen Anwendung. Oder die Maßnahme ist ungeachtet ihrer steuerlichen Wirkungen gerechtfertigt. Dann ist kein Ausgleich geschuldet, es sei denn, in dem betreffenden Konzernverbund besteht ein anderweitig begründeter Kompensationsanspruch, der den Steuernachteil mit umfasst. Im Normalfall lässt sich eine entsprechende Verlagerung des Steuernachteils auf einen anderen Privaten hingegen nicht ableiten. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung3302 hat es dann vielmehr mit der steuerlichen Zuweisung dieses Nachteils sein Bewenden.

3296 Vgl. Erker, Kompensation, S. 117 ff. (Treubindungen des A gegenüber den Untergesellschaften?). 3297 Erker, DStR 2012, 498, 499; dies., Kompensation, S. 170. 3298 Erker, DStR 2012, 498, 499 f. Werde dagegen verstoßen, sei Schadensersatz wegen Treuepflichtverletzung geschuldet. 3299 Erker, Kompensation, S. 155, S. 159, S. 161 f. 3300 Erker, Kompensation, S. 162, S. 164, S. 170. Diesen Ansatz spricht sie in einem späteren Beitrag bemerkenswerterweise nicht mehr an (vgl. Erker, DStR 2012, 498, 499 f.). 3301 Vgl. auch bereits oben S. 638. Das Treuepflichtkonzept ist auch im Konzern­ verbund primär auf die Unterlassung und gegebenenfalls Rückgängigmachung schädigender Eingriffe, nicht aber auf ein „Dulde und liquidiere“ gerichtet (vgl. BGHZ 65, 15, 18 ff. („ITT“); Zöllner/Beurskens, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlAnh­KonzernR Rn. 76 ff. (79); Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 245 sowie Schol­z/ Emmerich, GmbHG, Anhang § 13 Rn. 67 ff. (71, 75, 86), der mit Blick auf den faktischen GmbH-Konzern auch andere vertretene Lösungskonzepte darstellt, die aber ebenfalls an die Rechtswidrigkeit der Maßnahme anknüpfen). 3302 Siehe insbesondere oben B.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

D. Steuerbarkeit durch Steuerklauseln? Kann mithin festgehalten werden, dass auch über den Treuepflichtansatz häufig keine Sanktionierung von Handlungen möglich ist, die zu nicht ausgleichsfähigen fremdbestimmten Steuerfolgen führen, und nimmt man darüber hinaus die erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen in den Blick, die den betroffenen Gesellschaften hierdurch entstehen können, so verwundert es nicht, dass sich in der Literatur zahlreiche Vorschläge­für eine vertragliche Abhilfe finden.3303 Diskutiert werden im Wesentlichen Zustimmungsvorbehaltsregelungen3304 und Kompensationsklauseln.3305 In systematischer Hinsicht würde es sich bei derartigen Steuerklauseln um das Gegenstück zu der im Rahmen dieser Untersuchung für ausgleichsfähige Steuerfolgen herausgearbeiteten Kategorie der „vertraglichen Überlagerung“ handeln. Derartigen Gestaltungsvorschlägen ist allerdings bei vielen der hier erörterten Problemlagen3306 mit

3303 Übergreifende Analyse der für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ in Betracht kommenden rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei Kläne, Steuerwirkungen, S. 185 ff.; Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 72 ff.; zu den Fällen des § 8c KStG siehe Levedag, GmbHR 2009, 13, 22 ff. sowie – unter Einbeziehung der in Fn 3231 angeführten Vorschriften – T. Carlé, NWB 2009, 2967, 2970 ff.; Schildknecht/Riehl, DStR 2009, 117, 118 ff.; zur „Zinsschranke“ siehe Winter, Ubg 2009, 822, 826 und – speziell zum Fall des Ausscheidens aus einer Personengesellschaft – Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 727 f.; dazu (sowie zu § 8c KStG) auch Schumm, NWB 2009, 1266, 1270 ff. 3304 So für den Grundfall des § 8c KStG Levedag, GmbHR 2009, 13, 23 f.; vgl. auch Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 728 f. 3305 Zu den im Schrifttum vorgeschlagenen Ausgestaltungen siehe im Einzelnen wiederum Kläne, Steuerwirkungen, S. 214 ff. (allgemein für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“); speziell zu § 8c KStG: T. Carlé, NWB 2009, 2967, 2970 ff.; Schildknecht/Riehl, DStR 2009, 117, 118 ff.; vgl. auch Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 729; zur „Zinsschranke“ siehe Winter, Ubg 2009, 822, 826 sowie (mit Blick auf das Ausscheiden aus einer Personengesellschaft) Rodewald/Pohl, aaO, S. 727 f.; Schumm, NWB 2009, 1266, 1270 f. 3306 Den Bezugspunkt dieser Ausführungen bilden ausschließlich nicht ausgleichsfähige Steuerfolgen im oben (insbesondere unter B.) umschriebenen Sinne. In anderen Bereichen können gut gefasste Steuerklauseln hingegen zur Rechtssicherheit beitragen. Nachweise im Hinblick auf die Diskussion über die Ausgestaltung des Steuerentnahmerechts finden sich in Fn 2505. Zu den Kompensationsregelungen, die in Bezug auf den Gewerbesteuerausgleich vorgeschlagen werden (Nachweise in Fn 2931), ist in § 14 unter B. und dort insbesondere unter IV 1. kritisch Stellung genommen worden.

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Folgerungen für „fremdbestimmte Steuerwirkungen“

großer Skepsis zu begegnen,3307 da sie häufig kompliziert sind,3308 weiteres Konfliktpotential bergen3309 und – fundamentaler – gar nicht in der Lage sind, das eigentliche Problem zu lösen. Denn die Ursache des Dilemmas liegt nun einmal in (häufig überaus zweifelhaften) Besteuerungsentscheidungen, die sich nur-nachteilig auswirken und denen mit zivilrechtlichen Mitteln nicht beigekommen werden kann.3310 Sollen etwa Kompensationsleistungen eines handelnwollenden Gesellschafters vorgesehen werden, so muss man sich klar machen, dass es um reinen Nachteilsausgleich geht, der ohne jede Vermögensmehrung auf Seiten des Verpflichteten vollzogen werden müsste – und dessen Höhe zudem schon wegen der im Regelfall notwendigen periodenübergreifenden Betrachtung kaum praktikabel quantifizierbar ist.3311 Wie schwierig die konkrete Fassung einer derartigen Kompensationsregelung ist, dürfte bereits an dem auf S. 615 erörterten Beispiel des § 35 EStG deutlich geworden sein, obwohl dort sogar eine gewisse umverteilungsfähige Masse vorhanden ist, an der es im Regelfall nicht ausgleichfähiger Steuerfolgen aber fehlt. Zudem muss für den Einzelfall ausgelotet werden, ob die Zuweisung des vollen Nachteils an den Handelnden wirklich interessenge3307 Im gleichen Sinne Erker, Kompensation, S. 212 ff., S. 216; vgl. ferner Marx/Löffler/Kläne, StuW 2010, 65, 79 sowie im Ausgangspunkt auch Kläne, Steuerwirkungen, S. 288 f. (mit S. 202 ff., S. 264 ff.). Der von Kläne, aaO, S. 268 ff. für Teilbereiche als sinnvoll angesehenen Verbuchungslösung ist schon aus den in § 14 B IV 1. genannten Gründen nicht zu folgen (letztlich einschränkend auch ders., aaO, S. 285; Marx/Löffler/Kläne, aaO, S. 76, wo der angesprochene Gedanke aber nicht weiterverfolgt wird). In Einzelbereichen kann eine vertragliche Regelung bzw. Vorsorge allerdings auch im Bereich der nicht ausgleichsfähigen Steuerfolgen sinnvoll sein (vgl. die Ausführungen auf S. 641 zu einkommensteuerlichen Behaltefristen). 3308 Vgl. auch Hoffmann, GmbHR 2008, 113, 115 f. („kaum praktikabel formuliert werden können“). Das lässt sich gut anhand des praktisch wichtigen Beispiels des § 8c KStG zeigen: Erhebliche Schwierigkeiten bereiten hier insbesondere die Ermittlung der Höhe des Nachteilsausgleichs sowie die Frage der Einbeziehung gestufter Anteilsübertragungen (siehe dazu im Einzelnen T. Carlé, NWB 2009, 2967, 2970 ff.; Kläne, Steuerwirkungen, S. 233 ff.; Levedag, GmbHR 2009, 13, 24; Schildknecht/Riehl, DStR 2009, 117, 118 und 120 f.). Die von Levedag, aaO vorgeschlagene Vinkulierungsklausel dürfte mehrere Schreibmaschinenseiten ausfüllen – und deckt lediglich den Grundfall des § 8c KStG ab. 3309 Vgl. auch Kläne, Steuerwirkungen, S. 288 f. 3310 Vgl. – treffend – Crezelius, FR 2002, 805, 808 a.E.: „Derartige zivilrechtliche Maßnahmen sind nicht Grund, sondern Folge der steuerrechtlichen Situation und daher nicht in der Lage, das steuerrechtliche Problem dogmatisch zu lösen.“ 3311 Vgl. auch Fn 3308; siehe zur „Zinsschranke“ Kläne, Steuerwirkungen, S. 231 ff. und zu § 8c KStG auch etwa T. Carlé, NWB 2009, 2967, 2970 ff.; D. Carlé/Demuth, KÖSDI 2008, 15979, 15981; Schildknecht/Riehl, DStR 2009, 117, 118.

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Steuerausgleich in gewerblichen Personengesellschaften

recht erscheint. Zu bedenken ist ferner, dass es Einzelbereiche gibt, in denen gesetzliche Vorgaben einer gesellschaftsvertraglichen Kompensationsregelung entgegenstehen können.3312 Mehr als Nachteilsumverteilung kann eine entsprechende Klausel jedenfalls nicht leisten. Gleichartige Probleme entstehen bei der vertraglichen Festlegung von Zustimmungserfordernissen, die es den übrigen Gesellschaftern ermöglichen sollen, ihre Einwilligung von einem derartigen Nachteilsausgleich abhängig zu machen.3313 Vorbehaltlos gefasste Vinkulierungsklauseln würden hingegen zu Konflikten mit den (häufig legitimen) Veräußerungs- bzw. Ausscheidensinteressen des einzelnen Gesellschafters führen,3314 die Streitfragen über die Treuepflichten dissentierender Gesellschafter herrufen können.3315 Auch insoweit kann im Einzelfall zwingendes Gesetzesrecht entgegenstehen (§ 723 Abs. 3 BGB!). Anknüpfend an die Ausführungen auf S. 646 sei ferner darauf hingewiesen, dass eine effektive vertragliche Abhilfe im Falle mehrstufiger Konzernstrukturen vielfach gar nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich sein wird, und zwar insbesondere deshalb, weil die vertragliche Vereinbarung nur die an ihr Beteiligten binden kann, während die Steuerfolge häufig auf höherer Ebene ausgelöst wird.3316 In jedem Fall bedarf es aus den hier angesprochenen Gründen reiflicher Prüfung und Abwägung, ob eine rechtsgeschäftliche Regelung bei nicht ausgleichsfähigen fremdbestimmten Steuerfolgen rechtlich und tatsächlich möglich, wirtschaftlich sinnvoll3317 und insgesamt angemessen und zielführend ist.

3312 Näher dazu Erker, Kompensation, S. 210 ff.; Rodewald/Pohl, DStR 2008, 724, 729; Schumm, NWB 2009, 1266, 1272. 3313 Vgl. in Bezug auf § 8c KStG wiederum den Vorschlag Levedags, GmbHR 2009, 13, 23 f. sowie auch Frotscher, in: Frotscher/Maas (Hrsg.), KStG, § 8c KStG Rz. 85. Für diesen Bereich wird die Regelbarkeit über Vinkulierungsklauseln von vielen Autoren sogar ganz generell verneint bzw. stark relativiert (siehe im Einzelnen T. Carlé, NWB 2009, 2967, 2968 ff.; Kläne, Steuerwirkungen, S. 203 f.; Schildknecht/Riehl, DStR 2009, 117, 117 f.). 3314 Vgl. auch Kläne, Steuerwirkungen, S. 202 f. 3315 Vgl. beispielhaft Erker, Kompensation, S. 113 f.; siehe allgemeiner zu dem hier angeschnittenen Problemkreis etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 15 Rn. 46; Scholz/Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 127, jeweils mit weiteren Nachweisen. 3316 Siehe auch Frotscher, in: Frotscher/Maas (Hrsg.), KStG, § 8c KStG Rz. 85; T. Carlé, NWB 2009, 2967, 2969; Kläne, Steuerwirkungen, S. 203; Söffing, DStZ 1993, 587, 590 f. (mit praktisch häufig kaum durchsetzbarem Lösungsvorschlag); vgl. ferner Prinz/Thiel, FR 1992, 192, 194; weitere Einwände bei Schildknecht/Riehl, DStR 2009, 117, 117 f. 3317 Zu bedenken sind auch die damit verbundenen (Folge-)Kosten; dazu Kläne, Steuerwirkungen, S. 289.

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Schlussbetrachtungen § 16 Zusammenfassung3318 1. Die Frage, in welchen Situationen und auf Grundlage welcher Anspruchsnormen das Zivilrecht einen Ausgleich für Besteuerungsfolgen ermöglicht, die aus Sicht des Steuerrechts abschließend sind, hat bisher kaum Eingang in die übergreifende Diskussion über das Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht gefunden, obwohl sie für die Rechtspraxis von überragender Bedeutung ist. Im Vordergrund der vorhandenen Betrachtungen stehen Einzelanalysen, während es an Ansätzen fehlt, die die problemübergreifende Dimension der Fragestellung in den Blick nehmen und verallgemeinerungsfähige Lösungswege herauszubilden suchen. Das dürfte auf die Vielschichtigkeit der betroffenen Fallgestaltungen zurückzuführen sein, die sich bei überschlägiger Betrachtung kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Jedoch ist zumindest im Ausgangspunkt eine Grobeinteilung möglich, nämlich einerseits in Situationen, in denen es um Auswirkungen von Steuerfolgen auf präexistente zivilrechtliche Ausgleichsrechnungen geht (z.B. Schadensersatz- oder Unterhaltsansprüche), und andererseits in Fälle, in denen die Steuerfolge selbst das Ausgleichsbedürfnis auslöst. Besonders in den zuletzt angesprochenen Situationen des hier so genannten „Primärsteuerausgleichs“ (z.B. Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten und Steuerentnahmerecht in Personengesellschaften) erscheint eine Suche nach übergreifenden Lösungsmöglichkeiten aussichtsreich, da die vorhandenen Detailprobleme und zugehörigen Streitstände bemerkenswerte Parallelen aufweisen und – wie innerhalb dieser Untersuchung fundiert wird – dem Leistungsfähigkeitsprinzip häufig Aussagekraft für die Zivilrechtsanwendung zukommt. Die Arbeit befasst sich in erster Linie mit der Frage, ob und in welchen Fällen ein Ausgleich nach dispositivem Recht, d.h. ohne spezielle, darauf gerichtete Steuertragungsabrede geschuldet ist. Wie zu zeigen sein wird, ist dies – einzelproblemübergreifend – häufig der Fall, wenn bestimmte normative Voraussetzungen erfüllt sind. Die Untersuchung ermöglicht daher eine Identifikation von Fallgestaltungen, in denen übergreifende Aussagen über die Zivilrechtslage getroffen werden können. 3318 In diesem Abschnitt werden die Inhalte der Untersuchung zusammengefasst, und zwar geordnet nach ihren §§ 1 – 15. Angesichts dieser Darstellungsform wird auf Einzelnachweise verzichtet.

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Schlussbetrachtungen

2. An der generellen Eignung des Zivilrechts, Besteuerungsfolgen im Innenverhältnis der beteiligten Privaten abzuändern, besteht kein Zweifel. Insbesondere ist für einen „Vorrang“ steuerlicher Ergebnisse unter Hintanstellung des zivilrechtlichen Ausgleichssystems weder eine rechtliche Grundlage noch eine innere Legitimation ersichtlich. Zu prüfen ist allerdings, ob (grundlegende) Wertungen und Prinzipien des Steuerrechts exis­tieren, die die Zivilrechtsanwendung im Einzelfall beeinflussen, insbesondere einem Ausgleich entgegenstehen oder ihn – umgekehrt – gebieten können. Dass das Steuerrecht überhaupt abwägungsfähige Prinzipien und Wertungen kennt, dürfte heute allgemein anerkannt sein und wird auch von den Vertretern eines positivistisch gefärbten Grundansatzes letztlich nicht bestritten. Im Folgenden wird in einem ersten Schritt ausgelotet, ob und in welchen normativen Situationen zwei Teilrechtsordnungen ihre Wertungen wechselseitig in Rechnung zu stellen haben. 3. Hierbei handelt es sich um einen zentralen Aspekt der modernen Diskussion über das Verhältnis von Steuer- und Zivilrecht. So hat Flume bereits in einem Beitrag aus dem Jahr 1952 betont, dass die Steuernormen dem Gesetz der Einheit der Rechtsordnung (Kongruenz) unterlägen und sich in die bestehende „allgemeine Rechtsordnung“ einfügen müssten. Nicht hinreichend reflektiert wurde die Fragestellung hingegen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den 60er Jahren der vergangenen Jahrhunderts, obwohl hier ebenfalls von der „Einheit der Rechtsordnung“ die Rede gewesen war. Dies gilt namentlich für die Entscheidung BVerfGE 13, 331, deren Bezugspunkt nicht die Strukturprinzipien des Zivilrechts als solche gebildet haben, sondern lediglich die vom Steuergesetzgeber selbst (durch Anknüpfung an das Zivilrecht) begründete Sachgesetzlichkeit. Die Erkenntnis, dass Steuer- und Zivilrecht einander wechselseitig Rechnung zu tragen haben, bildet das Ergebnis mehrerer jüngerer literarischer Untersuchungen und ist in neuerer Zeit lediglich in der Habilitationsschrift von Crezelius infrage gestellt worden, dessen Auffassung jedoch nicht gefolgt werden kann. So geht Walz von der Existenz eines „Grundsatzes der Einheit des wirtschaftsrechtlichen ordre public aus“, den er primär als die Autonomie des Steuerrechts begrenzendes Moment versteht. In dieser Terminologie ist Koller ihm gefolgt, der in den vielfäl­ tigen Wechselwirkungen zwischen beiden Teilrechtsordnungen ein „Koordinations­problem“ erblickt, das eine umfassende Abstimmung erforderlich mache. Diese Forderung nach Wertungskongruenz erscheint zwar weiterführend, jedoch ist der „wirtschaftsrechtliche ordre public“, auf den sich Walz und Koller stützen, weder begrifflich geglückt noch 652

