Das Abenteuer der Selbstentdeckung - Heilung durch veränderte Bewußtseinszustände [5. Auflage] 3499196409


128 75

German Pages 374 [372] Year 2004

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Das Abenteuer der Selbstentdeckung - Heilung durch veränderte Bewußtseinszustände [5. Auflage]
 3499196409

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

STANISLAV GROF

Das Abenteuer der Selbstentdeckung HEILUNG DURCH VERÄNDERTE BEWUSSTSEINSZUSTÄNDE EIN LEITFADEN

ro ro ro

Zu diesem Buch

Immer mehr Menschen beginnen zu verstehen, daß die notwen­ dige Veränderung und Heilung unserer Lebenswelt im Inneren eines jeden von uns beginnen muß. Diese Veränderung ist nicht leieht. Viele psychotherapeutische Methoden erreichen nicht die tiefen Schichten, in denen die Wurzeln des seelischen Leidens liegen. Heilung kann nur geschehen, wenn nicht oberflächliche Symptome, sondern die darunterliegenden Ursachen behandelt werden. Stanislav Grof hat auf Grund jahrelanger Forschungen eine Me­ thode entwickelt, durch die der Klient mit der Unterstützung des Therapeuten die traumatischen Erfahrungen wiedererleben und in sein Bewußtsein integrieren kann. Diese Therapie hat sich zur Heilung von tiefen seelischen Krisen bewährt und sich als hervor­ ragender Weg zur Selbsterkenntnis erwiesen. In diesem Buch erklärt Grof auf allgemeinverständliche Weise die Grundlagen seiner Therapie, beschreibt, was in einer Sitzung pas­ sieren kann, und liefert Berichte von Leuten, die dabei außer­ gewöhnliche Erfahrungen gemacht haben. Eine faszinierende Einführung in eine der revolutionärsten Psychotherapien der letz­ ten fünfzig Jahre. Dr. med. Dr. phil. Stanislav Grof, geboren 1931 in Prag, dort zuerst Studium der Medizin, später auch der Medizin-Philosophie, sowie Facharzt- und psychoanalytische Ausbildung. Seine in Prag begonnene Erforschung außergewöhnlicher Bewußtseinszustände setzte Grof 1967 in den USA fort, wo er heute lebt. 1978-1982 war er Präsident der International Transpersonal Association. Er ist Autor mehrerer wissenschaftlicher Bücher.

Stanislav Grof

Das Abenteuer der Selbstentdeckung Heilung durch veränderte Bewußtseinszustände Ein Leitfaden

Deutsch von Wolfgang Stifter Scan & OCR von Shiva2012

ro ro ro transformation

rororo transformation Herausgcgeben von Bernd Jost Umschlaggestalltung Walter Hellmann (Foto Sambs/Bavaria)

5. Auflage Juli 2004 Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 1994 Copyright der deutschen Ausgabe © 1987 by Kösel-Verlag GmbH & Co., München Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Adventure of Selfdiscovery« Copyright © 1987 by Stanislav Grof Alle Rechte Vorbehalten Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN 3 499 19640 9

Inhalt

Einleitung......................................................................................................

9

I. Dimensionen des Bewußtseins: Eine neue Kartographie der menschlichen Psyche.........................................................................

17

A. Die sensorische Barriere und die analytisch-biographische Ebene ...............................................................................................................

20

B. Die Begegnung mit Geburt und Tod: Die Dynamik perinataler Matrizen......................... ................................................................... 1. Die erste perinatale Grundmatrix: Das amniotische Univer­ sum ............................................................................................................. 2. Die zweite perinatale Grundmatrix: Kosmisches Ver­ schlungenwerden und Ausweglosigkeit........................................ 3. Die dritte perinatale Grundmatrix: Der große Kampf vor Tod und Wiedergeburt........................................................................ 4. Die vierte perinatale Grundmatrix: Tod und Wiedergeburt . C. Jenseits des Gehirns: Transpersonale Dimensionen der Psyche .............................................................................................................. 1. Erweiterung des Erlebens innerhalb der »objektiven Reali­ tät« und der Raum-Zeit............................................... ....................... a. Überschreiten der räumlichen Grenzen................................... Erfahrungen der Zweieinigkeit 72 - Identifikation mit anderen Perso­ nen 74 - Gruppenidentifikation und Gruppenbewußtsein 77 - Identifi­ kation mit Tieren 80 - Identifikation mit Pflanzen und botanischen Prozessen 84 - Erfahrungen der Einheit mit der Gesamtheit des Lebens und der Schöpfung 87 - Identifikation mit toter Materie und anorganischen Prozessen 89 - Planetarisches Bewußtsein 93 - Außer­ irdische Erfahrungen 95 - Identifikation mit dem gesamten physikali­ schen Universum 97 - PSI-Phänomene, in denen die Grenzen des Raums überschritten werden 97

25 32 37 43 53

63 72 72

b. Überschreiten der Grenzen der linearen Zeit

102

Embryonale und fötale Erfahrungen 103 - Ahnen-Erfahrungen 108Erfahrungen, die sich auf die Existenz der Rasse und des Kollektivs beziehen 111 - Erinnerungen an frühere Inkarnationen 114- Phyloge­ netische Erfahrungen 128 - Erfahrungen, die sich auf die Evolution des Planeten beziehen 130 - Kosmogenetische Erfahrungen 130 PSI-Phänomene, in denen die Grenzen der Zeit überschritten werden 132

c. Physische Introversion und Verengung des Bewußtseins

136

Organ-, Gewebe- und Zellbewußtsein 136

2. Erweiterung des Erlebens über die Grenzen der »objektiven Realität« und der Raum-Zeit hinaus............................................... 138 Spiritistische und mediumistische Erfahrungen 139 - Energetische Phänomene des feinstofflichen Körpers 144 - Begegnungen mit tierischen Geistern 149 - Begegnungen mit geistigen Führern und übermenschlichen Wesen 153 - Besuche anderer Universen und Begegnungen mit ihren Bewohnern 155- Erfahrungen, in denen man an Handlungsabläufen aus Mythos und Märchen teilnimmt 157 Begegnungen mit einzelnen guten und bösen Gottheiten 160 - Begeg­ nungen mit universellen Archetypen 164 - Intuitives Verstehen uni­ verseller Symbole 168 - Kreative Inspiration und prometheischer Impuls 171- Begegnungen mit dem Weltenschöpfer und Einblicke in die Erschaffung des Kosmos 173 - Die Erfahrung kosmischen Be­ wußtseins 175 - Die supra- und metakosmische Leere 179

3. Transpersonale Erfahrungen psychoider Natur........................ a. Synchronistische Verbindungen zwischen Bewußtsein und Materie.............................................................................................. b. Spontane psychoide Ereignisse................................................... c. Intentionale Psychokinese............................................................. 4. Revolutionäre philosophische Aspekte transpersonaler Er­ fahrungen .................................................................................................

180 183 186 191 195

II. Neue Perspektiven in der Psychotherapie und der Selbsterforschung......................................................................................... 201 A. Prinzipien der holotropen Therapie............................................ 201 1. Therapeutische Auswirkungen des intensiven Atmens (Pneumokatharsis)................................................................................. 207 2. Das Heilpotential der Musik.............................................................. 222

3. Gezielte Körperarbeit........................................................................... 4. Das allgemeine Vorgehen bei der holotropen Therapie . . . B. Effektive Mechanismen der Heilung und Persönlichkeits­ transformation ............................................................................................ 1. Intensivierung konventioneller therapeutischer Mechanis­ men ............................................................................................................. 2. Dynamische Verlagerungen in den Steuerungssystemen der Psyche ....................................................................................................... 3. Das therapeutische Potential des Tod- und Wiedergeburts­ prozesses.................................................................................................... 4. Therapeutische Mechanismen in transpersonalen Erfahrun­ gen .............................................................................................................. 5. Heilung als Schritt auf dem Weg zur Ganzheit......................... C. Möglichkeiten und Ziele der Selbsterforschung mit Drogen oder anderen Methoden........................................................................... 1. Emotionale und psychosomatische Gesundung....................... 2. Die Suche nach befriedigender Lebensgestaltung.................... 3. Das Streben nach Spiritualität und letzter philosophischer Erkenntnis.................................................................................................

235 242

263 266 273 278 281 283

298 299 310 318

III. Anhang: Psychedelika in Psychotherapie und Selbst­ erforschung ................................................................................................... 1. Psychedelische Pflanzen und Substanzen..................................... 2. Die Verwendung von Psychedelika in Ritus und Therapie. . 3. Prinzipien der LSD-Psychotherapie...............................................

329 329 336 344

Literatur...........................................................................................................

353

Register............................................................................................................

361

Wenn ihr euch selbst erkennt, werdet ihr erkannt werden, und ihr werdet wissen, daß ihr Söhne des lebendigen Gottes seid. Wenn ihr euch aber nicht selbst erkennt, bleibt ihr arm, und ihr werdet Armut sein. Jesus, Thomas-Evangelium, Logion 3

Andere zu erkennen, ist Weisheit, sich selbst zu erkennen, ist Erleuchtung. Andere zu beherrschen, erfordert Macht, sich selbst zu beherrschen, erfordert Stärke. Lao Tsu, Tao Te King XXXIII

Einleitung

Schon früh in meiner beruflichen Laufbahn wurde ich auf die bemerkenswerten heilenden und transformativen Kräfte außerge­ wöhnlicher Bewußtseinszustände aufmerksam, einmal aufgrund mehrerer tiefgehender persönlicher Erfahrungen mit psychedeli­ schen Substanzen, zum anderen durch die klinische Beobachtung der Wirkung solcher Substanzen bei psychiatrischen Patienten. Die systematische Erforschung der theoretischen Bedeutung und des praktischen Werts außergewöhnlicher Bewußtseinszustände bildet den Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Arbeit seit nunmehr über drei Jahrzehnten. In den ersten zwanzig Jahren war diese Arbeit fast ausschließlich verschiedenen psychedelischen Substanzen gewidmet, anfangs im Rahmen verschiedener Forschungseinrichtungen in Prag in der CSSR, später am Maryland Psychiatric Research Center in Balti­ more, Md. Aufgrund meiner Forschungen gelangte ich zu der Überzeugung, daß Psychedelika - wenn sie richtig und unter sach­ kundiger Anleitung eines Fachmannes verwendet werden - außerge­ wöhnliche Hilfsmittel für Psychiatrie und Psychologie darstellen. Sie führen nämlich nicht drogenspezifische Zustände herbei, wie andere Pharmaka, sondern funktionieren eher wie unspezifische Katalysatoren oder Verstärker der unbewußten Prozesse. Sie erhö­ hen das Energieniveau der menschlichen Psyche und legen auf diese Weise ihre tief verborgenen Inhalte sowie ihre dynamischen Zusam­ menhänge offen. Wenn man also mit LSD und anderen Psychedelika klinisch arbeitet, so untersucht man nicht lediglich die Auswirkungen einer hochwirk­ samen und exotischen psychoaktiven Substanz oder einer Gruppe von chemischen Verbindungen, sondern man erschließt den wohl am meisten versprechenden Zugang zum Verständnis der menschli­ chen Psyche und des menschlichen Wesens. Die Ergebnisse der psychedelischen Forschung sind direkt übertragbar auf andere Situa­ 9

tionen, in denen das Bewußtsein mit verschiedenen nicht-pharmakologischen Maßnahmen verändert wird. Sie werfen ein völlig neues Licht auf Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft, der vergleichen­ den Religionswissenschaft und der Anthropologie in bezug auf die alten Tod- und Wiedergeburt-Mysterien, die Übergangsriten ver­ schiedener Kulturen, die Prozeduren von Schamanen aller Zeiten, die Heilungszeremonien bei Naturvölkern, die spirituellen Praktiken von Religionen und mystischen Traditionen sowie auf andere Phä­ nomene von großer kultureller Bedeutung. Die außergewöhnlichen Bewußtseinszustände, die man in diesen unterschiedlichen Zusammenhängen beobachtet, werden in man­ chen Fällen mit Hilfe heiliger psychedelischer Pflanzen herbeige­ führt (siehe Anhang), in anderen durch die Verwendung hochwirk­ samer nicht-pharmakologischer Maßnahmen, bei denen Atemtech­ niken, lautes Singen, Trommeln, monotones Tanzen, die Überflu­ tung der Sinne mit Reizen, soziale Isolation und Reizdeprivation, Fasten sowie Schlafentzug auf verschiedene Weise miteinander kombiniert werden. Verblüffenderweise lassen sich die vielfältigen Erfahrungen, die durch psychedelische Verbindungen herbeigeführt werden, praktisch von Erfahrungen, die von verschiedenen nicht­ pharmakologischen Techniken herrühren, nicht unterscheiden. Ähnliche Phänomene können auch mit modernen Labormethoden, die außergewöhnliche Bewußtseinszustände fördern, hervorgerufen werden. Dazu gehören beispielsweise verschiedene Formen von Biofeedback, der Aufenthalt in einer Kabine oder einem Tank, wobei man von äußeren Reizen femgehalten wird, die Überflutung mit optischen oder akustischen Reizen, Schlafentzug und Traumde­ privation, die Verwendung kinästhetischer Vorrichtungen wie der »Hexenwiege« oder des rotierenden Betts, die Reizung des Gehirns mit Licht oder mit Tönen u . a . Auch die Erlebnisse mancher Perso­ nen in einer Kammer, in der der Sauerstoffgehalt der Atemluft reduziert ist, können psychedelischen Zuständen ähneln. Besonders interessant in Anbetracht des Hauptthemas dieses Buchs ist, daß das gesamte Spektrum von Erfahrungen in psychedelischen Therapiesitzungen durch verschiedene nicht-pharmakologische For­ men erlebnisorientierter Psychotherapie herbeigeführt werden kann, handele es sich dabei um Hypnose zur Aufdeckung verdrängter 10

Erinnerungen, Primärtherapie, Methoden der Neo-Reichianer, Ge­ stalttherapie, Nacktmarathon- und Aquaenergetikgruppen sowie verschiedene Formen von Rebirthing. Wie ich später noch im einzelnen beschreiben werde, sind alle diese Erfahrungen auch charakteristisch für die holotrope Therapie, eine hochwirksame Technik, mit der wir jetzt seit zehn Jahren arbeiten. In diesem Zusammenhang sollte ich auch noch zwei Situationen erwähnen, in denen sich außergewöhnliche Bedingungen einstel­ len. Da wären vor allen Dingen spontan auftretende ungewöhnliche Erlebnisse, die manche Menschen aus unbekannten Gründen ha­ ben. In der traditionellen Psychiatrie gelten solche Erlebnisse ge­ genwärtig als medizinische Probleme, als Manifestationen von Erkrankungen mit ungeklärter Ursache. In die zweite Kategorie spontan auftretender außergewöhnlicher Bewußtseinszustände fal­ len die sogenannten Nahtoderfahrungen, die uns etwa 40 Prozent der Menschen, die mit lebensbedrohlichen Situationen konfrontiert wurden, berichten (Moody 1975, Ring 1980 und 1984, Sabom 1983). Was einige der oben beschriebenen Situationen anbelangt, so müs­ sen wir uns auf historische Rekonstruktionen stützen, andere erfor­ dern Felduntersuchungen in fremden Kulturen und unter schwieri­ gen Bedingungen, und wiederum andere sind zu elementar oder unvorhersagbar, um systematisch wissenschaftlich untersucht wer­ den zu können. Die Tatsache aber, daß die beteiligten Phänomene in psychedelischen Zuständen ihre Parallelen finden, eröffnet die einmalige Gelegenheit, sie unter den kontrollierten Bedingungen eines klinischen oder eines Laborexperiments zu untersuchen. Die­ ser Punkt verdient besonderes Interesse, da die Phänomene, die man in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen beobachtet, auch für viele andere Forschungsbereiche von großer Tragweite sind. Die neuen Erkenntnisse haben so weitreichende Bedeutung, daß sie unsere Auffassung von der menschlichen Psyche, von den psychopathologischen Erscheinungen und vom therapeutischen Prozeß von Grund auf ändern könnten. Manche Beobachtungen sind nicht nur für die Psychologie und die Psychiatrie relevant, sondern stel­ len darüber hinaus das gegenwärtige Kartesianisch-Newtonsche 11

Paradigma der westlichen Wissenschaft in Frage. Sie könnten unser Bild vom Wesen des Menschen, von der Kultur und der Geschichte, ja sogar von der Wirklichkeit drastisch verändern. Nun ist der unkontrollierte Genuß psychedelischer Drogen heutzu­ tage, speziell bei der jungen Generation, weit verbreitet. Aufgrund der daraufhin getroffenen gesetzlichen, politischen und administra­ tiven Maßnahmen ist die psychedelische Forschung zunehmend schwieriger und unpopulärer geworden. Ich freute mich daher ganz besonders, als ich im Laufe der letzten zehn Jahre meiner berufli­ chen Tätigkeit die Entdeckung machte, daß faktisch das gesamte Spektrum psychedelischer Phänomene mit Hilfe einfacher und si­ cherer nicht-pharmakologischer Mittel hervorgerufen werden kann. Zusammen mit meiner Frau Christina gelang es mir, eine Technik zu entwickeln, die sich in dieser Hinsicht als besonders effektiv erwie­ sen hat. Die theoretische Grundlage dieses Ansatzes, den wir »Holonome Integration« oder »Holotrope Therapie« nennen, bilden die Beob­ achtungen aus der psychedelischen Forschung. In ihm sind auf bestimmte Weise kontrolliertes Atmen, Musik und andere klangli­ che Mittel, gezielte Körperarbeit und Mandalazeichnen kombiniert. Unsere eigenen Erfahrungen mit dieser Technik beschränken sich bisher auf bis zu vier Wochen dauernde Workshops. Wir hatten noch nicht die Gelegenheit, sie anhand solcher streng kontrollierter klini­ scher Studien zu überprüfen, wie wir sie in Baltimore bei der Erforschung der psychedelischen Therapie verwendet haben. Die meisten Teilnehmer unserer Workshops aber empfinden diese Technik als ein sehr effektives und faszinierendes Instrument zum Zweck der Selbsterforschung, das ausgesprochen gut geeignet ist, transformative und mystische Erfahrungen herbeizuführen. Wie sie häufig erklärten, war sie jeder Form von verbaler Therapie, die sie früher ausprobiert hatten, bei weitem überlegen. Selbst in nur kurzen Workshops konnten wir viele dramatische Besserungen verschiede­ ner emotionaler und psychosomatischer Störungen beobachten, von Störungen, die oft sehr schwer waren und seit langer Zeit bestanden hatten. In vielen Fällen wurde uns auf informelle Weise - durch Briefe, Telefonanrufe und anläßlich einer späteren Begegnung bestätigt, daß solche Veränderungen von Dauer waren. Mehrere 12

Kollegen und Kolleginnen, die mit uns die Anwendung dieser Technik geübt hatten und sie später in ihren Krankenhäusern anwen­ deten, gelangten zu den gleichen Schlußfolgerungen. In den letzten zehn Jahren haben wir die holotrope Atemtechnik bei vielen Tausenden von Teilnehmern an unseren Workshops in Nordund Südamerika, in verschiedenen Ländern Europas, in Australien sowie in Asien angewendet und konnten feststellen, daß sie in all diesen verschiedenen Teilen der Welt in gleichem Maße erfolgreich war - trotz der großen kulturellen Unterschiede. Dieses Buch ist die Antwort auf die wiederholte Nachfrage nach einer einfachen und leicht verständlichen, von Fachleuten und interessierten Laien glei­ chermaßen verwendbaren Darstellung der grundlegenden Informa­ tionen über Theorie und Praxis der holotropen Therapie. In meinen früheren Büchern lag der Schwerpunkt auf der Arbeit mit Psychedelika. Dadurch war der Kreis der interessierten Leser sicher­ lich erheblich eingeschränkt. Aufgrund des revolutionären Charak­ ters der neuen Erkenntnisse mußte ich diese im Rahmen fachlicher Diskussionen psychologischer Theorien darlegen und die Auseinan­ dersetzung zwischen dem Kartesianisch-Newtonschen Paradigma und dem aufkommenden neuen Paradigma mit einbeziehen. Das vorliegende Buch unterscheidet sich von meinen früheren Büchern in vielerlei bedeutsamer Hinsicht. Obwohl es zahlreiche Bezugnah­ men auf die psychedelische Forschung und Schilderungen von Drogenzuständen enthält, stehen im Mittelpunkt einfache, nicht­ pharmakologische Techniken der Selbsterforschung, zu denen die allgemeine Öffentlichkeit leicht Zugang hat und deren Verwendung nicht durch eine repressive Gesetzgebung oder durch andere Pro­ bleme, die Experimente mit Psychedelika komplizieren, einge­ schränkt ist. Alle interessierten Leser sollten Gelegenheit finden können, die in diesem Buch aufgestellten Behauptungen in speziel­ len Selbsterfahrungsworkshops unter fachkundiger Anleitung zu überprüfen. Auch von rein fachlichen Erörterungen, die das neue Material zum allgemein akzeptierten Wissensstand in der Psychologie und in anderen wissenschaftlichen Disziplinen in Beziehung setzen, habe ich hier abgesehen. Wie ich vermute, hat sich das generelle geistige Klima so gewandelt, daß die Leser vielfach entweder mit den 13

Argumenten, die ich Vorbringen würde, bereits vertraut sind oder das von mir Gesagte auch ohne sie akzeptieren. Da ich auf alle diese Fragen in meinen früheren Büchern eingegangen bin, werde ich entsprechende Hinweise auf sie für diejenigen geben, die eine solche theoretische Darlegung notwendig, nützlich oder interessant finden. Die grundlegenden Ergebnisse meiner klinischen Forschung mit Psychedelika sind sehr ausführlich in meinem Buch »LSD-Psychotherapie« (Grof 1983) besprochen. Die Beziehung zwischen den neuen Konzepten und den Hauptrichtungen der Tiefenpsychologie ist eingehend in meinem letzten Buch, »Geburt, Tod und Transzen­ denz: Neue Dimensionen in der Psychologie« (Grof 1985), abgehan­ delt. Von besonderer Relevanz für das vorliegende Buch ist der Abschnitt »Der strukturelle Aufbau emotionaler Störungen«, der als wichtige Ergänzung hinzugenommen werden kann. In »Geburt, Tod und Transzendenz« spreche ich auch ausführlich über wissenschaft­ liche Paradigmen und die Grenzen des Kartesianisch-Newtonschen Denkens in der Wissenschaft. Dabei vergleiche ich die Ergebnisse der modernen Bewußtseinsforschung mit den revolutionären Ent­ wicklungen in anderen wissenschaftlichen Disziplinen und mit ver­ schiedenen Aspekten des aufkommenden neuen Paradigmas. Ich möchte gern, daß dieses Buch ein leicht verständlicher Führer für die Selbsterforschung und eine effektive Psychotherapie ist, und will es daher nicht durch lange Abschweifungen in verwandte Problem­ bereiche belasten, nur um manches Gesagte zu rechtfertigen, oder es noch glaubwürdiger zu machen. Den letzten »Beweis« können die Leser nur in der eigenen Erfahrung finden. Ohne sie wird vermutlich vieles von dem, was in diesem Buch steht, nicht überzeugend sein, auch wenn ich noch so sorgfältig durchdachte intellektuelle Argu­ mente zur Stützung vorbrächte. Im ersten Teil dieses Buchs befasse ich mich vor allem mit der erweiterten Kartographie der Psyche, die das Ergebnis meiner klinischen Arbeit mit Psychedelika ist. Ich beschreibe die grundle­ genden Arten von Erfahrungen, die die meisten Menschen normaler­ weise machen, wenn sie auf ernsthafte Weise Selbsterforschung betreiben - sei es mit Psychedelika oder mit verschiedenen hoch­ wirksamen nicht-pharmakologischen Selbsterfahrungstechniken. Während das Modell der menschlichen Psyche, von dem die tradi­ 14

tionelle akademische Psychotherapie ausgeht, auf die analytisch­ biographische Ebene beschränkt bleibt, d. h. sich ausschließlich mit nachgeburtlichen Erinnerungen aus dem eigenen Leben befaßt, sind in der neuen Kartographie zwei zusätzliche Ebenen enthalten, die über die reine Biographie hinausgehen. Es handelt sich dabei einmal um die perinatale Ebene, die durch die beiden untrennbar miteinan­ der verbundenen Phänomene von Tod und Wiedergeburt gekenn­ zeichnet ist, und um die transpersonale Ebene, auf der im Prinzip jeder Aspekt der phänomenalen Welt sowie verschiedene mythische und archetypische Bereiche unmittelbar erfahren werden können. Nach meiner Auffassung ist die Kenntnis dieser erweiterten Karto­ graphie der menschlichen Psyche für eine gefahrlose und effektive Selbsterforschung unerläßlich. Im zweiten Teil gehe ich zum ersten Mal ausführlich auf die Grundprinzipien der holotropen Therapie ein, einer eklektischen psychotherapeutischen Technik ohne Anwendung von Drogen, die ich schon kurz erwähnt habe. Diese Methode kann für sich allein, als Ergänzung zu einer psychedelischen Therapie oder in Verbindung mit verschiedenen anderen Selbsterfahrungstechniken und verschiede­ nen Formen von Körperarbeit angewendet werden. Zwar können die Beschreibung und die Erörterung der holotropen Therapie in diesem Buch die eigentliche Ausbildung in dieser Therapieform nicht erset­ zen, zu der persönliche Erfahrung und Arbeit mit anderen unter Supervision gehören, doch werden die Informationen gegeben, die für den Klienten wie auch für den Therapeuten notwendig sind. In einem besonderen Abschnitt konzentriere ich mich auf die effekti­ ven Mechanismen der Heilung und der Persönlichkeitstransforma­ tion, die in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen wirksam sind- unabhängig davon, ob diese sich spontan einstellen, durch Drogen herbeigeführt werden oder im Laufe einer Behandlung mit verschiedenen nicht-pharmakologischen Formen von Psychothera­ pie auftreten. Obwohl die meisten dieser Mechanismen neue Prinzi­ pien im Repertoire westlicher Therapiemethoden darstellen, sind sie eigentlich sehr alt. Sie haben seit undenklichen Zeiten in Praktiken von Schamanen, in Heilritualen und Übergangsriten eine bedeut­ same Rolle gespielt. Heutzutage werden sie wiederentdeckt und in die Sprache der modernen Wissenschaft übersetzt. 15

Das Buch schließt mit einer Erörterung der Frage, welche Möglich­ keiten und welche Ziele mit einer Selbsterforschung verknüpft sind, die sich die therapeutische und transformative Kraft außergewöhnli­ cher Bewußtseinszustände zunutze macht. Dabei beschreibe ich auch, wie dieser Prozeß der Heilung emotionaler und psychosomati­ scher Störungen einhergeht mit der Erkenntnis einer befriedigende­ ren Lebensstrategie und der Suche nach Antworten auf die grundle­ genden ontologischen und kosmologischen Fragen der Existenz. Der Anhang über psychedelische Therapie soll das Buch sowohl in historischer als auch in thematischer Hinsicht vervollständigen. Wie ich schon erwähnte, entwickelte sich die Technik der holotropen Therapie aus der Arbeit mit Psychedelika und läßt sich voll und ganz mit ihr vereinbaren. Obwohl die psychedelische Therapie heutzu­ tage so gut wie überhaupt nicht ausgeübt wird, mag dieser Abschnitt für manche Leser von Interesse sein, entweder aufgrund eigener Erfahrungen mit Psychedelika oder aus rein theoretischen Gründen. Meine insgeheime Hoffnung ist ja, daß dieses ungewöhnliche thera­ peutische Verfahren in nicht allzu ferner Zukunft in die Psychiatrie und Psychologie wieder Eingang finden wird. Wenn überhaupt oder sobald dies tatsächlich der Fall sein sollte, könnten Psychedelika Teil eines ganzen Kontinuums therapeuti­ scher Maßnahmen sein - eines Kontinuums, das transpersonal orientierte Interviews, das Sandspiel nach C. G. Jung, verschiedene Formen von Meditation, Gestaltübungen, Körperarbeit, die holotrope Therapie und möglicherweise noch andere, mit den genannten Vorgehens weisen vereinbare Ansätze umfaßt. All diese Techniken, die einander ergänzen und in der gleichen Richtung wirksam sind, könnten dann mit der nötigen Flexibilität und Feinfühligkeit im Rahmen einer gefahrlosen und wirklich effektiven Psychotherapie und Selbsterforschung angewendet werden. Ich habe dieses Buch in der Hoffnung geschrieben, daß zumindest einige Leser oder Leserinnen es als wertvollen Begleiter und Führer auf ihrem eigenen Weg zur Selbsterkenntnis empfinden werden einem Weg, der uns nach Ansicht vieler großer Philosophen und Weiser einem der edelsten Ziele der Menschheit näherbringen soll. Big Sur, Kalifornien, 1986 16

Stanislav Grof, M.D.

I. Dimensionen des Bewußtseins: Eine neue Kartographie der menschlichen Psyche

Die traditionelle Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie be­ nutzt ein Modell der menschlichen Persönlichkeit, das sich auf die Biographie und das von Sigmund Freud beschriebene persönliche Unbewußte beschränkt. Dieser Ansatz mag im Rahmen einer psy­ chotherapeutischen Selbsterforschung mit Hilfe oberflächlicher Techniken, die auf dem verbalen Austausch basieren - beispiels­ weise die freie Assoziation oder das persönliche Interview - ange­ messen sein. Jedoch versagt ein solches Modell als Erklärung für die dynamischen Vorgänge bei der Heilung emotionaler und psychoso­ matischer Störungen, der Persönlichkeitstransformation und der Weiterentwicklung des Bewußtseins durch so hochwirksame Tech­ niken wie die psychedelische Therapie, den heilenden Trancetanz oder bestimmte Selbsterfahrungsmethoden in der modernen Psycho­ therapie. Solche Techniken aktivieren und mobilisieren tief unbewußte und überbewußte Ebenen der menschlichen Psyche und erfordern zu ihrem Verständnis einen sehr viel weiter gefaßten theoretischen Rahmen. Jeder, der sie für die eigene Selbsterforschung oder als Therapeut benutzt, braucht ein Modell oder eine Kartographie der Psyche, die Bereiche jenseits des rein Biographischen einschließt. Wir selber betrachten die Kenntnis einer solchen »Landkarte des Innenraums« als eine notwendige Voraussetzung für jede ernsthafte Arbeit an sich selbst und stellen sie im folgenden als Vorbereitung sowohl für die psychedelische als auch für die holotrope Therapie vor. Obwohl dieses Modell ursprünglich zur Erklärung der dynami17

sehen Vorgänge in psychedelischen Sitzungen entwickelt wurde, läßt es sich gleichermaßen auf eine intensive Selbsterfahrung ohne Einnahme von Drogen an wenden. Die neue Kartographie der menschlichen Psyche enthält die traditio­ nelle analytisch-biographische Ebene sowie zwei wichtige transbio­ graphische Ebenen - die perinatale Ebene, die in Beziehung zur Erfahrung von Geburt und Tod steht, und den transpersonalen Bereich. Erfahrungen auf allen diesen Ebenen - biographische, perinatale und transpersonale Erfahrungen - können von den mei­ sten Menschen ohne weiteres gemacht werden. Sie lassen sich in Therapiesitzungen mit psychedelischen Drogen, in verschiedenen Formen von Selbsterfahrung mit Hilfe von Atemtechniken, Musik, Tanz und Körperarbeit sowie regelmäßig in Träumen beobachten. Bewußtseinsverändemde Labortechniken wie Biofeedback, Schlaf­ entzug, Reizdeprivation oder Reizüberflutung und verschiedene Vorrichtungen zur Reizung des kinästhetischen Sinns können eben­ falls viele dieser Phänomene hervorrufen. Es gibt ein weites Spektrum alter sowie östlicher spiritueller Prakti­ ken, die eigens dafür gedacht sind, den Zugang zum perinatalen und zum transpersonalen Bereich zu erleichtern. Aus diesem Grund ist es kein Zufall, daß das neue Modell der Psyche große Ähnlichkeit mit jenen Praktiken besitzt, die im Lauf der Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende in verschiedenen großen mystischen Traditionen ent­ wickelt wurden. Das gesamte Erfahrungsspektrum ist auch von Historikern, Anthropologen und vergleichenden ReligionsWissen­ schaftlern beschrieben worden, und zwar im Zusammenhang mit verschiedenen Prozeduren von Schamanen, Übergangsriten und Heilungszeremonien bei Naturvölkern, Tod- und WiedergeburtMysterien sowie Trancetänzen in ekstatischen Religionen. Die neuere Bewußtseinsforschung schuf damit zum ersten Mal die Möglichkeit, sich ernsthaft mit dem alten und dem nicht-westlichen Wissen über das Bewußtsein zu befassen und eine echte Synthese zwischen jahrhundertealter Weisheit und moderner Wissenschaft anzustreben (Grof 1986). Die Tatsache, daß perinatale und transpersonale Erfahrungen sich auch in vielen spontan auftretenden außergewöhnlichen Bewußt­ seinszuständen einstellen können, hat weitreichende Folgen für die 18

Erklärung und Behandlung verschiedener psychischer Zustandsbil­ der, die die traditionelle Psychiatrie als psychotisch und somit als Anzeichen für eine geistige Erkrankung interpretiert. Im Licht der neuen Erkenntnisse lassen sich solche Erscheinungen als Ausdruck transpersonaler Krisen oder als »spirituelle Notfälle« auffassen. Wenn sie richtig gedeutet und behandelt werden, tragen sie unter Umständen sogar zur Heilung in emotionaler und psychosomati­ scher Hinsicht, zu einer Persönlichkeitswandlung und zu einer Erweiterung des Bewußtseins bei (Grof & Grof, 1986).

A. Die sensorische Barriere und die analytisch­ biographische Ebene

Die Techniken, die den Weg zu Erfahrungen des Unbewußten ebnen, aktivieren anfangs in der Regel die Sinnesorgane. Als Folge davon beginnt für viele Leute eine tiefgehende Selbsterforschung mit verschiedenartigen unspezifischen Sinneserfahrungen, etwa mit elementaren Visionen von Farben und geometrischen Mustern, mit der Wahrnehmung von klingenden oder summenden Geräuschen, mit Berührungsempfindungen in verschiedenen Teilen des Körpers, mit Geschmacks- oder Geruchssensationen. All diese Sinneserfah­ rungen sind mehr oder weniger abstrakter Natur. Es fehlt ihnen offenbar jede tiefere symbolische Bedeutung und sie sind für die Selbsterforschung und Selbsterkenntnis von geringer Bedeutung. Sie scheinen eine sensorische Barriere darzustellen, die überwunden werden muß, ehe die Reise in die eigene Psyche beginnen kann. Der nächste, am leichtesten erreichbare Bereich auf diesem Weg ist gewöhnlich die analytisch-biographische Ebene und das persönliche Unbewußte. Obwohl die zu dieser Kategorie zählenden Phänomene von erheblicher theoretischer und praktischer Bedeutung sind, braucht man nicht viel Zeit auf ihre Beschreibung zu verwenden. Der Grund dafür ist, daß sich die meisten traditionellen psychothera­ peutischen Ansätze auf diese Ebene der Psyche beschränken. Es gibt eine Unmenge an Fachliteratur, die die psychodynamischen Zusam­ menhänge im biographischen Bereich detailliert erörtert. Leider widersprechen sich aber verschiedene Schulen, und die Meinungen darüber, welche Faktoren in der Psyche wesentlich sind, warum psychopathologische Störungen entstehen und wie eine effektive Psychotherapie durchgeführt werden soll, gehen stark auseinan­ der. Die Erfahrungen dieser Kategorie beschränken sich auf bedeutsame Ereignisse und Umstände aus dem Leben der betreffenden Person von ihrer Geburt bis zur Gegenwart. Auf dieser Ebene der Selbster­ 20

forschung kann irgendetwas aus ihrem Leben, ein ungelöster Kon­ flikt, eine noch zu integrierende verdrängte Erinnerung oder eine unvollständige psychologische Gestalt aus dem Unbewußten auftau­ chen und zum Inhalt der Erfahrung werden. Es gibt nur eine Bedingung, damit dieses geschieht: der betreffende Inhalt muß genügend stark emotional besetzt sein. Hierin liegt ein großer Vorteil von Selbsterfahrungstherapien gegenüber rein verba­ len Ansätzen. Die Techniken, die das Unbewußte direkt zu aktivie­ ren vermögen, scheinen selektiv das in emotionaler Hinsicht bedeut­ samste Material zu verstärken und dessen Bewußtwerdung zu er­ leichtern. Wie Radarstrahlen tasten sie das gesamte System ab und entdecken das Material mit der stärksten emotionalen Ladung und Bedeutung. Auf diese Weise braucht der Therapeut oder die Thera­ peutin nicht erst zu entscheiden, was relevant und was irrelevant ist, sind doch gerade solche Entscheidungen zwangsläufig durch die berufliche Ausbildung, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schule oder durch persönliche Faktoren verzerrt. Im Großen und Ganzen läßt sich das biographische Material, das bei der Selbsterforschung zutage kommt, mit der Freudschen Theorie oder einer der von ihr abgeleiteten Schulen vereinbaren. Es gibt aber auch mehrere wesentliche Unterschiede. Bei der erfahrungsorien­ tierten Selbsterforschung wird das biographische Material nicht erinnert oder rekonstruiert, sondern unter Umständen voll und ganz wiedererlebt. Dabei stellen sich nicht nur Gefühle ein, sondern auch Körperempfindungen, visuelle und andere lebhafte Wahrnehmun­ gen. In der Regel geht all dies einher mit einer vollständigen Regression bis zu der Entwicklungsstufe, in der diese Ereignisse tatsächlich stattfanden. Wir konnten demonstrieren, daß die Altersregression in außerge­ wöhnlichen Bewußtseinszuständen vollständig und authentisch ist. Eine kurze neurologische Untersuchung eines Menschen, der in ein frühes Kindheitsstadium regrediert ist, führt zu Ergebnissen, die für einen Säugling und nicht für einen Erwachsenen charakteristisch sind. Zu beobachten sind der Saugreflex, sogenannte Axialreflexe und sogar ein positiver Babinskireflex - eine fächerförmige Strekkung der Zehen als Reaktion auf eine Reizung des seitlichen Teils der Fußsohle mit einem scharfen Gegenstand. 21

Ein anderer wichtiger Unterschied besteht darin, daß die relevanten Erinnerungen und andere biographische Elemente nicht einzeln auftauchen, sondern voneinander abgehobene dynamische Konstel­ lationen bilden, für die ich die Bezeichnung COEX-Systeme (aus »systems of Condensed experience«) geprägt habe. Die COEXSysteme enthalten Erinnerungen (und mit ihnen verknüpfte Phanta­ sien) aus unterschiedlichen Lebensabschnitten, deren gemeinsamer Nenner eine starke emotionale Besetzung von der gleichen Qualität, eine intensive Körperempfindung der gleichen Art oder irgendein anderes wichtiges Element ist. Mehrere typische Beispiele für COEX-Systeme, die Veranschaulichung ihrer dynamischen Zusam­ menhänge anhand von klinischen Fällen sowie eine ausführliche Diskussion ihrer Rolle bei einer erfahrungsorientierten Selbsterfor­ schung finden sich in meinem Buch »Topographie des Unbewußten: LSD im Dienst der tiefenpsychologischen Forschung« (Grof 1978). Ich faßte die COEX-Systeme zunächst als Prinzipien auf, die die Dynamik des persönlichen Unbewußten regelten, und erkannte ihre Wichtigkeit für das Verständnis der inneren Prozesse auf der biogra­ phischen Ebene. Später wurde aber deutlich, daß die COEX-Sy­ steme allgemeine Organisationsprinzipien darstellen, die auf allen Ebenen der Psyche wirksam sind. Die meisten biographischen COEX-Systeme sind mit bestimmten Aspekten des Geburtsprozesses dynamisch verbunden. Perinatale Themen und ihre Elemente besitzen wiederum spezifische assozia­ tive Verknüpfungen zu ähnlichen Erfahrungen im transpersonalen Bereich. Es ist deshalb für eine dynamische Konstellation nicht untypisch, daß sie Material aus mehreren Lebensabschnitten, vom Vorgang der biologischen Geburt und aus bestimmten transpersona­ len Bereichen wie etwa Erinnerungen aus früheren Inkarnationen, Identifizierung mit Tieren und mythologische Handlungsabfolgen enthält. Hierbei spielt die im Erleben vorhandene Ähnlichkeit zwi­ schen diesen Themen von unterschiedlichen Ebenen der Psyche eine wichtigere Rolle als irgendein konventionelles Kriterium des Kartesianisch-Newtonschen Weltbilds, sei es, daß zwischen den beteilig­ ten Ereignissen Jahre oder Jahrhunderte liegen, daß zwischen dem menschlichen und dem tierischen Erleben gewöhnlich ein himmel­ 22

hoher Unterschied besteht oder daß Elemente der »objektiven Reali­ tät« mit archetypischen und mythologischen Elementen kombiniert werden. Der letzte Hauptunterschied zwischen rein verbalen und erfahrungs­ orientierten Psychotherapien besteht darin, welche Bedeutung un­ mittelbaren körperlichen Traumen für die psychische Entwicklung des betreffenden Menschen zugeschrieben wird. In der traditionel­ len Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie konzentriert man sich ausschließlich auf psychische Traumen. Körperlichen Traumen wird ein direkter Einfluß auf die psychologische Entwicklung und eine Beteiligung am Entstehen emotionaler sowie psychosomati­ scher Störungen abgesprochen. Dies steht in einem schroffen Gegensatz zu den Beobachtungen bei erfahrungsorientierter Selbsterforschung, nach denen Erinnerungen an körperliche Traumen wichtiger als alles andere zu sein scheinen. In der psychedelischen Behandlung, in der holotropen Therapie und in anderen Selbsterfahrungstherapien ist das Wiedererleben lebens­ bedrohlicher Krankheiten, Verletzungen und Operationen oder etwa von Situationen, in denen man beinahe ertrunken wäre, extrem häufig. Die Bedeutung solcher Erlebnisse übersteigt zweifellos bei weitem die der gewöhnlichen psychischen Traumen. Die Emotionen und Körperempfindungen, die aus Situationen, in denen das Überle­ ben oder die Unversehrtheit des Organismus bedroht waren, übrig­ geblieben sind, scheinen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung verschiedener psychopathologischer Formen zu spielen, ein Um­ stand, der bisher von der akademischen Wissenschaft nicht erkannt wurde. Betrachten wir als Beispiel ein Kind mit einer schweren Krankheit, die sein Leben bedroht, etwa Diphtherie, und das verzweifelt nach Luft ringt. Die Eltern rufen die Ambulanz, das Kind wird sofort in ein Krankenhaus überführt, und ein Luftröhrenschnitt rettet sein Leben in letzter Minute. Die traditionelle Psychotherapie würde nun die Bedrohung des eigenen Lebens und die extremen körperlichen Qualen nicht als Traumen mit nachhaltiger Wirkung werten. Wenn überhaupt, würde sie sich auf die Tatsache konzentrieren, daß das Kind während seines Krankenhausaufenthalts von der Mutter ge­ trennt war, keine emotionale Zuwendung erhielt, und durch den 23

schrillen Ton der Sirene des Ambulanzfahrzeugs, die Begegnung mit fremden Personen und den Aufenthalt in einer fremden Umge­ bung verschreckt war. Umgekehrt würde man ein psychosomatisches Symptom wie Asthma, psychogene Schmerzen oder eine hysterische Lähmung als »Somatisierung« hauptsächlich psychischer Konflikte interpretie­ ren. Bei erfahrungsorientierter Selbsterforschung wird aber deut­ lich, daß lebensbedrohliche Traumen bleibende Spuren hinterlassen und erheblich zur Entwicklung emotionaler und psychosomatischer Störungen beitragen, etwa zur Entwicklung von Depressionen, Selbstmordtendenzen, Angstzuständen und Phobien, sadomasochi­ stischen Neigungen, sexuellen Problemen, Migränekopfschmerzen oder Asthma. In der Tat lassen sich Probleme, die sich eindeutig psychosomatisch bemerkbar machen, immer auf unbewußtes (bio­ graphisches, perinatales oder transpersonales) Material zurückfüh­ ren, in dem die körperliche Traumatisierung eine wesentliche Rolle spielt. Die Erfahrungen schwerer körperlicher Traumen stellen einen natür­ lichen Übergang zwischen der biographischen Ebene und dem im folgenden beschriebenen Bereich dar, dessen Hauptelement das Doppelphänomen von Geburt und Tod ist. Sie beinhalten Erlebnisse aus dem Leben der betreffenden Person und sind deshalb ihrer Natur nach biographisch. Die Tatsache aber, daß sie sie bis an den Rand des Todes brachten und mit extremen Beschwerden und Schmerzen verbunden waren, verknüpft sie mit dem Geburtstrauma. Aus ein­ leuchtenden Gründen kommt Erinnerungen an Krankheiten und Traumen, in denen das Atmen beeinträchtigt war - etwa Erinnerun­ gen an eine Lungenentzündung, eine Diphtherie, einen Keuchhusten oder eine Situation, in der man beinahe ertrunken wäre - in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu.

B. Die Begegnung mit Geburt und Tod: Die Dynamik perinataler Matrizen

Je tiefer der Prozeß der Selbsterforschung dringt, desto stärker kann das Element des emotionalen und körperlichen Schmerzes werden. Er kann einen so extremen Grad erreichen, daß die betreffende Person der Meinung ist, sie habe die Grenzen des individuellen Leidens überschritten und verspüre nun den Schmerz einer ganzen Gruppe von Menschen, der gesamten Menschheit oder gar allen Lebens überhaupt. Typische Beispiele dafür sind Erlebnisse, in denen man sich mit verwundeten oder sterbenden Soldaten identifi­ ziert, mit Gefangenen von Konzentrationslagern oder Kerkern, mit verfolgten Juden und frühen Christen, mit Mutter und Kind während der Geburt oder sogar mit Tieren, die von einem Feind angegriffen und zerfleischt werden. Auf dieser Ebene überschneiden sich also eindeutig biographische Erfahrungen und die vielfältigen transper­ sonalen Erfahrungen, die ich im nächsten Abschnitt beschreibe. Erlebnisse auf dieser Ebene sind gewöhnlich von heftigen physiolo­ gischen Reaktionen begleitet, etwa von verschieden starken Erstikkungsanfällen, von beschleunigtem Puls und starkem Herzklopfen, von Übelkeit und Erbrechen, von Veränderungen der Gesichtsfarbe, von Schwankungen der Körpertemperatur, von spontan auftreten­ den Hautausschlägen oder Quetschungen, von krampfhaften Zukkungen, von Zittern, von Verkrümmungen des Körpers oder ande­ ren auffallenden motorischen Phänomenen. In psychedelischen Therapiesitzungen und gelegentlich in einer Selbsterfahrungstherapie oder in spontan auftretenden Zuständen dieser Art können diese Phänomene so authentisch und überzeugend sein, daß die betref­ fende Person glaubt, sie würde tatsächlich sterben. Selbst ein unerfahrener Therapeut oder Zeuge solcher Erscheinungen kann diese Situation als ernsthafte Bedrohung ihres Lebens empfinden. Geht die Selbsterforschung nicht über die biographische Ebene hinaus, müssen sich nur diejenigen, die in ihrem Leben tatsächlich 25

schon mit dem Tod in enge Berührung gekommen sind, mit der Frage des Überlebens und der Vergänglichkeit auseinandersetzen. Wenn aber der Prozeß der Selbsterforschung den biographischen Bereich überschreitet, können die Themen von Leiden und Tod das Bild vollkommen beherrschen. Die Personen, deren Leben oder körperliche Unversehrtheit noch nicht ernstlich bedroht waren, können in diesen Erfahrungsbereich unmittelbar hineingeraten. Bei den anderen leitet das Wiedererleben schwerer körperlicher Trau­ men, Krankheiten oder Operationen in Erfahrungen dieser Art über. So kann sich das Wiedererleben von Kinderkrankheiten - Lungen­ entzündung, Diphtherie oder Keuchhusten - und einer Situation, in der man beinahe ertrunken wäre, verstärken und in die quälende Atemnot während der Geburt Umschlägen. Die für solche Erfahrungen charakteristische unmittelbare Konfron­ tation mit dem Tod ist gewöhnlich eng mit verschiedenen anderen Phänomenen verknüpft, die eindeutig mit dem Vorgang der biologi­ schen Geburt in Zusammenhang stehen. Während man mit dem Tod kämpft, erlebt man gleichzeitig, wie man um seine Geburt bzw. Entbindung kämpft. Außerdem lassen sich viele physiologische Reaktionen und Verhaltensweisen, die mit solchen Erfahrungen einhergehen, auf natürliche Weise vom GeburtsVorgang herleiten. Sehr häufig empfinden sich die betreffenden Personen als Föten und können verschiedene Aspekte ihrer biologischen Geburt mit sehr spezifischen und nachprüfbaren Einzelheiten wiedererleben. Das Element des Todes kann sich in der gleichzeitigen oder abwechseln­ den Identifizierung mit kranken, alternden oder sterbenden Men­ schen bemerkbar machen. Obwohl nicht das gesamte Spektrum solcher Erlebnisse auf das erneute Durchleben der biologischen Geburt zurückgeführt werden kann, scheint das Geburtstrauma doch ein wesentlicher Aspekt dieses Prozesses zu sein. Aus diesem Grund bezeichne ich diesen Bereich des Unbewußten als perinatal. Der Begriff perinatal setzt sich aus dem Griechischen peri und dem Lateinischen natalis zusammen. Peri- bedeutet wörtlich: um etwas herum oder bei, natalis heißt: die Geburt betreffend. Mit diesem Begriff werden in der Medizin häufig Prozesse beschrieben, die der Entbindung unmittelbar vorausgehen, mit ihr verknüpft sind oder ihr unmittelbar folgen. In medizinischen Lehrbüchern spricht man 26

beispielsweise von perinataler Blutung (Hämorrhagie), perinatalen Infektionen oder perinatalen Himschäden. Im Gegensatz zu der traditionellen Verwendung dieses Begriffs in der Geburtshilfe be­ zieht er sich in diesem Buch auf Erfahrungen. Die gegenwärtige Neurophysiologie leugnet die Möglichkeit von Erinnerungen an die Geburt. Gewöhnlich wird als Grund dafür angegeben, daß die Myelinscheiden in der Großhirnrinde des neugeborenen Kindes noch nicht voll ausgereift sind. Die Existenz authentischer perinata­ ler Erfahrungen läßt sich aber nicht in Frage stellen. Ihre Häufigkeit sowie ihre äußerst wichtige klinische Bedeutung sollten Gehimforschem als ein Anreiz dienen, ihre überholten Theorien zu überprüfen und zu revidieren. Die Verbindung zwischen der biologischen Geburt und den oben beschriebenen perinatalen Erfahrungen ist sehr tiefgehender und spezifischer Natur. Dies macht es möglich, mit Hilfe der für eine Geburt typischen Phasen ein theoretisches Modell zu konstruieren, das die Dynamik der perinatalen Ebene des Unbewußten verstehen hilft und sogar spezifische Vorhersagen in bezug auf den TodWiedergeburt-Prozeß bei verschiedenen Personen zuläßt. Perinatale Erfahrungen treten in typischen Konstellationen auf, deren Grundmerkmale auf eine erstaunlich logische Weise mit anatomischen, physiologischen und biochemischen Aspekten der einzelnen klinischen Geburtsstadien verknüpft sind. Wendet man das Geburtsmodell auf verschiedene psychopathologische Erschei­ nungsformen an, so gewährt es neue und einzigartige Einsichten in ihren dynamischen Aufbau und eröffnet revolutionäre therapeuti­ sche Möglichkeiten (Grof 1985). Trotz seiner engen Verbindung mit dem Geburtsvorgang geht der perinatale Prozeß über den rein biologischen Aspekt hinaus und besitzt wichtige psychologische, philosophische und spirituelle Di­ mensionen. Er sollte deshalb nicht reduktionistisch allein vom konkreten GeburtsVorgang her verstanden werden. Wer selber in seinem Erleben ganz in dieser Sphäre des Unbewußten gefangen ist oder sich als Forscher intensiv mit den Phänomenen auf dieser Ebene befaßt, dem mag die biologische Geburt als allumfassendes Erklä­ rungsprinzip ausreichend erscheinen. Aus einer umfassenderen Per­ spektive aber erscheint eine solche Denkweise zu eng und muß 27

erweitert werden. Nach meiner gegenwärtigen Auffassung ist die Anlehnung an den GeburtsVorgang sehr hilfreich, solange man sich auf die Phänomene einer bestimmten Ebene des Unbewußten be­ schränkt. Dringt der Selbsterforschungsprozeß in transpersonale Bereiche ein, muß man ein anderes Denkmodell heranziehen. Es gibt bestimmte wichtige Merkmale des perinatalen Prozesses, die unmißverständlich darauf hinweisen, daß dieser ein sehr viel allge­ meineres Phänomen als das Wiedererleben der biologischen Geburt ist. Aus Beobachtungen im Rahmen der klinischen Arbeit mit außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen geht hervor, daß tiefere Ursachen für viele psychopathologische Erscheinungsformen in den biologischen Aspekten der Geburt zu suchen sind. Tod- und Wieder­ geburt-Erlebnisse haben tiefgehende therapeutische Auswirkungen auf verschiedene emotionale und psychosomatische Probleme, die mit dem traumatischen Effekt der Geburt - sowohl für das Kind als auch die Mutter- Zusammenhängen. Sie besitzen aber auch wichtige transpersonale Dimensionen und können grundlegende Veränderun­ gen im philosophischen und spirituellen Glaubenssystem, in der Grundhierarchie der Werte und im allgemeinen Lebensentwurf bewirken. Die Begegnung mit Geburt und Tod auf dieser tiefen Erfahrungs­ ebene geht in der Regel mit einer existentiellen Krise von außeror­ dentlichem Ausmaß einher, in deren Verlauf sich der einzelne ernsthaft mit dem Sinn seines Lebens und der Existenz im allgemei­ nen auseinandersetzt. Diese Krise läßt sich nur lösen, wenn man die Verbindung zu tief im Innern wohnenden spirituellen Dimensionen der Psyche und Kräften des kollektiven Unbewußten herstellt. Die daraus resultierende Persönlichkeitstransformation und Weiterent­ wicklung des Bewußtseins ist mit Wandlungen vergleichbar, wie sie im Rahmen alter Tod- und Wiedergeburt-Mysterien, der Einwei­ hung in geheime Gesellschaften oder verschiedener Übergangsriten bei Naturvölkern beschrieben worden sind. Die perinatale Ebene ist somit eine wichtige Berührungsfläche zwischen dem persönlichen und dem kollektiven Unbewußten, oder zwischen traditioneller Psychologie und Mystik. Die Tod- und Wiedergeburtserlebnisse, die die perinatale Ebene des Unbewußten widerspiegeln, sind sehr vielfältig und komplex. Er­ 28

lebnisabfolgen, die mit verschiedenen Stadien und Aspekten der biologischen Geburt Zusammenhängen, sind häufig mit verschie­ denartigen transpersonalen Erfahrungen mythologischer, mysti­ scher, archetypischer, historischer, soziopolitischer, anthropologi­ scher oder phylogenetischer Art gekoppelt oder verknüpft. Sie treten meistens in vier charakteristischen Mustern oder Konstellationen auf. Dabei scheint es eine tiefere Entsprechung zwischen diesen Themengruppen und den klinischen Stadien des Geburtsvorgangs zu geben. Das Wiederaufleben von Erfahrungen des Fötus in den verschiede­ nen Geburtsstadien hat die Funktion einer selektiven Schablone, die den Zugang zu den Bereichen des kollektiven Unbewußten öffnet, in denen ähnliche Bewußtseinszustände eine Rolle spielen. Für die Theorie und Praxis tiefer erlebnisorientierter Selbsterforschung hat es sich als sehr nützlich erwiesen, die Existenz von vier hypotheti­ schen dynamischen Matrizen zu postulieren, die die Prozesse auf der perinatalen Ebene des Unbewußten steuern. Ich bezeichne diese Matrizen als perinatale Grundmatrizen. Die Matrizen haben nicht nur eigene emotionale und psychosomati­ sche Inhalte, sondern fungieren auch als Ordnungsprinzipien für Material aus anderen Ebenen des Unbewußten. So sind - was die biographische Ebene anbelangt - Elemente wichtiger COEX-Sy­ steme, in denen es um körperliche Mißhandlung, Bedrohung, Tren­ nung, Schmerz oder Ersticken, aber auch umgekehrt um Zustände biologischer und emotionaler Bedürfnislosigkeit geht, mit speziel­ len Aspekten der perinatalen Grundmatrizen eng verknüpft. Die Ausfaltung des perinatalen Bereichs geht auch häufig mit transpersonalen Erfahrungen einher, etwa mit archetypischen Visio­ nen von der Großen Mutter oder der Schrecklichen Muttergöttin, der Hölle, dem Fegefeuer, dem Himmel oder dem Paradies, mit der Identifikation mit Tieren und mit Erinnerungen an frühere Inkarna­ tionen. Wie im Fall der Verknüpfung mit verschiedenen COEXSystemen ist das Bindeglied zwischen diesen transpersonalen Phä­ nomenen und den perinatalen Grundmatrizen die Ähnlichkeit der beteiligten Emotionen und Körperempfindungen. Die perinatalen Matrizen haben auch spezifische Beziehungen zu verschiedenen Aspekten der Aktivitäten in den Freudschen erogenen 29

Übersicht über die perinatalen Grundmatrizen Matrix I

Matrix II

Matrix III

Matrix IV

Zugehörige psychopathologische Syndrome Schizophrene Psychosen (paranoide Symptomatik. Gefühle der mystischen Vereinigung. Begegnungen mit meta­ physischen Kräften des Bösen): Hypo­ chondrie (fremdartige und bizarre Körperempfindungen); hysterische Halluzinose und Verwechslung von Tagtrau­ men mit der Wirklichkeit

Schizophrene Psychosen (Empfindungen von Höllentorturen. Wahrnehmung der Welt als etwas Sinnloses und »Gemach­ tes«); schwere gehemmte »endogene« Depressionen; irrationale Minderwertigkeits- und Schuldgefühle: Hypochondrie (schmerzhafte Körperempfindungen); Alkohol- und Drogensucht

Schizophrene Psychosen (sadomasochi­ stische und skatologische Elemente. Selbstverstümmelung, abnormes Sexual­ verhalten); agitierte Depression; sexuelle Perversionen (Sadomasochismus, männ­ liche Homosexualität, Trinken von Urin und Kotessen); Zwangsneurose: psycho­ genes Asthma. Tics und Stottern, Konversions- und Angsthysterie; Frigidität und Impotenz; Neurasthenie; traumati­ sche Neurosen; Organneurosen; Migrä­ nekopfschmerzen: Enuresis und Enkompresis; Schuppenflechte; Magenge­ schwüre

Schizophrene Psychosen (Tod- und Wiedergeburterlebnisse. wahnhaftes Sendungsbewußtsein, Erlebnisse des Weltuntergangs und der Neuerstehung der Welt, der Rettung und Erlösung so­ wie der Identifikation mit Jesus Chri­ stus); manische Symptomatik; weibliche Homosexualität; Exhibitionismus

Zugehörige Aktivitäten in den Freudschen erogenen Zonen Libidinöse Befriedigung in allen eroge­ nen Zonen; libidinöse Gefühle beim Wiegen und Baden; teilweise Annähe­ rung an diesen Zustand nach oraler, ana­ ler, urethraler oder genitaler Befriedi­ gung oder einer Entbindung

Orale Frustrationen (Durst, Hunger. Schmerzempfindungen): Kot- und/oder Urinverhaltung; sexuelle Frustration: Kälte-, Schmerz- oder andere unange­ nehme Empfindungen

Kauen und Verschlucken von Essen; orale Aggressionen gegen einen Gegen­ stand; Defäkieren und Urinieren; anale und urethrale Aggressionen: sexueller Orgasmus; phallische Aggressionen: Entbindung eines Kindes; statoakustische Erotik (Iactatio, Tumen, intensive Hobbys, Fallschirmspringen)

Sättigung von Durst und Hunger: Genuß beim Saugen; libidinöse Gefühle nach dem Defäkieren, dem Urinieren, dem sexuellen Orgasmus oder einer Entbin­ dung

Zugehörige Erinnerungen aus dem Leben nach der Geburt Situationen aus dem späteren Leben, in denen wichtige Bedürfnisse befriedigt wurden, etwa glückliche Augenblicke aus dem Säuglings- und Kindesalter (lie­ bevolle Zuwendung von der Mutter, Spiel mit anderen Kindern, harmoni­ sches Familienleben etc.); erfüllende Liebe; Romanzen; Ausflüge oder Ur­ laubsreisen in eine schöne Umgebung; Genuß von Kunstwerken mit hohem äs-

Situationen, die mit Gefahr für Leib und Leben verbunden waren (Kriegserlebnis­ se. Unfälle. Verletzungen, Operationen, schmerzhafte Krankheiten, Situationen, in denen man dem Ertrinken oder Er­ sticken nahe war, Gefängnisaufenthalte, Gehirnwäsche und illegale Verhöre, körperliche Mißhandlungen etc.); schwere psychische Traumen (emotiona­ le Deprivation. Ablehnung, bedrohliche

Kämpfe, Auseinandersetzungen und Abenteuer (aktive Angriffe in Schlach­ ten und Revolutionen, Erlebnisse aus der Wehrdienstzeit, unruhige Flugrei­ sen. Fahrten auf stürmischem Meer, ge­ fährliche Autofahrten, Boxkämpfe); sin­ nesberauschende Erlebnisse (Karneval, Jahrmärkte und Nightclubs, wilde Par­ tys, sexuelle Orgien etc.); Situationen, in denen man als Kind sexuelle Aktivi-

thetischen Wert; Schwimmen im Meer und in klaren Seen etc.

Situationen, erdrückende Familienatmo­ sphäre, Verspottung und Demütigung usw.)

täten von Erwachsenen beobachtete; Si­ tuationen, in denen man Opfer von Ver­ führung oder Vergewaltigung war; bei Frauen: Entbindung ihrer Kinder

Zufälliges Entkommen aus gefährlichen Situationen (Ende von Kriegen oder Re­ volutionen. Überleben eines Unfalls oder einer schweren Operation); Über­ windung schwieriger Hindernisse durch eigenes Bemühen: Strapazen und heftige Anstrengungen, die von Erfolg gekrönt wurden; Naturszenen (Frühlingsbeginn. Ende eines Sturms auf dem Meer. Son­ nenaufgang etc.)

Zugehörige Phänomene in LSD-Sitzungen Ungestörtes intrauterines Leben: Positi­ ve Erinnerungen an das Leben im Mut­ terleib; »ozeanische« Ekstase; Erlebnis­ se der Einheit mit dem Kosmos: Arche­ typus von Mutter Natur; Visionen vom Himmel und vom Paradies. Störungen des intrauterinen Lebens: Ne­ gative Erinnerungen an das Leben im Mutterleib (fötale Krisen, Krankheiten und Aufregungen der Mutter, Zwillings­ situation. Abtreibungsversuche); kosmi­ sches »Verschlungenwerden«; parano­ ides Denken; unangenehme Körperemp­ findungen (»Kater«, Kältegefühle und ferne Spasmen, unangenehme Ge­ schmäcker, Ekel, das Gefühl, vergiftet zu werden); Visionen von Dämonen ver­ schiedener Kulturen der Welt, Begeg­ nungen mit bösartigen metaphysischen Kräften.

Verschlingender Malstrom, gefährliche Mutterspinnen, würgende Schlangen und Kraken; heftiges körperliches und psychisches Leiden; Empfindung einer unerträglichen und ausweglosen Situa­ tion, die nie enden wird; verschiedene Visionen von der Hölle; das Gefühl, in einer Falle oder einem Käfig (ohne Aus­ weg) gefangen zu sein; quälende Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle; apokalyptische Visionen von der Welt (Schrecken von Kriegen und Konzentra­ tionslagern, Terror der Inquisition; ge­ fährliche Seuchen; Krankheiten; Ge­ brechlichkeit und Tod usw.); Gefühle der Sinnlosigkeit und Absurdität der menschlichen Existenz; Erleben der Welt als etwas »Gemachtes« und ma­ schinell Künstliches; unheilvolle dunkle Farben und unangenehme körperliche Erscheinungen (Druckgefühle, Herz­ klopfen, Hitze- und Kälteempfindungen, Schwitzen, Atemnot).

Intensivierung des Leidens bis zu kos­ mischen Dimensionen; gleichzeitiges Empfinden von Lust und Schmerz; »vul­ kanische« Ekstase; leuchtende Farben; Explosionen und Feuerwerk; sadomaso­ chistische Orgien; Mord und Blutopfer; aktive Teilnahme an blutigen Schlach­ ten; wilde Abenteuer und Erkundung ge­ fahrvollen Terrains; orgiastische sexuel­ le Gefühle; Harems- und Kamevalsszenen; Tod- und Wiedergeburterlebnisse; religiöse Blutopfermotive (Blutopfer bei den Azteken, Christi Leiden und Tod auf dem Kreuz, Dionysos etc.); intensi­ ve Körperreaktionen (Druckschmerzen, drohendes Ersticken, Muskelspannun­ gen, die sich tremor- und zuckungsartig entladen, Übelkeit und Erbrechen, hefti­ ge Hitze- und Kälteempfindungen, Schwitzen, Herzbeschwerden, mangeln­ de Schließmuskelkontrolle)

Zugehörige Entbindungsstadien

Plötzliches Nachlassen eines starken Drucks; Erweiterung des Raums; Visio­ nen von gigantischen Hallen; strahlen­ des Licht und wunderschöne Farben (himmelblau, golden, Regenbogen. Pfauenfedern); »epiphanische« oder »er­ leuchtende« Ekstase; Gefühle der Wie­ dergeburt und Erlösung; Wunsch nach einem einfachen Leben; Intensivierung der Sinneseindrücke; Gefühle der Brü­ derlichkeit; humanitäre und karitative Neigungen; gelegentlich manische Akti­ vität und Größenwahnvorstellungen; Übergang zu Elementen der ersten peri­ natalen Grundmatrix; angenehme Ge­ fühle können durch eine Krise bei der Nabelschnurdurchtrenn ung unterbro­ chen werden: stechende Schmerzen am Nabel, Aussetzen der Atmung, Todesund Kastrationsängste, Veränderungen der Körperlage, aber kein Druck von außen.

Zonen und zu verschiedenen psychopathologischen Erscheinungs­ formen (siehe die Übersicht S. 30f). Ich möchte nun im folgenden die perinatalen Grundmatrizen in der Reihenfolge beschreiben, die für die entsprechenden Stadien im Verlauf der biologischen Geburt gilt. Diese Reihenfolge wiederholt sich aber während einer tiefen Selbsterforschung nur selten. Im Hinblick auf die Abfolge der Themen aus den verschiedenen Matrizen gibt es zahlreiche Varia­ tionsmöglichkeiten .

1. Die erste perinatale Grundmatrix: Das amniotische Universum Die biologische Grundlage dieser Matrix ist die ursprüngliche sym­ biotische Einheit des Fötus mit dem mütterlichen Organismus in der intrauterinen Existenz. In störungsfreien Phasen des Lebens im Mutterleib können die Bedingungen für den Fötus nahezu ideal sein. Verschiedene physikalische, chemische, biologische und psychi­ sche Faktoren können aber diesen Zustand ernsthaft beeinträchtigen. Auch wird in der Regel in den letzten Schwangerschaftsphasen die Situation für das Kind ungünstiger, da es gewachsen ist, seine Bewegungsfreiheit stärker eingeschränkt und die Plazenta relativ unzureichend geworden ist. Perinatale Erfahrungen können sich in einer konkreten biologischen Form oder in Kombination mit einer Vielfalt von symbolischen Bildern und vielen anderen, mit ihnen verknüpften Phänomenen einstellen. Zwischen den einzelnen Geburtsstadien und den mit ihnen zusammenhängenden Themen besteht eine sehr spezifische und selektive Beziehung, die von einer für diese Erfahrungsebene eigentümlichen Logik geprägt ist. Die Identifikation mit dem Fötus in verschiedenen Stadien des Geburtsprozesses schafft offenbar den Zugang zu Themen im transpersonalen Bereich, die ähnliche emotio­ nale Zustände und psychosomatische Erfahrungen zum Inhalt ha­ ben. Manche von ihnen haben die Form archetypischer Sequenzen, in anderen werden Situationen aus der kollektiven Erinnerung der Menschheit dargestellt, und es gibt sogar solche, die dem hologra­ 32

phischen Archiv der Natur in bezug auf das Tier-, Pflanzen- oder Mineralienreich entnommen sind. So können die Elemente der ungestörten intrauterinen Existenz von Erfahrungen begleitet sein bzw. mit Erfahrungen ab wechseln, die mit ihnen das Fehlen von Grenzen und Hindernissen gemeinsam haben. Dazu gehört die Identifikation mit dem Ozean oder verschie­ denen Lebensformen des Wassers (Algen, Seetang, Anemone, Qualle, Fisch, Delphin oder Wal) ebenso wie die Identifikation mit dem Kosmos, mit dem interstellaren Raum, mit der Milchstraße oder mit einem Astronauten, der unter den Bedingungen der Schwe­ relosigkeit im Weltall oder in einem kreisenden Raumschiff dahin­ schwebt. Weitere charakteristische und logische Begleiterscheinun­ gen des glückseligen fötalen Zustands sind Vorstellungen von der Natur, in denen sie sich von ihrer schönsten Seite zeigt, etwa in Form wunderbarer Landschaften oder als Mutter Natur, die Sicherheit gibt und bedingungslos nährt. Archetypische Themen aus dem kollektiven Unbewußten, denen man in diesem Zusammenhang begegnen kann, sind die Vorstellun­ gen, die verschiedene Kulturen vom Himmel oder vom Paradies haben. Dies erscheint auch recht zwingend, da in archetypischen Beschreibungen des Himmels oft von weiten offenen Räumen, von strahlenden Himmelskörpern wie der Sonne oder den Sternen sowie von anderen Elementen und Merkmalen des astronomischen Kos­ mos die Rede ist. Auch erscheint in den für verschiedene Kulturen typischen Vorstellungen vom Paradies die Natur von ihrer schönsten Seite, etwa in Form prächtiger Blumen, köstlicher Früchte, exoti­ scher Vögel, des Glanzes von Gold, Silber und Edelsteinen sowie Strömen oder Quellen mit dem Wasser des Lebens. Alle beschriebenen Erfahrungen haben einen sehr starken numinosen Charakter. Am deutlichsten aber kommt das heilige und spiritu­ elle Element der ersten perinatalen Grundmatrix in den Erfahrungen der kosmischen Einheit und der unio mystica zum Ausdruck. Solche Erfahrungen sind gekennzeichnet durch die Überwindung von Zeit und Raum, überwältigende ekstatische Gefühle (apollinische oder ozeanische Ekstase), das Empfinden der Einheit alles Seienden ohne Grenzen sowie tiefe Ehrfurcht und Liebe gegenüber der ganzen Schöpfung. 33

Die Störungen des intrauterinen Lebens sind von Bildern und Erlebnissen begleitet, die die Gefahren unter Wasser, verschmutzte Flüsse, Seen oder Meere und eine verseuchte oder in anderer Hinsicht ungastliche Natur zum Inhalt haben, etwa unfruchtbare Erde und Schlamm nach Vulkanausbrüchen, Industriedeponien und Schrottplätze, Wüsten und Einöden. Diese Bilder sind sehr treffend, wenn man bedenkt, daß die meisten intrauterinen Störungen mit toxischen Einflüssen der Plazenta oder ungenügender Ernährung verbunden sind. Noch massivere Störungen, etwa eine drohende Fehlgeburt oder ein Abtreibungsversuch, werden als universelle Bedrohung in irgendeiner Form erfahren oder mit blutigen, apoka­ lyptischen Visionen vom Ende der Welt verknüpft. Ebenso häufig wie die oben beschriebenen Bilder ist die Identifika­ tion mit kämpfenden Soldaten, die mit chemischen Waffen angegrif­ fen werden, mit Menschen, die in den Gaskammern der nationalso­ zialistischen Konzentrationslager starben, und mit Personen oder Tieren, die vergiftet wurden. Die häufigsten archetypischen Begleit­ motive sind verschiedene heimtückische Dämonen, bösartige meta­ physische Kräfte und unheilvolle astrale Einflüsse, wie sie in den Mythen verschiedener Kulturen der Welt eine Rolle spielen. An die Stelle der mystischen Auflösung der Grenzen, wie sie für glückse­ lige Erfahrungen des Fötus charakteristisch ist, tritt die psychotische Verzerrung und Auflösung aller vertrauten und beständigen Struktu­ ren, die von Furcht und paranoiden Gefühlen begleitet wird. Positive Aspekte der ersten perinatalen Matrix sind eng mit Erinne­ rungen an die symbiotische Einheit mit der Mutter während des Saugens an ihrer Brust, mit positiven COEX-Systemen und mit der Vergegenwärtigung von Situationen verbunden, die von Entspan­ nung, Befriedigung, Sicherheit, innerem Frieden und schönen Na­ turszenerien geprägt sind. Ähnliche selektive Verbindungen gibt es auch zu verschiedenen Formen positiver transpersonaler Erfahrun­ gen mit ähnlichen Motiven. Umgekehrt sind negative Aspekte der ersten perinatalen Grundmatrix gewöhnlich mit bestimmten negati­ ven COEX-Systemen und entsprechenden negativen transpersona­ len Matrizen verknüpft. Was die Freudschen erogenen Zonen angeht, so fallen die positiven Aspekte der ersten Grundmatrix mit dem biologischen und psychi34

sehen Zustand zusammen, in dem es in keiner dieser Zonen Unlust­ spannungen gibt und alle Partialtriebe befriedigt sind. Negative Aspekte dieser Matrix scheinen spezifische Verbindungen zu kör­ perlicher Übelkeit, Dyspepsie und Verdauungsstörungen zu ha­ ben. Ich möchte nun die dynamischen Zusammenhänge der einzelnen perinatalen Matrizen anhand von Beispielen aus den Aufzeichnun­ gen über meine eigenen psychedelischen Selbsterfahrungssitzungen veranschaulichen. Das folgende ist ein Auszug aus einer Erfahrung mit einer hohen Dosis LSD (300 Mikrogramm), die hauptsächlich unter dem Einfluß der ersten perinatalen Grundmatrix stand. Viele Erfahrungen ähnlicher Art haben wir in Sitzungen mit holotropem Atmen beobachtet. Ich hatte das Bedürfnis, mich zusammenzurollen, und es war mir, als würde ich immer kleiner. Ich schwamm in einer leuchtenden Flüssig­ keit, um die sich ein Netz aus dünnen Fäden spannte. Dieser Zustand ließ sich leicht als eine tiefe Regression, als eine Rückkehr in die fötale Existenz erkennen. Ein feines, aber elementares Gefühl von Glückselig­ keit und unerschütterlichem Frieden - einem Frieden jenseits allen VörstellungsVermögens - durchdrang mich. Mein Zustand war eigen­ tümlich paradox: ich wurde immer kleiner und kleiner, schrumpfte zu einem absoluten Nichts zusammen, und doch war mir, als wäre ich grenzenlos und dehnte mich ins Unendliche aus. In meiner Phantasie formte sich spielerisch der Gedanke, daß ich eine graziöse Qualle sei, die im Ozean durch sanfte Wasserstöße vorange­ trieben wurde. Diese anfangs vage, ja traumähnliche Identifikation wurde allmählich realer. Ich hatte sehr primitive, aber extrem überzeu­ gende phylogenetische Empfindungen, und spürte verschiedene selt­ same Prozesse, die nichts mit der gewöhnlichen menschlichen Erfah­ rung zu tun hatten. Dieser Zustand glitt langsam in eine ebenso überzeugende Identifikation mit verschiedenen Fischen, mit Seepferd­ chen, Anemonen und sogar Seetang hinüber. Auch hier waren meine Erfahrungen sehr authentisch und voller erstaunlicher biologischer Einzelheiten. Über all diese Erfahrungen spann sich aber das Empfinden, ein im amniotischen Sack schwimmender Fötus zu sein, der durch die Nabel­ schnur sowie den plazentaren Kreislauf mit dem mütterlichen Organis­ mus verbunden ist. Ich war mir zahlreicher komplexer Austauschvorgänge zwischen mir und meiner Mutter bewußt, die teils biochemischer 35

und physiologischer, teils emotionaler und sogar telepathischer Natur waren. Einen Augenblick lang beherrschte das Motiv des Blutes als der heiligen lebensspendenden Substanz meine gesamte Erfahrung. Ich war mir bewußt, wie ich durch die Plazenta mit meiner Mutter verbunden war, und spürte deutlich den Blutstrom durch die Arterien und Venen, die Zufuhr von Sauerstoff und Nahrung sowie die Absonderung von Stoffwechselprodukten. Dazwischen eingestreut waren archetypische, mythologische Motive, in denen es um die Bedeutung des Blutes und seine numinosen Eigenschaften ging. Durch eine leichte Verschiebung des Bildes wurde mir auch ein oberflächlicherer Aspekt der gleichen Erfahrung gegenwärtig, nämlich die authentische Identifikation mit einem Säugling an der Mutterbrust, für den die heilige, nährende Substanz die Milch ist. Gelegentlich wurden die positiven Erfahrungen durch starkes physi­ sches und emotionales Unbehagen und das Gefühl einer mysteriösen, undefinierbaren Bedrohung unterbrochen. Solche Zustände, die wie Wellen über mich kamen, schienen eine deutliche chemische Kompo­ nente zu haben. Ich fühlte mich krank, übel, vergiftet. Ich hatte einen schlechten Geschmack im Mund und es war mir, als müßte ich gleich erbrechen. Gleichzeitig fühlte ich mich von dunklen metaphysischen Kräften besessen oder überwältigt. Sobald diese dämonischen Attacken nachließen, wurde alles um mich herum wieder freundlich, und ich versank erneut in tiefe ozeanische Glückseligkeit. Ich zog den Schluß, daß ich wohl Situationen durchlebt haben mußte, in denen die intrauteri­ nen Bedingungen durch irgendwelche ungünstigen Ereignisse im müt­ terlichen Organismus gestört wurden. Im Laufe der Zeit, als diese Erfahrung schwächer wurde, verwandelte sich der Ozean um mich herum in weiten interstellaren Raum. Ich kam mir vor wie ein Astronaut, der im grenzenlosen Kosmos dahinschwebt und mit seinem »Mutterschiff« durch einen Versorgungsschlauch ver­ bunden ist. Gleichzeitig aber identifizierte ich mich weiter mit einem Fötus. Das von Sternen erfüllte Universum mit seiner deutlich sichtba­ ren Milchstraße und seinen Millionen von Galaxien bewirkte in mir ein Gefühl von Ruhe und Gleichmut, das ich nie zuvor für möglich gehalten hatte. Seine Unermeßlichkeit und Zeitlosigkeit ließen Ereignisse jeder Art, auch wenn sie noch so wichtig waren, in Bedeutungslosigkeit versinken. Gegen Ende der Sitzung konzentrierte sich die Erfahrung auf die Erde, doch das Gefühl der Zeitlosigkeit blieb bestehen, wenn auch in etwas veränderter Form. Ich wurde zu einem Mammutbaum, der ungestört 36

Zeuge der Ereignisse im Laufe von Jahrtausenden wurde - wie eine riesige Buddhastatue, die sich nicht durch das Treiben und das Chaos des menschlichen Lebens in immer wiederkehrenden Zyklen von Tod und Wiedergeburt bewegen läßt. Dann aber, als ob mir bedeutet werden sollte, daß die Größe in der Welt des Bewußtseins keine Rolle spielt, verwandelte ich mich in eine winzige pinus aristata, wie sie in höherge­ legenen Regionen der kalifornischen Gebirge wächst, die ebenfalls mehrere Tausend Jahre alt werden kann. Als ich wieder zu normalem Bewußtsein zurückkehrte, war ich erfüllt von Dankbarkeit für das Wunder des Lebens und die Geschenke der Natur. In vielen Bildern zeigte sich mir »Mutter Natur«, wie sie alle ihre Kinder nährte - in Form grüner, saftiger Weiden, wogender Kornfelder, überquellender Obstgärten; ich Sah die Anbauterrassen in den peruani­ schen Anden, das lebensspendende Niltal und das irdische Paradies der polynesischen Inseln.