Zusammenfassung

von ihnen in zureichender Weise (verfassungs-)rechtlich fundiert worden. Auch der von anderen Autoren in Bezug genommene Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung erscheint wegen seiner Konturenlosigkeit und seines besonders in früherer Zeit wenig überzeugenden Gebrauchs kaum weiterführend. Es besteht heute weithin Einigkeit, ihn auf den Aspekt der inhaltlichen Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu beziehen und zu beschränken, wobei auch diese mögliche Funktion des Einheitsprinzips näherer Begründung bedarf, da sie sich ebenfalls nicht ohne weiteres aus dem bestehenden (Verfassungs-)Recht erschließt. Zu untersuchen ist daher, ob und in welchem Umfang sich ein Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung im geltenden Recht nachweisen lässt. 4. Für das hier zu beleuchtende Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht ist die Frage entscheidend, inwieweit Wertungskongruenz zwischen zwei Teilrechtsordnungen herzustellen ist. Im Schrifttum wird verbreitet zwischen der Bindung des Rechtsanwenders bei der Gesetzesauslegung und der Bindung des Gesetzgebers unterschieden, wobei besonders Letztere überaus streitig ist. Um die volle Komplexität der rechtlichen Problematik zu erfassen, bedarf es jedoch einer weitergehenden Differenzierung. In Bezug auf die hier allein relevante horizontale Dimension der Fragestellung (Wertungskonflikte zwischen formell gleichrangigen Rechtsnormen) ist zwischen drei Fallgruppen zu unterscheiden. Die erste Fallgruppe kommt am häufigsten vor. Sie betrifft Rechtsfragen, bei denen die sachnähere Teilrechtsordnung (hier: Zivilrecht) aus sich heraus Raum für die Einbeziehung von Wertungen der anderen betroffenen Teilrechtsordnung (hier: Steuerrecht) lässt, weil ihre Grundwertungen kein ganz bestimmtes Auslegungsergebnis vorzeichnen. In diesem Fall hat der Rechtsanwender eine umfassende Abwägung aller einschlägigen Wertungen mit dem Ziel eines möglichst optimalen Wertungskompromisses vorzunehmen. Eines Rückgriffs auf übergeordnete Rechtsgrundsätze oder Verfassungsrecht bedarf es dafür nicht. Dies ist in der zweiten Fallgruppe anders. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Grundwertungen der unmittelbar einschlägigen Teilrechtsordnung ein ganz bestimmtes Auslegungsergebnis erforderlich machen, das jedoch den Wertungen einer anderen Teilrechtsordnung zuwiderläuft. Zu seiner Überwindung bedarf es einer verfassungsrechtlichen Grundlage. Gleiches gilt in Bezug auf eine dritte Fallgruppe, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die konfliktbegründende Rechtsfolge ausdrücklich im Gesetz angeordnet ist. In Bezug auf die Fallgruppen 2 und 3 lautet die Kernfrage mithin, ob es einen Verfassungsrechtssatz gibt, der den Gesetzgeber dazu verpflichtet, sich nicht in Widerspruch zu Wertentscheidungen zu stellen, die er selbst 653

Schlussbetrachtungen

in anderen Teilen der Rechtsordnung getroffen hat. Entgegen verbreiteter Auffassung existiert ein solcher Rechtssatz nicht. Wertungswidersprüche sind hinzunehmen, soweit sich nicht im Einzelfall ein aus anderen Gründen bestehendes Verfassungsgebot finden lässt, das die Berücksichtigung der konfligierenden Wertung erfordert. Insbesondere kann weder dem allgemeinen Gleichheitssatz noch dem Rechtsstaatsprinzip ein umfassendes Abstimmungsgebot zwischen Wertungen verschiedener Teilrechtsordnungen entnommen werden, die auf einfachgesetzlicher Grundlage stehen. Art. 3 Abs. 1 GG kann die hier erörterte Problemstellung bereits strukturell nicht einfangen, da ein und derselbe Sachverhalt betroffen ist, so dass es insoweit an einer gleichheitssatzrelevanten Gleichbzw. Ungleichbehandlung fehlt. Das vom Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen BVerfGE 98, 83; 98, 106 herangezogene Rechtsstaatsprinzip bildet ebenfalls keine Rechtsgrundlage für einen Verfassungsgrundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, da es auf die Wahrung fundamentaler Elemente des Rechtsstaats bezogen ist, die bei bloßen Wertungsinkongruenzen jedoch nicht tangiert werden. Für den zivilrechtlichen Steuerausgleich folgt aus diesen Feststellungen, dass Prinzipien und Wertungen des Steuerrechts jedenfalls dort auf die Zivilrechtsanwendung Einfluss nehmen können, wo Situationen der Fallgruppe 1 vorliegen. Hält man im Steuerrecht nach übergreifenden Prinzipien mit entsprechender Wirkkraft Ausschau, so gelangt man in erster Linie zum Leistungsfähigkeitsprinzip. Denn zum einen ist es bereits selbst auf die Herstellung von Belastungsgleichheit ausgerichtet, so dass sich ein Bedürfnis für die zivilrechtliche Abänderung der entsprechenden Besteuerungsergebnisse jedenfalls nicht von selbst versteht. Zum anderen wird ein interner Ausgleich häufig gerade dort als notwendig angesehen, wo der Steuergesetzgeber vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweicht. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip, soweit es sich verfassungsrechtlich fundieren lässt, die Zivilrechtsanwendung auch in den Fallgruppen 2 und 3 beeinflussen könnte. Im Folgenden ist daher auf das Leistungsfähigkeitsprinzip und sein Verhältnis zum zivilrechtlichen Ausgleichssystem einzugehen. 5. Im ersten Schritt soll auf die verfassungsrechtliche Verankerung des Leistungsfähigkeitsprinzips und die daraus folgenden Vorgaben für die Ausgestaltung der Besteuerung durch den Gesetzgeber eingegangen werden. Das Leistungsfähigkeitsprinzip bildet im Rahmen der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes für den Bereich des Steuerrechts das zentrale, weil im Normalfall einzig sachangemessene Differenzierungskriterium, da es eine gerechte Verteilung der Gesamtsteuerlast bewirkt. Leis­ 654

Zusammenfassung

tungsfähigkeit wird indiziert durch Vorgänge und Zustände in der Lebenswirklichkeit, die bei Berücksichtigung aller im jeweiligen Sachbereich relevanten Umstände typischerweise auf die Fähigkeit schließen lassen, Steuern aus vorhandenem Vermögen zu zahlen. Die wertende Ermittlung, welche Umstände dies sind, hat sich am (Steuer-)Gerechtigkeitsgedanken zu orientieren, wobei etwaige, im Einzelfall einschlägige verfassungsrechtliche Vorgaben, etwa aus Art. 6 Abs. 1 GG, zuvörderst zu berücksichtigen sind. Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip sind im Regelfall einer Rechtfertigung zugänglich, so dass die Verfassung den Gesetzgeber nicht zu einer durchgehend leistungsfähigkeitskonformen Ausgestaltung des Steuerrechts verpflichtet (dazu sogleich). Bei der Schaffung leistungsfähigkeitsgerechter Steuertatbestände hat der Gesetzgeber einen – weiten – Gestaltungsspielraum inne, denn in aller Regel gibt das Leistungsfähigkeitsprinzip die einzelne Besteuerungsentscheidung nicht vor, sondern wirkt lediglich begrenzend. Dieser innere Ausgestaltungsspielraum ist bei der Erschließung von Steuerquellen tendenziell größer als bei systeminternen Entscheidungen, da der Gesetzgeber selbst festlegen kann und muss, an welche Leistungsfähigkeits­ indikatoren er anknüpfen will. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch Systemgrundentscheidungen am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen sind. Soweit das Bundesverfassungsgericht einen gegenläufigen Standpunkt vertritt, ist dem nicht zu folgen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip begrenzt den inneren Gestaltungsrahmen des Gesetzgebers in zwei Richtungen, die hier „absolut“ und „relativ“ genannt werden. Die absolute Grenze ist betroffen, wenn der Gesetzgeber eine tatsächlich (nicht) vorhandene Leistungsfähigkeit unzutreffend abbildet, insbesondere Vorgänge oder Zustände besteuert, die nicht Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind. Die relative Grenze ist überschritten, wenn der Gesetzgeber gleiche Erscheinungsformen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich behandelt. Beide Grenzen können sowohl bei der Erschließung von Steuerquellen als auch bei Systemausgestaltungsentscheidungen Bedeutung erlangen. Bei der Grenzziehung steht dem Gesetzgeber kein Einschätzungsspielraum zu. Ein neben das Leistungsfähigkeitsprinzip tretendes Folgerichtigkeitsgebot ist entbehrlich. Überschreitet der Gesetzgeber die durch das Leistungsfähigkeitsprinzip gezogenen Grenzen, bedarf es einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die Rechtfertigungsintensität hat sich hauptsächlich am Grad der Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip zu orientieren. Sie fällt bei Überschreitung der absoluten Grenzen tendenziell höher aus als bei Nichteinhaltung der relativen Grenzen, zumal bei Ersteren häufig weite-

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Schlussbetrachtungen

re verfassungsrechtliche Wertungen für eine leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung streiten. 6. Im vorstehenden Abschnitt wurde ausschließlich auf die verfassungskräftige Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips eingegangen, die deduktiv aus den einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes abzu­ leiten ist. Sie entfaltet im Kern prohibitive Wirkung, weil sie die ver­ fassungsrechtlichen Mindestanforderungen determiniert, denen die Gesetzgebung genügen muss. Steuernormen müssen hiernach entweder leistungsfähigkeitskonform ausgestaltet sein oder bedürfen einer hinreichenden Rechtfertigung. Daneben treten zwei weitere Ausprägungen des Leistungsfähigkeitsprinzips: Für die vorliegende Untersuchung von wesentlicher Bedeutung ist auch die innerhalb dieses verfassungsrechtlichen Rahmens im geltenden Recht tatsächlich verwirklichte Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips (rechtstatsächlich nachweisbare Ausprägung). Sie ergibt sich induktiv aus einer Zusammenschau des vorhandenen Regelungsbestandes. Darüber hinaus tritt das Leistungsfähigkeitsprinzip noch als Grundlage für ein gleichheitsideales Steuerrecht de lege ferenda in Erscheinung, das im Rahmen wissenschaftlicher System­ bildung entfaltet wird. Dieser dritten Ausprägung kommt für die Verhältnisbestimmung zum Zivilrecht keinerlei Bedeutung zu. Da die rechts­tatsächlich nachweisbare Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips deutlich hinter solchen Idealvorstellungen zurückbleibt, kann keine Rede davon sein kann, dass es das Fundamentalprinzip des geltenden Steuerrechts bildet. Soweit der Regelungsplan des Gesetzgebers nicht entgegensteht, kann das Leistungsfähigkeitsprinzip allerdings für eine verfassungsorientierte Auslegung des einfachen Rechts fruchtbar gemacht werden, und zwar auch teilrechtsordnungsübergreifend, insbesondere durch zivilrechtliche Korrekturen leistungsfähigkeitswidriger Besteuerungsfolgen. Treten steuerrechtliche und zivilrechtliche Wertungen in Widerstreit zueinander, so kommt dem Leistungsfähigkeitsprinzip nur in dem Maße Abwägungsrelevanz zu, wie es tatsächlich im Steuerrecht umgesetzt worden ist (zweite Ausprägung). Kein Aussagegehalt hat es daher im Bereich steuerlicher Lenkungsnormen. Steuerlichen (Unter-)Prinzipien und Wertungen, die es umsetzen, verleiht das Leistungsfähigkeitsprinzip ein hohes Abwägungsgewicht, wenn es selbst durch die Zivilrechtsanwendung beeinträchtigt würde. Demgegenüber ist das Gewicht von nicht verfassungsgeleiteten (einfachgesetzlichen) Wertungen des Steuerrechts in aller Regel gering. In Konstellationen der Fallgruppe 1 hat unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge eine umfassende Abwägung aller 656

Zusammenfassung

einschlägigen steuer- und zivilrechtlichen Wertungsgesichtpunkte zu erfolgen, um zu entscheiden, ob und inwieweit ein Ausgleich geschuldet ist. Demgegenüber sind in Fallgruppe 2 und 3 nur verfassungsgeleitete steuerliche Wertungen abwägungsrelevant, wobei von dem zivilrechtlich vorgezeichneten Ergebnis nur dann abgewichen werden kann, wenn die dahinter stehende Verfassungsnorm zugleich verletzt würde. Im Folgenden wird auf die Einzelheiten des Verhältnisses von Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtlicher Ausgleichsordnung eingegangen. 7. Das Leistungsfähigkeitsprinzip kann einer zivilrechtlichen Korrektur von Steuerfolgen schon deshalb nicht auf breiter Front entgegenstehen, weil der Steuergesetzgeber es nicht durchgängig umgesetzt hat und auch die mit ihm zu vereinbarenden steuerrechtlichen Regelungen häufig erkennen lassen, dass ihr Ergebnis für das Innenverhältnis nicht definitiv ist. Darüber hinaus hat namentlich Schön in einem grundlegenden Beitrag zum Verhältnis der steuerlichen Leistungsfähigkeit zu ihren zivilrechtlichen Grundlagen herausgestellt, dass die Ausgleichsansprüche des Zivilrechts in manchen Fälle sogar dazu nutzbar gemacht werden müssen, um eine nicht leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung zu korrigieren (dazu näher sogleich). Das Zivilrecht ist aufgrund der ihm eigenen Ausgleichsfunktion prinzipiell in der Lage, steuerliche Folgen abzuändern, die im Verhältnis der von ihnen betroffenen Privaten untereinander eine Schieflage hervorrufen. Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem treten in aller Regel nicht in wertungsmäßigen Widerstreit zueinander, weswegen die im vorstehenden Abschnitt analysierten Divergenzsituationen Ausnahmecharakter haben. Denn wenn das Steuerrecht zu einem verteilungsgerechten Ergebnis führt, d.h. die iustitia distributiva in Form eines mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbarenden Ergebnisses gewahrt ist, besteht im Regelfall auch ein Zustand ausgeglichener Gerechtigkeit unter den von der Besteuerung betroffenen Privaten. Voraussetzung dafür ist, dass der gewählte Leistungsfähigkeitsindikator alle von dem steuerlichen Ergebnis konkret betroffenen Personen berücksichtigt und die zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse vollständig und sachgerecht abbildet. Umgekehrt entsteht ein ausgleichsbedürftiger Zustand­unter den beteiligten Privaten häufig dann, wenn Steuerfolgen abweichend vom tatsächlich vorhandenen Zuwachs oder Abfluss an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zugeteilt werden, oder wenn die Zivilrechtslage bei der Steueranknüpfung (sonst) keine vollständige Berücksichtigung gefunden hat.

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Schlussbetrachtungen

Vor diesem Hintergrund streitet das Leistungsfähigkeitsprinzip unter zwei Bedingungen für einen zivilrechtlichen Ausgleich: Erstens muss es sich um einen Besteuerungsbereich handeln, in dem es zwar grundsätzlich abgebildet wird, die Steuerlast jedoch in bestimmten Fällen abweichend von der dort eigentlich relevanten Ausprägung an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bzw. ihrem tatsächlichen Umfang verteilt wird, ohne dass hierbei Lenkungszwecke verfolgt werden. Zweitens muss das Steuerrecht die beteiligten Privaten zu einer (weit verstandenen) Ge­ meinschaft zusammenfassen, innerhalb derer sich die entsprechende, maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung vollzieht. Entsprechende Steuertatbestände sind vor Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen, da sie zu einer absolut leistungsfähigkeitswidrigen Besteuerung führen. Besonders dort, wo die punktuelle Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf einer einfachgesetzlichen Strukturentscheidung beruht, die nicht durch spezielle Zwecke wie Erhebungseffizienz oder Anspruchssicherung veranlasst ist, wird ohne einen Innenausgleich häufig die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit überschritten sein. Der Ausgleichsanspruch ist dann für die Rechtfertigung der leistungsfähigkeitswidrigen Besteuerung unerlässlich (Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich). Aber auch dann, wenn die Steuerlastverschiebung bereits ohne die Existenz eines Ausgleichsanspruchs gerechtfertigt wäre, ist ein zivilrechtlicher Ausgleich aus der Perspektive des Leistungsfähigkeitsprinzips wünschenswert, so dass – soweit möglich – eine entsprechende verfassungsorientierte Auslegung des Zivilrechts vorzunehmen ist. Der steuerrechtliche Regelungsplan wird einem Innenausgleich in diesen Situationen nicht entgegenstehen. Gleiches gilt für das Zivilrecht, da es sich in aller Regel um Anwendungsfälle der Fallgruppe 1 handelt und die zivilrechtliche Ausgleichsfunktion häufig bereits aus sich heraus für eine Korrektur streitet. Ein hiernach gebotener (und zivilrechtlich ableitbarer) Ausgleichsanspruch kann in den allgemeinen Grenzen der Privatautonomie einvernehmlich ausgeschlossen, beschränkt oder abgeändert werden. Derartige Fälle der hier so genannten „vertraglichen Überlagerung“ lösen keinerlei Konflikte mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem hinter ihm stehenden allgemeinen Gleichheitssatz aus. Nichts anderes gilt, wenn ein leistungsfähigkeitsgerechtes Besteuerungsergebnis durch Parteivereinbarung korrigiert wird. In Bezug auf die Behandlung von Steuerwirkungen im Rahmen anderweitig begründeter (präexistenter) Ausgleichsansprüche kommt dem Leis­ tungsfähigkeitsprinzip häufig kein weitergehender Aussagegehalt zu, denn im Regelfall stammt der potentiell zu berücksichtigende steuerliche Effekt ausschließlich aus der Sphäre eines der Anspruchsbeteiligten, 658

Zusammenfassung

so dass es in ihrem Verhältnis zueinander zu keiner leistungsfähigkeitsrelevanten Umverteilung kommen kann. Die Einbeziehung des Steuer­ effekts richtet sich dann in erster Linie nach den zivilrechtlichen Wertungen, die hinter dem jeweiligen Ausgleichsanspruch stehen. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip kommt in diesem Rahmen allenfalls akzidentielle Bedeutung zu. Ähnliches gilt für Situationen, in denen die Parteien eines Vertrages die Steuerrechtslage falsch eingeschätzt haben, oder wenn über die Auswirkungen veränderter steuerlicher Rahmenbedingungen auf bestehende Vertragsverhältnisse zu befinden ist. 8. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Zusammenfassung der beteiligten Privaten zu einem Gemeinschaftsverhältnis durch das Steuerrecht eine zentrale Voraussetzung für die Ableitung weitergehender Aussagen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip bildet. Besteht in einer solchen Situation nicht ausnahmsweise ein präexistenter Ausgleichsanspruch, über den auch die Steuerfolge kompensiert werden kann, stellt sich die Frage, ob und über welche Anspruchsgrundlage(n) ein Ausgleich verwirklicht werden kann (Primärsteuerausgleich). Der Untersuchungsgegenstand wird daher im Folgenden auf praktisch wichtige Sachgebiete beschränkt und konzentriert, für die dem Leistungs­ fähigkeitsprinzip nach Maßgabe der bisher gewonnenen Erkenntnisse weitergehende Aussagekraft für die zivilrechtliche Rechtsanwendung zukommt. Die gefundenen Ergebnisse werden Rückschlüsse für die Bewältigung von anderen, nicht im Einzelnen analysierten Materien zulassen, die sogleich in § 17 zusammenfassend dargestellt werden. 9. Als erstes Problemfeld soll die Frage des Steuerausgleichs unter zusammen veranlagten Ehegatten untersucht werden. Ihr kommt erhebliche praktische Bedeutung zu, was sich an einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen aus den letzten Jahrzehnten ablesen lässt. Der Diskus­ sionsstand ist allerdings schwer zu durchdringen und nicht frei von Ungereimtheiten, die darauf zurückzuführen sind, dass zu verschiedenen Einzelfragen Rechtsprechungslinien bestehen, die eine Vielzahl an Inkonsistenzen aufweisen. Ferner wird die Diskussion bisher hauptsächlich vom Zivilrecht und seinen Wertungen geprägt, während steuerrechtliche Argumente nur eine geringe und verfassungsrechtliche Vorgaben praktisch gar keine Rolle spielen. Das muss vor allem in Bezug auf die splittingbedingte Steuerersparnis erstaunen, denn sie steht offenkundig in einem engen Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 GG und dem Leis­ tungsfähigkeitsprinzip, so dass es nahe liegt, dem Verfassungsrecht Vorgaben für ihre interne Aufteilung zu entnehmen. Auch in Bezug auf den Ausgleich nachteiliger Steuerfolgen, die für den einzelnen Ehegatten aus 659

Schlussbetrachtungen

der Zusammenveranlagung resultieren können, erscheinen Ableitungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip möglich, da die ehegattenübergreifende Anknüpfung in den §§ 26b EStG, 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO interpersonelle Belastungsverschiebungen nach sich zieht. Im Folgenden wird daher zunächst auf die verfassungsrechtliche Dimension des Ehegattensplittings eingegangen, um hieraus in einem zweiten Schritt Schlussfolgerungen für die Zivilrechtsanwendung zu ziehen. 10. Den Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Betrachtungen bildet die umstrittene Frage, ob die Zusammenveranlagung (1) verfassungsrechtlich geboten ist, (2) eine von mehreren Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers darstellt oder (3) aus Verfassungsgründen nicht aufrechterhalten werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat das Ehegatten­splitting stets als verfassungsrechtlich zulässig angesehen. Allerdings findet sich in den entsprechenden Entscheidungen keine einheitliche Linie dazu, ob es in seinem Kernbereich vom Leistungsfähigkeitsprinzip und Art. 6 Abs. 1 GG eingefordert wird (so offenbar BVerfGE 61, 319), mit beiden Vorgaben vereinbart werden kann oder als Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips über Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden muss (in diese Richtung BVerfGE 6, 55). Der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung kann jedoch entnommen werden, dass die Splittingersparnis beiden Eheleuten gemeinsam zusteht. Diesem Aspekt kommt für den zivilrechtlichen Steuerausgleich erhebliche Bedeutung zu, zumal das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 108, 351 ein methodisches Vorgehen vorgezeichnet hat, das auf den Bereich des Steuerausgleichs übertragen werden kann: Das Gericht hat hier eine Auslegung des bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrechts im Lichte von Art. 6 Abs. 1 GG eingefordert, die die gesetzgeberische Entscheidung nachvollzieht, nach der die Splittingersparnis der bestehenden Ehe zugewiesen ist. Als verbindendes Element innerhalb der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich der Aspekt der „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“ identifizieren. Er ist zunächst abzuschichten von dem Kriterium der „ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft“, das die finanzgerichtliche Rechtsprechung im Rahmen der Auslegung des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG („nicht dauernd getrennt leben“) heranzieht. Auf einfachgesetzlicher Ebene ist ein solches Kriterium nämlich verfehlt, denn die von der Steuerrechtspraxis geforderte enge vermögensmäßige Verbindung zwischen den Ehegatten ist weder vom Zivilrecht vorgegeben noch mit Art. 6 Abs. 1 GG zu vereinbaren, der gerade das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten in ihren finanziellen Beziehungen untereinander 660

Zusammenfassung

schützt. Von dieser Auslegungsfrage strikt zu trennen ist die verfassungsrechtliche Relevanz der „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“ für die Rechtfertigung des Ehegattensplittings. Die Gesetzesmaterialien haben diesem Gesichtspunkt nicht die Funktion einer tragenden Begründung zugewiesen. Dies ist erstmals in dem Urteil BVerfGE 61, 319 geschehen, wo er als Argument dafür herangezogen wird, dass das Ehegattensplitting (nur) für zusammen lebende Verheiratete mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Übereinstimmung steht. Ob das zutrifft, soll zunächst im Vergleich zu dauernd getrennt lebenden Eheleuten geprüft werden. Bei der dahinter stehenden Vorstellung von einer vollumfänglichen Wirtschaftsgemeinschaft unter zusammen lebenden Verheirateten handelt es sich eher um eine lebenstatsächliche Beobachtung als um die zutreffende Abbildung der (zivilrechtlich geprägten) Rechtslage. Insbesondere lässt sich das Ehegattensplitting nicht über den Gesichtspunkt des Familienunterhalts (§§ 1360, 1360a BGB) rechtfertigen, denn es stellt schon von seiner Konzeption her keine Unterhaltsabzugsregelung dar. Darüber hinaus ist eine hälftige Aufteilung der erworbenen Mittel in weiten Teilen seines Wirkbereichs unterhaltsrechtlich nicht geschuldet. Das Ehegattensplitting beruht daher auf einer sehr groben Typisierung lebenstatsächlicher Gegebenheiten, die sich besonders im obersten Wirkbereich an der Grenze des Vertretbaren bewegt, im Ergebnis aber noch haltbar erscheint, zumal das Alternativmodell des Unterhaltsabzugs ebenfalls mit einer weit reichenden Typisierung verbunden wäre. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Ehegattensplittings ist noch ein weiterer Aspekt zu bedenken: Soweit im Wege des Splittingtarifs unterstellt wird, dass es zu einem Mitteltransfer oberhalb der gesetzlichen Unterhaltspflichten kommt, betrifft dies die Verwendung disponiblen Einkommens. Eine solche ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Einkommensteuerrechts jedoch unbeachtlich, so dass § 26b EStG insoweit auf eine relativ leistungsfähigkeitswidrige Privilegierung zusammen lebender Verheirateter hinausläuft. Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur dann gelangen, wenn sich eine außerhalb des Einkommensteuerrechts liegende Wertung finden lässt, aus der sich ergibt, dass dieser Mitteltransfer dennoch ausnahmsweise als leistungsfähigkeitsgerecht angesehen werden kann. Eine entsprechende bereichsspezifische Justierung des Leistungsfähigkeitsbegriffs ist in der Tat über Art. 6 Abs. 1 GG möglich, denn dieser stellt die Ehe, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten, unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung und hebt sie so von einem bloßen Unterhaltsverhältnis ab. An die661

Schlussbetrachtungen

se verfassungsrechtlich fundierte Gemeinschaftsvorstellung knüpft der Gesetzgeber zulässigerweise im Rahmen der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif an. Der Gesetzgeber darf das Ehegattensplitting auf zusammen lebende Paare beschränken. Zwar unterfällt jede Ehe dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Jedoch wird die dem Splittingverfahren zugrunde liegende Typisierung, die zur Begründung ihrer Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit unerläss­ lich ist, vom Gedanken der Wirtschaftsgemeinschaft getragen, die bei getrennt lebenden Paaren nicht mehr besteht. Hierin liegt ein hinreichender Grund, der eine unterschiedliche Behandlung nicht nur ermöglicht, sondern auch gebietet. Folglich stellt das Ehegattensplitting eine zulässige Handlungsoption des Gesetzgebers dar. Verfassungsrechtlich geboten ist es allerdings nicht, da hierdurch der Aussagegehalt des Art. 6 Abs. 1 GG überspannt würde. Der Gesetzgeber könnte es auch durch eine sachgerechte Typisierung von Unterhaltsaufwand ersetzen. Die hier vorgenommene verfassungsrechtliche Bewertung ist im Kern unabhängig vom gewählten Güterstand. Darüber hinaus ist zu klären, ob die Beschränkung des Ehegattensplittings auf Verheiratete, d.h. der Ausschluss anderer Formen des Zusammenlebens, verfassungsgemäß ist. Das ist in Bezug auf nicht eheliche Lebensgemeinschaften schon deshalb zu bejahen, weil bei ihnen nicht davon ausgegangen werden kann, dass es typischerweise zu einer vollumfänglichen Mittelteilhabe in Vollzug eines gemeinsamen Wirtschaftens kommt. Kein relevanter Unterschied besteht in dieser Hinsicht allerdings im Vergleich zu eingetragenen Lebenspartnern. Dennoch ist es entgegen der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht geboten, sie in das Splittingverfahren einzubeziehen. Denn wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, lässt es sich nur unter Rückgriff auf Art. 6 Abs. 1 GG überhaupt als leistungsfähigkeitskonform einordnen. Seine Übertragung auf eingetragene Lebenspartnerschaften bedeutet folglich, sie über den Umweg des Art. 3 Abs. 1 GG in den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG einzubeziehen, was nach derzeitiger Verfassungslage jedoch nicht in Betracht kommt. Richtigerweise stellt Art. 6 Abs. 1 GG auch sonst einen verfassungsunmittelbaren Differenzierungsgrund dar, der eine rechtliche Besserstellung der Ehe trägt. Der entgegenstehenden neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auf eine Aufgabe des Förderungsgebots hinausläuft und an vielfältigen inneren Brüchen leidet, ist auch insoweit nicht zu folgen. Da die eingetragene Lebenspartnerschaft infolge dieser Rechtsprechung jedoch nunmehr in das Splittingverfahren einbezogen ist, finden die nachfolgenden Ausfüh662

Zusammenfassung

rungen zur Zivilrechtslage unter Ehegatten auf sie entsprechende Anwendung. Dies gilt – gleichsam reflexartig – auch für diejenigen Ableitungen, die aus Art. 6 Abs. 1 GG folgen. 11 a) Die verfassungsrechtlichen Hintergründe des Ehegattensplittings lassen wichtige Rückschlüsse für den zivilrechtlichen Innenausgleich zu. Von zentraler Bedeutung ist zunächst die Erkenntnis, dass Ausgleichsansprüche Ausnahmecharakter haben. Wirtschaften die Eheleute nämlich in Einklang mit der hinter dem Splittingverfahren stehenden Typisierungsvorstellung gemeinschaftlich, findet eine umfassende wechselseitige Mittelpartizipation bereits auf diesem Weg statt, so dass von vornherein kein Bedürfnis für Einzelausgleichsansprüche besteht. Auch soweit die Eheleute hiervon abweichen, d.h. getrennt wirtschaften, kommt eine einvernehmliche Regelung, insbesondere eine Kompensation über Unterhalts- oder sonstige Transferleistungen in Betracht. In lebenstatsächlicher Hinsicht dürfte es sich bei einer derartigen Ausgestaltung der ehelichen Verhältnisse um den Regelfall handeln. In der bisherigen zivilrechtlichen Dogmatik wird versucht, diesen Zusammenhängen mit dem Begriff „familienrechtliche Überlagerung“ Rechnung zu tragen. Er sollte jedoch aufgegeben werden, da er unterstellt, dass im Normalfall, d.h. ohne „Überlagerung“, ein Einzelausgleich von Steuerfolgen stattfinden kann. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist jedoch genau umgekehrt. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, von folgendem Erfahrungssatz (tatsächliche Vermutung) auszugehen: Unter zusammen veran­lagten Ehegatten findet ein laufender Ausgleich der entstehenden einkommensteuerlichen Vor- und Nachteile statt. Stellen sich die Dinge im Einzelfall anders dar, weil die Eheleute getrennt wirtschaften und eine vollständige Teilhabe auch nicht auf andere Weise herbeiführen, so bilden die Verhältnisse bei Einzelveranlagung den Vergleichsmaßstab, um festzustellen, inwieweit individuelle Vor- bzw. Nachteile eingetreten sind. Nur insoweit hat die Bezugnahme der herrschenden Meinung auf die §§ 268 ff. AO einen berechtigten Kern. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif sprechen ferner dafür, die daraus resultierende Steuerersparnis beiden Partnern gleichermaßen zugute kommen zu lassen. Erfolgt dies nicht einvernehmlich, so liegt in der hälftigen Aufteilung über Instrumente des Zivilrechts die verfassungsoptimale Lösung. Eine Orientierung an den §§ 268 ff. AO kommt in dieser Hinsicht nicht in Betracht. Die im vorstehenden Absatz formulierte tatsächliche Vermutung ist in Bezug auf den Splittingvorteil schon dann als erschüttert anzuse-

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Schlussbetrachtungen

hen, wenn die Eheleute über ein hohes Gesamteinkommen verfügen und im Wesentlichen getrennt wirtschaften. Die Frage nach einem Einzelausgleich für steuerliche Nachteile wird sich in intakten ehelichen Lebensgemeinschaften noch seltener stellen als die nach einer Vorteilspartizipation. Wenn es im Einzelfall allerdings sowoh­ l an einem gemeinschaftlichen Wirtschaften als auch an ein­ vernehmlichen Kompensationsmechanismen fehlt, spricht der verfassungsrechtliche Befund auch hier für einen zivilrechtlichen Ausgleich, da der einge­tretene Individualnachteil jeweils die Folge einer punktuellleis­ tungsfähigkeitswidrigen Steuerlastverschiebung bildet. Dies kann bereits unterjährig infolge der Eingruppierung in die Lohnsteuerklasse V der Fall sein, wobei ein darauf gerichteter Ausgleich vorläufiger Natur ist. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Ausgleichsansprüche in derartigen Situationen nahezu ausnahmslos unter dem Gesichtspunkt der „familienrechtlichen Überlagerung“ entfallen, ist in dieser­Allgemeinheit nicht zu folgen. Allerdings wird sich die Ausgleichsfrage hier in der Tat nur selten stellen, da der in Steuerklasse III eingeordnete Partner seine höheren Nettobezüge in aller Regel für den Familienunterhalt zur Verfügung stellt. Ein individueller Steuernachteil kann auch aus der Inanspruchnahme für rückständige Steuergesamtschulden (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 AO) resultieren oder eine Folge der in § 26b EStG angelegten Zusammenführung der steuerlichen Sphären der Ehegatten bilden. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die Anrechnung (§ 36 Abs. 2 EStG) von Vorauszahlungen oder Abzugssteuern zu asymmetrischen Entlastungswirkungen führt. Die bisher herausgearbeiteten Grundsätze gelten auch für Steuereffekte, die im Jahr der Eheschließung eintreten. Demgegenüber besteht im Falle einer unterjährigen Trennung stets Ausgleichsbedarf, denn eine umfängliche Mittelteilhabe kann nach der Trennung nicht mehr aus der Ausgestaltung des ehelichen Zusammenlebens resultieren. Auch die §§ 268 ff. AO, von denen in dieser Phase häufig Gebrauch gemacht wird, weisen nur eine begrenzte Reichweite auf. Der Begriff des „dauernden Getrenntlebens“ (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) ist – anders als vom Bundesfinanzhof vertreten – identisch auszulegen wie der familienrechtliche Begriff des Getrenntlebens (§§ 1361 Abs. 1 Satz 1, 1567 BGB). Insbesondere ist eine Zusammenveranlagung auch dann unzulässig, wenn es in dem betreffenden Kalenderjahr lediglich zu einem Versöhnungsversuch gekommen ist. b) Fragt man nach den zivilrechtlichen Mechanismen, über die ein Einzelausgleich vorgenommen werden kann, wenn dieser nach Maßgabe der 664

Zusammenfassung

bisherigen Ausführungen in Betracht kommt, so stehen die allgemeinen Anspruchsgrundlagen des Schuldrechts, insbesondere der Gesamtschuldnerausgleich, ganz im Vordergrund der Betrachtungen. Dabei bleibt jedoch der Unterhaltsanspruch unberücksichtigt, obwohl er in diesem Kontext von zentraler Bedeutung ist. Insbesondere muss ein Ausgleich für denjenigen Steuernachteil, der einem in Steuerklasse V eingruppierten Ehegatten unterjährig entsteht, über den Anspruch auf Familienbzw. Trennungsunterhalt (§§ 1360 ff. BGB) erfolgen. Dem Unterhaltsrecht kommt richtigerweise Verdrängungswirkung gegenüber den Ausgleichsansprüchen des Schuldrechts zu. In anderen Bereichen des Nachteilsausgleichs hat der Unterhaltsanspruch zwar keine unmittelbare Relevanz, da die Tilgung fremder Verbindlichkeiten betroffen ist. Zu bedenken ist aber auch hier, dass der Übernahme derartiger Tilgungsleis­ tungen häufig eine Abrede zugrunde liegt, wonach der andere Teil im Gegenzug entsprechend höhere Unterhaltslasten zu tragen hat (Ausgleich durch Unterhalt). Ein schuldrechtlicher Einzelausgleich scheidet dann ebenfalls aus. Ob die gebotene hälftige Teilhabe am Splittingvorteil unterhaltsrechtlich geschuldet ist, hängt vom Einzelfall ab. Im Bereich unterer und mittlerer Einkommen stellt dies den Regelfall dar, da sich die Steuerersparnis entweder in der Einordnung des allein- oder besserverdienenden Ehegatten in Steuerklasse III oder in einer entsprechend hohen Steuererstattung widerspiegeln wird, die ebenfalls unmittelbare unterhaltsrechtliche Bedeutung hat. Bei höheren Einkommen und in Doppelverdienerehen ist eine (vollständige) Vorteilspartizipation unterhaltsrechtlich hingegen häufig nicht geschuldet. c) Ein schuldrechtlicher Ausgleich kommt folglich nur insoweit in Betracht, wie die Ehegatten getrennt wirtschaften, sie nicht für eine einvernehmliche Ausgleichsregelung gesorgt haben (in intakten Ehen zu vermuten) und der jeweilige Steuereffekt auch nicht über einen vorrangigen Unterhaltsanspruch auszugleichen ist. Der zuletzt genannte Punkt hat auch Bedeutung für eine nach diesen Kriterien zulässige schuldrechtliche Gesamtbereinigung nach erfolgter Veranlagung, denn hier ist zu unterstellen, dass Steuereffekte, die über den Unterhaltsanspruch auszugleichen waren, bereits kompensiert worden sind, da andernfalls störend in das Gefüge des Unterhaltsrechts eingegriffen würde. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bildet die zentrale Rechtsgrundlage für den schuldrechtlichen Innenausgleich. Dieser Anspruch gehört ungeachtet des öffentlich-rechtlichen Charakters der Steuergesamtschuld dem Zivilrecht an. Die Vorschrift ist allerdings nicht unmittelbar anwendbar, da 665

Schlussbetrachtungen

es an einer bürgerlich-rechtlichen Gesamtschuld fehlt und die Steuergesamtschuld auf Grund ihrer öffentlich-rechtlichen Einbettung Besonderheiten aufweist, die für jeden einzelnen Rechtssatz innerhalb der §§ 421 ff. BGB die Prüfung erforderlich machen, ob eine analoge Anwendung in Betracht kommt. In Bezug auf § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen die Analogievoraussetzungen vor, da die Steuergesamtschuld im Kern dieselbe Sicherungsfunktion erfüllt wie die bürgerlich-rechtliche Gesamtschuld und das Bedürfnis für einen internen Ausgleich identisch ist. Die Steuergesamtschuld (und damit auch die Möglichkeit eines Innenausgleichs analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) bleibt auch dann bestehen, wenn sie gemäß §§ 268 ff. AO aufgeteilt wird. Sie erfasst die gesamte festzusetzende Steuer, obwohl dies in Bezug auf Anrechnungsbeträge nach § 36 Abs. 2 EStG nicht erforderlich wäre, da es insoweit nicht zu Steuerrückständen kommen kann. Die Steuergesamtschuld entsteht mit Wahl der Zusammenveranlagung (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2, 3 EStG) und wirkt auf das Ende des Veranlagungszeitraums zurück. Auch die Anrechnung (§ 36 Abs. 2 EStG) wird nach vorzugswürdiger Ansicht steuerschuldrechtlich bereits zu diesem Zeitpunkt wirksam. Der aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB folgende Befreiungsanspruch ist ebenfalls auf die Steuergesamtschuld übertragbar. Ist im Zuge der Veranlagung eine Gesamtkonsolidierung auf schuldrechtlicher Grundlage vorzunehmen, so wird er zeitgleich mit der Abschlusszahlung fällig (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG) und ist auf die Leistung des intern zu tragenden Anteils an den Steuergläubiger gerichtet. Daneben kann der Anspruch analog § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch bereits in seiner Ausprägung als Zahlungsanspruch bestehen, nämlich in Bezug auf Anrechnungsbeträge, die im Verhältnis der Ehegatten zueinander zu asymmetrischen Entlas­ tungswirkungen geführt haben. Der Befreiungsanspruch entfällt, soweit eine Aufteilung der Steuergesamtschuld (§§ 268 ff. AO) zur Folge hat, dass der staatliche Steuergläubiger keine Leistungen erzwingen kann, die über die interne Einstandspflicht hinausgehen. Befreiungsanspruch und Aufteilungsergebnis sind jedoch keineswegs deckungsgleich. Findet die Ausgleichsvorschrift des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Rahmen eines präexistenten Rechtsverhältnisses (hier: Ehe) Anwendung, so besteht Abstimmungsbedarf, da aus diesem Rechtsverhältnis in aller Regel Vorgaben für den Innenausgleich zu entnehmen sind. Es bestehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten zur Synchronisierung: Im Regelfall kann sie innerhalb des Gesamtschuldnerausgleichs selbst erfolgen, da hier über § 426 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB spezielle Wertungen, die aus dem daneben bestehenden Rechtsverhältnis folgen, zur Geltung gelangen 666