2. Die zweite perinatale Grundmatrix: Kosmisches Verschlungenwerden und Ausweglosigkeit Dieses Erfahrungsmuster steht in Verbindung mit dem Einsetzen der biologischen Geburt und ihrem ersten klinischen Stadium. Hier wird die ursprüngliche Harmonie und das Gleichgewicht der fötalen Existenz gestört, zunächst durch alarmierende chemische Signale, später durch mechanische Kontraktionen der Gebärmutter. Wenn sich dieses Stadium voll entfaltet, wird der Fötus in periodischen Abständen durch Gebärmutterspasmen zusammengepreßt. Die Cer­ vix ist nicht erweitert und der Weg nach außen ist noch nicht frei. Da sich zudem die Arterien, die die Plazenta versorgen, durch das komplexe spirale, ringförmige und längsgestreifte Gewebe der Ge­ bärmuttermuskulatur winden, wird mit jeder Kontraktion die Blut­ zufuhr und damit die Versorgung des Fötus mit Sauerstoff, Nahrung und Wärme eingeschränkt. Konkrete Erinnerungen an die Bedrohung, die für den Fötus vom Einsetzen der Geburt ausgeht, haben als symbolisches Begleitmotiv die Erfahrung des kosmischen Verschlungenwerdens. Dazu gehören überwältigende, immer stärker werdende Angstgefühle und die 37

Wahrnehmung einer unmittelbaren Gefahr für das Leben. Die Ursa­ che dieser Gefahr kann aber nicht eindeutig erkannt werden, und so neigt die betreffende Person dazu, die Welt paranoid zu deuten. Sie kann zu der festen Überzeugung gelangen, vergiftet zu werden, unter dem Einfluß von Hypnose oder einer teuflischen Maschine zu stehen, von einer dämonischen Kraft besessen zu sein oder von außerirdischen Lebewesen angegriffen zu werden. Sehr charakteristisch für diese Situation ist das Erlebnis, in die Mitte einer dreidimensionalen Spirale, eines Trichters oder eines Strudels erbarmungslos hineingezogen zu werden. Eng verwandt und gleich­ wertig mit dieser Vision von einem vernichtenden Mahlstrom ist das Erlebnis, von einem furchterregenden Ungeheuer, etwa einem riesi­ gen Drachen, einem Leviathan, einer Pythonschlange, einem Kro­ kodil oder einem Wal verschlungen zu werden. Ebenso häufig werden Angriffe von Riesenkraken oder Riesenspinnen erlebt. Eine weniger dramatische Version der gleichen Erfahrung ist der Abstieg in eine gefahrvolle Unterwelt, in das Reich des Todes, in ein dunkles Grottensystem oder in ein verwirrendes Labyrinth. Mythologische Entsprechungen wären etwa der Beginn der Reise des Helden, der Fall der Engel und die Vertreibung aus dem Paradies. Einige dieser Bilder mögen dem analytischen Verstand seltsam Vorkommen, doch offenbaren sich in ihnen die Gesetzmäßigkeiten des Erlebens auf dieser Ebene. Der Strudel symbolisiert eine ernst­ hafte Gefahr für einen Organismus, der frei im Wasser treibt, und zwingt ihm eine Bewegung in ein und dieselbe Richtung auf. Die Situation des Verschlungenwerdens stellt den Übergang von Freiheit in lebensbedrohliche Einengung dar und läßt sich recht gut mit der Situation eines Fötus vergleichen, der in die Beckenöffnung der Mutter hineingepreßt wird. Eine Krake fesselt und bedroht Organis­ men, die im Meer leben. Eine Spinne fängt Insekten ein, die bisher ungehindert herumfliegen konnten, und bringt ihr Leben ernsthaft in Gefahr. Das symbolische Gegenstück zum voll entwickelten ersten Stadium der Entbindung ist die Erfahrung der Ausweglosigkeit oder Hölle. Die betreffende Person hat das Gefühl, in einer alptraumhaften Welt wie in einem Käfig gefangen sowie unglaublichen psychischen und physischen Qualen ausgesetzt zu sein. Die Situation erscheint in der 38

Regel als absolut unerträglich, ohne Ende und hoffnungslos. Das lineare Zeitempfinden geht verloren, und die betreffende Person kann kein Ende dieser Pein noch irgendeine Fluchtmöglichkeit erkennen. Damit verknüpft sein kann die Identifikation mit Gefangenen in Kerkern oder Konzentrationslagern, mit Insassen einer Irrenanstalt, mit den Sündern in der Hölle oder mit archetypischen Figuren wie etwa dem wandernden Juden Ahasver, dem Fliegenden Holländer, mit Sisyphus, Ixion, Tantalus oder Prometheus. Sehr häufig sind auch Bilder und Erfahrungen von Menschen und Tieren, die einsam an Hunger oder in einer ungastlichen Umgebung in der Natur sterben, etwa in Wüsten und in der klirrenden Kälte Sibiriens oder des arktischen Eises. Solche Themen spiegeln offensichtlich die Tatsache wider, daß die Gebärmutterkontraktionen den Fötus von der plazentaren Blutzufuhr abschneiden, die ja nicht nur die Verbin­ dung zwischen ihm und der Welt sowie dem Menschen aufrechter­ hält, sondern ihn auch mit Nahrung und Wärme versorgt. Die Person, deren Erleben unter dem Einfluß der zweiten perinatalen Grundmatrix steht, ist blind für alles Positive in der Welt oder in ihrem Leben. Typisch sind quälende Gefühle metaphysischer Ein­ samkeit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Minderwertigkeit, Un­ zulänglichkeit, existentieller Verzweiflung und Schuldgefühle. Durch das Prisma dieser Matrix erscheint das Leben als ein absolut sinnloses, absurdes Theater, als eine Farce mit lauter künstlichen Charakteren und seelenlosen Robotern oder als eine grausame Zirkus Veranstaltung. Was die ordnende Funktion der zweiten perinatalen Grundmatrix anbelangt, so zieht sie COEX-Systeme mit Erinnerungen an Situa­ tionen an, in denen man passiv und hilflos von einer destruktiven Kraft überwältigt wurde, ohne entfliehen zu können. Ebenfalls hinzutreten können transpersonale Motive mit ähnlichen Merkma­ len. Im Hinblick auf die Freudschen erogenen Zonen scheint diese Matrix mit unlustvoll erlebten Spannungen, Schmerzen und Frustra­ tionen in Verbindung zu stehen. Auf der oralen Ebene sind es Hunger, Durst, Übelkeit und schmerzhafte Reize. Auf der analen Ebene ist es die Kotverhaltung und auf der urethralen Ebene die 39

Urinverhaltung. Die entsprechenden Empfindungen auf der genita­ len Ebene sind sexuelle Frustration und die Schmerzen, die für Frauen im ersten klinischen Stadium der Entbindung typisch sind. Die folgenden Aufzeichnungen von meiner psychedelischen Selbsterfahrungssitzung mit 300 Mikrogramm LSD enthalten charakteri­ stische Beispiele für eine Erfahrung, die im wesentlichen von der zweiten perinatalen Grundmatrix bestimmt wird. Zu Beginn finden sich auch einige Motive, die die biographische mit der perinatalen Ebene verknüpfen, sowie - in der Schlußphase - Elemente der vierten perinatalen Grundmatrix. Die für die zweite Matrix typi­ schen Erfahrungen sind im folgenden durch Klammem hervorgeho­ ben. Die Sitzung fing etwa vierzig Minuten nach Einnahme der Droge in sehr optimistischer Stimmung an. Ich spürte, wie ich rasch in die sorgenlose Welt eines zufriedenen Säuglings zurückkehrte. Meine Körperempfin­ dungen, Gefühle und Wahrnehmungen waren äußerst primitiv und entsprachen in authentischer Weise denen eines Säuglings. Dazu gehör­ ten automatisches Saugen, Lippenbewegungen, reichliche Speichelab­ sonderung und gelegentliches Aufstoßen. Dieser Zustand wurde immer wieder von Visionen unterbrochen, die verschiedene Aspekte des hektischen und getriebenen Lebens des Erwachsenen von heute zum Inhalt hatten, eines Lebens voller Span­ nungen, Konflikte und Leid. Durch den Vergleich mit dem paradiesi­ schen Zustand eines Säuglings spürte ich plötzlich in mir die tiefe Sehnsucht von uns allen, in diesen Zustand kindlichen Glücks zurück­ zukehren. Ich sah vor mir den Papst mit einem juwelenbestückten Kreuz. An seiner Hand trug er einen verzierten Ring mit einem großen Edelstein. Menschenmassen sahen voller Erwartung zu ihm auf. Es folgten Visionen von Abertausenden von Moslems rund um die Kaaba in Mekka, die die gleiche Sehnsucht verspürten. Dann tauchten Bilder von anonymen Massen mit roten Bannern während einer Parade auf dem Roten Platz in Moskau auf, Massen, die zu gigantischen Bildern von kommunistischen Führern aufblickten. Ich sah Millionen von Chinesen, die dem großen Vorsitzenden Mao huldigten, und fühlte ganz stark, wie die treibende Kraft hinter solchen großen religiösen und sozialen Bewegungen das Bedürfnis war, den Zustand der Erfüllung und Zufrie­ denheit der frühen Kindheit wiederherzustellen. Als die Droge dann stärker zu wirken begann, wurde ich plötzlich von panischer Angst gepackt. Alles wurde dunkel, bedrückend und gefahr­ 40

voll. Die ganze Welt schien sich um mich zu schließen. Die Visionen des alltäglichen Leids, die ursprünglich den Gegensatz zu der pro­ blemfreien Welt des Säuglings gebildet hatten, wurden überwältigend und unerbittlich. Sie zeigten die absolute Hoffnungslosigkeit der menschlichen Existenz, die von der Geburt bis zum Tod mit Leid befrachtet ist. Da verstand ich die Existentialphilosophen und die Autoren des absurden Theaters. Sie wußten darum! Das menschliche Leben ist in der Tat absurd, gräßlich und äußerst sinnlos. Es ist eine leere Farce, ein grausames Spiel, das mit der Menschheit gespielt wird. Wir leiden bei unserer Geburt, unser ganzes Leben lang und bei unserem Tod. Ich spürte, wie ich von den Qualen der Geburt und denen des Todes gleichzeitig überwältigt wurde. Beide vereinten sich für mich zu einem untrennbaren Ganzen. So gelangte ich zu einer entsetzlichen Erkenntnis: das menschliche Leben endet mit einer Er­ fahrung, die derjenigen, mit der es anfing, ähnlich ist. Der Rest ist lediglich eine Frage der Zeit - Warten auf Godot! War es das, dessen sich Buddha so klar bewußt war? Es schien mir äußerst wichtig, irgendeinen Sinn im Leben zu finden, um dieser vernichtenden Erkenntnis etwas entgegenzusetzen. Es mußte doch etwas geben! Doch die Erfahrung zerstörte unbarmherzig und systematisch alle meine Bemühungen. Jedes Bild, das ich herauf­ beschwören konnte, um mir klarzumachen, daß es einen Sinn im Leben gab, wurde sofort wieder in Frage gestellt und lächerlich ge­ macht. Das antike griechische Ideal des brillanten Geistes in einem schönen Körper hielt nicht lange stand. Die durchtrainierten Körper von Menschen, die sich noch so enthusiastisch und hartnäckig um sie bemüht hatten, enden im gleichen senilen Verfall und werden schließlich wie alle anderen Körper auch durch den Tod zerstört. Das Wissen, zusammengetragen in Tausenden von Stunden unersättlichen Fleißes, wird teils vergessen, teils fällt es dem altersbedingten organi­ schen Gehimabbau zum Opfer. Ich habe Menschen gekannt, die für ihre intellektuellen Leistungen berühmt waren, die aber im hohen Alter nicht mit den einfachsten und trivialsten Aufgaben des Alltags fertig wurden. Und schließlich vollendet der Tod des Körpers und des Gehirns das Werk der Vernichtung alles Wissens, das ein Leben lang aufgebaut wurde. Wie steht es damit, Kinder zu haben - ist dies nicht ein edles und sinnvolles Ziel? Doch an die Stelle von Bildern mit hübschen lachenden Kindern traten sofort Szenen, in denen gezeigt wurde, wie sie heranwuchsen, alterten und schließlich ebenfalls star41

ben. Man kann nicht seinem Leben einen Sinn verleihen, indem man Nachkommen zeugt, deren Leben ebenso sinnlos ist wie unseres! Die Vorstellungen von der Absurdität und Sinnlosigkeit des menschli­ chen Lebens wurden schließlich unerträglich. Die Welt schien voller Schmerz, Leid und Tod zu sein. Ich war offensichtlich blind für alle positiven Aspekte der Existenz, oder noch einfacher: es gab für mich gar keine. Es gab nur unheilbare Krankheiten, von denen das Leben selber eine war, nur Wahnsinn, Grausamkeiten aller Art, Verbrechen und Gewalt, Kriege, Revolutionen, Gefängnisse und Konzentrationslager. Wie war es möglich, daß ich all dies vorher nicht gesehen hatte? Um irgend etwas Positives im Leben zu finden, muß man eine rosarote Brille tragen und sich ständig selbst betrügen! Nun kam es mir vor, als wäre meine rosarote Brille zerbrochen und als wäre ich nie mehr in der Lage, mich selber so zum Narren zu halten, wie ich es vorher getan hatte. Ich fühlte mich in einem schier endlosen Teufelskreis aus unerträgli­ chem emotionalem und körperlichem Leid gefangen. Es gab keinen Ausweg aus dieser alptraumhaften Welt. Auch hatte ich die Gewißheit, daß noch nicht einmal der Tod - ob ein natürlicher Tod oder durch Selbstmord - Rettung bedeuten würde. Das war die Hölle! Mehrere Male nahm die Erfahrung direkt die Form archetypischer Vorstellungen von infernalischen Landschaften an. Allmählich wuchs aber in mir das Bewußtsein, daß es in all dieser Finsternis eine Dimension zu geben schien, die ich vorher nicht bemerkt hatte. Ich hatte das Gefühl, als würde mein ganzer Körper mechanisch zusammengepreßt und als wäre der Bereich um meine Stirn herum am stärksten betroffen. Ich erkannte, daß all dies irgend etwas mit dem Wiedererleben meiner biologischen Geburt zu tun hatte, mit der qualvollen Erfahrung der Enge im Geburts­ kanal. Wenn dies tatsächlich der Fall war, so gab es vielleicht einen Ausweg, vielleicht schien die Situation nur so hoffnungslos zu sein, wie sie dem betroffenen Fötus Vorkommen mußte. Vielleicht ließ sich das Wiederer­ leben der Geburt durch die Erfahrung zu Ende bringen, wie ich auf die Welt komme. Lange Zeit aber - es kam mir wie eine Ewigkeit vor - war ich mir sehr unsicher, ob dieses befreiende Ende tatsächlich eintreten würde, da es bedeutete, einen Sinn im Leben finden zu müssen. Diese Aufgabe empfand ich als eindeutig unlösbar, und wenn dies eine notwendige Bedingung für die Befreiung aus dieser höllischen Situation sein sollte, so blieb nicht viel Hoffnung. Plötzlich - ohne vorheriges Anzeichen - löste sich der Druck auf magische Weise innerhalb von Sekundenbruchteilen und ich war den 42

Klauen des infernalischen Geburtskanals entronnen. Licht überflutete mich, unbeschreibliche Freude ergriff mich, ich sah die Welt und den Fluß des Lebens mit völlig neuen Augen. Alles schien frisch, glänzte und explodierte in leuchtenden Farben - wie in den schönsten Bildern van Goghs. Ich verspürte einen gesunden Appetit. Ein Glas Milch, ein belegtes Brötchen, etwas Obst schmeckten wie Nektar und Ambrosia der olympischen Götter. Später konnte ich mich mit meiner Erfahrung geistig auseinandersetzen und klar formulieren, was ich Wichtiges über das Leben gelernt hatte. Die tiefen religiösen und utopischen Sehnsüchte des Menschen spiegeln nicht nur sein kindliches Bedürfnis nach dem einfachen Glück wider, wie es mir zu Beginn dieser Selbsterfahrung vorgekommen war, sondern auch das Verlangen, den alptraumhaften Erinnerungen an das Geburtstrauma in die Freiheit nach der Geburt und in die ozeanische Glückseligkeit des Mutterleibs zu entrinnen. Aber selbst dies bildete nur die Oberfläche. Hinter allen biologisch determinierten Bedürfnissen gab es auch eindeu­ tig eine echte Sehnsucht nach dem Transzendenten, die sich nicht auf eine einfache naturwissenschaftliche Formel reduzieren ließ. Wie mir jetzt bewußt war, rührt der Mangel an Erfüllung im menschli­ chen Leben daher, daß wir mit dem Geburtstrauma und der Angst vor dem Tod nicht fertig geworden sind. Wir sind nur anatomisch geboren, haben den Geburtsprozeß aber psychisch noch nicht abgeschlossen und verar­ beitet. Fragen nach dem Sinn des Lebens sind symptomatisch für diese Situation. Da das Leben zyklisch verläuft und den Tod einschließt, läßt sich der Sinn unmöglich auf der Basis des rationalen Verstandes finden. Man muß die Energie des Lebensflusses in sich verspüren und sich seines Daseins freuen. Dann wird der Sinn des Lebens unmittelbar offenkundig. So kam ich mir nach dieser Erfahrung auch wie ein Surfer vor, der mit großer Freude auf der Welle des Lebens reitet.

3. Die dritte perinatale Grundmatrix: Der große Kampf vor Tod und Wiedergeburt Viele wesentliche Merkmale dieser komplexen Erfahrungsmatrix lassen sich von ihrer Verbindung mit der zweiten klinischen Phase der Entbindung herleiten. In diesem Stadium setzen sich die Gebär­ mutterkontraktionen fort, doch im Gegensatz zum vorhergehenden 43

Abb. la-f: Aus einer achtteiligen Folge von Zeichnungen, die den Verlauf des perinatalen Prozesses in der holotropen Therapie veranschaulichen. Die Stadium ist die Cervix jetzt erweitert und ermöglicht dadurch eine allmähliche Fortbewegung des Fötus durch den Geburtskanal. Das bedeutet einen gewaltigen Kampf ums Überleben, massiven mecha­ nischen Druck und häufig starken Sauerstoffmangel sowie drohen­ des Ersticken. Wie schon erwähnt, wird aufgrund der anatomischen Gegebenheiten mit jeder Gebärmutterkontraktion die Blutzufuhr zum Fötus abge­ schnürt. Auch können in diesem Entbindungsstadium viele weitere Komplikationen den Blutkreislauf einschränken und Atemnot be­ wirken. Die Nabelschnur kann zwischen Kopf und Beckenöffnung eingequetscht oder um den Hals geschlungen sein. Eine Nabel­ schnur, die ohnehin schon kurz ist oder durch die Bildung von Schlingen um verschiedene Körperteile verkürzt wird, kann an der Plazenta ziehen und sie von der Gebärmutterhaut lösen. Dadurch wird die Verbindung mit dem mütterlichen Organismus unterbro­ chen und ein gefährlicher Grad an Sauerstoffmangel kann die Folge sein. Am Höhepunkt der Entbindung kann der Fötus mit verschiede­ nen Körpersubstanzen in enge Berührung kommen, nicht nur mit Fruchtwasser, sondern auch mit Blut, Schleim, Urin und sogar Kot. 44

Klientin identifiziert in übersteigerter Form ihre emotionalen und psychoso­ matischen Empfindungen während der holotropen Sitzungen (Forts. S. 46) Aus der Sicht des Erlebens ist die dritte perinatale Matrix sehr weitläufig und kompliziert; in regressiver Therapie hat sie die Form des Kampfes von Tod und Wiedergeburt. Neben dem realistischen Wiedererleben verschiedener Aspekte des Kampfes im Geburtska­ nal finden sich hier verschiedenartige archetypische und andere Phänomene, die in charakteristischen Gruppierungen und Abfolgen auftreten. Dazu gehören vor allen Dingen das Motiv des titanischen Kampfes, sadomasochistische Erlebnisse, heftige sexuelle Erre­ gung, Bedrohung durch Dämonen, skatologische Erlebnisse und eine Begegnung mit dem Feuer. All diese Aspekte und Facetten der dritten perinatalen Grundmatrix lassen sich wiederum aus dem Erleben der biologischen Geburt logisch ableiten und können zu verschiedenen anatomischen, physiologischen und emotionalen Merkmalen des entsprechenden Geburtsstadiums in Beziehung ge­ setzt werden. Der Aspekt des titanischen Kampfes wird unmittelbar verständlich, wenn man bedenkt, welche gewaltigen Kräfte in diesem Entbin­ dungsstadium wirksam werden. Der zarte Kopf des Kindes wird durch Gebärmutterkontraktionen, die einen Druck zwischen 50 und 45

als Elemente, die ihren alltäglichen Gefühlen zugrunde liegen und schwere Verzerrungen ihres Selbstbildes verursachen.

46

100 Pfund ausüben, in die enge Beckenöffnung gepreßt. Jemand, der mit diesem Aspekt der dritten perinatalen Grundmatrix konfron­ tiert wird, kann mächtige Energieströme verspüren, die sich aufstauen und in explosiver Weise entladen. Eine der charakteristischen Formen, die diese Erfahrung annimmt, ist die Identifikation mit entfesselten Naturelementen, etwa mit Vulkanausbrüchen, elektri­ schen Stürmen, Erdbeben, Gezeitenwellen oder Wirbelstürmen. Andere Erfahrungsmuster wären gewalttätige Szenen aus Kriegen oder Revolutionen sowie die Identifikation mit den gewaltigen Energien, die durch die Mittel der Technik von heute freigesetzt werden - etwa durch thermonukleare Reaktionen, Atombomben, Panzerwaffen, Raumschiffe, Raketen, Laserstrahlen und Elektrokraftwerke. Eine gemäßigtere Form der titanischen Erfahrung ist das Erleben verschiedener gefährlicher Abenteuer. Man ist auf der Jagd nach wilden Tieren oder kämpft körperlich mit ihnen, nimmt als Gladiator an einem Gladiatorenkampf teil, führt aufregende Expeditionen durch oder erobert als Soldat neue Stellungen. Verwandte archetypi­ sche und mythologische Motive sind Bilder vom Jüngsten Gericht, das Fegefeuer, große Taten von Superhelden und Kämpfe von kosmischem Ausmaß wie etwa zwischen den Mächten des Lichts und den Mächten der Finsternis oder zwischen Göttern und Tita­ nen. Die aggressiven und sadomasochistischen Aspekte dieser Matrix spiegeln den Aufruhr eines Organismus wider, dessen Überleben durch den Erstickungstod bedroht ist. Hinzu kommen noch die introjizierten destruktiven Kräfte des Geburtskanals. Aus dieser Verknüpfung wird klar ersichtlich, warum Sadismus und Masochis­ mus eine logische Einheit bilden, den Sadomasochismus, der zwei Seiten ein- und desselben Erfahrungsprozesses repräsentiert, also die zwei Seiten ein- und derselben Münze darstellt. Häufige Themen in diesem Zusammenhang sind gewalttätiger Mord und Selbstmord, Verstümmelung und Selbstverstümmelung, Folter, Hinrichtung, rituelle Opferung und Selbstopferung, blutige Kämpfe von Mann gegen Mann, Boxen, Freistilringen, sadomasochistische Sexual­ praktiken und Vergewaltigungen. Die erlebnismäßige Logik der sexuellen Komponente des Tod47

Wiedergeburt-Prozesses läßt sich nicht unmittelbar erkennen. Sie kann durch die Tatsache erklärt werden, daß der menschliche Organismus von Natur aus über einen physiologischen Mechanis­ mus verfügt, durch den unmenschliches Leiden und insbesondere drohendes Ersticken in eine seltsame Art von sexueller Erregung und schließlich in ekstatische Verzückung umgesetzt werden. Beispiele dafür finden sich in der Geschichte religiöser Sekten, im Leben einzelner Märtyrer, in Berichten aus Konzentrationslagern, in den Unterlagen von Amnesty International und in Beobachtungen an Menschen, die am Galgen hingerichtet wurden. Die zu dieser Kategorie gehörenden Erlebnisse sind durch eine enorme Intensität des Sexualtriebs gekennzeichnet, der mechanisch und ungerichtet ist und zugleich pornographische oder abweichende Merkmale besitzt. Die Tatsache, daß auf dieser Ebene der Psyche die Sexualität auf das engste mit Tod, Gefahr, Angst, Aggressionen, selbstdestruktiven Impulsen, physischen Schmerzen und verschie­ denen Körpersubstanzen (Blut, Schleim, Kot, Urin) verknüpft ist, bildet eine natürliche Basis für die Entwicklung der bedeutendsten Sexualstörungen, Variationen von Sexualpraktiken, sexuellen Ab­ weichungen sowie sexuellen Perversionen. Die Verbindung zwi­ schen dem sexuellen Orgasmus und dem Orgasmus der Geburt bereichert die dynamischen Interpretationen in der Freudschen Ana­ lyse, die auf der Oberfläche der biographischen Ebene verbleiben und die Bedeutung frühkindlicher sexueller Erfahrungen hervorhe­ ben, um eine tiefere, höchst relevante Dimension, nämlich um die perinatale Ebene. Welche Folgerungen aus diesen Zusammenhän­ gen für die Erklärung verschiedener pathologischer sexueller Phäno­ mene zu ziehen sind, habe ich eingehend in meinem Buch »Geburt, Tod und Transzendenz« (Grof 1985) beschrieben. Das dämonische Element dieses Stadiums kann sowohl den Men­ schen, der diese Erfahrung gerade macht, als auch denjenigen, der ihm therapeutischen Beistand leistet, vor besondere Probleme stel­ len. Durch das Unheimliche, das den hier auftretenden Motiven anhaftet, können beide zögern, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Die häufigsten Themen in diesem Zusammenhang sind der Hexensabbath (die Walpurgisnacht), Satansorgien und Schwarze Messen sowie die Heimsuchung durch böse Mächte. Der gemeinsame Nen­ 48

ner zwischen diesem Entbindungsstadium und den Motiven des Hexensabbaths oder der Schwarzen Messe ist die eigentümliche Vermengung von Tod, abweichenden sexuellen Gefühlen, Angst, Aggressionen, skatologischen Elementen und verzerrten spirituellen Impulsen. Der skatologische Aspekt des Tod- und Wiedergeburtprozesses besitzt seine natürliche biologische Grundlage in dem Umstand, daß das Kind in den letzten Geburtsstadien in enge Berührung mit Exkrementen und anderen biologischen Stoffen kommen kann. Die perinatalen Erfahrungen übertreffen aber bei weitem das, was das Neugeborene eventuell wirklich erlebt hat. Wenn man unter dem Einfluß dieses Aspekts der dritten Matrix steht, so erlebt man Szenen, in denen man in Abfällen oder Kloaken herumkriecht, in Exkrementen schwimmt, Blut oder Urin trinkt oder sich in Fäulnis befindet. Es ist eine enge und erschütternde Begegnung mit den schlimmsten Aspekten der biologischen Existenz. Das Element des Feuers wird entweder in seiner gewöhnlichen Form erlebt - man identifiziert sich mit Menschen, die Opfer einer Feuersbrunst werden - oder in einer archetypischen Form als reini­ gendes Feuer (Pyrokatharsis), das alles Verdorbene zerstört und den Menschen auf seine spirituelle Wiedergeburt vorbereitet. Das Feuer ist der am wenigsten verständliche Aspekt der Geburtssymbolik. Das biologische Gegenstück könnte die Überreizung des Fötus und das damit verbundene wahllose »Feuern« peripherer Neuronen sein. Interessanterweise haben Mütter in dieser Phase der Geburt häufig das Empfinden, daß ihre Vagina wie Feuer brenne. Die religiösen und mythologischen Symbole dieser Matrix haben überwiegend das Opfer und die Selbstopferung zum Thema oder bilden eine Kombination aus spirituellem Streben und Sexualität. Sehr häufig sind Szenen aus präkolumbianischen Opferritualen, Bilder von der Kreuzigung Christi oder die Identifikation mit Jesus Christus, Visionen von Gottheiten, die Tod und Wiedergeburt symbolisieren - etwa von Osiris, Dionysos, Attis, Adonis, Perse­ phone, Orpheus, Wotan oder Balder - sowie die Verehrung der schrecklichen Göttinnen Kali, Coatlicue, Lilith oder Rangda. Sexu­ elle Motive wären etwa die Anbetung des Phallus, Tempelprostitu­ tion, Fruchtbarkeitsriten, rituelle Vergewaltigung und verschiedene 49

Stammeszeremonien von Naturvölkern, in denen man rhythmische wollüstige Bewegungen vollführt. Ein klassisches Beispiel für den Übergang von der dritten zur vierten perinatalen Grundmatrix ist der legendäre Vogel Phönix, der im Feuer stirbt und aus der Asche neu aufersteht. Es gibt mehrere wesentliche Merkmale dieses Erfahrungsmusters, die es von dem zuvor beschriebenen Muster der Ausweglosigkeit unterscheiden. Die Situation erscheint nicht hoffnungslos und die Person, die sich in ihr befindet, ist nicht hilflos. Sie ist aktiv beteiligt und hat das Gefühl, daß ihr Leiden einen ganz bestimmten Weg nimmt und ein Ziel hat. In der Sprache der Religion ausgedrückt ähnelt diese Situation mehr dem Fegefeuer als der Hölle. Außerdem spielt die Person, deren Erleben von diesem Aspekt der dritten Matrix bestimmt wird, nicht mehr die Rolle eines hilflosen Opfers. Sie ist vielmehr Beobachter und kann sich mit Aggressor und Opfer zugleich bis zu dem Punkt identifizieren, an dem sie diese Rollen kaum mehr auseinanderhalten kann. Auch gehen in der Todund Wiedergeburtserfahrung - im Gegensatz zur Erfahrung der Ausweglosigkeit, in der es nichts als Leid gibt - Qual und Ekstase ineinander über. Es erscheint daher angebracht, diese Art von Erfahrung als dionysische oder »vulkanische« Ekstase zu bezeich­ nen und damit von der apollinischen oder »ozeanischen« Ekstase der Einheit mit dem Kosmos abzuheben, die mit der ersten perinatalen Matrix verknüpft ist. Spezifische Merkmale verbinden die dritte perinatale Grundmatrix mit COEX-Systemen, die sich aus Erinnerungen an intensive sinnes­ starke und sexuelle Erlebnisse zusammensetzen, und zwar aus solchen Erlebnissen, die mehr oder minder stark den Charakter des Gefährlichen haben. Dazu gehören Fallschirmspringen, Autoren­ nen, waghalsige Unternehmungen, Ringen, Boxen, Kämpfe, Schlachten, Eroberungen, Prostituiertenviertel, Vergewaltigung oder sexuelle Orgien sowie Vergnügungsparks. Eine besondere Gruppe bilden Erinnerungen, in denen eine enge Berührung mit Körpersubstanzen erfolgte, etwa in Verbindung mit Bettnässen oder Verschmutzung durch Kot. Dazu gehören auch Erinnerungen an die Sauberkeitserziehung, an Szenen, in denen man Blut fließen sah, und an Kriegserlebnisse oder Unfälle, in denen man zerstückelte 50

oder verweste menschliche Körper sah. Erinnerungen an große Brände stellen sich in der Regel in der Phase des Übergangs von der dritten zur vierten perinatalen Grundmatrix ein. Im Hinblick auf die Freudschen erogenen Zonen steht diese Matrix im Zusammenhang mit physiologischen Aktivitäten, die nach länge­ rer Phase der Spannung plötzliche Erleichterung und Entspannung bringen. Auf der oralen Ebene ist es der Akt des Kauens und Hinunterschluckens von Essen bzw. umgekehrt der Akt des Erbre­ chens, auf der analen und urethralen Ebene der des Defäkierens und Urinierens, und auf der genitalen Ebene die Steigerung zum sexuel­ len Orgasmus sowie die Empfindungen einer gebärenden Frau im zweiten Entbindungsstadium. Ich greife hier auf die Aufzeichnungen über eine meiner Selbsterfahrungssitzungen mit einer hohen Dosis LSD (300 Mikrogramm) zurück, um die Phänomenologie der dritten perinatalen Grundmatrix zu veranschaulichen, die die ersten Stunden dieser Erfahrung be­ stimmte. Der weitere Verlauf derselben psychedelischen Sitzung und ihre Auflösung werden weiter unten im Abschnitt über die vierte perinatale Matrix beschrieben. Die Sitzung begann mit einem unglaublichen heftigen Ausbruch trieb­ hafter Kräfte. Wellen von orgiastischen sexuellen Gefühlen überrollten mich, zum Teil durchsetzt mit äußerst heftigen aggressiven Impulsen. Ich fühlte mich wie in einer stählernen Maschine gefangen, die mich zu Tode würgte, und doch war da dieser faszinierende Strom von Lebens­ energien, der mich fortriß. Alles, was ich sah, leuchtete in einem ganzen Spektrum roter Farben, die etwas Unheilvolles und Numinoses aus­ strahlten. Ich fühlte irgendwie, daß sie die mystische Kraft des Blutes symbolisierten, die die Menschheit seit Jahrtausenden auf eine seltsame Weise vereinigt. In mir öffneten sich metaphysische Dimensionen von Grausamkeiten aller Art, von Folter, Vergewaltigung und Mord, aber ich empfand auch die Mysterien des Menstruationszyklus, der Geburt, der Entbindung und des Todes, die Blutsverbindung zu den Vorfahren und die heiligen Blutsbande der Brüderschaft, der wahren Freundschaft und der Treue. Hinter all dem schien sich eine tiefe Identifikation mit einem Fötus zu verbergen, der verzweifelt versucht, den Fängen des Geburtskanals zu entrinnen. Ich fühlte in mir die seltsame Kraft, die Mutter und Kind auf Leben und Tod miteinander verbindet. Instinktiv verstand ich - sozusa­ 51

gen mit meinem »Bauch« - das Symbiotische und Vereinigende dieser Beziehung, aber auch ihren einengenden und erstickenden Einfluß, der Unabhängigkeit und Autonomie beeinträchtigen kann. Das seltsame Band der uterinen Verbindung zwischen Großmutter, Mutter und Toch­ ter gewann eine besondere Bedeutung, so als ob es ein tiefes Geheimnis des Lebens wäre, bei dem Männer ausgeschlossen sind. Vor diesem Hintergrund identifizierte ich mich mit unzähligen Men­ schen, die für eine große Sache kämpften - mit Revolutionären und Patrioten aller Zeitalter, die sich gegen irgendeine Form der Unterdrükkung wehrten oder die ein anderes kollektives Ziel verfolgten. Einmal identifizierte ich mich ganz stark mit Lenin und fühlte unmittelbar den unersättlichen Durst der Massen nach Freiheit, den er verspürt haben mußte, sowie das Feuer der Revolution, das in seinem Herzen brannte. Fratemite! Egalite! Liberte! Bilder von der Französischen Revolution und vom Sturm auf die Bastille schossen durch meinen Kopf, gefolgt von ähnlichen Szenen aus Beethovens Fidelio. Ich war zu Tränen gerührt und fühlte mich eins mit den Freiheitskämpfern aller Zeiten und aller Länder. Als die zweite Hälfte meiner Selbsterfahrungssitzung näher rückte, verschob sich der Schwerpunkt vom Motiv des Todes auf die Motive von Sex und Gewalt. Farbenprächtige Bilder und Erfahrungen von Vergewaltigungen, von sadomasochistischen Praktiken aller Art, von obszönen Varieteshows sowie aus der Welt der Prostituierten und Zuhälter stürmten auf alle meine Sinne ein. Ich schien mich intensiv mit allen möglichen Personen zu identifizieren, die die verschiedenartigsten Rollen spielten, und doch betrachtete ich auch das Ganze als außenste­ hender Beobachter. Und dann schufen malerische Visionen - teils figurativ, teils gewoben aus den verschlungensten Arabesken - eine unwiderstehlich verführerische Atmosphäre, die an orientalische Ha­ rems, an Scheherazade und an Märchen aus Tausendundeiner Nacht erinnerte. Nach und nach kam ein starkes spirituelles Element zu dieser höchst sinnlichen Erfahrung hinzu. Es schien, als nahm ich an Hunder­ ten von Szenen teil, die afrikanische Stammeszermonien, babylonische Tempelprostitution, obskure alte Fruchtbarkeitsriten und rituelle Orgien von Naturvölkern - möglicherweise in Neuguinea oder Australien darstellten. Und plötzlich, ohne Vorwarnung, schlug die Erfahrung um. Ich fühlte mich umgeben von unbeschreiblich ekelerregendem Zeug, ertrank in einer Art archetypischer Senkgrube, die den biologischen Abfall aller Zeitalter zu vereinigen schien. Der Geruch von Fäulnis schien mein 52

ganzes Wesen zu durchdringen. Mein Mund war voller Exkremente, die mir das Atmen unmöglich machten. Die Erfahrung ging wiederholt in Szenen über, in denen ich die komplexen Labyrinthe der Abwassersy­ steme dieser Welt sah. Ich hatte das Gefühl, als würde ich immer mehr mit dem biologischen Abfall aller Großstädte dieser Welt vertraut, mit jedem Einstiegschacht und jedem Ab Wasserrohr, das es gibt. Dies war eine erschütternde Begegnung mit dem Schlimmsten, das die Natur hervorbringt - mit Ausscheidungen, Abfall, Eiter, Zersetzung und Fäulnis. Inmitten dieser horrenden Szenerie schoß mir ein interessanter Gedanke durch den Kopf. Was ich erlebte, war die typische Reaktion eines erwachsenen Menschen. Ein Kind oder ein Hund würden vielleicht ganz anders reagieren, und zweifellos gibt es viele Lebensformen - Bakte­ rien, Würmer oder Insektenlarven für die eine solche Umwelt höchst wünschenswert ist, die in ihr gedeihen. Ich versuchte, mich in solche Lebewesen hineinzuversetzen und die Dinge aus ihrer Sicht zu erleben. Mehr und mehr war ich in der Lage, den Ort, an dem ich mich befand, zu akzeptieren und mich auf eine seltsame Weise wohl zu fühlen. (Fortsetzung am Schluß des folgenden Abschnitts.)

4. Die vierte perinatale Grundmatrix: Tod und Wiedergeburt Diese perinatale Matrix hängt mit der dritten klinischen Entbin­ dungsphase, mit der eigentlichen Geburt des Kindes zusammen. Auf das Vorwärtstreiben durch den Geburtskanal, das mit einer extremen Steigerung von Angst, Schmerzen, Druck und sexueller Spannung verbunden ist, folgt eine plötzliche Erleichterung und Entspannung. Das Kind ist geboren und sieht nach langer Dunkelheit zum ersten Mal das helle Tageslicht oder das künstliche Licht des Entbindungs­ zimmers. Nach der Durchtrennung der Nabelschnur ist die physi­ sche Trennung vom mütterlichen Organismus abgeschlossen. Nun muß eine weitgehende physiologische Umstellung erfolgen, damit der Organismus seine neue Existenz als anatomisch eigenständiges Individuum beginnen kann. Er muß selber sich mit Sauerstoff versorgen, seine Nahrung verdauen und sich seiner Abfallprodukte entledigen. 53

Wie schon im Fall der anderen Matrizen können die spezifischen Aspekte dieses Geburtsstadiums als Erinnerungen an die konkreten physiologischen Vorgänge und auch an die verschiedenen geburtshelferischen Maßnahmen wiedererlebt werden. Personen, die über­ haupt nichts über die Umstände ihrer Geburt wissen, können durch diese Erfahrungen ihre Lage, Besonderheiten der Entbindung, die Art der verwendeten Betäubungsmittel, Hilfeleistungen während der Geburt mit Instrumenten oder mit Händen sowie Besonderheiten der Pflege nach der Geburt bis in letzte Einzelheiten erkennen. Das symbolische Gegenstück zu diesem letzten Entbindungsstadium ist die Tod- und Wiedergeburtserfahrung. Sie bedeutet das Ende des heftigen Überlebenskampfes, der bis dahin stattgefunden hat. Para­ doxerweise hat die betreffende Person, obwohl nur ein kleiner Schritt sie von einer großen Befreiung trennt, das Gefühl, unmittel­ bar vor einer Katastrophe gewaltigen Ausmaßes zu stehen. Dies führt häufig zu einem verzweifelten und entschlossenen Kampf, den Prozeß an dieser Stelle zum Stillstand zu bringen. Läßt man ihm aber freien Lauf, so wird der Übergang von der dritten zur vierten perinatalen Grundmatrix von einem Gefühl der totalen Vernichtung auf allen nur vorstellbaren Ebenen begleitet - von physischer Zerstö­ rung, von emotionaler Auflösung, von intellektueller und philoso­ phischer Niederlage, von tiefster moralischer Verirrung und von absoluter Verdammnis transzendentaler Ausmaße. Diese Erfahrung des »Ich-Todes« scheint eine unmittelbare, schonungslose Zerstö­ rung aller Bezugspunkte im früheren Leben des betreffenden Men­ schen nach sich zu ziehen. Ich-Tod und Wiedergeburt sind keine einmalige Erfahrung. Im Laufe einer tiefen, systematischen Selbst­ erforschung wiederholt sie sich mit unterschiedlichen Schwerpunk­ ten und nimmt immer größere Dimensionen an, bis der Prozeß abgeschlossen ist. Unter dem Einfluß der Freudschen Psychoanalyse ist das Konzept des Ich verknüpft mit der Fähigkeit, die Realität zu testen und im Alltagsleben richtig zu »funktionieren«. Menschen, die diese stark eingeschränkte Auffassung vom Ich teilen, erfüllt die Vorstellung von einem »Ich-Tod« mit Horror. Was aber tatsächlich in diesem Prozeß stirbt, ist eine im Grunde von Angst geprägte Einstellung zur Welt, in der die negativen Erfahrungen des betreffenden Menschen 54

während seiner Entbindung und später im postnatalen Leben zum Ausdruck kommen. Diese Einstellung macht sich bemerkbar in Form von Minderwertigkeitsgefühlen, des Bedürfnisses, auf alle möglichen Gefahren vorbereitet zu sein, des Verlangens, alles unter Aufsicht und Kontrolle zu haben, von Bemühungen, sich selber und anderen etwas zu beweisen, und von ähnlichen Elementen mit problematischem Wert. Wenn der Ich-Tod in seiner letzten und vollständigen Form erlebt wird, dann bedeutet er das unwiderrufliche Ende der philosophi­ schen Identifikation mit dem, was Alan Watts als das »von Haut umhüllte Ich« (»skin-encapsulated ego«) bezeichnet. Wird diese Erfahrung gut verarbeitet, dann ist das Ergebnis nicht nur größere Lebensfreude, sondern auch eine größere Fähigkeit, im Leben zu bestehen. Auf die für den Ich-Tod charakteristische Erfahrung der totalen Vernichtung und des »Aufschlagens auf dem Boden des Kosmos« folgen unmittelbar Visionen von blendend weißem oder goldenem Licht, das übernatürliche Schönheit ausstrahlt. Sie kön­ nen als Offenbarung von göttlichen archetypischen Wesen, als Regenbogenspektren, verschlungene Muster eines Pfauengefieders oder übernatürlich schöne Landschaften empfunden werden. Man verspürt tiefe spirituelle Befreiung, Erlösung und Rettung, ist geläu­ tert und unbelastet von Angst, Depressionen oder Schuld. Damit einher geht eine Flut von positiven Emotionen gegenüber sich selber, gegenüber anderen und gegenüber der Existenz im allgemei­ nen. Die Welt erscheint als ein schöner und sicherer Ort, und die Lebensfreude wird ungemein gesteigert. Es sei aber betont, daß diese Beschreibung nur für den Fall einer normalen und komplikationslosen Geburt zutrifft. Ein überlanger und entkräftender Verlauf der Entbindung, die Benutzung von Geburtszangen, die Anwendung von Vollnarkose oder andere Kom­ plikationen und Interventionen können spezifische Verzerrungen und Abnormitäten in der Phänomenologie dieser Matrix bewir­ ken. Die speziellen archetypischen Symbole für die Erfahrung von Tod und Wiedergeburt können aus vielen Bereichen des kollektiven Unbewußten stammen, da jede größere Kultur ihre eigenen mytho­ logischen Formen für diesen Prozeß besitzt. Der Ich-Tod kann in 55

Verbindung mit verschiedenen zerstörerischen Gottheiten - mit Shiva, Huitzilopochtli, Moloch, Kali oder Coatlicue - oder aber in der vollkommenen Identifikation mit Christus, Osiris, Adonis, Dionysos, Balder und anderen mythischen Wesen, die geopfert wurden, erfahren werden. In einer solchen Offenbarung kann sich das Göttliche vollkommen abstrakt als eine strahlende Lichtquelle oder je nach Religion mehr oder weniger personifiziert darstellen. Ebenso häufig sind Erlebnisse der Begegnung oder Vereinigung mit den großen Muttergöttinnen wie der Jungfrau Maria, Isis, Lakshmi, Parvati, Hera oder Kybele. Was den biographischen Bereich angeht, so können Erinnerungen an persönliche Erfolge, den glücklichen Ausgang von gefährlichen Situationen, das Ende von Kriegen oder Revolutionen, lebend überstandene Unfälle oder Genesungen nach schweren Krankheiten wach werden. Im Hinblick auf die Freudschen erogenen Zonen ist die vierte perinatale Grundmatrix auf allen Stufen der libidinösen Entwicklung mit Befriedigungszuständen verknüpft, die unmittel­ bar auf Aktivitäten folgen, welche unlustvolle Spannungen gelöst haben - mit der Sättigung des Hungers durch Essen, mit erleichtern­ dem Erbrechen, Defäkieren oder Urinieren, mit dem sexuellen Orgasmus und mit der erfolgreichen Entbindung eines Kindes. Das folgende ist die Fortsetzung der im Abschnitt über die dritte perinatale Grundmatrix beschriebenen Selbsterfahrungssitzung mit LSD. Im Mittelpunkt steht zunächst der Übergang von der dritten zur vierten Matrix, anschließend finden sich charakteristische Erfah­ rungselemente der vierten Matrix. Ich war zufrieden mit mir, daß ich die schwierige Aufgabe bewältigt hatte, einen Aspekt meiner biologischen Natur, den unsere Kultur verabscheut, zu akzeptieren. Das Schlimmste sollte aber noch kommen. Plötzlich schien ich jede Verbindung mit der Realität zu verlieren, so als ob man mir einen Teppich unter den Füßen weggezogen hätte. Alles brach in sich zusammen, meine ganze Welt schien in Stücke zu gehen. Mir war, als hätte man ein monströses metaphysisches Abszeß meiner Existenz geöffnet. Die gigantische Blase meiner lächerlichen Selbsttäu­ schung war aufgeplatzt und ließ die Lüge meines Lebens zum Vorschein kommen. Alles, woran ich jemals geglaubt hatte, was ich jemals getan oder 56

erstrebt hatte, was meinem Leben einen Sinn gegeben hatte, schien plötzlich durch und durch falsch zu sein. All das waren nur bemitlei­ denswerte Krücken ohne jeden wahren Wert gewesen, mit deren Hilfe ich versucht hatte, mich durch die unerträgliche Wirklichkeit meiner Existenz zu schlagen. Ihre Bruchstücke stoben nun auseinander wie die Samen von Löwenzahn im Wind, hilflos war ich dem abgrundtiefen Schrecken der letzten Wahrheit ausgesetzt - dem sinnlosen Chaos der existentiellen Leere. Mit unbeschreiblichem Entsetzen erblickte ich über mir die gigantische und drohende Gestalt einer Gottheit. Instinktiv erkannte ich in ihr den Hindugott Shiva, der hier das Destruktive verkörperte. Ich spürte die Wucht seines riesigen Fußes, der mich in kleine Stücke zertrat und mich wie ein lästiges Stück Hundescheiße auf dem Boden - auf dem Grund des Kosmos - verschmierte. Im nächsten Augenblick erhob sich vor mir die schreckenerregende riesige Figur einer dunklen Gottheit, in der ich die indische Göttin Kali erkannte. Mein Gesicht wurde durch eine unwiderstehliche Kraft in ihre klaffende Vagina gedrückt, die voll von Menstruationsblut und widerli­ cher Nachgeburt schien. Nun wußte ich, man verlangte von mir die absolute Unterwerfung unter die Kräfte der Existenz und unter das von der Göttin personifizierte weibliche Prinzip. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit äußerster Ergebenheit und Demut ihre Vulva zu küssen und zu lecken. In diesem Augenblick, der das letzte und unwiderrufli­ che Ende jedes Gefühls von männlicher Überlegenheit, das ich jemals in mir verspürt haben mochte, bedeutete, wurde die Erinnerung an den Augenblick meiner biologischen Geburt wach. Mein Kopf tauchte aus dem Geburtskanal, mein Mund war in engem Kontakt mit der blutenden mütterlichen Vagina. Ich wurde nun überflutet von übernatürlich strah­ lendem und schönem Licht, dessen Strahlen sich in Tausende herrliche Muster eines Pfauengefieders zerteilten. Aus diesem goldenen Glanz tauchte die Gestalt einer großen Muttergöttin auf, in der sich Liebe und Schutz aller Zeitalter zu verkörpern schienen. Sie breitete ihre Arme nach mir aus und umhüllte mich mit ihrem Wesen. Ich tauchte in dieses unglaubliche Energiefeld ein und fühlte mich geläutert, geheilt und versorgt. Etwas wie Ambrosia, wie eine archetypische Mischung aus Milch und Honig, floß in einem nicht enden wollenden Strom durch meinen Körper. Nach und nach verschwand die Gestalt der Göttin in einem noch strahlenderen Licht. Dieses Licht schien von nirgendher zu kommen, trug aber persönliche Züge und strahlte unendliche Intelligenz aus. Mir wurde klar, daß ich jetzt die Vereinigung oder Verschmelzung mit dem 57

universellen Selbst oder Brahma erlebte, über die ich in Büchern über indische Philosophie gelesen hatte. Die Erfahrung war objektiv nach etwa zehn Minuten vorüber, aber sie bewegte sich außerhalb aller Zeitvorstellung und schien für mich eine Ewigkeit zu dauern. Der Strom der heilenden und Kraft spendenden Energie sowie die Visio­ nen vom goldenen Licht mit dem herrlichen Spiel der Strahlen, das an Pfauengefieder erinnerte, hielten die ganze Nacht an. Das Wohl­ gefühl, das sich auf diese Weise einstellte, verließ mich viele Tage lang nicht. Die Erinnerung an diese Erfahrung blieb über Jahre hinaus lebendig und hat meine gesamte Lebenseinstellung von Grund auf verändert. Ich möchte den Abschnitt über die perinatalen Wirkungsmechanis­ men mit dem Bericht über eine holotrope Sitzung eines klinischen Psychologen beenden, der vor kurzem an einem unserer fünftägigen Seminare teilnahm. Zu Beginn des Workshops stellte er sich den anderen in der Gruppe als ein überaus angespannter Mensch vor, der in seinem Leben kaum etwas anderes als die Arbeit kennt, dem nur der Erfolg bei schwierigen Projekten so etwas wie Befriedigung bringt und der die Herausforderung und den Kampf liebt. Seine Atemsitzung führte zu einem tiefen Gefühl der Erleichterung und Entspannung. Sein Bericht ist ein gutes Beispiel für eine intensive Geburtserfahrung, die durch ihre elementare Gewalt, ihren sinnvol­ len Bezug zum Alltagsleben und durch ein erstaunliches richtiges Detail einen intelligenten, skeptischen und wissenschaftlich ausge­ bildeten Menschen zu überzeugen vermochte. Zu Beginn identifizierte ich mich mit einem schuppigen wurmähnlichen Tier und machte eine Anzahl entsprechender Bewegungen. Ich wand mich wiederholt spiralenförmig von meinem Rücken zu meinem Bauch und wieder zurück. Plötzlich spürte ich auf meinen Füßen Berührungen, die ich als lästig und einengend empfand. Ich fing an, gegen sie anzukämpfen, zunächst nur leicht, später mit zunehmender Kraft und Entschlossenheit. Dieser Kampf intensivierte sich allmählich bis zu einem solchen Ausmaß, daß ich mir sicher war, ich würde um mein Leben kämpfen. Später hatte ich herausgefunden, daß ich von fünf Personen nach unten gedrückt werden mußte, weil ich den anderen Leuten im Raum bedroh­ lich nahe gekommen war. In mir formte sich der Gedanke, daß ich niemals aufgeben würde, selbst wenn die ganze Welt gegen mich wäre. 58

Mit Tricks, mit Kraft und mit lauten Schreien kämpfte ich gegen die Hilflosigkeit und die übermächtigen Feinde. Während ich nach unten gedrückt wurde, redete Stan ständig auf mich ein, daß er und die anderen um mich herum nicht meine Feinde seien, daß sie mir helfen wollten, meine Erfahrungen bis zum Ende zu durchleben. Nach einiger Zeit konnte ich in meinem Kampf das Wieder­ erleben meiner Geburt erkennen. Ich muß dazu sagen, daß das Gefühl der Hilflosigkeit unentwegt massiven Widerstand in mir hervorrief, niemals Resignation. Ein ähnliches Verhaltensmuster kenne ich auch aus meinem alltäglichen Leben. Meine heftigen Bewegungen und lauten Schreie erreichten einen Höhe­ punkt und ließen dann nach. Ich geriet in eine Phase der Entspannung. An diesem Punkt entschloß ich mich, mich aufzusetzen. Als Stan mir sagte, es sei noch zu früh, zuckte mir die Erkenntnis durch den Kopf: »Ich bin eine Frühgeburt!« Ich legte mich wieder hin, wurde an meinem ganzen Körper zugedeckt und hatte das Gefühl, ich könnte all die verlorene Zeit in der Gebärmutter wettmachen. Das war sehr schön. Ich fühlte mich glücklich und war in der Lage, innerlich locker zu lassen. Plötzlich verspürte ich einen sehr intensiven Geruch nach Leder. Dieser Geruch kehrte immer wieder und ich empfand ihn als sehr, sehr angenehm. Ich befand mich in einem Zustand äußerster Entspannung, etwas, was ich von meinem Alltagsleben überhaupt nicht kannte. Ich war in der Lage, meine Visionen richtig zu genießen. Dieser starke und intensive Geruch nach Leder war der bemerkenswerteste Aspekt meiner Erfahrung. Ich war sehr erstaunt und wußte nichts damit anzufangen. Später, als wir uns in der Gruppe unsere Erlebnisse erzählten, fragte ich Stan, was dieser Geruch sein könnte. Er erwiderte mir, der Geruch nach Leder gehöre wohl nicht zu den symbolischen und archetypischen Aspekten der Geburt. Meine Wahrnehmung müßte vielmehr mit den tatsächlichen Gegebenheiten während meiner Entbindung zu tun haben. Später an jenem Abend fand ich heraus, daß meine Mutter in einem Ledergeschäft gearbeitet hatte und am Tage meiner Entbindung bis spät in den Abend hinein Lederhosen auf ihrem Schoß genäht hatte. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß die Wehen schon an diesem Tag einsetzen würden, und als Fruchtwasser abfloß, glaubte sie fälschlich, sie hätte es an der Blase. Auch meine allererste Zeit nach der Geburt war eng mit dem Geruch nach frischem Leder verknüpft, da meine Mutter kurz nach meiner Entbindung zu Hause weiter an Lederhosen nähte. Ich bin überzeugt, daß ich meine Geburt wiedererlebt habe und daß auch der Geruch nach frischem Leder eine authentische Erinnerung war. 59

Abb. 2a-f: Die folgende Bild­ serie erlaubt einen Blick in pe­ rinatale Bereiche, wie eine mit Kaiserschnitt Geborene sie er­ lebte. Die Künstlerin ist zu­ gleich Autorin eines Buches zu diesem Thema (s. English 1985). Es enthält detaillierte Berichte über ihre Erfahrun­ gen, Interviews mit anderen durch Kaiserschnitt zur Welt Gekommenen sowie grundsätz­ liche Hinweise für die Betrach­ tung des perinatalen Bereichs von Kaiserschnitt-Geborenen. In der Arbeit an ihrem eigenen Prozeß nutzte Jane English ver­ schiedene Techniken, darunter das in unseren Workshops er­ lebte holotrope Atmen.

Abb. 2a (oben): Der ÄtherDämon. Dieses Bild entstand, nachdem die Klientin erkannt hatte, daß ein allesdurchdringendes, unspezifisches Gefühl von Übelkeit, Entsetzen und elektrischer Eiseskälte mit der bei der Kaiserschnitt-Geburt angewendeten Narkose zusam­ menhing.

Abb. 2 b (unten): Die »schwan­ gere Burg«, während der Nar­ kose noch wie verriegelt, wird durch den Kaiserschnitt nach oben, zum Licht hin, aufgebrochen.

Abb. 2 c: Erinnerungen an die Kaiserschnitt-Geburt waren vermischt mit solchen an ihren Tod als aztekisches Kultopfer, das Gesicht des Priesters verschwamm mit dem des Arztes - beide sind Helfer an einer Schwelle.

Abb. 2d: Mörderischer Zorn, freigesetzt im Wiedererleben der groben Behandlung, die sie bei der Geburt erfahren hatte, ging mit Rachegefüh­ len gegenüber dem Priester einher. Indem Jane diese Dynamik erfuhr, konnte sie sich aktiv aus dem Gefühl des Opfer-Seins und der Hilflosig­ keit befreien.

61

Abb. 2e: Nachdem Jane ihre Äng­ ste und Aggressionen konfrontiert und losgelassen hatte, empfand sie ein starkes Gefühl von Liebe für den Geburtshelfer/Priester, von Verschmelzung, gefolgt von zellu­ larem Bewußtsein und schließlich von galaktischem, kosmischem Bewußtsein.

Abb. 2f: Eine KaiserschnittGeburt ist ein Hinaufgehobenwerden ins Licht. Paradoxer­ weise wird dies wie ein Fallen ins Feuer empfunden, weil das volle Gewicht des Körpers er­ lebt und das Nervensystem stark stimuliert wird. So ist die Kaiserschnitt-Geburt eine in­ tensive, zugleich erschreckende Explosion durch eine rote Öff­ nung hindurch ins Licht hinein. Es ist wie Sterben, weil man alles Vertrauten beraubt wird.

62

C. Jenseits des Gehirns: Transpersonale Dimensionen der Psyche Gleich der Giraffe und dem Schnabeltier sind die Wesen, die die fernen Zonen der Psyche bewohnen, äußerst unwahrschein­ lich. Dennoch gibt es sie, sie sind Beobach­ tungstatsachen; und als solche können sie von niemand unbeachtet gelassen werden, der ehrlich versucht, die Welt, in der wir leben, zu verstehn. Aldous Huxley, Himmel und Hölle.

Tod- und Wiedergeburtserlebnisse öffnen in der Regel das Tor zu einem transbiographischen Bereich der menschlichen Psyche, den man am besten als transpersonal bezeichnen kann. Die perinatale Ebene des Unbewußten ist eindeutig eine Berührungsfläche zwi­ schen dem biographischen und dem transpersonalen Bereich oder zwischen dem persönlichen und dem kollektiven Unbewußten. In den meisten Fällen geht transpersonalen Erfahrungen eine dramati­ sche Begegnung mit Geburt und Tod voraus. Es gibt aber auch eine bedeutende Alternative. Gelegentlich kann man den erlebensmäßi­ gen Zugang zu transpersonalen Elementen und Themen direkt gewinnen, ohne mit der perinatalen Ebene konfrontiert zu werden. Der gemeinsame Nenner dieser sehr reichhaltigen und weitläufigen Gruppe von transpersonalen Phänomenen ist das Empfinden, daß das eigene Bewußtsein über die normalen Grenzen des Ich hinausge­ gangen ist und die Beschränkungen von Raum und Zeit überwunden hat. In »normalen« oder gewöhnlichen Bewußtseinszuständen erfahren wir uns selbst als innerhalb der Grenzen unseres physischen Körpers existierend (Körperbild). Die Wahrnehmung der Umwelt wird durch die Reichweite der Sinnesorgane eingeschränkt. Sowohl unsere Innenwahmehmung (Interozeption) als auch die Wahrnehmung un­ 63

serer Außenwelt (Exterozeption) bewegen sich innerhalb der ge­ wöhnlichen räumlichen und zeitlichen Grenzen. Unter normalen Umständen können wir in lebendiger Weise und mit allen unseren Sinnen nur die Ereignisse im gegenwärtigen Augenblick und in unserer unmittelbaren Umgebung erfahren. Vergangene Ereignisse können wir uns wieder ins Gedächtnis rufen, zukünftige Ereignisse gibt es nur in unserer Vorahnung oder Phantasie, aber wir können weder die Vergangenheit noch die Zukunft unmittelbar erfahren. In transpersonalen Erlebnissen hingegen, wie sie sich in psychedeli­ schen Sitzungen, in erfahrungsorientierter Selbsterforschung ohne Anwendung von Drogen, in Trancezuständen, Meditationen oder spontan einstellen können, scheinen eine oder mehrere der genann­ ten Beschränkungen nicht mehr zu existieren. Auf der Grundlage dieser Erörterungen lassen sich transpersonale Erfahrungen definieren als die erlebensmäßige Ausdehnung oder Erweiterung des Bewußtseins über die gewöhnlichen Grenzen des Körper-Ich sowie über die Beschränkungen von Raum und Zeit. Zu diesen Erfahrungen zählen die unterschiedlichsten Phänomene, die auf verschiedenen Realitätsebenen auftreten können. In einem ge­ wissen Sinn umfaßt das gesamte Spektrum transpersonaler Erleb­ nisse die Existenz selber. Bevor ich weiter auf diese Art von Erfahrungen eingehe, möchte ich zwei neue Begriffe einführen, die ich später (S. 285f) ausführlicher erklären und besprechen werde. Sie beziehen sich auf zwei einander ergänzende Formen des Be­ wußtseins, in denen wir uns selber und die Welt erfahren können. Hylotropes oder materieorientiertes Bewußtsein ist der Begriff, den ich für die normale, alltägliche Erfahrung dessen an wende, was übereinstimmend als Realität aufgefaßt wird. Das holotrope Be­ wußtsein oder das Bewußtsein, das auf Ganzheit und Totalität der Existenz abzielt, charakterisiert bestimmte außergewöhnliche psy­ chische Zustände, etwa meditative, mystische oder psychedelische Erfahrungen. Es läßt sich auch in vielen spontan auftretenden Erlebnissen beobachten, die von der gegenwärtigen Psychiatrie als psychotisch klassifiziert werden. Im hylotropen Bewußtseinszustand erfahren wir lediglich einen sehr abgegrenzten und spezifischen Ausschnitt der phänomenalen Welt oder dessen, was übereinstimmend als Realität aufgefaßt wird. 64

Diese Erfahrung schreitet von einem Augenblick zum nächsten fort. Art und Umfang dieses bruchstückhaften Erlebens von Rea­ lität sind eindeutig definiert durch unsere räumlichen und zeitli­ chen Koordinaten in der phänomenalen Welt, die anatomischen und physiologischen Beschränkungen unserer Sinnesorgane so­ wie die physischen Merkmale der Umgebung. In einem holötropen Bewußtseinszustand kann man zusätzlich den Zugang zu allen übrigen Aspekten der Existenz gewinnen. Damit sind nicht nur die individuelle biologische, psychologi­ sche, soziale, rassische und spirituelle Vorgeschichte sowie Ver­ gangenheit, Gegenwart und Zukunft der gesamten phänomenalen Welt gemeint, sondern auch viele andere Bereiche und Ebenen der Realität, die von den großen mystischen Traditionen der Welt beschrieben worden sind. Ein wissenschaftlicher Vergleich der mystischen Schriften zeigt, daß sich die meisten Lehren die­ ser Art in einem komplexen und hierarchischen Schichtenmodell der Realität vereinigen lassen, das sowohl phänomenale als auch transpersonale Aspekte der Existenz einbezieht (Wilber 1980). Der grobstoffliche Erfahrungsbereich umfaßt die Welt des Be­ wußtseins im normalen Wachzustand und die Realität, wie sie uns durch die Sinnesorgane vermittelt wird. Das entsprechende Weltbild und In-der-Welt-Sein beruhen ausschließlich auf Infor­ mationen, die vom physischen Körper und der materiellen Welt stammen, auf dem linearen Kausalitätsprinzip und auf der Newtonschen Auffassung von Zeit und Raum. Viele Systeme der philosophia perennis haben aber zusätzlich mehrere transpersonale Bereiche oder Ebenen der Existenz erkannt und erforscht, die gewöhnlich als die feinstoffliche, die kausale und die letzte oder absolute Ebene bezeichnet werden. Sowohl die feinstoffliche als auch die kausale Ebene lassen sich weiter in einen höheren und niedrigeren Bereich unterteilen. Die niedrigere feinstoffliche oder astralpsychische Ebene umfaßt nach traditioneller Auffassung außerkörperlicher Erfahrungen, Astral­ reisen, okkulte und PSI-Phänomene (Präkognitionen, Hellsehen, Psychokinese), Auren und ähnliche Erfahrungen. Die höhere feinstoffliche Ebene umfaßt archetypische Gottheiten, höhere Geistwesen und spirituelle Führer, Erlebnisse göttlicher Inspira­ 65

tion, Visionen von Licht und akustisch wahrnehmbare Eingebun­ gen. Die niedere kausale Ebene ist der Bereich des savikalpa samadhi, des letzten Gottes, des Schöpfers aller Reiche, des akustisch wahr­ nehmbaren Lichts des bija mantra - also des Ursprungs aller indivi­ duellen Gottheiten. Der höhere kausale Bereich schließlich ist gekennzeichnet durch letzte Transzendenz und Aufgehen in gren­ zenloser Strahlung oder nirvikalpa samadhi. Auf dieser Ebene gibt es weder Subjekt noch Objekt, weder Selbst noch Gott, nur das formlose Bewußtsein an sich. In diesem Reich des Absoluten erwacht das Bewußtsein zu seinem ursprünglichen Zustand, zum Sein an sich, das auch dem Sein an sich aller Phänomene grobstofflicher, feinstofflicher und kausaler - entspricht. Beobachtungen im Rahmen der modernen Bewußtseinsforschung mit und ohne Anwendung von Drogen vermögen dieses Realitäts­ bild im allgemeinen weitgehend zu bestätigen. In spezifischen Einzelheiten aber müßte die Kartographie des Bewußtseins, die sich in der philosophia perennis findet, erweitert und abgeändert werden, um den Ergebnissen der experimentellen Psychiatrie und der neuen Selbsterfahrungstherapien zu genügen. Im folgenden möchte ich nun ein Klassifikationssystem für transpersonale Erfahrungen ent­ werfen, das auf dem Schema der philosophia perennis beruht, gleichzeitig aber auch moderne wissenschaftliche Untersuchungser­ gebnisse berücksichtigt. Eine taxonomische Einordnung transpersonaler Erfahrungen vorzu­ nehmen, die allen introspektiven Daten und objektiven Beobachtun­ gen der modernen Bewußtseinsforschung gleichermaßen gerecht wird, ist keine leichte Aufgabe. Das Spektrum solcher Erfahrungen ist nicht nur äußerst reichhaltig, verzweigt und verschiedenartig, sondern enthält auch verschiedene Realitätsebenen, die von anderen Gesetzen und Prinzipien als solchen, wie sie für die gewöhnliche Realität gelten, bestimmt werden. Viele transpersonale Erfahrungen entziehen sich einer angemessenen verbalen Beschreibung und stellen sich auf Realitätsebenen ein, auf denen gerade die Aspekte, die normalerweise als Unterteilungsprinzipien dienen könnten Raum, Zeit, Dualität und Polarität oder lineare Kausalität -, trans­ zendiert werden. Das Problem wird weiter kompliziert durch die 66

holographische Natur des Bewußtseins und durch den Umstand, daß sich seine verschiedenen Ebenen und Bereiche gegenseitig durchdringen. Ich glaube aber, daß in der folgenden Erörterung transpersonaler Phänomene die Erfahrungswirklichkeiten trotz der durch die Natur der Sache bedingten Einschränkungen angemessen wiedergegeben sind, angemessen genug, um zukünftige Wissenschaftler und For­ schende, die sich in diese faszinierenden Territorien des menschli­ chen Geistes wagen wollen, mit nützlichen Informationen zu ver­ sorgen, und meine Hoffnung ist, daß sie auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen und Beobachtungen das hier entworfene Schema ihrerseits ergänzen, verfeinern und revidieren werden. Bevor ich mit dem Entwurf eines Klassifikationssystems für trans­ personale Phänomene beginne, möchte ich noch die Beziehung zwischen dem holotropen Bewußtsein und transpersonalen Erfah­ rungen klären. Im holotropen Bewußtseinszustand kann man Zu­ gang zu allen Aspekten der Existenz finden. Dazu gehören die individuelle Lebensgeschichte nach der Geburt, zukünftige Ereig­ nisse, die biologische Geburt selber, die embryonale und fötale Entwicklung, der Augenblick der Empfängnis, karmische Vorle­ ben sowie das Leben der Vorfahren, der Rasse und sogar der gesamten Phylogenese. Über die Erfahrungen in Verbindung mit Ereignissen nach und während der biologischen Geburt habe ich bereits gesprochen. In einem gewissen Sinn kann man das vollständige Wiedererleben von Ereignissen aus der Kindheit und während der Geburt - im Gegensatz zum bloßen sich Erinnern - als echte Transzendierung von Raum und Zeit ansehen. In solchen Fällen rekonstruiert die betreffende Person die Ereignisse nicht anhand von Gedächtnisspu­ ren in ihrem Nervensystem, sondern wird eigentlich direkt in die räumlichen und zeitlichen Umstände des ursprünglichen Gesche­ hens zurückversetzt. Man könnte dies mit einer Situation verglei­ chen, wie man sie aus der Science Fiction-Literatur kennt: Astro­ nauten, die einen Planeten mit einem starken Gravitationsfeld besu­ chen, geraten unter den Einfluß von Raum-Zeit-Schleifen und können gleichzeitig in zwei verschiedenen raumzeitlichen Umfel­ dern existieren. Unter solchen Bedingungen können sie sich selber 67

an verschiedenen Punkten ihrer Vergangenheit sehen, ja sich sogar begegnen. Das vollständige Wiedererleben von Ereignissen aus der Kindheit wird gelegentlich begleitet von einer Identifikation mit den Hauptbe­ teiligten der betreffenden Situation (etwa mit dem Aggressor). Dies weist ebenfalls eindeutig auf den transpersonalen Charakter solcher Erfahrungen hin. Beim Wiedererleben verschiedener Geburtssta­ dien identifiziert man sich unter Umständen nicht nur voll und ganz mit der entbindenden Mutter, sondern gewinnt auch Zugang zu Situationen in den verschiedensten Teilen der Welt und zu den verschiedensten Zeitpunkten der Geschichte, in denen andere Men­ schen ähnliche emotionale Zustände und körperliche Empfindungen gehabt haben. Solche Verbindungen sind schon früher im Zusam­ menhang mit der Phänomenologie der perinatalen Grundmatrix erörtert worden. Die Hauptunterscheidung ist also nicht zwischen transpersonalen und biographischen oder perinatalen Erfahrungen zu treffen, son­ dern zwischen dem hylotropen Bewußtsein - dem zeitlich linear fortschreitenden Bewußtsein des normalen Wachzustands - und dem holotropen Bewußtsein, das außergewöhnliche Bewußt­ seinszustände umfaßt, die Zugang zu allen anderen Aspekten der Existenz vermitteln. In solchen Bewußtseinszuständen ist nicht nur die Raum-Zeit der phänomenalen Welt enthalten, sondern auch alle transphänomenalen Realitätsebenen. Lediglich aus didaktischen Gründen haben wir biographische und perinatale Erfahrungen ge­ trennt von transpersonalen Erfahrungen erörtert. Im folgenden Schema sind die Erfahrungen, die sich auf die Existenz als Embryo, auf das Leben der Vorfahren oder der gesamten Rasse, auf karmische Vorleben und auf die Phylogenese erstrecken, in den transper­ sonalen Bereich einbezogen. Im allgemeinen lassen sich transpersonale Erfahrungen aufgrund ihres Inhalts in drei große Kategorien einteilen. In manchen von ihnen geht es um Phänomene aus der materiellen Welt der RaumZeit, die unsere Kultur als objektiv betrachtet. In anderen spiegeln sich Realitätsebenen wider, deren Existenz von der mechanistischen Wissenschaft des Westens geleugnet wird, die aber von vielen alten und nichtwestlichen Kulturen sowie von den großen mystischen 68

Traditionen der Welt - der philosophia perennis, wie Aldous Huxley sie beschrieben hat (Huxley 1970) - erkannt und anerkannt worden sind. Die erste Kategorie von transpersonalen Erfahrungen, die sich in der Raum-Zeit abspielen, läßt sich weiter unterteilen in Erfahrungen, in denen die normalen Grenzen des Raumes überschritten werden, und in solche, die über die Grenzen der linearen Zeit hinausgehen. Wir können noch eine dritte Kategorie von Erfahrungen und Phänome­ nen hinzufügen, die seltsame Mischformen zwischen der grobstoff­ lichen und der feinstofflichen oder kausalen Bewußtseinsebene darstellen. Sie scheinen sich an der Berührungsfläche zwischen der Innenwelt und der äußeren Realität, zwischen Materie und Bewußt­ sein zu ereignen. Ich habe mir die Freiheit genommen, zur Bezeich­ nung dieser Phänomene auf den Begriff »psychoid« zurückzugrei­ fen, der in der Vergangenheit unterschiedlich gebraucht wurde, so von dem deutschen Biologen und Philosophen Hans Driesch (1929), einem der Hauptvertreter des Vitalismus, von dem schweizerischen Psychiater Eugen Bleuler (1925), der auch den Begriff »Schizophre­ nie« prägte, und in neuerer Zeit von Carl Gustav Jung (1964), der den Begriff »psychoid« in Verbindung mit Synchronizitäten und archetypischen Phänomenen verwendete. Das folgende Klassifika­ tionssystem beruht auf den oben erörterten Prinzipien. Transpersonale Erfahrungen 1. Erweiterung des Erlebens innerhalb der »objektiven Realität« und der Raum-Zeit a. Überschreiten der räumlichen Grenzen Erfahrungen der Zweieinigkeit Identifikation mit anderen Menschen Gruppenidentifikation und Gruppenbewußtsein Identifikation mit Tieren Identifikation mit Pflanzen und botanischen Prozessen Erfahrungen der Einheit mit der Gesamtheit des Lebens und der Schöpfung Identifikation mit toter Materie und anorganischen Prozessen Planetarisches Bewußtsein Außerirdische Erfahrungen Identifikation mit dem gesamten physikalischen Universum 69

PSI-Phänomene, in denen die Grenzen des Raums überschritten werden b. Überschreiten der Grenzen der linearen Zeit Embryonale und fötale Erfahrungen Ahnen-Erfahrungen Erfahrungen, die sich auf die Existenz der Rasse und des Kollektivs beziehen Erinnerungen an Ereignisse in früheren Inkarnationen Phylogenetische Erfahrungen Erfahrungen, die sich auf die Evolution des Planeten beziehen Kosmogenetische Erfahrungen PSI-Phänomene, in denen die Grenzen der Zeit überschritten werden c. Physische Introversion und Verengung des Bewußtseins Organ-, Gewebe- und Zellbewußtsein 2. Erweiterung des Erlebens über die Grenzen der »objektiven Realität« und der Raum-Zeit hinaus Spiritistische und mediumistische Erfahrungen Energetische Phänomene des feinstofflichen Körpers Begegnungen mit tierischen Geistern Begegnungen mit geistigen Führern und übermenschlichen Wesen Besuche anderer Universen und Begegnungen mit ihren Bewohnern Erfahrungen, in denen man an Handlungsabläufen aus Mythos und Märchen teilnimmt Begegnungen mit einzelnen guten und bösen Gottheiten Begegnungen mit universellen Archetypen Intuitives Verstehen universeller Symbole Kreative Inspiration und prometheischer Impuls Begegnungen mit dem Weltenschöpfer und Einblicke in die kosmi­ sche Schöpfung Die Erfahrung kosmischen Bewußtseins Die supra- und metakosmische Leere 3. Transpersonale Erfahrungen psychoider Natur a. Synchronistische Verbindungen zwischen Bewußtsein und Materie b. Spontan auftretende psychoide Ereignisse Übemormale körperliche Leistungen Spiritistische Phänomene und physische Mediumschaft Wiederholte spontane Psychokinese (Poltergeist) Unidentifizierte fliegende Objekte (UFO-Phänomene) c. Intentionale Psychokinese Heilen und Hexen 70

Zeremonienzauber Siddhis Psychokinese im Labor Diese Aufteilung enthält sämtliche Formen von transpersonalen Erfahrungen, die ich selber im Rahmen der psychedelischen For­ schung, in Sitzungen mit holotropem Atmen und in der Arbeit mit Personen, die spontan in einen außergewöhnlichen Bewußtseinszu­ stand geraten waren, beobachten konnte. Außerdem sind einige wenige transpersonale Phänomene der psychoiden Art aufgeführt, die wiederholt in der mystischen Literatur und von einigen moder­ nen Forschem beschrieben worden sind, denen ich aber in meiner eigenen Arbeit nicht begegnet bin. Diese Kartographie stimmt im allgemeinen mit den Aussagen der philosophia perennis überein, auch wenn sie noch vollständiger ist und sich in manchen Einzelheiten von ihr unterscheidet. Die Katego­ rie von Erfahrungen, in denen sich das Bewußtsein innerhalb der Grenzen der »objektiven Realität« und der Raum-Zeit erweitert, hat ihr Gegenstück im astralpsychischen Bereich der niederen feinstoff­ lichen Ebene. Die meisten Erfahrungen, die durch die Erweiterung des Erlebens über die »objektive Realität« und die Raum-Zeit hinaus gekennzeichnet sind, gehören zu den höheren feinstofflichen Berei­ chen. Die Begegnung mit dem letzten Gott oder dem kosmischen Schöpfer (savikalpa samadhi) scheint der niederen kausalen Ebene zu entsprechen, die Erfahrung des formlosen Bewußtseins, das alle Dualitäten transzendiert (nirvikalpa samadhi), oder die Erfahrung der überkosmischen Leere (sunyata) der höheren kausalen Ebene. Das Absolute wäre dann die Erfahrung der Existenz aller Ebenen an sich und des Bewußtseins in seiner ursprünglichen Form. Man muß sich stets vergegenwärtigen, daß transpersonale Erfahrun­ gen nicht immer in reiner Form auftreten. Wie schon früher erwähnt, werden beispielsweise perinatale Erfahrungen, die für die einzelnen Matrizen charakteristisch sind, häufig von spezifischen Formen transpersonaler Phänomene begleitet, und biographische Erfahrun­ gen können bestimmte transpersonale Merkmale tragen. Auch treten verschiedene Arten transpersonalen Erlebens häufig zusammen auf. So können embryonale Erfahrungen kombiniert sein mit phylogene­ tischen Erinnerungen, mit der Erfahrung des Einsseins mit dem 71

Kosmos, mit archetypischen Bildern vom Himmel oder vom Para­ dies, und mit Visionen von verschiedenen guten Gottheiten oder Dämonen. Diese Verknüpfungen sind sehr regelmäßig und scheinen eine bemerkenswerte Logik des Erlebens sowie tiefgehende, von jeher bestehende Verbindungen zwischen verschiedenen Phänome­ nen in der Welt des Bewußtseins widerzuspiegeln. In den folgenden Abschnitten werde ich nun die Hauptformen transpersonaler Erfahrungen beschreiben und sie anhand typischer Beispiele veranschaulichen.

1. Erweiterung des Erlebens innerhalb der »objektiven Realität« und der Raum-Zeit a. Überschreiten der räumlichen Grenzen Transpersonale Erfahrungen, in denen die Grenzen des Raumes überschritten werden, lassen vermuten, daß die Grenzen zwischen dem Individuum und dem übrigen Universum nicht festgelegt und absolut sind. Unter besonderen Umständen kann man sich in seinem Erleben mit allem identifizieren, was im Universum existiert, auch mit dem gesamten Kosmos. Hierzu gehören die Erfahrungen, in denen man mit einer anderen Person zu einem Zustand der Zweiei­ nigkeit verschmilzt oder die Identität einer anderen Person annimmt, und solche, in denen sich das eigene Bewußtsein in einer Weise erweitert, daß es die ganze Menschheit zu umfassen scheint. Auf ähnliche Weise kann man auch über die Grenzen des spezifisch menschlichen Bewußtseins hinausgehen und sich mit dem Bewußt­ sein von Tieren, Pflanzen oder sogar anorganischen Objekten und Prozessen identifizieren. Im Extremfall ist es möglich, das Bewußt­ sein der gesamten Biosphäre, unseres Planeten oder des ganzen materiellen Universums anzunehmen. Erfahrungen der Zweieinigkeit Diese Form der transpersonalen Erfahrung ist charakterisiert durch eine Lockerung und Auflösung der Grenzen des Körper-Ich und durch das Empfinden, mit einer anderen Person in einen Zustand der 72

Einheit und des Einsseins zu verschmelzen. Trotz dieser Empfin­ dung bleibt das Bewußtsein der eigenen Identität bestehen. In psychedelischen Zuständen, in einer Selbsterfahrungstherapie, in Meditation oder in einem spontan auftretenden außergewöhnlichen Bewußtseinszustand kann sich diese Erfahrung des Einswerdens auf Personen aus der unmittelbaren Umgebung beziehen, etwa auf den Therapeuten, seinen Helfer, auf Familienmitglieder oder Freunde. Sie kann aber auch Menschen betreffen, die nur in der Vorstellung existieren und physisch nicht zugegen sind. Die Erfahrung der Zweieinigkeit tritt sehr regelmäßig in Sitzungen auf, in denen man perinatale Situationen der symbiotischen Ver­ schmelzung mit dem mütterlichen Organismus (mit dem »guten Mutterleib« oder der »guten Brust«) neu durchlebt. Unter diesen Umständen kann man sich auch abwechselnd mit Mutter und Kind identifizieren. In Zuständen der mystischen Vereinigung mit dem Universum kann sich die Zweieinigkeit auf jeden Aspekt der Exi­ stenz beziehen - nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Tiere, Pflanzen und tote Materie. Ein wichtiges Beispiel für die Erfahrung der Zweieinigkeit ist das Gefühl des Verschmelzens mit dem Partner in einer sexuellen Situation (mit oder ohne das Element der genitalen Vereinigung). Es kann sich spontan unter alltäglichen Bedingungen einstellen oder im Rahmen bewußt durchgeführter tantrischer Übungen. Im linkshän­ digen Weg des Tantra (vama marga) ist die Erfahrung der Vereini­ gung mit dem Kosmos auf dem Weg über die sexuelle Vereinigung mit dem Partner bzw. der Partnerin (maithuna) das Ziel eines komplexen heiligen Rituals (pancha makara). Erfahrungen der Zweieinigkeit kommen auch häufig in systematisch praktizierten spirituellen Übungen vor (insbesondere in der bhakti-Tradition). Der Schüler bzw. die Schülerin hat dann das Gefühl, mit dem Guru eins zu werden. Die Erfahrungen der Zweieinigkeit sind häufig von tief empfundener Liebe begleitet und von dem Gefühl, daß diesem Vorgang etwas Heiliges (Numinoses) anhaftet. In den spirituellen Traditionen und in der humanistischen Bewegung gibt es bestimmte Übungen, die solche Erfahrungen herbeiführen können, etwa einer anderen Person in die Augen sehen, sich auf ihren Atem konzentrieren, mit ihr 73

gemeinsam im gleichen Rhythmus atmen oder gegenseitig dem Herzschlag zu lauschen. Im folgenden Beispiel aus einer therapeutischen LSD-Sitzung ist eine regressive Erfahrung der Zweieinigkeit mit der Mutter während der intrauterinen Existenz und des Stillens kombiniert mit einer Erfahrung des Einswerdens mit dem Therapeuten. Die Patientin wurde aufgrund einer psychotischen Störung mit psycholytischer Therapie behandelt. Ein Überblick über den Verlauf ihrer Behand­ lung findet sich in meinem Buch »LSD-Psychotherapie« (Grof 1985). An diesem Punkt nahm Milada eine fötale Position ein und wirkte stark regrediert. In ihrem Gesicht machte sich eine auffallende Veränderung bemerkbar. Alle Falten waren verschwunden und sie sah wie ein ganz kleines Kind aus. Sie schilderte mir, daß sie sich in einem wunderbaren Zustand der Einheit mit ihrer Mutter fühlte. Ihre Gefühle waren von denen ihrer Mutter nicht getrennt. Sie konnte ungehindert von der Erfahrung, selber ein Kind im Mutterleib oder an der Mutterbrust zu sein, überwechseln in die Erfahrung, ihre schwangere oder stillende Mutter zu sein. Sie konnte auch beide Rollen gleichzeitig annehmen, als handelte es sich um ein Erlebenskontinuum, in dem jegliche Grenzen absolut fehlten. Als sie ihre Augen öffnete, stellte sie mit großem Erstaunen fest, daß es keine Grenzen zwischen uns beiden gab. Sie hatte das Gefühl, meine Gedanken und Gefühle zu kennen. Dies konnte ich, bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie ihre Wahrnehmungen verbalisierte, tat­ sächlich bestätigen. Umgekehrt meinte sie, ich hätte unbegrenzten Zugang zu ihrem Inneren und könnte darin »wie in einem Buch lesen«. Dieser Aspekt ihrer Erfahrung war aber eindeutig eine Projektion und entsprach nicht meiner tatsächlichen Situation. An einem bestimmten Punkt zeigte Milada auch ein Element von paranoider Angst. Sie meinte, alle ihre Gedanken würden nicht nur mir übertragen, sondern auch anderen Menschen und der ganzen Welt. Identifikation mit anderen Personen Diese transpersonale Erfahrung hängt eng mit der eben beschriebe­ nen zusammen. Während man in seinem Erleben mit einer anderen Person verschmilzt, hat man das Gefühl, sich vollständig mit ihr zu identifizieren, bis zu dem Punkt, an dem man mehr oder weniger das 74

Bewußtsein seiner eigenen Identität verliert. Das Gefühl, eine andere Person zu sein, betrifft jeden Aspekt und ist sehr komplex. Es bezieht sich auf das Körperbild, die Körperempfindungen, die emotionalen Reaktionen und Einstellungen, die Gedankenprozesse, die Erinnerungen, den Gesichtsausdruck, die typischen Gesten und Manierismen, die Haltung, die Bewegungen und sogar den Klang der Stimme. Diese Erfahrung kann in vielen Formen auftreten und unterschied­ lich stark ausgeprägt sein. Sie kann Personen betreffen, die unmittel­ bar zugegen sind, und solche, die sich im Augenblick an einem anderen Ort befinden. Sie kann sich auch im Rahmen von Erlebnis­ sen einstellen, in denen Figuren aus der Kindheit, aus der Ahnen­ reihe oder aus einer früheren Inkarnation eine Rolle spielen. Man kann sich auch mit berühmten Persönlichkeiten der Gegenwart oder der Vergangenheit, ja sogar mit mythologischen und archetypischen Charakteren identifizieren. Wenn emotional bedeutsame Ereignisse aus der Kindheit oder sogar aus dem späteren Leben, an denen andere Personen beteiligt sind, wiedererlebt werden, dann kommt es häufig vor, daß man sich mit allen Protagonisten gleichzeitig oder abwechselnd identifiziert. Die­ ser Mechanismus kann vielen persönlichen biographischen Erfah­ rungen eine transpersonale Qualität verleihen. Unter solchen Um­ ständen kann man sich mit seinen Eltern, Kindern, anderen engen Verwandten, wichtigen Freunden, Bekanntschaften und Lehrern identifizieren. Ebenso können prominente Politiker, Wissenschaft­ ler, Künstler, Religionsführer und typische Vertreter anderer beruf­ licher, ethnischer oder rassischer Gruppen aus Vergangenheit und Gegenwart zum Identifikationsobjekt werden. Ich selbst wurde Zeuge, wie sich Personen in verschiedenen außer­ gewöhnlichen Bewußtseinszuständen mit folgenden berühmten hi­ storischen Figuren und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens identifizierten: mit Alexander dem Großen, dem römischen Kaiser Nero, Kleopatra, Dschingis Khan, Leonardo da Vinci, Michel­ angelo, dem heiligen Franz von Assisi, der heiligen Theresa, Abraham Lincoln, Wladimir Iljitsch Lenin, Joseph Stalin, Martin Luther King, Mohammed Ali, John F. Kennedy und verschiedenen bekannten Filmstars. Die volle Identifikation mit Christus und 75

seinem Leiden kommt typischerweise im Rahmen von Erlebnissen vor, die von der dritten perinatalen Grundmatrix bestimmt werden. Im Gegensatz zu Erlebnissen früherer Inkarnationen besitzt die einfache Identifikation mit einer anderen Person nicht die Qualität einer Erinnerung, d. h. es herrscht nicht das Gefühl vor, diese Person tatsächlich einmal gewesen zu sein. Erfahrungen der Zweieinigkeit und der Identifikation mit einer anderen Person treten häufig bei Menschen mit hochentwickelten paranormalen Fähigkeiten auf. Hier haftet ihnen aber nicht das Unvorhersagbare und Elementare an wie etwa in psychedelischen Zuständen, in einer Selbsterfahrungstherapie, in Meditation oder in spontan auftretenden außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen (transpersonalen Krisen), sondern sie können willentlich herbeige­ führt und kontrolliert werden. Wir selbst sind wiederholt Zeuge geworden, wie Anne Armstrong unter anderem mit Hilfe dieser Mechanismen zu höchst zutreffenden Erkenntnissen über andere Personen gelangte. Auch erfahrene Schamanen arbeiten offenbar auf diese Weise, wenn sie eine Heilung oder eine mediale Diagnose vornehmen. Ich möchte hier als Beispiel einen Vorfall aus unserem eigenen Leben berichten. Es handelt sich um ein intensives Identifikationser­ lebnis, das meine Frau Christina hatte, als sie mit einer fiebrigen Viruserkrankung im Bett lag. Dieses Erlebnis betraf einen gemein­ samen engen Freund, den verstorbenen Anthropologen und Univer­ saldenker Gregory Bateson. Damals verbrachte Gregory, der an Lungenkrebs litt, die letzten Jahre seines Lebens im Esalen-Institut. Während eines diagnostischen Eingriffs hatten die Chirurgen einen Tumor von der Größe einer Grapefrucht in unmittelbarer Nähe seiner vena cava entdeckt. Sie hielten ihn für inoperabel und gaben Gregory noch vier Wochen zum Leben. Er wurde daraufhin vom Esalen-Institut eingeladen, die restliche Zeit seines Lebens im Institut, in der wunderbaren Landschaft der Big Sur-Küste, zu verbringen. Während seines Aufenthalts wurde er mit verschiedenen alternativen Methoden behandelt und im Endeffekt blieb er - mit einigen Hochs und Tiefs - noch zweieinhalb Jahre am Leben. Wir waren sehr viel mit ihm und seiner Familie zusammen und wurden enge Freunde. 76

Eines Morgens beschloß Christina, im Bett zu bleiben, weil sie sich nicht wohl fühlte. Plötzlich wurde sie von dem Gefühl überwältigt, sie verwandle sich in Gregory. Sie hatte seinen großen Körper, seine riesigen Hände, seine Gedanken und seinen unerschütterlichen britischen Hu­ mor. Sie spürte auch die Schmerzen, die der Krebs bereitete, und wußte irgendwie mit jeder Zelle ihres Körpers, daß er/sie sterben würde. Darüber war sie erstaunt, da es nicht ihrer bewußten Einschätzung seiner Situation entsprach. Es ging ihm zwar in jenen Tagen schlechter, aber das war schon viele Male vorher so gewesen, so daß sie seinen Zustand lediglich für eine vorübergehende Verschlechterung hielt. Im weiteren Verlauf dieses Tages begegnete Christina Gregory und unserem Freund Carl Simonton, der damals gerade Esalen besuchte. Er behandelte Gregory mit seiner Methode der Visualisierung, die er als Zusatzbehandlung zur Krebstherapie entwickelt hatte. Carl und Gre­ gory hatten an jenem Morgen zusammen gearbeitet. Mitten in der Sitzung aber hatte Gregory gesagt: »Ich möchte nicht mehr weiterma­ chen, ich will sterben.« Daraufhin riefen sie Gregorys Frau Lois herbei und fingen an, über das Sterben statt über das Heilen und Bekämpfen von Krebs zu reden. Der Zeitpunkt dieses Geschehens fiel genau mit dem von Christinas Identifikationserlebnis zusammen. Christina empfand im Hinblick auf dieses Erlebnis zwiespältige Ge­ fühle. Einerseits war es ungebeten in ihr Bewußtsein eingedrungen - ein Umstand, der sehr erschreckend war. Andererseits hatte sie in den wenigen Minuten dieses faszinierenden Erlebnisses mehr über Gregory erfahren als in den ganzen Jahren, in denen wir miteinander Kontakt hatten. Es war offenkundig, daß Erlebnisse dieser Art für diagnostische und therapeutische Zwecke von unschätzbarem Wert wären, wenn es gelänge, sie vollständig unter die Kontrolle des Willens zu bringen. Gruppenidentifikation und Gruppenbewußtsein Die Erfahrung des Gruppenbewußtseins ist charakterisiert durch eine noch stärkere Bewußtseinserweiterung und Auflösung der Grenzen. Statt sich mit einzelnen Menschen zu identifizieren, hat der oder die Betreffende das Gefühl, zu einer ganzen Gruppe von Menschen zu werden, denen bestimmte rassische, kulturelle, natio­ nale, ideologische, politische oder berufliche Merkmale gemeinsam sind. In manchen anderen Fällen ist es die physische und emotionale Erfahrung oder die mißliche Lage und das Schicksal, das diese Menschen miteinander verbindet. 77