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können („Innenlösung“). Resultieren aus diesem Rechtsverhältnis eigene Ausgleichsansprüche, so treten sie daneben, jedoch in aller Regel mit identischem Umfang. Denkbar ist zum anderen, dass das spezielle Rechtsverhältnis den Gesamtschuldnerausgleich nicht nur inhaltlich prägt, sondern verdrängt („Außenlösung“). Darauf gerichtete Abreden kommen bei gesamtschuldnerisch haftenden Ehegatten sehr häufig vor, nämlich immer dann, wenn bei Begleichung gemeinsamer Schulden kein Einzelausgleich vorgenommen werden soll, sondern derartige Sachverhalte in eine allgemeinere Ausgleichsregelung einbezogen werden. Auch werden schuldrechtliche Ansprüche im Anwendungsbereich des Unterhaltsrechts verdrängt. In Bezug auf den Steuerkontext eröffnet § 426 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB im Anwendungsbereich der Innenlösung die Möglichkeit, eine verfassungsorientierte Auslegung vorzunehmen, die sich an den Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG und am Leistungsfähigkeitsprinzip ausrichtet. Dies hat zur Folge, dass die individuellen Nachteile, die im Vergleich zur Einzelveranlagung entstanden sind, ausgeglichen werden können und die splittingbedingte Steuerersparnis hälftig aufzuteilen ist. Einzubeziehen sind sämtliche für das Innenverhältnis bedeutsamen Umstände und Vorgänge, zu denen insbesondere die Verursachung der Steuerlast, Abzugsbeträge und Vorauszahlungen sowie die Begleichung einer etwaigen Abschlusszahlung bzw. Steuernachforderung zählen. Auch eine Aufteilung von Steuererstattungen (§ 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 37 Abs. 2 AO) kann prinzipiell im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs erfolgen, soweit sie nicht – wie häufig – über das Unterhaltsrecht durchzuführen ist. Denn über § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB analog können grundsätzlich alle tilgungsrelevanten Effekte abgebildet werden. Erstattete Leistungen sind im Rahmen dieser Ausgleichsrechnung so zu behandeln, als seien sie von vornherein nicht an den Steuergläubiger geflossen. Demgegenüber ist es nicht zielführend, nach einer vom Gesamtschuldnerausgleich zu trennenden Erstattungsberechtigung zu fragen. Die Reichweite des Gesamtschuldnerausgleichs endet allerdings notwendig dort, wo es dem Anspruchsteller ausschließlich um Vorteilsteilhabe geht. Das ist namentlich dann der Fall, wenn ein einkunftsloser Ehegatte an der Splittingersparnis beteiligt werden will. Im Regelfall wird der Steuereffekt, durch den diese Ersparnis monetär abgebildet wird (insbesondere: höheres Nettoeinkommen bei Steuerklasse III; Erstattungsanspruch), unterhaltsrelevant sein. Soweit dies nicht der Fall ist und daher Raum für einen Ausgleich auf schuldrechtlicher Basis bleibt, findet § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB Anwendung, der in verfassungsori667

Schlussbetrachtungen

entierter Auslegung dazu nutzbar gemacht werden kann, die gebotene hälftige Teilhabe sicherzustellen. Dies erfordert zwar eine entsprechend weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „auf Kosten“, die hier aber ausnahmsweise möglich ist, weil die materiell richtige Zuweisung der Splittingersparnis zweifelsfrei aus dem Verfassungsrecht folgt. Die nahezu allgemein befürwortete Anwendbarkeit des § 426 Abs. 2 BGB auf Gesamtschulden, die aus dem öffentlichen Recht herrühren, unterliegt erheblichen Zweifeln und dürfte im Ergebnis nicht zu halten sein. Ansprüche des Staates aus dem Steuerschuldverhältnis sind einer rechtsgeschäftlichen Abtretung an Private nicht zugänglich, so dass auch eine Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB nicht zu überzeugen vermag, der auf eine Verkürzung ebendieses Erwerbswegs hinausläuft. Ferner lässt sich weder eine Beibehaltung des öffentlich-rechtlichen Charakters des übergehenden Anspruchs noch seine von der herrschenden Meinung in kühner Rechtsfortbildung angenommene Umwandlung in eine privatrechtliche Forderung einigermaßen überzeugend begründen. Die mit der hier bevorzugten Gegenauffassung verbundene Konsequenz, dass Sicherungsund Vorzugsrechte nicht auf den befriedigenden Gesamtschuldner übergehen, muss de lege lata hingenommen werden. Beim Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten kommt diesem Aspekt keine Bedeutung zu. d) Trennen sich die Ehegatten nach einer Zeit des gemeinschaftlichen Wirtschaftens bzw. einer einvernehmlichen Ausgleichspraxis, so kann im Nachhinein grundsätzlich kein Steuerausgleich für Zeiträume verlangt werden, in denen sie zusammen gelebt haben. Für Steuereffekte, die sich auf den Zeitraum nach der Trennung beziehen, findet in erster Linie § 1361 BGB Anwendung. Bei fehlender unterhaltsrechtlicher Relevanz ist – entsprechend den bisherigen Ausführungen – von § 426 Abs. 1 Satz 1 analog und gegebenenfalls (auch) von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB Gebrauch zu machen. Eine Steuererstattung, die nach der Trennung vereinnahmt wird, sich aber ganz oder zu einem nicht unwesentlichen Teil auf den Zeitraum des Zusammenlebens bezieht, ist auch dann hälftig aufzuteilen, wenn sie ausnahmsweise nicht vom Unterhaltsanspruch erfasst wird. Abschlusszahlungen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG) sind in dieser Situation in Alleinverdienerehen und bei stark differierenden Einkommen von dem allein- bzw. besserverdienenden Partner zu tragen, jedoch unter Verminderung seiner unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit. Verfügen beide Ehegatten über nennenswertes Einkommen, so ist die Abschlusszahlung im Verhältnis der unterhaltsrelevanten Bezüge aufzuteilen. Über eine Aufteilung nach den §§ 268 ff. AO können in den hier 668

Zusammenfassung

beschriebenen Konstellationen regelmäßig keine (annähernd) zivilrechtskompatiblen Ergebnisse erzielt werden. e) Die Eheleute sind im Verhältnis zueinander gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, an der Zusammenveranlagung mitzuwirken, wenn diese bei Gesamtbetrachtung der Verhältnisse beider Partner wirtschaftlich vorteilhaft ist. Die in ständiger Rechtsprechung vorgenommene grundsätzliche Verknüpfung des Mitwirkungsanspruchs mit einer Verpflichtung des Anspruchstellers zum Nachteilsausgleich ist abzulehnen. Für Bestehen, Art und Höhe von Ausgleichsansprüchen ist vielmehr allein auf das konkrete Innenverhältnis nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen abzustellen. Vor diesem Hintergrund ist die verbreitet geforderte, rechtlich ohnehin nicht hinreichend klare „Verpflichtung“ bzw. „bindende Zusage“, den Ausgleich zu bewirken, entweder überflüssig oder sachlich unangebracht. Zu be­denken ist nämlich, dass eine Ausgleichspflicht nur in Ausnahmefällen besteht und im Prozess zudem eine tatsächliche Vermutung gegen sie spricht. Selbst wenn die Entstehungsvoraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs im Einzelfall erfüllt sind, kann das Zusammenveranlagungsbegehren nicht von der Ausgleichsbewirkung abhängig gemacht werden, da der darauf gerichtete Anspruch erst später fällig wird. Ist zum Schutz der Vermögensinteressen des beklagten Ehegatten eine Absicherung erforderlich, so kann er seine Mitwirkung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nicht stattdessen nötigenfalls die §§ 268 ff. AO effektuiert werden können. Die Aufteilungsvorschriften sind jedoch in ihrer Wirkkraft begrenzt und ermöglichen insbesondere keine sachgerechte Abbildung des geschuldeten Vorteilsausgleichs. Ferner kann ihre Anwendung einen Innenausgleich überhaupt erst erforderlich machen, weil sie zu einer faktischen Rückabwicklung von Sachverhalten führen können, für die zivilrechtlich im Regelfall keine Kompensation geschuldet ist (vgl. für Steuerabzugsbeträge § 276 Abs. 3, 6 AO). Ist ein derartiger Fall gegeben, so wird man den Ehegatten, der die Aufteilung beantragt hat, als gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet ansehen müssen, seinen Antrag Zug um Zug gegen die Erbringung eines etwaigen, ihm geschuldeten Ausgleichs zurückzunehmen. f) Ein Ehepartner, der einkommensteuerliche Verluste erlitten hat, muss der Zusammenveranlagung zustimmen, wenn sich diese bei ehegattenübergreifender Betrachtung über die Totalperiode hinweg als voraussichtlich vorteilhaft erweist. Werden die negativen Einkünfte des einen Ehegatten aufgrund von § 26b EStG im Verlustentstehungsjahr mit positiven Einkünften des anderen Ehegatten ausgeglichen, so bleibt es in Be669

Schlussbetrachtungen

zug auf den Innenausgleich bei den allgemeinen Grundsätzen: Wirkt sich die verlustbedingte Steuerersparnis in einem Zeitpunkt aus, zu dem die Ehegatten gemeinschaftlich wirtschaften oder ein dem gleichkommendes Ergebnis einvernehmlich herbeiführen, sind Einzelausgleichsansprüche, die an die Verlustverrechnung anknüpfen, nicht anzuerkennen. Soweit getrennt gewirtschaftet wird, kann der Partner, der die Verluste erlitten hat, hälftige Teilhabe an der verlustbedingten Steuerersparnis verlangen. Denn auch die im Zuge der Zusammenveranlagung eintretende Verlustverrechnung bildet einen Ausfluss derjenigen Gemeinschaftsvorstellung, die im Kern auf Art. 6 Abs. 1 GG beruht. Weitergehende Vor- oder Nachteilsausgleichsansprüche kommen vor diesem Hintergrund nicht in Betracht und können auch nicht zur Bedingung für die Mitwirkung an der Zusammenveranlagung gemacht werden. Insbesondere steht dem Ehepartner, der die Verluste erwirtschaftet hat, kein Anspruch auf vollständige Zuweisung der entstandenen Steuerersparnis aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu. Denn diese Ersparnis beruht nicht allein auf den (isoliert betrachtet zunächst wertlosen) negativen Einkünfte, sondern auf ihrer Verrechnung mit den positiven Einkünften des anderen Ehegatten, die über § 26b EStG überhaupt erst ermöglicht wird. Weitergehende Teilhabeansprüche bestehen auch in Bezug auf solche Steuervorteile nicht, die im Falle eines Vor- oder Rücktrags von Verlusten (§ 10d EStG) aus ihrer ehegattenübergreifenden Verrechnung resultieren. 12. Im Folgenden wird auf wichtige Einzelprobleme des Steuerausgleichs in gewerblichen Personengesellschaften eingegangen: Auf der Ebene des Einkommensteuerrechts bewirkt die transparente Besteuerung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), dass die von der Gesellschaft generierten Gewinne auch dann von den Gesellschaftern versteuert werden müssen, wenn sie thesauriert werden. Dann stellt sich die Frage, ob ihnen ein Entnahmerecht in Höhe der auf diese Gewinne entfallenden Steuerbelas­ tung zusteht. Ein strukturell ähnliches Problem kann auch bei der Gewerbesteuer auftreten, allerdings in umgekehrter Richtung: Da für die Höhe der von der Gesellschaft zu tragenden Steuerlast (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG) nach ständiger Rechtsprechung auch ertragsrelevante Vorgänge auf der Ebene einzelner Gesellschafter bestimmend sind, stellt sich die Frage, ob und auf welchem zivilrechtlichen Weg die entsprechende steuerliche (Mehr-)Belastung an den jeweiligen Gesellschafter weitergeleitet werden kann. Aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips ist in beiden Situationen zu fragen, ob sich eine punktuell-maßstabswidrige Verschiebung von Steuerlasten feststellen lässt, die einen Innenausgleich erforderlich macht.

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13. Die Frage nach Existenz und Reichweite eines Steuerentnahmerechts stellt sich überall dort, wo ein Gesellschafter zivilrechtlich daran gehindert ist, einen Betrag in Höhe des vollen, bei ihm besteuerten Anteils am Gesellschaftsgewinn zu entnehmen. Betroffen ist nahezu ausschließlich der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG in Bezug genommene Gewinnanteil „erster Stufe“, da Sondervergütungen und ihnen gleich­ gestellte Beträge sowie Veräußerungsgewinne unmittelbar beim Ge­ sellschafter selbst anfallen, so dass sich die Frage einer Thesaurierung regelmäßig nicht stellt. Einzubeziehen sind demgegenüber Ergänzungsbilanzergebnisse, da sie ihren Bezugspunkt in den Bilanzansätzen der Gesellschaft und damit in deren Vermögensbereich finden. Auch sonst sind in Bezug auf den Gewinnanteil erster Stufe grundsätzlich keine gesellschafterindividuellen Korrekturrechnungen für Zwecke des Innenausgleichs vorzunehmen. Die transparente Besteuerung bewirkt im Gewinnfall eine zeitweilig wirkende, absolut leistungsfähigkeitswidrige Steuerlastverschiebung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, soweit diese die von ihnen zu versteuernden Gewinne nicht zeitnah entnehmen können. Denn eine aktuelle Mehrung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist allein bei der Gesellschaft als zivilrechtlich selbständiger Handlungseinheit eingetreten. An dieser Bewertung ändert auch der Umstand nichts, dass thesaurierte Gewinne bei Betrachtung der Totalperiode wertmäßig irgendwann einmal im Vermögen der Gesellschafter ankommen, denn den Bezugspunkt der transparenten (Sofort-)Besteuerung bildet allein der im jeweiligen Wirtschaftsjahr erzielte Gewinn, auf den die Gesellschafter aber keinen­Zugriff haben. Ein abweichendes Ergebnis lässt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines Anstiegs des Beteiligungswerts ableiten, denn der Steuergesetzgeber knüpft an einen anderen Leistungsfähig­ keitsindikator an, nämlich den Periodengewinn. Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten unschädlich ist lediglich ein relativ kurzzeitiges Auseinanderfallen der maßgebenden Zeitpunkte im Falle eines Vollentnahmerechts. Auf den tatsächlichen Vollzug der Entnahme kommt es dann nicht an. Anders liegen die Dinge hingegen, wenn Mittel in Höhe des steuerlich zugerechneten Gewinnanteils längerfristig nicht oder nicht vollständig entnommen werden können. Da derartige Sachverhalte den praktischen Regelfall bilden, können sie auch nicht typisierend unter Bezugnahme auf den gesellschaftsrechtlichen Vollausschüttungsgrundsatz übergangen werden. Dass die Personengesellschaften auch nach dem zivilrechtlichen Befund typischerweise auf die Personen der konkreten Gesellschafter bezogen und durch sie konstituiert werden, vermag an den vorstehenden Befunden ebenfalls nichts zu ändern, er671

Schlussbetrachtungen

leichtert aber die erforderliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Leistungsfähigkeitsmehrung auf Gesellschaftsebene nur eine vorläufige ist. Ohne einen zivilrechtlichen Ausgleich würde ein leistungsfähigkeitswidriger Zustand über eine potentiell lange Zeitdauer entschädigungslos perpetuiert, ohne dass eine (verfassungsgeleitete) steuerrechtliche Wertung ersichtlich ist, die gegen eine Kompensation auf zivilrechtlicher Grundlage spricht. Ein interner Steuerausgleich ist zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung mithin erforderlich, mit Blick auf die engen Verbindungslinien zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern aber auch ausreichend. Der Ausgleichsanspruch wird folglich dazu nutzbar gemacht, einen verfassungskonformen Gesamtzustand herzustellen (Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich), so dass dem Zivilrecht hier im Wesent­lichen dienende Funktion zukommt. Nötigenfalls ist die Möglich­ keit einer verfassungskonformen Auslegung von Zivilrechtsvorschrif­ten eröffnet. Die in die entgegengesetzte Richtung weisenden Ausführungen in der Entscheidung BGHZ 132, 263 sind abzulehnen. Die Ausge­ staltung des Ausgleichsanspruchs als Entnahmerecht ist dem Umstand geschuldet, dass die Steuerlastverschiebung nur zeitraumbezogen wirkt. Ist im Gesellschaftsvertrag allerdings eine besondere Regelung über die Entnahme von Steuerbeträgen enthalten und sind die Grenzen privat­ autonomer Gestaltung gewahrt, so ist das Vereinbarte – wie sonst auch – unter dem Gesichtspunkt der vertraglichen Überlagerung maßgeblich. Den Bezugspunkt des Steuerentnahmerechts bildet die Differenz zwischen dem Gewinnanteil nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG und dem Umfang des konkret bestehenden gesellschaftsrechtlichen Entnahmerechts, wobei ein etwaiges Kapitalentnahmerecht (§ 122 Abs. 1 Halbs. 1 HGB) mit einzubeziehen ist. Besteht keine besondere Thesaurierungsregelung, so kann eine derartige Differenz zum einen aus der „soweit“-Einschränkung in § 122 Abs. 1 Halbs. 2 HGB bzw. der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht resultieren. Beide Rechtsgrundlagen tragen jedoch keine Entnahmebeschränkung im Hinblick auf Beträge, die für die Steuerzahlung gebraucht werden. Die legitimen Thesaurierungsbedürfnisse der Gesellschaft enden nämlich dort, wo es um die Besteuerung der von ihr erzielten Gewinne geht. Das Steuerentnahmerecht braucht hier folglich nicht auf eine besondere rechtliche Grundlage gestützt zu werden, sondern bildet eine immanente Grenze der einschlägigen Entnahmebeschränkung selbst.