In transpersonalen Erlebnissen dieser Art kann man von dem Emp­ finden überwältigt werden, das Bewußtsein all der Juden anzuneh­ men, die über Jahrhunderte verfolgt wurden, all der christlichen Märtyrer, die von den Römern gequält und geopfert wurden, all der Opfer der Inquisition, die gefoltert und in Ketzergerichten verurteilt wurden, oder der Gefangenen aller Zeitalter, die in Verliesen oder Konzentrationslagern litten. In solchen Erlebnissen kann man auch die religiöse Begeisterung all der Moslems fühlen, die nach Mekka pilgern, die Hingabe der Hindus bei der Huldigung des Flusses Ganges oder den Fanatismus der Mitglieder extremer religiöser Sekten wie etwa der Flagellanten, der russischen Skopzen oder der mit Schlangen hantierenden Holy Ghost People. Tiefe, Umfang und Intensität solcher Erfahrungen können extreme Ausmaße annehmen. Es besteht die Möglichkeit, daß man all das Leid spürt, das sterbende Soldaten jemals auf den Schlachtfeldern empfunden haben, das brennende Verlangen der Revolutionäre aller Zeiten nach dem Sturz des Tyrannen oder die Liebe, Zärtlichkeit und Hingabe aller Mütter der Welt, die für ihre Babys sorgen. Die fortschreitende Auflösung der Grenzen kann zu Erlebnissen führen, in denen man sich mit einer sozialen oder politischen Gruppe identifiziert, mit der Bevölkerung eines ganzen Landes oder Konti­ nents, mit allen Angehörigen einer bestimmten Rasse, oder allen Menschen, die sich zu einer der großen Weltreligionen bekennen. In Extremfällen ist es möglich, sich mit der Erfahrung der gesamten Menschheit, ihrem Glanz und ihrer Tragödie zu identifizieren, oder mit dem Sein des Menschen schlechthin - seiner Freude, seinem Zorn, seinen Leidenschaften und seiner Traurigkeit. Zahlreiche Beschreibungen solcher transpersonaler Erlebnisse fin­ den sich in der spirituellen Literatur. Es handelt sich dabei um Begebenheiten aus dem Leben von Propheten, Heiligen und großen Religionslehrem aller Zeiten. Die moderne Bewußtseinsforschung hat die überraschende Entdeckung gemacht, daß transpersonale Erlebnisse dieser Art unter bestimmten Umständen jedem widerfah­ ren können. Ein besonders bewegendes Beispiel aus der heutigen Zeit ist die mystische Erfahrung des amerikanischen Astronauten Rusty Schweickart, der von einem starken Gefühl der Identifikation mit der ganzen Menschheit überwältigt wurde, als er sich im 78

Rahmen der Apollo 9-Mission auf einem Raumspaziergang befand (Schweickart 1985). Ich möchte diese Art der transpersonalen Erfahrung anhand zweier Beispiele veranschaulichen. Das erste stammt aus einer hochdosier­ ten LSD-Sitzung eines Psychiaters, und zwar kurz nach einer fünfwöchigen Reise durch Indien. An diesem Punkt wurde ich von Erinnerungen an meine letzte Indien­ reise überflutet. Ich erlebte noch einmal, wie sehr mich diese unglaubli­ che Vielfalt von Eindrücken, der man in diesem Land begegnen kann, bewegt hatte - dieses tiefe Elend unvorstellbarer Armut, der Schmutz, die Krankheiten und der Tod, aber auch die zeitlose Schönheit der majestätischen Tempel und Skulpturen und die höchsten Errungen­ schaften des menschlichen Geistes. Noch bevor es mir so recht bewußt wurde, verlagerte sich der Schwerpunkt meines Erlebens. Ich war nun nicht mehr Besucher und Beobachter, sondern identifizierte mich mit dem, was ich wahmahm, und auf diese Weise ging meine Erfahrung weit über die bloßen Erinnerungen an Indien hinaus. Ich bemerkte, daß ich zum Volk Indiens wurde! Man wird es sich unter normalen Umständen kaum vorstellen können, aber ich spürte, wie ich ein ungeheuer großer Organismus war, dessen Bestandteile die zahllo­ sen Millionen Bewohner des indischen Subkontinents bildeten. Die beste Parallele dazu, die mir in den Sinn kommt, ist der menschliche Körper. Jede Zelle ist einerseits eine getrennte Einheit, aber auch ein nahezu unendlich kleiner Teil des gesamten Organismus. Bewußtsein und Selbstwahmehmung spiegeln nur das Ganze wider, nicht die einzelnen Teile. Auch ich war eine einzige bewußte Einheit immensen Ausmaßes - die Bevölkerung Indiens. Gleichzeitig aber identifizierte ich mich mit einzelnen Aussätzigen und verkrüppelten Bettlern in den Straßen von Bombay und Kalkutta, mit Hausierern, die Bidizigaretten oder Betelnüsse verkauften, mit kleinen Kindern, die neben der Straße verhungerten oder an Mundkrebs starben, mit den Massen frommer Menschen, die sich ihrem Reinigungszeremo­ niell am Ganges unterzogen oder die ihre Verwandten auf den Ufertrep­ pen in Benares verbrannten, mit nackten Sadhus, die auf dem Eis und dem Schnee des Himalaya in Samadhi lagen, mit verwirrten jugendli­ chen Bräuten, die Fremden angetraut wurden in Hochzeitszeremonien, die von ihren Familien arrangiert waren, und mit den legendär reichen und mächtigen Maharadschas. Aller Glanz und alles Elend Indiens erschienen in meiner Erfahrung in 79

Form verschiedener Elemente eines kosmischen Organismus, einer gewaltigen Gottheit mit Millionen von Armen, die alle möglichen Aspekte der Existenz bildeten. Mein ganzes Wesen war von einem unvorstellbaren Reichtum an tiefen Empfindungen durchdrungen. Ich fühlte mich auf unbeschreibliche Weise mit Indien und seinem Volk verbunden. Das folgende Beispiel stammt aus dem Bericht über eine Peyoteerfahrung von Crashing Thunder, einem Winnebago-Indianer, der am Peyotezeremoniell teilnahm, um sich von seinen tiefen Schuld- und Entfremdungsgefühlen zu befreien. Er hatte seinen Stammesgenos­ sen vorgelogen, er habe eine Vision gehabt. Daraufhin ruinierte er sein Leben, indem er trank, Frauen nachstellte und sich sogar an einem Mord beteiligte. Sein Leben wurde in dem Buch »The Autobiography of A Winnebago Indian« von Paul Radin (Radin 1920) beschrieben: Wir, die wir alle gemeinsam herumsaßen, hatten zusammen einen Geist, eine Seele. Zumindest war es das, was ich erlebte. Ich wurde plötzlich der Geist, und ich war ihr Geist, ihre Seele. Was immer sie dachten, ich wußte es sofort. Ich brauchte nicht mit ihnen zu sprechen, keine Antwort von ihnen zu erhalten, um ihre Gedanken zu erfahren. Identifikation mit Tieren Diese transpersonale Erfahrung ist gekennzeichnet durch eine voll­ ständige und realistische Identifikation mit Mitgliedern verschiede­ ner tierischer Spezies. Die häufigsten Identifikationsobjekte sind andere Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und verschiedene Fischspezies. Man kann sich aber auch mit Organismen identifizie­ ren, die auf dem Stammbaum der Evolution einen niedrigeren Platz einnehmen, etwa mit Insekten, Gastropoden (Schnecken), Brachiopoden (Schalentieren verschiedenster Art), Cephalopoden (Kraken, Tintenfischen) oder Hohltieren (Seeanemonen und Quallen). Diese Erfahrung der Identifikation mit verschiedenen Tieren kann extrem authentisch und überzeugend sein. Sie umfaßt das Kör­ perbild, charakteristische physiologische Empfindungen, die In­ stinkte, die spezifische Wahrnehmung der Umwelt und die emotio­ nalen Reaktionen auf sie. Diesen Phänomenen sind bestimmte ungewöhnliche Merkmale eigen, die sie eindeutig von der gewöhnli­ 80

chen menschlichen Erfahrung unterscheiden. In ihrem Gesamtwe­ sen und in spezifischen Einzelheiten überschreiten sie oft die Gren­ zen des menschlichen VorstellungsVermögens. In einem holotropen Bewußtseinszustand kann im Erleben unmittel­ bar nachvollzogen werden, was eine Katze empfindet, die neugierig ist, ein Adler, der sich erschreckt hat, eine Kobra, die hungrig ist, eine Schildkröte, die sexuell erregt ist, oder ein Hai, der durch Kiemen atmet. Nach Erfahrungen solcher Art haben die Betreffen­ den häufig berichtet, sie hätten organismisch den Trieb empfunden, der den Aal oder den Lachs auf seine heroische Reise flußaufwärts und gegen die Stromschnellen treibt. Ebenso wird mitgeteilt, daß man die Impulse und Empfindungen einer Spinne verspürt hätte, die ihr Netz zieht, oder den rätselhaften Prozeß der Metamorphose vom Ei über die Raupe zum Schmetterling. Erfahrungen dieser Art können einhergehen mit dem Erwerb eines außerordentlichen Wissens über die beteiligten Tiere und Prozesse. Zahlreiche klinische Beobachtungen in dieser Hinsicht finden unab­ hängige Bestätigung in einem Kapitel von Bruce Lambs »Wizard of the Upper Amazon« (Lamb 1971). Dieses hochinteressante Buch hat einige Ähnlichkeit mit den Büchern Carlos Castanedas, in denen er seine Lehrzeit bei dem mexikanischen Yaqui-Zauberer Don Juan beschreibt. Lambs Geschichte spielt im Dschungel des Amazonas zu Beginn dieses Jahrhunderts. Der Schamane der peruanischen Amahuaca-Indianer, die damals noch Analphabeten waren, erblickt in seinen hellsichtigen Visionen, die durch ayahuasca (Yaje) - einem psychedelischen Trank aus der Dschungelpflanze Banisteriopsis caapi - herbeigeführt werden, die Ankunft weißer Männer, die nach Gummi suchen. Er sendet seine Krieger aus, die einen ganz be­ stimmten jungen Mann einfangen sollen. Diesen bereitet er dann auf seine Rolle als kultureller Vermittler vor. Nach diesem Buch gehörte bei den Amahuacas zur Ausbildung eines Jägers die Einnahme von Ayahuasca in der Gruppe. Unter der Einwirkung des psychedelischen Gebräus beschworen die Teilneh­ mer Visionen von Tieren herauf, die vom Stamm gejagt wurden. Sie konnten sich in sie hineinversetzen und sich mit ihnen so genau identifizieren, daß sie mit ihren Instinkten und Verhaltensweisen engstens vertraut wurden. Nach dieser Erfahrung hatten sie beim 81

Jagen beträchtlich mehr Erfolg, weil sie immer in der Lage waren, vom Bewußtsein des Jägers auf das Bewußtsein des gejagten Tieres umzuschalten und die Beute zu überlisten. Das erste Beispiel, das ich hier zur Veranschaulichung von Erlebnis­ sen dieser Art anführen möchte, stammt aus einer nicht überwachten LSD-Sitzung eines Mannes, der systematisch ernsthafte Selbsterfor­ schung betreibt. Nachdem er meine Bücher gelesen hatte, beschloß er, mir seine Aufzeichnungen über diese Sitzung zu schicken und meine Meinung darüber zu erfahren. Ich hatte dann das sehr realistische Gefühl, ein Adler zu sein. Ich schwebte durch die Luft, indem ich geschickt ihre Strömungen und feine Veränderungen der Lage meiner Flügel nutzte. Mein Blick tastete das Gebiet weit unter mir nach Beute ab. Ich sah die kleinsten Details der Landschaft unter mir wie durch ein starkes Fernrohr. Es war mir, als ob ich auf Veränderungen im Gesichtsfeld reagierte. Wenn ich eine Bewegung ausmachte, wurden meine Augen wie starr und stellten sich auf den Ort der Bewegung ein. Ich blickte wie durch einen Tunnel, durch eine lange und enge Röhre. Ich war so fest überzeugt davon, daß diese Erfahrung den Sehmechanismus bei Raubvögeln exakt wiedergab (ich hatte früher nie darüber nachgedacht oder mich dafür interessiert), daß ich beschloß, in die Bibliothek zu gehen und die Anatomie und Physiologie des Sehapparats dieser Tiere zu studieren. Das folgende Beispiel betrifft Erfahrungen, die sich nacheinander während der systematischen Selbsterforschung bei einer jungen Frau einstellten. Sie begannen während des holotropen Atmens und setzten sich in einer psychedelischen Sitzung fort. Die Identifikation mit einem Tier ist hier auf interessante Weise mit dem Motiv eines rituellen Tanzes, der dieses Tier verkörpern soll, kombiniert. Vor mehreren Jahren, als ich bei den Grofs an einer Sitzung mit holotropem Atmen teilnahm, hatte ich das Erlebnis, zu einer großen Katze, zu einem Tiger oder einem Jaguar zu werden. Die Klauen weit ausgestreckt ging ich zu einem Angriff über. Der Eindruck, den diese Erfahrung auf mich machte, war sehr stark, und ich machte davon eine Zeichnung. Etwa ein Jahr später, in einer therapeutischen psychedelischen Sitzung, spürte ich wieder diese Katze in mir. Ich hatte das Erlebnis, eine junge Afrikanerin zu sein, die einen rituellen Tanz aufführte. Sie tanzte ein Tier, nämlich eine Löwin. Ich gab mich mit meinem Körper dem 82

Rhythmus dieses Tanzes hin. Die Bewegung, die durch meine Schul­ tern, meinen Nacken, meinen Hals und meinen Kopf lief, nahm sehr spezifische Form an. Auf einmal hatte ich das starke Gefühl, daß ich nicht eine das Raubtier verkörpernde Eingeborene war, sondern die Löwin selbst. Ich fühlte, daß die Löwin ihr Nahrungsbedürfnis nicht über den Magen wahmimmt, sondern daß sie mit diesem Reiben des Kopfes nach hinten - gegen den Bereich zwischen den hochgezogenen Schultern herausfindet, ob sie noch mehr Nahrung für den zwischen ihren Schultern gelegenen Fettspeicher braucht. Ich war über die Funktion des großen Höckers auf dem Nacken und den Schultern von Großkatzen nicht im geringsten im Zweifel, unternahm aber nichts, um mir von wissen­ schaftlicher Seite Bestätigung für meine Empfindungen zu holen. Vor zwei Wochen nun hörte ich ein Tonband zum Thema Körperge­ wicht. Der Sprecher, William Bennett, stellte kurz die adipöse Fettspei­ cherung beim Menschen der Fettspeicherung bei Tieren gegenüber. Er beschrieb eine Art von Fett, das man nicht bei Menschen findet, bei Tieren sehr häufig ist, nämlich das sogenannte »braune Fett«. Braunes Fett wird in Form eines Höckers zwischen den Schulterblättern mancher Tiere gespeichert und muß in einer bestimmten Menge vorhanden sein, damit das lebensnotwendige Niveau an Energie und Gesundheit erhal­ ten bleibt. Das letzte Beispiel ist Peter Staffords Bericht über seine Identifika­ tionserlebnisse, die er während einer psychedelischen Sitzung mit Yaje zusammen mit seinen Freunden im Valley of Fire bei Las Vegas hatte (Aaronson und Osmond 1970): Die Oberfläche des Wassers schimmerte und hatte etwas Anziehendes an sich. Wir gingen bald wieder zum Ufer hinunter und konnten es kaum erwarten, uns hinzulegen, zu schwimmen, zu tauchen und herumzutol­ len. Das einzige, was mich bremste, war, daß ich einen Schwimmanzug tragen mußte. Es kam mir so unnötig und unnatürlich vor - besonders, da ich zu einer Schlange geworden war, die sich im Wasser ringelte. Ich glitt in einen Sumpf hinein und wieder heraus. Minuten später war ich zu einem Frosch geworden und fing an, mich mit sanften Stößen vorwärts­ zutreiben. In beiden Fällen schien das Wasser mein natürlicher Lebens­ raum zu sein. Das Land war etwas Fernes, Fremdes, ja es hatte sogar etwas Erschreckendes an sich. Nach einer Weile verspürte ich in mir den Wunsch, einen kleinen Hügel zu erklimmen, der sich über diese idyllische Szenerie erhob, doch 83

mittlerweile war ich zu einem Seelöwen geworden, so daß ich Schwie­ rigkeiten hatte, mich aufzurichten und auf trockenes Land zu begeben. Als ich hinaus watete, fühlte ich mich unbeholfen, dumm, vollständig aus meinem Element gerissen. Wenn ich sage, ich fühlte mich erst wie das eine, dann das andere Wassertier, dann meine ich nicht lediglich, ich kam mir »schlüpfrig und wie ein Reptil« vor. Diese Erfahrung hatte eine andere Qualität, sie war anders als alles, was ich bisher sowohl in physischer als auch in geistiger Hinsicht empfunden hatte. Unter der Einwirkung der Droge war ich mir verschiedener Arten von Erinnerungen bewußt und ich verlor meine normale Selbstwahmehmung. Statt mich in das einzufühlen, was mei­ ner Vorstellung nach eine Schlange oder ein Frosch empfinden könnte, war ich selber so sehr Schlange oder Frosch, daß ich mich fragte, wie sich wohl die Menschen um mich herum empfinden mochten. Was bedeutet es, daß ich mich unter dem Einfluß von Yaje nicht lediglich »wie eine Schlange fühlte«, sondern in gewisser Hinsicht dieses Tier selber war, daß ich eine Erfahrungsebene erreicht hatte, auf der ich auf ein potentielles »Schlange sein« in uns stieß? Was bedeutet es, daß ich spürte, wie sich meine Wahrnehmungen in neuen und andersartigen Kategorien ordneten? Identifikation mit Pflanzen und botanischen Prozessen Transpersonale Erlebnisse, die das Leben von Pflanzen betreffen, sind in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen ziemlich häufig, wenn auch seltener als Erlebnisse der Identifikation mit Tieren. Jemand, der auf diese Erfahrungsebene gelangt ist, hat die überzeu­ gende Empfindung, sich mit verschiedenen Pflanzen, Pflanzenteilen oder sogar physiologischen und biochemischen Prozessen in ihnen zu identifizieren. Er kann das komplexe Erlebnis haben, zu einem Baum, zu einer Wild- oder Gartenpflanze, zu einer fleischfressen­ den Pflanze, zu Seetang, zu einer Kugelalge, zu Plankton im Ozean und sogar zu einer Bakterienkultur oder einem einzelnen Bakterium zu werden. In einem holotropen Bewußtseinszustand kann man sich mit dem Wurzelsystem eines Baumes, das am Austausch von Wasser und Mineralien beteiligt ist, identifizieren. Ebenso möglich ist eine Identifikation mit dem Kreislauf von Baumsaft im Kambium, mit einem Blatt während photosynthetischer Aktivität, mit keimendem 84

Samen und dem Austreiben des Sämlings, mit dem Prozeß der Bestäubung oder mit der Zellteilung während des Wachstums einer Pflanze. Gelegentlich haben Menschen berichtet, daß sie Zeugen von botanischen Prozessen auf der subzellulären und molekularen Ebene wurden. So erlebten sie die Aktivitäten von Mitochondrien oder biochemischer Prozesse, die der Erzeugung von Auxinen, Pflanzenpigmenten, Ölen und Zuckern, aromatischer Stoffe und verschiedener Alkaloide zugrundeliegen. Erlebnisse, in denen man das Bewußtsein von Pflanzen annimmt, bilden eine interessante Kategorie transpersonaler Phänomene. Egal, wie phantastisch und absurd sie einem traditionellen Wissen­ schaftler und unserem gesunden Menschenverstand Vorkommen mögen, sie lassen sich nicht als reine Hirngespinste abtun. Sie treten unabhängig voneinander bei vielen Personen in einem bestimmten Stadium ihrer Bewußtseinsentwicklung ein und besitzen eine au­ thentische Qualität, die sich nicht ohne weiteres in Worte fassen läßt. Häufig führen sie zu einem neuen Verständnis der beteiligten Prozesse und sind verknüpft mit fazinierenden philosophischen und spirituellen Einsichten. Die häufigste unter diesen Einsichten ist das Bewußtwerden der spezifischen Qualität der Existenz von Pflanzen, durch die sie zu einem wichtigen Beispiel für das spirituelle Leben des Menschen werden. Im Gegensatz zu Mensch und Tier töten die meisten Pflanzen nicht und ernähren sich nicht von Beute. Sie stehen in direktem Kontakt mit der Sonne, dem lebensspendenden Prinzip dieses Planeten und dem unmittelbarsten Ausdruck kreativer kosmi­ scher Energie. Pflanzen wandeln diese kosmische Energie in For­ men um, durch die sie anderen Organismen nützt. In diesem Zusammenhang scheint von besonderer Bedeutung, daß sie andere Lebensformen mit Sauerstoff versorgen. So sind sie in dieser Hin­ sicht für das Leben auf diesem Planeten absolut unerläßlich. Ein anderer wichtiger Aspekt der Existenz von Pflanzen ist der, daß sie in direktem und unmittelbarem Kontakt mit all den übrigen Elemen­ ten Erde, Wasser und Luft stehen. Viele Pflanzen töten und verletzen andere Organismen nicht und beuten sie auch nicht aus, sondern bilden selber die Quelle von Nahrung, Mineralien und Vitaminen für andere Lebensformen. 85

Außerdem haben sie im Leben des Menschen noch vielerlei andere Funktionen. Sie sind die Grundlage für zahlreiche Materialien und Substanzen und vermitteln durch ihr bloßes Dasein Schönheit und Freude. Das Leben von Pflanzen wird nicht durch den falschen Ehrgeiz getrübt, etwas anderes zu werden, als sie sind. Sie grübeln nicht über ihre Vergangenheit, geraten nicht durch das Anstreben alternativer Ziele in Konflikte und machen sich nicht Sorgen um die Zukunft. Sie scheinen reines Dasein im Hier und Jetzt zu verkör­ pern, ein Dasein, das in vollem Kontakt mit der unmittelbaren Umgebung steht - das Ideal vieler mystischer Schulen. Manche Personen gelangen durch die Faszination von der Reinheit des Pflanzenreichs, zusammen mit einer Aversion gegen alles Töten, die durch perinatale Erfahrungen hervorgerufen wird, dahin, vegetari­ sche Kost zu schätzen und sich für sie zu interessieren. Bäume, die für ihre Langlebigkeit bekannt sind - etwa die giganti­ schen Sequoia- und Mammutbäume oder die winzigen Pini aristatae werden oft als Verkörperung eines Zustands ungestörten, zentrierten und zeitlosen Bewußtseins erlebt, das die Wirrnisse und Unruhen des Zeitgeschehens überdauert. Erfahrungen, in denen man sich mit Pflanzen identifiziert, vermitteln auch tiefere Erkenntnisse darüber, wieso bestimmte Pflanzen in manchen Kulturen als heilig galten etwa der Bunyonbaum in Indien, die Lotosblume in Indien und Ägypten, der Mistelzweig bei den Druiden oder das Korn bei den Indianern Nord- und Südamerikas. Unmittelbarere Einsichten in die spirituellen Aspekte von Pflanzen lassen sich bei solchen Arten gewinnen, die in verschiedenen Kulturen und Gruppen aufgrund ihrer psychedelischen oder entheogenen Wirkung als heilig betrachtet und rituell genutzt wurden. Von den psychedelischen Pflanzen, die im spirituellen Leben der Menschheit eine entscheidende Rolle gespielt haben, wären u. a. zu nennen der legendäre vedische Soma, dessen botanische Identität unbekannt ist, die afrikanische Ebogapflanze (Tabemanthe iboga), verschiedene Teile des Hanf (Cannabis indica und savita), der Fliegenpilz (Amanita muscaria) und das heilige, aus einem Pilz gewonnene Teonancatl der Mexikaner (Psilocybe mexicana), Sa­ men mittelamerikanischer Windenarten oder Ololiuqui (Turbina corymbosa), das visionäre Kaktuspeyote (Lopophora williamsii) 86

und die im Anazonasdschungel wachsende Liane Banisteriopsis caapi, der Hauptbestandteil von Yaje oder Ayahuasca. Einsichten in die numinose Rolle dieser Pflanzen werden sich natürlich am ehe­ sten einstellen, wenn man sie selber einnimmt und ihre spezifische psychedelische Wirkung erfährt. Ein typisches Beispiel für diese Art Erfahrung findet sich an späterer Stelle im Zusammenhang mit der Besprechung therapeutischer Mechanismen (S. 292f). Erfahrungen der Einheit mit der Gesamtheit des Lebens und der Schöpfung In seltenen Fällen kann in einem holotropen Zustand das Bewußtsein so erweitert sein, daß es die Gesamtheit des Lebens auf diesem Planeten umfaßt - alle Menschen sowie alle Lebensformen, Pflan­ zen und Tiere, seien es Viren, einzellige Organismen oder Vertreter hochdifferenzierter Spezies. Im Gegensatz zu der gewöhnlichen Identifikation mit einem einzigen lebenden Organismus stellt diese Erfahrung eine Identifikation mit dem Leben als ein kosmisches Phänomen dar. Manchmal kann sich ein solches Erlebnis auf einen bestimmten Aspekt des Lebens konzentrieren, etwa auf die Macht des Hungers, des Sexualtriebs oder des Mutterinstinkts. Es kann auch das Gesetz zum Inhalt haben, daß Leben immer von anderem Leben abhängig ist, oder die erstaunliche Intelligenz, die die Lebensprozesse auf verschiedenen Evolutionsebenen bestimmt. Erfahrungen dieser Art hinterlassen in der betreffenden Person die Gewißheit, daß die Phänomene des Lebens nicht mit Hilfe der mechanistischen Wissen­ schaft erforscht werden können, und beweisen die Existenz einer kreativen kosmischen Intelligenz. Manchmal ist die Identifikation mit der Gesamtheit des Lebens nur »horizontal«, d. h. sie bezieht sich nur auf all die Interaktionen und gegenseitigen Abhängigkeiten verschiedener Lebensformen, auf all die verschiedenen Synergismen und Antagonismen, die die planeta­ rische Ökologie ausmachen. In anderen Fällen ist der Gegenstand der Erfahrung die evolutionäre Dimension des Lebens, auf die ich später eingehen werde (S. 128 ff). Erfahrungen dieser Art können zu einem tiefen Verständnis der kosmischen und natürlichen Gesetze 87

führen, zu einem erhöhten ökologischen Bewußtsein und zu einer gesteigerten Sensibilität gegenüber den Problemen, die durch die rapide technologische Entwicklung und Industrialisierung geschaf­ fen werden. Im folgenden ist ein Ausschnitt aus einer LSD-Sitzung (300 Mikro­ gramm) eines Psychiaters wiedergegeben, in der die Identifikation mit der Gesamtheit des Lebens auf dem Planeten im Mittelpunkt stand. Ich hatte offenbar eine sehr tiefe Verbindung mit dem Leben auf diesem Planeten dargestellt. Zunächst identifizierte ich mich mit einer Reihe verschiedener Spezies, später aber wurde die Erfahrung umfassender. Meine Identität breitete sich nicht nur räumlich aus und schloß alle Lebensformen ein, sondern auch in zeitlicher Hinsicht. Ich wurde zum Darwinschen Stammbaum der Evolution mit all seinen Verzweigungen. Ich war alles Leben! Ich spürte die kosmische Qualität der Energien und Erfahrungen in der Welt lebender Formen, die für das Leben charakteristische endlose Neugier und Experimentierlust, und den auf vielen verschiedenen Ebenen wirkenden Drang, sich Ausdruck zu geben. Die entscheidende Frage, die mich offenbar berührte, war die, ob das Leben auf diesem Planeten weiterbestehen wird. Ist es ein dauerhaftes und konstruktives Phänomen, oder ist es eine bösartige Wucherung auf dem Antlitz der Erde mit einem Fehler in seiner Anlage, der es zur Selbstzerstörung verdammt? Kann es sein, daß irgendein grundlegender Irrtum unterlau­ fen ist, als ursprünglich der Plan für die Evolution organischer Formen niedergelegt wurde? Können Schöpfer von Universen Fehler machen wie Menschen? Für einen Augenblick schien mir dieser Gedanke plausibel, zugleich aber empfand ich große Angst. Ich hatte noch nie auf diese Weise darüber nachgedacht. Während dieses Erlebnisses erfuhr ich ein ganzes Spektrum destruktiver Kräfte, die in der Natur und im Menschen wirksam sind, und sah ihre gefährlichen Ausweitungen und Projektionen in der modernen Techno­ logie, die unseren Planeten zu zerstören droht. Dabei wurde ich zu all den zahllosen Opfern der militärischen Maschinerie in der modernen Kriegsführung, zu Gefangenen in Konzentrationslagern, die in Gas­ kammern starben, zu vergifteten Fischen in verschmutzten Flüssen, zu Pflanzen, die durch Herbizide getötet werden, und zu Insekten, die mit Chemikalien vernichtet werden. Dazwischen stellten sich immer wieder Erfahrungen ein, in denen ich 88

den schönen Seiten des Lebens auf unserem Planeten begegnete. Ich sah lächelnde Babys, Kinder, die im Sand spielten, neugeborene Fische und frisch ausgebrütete Vögel in sorgfältig gebauten Nestern, kluge Del­ phine und Wale, die im kristallklaren Wasser des Ozeans schwammen, sowie herrliche Weiden und Wälder. Ich empfand tiefes Mitgefühl mit allem Leben, ein starkes ökologisches Bewußtsein wurde in mir wach, und ich war fest entschlossen, den lebenserhaltenden Kräften auf diesem Planeten meine Unterstützung zu geben. Identifikation mit toter Materie und anorganischen Prozessen Die Erweiterung des Erlebens in einem holotropen Bewußtseinszu­ stand beschränkt sich nicht auf die Welt der Biologie, sie kann auch makro- und mikroskopische Phänomene der anorganischen Natur einbeziehen. Menschen, die sich in einem solchen Zustand befan­ den, haben wiederholt berichtet, daß sie sich mit dem Wasser in Flüssen und Meeren identifiziert haben, mit verschiedenen Formen von Feuer, mit der Erde und mit den Bergen, oder mit Kräften, die in Naturkatastrophen freigesetzt werden wie etwa in elektrischen Stür­ men, bei Erdbeben, Tornados und Vulkanausbrüchen. Ebenso häufig ist die Identifikation mit bestimmten Stoffen - mit Diamanten und anderen Edelsteinen, Quarzkristall, Bernstein, Gra­ nit, Eisen, Stahl, Quecksilber, Silber oder Gold. Diese Erfahrungen können sich in die Mikrowelt ausweiten und die dynamische Struk­ tur von Molekülen und Atomen, die Brownsche Bewegung, die Bindung zwischen Atomen, ja sogar elektromagnetische Kräfte und die subatomaren Teilchen zum Identifikationsgegenstand werden lassen. Gelegentlich beziehen sich Erfahrungen dieser Art auf Spitzenpro­ dukte der modernen Technologie, etwa auf Düsenflugzeuge, Rake­ ten, Raumschiffe, Laserapparate oder Computer. Unter solchen Bedingungen kann das Körperbild alle Eigenschaften der beteiligten Materialien und Prozesse annehmen und sie zu komplexen subjekti­ ven Erfahrungen werden lassen. Anscheinend hat jeder Prozeß im Universum, den man im gewöhnlichen Bewußtseinszustand objek­ tiv beobachten kann, sein subjektives Gegenstück in der Welt des holotropen Bewußtseins. Erfahrungen dieser Art legen nahe, daß Bewußtsein und kreative 89

Intelligenz nicht das Ergebnis von toter Materie sind, sondern im Gesamtgefüge der Existenz eine entscheidende Rolle spielen. Diese Auffassung wird zunehmend bestätigt durch moderne Entwicklun­ gen in der subatomaren Physik, der Astrophysik, der Biologie, der Thermodynamik, der Informations- und Systemtheorie sowie in anderen Wissenschaftszweigen. Besonders interessant ist, daß dieses Erlebnis der Identifikation mit organischer Materie nicht auf die weltlichen Aspekte begrenzt ist, sondern häufig deutliche numinose oder spirituelle Qualitäten be­ sitzt. Die Identifikation mit Wasser kann beispielsweise gleichzeitig als ein Bewußtseinszustand erfahren werden, der durch Zeitlosigkeit, Fließen, das Auflösen von Grenzen, ruhige, nicht zur Schau gestellte Kraft, Reinigung und Läuterung charakterisiert ist, sowie als die paradoxe Kombination von Unveränderlichkeit und dynami­ scher Veränderung. Entsprechend kann das Feuer als eine gewaltige spirituelle Kraft erfahren werden, die erschaffen und zerstören, feste Formen in Energie um wandeln und wärmen oder bedrohen kann - als eine Kraft, die zugleich läuterndes Potential besitzt. Das Element des Feuers wird häufig - insbesondere in Form der Sonne - als eine direkte Manifesta­ tion der kosmischen Kreativität erfahren, als der unmittelbarste Ausdruck des Göttlichen in der uns umgebenden Welt. Wie uns auch von vielen mystischen Lehren aller Zeitalter bestätigt wird, sind Erlebnisse, in denen verschiedene Edelsteine und Me­ talle- insbesondere Diamanten und Gold - eine Schlüsselrolle spielen, mit sehr tiefen spirituellen Zuständen verknüpft, die durch letzte Reinheit, UnVeränderlichkeit und ein besonderes Leuchten gekennzeichnet sind. Bilder von solchen Edelsteinen und Metallen tauchen in Verbindung mit archetypischen Visionen vom Paradies, vom Himmel oder von himmlischen Stätten auf. Aldous Huxleys berühmter Vortrag »Die visionäre Erfahrung«, in der er sich der Frage »Warum sind Edelsteine edel?« widmet (Huxley, 1983), ist aus dieser Sicht besonders relevant. Seine Antwort lautet, daß wir Edelsteinen und Metallen enormen Wert beimessen, weil sie uns Ersatz für eine mystische Erfahrung sind. In unserem Alltagsleben stellen sie die größte Annäherung an bestimmte Erlebnismerkmale visionärer Zustände dar. 90

Das Erlebnis der Identifikation mit anorganischer Materie geht oft mit faszinierenden philosophischen, mythologischen, religiösen und mystischen Erkenntnissen einher. Die enge Verflechtung zwi­ schen solchen Identifikationserfahrungen und spirituellen Zustän­ den kann ein völlig neues Verständnis verschiedener religiöser, philosophischer und medizinischer Anschauungen vermitteln - etwa des Animismus und Pantheismus, der Alchemie des Mittelalters, der Homöopathie, der Vier- und Fünfelementen-Systeme, denen man in der griechischen Philosophie, der chinesischen Medizin oder den tantrischen Schriften begegnet, und vieler anderer alter und östlicher Lehren. Diejenigen, die sich in einem außergewöhnlichen Bewußtseinszu­ stand mit Wasser identifiziert haben, können seitdem ohne weiteres begreifen, warum diesem im Taoismus eine solche überragende Bedeutung zukommt und warum es so häufig als eine spirituelle Metapher verwendet wird. Auf der Grundlage tiefgehender Erfah­ rungen der oben beschriebenen Art läßt sich auch mühelos begrei­ fen, warum die Sonne in so vielen Kulturen als ein göttliches Wesen angebetet wurde, oder warum Vulkane als Gottheiten der Schöpfung und Zerstörung galten. Das Erlebnis der Identifikation mit Granit ruft unter Umständen eine tiefe Erkenntnis wach, warum die Hindus das Himalayagebirge als liegenden Shiva ansehen oder warum in verschiedenen Kulturen gigantische Granitskulpturen geschaffen wurden. Auf einer tieferen Ebene sind dies alles nicht Abbilder von Gotthei­ ten oder Idolen, sondern die Gottheiten selber. Es ist eben der Bewußtseinszustand, der mit diesen Materialien verknüpft ist einheitlich, unzerstörbar, unveränderlich und jenseits der Grenzen der linearen Zeit -, der die wahre Gottheit darstellt. Sie wird angebetet, weil sie sich so drastisch von den lebhaften, turbulenten und sprunghaften Bewußtseinszuständen unterscheidet, die für die gewöhnliche menschliche Existenz und die Welt der Biologie ty­ pisch sind. Die Bedeutung der Tatsache, daß die Zeit für verschie­ dene Bereiche der phänomenalen Welt unterschiedlich ist, wurde kürzlich von Ilya Prigogine (Prigogine und Stengers 1981) und Erich Jantsch (1979) hervorgehoben. Diese bemerkenswerte Art von Erfahrung möchte ich anhand einer 91

Sitzung mit 150 g Ketalar (Ketamin) veranschaulichen, das in der Chirurgie und Veterinärmedizin als dissoziatives Anästhetikum ver­ wendet wird. Es hat den Anschein, als ob nach Verabreichung dieser Substanz Erlebnisse der Identifikation mit anorganischer Materie besonders häufig auftreten. Es herrschte eine düstere, lastende und unheilvolle Atmosphäre. Sie schien in einem chemischen Sinn toxisch und vergiftet zu sein, aber auch gefährlich und bösartig in einem metaphysischen Sinn. Ich er­ kannte, daß ich zu Erdöl wurde, das riesige Hohlräume im Erdinneren ausfüllte. Unzählige faszinierende Einsichten, die Chemie, Geologie, Biologie, Psychologie, Mythologie, Ökonomie und Politik miteinander verknüpften, wurden in mir wachgerufen. Ich wurde mir dessen bewußt, daß das Erdöl - riesige Ablagerungen von mineralisiertem Fett biologischen Ursprungs - dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt, dem sich die Welt der lebenden Materie unterwerfen muß, entronnen ist. Der Tod ist aber nicht ganz zu umgehen, er ist nur aufgeschoben. Das destruktive plutonische Potential des Todes besteht im Erdöl in latenter Form fort. Es wartet wie eine monströse Zeitbombe auf die Gelegenheit, sich zu realisieren. Während ich in einem Bewußtsein lebte, das ich als das von Erdöl empfand, erkannte ich, wie das mit ihm verknüpfte Element des Todes sich als das Töten manifestierte, das aus der Gier und dem Streben nach den astronomisch hohen Ölprofiten entsteht. Ich wurde Zeuge von politischen Intrigen und wirtschaftlichen Manipulationen, die aus die­ sem Profitstreben herrührten. Es fiel mir nicht schwer, die Kette der Ereignisse bis hin zu einem zukünftigen Weltkrieg zu verfolgen, einem Weltkrieg um die schwindenden Ressourcen einer Substanz, die für das Überleben und den Wohlstand all der Industrieländer von größter Wichtigkeit geworden ist. Mir wurde klar, daß man - um die Zukunft des Planeten zu sichern - das wirtschaftliche Leben auf Sonnenenergie und andere emeuerbare Ener­ giequellen umstellen muß. Die lineare Politik, die die in beschränktem Maße vorhandenen Reserven an fossilen Ölen ausplündert, sie in Giftmüll umwandelt und damit die Umwelt belastet, ist ganz offensicht­ lich von Grund auf falsch. Sie ist absolut unvereinbar mit der kosmi­ schen Ordnung, die zyklischen Charakter hat. Die Ausbeutung von fossilen Ölen ist zwar im historischen Rahmen der industriellen Revolu­ tion verständlich, doch ein Weiterschreiten auf diesem Weg, den man als gefährlich erkannt hat, ist selbstmörderisch und kriminell. 92

Danach machte ich eine Reihe gräßlicher und höchst unangenehmer Erfahrungen durch, in denen es um die auf Erdöl basierende chemische Industrie ging. Ich faßte diese Erfahrungen unter der Bezeichnung »IGFarben-Bewußtsein« (nach dem berühmt-berüchtigten deutschen Chemiekonzem) zusammen. Es handelte sich um eine endlose Folge von Bewußtseinszuständen, die die Qualität von Anilinfarben, organischen Lösungsmitteln, Herbiziden, Pestiziden und giftigen Gasen hatten. Neben diesen Erfahrungen, in denen ich mich mit den verschiedenen Industriegiften an sich identifizierte, nahm ich auch das Bewußtsein verschiedener Formen von Leben an, die das Opfer von Erdölprodukten geworden waren. Ich wurde zu jedem Juden, der in den Gaskammern der Nazis starb, zu jeder Ameise und Küchenschabe, die mit Insekten­ vertilgungsmittel besprüht war, zu jeder Fliege, die in dem ekligen klebrigen Zeug der Fliegenfänger zugrundeging, und zu jeder Pflanze, die durch die Einwirkung von Herbiziden einging. Und all dies ließ die nur zu wahrscheinliche Zukunft alles Lebens auf diesem Planeten ahnen - den Tod durch industrielle Umweltverschmutzung. Diese Erfahrungen waren eine unglaubliche Lektion für mich. Ich erwachte aus der Sitzung mit einem tiefen ökologischen Bewußtsein und mit klaren Vorstellungen darüber, welche Richtung die wirtschaftli­ che und politische Entwicklung einschlagen muß, wenn das Leben auf diesem Planeten eine Chance haben soll. Planetarisches Bewußtsein In dieser Form der transpersonalen Erfahrung erweitert sich das Bewußtsein in einem solchen Maße, daß es alle Aspekte dieses Planeten zu umfassen scheint. Dazu gehören sowohl seine geologi­ sche Substanz mit dem gesamten Mineralienreich als auch die Biosphäre mit allen Lebensformen einschließlich des Menschen. Aus dieser Sicht erscheint die ganze Erde als ein komplexer Organis­ mus, als ein kosmisches Wesen, dessen verschiedene Aspekte - die geologischen, biologischen, psychologischen, kulturellen und tech­ nologischen Phänomene - als Manifestationen eines unaufhörlichen Bemühens um einen höheren Grad an Evolution, Integration und Selbstverwirklichung aufgefaßt werden können. Zu dieser Erfahrung gehört in der Regel auch die mythologische Dimension und sie besitzt einen deutlichen numinosen Charakter. Die Erde kann dabei als Mutter Erde oder als ein göttliches Wesen im Sinne der griechischen Göttin Gaia - erlebt werden. Es läßt sich 93

leicht erkennen, daß die Prozesse auf der Erde von einer höheren Intelligenz gesteuert werden, einer Intelligenz, die die unsrige bei weitem übertrifft und der man Respekt und Vertrauen entgegenbrin­ gen soll, statt sie aus der beschränkten Sicht des Menschen korrigie­ ren oder stören zu wollen. Diese Erkenntnis, die sich bei vielen Menschen in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen wiederholt eingestellt hat, erfuhr vor kurzem durch die moderne Wissenschaft unabhängige Bestätigung. Gregory Bateson, dem in seiner Arbeit eine brillante Synthese aus Kybernetik, Informations- und Systemtheorie, Evolutionstheorie, Anthropologie und Psychologie gelang (Bateson 1982), kam zu dem Schluß, daß es nicht nur legitim, sondern logisch geradezu zwingend sei, die Existenz von geistigen Prozessen auf allen Ebe­ nen von Naturphänomenen mit genügender Komplexität anzuneh­ men - also auf der Ebene der Zellen, Organe, Gewebe, Organis­ men, tierischer und menschlicher Gruppen, Ökosysteme und sogar der Erde und des Universums als Ganzes. In seinem Denkmodell hat die Wissenschaft die alte Anschauung von einem »deus sive natura« oder die Existenz eines immanenten Gottes, wie Spinoza ihn beschrieb, bestätigt. Weitgehend unabhängig von Bateson hat James Lovelock in seinem bemerkenswerten Buch »Unsere Erde wird überleben: Gaia - eine optimistische Ökologie« (Lovelock 1984) zahlreiche faszinierende Beweise dafür zusammengetragen, daß es verwickelte homöostati­ sche Mechanismen gibt, die die Erdtemperatur sowie die Konzentra­ tion der Hauptkomponenten in der Atmosphäre, im Meerwasser und im Erdboden - Salz, Sauerstoff, Ammoniak und Ozon - konstant halten. Seine Untersuchungsergebnisse lassen sich mit der Annahme vereinbaren, daß die Erde ein intelligenter Organismus ist. Theodore Roszak (Mensch und Erde auf dem Weg zur Einheit, 1982) sowie Peter Russell (Global Brain, 1983) sind zu ähnlichen Schlußfolge­ rungen gelangt. Das folgende Beispiel für planetarisches Bewußtsein stammt aus einer Sitzung mit holotropem Atmen. Die Person, die in diesen Bewußtseinszustand gelangte, war eine junge Deutsche, die vor mehreren Jahren an einem unserer Workshops teilnahm.

94

Die Erfahrung, die ich zuerst hatte - ich war die große Muttergöttin, die Mutter Erde - schlug um und ich wurde zu dem Planeten Erde selbst. Es stand außer Zweifel, daß ich - die Erde - ein lebender Organismus war, ein intelligentes Wesen, das sich um Selbstverständnis bemühte, das um die Entwicklung zu einer höheren Bewußtseinsebene kämpfte und das versuchte, mit anderen kosmischen Wesen in Kommunikation zu treten. Die Metalle und Mineralien, die unseren Planeten bilden, waren meine Knochen, mein Skelett. Die Biosphäre - Pflanzen, Tiere und Men­ schen- waren mein Fleisch. Ich spürte in mir den Kreislauf des Wassers - die Wolken, die sich über den Meeren bilden und den Regen, der sich in kleinen Bächen und schließlich großen Flüssen sammelt, die am Ende wieder in die Meere fließen. Das Wassersystem war mein Blut und die meteorologischen Veränderungen - die Verdunstung, die Luftströmun­ gen, der Regen und der Schnee - sicherten den Kreislauf dieses Blutes, den Transport von Nährstoffen und die Sauberhaltung. Die Kommuni­ kation zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen, einschließlich der Kommunikation mit Hilfe moderner Technologie - Presse, Telephon, Rundfunk, Fernsehen und Computer - war mein Nervensystem, mein Gehirn. In meinem Körper fühlte ich die Verletzungen, die mir die Industrie durch Tagebau, Verstädterung, toxischen und radioaktiven Müll sowie Luft- und Wasserverschmutzung zufügte. Das Seltsamste an meinem Erlebnis war aber wohl, daß ich mir bestimmter Rituale verschiedener Urvölker bewußt wurde und sie als sehr heilsam und absolut lebens­ wichtig für mich empfand. Es kommt mir jetzt, da ich wieder zu meinem alltäglichen rationalen Bewußtsein zurückgekehrt bin, reichlich bizarr vor, daß das Ausüben von Ritualen für die Erde wichtig sein soll, aber während meiner Erfahrung war ich voll und ganz davon überzeugt. Außerirdische Erfahrungen In solchen Erfahrungen erweitert sich das Bewußtsein auf Himmels­ körper, Teile des Universums und astronomische Prozesse außer­ halb des Bereichs der Erde. Man kann dabei das Gefühl haben, sich auf einer Reise zum Mond, zur Sonne oder zu anderen Planeten, Sternen und Galaxien zu befinden und Explosionen von Supemovas, Kontraktionen von Sternen, Pulsaren und Quasaren sowie die Durchquerung von »schwarzen Löchern« zu erleben. All dies kann in der Form auftreten, daß man einfach Zeuge solcher Ereignisse wird, oder man identifiziert sich mit allen beteiligten Prozessen. 95

Wie schon die oben beschriebenen Erlebnisse der Identifikation mit anorganischer Materie haben auch diese Erfahrungen häufig spiritu­ elle Begleitkomponenten und Gegenstücke. So kann beispielsweise das Erlebnis der Identifikation mit den thermonuklearen Prozessen in der Sonne mit dem Gefühl verknüpft sein, mit der kreativen Kraft des kosmischen Bewußtseins in unmittelbarem Kontakt zu stehen. Zu den Erfahrungen beim Durchqueren eines schwarzen Lochs gehört in der Regel das Gefühl des Zusammenbruchs von Raum, Zeit und dem philosophischen Glauben an die materielle Realität der phänomenalen Welt. Die Erfahrung des interstellaren Raumes ist häufig mit der spirituellen Erfahrung der überkosmischen Leere (siehe S. 179) verbunden. Außerirdische Erfahrungen scheinen besonders häufig in den außer­ gewöhnlichen Bewußtseinszuständen von John Lilly, dem berühm­ ten Neurowissenschaftler vorzukommen, der für seine Erforschung der nicht-menschlichen Intelligenz und der Kommunikation zwi­ schen den Spezies sowie für seine beispiellosen Marathonselbstver­ suche mit Psychedelika bekannt ist. In seinen Sitzungen hat er zahlreiche Besuche in anderen Welten erlebt und ist seltsamen Wesen und Geistern begegnet. Es folgt die Beschreibung eines solchen Ereignisses, das durch die Injektion von 75 mg des dissozia­ tiven Anästhetikums Ketalar (Ketamin) und den Aufenthalt in einem sensorischen Isolationstank begünstigt wurde (Lilly 1984): Ich habe meinen Körper verlassen, der in einem Tank auf dem Planeten Erde schwimmt. Die Umgebung ist sehr seltsam und fremd. Sie muß außerirdisch sein, ich bin noch nicht hier gewesen. Ich muß mich wohl auf einem anderen Planeten befinden, in einer anderen Zivilisation als der, in der ich mich entwickelt habe. Mein Zustand ist von einer eigenartigen starken Indifferenz geprägt. Ich empfinde weder Angst noch Liebe, ich bin ein höchst neutrales Wesen, das beobachtet und wartet. Das alles ist sehr seltsam. Dieser Planet ähnelt der Erde, aber die Farben sind anders. Es gibt eine Vegetation, doch hat sie eine eigenartige purpurne Färbung. Eine Sonne existiert zwar, aber sie hat einen violet­ ten Schimmer, nicht das vertraute Gelb der Sonne unserer Erde. Ich befinde mich auf einer wunderschönen Wiese. Weit im Hintergrund türmen sich extrem hohe Berge auf. Da sehe ich auf der Wiese Lebewesen auf mich zukommen. Sie stehen auf ihren Hinterbeinen, so 96

als ob es sich um Menschen handelte. Sie sind leuchtend weiß und scheinen Licht auszustrahlen. Zwei von ihnen kommen näher. Ich kann ihre Gesichtszüge nicht erkennen, weil sie von Licht umgeben sind, das zu stark für meine Augen ist. Sie scheinen mir Gedanken unmittelbar zu übertragen. Es gibt keinen Schall. Alles, was sie denken, wird automatisch in Worte umgesetzt, die ich verstehen kann. Identifikation mit dem gesamten physikalischen Universum Diese seltene Art von Erfahrung stellt eine logische Erweiterung des planetarischen Bewußtseins und der außerirdischen Erlebnisse dar. Man hat dabei das Gefühl, daß das eigene Bewußtsein das gesamte physikalische Universum umfaßt. Alle kosmischen Prozesse werden nunmehr als intraorganismische und intrapsychische Phänomene erlebt, die sich innerhalb dieses unfaßbar großen Wesens abspielen. Dabei stellt sich auch regelmäßig die Erkenntnis ein, daß verschie­ dene Wesen der phänomenalen Welt nur bestimmte spezifische Aspekte der materiellen Realität erleben, daß aber das kosmische oder göttliche Bewußtsein alles, was existiert, vollständig und vollkommen simultan erfährt - sowohl wie es sich aus der Sicht der einzelnen getrennten Bewußtseinseinheiten darstellt als auch in Form des ungeteilten Ganzen, als das es vom Zentrum aus erlebt wird. PSI-Phänomene, in denen die Grenzen des Raums überschritten werden (Out-of-Body-Experiences, reisendes Hellsehen und Hellhören, »Raum-Reisen« und Telepathie) Zu dieser Untergruppe von ASW-Phänomenen, mit denen sich traditionsgemäß die Parapsychologie befaßt, kann man transperso­ nale Erfahrungen rechnen, in denen räumliche Hindernisse und Entfernungen überwunden werden. Sie können in reiner Form oder kombiniert mit Überschreitung der Grenzen der linearen Zeit auftre­ ten. Die Erfahrung, sich von seinem eigenen Körper zu lösen (außerkörperliche Erfahrung bzw. Out-of-Body-Experience, kurz OOBE), kann verschiedene Formen und Abstufungen annehmen. Sie bleibt entweder Episode oder stellt sich wiederholt als Teil einer 97

psychischen Öffnung und während anderer transpersonaler Krisen ein. Folgende Bedingungen führen besonders häufig zu OOBEs: lebens­ bedrohliche Notfälle, Nahtodsituationen, Zustände, in denen man als klinisch tot gilt, Sitzungen mit intensiver, bis in tiefe psychische Bereiche vordringender Selbsterfahrungstherapie sowie die Ein­ nahme von psychedelischen Substanzen, insbesondere des dissozia­ tiven Anästhetikums Ketamin (Ketalar). Klassische Beschreibungen von OOBEs finden sich in der spirituellen und philosophischen Literatur aller Zeitalter, besonders im Tibetanischen Totenbuch (dem Bardo Thötröl oder Thödöl) und in anderen Schriften. Diese Beschreibungen wurden von der traditionellen Wissenschaft erst vor kurzer Zeit ernst genommen, als moderne Untersuchungen in der experimentellen Psychiatrie und der Thanatologie ihre Authentizität bestätigten. In weniger extrem ausgeprägten OOBEs hat man das Gefühl, seinen Körper zu verlassen, sich von ihm zu lösen und sich selber aus unterschiedlichen Entfernungen als Objekt wahrzuneh­ men (Heautoskopie). In stärkeren Erlebnissen dieser Art stellt sich das Empfinden ein, sich in anderen Räumen des Gebäudes oder an weit entfernten Orten zu befinden (letzteres wird auch als Astralpro­ jektion bezeichnet), über die Erde zu fliegen oder sich von ihr wegzubewegen. Eine besonders dramatische und ergreifende Schil­ derung eines OOBEs in einer Nahtodsituation findet' sich in C. G. Jungs Autobiographie (Jung 1962). In solchen Erlebnissen kann die betreffende Person Zeuge von Ereignissen werden, die sich in dem Bereich, auf den sich das losgelöste Bewußtsein projiziert, tatsächlich ereignen. Obwohl dies nach Auffassung der Kartesianisch-Newtonschen Wissenschaft im Prinzip unmöglich ist, wurde die Authentizität dieses Phänomens wiederholt bestätigt und steht außerhalb jedes Zweifels. Die Untersuchungen von Raymond Moody (1977), Kenneth Ring (1980 und 1984), Michael Sabom (1983), Elisabeth Kübler-Ross (1984), meine eigene Arbeit (Grof und Halifax 1980) sowie die vieler anderer haben wiederholt den Nachweis erbracht, daß klinisch tote Menschen OOBEs haben können, in denen sie die Wiederbele­ bungsmaßnahmen an ihrem Körper von einem Ort kurz unterhalb der Zimmerdecke wahmehmen oder in denen sie Zeuge von Ereig­ 98

nissen an weit entfernten Orten werden. Nach Elisabeth KüblerRoss (1984) haben sogar blinde Menschen unter diesen Bedingun­ gen die Fähigkeit, ihre Umwelt farbig zu sehen. Die moderne thanatologische Forschung liefert somit eine Bestätigung für die Schilderungen aus dem Tibetanischen Totenbuch, nach denen der Mensch nach seinem Tod den »Bardoleib« annimmt, der die Be­ schränkungen durch Raum und Zeit überwindet und frei um die Erde reisen kann. Beobachtungen aus der psychedelischen Forschung, in Sitzungen mit holotropem Atmen sowie in anderen Selbsterfahrungstherapien sprechen ebenfalls für die Möglichkeit authentischer OOBEs in visionären Zuständen, wie sie durch verschiedene mystische Quel­ len und in der anthropologischen Literatur berichtet werden. Hellse­ hen und Hellhören von weit entfernten Ereignissen können ohne das Empfinden auftreten, sich am Ort des Ereignisses selber zu befin­ den, etwa in Form einer Astralreise zu diesem Ort oder als unmittel­ bare Astralprojektion. In seltenen Fällen kann die betreffende Per­ son die astrale Raumreise tatsächlich aktiv kontrollieren und steu­ ern. Der berühmte OOBE-Pionierforscher Robert Monroe (1972), der viele Jahre lang mit spontanen und elementaren OOBEs zu kämpfen hatte, lernte nicht nur, sie zu kontrollieren, sondern ent­ wickelte auch spezifische Übungen und sogar elektronische Hilfs­ vorrichtungen, um ihr Auftreten herbeizuführen. Die Authentizität von OOBEs ist in kontrollierten klinischen Experi­ menten von dem berühmten Psychologen und Parapsychologen Charles Tart an der Universität von Kalifornien in Davis nachgewie­ sen worden (Tart 1974). Eine sehr erfolgreiche Serie von Experi­ menten mit Hellsehen wurde am Stanford Research Institute in Kalifornien von den Physikern Russell Targ und Harald Puthoff durchgeführt (Targ und Puthoff 1978). Zu den bemerkenswertesten Leistungen zählten die Sitzungen mit dem Medium Ingo Swann, der wiederholt seine Fähigkeit demonstrierte, jeden Ort auf diesem Erdball genau zu beschreiben, wenn man ihm den entsprechenden Längen- und Breitengrad nannte. Noch interessanter aber waren die Ergebnisse dieser Wissenschaftler, die daraufhinwiesen, daß prak­ tisch jeder darin geschult werden kann, solche Leistungen zu erbrin­ gen. 99

Die Telepathie ist der direkte Zugang zu den Gedanken eines anderen Menschen ohne die Vermittlung von Worten, nichtverbalen Hinweisen oder anderen konventionellen Kommunikationsmitteln. Kurze telepathische Erlebnisse treten gelegentlich in normalen Be­ wußtseinszuständen auf. Telepathische Erfahrungen werden aber beträchtlich häufiger, wenn durch Meditation, Selbsterfahrungstechniken, die Einnahme von Psychedelika oder in lebensbedrohli­ chen Notfällen ein holotroper Bewußtseinszustand erreicht wird. Zwar ist es nicht immer leicht, zwischen Telepathie und anderen Formen parapsychologischer bzw. transpersonaler Erfahrungen zu unterscheiden, doch eingehendere Untersuchungen lassen keinen Zweifel daran bestehen, daß es sich bei der Telepathie um ein authentisches Phänomen handelt. Das folgende Beispiel ist eine bemerkenswerte »out-of-body«-Erfahrung, in der ein abgelegener Ort vollkommen richtig wahrgenom­ men wurde. Sie wird uns von Kimberly Clark berichtet, die als Sozialarbeiterin in Seattle im US-Bundesstaat Washington arbeitet. Die Umstände dieses Vorfalls waren so außergewöhnlich und über­ zeugend, daß sie sich seitdem für OOBEs interessiert (Greyson und Flynn 1984): Meine erste Begegnung mit einem Menschen, der eine Nahtoderfahrung hatte, war eine Patientin namens Maria. Sie war eine Wanderarbeiterin, die damals gerade Freunde in Seattle besuchte und dabei einen schweren Herzanfall erlitt. Man brachte sie eines Abends mit dem Sanitätswagen ins Krankenhaus und wies sie in die Intensivstation ein. Aufgrund ihrer sozialen und finanziellen Probleme wurde auch ich in ihren Fall einge­ schaltet. Einige Tage nach ihrer Einweisung hatte sie einen Herzstill­ stand. Da ihre Körperfunktionen genau überwacht wurden und sie sich sonst bei guter Gesundheit befand, wurde sie schnell reanimiert. Man führte dann für einige Stunden einen Tubus ein, um sicherzustellen, daß sie genug Sauerstoff erhielt. Ich besuchte sie noch am gleichen Tag, nachdem man ihr den Tubus entfernt hatte, weil ich dachte, es würde ihr Angst bereiten, daß ihr Herz zu schlagen aufgehört hatte. Sie war in der Tat ängstlich, aber nicht aus diesem Grund. Im Gegensatz zu ihrer gewöhnlichen Ruhe befand sie sich in einem Zustand relativer Erregung. Sie wollte mit mir über etwas sprechen und sagte: »Das Seltsamste ist mir passiert, als sich gerade die Ärzte und die Schwestern mit mir befaßten: Ich stellte fest, daß ich von 100

oben von der Decke aus hinunterschaute, wie sie sich an meinem Körper zu schaffen machten.« Dies machte zunächst keinen Eindruck auf mich. Ich dachte, sie hatte vielleicht gewußt, was im Zimmer vorgegangen war, was für Kleidung die Leute trugen und wer sich im Zimmer befand, da sie ja alle am Tag vor ihrem Herzstillstand gesehen hatte. Sie war also zu diesem Zeit­ punkt sicherlich mit der technischen Ausrüstung schon vertraut gewe­ sen. Da der Gehörsinn in einem solchen Fall als letzter aus dem Bewußtsein schwindet, vermutete ich, daß sie alles, was vorging, hören konnte. Ich glaubte zwar nicht, daß sie mir bewußt Märchen erzählen wollte, dachte aber, sie würde konfabulieren. Sie erzählte mir dann, sie wäre durch etwas über dem Anfahrtsweg zur Intensivstation abgelenkt worden und dann wäre sie draußen gewesen, so als ob sie sich über die Anfahrt »gedacht« hätte und in diesem Augenblick auch gleich dort gewesen sei. Das beeindruckte mich schon mehr, da sie nachts in einem Sanitätswagen gekommen war und nicht wissen konnte, wie es um die Intensivstation herum aussah. Ich dachte aber, vielleicht wäre ihr Bett zu irgendeinem Zeitpunkt an das Fenster gerückt worden. Dann hätte sie aus dem Fenster sehen können und ihre Eindrücke in ihre Konfabulation eingefügt. Doch dann erzählte Maria weiter, daß sie immer noch von einem Gegenstand abgelenkt worden sei, der sich auf einem Mauervorsprung in Höhe des dritten Stockwerks am Nordende des Gebäudes befinden müßte. Sie »dachte sich nach oben« und blickte unmittelbar auf den Schuhriemen eines Tennisschuhs. Sie bat mich, diesen Schuh für sie zu finden. Sie brauchte noch einen anderen Menschen, der wußte, daß sich dieser Tennisschuh wirklich an dieser Stelle befand, um so ihre »out-ofbody«-Erfahrung zu bestätigen. Ich ging mit gemischten Gefühlen nach draußen und sah zu den Mauervorsprüngen hoch, konnte aber überhaupt nichts erkennen. So stieg ich hoch in das dritte Stockwerk und ging in die einzelnen Krankenzimmer, um aus deren Fenster zu sehen. Diese waren so angelegt, daß ich mein Gesicht eng gegen das Glas pressen mußte, um die Mauervorsprünge unter ihnen überhaupt zu sehen. Schließlich, als ich wieder in einem Krankenzimmer auf diese Weise nach unten schaute, erblickte ich den Tennisschuh! Mein Blickwinkel war ein ganz anderer als der, den Maria gehabt haben mußte, damit sie bestimmte Dinge an dem Schuh bemerken konnte: etwa daß das Schuhinnere an der Stelle des kleinen Zehs verschlissen war, daß der Schuhriemen unter dem Absatz steckte und andere Einzel101

heiten über die Seite des Schuhs, die für mich nicht sichtbar war. Diesen Blickwinkel konnte sie nur erlangen, indem sie draußen unmittelbar neben dem Tennisschuh war. Ich holte den Schuh vom Mauervorsprung und brachte ihn Maria. Es war der schlagende Beweis für mich, daß sie mit ihrer Erzählung recht gehabt hatte. Das Erlebnis einer außersinnlichen Wahrnehmung kann mit tiefer metaphysischer Angst einhergehen, da es das Weltbild, das die westliche Kultur vertritt und das sie mit geistiger Gesundheit gleich­ setzt, in seinen Grundfesten erschüttert. Einen anderen Fall mit einer Situation, in der sich eine »out-of-body «-Erfahrung mit einer ge­ steuerten Raumreise einstellte, habe ich in meinem Buch »Topogra­ phie des Unbewußten: LSD im Dienst der tiefenpsychologischen Forschung« (Grof 1978, S. 209-213) bereits ausführlich beschrie­ ben.

b. Überschreiten der Grenzen der linearen Zeit In außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen erleben viele Men­ schen sehr konkrete und realistische Episoden, die sie als Erinnerun­ gen aus ihrer fötalen oder embryonalen Existenz beschreiben. Unter diesen Umständen ist es nicht ungewöhnlich, sich mit dem Embryo in sehr frühen Stadien seiner Entwicklung im Mutterleib oder gar mit Spermatozoon und Ei zum Zeitpunkt der Empfängnis zu identifizie­ ren. Manchmal geht die historische Regression noch weiter und der bzw. die Betreffende ist überzeugt davon, Ereignisse aus dem Leben seiner bzw. ihrer Ahnen wiederzuerleben. Die Regression kann sich auch auf Ereignisse aus dem Vorleben der Rasse oder des Kollektivs allgemein beziehen. Wenn solche Erlebnisse mit dem Gefühl ver­ knüpft sind, es handele sich um persönliche Erinnerungen aus der spirituellen statt der biologischen Vergangenheit, so sprechen wir von karmischen Erfahrungen oder Erinnerungen an frühere Inkarna­ tionen. Gelegentlich werden auch Erfahrungen berichtet, in denen sich die Betreffenden mit spezifischen tierischen Vorfahren im Evolutionsstammbaum oder mit der gesamten Phylogenese identifi­ zieren. Man kann sogar die Geschichte des Universums vor der Entstehung des Lebens auf der Erde erfahren und Zeuge von 102

gewaltigen kosmischen oder irdischen Vorgängen werden, dem Urknall, der Bildung der Galaxien, der Entstehung des Sonnensy­ stems und der frühen geophysikalischen Prozesse auf diesem Plane­ ten. Embryonale und fötale Erfahrungen Ich bin bereits kurz auf einige Erfahrungen dieser Art im Zusammen­ hang mit der Besprechung der ersten perinatalen Grundmatrix einge­ gangen. Da sich das Konzept der perinatalen Erfahrungen und Matrizen auf Prozesse bezieht, die unmittelbar mit der biologischen Geburt verknüpft sind, gehören nur intrauterine Erfahrungen in den späten Stadien der Schwangerschaft zu dieser Matrix. Im Laufe einer systematischen Selbsterforschung mit Psychedelika, mit hoch­ wirksamen psychotherapeutischen Techniken ohne Anwendung von Drogen oder mit Meditation kann sich aber jedes Stadium der embryonalen und fötalen Entwicklung dem Bewußtsein erschlie­ ßen. Diese Erfahrungen geben sehr konkret, realistisch und detailliert verschiedene pränatale Situationen wieder, in der Regel solche, die dramatischen Charakter haben und emotional stark besetzt sind. Episoden der ungestörten intrauterinen Existenz werden als ozeani­ sche Ekstase erlebt, die mit mystischer Verbundenheit mit dem Leben und der kosmischen kreativen Kraft einhergeht, die verschie­ denen Krisen in der pränatalen Entwicklung dagegen als Seelenqua­ len, paranoide Zustände, physisches Leid und Angriffe von dämoni­ schen Mächten. Beide Formen pränataler Erfahrung sind gewöhn­ lich mit anderen transpersonalen Phänomenen verknüpft, am häufig­ sten mit phylogenetischen, karmischen und archetypischen Erfah­ rungen und mit Organ-, Gewebe- und Zellbewußtsein. Diese trans­ personalen Phänomene werde ich noch erörtern. Viele pränatale Erfahrungen beziehen sich auf psychische Traumati­ sierung im Mutterleib, die von verschiedenen schädlichen und störenden Einflüssen mechanischer, physiologischer oder biochemi­ scher Natur herrührt. Beobachtungen aus Sitzungen mit psychedeli­ scher und holotroper Therapie lassen vermuten, daß der Fötus nicht nur massive Störungen des intrauterinen Daseins erleben kann, etwa eine unmittelbar bevorstehende Fehlgeburt und versuchte Abtrei103

bung, heftige mechanische Erschütterungen und Vibrationen, laute Töne, toxische Einflüsse und körperliche Erkrankungen der Mutter, sondern daß er auch am Gefühlsleben der Mutter teilnimmt. Nach den Angaben vieler Personen konnten sie in solchen Erfahrungen der intrauterinen Existenz deutlich die emotionalen Schocks ihrer Mut­ ter, deren Angstanfälle, Haß- und Wutausbrüche, depressive Ver­ stimmungen und sexuelle Erregung miterleben, umgekehrt aber auch ihre Entspanntheit, Zufriedenheit, ihr Glück und ihre Liebe. Diese komplexe Verbundenheit und das gemeinsame Erleben be­ schränken sich nicht auf heftige und dramatische Ereignisse physi­ scher und emotionaler Natur. Oft können Gefühlsnuancen und -feinheiten gespürt, können sogar Gedanken und Vorstellungen auf telepathische Weise übertragen werden. Während des Wiedererle­ bens von Episoden aus der intrauterinen Existenz soll den Angaben der betreffenden Person zufolge auch deutlich bewußt gewesen sein, ob sie ungeliebt und abgelehnt oder, umgekehrt, erwünscht und geliebt waren. Es war ihnen, als ob sie eine deutliche organismische Botschaft erhielten, die ihnen die Einstellung ihrer Mutter zur Schwangerschaft, aber auch unmittelbar gegen sie gerichtete Ge­ fühle der Liebe oder der Feindseligkeit mitteilten. Im Falle vieler Menschen scheinen Erinnerungen an fötale Traumen zu den bedeutendsten Faktoren zu gehören, die eine allgemeine emotionale Instabilität und verschiedene spezifische psychopathologische Störungen bedingen. Auch erweist sich die Frage, ob man von seiner Mutter gewollt war oder nicht, immer wieder als eine Frage von zentraler Wichtigkeit, der man in einer jeden intensiven Selbsterfahrungstherapie viel Zeit und Aufmerksamkeit widmen muß. Bei Menschen, die als Zwillinge geboren wurden, stellt das Problem, sich den Mutterleib mit einem Partner und Konkurrenten teilen zu müssen, eine besondere Belastung dar und kann auf die zukünftige psychische Entwicklung tiefgehende Auswirkungen ha­ ben. Die Authentizität von embryonalen Erinnerungen in einer Selbster­ fahrungstherapie mit und ohne Psychedelika ist eine wichtige Frage, die weitreichende Implikationen für Praxis und Theorie besitzt. Sie ist vergleichbar mit den Problemen, die im Zusammenhang mit dem Wiedererleben von Ereignissen in der frühen Kindheit stehen, nur 104

noch schwieriger und grundlegender. Hinweise auf peri- und präna­ tale Erinnerungen finden sich in der psychoanalytischen Literatur immer wieder, doch abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen wie Otto Rank (1929), Sandor Ferenczi (1964), Nandor Fodor (1949) und Lietaert Peerbolte (1975) hat man sie nicht ernst genom­ men. Während man Ereignisse nach der Geburt, die von den Patienten im Laufe einer Psychoanalyse erinnert und rekonstruiert werden, immer ernsthaft berücksichtigt und sie auch - wenn sie nicht zu phantastisch und unglaubwürdig sind - für Realität hält, tut man Äußerungen über die Geburt und das Leben im Mutterleib routinemäßig als Phantasien ab. Ich selber bin im Laufe der Jahre - in psychedelischen Therapien und in Selbsterfahrungstherapien ohne Einnahme von Drogen - unzäh­ lige Male Zeuge von embryonalen und fötalen Erfahrungen bei anderen geworden und habe selber mehrere Male pränatale Erleb­ nisse gehabt. Es ist deshalb unmöglich für mich, sie einfach als Produkt der Einbildung abzuqualifizieren. Viele Fachleute aus ver­ schiedenen Bereichen haben wiederholt ihr Erstaunen über die Authentizität dieser Phänomene geäußert und auf den Reichtum an Informationen hingewiesen, den sie im Hinblick auf die Anatomie, Physiologie, Embryologie, Geburtshilfe und sogar Histologie mit sich bringen. Sogar Laien geben unaufgefordert Beschreibungen von solchen Einzelheiten wie bestimmten Merkmalen des Herz­ schlags von Mutter und Kind, Geräuschen in den Blutgefäßen und im Verdauungstrakt, der Lage und dem Verhalten des Fötus, rele­ vanten Fakten über den fötalen Kreislauf und sogar dem Blutaus­ tausch in den villi der Plazenta. Kluge und gebildete Personen haben oft betont, daß Erfahrungen solcher Art in ihren Selbsterfahrungssitzungen aufgetreten sind, obwohl sie nicht an die Möglichkeit von pränatalen Erinnerungen glauben und die Existenz dieser Phäno­ mene im Gegensatz zu ihrem wissenschaftlichen Weltbild stand. Die Authentizität pränataler Erfahrungen sowie der Reichtum an Informationen, den sie vermitteln, lassen in mir keinen Zweifel über die Bedeutung dieses Phänomens aufkommen. Wenn immer mög­ lich unternehme ich alles, um unabhängige Informationen von der Mutter, den Aufzeichnungen über die Geburt, den Geburtshelfern, den Verwandten und anderen Quellen zu erhalten, und vergleiche sie 105

mit dem subjektiven Bericht des Klienten. Häufig hat sich auf diese Weise eine erstaunliche Bestätigung der Erkenntnisse beim Wieder­ erleben von Vorgängen im Mutterleib ergeben, und zwar in bezug auf verschiedene Schwangerschaftskrisen, Abtreibungsversuche und emotionale Erschütterungen sowie physische Erkrankungen der Mutter. Diese Beobachtungen sind mehr als Grund genug, um in Zukunft dieses faszinierende Phänomen ernsthaft und systematisch zu erforschen. Gelegentlich geht es in den pränatalen Erlebnissen um sehr frühe Stadien der biologischen Entwicklung des betreffenden Menschen. Dazu gehören die Identifikation mit Spermatozoon und Ei auf der zellulären Ebene des Bewußtseins, die Wanderung des Eis oder der Spermatozoiden durch den Fallopischen Gang, der Augenblick der Empfängnis, die Einnistung des befruchteten Eis in die Schleim­ membran der Gebärmutter, und das frühe embryonale Wachstum. Erlebnisse dieser Art können verknüpft sein mit Einblicken in die Erbanlagen, die kosmobiologischen oder astrologischen Energiefel­ der oder die spirituellen, karmischen und archetypischen Kräfte, die die Entwicklung des Embryos bestimmen. Das Beispiel, das ich hier zur Veranschaulichung des Phänomens der fötalen Erfahrung verwenden möchte, stammt aus der psychede­ lischen Therapie von Richard, einem homosexuellen Patienten mit chronischen suizidalen Depressionen. Eine kurze Zusammenfas­ sung des Verlaufs seiner Behandlung findet sich in meinem früheren Buch Topographie des Unbewußten: LSD im Dienst der tiefenpsy­ chologischen Forschung (Grof 1978, S. 79-81); dieses Buch ent­ hält auch eine ausführliche Beschreibung des zellulären Gedächtnis­ ses der Keimzellen und der pränatalen Erfahrung der Empfängnis (S. 214-216). In einer der LSD-Sitzungen aus der psycholytischen Behandlungsreihe beschrieb Richard ein Erlebnis, das offenbar eine authentische intraute­ rine Erfahrung war. Er hatte das Empfinden, in Fötusflüssigkeit einge­ taucht und durch die Nabelschnur mit der Plazenta fest verbunden zu sein. Er nahm bewußt wahr, wie Nahrung durch den Nabelbereich in seinen Körper strömte, und hatte wunderbare Gefühle der symbioti­ schen Einheit mit seiner Mutter. Sie waren durch den Kreislauf des Blutes in der Plazenta aneinander gebunden, wobei das Blut eine 106

magische lebensspendende Flüssigkeit zu sein schien. Richard vernahm zwei unterschiedliche Arten von Herzschlägen mit verschiedener Fre­ quenz, die in ein wellenförmiges akustisches Muster miteinander ver­ schmolzen. Damit einher gingen eigentümliche hohle und dröhnende Geräusche, die Richard nach einigem Zögern zu identifizieren vermochte. Sie wurden einmal durch das Blut verursacht, das durch die Arterien im Beckenraum strömte, und zum anderen durch Gase und Flüssigkeiten, die aufgrund der peristaltischen Bewegungen der Eingeweide unmittel­ bar neben der Gebärmutter verschoben wurden. Er war sich seines Körperbildes voll bewußt und erkannte, daß es sich von seinem Kör­ perbild als Erwachsener wesentlich unterschied. Er war klein und sein Kopf war im Vergleich zum übrigen Körper und den Extremitäten unverhältnismäßig groß. Aufgrund verschiedener Merkmale seines Erlebens und mit Hilfe der Urteilsfähigkeit eines Erwachsenen konnte er sich selber als reifen Fötus kurz vor der Entbindung identifizieren. In diesem Zustand vernahm er plötzlich seltsame Geräusche, die von der Außenwelt auf ihn eindrangen. Sie hatten ein ungewöhnliches Echo, als ob sie in einer großen Halle widerhallten oder durch eine Wasserschicht kamen. Der resultierende Effekt erinnerte an die Klangqualität, die Musiktechniker mit elektronischen Hilfsmitteln in modernen Aufnah­ men erzeugen können. Schließlich folgerte er, daß Bauchdecke, Gebär­ mutterwand und Fötusflüssigkeit für diese Effekte verantwortlich waren und daß diese der Art entsprachen, in der Geräusche von der Außenwelt zum Fötus dringen. Er versuchte dann herauszufinden, was diese Geräusche verursachte und woher sie kamen. Nach einiger Zeit konnte er den Klang von laut lachenden menschlichen Stimmen und von Tönen wie aus einer Kamevalstrompete hören. Plötzlich kam ihm der Gedanke, daß diese Geräu­ sche von dem Jahrmarkt herrühren mußten, der in seinem Heimatort jedes Jahr zwei Tage vor seinem Geburtstag gefeiert wurde. Nachdem er diese Informationsbruchstücke zusammengefügt hatte, zog er den Schluß, daß seine Mutter in einem fortgeschrittenen Schwangerschafts­ stadium auf diesem Jahrmarkt gewesen sein mußte. Als ich Richards Mutter über die Umstände von Richards Geburt befragte - wobei ich ihr nichts von seiner LSD-Erfahrung mitteilte -, erzählte sie mir unter anderem die folgende Geschichte: In dem relativ langweiligen Dorfleben bildete der Jahrmarkt eine willkommene Ab­ wechslung. Obwohl sie sich in einem späten Schwangerschaftsstadium befand, wollte sie diese Gelegenheit zum Feiern um nichts in der Welt 107

missen. Trotz großer Bedenken und eindringlicher Warnungen ihrer Mutter ging sie aus dem Haus, um an den Festlichkeiten teilzunehmen. Nach Angaben ihrer Verwandten beschleunigten die laute Umgebung und der Tumult auf dem Festplatz Richards Entbindung. Richard bestritt, diese Geschichte jemals gehört zu haben, und seine Mutter konnte sich auch nicht erinnern, sie ihm erzählt zu haben. Ahnen-Erfahrungen Diese Gruppe transpersonaler Erfahrungen ist charakterisiert durch das starke Empfinden des Zurückversetztwerdens in Zeiten, die vor der eigenen Zeugung liegen, und durch eine authentische Identifika­ tion mit den eigenen Vorfahren. Manchmal geht es in diesen Erfahrungen um relativ kurz zurückliegende Ereignisse in der Fami­ liengeschichte und um die unmittelbareren Ahnen väterlicher- oder mütterlicherseits, etwa um Eltern und Großeltern. In ihrer extremen Form können sie aber mehrere Generationen und sogar Jahrhunderte zurückreichen. Im allgemeinen paßt der Inhalt solcher Erfahrungen zur Vorge­ schichte der Rasse und zur kulturellen Herkunft des betreffenden Menschen. So kann ein Jude bzw. eine Jüdin Episoden aus dem Leben der Ahnen während des Holocaust im Zweiten Weltkrieg, der Judenverfolgungen im Mittelalter oder des Stammeslebens im Israel der biblischen Vorzeit erleben und eine tiefe Verbundenheit mit seinem bzw. ihrem rassischen, kulturellen und religiösen Erbe entwickeln. Jemand, der aus Skandinavien stammt, wird unter Umständen Zeuge verschiedener Szenen aus den abenteuerlichen Erkundungsfahrten und Eroberungen der Wikinger, wobei sich ihm mit großer Detailgenauigkeit Kleidung, Waffen, Juwelenschmuck oder Techniken der Navigation und Schiffskriegsführung offenba­ ren. Ein Afro-Amerikaner wird vielleicht Handlungsabfolgen aus dem Leben seiner afrikanischen Vorfahren erleben, wobei es um tägliche Aktivitäten in einem Dorf, Übergangsriten, Heilungszere­ monien und verschiedene Festlichkeiten oder aber auch um trauma­ tische Ereignisse aus der Geschichte der Sklaverei gehen mag. Solche Erfahrungen sind gewöhnlich mit interessanten psychologi­ schen Erkenntnissen verknüpft. Der Betreffende kann diese archai­ schen Elemente zu seiner gegenwärtigen Persönlichkeit und zu 108

psychischen Problemen, die ihn im Augenblick belasten, in Bezie­ hung setzen. Ahnen-Erfahrungen treten in vielen verschiedenen und komplexen Formen auf. Manchmal werden kurze Episoden oder ganze Sequen­ zen aus dem Leben eines Vorfahren wiedererlebt, die sehr konkret, spezifisch und reich an Einzelheiten sind. Dabei kann sich eine vollständige Identifikation mit diesem Vorfahren im Hinblick auf Körperbild, Gesichtsausdruck, Gestik, emotionale Reaktionen und Denkvorgänge einstellen. In anderen Fällen haben Ahnen-Erfahrun­ gen mehr allgemeinen und diffusen Charakter. Der oder die Betref­ fende spürt etwa die emotionale Atmosphäre und die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Familie, im Clan oder im Stamm, und kann zu intuitiven Erkenntnissen über kulturelle Einstellungen, Glaubenssysteme, Sitten und Gebräuche, Traditio­ nen, Idiosynkrasien, Vorurteile und abergläubische Vorstellungen gelangen. Manche Menschen haben aufgrund solcher Erfahrungen neue Er­ kenntnisse über ihre Persönlichkeitsstruktur erlangt und manche ihrer Probleme und Konflikte, die sie sich nicht erklären konnten, mit völlig anderen Augen gesehen. Sie konnten ihre Ursachen auf verschiedene Differenzen und Reibungspunkte zwischen der väterli­ chen und der mütterlichen Ahnenreihe zurückverfolgen. Was sie bisher vergeblich als persönliche Probleme zu verstehen versuchten, erschien plötzlich als das Ergebnis introjizierter und intemalisierter Konflikte zwischen Generationen ihrer toten Vorfahren. Es gibt zwei wesentliche Merkmale von Ahnen-Erfahrungen, die sie von der im folgenden besprochenen Gruppe der rassischen und kollektiven Phänomene unterscheiden. Das erste betrifft die Qualität der Erfahrung selbst und läßt sich mit Worten nur schwer beschrei­ ben. Jemand, der eine solche Erfahrung macht, hat die feste Gewiß­ heit, daß der Protagonist ein Blutsverwandter ist, und daß die entsprechende Szene irgendwie im genetischen Code der DNS gespeichert ist. Außerdem führen objektive Nachforschungen, so­ fern sie möglich sind, in der Regel zu Ergebnissen, die mit der subjektiven Erfahrung übereinstimmen. In mehreren Fällen, in denen es scheinbar eine Diskrepanz gab - so identifizierte sich ein Angel­ sachse mit einem Zigeuner, ein anderer mit einem Menschen 109

schwarzer Hautfarbe bestätigte eine gründliche Untersuchung des Familienstammbaums die objektive Richtigkeit dieser Erfahrun­ gen. Ich möchte dieses Phänomen anhand einer interessanten Beobach­ tung in einer Sitzung mit holotropem Atmen veranschaulichen, die wir in unserem letzten Workshop in Stockholm, Schweden, durch­ führten. Zwei weitere Beispiele für Ahnen-Erfahrungen finden sich in meinem Buch Topographie des Unbewußten : LSD im Dienst der tiefenpsychologischen Forschung (Grof 1978). Die erste reicht eine Generation zurück (S. 186-187), die andere mehr als drei Jahrhun­ derte (S. 187-189). Eine junge Frau, die zu dem Seminar aus Finnland gekommen war, erlebte in dieser Sitzung eine Reihe sehr dramatischer Szenen, in denen es um Aggressionen und das Töten in verschiedenen Arten von Krieg ging. Den Rahmen zu diesen Szenen bildeten der Tod- und Wiedergeburts-Prozeß und das Wiedererleben der biologischen Geburt. Ihre Erfahrungen hatten alle die typischen Merkmale der dritten perinatalen Matrix. Eine dieser Szenen war ungewöhnlich und unterschied sich von den anderen. Die Frau erfuhr sich als einen jungen Soldaten, der in einer Schlacht im Zweiten Weltkrieg kämpfte. Diese Schlacht hatte vierzehn Jahre vor ihrer Zeugung stattgefunden. Ihr wurde plötzlich bewußt, daß sie sich mit ihrem Vater identifizierte und diese Schlacht aus seiner Sicht erlebte. Sie war ganz und gar er, sie spürte seinen Körper, seine Gefühle und seine Gedanken. Sie konnte auch deutlich wahmehmen, was um sie herum geschah. Dann, als sie/er sich gerade hinter einem Baum ver­ steckte, kam eine Gewehrkugel angeflogen und streifte sie/ihn an der Wange und am Ohr. Diese Erfahrung war außerordentlich lebhaft, authentisch und zwin­ gend. Sie wußte nicht, woher sie stammte, und konnte nichts mit ihr anfangen. Ihr war bekannt, daß ihr Vater am Russisch-Finnischen Krieg teilgenommen hatte. Sie war sich aber sicher, daß er nie über dieses Erlebnis gesprochen hatte. Sie kam zu dem Schluß, daß in ihr eine Erinerung ihres Vaters an eine tatsächliche Begebenheit wachgeworden sein mußte, und beschloß, dies anhand eines Telefonanrufs nachzuprü­ fen. Als sie zur Gruppe zurückkam, war sie sehr aufgeregt und von Ehrfurcht ergriffen. Sie hatte ihren Vater angerufen und ihm von ihrem Erlebnis erzählt. Daraufhin war er vollkommen verblüfft gewesen. Sie hatte 110

etwas erlebt, was ihm tatsächlich im Krieg widerfahren war. Ihre Beschreibung des Geschehens und der Umgebung war absolut richtig gewesen. Er versicherte ihr auch, über dieses spezielle Ereignis weder mit ihr noch mit anderen Familienmitgliedern gesprochen zu haben, weil er es nicht als besonders wichtig empfunden hatte. Erfahrungen, die sich auf die Existenz der Rasse und des Kollektivs beziehen Diese Erfahrungen bewegen sich noch weiter entfernt von der persönlichen Lebensgeschichte des bzw. der Betreffenden. In Erleb­ nissen, die sich auf die Existenz der Rasse beziehen, identifiziert man sich nicht mit Personen, mit denen man blutsverwandt ist, sondern mit irgendwelchen anderen Mitgliedern derselben Rasse. In kollektiven Erfahrungen geht dieser Identifikationsprozeß über die Grenzen der Rassenzugehörigkeit sogar noch hinaus und umfaßt die Menschheit als Ganzes. Diese Phänomene stehen in einem eindeuti­ gen Zusammenhang mit dem, was C. G. Jung das rassische und das kollektive Unbewußte genannt hat, und liefern somit einen wesentli­ chen Beweis für einen der kontroversesten Aspekte seiner Theorie (Jung 1975). Menschen, die in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen in diese Bereiche der Psyche Vordringen, nehmen an dramatischen - in der Regel kurzen, gelegentlich aber auch ausführlichen und komple­ xen - Begebenheiten teil, die sich vor mehr oder weniger langer Zeit in verschiedenen Ländern und Kulturen abgespielt haben. Szenen dieser Art können vom Standpunkt eines Beobachters erlebt werden, häufiger aber noch ist die Identifikation mit den Betroffenen. In der Regel stellen sich bei solchen Erfahrungen viele allgemeine sowohl spezifische als auch detaillierte Erkenntnisse ein, die soziale Struk­ tur, die religiösen Praktiken, die Rituale, die moralischen Regeln, die Kunst und die Technologie der beteiligten Kulturen und histori­ schen Perioden betreffen. Kollektive Erinnerungen können sich auf jedes Land, jeden histori­ schen Abschnitt, jede rassische Gruppe oder jede Kultur beziehen, aber alte Zivilisationen mit einer hochentwickelten spirituellen, philosophischen und künstlerischen Tradition scheinen besonders bevorzugt zu sein. Ereignisse, die sich im alten Ägypten, Indien, 111

Tibet, China und Japan oder im präkolumbianischen Mexiko und Peru zugetragen haben, werden erstaunlich häufig wiedererlebt. Um welche Kultur und um welchen geographischen Bereich es in einer solchen Erfahrung geht, kann von der rassischen und ethnischen Zugehörigkeit, vom Geburtsland, von der kulturellen Tradition und sogar von der Bildung und den Interessen der betreffenden Person recht unabhängig sein. So kann jemand mit slawischer Herkunft an den Eroberungszügen der mongolischen Horden des Dschingis Khan teilnehmen, sich mit den afrikanischen Kalahari-Buschmännern während ihrer Trance­ tänze identifizieren, an einer rituellen Einweihung bei australischen Ureinwohnern beteiligt sein oder das Bewußtsein eines Menschen annehmen, der von den Azteken den Göttern zum Opfer gebracht werden soll. Ein Angelsachse kann dramatische Begebenheiten aus der Geschichte der afro-amerikanischen Sklaverei erleben oder in die Rolle eines Indianers in den Massakern während der Eroberung des Wilden Westens schlüpfen und daraufhin zu einer neuen Einstel­ lung gegenüber den amerikanischen Rassenproblemen gelangen. Jemand mit jüdischen Vorfahren kann in die Kulturen des Femen Ostens versetzt werden und aufgrund tiefgehender Erfahrungen erstaunliche Erkenntnisse über die Psyche des Japaners, Chinesen oder Tibeters, über bestimmte Aspekte der taoistischen oder bud­ dhistischen Lehre, über Kriegskünste oder über die Musik und das Theater des Femen Ostens gewinnen. Manchmal können mit den obengenannten Erfahrungen komplexe Gesten, Haltungen und Bewegungsabläufe einhergehen, die in völ­ lig zutreffender Weise bestimmte spezielle Aspekte der beteiligten Kulturen oder Traditionen widerspiegeln. In psychedelischen und holotropen Sitzungen haben wir wiederholt beobachtet, daß Perso­ nen ohne einschlägige Vorkenntnisse zur richtigen Zeit angemes­ sene symbolische Gesten (mudras) und Haltungen (asanas) aus der Yoga-Tradition einnehmen und spontan ihre Bedeutung erkennen. In manchen Fällen verspürten Personen, die in eine bestimmte Kultur versetzt wurden, ein starkes Bedürfnis zu tanzen. Ohne besondere vorherige Ausbildung, ja sogar ohne jegliches theoreti­ sches Vorwissen waren sie in der Lage, verschiedene Tänze und Bewegungen auszuführen, etwa den Trancetanz der Kung-Busch112

männer, den Derwischtanz in der Sufi-Tradition, indonesische Tänze aus Java oder Bali, und die symbolischen Tänze der indischen Kathakali- oder Manipuri-Schule. Bei kollektiven Erinnerungen hat die betreffende Person das Gefühl, sie würde Zeuge von wichtigen Begebenheiten aus der Menschheits­ geschichte, von Beispielen für die kulturelle Vielfalt des Menschen, oder von Manifestationen des kosmischen Dramas oder göttlichen Spiels (lila). Diese Erfahrungen sind nicht mit dem für AhnenErfahrungen charakteristischen Gefühl verknüpft, im genetischen Code der DNS gespeichert zu sein. Es fehlt ihnen die Verbundenheit mit der Rasse, die gewöhnlich rassische Erfahrungen begleitet, und man hat nicht das Empfinden einer persönlichen Erinnerung oder karmischen Kontinuität, das regelmäßig mit Erinnerungen an frü­ here Inkarnationen einhergeht. Das folgende Beispiel für eine rassische Erfahrung stammt aus einer nicht überwachten LSD-Sitzung eines Mannes jüdischer Herkunft, der mir danach einige Höhepunkte seiner Reise in die Innenwelt mitteilte. Ich erkannte plötzlich, daß die Scham ein innerer Bruch ist, unter dem alle Menschen leiden. Ich wurde von meinem Vater beschämt, so wie er es von seinem Vater wurde! Ich hatte das starke Empfinden, daß die Scham schon bei der Geburt eingeflößt wird und wesentlich mit den Geschlechtsorganen zusammenhängt. Ich fühlte mich müde und alt, wie mein Vater, mein Großvater und mein Urgroßvater. Es war die Lebens­ müdigkeit vor dem Tod, der Wunsch zu sterben. Ich fühlte mich tief mit meinen jüdischen Vorfahren verbunden, allen jüdischen Männern, die vor mir lebten, und allen Rabbis seit tausend Jahren. Plötzlich verspürte ich ein Brennen und Jucken um meinen Penis und erkannte, daß ich beschnitten wurde. Der Wein der Beschneidungszeremonie und die Gegenwart meines Vaters schienen mit dem Gefühl der Müdigkeit zusammenzuhängen. Das also war die Quelle aller Scham! Alle Männer, die an der Zeremonie teilnahmen, schämten sich ihrer unbewußt, waren darüber verlegen, und diese Gefühle teilten sie dem Säugling mit. Während sie die religiöse Tradition an ihn Weitergaben, flößten sie ihm Schmerz, Scham und Müdigkeit ein. Ich schämte mich meiner Person. »Schämst du dich nicht? Du solltest dich schämen!« Diese Worte haben mir mein Vater und meine Mutter Hunderte Male gesagt. Ich schäme mich so, daß ich mich wegen meiner 113

Scham schäme! Ich schäme mich wegen meiner Bedürfnisse, meiner Gefühle. Das, was alle Juden miteinander verbindet, ist die Scham. Das Hochzeitslied aus Anatevka enthält die Worte: »God shield you from shame.« Adam aß den Apfel und schämte sich. Dieses Vermächtnis, seit Abraham von den Vätern an ihre Söhne weitergegeben, ist Scham ein Vermächtnis, das 4000 Jahre alt ist! Ich stellte fest, daß ich meinen Penis und meine Hoden festhielt. Plötzlich hatte ich eine Vision, die mir für alles eine Erklärung gab. Die Beschneidung war ein Ersatz für das Kindesopfer! Abraham brachte Isaak Gott zum Opfer dar, erhielt aber den Befehl, ihn statt dessen zu beschneiden! Die Beschneidung ist eine symbolische Kastration. Der kostbarste Teil eines männlichen Kindes wird Gott zum Opfer dargebo­ ten. Statt sein Leben wird seine Männlichkeit geopfert. Das Syndrom der kastrierenden jüdischen Mutter! Mein Vater bot mich zum Opfer dar, um die Billigung meiner Mutter zu erhalten. Die Opferung des Erstgeborenen! Jesus war der Sohn Gottes und wurde geopfert. Es ist so, als ob Gott ursprünglich Abrahams Sohn am Leben gelassen hat, nur um dafür zu verlangen, daß alle Nachkommen ihm gehören, und diesem Anspruch Gottes werden sie auch in den letzten Tagen der Menschheit unterworfen sein. Deswegen sind die Juden auch das »auserwählte Volk« - sie wurden als Opfer auserwählt! Später entschloß ich mich aufgrund meiner Erfahrung zu historischen Nachforschungen. Eine jüdische Autorität meiner Heimatgemeinde versicherte mir, es hätte in der jüdischen Tradition niemals so etwas wie die Opferung des Erstgeborenen gegeben. Er verwies mich auf die jüdische Enzyklopädie und das Fasten der Erstgeborenen. Ich fand aber zahlreiche Hinweise auf die Opferung erstgeborener Kinder, die 2000 Jahre lang bis zur Zeit der Richter praktiziert worden war. Meine tiefe Identifikation mit dem Erbe der Vorfahren überzeugte mich davon, daß diese unauslöschliche Spuren im Unbewußten der jüdischen Rasse und anderer Völker des Mittelmeers hinterlassen hat. Erinnerungen an frühere Inkarnationen Dies ist wohl die faszinierendste, aber zugleich kontroverseste Gruppe von transpersonalen Phänomenen. Wie schon erwähnt, haben Erinnerungen an frühere Inkarnationen in vielerlei Hinsicht Ähnlichkeit mit Ahnen-Erfahrungen sowie mit rassischen und kol­ lektiven Erfahrungen. Gewöhnlich sind sie aber sehr dramatisch und emotional von sehr starker Intensität. Die beteiligten Emotionen 114

können positiver oder negativer Natur sein. Das wesentliche Merk­ mal dieser Gruppe von Phänomenen ist das überzeugende Empfin­ den, sich an etwas zu erinnern, das einst demselben Wesen, dersel­ ben Bewußtseinseinheit widerfuhr. Menschen, bei denen sich solche dramatischen Erlebnisse einstellen, bewahren ein Gefühl der Indivi­ dualität und persönlichen Identität, erfahren sich aber in einer anderen Form, an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit und unter anderen Bedingungen. Das Gefühl, etwas wiederzuerleben, was man in einer früheren Inkarnation gesehen (dejä vu) und erfahren hat (dejä vecu), ist sehr elementar und läßt sich nicht weiter analysieren. Es ist vergleichbar mit der Fähigkeit, im alltäglichen Leben zwischen Erinnerungen an tatsächliche Begebenheiten und unseren Träumen, Phantasien und Tagträumen zu unterscheiden. Man würde auf große Schwierigkei­ ten stoßen, wenn man jemanden, der sich an ein Ereignis erinnert, das sich letzte Woche zugetragen hat, überzeugen wollte, dieses Ereignis sei nicht wirklich geschehen und stelle nur ein Produkt seiner Einbildung dar. Erinnerungen an frühere Inkarnationen haben eine vergleichbare subjektive Authentizität und Realität. In solchen Erfahrungen spielen gewöhnlich eine oder mehrere andere Personen eine Rolle. In seltenen Fällen können auch ver­ schiedene Tiere die Hauptfiguren in dramatischen Szenen dieser Art darstellen. Die betreffende Person hat dann das Empfinden, sie sei von einer Szene »karmisch geprägt« worden, in der sie von einem Tiger getötet, von einem wilden Elefanten zu Tode getrampelt, von einem wildgewordenen Bullen aufgespießt oder von einer Gift­ schlange gebissen wurde. Erlebnisse solcher Art scheinen echten karmischen Szenen in ihrer dauerhaften Auswirkung auf den betref­ fenden Menschen zu gleichen, doch fehlt ihnen das Element der Wiederholung in den nachfolgenden Inkarnationen. Sie besitzen somit Ähnlichkeit mit Situationen, in denen unpersönliche Ursachen psychische Folgen haben. Typische Beispiele für solche Situationen wären Bitterkeit, Haß und Neid, die auf eine schmerzhafte körperli­ che Krankheit oder eine schwere Verstümmelung zurückzuführen sind, oder Angst und Leid, das in einer früheren Inkarnation durch den zufälligen Tod aufgrund von Steinschlag, im Sumpf, in Treib­ sand oder während eines Vulkanausbruchs verursacht wurde. 115

Karmische Erfahrungen fallen in zwei deutlich voneinander ge­ trennte Kategorien, die sich durch die Qualität der beteiligten Emotionen unterscheiden. In manchen werden sehr positive Verbin­ dungen mit anderen Menschen wieder lebendig - tiefe Freundschaft, leidenschaftliche Liebe, spirituelle Partnerschaft, Schüler-LehrerBeziehungen, Blutsbande, Situationen, in denen man gemeinsam dem Tode entronnen ist, außergewöhnliches gegenseitiges Ver­ ständnis oder durch Wärme und gegenseitige Unterstützung ge­ prägte Beziehungen. Häufiger aber sind die dramatischen Emotio­ nen in solchen Erfahrungen negativer Natur. Der oder die Betref­ fende wird in verschiedene entsetzliche Situationen in früheren Leben geworfen, die gekennzeichnet sind durch unerträgliches körperliches Leid, mörderische Aggressionen, unendliche seelische Qualen, unmenschlichen Terror, Bitterkeit und Haß, rasende Eifer­ sucht, unersättlichen Rachedurst, unkontrollierbare Lustgefühle oder krankhafte Gier und Habsucht. Viele Menschen, die negative karmische Erlebnisse gehabt haben, waren in der Lage, das Wesen des destruktiven Bandes zwischen den Hauptfiguren solcher Erfahrungen zu analysieren. Sie erkannten, daß alle scheinbar unterschiedlichen Emotionen - selbstzerstöreri­ sche Leidenschaft, unersättliches Begehren, verzehrende Eifersucht oder krankhafte Seelenqualen - einander zu gleichen begannen, sobald ihre Intensität einen bestimmten Punkt überschritten hatte. Es gibt offenbar einen Zustand hochgradiger biologischer und emotio­ naler Erregung, in dem alle extremen Emotionen ineinanderfließen und metaphysische Dimensionen erhalten. Wenn zwei oder mehr Personen diesen universellen »Schmelztiegel« der Leidenschaften und Instinkte erreichen, werden sie durch die Situation, durch die dieser Punkt erreicht wurde, geprägt - unabhängig von der Rolle, die sie dabei spielen. In Situationen mit extremer Erlebnisintensität gehen die sadistische Erregung des Peinigers und der unmenschliche Schmerz des Opfers immer mehr ineinander über. Der Haß des Mörders ist ab einem bestimmten Punkt von den Qualen und dem Leid des sterbenden Opfers nicht mehr zu unterscheiden. Es hat den Anschein, als ob gerade diese Verschmelzung von Emotionen das Wesentliche an der karmischen Prägung ausmacht, nicht die Rolle, die man in einer 116

solchen Situation spielt. Sobald sich auch immer zwei Menschen in einer Weise begegnen, durch die ihre Emotionen den oben beschrie­ benen Zustand erreichen, werden sie in späteren Leben dieselbe Erfahrung mit wechselnden Rollen wiederholen müssen, und zwar so lange, bis sie das Bewußtseinsniveau erreicht haben, das für die Auflösung karmischer Bande notwendig ist. Menschen, die mit der spirituellen Literatur vertraut sind, haben diesen Zustand undifferenzierter emotionaler Erregung, der die karmische Prägung bewirkt, mit dem trsnä oder tanha in der bud­ dhistischen Lehre verglichen, dem »Durst des Fleisches und des Blutes«, der die Kraft ist, die den Kreislauf von Tod und Wiederge­ burt aufrechterhält und für alles menschliche Leid verantwortlich ist. Andere gelangten zu der Erkenntnis, daß dieser Zustand eine tiefe Ähnlichkeit mit den eigentümlichen Erfahrungen besitzt, die die letzten Stadien der biologischen Geburt (die dritte perinatale Grund­ matrix) charakterisieren. Hier vereinigen sich mörderische Aggres­ sionen, entsetzliche Seelenqualen, extrem starke sexuelle Erregung, dämonische Tendenzen, skatologische Erlebnisse und inbrünstige Religiosität zu einem seltsamen, unverwechselbaren Ganzen. Die biologische Geburt scheint demnach so etwas wie eine Umwand­ lungsstation zu sein, die bewirkt, daß die immateriellen »morphogenetischen Felder« des karmischen Erbes (in der spirituellen Literatur auch als »akasha« bezeichnet) in das biopsychische Leben des betreffenden Menschen eintreten. Manchmal gehen der Öffnung des Bereichs der Inkamationserlebnisse detaillierte Erkenntnisse oder nicht verbal vermittelte Anwei­ sungen voraus bzw. laufen mit ihr parallel. So wird der betreffende Mensch darin eingeführt, daß das Gesetz des Karma ein wesentli­ cher Teil der kosmischen Ordnung ist, die für alle empfindenden Wesen gilt. Daraufhin nimmt er auch die Verantwortung für die Taten in früheren Leben auf sich, die zu diesem Zeitpunkt noch durch Amnesie verdeckt sind. Neben diesen allgemeinen Erkennt­ nissen können auch Einblicke in Einzelheiten der Mechanismen gewonnen werden, die in den Zyklen von Tod und Wiedergeburt wirksam sind, und es können auch die Strategien gelernt werden, die für die Befreiung von den karmischen Fesseln notwendig sind. Um zu einer vollständigen Auflösung eines karmischen Musters zu 117

gelangen, muß der betreffende Mensch alle schmerzlichen Emotio­ nen und Körperempfindungen, die an einer destruktiven Erfahrung in einer früheren Inkarnation beteiligt sind, in voller Intensität wiedererleben. Außerdem ist es notwendig, dieses Ereignis in emotionaler, ethischer, philosophischer und spiritueller Hinsicht zu transzendieren, einen Zustand zu erlangen, in dem man ganz und gar darüber steht und zu vergeben und Vergebung zu erlangen. Eine solche volle Befreiung von den Fesseln eines karmischen Erlebnisses wird normalerweise von Erfüllungs- und Triumphge­ fühlen begleitet, die alle rationale Vorstellung bei weitem überstei­ gen. Wenn dieser Augenblick eintritt, ist man von dem Gefühl überwältigt, daß man schon seit Jahrhunderten auf ihn gewartet und auf ihn hingearbeitet hat. An diesem Punkt scheint es in der Welt nichts Wichtigeres zu geben, als sich von den Fesseln des Karma zu befreien. Weitere regelmäßige Begleiterscheinungen eines solchen Erlebnis­ ses sind ekstatisches Entzücken und ein Gefühl unendlicher Wonne. In manchen Fällen sieht der betreffende Mensch seine karmische Vergangenheit schnell vor sich ablaufen und gelangt zu klaren Erkenntnissen darüber, wie sich diese Muster im Laufe der Zeitalter in verschiedenen Variationen wiederholt und ein Leben nach dem anderen zerstört haben. Manche Personen haben eine solche Erfahrung als einen reinigenden »karmischen Hurrikan« oder »Zyklon« beschrieben, der durch ihre Vergangenheit bläst und ihre karmischen Fesseln in allen Situationen sprengt, in denen sie bestimmend waren. Erinnerungen an frühere Inkarnationen kommen extrem häufig in tiefgehenden Selbsterfahrungstherapien vor und besitzen großes Heilpotential. Sie haben auch eine weitreichende theoretische Be­ deutung, da sie in mehreren Aspekten das mechanistische und materialistische Weltbild ernsthaft in Frage stellen. Ein Therapeut, der nicht zuläßt, daß sich bei seinen Klienten Erfahrungen dieser Art entfalten oder sie zu unterdrücken versucht, wenn sie sich spontan einstellen, verzichtet auf einen hoch wirksamen Mechanis­ mus der Heilung und Persönlichkeitstransformation. Da das Haupt­ hindernis in diesem Sinne philosophischer Natur ist - nämlich die Leugnung der Existenz von Reinkamation und Karma, die auf 118

ungenügender Kenntnis der Tatsachen basiert -, möchte ich auf diesen Punkt etwas ausführlicher eingehen. Es dürfte wohl offensichtlich sein, daß die Reinkamationsphänomene, die in einer tiefgehenden Selbsterfahrungstherapie, in Medi­ tation und in spontanen außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen beobachtet werden, identisch sind mit denen, die für den weitver­ breiteten und universellen Glauben an die Reinkamation verantwort­ lich sind. Karma und Reinkamation bilden die Eckpfeiler in den Lehren des Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, Sikhismus, Zoroastrianismus, tibetischen Vajrayana-Buddhismus und Taoismus. Ähnliche Gedanken finden sich in geographisch, historisch und kulturell so verschiedenartigen Gruppen wie bei mehreren afrikani­ schen Stämmen, den Indianern Amerikas, in präkolumbianischen Kulturen, bei den polynesischen Kahunas, den Anhängern der brasilianischen Umbanda-Religion, den Galliern und den Druiden. Im antiken Griechenland gab es mehrere bedeutende philosophische Schulen, die sich dem Reinkamationsgedanken verschrieben, u. a. die Pythagoräer, die Orphiker und die Platoniker. Die Reinkamationslehre wurde auch von den Essenern, den Pharisäern, den Karaiten und anderen jüdischen sowie halbjüdischen Gruppen ver­ treten, und sie bildete einen wesentlichen Bestandteil der kabbalisti­ schen Theologie des mittelalterlichen Judentums. Zu den Vertretern dieser Lehre zählen auch die Neoplatoniker und Gnostiker, in neuerer Zeit die Theosophen, Anthroposophen und bestimmte Spiritualisten. Es ist nicht sonderlich bekannt, daß ähnliche Lehren wie die Reinkamations- und Karmalehre auch unter den frühen Christen existier­ ten. Nach dem hl. Hieronymus (340-420) erhielt die Reinkamation eine esoterische Deutung, die an eine ausgewählte Elite weitergege­ ben wurde. Der berühmteste christliche Denker, der über die Präexi­ stenz von Seelen und Weltzyklen spekulierte, war Origenes (186-253), einer der größten Kirchenväter aller Zeiten. In seinen Schriften, insbesondere in seinem Buch De Principiis (Origenes 1976) vertrat er die Ansicht, daß bestimmte Stellen in der Heiligen Schrift nur mit Hilfe der Reinkamation erklärt werden könnten. Seine Lehren wurden vom Zweiten Konzil von Konstantinopel, das 553 stattfand und von Kaiser Justinian geleitet wurde, verbannt und 119

für ketzerisch erklärt. Das Konzil von Konstantinopel erließ folgen­ des: »Wenn sich jemand der ungeheuerlichen Lehre, die aus der Annahme der Präexistenz von Seelen folgt, verschreiben sollte, dann trifft ihn der Bann der Kirche.« Einige Gelehrte glauben aber, Spuren der Lehren von Origenes in den Schriften des hl. Augustinus, des hl. Gregor und sogar des hl. Franz von Assisi entdecken zu können. Neben der universellen Verbreitung des Reinkamationsgedankens spricht noch folgende wichtige Tatsache für die Authentizität der Reinkamationsphänomene: Erinnerungen an frühere Leben treten in Selbsterfahrungstherapien völlig unerwartet auf, häufig sogar entge­ gen den Auffassungen von Therapeut und Klient. Erfahrungen dieser Art habe ich schon früher beobachtet, als ich mich noch gegen sie sperrte und sie nicht ernst nahm. In vielen Fällen haben sich solche Erfahrungen in Sitzungen von Wissenschaftlern eingestellt, die den Glauben an die Reinkamation für einen absurden Aberglau­ ben und einen kulturellen Wahn primitiver Nationen, ja sogar als Anzeichen für eine psychopathologische Störung des betreffenden Menschen hielten. Schon mehrere Male hatten Personen, die mit der Reinkamationslehre nicht vertraut waren, nicht nur höchst dramatische Erinnerun­ gen an frühere Leben, sondern gelangten auch zu komplexen und detaillierten Erkenntnissen über verschiedene spezielle Aspekte dieser Lehre, wie man sie in verschiedenen spirituellen Systemen und in okkulten Schriften finden kann. Als Beispiel dafür kann ich einen völlig ungebildeten Patienten anführen, der an unserem psy­ chedelischen Therapieprogramm für Krebspatienten in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland teilnahm. Er war fast Analphabet und arbeitete als ungelernter Hilfsarbeiter. Trotz dieser Umstände ge­ wann er in seiner psychedelischen Sitzung komplexe Erkenntnisse über die Reinkamation und die Zyklen von Tod und Wiedergeburt. Aus dieser Sitzung ging er mit einem festen Glauben an das Weiterleben nach dem Tode hervor. Diese Erfahrung half ihm entscheidend, der grausamen Realität ins Auge zu sehen - er litt unter Krebs im Endstadium mit vielen Metastasen - und schließlich mit Gleichmut zu sterben. Eine kurze Zusammenfassung der Fallge­ schichte dieses Patienten und der Bericht über seine psychedelische 120

Sitzung finden sich in meinem Buch Die Begegnung mit dem Tod (Grof und Halifax 1980). Nach dieser allgemeinen Einführung möchte ich bestimmte spezifi­ sche Aspekte der Erinnerungen an frühere Leben, die höchst interes­ sant sind und von Wissenschaftlern, die das Bewußtsein und die menschliche Psyche erforschen, ernsthaft in Betracht gezogen wer­ den sollten. Diejenigen Personen, die solche Reinkamationserfahrungen haben, gewinnen häufig erstaunliche Erkenntnisse über die Zeit und die Kultur, in der sich diese Erfahrungen abspielen, und gelegentlich sogar auch über einzelne historische Ereignisse. In manchen Fällen steht es außer jeden Zweifel, daß die betreffenden Personen entsprechende Informationen nur auf diesem Weg und nicht auf konventionelle Weise mit Hilfe der gewöhnlichen Sinne erworben haben können. In diesem Sinne sind Erinnerungen an frühere Leben echte transpersonale Erfahrungen, die mit den ande­ ren transpersonalen Phänomenen gemeinsam haben, daß man poten­ tiell unmittelbaren und direkten außersinnlichen Zugang zu allen denkbaren Aspekten der Welt besitzt. Ein anderer interessanter Aspekt karmischer Erfahrungen ist der, daß diese einen eindeutigen Bezug zu verschiedenen emotionalen, psychosomatischen und zwischenmenschlichen Problemen des be­ treffenden Menschen haben. Am häufigsten stellen sie die tiefste Ursache von Problemen dar, die zu spezifischen biographischen und perinatalen Determinanten hinzutritt. Manchmal bilden sie die un­ mittelbare und direkte Grundlage von psychopathologischen Sym­ ptomen. Im letzteren Fall wird eine tiefgehende Selbsterfahrungstherapie diese Symptome aktivieren und die betreffende Person unmittelbar zu dem karmischen Motiv hinführen, das die Symptome erklärt und ihre Auflösung ermöglicht. Reinkamationserfahrungen tragen also nicht nur zum Verständnis psychopathologischer Er­ scheinungen bei, sondern bilden auch einen der effektivsten thera­ peutischen Mechanismen. Zu den charakteristischen Merkmalen von Erinnerungen an frühere Leben, die von der mechanistischen Wissenschaft nicht erklärt werden können, zählt die Verbindung mit erstaunlichen Synchronizitäten im Jungschen Sinne (Jung 1976). Ich habe in vielen Fällen beobachtet, daß Menschen, die eine solche Erfahrung machten, in 121

den Hauptfiguren dieser Erfahrung bestimmte Personen aus ihrer unmittelbaren Umgebung wiedererkannten - Eltern, Kinder, Ehe­ gatten, Geliebte, Vorgesetzte und andere für sie bedeutsame Men­ schen. Wenn sie die karmische Erfahrung bis zum Schluß durchleb­ ten und zu einem Gefühl ihrer Auflösung und des Verzeihens gelangten, meinten sie oft, der betreffende Partner wäre in einem gewissen Sinn an diesem Prozeß beteiligt gewesen und müßte ähnlich empfunden haben. Als ich innerlich weit genug aufgeschlossen war, um den Versuch zu machen, diese Angaben wissenschaftlich zu untermauern, entdeckte ich zu meiner großen Überraschung, daß das subjektive Empfinden der betreffenden Personen häufig objektiv zutraf. Ich fand heraus, daß in vielen Fällen genau die Menschen, die als Hauptfiguren in den karmischen Erlebnissen erkannt wurden, zur gleichen Zeit eine dramatische EinstellungsVeränderung in die Richtung erfuhren, die durch die Auflösung dieser Erlebnisse vorgezeichnet war. Diese Wandlung geschah auf eine Weise, die nicht mit Hilfe der linearen Kausalität erklärt werden konnte. Die Menschen, die davon betrof­ fen waren, befanden sich oft an einem Hunderte oder Tausende von Kilometern entfernten Ort, sie wußten nichts über das Reinkamationserlebnis des anderen, und die Veränderungen in ihnen wurden durch eine völlig unabhängige Kette von Ereignissen bewirkt. Sie hatten ein eigenes tiefgehendes Transformationserlebnis, erhielten Informationen, aufgrund derer ihre Sicht des anderen sich völlig veränderte, oder wurden durch irgendeine andere unabhängige Ent­ wicklung in ihrer Umgebung beeinflußt. Die zeitliche Übereinstim­ mung zwischen diesen synchronistischen Ereignissen war häufig bemerkenswert. Nicht selten betrug der Zeitunterschied zwischen ihnen nur wenige Minuten. Dieser Aspekt von Erinnerungen an frühere Leben, der auf nichtlokale Verbindungen im Universum hinweist, besitzt Ähnlichkeit mit den Phänomenen, die in der modernen Physik vom Bellschen Theorem beschrieben werden (Bell 1966, Capra 1984). An dieser Stelle möchte ich einige klärende Worte über meine Auffassung von den Reinkamationserlebnissen sagen: die bisher beschriebenen Merkmale sind meiner Meinung nach nicht unbedingt ein Beweis dafür, daß wir früher tatsächlich schon einmal gelebt 122

haben. Ich bin mir aber auch sehr sicher, daß dieses Phänomen von der mechanistischen Wissenschaft nicht angemessen erklärt werden kann und die bestehenden Paradigmen in der Psychiatrie sowie in der westlichen Wissenschaft allgemein ernstlich in Frage stellt. Es ist natürlich denkbar, daß sich manche wesentlichen Merkmale karmischer Erlebnisse - ihre Universalität, das Empfinden der Authentizi­ tät, ihr Erinnerungscharakter, richtige intuitive Erkenntnisse über ihren historischen und kulturellen Kontext, ihr therapeutisches Po­ tential sowie die mit ihnen verknüpften Synchronizitäten - mit Hilfe eines modernen Paradigmas erklären ließen, das nicht unbedingt die Annahme einer eigenständigen Wesenheit voraussetzt, die den biologischen Tod überlebt und Verantwortung für die Taten in früheren Leben trägt. Das auf der Wahrscheinlichkeitstheorie basie­ rende semantische Modell, das von dem sowjetischen Mathematiker V. V. Nalimov entwickelt wurde, kann als Beispiel in dieser Bezie­ hung angeführt werden (Nalimov 1982). In seltenen Fällen können Beweise für die Reinkamationstheorie noch viel spezifischer sein. Ein kleiner Teil von Erinnerungen an frühere Leben betrifft sehr eindeutige, unverwechselbare Aspekte der Persönlichkeit und des Lebens des Menschen, mit dem man sich karmisch verbunden fühlt. Es kann sich um Personennamen, Ortsbe­ zeichnungen, Daten, Beschreibungen von ungewöhnlich geformten Gegenständen und vielerlei andere Dinge handeln. Gelegentlich sind Material und Umstände so beschaffen, daß sie objektiv über­ prüft werden können. Historische Nachforschungen dieser Art führ­ ten häufig zu außerordentlichen Überraschungen, weil sie diese Aspekte von Reinkamationserfahrungen bis in winzigste Details bestätigen konnten. In diesem Zusammenhang sei noch eine andere völlig unabhängige Untersuchung zum Thema Reinkamation genannt, nämlich die höchst interessante Untersuchung an Kindern, die behaupteten, sich an verschiedene Dinge aus ihren früheren Leben erinnern zu können. Dazu gehörten die Bezeichnungen der Orte, in denen sie geboren wurden, eine detaillierte Kenntnis ihrer geographischen Lage, der Name und die Lebensgeschichte der von ihnen genannten früheren Verwandten, Bekannten und Freunde sowie andere Einzelheiten. Ian Stevenson hat viele solcher Fälle in verschiedenen Teilen der 123

Welt untersucht und seine außergewöhnlichen Ergebnisse in seinem berühmten Buch Reinkamation: Der Mensch im Wandel von Tod und Wiedergeburt (Stevenson 1983) sowie einem späteren Buch (Stevenson 1984) beschrieben. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die tibetische Tradi­ tion, nach der die Identität des reinkamierten Lama geprüft wird. Hierbei wird das Kind, das von einer besonderen Abordnung von Priestern aufgrund verschiedener Hinweise und Vorzeichen ausfin­ dig gemacht worden ist, einer ungewöhnlichen Prüfung unterzogen. Um die Authentizität seiner Inkarnation zu beweisen, muß es aus mehreren Serien ähnlicher Gegenstände diejenigen heraussuchen, die dem verstorbenen Lama gehörten. Ich hoffe, daß die obige Analyse der verfügbaren Daten beim Leser den Eindruck hinterläßt, Erinnerungen an frühere Leben und die mit ihnen verknüpften Phänomene verdienten eine systematische und sorgfältige Erforschung. Zwar lassen sich die Beobachtungen nicht als eindeutige Beweise für die Kontinuität einer eigenständigen individuellen Existenz über mehrere Leben hinweg und für das Gesetz des Karma interpretieren, doch ein unvoreingenommener und informierter Wissenschaftler wird diese Möglichkeit nicht ver­ werfen, nur weil sie nicht in das mechanistische Weltbild paßt. Im folgenden möchte ich nun einige bedeutsame Aspekte von Reinkamationserlebnissen anhand eines interessanten Einzelfalls veranschaulichen. Die Person, um die es dabei geht, fing mit ihrer Selbsterforschung in einer primärtherapeutischen Gruppe an, die sich von Janov aufgrund seiner engen theoretischen Auslegungs­ weise abgesondert hatte. Später nahm sie an einem unserer vier­ wöchigen Seminare im Esalen-Institut teil, in denen wir mit der Technik des holotropen Atmens arbeiteten. Damals, als Karl in seiner Primärtherapie verschiedene Aspekte seines Geburtstraumas wiedererlebte, tauchten in seinem Bewußtsein erstmals Bruchstücke von dramatischen Szenen auf, die sich offenbar in einem anderen Jahrhundert und in einem fremden Land abspielten. Sie waren mit heftigen Emotionen und intensiven Körperempfindungen verknüpft und schienen in einem tiefen und engen Zusammenhang mit seinem Leben zu stehen, doch gaben sie in bezug auf seine gegenwärtige Existenz überhaupt keinen Sinn. 124

Er hatte Visionen von Tunnels, unterirdischen Lagerräumen, Militär­ baracken, dicken Wänden und Schutzwällen, die alle Teile einer auf einem Küstenfelsen gelegenen Festung zu sein schienen. Immer wieder tauchten Bilder von Soldaten in verschiedenen Situationen auf. Er war völlig verwirrt, da die Soldaten offenbar Spanier waren, die Landschaft aber an Schottland oder Irland erinnerte. Mit der Zeit wurden die Szenen immer dramatischer. Viele handelten von wilden und blutigen Schlachten. Karl war zwar von Soldaten umgeben, erfuhr sich aber als Priester und hatte an einem bestimmten Punkt auch eine sehr bewegende Vision, in der eine Bibel und ein Kreuz vorkamen. Dabei erblickte er an seiner Hand einen Siegelring und konnte deutlich die Initialen erkennen, die dieser trug. Da er ein begabter Maler war, beschloß er, diesen seltsamen Vorgang festzuhalten, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch nichts mit ihm anzufangen wußte. Er entwarf eine Reihe von Zeichnungen, Aquarellen und sehr eindringlichen, impulsiven Fingermalereien. Manche stellten Teile der Festung dar, andere Szenen aus Schlachten, und einige seine eigenen Erfahrungen, darunter auch, wie er von einem Schwert durch­ bohrt, über die Wälle der Festung geworfen wurde (Forts. S. 127 unten)

Abb. 3a-f: Aus einer neunteiligen Bildfolge, die Karls Erfahrung verschie­ dener Aspekte eines früheren Lebens um die historische Schlacht von Dunanoir in Irland illustriert. Abb. a: Die Festung über dem Ozean. Blut fließt über die Schutzwälle, die Klippen hinab bis ins Meer. 125

Abb. 3 b (oben): Verschiedene Motive des Festungsinnern, wie Karl sie in Selbsterfahrungssitzungen sah. Abb. 3c (unten): Bild eines unterirdischen Tunnels zwischen der Festung und dem Strand.

126

A b b . 3 d : Der Siegelring mit den Initialen des Prie-

Abb. 3e: Fingermalerei Karls, der wiedererlebte, wie er als Priester in der Schlacht von einem britischen Soldaten mit dem Schwert durchbohrt wurde. und am Strand starb. Unter diesen Zeichnungen befand sich auch eine von dem Siegelring mit den Initialen. Karl fand immer mehr sinnvolle Verbindungen mit seinem gegenwärti­ gen Leben, je mehr Bruchstücke dieser Geschichte sich zusammenfüg­ ten. Er entdeckte, daß viele emotionale und psychosomatische sowie zwischenmenschliche Probleme, die ihn in seinem Alltag belasteten, zu seinem inneren Prozeß - auch zu dem mysteriösen Ereignis, das in der Vergangenheit spielte - einen klaren Bezug hatten. 127

Ein Wendepunkt kam, als Karl aus einem plötzlichen inneren Impuls heraus beschloß, seinen Urlaub in Irland zu verbringen. Nach seiner Rückkehr zeigte er zum ersten Mal die Dias, die er an der Westküste Irlands aufgenommen hatte. Er erkannte, daß er elf Bilder hintereinan­ der von ein- und derselben Szenerie gemacht hatte, die nicht besonders interessant erschien. Er nahm die Landkarte und rekonstruierte, wo er zum Zeitpunkt der Aufnahmen gestanden und in welche Richtung er photographiert hatte. Dabei wurde ihm bewußt, daß der Ort, der seine Aufmerksamkeit erregt hatte, die Ruine einer alten Festung war, die den Namen Dunanoir oder Forte de Oro (goldene Festung) trug. Da er eine Verbindung mit seinen Erlebnissen in der Primärtherapie vermutete, beschloß Karl, sich eingehender mit der Geschichte von Dunanoir zu befassen. Zu seiner großen Überraschung entdeckte er, daß zur Zeit Walter Raleighs die Festung von Spaniern eingenommen und dann von den Briten belagert worden war. Walter Raleigh führte die Verhandlungen mit den Spaniern und versprach ihnen freien Abzug von der Festung, wenn sie die Tore öffneten und sich den Briten ergaben. Die Spanier stimmten diesen Bedingungen zu, doch die Briten hielten sich nicht an ihr Versprechen. Als sie in der Festung waren, metzelten sie erbarmungslos alle Spanier nieder und warfen sie dann über die Festungswälle hinunter auf den Strand. Trotz dieser absolut erstaunlichen Bestätigung für die Geschichte, die er in seiner inneren Selbsterforschung so mühsam rekonstruiert hatte, gab sich Karl noch nicht zufrieden. Er forschte in den Bibliotheken weiter, bis er ein spezielles Dokument über die Schlacht von Dunanoir ent­ deckte. Darin fand er, daß ein Priester die spanischen Soldaten begleitet hatte und mit ihnen gestorben war. Die Initialen des Namens dieses Priesters waren identisch mit denen, die Karl in seiner Vision vom Siegelring erblickt und die er in einer Zeichnung festgehalten hatte. Phylogenetische Erfahrungen Diese Art der transpersonalen Erfahrung ist eng verwandt mit der schon früher beschriebenen Identifikation mit Tieren. Beiden ge­ mein ist das Gefühl, ganz und gar - in anatomischer, physiologi­ scher, psychischer und sogar biochemischer Hinsicht - zu einem anderen lebenden Organismus zu werden. Phylogenetische Erfah­ rungen ähneln auch insofern der Identifikation mit Tieren, als sie erstaunliche neue Erkenntnisse über die betreffende Lebensform ermöglichen. Der Hauptunterschied liegt in der festen Überzeu­ 128

gung, zeitlich zurückversetzt zu werden. Die betreffende Person überschreitet nicht nur die Grenzen des Raumes und identifiziert sich mit gegenwärtig existierenden Tieren, sondern sie nimmt das Bewußtsein von Mitgliedern verschiedener Spezies an, die in ei­ nem früheren Evolutionsstadium gelebt haben. Bei manchen dieser Erfahrungen haben die Betreffenden das Ge­ fühl, sie würden in ihre eigene biologische Vergangenheit zurück­ versetzt und identifizierten sich mit einem ihrer tierischen Vorfah­ ren. Es handelt sich dabei also um eine logische Erweiterung der früher beschriebenen embryonalen, Ahnen- und rassischen Erfah­ rungen. In anderen Erlebnissen dieser Art identifiziert man sich mit verschiedenen Aspekten der Evolution des Lebens auf der Erde oder mit dem Stammbaum der Phylogenese als Ganzes. Solche Erfahrungen vermitteln nicht nur intuitive Erkenntnisse über die Lebensform, mit der man sich identifiziert, sondern auch über die Kräfte, die die Evolution bestimmen - die kreativen Intentionen der kosmischen Intelligenz, die archetypischen Kräfte, die Logik der phylogenetischen Entwicklung und die Instinkte. Dabei kann man in seinem Bewußtsein mit allem Leben eins werden und Fragen stellen wie: »Ist das Leben ein kosmisches Phänomen von Dauer? Trägt es in sich die Neigung, sich selber zu zerstören? Sind die konstruktiven Aspekte des Lebens, die das Überleben und die Evolution fördern, stärker als die destruktiven und selbstdestrukti­ ven?« (siehe S. 88). Die folgenden Aufzeichnungen aus einer Sitzung mit einer hohen Dosis LSD (250 Mikrogramm), die im Rahmen eines Ausbildungs­ programms für Psychologen und Psychiater am Maryland Psychia­ tric Research Center in Baltimore durchgeführt wurde, mögen als Beispiel für eine typische phylogenetische Erfahrung dienen. Die meisten dieser Erlebnisse bezogen sich auf das Zeitalter der großen Reptilien - auf die Trias-, Jura- und Kreidezeit - und schienen sich auf verschiedene Formen des Überlebenskampfes zu konzentrieren. Eines von ihnen ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben. Ich, der ich so etwas wie ein großer Dinosaurier war, war in einen heftigen Kampf mit einem riesigen fleischfressenden Reptil aus der Familie der Tyrannosaurier verwickelt. Ich möchte betonen, daß diese Erfahrung einen un­ glaublichen Realitätscharakter besaß. Alle ihre Elemente waren absolut 129

authentisch, sie gingen weit über das hinaus, was ich mit meiner menschlichen Vorstellungskraft hätte heraufbeschwören können. Ich steckte in einem riesigen, schwerfälligen Körper und empfand eine Mischung aus elementarer Angst und primitiver blinder Wut. Ich spürte den Schmerz, als mein Fleisch in Stücke gerissen wurde. An meinen Empfindungen war nichts, was an die Empfindungen eines Menschen hätte erinnern können. Der erstaunlichste Aspekt dieser Situation war aber ein eigentümlicher Geschmack im Mund, eine Kombination des Geschmacks nach Blut und des Geschmacks nach dem abgestandenen, fauligen Wasser der Ursümpfe. Ich erlebte lebhaft, wie ich den Kampf verlor. Mein Kopf wurde durch Schläge des Angreifers in den Sumpf gedrückt und ich starb. Dies war das bei weitem klarste und lebhafteste Erlebnis, obwohl ich mich noch mit einigen anderen Tieren identifi­ zierte. Erfahrungen, die sich auf die Evolution des Planeten beziehen Bei Erfahrungen dieser Art kann man Visionen von der Evolution des gesamten Planeten haben - von seinem Ursprung als Teil des Sonnensystems, von seinen frühen geophysikalischen Prozessen, von der Situation im Urozean sowie dem Ursprung und der Entwick­ lung des Lebens. All dies kann aus der Position eines Beobachters wahrgenommen werden, aber ebenso möglich ist eine Identifikation mit der Gesamtheit der planetarischen Evolution oder irgendeinem ihrer Aspekte. Hier besteht ein klarer Zusammenhang mit der früher beschriebenen Gaia-Erfahrung, doch kommt das dynamische evolu­ tionäre Element hinzu. Wie die anderen transpersonalen Erfahrun­ gen können auch solche Erlebnisse tiefgehende Erkenntnisse über die beteiligten Prozesse vermitteln, Erkenntnisse, die eindeutig das intellektuelle Wissen des oder der Betreffenden in einzelnen Berei­ chen überschreiten und häufig auch über den allgemeinen Bildungs­ horizont hinausgehen. Kosmogenetische Erfahrungen Erfahrungen dieser Gruppe stellen eine logische Erweiterung der oben beschriebenen Erfahrung dar. Hier bezieht das Erleben der Evolution das gesamte Universum mit ein. Die betreffende Person kann Zeuge der Entstehung und der Entwicklung des Kosmos werden bzw. sich mit diesen Vorgängen identifizieren, wobei Di­ 130

mensionen und Energien von unvorstellbaren Ausmaßen beteiligt sind. Solche Erfahrungen können sich häufig um Ereignisse in der Entstehungsgeschichte des Kosmos drehen, etwa um den Urknall, die Bildung von Materie, Raum und Zeit, die Geburt der Galaxien und ihre Ausweitung, die Explosionen von Novas und Supemovas sowie die Kontraktion großer Sonnen zu schwarzen Löchern. Gelegentlich wird auch die gesamte Geschichte des Kosmos durchlebt, wobei das subjektive Zeitempfinden außerordentlich verändert ist. Hochgebildete Menschen - darunter Mathematiker und Physiker haben nach eigenen Angaben in solchen Erlebnissen bemerkenswerte Erkenntnisse über verschiedene astronomische und astrophysikalische Probleme gewonnen, die sich zwar in mathematischen Glei­ chungen ausdrücken lassen, aber im gewöhnlichen Bewußtseinszu­ stand intuitiv nicht vollständig erfaßt werden können. Einsichten solcher Art betrafen Einsteins Theorie von einem unendlichen, aber in sich eingeschlossenen Universum, Minkowskis Raum-Zeit, den »Ereignishorizont«, den Zusammenbruch von Raum, ZeitundNaturgesetzen in einem schwarzen Loch, sowie andere schwierige theoreti­ sche Modelle der modernen Physik. Diese in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen gewonnenen Erkenntnisse, die auf eine enge Beteiligung von Bewußtsein und kreativer Intelligenz an der Kosmogenese hin weisen, lassen das sogenannte anthropische Prinzip in einem neuen Licht erscheinen. Dieses Prinzip ist erst vor kurzem von Theoretikern der Astrophysik aufgestellt worden (Davies 1983). Es bezieht sich darauf, daß zu viele Zufälle hätten Zusammenkommen müssen, um ein Universum entste­ hen zu lassen, in dem Leben möglich ist. Dies legt nahe, daß offenbar schon seit den allerersten Anfängen des Schöpfungsprozesses die Intention bestanden hat, ein Universum zu schaffen, in dem Lebewe­ sen existieren können. Der folgende Bericht über eine psychedelische Sitzung des berühm­ ten britisch-amerikanischen Schriftstellers und Philosophen Alan Watts ist eine sehr lebhafte und klare Beschreibung einer Erfahrung, in der er den Evolutionsprozeß über seine persönliche Lebensge­ schichte und die Geschichte des organischen Lebens bis zum Ur­ sprung der Galaxien und des Universums zurückverfolgte (Watts 1972): 131

Ich verfolge mich zurück durch das Labyrinth meines Gehirns, durch die unzähligen Windungen, womit ich mich abgeringt und, durch ständiges Kreisen, den ursprünglichen Pfad verwischt habe, auf dem ich diesen Wald betrat. Zurück durch die Tunnel - durch die abwegige Standes- und Überlebensstrategie des Erwachsenen-Lebens, durch die endlosen Gänge, an die wir uns in Träumen erinnern - all die Straßen, die wir jemals bereist haben, die Korridore der Schulen, die geschlän­ gelten Pfade zwischen den Tisch- und Stuhlbeinen, wo man als Kind herkrabbelte, der enge und blutige Ausgang vom Mutterleib, die auf­ wellende Fontäne durch die Röhre des Penis’, die zeitlosen Wanderun­ gen durch Leitungen und schwammige Höhlen. Hinunter und zurück durch immer enger werdende Kanäle zu dem Punkt, wo der Durchgang selber der Reisende ist - eine dünne Reihe aus Molekülen im Versuch, sich in die richtige Ordnung zu einer Einheit organischen Lebens zu bringen. Unablässig zurück und zurück durch endlose und drehende Tänze in den astronomisch proportionierten Räumen, die die ursprüng­ lichen Nukleonen der Welt umgeben, die Zentren der Zentren, so weit entfernt auf der Innenseite wie die Stemnebel jenseits unserer Galaxis auf der Außenseite. Hinunter und endlich hinaus - hinaus aus dem kosmischen Irrgarten, um darin den verwirrten Reisenden als mich selbst zu erkennen, die vergessene und doch bekannte Empfindung des Urimpulses aller Dinge, höchste Identität, innerstes Licht, letztes Zentrum, Selbst mehr ich als ich selbst. PSI-Phänomene, in denen die Grenzen der Zeit überschritten wer­ den Die Existenz der schon früher beschriebenen PSI-Phänomene (und anderer transpersonaler Erfahrungen), in denen die Grenzen des Raumes überschritten werden, weist eindeutig darauf hin, daß im Universum die Ereignisse in einer Weise verbunden sind, die sich über lineare Entfernungen hinwegsetzt. Die Gruppe von PSI-Phänomenen, auf die ich nun zu sprechen komme, läßt vermuten, daß es nicht nur nicht- oder translokale, sondern auch verwickelte nichtoder transtemporale Verbindungen gibt, die die lineare Zeit, wie wir sie aus unserem Alltagsleben her kennen, überschreiten. Die in diese Kategorie fallenden PSI-Phänomene können nicht mit einer Ener­ gie- und Informationsübertragung im konventionellen Sinn erklärt werden. 132

In außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen und gelegentlich auch im Alltagsleben kann man zukünftige Ereignisse vorausahnen und kurze Visionen von diesen Ereignissen haben, die der Wirklichkeit weitgehend entsprechen. In manchen Fällen können komplexe und detaillierte Szenen, die sich in der Zukunft abspielen, mit allen Sinnen erlebt werden. Besonders häufig sind lebhafte bildliche Vergegenwärtigungen von solchen Ereignissen mit den entspre­ chenden akustischen Eindrücken. Dazu gehören Laute, Worte und Sätze aus dem gewöhnlichen Leben, aber auch die dramatischen Geräusche in Verbindung mit einem Unfall (das Quietschen von Bremsen, das Krachen von Metall, das Heulen von Feuerwehr-, Rettungswagen- und Polizeiwagensirenen). Die objektive Bestäti­ gung dieser Phänomene muß aber besonders sorgfältig erfolgen. Wenn sie nicht zu dem Zeitpunkt ihres Auftretens festgehalten werden, besteht die große Gefahr der Vermengung von Daten. Zu den Hauptfehlerquellen zählen eine oberflächliche Analyse der tatsächlichen Ereignisse, Gedächtnisverzerrungen und dejä vu-Phänomene. Es gibt aber zweifellos echte Präkognitionen und Fälle von Hellsehen in die Zukunft. Das Hellsehen und Hellhören von Ereignissen, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben, kann allein, aber auch in Verbin­ dung mit transpersonalen Erfahrungen beobachtet werden, in denen die Grenzen der Zeit überschritten werden (Ahnen-, rassische, kollektive, karmische oder evolutionäre Erfahrungen). Ein besonde­ res Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Psychometrie, bei der durch das bloße Halten eines Gegenstands Erfahrungen ausgelöst werden, die sich speziell auf die Geschichte dieses Objekts bezie­ hen. An diesem Phänomen können Gedanken, Gefühle und ver­ schiedene Sinneserfahrungen - Visionen, Wahrnehmungen von Geräuschen und Gerüchen sowie Körperempfindungen - beteiligt sein. Ich selber konnte wiederholt in psychedelischen Sitzungen und in der holotropen Therapie objektiv bestätigte Fälle von Präkognition, Hellsehen von vergangenen und zukünftigen Ereignissen sowie Psychometrie beobachten. Auch wurde mir das besondere Glück zuteil, wiederholt objektiv überprüfbare Leistungen auf diesem Gebiet von so hervorragenden Medien wie Anne Armstrong und 133

Jack Schwartz miterlebt zu haben. Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhang sind kontrollierte Experimente über das Hellsehen in die Zukunft, die am Stanford Research Institute von Russell Targ, Harold Puthoff und Keith Harary durchgeführt wurden (Targ und Puthoff 1978, Targ und Harary 1984). Ihre Versuchsper­ sonen waren nicht nur berühmte Medien, sondern auch viele Men­ schen, die nicht wegen besonderer parapsychologischer Fähigkeiten bekannt waren. In ihren zwei erfolgreichen Experimenten aus neue­ rer Zeit arbeiteten Russell Targ und Keith Harary mit einer Person aus der Sowjetunion, die in der Lage war, einen zufällig ausgewähl­ ten Ort in den Vereinigten Staaten nicht nur zum gleichen, sondern sogar auch zu einem zukünftigen Zeitpunkt zu beschreiben. In manchen Fällen kann sich ein Mensch nach Belieben über die gewöhnlichen Beschränkungen durch die Zeit hinwegsetzen und die Zeit auswählen, in der er gern sein möchte. Diese Situation, die etwas an H. G. Wells Zeitmaschine oder an ähnliche Phantasiege­ bilde anderer Science Fiction-Autoren erinnert, läßt sich als »Zeit­ reisen« bezeichnen. Gewöhnlich ist damit auch die freie Wahl des Ortes, an dem die Ereignisse stattfinden, verbunden. Dieses Gefühl der freien Verfügbarkeit über Zeit (und Raum) unterscheidet solche Erfahrungen vom spontanen und unfreiwilligen Wiedererleben von Ereignissen in der Kindheit, während der Geburt, im Leben der Ahnen und aus der Geschichte der Rasse oder des Kollektivs. Gesteuerte Zeitreisen sind auch unter dem Einfluß von Hypnose möglich. Die hypnotisierte Person kann durch den Hypnotiseur entweder in eine bestimmte Zeit versetzt oder zu einem bestimmten Ereignis in der Vergangenheit zurückgeführt werden. Eine schöne künstlerische Darstellung spontaner und elementarer Zeitreisen fin­ det sich in Vonneguts Buch Schlachthof Fünf (Vonnegut 1984). Erfahrungen, die die Grenzen der Zeit überschreiten, stellen das Kartesianisch-Newtonsche Weltbild ernsthaft in Frage. Die Mög­ lichkeit des unmittelbaren Zugangs zu Informationen über verschie­ dene Aspekte der Vergangenheit ohne die Vermittlung des Zentral­ nervensystems verstößt gegen das grundlegende metaphysische Dogma der mechanistischen Wissenschaft vom Primat der Materie über das Bewußtsein. Sie weist darauf hin, daß es unter Umständen ein Gedächtnis ohne materielle Grundlage gibt. Die Möglichkeit, 134

Informationen über die Zukunft zu erhalten, untergräbt vollends den tief verwurzelten Glauben der westlichen Zivilisation an die Lineari­ tät der Zeit. Diese Beobachtungen aus der modernen Bewußt­ seinsforschung sind aber vereinbar mit einigen interessanten alterna­ tiven Modellvorstellungen von der Zeit und der Zukunft wie etwa mit der Chronotopologie von Charles Muses (1985) oder den proba­ bilistischen Konzepten von V. V. Nalimov (1982). Das folgende Beispiel für eine präkognitive Erfahrung stammt aus einer Sitzung mit 30 mg Psilocybin des berühmten amerikanischen Parapsychologen Stanley Krippner. Diese Sitzung fand im Rahmen des Harvard University Psilocybin-Forschungsprojekts statt. Kripp­ ner ahnte die Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy vor­ aus - mehr als anderthalb Jahre vor dem tatsächlichen Ereignis (Aaronson und Osmond 1970). Von Baltimore reiste ich in die Bundeshauptstadt. Ich fand mich wieder beim Betrachten einer Statue von Abraham Lincoln. Die Statue war vollkommen schwarz, der Kopf war geneigt. Am Fuß der Statue befand sich ein Gewehr und jemand flüsterte: »Er ist erschossen worden. Der Präsident ist erschossen worden.« Ein feiner Rauchgeruch stieg in die Luft. Lincolns Gesichtszüge wurden langsam verschwommen und an ihrer Stelle waren die von John F. Kennedy zu erkennen. All dies spielte sich immer noch in Washington ab. Das Gewehr befand sich immer noch am Fuße der Statue. Aus dem Gewehrlauf stieg eine kleine Rauchwolke empor. Die Stimme wiederholte: »Er ist erschossen worden. Der Präsident ist erschossen worden.« Meine Augen öffneten sich. Sie waren voller Tränen. 1962, als ich meine erste Psilocybin-Erfahrung hatte, schenkte ich dieser Vision von Kennedy wenig Beachtung, da so viele andere Eindrücke auf mich einstürmten. Da sie aber die einzige meiner Visio­ nen war, die mir Tränen in die Augen steigen ließ, gab ich eine vollständige Beschreibung von ihr in dem Bericht, den ich an die Harvard-Universität sandte. Neunzehn Monate später, am 23. Novem­ ber 1963, wurde diese Vision wieder vor meinen Augen lebendig, als ich über den Mord an Präsident Kennedy trauerte.

135

c. Physische Introversion und Verengung des Bewußtseins Organ-, Gewebe- und Zellbewußtsein In transpersonalen Erfahrungen, in denen die Grenzen des Raumes überschritten sind, geht das Bewußtsein offenbar über das hinaus, was traditionell als das Individuum bezeichnet wird, nämlich das Körper-Ich. In der im folgenden beschriebenen Gruppe von Erfah­ rungen bleibt das Bewußtsein im Körper, erfaßt aber anatomische Bereiche und Prozesse, die unter gewöhnlichen Bedingungen nicht bewußt gemacht werden können. Dem oder der Betreffenden er­ schließt sich nicht der psychische, sondern der physische Innen­ raum. Phänomene dieser Art sind also mit einer räumlichen Veren­ gung des Bewußtseins und gleichzeitig mit seiner funktionalen Erweiterung verknüpft. In einem holotropen Zustand erhält man Zugang zu verschiedenen Teilen des eigenen Körpers und wird Zeuge der dort ablaufenden Aktivitäten oder identifiziert sich sogar mit einzelnen Organen und Geweben. Man kann im wahrsten Sinne des Wortes zu seinem eigenen Herzen werden und die Tätigkeiten der Herzmuskulatur, das Öffnen und Schließen der Herzklappen, den biodynamischen Blut­ strom und die Aktion des Herzschrittmachers erleben. Wenn man sich mit der Leber identifiziert, kann man an sich das Drama der entgiftenden Aktivitäten oder die Produktion, Ansammlung und Ausscheidung von Gallenflüssigkeit erfahren. Auf entsprechende Weise läßt sich das Bewußtsein des eigenen Fortpflanzungsappa­ rats, verschiedener Teile des Magen-Darm-Trakts oder irgendeines anderen Organs und Gewebes annehmen. In solchen Zuständen scheint das Bewußtsein häufig bis auf die Ebene der Zellen und sogar der subzellularen Strukturen und Pro­ zesse zu wandern. Unter der Einwirkung von psychedelischen Substanzen oder in einer Sitzung mit holotropem Atmen identifiziert man sich häufig mit den roten oder weißen Blutkörperchen, den Zellen im gastrointestinalen Epithel oder in der Gebärmutter­ schleimhaut, den Spermien und den Eiern, oder den Neuronen im Gehirn. Ein anderes interessantes Phänomen ist die bewußte Erfor­ schung des Zellkerns und der Chromosomen, die verbunden ist mit Einblicken in den physikochemischen Code der Gene und dem 136

Gefühl, die DNS zu »entschlüsseln«. Erfahrungen dieser Art haben große Ähnlichkeit mit verschiedenen Szenen aus dem Film The Fantastic Voyage von Isaac Asimov. Dieses Phänomen ist auch für die Forscher von besonderem Inter­ esse, die die traditionelle medizinische Behandlung mit psychologi­ schen Heilmethoden zu kombinieren versuchen. Ein Pionier auf diesem Gebiet ist der Onkologe und Radiologe Carl Simonton (Simonton u. a. 1983). Im Rahmen unseres LSD-Therapieprogramms für Krebspatienten konnten wir wiederholt beobachten, daß Personen, die unter verschiedenen bösartigen Tumoren litten, diese in ihrer Gewebe- und Zellstruktur ihrem Bewußtsein zugänglich machen konnten. Oft unternahmen sie spontan den Versuch, diese Erfahrung für den Heilungsprozeß nutzbar zu machen, indem sie psychisch positive Energiefelder erzeugten, sich mit negativen Emotionen konfrontierten, die ihrem Empfinden nach mit dem Krankheitsprozeß zusammenhingen, die Abwehrmechanismen ih­ res Organismus mobilisierten, oder die Tumoren im Geiste angriffen. Dabei trat in einigen Fällen eine überraschende temporäre Remission auf, so daß diese Möglichkeit der Behandlung systema­ tisch weiter erforscht werden sollte (Grof und Halifax 1980). Viele Aspekte des Organ-, Gewebe- und Zellbewußtseins werden in dem folgenden Bericht über eine Sitzung mit 125 mg MDA (Methylendioxiamphetamin) deutlich. Diese psychedelische Substanz stellt in ihrer chemischen Zusammensetzung ein Bindeglied zwischen Meskalin und Amphetamin dar. Meine Aufmerksamkeit verlagerte sich vom Mund auf die Speiseröhre. Ich begann eine langsame Reise hinunter in meinen Magen-DarmTrakt, wobei ich alle Verdauungsprozesse auf einer zellulären und sogar biochemischen Ebene bewußt miterlebte. Ich wurde im wahrsten Sinne des Wortes zum Magenschleimhautepithel und nahm an der Nahrungs­ resorption sowie der unglaublichen Alchemie der Verdauung teil. Der deutliche Geruch und Geschmack des Mageninhalts füllte mein ganzes Bewußtsein. Am Anfang meldete sich noch mein menschliches Wertsy­ stem und ich empfand heftigen Ekel, doch nach und nach gelang es mir, mich davon zu befreien und auf der biologischen Ebene zu reagieren. Von da aus ging es weiter zum Zwölffingerdarm, Leerdarm und Krummdarm. Mit der allmählichen Verlagerung meines Bewußtseins 137

nach unten lernte ich all die Nuancen des »Buketts« aus den Darmsäf­ ten, den Enzymen und der Galle bzw. ihrem Gemisch kennen. Während ich zu allen Darmzotten, Membranen und Zellen wurde, staunte ich über dieses Wunder des Laboratoriums des Lebens. Obwohl ich mich in meinem Medizinstudium mit diesen Dingen unter den verschiedensten Gesichtspunkten befaßt hatte, hatte ich ihre Komplexität nie so recht begriffen. In den Endstadien dieser »phantastischen Reise« wurde ich mit den komplizierten Gefühlen und Einstellungen unserer Kultur gegenüber den Darmausscheidungen konfrontiert. Ich hatte nicht nur mit Ekel, sondern auch mit einer ungeheuren Menge an abgelehnten, verdrängten und unakzeptablen Gefühlen von Gier, Habsucht, Neid und Bosheit zu kämpfen. An einem bestimmten Punkt nahmen sie personifizierte Formen von grotesken und gnomenhaften mythologischen Figuren an. Ich begann, den Prozeß, den ich durchmachte, zu begreifen. Wichtig war offenbar, den gesamten Magen-Darm-Trakt mit all seinen Produk­ ten und Inhalten als Teil meiner selbst zu akzeptieren und mich mit ihm anzufreunden. Die Überwindung seiner Verdrängung und Leugnung schien für eine echte und bedingungslose Selbstannahme und persönli­ che Integration wesentlich zu sein. Ich wurde auch nicht das Gefühl los, daß diese eigentümliche Folge von Erfahrung in ihrem Wesen dem Heilungsprozeß entsprach.

2. Erweiterung des Erlebens über die Grenzen der »objektiven Realität« und der Raum-Zeit hinaus In einer großen Gruppe transpersonaler Erfahrungen scheint die Erweiterung des Bewußtseins über die phänomenale Welt und das im Alltagsleben wahrgenommene Raum-Zeit-Kontinuum hinauszu­ gehen. Hierzu gehören bestimmte astralpsychische Phänomene, etwa Erscheinungen von oder Verbindungen mit Verstorbenen, Erlebnisse in Verbindung mit Chakras, Auren und Meridianen sowie die Bewußtwerdung anderer feinstofflicher energetischer Manife­ stationen. Andere wichtige Erfahrungen dieser Kategorie betreffen spirituelle Führer in tierischer oder menschlicher Form und verschie­ dene übermenschliche Wesenheiten. Gelegentlich wird auch von 138

phantastischen Abenteuern berichtet, die sich offenbar in einem ändern Universum als dem unsrigen ereignen. In außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen kann die Welt der Urbilder des von C. G. Jung beschriebenen kollektiven Unbewußten (Jung 1975) zum Leben erwachen. Sie kann die Form verschiedener mythologischer und legendärer Wesen und Ereignisse, von Szenen aus Märchen, guter und böser Gottheiten aus verschiedenen Kultu­ ren oder transkultureller Archetypen und universeller Symbole an­ nehmen. In den letztmöglichen Erweiterungen des Bewußtseins kann man sich mit dem Schöpfer aller Dinge identifizieren und bis zu den Ursprüngen der kosmischen Kreativität Vordringen, oder man kann eins werden mit dem Geist des Universums, dem supra- und metakosmischen Nichts, dem Absoluten. Spiritistische und mediumistische Erfahrungen Erfahrungen, die zu dieser Kategorie zählen, stehen im Mittelpunkt des Interesses von Teilnehmern an spiritistischen Seancen, For­ schem, die sich mit dem Leben nach dem Tode befassen, und Verfassern von okkulten Schriften. Dazu gehören Begegnungen und telepathische Verbindungen mit verstorbenen Verwandten und Freunden, Kontakte mit körperlosen Wesenheiten im allgemeinen und astralpsychische Erlebnisse. In den einfachsten Formen dieser Erlebnisse sehen die Betreffenden Erscheinungen von Verstorbenen und erhalten von ihnen verschiedene Botschaften. Der Inhalt dieser Botschaften kann an sie persönlich gerichtet sein oder aber die Betreffenden übernehmen die Rolle des Überträgers solcher Bot­ schaften. Manchmal nimmt der oder die Betreffende nicht eine einzelne körperlose Wesenheit wahr, sondern ein ganzes Astralreich mit verschiedenen geisterhaften Gestalten. Erfahrungen dieser Art wur­ den schon unter der Einwirkung von Psychedelika, in Selbsterfahrungstherapien und in Nahtoderlebnissen beobachtet. Raymond Moodys Beschreibung des »Reichs der verwirrten Geister« (Moody 1977) kann hier als Beispiel angeführt werden. In einer komplexeren Form dieses Phänomens gerät der oder die Betreffende in einen Trancezustand und wird von einer fremden Wesenheit oder Energie­ form in Besitz genommen. Ereignisse dieser Art haben eine verblüf­ 139

fende Ähnlichkeit mit den mediumistischen Trancezuständen, die in spiritistischen Seancen Vorkommen. In einer solchen Trance ist der Gesichtsausdruck des Mediums vollkommen verwandelt, Körperhaltung und Gestik wirken bizarr und fremd, und die Stimme ist ebenfalls dramatisch verändert. Ich habe Menschen in diesem Zustand gesehen, die in einer ihnen unbekannten Sprache oder »in Zungen« redeten, automatisch schrie­ ben, obskure hieroglyphische Muster produzierten oder verschlun­ gene, unverständliche Zeichnungen zu Papier brachten. Diese Er­ scheinungen erinnern ebenfalls sehr an solche, die in der spiritisti­ schen und okkulten Literatur beschrieben werden. Die faszinierend­ sten Beispiele für diese Phänomene lassen sich in der spiritistischen Kirche auf den Philippinen und in Brasilien beobachten, die von den Lehren Allan Kardecs (Kardec 1975, 1981) inspiriert ist. Der mit der spiritistischen Kirche eng verbundene brasilianische Psychologe Luiz Antonio Gasparetto ist in leichter Trance dazu fähig, im Stil verschiedener Maler aus verschiedenen Ländern der Welt zu malen. Wir hatten ihn einmal als Gast zu einem unserer einmonatigen Seminare im Esalen-Institut eingeladen und wurden Zeuge, wie bemerkenswert schnell er arbeitete, während er als Medium für die toten Meister fungierte (bis zu 25 Gemälde pro Stunde). Er war in der Lage, in vollkommener Dunkelheit zu arbeiten oder bei rotem Licht, das eine Unterscheidung von Farben praktisch unmöglich macht. Außerdem vermochte er an zwei Ge­ mälden gleichzeitig zu arbeiten und malte gelegentlich mit seinen Füßen unter dem Tisch ohne visuelle Kontrolle. Eine Auswahl seiner mediumistischen Malereien findet sich in einer speziellen Monographie (Margalo Gaetani 1986). Das Phänomen von chir­ urgischen Operationen, bei denen der Operateur mit bloßen Händen unter die Haut dringt, steht ebenfalls in engem Zusammenhang mit den Lehren von Allan Kardec und der spiritistischen Kirche. Solche Operationen auf der Grundlage übernatürlicher Fähigkeiten werden in Brasilien und auf den Philippinen durchgeführt. Wenn Erfahrungen, in denen die Verbindung mit körperlosen We­ senheiten und Geistern toter Freunde oder Verwandter hergestellt wird, lediglich Visionen von diesen Personen und ein subjektives Gefühl der Kommunikation mit ihnen beinhalteten, wäre die Situa­ 140

tion relativ einfach. Dann könnte man diese Phänomene leicht als Produkte der Einbildung abtun, in denen Erinnerungen, die mensch­ liche Phantasie und Wunschdenken Zusammenwirken. Die Situation ist aber sehr viel komplexer. Ehe wir diese Phänomene als absurd verwerfen und meinen, sie wären das Interesse reputabler Forscher nicht wert, möchte ich einige Beobachtungen erwähnen, die ernst­ hafte Beachtung verdienen. Wie aus den folgenden zwei Beispielen hervorgeht, haben Erfahrun­ gen dieser Art manchmal bestimmte außergewöhnliche Aspekte, die sich nicht leicht erklären lassen. Ich selber habe schon mehrere Male beobachtet, wie geistige Begegnungen mit körperlosen Verwandten und Freunden zu ungewöhnlich und objektiv nachprüfbaren Infor­ mationen führten, zu denen die Betreffenden auf gewöhnlichem Wege unmöglich gelangen konnten. Auch stellen Personen, die Botschaften von »verstorbenen Fremden« erhalten, gelegentlich zu ihrer großen Überraschung fest, daß sie durch diese Erscheinungen zu einer tatsächlich existierenden Adresse und zu den richtigen Namen der Verwandten einer Person gelangt sind, die kurz zuvor gestorben ist. Das Weiterleben nach dem physischen Tod ist nicht unbedingt die einzige Erklärung für diese Ergebnisse, und es lassen sich durchaus andere Interpretationen denken als die, daß eine tatsächliche Kom­ munikation mit objektiv existierenden Astralreichen körperloser Wesen stattfindet. Eines aber ist sicher: keiner der alternativen Erklärungsansätze wird mit der traditionellen Kartesianisch-Newtonschen Denkweise vereinbar sein. Auf jeden Fall haben wir es hier mit faszinierenden Phänomenen zu tun, die erst einmal an sich gründlich erforscht werden sollten. Es ist sicherlich nicht das beste Beispiel für wissenschaftliches Vorgehen, wenn man die außergewöhnlichen Merkmale dieser Erfahrungen und die mit ihnen verbundenen theoretischen Heraus­ forderungen achtlos übergeht, nur weil sie nicht in das gegenwärtige Wissenschaftsparadigma passen. Wir müssen das Universum akzep­ tieren so wie es ist, nicht ihm das aufzwingen wollen, was es nach unserem Glauben oder unserem Intellekt sein soll. Unsere Theorien müssen sich mit den Tatsachen in ihrer Gesamtheit auseinanderset­ zen, nicht mit einer bequemen Auswahl, die sich in unser Weltbild 141

und unser Glaubenssystem einfügt. Solange die moderne westliche Wissenschaft nicht in der Lage ist, plausible Erklärungen für all die Beobachtungen zu geben, die man in Verbindung mit solchen Phänomenen wie spiritistischen Erfahrungen und Erinnerungen an frühere Inkarnationen machen kann, solange sind die Erklärungen für diese Phänomene, die sich in den mystischen und okkulten Schriften finden, dem gegenwärtigen Vorgehen der meisten westli­ chen Wissenschaftler, die die Tatsachen entweder nicht kennen oder sie ignorieren, eindeutig vorzuziehen. Das erste Beispiel zur Veranschaulichung stammt aus der psycholytischen Behandlung eines jungen homosexuellen Patienten mit De­ pressionen, dessen Krankheitsgeschichte ich unter dem Namen Richard in meinem Buch Topographie des Unbewußten: LSD im Dienst der tiefenpsychologischen Forschung (S. 79-81) kurz Umris­ sen habe. In einer seiner LSD-Sitzungen hatte Richard eine sehr ungewöhnliche Erfahrung, in der er mit einem seltsamen Astralreich konfrontiert wurde. Dieses Reich hatte eine unheimliche Ausstrahlung und war von körperlosen Wesen bevölkert, die sich äußerst intensiv darum bemüh­ ten, mit Richard in Kommunikation zu treten. Er konnte sie weder hören noch sehen, spürte aber ihre nahezu greifbare Gegenwart und erhielt von ihnen telepathische Botschaften. Ich schrieb eine dieser Botschaften, die sehr konkret war, nieder, um sie später objektiv überprüfen zu können. Es handelte sich um die Bitte an Richard, sich mit einem Ehepaar in der Stadt Kromenz in Mähren in Verbindung zu setzen und sie darüber zu informieren, daß es ihrem Sohn Ladislav gut ginge und daß man gut für ihn sorge. Die Botschaft enthielt den Namen des Ehepaars, die genaue Adresse und die Telefonnummer. Alle diese Daten waren mir und dem Patienten nicht bekannt gewesen. Diese Erfahrung war höchst rätsel­ haft. Sie nahm sich wie ein Fremdkörper in Richards sonstigem Erleben aus und hatte keinerlei Bezug zu seinen Problemen und der übrigen Behandlung. Nach einigem Zögern und mit gemischten Gefühlen beschloß ich, das zu tun, was mich zur Zielscheibe des Spotts meiner Kollegen hätte werden lassen, wenn sie es herausgefunden hätten. Ich ging zum Telefon, wählte die Nummer in Kromenz und fragte, ob ich mit Ladislav sprechen könnte. Zu meinem Erstaunen fing die Frau am 142

anderen Ende der Leitung zu weinen an. Als sie sich beruhigt hatte, sagte sie mit gebrochener Stimme: »Unser Sohn ist nicht mehr bei uns. Er starb vor drei Wochen.« Das zweite Beispiel betrifft einen engen Freund und früheren Kolle­ gen von mir, Walter N. Pahnke, der Mitglied unseres psychedeli­ schen Forschungsteams am Maryland Psychiatric Research Center in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland war. Er zeigte tiefes Interesse an der Parapsychologie, insbesondere an dem Problem des Bewußtseins nach dem Tod, und arbeitete mit vielen berühmten Medien, u.a. mit seiner Bekannten Eileen Garrett, der Präsidentin der American Parapsychological Association. Er war auch der Initiator des LSD-Programms für Patienten, die unter Krebs im Endstadium litten. Im Sommer 1971 fuhr Walter mit seiner Frau Eva und seinen Kindern in Urlaub zu einer Hütte in Maine, die unmittelbar am Meer gelegen war. Eines Tages schwamm er allein zum Tauchen aufs Meer hinaus und kehrte von da nicht mehr zurück. Trotz intensiver und wohlorganisierter Suche konnten weder sein Körper noch irgendein Teil seiner Taucher­ ausrüstung gefunden werden. Unter diesen Umständen fiel es Eva schwer, seinen Tod zu akzeptieren und zu verarbeiten. Ihre letzte Erinnerung an Walter war die, als er voller Energie und bei bester Gesundheit die Hütte verließ. Sie konnte einfach nicht glauben, daß er nicht mehr Teil ihres Lebens war, und war nicht in der Lage, sich dazu aufzuraffen, einen neuen Abschnitt in ihrem Leben zu beginnen. Da sie Psychologin war, konnte sie an einem LSD-Training für Angehö­ rige sozialer Berufe, das im Rahmen eines speziellen Programms an unserem Institut angeboten wurde, teilnehmen. Sie entschloß sich zu einer psychedelischen Erfahrung in der Hoffnung, mehr Erkenntnisse zu gewinnen, und bat mich, ihr dabei Beistand zu leisten. In der zweiten Hälfte der Sitzung hatte sie eine sehr lebhafte Vision von Walter und führte ein langes telepathisches Gespräch mit ihm. Er gab ihr spezielle Instruktionen in bezug auf jedes ihrer drei Kinder und forderte sie auf, ein neues eigenes Leben zu beginnen, das nicht durch die Erinnerung an ihn belastet und eingeschränkt war. Es war eine sehr tiefgehende und befreiende Erfahrung. Gerade als Eva anfing, sich zu fragen, ob die ganze Episode nicht lediglich eine Wunschphantasie war, erschien ihr Walter kurz noch einmal, und zwar mit der folgenden Bitte: »Ich habe noch etwas 143

vergessen. Würdest du mir einen Gefallen tun und ein Buch zurückge­ ben, das ich von einem Freund geliehen habe. Es ist in meinem Arbeitszimmer in der Mansarde.« Er nannte ihr noch den Namen des Freundes sowie den Titel des Buchs und beschrieb ihr, auf welchem Bücherbrett an welcher Stelle es zu finden war. Mit Hilfe seiner Anweisungen war Eva tatsächlich in der Lage, das Buch zu finden und es zurückzugeben. Sie hatte von der Existenz dieses Buchs vorher nichts gewußt. Es hätte nun sehr gut zu Walters lebenslanger Suche nach einem wissenschaftlichen Beweis für paranormale Phänomene gepaßt, wenn er in seiner Begegnung mit Eva ihr bewußt eine konkrete und objektiv überprüfbare Information gegeben hätte, um ihre Zweifel zu zerstreuen. Schon früher hatte Eileen Garrett mit ihm die Abmachung getroffen, daß sie versuchen würde, ihm nach ihrem Tod einen unerschütterlichen Beweis für die Existenz des Jenseits zu geben. Energetische Phänomene des feinstofflichen Körpers In außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen vermag man auch Energiefelder und -ströme zu sehen und zu erleben, die in den mystischen Traditionen der alten und nichtwestlichen Kulturen beschrieben werden. Diese Beschreibungen ergeben aus der Sicht des westlichen medizinischen Modells keinerlei Sinn, da sie keinen bekannten anatomischen Strukturen und physiologischen Prozessen entsprechen. Die esoterischen Traditionen haben aber nie behauptet, daß es sich hierbei um Phänomene im grobstofflichen Bereich handelt. Sie haben sie immer auf den feinstofflichen Körper bezo­ gen. So war es eine große Überraschung für mich, als ich beobach­ tete, daß Menschen westlicher Kulturen - auch solche, die mit den esoterischen Lehren überhaupt nicht vertraut waren - nach eigenen Angaben in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen Erfahrun­ gen machten, die mit diesen Lehren voll und ganz übereinstimm­ ten. Sehr häufig sieht man in einem holotropen Bewußtseinszustand verschiedenfarbige Energiefelder, die andere Personen umgeben und die den traditionellen Beschreibungen der Auren entsprechen. Gelegentlich sind damit spontane und sehr genaue Erkenntnisse über den Gesundheitszustand der betreffenden Personen verknüpft. Ich selber habe Phänomene dieser Art beobachtet, nicht nur bei Men144

sehen, die sich in einem außergewöhnlichen Bewußtseinszustand befanden, sondern auch bei Medien, die ihre Fähigkeit zur Wahr­ nehmung von Auren im Alltagsleben einsetzen können. Die außer­ gewöhnlichen Leistungen eines solchen Mediums, Jack Schwartz, der aus den Auren seiner Klienten ihre Krankheitsgeschichte heraus­ lesen und ihren augenblicklichen Gesundheitszustand diagnostizie­ ren kann, sind von angesehenen medizinischen Forschem wieder­ holt überprüft und bestätigt worden. Eine andere interessante Gruppe von Phänomenen bezieht sich auf die Schlangenkraft oder Kundalini-Energie, die in der spirituellen Tradition Indiens eine wichtige Rolle spielt. Nach den tantrischen Schulen des Hinduismus und Buddhismus gilt diese Energie als die ihrer Natur nach weibliche kreative Energie des Universums (Muktananda 1982, Mookerjee 1984). In ihrem äußeren Aspekt manife­ stiert sie sich in der phänomenalen Welt. In ihrem inneren Aspekt schlummert sie an der Basis des menschlichen Rückgrats. In dieser Form wird sie traditionsgemäß als eine zusammengerollte Schlange symbolisiert. Wenn sie durch spirituelle Übung, im Kontakt mit einem Guru oder spontan aktiviert wird, steigt sie als aktive Energie (Shakti) über die Leitungsbahnen des feinstofflichen Körpers (Nadis) empor. Dabei öffnet und erleuchtet sie die psychischen Zentren oder Chakras. Zwar findet sich die differenzierteste Vorstellung von einer solchen Energie in Indien, doch existieren bedeutsame Parallelen in vielen Kulturen und religiösen Gruppen - im taoistischen Yoga, im kore­ anischen Zen-Buddhismus, im tibetanischen Vajrayana, im Sufis­ mus , in der Freimaurertradition, bei den Buschmännern der afrikani­ schen Kalahari-Wüste, bei nordamerikanischen Indianerstämmen insbesondere den Hopi-Indianem - und bei vielen anderen. Von besonderem Interesse ist, daß über ähnliche Phänomene wiederholt in der mystischen Tradition des Christentums berichtet wurde, insbesondere im Hesychasmus. Diese im ostkirchlichen Mönchstum verbreitete Praxis und Lebensführung legt besonderen Wert auf eine Form des Betens, die den ganzen Menschen - Seele, Geist und Körper - einbezieht. Das Ziel dieses sogenannten »Jesusgebets« ist die Erlangung von göttlicher Ruhe oder Hesychia (Matus 1984). Die tantrischen Schulen haben ausführliche Landkarten von den 145

Chakras erstellt. Sie beschreiben detailliert die physischen, emotio­ nalen und spirituellen Manifestationen beim Emporsteigen der Schlangenkraft und bewahren komplexe Mythologien über diesen Prozeß. Obwohl die Kundalini-Aktivierung mit Gefahren und Tükken verbunden sein kann, geht man davon aus, daß dabei zumindest potentiell die psychosomatische Heilung gefördert, die Persönlich­ keit in positiver Weise umgestaltet und das Bewußtsein weiterent­ wickelt wird. Wegen der gewaltigen Kräfte, die die KundaliniAktivierung besitzt, setzt man sich mit ihr in den Schriften einge­ hend auseinander und empfiehlt Menschen, bei denen dieser Prozeß stattfindet, die Führung durch einen erfahrenen Lehrer. Das Aufsteigen der Kundalini-Shakti kann nach den Ausführungen in der indischen Literatur von dramatischen physischen und psychi­ schen Veränderungen begleitet sein, die Kriyas genannt werden. Am eindrucksvollsten sind u.a. starke Empfindungen, in denen man spürt, wie Hitze und Energie das Rückgrat emporströmen. Damit einher gehen Gefühle verschiedener Art, Zittern, Krämpfe, heftiges Schütteln sowie eigentümliche Verkrümmungen des Körpers. Sehr häufig sind auch unfreiwilliges Lachen oder Weinen, das Singen von Mantras oder Liedern, das Reden »in Zungen«, das Ausstößen seltsamer, auch tierischer Laute sowie das Einnehmen spontaner Yogahaltungen (asanas) oder die Ausführung von Yogagesten (mu­ dras). Die Beschreibungen der Kundalini-Energie waren im Westen schon seit langem bekannt, doch hielt man sie bis vor kurzem für etwas, was untrennbar mit dem Osten verbunden ist. Sogar C. G. Jung, der großes Interesse am Kundalini-Phänomen zeigte (Jung 1975b), dachte, es würde nur selten - wenn überhaupt - im Westen Vorkom­ men. Er und seine Kollegen vertraten die Ansicht, daß es tausend Jahre dauern könne, bevor die Kundalini-Energie in unserer Kultur durch den Einfluß der Tiefenpsychologie in Bewegung gesetzt würde. Die weitere Entwicklung zeigte aber, daß diese Einschät­ zung falsch war. Welchem Umstand auch immer es zuzuschreiben ist - ob der Entwicklungsakzeleration, der Popularität und raschen Verbreitung verschiedener Formen spiritueller Praxis, der gefährlichen globalen Krise oder der fördernden Wirkung psychedelischer Drogen -, es ist 146

offensichtlich, daß dieser Tage bei Tausenden von Menschen im Westen unverkennbare Anzeichen für das Erwachen der KundaliniEnergie zu beobachten sind. Gopi Krishna, der weltbekannte Pandit aus Kashmir, der selbst während seiner stürmischen spirituellen Eröffnung eine tiefe Krise erfahren hat, hat in vielen Aufsätzen und Büchern die Aufmerksamkeit westlicher Leser auf die enorme Bedeutung des Kundalini-Phänomens zu lenken versucht. Der Ver­ dienst dafür, professionelle Kreise auf diese Tatsache aufmerksam gemacht zu haben, gebührt dem kalifornischen Psychiater und Ophthalmologen Lee Sannella (1986). Ich selber habe wiederholt in psychedelischen Sitzungen und in verschiedenen außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen, die nicht durch Drogen herbeigeführt wurden, Erscheinungen beobachtet, die weitgehende Übereinstimmung zeigten mit Beschreibungen der Aktivierung der Kundalini-Energie, des Öffnens der Chakras* und des Fließens dieser Energie durch die Hauptbahnen Ida und Pingala sowie durch das verwickelte Netzwerk des Nadis, also durch die feinen und verzweigten Kanäle für die prana-Energie, wie sie in den tantrischen Schriften beschrieben und abgebildet sind. Man muß aber betonen, daß Erfahrungen dieser Art - kundaliniähnliche Phänomene, die man in der traditionellen indischen Litera­ tur als pranisch bezeichnen würde - vom echten Erwachen der Kundalini-Energie zu trennen sind. Letzteres ist ein verwickelter Prozeß mit tiefer Bedeutung und transformativer Kraft, der häufig erst nach Jahren abgeschlossen ist. Im Vergleich zu einzelnen pranischen Erfahrungen erfolgt ein solches Erwachen von Kunda­ lini-Energie, das auf psychedelische Erlebnisse oder eine Selbsterfahrungstherapie zurückzuführen ist, nur sehr selten. Es scheint vielmehr ein eigenständiges Phänomen zu sein. Die schriftlichen Darstellungen in der tantrischen Literatur darüber, * Chakras (das Sanskritwort für »Räder«) sind hypothetische Zentren der Ausstrah­ lung von Urenergie (präna), die grob bestimmten Ebenen des Rückgrats entsprechen und mit bestimmten Körperorganen verbunden sind. In den meisten Systemen wird zwischen sieben Chakras unterschieden: 1. Wurzelchakra (mulädhära), 2. Genitalchakra (svädhisthäna), 3. Nabelchakra (manipüra), 4. Herzchakra (anähata), 5. Kehlenchakra (visuddha), 6. Augenbrauenchakra (ajnä) und 7. Kronenchakra (sahasrära). Der Fluß der präna-Energie erfolgt durch einen Hauptleitungsweg (susumna) sowie durch zwei Seitenwege (Ida und Pingala).