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Zum anderen kann die im vorstehenden Absatz in Bezug genommene Differenz daraus resultieren, dass der Steuergewinn höher ist als das für Zwecke der gesellschaftsrechtlichen Verteilung zur Verfügung stehende Ergebnis. Dann bedarf es einer besonderen Anspruchsgrundlage, die die Befugnis zur Steuerentnahme trägt. Sie ist in den aufwendungsersatzrechtlichen Vorschriften des Gesellschaftsrecht, d.h. § 110 HGB (Personenhandelsgesellschaften) bzw. §§ 713, 670 BGB (BGB-Gesellschaft) zu finden, da es sich bei der Steuerschuld bei materiell-verfassungsbezogener Betrachtung um eine Angelegenheit der Gesellschaft handelt. Da die Steuerlast allerdings nach dem positiven Gesetzesrecht den Gesellschaftern zugewiesen ist, können die soeben in Bezug genommenen Vorschriften nicht unmittelbar angewendet werden. Die Analogievorausset­zungen liegen jedoch vor. Die hier vertretene Verankerung des Steuerentnahmerechts im Aufwendungsersatzregime ist der konkurrierenden Ableitung über die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht überlegen. Was die Höhe des Steuerausgleichs angeht, ist auf die persönlichen Verhältnisse des einzelnen Gesellschafters abzustellen, d.h. es muss die konkrete Mehrbelastung kompensiert werden, die auf den thesaurierten Teil des Steuergewinns entfällt. Ermäßigungsbeträge nach § 35 EStG sind ebenso zu berücksichtigen wie eine etwaige Tarifbegünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG. Das Entnahmerecht entsteht, wenn sowohl der Jahresabschluss festgestellt als auch die Steuer festgesetzt ist. Zu verbuchen ist die Entnahme über das Kapitalkonto des betreffenden Gesellschafters. Auch wenn der Feststellungsbeschluss verzögert wird, besteht ein Anspruch auf denjenigen Teil der festgesetzten Steuer, der auf den Gesellschaftsgewinn entfällt, denn hierbei handelt es sich um den Mindestbetrag des Entnahmerechts. Ist abzusehen, dass sich die Steuerfestsetzung verzögern wird, und hat der Gesellschafter während des laufenden Jahres Einkommensteuer-Vorauszahlungen erbringen müssen, so kann er einen angemessenen Vorschuss verlangen, wenn kein Feststellungsbeschluss vorliegt oder die entnehmbaren Beträge einen zu geringen Umfang aufweisen. Ein unterjähriges Entnahmerecht wegen Einkommensteuer-Vo­ rauszahlungen steht dem Gesellschafter hingegen (in Ermangelung einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung) nicht zu. Einen Vorschuss kann er während des laufenden Jahres nur dann verlangen, wenn die vorauszuzahlenden Beträge so hoch ausfallen, dass er typischerweise Schwierigkeiten hat, sie aus seinem gesellschaftsfreien Vermögen aufzubringen. Wird ein nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG zugewiesener Gewinnanteil mit anderen, negativen Einkünften des Gesellschafters 673

Schlussbetrachtungen

verrechnet, kommt ein Entnahmerecht nur in Höhe etwaiger nachteiliger Steuereffekte in Betracht, die ihm bei periodenübergreifender Betrachtung aus dem Entfall der Verlustverrechnungsmöglichkeit resultieren. Sind dem Gesellschafter in Vorjahren Verluste zugewiesen worden, besteht ein Steuerentnahmerecht lediglich wegen desjenigen Teils des nunmehr zugewiesenen Gewinns, der diese Verluste übersteigt. Gleiches gilt für Entnahmebeschränkungen nach § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB. Das Steuerentnahmerecht besteht grundsätzlich auch dann, wenn eine Thesaurierung von Gewinnen – wie häufig – gesellschaftsvertraglich vereinbart oder einstimmig beschlossen wurde. In diesem Fall kann es schon unterjährig wegen der zugehörigen Einkommensteuer-Vorauszahlungen effektuiert werden, sofern während des laufenden Jahres bereits klar ist, dass es zu einer Thesaurierung kommen wird. Allerdings ist es zulässig, das Steuerentnahmerecht einvernehmlich auszuschließen (vertragliche Überlagerung). Wegen der damit verbundenen Lastenvermehrung für die Gesellschafter wird man hierfür aber verlangen müssen, dass die jeweilige gesellschaftsrechtliche Grundlage hinreichende Anhaltspunkte für einen darauf gerichteten Willen enthält. Der „Otto“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich nicht mit völliger Sicherheit entnehmen, ob Entscheidungen über die Gewinnverwendung von einer allgemeinen Mehrheitsklausel abgedeckt sind. Jedenfalls bedarf es bei mit Mehrheit zustande gekommenen Beschlüssen einer inhaltlichen Wirksamkeitsprüfung „auf zweiter Stufe“, die bei der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht anzusetzen hat. Werden Gewinne mit Mehrheitsbeschluss thesauriert, steht den Gesellschaftern ein Steuerentnahmerecht zu. Es kann nach richtiger Ansicht nur dann ausgeschlossen oder beschränkt werden, wenn hierfür eine eindeutige gesellschaftsvertragliche Grundlage vorhanden ist, die Art und Ausmaß der entstehenden Zusatzbelastung erkennen lässt. 14. Nach ständiger finanzgerichtlicher Rechtsprechung, deren Berechtigung allerdings erheblichen Zweifeln unterliegt, bildet der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft auch in Bezug auf die Gewerbesteuer den Bezugspunkt des Steuerzugriffs. Das wirft die Frage auf, ob die Gewerbesteuerbelastung gesellschaftsintern nach Verursachungsbeiträgen aufgeteilt werden kann. Die Einführung des § 35 EStG hat dieses Problem nicht entfallen lassen, sondern wirft im Gegenteil eigenständige Innenausgleichsfragen auf, auf die im Folgenden zurückgekommen wird. Dass ein innergesellschaftliches Ausgleichsbedürfnis besteht, wenn die Gesellschaft mit Gewerbesteuer für Sachverhalte belastet wird, die nicht 674

Zusammenfassung

auf ihr unternehmerisches Handeln zurückzuführen, sondern einzelnen Gesellschaftern zuzurechnen sind, dürfte allgemein anerkannt sein. Umstritten ist allerdings, ob Ausgleichsansprüche auch ohne besondere gesellschaftsvertragliche Regelung anzuerkennen sind. Unter den Vertretern beider Ansätze herrscht Einigkeit darüber, dass die Lösung des Problems im Verhältnis der Gesellschafter untereinander zu finden ist, nämlich im Wege einer verursachungsgerechten Verbuchung der Gewerbesteuerlast im Rahmen der Gewinnverteilung. Betrachtet man die Fragestellung aus Sicht des Leistungsfähigkeitsprinzips, so gelangt man allerdings in Teilen zu abweichenden Folgerungen: Da die Gesellschaft Schuldnerin der Gewerbesteuer ist (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG) besteht in Bezug auf ertragsrelevante Vorgänge, die sich auf erster Stufe der steuerlichen Gewinnermittlung auswirken, kein Innenausgleichsproblem, da insoweit ihr eigenes Vermögen betroffen ist. Entsprechend den obigen Ausführungen zum Steuerentnahmerecht ist auch für laufende Ergänzungsbilanzergebnisse keine Ausnahme anzuerkennen. Demgegenüber wirken sich Sonderbilanzergebnisse und Beteiligungsveräußerungen, soweit sie gewerbesteuerpflichtig sind, im Vermögen des betroffenen Gesellschafters aus. Da die Steuerlast auch hier von der Gesellschaft zu tragen ist, streitet das Leistungsfähigkeitsprinzip für einen Steuerausgleich zwischen Gesellschaft und Gesellschafter über einen unmittelbar zwischen ihnen bestehenden Anspruch. Bedenkt man zudem, dass ohne diesen Ausgleich ein leistungsfähigkeitswidriger Zustand definitiv würde, gelangt man wiederum zu der Folgerung, dass der Innenausgleich zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung erforderlich ist. Nicht zu folgen ist demgegenüber der im vorstehenden Absatz skizzierten Verbuchungslösung, da sie sich (in Ermangelung einer besonderen Klausel) weder aus einer Auslegung des Gesellschaftsvertrages ableiten lässt noch zu gleichermaßen befriedigenden Ergebnissen führt wie die hier vertretene Lösung über einen direkten Ausgleichsanspruch der Gesellschaft. Dieser Anspruch kann zu weiten Teilen auf eine analoge Anwendung des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützt werden, da neben die Steuerschuld der Gesellschaft im Regelfall auch eine steuerliche Haftung der Gesellschafter tritt, deren Reichweite sich nach ihrer jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht richtet. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO verklammert Steuerund Haftungsschulden zu Gesamtschulden. Da jeder Gesellschafter die in seinem Vermögensbereich ausgelöste Gewerbesteuer im Verhältnis zur Gesellschaft selbst zu tragen hat, kann diese in entsprechender Höhe Ausgleich verlangen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass es sich bei ma675

Schlussbetrachtungen

teriell-verfassungsbezogener Betrachtung um eine eigene Angelegenheit des Gesellschafters handelt. Hieran wird zugleich deutlich, dass sich der Anspruch auch aufwendungsersatzrechtlich begründen lässt. Da die §§ 110 HGB, 713, 670 BGB wegen ihrer umgekehrten Anspruchsrichtung allerdings keine Anwendung finden können, bedarf es eines direkten Rückgriffs auf § 670 BGB, der hier in analoger Anwendung fruchtbar gemacht werden kann. Insbesondere trägt der Gedanke, dass ein fremdnützig Handelnder aufgrund dieser Tätigkeit keinen Vermögensverlust erleiden soll, auch in diesem Kontext. Eigenständige Bedeutung erlangt der Aufwendungsersatzanspruch dort, wo der Gesamtschuldnerausgleich nicht durchgreift, weil es an einer (genügend weit reichenden) Gesellschafterhaftung fehlt. Dies betrifft insbesondere Kommanditisten, die eine ihrer Haftsumme entsprechende Einlage geleistet haben. Der Anspruch entsteht als Befreiungsanspruch mit Entstehung der Gewerbesteuer und wird im Zuge ihrer Festsetzung fällig. Nach Tilgung der Steuer durch die Gesellschaft wandelt er sich in einen Zahlungsanspruch um. Erfüllt der Gesellschafter diesen Zahlungsanspruch, so ist seine Leis­tung bei der Gesellschaft ertragswirksam zu verbuchen und neutralisiert so den im Außenverhältnis getragenen Steueraufwand. Beim Gesellschafter fallen Sonderbetriebsausgaben bzw. Veräußerungskosten an. Hat die Gesellschaft Vorauszahlungen zu entrichten, ist der Ausgleich bereits unterjährig geschuldet und hat vorläufige Natur. Ausgleichsansprüche wegen asymmetrischer Entlastungswirkungen der Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG sind in Ermangelung einer besonderen gesellschaftsvertraglichen Regelung nicht anzuerkennen: Soweit es – wie häufig – zu Anrechnungsüberhängen kommt, fehlt es von vornherein an einer Verschiebung von Steuerfolgen, so dass kein Ausgleichspotential vorhanden ist. Auch wenn die inkongruente Aufteilung des Gewerbesteuer-Messbetrages (§ 35 Abs. 2 Satz 2 EStG) im Einzelfall zu einer Erhöhung individueller Ermäßigungsbeträge führt, begründet dies im Verhältnis der Gesellschafter untereinander keinen leistungsfähigkeitswidrigen Zustand, der zivilrechtlich auszugleichen wäre, denn aus der Perspektive des Leistungsfähigkeitsprinzips ist eine Vollentlas­ tung aller Gesellschafter wünschenswert. Erleidet ein Gesellschafter in dem ihm zuzuordnenden gewerbesteuerlichen Bereich Verluste, die der Gesellschaft in demselben Erhebungszeitraum zugute kommen, weil bei ihr entsprechend hohe Erträge angefallen sind, so schuldet die Gesellschaft in dem betreffenden Jahr keinen Ausgleich. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB nicht vor, weil keine verfassungsrechtliche Wertung ersicht676

Zusammenfassung

lich ist, die die Zuweisung der verlustbedingten Steuerersparnis an den Gesellschafter trägt. Wohl aber ist der auf Gesellschaftsebene eingetretene positive Steuereffekt in späterer Zeit zu seinen Gunsten zu berücksichtigen: Sobald er in seinem Bereich wieder gewerbesteuerpflichtige Gewinne generiert, schuldet er in entsprechender Höhe keinen Ausgleich. Sind umgekehrt auf Gesellschaftsebene Verluste zu verzeichnen, die mit Erträgen aus dem Bereich des Gesellschafters kompensiert werden, kann die Gesellschaft mangels aktueller Gewerbesteuerbelastung ebenfalls keinen Ausgleich verlangen. In Folgejahren hat der Gesellschafter ihr jedoch etwaige Nachteile zu ersetzen, die aus dem Entfall des Verlustvortrags nach § 10a GewStG entstehen. Sind positive und negative Gewerbeerträge verschiedener Gesellschafter zu berücksichtigen, können diese Lösungsansätze kombiniert werden. Die vorstehenden Grundsätze finden prinzipiell auch dann Anwendung, wenn die Verluste nicht innerhalb desselben Erhebungszeitraums, sondern periodenübergreifend verrechnet werden. Kommt es allerdings zu Veränderungen auf Gesellschafterebene, so ist zu fragen, ob wegen des damit in aller Regel verbundenen inkongruenten Untergangs von Verlust­ abzugspotential (vgl. § 10a Satz 4, 5, 10 Halbs. 2 GewStG) Ausgleichsansprüche in Betracht kommen. Diese Frage gleicht der bereits erörterten Problemlage bei § 35 EStG und ist hier ebenfalls zu verneinen, da es an einer Verschiebung von Steuerfolgen fehlt. Auch ein treuepflichtbedingtes Veräußerungshindernis kann nur ganz ausnahmsweise und für einen eng begrenzten Zeitraum in Betracht gezogen werden. 15. Die bisherigen Ergebnisse lassen Rückschlüsse für die im Unternehmenssteuerrecht auch sonst weit verbreitete Kategorie der so genannten „fremdbestimmten Steuerwirkung“ zu. Hiermit werden Steuerfolgen bezeichnet, die nicht durch das Verhalten des Steuerträgers, sondern eines anderen Wirtschaftssubjekts ausgelöst werden. Ohne eine besondere vertragliche Vereinbarung sind sie einem zivilrechtlichen Ausgleich nur dann zugänglich, wenn mit ihnen eine maßstabswidrige (nicht leistungsfähigkeitskonforme) Steuerwirkungsverschiebung gerade zwischen den konkret betroffenen Privaten einhergeht (hier so genannte „ausgleichsfähige Steuerfolge“). Dafür ist entweder erforderlich, dass eine Leistungsfähigkeitsminderung, die bei einem der Beteiligten eingetreten ist, bei einer anderen Person eine positive Steuerfolge auslöst, die eigentlich Ersterem gebührt; oder eine Leistungsfähigkeitsmehrung bei der einen Person löst bei dem anderen Beteiligten eine Steuerbelastung aus. Ein bloßer Untergang steuerlich vorteilhafter Positionen wie etwa Verlustoder Zinsvorträge reicht hierfür nicht aus. 677

Schlussbetrachtungen

Fehlt es an der vorstehend beschriebenen Steuerwirkungsverschiebung („nicht ausgleichsfähige Steuerfolge“) und besteht auch kein Ausgleichsanspruch auf vertraglicher Grundlage, so bleibt zu prüfen, ob ein gewisser Schutz vor steuerlicher Benachteiligung über andere zivilrechtliche Mechanismen bewirkt werden kann. Dies wird jedoch in aller Regel nicht möglich sein. Insbesondere bildet die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht kein geeignetes Mittel, um nicht ausgleichsfähigen Steuerfolgen auf breiter Front beizukommen. Denn die zugrunde liegenden Fälle werfen normalerweise kein besonderes Loyalitätsproblem auf, sondern betreffen im Gegenteil Verhaltensweisen, die aus Sicht des Zivilrechts an sich nicht zu beanstanden sind, an die das Steuerrecht aber (häufig sys­ temwidrig) Nachteile knüpft, ohne dass dem Handelnden daraus ein Vorteil erwächst. Es bedarf daher einer einzelfallbezogenen Abwägung, ob eine zivilrechtlich eigentlich legitime Handlungsmöglichkeit mit Blick auf die durch sie ausgelösten Steuerfolgen ausnahmsweise beschnitten werden kann. Soweit Veräußerungsvorgänge betroffen sind, kann auch an eine gesellschaftsvertragliche Vorsorge durch steuerrechtsgeleitete Vinkulierungsklauseln gedacht werden, soweit sie rechtlich zulässig sind. Allerdings bergen derartige Regelungen wegen des Ausscheidensinteresses des betroffenen Gesellschafters erhebliches Konfliktpotential. Die Möglichkeit, sachangemessene Ergebnisse über zivilrechtliche Gestaltungen zu erzielen, ist im Bereich der nicht ausgleichsfähigen Steuerfolgen auch sonst sehr begrenzt.

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§ 17 Übergreifende Folgerungen für die Zivilrechts­lage 1. Die Fallgruppenanalyse im 2. Teil hat in Bezug auf alle untersuchten Problemstellungen ergeben, dass das zivilrechtliche Ausgleichssystem in der Lage ist, überall dort zu einem mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip besser zu vereinbarenden Gesamtzustand zu führen, wo dieses für eine zivilrechtliche Abänderung von Steuerfolgen streitet. Das maßgebende Kriterium dafür ist in § 7 herausgearbeitet worden: Entscheidend ist, ob unter den beteiligten Privaten eine maßstabswidrige Verschiebung von Steuerfolgen festgestellt werden kann.3319 Betroffen sind insbesondere Situa­tionen, in denen ein Leistungsfähigkeitszuwachs, der bei einem Beteiligten eingetreten ist, bei einer anderen Person oder Einheit der Besteue­rung unterliegt. Die Ausführungen zur Ehegattenbesteuerung im 1. Kapitel des 2. Teils zeigen ferner, dass neben dem Leistungsfähigkeitsprinzip auch Art. 6 Abs. 1 GG erhebliche Bedeutung für die Frage des internen Ausgleichs zukommen kann, und zwar insbesondere dort, wo es um vorteilhafte Rechtspositionen geht, die aus der Zusammenveranlagung mit Splittingtarif resultieren.3320 2. Vor allem in Bezug auf steuerliche Nachteile, die die Folge einer maßstabswidrigen Steuerlastverschiebung bilden, konnte nachgewiesen werden, dass es in der Tat Fälle gibt, in denen ein zivilrechtlicher Ausgleich zur Vermeidung verfassungswidriger Zustände erforderlich ist.3321 Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass das Steuerrecht aus sich heraus keine genügende Rechtfertigung für die vorzufindende Abweichung vom Leis­ tungsfähigkeitsprinzip liefert. Aus den im 2. Teil untersuchten Fallgruppen ist hier namentlich auf die Besteuerung von Personengesellschaften hinzuweisen, denn sowohl das Steuerentnahmerecht als auch der Gewerbesteuerausgleich wegen Sondereffekten aus dem Vermögensbereich einzelner Gesellschafter sind verfassungsrechtlich geboten.3322 Dahinter steht die in § 7 herausgearbeitete Erkenntnis, dass eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung leistungsfähigkeitswidriger Besteuerungsvorschriften unter Umständen auch auf teilrechtsordnungsübergreifendem Weg über die Zuerkennung zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche möglich ist.3323 Dann kommt dem Zivilrecht im Wesentlichen dienende Funktion zu, denn in diesen Fällen ist eine verfassungskonforme Auslegung der 3319 Siehe insbesondere S. 196 ff., S. 206 ff., S. 228 f. 3320 Näher § 11 A II. und F II.; zu den zivilrechtlichen Einzelheiten siehe unten 18. 3321 Vgl. die Ausführungen in § 7 unter D II 1. 3322 Siehe S. 539, S. 587 f. 3323 Siehe wiederum § 7 D II 1.