147

welche Wege die Kundalini-Energie durch den feinstofflichen Kör­ per nimmt, scheinen nicht universelle und absolute Gültigkeit zu besitzen. In mehreren Fällen erlebten Personen, die mit ihrem Bewußtsein in die Welt chinesischer Archetypen gelangten, einen Energiefluß, der genau den in der chinesischen Medizin verwende­ ten Karten über die Meridiane entsprach, und erkannten unmittelbar die besondere Bedeutung der Akupunkturpunkte. Darauf folgten philosophische Erkenntnisse über das chinesische System der fünf Elemente (Holz, Feuer, Wasser, Erde und Metall), das sich von dem, was in der europäischen Tradition zu finden ist, deutlich unterscheidet. Ich habe auch Personen beobachtet, die aufgrund ihrer Erfahrungen zu einem tiefen Verständnis der besonderen Rolle des Unterbauchzentrums (hara) sowie der den japanischen Kriegs­ künsten zugrunde liegenden ki-Energie gelangten. In Sitzungen mit holotropem Atmen sind verschiedene energetische Phänomene des feinstofflichen Körpers extrem häufig. Die Energie­ felder und -ströme können sehr greifbar erlebt und bei geschlossenen Augen sogar visuell wahrgenommen werden. Die im folgenden wiedergegebene holotrope Erfahrung eines Teilnehmers an einem unserer fünftätigen Workshops entsprach weitgehend den Darstel­ lungen in den tantrischen Schriften. Als ich weiteratmete, spürte ich eine unglaublich heftige Aufwallung von Energie in meinem Becken. Von meinem Sakralbereich strahlten Licht und Hitze in alle Richtungen aus. Dann begann diese Energie durch mein Rückgrat nach oben zu strömen, und zwar auf einem klar vorgezeichneten Weg. Dabei erleuchtete sie weitere Energiequellen an den Stellen, an denen nach den esoterischen Karten die verschiedenen Chakras liegen. Während dies geschah, verspürte ich höchst wonnige orgiastische Gefühle. Eines der intensivsten Erlebnisse dieser Sitzung stellte sich ein, als diese Energie den Bereich um mein Herz erreichte. Ich empfand so tiefe Liebe zur Welt und zu anderen Menschen, daß ich am liebsten aufgestanden wäre und jeden in der Gruppe auf das Innigste umarmt hätte. Wie seltsam, daß ich mich Menschen so nahe fühlte, denen ich erst am Abend zuvor begegnet war und die ich nicht richtig kannte! Ich unterbrach aber die Erfahrung nicht. Die Energie strömte weiter nach oben. Als sie das obere Ende meines Kopfes erreicht hatte, explodierte sie in einer herrlichen Aureole mit einem rosa-orangefarbe­ 148

nen Schimmer, wie man sie auf den Bildern vom tausendblättrigen Lotos sieht. Ich hatte das Bedürfnis, meine Beine anzuziehen und um die Fußsohlen zu fassen, um einen geschlossenen Energiekreislauf zu schaffen. Mein Energiefeld reichte nun weit über die Grenzen meines physischen Körpers hinaus. Ich verstand plötzlich, warum in den esoterischen Karten der feinstoffliche Energiekörper so viel größer ist als der materielle Körper. Man kann es in einem solchen Zustand unmittelbar erfahren. Die Energie floß nach oben, strömte über das obere Ende meines Kopfes hinaus und kehrte dann wieder zu den unteren Teilen meines Körpers zurück, um sich dann wiederum dem Energiefluß nach oben anzuschlie­ ßen. Ich verharrte lange Zeit in diesem Zustand. Die Energie verlieh mir viel innere Kraft und emotionale Stärke. Begegnungen mit tierischen Geistern In dieser Art von Erfahrung empfinden die Betreffenden eine tiefe Verbundenheit mit verschiedenen Tieren - nicht mit ihren konkreten physischen Formen, sondern mit ihrem archetypischen Wesen. Dies kann gelegentlich durch eine tatsächliche Begegnung mit dem Vertreter einer bestimmten Spezies ausgelöst werden, der in einem außergewöhnlichen Bewußtseinszustand als Gottheit wahrgenom­ men wird. Von solchen Erlebnissen haben wiederholt Personen . berichtet, die Psychedelika in der Wildnis oder in der Gegenwart verschiedener Haustiere eingenommen haben. Häufiger aber stellen sie sich unabhängig von solchen Umweltbedingungen ein. In vielen Fällen werden in außergewöhnlichen Bewußtseinszustän­ den tierische Geister nicht nur als göttliche Wesen wahrgenommen, sondern auch als Lehrer und Freunde, die Helfer und spirituelle Führer sind. Damit einhergehen kann auch ein tiefes Verständnis der heiligen Funktion verschiedener Tiere in bestimmten Kulturen, etwa der Kuh in Indien, der Katze, des Krokodils und des Falken in Ägypten, oder des Geiers bei den Parsen. Erfahrungen dieser Art ermöglichen auch, daß man sich in die psychische Welt totemistischer Kulturen hineinversetzt und die Funktion der Totemtiere begreift. Besonders häufig aber sind Bezüge zum Schamanismus und das unmittelbare Verstehen der Rolle verschiedener Tiere als spirituelle Helfer des Schamanen. Gelegentlich kann der innere Prozeß eines Menschen des Westens 149

die Form annehmen, die man von Schamanenkulturen kennt. Dazu gehören intensive Tod- und Wiedergeburtserlebnisse, in denen man in die Unterwelt hinab- und zu jenseitigen Gefilden emporsteigt. Diese Erlebnisse sind von Anthropologen als »Schamanenkrank­ heit« bezeichnet worden. Ein anderes wesentliches Merkmal dieses Prozesses ist das starke Gefühle einer besonderen Verbundenheit mit der Natur. Auch treten zahlreiche Erlebnisse der Identifikation mit Tieren und der Begegnung mit geistigen Führern in tierischer Form auf. Der Schamanismus ist die älteste Religion der Menschheit, die seit Zehntausenden von Jahren besteht. Man findet ihn in verschie­ denen Formen in Sibirien und anderen Teilen Asiens, in Nord- und Südamerika, Australien, Ozeanien, Afrika und Europa (Eliade 1975, Hamer 1983, Campbell 1984). Schamanistische und totemistische Erfahrungen konfrontieren also den Betreffenden mit sehr tiefen und ursprünglichen Aspekten der Psyche. Bevor ich diesen Abschnitt beende, möchte ich gern die Begegnung mit tierischen Geistern mit anderen transpersonalen Phänomenen, in denen Tiere eine Rolle spielen, vergleichen. Sie alle haben be­ stimmte Merkmale, aufgrund derer erfahrene Personen sie vonein­ ander unterscheiden können. Im allgemeinen muß man trennen zwischen Erlebnissen der Identifikation mit verschiedenen Tieren, die Teil der phänomenalen Welt sind, symbolischen Repräsentatio­ nen des individuellen Unbewußten und archetypischen Bildern der Psyche. Menschen, die sich in einer Selbsterfahrungstherapie mit verschie­ denen biographischen Problemen auseinandersetzen, haben häufig Visionen von verschiedenen Tieren oder identifizieren sich sogar mit ihnen. Aus der Analyse dieser Phänomene geht klar hervor, daß sie komplexe, dynamisch strukturierte Produkte der Psyche sind, die Ähnlichkeit mit den Freudschen Traumbildern haben. Auf dieser Ebene enthalten autosymbolische Visionen oder Transformationen eine mehr oder weniger verborgene Botschaft über die Persönlich­ keit oder die Lebenssituation des oder der Betreffenden und können leicht als solche erkannt werden. Eine autosymbolische Identifika­ tion mit einem Raubtier - etwa mit einem Tiger, einem Löwen oder einem schwarzen Panther - kann als Ausdruck intensiver aggressi­ ver Neigungen interpretiert werden. Ein starker Sexualtrieb kann als 150

ein Hengst oder ein Bulle symbolisiert sein. Wenn er die anstößige Form reiner Lust und elementarer Begierde annimmt, kann er als Eber oder Sau dargestellt sein. Männliche Eitelkeit und sexueller Exhibitionismus kann durch die autosymbolische Identifikation mit einem laut krähenden Hahn auf einem Misthaufen lächerlich ge­ macht werden. Ein Schwein kann auch für Selbstvemachlässigung, Schlüpfrigkeit und moralische Mängel stehen, ein Affe für poly­ morph perverse Neigungen und das Streben nach genitaler und prägenitaler Lust, ein Maultier für Eigensinn und Halsstarrigkeit, und ein Esel für Dummheit. Im Vergleich zur autosymbolischen Transformation ist eine echte Identifikation mit einem Tier ein unzweifelhaftes transpersonales Phänomen, das sich nicht von anderen unbewußten Inhalten ableiten oder symbolisch interpretieren läßt. Die selben Personen, die zuvor noch bereitwillig an der Entschlüsselung symbolischer Erlebnisse, die einen Bezug zu Tieren besitzen, mitgearbeitet haben, würden sich nun weigern, echte Identifikationserlebnisse auf diese Weise anzugehen. Ich habe in diesem Zusammenhang wiederholt Äuße­ rungen gehört wie: »Nein, das verstehen Sie nicht. Hier gibt es nichts zu analysieren, ich war wirklich ein Elefant. Ich wußte, was ein Elefant empfindet, wenn er wütend oder sexuell erregt ist, oder wie es sich anfühlt, wenn Wasser in seinen Rüssel gelangt. Ein Elefant steht nicht für etwas anderes, ein Elefant ist ein Elefant.« Phylogenetische Erfahrungen haben die Merkmale einer echten Identifikation mit einem Tier, doch es kommt noch das Empfinden einer zeitlichen Regression auf dem Evolutionsstammbaum hinzu. Ein interessantes Phänomen, das den Übergang zwischen den auto­ symbolischen Transformationen und authentischen Identifikations­ erlebnissen darzustellen scheint, ist die Werwolf- oder Vampir­ erfahrung. Hier gibt es einen klaren Bezug zum transsylvanischen Volksglauben, zu den Berichten über Lykanthropie und zu deren malaysischen Parallele Tigeranthropie. Man kann auch, statt sich mit einem bestimmten Mitglied einer Spezies zu identifizieren, so etwas wie die »Tierseele« einer Spezies erfahren. Diese Tierseele scheint die Quintessenz aller Lernpro­ zesse, Instinktverhaltensweisen, Intraspezies-Kommunikationsmuster, Gewohnheiten usw. zu sein, die alle Mitglieder einer Spezies 151

im Laufe ihrer Entwicklung jemals an den Tag gelegt haben. Erfahrungen dieser Art stehen offenbar in einem engen Zusammen­ hang mit Rupert Sheldrakes Theorie von der morphischen Resonanz (Sheldrake 1983) und Gregory Batesons Auffassung von der Rolle des Geistes in der Natur (Bateson 1981, 1982). Daraus geht hervor, daß dieses Phänomen im Rahmen der Naturwissenschaften erörtert werden kann. Die tierischen Geister und spirituellen Führer in Tiergestalt, denen man in verschiedenen außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen begegnen kann, gehören zwar eindeutig bestimmten Spezies an bzw. sind ihnen übergeordnet, stammen aber aus der Welt der mythischen und archetypischen Formen. Ihre unmittelbare Verbin­ dung zur Natur unterscheidet sie aber von verschiedenen theriomorphen Gottheiten, die zwar die Gestalt eines Tieres haben, aber nicht eng mit der Natur verknüpft sind, und von Gottheiten, bei denen tierische und menschliche Elemente kombiniert sind. Der Elefanten­ gott Ganesha des Hindupantheon hat beispielsweise mit dem tat­ sächlich existierenden indischen Elefanten weit weniger gemein als etwa der Rehgott der mexikanischen Huicholindianer mit dem Waldreh. Die symbolische Bedeutung, die Ganesha als Gottheit zukommt, geht weit über seine Verbindungen mit der Elefantenspe­ zies hinaus. Dies wird sogar noch deutlicher, wenn in der Gottheit Tier und Mensch vereint sind, etwa beim ibisköpfigen Thoth und schakalköp­ figen Anubis des alten Ägypten, oder beim indischen Gott Narasimha, der Merkmale sowohl eines Menschen als auch eines Löwen besitzt. Diese Gottheiten haben noch nicht einmal die ganze physi­ sche Form des Tieres, mit dem sie verbunden sind. Eine eigene interessante Gruppe von Tieren erscheint in der Rolle von göttlichen Helfern und Begleitern. Hierzu gehören beispielsweise die Maus, auf der der Hindugott Ganesha reitet, Shiwas Bulle Nandi, der Löwe oder der Tiger, die der Göttin Durga dienen, der Pfau, der Brahmas Gattin Sarasvati und den tibetischen lamaistischen Gottheiten bei­ steht, die Hengste vor dem Sonnenstreitwagen des griechischen Gottes Helios, sowie die Widder der nordischen Göttin Frigga. Ein hervorragendes Beispiel für die Begegnung mit tierischen Gei­ stern findet sich in dem Bericht über einen visionären Zustand des 152

Schamanen der Jivaro, eines Kopfjägerstammes aus Ecuador. Die­ ser Zustand wurde durch die Einnahme von Ayahuasca herbeige­ führt (Hamer 1973). Er hatte von dem Trank genommen und begann nun leise zu singen. Nach und nach tauchten vor ihm in der Dunkelheit Umrisse von Linien und Formen auf und die kreischende Musik der Tsentsak, der geistigen Helfer, erhob sich um ihn. Die Kraft des Trankes war ihre Nahrung. Er rief sie, und sie kamen. Als erstes rollte sich Pangi, die Anakonda, um seinen Kopf und verwandelte sich in eine goldene Krone. Dann schwebte Wampang, der riesige Schmetterling, über seiner Schulter und sang zu ihm mit seinen Flügeln. Schlangen, Spinnen, Vögel und Fledermäuse tanzten über ihm in der Luft. Auf seinen Armen erschienen tausend Augen, als seine dämonischen Helfer auftauchten, um die Nacht nach Feinden abzusuchen. Das Geräusch von tosendem Wasser hallte in seinen Ohren, und während er ihm lauschte, wußte er, daß er die Macht von Tsungi besaß, dem ersten Schamanen. Er verfügte nun über die Gabe des Sehens.« Begegnungen mit geistigen Führern und übermenschlichen Wesen Begegnungen mit Führern, Lehrern und Beschützern aus der spiritu­ ellen Welt gehören zu den wertvollsten und beglückendsten trans­ personalen Erfahrungen. Die Betreffenden nehmen sie als über­ menschliche Wesen war, die auf höheren Bewußtseinsebenen und Energieniveaus existieren. Manchmal erscheinen sie ganz spontan in einem bestimmten Stadium der spirituellen Entwicklung, andere Male wiederum greifen sie plötzlich in einer schwierigen inneren Situation ein, in der man dringende Hilfe benötigte. In vielen Fällen erscheinen sie dem oder der Betreffenden auch weiterhin, entweder von sich aus oder auf Verlangen ihres Schützlings. Manchmal haben die spirituellen Führer menschliche Gestalt mit einer deutlichen numinosen Qualität. Andere Male wiederum erscheinen sie als strahlende Lichtquelle oder als starkes Energiefeld. Viele Personen sagen nach ihrer Begegnung mit solchen Wesen, daß sie eigentlich keinerlei Sinnes Wahrnehmung von ihnen hatten, sondern lediglich ihre Gegenwart spürten. Nur in Ausnahmefällen standen sie mit ihnen in verbaler Kommunikation. In den meisten Fällen werden Botschaften, Erklärungen und Anleitungen durch Telepathie oder mit anderen außersinnlichen Mitteln übertragen. 153

Spirituelle Führer können auf vielerlei Art helfen. Manchmal greifen sie in schwierigen und gefährlichen Erfahrungen auf Bitten des betreffenden Menschen ein. Andere Male begleiten sie ihn in innerlichen Situationen, die kritisch sind. Ein Beispiel dafür wäre Vergil, der Dante durch die Göttliche Komödie führte. Spirituelle Führer leisten intellektuellen, moralischen und geistigen Beistand, helfen beim Kampf gegen böse und zerstörerische Mächte, oder bilden einen Schutzschild aus positiver Energie. Gelegentlich kön­ nen sie auch einzelne Anleitungen und Anregungen im Hinblick auf spezielle Probleme oder auf die allgemeine Lebensführung geben. Manche spirituellen Führer bleiben anonym und unerkannt, andere stellen sich mit Namen vor oder können anhand einzelner Merkmale identifiziert werden. Der interessanteste Aspekt von Erfahrungen, in denen sich geistige Führer aus anderen Sphären zu erkennen geben, ist der, daß sie gelegentlich den Zugang zu Informationen vermitteln, über die der oder die Betreffende im konventionellen Sinn nicht verfügt hat. Ein gutes Beispiel ist die berühmte Parapsychologin Thelma Moss, die in einer ihrer psychedelischen Sitzungen Verbindung mit einem Wesen aufgenommen hat, das sich als »Benjamin Franklin« vor­ stellte. Sie selber zieht es vor, in ihm den Archetyp des alten Weisen zu sehen. Etwa ein Jahr nach dieser Sitzung war sie in der Lage, seine Gegenwart in einem meditativen Zustand zu erwirken, mit ihm Gespräche zu führen und ihn nach Informationen und Ratschlägen zu fragen. Einmal, als sie in ihren Forschungen über Bioenergien nicht weiterkam, gab ihr »Benjamin Franklin« die Anweisung, sich ein ganz bestimmtes Buch des Forschers Becker vorzunehmen, in dem sie dann die entscheidenden Informationen, die sie brauchte, fand. In diesem Zusammenhang sollte man nicht versäumen, ein Phäno­ men zu erwähnen, das in letzter Zeit zunehmend bekannt geworden und mit der modernen Bezeichnung Channeling belegt ist. Dabei geht es um den Prozeß, durch den eine Person durch automatisches Schreiben, Sprechen in Trance oder geistiges Diktat Botschaften von einer Quelle außerhalb ihres Bewußtseins überträgt. Die Quelle gibt sich selber häufig als ein Wesen aus einer nichtphysischen Realität zu erkennen. Es kann sowohl den Rang eines Gottes oder 154

eines Engels als auch den eines übermenschlichen fortgeschrittenen Wesens oder eines körperlosen Individuums haben. Historische Beispiele für spirituelle Lehren, die auf diese Weise entstanden, wären der Koran (Mohammed) und das Buch der Mormonen (Smith). Ein Wesen, das sich der Tibeter nannte, wurde von Alice Bailey als der wahre Autor einer umfangreichen Folge ihrer spirituellen Schriften angeführt. Roberto Assagioli hat das­ selbe Wesen als Quelle seines psychologischen Systems der Psychosynthese genannt. Zu den am weitesten verbreiteten modernen Texten zählen Gespräche mit Seth (Roberts), Messages from Mi­ chael (Yarbro), Course in Miracles (Schucman), New Age: Die Geburt eines neuen Zeitalters (Spangier), Starseed Transmissions (Rafael), Urantia Book (Anonym), Emanuels Book (Rodegast) und Ramtha (Knight). Das Phänomen des Channeling und seine speziel­ len Manifestationen in der Religion, der Philosophie, den Künsten und den Wissenschaften wird den Gegenstand eines demnächst erscheinenden umfassenden Buches von Arthur Hastings bilden. Gelegentlich haben Menschen in außergewöhnlichen Bewußt­ seinszuständen eine unmittelbare Begegnung mit großen Religionsstiftem wie Jesus Christus, Buddha, Mohammed, Zoroaster, Sri Ramana Maharshi oder Moses. Solche Begegnungen treten aber in der Regel nur ein einziges Mal auf. Im allgemeinen haben Persön­ lichkeiten dieses Ranges nicht die Rolle eines spirituellen Führers für einen einzelnen Menschen, es sei denn in einem metaphorischen Sinn. Besuche anderer Universen und Begegnungen mit ihren Bewohnern In solchen Erlebnissen wird man in wilde Abenteuer in seltsamen fremden Welten verwickelt, die ihre eigene Realität besitzen, sich aber nicht innerhalb unseres Kosmos befinden. Diese Universen scheinen auf anderen Realitätsebenen oder in anderen Dimensionen zu existieren. Die Wesen, die sie bewohnen, besitzen bizarre Kör­ per, haben physiologische und metabolische Prozesse, die sich vollkommen von den unsrigen unterscheiden, und leben nach ir­ gendwelchen unverständlichen Gesetzen. Viele von ihnen sind offenkundig intelligente Kreaturen, aber ihr Denken und Fühlen hat nichts mit dem Denken und Fühlen des Menschen gemein. 155

Die fremden Universen können sehr viel kleiner oder unendlich viel größer als unser Universum sein, und ihre Bewohner können sich zu Besuchern aus anderen Dimensionen freundlich, neutral oder feind­ selig verhalten. Erlebnisse in fremden Universen werden in der Regel als gefährlich empfunden. Dies liegt manchmal an der unver­ hohlenen Feindseligkeit ihrer Bewohner, manchmal aber auch an der Unsicherheit bei der Begegnung mit dem Unbekannten. In einigen Fällen scheint die Gefahr daher zu rühren, daß der Besucher oder die Besucherin in der fremden Welt absolut unbedeutend erscheint und so aus Nachlässigkeit oder durch einen unglücklichen Zufall vernichtet werden kann. Menschen, die solche außergewöhn­ lichen kosmischen Erfahrungen gemacht haben, vergleichen sie oft mit den erfindungsreichsten Science Fiction-Geschichten, die je­ mals geschrieben wurden. Ich sollte in diesem Zusammenhang auch die Erlebnisse mit fremden Flugkörpern, Raumschiffen und fliegenden Untertassen erwähnen. Nach der Beschreibung von Personen, die solche Objekte gesehen haben, ihren Insassen begegneten, ihr Inneres betraten oder mitflie­ gen durften, haben Erlebnisse dieser Art etwas Seltsames an sich, das sie in die Grauzone zwischen physischer Realität und archetypi­ scher Welt verlegt. In einigen Fällen neigten die Betreffenden mehr dazu, sie als tatsächliche außerirdische Flugkörper von einem ande­ ren Teil des Universums zu betrachten, in anderen Fällen, sie als Besucher aus einer anderen Dimension zu sehen, und in wiederum anderen, sie als intrapsychische Phänomene zu werten. Ich werde auf dieses Thema in Verbindung mit der Besprechung transpersona­ ler Erfahrungen psychoider Natur zurückkommen (S. 190f). Berichte über solche Erfahrungen enthalten oft Beschreibungen über körperliche Untersuchungen und Operationen mit Hilfe verschiede­ ner mysteriöser Vorrichtungen, über geistige Kommunikation mit den Fremden und ihren intelligenten Maschinen, über Unterrichts­ stunden im Denken in höheren Dimensionen usw. Die systematische Analyse des Inhalts von Erlebnissen der Entführung durch Insassen eines UFOs, die von Alvin Lawson durchgeführt wurde (Lawson 1984), offenbart eine überraschende Fülle von perinatalen Elemen­ ten und Motiven. Dies ist selbstverständlich kein Beweis dafür, daß diese Phänomene lediglich Phantasien auf der Grundlage von 156

Erinnerungen an das Geburtstrauma sind, doch verdient dieser Umstand weitere Beachtung. Besonders gute Beispiele für Kontakte mit außerirdischen Lebewe­ sen und Besuche fremder Universen finden sich in den Büchern des berühmten Forschers John Lilly (1976, 1984), der konsequent Selbsterforschung mit Hilfe von Psychedelika betreibt. In Lillys außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen scheinen solche Erfah­ rungen besonders vielgestaltig zu sein und ungewöhnlich häufig vorzukommen. Das folgende Beispiel ist die Erfahrung eines 35 Jahre alten Schrift­ stellers, der im Rahmen eines Gruppenversuchs zwei Amphetamin­ derivate zur Intensivierung des Einfühlungsvermögens einnahm, und zwar zunächst 150 mg MDMA (Adam oder Ekstase) und vier Stunden später 20 mg 2 CB (Adamson 1986). Nachdem ich mich etwa anderhalb Stunden auf dem Trip befunden hatte, konnte ich meine Visionen sowohl mit geschlossenen als auch mit geöffneten Augen sehen. Ich befand mich auf der Reise zu anderen Planeten und zu anderen Dimensionen. In jedem Reich wurde gerade eine religiöse Zeremonie abgehalten. Auf einem Planeten lebten riesige heuschreckenartige Wesen, die weise waren, tiefernste Würde aus­ strahlten und mich mit ihrem Ritual empfingen. Auf einem anderen Planeten gab es grüne, blaue, gold- und purpurfarbene Wesen, die wie kleine kristallhelle Insekten aussahen. Sie veränderten ständig ihre Form, so als ob man sie durch ein Kaleidoskop betrachten würde, und ließen mich schnell auf lautlose Weise verstehen, daß sie mir helfen wollten. Schließlich tauchte eine Dimension auf, in der nur kristallene Lebens­ formen existierten. Es handelte sich um unglaublich schöne Energiewe­ sen, die teils mikroskopisch klein, teils megaskopisch groß waren. Erfahrungen, in denen man an Handlungsabläufen aus Mythos und Märchen teilnimmt In diesen transpersonalen Erfahrungen erwacht die Welt der My­ then, Legenden und Märchen im wahrsten Sinne des Wortes zum Leben. Der oder die Betreffende wird Zeuge von zahlreichen Szenen aus der Mythologie und den Volkssagen der verschiedensten Kultu­ ren der Welt und dringt in mythische Bereiche vor. Unter Umstän­ den identifiziert er oder sie sich mit legendären und mythischen 157

Helden oder Heldinnen und mit phantastischen mythologischen Geschöpfen. Man erfährt die Leiden des Herkules oder erlebt die Abenteuer von Theseus und Jason. Man wird zum legendären polynesischen Helden Maui oder geht durch die Prüfungen, die die göttlichen Zwillinge im Popul Vuh der Mayas zu bestehen haben. Zu den archetypischen Geschöpfen, mit denen sich Personen in psyche­ delischen Sitzungen oder während des holotropen Atmens identifi­ ziert haben, zählen Uroboros, Typhon, Centaurus, Cerberus, Sphinx, verschiedene europäische, asiatische und präkolumbiani­ sche Drachen, Schneewittchen, Dornröschen, legendäre Ritter, Meerjungfrauen, Feen, Elfen, Gnome, skandinavische Trolle und andere. Solche Erfahrungen können sich völlig spontan einstellen oder einen sinnvollen Bezug zu den persönlichen Problemen des oder der Betreffenden haben. Zu den Motiven, die häufig an solche biogra­ phischen Elemente anknüpfen, gehören die böse Stiefmutter und die geschlagene Stieftochter (Aschenbrödel), der gute und der böse Bruder (Kain und Abel), die Liebe zur Mutter und der Haß gegen den Vater (Ödipus), die Liebe zum Vater und der Haß gegen die Mutter (Elektra), die einander liebenden Zwillinge, die von den Erwachse­ nen in Gefahr gebracht werden (Hänsel und Gretel), der Konflikt zwischen Liebe und Macht (Alberich), sowie die große Liebe unter gefährlichen Umständen (Tristan und Isolde). All diese Motive können in spezifischer kulturgebundener oder in mehr abstrakter, archetypischer Form auftreten. Ich habe bereits früher auf einige besondere Verbindungen zwischen bestimmten mythologischen Themen und den perinatalen Grundma­ trizen hingewiesen. Die erste perinatale Grundmatrix ist mit den von Kultur zu Kultur unterschiedlichen Visionen vom Himmel oder vom Paradies verknüpft, die zweite Matrix mit solchen Visionen von der Hölle. Die dritte perinatale Matrix hat Bezug zu Fegefeuererfahrun­ gen. Außerdem kommen im Rahmen der zweiten Matrix häufig das Motiv von der ewigen Verdammnis sowie die Figuren der tragischen Helden vor, die Leiden ohne Erlösung über sich ergehen lassen müssen - Prometheus, Tantalus, Sisyphus, Ixion, der wandeme Jude Ahasver, der Fliegende Holländer und andere. Mythologische Elemente, die für die dritte und vierte Matrix charakteristisch sind, 158

wären die Leiden, Prüfungen und Kämpfe von Helden, die am Ende als Sieger hervorgehen, etwa Ungeheuer töten, über das Böse triumphieren, den Tod überwinden, zu Freiheit und Erlösung gelan­ gen oder eine heilige Ehe eingehen. Im Prinzip scheint jeder Mensch Zugang zu mythologischen The­ men aller Zeiten und aller Kulturen zu haben. In vielen Fällen haben nicht einschlägig vorgebildete Personen komplizierte Geschehnisse und sogar bildliche Szenen aus den Mythen Zentral- und Südameri­ kas, Polynesiens, Mesopotamiens, Indiens, Ägyptens, Japans und anderer Länder, die sie definitiv nicht kannten, in allen Einzelheiten beschrieben. Diese Beobachtungen sprechen eindeutig für C.G. Jungs Theorie vom kollektiven Unbewußten, die darauf ba­ siert, daß in Träumen - sogar in Träumen von Kindern und ungebil­ deten Personen - sowie in den manifesten Symptomen neurotischer und psychotischer Patienten häufig ungewöhnliche und unbekannte mythologische Motive auftauchen (Jung 1976). Um diese Kategorie von transpersonalen Erfahrungen zu veran­ schaulichen, möchte ich die Beschreibung einer Sitzung mit holotropem Atmen wiedergeben, die im Rahmen eines unserer fünftägigen Selbsterfahrungsseminare abgehalten wurde. Die Teilnehmerin, um die es hier ging, war eine Frau japanischer Herkunft. Zu Beginn der Sitzung empfand ich tiefe Trauer, die mich so überwäl­ tigte, daß ich nicht weinen konnte. Ich dachte darüber nach, woher diese Trauer rühren könnte. Dann erinnerte ich mich an eine formlose Dunkelheit, die mir mein Baby aus den Händen genommen hatte. Gegen diese Dunkelheit hatte ich mich machtlos gefühlt. Als ich mich an die Ursache für meine Trauer erinnerte, spürte ich heftige Wut in mir hochsteigen. Ich fühlte mich mächtig und stark, und die Wut nahm die Gestalt von Flammen an, die meinem Körper entsprangen. Ich kämpfte gegen die Dunkelheit und holte mir mein Baby wieder, doch es war tot. Trauer ergriff mich, als ich Zusehen mußte, wie der Körper meines eigenen Kindes durch meine flammen­ den Hände verbrannt wurde. Er zerfiel zu Asche, die sich über den Boden verteilte. Ich wurde zu einer sehr ruhigen, einer Göttin gleichenden Figur, die um den Ort herumwandelte, an dem die Asche zu Boden gefallen war. Meine Tränen bildeten die Nahrung für Keime, die dort hervorsprossen, wo die Asche lag. Eine Pflanze wuchs heran und eine Blume erblühte. 159

In der Mitte der Blüte erschien ein leuchtender Kreis, der sich in ein kostbares Baby verwandelte. Zu dem Zeitpunkt spürte ich, daß sich der Kreislauf geschlossen hatte. Ich war mir dessen bewußt, daß er sich ständig wiederholen würde und fühlte, daß ich meine Arbeit getan hatte. Dann spürte ich meinen Körper und hatte drei weitere Erfahrungen, an deren Reihenfolge ich mich nicht mehr genau erinnere. 1. Meine linke Körperseite verwandelte sich in Berge und ich spürte den geologischen Kreislauf der Gebirgsbildung und Gebirgserosion. 2. Meine rechte Körperseite verwandelte sich in einen Wald. 3. Zwischen meinen Beinen fühlte ich den Ozean mit den Gezeiten wellen. Ich spürte, daß der Kreislauf, den ich empfunden hatte, endlos war. Wenn ich in ihm gefangen war, würde er ewig fortdauem. Ich fand aber einen direkten Weg von jedem dieser Stadien zur Mitte, einen Weg, auf dem ich den Kreislauf durchbrechen konnte. Begegnungen mit einzelnen guten und bösen Gottheiten Diese Kategorie von Erfahrungen hängt mit der vorhergehenden Kategorie zusammen und könnte als eine spezielle Untergruppe von ihr aufgefaßt werden. Die zugehörigen mythologischen Bilder sind mit einer besonderen Gewalt und Numinosität ausgestattet, die ihnen den Rang von göttlichen Visionen verleihen. Sie sind auch sehr konkret und die Gottheiten lassen sich eindeutig den Pantheons verschiedener Kulturen zuordnen. In manchen Fällen sind die Perso­ nen mit den Gottheiten, denen sie begegnen, vertraut, wissen ihren Namen und kennen den Kulturbereich, zu dem sie gehören. Oft aber vermitteln solche Erfahrungen neue Informationen, die über das bisherige Wissen desjenigen, der sie erfährt, weit hinausgehen. In anderen Fällen sind die Gottheiten den Betreffenden völlig unbe­ kannt, sie können sie aber zeichnen, ihre Funktionen detailliert beschreiben und die kulturelle Zugehörigkeit grob bestimmen. Diese Informationen ermöglichen dann, den entsprechenden Quel­ len nachzugehen und so zu überprüfen, ob sie tatsächlich zutreffen. Es gibt aber auch Situationen, in denen die Identität der Gottheiten, denen man begegnet, trotz gemeinsamer Nachforschungen von Klient und Therapeut im Dunkeln oder unbestimmt bleibt. Die meisten Gottheiten, die man in außergewöhnlichen Bewußt­ seinszuständen unmittelbar erfahren kann, fallen in zwei klar von160

Abb. 4: Die archetypische Figur der Erdmutter-Göttin.

einander getrennte Gruppen: in die wohlwollenden und mildtätigen Gottheiten, die mit der Kraft des Lichts und des Guten in Verbin­ dung stehen, und in die schrecklichen und unheilvollen Gottheiten, die die Mächte der Finsternis und des Bösen repräsentieren. Diese Unterscheidung ist keineswegs absolut. Es gibt Gottheiten, die eine Zwischenstellung einzunehmen scheinen, und andere, die sowohl Erhebendes als auch Grauenerregendes vereinen. Ein typisches Beispiel dafür wären die Dhyani-Buddhas des Tibetanischen Toten­ buchs (Bardo Thötröl oder Tödöl), die dem sterbenden Menschen zunächst in ihrer strahlenden Form und später in ihren dämonischen Aspekten erscheinen. Viele Personen, die den spirituellen Weg eingeschlagen haben, begegnen archetypischen Gottheiten zunächst im Rahmen von Todund Wiedergeburtserlebnissen. Die schrecklichen Gottheiten wie Satan, Luzifer, Hades, Ahriman, Huitzilopochtli, Kali, Lilith, Rangda, Coatlicue oder Moloch tauchen charakteristischerweise in 161

Verbindung mit der zweiten perinatalen Grundmatrix oder mit dem Ich-Tod auf. Gottheiten, die Tod und Wiedergeburt symbolisieren (Osiris, Pluto und Persephone, Attis, Adonis, Quetzalcoatl, Diony­ sos, Wotan, Balder, Christus), sind typisch für die dritte Matrix und den Übergang zur vierten Matrix. Die erhebenden Gottheiten Jungfrau Maria, Aphrodite, Apollo, Isis, Ahura Mazda, Lakshmi oder Kwan Yin (Kanon) - erscheinen in der Regel in ekstatischen Episoden, die zur vierten oder zur ersten perinatalen Matrix gehö­ ren. Archetypische Bilder von bestimmten Gottheiten können auch au­ ßerhalb von Tod- und Wiedergeburtserlebnissen auftauchen, näm­ lich im Rahmen psychedelischer oder holotroper Erfahrungen, die reinen transpersonalen Charakter haben. Dies geschieht in der Regel in der Form von gewaltigen Visionen, die man als Zeuge miterlebt. Die andere häufige Alternative ist aber die vollständige Identifika­ tion mit diesen Gottheiten. Verschiedentlich erscheinen sie auch nicht einzeln, sondern im Rahmen kosmischer Dramen. Dazu zäh­ len u. a. die Schlacht zwischen den Mächten des Ahriman und des Ahura Mazda, wie sie im zoroastrischen Pantheon beschrieben wird, der Krieg zwischen den Göttern des Olymp und den Titanen, der Fall von Luzifer und den ihm ergebenen Engeln, das Aufwühlen des Ozeans durch die Hindugötter und -dämonen, um an den Nektar Amrita zu gelangen, oder die Götterdämmerung in der nordischen Mythologie (Ragnarök). Wenn man verschiedenen erhebenden oder schrecklichen Gottheiten begegnet, treten gewöhnlich sehr heftige emotionale Reaktionen auf, die von ekstatischen Ausbrüchen und höchster Wonne zu metaphysischem Entsetzen, abgrundtiefem Leid und dem Gefühl, wahnsinnig zu sein, reichen können. So gewaltig diese Visionen aber auch sein mögen, man hat nicht das Empfinden, mit dem Höchsten aller Wesen oder der letzten Kraft im Universum konfron­ tiert zu werden. Dieses Empfinden bleibt Erfahrungen höherer Ordnung Vorbehalten, die ich später beschreiben werde. Das Beispiel, das ich zur Veranschaulichung dieser Erfahrungskate­ gorie ausgewählt habe, stammt aus einer psychedelischen Sitzung mit hoher LSD-Dosis. In ihm wird eine Begegnung sowie die Identifikation mit Christ und Antichrist beschrieben. 162

Der schwierigste Teil der Erfahrung war die Identifikation mit dem Teufel, mit dem satanischen Prinzip im Universum. Irgendwo vor mir ließ sich eine äußerst niederträchtige und abscheuliche Kreatur nieder und überschaute den ganzen Bereich. Ich mußte zu dieser Kreatur werden, mich mit diesem höchst verabscheuungswürdigen Wesen iden­ tifizieren. Ich wurde zu Hitler, einem General des Todes. Ich empfand reinen Haß, wollte nichts anderes als töten, Schmerz bereiten und den Menschen Leid bringen. Es war sehr schmerzlich, aber ich mußte es tun. Ich konnte es einfach nicht glauben, daß so viel Haß in mir steckte. Der Haß erschien mir als etwas Greifbares - als eine schwarze böse Substanz oder eine dunkle, dichte Energie. Ich spürte die Gegenwart einer dämonischen Existenz unmittelbar neben Christus. Es war der Antichrist! Auch er war Teil der kosmischen Reise. Alle Hitler der Welt, alle despotischen Herrscher und Tyrannen waren Manifestationen oder Personifizierungen dieses bösen Prinzips. Mir fiel es schwer zu begreifen, wie dicht Christus und der Antichrist beieinander waren. Es war sehr verwirrend. Wie konnte man wissen, wer der eine war und wer der andere?! Mir wurde klar, wie schwierig es auf Erden sein würde, den richtigen spirituellen Lehrer zu finden, dem man folgen konnte. Wie konnte man wissen, ob ein bestimmter spiritu­ eller Führer aus Christus oder dem Antichristen hervorging? Spirituelle Güte und Bösartigkeit waren einfach nur die beiden Seiten ein- und derselben Münze. In gewisser Hinsicht erklärte diese paradoxe, enge Verknüpfung von zwei entgegengesetzten kosmischen Energien schein­ bar verwirrende Phänomene der Menschheit, etwa den Aufstieg der Nazis in Deutschland oder die problematischen Entwicklungen in bestimmten religiösen Kulten. (Diese Begegnung mit dem archetypischen Bösen setzte sich in der nächsten LSD-Sitzung derselben Versuchsperson fort:) Zu einem ande­ ren Zeitpunkt hatte ich ein kurzes, aber äußerst intensives Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Ich spürte die Gegenwart von Luzifer und konnte ihn dann deutlich sehen. Er war eine riesige dunkle Kreatur, halb Mensch und halb Tier, mit einem behaarten Körper, großen Klauen und Drachenflügeln. Er kam gerade aus einer dunklen Höhle und flog dann durch den pechschwarzen Himmel mitten in der Nacht wie eine giganti­ sche Fledermaus. Als ich ihn aus größerer Entfernung betrachtete, stellte ich zu meinem Erstaunen fest, daß aus seinem Kopf Flammen schlugen. Der Teufel, Luzifer selbst, wurde durch das Licht in Licht umgewandelt. Ich verstand nun, wieso Luzifer im wörtlichen Sinn »Lichtträger« heißt. Er wurde vor meinen Augen von den Flammen des 163

läuternden Feuers verzehrt. Ich wußte, daß ich nie wieder Angst vor dem Bösen oder vor dem Teufel haben würde. Begegnungen mit universellen Archetypen Der Ausdruck »Archetyp« wurde von C. G. Jung in die Psychologie eingeführt. Er verwendete diese Bezeichnung abwechselnd mit den Begriffen »Urbild« und »Hauptmerkmal des kollektiven Unbewuß­ ten«. Im weitesten Sinn kann man unter einem Archetypen jedes statische Muster und Gebilde sowie jedes dynamische Geschehen in der Psyche bezeichnen, das transindividuell ist und universelle Eigenschaften hat (Jung 1976). Eine solche Definition ist extrem allgemein gehalten und würde sich auf viele in diesem Abschnitt beschriebene transpersonale Phänomene anwenden lassen. In den Werken Jungs und seiner Schüler kann man hierarchische Darstel­ lungen verschiedener Ordnungen von Archetypen finden (siehe Abb. 5). Ich möchte mir die Freiheit nehmen, im folgenden nur dann von einem Archetypus zu sprechen, wenn er echte universelle Muster und nicht ihre spezifischen kulturellen Manifestationen, Variationen und Modulationen repräsentiert. Einige solcher universellen Archetypen stehen für verallgemeinerte biologische, psychologische, soziale und berufliche Rollen. Biolo­ gisch definierte Archetypen wären beispielsweise die Frau, der Mann, die Mutter, der Vater, das Kind, der Jude und der Angehörige der schwarzen oder gelben Rasse. Zusätzliche psychische Merkmale würden dann Archetypen hervorbringen wie die gute oder schreckli­ che Mutter, den tyrannischen Vater, die Geliebte bzw. den Gelieb­ ten, den Märtyrer, den Flüchtling, den Ausgestoßenen, den Geiz­ hals, den Despoten, den Gauner, den weisen alten Mann oder die weise alte Frau, den Asketen, den Einsiedler und viele andere. Manche dieser Archetypen erreichen mythologische Dimensionen und haben eine besondere numinose Ausstrahlung. Dies trifft zu für die Bilder der großen und schrecklichen Muttergöttin, des großen Hermaphroditen oder des kosmischen Menschen. Beispiele für Archetypen, die bestimmte berufliche und soziale Rollen repräsentieren, wären der Wissenschaftler, der Heiler, der erleuchtete Herrscher, der Diktator, der Arbeiter, der Revolutionär oder der Kapitalist. Diese Erfahrungen stehen in enger Beziehung 164

/I

Abb. 5: Diagramm, an dem Marie-Louise von Franz die hierarchische Struktur des Unbewußten veranschaulicht: Die äußersten kleinen Kreise (A) stellen das Ich-Bewußtsein dar. Die tieferen Schichten (B) sind die, von Freud entdeckten, Bereiche des persönlichen Unbewußten. Darunter liegt das Gruppen-Unbewußte der Familien, Gruppen, Clans und Stämme (C) und noch tiefer der große Bereich des allgemeinen Unbewußten nationaler Einheiten, die wichtige mythologische Motive gemeinsam haben wie z. B. die australischen Aborigines oder südamerikanische Indianer (D). Schließ­ lich der zentrale Bereich, der den universellen Fundus archetypischer Strukturen bildet, die von der Menschheit geteilt werden (E); zu dieser letzten Gruppe gehören archetypische Vorstellungen wie die des kosmi­ schen Gott-Menschen, der Mutter Erde, des Helden, des hilfreichen Tieres, des Trickster oder von Mana, die in allen Mythologien und religiösen Systemen zu finden sind. 165

mit den früher beschriebenen Erfahrungen, in denen man das Be­ wußtsein einer Gruppe annimmt, sind aber nicht mit ihnen identisch. Im letzteren Fall fühlt man sich eins mit allen individuellen Mitglie­ dern einer bestimmten Gruppe. Die archetypischen Erfahrungen hingegen betreffen personifizierte Vorstellungen von den einzelnen Rollen, etwa im Sinne der Platonschen Ideen. Diese beiden verschiedenartigen Phänomene lassen sich veran­ schaulichen, wenn man die Erfahrung, das Bewußtsein aller Revolu­ tionäre der Welt anzunehmen (Gruppenbewußtsein), der Erfahrung gegenüberstellt, zum archetypischen Revolutionär zu werden. Ar­ chetypische Bilder dieser Art lassen sich sehr treffend mit hologra­ phischen Bildern vergleichen, die durch die aufeinanderfolgenden Aufnahmen mehrerer Menschen ein- und derselben Kategorie ohne Veränderung des Lasereinfallwinkels entstehen würden. Bei einer Holographie-Ausstellung vor mehreren Jahren in Honolulu bestand eines der Hologramme mit dem Titel »Das Kind aus Hawaii« aus einer großen Anzahl von dreidimensionalen Kinderbildem, die einund denselben Raum einnahmen. Dieses Hologramm veranschau­ licht auf äußerst treffende Weise die Erfahrung, die ich als Begeg­ nung mit einem Archetypus bezeichne. Eine andere Simulation dieser Art von Erfahrung, die ihrem Wesen nicht ganz so verblüf­ fend nahe kommt, wäre die kumulative Aufnahmetechnik in der konventionellen Fotografie. Ein Beispiel dafür wären die zusam­ mengesetzten Bilder von Francis Galton, die Rupert Sheldrake dazu benutzte, um seine Theorie von der morphischen Resonanz zu veranschaulichen (Sheldrake 1983). Eine weitere spezielle Katego­ rie von Archetypen repräsentiert bestimmte personifizierte Aspekte der menschlichen Persönlichkeit. Dazu gehören C. G. Jungs be­ rühmte Archetypen Animus, Anima und Schatten. Das Beispiel, das ich für die oben beschriebene Erfahrung anführen möchte, ist ein Ausschnitt aus meiner eigenen Sitzung mit 200 mg MDMA (Adam, Ekstase). In diesem Erlebnis ist der Archetyp der Apokalypse mit personifizierten Archetypen universeller Prinzipien vereint. Zu Beginn spürte ich eine starke Aktivierung im unteren Körperbereich. Mein Becken vibrierte, während große Energiemengen in ekstatischen Stoßbewegungen frei wurden. Einmal wurde ich von diesem Energie­ 166

ström in einen kosmischen Strudel aus Schöpfung und Zerstörung gerissen. Im Zentrum dieses gewaltigen Wirbelsturms aus Urkräften begegnete ich vier gigantischen Figuren mit herkulischer Gestalt, die so etwas wie den letzten kosmischen Säbeltanz aufzuführen schienen. Sie trugen stark mongoloide Züge mit hervortretenden Backenknochen, seitlich ansteigenden Augenlidern und glatt rasierten Köpfen, die mit langen geflochtenen Pferdeschwänzen geschmückt waren. Sie wirbelten wie besessen in einem rasenden Tanz umher und schwangen dabei große Waffen, die wie Sensen oder L-förmige Krummsäbel aussahen. Alle vier bildeten zusammen ein sich rasch drehendes Hakenkreuz. Ich schloß mich ihrem Tanz an und wurde - meine Identität weit hinter mir lassend - einer von ihnen oder möglicherweise auch alle vier zu­ gleich. Dann verwandelte sich die Erfahrung, und ich erblickte ein unvorstell­ bares Panorama der Zerstörung. In dieser Vision vereinten sich Natur­ katastrophen wie Vulkanausbrüche, Erdbeben, Meteoreinschläge, Waldbrände und Flutwellen mit den Bildern von brennenden Städten, zusammenbrechenden Wolkenkratzerreihen, Massensterben und Kriegsgreuel. Über dieser Welle totaler Vernichtung erschien das archetypische Bild von vier schrecklichen Reitern, die das Ende der Welt symbolisierten. Es waren die vier Reiter der Apokalypse. Die ständigen Vibrationen und Stoßbewegungen meines Beckens gingen in Reitbewegungen über und ich wurde einer der vier. Die bisherige Schilderung mag den Eindruck erwecken, daß diese Erfahrung unangenehm und furchterregend war. Dem war aber nicht so, was möglicherweise auf die generell angenehme Wirkungsweise der Empathogene aus der Amphetamin-Reihe zurückzuführen ist. Was dominierte, war ein ekstatisches Verschmelzen mit den entfesselten Energien und eine Faszination von den unglaublichen philosophischen und spirituellen Einsichten, die sich in dieser Sitzung einstellten. Ich erkannte, daß die Vorstellung von der Apokalypse nicht wörtlich aufgefaßt werden darf, wie es in den konkretistischen Interpretationen des Christentums geschieht. Obwohl es möglich ist, daß sich die Apokalypse eines Tages als historisches Ereignis manifestieren wird, das den ganzen Planeten betrifft, ist sie vor allen Dingen ein Archetyp. Als solcher scheint sie das Stadium der Bewußtseinsentwicklung widerzuspiegeln, in dem der oder die Betreffende erkennt, daß die materielle Welt nur Illusion ist. Sobald das Universum sein wahres Wesen als kosmisches Spiel des Bewußt­ 167

seins offenbart, wird die Welt der Materie in der Psyche des Individu­ ums vernichtet. Die Situation hier ähnelt einem früheren Stadium, in dem die Identifikation mit der Kreuzigung und Wiederauferstehung Christi die philosophische Identifikation mit dem eigenen Körper been­ det. In die apokalyptischen Visionen waren archetypische Bilder aus vielen Kulturen eingestreut, die die Nichtrealität der phänomenalen Welt symbolisierten. Am eindrucksvollsten war wohl das Platonsche Höh­ lengleichnis. Das letzte große Erlebnis dieser Sitzung war eine herrliche Parade von personifizierten universellen Prinzipien, von Archetypen, die durch ihr komplexes Zusammenwirken die Illusion von der phäno­ menalen Welt erzeugen, das göttliche Spiel betreiben, das die Hindus lila nennen. Sie waren vielgestaltige Personen, reich an Facetten und Bedeutungsdi­ mensionen, die - während ich sie beobachtete - ständig ihre Formen veränderten und sich wie in einem Hologramm auf äußerst verwickelte Weise gegenseitig durchdrangen. Jede von ihnen schien gleichzeitig das Wesen ihrer Funktion sowie alle konkreten Manifestationen in der Welt der Materie zu repräsentieren. Da war Maya, ein mysteriöses ätheri­ sches Prinzip, das die Illusion von der Welt symbolisiert; Anima, die das ewig Weibliche verkörpert; eine marsähnliche Personifizierung von Krieg und Aggression; die Liebenden, die die sexuellen Dramen und Romanzen aller Zeitalter darzustellen schienen; die königliche Gestalt des Herrschers; der zurückgezogene Einsiedler; der Gauner, der immer entkommt, und viele andere. Während sie über die Bühne schritten, verneigten sie sich in meine Richtung, so als erwarteten sie Beifall für ihre Leistung im Spiel des Unversums. Intuitives Verstehen universeller Symbole Zu den interessantesten archetypischen Erfahrungen zählen Visio­ nen universeller Symbole. Solche Visionen sind gewöhnlich von tiefgehenden Einsichten in die esoterische Bedeutung dieser Sym­ bole begleitet. Erlebnisse dieser Art sprechen für die Auffassung von Symbolen, die C. G. Jung (1981b) vertreten hat. Während für Sigmund Freud Symbole für etwas bereits Bekanntes, aber Anstößi­ ges standen, sah Jung in Symbolen die bestmögliche Repräsentation von etwas, was zu einer anderen Bewußtseinsebene gehört und sich im Prinzip nicht anders ausdrücken läßt. Universelle Symbole sind also alles andere als versteckte Aussagen über einfache biologische 168

Funktionen, sie beziehen sich auf komplexe transzendente Wirk­ lichkeiten. Was Freud als Symbole auffaßte - als Anspielungen auf Elemente der gleichen Bewußtseinsebene -, kann bestenfalls als Zeichen klassifiziert werden. In außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen können Visionen verschiedener universeller Symbole eine bedeutsame Rolle spie­ len, sogar in Erfahrungen von Personen, die zuvor kein Interesse an Mystik hatten oder gegen alles Esoterische voreingenommen waren. Solche Visionen vermitteln in der Regel ein unmittelbares intuitives Verständnis der verschiedenen Bedeutungsebenen die­ ser Symbole und wecken ein tiefes Interesse am spirituellen Weg. Zu den häufigsten Symbolen, die ich im Rahmen meiner Forschungen beobachtet habe, gehören das Kreuz, der quadrierte Kreis, das indoiranische Hakenkreuz sowohl im Sinne der Ver­ kündigung von Unheil als auch als Friedenssymbol, das altägyp­ tische ankh (Nilkreuz oder crux ansata), die Lotosblume, das taoistische Yin und Yang-Symbol, der heilige Phallus (Shiva Un­ garn) und die heilige Vulva (yoni) der Hindureligion, der Dia­ mant und andere Edelsteine, das buddhistische Rad und der sechszackige Stern, sowohl in seiner hebräischen Form als Davidsstem als auch in seiner tantrischen Form als Symbol für die Vereinigung von männlicher und weiblicher Energie oder als symbolische Darstellung einer Synthese der vier Grundele­ mente. Als Folge von Erfahrungen dieser Art kann sich bei den Betref­ fenden ein richtiges Begreifen verschiedener komplexer esoteri­ scher Lehren entwickeln. In einigen Fällen hatten Personen, die mit der Kaballah nicht vertraut waren, Erlebnisse, wie sie im Sohar und Sepher Yetzirah beschrieben sind, und gelangten zu überraschenden Erkenntnissen über kabbalistische Symbole. An­ dere waren in der Lage, die Bedeutung und Funktion verwickel­ ter Mandalas zu beschreiben, wie sie im tibetischen Vajrayana und in anderen tantrischen Systemen benutzt werden. Personen, die zuvor die Astrologie, die Alchemie und die alten Formen der Weissagung wie IGing und Tarot belächelt hatten, entdeckten plötzlich deren tieferen Sinn und vermochten ihre metaphysische Relevanz zu erkennen. Ebenso können solche erhellenden Ein­ 169

sichten skeptische Personen für die gnostischen Lehren sowie die Theorien des Pythagoras über geometrische Körper und die Zahlen­ ordnung im Universum öffnen. Ein interessantes Beispiel für eine ganze Reihe von Visionen und Erkenntnissen in bezug auf das universelle Symbol des Kreuzes findet sich in dem Buch Varieties of Psychedelic Experience von Robert Masters und Jean Houston (Masters und Houston 1966, S. 222). Es stammt aus einer psychedelischen Sitzung (mit 100 mcg LSD-25) eines Anwalts und früheren Theologiestudenten, der das Studium aufgrund religiöser Zweifel abgebrochen hatte. Seine Er­ lebnisse wurden dadurch ausgelöst, daß er auf ein verziertes Kreuz schaute, das ihm von den Versuchsleitem gezeigt wurde. Ich sah, wie Jesus gekreuzigt und wie Petrus gemartert wurde. Ich beobachtete, wie die frühen Christen in der Arena starben, während andere durch abgelegene Straßen Roms eilten, um die Lehre Christi zu verbreiten. Ich war dabei, als Konstantin auf die Erscheinung des Kreuzes am Himmel starrte. Ich sah den Fall Roms, erlebte den Beginn des frühen Mittelalters und beobachtete, wie in zehntausend herunterge­ kommenen Hütten kleine gekreuzte Zweige als Symbol der einzigen Hoffnung angebracht wurden. Ich wurde Zeuge, wie Bauern in einem obszönen Waldritus das Kreuz mit ihren Füßen zertrampelten, während es am anderen Ufer des Meeres mit juwelenbesetzten Mosaiken und Kathedralen mit riesigen Kuppeln verherrlicht wurde. Meine Hand zitterte, das Kreuz flackerte und der Ablauf der Geschichte geriet durcheinander. Martin Luther spazierte Arm in Arm mit Billy Graham, gefolgt von Thomas von Aquin und den Heeren der Kreuzrit­ ter. Inquisitor-Gestalten richteten ihre knochigen Finger auf wahnsin­ nige Hexen. Ein gewaltiger Strom von Blut ergoß sich und gerann in ein riesiges, klumpiges Kreuz. Papst Johannes XXIII. rief einer lächelnden Johanna von Orleans auf dem brennenden Scheiterhaufen »Sei guten Muts!« zu, und Savonarola grüßte einen rotnackigen Prediger aus Texas, der dramatische Visionen von der ewigen Verdammnis herauf­ beschwor. Bomber folgten in Kreuzformation, während Franz von Assisi den Vögeln predigte. Hunderttausend Episoden brachen aus den leuchtenden Rändern des Kreuzes hervor, und ich wußte, daß noch weitere hunderttausend kommen würden. Doch dann - ich wußte nicht, wann und wie es geschah - war ich vollkommen in das Kreuz eingetaucht. Meine physische, geistige und spirituelle Substanz wurde völlig von der 170

Substanz des Kreuzes absorbiert. Mein Leben wurde zu den leuchten­ den, funkelnden Episoden der Geschichte des Kreuzes, und die noch verbleibenden hunderttausend Ereignisse waren die der Geschichte meines Lebens. Schmach und Sieg des Kreuzes wiederholten sich endlos in den Einzelheiten meines Lebens. Mein war die Schmach und mein war der Sieg. Ich war Inquisitor und Heiliger gewesen, hatte falsch verurteilt und mit Bedacht abgewogen. Und wie das Kreuz war auch ich gestorben, hatte wieder gelebt, war wieder gestorben - lebte ich und starb, nur um erneut zu leben. Und vielleicht würde ich noch einmal sterben. Aber ich wußte nun (und weiß es auch jetzt noch), daß die Erlösung etwas Beständiges, die Schuld hingegen nur etwas Vorüberge­ hendes ist. Kreative Inspiration und prometheischer Impuls Ein auch nur oberflächliches Studium der Literatur über Kreativität macht deutlich, daß die wahre künstlerische, wissenschaftliche, philosophische und religiöse Inspiration durch außergewöhnliche Bewußtseinszustände vermittelt wird und transpersonalen Ur­ sprungs ist. Die Mechanismen, die an der Dynamik des kreativen Prozesses beteiligt sind, lassen sich in drei große Kategorien eintei­ len. Die erste bezieht sich auf Situationen, in denen die betreffende Person jahrelang mit einem Problem gekämpft hat, ohne eine Lösung zu finden. Teil dieser Vorbereitungsphase sind in der Regel zahlreiche Beobachtungen, das Studium der einschlägigen Literatur und wiederholte erfolglose Versuche, dem Problem mit gewöhnli­ cher Logik beizukommen. Die Problemlösung kommt dann in einem außergewöhnlichen Bewußtseinszustand - in einem Traum, in einer Phase der Erschöpfung, als Halluzination in einer fiebrigen Erkran­ kung oder in der Meditation. Dieser Mechanismus läßt sich anhand vieler berühmter Beispiele belegen. Der Chemiker Friedrich August von Kekule gelangte zu der endgül­ tigen Formel für Benzol - der Grundlage für die organische Che­ mie - in einem Traum, in dem er den Benzolring als eine kleine Uroborosschlange sah, die sich in den Schwanz biß. Dem Physiolo­ gen Otto Loewi kam der Versuchsplan für das entscheidende Experi­ ment, das ihm den Nobelpreis einbrachte - die Entdeckung der chemischen Übertragung neuronaler Impulse während des 171

Schlafs. Werner Heisenberg fand die mathematische Lösung für die Probleme in der Quantenphysik während eines Aufenthalts auf Helgoland, als sein Bewußtsein durch schweren Heuschnupfen getrübt war. In allen diesen Fällen scheint der außergewöhnliche Bewußtseinszustand die traditionellen Denkweisen, die eine Lösung verhindern, aufzuheben, und so eine neue kreative Synthese zu ermöglichen. In der zweiten Kategorie kommt die allgemeine Form eines Gedan­ kens oder eines Gedankensystems als plötzliche Inspiration aus transpersonalen Sphären, häufig noch lange bevor die Entwicklung in dem entsprechenden Bereich es rechtfertigen würde. Unter Um­ ständen dauert es noch Jahre, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, bis sich genügend Daten angesammelt haben, die den Inhalt der Inspira­ tion bestätigen. Beispiele für diesen Mechanismus aus der Antike wären die atomistische Theorie von Leukippos und Demokrit oder der von dem ionischen Philosophen Anaxagoras formulierte Ge­ danke, daß sich das Leben aus den Ozeanen entwickelt hat. Die Vorstellung, daß Informationen über das Universum in jedem seiner Teile enthalten sind, findet sich schon in der alten jainistischen Theorie von den jivas oder in dem Gedanken von der gegenseitigen Durchdringung aller Dinge, der die Grundlage des AvatamsakaBuddhismus (des chinesischen Hwa Yen und des japanischen Kegon) bildet. Vor der Entdeckung der schwingenden Natur des Universums und der holonomen Prinzipien mutete diese Theorie aber die westlichen Wissenschaftler bizarr und absurd an. Ebenso haben die alten kosmogenetischen Systeme, in denen das Licht als das kreative Prinzip des Universums gilt, vor kurzem unerwartete, unabhängige Bestätigung durch die Wissenschaft erfahren, nämlich durch die Entdeckung der Sonderrolle des Photons, die dieses unter den subatomaren Teilchen einnimmt, sowie im Rahmen von Arthur Youngs Prozeß-Theorie (Young 1987). In der dritten Kategorie finden sich Beispiele für einen echten prometheischen Impuls, in dem die Inspiration in Form eines ferti­ gen Produkts erfolgt, das anderen mitgeteilt werden kann. Nikola Tesla konstruierte den Elektrogenerator - eine Erfindung, die für die Industrie von revolutionärer Bedeutung war -, nachdem ihm der vollständige Entwurf und ein Prototyp in voller Funktion in einer 172

Vision erschienen waren. Albert Einstein entdeckte die Grundprin­ zipien seiner Relativitätstheorie in einem außergewöhnlichen Be­ wußtseinszustand: seiner Beschreibung nach stellten sich bei ihm die meisten Einsichten in Form kinästhetischer Empfindungen in den Muskeln ein. Richard Wagner soll einen großen Teil seiner Musik halluziniert haben, während er komponierte, und Wolfgang Ama­ deus Mozart behauptete, er habe seine Symphonien in ihrer endgülti­ gen Form in seinem Kopf bereits vorgefunden, bevor er sie nieder­ schrieb. Die Artikel des Moslemglaubens wurden Mohammed in einer Vision verkündet, als er die Gegenwart Allahs spürte und sich in einem Zustand der Ekstase befand, der in ihm das Gefühl der Selbstvemichtung auslöste. Begegnungen mit dem Weltenschöpfer und Einblicke in die Erschaf­ fung des Kosmos In solchen Erfahrungen, in denen man dem Schöpfer des Univer­ sums nicht nur begegnen, sondern sich auch vollständig mit ihm identifizieren kann, gewinnt man in der Regel außerordentliche Einblicke in den Prozeß der Schöpfung, in ihre Antriebskräfte, ihre spezifischen Mechanismen, ihre Ziele und Probleme. Auf dieser Erfahrungsebene hat der Schöpfer gewöhnlich viele persönliche Merkmale, aber nicht unbedingt eine menschenähnliche Gestalt. Man kann die Kräfte spüren, die dem Schöpfungsprozeß zugrunde­ liegen und ihn in Gang setzen. Personen, die solche Erfahrungen hatten, sprechen in diesem Zusammenhang von einem Übermaß an Zeugungsenergie, einem unwiderstehlichen künstlerischen Impuls, von endloser Neugier, von leidenschaftlicher Experimentierfreude, von Wissensdurst oder Hunger nach Selbsterkenntnis, von Erlebnis­ hunger, von unermeßlicher Liebe, die zum Ausdruck gebracht werden möchte, oder gar von Flucht aus Monotonie und Lange­ weile. Erfahrungen dieser Art können die Betreffenden zu ernsthaften Überlegungen über ihre eigene Rolle im Universum bewegen. Bei manchen stellt sich durch die Entdeckung, daß sie sich mit dem Schöpfer identifizieren können, das Gefühl ein, weit über den Dingen zu stehen, und sie sehen ihre alltäglichen Probleme aus einer völlig neuen metaphysischen Perspektive. Es fällt ihnen schwer, 173

sich als Opfer widriger Umstände im Universum zu fühlen, nachdem ihnen bewußt geworden ist, daß sie auf einer anderen Ebene mit der Kraft, die dieses Universum geschaffen hat, identisch sind. Andere identifizieren sich nach wie vor mit ihrer Persönlichkeit im Alltag und haben das Bedürfnis, ein Ziel für ihre Existenz in dieser Form zu finden. Der Gedanke, daß Menschen die Darsteller in einem vorbestimmten kosmischen Drama sind, kann erhebend oder entmutigend sein. Verschiedene Menschen haben in dieser Hinsicht unterschiedliche Erlebnisse und finden ihre eigenen Antworten. In einigen Erlebnissen erscheint die phänomenale Welt als Illusion, und das höchste Ziel besteht darin, zu erwachen und diese Tatsache zu erkennen. In anderen Erlebnissen spielen Menschen die Rolle intelligenter Vermittler, die dabei helfen, die Evolution voranzutrei­ ben oder aus dem universellen Schema jene Elemente zu entfernen, die unerwünschte, aber unvermeidliche Nebenprodukte der Schöp­ fung sind. Der Weltenschöpfer oder Demiurg kann als die höchste Existenz­ form angesehen werden. Er ist vergleichbar mit dem Gott verschie­ dener Religionen. In manchen Fällen ist er aber nur einer von Schöpfern vieler Universen, oder er ist der alleinige Schöpfer vieler Universen. Manche Personen berichten sogar von Erfahrungen, in denen sie einem aus einem männlichen und einem weiblichen Wesen bestehenden Schöpferpaar begegneten, ähnlich wie man es Kosmo­ logien mancher nicht westlicher Kulturen finden kann. Andere wie­ derum erlebten eine Situation, in der dieses Universum im Laufe eines Spiels erschaffen wurde, an dem mehrere höhere Wesen beteiligt waren. Der Erlebnisbericht, den ich hier als Beispiel verwenden möchte, stammt aus einer psychedelischen Sitzung mit einer hohen Dosis LSD-25. Es folgte eine gewaltige Erweiterung des Bewußtseins. Ich befand mich draußen im interstellaren Raum. Unmittelbar vor meinen Augen wurde Galaxie nach Galaxie erschaffen. Ich fühlte, daß ich mich schneller als das Licht bewegte. Eine Galaxie nach der anderen zog an mir vorbei. Ich näherte mich dem Zentrum einer Energieexplosion, aus dem alles im Universum hervorzugehen schien. Es war der Ursprung all dessen, was erschaffen wurde. Je mehr ich mich diesem Zentrum näherte, um so 174

mehr fühlte ich die weißglühende Hitze, die es ausstrahlte. Es war ein gigantischer Hochofen, der Hochofen des Universums. Die Hitzeempfindung nahm unglaubliche Ausmaße an, ebenso die Intensität des Lichts. Ich erkannte, daß das Brennen, das ich verspürte, das Brennen des läuternden Feuers war. Je näher ich kam, um so mehr spürte ich, wie sich meine Identität wandelte. Ich war nicht mehr Ausdruck dieser Energie, sondern die Energie selber. Es schien mir, als ob ich augenblicklich in das Innerste dieses universellen Hochofens der kosmischen Schöpfung eindringen würde. Die Erfahrung war ekstatisch und verlieh mir das Gefühl grenzenloser Macht. Plötzlich verstand ich das Prinzip, das dem Aufbau des Weltalls zugrundeliegt. Die schöpferische Quelle und Kraft des Universums war das kosmische Bewußtsein, das eine endlose Reihe von Dramen spielte, Dramen, wie wir sie von der Bühne oder vom Film her kennen. In diesem Drama ist es das Spiel, sich zu verlieren, um sich wiederzufin­ den. Dieses Bewußtsein des Universums inszeniert Trennung, Ableh­ nung, Schmerz, das Böse, Leid und Dunkelheit, nur um die unendliche Freude erleben zu können, seinen sicheren und wonnnigen Urzustand wiederzuentdecken. Seine wahre Identität ist unteilbare Einheit, jen­ seits alles Negativen und aller Dualitäten. Um die Reise zu machen, muß es die Illusion von Raum, Materie und Zeit schaffen und - mit diesen zusammen - das Böse, die Dunkelheit, das Leid und die Zerstörung. Ich fuhr fort, über die Analogie zum Film nachzudenken. Sie schien mir als Metapher mit dem Schöpfungsprozeß besonders geeignet. Meine Erlebnisse in psychedelischen Sitzungen waren damit vergleichbar, daß ich den verschiedenen Bildern auf der Kinoleinwand den Rücken kehrte und direkt in das Licht des Projektors schaute, in eine einzige Licht­ quelle, die eine unendliche Anzahl von Bildern und Szenen schuf! Auch ist es möglich, dem Strahl des Lichts bis in das Innere des Projektors zu folgen. Dort ist auch die Leere, aus der das Licht kommt. Der Filmstrei­ fen selber wäre dann das Gegenstück zu den Archetypen, die die Art der Erfahrungen bestimmen, die ihrerseits durch Projektion als vierdimen­ sionales Raum-Zeit-Kontinuum geschaffen werden. Die Erfahrung kosmischen Bewußtseins Personen, die das kosmische Bewußtsein erlangen, haben das Emp­ finden, die Gesamtheit der Existenz zu umfassen und bis zur Wirklichkeit hinter allen Wirklichkeiten vorgedrungen zu sein. Sie sind fest davon überzeugt, den Zugang zum höchsten und letzten 175

Prinzip des Seins gefunden zu haben. Dieses Prinzip ist das einzig wirkliche Rätsel. Wenn man die Existenz dieses Prinzips einmal akzeptiert hat, läßt sich alles andere von ihm ableiten und verstehen. Die Trugbilder von Materie, Raum und Zeit sowie eine unendliche Anzahl anderer Wirklichkeitsformen und -ebenen sind durchschaut und auf dieses eine rätselhafte Prinzip reduziert worden, aus dem sie alle hervorgehen und das ihr gemeinsamer Nenner ist. Diese Erfahrung ist grenzenlos, unfaßbar und unbeschreibbar. Worte und gerade die symbolische Struktur unserer Sprache erweisen sich als geradezu lächerlich unzureichende Mittel, sie zu erfassen und ihre Eigenschaften anderen mitzuteilen. Unsere phänomenale Welt und alle Dinge, die wir bei gewöhnlichem Bewußtsein erleben, erschei­ nen im Licht dieses höchsten Bewußtseins als äußerst begrenzte, illusorische und subjektive Aspekte dieser einen Wirklichkeit. Dieses Prinzip entzieht sich allen Versuchen, es mit rationalen Mitteln zu begreifen, und doch reicht schon ein kurzes Erleben dieses Prinzips aus, um alle intellektuellen und philosophischen Bedürfnisse voll zu befriedigen. Alle Fragen, die man jemals gestellt hat, scheinen beantwortet, oder aber es besteht keine Notwendigkeit mehr, noch irgendwelche Fragen zu stellen. Der Natur dieser Erfahrung wird man am ehesten gerecht, wenn man sie mit dem Begriff Saccidänanda umschreibt, der sich in den religiösen und spirituellen Schriften Indiens findet. Dieses Sanskrit­ wort setzt sich aus drei verschiedenen Wörtern zusammen: sat heißt Existenz oder Sein, chit wird gewöhnlich mit Bewußtsein oder Wissen übersetzt, und änanda steht für Entzücken. Das formenlose, dimensionslose und ungreifbare kosmische Bewußtsein läßt sich also am besten als unendliche Existenz, unendliches Bewußtsein und Wissen sowie unendliches Entzücken charakterisieren. Jedes dieser Wörter bezieht sich aber in erster Linie auf Phänomene und Prozesse der materiellen Wirklichkeit. Sie sind also nur klägliche Versuche, das Wesen dieses transzendentalen Prinzips zu vermitteln. Ein Mittel, um dies beispielsweise auf Englisch auszudrücken, wäre Großschreibung der dafür verwendeten Wörter. Man kennt dies von den schriftlichen Produktionen psychotischer Patienten, die sich verzweifelt bemühen, ihre unbeschreibbare Welt anderen verständ­ lich zu machen. Personen, die in psychedelischen oder anderen 176

Erlebnissen das kosmische Bewußtsein erlangt haben, äußerten häufig, die Sprache der Dichter sei zwar immer noch ein unvollkom­ menes, aber weitaus angemesseneres Mittel zu seiner Beschreibung. Die unsterbliche Kunst von Hildegard von Bingen, Rumi, Kabir, Mirabai, Omar Khayyam, Kahlil Gibran, Rabindranath Thakur oder Sri Aurobindo verdient in diesem Zusammenhang besondere Erwäh­ nung. Im folgenden Beispiel, das aus einer Sitzung mit 150 mg Ketalar (Ketamin) stammt, sind Elemente des kosmischen Bewußtseins, der Identifikation mit anderen Menschen sowie der archetypischen Erfahrung des Himmels vereint: Ich hatte das Gefühl, mich in Gegenwart vieler meiner Freunde zu befinden, mit denen ich Interessen, Wertvorstellungen und eine be­ stimmte Grundauffassung von der Lebensgestaltung teile. Ich sah sie nicht, aber ich nahm sie in ihrer Gesamtheit auf irgendeine außersinnliche Weise wahr. Wir machten einen komplizierten Prozeß durch, in dem wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen uns klärten, indem wir versuchten, Reibungspunkte mit Hilfe eines nahezu alchemistischen Verfahrens - durch Neutralisierung - aus der Welt zu schaffen. An einem bestimmten Punkt hatte es den Anschein, als ob wir uns alle geeinigt hätten und zu einem vollständig einheitlichen Netzwerk wur­ den, zu einem Wesen mit einem klaren Ziel und ohne innere Widersprü­ che. Und dann verwandelte sich dieser Organismus in etwas, was ich für mich als ein »Raumschiff im Bewußtsein« bezeichnete. Wir setzten uns in eine Art Bewegung, in der Elemente des Raumflugs mit einer höchst abstrakten Darstellung der Bewußtseinsentwicklung kombiniert wa­ ren. In meinen früheren psychedelischen Sitzungen hatte ich die Hindu Vor­ stellung vom Universum als lila - als göttliches Spiel - erlebt und sie auch philosophisch akzeptiert. In diesem kosmischen Versteckspiel ist alles in gewisser Weise bekannt und ist bereits geschehen. Man hat lediglich die Aufgabe, den Schleier der Unwissenheit zu lüften und zu begreifen. Was ich jetzt erlebte, war völlig neu und erregend. Es schien, als ob eine echte Evolution tatsächlich möglich sei und als ob jeder von uns dabei eine wichtige Rolle spielen könnte. Diese Weiterentwicklung würde in Dimensionen führen, die ich aus meinem Alltagsleben nicht kannte und die ich auch in früheren außergewöhnlichen Bewußtseinszu­ ständen noch nicht entdeckt hatte. Die Bewegung wurde immer schneller, bis sie so etwas wie eine 177

absolute Obergrenze erreicht hatte, die mit der Lichtgeschwindigkeit im Einsteinschen Universum vergleichbar ist. Wir alle fühlten, daß es möglich war, über diese Grenze hinauszugehen, daß aber das Ergebnis absolut unvorhersagbar und potentiell gefährlich sein würde. Mit dem Mut zum äußersten Risiko, der unsere Gruppe kennzeichnete, beschlos­ sen wir, weiterzumachen und uns dem Unbekannten zu stellen. Als die Grenze überschritten war, verrückte die Erfahrung die Dimen­ sionen in einer schwer beschreibbaren Weise. Statt der Bewegung im Raum schien es eine immense Erweiterung des Bewußtseins zu geben. Die Zeit blieb stehen, und wir gerieten in einen Zustand, den ich als das Bewußtsein von Bernstein erkannte. Nach außen hin stellt sich dieser Zustand, in dem die Zeit eingefroren ist, in der Weise dar, daß Lebensformen wie Pflanzen und Insekten in Bernstein Millionen von Jahre unverändert erhalten bleiben und der Bernstein selber mineralisierte organische Substanz - Harz - ist. Wir machten einen Prozeß der Läuterung durch, in dem jeder Bezug zu organischem Leben aus der Erfahrungssphäre eliminiert wurde. Ich erkannte, daß der Bewußt­ seinszustand, in dem ich mich befand, der eines Diamanten war. Es schien sehr wichtig, daß ein Diamant aus reinem Kohlenstoff besteht, also aus einem Element, auf dem alles Leben basiert, und daß er unter extremen Temperaturen und unter extremem Druck entsteht. Es war, als enthielte der Diamant - wie der letztmögliche denkbare Computer - alle Informationen über das Leben und die Natur in absolut reiner und verdichteter Form. All die anderen physischen Eigenschaften des Diamanten schienen auf seine metaphysische Bedeutung hinzuweisen - seine Schönheit, seine Transparenz, seinen Glanz, seine Beständigkeit, seine Un Veränderlich­ keit sowie seine Fähigkeit, aus weißem Licht ein reiches Spektrum an Farben hervorzubringen. Ich glaubte nun zu verstehen, warum der tibetische Buddhismus Vajrayana genannt wird. Das einzige Wort, das mir zur Beschreibung der letzten kosmischen Ekstase einfiel, war »Diamantenbewußtsein«. In ihm schien all die kreative Energie und Intelligenz des Universums als reines Bewußtsein jenseits von Raum und Zeit verkörpert zu sein. Es war vollkommen abstrakt, enthielt aber sämtliche Formen und Geheimnisse der Schöpfung. Ich trieb in dieser Energie als dimensionsloser Bewußtseinspunkt dahin, vollkommen aufgelöst, aber doch mit einem Gefühl eigener Identität. Ich bemerkte die Gegenwart meiner Freunde, die die Reise mit mir machten. Sie hatten keine Form, waren aber eindeutig in meiner Nähe. Wir alle spürten, daß wir den Zustand letztmöglicher Erfüllung erreicht 178

hatten. Wir waren am Ursprung und Ziel aller Dinge angelangt, waren dem Himmel so nahe, wie ich es mir nur vorstellen konnte. Die supra- und metakosmische Leere Die Erfahrung der Leere ist wohl die rätselhafteste und paradoxeste unter den transpersonalen Erfahrungen. In ihr identifiziert man sich mit der uranfänglichen Leere, dem Nichts und der großen Ruhe. Diese Leere ist der Ursprung aller Dinge, sie kann von nichts anderem hergeleitet werden. Sie ist das »ungeschaffene und unbeschreibbare Höchste«. Die Begriffe suprakosmisch und metakos­ misch, die von intellektuellen Personen gewählt wurden, um ihre Erfahrung zu beschreiben, beziehen sich auf den Umstand, daß diese Leere dem phänomenalen Kosmos - wie wir ihn kennen - sowohl übergeordnet ist als auch zugrundeliegt. Die Leere, von der hier die Rede ist, ist jenseits von Raum und Zeit, jenseits aller denkbaren Formen, jenseits aller Polaritäten wie Licht und Dunkelheit, Gut und Böse, Ruhe und Bewegung, sowie jenseits aller Ekstase und aller Todesqualen. Es gibt in diesem Zustand nichts Konkretes, aber es gibt auch keinen Bestandteil der Existenz, der hier zu fehlen scheint. Die Leere ist also in einem gewissen Sinn mit der gesamten Existenz schwanger, da sie alles in potentieller Form enthält. Erfahrungen dieser Leere haben eine bestimmte Ähnlichkeit mit Erfahrungen des interstellaren Raums und dem Begriff der dynamischen Leere in der Quanten- und Relativitätstheo­ rie, befinden sich aber offenkundig auf einer höheren metaphysi­ schen Ebene als diese. Erfahrungen der Leere oder des Nichts übersteigen auch unsere normalen Vorstellungen von der Kausalität. Man nimmt in ihnen als selbstverständlich gegeben hin, daß aus dieser Leere verschiedene Formen phänomenaler Welten ohne jeden erkennbaren Grund ent­ springen können. Die Möglichkeit, daß etwas aus dem Nichts entsteht oder sich spurenlos in Nichts auflöst, erscheint nicht so absurd, wie man sie bei normalem Alltagsbewußtsein ansieht. Der Gedanke, daß etwas geschieht, ohne daß etwas Erkennbares voraus­ gegangen ist, eine ausreichende Ursache gegeben ist oder es durch einen Impuls in Gang gebracht wurde, wird auf dieser Ebene des Erlebens nicht mehr in Frage gestellt. Paradoxe und rätselhafte 179

Stellen in den buddhistischen Schriften, in denen Form mit Leere und Leere mit Form gleichgesetzt wird, erhalten plötzlich kristall­ klaren Sinn. Das Nichts ist Leere, die die Form im Keim enthält, und die vielen Formen auf verschiedenen Seinsebenen sind ihrem Wesen nach leer.

3. Transpersonale Erfahrungen psychoider Natur Die Beschreibungen aller oben erörterten transpersonalen Phäno­ mene stammen sozusagen aus erster Hand. Ich habe sie wiederholt in psychedelischen Sitzungen meiner Klienten und in Workshops, in denen ich u.a. mit holotropem Atmen arbeitete, beobachten kön­ nen. Zudem habe ich die meisten von ihnen persönlich in meinen eigenen außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen, die mit ver­ schiedenen Mitteln herbeigeführt wurden, erlebt. Verglichen damit habe ich nur sehr wenig Erfahrungen mit den in diesem Abschnitt beschriebenen psychoiden Phänomenen gehabt. Dies gilt allerdings nicht für die Synchronizitäten, denen jeder Erforscher von außerge­ wöhnlichen Bewußtseinszuständen auf Schritt und Tritt begegnet. Ich bin aber der festen Meinung, daß psychoide Phänomene in diesem Zusammenhang zumindest kurz erwähnt werden sollten, auch wenn sie sehr kontrovers sind. Es gibt mehrere Gründe dafür, sie in einer umfassenden Darstellung transpersonaler Phänomene nicht auszuklammem. Der erste Grund ist der, daß psychoide Phänomene in der mystischen Literatur verschiedener Kulturen zu allen Zeiten beschrieben worden sind, und zwar mit einer Regelmäßigkeit, die eine ernsthafte Beach­ tung dieser Phänomene rechtfertigt. Sie werden gewöhnlich in Verbindung mit vielen anderen Formen transpersonaler Erlebnisse erwähnt, deren Existenz von der modernen Bewußtseinsforschung bestätigt wurde. Außerdem gibt es direkte Beweise für einige der psychoiden Phänomene in der Jungschen Psychologie, in der experi­ mentellen Psychiatrie und in der gegenwärtigen Parapsychologie. Und schließlich zeigt sich unter Wissenschaftlern eine allmählich größere Bereitschaft, diesen Bereich unvoreingenommen zu erforschen. 180

Das Haupthindernis, das sich bisher einer ernsthaften Untersuchung psychoider Phänomene in den Weg stellt, war die für die Kartesianisch-Newtonsche Wissenschaft charakteristische mechanistische Auffassung vom Bewußtsein und dessen Beziehung zur Materie. Die dominierende Annahme, daß das Bewußtsein ein zufälliges Nebenprodukt der Materie und eine Begleiterscheinung physiologi­ scher Gehimprozesse ist, rückt die Existenz psychoider Phänomene in den Bereich des Absurden und Lächerlichen. Moderne Entwick­ lungen in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen - in der quantenrelativistischen Physik, der Informations- und Systemtheo­ rie, der Biologie, der Thanatologie, der Neurophysiologie und der psychedelischen Forschung - weisen aber darauf hin, daß der Geist und möglicherweise das Bewußtsein von jeher bestehende Eigen­ schaften der Natur und des Kosmos sind. Im Rahmen des aufkom­ menden neuen Wissenschaftsparadigmas erscheint die Existenz ver­ schiedener psychoider Phänomene durchaus möglich und in einem gewissen Sinn auch plausibel. Den zukünftigen ernsthaften For­ schem auf diesem Gebiet stellt sich die Aufgabe, die meist verein­ zelten Berichte über das Auftreten solcher Phänomene unvoreinge­ nommen mit wissenschaftlicher Sogfalt zu überprüfen und die zugrundeliegenden Theorien in moderner Weise umzuformulie­ ren. Transpersonale Phänomene psychoider Natur haben sehr charakteri­ stische Merkmale. Auf der einen Seite sind sie eindeutig subjektive innerpsychische Ereignisse, auf der anderen Seite haben sie sinnhaf­ ten Bezug zu spezifischen Veränderungen in der materiellen Wirk­ lichkeit. Den zuletzt genannten Aspekt können andere beobachten, sie können daran teilnehmen und ihn manchmal sogar objektiv messen. Der Begriff psychoid, so wie ich ihn hier benutze, weist darauf hin, daß diese Phänomene eigentümliche Mischformen im Übergangsbereich zwischen Bewußtsein und Materie darstellen. C. G. Jung verwendete diesen Begriff, um bestimmte Eigenschaften von Archetypen und von synchronistischen Ereignissen zu bezeich­ nen, die sowohl die Psyche als auch Elemente der materiellen Welt betreffen (Jung 1981 a). Ich habe mir die Freiheit genommen, diesen Begriff auch auf andere Arten von Phänomenen zu erweitern, die ich in diesem Abschnitt besprechen werde. 181

Manche Aspekte psychoider Ereignisse lassen sich vom psychologi­ schen Standpunkt, andere vom rein physikalischen Standpunkt aus erörtern. Das Verhältnis dieser beiden Komponenten variiert von Kategorie zu Kategorie psychoider Erfahrungen, ja sogar innerhalb ein- und derselben Kategorie. Selbst im Hinblick auf ein- und dasselbe Ereignis kann es oft von den Umständen und dem Stand­ punkt der beteiligten Personen beeinflußt werden. In vielen Fällen sind psychoide Ereignisse so vielgestaltig, daß sie je nach Untersu­ chungsansatz psychologisch oder physikalisch interpretiert werden können. Das verblüffend häufige Versagen elektronischer Meßvor­ richtungen gerade in kritischen Augenblicken parapsychologischer Experimente, seltsame Zufälle, die den Vorgang der Aufzeichnung stören und auf diese Weise die überzeugendsten Beweismittel ver­ hindern, sowie die Vieldeutigkeit verschiedener Informationsbruch­ stücke in der Untersuchung von UFO-Phänomenen können hier als Beispiele genannt werden. Es gibt sehr deutliche Anzeichen dafür, daß dieses Element des nicht Faßbaren eher ein Grundmerkmal psychoider Ereignisse ist statt ein Grund dafür, ihre Existenz in Frage zu stellen. Psychoide Phänomene lassen sich in drei große Kategorien eintei­ len. In die erste fallen ungewöhnliche Synchronizitäten, die ver­ schiedene Formen transpersonalen Erlebens mit physikalischen Vorgängen in der phänomenalen Welt verbinden. Hier wirken Bewußtsein und die Welt der Materie auf eigentümliche Weise bei der Bildung einer sinnhaften Gestalt zusammen. Man muß aber nicht die Annahme vertreten, daß das Bewußtsein aktiv in die materielle Realität eingreift und physikalische Veränderungen hervorruft. Die materiellen Ereignisse an sich sind fest in der Newtonschen Welt eingebettet. Sie gehorchen dem Ursache-Wirkung-Prinzip und ste­ hen nicht im Widerspruch zu den allgemein anerkannten Naturgeset­ zen. Zur zweiten Kategorie gehören spontane psychoide Ereignisse, in denen psychische Prozesse die Realität zu beeinflussen und die Gesetze zu verändern scheinen, die die mechanistische Wissen­ schaft zu unanfechtbaren Grundgesetzen erklärt hat. Solche Ge­ schehnisse sind aber elementarer Natur und nicht das Ergebnis einer gezielten bewußten Intention. Die beteiligten Personen mögen viel­ 182

leicht Rahmenbedingungen schaffen, die ihr Auftreten begünsti­ gen - man denke etwa an psychoide Ereignisse im Rahmen ver­ schiedener sportlicher Aktivitäten, die auf ein Ziel ausgerichtet sind, oder an solche in spiritistischen Seancen (physische Me­ diumschaft) sie haben aber nicht die bewußte Absicht, die speziellen Ereignisse eintreten zu lassen. Weitere Beispiele für psychoide Erfahrungen dieser Art wären Stigmata, PoltergeistPhänomene, »UFO«-Erlebnisse und das Leuchten der Körper von Heiligen oder spirituellen Lehrern. Die dritte Kategorie schließlich enthält Fälle von intentionaler Psychokinese, d.h. von gezieltem oder bewußtem Eingreifen in die physische Welt mit psychischen Mitteln. Hierzu gehören die vielen Formen von Geistheilung und Hexerei, Rituale von Natur­ völkern, die Regen herbeiführen sollen oder anderen praktischen Zwecken dienen, verschiedene Formen von Zauberei, die willent­ liche Kontrolle autonomer Körperfunktionen, übernatürliche Kräfte (siddhis) von Yogis, Trancephänomene, das Herumbewe­ gen von Gegenständen mit Hilfe bloßer Willenskraft, Hypnose über Entfernungen hinweg, Laborexperimente mit Psychokinese und anderes mehr. a. Synchronistische Verbindungen zwischen Bewußtsein und Materie Das Prinzip der Synchronizität, das eine bedeutsame Alternative zu dem in der Kartesianisch-Newtonschen Wissenschaft dominieren­ den Prinzip der linearen Kausalität darstellt, ist erstmalig von C. G. Jung beschrieben worden. Nach seiner Auffassung ist die Synchronizität ein akausales Verknüpfungsprinzip, das sich auf sinnvolles Zusammentreffen von zeitlich und/oder räumlich ge­ trennten Ereignissen bezieht (Jung 1967). Synchronizität kann viele verschiedene Formen annehmen. In manchen Fällen sind Personen und Ereignisse an unterschiedlichen Orten, in anderen Fällen zu unterschiedlichen Zeitpunkten miteinander verbunden. In diesem Rahmen möchte ich mich auf die interessanteste Spielart der Syn­ chronizität konzentrieren, nämlich auf die, bei der innerpsychische Vorgänge in einem Menschen - Träume, spontane Visionen, medi­ 183

tative Zustände, psychedelische Phänomene oder Nahtoderlebnissemit physisch realen Ereignissen in seinem Leben verknüpft sind. Synchronistische Ereignisse dieser Art können mit verschiedenen Formen transpersonalen Erlebens und gelegentlich mit bestimmten Aspekten des perinatalen Erfahrungsprozesses in Verbindung ste­ hen. Eines von Jungs eigenen Beispielen ist die berühmte Ge­ schichte, in der ein Exemplar des seltenen Goldlaufkäfers gegen das Fenster seines Arbeitszimmers gerade dann stieß, als er mit einer Patientin, die sich besonders heftig gegen jede Vorstellung von der Existenz eines transpersonalen Bereichs wehrte, über die symboli­ sche Bedeutung des ägyptischen Skarabäuskäfers sprach, der in deren Traum vorgekommen war (Jung 1971). Ich habe bereits die besonders wichtigen Fälle von Synchronizität beschrieben, die sich häufig im Zusammenhang mit Erinnerungen an frühere Inkarnatio­ nen einstellen. Ein anderes typisches Beispiel wäre die oft anzutref­ fende Anhäufung gefährlicher Situationen und Vorfälle - sogar solcher, die durch andere Leute oder durch unabhängige äußere Faktoren herbeigeführt werden - im Leben von Personen, die sich in ihrem Selbsterforschungsprozeß der Erfahrung des Ich-Todes nä­ hern. Wenn sie sich in ihrem Inneren mit dieser Erfahrung konfron­ tieren und die Wiedergeburt erleben, dann lösen sich solche Situatio­ nen häufig auf ebenso magische Weise auf, wie sie sich entwickelt haben. Ein weiteres Beispiel: wenn jemand ein intensives, für Schamanen charakteristisches Erlebnis hat, in dem er einem spirituellen Führer in Gestalt eines Tieres begegnet, dann kann dieses Tier plötzlich in verschiedenen Formen im Leben dieses Menschen auftreten, und zwar mit einer Häufigkeit, die nach menschlichem Ermessen als äußerst unwahrscheinlich gilt. Zum Zeitpunkt der inneren Konfron­ tation mit den archetypischen Bildern des Animus, der Anima, des alten Weisen oder der schrecklichen Muttergöttin können höchst charakteristische reale Verkörperungen dieser Figuren im Alltag des oder der Betreffenden auftreten. Viele Menschen haben außerdem schon die Erfahrung gemacht, daß sie dann, wenn sie sich uneigen­ nützig in ein transpersonal inspiriertes Projekt vertiefen, in der Regel unglaubliche Synchronizitäten erleben, die ihnen die Arbeit erstaun­ lich einfach machen. 184

Wichtig ist, daß außergewöhnliche Synchronizitäten im Leben sol­ cher Menschen eintreten können, die in ihrer Selbsterforschung in transpersonale Bereiche vorgedrungen sind. Die traditionelle Psych­ iatrie trifft keine Unterscheidung zwischen echten Synchronizitäten und psychotischen Fehlinterpretationen der Welt. Jede Andeutung über »außergewöhnliche Zusammentreffen« in der Erzählung eines Patienten wird automatisch als Beziehungswahn bezeichnet und als Symptom für eine geistige Erkrankung gewertet. Wie aber ein aufgeschlossener Forscher feststellen wird, muß im Falle echter Synchronizitäten jeder, der Zugang zu den Fakten hat, zugeben, daß die statistischen Wahrscheinlichkeiten für solche Zusammentreffen unvorstellbar gering sind. Jung war sich der Tatsache wohl bewußt, daß das Phänomen der Synchronizität mit dem traditionellen wissenschaftlichen Denken unvereinbar war. Er zeigte großes Interesse an den Entwicklungen in der von der Quanten- und Relativitätstheorie geprägten Physik und dem von ihr nahegelegten alternativen Weltbild. Es war kein Ge­ ringerer als Albert Einstein, der Jung während eines persönlichen Besuchs dazu ermunterte, den Gedanken von der Synchronizität weiterzuverfolgen, da er sich voll und ganz mit dem neuen Denken in der Physik vereinbaren lasse (Jung 1972/73). Jung freundete sich auch mit Wolfgang Pauli an, einem Mitbegründer der Quantenphy­ sik. Jungs Aufsatz über Synchronizität wurde schon vor Jahren gemeinsam mit Paulis Arbeit über die Rolle der Archetypen im Denken des Astronomen Johannes Kepler veröffentlicht (Pauli 1955). Die synchronistischen Phänomene in der transpersonalen Psychologie besitzen zudem eine gewisse Ähnlichkeit mit den Problemen in der modernen Physik, die mit dem Bellschen Theorem Zusammenhängen (Bell 1966; Capra 1983). Ich selber bin Zeuge vieler bemerkenswerter Fälle von Synchronizi­ tät geworden, und zwar im Rahmen meiner Tätigkeit als psychedeli­ scher und holotroper Therapeut sowie auch in der Umgebung des verstorbenen Swami Muktananda, dem Kopf der Siddha YogaLinie. Zur Veranschaulichung möchte ich auf eine ungewöhnliche Geschichte zurückgreifen, die der weltberühmte Mythologe Joseph Campbell in einem Seminar am Esalen-Institut, an dem auch meine Frau Christina und ich teilnahmen, erzählt hat. Er kam auf diese 185

Begebenheit zu sprechen, während er eine Frage eines Teilnehmers zu Jung und den akausalen Verbindungen im Universum beantwor­ tete. Ich möchte Ihnen ein Beispiel für Synchronizität aus meinem eigenen Leben erzählen. Wir wohnen in New York in einem Apartment im vierzehnten Stockwerk eines Hauses auf der Sixth Avenue in Höhe des Waverly Place. Das letzte, womit man in New York rechnet, ist der Anblick einer Gottesanbeterin. Die Gottesanbeterin spielt die Rolle des Helden in den Mythen der Buschmänner. Ich arbeitete damals gerade an meinem Buch über die Mythologie der Buschmänner (The Way of the Animal Powers), in der die Gottesanbeterin im Mittelpunkt steht. Das Zimmer, in dem ich mich befand, hat zwei Fenster. Durch das eine sieht man die Sixth Avenue hoch, durch das andere auf den Hudson-Fluß. Das ist das Fenster, aus dem ich immer hinaussehe. Was das andere Fenster anbelangt, so glaube ich nicht, daß ich es in den mehr als vierzig Jahren, die wir dort leben, mehr als zweimal geöffnet habe. Ich las also gerade über die Gottesanbeterin - den Helden -, als ich plötzlich den Impuls verspürte, das Fenster zur Sixth Avenue zu öffnen. Ich tat es und blickte hinaus nach rechts. Da sah ich eine Gottesanbeterin das Gebäude hochspazieren! Sie hatte den Fensterrand erreicht und befand sich nun unmittelbar vor mir. Sie war so groß (er deutete mit der Hand ihre Größe an). Sie schaute mich an und ihr Gesicht ähnelte dem eines Buschmannes. Ich schauderte. Jetzt werden Sie vielleicht sagen, das war aber ein komischer Zufall, aber ich frage Sie: wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß so etwas zufällig geschieht? b. Spontane psychoide Ereignisse In der spirituellen und mystischen Literatur aller Zeitalter finden sich zahlreiche Beschreibungen von spektakulären physiologischen Ver­ änderungen im Körper oder von scheinbar unmöglichen Leistungen bei Menschen in verschiedenen außergewöhnlichen Bewußtseinszu­ ständen. Bei den Körperveränderungen kann es sich um Stigmata handeln, die während ekstatischer Ausbrüche auftreten und die man noch irgendwie traditionell erklären könnte, aber auch um so ex­ treme Phänomene wie etwa dem Leuchten des Körpers eines Heili­ gen. Es gibt sogar Berichte, wonach der ganze Körper ohne äußere Einwirkung in Flammen aufgegangen sein soll. 186

Auch können viele Leistungen, die beim Ausüben von Kampf- und Kriegskünsten vollbracht werden, übernatürlich wirken. Manche von ihnen haben den Charakter eines spontanen und elementaren Geschehens, bei anderen sind Konzentration und Absicht im Spiel. Letztere würden somit zu der nächsten Kategorie zählen. In ihrem Buch PSI im Sport. Der Einfluß übernatürlicher Wahrnehmung auf sportliche Spitzenleistungen haben Michael Murphy und Rhea White (1983) Berichte über faszinierende sportliche Leistungen gesammelt, die an das Unmögliche grenzen und die Mitwirkung von psychoiden Mechanismen nahelegen. Murphy und seine Mitarbeiter führen derzeit auch - in Verbindung mit dem Esalen-Institut in Big Sur, Kalifornien - das sogenannte Body Transformation Project durch, eine umfassende historische Untersuchung aller außerge­ wöhnlichen, Geist und Körper betreffenden Erscheinungen, über die zu allen Zeiten berichtet worden ist. Es gibt eine weitere Gruppe von Phänomenen, die in diese Kategorie gehören und die traditionsgemäß von Parapsychologen untersucht worden sind. In zahlreichen Schlössern und Häusern sowie an anderen Orten, an denen es »spukt«, haben viele Menschen seltsame Erlebnisse gehabt. Sie hatten oft auffallende Ähnlichkeiten mitein­ ander oder waren sogar bei Menschen identisch, die einander nicht kannten und die von den betreffenden Phänomenen nichts wußten. In manchen Fällen konnten diese Phänomene von mehreren Perso­ nen gleichzeitig wahrgenommen werden, in anderen gingen sie mit bestimmten, objektiv nachweisbaren Veränderungen einher. Ein modernes Beispiel dafür ist die Episode, die C. G. Jung in seiner Autobiographie beschreibt (Jung 1962). In einer bestimmten Zeit seines Lebens spürte er in seinem Haus die Anwesenheit von Geistern und hörte ihre Stimmen. Andere Familienmitglieder hatten die gleichen Erlebnisse. Er stimmte zu, ihre Mitteilungen schriftlich festzuhalten und schuf so seine berühmten Septem Sermones Ad Mortuos (Sieben Predigten an die Toten), einen gnostischen Text, der mit dem Namen Basilides unterzeichnet ist (in: Jung 1971). Ebenso wurden Teilnehmer an spiritistischen Sitzungen mit der von J. B.Rhine so genannten physischen Mediumschaft Zeuge von bestimmten Vorkommnissen. Auf Fußböden und Wänden ertönten klopfende und krachende Geräusche, man spürte Berührungen 187

durch unsichtbare Hände, Stimmen sprachen aus dem Nichts, Mu­ sikinstrumente spielten und kalte Luft wehte durch den Raum. In manchen Fällen kamen noch andere Phänomene hinzu, etwa die Erscheinung eines oder einer Verstorbenen, die manchmal durch das Medium, in anderen Fällen aus dem Nichts zu sprechen schien. In Extremfällen stellten sich angeblich Telekinese- und Materialisa­ tionsphänomene ein, etwa das Schweben von Gegenständen oder Personen in der Luft, das Herumfliegen von Gegenständen, teleplastische Manifestationen und das Erscheinen von Schriften oder Gegenständen ohne Erklärung (sogenannte »Apporte«). Zu der wiederkehrenden spontanen Psychokinese, die die Parapsy­ chologen aller Welt mit dem deutschen Begriff »Poltergeist« be­ zeichnen, zählt eine bemerkenswerte Vielfalt von Geschehnissen. Häusliche Gegenstände bewegen sich oder werden zerstört, Dreck und Steine werden durch die Luft geschleudert, verschiedene Geräu­ sche ertönen (Klopfen, Knallen, Kratzen, Pfeifen, Singen oder Sprechen) und verschiedene Gegenstände werden auf mysteriöse Weise aus geschlossenen Räumen, Schubladen und Schränken hin­ aus- bzw. in sie hineinbefördert (Teleportation). Während die physi­ sche Mediumschaft in ihrer Extremform heute nahezu vollkommen verschwunden ist, gibt es viele Poltergeist-Phänomene, die gegen­ wärtig von Forschem untersucht werden. Die ausgedehntesten Untersuchungen von Poltergeist-Phänomenen in neuerer Zeit sind in Westdeutschland durchgeführt worden, und zwar unter der äußerst gründlichen wissenschaftlichen Leitung des weltberühmten parapsychologischen Forschers Hans Bender. In den letzten 35 Jahren hat das Team des Freiburger Instituts für Grenzge­ biete der Psychologie und Psychohygiene 65 Fälle überpüft und eine Menge bemerkenswerter Beweise für die Existenz dieses Phäno­ mens zusammengetragen. Manche dieser Fälle sind in den Büchern von Hans Bender beschrieben, in denen sich auch faszinierende Beobachtungen von Telepathie, präkognitiven Träumen, psychokinetischem Biegen von Metall, okkultem Material in bezug auf den Krieg sowie UFO-Erlebnissen finden (Bender 1984a, b; 1985). Der berühmteste Fall von wiederkehrender spontaner Psychokinese aus neuester Zeit in Kalifornien war der sogenannte Oakland-Poltergeist, der von Arthur Hastings untersucht wurde (Hastings 1978). 188

Man scheint sich allgemein darüber einig zu sein, daß Poltergeister­ scheinungen mit verdrängten heftigen Emotionen einer bestimmten Person (meist eines heranwachsenden oder retardierten Menschen) in Verbindung stehen. Zur Veranschaulichung der wiederkehrenden spontanen Psychoki­ nese möchte ich einen Fall heranziehen, den Hans Bender beschreibt (Bender 1984b). Dieser Fall ist von besonderem Interesse, da mindestens 40 Personen unmittelbare Zeugen der beteiligten Phäno­ mene oder ihrer Konsequenzen waren. Zu ihnen zählten hochqualifi­ zierte Techniker, Physiker, Ärzte, Psychologen und Polizisten. Über diesen Fall wurde auch viel im Fernsehen und in den Zeitungen berichtet. Gegen Ende November 1967 kam es zu einer Reihe seltsamer Ereignisse im Büro des Rechtsanwalts Adam in Rosenheim in Bayern. An einer 214 Meter hohen Decke befestigte Leuchtstoffröhren erloschen immer wie­ der. Die Elektriker stellten fest, daß sie um 90 Grad aus ihren Halterun­ gen gedreht waren. Man berichtete von Knallerscheinungen, Siche­ rungsautomaten lösten selbständig ohne jeden Grund aus, und die Entwicklerflüssigkeit eines Photokopiergeräts wurde immer verspritzt. Die vier Siemens-Telefone klingelten oft gleichzeitig, Telefongesprä­ che wurden unterbrochen und die Verbindung ging verloren. Das Fernmeldeamt registrierte nichtexistente Telefongespräche und die Te­ lefonrechnung stieg auf nie zuvor erreichte Summen an. Zu all diesen Ereignissen kamen später noch spontane Bewegungen von Bildern an der Wand hinzu, die sich manchmal um 360 Grad drehten. Mehrere Leuchtstoffröhren fielen von der Decke herab und gefährdeten Personen. Die Techniker, die zu Hilfe gerufen wurden, ersetzten die Leuchtstoffröhren durch reguläre Glühbirnen. Als dies geschah, fingen die Lampen zu schwingen an und die Glühbirnen explodierten. Speziell installierte Meß- und Aufzeichnungsvorrichtungen registrierten Entla­ dungen bis zu 50 Ampere. Während dieser Entladungen unterbrachen aber die Sicherungsautomaten nicht den Stromkreislauf. Hans Bender rief zwei Experten vom Institut für Plasmaphysik in München herbei, die komplexe oszillografische Messungen durchführten. Die elektri­ schen Störungen stellten sich weiterhin ein, obwohl die beiden Fach­ leute alle erdenklichen physischen Ursachen beseitigt hatten. Die Stö­ rungen waren so ernsthafter Natur, daß die Rechtsanwaltfirma Adam Klage gegen »Unbekannt« einreichte. Hans Bender gelang es, diese Phänomene mit einem 19jährigen Mäd­ 189

chen, Annemarie Sch., in Verbindung zu bringen. Er zog den Schluß, daß das erforderliche »affektive Feld« durch dreierlei Dinge geschaffen worden war: durch Annemaries heftige emotionale Beziehung zu ihrem Chef, durch die spezifische Situation im Anwaltsbüro und durch das außerordentliche Interesse der Öffentlichkeit an diesem Fall. Alle Phänomene hörten sofort auf, als Annemarie eine neue Stelle vermittelt bekam. Eins von den Ergebnissen in der Analyse der Physiker ist besonderer Erwähnung wert: um ohne Bewegung der Nummernscheibe wählen zu können, bedürfte es einer Intelligenz, die über genaues technisches Wissen verfügt und imstande ist, Zeitintervalle im Bereich von Millisekunden abzuschätzen. Sogar berühmte Medien wie Eusapia Palladino wurden gelegentlich beim Betrügen erwischt. Schwindelei und seriöse Wissenschaftlich­ keit sind in der Geschichte der Parapsychologie eine seltsame Verbindung eingegangen. Man kann sich aber kaum vorstellen, daß man einem Bereich so viel Beachtung schenken würde, wenn es keine realen Phänomene zu beobachten gäbe. Eines läßt sich jeden­ falls sagen: es gibt kein anderes Gebiet wissenschaftlicher For­ schung, in dem die eindeutige Aussage so vieler Zeugen von Rang und Namen als Dummheit hingestellt und achtlos übergangen wurde. Zu den Forschem, die sich dieses Schicksal teilten, zählten solche mit höchstem Ansehen in der Fachwelt, etwa der Nobelpreis­ träger, Arzt und Physiologe Charles Richet und Sir Oliver Lodge, ein Mitglied der Royal Society in England. Das letzte Phänomen dieser Kategorie, auf das ich hier eingehen möchte, sind die UFOs (unidentifizierten Flugobjekte), weithin als »fliegende Untertassen« bekannt. Wie ich schon früher erwähnte, sind Erlebnisse, in denen man physischen und metaphysischen Raumschiffen begegnet, mit den Insassen des Raumschiffs oder seinen Vorrichtungen Kontakt hat und sogar den fremden Wesen persönlich begegnet, in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen nicht selten. Ich möchte mich hier auf die Fälle beschränken, in denen solche Berichte über subjektive Erfahrungen mit objektiven Hinweisen auf real existierende UFOs gepaart sind. Es gibt Grund zu der Annahme, daß die Schlußfolgerungen auf der Grundlage der USLuftwaffenprojekte Grudge und Blue Book politisch motiviert wa­ ren. Dasselbe scheint für ein Sonderkomitee der Universität von 190

Colorado zu gelten, das praktisch alle realen UFO-Beobachtungen auf natürliche Ursachen zurückführte - auf Ballone, Meteore, Vö­ gel, Lichtreflexionen u. a. Wie im Fall der parapsychologischen Phänomene stammen auch viele Berichte über UFO-Erscheinungen von emotional stabilen, gebildeten und geschulten, intelligenten und sich deutlich ausdrükkenden Menschen. Man kann mit gutem Grund vermuten, daß UFOPhänomene psychoide Ereignisse sind, in denen Physisches und Psychisches zu verschiedenen Anteilen miteinander kombiniert sind. Aufgrund dieses Merkmals lassen sich solche Phänomene nur sehr schwer im Rahmen der mechanistischen Wissenschaft erfor­ schen, die klar zwischen materiell und psychisch trennt. Eine eingehende Erörterung des historischen und modernen Materials über UFOs, das mit viel Kontroversen befrachtet ist, würde eindeu­ tig den Rahmen sprengen. Interessierte Leser und Leserinnen seien auf C . G . Jungs faszinierenden Aufsatz über Fliegende Untertassen {Ein moderner Mythos. Von Dingen, die am Himmel gesehen werden. Jung 1981a) sowie auf die Arbeit von Jacques Vallee (1965) verwiesen, der viele Jahre seines Lebens der intensiven und systematischen Erforschung des UFO-Phänomens gewidmet hat. c. Intentionale Psychokinese Intentionale Psychokinese kann als die Fähigkeit definiert werden, die materielle Umgebung ohne Zuhilfenahme des Körpers (der Muskeln und der Drüsen) zu beeinflussen, und zwar, indem man sich die betreffenden Dinge einfach wünscht oder indem man Handlungen ausführt, die zu dem Ergebnis in keinem gewöhnlichen Ursache-Wirkung-Verhältnis stehen. In der historischen und anthro­ pologischen Literatur wimmelt es von Berichten über verschiedene Formen der Geistheilung und der Hexerei, die von einzelnen Perso­ nen oder ganzen Gruppen praktiziert sowie über komplexe Rituale, die zu diesem Zweck ausgeführt werden. Viele alte und nichtwestli­ che Kulturen kannten und kennen komplizierte Zeremonien, die Regen, eine gute Ernte, eine erfolgreiche Jagd oder irgendwelche anderen praktischen Vorteile bringen sollen. Die vier Orakel im buddhistischen Tibet, die in der alten Bon-Tradition wurzelten, genossen den Ruf, das Wetter beeinflussen zu können. Beispiele für 191

viele andere Formen von Magie finden sich in den mystischen und okkulten Schriften aller Zeitalter. So bizarr all diese Phänomene einem Menschen von heute Vorkommen mögen, der in der Tradition der materialistischen Wissenschaft aufgewachsen ist, so sehr verdie­ nen sie das ernsthafte Interesse aufgeschlossener Wissenschaftler. Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß diese Aktivitäten psychoider Natur sind und häufig mit Ereignissen in der physischen Welt einhergehen. Oder sollten tatsächlich jahrhundertelang wiederholt Heilrituale und Regenzeremonien ohne erkennbaren Erfolg prakti­ ziert worden sein? Ein Schamane hätte es nicht leicht, sein Image und seinen Ruf gegen eine ganze Serie von Fehlschlägen zu verteidigen. Wir selber wurden Zeuge eines mehrstündigen heftigen Regengus­ ses , der auf eine Zeremonie des hundertjährigen Schamanen Don Jose Matsuwa der mexikanischen Huichol-Indianer mitten in einer zwei­ jährigen Dürrekatastrophe in Kalifornien folgte. Die tibetische Kultur ist bekannt für ihre hohen Errungenschaften im Studium der mensch­ lichen Psyche und des Bewußtseins. Der Ruf der tibetischen Orakel muß zumindest auf einer Serie bemerkenswerter Synchronizitäten basieren und läßt sich nicht einfach dem Aberglauben und der Selbsttäuschung eines primitiven Volkes zuschreiben. Studien von medizinischen Anthropologen haben gezeigt, daß die therapeutischen Resultate der Heilprozeduren und -Zeremonien von Systemen wie Santeria, Palerismo oder Umbanda in Gruppen latein­ amerikanischer Einwanderer in die USA den Heilerfolgen der west­ lichen Psychiatrie und Medizin in vielen Fällen überlegen sind. Ob dies nur für emotionale und psychosomatische Störungen gilt oder auch auf manche Kategorien rein medizinischer Probleme übertragen werden kann, muß erst noch festgestellt werden. Die Erforschung psychedelischer Substanzen hat bewiesen, daß viele Schamanen über Mittel verfügen, die weitaus effektiver sind als die verbalen Techni­ ken westlicher Psychotherapien. Namhafte hervorragende Forscher wie Walter Pahnke, Andrija Puharich oder Stanley Krippner zeigten sich zutiefst von den Phänomenen beeindruckt, die sich im Zusam­ menhang mit der Arbeit spiritistischer Chirurgen mit paranormalen Fähigkeiten wie Arrigo in Brasilien oder Tony Agpaoa und anderen auf den Philippinen einstellten. Die Literatur über indische Yogis enthält zahllose Berichte über ihre 192

erstaunlichen Fähigkeiten, verschiedene autonome Körperfunktio­ nen zu kontrollieren. Sie können Blutungen zum Stillstand bringen, den Herzschlag anhalten sowie lange Zeit ohne Nahrung und sogar ohne Sauerstoff leben. Viele dieser Berichte, die von den Fachleuten als märchenhafter Unsinn abgetan wurden, sind durch die moderne Wissenschaft objektiv bestätigt worden. Die systematische Erfor­ schung dieser Phänomene führte zu der Entwicklung der Biofeedbacktechniken, die auch gewöhnliche Menschen dazu befähigen, willentliche Kontrolle über ihren Herzschlag, ihren Blutdruck, ihre Körpertemperatur und andere autonome Funktionen zu erlangen. Die Berichte über die tibetische Methode des »tummo«, mit der man innerhalb kurzer Zeit einen erstaunlichen Anstieg der Körpertempe­ ratur um mehrere Grade erreichen kann, sind in einer medizinischen Untersuchung von Benson und Epstein, die mit Genehmigung und Unterstützung des Dalai Lama stattfand, bestätigt worden (Benson und Epstein 1982). Während es möglich ist, die Mehrzahl der oben beschriebenen Yoga-Praktiken im Rahmen des westlichen medizinischen Modells zu erklären, lassen sich einige übernatürliche Fähigkeiten oder Siddhis, die angeblich durch spirituelle Yoga-Übungen erreicht werden können, eindeutig nicht mit dem Weltbild der westlichen Wissenschaft vereinbaren. Hierzu gehören die Berichte über Levita­ tion des Körpers, die Fähigkeit, sich an einen entfernten Ort zu projizieren, die Bilokation oder physische Existenz an zwei Orten zugleich sowie die Fähigkeit, verschiedene Gegenstände - sogar den eigenen Körper - zu materialisieren und zu dematerialisieren. Es bleibt zukünftigen Forschungen Vorbehalten, die Existenz dieser Phänomene zu bestätigen oder zu widerlegen. Im Licht des neuen Wissenschaftsparadigmas erscheinen sie aber nicht so absurd und prinzipiell unmöglich, wie die mechanistische Wissenschaft be­ hauptet. Ein anderes Phänomen psychoider Natur ist die bemerkenswerte Fähigkeit von Personen, in Trance Dinge zu tun, die physisch unmöglich sein müßten, etwa sich in Glassplittem zu wälzen oder auf Leitern emporzusteigen, die statt Sprossen Schwerter aufweisen. Viele erstaunliche Trancefähigkeiten dieser Art werden nach wie vor von verschiedenen Gruppen in verschiedenen Teilen der Welt de­ 193

monstriert. Eine dieser scheinbar unmöglichen Leistungen - das indonesische Feuerlaufen - hat vor kurzem auch den Weg nach Kalifornien gefunden und ist rasch zu einer Marotte von Zehntausen­ den geworden. Ob man nun dieses Phänomen - das Gehen über glühende Holzkohle (mit einer Temperatur von etwa 750 Grad Celsius), ohne sich Verbrennungen zuzuziehen - auf natürliche Weise erklären kann oder nicht, es ist offenkundig, daß in unserer Kultur viele Dinge voreilig als unmöglich hingestellt worden sind, die sich sehr wohl tatsächlich ereignen können. Moderne Parapsychologen haben viele bedeutsame Beobachtungen im Zusammenhang mit verschiedenen psychokinetischen Aktivitä­ ten gemacht und Phänomene dieser Art systematisch im Labor untersucht, wobei sie zu bemerkenswerten Ergebnissen gelangt sind. Zu ihren Methoden gehören einfache Experimente, in denen beispielsweise Würfel geworfen werden, ebenso wie komplizierte Versuchsanordnungen, in denen mit Randomisierung auf der Basis der Elektronenemissionen beim radioaktiven Zerfall, mit elektroni­ schen Geräten und mit modernen Computern gearbeitet wird. Sie haben sich mit psychokinetischen Auswirkungen auf Ziele in Bewe­ gung befaßt - etwa auf Würfel, die von speziellen Maschinen geworfen werden, auf elektrische Uhren, auf das Fließen von Flüssigkeiten und auf die Emanation von Elektronen. Bedeutsame Fortschritte wurden in der Erforschung psychokinetischer Effekte auf die schwierigeren Ziele in Ruhe gemacht. In parapsychologi­ schen Experimenten mit lebenden Zielen wurden kontrollierte Stu­ dien der Heilung von Tieren, des Pflanzenwachstums und der Enzymaktivität durchgeführt. Einige weitere Untersuchungen in den USA, der Sowjetunion und in anderen Ländern konzentrierten sich auf die systematische Beobach­ tung von Personen, die in der Lage waren, Gegenstände zu bewe­ gen, ohne sie zu berühren, geistige Bilder auf einen Photofilm zu projizieren, andere Menschen über größere Entfernungen hinweg zu hypnotisieren, und Metalle auf psychokinetische Weise zu biegen. Ich erwähne diese Experimente hier, ohne weitere Schlußfolgerun­ gen zu ziehen. Dies bleibt Forschem und Experten auf diesem Gebiet überlassen. Interessierte Leser finden mehr Informationen in den Arbeiten von Charles Tart (1975a, 1977), Stanley Krippner 194

(1977, 1980) Jules Eisenbud (1975), Russell Targ und Harold Puthoff (1978), Targ und Harary (1984) sowie Hans Bender (1984a, b, 1985).

4. Revolutionäre philosophische Aspekte transpersonaler Erfahrungen Transpersonale Erfahrungen haben viele eigentümliche Merkmale, die die fundamentalsten Annahmen der materialistischen Wissen­ schaft und des mechanistischen Weltbildes ins Wanken bringen. Forscher, die diese faszinierenden Phänomene ernsthaft untersucht bzw. sie selber erlebt haben, erkennen, daß die Versuche der traditionellen Psychiatrie, sie als irrelevante Phantasiegebilde oder Produkte pathologischer Gehimprozesse abzutun, oberflächlich und dem wahren Sachverhalt nicht angemessen sind. Jedes unvoreinge­ nommene Studium des transpersonalen Bereichs in der Psyche muß zu der Schlußfolgerung führen, daß die dabei gemachten Beobach­ tungen eine Herausforderung des Kartesianisch-Newtonschen Para­ digmas der westlichen Wissenschaft darstellen. Transpersonale Erfahrungen stellen sich zwar beim einzelnen Men­ schen im Laufe einer tiefgehenden Selbsterforschung ein, doch lassen sie sich nicht einfach als innerpsychische Phänomene im konventionellen Sinn interpretieren. Zum einen bilden sie im Erle­ ben ein durchgehendes Kontinuum mit biographischen und perinata­ len Erfahrungen. Zum anderen scheinen sie unmittelbar - ohne Vermittlung der Sinnesorgane - Informationsquellen zu erschlie­ ßen, die eindeutig außerhalb dessen liegen, was man herkömm­ licherweise zum Individuum rechnet. Berichte von Personen, die Episoden aus ihrer embryonalen Exi­ stenz, den Augenblick der Empfängnis und Elemente des Zell-, Gewebe- oder Organbewußtseins erlebt haben, enthalten eine Fülle richtiger Erkenntnisse über die anatomischen, physiologischen und biochemischen Aspekte der beteiligten Prozesse. Ebenso vermitteln Ahnen-Erfahrungen, rassische und kollektive Erinnerungen im Jungschen Sinn sowie Erinnerungen an frühere Inkarnationen sehr 195

spezifische Details über die Architektur, die Kleidung, die Waffen, die Kunst, die Sozialstruktur und die religiöse Praxis der betreffen­ den Kultur und Zeitepoche, ja sogar konkrete historische Ereignisse. Personen, die phylogenetische Erfahrungen gehabt oder sich mit existierenden anderen Lebensformen identifiziert haben, empfanden ihre Erlebnisse nicht nur als ungewöhnlich überzeugend und authen­ tisch, sondern erwarben dabei auch außergewöhnliche Erkenntnisse über die Psyche der betreffenden Tiere, ihre besonderen Verhaltens­ weisen oder ihre spezifischen Fortpflanzungszyklen. In manchen Fällen liefen mit solchen Erlebnissen archaische, für Menschen nicht charakteristische Muskelinnervationen oder sogar komplexere Verhaltensweisen wie etwa ein Werbungstanz parallel. Bei denjenigen, die sich mit Pflanzen oder Teilen von Pflanzen identifiziert haben, stellen sich gelegentlich bemerkenswerte Er­ kenntnisse über botanische Prozesse ein, etwa über die Samenkei­ mung, die Photosynthese in Blättern, die Rolle der Auxine im Wachstum einer Pflanze, den Wasser- und Mineralienaustausch in den Wurzeln oder die Bestäubung. Ebenso häufig ist die feste Überzeugung, die Existenz lebloser Materie oder anorganischer Prozesse angenommen zu haben, also zum Wasser des Ozeans, zu Feuer, zu einem Blitz, einem Vulkan, einem Tornado, zu Gold, zu einem Diamanten, zu Granit oder sogar zu Sternen, Galaxien, Atomen und Molekülen geworden zu sein. Auch diese Erfahrungen können manchmal neue und wichtige Informationen über verschie­ dene Aspekte der Natur vermitteln. Es gibt eine interessante Subkategorie transpersonaler Phänomene, die häufig objektiv bestätigt und sogar experimentell erforscht werden können. In diese Kategorie fallen Telepathie, mediale Dia­ gnose, Hellsehen, Hellhören, Präkognition, Psychometrie (im pa­ rapsychologischen Sinn), »out-of-body»-Erfahrungen, Astralpro­ jektionen und andere Beispiele für außersinnliche Wahrnehmungen. Diese Gruppe transpersonaler Phänomene ist die einzige, die in der Vergangenheit auch schon einmal in akademischen Kreisen disku­ tiert worden ist, leider aber mit stark negativer Voreingenommen­ heit. Von besonderem theoretischen Interesse sind natürlich die Probleme in Verbindung mit den transpersonalen Phänomenen psy­ choider Natur. 196

Von höherer Warte aus betrachtet gibt es eigentlich keine Gründe, die sogenannten paranormalen Erscheinungen einer speziellen Kate­ gorie zuzuordnen. Da viele andere Formen transpersonalen Erlebens recht häufig den Zugang zu neuen Informationen über das Univer­ sum über außersinnliche Kanäle schaffen, wird die klare Trennung zwischen Psychologie und Parapsychologie hinfällig oder erscheint recht willkürlich, sobald die Existenz der transpersonalen Ebene erkannt und anerkannt wird. Die philosophische Herausforderung, die in den oben beschriebenen Beobachtungen steckt, ist an sich schon gewaltig. Sie wird aber noch weiter durch die Tatsache verstärkt, daß transpersonale Erfahrun­ gen, die die materielle Welt korrekt widerspiegeln, offenbar auf dem selben Kontinuum wie solche Erfahrungen liegen bzw. mit Erfah­ rungen engstens verknüpft sind, deren Inhalt gemäß dem westlichen Weltbild nicht Teil der objektiven Realität ist. In diesem Zusammen­ hang könnten wir die Jungschen Archetypen anführen, die Welt der Gottheiten, Dämonen, Halbgötter und Überhelden sowie die kom­ plexen Handlungsabläufe aus Mythos, Legende und Märchen. Selbst diese Erfahrungen können richtige neue Erkenntnisse über religiöse Symbole, den Volksglauben und die mythischen Struktu­ ren verschiedener Kulturen vermitteln - über Dinge, die dem oder der Betreffenden zuvor nicht bekannt waren. Die Existenz und die Natur transpersonaler Erfahrungen verstoßen gegen die fundamentalsten Grundsätze der mechanistischen Wissen­ schaft. Sie implizieren allerlei Dinge, die als völlig absurd gelten: die Relativität und Willkürlichkeit aller physischen Grenzen, nicht­ lokale Verbindungen im Universum, Kommunikation mit unbe­ kannten Mitteln über unbekannte Kanäle, Erinnerungen ohne ein materielles Substrat, Nichtlinearität der Zeit oder die Existenz von Bewußtsein in allen lebenden Organismen (einschließlich niedrige­ ren Tieren, Pflanzen, Einzellern und Viren) und sogar in anorgani­ scher Materie. Viele transpersonale Erfahrungen enthalten Ereignisse im Mikro­ kosmos und Makrokosmos - in Bereichen, die mit den menschlichen Sinnen nicht direkt erfaßt werden können - oder in Epochen, die zeitlich der Entstehung des Sonnensystems, der Bildung des Plane­ ten Erde, dem ersten Auftreten lebender Organismen, der Entste­ 197

hung des Zentralnervensystems und dem ersten Auftreten des Men­ schen vorausgehen. Dies weist eindeutig darauf hin, daß jeder Mensch in einer noch unerklärlichen Weise die Informationen über das ganze Universum oder die Gesamtheit der Existenz enthält, über das unmittelbare Erleben potentiellen Zugang zu allen Aspekten des Seins besitzt, und in einem gewissen Sinn das ganze kosmische Netzwerk selber ist - ebenso wie er auch einen unendlich kleinen Teil dieses Netzwerks, ein einzelnes und unbedeutendes biologi­ sches Wesen darstellt. Transpersonale Erfahrungen nehmen in der Kartographie der menschlichen Psyche eine sehr spezielle Position ein. Die analyti­ sche Ebene sowie das individuelle Unbewußte sind ihrem Wesen nach eindeutig biographisch. Die perinatalen Matrizen scheinen die Berührungsfläche oder die Grenze zwischen dem Persönlichen und dem Überpersönlichen (Transpersonalen) darzustellen. Dies drückt sich in ihrer engen Verflechtung mit Geburt und Tod aus, mit dem Anfang und dem Ende der individuellen menschlichen Existenz. Die transpersonalen Phänomene decken Verbindungen zwischen Indivi­ duum und Kosmos auf, die wir gegenwärtig mit unserem Verstand nicht begreifen können. Alles, was wir sagen können, ist dies: irgendwann im Prozeß der Ausfaltung der perinatalen Matrizen scheint sich ein seltsamer qualitativer, möbiusartiger Sprung zu vollziehen, durch den sich die tiefe Erforschung des eigenen Unbe­ wußten zu einem Prozeß der abenteuerlichen Reise durch das gesamte Universum verwandelt, zu einem Prozeß, in dem sich etwas manifestiert, was man am besten als kosmisches Bewußtsein oder überbewußten Geist bezeichnen kann. Transpersonale Erfahrungen sind zwar eindeutig mit der mechanisti­ schen Wissenschaft von Grund auf unvereinbar, doch können sie in die revolutionären Entwicklungen in verschiedenen wissenschaftli­ chen Disziplinen, die die Basis für das aufkommende neue Para­ digma bilden, integriert werden. Zu den Disziplinen und theoreti­ schen Konzepten, die zu den drastischen Veränderungen im wissen­ schaftlichen Weltbild wesentlich beigetragen haben, gehören die auf der Quanten- und Relativitätstheorie aufbauende Physik (Capra 1983, 1984), die Astrophysik (Davies 1983), Kybernetik, Informations- und Systemtheorie (Bateson 1981, 1982; Maturana und Va198

rela 1980; Varela 1979), Sheldrakes Theorie der morphischen Reso­ nanz (Sheldrake 1983), Prigogines Untersuchungen an dissipativen Strukturen und sein Konzept der Ordnung durch Fluktuation (Prigogine und Stengers 1981), David Bohms Theorie des »holovement« (Bohm 1985), Karl Pribrams holographisches Modell des Gehirns (Pribram 1971, 1977) sowie Arthur Youngs Prozeß-Theorie (Young 1987). Die oben beschriebene Kartographie der Psyche hat wesentliche Bedeutung für jede ernsthafte Erforschung des psychedelischen Zustands, des Schamanismus, der Religion, der Mystik, der Über­ gangsriten, der Mythologie, der parapsychologischen Phänomene, der Nahtoderfahrungen und der Psychosen. Sie ist nicht nur von akademischem Interesse, sondern hat auch tiefe und revolutionäre Auswirkungen auf das Verständnis psychopathologischer Erschei­ nungen und eröffnet neue therapeutische Möglichkeiten, die für die traditionelle Psychiatrie unvorstellbar sind (Grof 1985).

II. Neue Perspektiven in der Psycho­ therapie und der Selbsterforschung Alles, was existiert, ist verbunden, hat ein gemeinsames Ziel, einen gemeinsamen Atem. Pflanzen, Tiere, Felsen und Men­ schen atmen. Die Erde atmet. Erdmutter Natur ist der sichtbar gewordene Atem des Schöpfers. John Redtail Freesoul, Cheyenne-Arapahoe-Indianer.

A. Prinzipien der holotropen Therapie Die holotrope Strategie der psychotherapeutischen Behandlung ist eine bedeutsame und effektive Alternative zu den traditionellen Ansätzen der Tiefenpsychologie, die sich in erster Linie auf den verbalen Austausch zwischen Therapeut und Klient stützen. Holotrop heißt wörtlich auf Ganzheit abzielend oder sich auf Ganzheit hin bewegend (von den griechischen Wörtern holos = ganz und trepein = sich in der Richtung von etwas bewegen). Diese Strategie beruht auf der grundlegenden philosophischen Annahme, daß der Durch­ schnittsmensch in unserer Kultur sein wahres Potential und seine wahren Fähigkeiten bei weitem nicht nutzt. Diese Verarmung seines Wesens läßt sich auf die Tatsache zurückführen, daß sich der einzelne nur mit einem Aspekt seiner Existenz identifizierf, nämlich mit seinem physischen Körper und seinem Ich. Diese Fehlidentifika­ tion führt zu einer unauthentischen, ungesunden und unerfüllenden Lebensweise und zur Entwicklung emotionaler und psychosomati­ scher Störungen. 201

Die Entwicklung quälender Symptome, die keine organische Grund­ lage haben, kann als Anzeichen dafür gewertet werden, daß der Mensch in seinem unauthentischen In-der-Welt-Sein einen Punkt erreicht hat, an dem dieses offenkundig und somit unhaltbar wird. Ein solcher Zusammenbruch kann in einem bestimmten Lebensbe­ reich eintreten - in der Ehe und im Sexualleben, im Beruf oder in den Dingen, die man ehrgeizig anstrebt - und gleichzeitig das gesamte Leben eines Menschen beeinträchtigen. Ausmaß und Tiefe dieses Zusammenbruchs laufen mehr oder weniger mit der Entwicklung neurotischer und psychotischer Erscheinungen parallel. Die resultie­ rende Situation ist zwar eine Krise oder gar ein akuter Notfall, doch bietet sie auch eine große Chance. Die auftretenden Symptome spiegeln das Bemühen des Organismus wider, sich von alten Streßbelastungen und traumatischen Prägun­ gen zu befreien und auf einem einfacheren Niveau zu funktionieren. Diese Entwicklung ist zugleich ein Prozeß der Entdeckung seiner wahren Identität und der Dimensionen seines Seins, die den einzel­ nen Menschen mit dem gesamten Kosmos verbinden und die Ge­ samtheit der Existenz betreffen. Unter günstigen Umständen und mit erfolgreicher Hilfe kann dieser Prozeß zur radikalen Lösung von Problemen, zu psychosomatischer Gesundung und zu einer Weiter­ entwicklung des Bewußtseins führen. Er sollte deshalb als eine spontane Aktivität mit potentiell äußerst heilender Wirkung verstan­ den werden, den es zu unterstützen, nicht zu unterdrücken gilt. Diese Auffassung von der Natur psychopathologischer Phänomene ist das grundlegende Glaubensbekenntnis der holotropen Thera­ pie. Das Hauptziel der Techniken, die im Rahmen von Selbsterfahrungstherapien angewendet werden, besteht in der Aktivierung des Unbe­ wußten, im Freisetzen der Energie, die in emotionalen und psycho­ somatischen Symptomen gebunden ist, und in der Umwandlung des stationären Gleichgewichts dieser Energie in einen Strom von Erfah­ rungen. Die holotrope Therapie fördert die Aktivierung des Unbe­ wußten in einem so starken Maße, daß sich ein außergewöhnlicher Bewußtseinszustand einstellt. Dieses Prinzip ist in der westlichen Psychotherapie relativ neu. Es ist aber schon seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden in Gebrauch, nämlich in den Prozeduren von 202

Schamanen, in den Heilungszeremonien von Naturvölkern, in Über­ gangsriten, bei Treffen verschiedener ekstatischer Sekten und in den alten Tod- und Wiedergeburtsmysterien. Psychotherapien, in denen man mit bewußtseinsverändernden Tech­ niken von solcher Wirkung arbeitet, lassen sich mit dem personalistischen und biographisch orientierten Modell der gegenwärtigen akademischen Psychiatrie nur unzureichend und unangemessen er­ klären. In solchen Selbsterfahrungstherapien wird häufig schon in der ersten Sitzung offenkundig, daß die Wurzeln psychopathologischer Erscheinungen weit über Erlebnisse in der frühen Kindheit und über das individuelle Unbewußte hinausreichen. Ein entsprechendes therapeutisches Vorgehen wird - hinter den biographischen Ursa­ chen für die Symptome - tiefe Verbindungen mit eindeutig transbio­ graphischen Bereichen der Psyche aufdecken, mit den für die perinatale Ebene charakteristischen Elementen der Konfrontation mit Geburt und Tod sowie mit einem ganzen Spektrum an Faktoren transpersonaler Natur. Geht man deshalb bei der Arbeit mit Selbsterfahrungstechniken von einem engen biographischen Modell aus, so wird man zwangsläufig in seiner therapeutischen Produktivität gehemmt. Eine wirklich effektive Behandlung kann sich nicht auf das Aufarbeiten biographi­ scher Probleme beschränken. Das Modell der Psyche für therapeuti­ sche Ansätze, die auf holotropen Prinzipien basieren, muß deshalb über die Ebene des individuellen Unbewußten hinausgehen und den perinatalen sowie den transpersonalen Bereich miteinbeziehen. Wir können nun die Prinzipien der holotropen Therapie zusammen­ fassen. Das wesentliche Element in ihrem Grundkonzept ist die Erkenntnis des heilenden, transformativen und evolutionären Poten­ tials außergewöhnlicher Bewußtseinzustände. Da die menschliche Psyche in solchen Zuständen spontane Heilungsaktivität zu zeigen scheint, verwendet die holotrope Therapie Techniken, die die Psy­ che aktivieren und diese außergewöhnlichen Bewußtseinszustände herbeiführen. Diese verändern in der Regel das dynamische Gleich­ gewicht, das den Symptomen zugrundeliegt, wandeln sie in einen Strom von ungewöhnlichen Erlebnissen um und lösen sie dabei auf. Die Aufgabe desjenigen, der in diesem heilsamen Prozeß Beistand leistet (der Therapeut im ursprünglichen griechischen Sinn des 203

Wortes), besteht also darin, den Prozeß der Selbsterfahrung mit vollem Vertrauen in seine heilende Wirkung zu unterstützen, also nicht den Versuch zu unternehmen, ihn zu ändern. Wichtig ist, daß der Therapeut oder die Therapeutin den oben beschriebenen Ausfaltungsprozeß unterstützt, auch wenn er bzw. sie ihn im Augenblick überhaupt nicht versteht. Manche hochwirksa­ men transformativen Erfahrungen haben keinerlei spezifischen In­ halt. Sie bestehen aus dem Aufbau gewaltiger Emotionen oder starker physischer Spannungen, die sich hinterher entladen bzw. auflösen. Häufig stellen sich die Erkenntnisse und spezifischen Inhalte erst später im Erfahrungsprozeß oder gar erst in den folgen­ den Sitzungen ein. In manchen Fällen ergibt sich die Lösung der Symptome auf der biographischen Ebene, in anderen in Verbindung mit perinatalen Elementen oder verschiedenen transpersonalen Mo­ tiven. Gelegentlich ist eine dramatische Heilung emotionaler und psychosomatischer Erkrankungen sowie eine tiefgehende und dau­ erhafte PersönlichkeitsWandlung mit Erfahrungen verknüpft, die sich dem rationalen Verstehen vollständig entziehen. Eine solche Situation, die wir in unserem Selbsterfahrungsseminar im EsalenInstitut miterlebten, ist im folgenden beschrieben. Weitere Beispiele für ungewöhnliche therapeutische Wirkungsmechanismen finden sich in einem späteren Abschnitt (siehe S. 283ff). Gladys, die an einem unserer fünf Tage dauernden Workshops teil­ nahm, litt bis zu diesem Zeitpunkt seit vielen Jahren unter schweren Anfällen von Depression, die von heftiger Angst begleitet waren. Diese Anfälle fingen gewöhnlich jeden Morgen nach vier Uhr an und dauerten mehrere Stunden. Es fiel Gladys extrem schwer, ihre Kräfte für den neuen Tag zu sammeln. In der Sitzung mit holotropem Atmen reagierte sie mit einer enormen Mobilisierung ihrer physischen Energie, doch trotz intensiver Körperar­ beit zum Abschluß der Sitzung gelangte sie nicht zu einer befriedigen­ den Lösung. Es war eine Situation, die sehr ungewöhnlich ist, wenn man systematische Anstrengungen unternimmt, um die Verarbeitung der Sitzung zu erleichtern. Am Morgen darauf stellten sich die Depres­ sionen wie gewöhnlich wieder ein, diesmal aber noch viel heftiger als jemals zuvor. In Anbetracht ihres Zustands beschlossen wir, das Pro­ gramm für die Morgensitzung zu ändern und bei ihr unverzüglich Techniken zur direkten Aktivierung des Unbewußten anzuwenden. 204

Wir forderten sie auf, sich in der Mitte der Gruppe hinzulegen, einige tiefe Atemzüge zu tun, sich der Musik, die wir spielten, hinzugeben, und jede Erfahrung zu akzeptieren, die unter diesen Umständen in ihr hochkommen würde. Etwa fünfzig Minuten lang waren bei Gladys heftiges Zittern und andere Anzeichen starker psychomotorischer Erre­ gung zu erkennen. Sie schrie laut und schien gegen unsichtbare Feinde zu kämpfen. Wie sie dann rückblickend erzählte, hatte sie in diesem Teil ihrer Erfahrung ihre Geburt wiedererlebt. Später in der Sitzung wurde ihr Schreien artikulierter und nahm immer mehr Ähnlichkeit mit Worten einer unbekannten Sprache an. Wir ermutigten sie, die Laute, so wie sie kamen, aus sich herauszulassen, ohne sie intellektuell zu beurteilen - auch wenn sie für sie keinen Sinn ergeben würden. Nach und nach wurden ihre Bewegungen extrem stilisiert und ausdrucksstark und sie stimmte einen Gesang an, der sich wie ein inbrünstiges Gebet anhörte. Der Eindruck, den dieses Ereignis auf die Gruppe machte, war extrem stark. Ohne die Worte zu verstehen und ohne zu wissen, was innerlich in Gladys vorging, waren die meisten Gruppenmitglieder tiefbewegt und fingen zu weinen an. Als Gladys ihren Gesang beendet hatte, beruhigte sie sich und verfiel in einen Zustand glückseliger Ekstase, in dem sie völlig regungslos länger als eine Stunde verharrte. Als sie rückblickend über ihre Erfahrung berichtete, sagte sie, sie hätte einen unwiderstehli­ chen Drang zu ihrem Tun verspürt. Sie verstand nicht, was geschehen war, und hatte überhaupt keine Ahnung, in welcher Sprache sie gesun­ gen hatte. Ein argentinischer Psychoanalytiker aber, der an der Gruppe teilnahm, erkannte, daß Gladys in perfektem Sephardisch gesungen hatte, das er zufällig verstand. Diese Sprache - auch Ladino genannt - ist eine Mischung aus mittelalterlichem Spanisch und Hebräisch. Gladys war weder Jüdin noch sprach sie modernes Spanisch. Sie hatte noch nie etwas über Ladino gehört und wußte nicht, daß es existierte. Die wörtliche Übersetzung des Gesangs, der auf die Gruppe eine so gewaltige Wirkung ausgeübt hatte, lautete: »Ich leide und werde immer leiden. Ich weine und werde immer weinen. Ich bete und werde immer beten.« Dieses Ereignis und der tiefgehende Einfluß, den es auf Gladys ausgeübt hatte, blieb Gladys - und auch uns - ein Rätsel. Das wirksamste Mittel zur Herbeiführung außergewöhnlicher Be­ wußtseinszustände und zur Aktivierung der Psyche ist zweifellos die Anwendung psychedelischer Substanzen. Dies ist aber ein sehr 205

radikales Vorgehen, das mit potentiell schweren Gefahren verbun­ den ist. Es bedarf deshalb besonderer Vorsichtsmaßregeln, be­ stimmter Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der Einhaltung einer Reihe strenger Regeln. Ich möchte in diesem Rahmen die Prinzipien der psychedelischen Therapie nicht erörtern und verweise interes­ sierte Leser auf meine früheren, speziell diesem Thema gewidmeten Veröffentlichungen (Grof 1978, 1983, 1985). Es dürfte von größe­ rem Nutzen und angemessener sein, das Augenmerk auf nichtphar­ makologische Techniken zu richten. Diese sind all denen ohne weiteres zugänglich, die mit ihnen experimentieren wollen, und beschwören keine komplizierten politischen, administrativen und juristischen Probleme herauf. Diejenigen, für die die Parallelen zur psychedelischen Therapie von besonderer Wichtigkeit sind, finden im Anhang dieses Buches einen kurzen Überblick über'die wichtig­ sten psychedelischen Pflanzen und Substanzen sowie über ihre Anwendung im rituellen und therapeutischen Rahmen. In den letzten zehn Jahren haben meine Frau Christina und ich eine hochwirksame Methode entwickelt, die ohne Pharmaka auskommt. Wir nennen sie holonome Integration oder holotrope Therapie. Wie schon oben erörtert, ist die holotrope Strategie der therapeutischen Behandlung in ihrem weitesten Sinn charakteristisch für viele ver­ schiedene Vorgehens weisen, für bestimmte Prozeduren von Scha­ manen, für Heilungszeremonien von Naturvölkern, für den heilen­ den Trancetanz der !Kung-Buschmänner und anderer Gruppen, für Übergangsriten, für die psychedelische Therapie, für bestimmte Formen von Hypnose und andere Selbsterfahrungstherapien sowie für verschiedene spirituelle Praktiken. Ich möchte aber gern den Begriff holotrope Therapie für unsere Behandlungsmethode reser­ vieren, in der kontrolliertes Atmen, Musik und andere Formen der Klangtechnologie sowie gezielte Körperarbeit kombiniert sind. Im folgenden werde ich dieses Vorgehen beschreiben, indem ich genau auf seine verschiedenen Elemente eingehe.

206

1. Therapeutische Auswirkungen des intensiven Atmens (Pneumokatharsis) Seit Jahrhunderten ist bekannt, daß man tiefgreifende Bewußt­ seinsveränderungen mit Hilfe von Techniken herbeiführen kann, die das Atmen beeinflussen. Die Prozeduren, die zu diesem Zweck von verschiedenen alten und nichtwestlichen Kulturen angewendet wor­ den sind, haben sehr unterschiedlichen Charakter. Drastische Störun­ gen des Atemvorgangs finden sich ebenso wie - in den verschiedenen spirituellen Traditionen - feine und sorgfältig durchdachte Übungen. So gehörte zu der ursprünglichen Form der Taufe, wie sie von den Essenern praktiziert wurde, ein gewaltsames Eintauchen des Täuf­ lings in Wasser, das diesen gewöhnlich bis an den Rand des Todes durch Ertrinken brachte. Diese drastische Prozedur rief also eine sehr überzeugende Tod- und Wiedergeburtserfahrung hervor. Wie weit ist doch die heutige Form der Taufe davon entfernt, bei der der Täufling lediglich mit etwas Wasser bespritzt und dabei eine Formel gespro­ chen wird. In anderen Gruppen wurden die Neugetauften durch Rauch, Strangulation oder Zusammendrücken der Halsschlagadern bis an den Rand des Erstickens gebracht. Tiefgreifende Bewußt­ seinsveränderungen können durch Hyperventilation, längeres Anhal­ ten des Atems oder durch eine Kombination aus beidem bewirkt werden. Sehr komplizierte und fortgeschrittene Methoden dieser Art finden sich in der alten indischen Wissenschaft vom Atmen, dem pranayama. Spezielle Techniken, bei denen der Atem intensiviert oder angehalten wird, sind auch Teil verschiedener Übungen im Kundalini-Yoga, im Siddha-Yoga, im tibetischen Vajrayana, in der Sufi-Praxis, in der burmesisch-buddhistischen und taoistischen Meditation und vielen anderen. Verfeinerte Techniken, in denen der Schwerpunkt auf der Bewußtwerdung des Atmens statt auf Atemveränderungen ruht, spielen eine bedeutende Rolle im Soto-Zen sowie in bestimmten taoistischen und christlichen Praktiken. Der Atemrhythmus kann auch auf indirekte Weise stark beeinflußt werden, nämlich bei der Ausführung bestimmter Riten wie dem balinesischen Affengesang oder Ketjak, bei der Kehlenmusik der Inuit-Eskimos sowie beim Singen von Kirtans, Bhajans oder Sufi-Gesängen. 207

Wir selber haben - insbesondere im Rahmen unserer monatelangen Seminare im Esalen-Institut in Big Sur, Kalifornien - mit verschie­ denen Atemtechniken experimentiert, die sowohl aus den spirituel­ len Traditionen als auch aus den Selbsterfahrungstherapien der humanistischen Psychologie stammen. Dabei sind wir zu folgendem Schluß gelangt: eine spezielle Atemtechnik ist weniger bedeutend als die Tatsache, daß der Klient schneller und effektiver als gewöhn­ lich atmet und dabei das Bewußtsein voll auf die innerpsychischen Vorgänge richtet. Zu den allgemeinen Strategien in der holotropen Therapie gehört nämlich, der im Körper wohnenden Weisheit zu vertrauen. Die Klienten sollten deshalb ermutigt werden, auf die inneren Signale aus dem Organismus zu achten statt ihr Handeln nach irgendeinem theoretisch zurechtgelegten Schema auszurichten. Wir konnten wiederholt die Beobachtung von Wilhelm Reich bestä­ tigen, daß psychische Widerstände und Abwehrmechanismen über die Blockierung des Atems wirken. Die Atmung nimmt unter den physiologischen Körperfunktionen eine deutliche Sonderstellung ein. Sie ist eine autonome Funktion, kann aber leicht durch den Willen beeinflußt werden. Die Beschleunigung des Atemrhythmus und die Erhöhung der Wirksamkeit des Atmens baut in der Regel die psychischen Abwehrmechanismen ab und bewirkt eine Freisetzung und Bewußtwerdung unbewußten (und überbewußten) Materials. Diesen Vorgang muß man schon bei anderen oder an sich selber erlebt haben, denn aufgrund theoretischer Kenntnisse allein fällt es schwer, an die Wirksamkeit dieser Technik zu glauben. Was im Verlauf einer Sitzung mit Hyperventilation geschieht, ist von Person zu Person sehr unterschiedlich. Es lassen sich deshalb nur allgemeine Aussagen darüber machen. In manchen Fällen führt längeres Hyperventilieren zu zunehmender Entspannung, zu einem Gefühl der Ausbreitung und des Wohlbefindens und zu Visionen von Licht. Der oder die Betreffende kann von Gefühlen der Liebe und der mystischen Vereinigung mit anderen Menschen, mit der Natur, mit dem gesamten Kosmos und mit Gott durchdrungen werden. Erfahrungen dieser Art haben eine extrem heilsame Wir­ kung. Man sollte deshalb den Klienten oder die Klientin dazu ermutigen, sie sich entwickeln zu lassen. Darüber sollte in der Vorbereitungsphase gesprochen werden. 208

Es ist erstaunlich, wie viele Menschen in den westlichen Kulturen aufgrund starker, durch den Protestantismus eingegebener ethischer Bedenken oder aus anderen Gründen eminente Schwierigkeiten haben, ekstatische Erfahrungen zu akzeptieren, wenn sie nicht auf Leid oder harte Arbeit folgen - und selbst dann noch. Sie meinen vielleicht, sie hätten sie nicht verdient, und reagieren auf sie mit Schuldgefühlen. Wenn dies geklärt wird und der oder die Betref­ fende die Erfahrung akzeptiert hat, dann kann die Sitzung von Anfang bis Ende ohne das geringste Eingreifen des Therapeuten ablaufen und extrem nützlich und produktiv sein. Die Wahrschein­ lichkeit eines solchen glatten Verlaufs nimmt mit zunehmender Anzahl holotroper Sitzungen zu. In den meisten Fällen aber bewirkt das Hyperventilieren zunächst mehr oder weniger dramatische Erscheinungen in Form von heftigen Emotionen und psychosomatischen Beschwerden. Ehe ich auf die Verwendung des Atmens für therapeutische Zwecke eingehe, scheint es - speziell im Hinblick auf Leser mit medizinischen Vorkenntnissen- angebracht und notwendig, ein paar Worte über gewisse falsche Vorstellungen von der Hyperventilation zu sagen, die tief im westlichen medizinischen Modell verwurzelt zu sein scheinen. Die Lehrbücher der Physiologie beschreiben das soge­ nannte Hyperventilationssyndrom, eine angeblich automatische physiologische Reaktion auf schnelles Atmen. Hierzu gehören vor allen Dingen die berühmten karpopedalen Spasmen - tetanische Verkrampfungen der Hände und Füße. Die Symptome des Hyperventilationssyndroms werden gewöhnlich als pathologisch gewertet und mit biochemischen Veränderungen in der Blutzusammensetzung - einem höheren alkalischen Gehalt und einer herabgesetzten Ionisierung von Kalzium - erklärt. Es ist auch wohlbekannt, daß bestimmte psychiatrische Patienten gelegentlich spontan hyperventilieren und dabei dramatische emotionale und psychosomatische Erscheinungen zeigen. Dies kommt besonders häufig bei hysterischen Patienten vor. In solchen Fällen ist es üblich, Tranquilizer, intravenöse Injektionen mit Kalzium und eine Papier­ tüte zu verwenden, die man über das Gesicht des oder der Betreffen­ den stülpt, um die Entleerung von Lungenkohlendioxyd zu verhin­ dern. 209

Wir haben nun das holotrope Atmen mit vielen Tausenden von Menschen praktiziert und dabei festgestellt, daß die Vorstellungen von den Auswirkungen der Hyperventilation nicht zutreffen. Es gibt viele Personen, bei denen selbst massives Hyperventilieren über längere Zeit nicht zum klassischen »Hyperventilationssyndrom« führt, sondern zu zunehmender Entspanntheit, intensiven sexuellen Empfindungen oder gar zu mystischen Erlebnissen. Bei anderen bauen sich Spannungen in verschiedenen Teilen ihres Körpers auf, aber in Mustern, die sich von den »karpopedalen Spasmen« sehr unterscheiden. Außerdem führt weiteres Hyperventilieren nicht zu einer allmählichen Zunahme dieser Spannungen, sondern zu einem Punkt maximaler Spannung, auf den tiefe Entspannung folgt. Dieser Verlauf hat in der Regel Ähnlichkeit mit einem sexuellen Orgas­ mus. Außerdem ist nach mehreren holotropen Sitzungen eine allgemeine Tendenz in Richtung auf zunehmenden Abbau von Muskelspannun­ gen und von problematischen Emotionen zu beobachten. Dabei geschieht offenbar folgendes: der Organismus reagiert auf die verän­ derte biochemische Situation damit, daß er verschiedene tiefsitzende Spannungen in Form von mehr oder weniger stereotypisierten Mu­ stern an die Oberfläche bringt und sich von ihnen durch periphere Entladung befreit. Dieses Eliminieren oder Reduzieren aufgestauter Energien in holotropen Sitzungen kann sich auf zweierlei Weise vollziehen. Die erste ist die Form der Katharsis und des Abreagierens, zu dem Zittern, Zuckungen, dramatische Körperbewegungen, Husten, Würgen, Erbrechen, Schreien und andere stimmliche Äußerungen oder eine gesteigerte Aktivität des autonomen Nervensystems gehö­ ren. Dieser therapeutische Mechanismus der Katharsis ist in der traditionellen Psychiatrie wohlbekannt, seitdem Sigmund Freud und Joseph Breuer ihre Studien über Hysterie veröffentlichten. Er ist im herkömmlichen Rahmen vor allen Dingen bei der Behandlung traumatischer Neurosen eingesetzt worden und wird sehr häufig auch in den neuen Selbsterfahrungstherapien angewendet, etwa von den Neo-Reichianem, den Gestalttherapeuten und den Primärthera­ peuten. Wenn man diesen Mechanismus nicht auf die biographische Ebene beschränkt, sondern ihm gestattet, auch auf die perinatale und 210

Abb. 6: Aus einer vierteiligen Bildfolge über eine starke Tod-WiedergeburtErfahrung während einer Sitzung mit holotropem Atmen: Identifikation mit archetypischen Figuren und Motiven, darunter die Große Muttergöttin sowie (hier) Shiva-Nataraja, der »Herr des Tanzes«.

transpersonale Ebene überzugreifen, dann erweist er sich als ein sehr effektives Mittel für den Abbau emotionaler und psychisch beding­ ter körperlicher Spannungen. Der zweite Mechanismus verkörpert ein Prinzip, das in der Psychia­ trie und Psychotherapie neu ist, das aber in vielerlei Hinsicht noch effektiver und interessanter erscheint. Die tiefsitzenden Spannungen gelangen in Form von länger anhaltenden Kontraktionen und Spas­ men an die Oberfläche. Durch die Aufrechterhaltung eines solchen Grades muskulärer Anspannung über längere Zeiträume verbraucht der Organismus enorme Mengen an aufgestauter Energie und ver­ einfacht seine Funktionsweise, indem er sie los wird. Diese zwei Mechanismen haben Parallelen in der Sportphysiologie, in der man weiß, daß man Muskeln auf zwei verschiedene Weisen betätigen und trainieren kann, nämlich auf die isotonische und die isometrische Weise. Wie schon die Bezeichnungen andeuten, bleibt 211

bei isotonischen Übungen der Spannungsgrad der Muskeln kon­ stant, während ihre Länge schwankt, wohingegen isometrische Übungen dadurch charakterisiert sind, daß sich die Spannung der Muskeln verändert, ihre Länge aber die ganze Zeit konstant bleibt. Ein gutes Beispiel für isotonische Aktivität ist das Boxen, während das Gewichtheben eindeutig eine isometrische Aktivität darstellt. Trotz ihrer äußerlichen Unterschiede haben diese beiden Mechanis­ men viel gemeinsam. In der holotropen Therapie ergänzen sie einander in sehr effektiver Weise. Ein typisches Ergebnis einer guten holotropen Sitzung ist tiefe emotionale Erleichterung und körperliche Entspannung. Viele Per­ sonen berichten, daß sie sich in einer solchen Sitzung entspannter gefühlt haben als jemals zuvor in ihrem Leben. Das längere Hyper­ ventilieren ist somit letztlich eine äußerst effektive Methode der Streßreduktion, die zu emotionaler und psychosomatischer Gesun­ dung führt. Das spontane Hyperventilieren psychiatrischer Patienten kann also als ein Versuch zur Selbstheilung verstanden werden. Diese Auffassung findet sich auch in der spirituellen Literatur. Im Siddha- und Kundalini-Yoga wird das bewußte Hyperventilieren (bastrika) als eine Meditationstechnik von mehreren eingesetzt. Rasches Atmen tritt häufig auch spontan als eine der Manifestatio­ nen von Shakti (der aktivierten Kundalini-Energie) auf, die man als Kriyas bezeichnet. Diese Beobachtungen legen nahe, daß man spontan auftretendes rasches Atmen bei psychiatrischen Patienten unterstützen sollte statt es mit allen möglichen Mitteln zu unterdrükken. Die Erfahrungen, die sich im Verlauf holotroper Sitzungen einstel­ len, sind von Person zu Person sehr verschieden. Auch die Sitzungen ein- und derselben Person unterscheiden sich erheblich voneinander. Wie schon früher erwähnt, können sie manchmal von Anfang bis Ende frei von irgendwelchen heftigen emotionalen Reaktionen und psychosomatischen Beschwerden sein. In den meisten Fällen aber kommt es aufgrund der Hyperventilation zunächst einmal zu mehr oder weniger dramatischen Erscheinungen. Über kurz oder lang setzen heftige emotionale Reaktionen ein und entwickeln sich ste­ reotype Muster der muskulären Panzerung. Die unter diesen Umständen auftretenden Emotionen können ver­ 212

schiedenartigster Natur sein. Am häufigsten sind Wut und Agressionen, Angst, Traurigkeit und Depressionen, Versagens- und Minder­ wertigkeitsgefühle, Schuldgefühle und Ekel. Körperlich können zu den Muskelspannungen noch andere Erscheinungen hinzukommen: Kopfschmerzen und Schmerzen in anderen Körperregionen, Wür­ gen, Übelkeit und Erbrechen, erhöhte Speichelabsonderung, Schwitzen, sexuelle Empfindungen und verschiedene motorische Bewegungen. Manche Menschen bleiben ruhig, nahezu bewegungslos. Sie können sehr intensive Erlebnisse haben, machen aber auf den Beobachter den Eindruck, daß nichts in ihnen vorgeht oder daß sie schlafen. Andere sind erregt und zeigen eine gesteigerte motorische Aktivität. Sie schütteln sich heftig und machen komplizierte Verrenkungen, rollen sich auf dem Boden herum oder schlagen um sich, nehmen fötale Positionen ein, benehmen sich, als würden sie während der Geburt durch den Geburtskanal gedrückt oder sehen wie Neugebo­ rene aus oder verhalten sich so. Recht häufig sind auch Kraul-, Schwimm-, Schaufel- oder Kletterbewegungen. Dabei können die verschiedenartigsten Laute produziert werden: Seufzen, Jammern, Weinen, Schreien, Kleinkindgebrabbel, Schnattern, spontanes Sin­ gen, Reden in Zungen, Fluchen und die unterschiedlichsten Tier­ laute. Manchmal können die Bewegungen und Gesten extrem verfeinert, komplex, differenziert und spezifisch sein. Hierzu gehören bei­ spielsweise seltsame tierische Bewegungen, die an solche von Schlangen, Vögeln oder Raubkatzen erinnern und von den entspre­ chenden Lauten begleitet sind. Gelegentlich nehmen die Klienten spontan Yogahaltungen (Asanas) ein und führen Yogagesten (Mu­ dras) aus, die sie bewußt nicht kennen. In anderen Fällen können solche automatischen Bewegungen und/oder Laute die Form von rituellen Tänzen oder anderen Verhaltensweisen fremder Kulturen annehmen. Beispiele dafür wären Heilriten von Schamanen, javanesische Tänze, der balinesische Affengesang, symbolische Bewegun­ gen der indischen Kathakali- oder Manipuri-Tanzschule, die Keh­ lenmusik der Inuit-Eskimos, das multivokale und Obertonsingen der Tibeter und Mongolen, oder die Stimm-Modulation des japanischen Kabukitheaters. 213

Während des Atmens bauen sich in der Regel auch Spannungen in bestimmten Teilen des Körpers auf. Sie sind keineswegs einfache physiologische Reaktionen auf das Hyperventilieren, sondern besit­ zen eine komplexe psychosomatische Struktur. Sie sind von Person zu Person sehr verschieden und haben gewöhnlich für den einzelnen eine bestimmte psychische Bedeutung. Manchmal handelt es sich um intensivere Formen von Spannungen und Schmerzen, die der oder die Betreffende aus dem Alltagsleben kennt - entweder als chronische Beschwerden oder als Symptome, die sich unter be­ stimmten Bedingungen einstellen, etwa unter heftigem emotionalen oder physischen Streß, bei extremer Müdigkeit, bei Schlafmangel, bei Schwächung durch eine Krankheit oder nach dem Genuß von Alkohol oder Marihuana. Manchmal erkennt man in diesen Span­ nungen und Schmerzen solche wieder, unter denen man früher im Säuglingsalter, in der Kindheit, in der Pubertät oder bei starkem emotionalem Streß litt. In den meisten Fällen kann man die spezifischen biographischen, perinatalen oder transpersonalen Ursachen der verschiedenen psy­ chosomatischen Beschwerden während des holotropen Atmens auf­ decken oder zumindest den allgemeinen psychologischen Sinn die­ ser Beschwerden erkennen. Im folgenden möchte ich beschreiben, in welchen Körperregionen sich in holotropen Sitzungen physische Spannungen bevorzugt entwickeln und welche typische psychologi­ sche Bedeutung sie haben. Es sei betont, daß diese Aussagen auf Beobachtungen an einer Vielzahl von Personen in einer großen Anzahl von Sitzungen beruhen. In einer einzelnen Sitzung wird der Klient nur einen Teil der beschriebenen Erscheinungen zeigen, manchmal sogar nur einen sehr geringen. Wenn sich die Spasmen in den Händen und den Füßen entwickeln (es sich also um die »karpopedalen Spasmen« im Sinne der her­ kömmlichen Medizin handelt), dann kommt darin in der Regel ein tiefer Konflikt zwischen starken Impulsen zu bestimmten Handlun­ gen und etwa gleich starken hemmenden Tendenzen zum Ausdruck. Es ist somit ein dynamisches Gleichgewicht vorhanden, das durch gleichzeitige Aktivierung der Streck- und Beugemuskeln entsteht. Viele Personen, bei denen sich diese Spasmen einstellen, haben nach eigenen Angaben das Gefühl, schon ein Leben lang (oder sogar 214

noch länger) Aggressionen zu verdrängen, Impulse zum Zugehen auf andere Menschen zurückzuhalten oder sexuelle Neigungen zu unterdrücken. Manchmal können schmerzliche Spannungen dieser Art blockierte kreative Impulse repräsentieren, etwa den Impuls zu malen, zu schreiben, zu tanzen, ein Musikinstrument zu spielen, etwas Künstlerisches mit den Händen zu formen oder mit ihnen zu heilen. In diesem Zusammenhang kann man gewöhnlich tiefe Einblicke in die Art des Konflikts gewinnen, der den Spannungen zugrundeliegt, und seine biographischen, perinatalen oder transpersonalen Wurzeln erkennen. Im weiteren Verlauf des holotropen Atmens erreichen die Spannungen in der Regel einen Kulminationspunkt, auf den tiefe Erleichterung folgt. Wenn dies geschieht, dann hat der oder die Betreffende das Empfinden, die energetische Blockierung sei aufge­ hoben worden und die Energie könne nun frei durch die Hände fließen. Wie wir im Laufe der Jahre wiederholt beobachten konnten, folgte auf das subjektive Empfinden des Lösens der Blockierung eine außerordentliche Befreiung des verdrängten Impulses, der den Spasmen zugrundelag. Die Betreffenden entdecken häufig bei sich kreative Ausdrucksmöglichkeiten und zeigen bemerkenswerte Lei­ stungen im Malen, Tanzen, Schreiben, in der Handarbeit und in heilenden Aktivitäten. Die Aufhebung der energetischen Blockierung in den Händen hat bestimmte medizinische Folgen. Man kann die Regel aufstellen, daß ein energetisch blockierter Körperbereich ungenügend durchblutet ist. Menschen, bei denen sich während des holotropen Atmens starke Spannungen in den Extremitäten entwickeln, leiden gewöhn­ lich auch im alltäglichen Leben unter schlechter Durchblutung und beklagen sich häufig über kalte Füße oder kalte Hände. Das Lösen der energetischen Blockierung kann zu einer dramatischen und dauerhaften Verbesserung der Durchblutung führen. Wir haben schon bei mehreren Gelegenheiten solche Fälle von Besserung bei Menschen beobachtet, die an extremen Durchblutungsstörungen mit der Diagnose Raynaudsche Krankheit litten. Eine andere wichtige Ursache für muskuläre Spannungen sind Erinnerungen an frühere Körperverletzungen, die durch Operatio­ nen oder Unfälle entstanden. Als man damals unter den entsprechen­ 215

den Schmerzen litt, mußte man - häufig über lange Zeit - die emotionalen und physischen Reaktionen auf diese Schmerzen unter­ drücken. Während des Heilungsprozesses wurden diese Körpertrau­ men anatomisch korrigiert, ihre emotionalen Komponenten aber nicht durchgearbeitet und angemessen integriert. Erinnerungen an solche Situationen stellen bedeutsame unvollständige Gestalten im psychologischen Sinn dar. Sie können entscheidend an der Entste­ hung zukünftiger psychischer Probleme mitwirken. Umgekehrt aber kann die Konfrontation mit ihnen im Rahmen einer Selbsterfahrungstherapie zu emotionaler und psychosomatischer Gesundung führen. Spannungen in den Beinen und Füßen haben eine ähnliche dynami­ sche Struktur wie die in den Armen und Händen, nur eine weniger komplexe. Dies spiegelt die Tatsache wider, daß die Beine und die Füße weit weniger spezialisiert sind als die Arme und die Hände und im menschlichen Leben eine sehr viel einfachere Rolle spielen. Viele Spannungen in den Beinen und Füßen stehen in Zusammen­ hang damit, daß sie insbesondere in den frühen Lebensjahren als Aggressionsinstrumente gebraucht wurden. Spannungen und Spas­ men in den Oberschenkeln und im Gesäß weisen speziell bei Frauen häufig auf sexuelle Abwehrmechanismen, Ängste und Hemmungen hin. Ein veralteter anatomischer Begriff für einen der Adduktoren der Oberschenkel war tatsächlich »Hüter der Jungfräulichkeit« musculus custos virginitatis. Viele Spannungen in den Beinen lassen sich auf physische Traumen zurückführen. Auf einer tieferen Ebene stehen die dynamischen Konflikte, die die Spannungen in Armen, Beinen und vielen anderen Körperteilen hervorrufen, mit den dramatischen Umständen während der biologi­ schen Geburt im Zusammenhang. Hier ist der Organismus des Kindes häufig über mehrere Stunden einer Situation hilflos ausge­ setzt, die mit massiver Todesangst, extremen Schmerzen und großer Atemnot verbunden ist. Auf diese Weise wird eine gewaltige Erre­ gung des Organismus bewirkt, für die es keine Möglichkeit der Abfuhr nach außen gibt, da das Kind nicht richtig atmen, nicht schreien, sich nicht bewegen oder nicht entfliehen kann. Die blokkierte Energie, die so im Organismus gespeichert worden ist, betrifft gleichermaßen die Streck- und Beugemuskeln. Wenn sich dieser 216

dynamische Konflikt verspätet nach außen entlädt, manifestiert er sich in Form heftiger und oft schmerzlicher Spasmen. Gelegentlich können Spannungen in den Armen und Beinen auch auf noch tiefere Ursachen transpersonaler Natur, insbesondere auf Erlebnisse in früheren Inkarnationen, zurückgeführt werden. Interessanterweise treten viele Spannungen, die die übrigen Kör­ perteile betreffen, in den Bereichen auf, wo nach Auffassung der tantrischen Systeme die Zentren der psychischen Energie im fein­ stofflichen Körper, die sogenannten Chakras, sitzen (eine ausführ­ lichere Beschreibung dieser Zentren siehe S. 147). Dies überrascht nicht besonders, da ja eine Ähnlichkeit zwischen der Technik der holotropen Therapie und den Übungen in der tantrischen Tradition besteht, insofern nämlich, als in diesen dem Atem sorgfältige Beachtung geschenkt wird. Eine energetische Blockierung im Bereich des Kopfes (dort, wo sich das Kronenzentrum, der tausendblättrige Lotos oder das SahasräraChakra befindet) äußert sich im Regelfall in Form eines heftigen Druckgefühls. Die Betreffenden haben häufig das Empfinden, ihr Kopf würde von einem festen Stahlband zusammengeschnürt. Dieses Empfinden stellt sich besonders oft bei Personen ein, die immer wieder unter Spannungskopfschmerzen, Kopfdruck oder Migräne leiden. Die häufigste und recht offensichtliche Verbindung dieser Beschwerden mit der Geburt besteht darin, daß der zarte Kopf des Kindes durch den enormen Druck der Gebärmutterkontraktionen in die Beckenöffnung gepreßt wurde. Gelegentlich kann es auch Ver­ bindungen zu Erinnerungen an Kopfverletzungen geben, die man im Laufe seines Lebens oder in einer früheren Inkarnation erlitten hat. Die Blockierung im Bereich des Augenbrauenzentrums, des AjnaChakras, äußert sich beim holotropen Atem in Form heftiger Span­ nungsgefühle oder sogar Schmerzen um die Augen, die manchmal mit einem Flattern der Augenlider einhergehen. Diese Beschwerden treten besonders häufig in Sitzungen von Personen auf, die im normalen Leben unter Sehschwierigkeiten leiden. Manche dieser Schwierigkeiten - etwa bestimmte Formen von Kurzsichtigkeit können durch eine chronische Verspannung der Augenmuskeln hervorgerufen werden. Lösen sich diese Spannungen im Laufe der Therapie, dann kann eine weitgehende Besserung dieser Beschwer­ 217

den eintreten. Solche Besserungen sind aber nur zu erwarten, wenn die betreffende Person nicht viel älter als dreißig Jahre ist und die Veränderungen noch nicht organisch und damit irreversibel gewor­ den sind. Bei den biographischen Ursachen für Beschwerden dieser Art han­ delt es sich in der Regel um Situationen in den ersten Lebensjahren, in denen die betreffende Person gezwungen war, Dinge zu sehen, die sie nicht sehen wollte, noch nicht verarbeiten konnte oder als extrem beängstigend empfand. Eine klassische Situation dieser Art wäre die, daß das Kind in einer Familie aufgewachsen ist, in der ein Eltemteil Alkoholiker war und sich dadurch täglich erschütternde Szenen abspielten. Ebenso wären an dieser Stelle die berühmten »Urszenen« im Sinne Freuds zu erwähnen, in denen das Kind den Geschlechtsakt von Erwachsenen miterlebte. Wie schon bei den Beschwerden in anderen Körperregionen ist auch hier eine wesentli­ che Ursache für aufgestaute Energien das Geburtstrauma. Weniger häufig finden sich Verbindungen mit Erinnerungen an Augenverlet­ zungen, die dann sehr oft den Charakter von Erinnerungen an frühere Inkarnationen haben. Der Bereich um das Kehlzentrum oder Visuddha-Chakra ist der Sitz von starken Blockierungen bei vielen Menschen. Die therapeutische Arbeit an diesen Blockierungen bringt besondere Probleme mit sich, die später erörtert werden sollen. Während des holotropen Atmens äußern sich diese Blockierungen in Form von Verspannungen der Muskeln im Mundbereich, insbesondere der Kaumuskeln. Hinzutre­ ten können noch Kinnbackenkrämpfe, das Gefühl, daß die Kehle zugeschnürt sei, sowie das subjektive Empfinden, dem Ersticken nahe zu sein. Mit diesen Blockierungen sind sehr häufig Erinnerun­ gen an traumatische Situationen verknüpft, in denen die Versorgung mit Sauerstoff bedroht war. Dazu gehören eine Lungenentzündung im Kindesalter, Keuchhusten, Diphtherie, Situationen, in denen man beinahe ertrunken wäre, und das Einatmen eines Fremdkörpers. Häufig finden sich auch Erinnerungen an Aggressionen von seiten der Eltern oder ihrer Stellvertreter, von älteren Geschwistern, von Gleichaltrigen oder von anderen Personen, in denen diese den Betreffenden im wahrsten Sinne des Wortes »an die Gurgel gin­ gen«. 218

Konflikte im Zusammenhang mit extremen oralen Aggressionen können ebenfalls im wesentlichen Maße zu Beschwerden in dieser Körperregion beitragen. Dahinter können emotionale Vernachlässi­ gung und orale Frustrationen durch unbefriedigende Eingriffe im Bereich des Mundes, des Rachens und des Kehlkopfs stehen. Als charakteristische Beispiele wären hier zu nennen die Schmerzen beim Zahnen, gefühllose Eingriffe eines Zahnarztes, die Anwen­ dung sehr starker Desinfektionslösungen und die berüchtigte Man­ deloperation (Tonsillektomie). Am häufigsten aber lassen sich orale Aggressionen, Kinnbacken­ krämpfe und Atemnot zur biologischen Geburt und ihre verschiede­ nen Komplikationen oder auf eine Intubation und andere Eingriffe unmittelbar nach der Geburt zurückverfolgen. Eine andere häufige Ursache für Beschwerden im Kehlenbereich sind Erinnerungen an frühere Inkarnationen, in denen man gewürgt, stranguliert oder erhängt wurde. Es besteht auch die Möglichkeit, daß weniger auffällige, aber dennoch bedeutsame Konflikte in bezug auf die Äußerung verbaler Aggressionen bestehen. In Extremfällen kann verdrängte orale Wut zu Stottern führen. Als nächstes kommt das Herzzentrum oder Anähata-Chakra, das nach traditioneller Auffassung der Sitz der Liebe, des Mitgefühls und der spirituellen Wiedergeburt ist. Jemand mit einer starken Blockierung in diesem Bereich wird während des holotropen At­ mens starke Beklemmungen im Brustbereich spüren, die manchmal von Herzbeschwerden begleitet sind. Der oder die Betreffende hat dann das Gefühl, ein Stahlband würde sich fest um den Brustkorb spannen. Am häufigsten sind damit Erinnerungen an Situationen verbunden, die den freien emotionalen Austausch zwischen der betreffenden Person und anderen Menschen behindert haben. Bei manchen kann dies in erster Linie zu Schwierigkeiten führen, zu »geben« oder Gefühle auszudrücken, bei anderen zu einer Unfähig­ keit zu »nehmen«. In schweren Fällen können sowohl Geben als auch Nehmen beeinträchtigt sein. Wird diese Blockierung nach vorübergehender Intensivierung ge­ löst, dann hat die betreffende Person das Gefühl, von Liebe und Licht überflutet zu werden und eine große emotionale Befreiung zu erleben. Sie wird von Wärme und einem tiefen Mitgefühl mit 219

anderen Menschen, sogar mit Fremden, durchströmt (siehe den Bericht über eine holotrope Atemsitzung S. 148). Damit einher geht das Empfinden, daß die Emotionen und die Energie frei fließen, und es erwacht das Bewußtsein, daß man zu den anderen gehört. Dieselbe tiefe Verbundenheit kann auch in bezug auf Tiere, auf die Natur als Ganzes und auf den gesamten Kosmos erlebt werden. Manchen Menschen kommt es dann rückblickend so vor, als hätten sie bisher wie hinter einem Glaszylinder oder einem unsichtbaren Film gelebt, der sie von der übrigen Welt getrennt hat. Eine solche Erfahrung der Öffnung des Herzchakras kann extrem heilsam sein und einen gewaltigen Einfluß auf das weitere Leben des betreffen­ den Menschen ausüben. Gewöhnlich ist ihr eine bedeutende numinose Dimension eigen, und sie wird als spirituelle oder mystische Erfahrung beschrieben. Die Blockierung des Nabelzentrums oder Manipüra-Chakra äußert sich beim holotropen Atmen in Form von Spannungen, Spasmen und Schmerzen in der Nabelgegend. In der Regel findet sich ein Bezug zum Ehrgeiz, zum Willen zur Macht, zu Selbstbehauptung, Konkurrenzhaltung und zu speziellen Problemen in Verbindung mit dem Selbstbild und der Selbstachtung. Charakteristisch für diese Probleme sind Schwankungen zwischen einem Gefühl der Minder­ wertigkeit, der Unzulänglichkeit und der kindlichen Hilflosigkeit auf der einen Seite und kompensatorischen Größenphantasien, un­ realistischen Ambitionen und autokratischen oder machoartigen Tendenzen auf der anderen Seite. Diese Kombination aus Minder­ wertigkeitsgefühl und Machtwille steht im Zentrum der Individu­ alpsychologie von Alfred Adler. Es kann bedeutsame Verbindungen zu Erlebnissen in früheren Lebensjahren geben, in denen Sicherheit, Bedürfnisbefriedigung und Überleben der betreffenden Person ernsthaft gefährdet waren. Die häufigste Ursache für diese Probleme ist aber das Trauma der biologischen Geburt, insbesondere die Situationen, in der die Nabelschnur zusammengepreßt, übermäßig gedehnt oder zum Zeitpunkt der Separation von der Mutter durch­ trennt wurde. Sehr oft finden sich auch Verbindungen zu Erinnerun­ gen an frühere Inkarnationen. Das Sexualzentrum oder Svadisthana-Chakra liegt unterhalb des Nabels. Blockierungen in dieser Region rufen während des holotro220

pen Atmens intensive sexuelle Erregung sowie verschiedene Spas­ men und Schmerzen in den Genitalien und im Becken hervor. Wie schon die Bezeichnung dieses Chakras vermuten läßt, sind die Hauptprobleme, die solche Blockierungen bedingen, sexueller Na­ tur. Es handelt sich dabei um frühere Erlebnisse, die zur Unfähigkeit führten, eine Erektion zu entwickeln oder zu halten und einen befriedigenden Orgasmus zu erleben, die Frigidität, Satyriasis, Nymphomanie, sadomasochistische Neigungen und - bei Frauen schmerzhafte Krämpfe während der Menstruation hervorriefen. Es gibt aber tiefere Zusammenhänge mit der biologischen Geburt (mit dem sexuellen Aspekt der dritten perinatalen Grundmatrix) und häufig auch mit archetypischen Motiven sowie mit Erinnerungen an frühere Inkarnationen. Das Wurzelzentrum oder Muladhära-Chakra schließlich hat vor allem Bezug zu analen Elementen. Die Arbeit an Blockierungen im Bereich dieses Zentrums ist verknüpft mit analen Spasmen und Schmerzen oder mit Befürchtungen, die Kontrolle über den Anal­ schließmuskel zu verlieren (zu flatulieren oder gar zu defäkieren). Das biographische Material, das dabei in der Regel zu Bewußtsein kommt, umfaßt Darmkoliken in der Kindheit, schmerzhafte Kli­ stiere und eine überstrenge Sauberkeitserziehung. Solche Erfahrun­ gen finden sich besonders häufig bei Menschen, die unter Zwangs­ neurose leiden, latente oder manifeste homosexuelle Neigungen besitzen, über ein starres System von Abwehrmechanismen verfü­ gen und übermäßige Angst vor Kontrollverlust haben. Blockierun­ gen im Bereich des Wurzelchakra trifft man außerdem bei Menschen an, die unter spastischem Durchfall oder spastischer Verstopfung, unter Dickdarmreizungen und unter geschwüriger Kolitis leiden und auch bei solchen, die große Schwierigkeiten im Umgang mit Geld haben. Neben den Spannungen in den Armen, den Händen, den Beinen und den Füßen sowie in den Bereichen der oben beschriebenen Chakras können auch Spasmen und Blockierungen im Nacken, im Magen, in den Muskeln entlang der Wirbelsäule, im Kreuz oder im Gesäß auftreten. Diese Spasmen und Blockierungen stellen sich unabhän­ gig oder in Kombination mit Spasmen und Blockierungen in den Regionen der einzelnen Chakras ein. Sie haben Bezug zu verschie­ 221

denen Problemen und Elementen biographischer, perinataler und transpersonaler Natur. In einer Sitzung mit holotropem Atmen werden die Spannungen und Blockierungen im Regelfall intensiver und somit manchmal erst offenkundig. Das Weiteratmen führt gewöhnlich dazu, daß sie einen Kulminationspunkt erreichen und sich dann lösen, was sehr befrei­ end empfunden wird. Dies gilt unabhängig davon, welcher Art die Beschwerden sind und wo sie sitzen. Auf das Kehl-chakra trifft dies aber unter Umständen nicht zu. Es kann Vorkommen, daß die Intensivierung der Beschwerden in dieser Region zu einer Veren­ gung der Kehle führt, die das weitere Atmen verhindern. In diesem Fall wird der Klient dazu ermuntert, zu einer Technik des Abreagierens zu greifen, die die Kehle befreit und die Fortsetzung der Sitzung ermöglicht. Im Prinzip besteht diese Technik darin, das, was ohne­ hin schon geschieht - Ausstößen von Lauten, Husten, Würgen, Schütteln oder Grimassieren - zu unterstützen und bewußt zu übertreiben, und zwar so lange, bis der Betreffende wieder frei atmen kann. Dann nimmt er oder sie die Hauptmethode des Hyperventilierens wieder auf. Wenn das Atmen allein nicht zu einem vollständigen Abbau der Blockierungen führt, dann sollte der Thera­ peut eine Technik des Abreagierens anwenden, die ähnlichen Prinzi­ pien wie denen für die Arbeit an Atemblockierungen gehorcht. Die Grundregeln für das therapeutische Eingreifen in der Schlußphase einer Sitzung werden später beschrieben (S. 235ff).