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Schlussbetrachtungen

einschlägigen Zivilrechtsvorschriften möglich und erforderlichenfalls3324 auch geboten.3325 Hierdurch wird der leistungsfähigkeitswidrige Zustand zwar nicht beseitigt, wohl aber ist die Zuerkennung des Ausgleichsanspruchs entscheidend für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung.3326 3. Auf das Instrument der verfassungskonformen Auslegung ist es in den im 2. Teil untersuchten Einzelbereichen jedoch nie entscheidend angekommen, denn es konnte nachgewiesen werden, dass das Zivilrecht hier ausnahmslos hinreichend wertungsoffene Anspruchsgrundlagen bereitstellt, so dass durchgängig Situationen der Fallgruppe 13327 vorgelegen haben. Daraus folgt zugleich, dass das zivilrechtliche Ausgleichssystem auch unterhalb der Schwelle eines Verfassungsverstoßes in der Lage ist, in weitem Umfang Lösungen zu ermöglichen, die sich am Leistungsfähigkeitsprinzip orientieren.3328 Daher hat sich die im 1. Teil aufgestellte und dort auf deduktivem Weg fundierte Hypothese, dass Leistungsfähigkeitsprinzip und zivilrechtliches Ausgleichssystem weithin parallel laufen,3329 auch induktiv anhand der Analyse wichtiger Einzelprobleme bestätigt. Auf dieser Basis kann gefolgert werden, dass sie allgemeingültig ist. 4. Die Möglichkeit, übergreifende Folgerungen für das zivilrechtliche Ausgleichssystem zu ziehen, endet allerdings grundsätzlich dort, wo es an einer maßstabswidrigen Steuerwirkungsverschiebung fehlt und dem Leistungsfähigkeitsprinzip deshalb keine (weitergehende) Aussagekraft zukommt. Vom Gegenstand der vorliegenden Betrachtungen abzugrenzen sind daher zum einen mögliche Auswirkungen steuerlicher Effekte auf präexistente Ausgleichsrechnungen, wie etwa Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche,3330 wenn diese Effekte – wie im Regelfall – lediglich aus dem Bereich eines der beteiligten Privaten stammen. Ihre Kompensationsfähigkeit richtet sich dann im Wesentlichen nach den zivilrechtlichen Prinzipien und Wertungen, die hinter dem jeweiligen Ausgleichsanspruch stehen, ohne dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip hier 3324 Siehe dazu sogleich unter 3. 3325 Vgl. S. 539, S. 593 f. 3326 Siehe S. 211, S. 540. 3327 Zu der in dieser Untersuchung durchgängig zugrunde gelegten Unterscheidung zwischen drei Fallgruppen näher S. 67 ff. 3328 Vgl. auf abstrakterer Ebene insbesondere § 7 D II 2. und zu konkreten Beispielen S. 349 ff. und S. 448 ff. 3329 Siehe insbesondere § 7 C II. sowie S. 215 f. 3330 Siehe zu der im Rahmen dieser Untersuchung zugrunde gelegten Unterscheidung zwischen dem Ausgleich von Steuerfolgen über präexistente Ausgleichsrechnungen und dem Primärsteuerausgleich oben S. 1 ff.

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Übergreifende Folgerungen für die Zivilrechts­lage

weitergehende Aussagekraft zukommt.3331 Zum anderen wird es an einer leistungsfähigkeitswidrigen Verschiebung von Steuerfolgen in aller Regel­ auch dann fehlen, wenn die Parteien eines Vertrages die Steuerrechtslage falsch eingeschätzt haben oder wenn über die Auswirkungen veränderter steuerlicher Rahmenbedingungen auf bestehende Vertragsverhältnisse zu befinden ist. Die rechtliche Bewältigung derartiger Situationen richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertrags- und Leistungsstörungsrechts, wobei dem individuellen Vertragsgefüge maßgebende Bedeutung zukommt.3332 5. Das Kriterium der maßstabswidrigen Steuerfolgenverschiebung ermöglicht zugleich übergreifende Aussagen in Bezug auf die im Schrifttum häufig herangezogene Kategorie der „fremdbestimmten Steuerwirkung“, womit steuerliche Effekte gemeint sind, die nicht durch das Verhalten des Steuerträgers, sondern eines anderen Beteiligten hervorgerufen werden.3333 Wie in § 15 gezeigt, muss in diesem Kontext zwischen Steuerfolgen unterschieden werden, die nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen ausgleichsfähig sind, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, so dass ein Ausgleich lediglich auf Grundlage besonderer Umstände des Einzelfalls geschuldet sein kann.3334 Die (bloße) „Fremdbestimmtheit“ einer Steuerfolge ist jedenfalls kein geeignetes Kriterium für ihre Ausgleichsfähigkeit. Im Gegenteil sind „fremdbestimmte Steuerwirkungen“ in weitem Umfang hinzunehmen, auch wenn sie im Innenverhältnis zu Inkongruenzen führen, sofern diese unterhalb der Schwelle einer maßstabswidrigen Steuerwirkungsverschiebung gerade zwischen den konkret betroffenen Privaten angesiedelt sind.3335 Ausgleichsansprüche werden in einem solchen Fall im Wesentlichen nur dann in Betracht kommen, wenn die schädliche Steuerfolge auf individuell-pflichtwidrigem Verhalten beruht.3336 6. Es steht den Beteiligten zwar an sich offen, die zuletzt in Bezug genommenen, nicht ausgleichsfähigen fremdbestimmten Steuerfolgen über eine Steuertragungsabrede abzuändern, die sich im Rahmen des im jeweiligen Sachbereich privatautonom Gestaltbaren bewegt. Jedoch stößt der Versuch, eine sachgerechte Regelung zu treffen, hier in vielen Fällen auf unüberwindbare Schwierigkeiten, die häufig einfach das kautelarjuris­ 3331 Näher § 7 F III 1. sowie unten 9. 3332 Vgl. die Nachweise auf S. 238 f. 3333 Vgl. die Nachweise in Fn 3214. 3334 Siehe § 15 B. 3335 Siehe insbesondere S. 639 f. 3336 Vgl. speziell zum Treuepflichtkonzept die Ausführungen auf S. 636 ff., S. 642 ff.

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Schlussbetrachtungen

tische Spiegelbild zweifelhafter Besteuerungsentscheidungen bilden.3337 Damit geht die in § 15 fundierte Erkenntnis einher, dass sich zwingende Folgerungen für einen angemessenen zivilrechtlichen Interessenausgleich bei fremdbestimmten Steuerwirkungen regelmäßig nur dann ableiten lassen, wenn auch tatsächlich eine maßstabswidrige Steuer­ wirkungsverschiebung nachweisbar ist, also eine ausgleichsfähige Steuerfolge vorliegt.3338 Denn nur in diesem Bereich kann die intern richtige Steuerfolgenverteilung dem Leistungsfähigkeitsprinzip entnommen werden, so dass keine prinzipiellen Schwierigkeiten auftreten.3339 Deshalb sollte bei nicht ausgleichsfähigen fremdbestimmten Steuerfolgen auch der Versuchung widerstanden werden, eine Abänderung des Besteuerungsergebnisses im Wege ergänzender Vertragsauslegung herbeizuführen oder entsprechende Verpflichtungen zur Vertragsanpassung aus § 313 BGB oder über die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht3340 abzuleiten. Es werden sich nämlich in aller Regel mehrere Lösungswege finden lassen, von denen keiner in jeder Hinsicht überzeugt.3341 7. Der soeben in Bezug genommene Vorrang wirksam zustande gekommener Steuertragungsabreden gilt in gleicher Weise für Steuerfolgen, die auch ohne konkret getroffene Vereinbarung ausgleichsfähig wären, weil ihnen eine maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung zugrunde liegt. Derartige Abreden können insbesondere in keinen Widerstreit zum Leistungsfähigkeitsprinzip treten, da in dieser Hinsicht keine Konflikte zwischen Privatautonomie und Besteuerungsgleichheit in Betracht kommen.3342 Zur Begründung eines Ausgleichsanspruchs sind sie jedoch nicht erforderlich, denn im 2. Teil konnte gezeigt werden, dass die Zivilrechtsordnung in Bezug auf die hier in Rede stehenden Steuerfolgen bereits aus sich heraus sachangemessene Lösungen bereitstellt.3343 Ein konstitutiver Gehalt kann Steuertragungsklauseln in diesem Kontext daher nur insoweit zukommen, als sie diesen (bestehenden) Anspruch erweitern, modifizieren, ausschließen oder durch eine andere Lösung ersetzen. Eine so geartete Vertragsinterpretation sollte der Rechtsanwender aller3337 Näher § 15 D. 3338 Siehe wiederum vor allem § 15 B. 3339 Zu der Frage, wie zu ermitteln ist, ob im Einzelfall eine maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung vorliegt, und welche Folgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abzuleiten sind, siehe unten 8. 3340 Vgl. zur Verhältnisbestimmung Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 132 ff. 3341 Vgl. im Kontext des Steuerausgleichs auch Knobbe-Keuk, StuW 1985, 382, 389; Schothöfer, Gewerbesteuerschuldnerschaft, S. 123 f. 3342 Näher S. 220 f., S. 226 f., S. 229; siehe ferner S. 236 f. 3343 Siehe oben 1. bis 3. sowie zu den Einzelheiten sogleich ab 10.

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dings nur dann vornehmen, wenn sich eindeutige Anhaltspunkte für einen entsprechenden Parteiwillen finden lassen, denn dieses Vorgehen birgt die Gefahr, zu einem weniger sachgerechten Ergebnis zu führen, als die Zivilrechtsordnung – im Wege der Kompensation für die leistungsfähigkeitswidrig verschobene Steuerfolge – bereits aus sich heraus bereitstellt.3344 8. Um zu ermitteln, ob ein steuerlicher Effekt in dieser Weise zwischen den beteiligten Privaten verschoben worden ist und das Leistungsfä­ higkeitsprinzip daher für einen Ausgleich streitet, ist eine eingehende Analyse der für den jeweiligen Sachbereich einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften und verfassungsrechtlichen Grundsätze erforderlich. Gleiches gilt (spiegelbildlich) für die Beantwortung der Frage, welche Folgerungen bejahendenfalls aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip – gegebenenfalls in Zusammenschau mit anderen verfassungsrechtlichen Vorgaben – für die sachgerechte interne Aufteilung der jeweils eintretenden Steuerfolgen zu ziehen sind. Dieses Vorgehen kann für den Zivilrechtsanwender mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, zumal die Ableitung entsprechender Folgerungen eine Positionierung zu (häufig umstrittenen) steuer- und verfassungsrechtlichen Sachfragen erfordert. Es ist jedoch unausweichlich, weil nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung nur auf diesem Weg belastbare Aussagen für den hier in Rede stehenden Problemkreis3345 möglich sind. Im Übrigen bildet ein derartiges Vorgehen keine Besonderheit gerade des zivilrechtlichen Ausgleichs von Steuerfolgen, sondern kann auch in anderen Situationen erforderlich werden, in denen der Zivilrechtsanwender auf verfassungsrechtliche Vorfragen stößt bzw. teilrechtsordnungsübergreifende Problemfelder zu analysieren hat. 9. Ist eine derartige maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung im Einzelfall gegeben, so wird sich regelmäßig die Frage stellen, ob das Zivilrecht einen unmittelbar an die Steuerfolge selbst anknüpfenden Ausgleichsanspruch zur Verfügung stellt.3346 Damit geht einher, dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip speziell für den Bereich des Primärsteuer­ ausgleichs3347 erhebliche Aussagekraft zukommt. Keine oder lediglich akzidentielle Folgerungen lassen sich ihm hingegen in aller Regel dort 3344 Vgl. beispielhaft § 14 B IV 1. (Anwendung der Verbuchungslösung beim Gewerbesteuerausgleich nur, wenn eine besondere, darauf gerichtete Vereinbarung besteht). 3345 Siehe zur Abgrenzung oben 4. bis 6. sowie auch sogleich unter 9. 3346 Zusammenfassend S. 236. 3347 Vgl. wiederum Fn 3330.

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Schlussbetrachtungen

entnehmen, wo sich im Rahmen eines präexistenten Ausgleichsanspruchs die Frage stellt, ob eingetretene oder zu erwartende Steuerfolgen den Anspruchsumfang beeinflussen.3348 Zu Überschneidungen kommt es nur dann, wenn sowohl eine leistungsfähigkeitswidrige Steuerwirkungsverschiebung nachgewiesen werden kann, als auch – gleichsam zufällig – zwischen den Beteiligten ein auf anderer Grundlage bestehender Ausgleichsanspruch vorhanden ist, der die Steuerfolge mit abzudecken geeignet ist. Dann kann dieser präexistente Ausgleichsanspruch für den gebotenen Steuerausgleich nutzbar gemacht werden, ohne dass es in entsprechender Höhe eines Rückgriffs auf einen primären Ausgleichsanspruch bedarf.3349 Allerdings konnte innerhalb der im 2. Teil untersuchten Fallgruppen lediglich eine derartige Situation ausgemacht werden, nämlich im Hinblick auf den Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten, der zu wesentlichen Teilen über den Unterhaltsanspruch erfolgen kann – und dies nach Dafürhalten des Verf. auch muss.3350 10. Beschreitet man den in dieser Untersuchung vorgezeichneten Weg konsequent, so können sich – betrachtet man die Rechtslage von der Warte vorbestehender Meinungsstände aus – überraschende Folgerungen ergeben. So ist der Ausgleich für Gewerbesteuerlasten in Personengesellschaften, die aus Vorgängen im Vermögensbereich eines einzelnen Gesellschafters herrühren, nicht etwa unter den Gesellschaftern vorzunehmen, sondern er hat zwischen dem betroffenen Gesellschafter und der Gesellschaft (als an der Steuerwirkungsverschiebung unmittelbar Beteiligten) stattzufinden. Einer besonderen Steuerklausel bedarf es dafür nicht.3351 Ein weiteres Beispiel bildet die Rechtslage unter zusammen veranlagten Eheleuten: Wirtschaften sie (entsprechend dem verfassungsgeprägten Leitbild, das der Zusammenveranlagung zugrunde liegt)3352 gemeinsam,3353 so kann von einer maßstabswidrigen Steuerwirkungsverschiebung keine Rede sein.3354 Ausgleichsansprüche scheiden dann von vornherein aus. Die in der Praxis nahezu einmütig zugrunde gelegte Vorstellung von „an sich“ bestehenden schuldrechtlichen Ausgleichsansprüchen, die jedoch unter zusammen lebenden Verheirateten im Regel3348 Vgl. zur Bewältigung solcher Fragestellungen die Hinweise unter 4. 3349 Dazu oben § 7 F III 2. 3350 Siehe insbesondere § 11 B. sowie die weitere Darstellung in § 11. 3351 Näher § 14 B.; siehe auch bereits Fn 3344. 3352 Näher dazu § 10. 3353 Gleichzustellen sind Situationen, in denen eine hälftige Teilhabe an den erworbenen Mitteln auf andere Weise (Unterhaltsleistungen, eheinterne Abreden) hergestellt wird. 3354 Siehe vor allem § 11 A I.

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Übergreifende Folgerungen für die Zivilrechts­lage

fall „überlagert“ sind,3355 erweist sich daher als irreführend.3356 Eine Betrachtungsweise, die an der einzelnen Verbindlichkeit ansetzt, erscheint ohnehin wenig sinnvoll, weil sie im Widerspruch zu der in aller Regel nachweisbaren (und deshalb auch zu vermutenden)3357 ein­ vernehmlichen Ausgleichspraxis steht, denn diese ist verbindlichkeitsübergreifend angelegt. Diese Verdrängung einzelschuldbezogener Ausgleichsansprüche ist hier „Außenlösung“ genannt worden – und geht weit über die Frage des Steuerausgleichs hinaus.3358 Die ganz auf den Gesamtschuldnerausgleich fixierte Rechtsprechung3359 überzeugt auch aus einem anderen Grund nicht: Kommt ein Steuerausgleich in Betracht, weil die Eheleute getrennt wirtschaften und es im Einzelfall auch an anderen, freiwilligen Kompensationsleistungen fehlt,3360 so ist er in vielen Fällen bereits (ganz oder in Teilen) über den Unterhaltsanspruch erzielbar, ohne dass ein Rückgriff auf schuldrechtliche Ausgleichsmechanismen notwendig und möglich wäre.3361 Dem Unterhaltsrecht kommt hier folglich eine viel stärkere Bedeutung zu, als bisher angenommen wird. 11. Am Beispiel dieser aus dem Familienrecht herrührenden Besonderheiten des Steuerausgleichs unter Eheleuten wird zugleich deutlich, dass es nicht möglich ist, eine einzelne Anspruchsgrundlage zu identifizieren, über die der Steuerausgleich sachgebietsübergreifend vollzogen werden kann. Ein derartiges Ansinnen scheiterte schon an den Eigenheiten der betroffenen Rechtsgebiete, die differenzierte Lösungswege erforderlich machen, da sie in das jeweils zu berücksichtigende, bereichsspezifische Gesamtgefüge eingebettet werden müssen.3362 Selbst wenn man von diesem Bedenken absieht, ließe sich „der“ Steuerausgleichsanspruch letztlich nur auf die allgemeine zivilrechtliche Ausgleichsfunktion stützen.3363 Ein derartiges Vorgehen erscheint jedoch methodisch schon 3355 Vgl. die Nachweise auf S. 245 f. 3356 Siehe S. 336 f. 3357 Näher § 11 B V. 3358 Näher § 11 C II 3 d). 3359 Vgl. etwa die Nachweise in Fn 1886. 3360 Vgl. Fn 3353. In diesem Fall kann eine maßstabswidrige Steuerwirkungsverschiebung sowohl in Bezug auf nachteilige als auch im Hinblick auf vorteilhafte Steuerfolgen gegeben sein; siehe vor allem § 11 A III 1. und IV. sowie die weitere Darstellung in § 11. 3361 Siehe schon oben Fn 3350. 3362 Vgl. bereits die entsprechenden Ausführungen in § 8. 3363 Hierauf läuft der Sache nach die von Witt, Konzernbesteuerung, S. 369 ff. vertretene, weithin freischwebende teleologische Extension des § 426 Abs. 1 BGB hinaus, die ihre Motivation letztlich allein in der Vermeidung von „Zufallsergebnissen“ findet (vgl. S. 373 ff.), sachlich aber nicht veranlasst ist (dazu unten 19.); kritisch bereits Fn 2098. Die gleiche Kritik ist an der „entsprechenden“ Anwen-

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Schlussbetrachtungen

deshalb nicht vertretbar, weil es die Strukturunterschiede der im Zivilrecht verankerten Anspruchssysteme ohne Not einebnete.3364 Ferner ist zu bedenken, dass sich die zivilrechtliche Ausgleichsfunktion ihrerseits im Kern aus einer (induktiven) Zusammenschau der vorhandenen Anspruchsnormen konstituiert, die zugleich ihre Reichweite bestimmen – und damit auch begrenzen.3365 12. Darüber hinaus lässt sich aus den Analysen im 2. Teil dieser Untersuchung folgern, dass es – entgegen manchen Stimmen in der Literatur3366 – auch eine Stufe darunter, nämlich innerhalb der einzelnen zivilrechtlichen Regelungsbereiche, keines Rückgriffs auf bereichsspezifische Generalklauseln bzw. generalklauselartige Rechtsgrundsätze zur Ableitung von Ausgleichsansprüchen bedarf. Dies konnte in Bezug auf den Ausgleich unter Ehegatten für § 1353 BGB3367 und im Hinblick auf das Gesellschaftsrecht für das Treuepflichtkonzept3368 gezeigt werden. Auch dieser Zusammenhang erscheint verallgemeinerungsfähig. Denn zum einen wären derartige Lösungen in aller Regel nur um den Preis weit reichender Rechtsfortbildungsakte erzielbar.3369 Zum anderen gilt auch hier, dass für ein solches Vorgehen selbst dann kein Bedürfnis besteht, wenn es – wie häufig – an einschlägigen bereichsspezifischen Ansprüchen fehlt, auf die der Steuerausgleich gestützt werden kann, denn bereits die allgemeinen Ausgleichsmechanismen des bürgerlichen Rechts dung des § 430 BGB zu üben, für die sich der II. Zivilsenat jüngst in Bezug auf den Ausgleich von Vorsteuerabzugsbeträgen in umsatzsteuerrechtlichen Organschaften ausgesprochen hat (BGH ZIP 2013, 409, 410 f.). Es fehlt hier an jeder Analogiebasis, weil das Steuerrecht eine Gesamtberechtigung von Organträger und Organgesellschaft gerade nicht kennt. Den richtigen Anknüpfungspunkt der Prüfung bildet vielmehr § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (dazu unten 19. sowie auch sogleich unter 12.). 3364 Der 2. Teil dieser Untersuchung hat stattdessen gezeigt, dass die vorhandenen Anspruchsgrundlagen zu durchweg (gut) vertretbaren Ergebnissen führen, da sie inhaltlich offen genug für eine Einbeziehung steuer- und verfassungsrechtlicher Wertungen sind (siehe oben 3. sowie auch sogleich unter 12.). 3365 Siehe oben S. 192 f. 3366 Vgl. in Bezug auf den Ausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten namentlich Walz, StVj 1993, 46, 56 ff. (weitere Nachweise in Fn 2070); zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht vgl. Erker, Kompensation, passim (siehe zu ihrem Ansatz im Einzelnen § 15 C.). 3367 Siehe Fn 2070. Dass die wechselseitige Pflicht, an der Zusammenveranlagung mitzuwirken, ihre Rechtsgrundlage in § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB findet, ändert hieran nichts, denn diese Verpflichtung lässt sich ohne weiteres in den anerkannten Wirkbereich der Vorschrift einfügen (vgl. Fn 1342, Fn 2237). 3368 Vgl. S. 550 f. sowie im Gesamtzusammenhang § 15 (insbesondere S. 637 f., S. 643 ff.). 3369 Vgl. wiederum Fn 3367 und Fn 3368.