2. Das Heilpotential der Musik In der holotropen Therapie wird das Hyperventilieren, das außerge­ wöhnliche Bewußtseinszustände zu heilenden Zwecken herbeifüh­ ren soll, mit anregender Musik kombiniert. Wie das Atmen werden auch die Musik und andere Formen der Klangtechnologie seit Jahrtausenden als äußerst effektive Mittel zur Bewußtseinsverände­ rung eingesetzt. Schon immer zählte das monotone Trommeln und Singen zu den Hauptmethoden der Schamanen in vielen verschiede­ nen Teilen der Welt. Viele nichtwestliche Kulturen haben weitge­ 222

hend unabhängig voneinander Trommelrhythmen entwickelt, die wie im Labor anhand von EEG-Veränderungen demonstriert wurde - eine bemerkenswerte Wirkung auf die physiologische Aktivität des Gehirns ausüben (Neher 1961, 1962). Die Archive der kulturellen Anthropologie enthalten zahllose Beispiele für Instru­ mentalmusik, für Gesänge und für Tänze, die eine außergewöhn­ liche Trance herbeiführen. In vielen Kulturen ist der Klang für heilende Zwecke im Rahmen verwickelter Zeremonien eingesetzt worden. Die Heilrituale der Navajos, die von geübten Sängern ausgeführt werden, sind von einer erstaunlichen musikalischen Komplexität, die mit der der Partituren von Wagneropern verglichen wurde. Der Trancetanz der !KungBuschmänner in der afrikanischen Kalahari-Wüste besitzt - wie in mehreren anthropologischen Studien und Filmen (Lee und DeVore 1976, Katz 1976) dokumentiert ist - enorme Heilkraft. Das thera­ peutische Potential der Rituale in den synkretistischen Religionen der Karibik und Südamerikas, etwa in der kubanischen Santeria- und in der brasilianischen Umbandareligion, wird von vielen Fachleuten dieser Länder mit westlicher Universitätsausbildung anerkannt. In unserer eigenen Tradition kommt es zu bemerkenswerten Fällen von emotionaler und psychosomatischer Gesundung während der Tref­ fen von christlichen ekstatischen Sekten, bei denen Trancetanz praktiziert, gesungen und musiziert wird. Hierbei wären für die USA zu nennen die schwarzen Baptisten im Süden des Landes, die Erweckungsprediger, die Pfingstbewegung sowie die Virginian Snake Händlers oder die Holy Ghost People. Viele großen spirituellen Traditionen haben Klangtechniken entwikkelt, die nicht lediglich einen allgemeinen Trancezustand herbeifüh­ ren, sondern einen systematischen Effekt auf das Bewußtsein aus­ üben. Dazu gehören vor allen Dingen das multivokale Singen in der tibetischen Tradition, die heiligen Gesänge verschiedener SufiOrden, die Bhajans und Kirtans der Hindus sowie die alte Kunst des Nada-Yoga oder des Weges zur Vereinigung über den Klang. In den indischen Lehren wird eine spezifische Verbindung zwischen Klän­ gen mit bestimmter Frequenz und den einzelnen Chakras angenom­ men. Wer über systematisches Wissen dieser Art verfügt, ist in der Lage, den Bewußtseinszustand in vorhersagbarer und gewünschter 223

Weise zu beeinflussen. Dies sind nur einige wenige Beispiele für die überragende Bedeutung der Musik in Ritus, Heilkunst und spirituel­ ler Lehre; weitergehend interessierte Leser seien auf die spezielle Literatur verwiesen (Bonny und Savary 1973, Hamei 1976, Beh­ rendt 1985). Wir haben Musik systematisch im psychedelischen Therapiepro­ gramm im Maryland Psychiatric Research Center in Baltimore, Maryland, angewendet und dabei viel über ihr außergewöhnliches psychotherapeutisches Potential gelernt. Gute Musik scheint in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen von besonderem Wert zu sein und übernimmt in ihnen mehrere Funktionen. Sie hilft, alte Emotionen zu mobilisieren und versetzt den betreffenden Menschen in die Lage, sie auszudrücken. Sie intensiviert und vertieft den Erfahrungsprozeß und gibt einen sinnvollen Rahmen für ihn ab. Der kontinuierliche Fluß der Musik trägt die betreffende Person wie auf einer Welle mit sich fort und hilft ihr, über schwierige Erfahrungen oder festgefahrene Situationen hinwegzukommen, psychische Ab­ wehrmechanismen zu durchbrechen und sich dem Erfahrungsprozeß hinzugeben. Durch geschickten Einsatz ausgewählter Musikstücke kann das Auftreten bestimmter Emotionen, Empfindungen und Erfahrungs­ motive erleichtert werden, etwa von Aggressionen, von emotionalen oder physischen Schmerzen, von sexuellen und sinnlichen Empfin­ dungen, vom Motiv des qualvollen Kampfes während der Geburt, von ekstatischen Ausbrüchen oder der ozeanischen Atmosphäre des Mutterleibs. In der Gruppenarbeit besitzt laute und dynamische Musik eine zusätzliche Funktion, nämlich Laute, die die Gruppen­ mitglieder in verschiedenen Stadien des Erfahrungsprozesses her­ vorbringen, zu überdecken und sie in eine einheitliche künstlerische Form einzubetten. Helen Bonny, Musiktherapeutin und Mitglied unseres Teams im Maryland Psychiatric Research Center, hat schon früh das therapeutische Potential der Musik erkannt und auf der Grundlage ihrer Erfahrungen in der psychedelischen Forschung eine eigene, von Drogen unabhängige Behandlungstechnik entwickelt, die sie als Guided Imagery with Music (GIM) bezeichnet, also als gelenkte Imagination mit Hilfe von Musik (Bonny und Savary 1973). 224

Um die Musik als Katalysator für einen bis in tiefe Schichten der Psyche vordringenden Selbsterforschungs- und Selbsterfahrungsprozeß zu nutzen, ist es erforderlich, sich eine neue Form des Musikhörens und des Musikverständnisses anzueignen, die in unse­ rer Kultur fremd ist. Im Westen benutzen wir Musik oft nur als akustischen Hintergrund ohne weitere Bedeutung. Man denke bei­ spielsweise an den dezenten Klanghintergrund bei Cocktailpartys oder an die Klangberieselung in Kaufhäusern oder an Arbeitsplät­ zen. Eine andere, für den mehr gebildeten Musikhörer typische Möglichkeit ist das disziplinierte und intellektuelle Aufnehmen von Musik, das die Atmosphäre von traditionellen Konzerthäusem be­ stimmt. Der dynamische und elementare Einsatz von Musik, wie man ihn etwa von Rockkonzerten kennt, kommt der Anwendung von Musik in der holotropen Therapie schon näher. Sie zielt aber hier zu sehr auf äußere Wirkung ab. Es fehlt ein bedeutendes Element, nämlich die introspektive Konzentration über längere Zeit. In der holotropen und psychedelischen Therapie nun ist es wesent­ lich, sich dem Fluß der Musik vollständig hinzugeben, sie im ganzen Körper schwingen zu lassen und auf sie in spontaner und elementarer Weise zu reagieren. Es kann dabei durchaus zu Reaktionen kom­ men, die in einem Konzert undenkbar wären, in dem sogar lautloses Weinen oder Husten als störend empfunden werden. In der holotro­ pen Therapie muß man voll und ganz den Impulsen nachgeben, die die Musik in einem auslöst - handele es sich nun um Weinen, Lachen, Grimassieren, Schütteln, verschiedene Körperverrenkun­ gen, sinnliche Beckenbewegungen oder andere emotionale, stimm­ liche und motorische Reaktionen. Besonders wichtig ist, sich jeder intellektuellen Auseinandersetzung mit der Musik, die gerade gespielt wird, zu enthalten. Man darf also nicht überlegen, wer sie komponiert haben oder aus welcher Kultur sie stammen mag, welchem anderen Musikstück, das man kennt, sie ähnlich ist; auch soll man nicht die künstlerische Qualität des Orchesters beurteilen, nicht die Tonart erraten oder die technische Qualität der Aufnahme oder der Wiedergabe im Raum kritisieren wollen. Vollkommen spontan und elementar muß man die Musik auf Psyche und Körper einwirken lassen. Wird sie in dieser Form 225

aufgenommen, dann erweist sie sich als effektives Mittel zur Herbei­ führung und Unterstützung außergewöhnlicher Bewußtseinszu­ stände. Musikstücke, die zu diesem Zweck benutzt werden, sollten von hoher technischer Qualität sein und genügend Lautstärke besit­ zen, um auf das Erleben ein wirken zu können. Kombiniert man diese bewußtseinsverändemde klangliche Beeinflussung mit der zuvor beschriebenen Technik des intensiven Atmens, dann poten­ zieren sie sich gegenseitig in ihrer Wirkung und eröffnen gewaltige therapeutische Möglichkeiten. Wird Musik in der psychedelischen Therapie verwendet, in der die Droge den Erfahrungsprozeß in Gang setzt, dann lautet die Grundre­ gel, Musikstücke so auszusuchen, daß sie das Erleben unterstützen und mit ihm so weit wie möglich übereinstimmen. Wenn also der Therapeut beispielsweise mit LSD arbeitet, dann sollte er anfangs Musik nehmen, die fließenden Charakter hat und sich langsam mit zunehmender Wirkung der Droge steigert. In der Mitte einer LSDSitzung sollte sie mächtig, vorantreibend und in ihrer Intensität möglichst gleichbleibend sein. Nach etwa drei bis vier Stunden sollte der Therapeut zu einer Musik greifen, in denen die Elemente des Kulminationspunkts und der nachfolgenden plötzlichen Auflö­ sung, die zu diesem Zeitpunkt das Erleben der meisten LSDKlienten bestimmen, klanglich optimal realisiert sind. Wenn die Erfahrung in ihrer Intensität nachläßt, dann sollte auch die Musik fließender, ruhiger und meditativ werden. Wenn der Therapeut den spezifischen Inhalt einer Erfahrung des Klienten erkennt, dann kann er sie durch die richtige Auswahl von Musikern noch unterstützen. Weisen etwa die Bemerkungen oder die Körperbewegungen des Klienten oder der Klientin darauf hin, daß sein Erleben stark sexuell geprägt ist, dann sollte auch die Musik sinnlich und erotisch sein. Besonders geeignet wären dann Stücke wie Rimski-Korssakows symphonische Dichtung Scheherazade, die Venusbergmusik aus Wagners Tannhäuser oder Isoldes Liebestod aus Tristan und Isolde, sowie die Liebesszene aus Prokofiews Ballettmusik zu Romeo und Julia. Aggressiv getönte Erlebnisse des Klienten legen die Wahl einer dramatischen Musik nahe, etwa die klangliche Untermalung von Naturvölkerritualen oder Schamanen­ prozeduren durch mächtiges Trommeln oder anfeuemdes Singen, 226

das Stück Mars aus der Orchestersuite »Die Planeten« von Gustav Holst oder dramatische Orchesterstücke aus Wagneropern. Erlebnisse der ozeanischen Ekstase, Gefühle der Verbundenheit mit dem Kosmos oder das Empfinden überströmender Liebe erfordern eine Musik, die die entsprechenden Emotionen und Bewußtseinszu­ stände vermittelt. Manchmal kann man Musik nach noch detaillier­ teren Gesichtspunkten aussuchen. Wenn das Erleben des Klienten durch eine bestimmte Kultur geprägt ist, etwa wenn sich eine Erinnerung an eine frühe Inkarnation in Rußland, Indien oder Japan einstellt, dann sollte der Therapeut Musik wählen, die für diese Kultur charakteristisch ist oder einer solchen Musik zumindest ähnlich klingt. Gelegentlich können auch Aufnahmen von natürlichen Geräuschen sehr effektiv sein. Als Beispiel wären zu nennen: die Geräusche im Unterleib einer schwangeren Frau, die singenden Laute der Buckel­ wale, die Stimmen von Wölfen, Insektengeräusche wie das Zirpen von Grillen oder das Summen von Bienen, Spatzenlaute, das Plät­ schern von Bächen oder das Rauschen von Flüssen, das Geräusch von Wellen, die sich am Meeresstrand überschlagen, sowie Aufnah­ men von den »Signalen«, die die Pulsare im Weltall »senden«. Wenn man anstelle von LSD andere Psychedelika benutzt, dann müssen Auswahl und Timing der Musik natürlich von der spezifi­ schen Wirkung der Droge, vom Zeitpunkt des Einsetzens und der Dauer ihrer Wirkung sowie vom dynamischen Verlauf der Drogen­ erfahrung bestimmt werden. So wirken die Tryptaminderivate, die inhaliert oder injiziert werden müssen - etwa DMT oder DPT nahezu sofort und nur relativ kurze Zeit. Die amphetaminverwand­ ten Empathogene (MDA, MMDA, 2CB oder Adam) erfordern eine Musik, die sehr sanft und fließend ist. Beim dissoziativen Anästhetikum Ketamin, das Erfahrungen von sehr kurzer Dauer (von etwa einer Stunde) hervorruft, benötigt man eine besonders langsame und expansive Musik. Die Prinzipien für die Verwendung von Musik beim holotropen Atmen sind denen für die psychedelische Behandlung sehr ähnlich. Der Hauptunterschied ist der, daß der außergewöhnliche Bewußt­ seinszustand das Ergebnis einer bewußten Anstrengung des Klienten oder der Klientin ist und nicht durch die chemische Wirkung der 227

Droge hervorgerufen wird. Wie lange er andauert, hängt einzig davon ab, ob die betreffende Person unablässig hyperventiliert und welche Wirkung die Musik auf sie ausübt. Nach unseren Erfahrun­ gen hat es sich als nützlich erwiesen, von Anfang an Musik einzuset­ zen, die anregenden Charakter hat und dabei hilft, den außerge­ wöhnlichen Bewußtseinszustand herbeizuführen. Die Musik sollte auch während der meisten Zeit wirkungsvoller und den Erfahrungen der betreffenden Person stärker angepaßt sein als in der psychedeli­ schen Therapie. Zur speziellen Auswahl der Musik möchte ich nur die allgemeinen Prinzipien umreißen und einige Ratschläge aufgrund unserer Erfah­ rungen hinzufügen. Jeder Therapeut und jedes Therapeutenteam wird über kurz oder lang die Musikstücke zusammengestellt haben, die ihm bzw. ihr für die verschiedenen Stadien der therapeutischen Sitzung und für bestimmte spezifische Situationen besonders geeig­ net erscheinen. Die Grundregel lautet, einfühlsam auf das Stadium, die Intensität und den Inhalt der Erfahrung der betreffenden Person zu reagieren statt zu versuchen, ihr ein bestimmtes Muster aufzu­ zwingen. Dies steht im Einklang mit der allgemeinen Philosophie der holotropen Therapie, besonders mit dem tiefen Respekt gegen­ über der Weisheit des kollektiven Unbewußten und der Autonomie und Spontaneität des Heilungsprozesses. Im allgemeinen ist Musik von hoher künstlerischer Qualität, die nicht allzu bekannt ist und wenig konkreten Inhalt hat, den Vorrang zu geben. Verzichten sollte man auf Lieder und andere Vokal werke, in denen der Text eine ganz bestimmte Botschaft vermittelt oder ein Erfahrungsmotiv suggeriert. Wenn Vokalkompositionen benutzt werden, dann in einer Sprache, die der Klient nicht kennt, damit die menschliche Stimme nur als unspezifischer Reiz wirkt. Aus dem gleichen Grund sollte man auch Stücke meiden, die beim Klienten bestimmte intellektuelle Assoziationen wachrufen. So lassen der Hochzeitsmarsch aus Wagners Lohengrin und der aus Mendelssohn-Bartholdys Sommemachtstraum die meisten Men­ schen im Westen unmittelbar an Hochzeit denken. Die Ouvertüre zur Oper Carmen von Georges Bizet weckt in der Regel Vorstellun­ gen von einer Arena, einem Torero und einem Stierkampf. Be­ rühmte Messen oder Oratorien werden Erinnerungen an die christli­ 228

che Kirche und an die religiöse Erziehung wachrufen. Obwohl das Programmieren des Erfahrungsprozesses im allgemeinen vermieden werden soll, kann das, was durch bestimmte Musikstücke suggeriert wird, sehr nützlich sein, wenn der Therapeut ein spontan auftau­ chendes Erfahrungsmotiv, das dazu paßt, bewußt unterstützen will. Die Assoziationen zu verschiedenen Musikstücken werden natürlich verschieden sein, nicht nur von Person zu Person, sondern auch von Kultur zu Kultur und von Nation zu Nation. So wird beispielsweise Liszts Orchesterwerk »Les Preludes« bei vielen Europäern und Europäerinnen mittleren und fortgeschrittenen Alters Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg wachrufen, weil es täglich von den Nazipropagandisten über Straßenlautsprecher in allen größeren, von den Deutschen besetzten Städten vor den Nachrichten gespielt wurde. In unserem Selbsterforschungsworkshop in Bombay beob­ achteten wir bei einer großen Anzahl von Teilnehmern eine heftige emotionale Reaktion auf das indische Lied »Ragupati Raja Ram«. Wie wir im Gespräch nach der Sitzung erfuhren, hatten wir völlig unwissend das Musikstück ausgewählt, das mehrere Tage lang nach Gandhis Ermordung ununterbrochen in ganz Indien gesendet wor­ den war. Der Haupteinwand gegen die Verwendung von Musik in der holotro­ pen und psychedelischen Therapie ist der, daß die Auswahl der Musikstücke die Erfahrungen in stark strukturierender Weise beein­ flußt, auch wenn man ein grobes Vorprogrammieren in dieser Hinsicht vermeiden will und versucht, die Musik den Erfahrungen anzupassen. Dieser Einwand ist besonders dann gerechtfertigt, wenn die holotrope Therapie im Rahmen einer großen Gruppe praktiziert wird. Das Beste, was hier ein Therapeut tun kann, besteht darin, die Situation im Raum zu beobachten und seine Auswahl nach der vorherrschenden Atmosphäre zu treffen. Unvermeidbar ist aller­ dings, daß damit manchen Gruppenteilnehmem nicht optimal ge­ dient ist. Die Gefahr der Vorprogrammierung des Erfahrungsprozesses durch Musik ist aber nicht so groß, wie es scheint. Der Möglichkeit, das Erleben eines Menschen in einem außergewöhnlichen Bewußtseinstzustand zu manipulieren und zu steuern, sind klare Grenzen 229

gesetzt. Wenn der oder die Betreffende eine emotional extrem schwierige Situation durchlebt, wird jede Musik - egal, wie inspi­ riert und erhebend sie sein mag - verzerrt empfunden und ihm bzw. ihr wie ein Trauergesang Vorkommen. Umgekehrt wird jemand, der eine tiefgehende ekstatische Erfahrung hat, jedes Musikstück begei­ stert akzeptieren, es als passend und in irgendeiner Hinsicht interes­ sant empfinden. Nur bei mäßig stark ausgeprägten Erfahrungen wird die Musik tatsächlich einen formenden Einfluß ausüben. Aber auch in solchen Fällen wird die Musik nur eine allgemeine Atmosphäre oder emotionale Tönung suggerieren. Wie der Klient sie im Endeffekt verarbeitet, ist vollkommen individuell. Die Situa­ tion hier ähnelt dem, was ich später im Hinblick auf die Möglichkeit erörtern werde, die Therapiesitzung durch Vorbereitung und verbale Instruktionen zu strukturieren. Was die betreffende Person mit den gegebenen Informationen anfängt, wird immer noch von ihren bisherigen Erfahrungen und ihren unbewußten Mechanismen beein­ flußt. Dies wird deutlich, wenn man die sehr unterschiedlichen Reaktionen innerhalb einer großen Gruppe auf ein- und dieselbe Musik miteinander vergleicht. Wie sehr die Musik die Erfahrungen des einzelnen auch zu strukturieren vermag, sie können nach wie vor heilende und transformative Kraft besitzen und für jeden einzelnen einen tiefen Sinn haben. Im Laufe der Jahre haben wir uns eine eigene Sammlung von Tonbändern zusammengestellt, die offenbar bei den meisten Perso­ nen sehr gute Wirkung zeigen. Als Musikstücke für die Anfangs­ phase holotroper Sitzungen haben sich »Zeitwind« und einzelne Stücke aus dem »X«-Album des deutschen Komponisten Klaus Schultze, »Shakti« von John McLaughlin und »Die Toteninsel« von Sergej Rachmaninow als besonders nützlich erwiesen. Wir haben auch mit spezialisierten Tonbändern experimentiert, auf denen die Musik für eine ganze holotrope Sitzung unter einem Thema steht (beispielsweise mit einem schamanischen, tibetischen oder einem Sufi-Atemband). Als Anfangsmusik zu diesen Bändern wählten wir Michael Hamers Schamanentrommeln, tantrische Gesänge aus Ti­ bet, eine Aufnahme von pakistanischen Sufis oder ein Sufiband mit dem Titel »Islamic Mystical Brotherhood«. Besonders effektive Musikstücke für das mittlere Stadium einer 230

holotropen Sitzung wären bestimmte Kompositionen von Alan Hovhanness, eines amerikanischen Komponisten schottisch-armenischer Abstammung (All Men Are Brothers, The Mysterious Moun­ tain, And God Created the Great Whales), Mars aus der Suite »Die Planeten« von Gustav Holst, Alexander Skrijabins »Poeme de l’Extase«, ausgesuchte Stücke aus Sergej Prokofiews Musik zum Ballett Romeo und Julia (die Montagues und die Capulets, das Grab von Romeo und Julia), die Erste Symphonie von Samuel Barber sowie sein berühmtes Adagio für Streicher, und Stücke der zeitge­ nössischen Komponisten Vangelis Papathanassiou und Georg Deu­ ter. Zu den hervorragenden Beispielen für ethnische Musik, die in dieser Phase einer holotropen Sitzung verwendet werden können, zählen der balinesische Affengesang oder Ketjak, Teile des Dhikr aus den Halveti-Jerrahi-Derwischgesängen, sowie authentische Aufnahmen von afrikanischer Trommelmusik (Trommel der Lei­ denschaft). In den späteren Stadien einer holotropen Sitzung, wenn die Klienten wieder ruhiger werden, sollte man nach und nach weniger dramati­ sche und langsamere, am Ende schließlich zeitlose und meditative Musik benutzen. Zu den von uns bevorzugten Stücken für die Schlußphase gehören Hector Berlioz’ »Harold in Italien«, Pachelbels Kanon in D-Dur, Alan Stivells »Renaissance of the Celtic Harp«, Paul Horns Alben »Inside the Taj Mahal« und »Inside the Great Pyramid«, Charles Lloyds »Big Sur Tapestry«, die amerikanische Sufimusik Habibbiyya, Flötenmusik aus den Anden (Urubamba), das japanische Shakuhachi, Tony Scotts Musik für Zen-Meditation und Musik für Yoga-Meditation, Aufnahmen vom tibetischen Mul­ tivokalgesang, verschiedene indische Ragas, Bhajans und Kirtans (insbesondere der Om Namah Shivaya-Gesang und andere Aufnah­ men mit der Ganeshpuri-Gruppe), sowie die Musik von Steven Halpem, Georgia Kelly, Paul Winter und Brian Eno. Wenn man die holotrope Therapie systematisch praktiziert, dann ist zu empfehlen, mit mehr konservativen Musikstücken anzufangen und später zu massiven klanglichen Beeinflussungsmitteln zu grei­ fen, insbesondere zu Musik, die in verschiedenen Kulturen und spirituellen Traditionen zum Zweck der Bewußtseinsveränderung und der Heilung entwickelt worden ist. Das therapeutische Potential 231

von Musik ist gewaltig und verdient gründlich erforscht zu werden. Marilyn Ferguson widmete eine ganze Ausgabe ihres Brain/MindBulletins der von ihr so genannten »Musikmedizin« - der systemati­ schen wissenschaftlichen Erforschung und der ästhetischen, emotio­ nalen, psychologischen, physiologischen und biochemischen Aus­ wirkungen von Musik (Ferguson 1985). Etwas, was man im Rahmen der holotropen Therapie systematisch ausprobieren kann, ist das »weiße Rauschen«, die zufällige akusti­ sche Stimulation, die durch einen Klanggenerator erzeugt wird. Vor Jahren experimentierte ich damit in psychedelischen Sitzungen und fand die Ergebnisse sehr interessant. Die Anwendung des »weißen Rauschens« schaltet die Gefahr des Programmierens der Erfahrung durch Musik aus, da es aus rasch aufeinanderfolgenden akustischen Reizen besteht, die in keinerlei Weise strukturiert sind. In psychede­ lischen Sitzungen werden die meisten Klienten diese monotonen Geräusche als Musik erleben. Diese Geräusche werden also als vollkommen passend empfunden, da sie den gleichen Ursprung haben wie die übrige Erfahrung, nämlich die eigene Psyche. Ob dies auch für holotrope Sitzungen zutrifft, bleibt abzuwarten. Ein anderer interessanter Gegenstand für zukünftige Forschungen sind die Auswirkungen von Klängen mit bestimmter Frequenz auf Psyche und Körper. Hierbei geht es um eine moderne Neuauflage des Systems, das in Indien als Nada-Yoga oder Yoga des Klangs bekannt ist. Dahinter steht die Auffassung, daß es einen tiefen Zusammenhang zwischen Schwingungen mit bestimmter Frequenz und der Aktivität in den psychischen Energiezentren, den Chakras, gibt. Es ist durchaus denkbar, daß einige der Ergebnisse solcher Untersuchungen auch in der holotropen Therapie verwertet werden können. Die verheißungsvollsten Perspektiven für die Zukunft der holotropen Therapie finden sich aber auf dem sich rasch erweitern­ den Gebiet des holophonen Klangs. Die Möglichkeiten in diesem Bereich sind so faszinierend und haben so weitreichende Bedeutung, daß ich hier genauer auf dieses Thema eingehen möchte. Der Erfinder der holophonen Klangtechnologie ist der argentinisch­ italienische Forscher Hugo Zucarelli. Aus Gründen, die mit der Patentierung seiner Erfindung zu tun haben, hat er noch nicht alle Informationen veröffentlicht, die für ihr vollständiges Verstehen 232

notwendig sind. Im folgenden greife ich auf das zurück, was er in von mir besuchten Vorlesungen vortrug oder was er mir in persönli­ chen Gesprächen mitteilte. Außerdem beziehe ich mich auf meine eigenen Erfahrungen mit dem holophonen Klang im Rahmen eines dreitägigen Seminars in Millbrae, Kalifornien, das meine Frau Christina und ich besuchten. Als Zucarelli noch jung war, wurde er beinahe von einem Auto überfahren. Dieses Erlebnis hinterließ einen tiefen Eindruck auf ihn, denn was damals sein Leben rettete, war die Tatsache, daß er das ankommende Fahrzeug genau nach Gehör lokalisieren konnte, ohne es zu sehen. Später faszinierten ihn die Probleme im Zusammenhang mit den Fähigkeiten verschiedener Tiere, Geräusche durch akusti­ sche Wahrnehmung zu lokalisieren. Durch sorgfältige Erforschung und Analyse der Mechanismen, mit denen verschiedene Spezies im Evolutionsstammbaum den Ort von Geräuschen genau identifizieren können, kam er zu dem Schluß, daß die existierenden Modell Vor­ stellungen vom Hören wichtige Merkmale der akustischen Wahr­ nehmung beim Menschen nicht erklären können. Die traditionelle Erklärung für die Fähigkeit zur Geräuschlokalisie­ rung geht davon aus, daß die Intensität der Schallwellen, die das rechte Ohr treffen, mit der Intensität derer, die das linke Ohr treffen, verglichen wird. Als Zucarelli die Evolution dieses Mechanismus studierte, stellte er fest, daß Organismen, deren Kopf fest mit dem Körper verbunden ist - etwa Krokodile - häufig den ganzen Körper bewegen, wenn sie Geräusche lokalisieren. Spezies hingegen, bei denen die Bewegungen des Kopfs unabhängig von denen des übri­ gen Körpers sind - beispielsweise Vögel - benutzen nur diese, um die Schallquelle zu lokalisieren. Bei den meisten Säugetieren tritt dann an die Stelle der Kopfbewegungen das Verstellen der Ohrmu­ scheln. Die Tatsache nun, daß Menschen Schallquellen ohne Kopfbewegun­ gen oder Verstellen der Ohren lokalisieren können, weist eindeutig darauf hin, daß der Vergleich zwischen den Intensitäten des akusti­ schen Inputs im linken und rechten Ohr nicht der einzige Mechanis­ mus ist, der für diese Fähigkeit des Menschen verantwortlich ist. Außerdem sind Personen, die auf einem Ohr nicht mehr hören können, immer noch in der Lage, Geräusche zu lokalisieren. Auf­ 233

grund all dieser Erkenntnisse zog Zucarelli den Schluß, daß man zur angemessenen Erklärung aller Merkmale des räumlichen Hörens beim Menschen holographische Prinzipien heranziehen muß. Das würde bedeuten, daß das menschliche Ohr - im Gegensatz zum Modell der traditionellen Medizin - nicht nur als Empfänger, sondern auch als Sender fungiert. Zucarelli ahmte diesen Mechanismus mit elektronischen Mitteln nach und entwickelte auf diese Weise die holophone Technologie. Holophone Aufnahmen vermögen nahezu unheimlich genau die akustische Realität mit all ihren räumlichen Merkmalen wiederzuge­ ben, und zwar bis zu einem solchen Grad, daß es ohne ständige visuelle Kontrolle nahezu unmöglich ist, die Aufnahme von tatsäch­ lichen Geräuschen in der dreidimensionalen Welt zu unterscheiden. Außerdem führt das Hören von holophonen Aufnahmen von Ereig­ nissen, die andere Sinne stimulieren, häufig zu Synästhesien, d. h. zu den entsprechenden Wahrnehmungen in anderen Sinnesberei­ chen. Im folgenden seien einige Beispiele für solche Synästhesien aufge­ zählt, die man beim Hören von Zucarellis experimentellem Band erleben kann. So vermittelt das Geräusch einer Schere, die dicht neben der Kopfhaut geöffnet und geschlossen wird, das Gefühl, die Haare würden einem tatsächlich geschnitten. Das Summen eines elektrischen Haartrockners kann den Eindruck hervorrufen, daß ein heißer Luftstrom durch die Haare bläst. Hört man jemand ein Streichholz anzünden, so glaubt man deutlich die Flamme zu sehen oder verbrannten Schwefel zu riechen. Das Rascheln einer Papier­ tüte dicht neben dem Ohr kann die Empfindung wachrufen, jemand würde einem eine Einkaufstüte über den Kopf ziehen. Und die Stimme einer Frau, die einem was ins Ohr flüstert, läßt auch ihren Atem spüren. Die Entdeckung der holophonen Prinzipien und Entwicklung der holophonen Technologie ist für viele Bereiche der Wissenschaft und des täglichen Lebens von großer Bedeutung. Diese Prinzipien kön­ nen zu einer vollkommen neuen Auffassung von der Physiologie und Pathologie des Hörens führen und haben ungeahnte Implikationen für die Psychiatrie, die Psychologie und die Psychotherapie. Was die weitere theoretische Bedeutung für Religion und Philosophie sowie 234

die praktische Anwendung in den Massenmedien, auf dem Unterhal­ tungssektor, in der Kunst und auf vielen anderen Gebieten anbe­ langt, so kann man nur Spekulationen anstellen. Die Möglichkeiten, die der holophone Klang der holotropen Therapie eröffnet, sind äußerst faszinierend und vielversprechend. Von besonderem Inter­ esse wären holophone Aufnahmen von Musik, die speziell für die Herbeiführung außergewöhnlicher Bewußtseinszustände gedacht ist, etwa holophone Aufnahmen von der balinesischen TrancetanzMusik, von Schamanenritualen, von Sufimusik und Sufigesängen, von der Musik und der Trommelbegleitung für eine Peyotezeremonie der Huicholindianer oder amerikanischer Indianer, von Gesän­ gen der peruanischen Ayahuasqueros u. a.

3. Gezielte Körperarbeit Die letzte Komponente der holotropen Therapie, die gezielte Kör­ perarbeit, wird nur dann eingesetzt, wenn es angezeigt ist. Es gibt viele Sitzungen, die glatt verlaufen und keine Interventionen erfor­ dern. In einigen löst das Hyperventilieren keine schwierigen Emo­ tionen und unangenehmen Körperempfindungen aus und führt zu fortschreitender Entspannung und zu ekstatischen Gefühlen. In anderen treten zwar schwierige Emotionen und psychosomatische Beschwerden auf, wobei aber fortgesetztes Atmen ganz automatisch zu befriedigender Lösung und zu guter Integration der Sitzung führt. Es gibt nur einige wenige Situationen, in denen gezielte Körperar­ beit in den Anfangsstadien holotroper Sitzungen notwendig ist. Die wichtigste habe ich schon früher erwähnt: das Konzentrieren der Blockierungen auf den Bereich der Kehle in einem solchen Ausmaß, daß das weitere Atmen beeinträchtigt erscheint. Gelegentlich muß auch abreagierende Körperarbeit eingesetzt werden, wenn die Inten­ sität der Reaktion - der Spasmen, der physischen Schmerzen oder der Angst - einen solchen Grad erreicht, daß der oder die Betref­ fende nicht willens oder fähig ist, die Sitzung fortzusetzen, ehe nicht diese Beschwerden gemildert werden. In den seltenen Fällen, in 235

denen durch die betreffende Person schwierige Probleme für die Therapeuten oder für andere Gruppenteilnehmer entstehen - etwa, wenn sie zu erregt ist oder ihre Erfahrung zu sehr auslebt -, erweist sich gezielte Körperarbeit als besonders nützlich. Die Hauptindikation für den Einsatz gezielter Körperarbeit ist aber die Situation in der Schlußphase einer Sitzung (gewöhnlich nach anderthalb bis zwei Stunden), in der jemand den Erfahrungsprozeß allein durch das Atmen und die Beeinflussung durch Musik nicht zu einem vollen Abschluß bringen kann. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Therapeut bei dem oder der Betreffenden nachprüfen, ob noch restliche Beschwerden bestehen und welcher Art sie sind. Die Arbeit an solchen Beschwerden ist zwar wünschenswert, weil sie die Sitzung zu einem sauberen Abschluß bringt und sie besser integriert, doch ist sie keinesfalls unbedingt notwendig. Wir fragen die Klien­ ten immer erst, ob sie die Körperarbeit machen oder die Situation so belassen wollen, wie sie ist. In der Regel werden die noch verblei­ benden Symptome mit der Zeit von selber verschwinden. Das Grundprinzip gezielter Körperarbeit in der Schlußphase holotroper Sitzungen besteht darin, die verschiedenen, mit dem emotio­ nalen Leid verknüpften somatischen Beschwerden nach außen zu bringen, wobei der Körper des Klienten entsprechende Anhalts­ punkte gibt. Unabhängig davon, welcher Art diese Symptome sind und wo sie auftreten, wird die betreffende Person gebeten, sie bewußt zu verstärken. Wenn sie beispielsweise unter Kopfweh oder Schmerzen im Nacken leidet, so fordert man sie auf, Dinge zu tun, die die Intensität dieser Beschwerden steigern - etwa eine gewisse forcierte Kopfhaltung einzunehmen, Grimassen zu schnei­ den oder die Nackenmuskeln bewußt anzuspannen. Beschwerden in der Beckengegend können verstärkt werden, indem man das Becken hebt und die Unterbauchmuskeln anspannt (die Brücken­ haltung des Hatha-Yoga einnimmt) oder indem man versucht, die Beine zusammenzuhalten, während man die Knie auseinander­ drückt. Wenn zuviel Energie oder eine Verkrampfung in den Hän­ den sitzt, so kann sie akzentuiert werden, indem der Therapeut fest an den Händen der betreffenden Person zieht (»mexikanisches Ringen«). Das gleiche allgemeine Prinzip gilt für jeden anderen Bereich des Körpers. 236

Abb. 7: Alternierende Identifikation mit einer giftigen Spinne (a) und einer Eingeborenen-Maske (b) während abreagierender Arbeit in der Schlußphase einer holotropen Sitzung. Diese Erfahrungen führten zu dramatischem Loslassen allgemeiner und spezifischer Verspannungen des Gesichts.

Während man die spezifischen Beschwerden verstärkt und die Spannungen in diesen Bereichen aufrechterhält, läßt man den übri­ gen Körper alles tun, was er spontan tun möchte. Wichtig ist, daß der Klient (und auch der Therapeut) nicht versucht, das, was geschieht, zu beurteilen oder gar zu ändern. Hingegen sind bestimmte Maßnah­ men sehr hilfreich, die mit dem Erfahrungsprozeß kooperieren, ihn vertiefen und ihn intensivieren. Dazu gehört beispielsweise, daß man die Bereiche des Körpers, die angespannt sind oder schmerzen, massiert oder auf sie Druck ausübt. Eine andere Möglichkeit wäre die, körperlichen Widerstand in einer Weise zu geben, die die bestehenden Spannungen noch verstärkt, etwa in der Art, wie ich es oben im Zusammenhang mit Becken- und Handverkrampfungen beschrieben habe. Reaktionen, die unter diesen Umständen spontan auftreten können, sind heftiges Schütteln, Grimassieren, Husten, Würgen, Erbrechen und verschiedene Körperbewegungen. Der oder die Betreffende kann auch schreien, wie ein Baby vor sich hin brabbeln, Tierlaute 237

ausstoßen, in Zungen reden oder in einer Sprache sprechen, die ihm bzw. ihr nicht bekannt ist, nach Art der Schamanen singen, usw. Der Therapeut sollte zu solchen Aktivitäten so lange ermuntern, bis die emotionalen und psychosomatischen Beschwerden verschwunden sind und die betreffende Person sich entspannt und wohl fühlt. Ein anderer bedeutender Aspekt der Körperarbeit in der holotropen Therapie ist die systematische Anwendung unterstützenden Kör­ perkontakts. Dieser stellt natürlich aus der Sicht der akademischen Psychiatrie, Psychologie und Psychoanalyse, die ihn mit einem strengen Tabu belegt haben, einen sehr kontroversen Punkt dar. Diese Form des therapeutischen Vorgehens ist aber in vielen Grup­ pen, die verschiedene Formen von Selbsterfahrungstherapie prakti­ zieren, zu etwas ganz Natürlichem und Routinemäßigem geworden. Auch wenn der Körperkontakt einem traditionellen Therapeuten mit psychoanalytischer Ausbildung fragwürdig und unakzeptabel er­ scheinen mag, handelt es sich bei ihm doch um ein sehr effektives therapeutisches Instrument, besonders bei Menschen, die im Säug­ lings- und Kindesalter emotional stark vernachlässigt worden sind. Um die therapeutische Funktion des Körperkontakts zu verstehen, muß man sich die traumatischen Erlebnisse und die Maßnahmen, die ihre Folgen beseitigen können, näher vor Augen führen. Die Trau­ men, die in der Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen Menschen und in der Dynamik psychopathologischer Erscheinungen eine wichtige Rolle spielen, fallen in zwei große Kategorien. Bei den Traumen der einen Gruppe ist, grob gesagt, etwas geschehen, was nicht geschehen sollte, bei denen der anderen Gruppe ist - umge­ kehrt - etwas, was geschehen sollte, nicht geschehen. Diese zwei Gruppen sind voneinander grundverschieden und erfordern unter­ schiedliche therapeutische Schritte. In der ersten Kategorie haben wir es mit Erinnerungen an Situationen zu tun, die dem betreffenden Menschen starke körperliche Schmer­ zen bereiteten oder heftige negative Emotionen wie Angst, Verwir­ rung, Schamgefühle, Verzweiflung, Ekel usw. bewirkten. Hierzu gehören Erinnerungen an körperliche Mißhandlungen, schmerz­ hafte Verletzungen oder medizinische Eingriffe, heftige Beschwer­ den in Verbindung mit Kinderkrankheiten, sexueller Mißbrauch 238

oder bedrohliche Ereignisse. Traumatische Erinnerungen dieser Art können mit »Fremdkörpern« in der Psyche verglichen werden. Sie lassen sich durch das Ausleben von Emotionen und durch Abreagie­ ren entfernen. Zur zweiten Kategorie von Traumen gehören Situationen, in denen die legitimen Bedürfnisse des Säuglings oder des Kindes von seinen Eltern oder deren Stellvertretern nicht befriedigt wurden. Von besonderer Bedeutung sind hier die anaklitischen Bedürfnisse (vom griechischen anaklinein = sich anlehnen). Zu ihnen zählen das Bedürfnis nach liebevollem Körperkontakt mit der Mutter, nach befriedigendem Gestilltwerden, nach Kuscheln, Wiegen und Zärt­ lichkeit. Wurden diese Bedürfnisse nicht erfüllt, so hinterlassen sie in der Psyche ein Vakuum. Der oder die Betreffende können zwar Wut und Frustration darüber zum Ausdruck bringen, aber damit wird das Vakuum nicht aufgefüllt. Hier gibt es nur die Möglichkeit, die Bedürfnisse in einem Zustand zu erfüllen, in dem der oder die Betreffende auf das Entwicklungsstadium des ursprünglichen Trau­ mas regrediert ist. Die Anwendung von Körperkontakt in der Therapie erfordert die strikte Beachtung ethischer Grundregeln. Es muß klar sein, daß der physische Kontakt - oder das Verlangen danach - eine Reaktion auf die Erfordernisse der therapeutischen Situation ist und nicht irgend­ welchen anderen Motiven entspringen darf. Damit sind nicht unbe­ dingt nur sexuelle Bedürfnisse von Erwachsenen gemeint, die natür­ lich in erster Linie in Betracht gezogen werden müssen. Im Laufe der Jahre hatten wir in unseren Workshops mit mehreren Frauen mit starken unerfüllten Mutterbedürfnissen zu tun, die diese an den Personen, mit denen sie therapeutisch arbeiteten, in unsensibler und unangemessener Weise auszuleben versuchten. So knuddelten sie die Klienten zu Zeitpunkten, in denen diese gerade völlig gegensätz­ liche Erlebnisse hatten, etwa eine Erinnerung an eine frühere Inkar­ nation, in der sie ein großer afrikanischer Stammeshäuptling, ein Wikingerkrieger auf einer Eroberungsfahrt oder ein römischer Sol­ dat auf einem militärischen Feldzug waren. Die Frage des Körperkontakts sollte mit dem Klienten bzw. der Klientin vor der Sitzung erörtert und geklärt werden. Man muß sich vor allen Dingen bewußt machen, daß es in diesem Punkt die 239

verschiedensten Einstellungen gibt. Für manche Menschen ist Kör­ perkontakt etwas absolut Natürliches, für andere ist er mit ernsthaf­ ten Konflikten und Problemen verknüpft. In unseren Workshops haben wir die Klienten und diejenigen, die die Rolle des Therapeu­ ten übernehmen, immer wieder ermuntert, diese Frage vor ihrer gemeinsamen Arbeit zu diskutieren, sich die problematischen Aspekte vor Augen zu führen und am Ende einen »Vertrag« darüber abzuschließen, wie man in diesem Punkt vorgehen will. Welche Form von Körperkontakt man wählt und zu welchem Zeitpunkt, ist weitgehend eine Sache der Intuition. Es ist schwierig, dafür strikte objektive Regeln aufzustellen. Es lassen sich aber einige allgemeine Richtlinien anführen. Der Therapeut sollte Kör­ perkontakt in Erwägung ziehen, wenn der Klient eindeutig stark regrediert ist und hilflos und verletzbar erscheint. Typische Situatio­ nen dieser Art wären das Wiedererleben von Episoden, in denen man als Kind emotional vernachlässigt wurde, oder die Phase im An­ schluß an das Wiedererleben der biologischen Geburt. Am besten geht man so vor, daß man zunächst vorsichtig begrenzten Kör­ perkontakt aufnimmt, etwa die Hand oder die Stirn des Klienten bzw. der Klientin berührt. Wird dies bereitwillig angenommen, dann kann man weiter gehen, eventuell bis zu inniger Umarmung. In unserer eigenen Arbeit wird das Problem des Körperkontakts wesentlich durch die Tatsache vereinfacht, daß wir fast immer im Rahmen von Gruppen arbeiten. Die Gründe und die Regeln für diese Art der therapeutischen Hilfe werden ausführlich dargelegt und von der Gruppe als Bestandteil des therapeutischen Vorgehens akzep­ tiert. Welcher Körperteil berührt wird, hängt vom Erfahrungsprozeß des Klienten bzw. der Klientin ab, nicht von der Entscheidung des Therapeuten. Außerdem erfolgt jeder Körperkontakt vor den Augen aller anderen. Diese Situation unterscheidet sich somit wesentlich von der Einzelarbeit im Rahmen einer Privatpraxis. Wie weit Körperkontakt in einer Einzeltherapie eingesetzt werden soll, muß von Fall zu Fall überprüft werden. Wir haben festgestellt, daß die holotrope Therapie im Rahmen einer Gruppe dem therapeutischen Prozeß völlig neue Dimensionen hin­ zufügt. Der offenkundigste Vorteil ist natürlich der ökonomische Faktor. Mit dem Beistand zweier geübter Therapeuten können, in 240

einem Zeitraum, der dem von nur drei Sitzungen klassischer Psycho­ analyse entspricht, bis zu zwanzig Personen tiefe heilende und transformative Erfahrungen haben. Außerdem sind die Gruppensitzungen mit holotroper Therapie sehr viel effektiver als die Einzelsitzungen. Sie erzeugen in der Regel etwas, was man am besten als ein starkes katalytisches Energiefeld bezeichnen kann, das den therapeutischen Prozeß fördert. Ein sehr interessanter Aspekt kollektiver holotroper Arbeit ist das Auftreten von Synchronizitäten im Sinne von C. G. Jung (1967) zwischen den Klienten und Therapeuten, den Klienten untereinander sowie zwi­ schen allen Gruppenteilnehmem und verschiedenen Aspekten der äußeren Realität. Es gibt aber noch einen weiteren Vorteil der Gruppenarbeit. Wir benutzen gewöhnlich die Anordnung, daß jeder Gruppenteilnehmer bzw. jede Gruppenteilnehmerin sich einen Partner oder eine Partne­ rin unter den Teilnehmern aussucht, die gern miteinander arbeiten möchten. Während der Sitzung wechseln die Teilnehmer die Rollen des Klienten und des Therapeuten (im ursprünglichen Sinne desjeni­ gen, der Beistand leistet), und da ist es nicht ungewöhnlich, daß die Erfahrung, die Rolle des Therapeuten zu spielen, einen tiefgehenden und bedeutenden Einfluß auf die betreffende Person ausübt. Einem anderen Menschen bei einer Erfahrung beizustehen, die diesen in seinem Innersten bewegt, übt auf einen selber eine Wirkung aus, die man nicht unterschätzen sollte. Welche Partner sich gegenseitig aussuchen, ist in psychologischer Hinsicht häufig interessant und kann auch durch synchronistische Faktoren bedingt sein. Nicht selten kommt es vor, daß sich die Erfahrungsprozesse der beiden Partner in ungewöhnlicher Weise ergänzen oder in einem ebenso ungewöhnlichen antagonistischen Verhältnis zueinander stehen. Dies kann von besonderer Bedeutung sein und die Gelegenheit zu außergewöhnlichen emotionalen Lern­ prozessen bieten. Werden die holotropen Sitzungen auf systemati­ scher Basis fortgesetzt, können die Partner tauschen, wenn sie ihre Zusammenarbeit nicht als fruchtbar empfinden oder wenn sie sich zu einem anderen Gruppenteilnehmer besonders hingezogen fühlen.

241

4. Das allgemeine Vorgehen bei der holotropen Therapie Ich habe die Grundelemente der holotropen Therapie - Hyperventi­ lieren, Musik und Körperarbeit - beschrieben und möchte nun auf das allgemeine therapeutische Vorgehen, so wie wir es praktizieren, zu sprechen kommen. Die Prinzipien der holotropen Therapie sind sehr einfach. In der Vorbereitungsphase einer Sitzung werden die Klienten und Klientinnen mit der erweiterten Kartographie der Psyche vertraut gemacht, die die biographische Ebene, die Elemente des Tod- und Wiedergeburtsprozesses sowie das Spektrum der transpersonalen Erfahrungen umfaßt. Es wird deutlich gemacht, daß alle diese Erfahrungen absolut natürlich sind und unter den Bedin­ gungen einer holotropen Sitzung bei einer jeden Gruppe mit zufällig ausgewählten »normalen« Personen auftreten können. In verbalen Formen der Psychotherapie kann der Widerstand die Form emotionaler und sogar psychosomatischer Abwehrmechanis­ men annehmen. Letzteres hat Wilhelm Reich anhand des von ihm so genannten Charakterpanzers demonstriert (Reich 1983). Mit Hilfe der neuen Selbsterfahrungstechniken lassen sich diese emotionalen und psychosomatischen Blockierungen erfolgreich überwinden, so daß diese kein Problem mehr darstellen. Überraschenderweise ist nach unseren eigenen Erfahrungen das Haupthindernis in der Arbeit mit den modernen Therapien intellektueller oder philosophischer Natur. Die neuen Techniken können den Zugang zu Erlebensberei­ chen öffnen, für die unsere Kultur keinen passenden theoretischen Rahmen besitzt. Trotz des Umstands, daß gerade perinatale und transpersonale Erfahrungen äußerst heilsam und transformativ sein können, neigt der nicht informierte Mensch des Westens dazu, sich gegen sie zu wehren und sie zu blockieren, weil sie ihm fremd sind, ihn bizarr anmuten, oder ihm als Anzeichen für eine schwere psychopathologische Störung erscheinen. Aus diesem Grund gehört zur geistigen Vorbereitung auf eine holotrope Therapiesitzung unbedingt eine Einführung in die neue umfassende Kartographie der Psyche. Nun haben in manchen unserer bisherigen Workshops Teilnehmer mit einer traditionellen wissen­ schaftlichen Ausbildung den Ein wand erhoben, diese Vorbereitung sei eine Art »Indoktrination«, die die Erfahrungen in den Sitzungen 242

suggerieren würde. Nach meiner Erfahrung ist die Gefahr einer solchen Indoktrination minimal. In den ersten Jahren meiner psyche­ delischen Forschungstätigkeit habe ich wiederholt beobachtet, daß meine Patienten und Patientinnen spontan und ohne entsprechende »Vorprogrammierung« perinatale und transpersonale Erlebnisse hatten, und zwar lange bevor ich die erweiterte Kartographie des Unbewußten entwickelt hatte, über die wir nun vor psychedelischen oder holotropen Sitzungen sprechen. Wir haben auch viele Fälle erlebt, in denen perinatale und transper­ sonale Erfahrungen in nicht überwachten Sitzungen auftraten oder in psychedelischen bzw. holotropen Sitzungen, die von anderen durch­ geführt wurden und in denen die Patienten nur unzulänglich oder gar nicht vorbereitet waren. Es besteht deshalb kein Zweifel, daß solche Erfahrungen echte Erscheinungen der Psyche sind, die keine Vor­ programmierung benötigen. Man muß sich auch bewußt machen, daß in der Vorbereitung des Klienten praktisch das gesamte Spek­ trum möglicher Erfahrungen zur Sprache kommt. Da die eigenen Erfahrungen in der holotropen Sitzung nur einen stark selektiven Bruchteil dieses Spektrums darstellen, müssen sie wesentlich von persönlichen Faktoren bestimmt sein. Während die Gefahr einer »Indoktrination« also minimal erscheint, kann angesichts der star­ ken Voreingenommenheit in unserer Kultur gegen solche Erfahrun­ gen ein schwerwiegender Nachteil und ein gewaltiges Hindernis darin bestehen, an einer holotropen Sitzung ohne die nötigen Vorin­ formationen und die entsprechende Vorwarnung teilzunehmen. Zur Vorbereitung gehört auf alle Fälle auch das Eingehen auf die technischen Aspekte des Erfahrungsprozesses. Der Klient oder die Klientin wird gebeten, die gesamte Sitzung liegend mit geschlosse­ nen Augen zu verbringen, sich auf die durch das Atmen und die Musik in ihr eingeleiteten emotionalen und psychosomatischen Vorgänge zu konzentrieren und sich diesen mit vollem Vertrauen und urteilslos hinzugeben. Dabei wird empfohlen, nichts zu unter­ nehmen, um die inneren Erlebnisse nach außen abzureagieren oder um sie zu beeinflussen. Die allgemeine Einstellung sollte der in bestimmten buddhistischen Meditationstechniken entsprechen, nämlich alle aufkommenden Erfahrungen zu beobachten, sie zu registrieren und sie ihrem Lauf zu überlassen. 243

Im Rahmen der Vorbereitung sollte auch über bestimmte wichtige Regeln der holotropen Therapie sowie über die Prinzipien der Körperarbeit, auf die ich weiter oben ausführlicher eingegangen bin, gesprochen werden. Erst wenn alle bisher genannten Punkte ange­ messen berücksichtigt sind, kann der Therapeut einen Termin für die Sitzung festlegen. Eine wichtige und notwendige Vorbedingung für die erfolgreiche Durchführung einer holotropen Behandlung ist die richtige Wahl und Gestaltung des Therapieraums. Er muß groß genug sein, damit die Hälfte der Gruppenteilnehmer mit genügend Platz um sich auf dem Boden liegen kann. Er muß sich an einem Ort befinden, der gegen jegliche äußere Einflüsse störender Art relativ abgeschirmt ist, und an dem andererseits keine Lärmbeschränkungen eingehal­ ten werden müssen. Dazu gehört, daß man im Bedarfsfall die Musik sehr laut stellen kann und den Gruppenteilnehmem die Freiheit gibt, sich mit ihrer Stimme, wenn nötig, ungehindert auszudrücken. Der Fußboden muß gepolstert oder mit Matratzen ausgelegt sein. Außerdem muß eine genügende Anzahl von Kissen und sonstigen Gegenständen aus weichem Material zur Verfügung stehen. Am besten ist es, die Sitzung in einem halb abgedunkelten Raum abzuhalten. Viele Leute empfinden helles Licht im Therapieraum als störend. Eine ausreichende Menge an Cleanextüchem und Eimern oder Plastiktüten für diejenigen, denen unter Umständen übel wird und die sich übergeben müssen, ist ebenfalls unerläßlicher Bestand­ teil der Ausrüstung eines holotropen Therapieraumes. Die Klienten und Klientinnen sollten zur Sitzung in strapazierfähiger und bequemer Kleidung kommen. Wichtig ist, alles zu entfernen, was das Atmen und den inneren Erfahrungsprozeß stören könnte. Dazu gehören Brillen und Kontaktlinsen, künstliche Zähne, schwere Ohrringe, Arm- und Halsbänder, Büstenhalter, Gürtel und Arm­ banduhren. Es gibt auch wichtige Kontraindikationen gegen eine holotrope Therapie, die man in Betracht ziehen muß, ehe man jemanden an einer solchen Sitzung teilnehmen läßt. Auch sind andere Punkte zu berücksichtigen, die nicht direkte Kontraindikationen darstellen, aber besondere Vorsichtsmaßregeln erfordern. Über all dies muß 244

vorher gesprochen werden, ehe man mit dieser Form der Selbsterfor­ schung beginnt. In der holotropen Therapie können sich sehr dramatische Erlebnisse einstellen, die von starkem emotionalen und physischen Streß be­ gleitet sind. Man muß daher unbedingt alle Personen mit schweren Herz- und Kreislaufproblemen aussondem, da die Therapiesituation für sie gefährlich werden könnte. Damit sind Personen gemeint, die schon Herz- oder Schlaganfälle hatten oder die am Herzen operiert worden sind. Ferner gehören dazu Personen mit bösartigem Blut­ hochdruck, fortgeschrittener Arteriosklerose oder arteriellem Aneu­ rysma. Aus demselben Grund könnte es kritisch werden, Sitzungen mit Personen durchzuführen, die kurz zuvor operiert worden sind oder Verletzungen erlitten haben und deren Wunden noch nicht angemessen verheilt sind. Eine andere wichtige Kontraindikation ist eine Schwangerschaft, insbesondere eine Schwangerschaft in einem fortgeschrittenen Sta­ dium. Die Placenta ist nämlich einer der Bereiche des Körpers, in denen das Hyperventilieren eine Gefäßverengung hervorruft. Dies führt zu einer reduzierten Versorgung des Fötus mit Blut. Zudem empfinden viele Frauen, die in einer psychedelischen oder holotro­ pen Sitzung ihre Geburt wiedererleben, starke Gebärmutterkontrak­ tionen und sind fest davon überzeugt zu entbinden. Als Folge davon kann es Vorkommen, daß sie einerseits wie ein Fötus ihren Kopf fest nach vorne drücken, andererseits aber wie eine entbindende Mutter in einer gynäkologischen Position ihre Beine fest gegen den Unter­ bauch pressen. Wir haben in unseren Workshops wiederholt beob­ achtet, wie bei Frauen nach intensiven holotropen Sitzungen dieser Art die Periode inmitten ihres Monatszyklus einsetzte. Die vermin­ derte Versorgung des Fötus mit Blut in Kombination mit heftigen Gebärmutterkontraktionen kann die Schwangerschaft gefährden und zu einer Fehlgeburt führen. Eine Krankheit, die zu den relativen Kontraindikationen zählt, ist die Epilepsie. In der Medizin wird das Hyperventilieren eingesetzt, um die epileptischen Gehimströme für diagnostische Zwecke zu verstär­ ken. Theoretisch könnte also schnelles Atmen bei jemandem, der als Epileptiker gilt, einen Anfall auslösen. Im Laufe der Jahre haben an unseren Workshops sechs Personen teilgenommen, die unter Epilep­ 245

sie litten. Sie alle hatten sich zum Hyperventilieren entschlossen, da die Gefahren bei einem Anfall in liegender Position minimal sind. Die größten Gefahren bestehen für einen Epileptiker dann, wenn der Anfall beim Schwimmen, beim Autofahren oder an einem unge­ schützten hochgelegenen Ort auftritt. In den meisten Fällen sind die Folgen des Anfalls gefährlicher als der Anfall selber. Bei jemandem, der auf einer weichen Matratze liegt, wären die Risiken minimal, wenn die Zunge durch ein Handtuch geschützt wird. Tatsächlich aber stellte sich bei keiner der sechs epileptischen Personen in unseren Seminaren ein Anfall während des holotropen Atmens ein. Mehrere von ihnen meinten sogar, das holotrope Erleben hätte im Endeffekt zu einer wesentlichen Verringerung ihrer organismischen Spannung geführt. Sie zogen die Möglichkeit in Betracht, daß dieser Prozeß eigentlich eine Präventivmaßnahme sein könne, die die Spannung des Organismus unterhalb des für eine explosive epilepti­ sche Entladung notwendigen Spannungsniveaus hält. Dennoch ist bei Epileptikern Vorsicht geboten, hauptsächlich wegen einer ande­ ren - wenn auch unwahrscheinlichen - Komplikation, die als status epilepticus bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um eine ununter­ brochene Folge von Anfällen, die ernsthafte Gefahr bedeuten und ohne die Intervention eines fachkundigen Arztes und ohne die nötigen Pharmaka unter Umständen nicht unter Kontrolle gebracht werden können. Welche Bedingungen sonst noch Kontraindikationen darstellen oder spezielle Vorsichtsmaßregeln erfordern, ist auch ohne genauere medizinische Vorkenntnisse offenkundig. Hier braucht man nur seinen gesunden Menschenverstand einzusetzen. So belastet die Teilnahme an holotropen Sitzungen den Organismus in emotionaler und physischer Hinsicht stark. Personen, die durch schwere Erkran­ kungen irgendwelcher Art geschwächt und erschöpft sind, sollten deshalb an solchen Sitzungen nicht teilnehmen. Besonderes Augen­ merk ist in diesem Zusammenhang auf infektiöse Erkrankungen zu richten, da durch das in solchen Selbsterfahrungstherapien sehr häufige Husten, Schleimausspucken und Erbrechen natürlich Bakte­ rien übertragen werden können und so die Therapeuten oder Partner unter Umständen ernstlich gefährdet sind. Viele Menschen machen während des holotropen Atmens heftige 246

Körperbewegungen, die manchmal sehr ausladend sind. Man muß daher bei solchen Personen besondere Vorsicht walten lassen, bei denen sich Knie oder Schultern leicht auskugeln oder die unter einer pathologischen Zerbrechlichkeit ihrer Knochen leiden, weil es da­ durch zu Verletzungen und Komplikationen kommen kann. Wenn solche Risikofaktoren nicht stark genug ausgeprägt sind, um die betreffende Person von der Teilnahme an einer holotropen Sitzung auszuschließen, dann sollte sich der Therapeut oder der Partner dieses Risikos bewußt sein und den Klienten vor gefährlichen Bewegungen oder Positionen schützen. Was Kontraindikationen aufgrund emotionaler Faktoren angeht, so bedarf es spezieller Erwägungen, wenn bei der betreffenden Person bereits schwere psychopathologische Störungen diagnostiziert wor­ den sind und sie in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war. Die holotrope Therapie kann bei Menschen mit schweren emotiona­ len Problemen, ja sogar bei bestimmten psychotischen Zuständen sehr effektiv sein. Aus praktischer Sicht muß man sein Augenmerk auf zwei wichtige Elemente richten: auf die Intensität der Symptome und auf die Ichstärke. Dramatische emotionale und psychosomati­ sche Symptome weisen darauf hin, daß bedeutsames unbewußtes Material mit starker emotionaler Besetzung sehr bewußtseinsnahe ist. Dieser Umstand allein bereitet einer holotropen Behandlung keine Schwierigkeiten. Im Gegenteil, wir haben viele Fälle beob­ achtet, bei denen mit einigen wenigen Sitzungen bemerkenswerte Resultate erzielt werden konnten. Es handelte sich dabei um Perso­ nen mit schweren isolierten Psychotraumen und einer relativ stabilen Persönlichkeit. Wichtiger für eine Prognose ist aber der Faktor der Ichstärke. Die Arbeit mit Selbsterfahrungstechniken ist im allgemeinen schwieri­ ger und langwieriger bei Klienten, deren Bezug zur Alltags Wirklich­ keit gestört ist, die in ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht gefestigt sind und die Schwierigkeiten haben, innerpsychische Vorgänge und Vorgänge in der Außenwelt klar auseinanderzuhalten. In solchen Situationen spiegelt sich gewöhnlich ein Mangel an liebevollem symbiotischen Kontakt in den frühen Lebensjahren wider. Es fehlen also die Erfahrungen der »guten Brust« oder des »guten Mutter­ leibs«. Hier müssen aufdeckende Arbeit und Abreagieren der emo­ 247

tionalen Traumen durch systematischen liebevollen Körperkontakt in einem regredierten Zustand ergänzt werden. Dies scheint die einzige Möglichkeit zu sein, wie man das durch Deprivation im frühen Kindesalter entstandene emotionale Vakuum füllen kann. Nach und nach werden liebevolle Erfahrungen dieser Art intemalisiert und sie entwickeln sich dann zu einer Quelle für innere Stärke und Stabilität. Eine solche Selbsterfahrungsarbeit mit schwer gestörten Menschen erfordert eine spezielle Einrichtung mit geschultem Personal, in der kontinuierliche Unterstützung vierundzwanzig Stunden am Tag ge­ währleistet ist. Therapeutische Bemühungen dieser Art sollten nicht in einem ambulanten Rahmen erfolgen. Menschen mit weniger extremen emotionalen Schwierigkeiten - etwa mit Psychoneurosen und psychosomatischen Störungen - können an regelmäßigen Ein­ zel- und Gruppensitzungen mit holotroper Therapie teilnehmen, die von geschulten Therapeuten und Therapeutenhelfem geleitet wer­ den. Hier ist besonders darauf zu achten, durch systematische Körperarbeit in der Schlußphase einer Sitzung die bestmögliche Integration der inneren Erfahrungen zu erreichen. In manchen Fällen ist liebevoller physischer Kontakt ebenfalls sehr zu empfehlen. Bei der holotropen Therapie geht es um das Ausleben von Emotio­ nen. Sie ist deshalb unvereinbar mit dämpfenden Pharmaka, die Emotionen unterdrücken. Es wäre also nicht sinnvoll, holotrope Sitzungen mit Personen durchzuführen, die beispielsweise mit Neu­ roleptika behandelt werden. Das plötzliche Absetzen dämpfender Pharmaka kann einen dramatischen Ausbruch des unterdrückten unbewußten Materials bewirken. Versuche in dieser Richtung dür­ fen nur in einem stationären Rahmen erfolgen. Am besten ist es, die holotrope Sitzung mit einer kurzen Meditations- und Entspannungsübung zu beginnen. Wir bitten gewöhnlich die Klienten, eine Position einzunehmen, bei der Arme und Beine etwas ausgebreitet sind und die Handinnenflächen nach oben zeigen. Diese Position ist der körperliche Ausdruck der Grundeinstellung, mit der man an den holotropen Erfahrungsprozeß herangehen sollte, nämlich mit Offenheit, Aufnahmebereitschaft und Akzeptanz. Das Kreuzen der Beine und Arme weist in der Regel auf Widerstand oder eine reservierte Haltung hin. Hat der Klient oder die Klientin früher 248

schon mit einer bestimmten Entspannungstechnik erfolgreich gearbeitet, dann kann man ihm oder ihr gestatten, sie anzuwenden. Eine andere Möglichkeit für den Therapeuten, den Entspannungs­ prozeß in Gang zu bringen, besteht darin, daß er von den Füßen angefangen bis nach oben zur Kopfhaut der Reihe nach verschiedene Körperteile nennt und diese entspannen läßt. Die Teilnehmer kon­ zentrieren sich dabei zunächst auf die Füße, dann auf die Waden, die Oberschenkel, die Gesäßmuskeln, die Bauchmuskeln, die untere Rückenpartie, die langen Rückenmuskeln, den Brustkorb, die Schultern, die Arme und Hände, die Kehle und den Hals, die Kieferund Gesichtsmuskeln, die Stirn und schließlich die Kopfhaut. Die Bereiche, die schon einigermaßen entspannt sind, stellen für diese Methode kein Problem dar und können direkt beeinflußt werden. In den Bereichen, in denen der oder die Betreffende starke Muskelverspannungen spürt, wird dieses Vorgehen unter Umständen nicht ausreichen. Hier dürfte es sich lohnen, zunächst die Anspannung noch zu verstärken, sie eine Weile aufrechtzuerhalten und schließ­ lich locker zu lassen. Bei manchen Personen kann es sehr hilfreich sein, für die Entspan­ nung Imaginationen zu Hilfe zu nehmen, und zwar solche, in denen Elemente des Meeres, Wellen oder Lebensformen im Wasser wie eine Qualle oder Seetang Vorkommen, oder solche von schönen Landschaften, die angenehme und glückliche Erinnerungen wachru­ fen. Nach unseren Erfahrungen entwickelt jeder, der mit der holotro­ pen Therapie arbeitet, seine eigenen Lieblingsinstruktionen, mit denen er die Klienten in den holotropen Prozeß einführt und die er je nach der Persönlichkeit des Klienten modifiziert und variiert. Wer­ den die Sitzungen wiederholt, so kann diese Einführungsphase verkürzt werden, da der Klient schon erfahrener ist. Wenn der Körper sich so weit entspannt hat, wie es unter den gegebenen Bedingungen möglich ist, dann besteht die nächste Aufgabe darin, den Geist zu beruhigen und eine Einstellung zu vermitteln, die für den holotropen Erfahrungsprozeß optimal ist. In diesem Stadium der Vorbereitung fordern wir die Klienten auf, ihr Bewußtsein und ihre Aufmerksamkeit soweit wie möglich auf den gegenwärtigen Augenblick und den gegenwärtigen Ort - auf das 249

»Hier und Jetzt« - zu richten. Sie sollen versuchen, alles Vergan­ gene hinter sich zu lassen - was in einer früheren Selbsterforschung mit anderen Techniken oder in vorhergehenden Sitzungen mit holonomer Integration geschehen ist, was sie von anderen über diese Methode gehört haben, was ihnen an diesem Tag oder zu einem früheren Zeitpunkt widerfahren ist, und sogar, was sie in der Vorbereitung gehört haben, ausgenommen die speziellen Instruktio­ nen für die Sitzung. Entsprechend sollen sie auch aufhören, über zukünftige Dinge nachzudenken, insbesondere über solche, die die Sitzung selber betreffen. Wir raten den Leuten, die zu uns kommen, ganz beson­ ders ab, mit konkreten Vorstellungen darüber zu erscheinen, an welchen Problemen sie arbeiten wollen, wie die Erfahrung beschaf­ fen sein soll, was sie am liebsten erfahren möchten und auch, was sie am liebsten nicht erfahren möchten. Das Wesentliche der holotropen - und auch der psychedelischen - Therapie besteht ja darin, daß sich in jeder Sitzung das Material, das zu diesem Zeitpunkt emotional relevant ist, von selbst herausfiltert. In einer Reihe aufeinanderfol­ gender Sitzungen bestimmt sich auch automatisch die Abfolge von Themen und Problemen, die für den Heilungsprozeß optimal ist. Die bei weitem beste Strategie ist die, das analysierende Denken aufzu­ geben (»den Kopf abzuschalten«) und sich mit vollem Vertrauen der Weisheit des Körpers sowie der unbewußten und überbewußten Prozesse zu überlassen. Dasselbe wie beim Klienten sollte auch parallel dazu beim Thera­ peuten (bzw. den Therapeutenpartnem in einer Gruppe) ablaufen. Wie der Klient sollte auch er seinen Geist nicht mit Erinnerungen an Vergangenes oder Phantasien über Zukünftiges belasten. Wichtig ist, überhaupt keine Erwartungen oder Pläne im Hinblick auf die Sitzung zu haben. Die beste Einstellung scheint die zu sein, dem Klienten tiefe Achtung entgegenzubringen, an seinem Erfahrungs­ prozeß Interesse zu zeigen und der Weisheit sowie dem spontanen Heilpotential der Psyche zu vertrauen. Gleichzeitig sollte aber auch eine gewisse Distanz zum Klienten gewahrt werden. Dies soll eine Sicherheit dafür sein, daß der Therapeut nicht zu sehr in den Erfahrungsprozeß des Klienten hineingezogen wird, entweder in­ dem er sich mit zu starkem emotionalen Engagement auf ein 250

bestimmtes Ergebnis fixiert oder indem er auf den Inhalt der Sitzung in idiosynkratischer Weise reagiert. Die systematische Tätigkeit als holotroper Therapeut erfordert nicht nur ausreichende Schulung, sondern auch eine ständige Bewußtheit um seinen eigenen Erfahrungsprozeß und die Bereitschaft, an sich selber - wann immer nötig - weiterzuarbeiten. Die Art und Weise, wie man auf verschiedene Aspekte des Erlebens der Klienten emo­ tional reagiert, gibt am besten Aufschluß darüber, welche Bereiche der eigenen Psyche noch mehr Beachtung und weitere Erforschung erfordern. Man muß sich dessen bewußt werden, daß die holotrope Selbsterfor­ schung niemals wirklich abgeschlossen ist. Am besten stellt man sie sich als ein laufendes Forschungsprojekt oder ein psychologisches Experiment vor. Das in der akademischen Psychotherapie benutzte Modell der Psyche beruht auf der Annahme, daß man sich eine umfassende Kenntnis psychischer Prozesse aneignen und diese auf alle Patienten, mit denen man arbeitet, an wenden kann. Die Theorie der holotropen Therapie, die auch die transpersonale Domäne und damit die Totalität der Existenz beinhaltet, kalkuliert Überraschun­ gen grundsätzlich mit ein. In der täglichen therapeutischen Arbeit können sich neue Phänomene und Probleme ergeben, die der Thera­ peut noch nicht bei anderen oder sich selber erlebt oder über die er noch nichts gelesen hat; ja es können sogar Dinge eintreten, die absolut neu sind und die noch niemand zuvor erlebt und beschrie­ ben hat. Die Ausbildung des Therapeuten sollte somit nie als abge­ schlossene Sache betrachtet werden. Holotropes Arbeiten ist ein Prozeß kontinuierlichen Lernens und nicht das mechanische Anwenden eines geschlossenen Systems von Konzepten und Re­ geln. Nach der körperlichen Entspannung und der geistigen Einstimmung folgen nun spezifische Anweisungen für den Selbsterforschungsprozeß. Die Klienten werden zunächst aufgefordert, sich auf den Atem zu konzentrieren und seinen natürlichen Rhythmus zu erspüren, ohne den Versuch zu machen, ihn zu ändern. Eine nützliche Vorstel­ lung vom Atmen ist die von einer Lichtwolke, die zum Becken, zu den Beinen, zu den Füßen und wieder zurück wandert und deren Weg man mit dem geistigen Auge verfolgt. Dabei kann man sich 251

weiter vorstellen, daß sie während des Wandems durch den Körper ein Gefühl von offenem Raum vermittelt und jede Körperzelle mit Licht erfüllt. Dann gibt man die Anweisung, den Atemrhythmus zu beschleunigen und tiefer und effektiver als gewöhnlich zu atmen. Wie stark der Klient seinen Atem beschleunigen und wie tief er atmen soll, ob er durch die Nase oder durch den Mund atmen soll, ob er mit den oberen Teilen seiner Lungen oder mit dem Zwerchfell und dem Bauch atmen soll, all das überläßt der Therapeut der organismischen Intuition des Klienten. Wenn der Atemrhythmus genügend beschleunigt worden ist, dann bereitet der Therapeut die Klienten auf das Einsetzen der Musik vor, wobei er sie ermuntert, sich ihrem Fluß, dem Atemrhyth­ mus und allen auftauchenden Erlebnissen voll hinzugeben- ohne den Versuch, sie zu analysieren oder zu ändern und mit vollem Vertrauen in die Weisheit des Körpers und der Psyche. Im Idealfall erfordert eine holotrope Sitzung nur ein minimales Eingreifen von Seiten des Therapeuten. Seine Hauptaufgabe besteht darin, das Geschehen zu beobachten und sicherzustellen, daß die Klienten weiterhin schneller und effektiver als gewöhnlich atmen. Atemfrequenz, Atemtiefe und Atemstil variieren von Sitzung zu Sitzung und von Individuum zu Individuum. Therapeut und Klient (bzw. die Partner in einer Gruppensitzung) sollten eine Abmachung über Art und Grad des Eingreifens getroffen haben. Dies ist vor allen Dingen in den ersten Sitzungen wichtig, ehe der Klient mit dem Geschehen in ihm vertraut wird und seine eigene Form des Zugangs zu seinem Unbewußten entwickelt. Manche neuen Klienten möchten die Möglichkeiten der holotropen Technik so tief wie möglich ausloten. Sie fordern den Therapeuten bzw. ihren Gruppenpartner auf, genau auf ihren Atem zu achten, sie sofort darauf hinzu weisen, wenn sie im Sinne der Technik nicht richtig atmen, und auch sonst nichts bei ihnen durchgehen zu lassen. Andere möchten erst einmal sich mit der Technik anfreunden, selber das Tempo bestimmen, mit dem sie ihre Möglichkeiten erkunden, und sich den Zugang zu ihrem Unbewußten erleichtern. Wiederum andere möchten überhaupt nicht berührt werden oder bitten den Therapeuten bzw. den Gruppenpartner, überhaupt nicht einzugreifen. Solche und ähnliche Bitten sollten respektiert werden. 252

Manchmal kann es Vorkommen, daß der Klient das Hyperventilieren vergißt oder so von seinem Erleben absorbiert wird, daß er den Atem anhält. Wenn der Therapeut bzw. Gruppenpartner den Klienten daran erinnern möchte, effektiver zu atmen, dann sollte dies auf nichtverbale Weise geschehen, etwa durch eine sanfte Berührung der Schulter, der Brust oder des Bauches. Das Sprechen während der Sitzungen sollte im allgemeinen - abgesehen von gelegentlichen Worten oder einzelnen Sätzen - unterlassen werden. In der holotro­ pen Therapie ruht der Schwerpunkt auf tiefem emotionalen Erleben und intensiven psychosomatischen Empfindungen. Jedwede intel­ lektuelle Aktivität oder ein Gespräch verhindern, daß der Erfah­ rungsprozeß tief genug geht und weiterfließt. Das Sprechen sollte sich auf die Vorbereitung vor der ersten Sitzung und auf den Erlebensbericht des Klienten nach den einzelnen Sitzungen be­ schränken. In den meisten Fällen nehmen die Erfahrungen während des Atmens einen orgasmusähnlichen Verlauf. Verschiedene Emotionen und Körperempfindungen bauen sich auf, erreichen einen Höhepunkt und lösen sich dann mehr oder weniger plötzlich auf. Sobald der Klient den Wendepunkt erreicht, sollte man überhaupt nicht eingreifen und ihn den eigenen Rhythmus bestimmen lassen. Zu diesem Zeitpunkt kann der Atem in der Tat extrem verlangsamt sein, d. h. bis auf zwei oder drei Atemzüge pro Minute zurückgehen. Gelegent­ lich kann der Klient schon früher in der Sitzung in einen Bereich seiner Psyche Vordringen, in dem die entsprechenden Erfahrungen mit forciertem oder schnellerem Atmen nicht vereinbar sind, etwa wenn er sich mit einem Embryo oder einem Fisch identifiziert. In solchen Situationen sollte man nicht auf Hyperventilieren bestehen. Auf jeden Fall sollte das Eingreifen den Charakter einer freundlichen Erinnerung und nicht einer rigiden Forderung haben. Sobald klar ist, daß die Botschaft beim Klienten angekommen ist, sollte man ihm überlassen, was er mit ihr anfängt. Auf die anderen Situationen im pneumokathartischen Teil der Sit­ zung (während des holotropen Atmens), in denen ein Eingreifen notwendig erscheint, bin ich schon eingegangen. Dazu gehören Atemblockierungen, die bewußtes Abreagieren erfordern, die Redu­ zierung von überaus intensiven Emotionen oder Körperempfindun­ 253

gen, sowie Fälle, in denen das Verhalten des Klienten ernsthafte Probleme aufwirft. Ansonsten verhält sich der Therapeut bzw. Gruppenpartner die meiste Zeit über in liebevoll unterstützender und beschützender Weise. So holt er Kissen, um Tritte oder Schläge des Klienten während seines Erfahrungsprozesses abzudämpfen, er ver­ hindert, daß sich die Klienten gegenseitig stören oder sich gar gefährden, er stellt Plastiktüten oder Eimer zur Verfügung, wenn dem Klienten übel wird oder er sich erbrechen muß, und er bringt dem Klienten im Bedarfsfall Cleanextücher oder ein Glas Wasser. In der Schlußphase der Sitzung übernimmt der Therapeut bzw. Grup­ penpartner eine aktivere Rolle, sofern noch irgendwelche Probleme übrigbleiben. Die zu diesem Zeitpunkt anzuwendende Technik der gezielten Körperarbeit habe ich schon früher besprochen (S. 235ff). Zu den wichtigen Funktionen des Therapeuten bzw. Gruppenpart­ ners gehört auch, den Klienten emotional und physisch zu stützen und ihm die Gelegenheit zu geben, seine Erfahrungen mitzutei­ len. Das therapeutische Ergebnis einer Sitzung verhält sich häufig umge­ kehrt proportional zu der Häufigkeit, mit der eingegriffen wird. Manche der produktivsten Erfahrungen sind die, bei denen der Klient oder die Klientin alles selber gemacht hat. Viele traditionelle psychotherapeutische Schulen betrachten den Therapeuten als die wesentliche aktive Kraft, weil er bestimmte Techniken zur Beein­ flussung der Psyche in einer von der Schule vorgegebenen Richtung einsetzt. Personen, die in solch herkömmlicher Weise ausgebildet worden sind, werden unter Umständen ihre Schwierigkeiten haben, die Rolle eines holotropen Therapeuten einzunehmen, weil hier der Schwerpunkt auf dem spontanen Heilpotential der Psyche ruht. Wir selber kombinieren gern die holotrope Arbeit mit der Technik des »Mandalazeichnens«, wie sie von Joan Kellogg, einer Psycholo­ gin und Maltherapeutin, die am psychedelischen Therapieprojekt im Maryland Psychiatric Research Center teilnahm, entwickelt worden ist (Kellogg 1977). Als eigenständige therapeutische Methode mag das Mandalazeichnen vielleicht von nur begrenztem Wert sein, aber er ist äußerst nützlich, wenn man es mit verschiedenen Selbsterfahrungstechniken kombiniert. Das Vorgehen ist sehr einfach: der Klient oder die Klientin erhält einen Satz verschiedener Zeichen­ 254

stifte sowie ein großes Stück Papier, auf dem sich die Umrisse eines Kreises befinden, und wird dann gebeten, diesen Kreis in jeder ihm oder ihr beliebigen Weise auszufüllen. Es kann sich um ein bloßes Kombinieren von Farben handeln, um eine abstrakte Zeichnung mit geometrischen Mustern oder um eine mehr oder weniger komplexe figürliche Darstellung. Das resultierende »Mandala« kann dann einer formalen Analyse unterzogen werden, und zwar mit den Kriterien, die Joan Kellogg auf der Grundlage ihrer Arbeit mit großen Gruppen psychiatrischer Patienten und LSD-Versuchspersonen entwickelte. Es kann aber auch in hervorragender Weise zur Dokumentierung ungewöhnlicher Erfahrungen dienen und bei ihrer Integration behilflich sein. Wird das Mandalazeichnen in Gruppen eingesetzt, so trägt es eine wich­ tige Dimension zum Verständnis ungewöhnlicher Erfahrungen an­ derer bei und erleichtert die gegenseitige Kommunikation. Zudem eignen sich bestimmte Madalas für weitere Selbsterfahrungsarbeit mit Hilfe der Gestalttherapie, des Ausdruckstanzes oder anderer Techniken. In unseren vierwöchigen Workshops im Esalen-Institut ist es sehr beliebt geworden, ein »Mandalatagebuch« zu führen, in dem der Selbsterforschungsprozeß auf kontinuierlicher Basis in täglichen Mandalazeichnungen festgehalten wird. Nach der allgemeinen Erörterung der Prinzipien und Techniken der holotropen Therapie möchte ich diese Methode anhand des Berichts einer 45jährigen Klientin in einem unserer Fünftageworkshops im Esalen-Institut veranschaulichen. Sie nahm nicht nur an den beiden Sitzungen mit holotropem Atmen teil, die wir gewöhnlich im Rahmen dieser fünftätigen Seminare anbieten, sondern auch an einer dritten (im folgenden Bericht die zweite Sitzung), die für die EsalenGemeinde von Leuten, die mit uns gearbeitet haben, abgehalten wurde. Der gesamte Erfahrungsprozeß, den sie hier schildert, spielte sich also in weniger als einer Woche ab. Als ich zum Workshop der Grofs kam, hatte ich kaum Vorstellungen darüber, was in ihm wohl gemacht würde. Ich hatte über diese Methode nichts anderes gelesen als das, was in einem kurzen Abschnitt im Esalen-Katalog stand. Ich habe nie psychedelische Drogen genommen und habe mich auch noch nie betrunken. Eines der Hauptprobleme in meinem Leben war immer das intensive Bedürfnis gewesen, mich 255

selber, andere, Situationen, ja eigentlich alles unter Kontrolle zu haben. Der Gedanke, die Dinge einfach laufen zu lassen, war sehr erschreckend für mich. Ich kam zum Workshop verdrossen, angespannt und im unklaren darüber, wie ich mein Leben leben sollte. Ich dachte lediglich, die »Technik« wäre eine Möglichkeit, mit meiner Anspannung besser umgehen zu lernen. Meine erste Erfahrung mit der Grofschen Atemtechnik machte ich als Therapeutenpartnerin für Peter. Er hatte eine ziemlich ruhige Sitzung, so daß ich viel Zeit damit verbrachte, das Geschehen im übrigen Raum zu beobachten. Eine Teilnehmerin, Ruth, machte einen besonders starken Eindruck auf mich. Ihr Körper krümmte sich, sie stieß jam­ mernde Laute aus und zappelte mit ihren Armen und Beinen. Mehrere Leute hielten sie fest, um sie davor zu bewahren, sich an der Wand zu stoßen. Als ich sie beobachtete, war ich sehr verschrocken, aber auch irgendwie fasziniert. Es hatte den Anschein, als ob sie nie mehr wieder zu Verstand kommen würde, doch als sie sich am Ende der Sitzung aufrichtete, wirkte sie um zehn Jahre jünger. Tief in ihrem Inneren mußte etwas abgelaufen sein, was sie wesentlich verändert hatte. Das gab mir den Mut, mich am nächsten Tag gehen zu lassen. Erste Atemsitzung Als ich an der Reihe war, machten wir zunächst Entspannungsübungen und fingen dann an, schneller und tiefer zu atmen. Um uns herum erklang Musik. Innerhalb von vielleicht zehn Minuten verkrampften sich meine Füße und Hände. In den nächsten zehn oder fünfzehn Minuten kämpfte mein Geist um die Aufrechterhaltung der Kontrolle. Ich wurde von Panik, von Verlustängsten und von einem Gefühl der Einsamkeit überwältigt, es war mir, als ob ich »unterginge«. Ein Bild tauchte vor mir auf. Am Tag zuvor hatte ich einen kleinen schwarzen Wasservogel gesehen, der entlang des Strandes unterhalb der Themen von Esalen nach Futter suchte. Jedesmal, wenn eine große Welle kam, tauchte er tief in sie ein, und jedesmal, wenn sie vorüber war, schnellte er wieder aus ihr heraus. Ich hielt mich an das Bild, daß ich wie ein Wasservogel war, daß die einzige Sicherheit für mich darin bestand, tiefer zu tauchen. Es trieb mich fort. Ich klammerte mich nicht mehr an meine gewöhnliche Identität, löste mich von Denkweisen, von Ängsten, von Mitgliedern meiner Familie, von der Hilfe anderer. Gegen Ende dieser Anfangs­ phase rief ich leise aus: »Mutter, ich komme!« Damit meinte ich nicht meine leibliche Mutter, sondern den großen Ozean, der dort unten 256

gegen den Strand toste. Nach etwa 20 bis 25 Minuten (wie ich später schätzte) war ich voll im Prozeß drin. Was immer mein Körper tun wollte, ich überließ mich ihm. Mein Kopf auf der Matratze drehte sich rhythmisch von einer Seite auf die andere. Meine Beine zogen sich so weit hoch, daß die Fersen mein Gesäß berührten. Ein Arm fing an, sich zu heben und sich fallenzulas­ sen, wobei meine Faust gegen die Matratze schlug. Ich hatte keine Visionen, ich fühlte keine Emotionen, ich sah keine psychedelischen Farben - ich verspürte nur das tiefe Bedürfnis, diese rhythmische Bewegung auszuführen. Bald hoben sich meine Füße und schlugen nach unten, einer nach dem anderen, wie bei einem Marsch oder einem Tanz eines Eingeborenenstamms. Ein Bild tauchte in mir auf, in dem ich eine Tänzerin in einer Zeremonie in einem afrikanischen Dorf war. Nun schlossen sich meine Arme und Fäuste den Bewegungen meiner Beine an. Ich verspürte den Impuls, einen Laut von mir zu geben. Ich warf den Kopf zurück und stieß so etwas wie ein Heulen aus. Das Heulen wurde immer höher. Ich kam mir vor wie eine Opemsängerin, die auf einem langen hohen Ton verweilt. Dann fiel meine Stimme mit größter Lautstärke in den Rhythmus meines Körpers ein. Ich spürte, ich war eine amerikanische Indianerin, die ein Stammeslied sang. Vor meinem Auge tauchten wiederholt Bilder vom Esalen/Big Sur-Vorge­ birge auf, das entlang der Küste nach Süden verläuft. (Esalen ist der Name einer Gruppe amerikanischer Indianer, die das Gebiet um das jetzige Esalen-Institut bewohnten. Auf dem heutigen Grundstück dieses Instituts befanden sich ihre heiligen Gräberstätten und die heißen Quellen waren ein Ort, an dem man Heilung suchte.) Das Singen und Tanzen hielt in voller Intensität etwa eine Stunde lang an. Dazwischen waren nur wenige kurze Ruhepausen eingestreut, nach denen ich wieder zu hyperventilieren anfing. Am Ende, als ich etwa zwanzig Minuten lang mich ausgeruht hatte, kam Stan zu mir und fragte mich, ob ich in meinem Körper noch irgendwelche Verspannungen verspürte. Ich erwiderte ihm, mein Nacken würde sich noch immer verspannt anfühlen. Er drückte seine Hand gegen meinen Nacken und forderte mich auf, alles aus mir herauszulassen, was ich spürte. Obwohl ich einige Zeit nicht mehr hyperventiliert hatte und mich wieder »normal« fühlte, war ich sofort in der Lage, wieder zu singen und zu tanzen, was ich dann auch mehrere Minuten lang tat. Danach fühlte ich mich frei von überschüssigen Energien und war so entspannt wie schon seit Jahren nicht mehr.