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Übergreifende Folgerungen für die Zivilrechts­lage

führen zu interessengerechten Lösungen.3370 Die in den entsprechenden Anspruchsnormen zum Ausdruck kommenden Differenzierungen erscheinen sogar hilfreich, weil sie der Gefahr entgegenwirken, Steuerfolgen auf breiter Front für ausgleichsfähig zu erklären, obwohl dies sachlich nicht veranlasst ist und im Einzelfall sogar zu unbilligen Ergebnissen führen kann.3371 Beispielsweise ist der Rechtsanwender immer dann, wenn eine Feinjustierung des Bereicherungsausgleichs mit Blick auf einschlägige steuer- und verfassungsrechtliche Wertungen in Betracht kommt, zu einem erheblichen Begründungsaufwand genötigt, der zugleich der Selbstkontrolle dienlich ist.3372 13. Soweit nach den Gegebenheiten des jeweiligen Sachbereichs ein Ausgleich leistungsfähigkeitswidriger Steuerfolgen auf Grundlage der allgemeinen Anspruchsgrundlagen des bürgerlichen Rechts in Betracht kommt, kann hierfür (zumindest in erster Linie)3373 der Gesamtschuldner­ ausgleich herangezogen werden, wenn – wie häufig – zwischen den beteiligten Privaten eine Steuergesamtschuld besteht. Der Ausgleich ist im Wege einer analogen Anwendung von § 426 Abs. 1 BGB vorzunehmen.3374 Jedoch sprechen gewichtige Gründe dagegen, auch § 426 Abs. 2 BGB auf Steuergesamtschulden zu übertragen.3375 Der Gesamtschuldnerausgleich ist aufgrund der in § 426 BGB angelegten Maßstabsoffenheit in der Lage, die einschlägigen verfassungsrechtlichen Wertungen in geradezu idealer Weise in sich aufnehmen3376 – und führt damit (in den Grenzen seiner Reichweite, d.h. dem Umfang der Gesamtschuld)3377 zu sachangemessenen Ergebnissen. Innerhalb dieses Rahmens kommt im Einzelfall auch ein Ausgleich von vorteilhaften steuerlichen Positionen in Betracht.3378 14. An der Fruchtbarmachung des § 426 Abs. 1 BGB als hauptsächliche Grundlage für den schuldrechtlichen Steuerausgleich ist mit Blick auf untersuchungsrelevante Teilbereiche Kritik geübt worden, die darauf fußt, dass die Gesamtschuldanordnung häufig eher zufällig erfolge, so

3370 Zu Einzelheiten siehe die nachfolgenden Anmerkungen. 3371 Vgl. bereits die Ausführungen am Ende von 6. und in Fn 3363; siehe im Schwerpunkt die Darstellung im Folgenden. 3372 Dazu näher ab 17. 3373 Zur Verhältnisbestimmung gegenüber anderen schuldrechtlichen Ansprüchen siehe im Folgenden. 3374 Ausführlich dazu S. 394 ff. 3375 Näher § 11 C II 4. 3376 Vgl. S. 423 f. 3377 Siehe S. 432 sowie auch Fn 3363. 3378 Vgl. § 11 C II 3. sowie auch etwa S. 621 f.

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Schlussbetrachtungen

dass dieser Lösungsansatz letztlich nicht belastbar sei.3379 M.E. ist hier wie folgt zu differenzieren: Bildet die auszugleichende Steuerwirkungsverschiebung ganz oder zu wesentlichen Teilen eine Folge der Gesamtschuldanordnung selbst, so erweist sich der Lösungsansatz über § 426 Abs. 1 BGB als ohne weiteres folgerichtig, denn wenn man die Gesamtschuld hinwegdenkt, entfällt zugleich das Ausgleichsbedürfnis. Hierhin lässt sich die Nachteilsausgleichskomponente im Steuerausgleich unter zusammen veranlagten Ehegatten zählen3380 – und dieser Zusammenhang spiegelt sich zugleich in der Existenz der §§ 268 ff. AO wider. Soweit Fragen des Nachteilsausgleichs betroffen sind, bedarf es in diesem Bereich auch keiner (ergänzenden) Anwendung anderer schuldrechtlicher Anspruchsgrundlagen, die auf das gleiche Anspruchsziel gerichtet sind. Es gelten mithin in dieser Beziehung die gleichen Grundsätze wie bei bürgerlich-rechtlichen Gesamtschulden.3381 15. Davon können Fälle unterschieden werden, in denen die gesamtschuldnerische Einstandspflicht lediglich die Folge einer (mehr oder weniger willkürlich durch den Gesetzgeber vorgenommenen)3382 Haftungsanordnung bildet.3383 Ein entsprechendes Beispiel hat der Regress im gewerbesteuerlichen Organkreis nach früherem Recht gebildet.3384 Nach aktuellem Recht ist auf den Gewerbesteuerausgleich wegen ertragsrelevanter Vorgänge im Vermögensbereich eines Gesellschafter hinzuweisen.3385 Positivrechtlich bereitet der Ausgleich erlittener Steuernachteile3386 indes auch hier keine prinzipiellen Schwierigkeiten, wenn man bereit ist, die entsprechende Anwendung des § 426 Abs. 1 BGB (wie hier vertreten)3387 auf das Verhältnis von Steuerschuldner und Haftendem zu 3379 Vgl. Hüttemann, in: Schön/Osterloh-Konrad (Hrsg.), Kernfragen, S. 127, 146 (in Bezug auf den Innenausgleich im gewerbesteuerlichen Organkreis nach früherem Recht): „[hängt] allein am seidenen Faden der steuerlichen Haftungsvorschrift des § 73 AO“; gleichsinnig ders., ZHR 171 (2007), 450, 459 a.E. und 462. 3380 Vgl. § 11 A IV. sowie die weitere Darstellung in § 11. Erforderlich ist allerdings, dass der schuldrechtliche Steuerausgleich – entsprechend der am Anfang von 13. formulierten Grundannahme – überhaupt eröffnet ist; dazu § 11 C I. 3381 Vgl. S. 426 (mit Fn 2071). 3382 Vgl. zu diesem Problemkreis die Nachweise in Fn 1054. 3383 Zu der streitigen Frage nach der Reichweite des § 44 Abs. 1 Satz 1 AO näher S. 595 f. 3384 Vgl. Fn 3379. Hierhin lässt sich auch die umsatzsteuerrechtliche Organschaft zählen (vgl. BGH ZIP 2013, 409, 410; BGH ZIP 2004, 164, 164 f.). 3385 Siehe S. 594 f.: Die Haftung greift hier nach Maßgabe der gesellschaftsrechtlichen Haftungsvorschriften und -grundsätze ein. 3386 Zur Frage eines etwaigen Vorteilsausgleichs wegen der Verrechnung von Verlusten siehe unten 19. 3387 Siehe S. 597.

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erstrecken – wenngleich einzuräumen ist, dass diese Lösung nicht zwingend erscheint, weil das Steuerrecht nur einer Person bzw. Einheit die Rolle des Steuerschuldners zuweist, während die Haftung lediglich Sicherungszwecken dient.3388 16. Auch positivrechtlich entsteht dann ein Problem, wenn es an einer gesamtschuldnerischen Verknüpfung der an der Steuerlastverschiebung Beteiligten fehlt. Diese Situation ist im 2. Teil dieser Untersuchung an zwei Stellen aufgetreten: Hierzu zählt zum einen das Steuerentnahmerecht.3389 Zum anderen kann sich diese Ausgangslage ergeben, wenn es um die Einstandspflicht von Kommanditisten für die von ihnen ausgelösten Gewerbesteuerfolgen auf Gesellschaftsebene geht.3390 Im früheren Recht der gewerbesteuerlichen Organschaft hätte sich dieselbe Situation bei Wegfall von § 73 AO ergeben.3391 Ein ebenso trag- wie verallgemeinerungsfähiger Lösungsansatz bildet hier die Fruchtbarmachung des Aufwendungsersatzgedankens, und zwar entweder in Form von bereichsspezifischen Aufwendungsersatzvorschriften (beim Steuerentnahmerecht: § 110 HGB bzw. §§ 713, 670 BGB)3392 oder, wo solche fehlen, durch direkten Rückgriff auf § 670 BGB, der entsprechende Ergebnisse ebenfalls trägt.3393 Dahinter steht die Erkenntnis, dass es sich bei der ausgelösten Steuerschuld bei materiell-verfassungsbezogener Betrachtung um eine fremde Angelegenheit handelt.3394 Allerdings können die Aufwendungsersatzregelungen nur analog angewendet werden, da die einfachgesetzliche Zuweisung der Steuerschuld ihrer unmittelbaren Heranziehung entgegensteht.3395 Die einfachgesetzliche Lage muss hier deshalb zugunsten eines extensiveren Verständnisses der „Aufwendung“ überwunden wer3388 Vgl. S. 597 f. 3389 Die Personengesellschaft trifft im Außenverhältnis zum staatlichen Steuergläubiger keine Einstandspflicht für die Einkommensteuerschulden der Gesellschafter, auch soweit jene auf den Gesellschaftsgewinnen beruhen. 3390 Siehe S. 600. Die Steuerhaftung und damit eine Gesamtschuld ist hier nur in Höhe der konkreten gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht nach §§ 171, 172, 176 HGB eröffnet – und entfällt somit vollständig, wenn der Kommanditist eine Einlage in Höhe seiner Haftsumme geleistet hat (§ 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB). 3391 Vgl. erneut Fn 3379; siehe zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft auch BGH ZIP 2013, 409, 410 (entsprechende Anwendung von § 426 BGB, gestützt auf § 73 AO); anders noch beiläufig BGHZ 146, 264, 276 f. („Aufwendungsersatzanspruch“). 3392 Einzelheiten in § 13, insbesondere S. 546 ff. 3393 Näher § 14 B IV 2 c), insbesondere S. 602 ff. 3394 Siehe insbesondere S. 549, S. 600 f. 3395 Siehe S. 547 f., S. 602 ff. In Bezug auf § 670 BGB folgt dies zudem aus seiner systematischen Stellung im Auftragrecht.

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Schlussbetrachtungen

den, weil nur auf diese Weise Ergebnisse erzielt werden können, die mit den Wertungen des Leistungsfähigkeitsprinzips konform gehen.3396 Ohne dieses Vorgehen stellten sich nämlich in vielen Fällen verfassungswidrige Zustände ein.3397 Jedenfalls aber würden überaus fragwürdige Besteuerungsergebnisse perpetuiert. Einen Behaltensgrund, der einer zivilrechtlichen Korrektur entgegensteht,3398 bilden diese Besteuerungsergebnisse in den hier analysierten Situationen im Übrigen nie. Im Gegenteil streitet das Leistungsfähigkeitsprinzip gerade für ihre Abänderung.3399 17. Da die soeben betrachteten Fallkonstellationen durch eine gesellschaftsvertragliche Bindung zwischen den Beteiligten gekennzeichnet sind, kann der Aufwendungsersatzanspruch hier aus Vertragsrecht abgeleitet werden.3400 Die Frage nach Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag stellt sich dann nicht mehr.3401 Auch ein Rückgriff auf das Bereicherungsrecht erübrigt sich vor diesem Hintergrund. Zwar ist in Bezug auf die frühere Rechtslage bei der gewerbesteuerlichen Organschaft vertreten worden, dass ein Nachteilsausgleich (auch) auf Basis von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB erlangt werden könne: Da die Erträge der Organgesellschaft nicht bei ihr, sondern beim Organträger der Besteuerung unterlägen, habe dieser sie von eigenen Steuerverbindlichkeiten befreit.3402 Eine derartige unmittelbare Anwendung der Nichtleistungskondiktion kommt m.E. jedoch nicht in Betracht, und zwar im Kern aus dem gleichen Grund, der dazu führt, dass das Aufwendungsersatzregime nur sinngemäße Anwendung finden kann: Die Organgesellschaft hat nichts erspart, denn das Steuerrecht erklärt den Organträger von vornherein zum Steuerschuldner.3403 Folglich könnte auch § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB allenfalls in analoger Anwendung herangezogen werden3404 – und 3396 Vgl. wiederum Fn 3394. 3397 Siehe oben 2. 3398 Zu der Diskussion, die um diese Frage in Bezug auf die gewerbesteuerliche Organschaft nach früherem Recht und hier vor allem im Hinblick auf den Bereicherungsausgleich geführt worden ist, vgl. die Nachweise in Fn 2393. Was das Bereicherungsrecht angeht, stellen sich aber anders geartete Probleme, auf die im Folgenden eingegangen wird. 3399 Vgl. auf abstrakter Ebene oben § 7 D. 3400 Vgl. Fn 3051. 3401 Auch insoweit könnte es nur um eine analoge Anwendung der entsprechenden Vorschriften gehen. 3402 So vor allem Simon, ZGR 2007, 71, 80; ders., DStR 2000, 431, 434. 3403 Gleichsinnig Kleindiek, DStR 2000, 559, 563 („fingiert“); vgl. auch BFH BSt Bl. II 2005, 490, 492. 3404 Der Hinweis Simons, ZGR 2007, 71, 80 auf die Fälle der Bereicherung kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift ändert hieran nichts, denn sie betreffen ausschließlich Eingriffe in präexistente (zivilrechtliche) Zuweisungslagen.

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zwar ebenfalls nur auf Grundlage einer materiell-verfassungsbezogenen Betrachtung, die die einfachrechtliche Lage hintanstellt. Hierfür besteht jedoch wegen der Einschlägigkeit des vertraglichen Aufwendungsersatzes keinerlei Anlass. 18. Eigenständige Bedeutung kommt dem Bereicherungsrecht hingegen in Teilbereichen des Vorteilsausgleichs zu, wobei dann stets die allgemeine Nichtleistungskondiktion Anwendung findet.3405 Dahinter steht die Erkenntnis, dass der Gesamtschuldnerausgleich selbst bei weitestmöglicher Ausdehnung der Analogie zu § 426 Abs. 1 BGB3406 dort nicht durchgreifen kann, wo es nicht mehr um die Aufteilung einer Steuerschuld, sondern um darüber hinausreichenden Vorteilsausgleich geht.3407 Gleiches gilt für den vertraglichen Aufwendungsersatz, der ebenfalls nicht einschlägig ist, soweit der Aspekt der Vorteilszuweisung betroffen ist.3408 Allerdings ist auch der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung nur ausnahmsweise in der Lage, eine aus der Anwendung des Steuerrechts resultierende Vorteilsverteilung zu korrigieren. Denn der Bereicherungsanspruch kann hier an keine präexistente Rechtsposition mit eigenem Zuweisungsgehalt anknüpfen, sondern soll eine erwünschte Güterzuweisung vielmehr – selbst und erstmalig – herstellen.3409 Nach Dafürhalten des Verf. ist das nur dann möglich, wenn sich die materiell zutreffende Güterzuweisung zweifelsfrei aus dem Verfassungsrecht ableiten lässt.3410 Was die im 2. Teil analysierten Fallgruppen angeht, konnte dies lediglich für den Bereich der Ehegattenbesteuerung angenommen werden: Vorteilhafte steuerliche Positionen, die eine Folge der Zusammenveranlagung bilden, sind vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Ehegattensplittings – insbesondere der in Art. 6 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Gemeinschaftsvorstellung – hälftig aufzuteilen. Dies gilt nicht nur für den Progressionsvorteil,3411 sondern auch für eine etwaige verlustverrechnungsbedingte Steuerersparnis.3412 § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB findet Anwendung, soweit diese 3405 Siehe insbesondere S. 445 ff., S. 483 ff. sowie auch etwa Fn 2093. 3406 Nach hier vertretener Auffassung können Erstattungsbeträge nach § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 37 Abs. 2 AO in den Gesamtschuldnerausgleich einbezogen werden (S. 429 ff., S. 454). Ferner ist er auf das Verhältnis von Steuerschuldner und Haftendem zu erstrecken (siehe 15.). 3407 Siehe schon Fn 3377. 3408 Vgl. S. 616. 3409 Siehe insbesondere S. 446 ff. sowie auch S. 485 ff., S. 617 ff. 3410 Näher S. 448 f., S. 617 ff. (mit Fn 3149). 3411 Siehe zu ihm § 11 C III. mit A II. 3412 Ausführlich dazu § 11 F.

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Schlussbetrachtungen

Positionen nicht bereits über den Unterhaltsanspruch3413 oder über § 426 Abs. 1 BGB analog3414 ausgeglichen werden können.3415 19. Zugleich erschöpft sich der Bereicherungsausgleich hierin. Insbesondere kann er – entgegen der herrschenden Meinung3416 – aus sich heraus weder für den Bereich der Ehegattenbesteuerung noch in anderen Sachgebieten eine (über die soeben getroffenen Feststellungen hinausgehende) Kompensation verlustverrechnungsbedingter Steuervorteile tragen. Denn eine vom Besteuerungsergebnis abweichende Zuweisungsentscheidung kann dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Bezug auf die eingetretene Steuerersparnis (als Gegenstand der Bereicherung) nicht entnommen werden.3417 Auch aus der Rechtsnatur negativer Einkünfte können keine abweichenden bereicherungsrechtlichen Folgerungen abgeleitet werden.3418 Zu bedenken ist aber, dass die so perpetuierte steuerrechtliche Vorteilszuweisung bei periodenübergreifender Betrachtung in aller Regel nicht definitiv bleibt, da sich die eingetretenen positiven Steuereffekte in späteren Jahren zugunsten des Verlustträgers auswirken können, und zwar im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs bzw. des Aufwendungsersatzanspruchs.3419 Eine Gefahr unbilliger Ergebnisse auf breiter Front besteht folglich nicht. 20. Die im Schrifttum geäußerte Vermutung, dass sich in Analogie zur Eingriffskondiktion ein genereller zivilrechtlicher Bereicherungsausgleich für steuerliche Fehlleitungen begründen lasse,3420 hat sich folglich nicht bestätigt. Dem Bereicherungsrecht kommt vielmehr nur ausnahmsweise und in besonderen normativen Situationen eigenständige Bedeutung zu. In der Vielzahl der in Betracht kommenden Fälle hat sich stattdessen der Gesamtschuldnerausgleich und – als Reservetatbestand – der vertragliche Aufwendungsersatz als weiterführend erwiesen. Hieran wird zugleich deutlich, dass es auch in diesem Kontext3421 keines Rück-

3413 Vgl. oben 9. und 10. 3414 Vgl. Fn 3378, Fn 3406. 3415 § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB bildet auch den richtigen Anknüpfungspunkt für die Prüfung von Ausgleichsansprüchen wegen Vorsteuerüberhängen in umsatzsteuerrechtlichen Organschaften (siehe dazu bereits Fn 3363). Lediglich Sonderfälle behandeln Pyszka/Hahn, GmbHR 2010, 689, 692. 3416 Nachweise in Fn 2392. 3417 Siehe S. 486 ff., S. 617 ff. 3418 Vgl. wiederum Fn 3417. 3419 Näher S. 621 f.; vgl. auch S. 557 f. 3420 So Schön, StuW 2005, 247, 253 unter Hinweis auf Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 161 ff. 3421 Zu nicht ausgleichsfähigen (fremdbestimmten) Steuerfolgen siehe bereits oben 6.

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griffs auf das Instrument der ergänzenden Vertragsauslegung bedarf.3422 § 313 BGB kommt hier ebenfalls kein Anwendungsbereich zu, denn wenn die Steuerfolge nach Maßgabe der bisherigen Ausführungen ausgleichsfähig ist, stellt die Zivilrechtsordnung auch stets einen genügenden Ausgleich sicher, ohne dass dafür eine Vertragsanpassung notwendig wäre.3423

3422 Vgl. bereits S. 605 und Fn 2744. Die ergänzende Vertragsauslegung ist in einer vergleichbaren normativen Situation (näher Fn 1043) von Knobbe-Keuk, Bilanzund Unternehmenssteuerrecht, S. 516 f.; ders., StuW 1985, 382, 383 heran­ gezogen worden; ähnlich Felix/Streck, DB 1975, 2213, 2214 ff., die (nach altem Schuld­recht) die Geschäftsgrundlagenlehre fruchtbar machen wollten. 3423 Vgl. wiederum S. 605; zu dem davon zu trennenden Aspekt der vertragsrechtlichen Bewältigung von Fehleinschätzungen der Steuerrechtslage und von veränderten steuerlichen Rahmenbedingungen vgl. oben 4.

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766

Stichwortverzeichnis Äquivalenzprinzip  118, 147 Analogie  31, 399 Anrechnung, einkommensteuerrechtliche – Gewerbesteuer  571, 574 ff., 608 ff. – Steuerabzug/Vorauszahlungen siehe Ehegattenbesteuerung Aufwendungsersatz – Gewerbesteuer  549, 600 ff., 616, 622 – Steuerausgleich allgemein  188 f., 191 f., 213 f., 689 ff. – Steuerentnahmerecht  515 f., 546 ff., 559 f., 562 f., 568 f. Ausgleichende Gerechtigkeit  185 ff., 215 f. Ausgleichssystem, zivilrechtliches – Ausgleichsfunktion Zivilrecht  185 ff., 215 ff., 224 ff., 393 f., 685 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip, Verhältnis  185 ff., 193 ff., 206 ff., 215 f., 218 ff., 222 ff., 235 f., 680 – Steuerausgleich allgemein  177 ff., 206 ff., 213 ff., 222 ff., 393 f., 680 Auslegung – ergänzende Vertragsauslegung  191, 216 f., 515, 550, 563, 579, 605, 611 f., 616, 682, 692 f. – leistungsfähigkeitskonforme siehe verfassungsorientierte – Steuertatbestände  3 f., 17 ff., 32 f., 47 ff., 49 f., 56 ff., 179 ff.

– verfassungskonforme  73, 76 ff., 100, 162 ff., 167, 175, 199 f., 209 ff., 539, 593 f., 679 f. – verfassungsorientierte  71, 162 ff., 167, 183 f., 195, 199 f., 212 ff., 231 f., 252, 268 f., 271, 340, 350 f., 424, 448 ff. Außenlösung  417 ff., 685 Belastungsgleichheit  24, 55, 87, 101, 103 ff. Bereicherungsrecht – Ehegatten  249, 426, 429, 431, 445 ff., 451, 455, 473 f., 476, 478 ff. – Gewerbesteuer  581, 605, 611 ff., 617 ff. – Steuerausgleich allgemein  687, 690 ff. Besteuerung – Gesetzmäßigkeit  31, 55 – Gleichmäßigkeit siehe Belas­ tungsgleichheit Ehegatten/-besteuerung – Abschlusszahlungen  352, 354, 413 f., 424 f., 451 f., 456 ff. – Anrechnung  357 ff., 405 ff., 413 ff., 429 f. – Bereicherungsrecht siehe dort – eheinterne Abreden  7, 246, 342 f., 351 f., 369 f., 373 f., 382 ff., 418 ff., 450 ff. – Einkommensteuer-Vorauszahlungen  352 f., 412 f. – Einzelveranlagung  253 ff., 272, 343 f., 382, 459

767

Stichwortverzeichnis

– Erstattungsbeträge  244 ff., 335 f., 346 f., 377, 387, 408, 415, 427 ff., 451 ff., 494 ff. – Förderungsgebot  258 ff., 268, 270, 323 ff. – Gesamtschuld siehe dort – Getrenntleben, dauerndes  275 ff., 366 ff. – Güterrecht  277 ff., 292, 313 ff., 336, 340 – Leistungsfähigkeitsprinzip  251 ff., 260, 262, 263 ff., 267 f., 270 f., 272 ff., 338 f., 349 ff., 367 f., 424 – Lohnsteuerklassen III/V  252 f., 340, 349 ff., 365, 374 ff., 386 f., 451, 458, 461 – Mitwirkung/Zustimmung Zusammenveranlagung  242 f., 247, 249 ff., 459 ff., 480 ff., 498 f. – Nachteil/Nachteilsausgleich  242 f., 247 ff., 252 f., 335 f., 343 ff., 348 ff., 365, 369 f., 371 ff., 386 ff., 424 f., 461 ff., 471 ff., 491 ff. – Schutz der Ehe  252, 258 ff., 264 f., 266 ff., 270 f., 272 ff., 338 ff., 368, 476 ff., 679, 691 f. – Splittingersparnis  245, 247 f., 251 f., 266 ff., 271, 335, 337 ff., 351, 365, 367, 370, 377 ff., 385, 387 ff., 424 f., 432 f., 444 ff., 474 f. – Steuerausgleich  2 f., 6 f., 241 ff., 256, 273 f., 335 ff. – Trennung  246, 365 ff., 378 ff., 385 f., 450 ff., 467 f. – Überlagerung, familienrechtliche  245 ff., 250 f., 277, 335 ff., 351 f., 373, 375, 384, 421, 454, 461 f., 466, 684 768

– Unterhalt  3, 7, 279, 292 ff., 339 f., 343 f., 366 f., 369 f., 370 ff., 383 ff., 429, 444, 451, 453, 478 f. – Verfassungsrecht  251 ff., 254 ff., 335 ff., 476 ff. – Verluste  5, 7, 248 ff., 295, 356 f., 471 ff. – Versöhnungsversuch  367 f. – Vorteil/Vorteilsausgleich  5, 245, 247 ff., 251 f., 266 ff., 271, 335, 337 ff., 351, 365, 370, 377 ff., 385, 387 ff., 424 f., 432 f., 444 ff., 473 ff. – Wirtschaftsgemeinschaft, eheliche­  263 f., 267, 270 f., 274 ff., 290 ff., 316 ff., 335 ff., 477 – Zusammenveranlagung  241, 251 ff., 254 ff., 287 ff., 337 f., 356 ff., 404 ff., 473, 476 ff., 489 ff. Eingetragene Lebenspartnerschaft  241, 316, 321 ff. Einheit der Rechtsordnung  19, 32 ff., 42, 45, 56 ff., 66, 74 f. Existenzminimum siehe Nettoprinzip, subjektives Fiskalzwecknorm  24 ff., 113, 172 f. Folgerichtigkeit  30, 85 ff., 97 f., 103 ff., 142 ff., 151, 154 Gemeinschaft, steuerliche  206 f., 216, 228 f., 235, 238 Gesamtschuld, steuerliche – Anwendbarkeit Zivilrechtsvorschriften  394 ff. – Aufteilung  254, 341, 344 ff., 354 f., 362 f., 370, 403, 409 f., 415 f., 458, 468 f.

Stichwortverzeichnis 

– Ehegatten  352 ff., 357 ff., 403 ff. – Gewerbesteuer  594 ff. – Haftung, Verhältnis  197, 392, 594 ff., 688 f. – Innenausgleich siehe Gesamtschuldnerausgleich – Leistungsfähigkeitsprinzip, Verhältnis  197 f. – Rechtsnatur  392 Gesamtschuldnerausgleich – Befreiungsanspruch  410 ff. – Ehegatten  244 f., 249, 352 ff., 371 ff., 388 ff., 416 ff. – Gewerbesteuer  594 ff., 616, 622 – Legalzession  433 ff. – Rechtsnatur  390 ff. – spezielle Rechtsbeziehung, Verhältnis  416 ff. – Steuerausgleich allgemein  7, 22, 188 f., 191 f., 197 f., 212, 687 ff. Geschäftsgrundlage  191, 216 f., 581, 605, 682, 693 Gewerbesteuer – Anrechnung siehe dort – Anteilsveräußerung  571, 576, 578, 586, 588, 591 f., 606 f. – Aufwendungsersatz siehe dort – Bereicherungsrecht siehe dort – Ergänzungsbilanz  571, 578 ff., 584 ff., 606 f. – Gesamtschuld siehe dort – Gewinnverteilungsabrede, Auslegung  579 ff., 588 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip  583 ff., 593 f., 598 ff., 611 ff., 618 ff. – Sondervergütungen, -bilanz, -bereich  571, 578 ff., 586, 588, 591

– Steuerausgleich  2 f., 8 f., 506 f., 570 ff., 640, 684 – Verfassungsmäßigkeit  103 f., 147 ff., 583, 613 – Verluste  576 f., 615 ff. – Vorauszahlungen  607 ff. Gewinnverteilungsabrede siehe Gewerbesteuer Haftung, steuerliche  197 f., 208 f., 212, 392, 549, 570, 594 ff., 688 f. Indirekte Steuern  111 f., 198, 212, 238 f. Individualbesteuerung, Grundsatz  254 f., 259, 261, 265 f., 272, 291, 360 Innenlösung  417 ff., 423 ff. Iustitia commutativa  50 ff., 58 f., 185 ff., 219 ff., 226 f., 238 f. Iustitia distributiva  26, 29, 50 f., 116 ff., 185 ff., 226 f. Leistungsfähigkeitsprinzip – Ableitung, verfassungsrechtliche  113 ff., 121 ff. – Abwägungsgewicht/Wirkkraft  152 ff., 166 ff., 213, 232 – allgemeiner Gleichheitssatz  103 f., 113 ff., 121 ff., 153 f., 158, 161 f. – Ausgestaltungsspielraum, gesetzgeberischer  131 ff. – Auslegung Gesetzesrecht siehe Auslegung – Ausprägungen  153 ff. – Begriff  106 ff., 111 f. – Ehegattenbesteuerung siehe dort – Finanzverfassung  114, 136 – Folgerichtigkeit siehe dort 769

Stichwortverzeichnis

– Freiheitsgrundrechte  121 ff. – Fundamentalprinzip  26, 105, 152, 156 ff. – Gewerbesteuer siehe dort – Indikatoren 109 ff., 128 f., 131 f., 135 f., 150 f., 523 ff. – iustitia distributiva siehe dort – Konkretisierbarkeit  155 f. – Leistungsfähigkeitswidrigkeit, absolute und relative  134 ff. – Nettoprinzip siehe dort – Privatautonomie, Verhältnis siehe dort – Rechtfertigung von Abweichungen  104, 115, 120 f., 124, 129, 136, 146 ff., 154 ff., 208 – Schutz von Ehe und Familie  123 ff., 138, 285 f. – Sozialstaatsprinzip  121 ff., 140 f. – Steuerarten  107 ff., 145 f., 159 f. – Steuerausgleich allgemein  12 f., 101 f., 164 f., 166 ff., 185 ff., 206 ff., 222 ff., 227 ff., 235, 638 ff., 679 ff. – Steuerentnahmerecht siehe dort – Steuergerechtigkeit siehe dort – Systemgrund und -ausgestaltungsentscheidungen  103 ff., 135 ff. – transparente Besteuerung siehe dort – Vieldeutigkeit  133 ff. Lenkungsnormen/-zwecke  24, 91 ff., 120, 160, 167 f., 195 f., 198, 204 f., 229 f. Mitunternehmerbesteuerung siehe transparente Besteuerung 770

Nachteilsausgleich – Ehegatten siehe dort – Steuerausgleich allgemein  197 f., 203, 687 ff. Nettoprinzip – objektives  74 f., 123 f., 137 ff. – subjektives  80, 106, 127 ff., 139 ff., 260, 293 ff. Nicht eheliche Lebensgemeinschaft  316 ff. Organschaft  2, 6 f., 14, 211, 397, 486, 602, 687 ff. Positivistischer Ansatz  27 ff., 104, 113, 172 f. Präexistente Ausgleichsrechnungen  1, 3, 5, 201 f., 205, 230 ff., 236 f., 680 f., 683 f. Primärsteuerausgleich  2 f., 6 ff., 12, 233 f., 236 Privatautonomie – Leistungsfähigkeitsprinzip, Verhältnis  220 f., 226 f., 229, 236 – Steuerfolgenverteilung  9 f., 101, 190, 210 f., 219 ff., 226 f., 229, 236 – steuermotivierte Gestaltungen siehe Steuerrecht, Verhältnis zum Zivilrecht Sachgerechtigkeit  143 f. Steuerentnahmerecht – Allgemeines  2, 8, 181, 184, 198 f., 505 f., 509 ff., 540 ff., 640 – Anteilsveräußerung  511 – Aufwendungsersatz siehe dort – Einkommensteuer-Vorauszahlungen  517, 529, 553, 555, 558 ff., 564

 Stichwortverzeichnis

– Ergänzungsbilanz  511 ff. – Inhalt/Reichweite  509 ff., 516 f., 540, 543 f., 546, 552 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip  209, 507, 513, 517 ff., 538 f., 545 f., 549 ff., 560 ff. – Rechtsgrundlage  544 ff. – Sondervergütungen, -bilanz, -bereich  511, 575 f. – Verbuchung  555 f. – Verluste  556 ff. – Vorschuss  554 f., 559 ff. Steuerfolge/-wirkung – ausgleichsfähige/nicht ausgleichsfähige  638 ff., 680 ff. – Begriff  5 – fremdbestimmte  10 f., 189, 507, 512 f., 577, 585 f., 633 ff., 681 f. – Verschiebung, maßstabswidrige  12, 181, 184, 196 ff., 208 ff., 228, 235 f., 253, 337, 348 ff., 507, 517, 522 ff., 551, 562 f., 571, 583 ff., 611 ff., 621 f., 630, 638 ff., 679 ff. Steuergerechtigkeit  106 f., 113 ff., 143, 151 Steuerklausel – Begriff  5 f., 7f. – Steuertragungsabrede  7 ff., 101, 175, 190, 201, 216, 219 ff., 226 f., 236, 540, 542, 563 f., 568 f., 581 f., 615, 648 ff., 681 ff. Steuerlast siehe Steuerfolge/-wirkung Steuerrecht, Verhältnis zum Zivilrecht – Auslegung Steuertatbestände siehe dort – Gestaltungen  4, 19, 46, 47 ff., 49 ff., 56 ff., 179 ff., 185 ff., 239

– Ordnungsfunktion, zivilrechtliche  19, 22, 35 ff., 43 ff. – Vorherigkeit  34 – Wertungsabstimmung siehe dort Steuerschuldrecht – Allgemeines  21, 223, 392, 395, 437 f. – Anrechnung siehe Ehegattenbesteuerung – Gesamtschuld siehe dort – Zusammenveranlagung siehe Ehegattenbesteuerung System, inneres – axiologischer Ansatz  25 ff., 156 ff. – positivistischer Ansatz siehe dort – Steuerrecht allgemein  24 ff., 49 f. Systemgerechtigkeit  30, 36, 85 ff., 97 f., 142 ff., 272 Transparente Besteuerung – Allgemeines  500 ff. – Bilanzbündeltheorie  502, 536 – Gesellschaftsrecht, Verhältnis  501 ff. – Gewerbesteuer  506 f., 570 ff. – Leistungsfähigkeitsprinzip  199, 507, 517 ff. – Steuerausgleich  505 ff., 509 ff., 570 ff. Treuepflicht, gesellschaftsrechtliche – 10, 509, 514 f., 544 ff., 550 ff., 557, 567, 569, 581, 630 ff., 636 ff., 642 ff., 682, 686 Typisierung siehe Vereinfachungszwecknormen 771

Stichwortverzeichnis

Überlagerung – familienrechtliche siehe Ehegatten – vertragliche  200 ff., 219 ff., 226 f., 229, 236 f., 337, 540, 542, 563 f., 568 f., 581 f., 588 f., 600, 615, 648, 682 f. Vereinfachungszwecknormen  140, 150, 197, 204, 231, 291 ff., 305 f., 532 ff., 606 Verfassungsmäßigkeit durch Ausgleich  13, 208 ff., 219, 539, 588 f., 640, 679 f. Verluste, steuerliche – Ehegatten siehe dort – Gewerbesteuer siehe dort – Steuerausgleich allgemein  5, 248, 480 ff., 486 ff., 617 ff., 691 f. – Steuerentnahmerecht siehe dort Vertragsfreiheit siehe Privatautonomie Vorteilsausgleich – Ehegatten siehe dort – Steuerausgleich allgemein  5, 203 ff., 230, 687, 691 f. Wertungsabstimmung, teilrechtsordnungsübergreifende – Allgemeines  11 ff., 15 ff., 32 ff., 59 ff., 65 ff., 173 ff., 321 – Einheit der Rechtsordnung siehe dort – ordre public  41 ff., 44 ff., 52 ff., 59, 75 f.

772

– Steuer- und Zivilrecht  4, 11 ff., 15 ff., 23 ff., 32 ff., 49 ff., 59 ff., 65 ff., 164 f., 166 ff., 177 ff., 208 ff., 231 ff., 235 ff., 291, 341, 347, 393, 424 f., 583 – Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung siehe dort Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung – allgemeiner Gleichheitssatz  61, 77, 81, 82 ff. – Allgemeines  61 f., 63 ff. – Bindung Gesetzgeber  67, 78 f., 99 f., 184 – Bindung Rechtsanwender  67, 68 ff., 168, 174, 183 – Bundesstaat  68, 91 ff., 95 – Folgerichtigkeit siehe dort – Normwiderspruch  16, 63 ff., 96, 99 – Rechtsstaatsprinzip  58, 61, 64 f., 82, 91 ff. – Systemgerechtigkeit siehe dort – technischer Widerspruch  57 f., 63 – Verfassungsrecht/-prinzip  67, 75 ff., 79 ff. – Wertungswiderspruch  59 ff., 65 ff. Wirtschaftliche Betrachtungsweise siehe Auslegung Steuertatbestände Zusammenveranlagung siehe Ehegattenbesteuerung