257

Zweite Atemsitzung In meiner zweiten Atemsitzung war ich schon nach etwa zehn Minuten voll im Erfahrungsprozeß drin. Ich fing damit an, meinen Kopf von einer Seite auf die andere zu werfen, und verfiel in die gleichen rhythmischen Bewegungen wie am Vortag. Diese steigerten sich schnell zu einem regelrechten Tobsuchtsanfall. Ich schlug um mich herum, hämmerte mit meinen Fäusten in größter Wut auf die Matratze ein und schrie aus Leibeskräften. James, Paul und Tara hielten mich an den Armen, Beinen und Schultern mit eisernem Griff fest. Ich war von panischem Entsetzen erfüllt. Bilder tauchten vor mir auf, in denen ein Kind an einem zu engen Ort gefangen war. Ich hatte das Gefühl, ich müßte den anderen sagen, sie sollten meinen Erfahrungsprozeß abbre­ chen - die Angst war unerträglich. Plötzlich erinnerte ich mich an Pia, die an der Sitzung teilgenommen hatte, in der ich Therapeutenpartnerin war. Sie hatte den Mut, nahezu zwei Stunden lang ihre Erfahrungen auszuleben und wütend um sich zu schlagen, wobei vier Leute sie festhalten mußten. Ich blieb also bei meiner Angst und meinem Tobsuchtsanfall, bis ich kein Bedürfnis mehr verspürte, um mich zu schlagen, und ruhig und entspannt wurde. Nach kurzer Zeit nahm ich das tiefe Atmen wieder auf. Dieses Mal lag ich auf meinem Magen und preßte mich mit meinen Händen so fest ich konnte gegen das Kissen und gegen die Wand. Tara hielt mich an den Füßen fest, so daß ich mit ihnen gegen ihre Hände pressen konnte. Ich spannte mich mit aller Kraft an und schrie. Wieder tauchten Bilder von mir auf, diesmal kämpfte ich darum, aus dem Mutterleib, aus der Kinderkrippe, aus einem Käfig, aus meiner beengenden Lebenssituation hinauszu­ kommen. Nach etwa zwanzig Minuten war ich wieder ruhig. Ich nahm das tiefe Atmen wieder auf und meine Beine zogen sich hoch. Ich spürte, wie ich gleichzeitig von meinem Vater, meinem Ehemann und dem Kirchturm von der Christian Science-Kirche in Boston verge­ waltigt wurde! Ich schrie und protestierte mehrere Minuten, während dies geschah. Dann hatte ich das Empfinden, mein Mund wäre mit Christian Science-Literatur vollgestopft. Ich wurde gezwungen, eine ganze Weltanschauung hinunterzuschlucken, die meinen Körper, meine Sexualität, mich selber leugnete. Ein fremdes Universum erfüllte mich, das mir zu verstehen gab, daß ich schlecht war. Ich begann ein ritualisiertes »Aufstoßen«. Mit meinen Händen unterstützte ich die krampfartigen Bewegungen, mit denen ich schließlich die Bitternis aus meinem ganzen Körper durch die Kehle nach draußen holte - mit all den gutturalen Lauten des Erbrechens. 258

Immer mehr geriet ich in Raserei, schnappte nach Luft und war fest entschlossen, alles aus mir herauszubrechen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich mich nicht auf diese Weise von all der Bitternis befreite, dann würde ich sie und das fremde Universum bis an das Ende meiner Tage mit mir herumschleppen! Ich dachte an meine Tochter. Wenn ich nicht all das Zeug los würde, dann säße auch sie in der Falle, gefangen von dem fremden Universum, das meine Großmutter, meinen Vater, meinen Mann und mich vergiftete. Die »Sünden der Väter« würden ihr aufgebürdet. Ich sagte ihr unaufhörlich, ich würde es für sie tun und ich würde es immer und ewig tun, wenn es notwendig wäre. Und dann hatte ich nicht mehr das starke Bedürfnis, meiner Tochter zuliebe all das Zeug in mir herauszukotzen. Ich beruhigte mich und überließ sie der Obhut des Universums. Als ich so dalag, wurde ich von einer Vision erfüllt. Ich tanzte und rannte fröhlich zusammen mit Mary Baker Eddy um die leere Mother Church in Boston herum. Im Mother’s Room hatte ich sie eingeholt. Wir streichelten und küßten uns. Dann liefen wir auf die zweite Empore auf der linken Seite der Kirche. Nach und nach gesellten sich dort alle wichtigen Personen in meinem Leben zu uns. Ich erkannte meine Christian Science Lehrerin, meine Eltern, meinen Mann, meine Toch­ ter, meine engste Freundin, meine Schwester, meine Therapeutin, Ram Dass, Muktananda, Jesus... Sie schauten mich alle strahlend an und sagten zu mir: »Es ist alles okay, wir haben ja nur Spaß gemacht, wir haben Theater gespielt, es ist alles okay«. Als ich mich aufrichtete, hielt ich mit meiner rechten Hand Pauls Hand, mit meiner linken Taras Hand fest. James strich mir sanft über das Gesicht. Ich sagte ihnen, was für ein Spaß das alles war, und dankte ihnen dafür, daß sie mir geholfen hatten, Gott wiederzufinden. Ich sagte ihnen, ich hätte mich noch nie mit anderen Menschen und der Welt so verbunden gefühlt. Wie allein war ich mir doch in meinem Leben vorgekommen! Dritte Atemsitzung Zu Beginn der dritten Atemsitzung verspürte ich immer noch so etwas wie Angst vor dem, was bevorstand, obwohl ich es schon zweimal erlebt hatte. Ich kam mir vor wie eine Astronaution, die auf den Start ins Weltall wartet und sich fragt, ob die Raketen zünden werden und wo es hingeht. Innerhalb von Minuten aber war ich »mitten drin«. Ein sehr klares Bild tauchte vor mir auf. Es war das Gesicht meiner Tochter wenige Minuten nach ihrer Geburt. Sie schaute mich aus dem gläsernen Kinderwagen an, den sie neben mich gestellt hatten, als ich auf dem 259

Entbindungstisch lag. Ich empfand unendliche Liebe für sie. Alle blockierten Gefühle brachen aus mir heraus und ich begann heftig zu weinen. Mir wurde zum ersten Mal in meinem Leben bewußt, wie sehr ich meine Tochter liebte. Und dann veränderte sich das Bild. Ich sah ihr Skelett im Kinderwagen liegen, unmittelbar danach aber wieder ihren Körper, doch diesmal mit dem Gesicht meiner Mutter, die mich anschaute. Ich weinte noch heftiger. Alle Liebe zu ihr, die ich mir nie eingestanden hatte, durch­ strömte mich. Ich schlang die Arme um mich, rollte mich wie ein Fötus zusammen und jammerte. Tiefe Traurigkeit erfüllte mich. Ich weinte um all die Liebe, die ich ihr gegenüber nicht empfinden konnte. Ihre Gesichtszüge verschwammen und ich sah das Gesicht ihrer Mutter. Ich weinte um meine Großmutter, um die Sorgen in ihrem Leben. Da erblickte ich uns alle in einer unterirdischen Höhle. Auf dem Boden lag das Skelett meiner Großmutter, das das Skelett meiner Mutter schau­ kelte. Diese wiederum schaukelte mein Skelett, während ich das Skelett meiner Tochter in den Händen hielt. Ich jammerte noch lauter. Etwa die ganze nächste Stunde lang empfand ich tiefe Traurigkeit und schaukelte in meinen Armen all die wichtigen Frauen in meinem Leben. Ich beweinte ihren Verlust, die vertane Gelegenheit, sie zu lieben, den Abschied von ihnen, die Bestürzung, die Trennung von ihnen. Schließ­ lich nahm ich meinen Mann (im Alter von drei Jahren) in die Arme und beweinte ihn - weil er seine Mutter verloren hatte, weil er seine Kindheit verloren hatte und weil er zu wenig Zärtlichkeit in seinem Leben bekommen hatte. Dann veränderte sich die Szenerie, und ich sah, wie in einem Konzentrationslager Kinder von ihren Müttern gerissen wurden. Ich weinte und jammerte und schaukelte sie in meinen Armen. Dann hielt ich den vollkommen abgemagerten und aufgedunsenen Körper eines verhungernden äthiopischen Kindes in meinen Armen und be­ weinte die Trauer seiner Mutter. Danach fand ich mich im Süden der USA wieder, wo ich eine schwarze Mutter hielt, deren Sohn von der Polizei erschossen worden war und der sterbend in der Gasse lag, während die Polizei sie daran hinderte, ihn in den Arm zu nehmen. Mir war, als würde ich die ganze Welt beweinen. Nachdem ich mich eine Zeit lang beruhigt hatte, tauchte ich wieder in meinen Erfahrungsprozeß ein. Ich stellte fest, daß ich jetzt alle Ausge­ stoßenen tröstete und streichelte - den Mann aus Atlanta, der an elf Knaben Sexualmord verübt haben sollte, andere Männer, die wegen Vergewaltigung und Mord vor Gericht saßen, und jeden Menschen, der mir und anderen wehgetan hatte. Ich sang leise ein Kirchenlied aus 260

meiner Kindheit: »Shepherd, Show Me How to Go«. Die anderen in der Gruppe schrien und schlugen um sich, ich aber summte unentwegt mein Wiegenlied vor mich hin. Nachdem ich erneut mehrere Male tief geatmet hatte, befand ich mich draußen im Universum und schaute auf die Welt zurück. Ich hörte die Klänge des balinesischen Affengesangs. Er kam mir so laut und gewalttätig vor, wie das Feuern eines Flakge­ schützes. Peng, peng! Vor mir toste der amerikanische Bürgerkrieg, kämpfte die spanische Armada, bekämpften sich Menschen in Südame­ rika und Afrika; ich sah das Inferno des Ersten Weltkrieges, des Zweiten Weltkrieges, des Vietnamkrieges . .. alles auf einmal. Auf dem ganzen Globus wurde gekämpft, während die Zeit fortschritt - und durch all dies tönte leise ein kleines und tröstendes Lied - mein Wiegenlied für die Welt. Als ich hinterher ruhig dalag, wurde ich mir der anderen im Raum bewußt, die immer noch stöhnten und sich wanden. Ich empfand tiefes Mitgefühl für sie, so als ob ich ganz und gar von den Energien der Großen Mutter durchströmt wäre. Zum ersten Mal war meine Fraulich­ keit aus ihrer Blockierung gelöst worden. Ich hatte die Kraft des weiblichen Wesens gespürt! Die Tränen flössen mir über das Gesicht. Ich verharrte in einem meditativen Zustand und hatte noch einige intensive Visionen, darunter eine sehr eindrucksvolle, in der sich weiße Wolken am Himmel teilten und den Blick auf einen riesigen Adler freigaben. Sein Gefieder war blendend weiß, weich und kräftig. Er erfaßte mich und drückte mich liebevoll gegen seine Brust. Zwei Stunden nach dieser Sitzung versammelten sich die Gruppenteil­ nehmer wieder, um über ihre Erfahrungen zu berichten. Als ich umher­ blickte, wurde ich wieder von Zärtlichkeit und Mitgefühl überwältigt. Ich fühlte mich mit allen Anwesenden zutiefst verbunden. Mir war so, als wäre ich Tausende von Kilometern geflogen, um bei mir selbst zu sein, daß alle meine »Ichs«, die ich bereitwillig sein wollte, sich versammelt hätten, um bei mir zu sein. Ich hatte das starke Gefühl, daß ich niemals wieder einsam sein würde, ich war umgeben von mir selbst. Ich möchte diesen Bericht mit einer Passage aus einem Brief abschließen, den wir ein Jahr nach dem Esalenseminar erhielten, und zwar als Antwort auf unsere Bitte, uns zwecks Überprüfung des Behandlungserfolges etwas über die Auswirkungen der oben be­ schriebenen Erfahrungen zu sagen.

261

Stan und Christina, Ihr fragt mich nach irgendwelchen dauerhaften Auswirkungen des Atemworkshops. Da dieser nun schon ein Jahr zurückliegt, glaube ich schon, mein jetziges Befinden als dauerhaften Effekt bezeichnen zu können. Das befriedigendste und erstaunlichste Ergebnis ist wohl, daß ich ehrlich und vollkommen den Ort akzeptiert habe, der mein Zuhause ist - nachdem ich ungefähr sechzehn Jahre mit mir gekämpft habe, von hier fortzugehen! Ich habe schon früher über den Workshop gesagt, daß ich die plötzliche Erkenntnis hatte, ich wäre Tausende von Kilometern geflogen, um bei mir selbst zu sein. In diesem Augenblick, hoch über den Klippen von Esalen, fing ich an, zuhause zu leben. Dieses Bewußt­ sein hat seitdem in unverminderter Stärke angehalten. Alle, die mich kennen, kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Außerdem hat es einige weitere bedeutende Veränderungen in meinem Leben gegeben, die ich unmittelbar auf den Workshop zurückführe. Nach vielen Jahren des Redens, Denkens und Lesens über Spiritualität habe ich im Workshop etwas erlebt, was ich als spirituellen Zustand empfand. Dieses Erlebnis bestimmt auch heute noch mein Leben. Probleme gibt es auch nach wie vor - mit der Arbeit, der Familie, der Ehe usw. -, aber ich neige immer mehr dazu, tief in mich selber zu gehen und die inneren Heilkräfte zu wecken, statt zu versuchen, die äußeren Umstände zu kontrollieren und zu manipulieren. Seit einigen Monaten meditiere ich jeden Tag. Dies scheint ein guter Weg für mich zu sein. Ich bin bei keinem bestimmten Lehrer und halte mich auch an keine bestimmte Disziplin. Wenn ich meditiere, konzen­ triere ich mich einfach auf den gegenwärtigen Augenblick. Als Folge davon bin ich sehr viel ruhiger und innerlich glücklicher geworden. Ich bemerke, daß mehr Liebe aus mir strömt, und in dieser Beziehung war ich ja eindeutig ein Leben lang blockiert. Ich wollte schon immer geben, aber dieses Geben artete zu häufig in Dominanz und Kontrolle aus. Das Ich stellte sich dem Selbst in den Weg! Ich fühle mich nun freier, und die Liebe strömt ungehindert aus mir heraus. Mehrere Leute sind gekom­ men und haben von mir in verschiedener Hinsicht Rat und Hilfe erbeten, was ich als spontanes Erkennen meines inneren Fortschritts werte.

B. Effektive Mechanismen der Heilung und Persönlichkeitstransformation

Die außergewöhnlichen und oft dramatischen Auswirkungen der psychedelischen und holotropen Therapie auf verschiedene emotio­ nale und psychosomatische Störungen werfen natürlich die Frage auf, durch welche Mechanismen sie Zustandekommen. Im Rahmen traditioneller, auf der Psychoanalyse basierender Behandlungsme­ thoden erfordern dauerhafte Veränderungen der den psychopathologischen Symptomen zugrundeliegenden tieferen psychodynami­ schen Strukturen jahrelange systematische Arbeit. Daher glauben Psychiater und Psychotherapeuten in der Regel nicht daran, daß tiefgreifende und dauerhafte Persönlichkeitsveränderungen inner­ halb von Tagen oder sogar Stunden bewirkt werden können. Die gegenwärtigen Theorien haben für solche Phänomene keine Erklä­ rung. Beschreibungen von dramatischen Heilungen im Rahmen schamanischer Prozeduren, Heilungszeremonien von Naturvölkern, Treffen ekstatischer Sekten oder Trancetänze sind von den meisten westli­ chen Gelehrten nicht emstgenommen worden. Man meinte, hier sei Suggestion bei abergläubischen Eingeborenen im Spiel. Gelegentli­ che dramatische Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur, die man als »Bekehrung« oder »Konversion« bezeichnet, gelten als zu unberechenbar und unvorhersagbar und werden deshalb nicht als therapeutisch relevant erachtet. Es ist aber eine unleugbare Tatsache, daß religiöse, ethische, sexuelle, politische oder sonstige Bekehrun­ gen tiefgreifende und oft dauerhafte Auswirkungen auf den betreffen­ den Menschen haben können. Ihre Wirkung schließt nicht nur grundlegende Änderungen der Überzeugungen, Einstellungen, Wertsysteme und des allgemeinen Lebensentwurfs ein, sondern häufig auch emotionale und psychosomatische Gesundung, ein neues Verhältnis zu den Mitmenschen und das Ablegen so stark verfestigter Verhaltensmuster wie Alkohol- oder Drogenmißbrauch. 263

In diesem Zusammenhang möchte ich das wohl eindrucksvollste und extremste Beispiel für das Heilpotential außergewöhnlicher Be­ wußtseinszustände erwähnen, nämlich die Veränderungen in Men­ schen, die mit dem Tod in enge Berührung gekommen sind. David Rosen, der in der Nähe der San Francisco-Bucht lebt, hat elf Menschen interviewt, die sich in selbstmörderischer Absicht von der Golden Gate-Brücke oder von der Brücke zwischen San Francisco und Oakland gestürzt hatten (Rosen 1973). Er rekonstruierte ihre Lebenssituation und ihren psychosomatischen Zustand vor dem Selbstmordversuch, erkundete die Beweggründe für ihr Handeln, sprach mit ihnen über ihre Erlebnisse während des Falls und der Rettungsmaßnahmen und untersuchte gründlich die Veränderungen in ihrer Persönlichkeit und ihrem Lebensstil nach dem Selbstmord­ versuch. Bei allen Überlebenden stellte Rosen tiefgreifende Veränderungen fest. Dazu gehörten eine grundlegende Wandlung in emotionaler Hinsicht, eine verblüffende Besserung psychosomatischer Be­ schwerden, gesteigerte Lebensbejahung und die Entdeckung der spirituellen Dimensionen der Existenz oder die Bestätigung und Verfeinerung früherer religiöser Überzeugungen. Dies alles war Folge der Erfahrungen während des Falles und des Aufenthalts im kalten Wasser, der bis zu zehn Minuten gedauert hatte. In dieser Zeit müssen nämlich die Rettungsmaßnahmen Erfolg haben, weil sonst die Strömung den Körper in das offene Meer treibt, und dies bedeutet den sicheren Tod. Da die wenigen Minuten im kalten Wasser keine derart tiefgreifenden Veränderungen hervorrufen (dies ist mehr als genug in einer Zeit getestet und bewiesen worden, als die institutioneile Psychiatrie noch nicht über Tranquilizer verfügte), muß das Ergebnis eindeutig auf die Erfahrungen während des Fallens zurückgeführt werden. Wenn man einfache Formeln aus der Elementarphysik an wendet, dann kann man berechnen, wie lange der Fall vom Brückengeländer bis zur Wasseroberfläche dauert, nämlich etwas mehr als drei Sekunden nach objektiver Zeitrechnung. Die Ergebnisse lassen sich auch nicht einfach einem physischen Schock zuschreiben. Trotz der Tatsache, daß 99 Prozent der Menschen, die von der Brücke fallen, sterben, hatten die meisten Interviewpartner von Rosen die Situation 264

praktisch unversehrt überlebt. Eine zwingende innere Erfahrung von nur drei Sekunden muß also Ergebnisse bewirkt haben, die auch mit einer jahrelangen Freudschen Analyse nicht zu erreichen sind. Man muß sich aber vergegenwärtigen, daß das subjektive Zeitempfinden in außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen grundlegend verän­ dert ist. Innerhalb von wenigen Sekunden nach objektiver Zeitrech­ nung kann man sehr viele komplexe Erlebnisse haben, die subjektiv sehr lange, ja sogar eine Ewigkeit zu dauern scheinen. In seinem neuesten Buch Den Tod erfahren - das Leben gewinnen gelangt der Thanatologe Kenneth Ring zu ähnlichen Schlußfolge­ rungen. Er widmet einen speziellen Abschnitt dieses Buchs den langfristigen Auswirkungen von Nahtoderfahrungen (Ring 1985). Dazu gehören gesteigerte Selbstachtung und erhöhtes Selbstver­ trauen, Lebensfreude und Naturverbundenheit, Liebe zu den Mit­ menschen, ein deutlich verringertes Streben nach persönlichem Status und materiellem Besitz sowie die Entwicklung einer univer­ sellen Spiritualität, die sich nicht in Sektierertum erschöpft. Diese Veränderungen haben bemerkenswerte Ähnlichkeit mit jenen, die Maslow als Folge spontaner »Gipfelerlebnisse« beschrieb (Maslow 1964, 1978). Die Geschichte der Psychiatrie im Altertum bietet viele Beispiele für den Versuch, intensive Erlebnisse für Heilzwecke zu nutzen. Eine der Techniken im alten Indien bestand darin, den Patienten von einem speziell dressierten Elephanten angreifen zu lassen, der im letzten Augenblick vor ihm stehenblieb. In manchen Fällen wurde die geistesgestörte Person in eine Schlangengrube gebracht zusam­ men mit Kobras, denen man die Giftzähne gezogen hatte, in anderen arrangierte man einen überraschenden Fall ins Wasser, wenn der Patient eine Brücke mit besonderen Fallklappen überquerte. Bei wichtigen Personen wurde ein ganzes Gerichtsverfahren insze­ niert, zu dem die Verurteilung zum Tode und HinrichtungsVorberei­ tungen gehörten, die in allerletzter Minute durch einen vorgetäusch­ ten Gnadenerlaß des Königs gestoppt wurden (Hanzlfcek). Ich möchte nun nicht dafür plädieren, Menschen real oder scheinbar lebensbedrohlichen Situationen auszusetzen, um sie zu heilen. Diese Beispiele sollen aber veranschaulichen, daß es sehr wohl Mechanismen in der Psyche gibt, deren therapeutische und transfor265

mative Kraft bei weitem alles übertrifft, was in gegenwärtigen psychotherapeutischen Theorien für möglich gehalten wird. Die psychedelische und holotrope Therapie ermöglicht die Nutzung des heilenden und transformativen Potentials gewaltiger Erlebnisse ohne die Risiken, die mit tatsächlichen biologischen Krisen verbun­ den sind, und ohne die komplizierten Täuschungsmanöver, die oben beschrieben wurden. Die dynamischen Kräfte des Unbewußten, die durch geeignete unspezifische Techniken stimuliert werden, produ­ zieren spontan Erfahrungen, in denen es um die Konfrontation mit dem Tod geht. Solche Erfahrungen haben ebenfalls heilende Kraft, die mit der der oben beschriebenen, durch äußere Umstände beding­ ten Erfahrung vergleichbar ist. Ehe aber Methoden dieser Art von der akademischen Psychiatrie akzeptiert werden, müssen erst die an solchen dramatischen Veränderungen beteiligten Mechanismen ge­ klärt, und in eine umfassende Persönlichkeitstheorie integriert wer­ den. Nur die mehr oberflächlichen Erfahrungen und ihre Folgen lassen sich mit den herkömmlichen psychiatrischen Denkmodellen interpretieren. Die meisten von ihnen bedürfen aber nicht nur einer drastischen Revidierung der psychiatrischen und psychologischen Theorien, sondern auch eines neuen wissenschaftlichen Weltbilds, eines neuen Paradigmas.

1. Intensivierung konventioneller therapeutischer Mechanismen Manche der therapeutischen Veränderungen, die in psychedelischen und holotropen Sitzungen auftreten, können mit Hilfe solcher Me­ chanismen erklärt werden, die die traditionelle Psychotherapie be­ schreibt. Aber selbst in relativ schwach ausgeprägten außergewöhn­ lichen Bewußtseinszuständen sind diese Mechanismen in ihrer Wir­ kung im Verhältnis zu den herkömmlichen verbalen Techniken um ein Vielfaches intensiviert. In tieferen holotropen Zuständen begeg­ net man in der Regel vielen therapeutischen Mechanismen, die vollkommen neu sind und die von der traditionellen Psychiatrie bisher weder entdeckt noch anerkannt worden sind. 266

Fest steht, daß außergewöhnliche Bewußtseinszustände die Bezie­ hung zwischen dem Bewußten und dem Unbewußten einschneidend beeinflussen. Sie bewirken in der Regel eine Schwächung der Abwehrmechanismen und eine Verringerung der psychischen Wi­ derstände. Unter diesen Umständen tauchen nicht nur verdrängte Erinnerungen vermehrt im Bewußtsein auf, sondern es werden auch emotional bedeutsame Ereignisse aus der Vergangenheit mit allen möglichen Einzelheiten wiedererlebt, wobei eine vollständige Al­ tersregression stattfindet. Unbewußtes Material kann auch die Form verschiedener symbolischer Erfahrungen annehmen, die eine ähnli­ che Struktur wie Träume besitzen und auch mit Hilfe der Freudschen Traumanalyse entschlüsselt werden können. Das Bewußtwerden dieser sonst schwer zugänglichen Inhalte aus dem persönlichen Unbewußten geht oft einher mit zahlreichen emotionalen und intel­ lektuellen Einsichten in das Wesen der eigenen psychopathologischen Symptome und der Probleme in seinen zwischenmenschlichen Beziehungen. Das therapeutische Potential des Wiedererlebens emotional relevan­ ter Ereignisse in der frühen Kindheit enthält mehrere wichtige Elemente. Die psychopathologischen Symptome scheinen ihre dy­ namische Wirkung aus tief in der Psyche aufgestauten emotionalen und physischen Energien zu beziehen. Diese Tatsache wurde zuerst von Freud und Breuer in ihren Studien über Hysterie beschrieben (Freud und Breuer, Fischer-Taschenbuch Nr. 6001). Freud selber spielte die Bedeutung dieses Faktors später herunter, und es war der berühmte Renegat der psychoanalytischen Bewegung Wilhelm Reich, der die theoretische und praktische Bedeutung der bioenerge­ tischen Mechanismen des Organismus entdeckte (Reich 1983, a, b). In der psychedelischen und holotropen Therapie spielte die Freiset­ zung dieser Energien und ihre periphere Entladung eine ganz we­ sentliche Rolle. Nach traditioneller Anschauung gilt ein solches Freisetzen als Abreagieren, wenn es mit spezifischen biographi­ schen Inhalten verbunden ist. Die Entladung mehr generalisierter emotionaler und physischer Spannungen wird gewöhnlich als Ka­ tharsis bezeichnet. Auf Abreagieren und Katharsis möchte ich in diesem Zusammen­ hang etwas näher eingehen, weil ihre Rolle in der Psychotherapie 267

aufgrund der Beobachtungen in der psychedelischen und holotropen Therapie völlig neu aufgefaßt werden muß. Die Heilkraft der emo­ tionalen Katharsis ist schon im antiken Griechenland erkannt wor­ den. Platon gibt in seinem Dialog werk Phaidros eine lebhafte Beschreibung der emotionalen Katharsis, während er die rituelle Besessenheit in den Mysterien der Korybanten erörtert. Im wilden Tanzen zu Flöten- und Trommelspiel sieht er eine bemerkenswerte therapeutische Kraft. Dieses Tanzen kulminiert in einem explosiven Anfall und endet in einem Zustand tiefer Entspannung und Ruhe (Platon 1982). Da er selber angeblich in die eleusinischen Mysterien eingeweiht worden war, scheint er aus persönlicher Erfahrung gesprochen zu haben. Ein anderer griechischer Philosoph, Platons Schüler Aristoteles, hat als erster ausdrücklich festgestellt, daß das vollständige Ausleben und Freisetzen unterdrückter Emotionen eine sehr effektive Behand­ lung geistiger Erkrankungen ist. In Übereinstimmung mit der Grundthese der Anhänger des orphischen Kults glaubte Aristoteles, daß das Chaos und die Raserei in den Mysterien letztlich der Ordnung dienten. Wie er schreibt, wurden bei der Einweihung die Leidenschaften mit Hilfe von Wein, Aphrodisiaka und Musik außer­ ordentlich hochgepeitscht, und daraufhin erfolgte die heilende Ka­ tharsis (Croissant 1932). Der Mechanismus des Abreagierens wurde von Freud und Breuer beschrieben. Er spielte in Freuds frühen Spekulationen über den Ursprung und die Therapie der Psychoneurosen, insbesondere der Hysterie, eine äußerst wichtige Rolle. In seinem ursprünglichen Denkmodell hatte der neurotische Mensch traumatische Situationen in seiner Kindheit unter Bedingungen erlebt, die die angemessene Abfuhr der durch dieses Trauma erzeugten emotionalen Erregung nicht gestatteten. Dies führte zur Speicherung aufgestauter Emotio­ nen oder zu »eingeklemmten Affekten«. Das Ziel der Therapie bestand demnach darin, die verdrängte Erinnerung in das Bewußt­ sein zurückzuholen, und zwar in einer sicheren Situation, die die verspätete Abfuhr dieses Affekts begünstigte. Freud verwarf später diese Ansicht und postulierte andere Mechanis­ men, insbesondere den der Übertragung. Durch seinen Einfluß betrachtet auch heute noch die traditionelle Psychiatrie das Abrea­ 268

gieren nicht als einen Mechanismus, der dauerhafte therapeutische Veränderungen zu erzeugen vermag. Man ist sich aber allgemein darüber einig, daß Techniken zum Abreagieren die Methode der Wahl darstellen, wenn es um die Behandlung emotionaler Probleme geht, die auf ein einziges massives Psychotrauma zurückzuführen sind, wie etwa im Fall von Kriegsneurosen oder anderen traumatischen Neuro­ sen. Aus der Sicht der psychedelischen und holotropen Therapie machte Freud einen Fehler, als er das Abreagieren aus der psychoanalyti­ schen Behandlung eliminierte und seine Aufmerksamkeit subtileren und oberflächlicheren Mechanismen und Techniken widmete. Rein verbale Behandlungsmethoden sind eindeutig nicht geeignet, an der bionergetischen Situation, die psychopathologischen Symptomen zugrundeliegt, viel zu ändern. Der Grund, warum das Abreagieren keine dauerhaften therapeutischen Veränderungen bewirkte, war die Tatsache, daß es in den meisten Fällen nicht tief und radikal genug war. Damit das Abreagieren volle Wirkung zeigt, muß der Therapeut darauf achten, daß es voll und ganz geschieht. Dabei wird der Klient oder die Klientin häufig mit Dingen konfrontiert, die zum Teil weit über rein psychische Traumen (Lebenserinnerungen) hinausgehen, nämlich mit physisch bedrohlichen Ereignissen (Lungenentzündung im Kindesalter, Diphtherie, Operationen, Verletzungen oder Situa­ tionen, in denen man beinahe ertrunken wäre), mit verschiedenen Aspekten der biologischen Geburt und sogar mit Erinnerungen an frühere Inkarnationen oder anderen transpersonalen Phänomenen. Das Abreagieren kann sehr massive Formen annehmen und zu vorübergehendem KontrollVerlust, heftigem Erbrechen, starkem Würgen, momentanem Bewußtseinsausfall (»black-out«) und ande­ ren dramatischen Erscheinungen führen. Dieser Umstand scheint eine Erklärung dafür zu sein, warum das Abreagieren bei traumatischenNeurosen sehr effektiv gewesen ist. Der Therapeut war nämlich darauf vorbereitet, daß der Patient eine lebensbedrohliche Situation wiedererlebt. Ein Therapeut, der emotional oder intellektuell nicht bereit ist, das vollständige Spektrum der oben beschriebenen Phäno­ mene beim Abreagieren zuzulassen, wird diese Methode weitgehend ihrer Wirkung berauben. 269

Nun spielt das Abreagieren in der holotropen Therapie zwar eine wichtige Rolle, doch ist es nur einer von vielen effektiven Mechanis­ men, die zu den therapeutischen Veränderungen beitragen. Schon wenn es um Erinnerungen an Ereignisse im früheren Leben geht, kommen wesentliche Faktoren hinzu. Jemand, der zu dem Zeitpunkt in der Kindheit regrediert, an dem ein bestimmtes Trauma erfolgte, wird im buchstäblichen Sinn wieder ein Säugling oder ein Kind. Dazu gehören ein entsprechendes Körperbild, primitive Emotionen und ein naives Wahmehmen und Verstehen der Umwelt. Gleichzei­ tig aber hat die betreffende Person Zugang zum reiferen Weltbild des Erwachsenen. In dieser Situation können traumatische Erlebnisse integriert werden, indem ihre energetische Ladung freigesetzt wird, man sich ihrer vollständig bewußt wird und sie aus der Sicht eines Erwachsenen einordnet. Dies ist besonders in solchen Fällen von Bedeutung, in denen fehlende geistige Reife oder Verwirrung ein wesentliches Element des Traumas war. Faktoren dieser Art werden sehr klar in Gregory Batesons »double-bind«-Theorie (Bateson 1981) und in neuester Zeit in den Arbeiten von Alice Miller (Miller 1983) beschrieben. Eine interessante Frage in bezug auf das »Wiedererleben« von Kindheitstraumen ist die, warum das Wiedererleben einer schmerz­ lichen Situation im früheren Leben denn eigentlich therapeutisch ist und warum nicht ebenfalls traumatisch. Die übliche Antwort auf diese Frage lautet, daß der erwachsene Mensch Erfahrungen, die er als Kind nicht bewältigen konnte, ins Auge zu blicken und sie zu integrieren vermag. Außerdem unterscheidet sich die stützende und Vertrauen schenkende therapeutische Situation erheblich von den ursprünglichen traumatischen Umständen. Dies mag als Erklärung für relativ subtile psychische Traumen angehen. Im Fall heftiger Traumen aber, insbesondere im Fall von Situationen, die eine Gefahr für Leib und Leben darstellten, kommt offensichtlich ein wesentlicher Mechanismus noch hinzu. Höchstwahrscheinlich ist in Situationen dieser Art das ursprüngliche traumatische Ereignis zum Zeitpunkt des Geschehens nicht wirklich vollständig erfahren worden. Ein massiver psychischer Schock kann bei bestimmten Menschen zu Bewußtseinsverlust und Ohnmacht führen. Es ist denkbar, daß etwas weniger dramatische Umstände 270

eine Situation bedingen, in denen das Geschehen nur teilweise aus dem Bewußtsein ausgeschlossen wird und nicht vollständig. Als Folge davon kann dieses Ereignis psychisch nicht »verdaut« und integriert werden und bleibt in der Psyche als fremdes Element bestehen. Taucht es dann in der psychedelischen oder holotropen Therapie aus dem Unbewußten auf, so handelt es sich nicht so sehr um ein »Wiedererleben« des Ereignisses, sondern um sein erstes vollständiges Erleben, das eine endgültige Verarbeitung und Inte­ gration ermöglicht. Der Vergleich zwischen dem »Wiedererleben« eines traumatischen Ereignisses und seinem ersten vollständigen bewußten Erleben ist auch das Thema einer Arbeit, die von dem irischen Psychiater Ivor Browne und seinem Team stammt (McGee u . a . , 1984). Der letzte therapeutische Mechanismus aus traditioneller Sicht, der in diesem Zusammenhang erörtert werden soll, ist die Übertragung. In der psychoanalytisch orientierten Therapie wird als wesentlich erachtet, daß sich beim Patienten oder bei der Patientin im Laufe der Analyse eine Übertragungsneurose entwickelt. Diese besteht darin, daß auf den Therapeuten oder die Therapeutin ein ganzes Spektrum an emotionalen Reaktionen und Einstellungen projiziert wird, die in der Kindheit oder schon im Säuglingsalter in bezug auf die Eltern oder ihre Ersatzfiguren entstanden. Der entscheidende therapeuti­ sche Mechanismus ist also die Analyse dieser Übertragung. In der psychedelischen und holotropen Therapie ist die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Übertragung prinzipiell gewaltig erhöht. Sie wird aber als eine Komplikation des therapeutischen Prozesses gewertet, nicht als eine notwendige Voraussetzung für eine erfolg­ reiche Behandlung. Im Gegensatz zu den verbalen Methoden kann eine tiefgehende Selbsterfahrungstherapie den Klienten in sehr kurzer Zeit zu der ursprünglichen traumatischen Situation und damit bis an die Wur­ zeln des Problems führen. Es kommt nicht selten vor, daß die Klienten schon in der ersten psychedelischen oder holotropen Sit­ zung bis zum frühen oralen Entwicklungsstadium regredieren, Sze­ nen aus ihrer biologischen Geburt wiedererleben oder gar bis in transpersonale Sphären vorstoßen. Unter solchen Umständen muß die Entwicklung einer Übertragung als ein Zeichen für Widerstand 271

dagegen, sich mit dem ursprünglichen Trauma zu konfrontieren, aufgefaßt werden. In vielen Fällen ist es für den Klienten oder die Klientin weniger schmerzlich, ein künstliches Problem in der therapeutischen Bezie­ hung herzustellen - indem auf diese Beziehung Elemente des ursprünglichen Traumas projiziert werden als dem wahren Pro­ blem ins Auge zu sehen, was viel schwerer zu verkraften ist. Die Aufgabe des Therapeuten oder der Therapeutin besteht also darin, die Aufmerksamkeit des Klienten wieder auf den introspektiven Prozeß zu lenken, der allein eine effektive Lösung verspricht. Wird die therapeutische Arbeit in diesem Geist gestaltet, dann wird mehr als offenkundig, daß die Übertragung ein Abwehrversuch ist, mit dem ein als unüberwindbar empfundenes Problem aus der Vergan­ genheit durch die Schaffung eines weniger bedrohlichen und besser zu bewältigenden Pseudoproblems in der Gegenwart umgangen werden soll. Eine andere mögliche Ursache für eine Übertragung scheint eine starke emotionale Vernachlässigung in der Kindheit zu sein. In dieser Situation neigt der Klient bzw. die Klientin dazu, im thera­ peutischen Prozeß die Befriedigung der anaklitischen Bedürfnisse zu suchen, die ihm oder ihr als Kind versagt geblieben ist. Die beste Lösung dieses Problems ist der therapeutische Einsatz von Kör­ perkontakt. Obwohl ein solches Vorgehen eindeutig gegen das Freudsche Berührungstabu verstößt, werden dadurch die Übertra­ gungsprobleme eher verringert als vergrößert und die therapeuti­ schen Effekte bemerkenswert erhöht. Auf die Frage des Körperkon­ takts in holotropen Sitzungen bin ich bereits ausführlicher eingegan­ gen (S. 238f). Die Wirksamkeit der psychedelischen und holotropen Therapie beruht nicht ausschließlich auf der Intensivierung konventioneller therapeutischer Mechanismen. Der faszinierendste Aspekt dieser Methoden ist der, daß sie den Zugang zu vielen zusätzlichen hochwirksamen und radikalen Heilungs- und Transformationsme­ chanismen erschließen, die von der akademischen Psychiatrie des Westens noch nicht entdeckt und anerkannt worden sind. Im folgen­ den möchte ich nun die wichtigsten dieser neuen therapeutischen Möglichkeiten und Perspektiven erörtern. 272

2. Dynamische Verlagerungen in den Steuerungssystemen der Psyche

Viele dramatische Veränderungen in Selbsterfahrungstherapien können mit dem dynamischen Zusammenspiel unbewußter Kon­ stellationen, die die Funktion von Steuerungssystemen haben, erklärt werden. Die wichtigsten Systeme dieser Art habe ich schon früher, anläßlich der Einführung der neuen Kartographie der Psyche, beschrieben. Die COEX-Systeme ordnen emotional bedeutsames Material auf der biographischen Ebene. Die peri­ natalen Grundmatrizen haben eine ähnliche Funktion in bezug auf die im Unbewußten gespeicherten perinatalen Erlebnisse. Es gibt außerdem ein reichhaltiges Spektrum an dynamischen Ma­ trizen, die mit verschiedenen transpersonalen Erfahrungen ver­ knüpft sind. In außergewöhnlichen Bewußtseinszuständen bestimmen die dyna­ mischen Steuerungssysteme den Inhalt der Erfahrungen des einzel­ nen; Das System, das das Erleben in der Schlußphase einer Sitzung steuert, beeinflußt in der Regel auch in Zukunft auf weniger auffäl­ lige Weise die Selbstwahmehmung des Klienten, seine Wahrneh­ mung der Umwelt, seine emotionalen Reaktionen, Wertvorstellun­ gen und Einstellungen, und sogar verschiedene psychosomatische Funktionen. Je nach der Art der emotionalen Ladung können wir unterscheiden zwischen negativen Steuerungssystemen (negative COEX-Systeme, die zweite und dritte perinatale Grundmatrix, negative Aspekte der ersten perinatalen Grundmatrix und negative transpersonale Matrizen) und positiven Steuerungssystemen (posi­ tive COEX-Systeme, positive Aspekte der ersten perinatalen Grund­ matrix, die vierte perinatale Grundmatrix und positive transperso­ nale Matrizen). Die generelle Strategie in psychedelischen und holotropen Sitzun­ gen besteht in der Reduktion der emotionalen Ladung der negativen Systeme, in der bewußten Integration der schmerzlichen Erfahrun­ gen, die aus dem Unbewußten auftauchen, und in einer Erleichte­ rung des Zugangs zu positiven dynamischen Konstellationen. Eine spezielle taktische Regel lautet, das Ende einer jeden Einzelsitzung 273

so zu strukturieren, daß die psychische Gestalt, die an diesem Tag in Erscheinung trat, geschlossen und erfolgreich integriert wird. Die manifesten klinischen Symptome eines Klienten oder einer Klientin geben keinen allgemeinen Aufschluß über die Menge und die Art des unbewußten Materials. Sie hängen vielmehr davon ab, welches dynamische System das Erleben beeinflußt. Dieses System akzentu­ iert einen bestimmten Aspekt der Psyche und macht ihn bewußter Erfahrung zugänglich. Personen, deren Erleben unter dem Einfluß verschiedener negativer Matrizen steht, nehmen sich selber und die Welt pessimistisch wahr. In emotionaler und psychosomatischer Hinsicht fühlen sie sich in unterschiedlicher Art und unterschiedlichem Ausmaß beeinträch­ tigt. Diejenigen, die von positiven dynamischen Systemen beein­ flußt werden, fühlen sich in emotionaler Beziehung wohl, und ihr psychosomatisches Befinden ist optimal. Die jeweiligen Qualitäten der resultierenden Bewußtseinszustände hängen in beiden Fällen davon ab, welche Ebene der Psyche aktiviert wird, welche dynami­ sche Matrix Einfluß ausübt, und welches unbewußte Material betei­ ligt ist. Bei jemandem, der unter dem Einfluß eines bestimmten COEXSystems und spezifischer unter dem Einfluß einer der Schichten seines Unbewußten steht, dominiert in der Selbst- und Fremdwahr­ nehmung das Hauptmotiv dieses Systems, und in seinem Verhalten neigt er dazu, die ursprünglichen traumatischen Elemente in der gegenwärtigen Situation zu reproduzieren. Je nach dem unbewußten Material kann es sich dabei um die Beziehung zu den Eltern, anderen Autoritätsfiguren, Altersgenossen und Sexualpartnem oder um Re­ aktionen auf verschiedene spezielle Situationen und Bedingungen handeln. Der dynamische Einfluß eines COEX-Systems führt in das Leben des betreffenden Menschen archaische und anachronistische Elemente ein. Die Rolle von COEX-Systemen im menschlichen Leben und die mit ihnen verknüpften Mechanismen sind in meinem Buch Topographie des Unbewußten. LSD im Dienst der tiefenpsy­ chologischen Forschung (Grof 1978) erörtert und anhand charakte­ ristischer klinischer Beispiele veranschaulicht. Unter dem Einfluß des positiven Aspekts der ersten perinatalen Grundmatrix (des »amniotischen Universums«) nimmt der Klient 274

die Welt in einer Weise wahr, die sie ihm als unfaßbar schön, strahlend, sicher und nährend erscheinen läßt. Dieses Empfinden geht einher mit einem tiefen Bewußtwerden der spirituellen und mystischen Dimension im »Weltenplan« und mit einem Gefühl der Einheit und Verbundenheit mit dem Kosmos. Das Leben erscheint hier als göttliches Spiel, dessen Fügungen man sich mit vollem Vertrauen überlassen kann. Die negativen Aspekte der ersten perinatalen Grundmatrix führen ein Element der psychotischen WahmehmungsVerzerrung ein. Die Auflösung der Grenzen hat nicht ekstatischen und mystischen, sondern verwirrenden und bedrohlichen Charakter. Die betreffende Person fühlt sich in Ge­ fahr, von dämonischen Kräften attackiert, verängstigt und häufig auch vergiftet. In dieser psychischen Verfassung erscheint die Welt als ein unsicherer Ort, der Panikgefühle und paranoide Ängste auslöst. Die Anfangsphase der zweiten perinatalen Grundmatrix (kosmi­ sches Verschlungenwerden) besitzt große Ähnlichkeit mit den nega­ tiven Aspekten der ersten perinatalen Matrix. Dies ist auch logisch, da ja das Einsetzen der Geburt eine grundlegende und nicht mehr rückgängig zu machende Störung des Daseins im Mutterleib dar­ stellt. Der einzige größere Unterschied ist das in der ersten Matrix fehlende Empfinden, in einer Falle zu sitzen, das mit klaustrophobischen Ängsten einhergeht. Wenn sich die zweite perinatale Matrix voll entfaltet hat (in die Phase gekommen ist, die als Situation der Ausweglosigkeit oder Hölle charakterisiert ist), dann wird die Welt als eine Stätte der Hoffnungslosigkeit erlebt, die voll ist mit absur­ dem und sinnlosem Leiden, oder als eine Art »Potemkinsches Dorf«, das von seelenlosen Robotern bevölkert ist. Der oder die Betreffende hat tiefe Schuldgefühle und identifiziert sich mit der Rolle des hilflosen Opfers. Jemand, dessen Erleben von der dritten perinatalen Grundmatrix bestimmt wird (vom großen Kampf vor Tod und Wiedergeburt), empfindet starke emotionale und physische Anspannung und hat in der Regel Probleme, seine gegen sich selber und gegen andere bzw. anderes gerichteten zerstörerischen Impulse im Zaum zu halten. Gleichzeitig können sich ausgeprägte sadistische und/oder masochi­ stische Phantasien und Verhaltenstendenzen sowie sexuelle Störun­ 275

gen einstellen. Außerdem kann das Denken von dämonischen, pervertierten und skatologischen Inhalten beherrscht sein. Die Welt wird unter dem Einfluß der dritten perinatalen Matrix als ein gefährlicher Ort wahrgenommen - als ein existentielles Schlacht­ feld, auf dem der Geist des Dschungels regiert, auf dem man - um überleben und seine Bedürfnisse befriedigen zu können - Stärke zeigen muß. Der dynamische Einfluß der vierten perinatalen Grundmatrix (der Tod- und Wiedergeburtserfahrung) äußert sich in Gefühlen der physischen und spirituellen Wiedergeburt, der Verjüngung und der emotionalen Erneuerung - vorausgesetzt die biologische Ge­ burt wurde nicht durch starke Anästhesie oder sonstige massive widrige Umstände kompliziert. Die betreffende Person spürt große innerliche Erregung und ist voller Energie, ruht aber gleichzei­ tig in sich selbst und nimmt die Welt wie mit gereinigten Sinnen wahr. Die Lebensfreude ist gesteigert, die normalen Dinge des Lebens - die umgebende Natur, Musik, Essen, Sex, Arbeit und menschliche Beziehungen - werden sehr viel mehr genos­ sen. Es ist schwierig, einen Überblick über den Einfluß der transpersona­ len Matrizen zu geben, da es hier eine reiche Vielfalt an Möglichkei­ ten gibt. Die unterschiedlichsten Motive können im Erleben domi­ nieren: eine intensive Erinnerung an eine frühere Inkarnation, ein positiver oder dämonischer Archetyp, eine Ahnen-Erfahrung, eine rassische oder phylogenetische Erfahrung, das Empfinden einer schamanischen Verbundenheit mit der Natur, eine außersinnliche Wahrnehmung, usw. Veränderungen im steuernden Einfluß dynamischer Matrizen kön­ nen sich ergeben infolge verschiedener biochemischer und physiolo­ gischer Prozesse im Inneren des Organismus oder als Reaktion auf eine Reihe äußerer Einflüsse psychologischer bzw. physischer Na­ tur. Viele Beispiele für eine plötzliche klinische Besserung lassen sich damit erklären, daß jetzt nicht mehr ein negatives dynamisches System, sondern ein positives das Erleben bestimmt. Eine solche Veränderung bedeutet nicht unbedingt, daß alles unbewußte Mate­ rial, das den psychopathologischen Symptomen zugrundeliegt, durchgearbeitet worden ist. Sie zeigt lediglich eine innere dynami276

sehe Verlagerung von einem Steuerungssystem auf ein anderes an. Diese Situation, für die ich den Begriff »Transmodulation« geprägt habe, kann auf vielen verschiedenen Ebenen eintreten. Eine Verla­ gerung von einer biographischen Konstellation auf eine andere kann als eine COEX-Transmodulation bezeichnet werden. Wenn die dominierende Funktion einer perinatalen Grundmatrix auf eine andere überwechselt, dann würde man von einer perinatalen Trans­ modulation sprechen. Vollzieht sich dieser Vorgang bei Systemen transindividueller Natur, so wäre dies eine transpersonale Transmo­ dulation. Je nach dem emotionalen Charakter der beteiligten Steuerungssy­ steme und der resultierenden klinischen Veränderungen gibt es positive, negative und substitutive Transmodulationen. Eine typisch positive Transmodulation hat einen zweiphasigen Verlauf. Zunächst intensiviert sich der Einfluß eines dominierenden negativen Sy­ stems, dann erfolgt plötzliche eine dynamische Verschiebung auf ein positives System. Wenn ein starkes positives System aber schon sehr bewußtseinsnahe ist, dann kann es eine psychedelische oder holotrope Sitzung von Anfang an bestimmen. In diesem Fall tritt das negative System in den Hintergrund. Eine Verlagerung von einer dynamischen Konstellation auf eine andere muß nicht unbedingt eine klinische Besserung nach sich ziehen. Bei einer negativen Transmodulation folgt auf eine neutrale oder positive Situation eine negative. Dies führt zum Auftreten von klinischen Sympto­ men, die man an der betreffenden Person bisher noch nicht beob­ achtet hat. Eine besonders interessante dynamische Veränderung ist die substi­ tutive Transmodulation, bei der ein negatives Steuerungssystem an die Stelle eines anderen tritt. Nach außen hin macht sich dieser innerpsychische Vorgang in einer ziemlich starken qualitativen Umwandlung der psychopathologischen Symptome bemerkbar. Ein klinisches Syndrom wird durch ein anderes ersetzt. Gelegentlich kann diese Umwandlung so massiv sein, daß der Klient oder die Klientin ein völlig anderes diagnostisches Bild zeigt. Nun mag der resultierende Zustand zwar vollkommen andersartig erscheinen, aber eine sorgfältige Analyse bringt doch zutage, daß alle seine 277

dynamischen Elemente schon vorher - noch ehe die dynamische Verlagerung erfolgte - in der Psyche existierten. Ein eindrucksvol­ les Beispiel für eine substitutive Transmodulation ist der Wechsel von einer tiefen Depression zu einer hysterischen Lähmung, den ich in meinem Buch LSD-Psychotherapie (Grof 1983) beschrieben habe. Substitutive Verlagerungen von einem positiven Steuerungs­ system auf ein anderes können ebenfalls auftreten. Die Differenzie­ rung ist aber in solchen Fällen schwieriger. Dies läßt sich darauf zurückführen, daß das Spektrum negativer Erfahrungen erheblich vielfältiger und reichhaltiger ist als das Spektrum positiver Erfahrun­ gen. Ein Therapeut, der mit der psychedelischen oder holotropen Thera­ pie arbeitet, sollte mit den oben beschriebenen Mechanismen vertraut sein. Er oder sie sollte sich auch bewußt machen, daß in diesen Behandlungsformen nicht nur dauerhafte Veränderungen aufgrund des Durcharbeitens unbewußten Materials erzielt werden können, sondern daß es auch dramatische dynamische Verlage­ rungen gibt, die den Stellenwert solchen Materials im Erleben ändern.

3. Das therapeutische Potential des Tod- und Wiedergeburtsprozesses Intensive Erfahrungen, in denen man stirbt und wiedergeboren wird, können zu einer massiven Besserung verschiedener emotionaler, psychosomatischer und zwischenmenschlicher Probleme führen, die sich zuvor allen psychotherapeutischen Versuchen, die sich auf die Biographie der betreffenden Person konzentrierten, hartnäckig widersetzt haben. Die negativen perinatalen Grundmatrizen spielen eine wichtige Rolle als Speicher für Emotionen und Körperempfin­ dungen von außergewöhnlicher Intensität. Wie ich schon in einem anderen Zusammenhang ausgeführt habe (Grof 1985), sind sie die potentielle Quelle vieler psychopathologischer Syndrome. Es über­ rascht daher nicht, daß gründliche therapeutische Arbeit auf der perinatalen Ebene der Psyche sich auf die verschiedenartigsten 278

psychiatrischen Probleme aus wirken kann. Hierbei wären besonders intensive Erfahrungen des ungestörten Daseins im Mutterleib und der Einheit mit dem Kosmos zu nennen (also Erfahrungen, die zur ersten perinatalen Grundmatrix gehören), die universelles Heilpo­ tential von außergewöhnlicher Kraft besitzen. Klinische Formen von Angst, Aggressionen, Depressionen, Todes­ furcht, Schuldgefühlen, sadomasochistischen Neigungen, allgemei­ ner emotionaler und physischer Anspannung oder Minderwertig­ keitsgefühlen scheinen in der perinatalen Ebene des Unbewußten zu wurzeln. Auch lassen sich die pathologische Beschäftigung mit verschiedenen physiologischen Funktionen und Körperausschei­ dungen, verschiedene psychosomatische Symptome und seltsame hypochondrische Klagen häufig auf verschiedene Aspekte des Todund Wiedergeburtsprozesses zurückführen. Dazu gehören beispiels­ weise gewöhnliche Kopfschmerzen oder Migräneanfälle, Muskel­ spasmen und -schmerzen in verschiedenen Körperregionen sowie verschiedene Tremoren und Dyskinesien. Weitere körperliche Sym­ ptome, die eindeutig durch perinatale Faktoren verursacht sind, wären Herzbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen, neurotische Empfindungen des Sauerstoffmangels und des drohenden Erstikkens, psychogenes Asthma sowie Krämpfe während der Menstrua­ tion. In der Regel muß man in einer Selbsterfahrungstherapie bis zur perinatalen Ebene Vordringen, um eine gehemmte oder agitierte Depression, Selbsthaß und selbstzerstörerische Neigungen mit Aus­ sicht auf Erfolg zu beeinflussen. Eine intensive Erfahrung von IchTod und Wiedergeburt scheint Selbstmordgedanken und -tendenzen vollkommen oder zumindest weitgehend zu eliminieren. Personen, die Tod und Wiedergeburt erleben und/oder sich eins mit dem Kosmos fühlen, entwickeln in der Regel auch eine negative Einstel­ lung gegenüber den Zuständen, die durch Alkohol und Narkotika herbeigeführt werden. Dies hat sich in der Behandlung der Alkoholund Drogensucht als extrem nützlich erwiesen. William James war sich dessen wohl bewußt, daß eine tiefe religiöse Bekehrung das beste Mittel gegen die Alkoholsucht sei. »Religiomanie ist das beste Mittel gegen Dipsomanie« (James 1979). Die Bedeutung tiefer religiöser Erlebnisse bei der Bewältigung der Alkoholsucht war 279

auch C.G. Jung bekannt. Sein berühmtes Rezept »spiritus contra spiritum« wurde zur philosophischen Basis der Anonymen Alkoho­ liker (AA), des erfolgreichsten Programms zur Bekämpfung dieser Sucht (Jung 1972/73). Bösartige Aggressionen, zwanghafte Verhaltensweisen, Selbstver­ stümmelungsdrang und sadomasochistische Neigungen werden ebenfalls wesentlich durch perinatale Faktoren verursacht. Die Akti­ vierung der dritten perinatalen Grundmatrix führt gewöhnlich zu Erlebnissen, in denen Gewalttätigkeiten, Szenen der Massenver­ nichtung, kriegerische Auseinandersetzungen und sadomasochisti­ sche Orgien Vorkommen. Die Tatsache, daß tiefsitzende zerstöreri­ sche und selbstzerstörerische Neigungen nach außen gekehrt wer­ den, stellt einen der wichtigsten Aspekte des großen Kampfes vor Tod und Wiedergeburt dar. In diesem Zusammenhang werden gewaltige Mengen an destruktiver Energie mobilisiert und freige­ setzt. Das Ergebnis ist eine dramatische Reduzierung aggressiver Gefühle und Neigungen. Die Erfahrung der psychischen und spiritu­ ellen Wiedergeburt (vierte perinatale Grundmatrix) geht in der Regel damit einher, daß Liebe, Mitgefühl und Ehrfurcht vor dem Leben geweckt werden. Perinatale Elemente spielen auch eine wichtige Rolle bei der psycho­ dynamischen Entstehung verschiedener Angstzustände und Pho­ bien, insbesondere der Klaustrophobie, der Thanatophobie und der Nosophobie. Das gleiche gilt für hysterische Konversionssymptome und bestimmte Aspekte von Zwangsneurosen. Viele sexuelle Stö­ rungen und Abweichungen sind ebenfalls im perinatalen Bereich der Psyche verankert und lassen sich logisch von der starken sexuellen Komponente der dritten perinatalen Grundmatrix herleiten. Dies wird am deutlichsten im Falle von Impotenz, von Frigidität, krampf­ artigen Beschwerden während der Menstruation und schmerzhaften vaginalen Spasmen während des Geschlechtsverkehrs (Dyspareu­ nie). Sexuelle Abweichungen wie Koprophagie (das Essen von Kot), Urolagnie (das Trinken von Urin) und sadomasochistische Neigungen sind ebenfalls wesentlich durch perinatale Faktoren bestimmt. Eine tiefe und effektive Selbsterfahrungstherapie bei diesen Problemen führt immer bis mindestens zur biologischen Geburt zurück. 280

Erwähnt sei auch, daß viele außergewöhnliche Bewußtseinszu­ stände, die in der traditionellen Psychiatrie als Psychosen und damit als geistige Erkrankungen unbekannter Herkunft gelten, durch die Aktivierung der perinatalen Matrizen bedingt sein dürften. Wird die Tod- und Wiedergeburtserfahrung bis zum Ende durchlebt und damit erfolgreich zum Abschluß gebracht, so kann es zu dramati­ schen therapeutischen Veränderungen kommen, die bei weitem das übertreffen, was mit der gegenwärtig wahllos gehandhabten Me­ thode der Dämpfung mit Pharmaka oder anderen Mitteln erreicht werden kann (Grof und Grof 1986).

4. Therapeutische Mechanismen in transpersonalen Erfahrungen Die interessantesten Beobachtungen in einer Selbsterfahrungstherapie sind wohl die, die sich auf die Heilkraft transpersonaler Erleb­ nisse beziehen. In vielen Fällen haben spezifische emotionale und psychosomatische Symptome sowie gestörte Beziehungen zu ande­ ren Menschen ihre Wurzeln in dynamischen Matrizen transpersona­ ler Natur und lassen sich nicht auf der biographischen oder perinata­ len Ebene allein lösen. Unter solchen Voraussetzungen bedarf es der Konfrontation mit transpersonalen Erfahrungen, damit Aussicht auf Heilung besteht. Manchmal lassen sich emotionale Störungen oder psychosomatische Beschwerden auf verschiedene embryonale und fötale Erfahrungen zurückführen. Sie verschwinden völlig oder werden erheblich abge­ schwächt, wenn verschiedene Traumen während des Daseins im Mutterleib wiedererlebt werden, etwa eine drohende Fehlgeburt oder ein Abtreibungsversuch, Krankheiten oder emotionale Krisen der Mutter während der Schwangerschaft, toxische Beeinträchtigun­ gen oder das Gefühl, unerwünscht zu sein (der »schlechte« oder »ablehnende« Mutterleib). In einem solchen Fall kann der therapeu­ tische Einsatz von Körperkontakt (»Vereinigungstherapie«) von besonderem Wert sein (McCririck, unveröff. Manuskript). Gelegentlich lassen sich verschiedene Probleme auf spezifische 281

Ereignisse aus dem Leben der Ahnen zurückführen, und sie können dann aufgelöst werden, indem sie wiedererlebt und integriert wer­ den. Manche Personen erkennen bestimmte Probleme als verinner­ lichte Konflikte zwischen den Familien ihrer persönlichen Vorfah­ ren und lösen sie auf dieser Ebene. Es kommt aber auch ziemlich häufig vor, daß sie Verbindungen zu Ereignissen in der Geschichte der Rasse oder des Kollektivs im Sinne von C. G. Jung finden, oder daß sie sogar evolutionär und phylogenetisch weit zurückliegende Ursachen ihrer psychischen Störung entdecken. Besonders dramatische Beispiele für therapeutische Veränderun­ gen, die das emotionale und psychosomatische Wohlergehen sowie viele andere Dimensionen einer Person betreffen, können in Verbin­ dung mit Erinnerungen an frühere Inkarnationen beobachtet werden. Manchmal treten solche Erinnerungen zusammen mit verschiedenen Aspekten perinataler Erfahrungen auf, andere Male allein als eigen­ ständige psychologische Gestalten. Werden emotionale und psycho­ somatische Probleme in ihrem karmischen Charakter erkannt, dann lösen sie sich, sobald die beteiligten traumatischen Erfahrungen vollständig wiedererlebt werden und der betreffende Mensch das Gefühl hat, er würde verzeihen können und ihm würde verziehen (siehe z. B. den Fall von DennysKelsey und JoanGrant S. 290f). Parallel damit laufen häufig - unabhängig und in synchronistischer Koppelung - überraschende Veränderungen im Leben und in den Einstellungen von Personen, die als Hauptfiguren der karmischen Erfahrungen identifiziert wurden. Anderen emotionalen und psychosomatischen Symptomen liegen holotrope Gestalten zugrunde, die verschiedene andere Lebensfor­ men betreffen, etwa Tiere auf unterschiedlichen Ebenen des Dar­ winschen Evolutionsstammbaums oder sogar Pflanzen. Um ein Problem dieser Art aus der Welt zu schaffen, muß sich der oder die Betreffende voll und ganz mit dem entsprechenden Organismus identifizieren (siehe die Fälle von Marion und Martha S. 292 und S.292f). Sehr häufig auch sind Symptome, Einstellungen und Verhaltensweisen Manifestationen eines verborgenen archetypi­ schen Musters. Manchmal werden die sich ausfaltenden Erfahrun­ gen von Energie gesteuert, die von dem oder der Betreffenden selber und häufig auch von den Personen, die solche Erfahrungen miter­ 282

leben, als »böse Kräfte« charakterisiert werden. Solche Zustände haben verblüffende Ähnlichkeit mit dem, was als »teuflische Beses­ senheit« beschrieben worden ist. Die Therapiesitzung kann dann viele Merkmale einer Teufelsaustreibung bekommen, wie sie von der katholischen Kirche praktiziert wurde, oder der Vertreibung böser Geister bei Naturvölkern (siehe beispielsweise die Geschichte von Flora S. 294ff). Zwei transpersonale Erfahrungen von höchst abstraktem Charakter verdienen in diesem Zusammenhang besondere Beachtung. Die erste kann als Identifikation mit dem Geist des Universums, dem kosmischen Bewußtsein oder dem Absoluten beschrieben werden. Die zweite ist die Identifikation mit der über- und metakosmischen Leere. Beide haben ein außerordentliches therapeutisches Potential. In ihnen wirken Mechanismen, die im Verhältnis zu den anderen Metafunktion besitzen und sich nicht angemessen in Worte fassen lassen. Sie können zu spirituellen und philosophischen Erkenntnis­ sen auf einer so hohen Ebene führen, daß alles neu definiert wird und in einem neuen Licht erscheint. Bedeutung und Wert transpersonaler Erlebnisse sind gewaltig. Es ist eine große Ironie und eine der Paradoxien der modernen Wissen­ schaft, daß Phänomene, deren heilende Kräfte das meiste übertref­ fen, was die westliche Psychiatrie in dieser Hinsicht zu bieten hat, im großen und ganzen als pathologisch abqualifiziert und wahllos mit Pharmaka oder anderen Mitteln gedämpft bzw. unterdrückt werden. Ein Therapeut, der aufgrund philosophischer Voreinge­ nommenheit nicht willens ist, sie anzuerkennen, legt ein hocheffek­ tives therapeutisches Instrument aus der Hand.

5. Heilung als Schritt auf dem Weg zur Ganzheit Wie ich schon früher ausgeführt habe, werden in der psychedeli­ schen und holotropen Therapie höchst unterschiedliche Mechanis­ men wirksam. Sobald die Psyche aktiviert wird und die Symptome in einen Fluß von Erfahrungen umgewandelt werden, können sich bedeutsame therapeutische Veränderungen durch das Wiedererle­ 283

ben von Kindheitstraumen, durch verschiedene perinatale Erleb­ nisse und durch viele unterschiedliche transpersonale Phänomene einstellen. Dies wirft eine interessante Frage auf, nämlich ob diese so breit gestreuten Erfahrungsmuster auf einen gemeinsamen Nen­ ner zurückgeführt werden können. Es steht wohl außer Zweifel, daß der Mechanismus, der für so vielfältige Phänomene und für Vor­ gänge auf so vielen verschiedenen Ebenen verantwortlich ist, außer­ ordentlich allgemeinen, ja universellen Charakter haben muß. Die Konzeption eines so allgemeinen Heilungsmechanismus erfor­ dert ein völlig neues Verständnis vom Wesen des Menschen und eine radikale Umgestaltung des im Westen dominierenden wissenschaft­ lichen Weltbildes. Der grundlegende Aspekt dieses neuen Paradig­ mas für die Psychologie und für die Wissenschaft im allgemeinen ist die Erkenntnis, daß das Bewußtsein ein von jeher bestehendes Merkmal der Existenz ist, nicht eine Begleiterscheinung der Mate­ rie. In einem anderen Zusammenhang habe ich ausführlich diese neue Auffassung von der Realität erörtert, die in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen aufkommt, etwa in der auf der Quanten- und Relativitätstheorie basierenden Physik, der Astrophy­ sik, der Informations- und Systemtheorie, der Kybernetik, der Thermodynamik, der Biologie, der Anthropologie, der Thanatologie und der modernen Bewußtseinsforschung (Grof 1985). In die­ sem Rahmen möchte ich nur die Folgerungen dieser neuen Wirklich­ keitssicht für das Verständnis psychotherapeutischer Prozesse kurz zusammenfassen und die interessierten Leser auf die Originalquelle verweisen. Die moderne Forschung weist eindeutig daraufhin, daß der Mensch eine eigentümliche paradoxe Natur hat. Aufgrund der Aspekte, die traditionsgemäß von der mechanistischen Wissenschaft erforscht werden, erscheint er als ein eigenständiges Newtonsches Objekt, als eine komplexe biologische Maschine, die aus Zellen, Geweben und Organen aufgebaut ist. Die neuen Entdeckungen bestätigen aber die Behauptung der philosophia perennis und der großen mystischen Traditionen, daß der Mensch auch als ein unendliches Bewußt­ seinsfeld fungieren kann, das die Grenzen von Raum, Zeit und linearer Kausalität überschreitet. Diese Vorstellung vom Menschen hat eine Parallele in der subatomaren Physik, nämlich im berühmten 284

Teilchen-Wellen-Paradox des Lichts, das Niels Bohr mit seinem Komplementaritätsprinzip beschreibt. Diese beiden einander ergän­ zenden Aspekte der menschlichen Natur sind mit zwei Bewußt­ seinsformen verknüpft, auf die ich bereits früher (S.64f) kurz eingegangen bin. Die erste kann als hylotropes Bewußtsein bezeich­ net werden, was übersetzt materieorientiertes Bewußtsein bedeutet. Hylotrop leitet sich aus den griechischen Wörtern hyle = Materie und trepein = sich auf etwas zubewegen ab. Es ist der Bewußt­ seinszustand, den wir vom Alltagsleben her kennen und den die westliche Psychiatrie für den einzig normalen und legitimen hält für den, der die »objektive Realität« der Welt korrekt widerspie­ gelt. Im hylotropen Bewußtseinszustand erfährt sich der Mensch als physische Einheit mit klar definierten Grenzen. Er kann die Welt nur so weit wahmehmen, wie seine Sinne reichen. Die Welt scheint aus einzelnen materiellen Objekten zu bestehen und besitzt die typischen Eigenschaften, wie die Newtonsche Physik sie beschreibt: die Zeit ist linear, der Raum ist dreidimensional und alle Ereignisse folgen dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Erfahrungen in diesem Bewußtseinszustand stützen systematisch eine Reihe von Grundan­ nahmen über die Beschaffenheit der Welt wie: die Materie ist fest; zwei Objekte können nicht ein und denselben Raum einnehmen; vergangene Ereignisse sind unwiderbringlich verloren; wir können nicht in die Zukunft schauen; ein Ganzes ist größer als sein Teil; etwas kann nicht gleichzeitig wahr und falsch sein, usw. Im Gegensatz zu der engen und eingeschränkten hylotropen Be­ wußtseinsform erfährt man sich in einem holotropen Zustand als potentiell unbegrenztes Bewußtseinsfeld, das Zugang zu allen Aspekten der Existenz ohne die Vermittlung der Sinne besitzt. Holotrop heißt wörtlich übersetzt auf Ganzheit abzielend oder sich auf Ganzheit zubewegend (von den griechischen Wörtern holos = ganz und trepein = sich zubewegen auf). In Erlebnissen dieser Art werden viele interessante Alternativen zur Newtonschen Welt der Materie mit der linearen Zeit und dem dreidimensionalen Raum offenkundig. Holotrope Erfahrungen stützen systematisch eine Reihe von Grund­ annahmen, die denen, die für das hylotrope Bewußtsein charakteri­ 285

stisch sind, diametral gegenüberstehen, nämlich: die Festigkeit und Diskontinuität der Materie ist eine Illusion, die durch ein bestimmtes Zusammenspiel von Ereignissen im Bewußtsein erzeugt wird; Zeit und Raum sind letztlich willkürlich; ein und derselbe Raum kann gleichzeitig von vielen Objekten eingenommen werden; Vergangen­ heit und Zukunft sind stets verfügbar und können im gegenwärtigen Augenblick unmittelbar erlebt werden; man kann sich selber gleich­ zeitig an mehreren Orten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfahren; die Existenz als Teil muß nicht mit der Existenz als Ganzes unvereinbar sein; Form und Leere oder Existenz und Nichtexistenz sind austauschbar, usw. In der menschlichen Psyche scheinen diese beiden Bewußtseinsfor­ men in dynamischer Wechselbeziehung zueinander zu stehen. Das hylotrope Bewußtsein scheint von holotropen Elementen angezogen zu werden, und umgekehrt zeigen holotrope Formen eine Tendenz, sich im Alltagsbewußtsein zu manifestieren. Ein durchschnittliches »gesundes« Individuum verfügt über ein ausreichend entwickeltes System von psychischen Abwehrmechanismen, um sich gegen das Eindringen holotroper Elemente zu schützen. Psychisch bedingte psychopathologische Symptome lassen sich als Mischformen von Elementen aus beiden Bewußtseinsbereichen auffassen. Sie werden interpretiert als Verzerrung der Realität im Newtonschen Sinn, die auch der Realität des »gesunden Menschenverstandes« entspricht. In diesen Symptomen spiegelt sich also eine Situation wider, in der hylotrope und holotrope Elemente um die Vorherrschaft im Bewußt­ sein kämpfen. Dies ist der Fall, wenn das Abwehrsystem ge­ schwächt oder die holotrope Gestalt besonders stark ist. Man muß sich vergegenwärtigen, daß im hylotropen Bewußt­ seinszustand nur der gegenwärtige Augenblick und der gegenwär­ tige Ort (das »Hier und Jetzt«) in der phänomenalen Welt erfahren werden können. Dies ist alles, was wir jemals in diesem Bewußt­ seinszustand erleben können. Welchen Ausschnitt aus der materiel­ len Welt wir wahmehmen, hängt außerdem entscheidend von den physischen Merkmalen der Newtonschen Welt und den Eigenschaf­ ten der Sinnesorgane ab. Im Gegensatz dazu hat ein Mensch in einem holotropen Bewußtseinszustand potentiell Zugang zu allen noch verbleibenden Aspekten der phänomenalen Welt in der Ver­ 286

gangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, zu den feinstoffli­ chen und kausalen Bereichen und zum Absoluten. Manche der holotropen Erfahrungen werden von der betreffenden Person, wenn ihr Bewußtsein voll und ganz von ihnen beherrscht wird, aus der Sicht des Körper-Ichs interpretiert. Sie spricht dann von »meiner« Kindheitserinnerung, »meiner« Geburt, »meiner« embryonalen Entwicklung, »meiner« Empfängnis, einer Erinne­ rung aus dem Leben »meiner« menschlichen oder tierischen Vor­ fahren, »meiner« früheren Inkarnation, oder einem Ereignis aus »meiner« Zukunft. Andere holotrope Erfahrungen nehmen die Form einer Begegnung mit etwas an, das eindeutig etwas anderes ist als das eigene Körper-Ich oder dessen Erweiterung. Dies wird deutlich in Erfahrungen des telepathischen Kontakts mit einem anderen Menschen oder einem Tier, der animistischen Kommuni­ kation mit Pflanzen oder sogar toter Materie, und in der Begeg­ nung mit außerirdischen Lebewesen oder außerirdischer Intelli­ genz. Die dritte Möglichkeit ist die vollständige Identifikation mit verschiedenen Aspekten der Welt, in der jeder Bezug zum alltäg­ lichen Körper-Ich fehlt. Hierzu gehören beispielsweise die mediumistischen Erfahrungen, Erlebnisse der Identifikation mit Tieren, Pflanzen, leblosen Gegenständen und anorganischen Prozessen, kollektive und rassische Erinnerungen im Sinne von C. G. Jung, usw. Die Reichweite des holotropen Bewußtseins beschränkt sich nicht auf die materielle Welt und die Raum-Zeit. Es kann sich bis jenseits der Grenzen der Newtonschen Realität ausdehnen und außergewöhnliche Dimensionen der Existenz erschließen. Hierzu gehören beispielsweise die Astralregionen mit körperlosen Wesen, die Sphären mit übermenschlichen Wesen, die Himmel und Höl­ len, die von wohlgesonnenen Gottheiten und Dämonen bewohnt sind, die Welt der Jungschen Archetypen oder verschiedene my­ thologische und legendäre Bereiche. Es ist schon erstaunlich ge­ nug, daß die dynamischen Kräfte, die psychopathologischen Sym­ ptomen zugrundeliegen, holotrope Gestalten sind, die verschie­ dene Bereiche der phänomenalen Welt repräsentieren. In vielen Fällen aber verhält es sich sogar so, daß diese Symptome von Elementen gesteuert werden, die zu außerordentlichen Realitäten 287

gehören. Oft stellt man fest, daß Faktoren beider Art an der dynami­ schen Struktur eines bestimmten Problems beteiligt sind. Ein psychogenes Symptom ist eine Mischform aus dem hylotropen Erleben und einem holotropen Motiv, das sich den Zugang in das Bewußtsein verschaffen will. Die betreffende Person ist weder in der Lage, das unbewußte Material von ihrem Bewußtsein femzuhalten, noch läßt sie es zu, daß dieses Material vollständig bewußt und integriert wird. Das hylotrope Erleben in seiner reinen Form ist mit keinerlei Problemen verbunden. Ebenso ist eine reine holotrope Erfahrung durchaus akzeptabel und sogar erwünscht, vorausgesetzt sie stellt sich in einem sicheren Rahmen ein, in dem sich die betreffen­ de Person nicht mit der äußeren Realität auseinandersetzen muß. Ge­ rade das verwirrende und unverständliche Amalgam aus beiden Er­ fahrungsformen macht das Element des Psychopathologischen aus. Als ich diese Anschauung und ihre Bedeutung für das holographische Modell vom Universum und vom Gehirn mit Karl Pribram disku­ tierte, wies er mich auf eine interessante Parallele hin. Jemand, der weitab vom Strand im Meer schwimmt, befindet sich in der Welt der Wellen und gerät in keine Schwierigkeiten, egal wie groß sie auch sein mögen. Wenn dieselbe Person an der Küste hoch über dem Wasser steht, also festen Boden unter den Füßen hat, gibt es ebenfalls keine Probleme. Nur an der Linie, an der sich die Wellen überschlagen - wo also Festland und Wasser Zusammentreffen und keines vom anderen getrennt werden kann -, ist sie potentiell in Gefahr. Dieser interessante Vergleich bedarf aber noch weiterer Spezifizie­ rung und Verfeinerung. Wie die Forschung auf dem Gebiet der subatomaren Physik eindeutig nachgewiesen hat, ist selbst die materielle Welt, die sich im hylotropen Bewußtsein widerspiegelt, kein Reich fester Formen. Das Universum ist seiner Natur nach ein schwingendes dynamisches System. Ebenso macht eine erkenntnis­ theoretische Analyse hylotroper Wahmehmungsprozesse die Welt der festen Newtonschen Objekte zu einem System subjektiver Erfah­ rungen, die zu verschiedenen Sinnen Bezug haben. Eine bessere Metapher wäre also der Wettstreit zweier Femsehkanäle, die Pro­ gramme mit unterschiedlichen Merkmalen für den gleichen Fernseh­ apparat übertragen. Die Auffassung psychopathologischer Symptome als Kollision zwi288

sehen dem hylotropen und dem holotropen Bewußtsein legt dem­ nach eine neue therapeutische Strategie nahe. Dem Klienten oder der Klientin wird eine Technik angeboten, die einen außergewöhnlichen Bewußtseinszustand herbeiführt und den Zugang zur holotropen Bewußtseinsform vermittelt. Unter diesen Bedingungen wird das den Symptomen zugrundeliegende holotrope Motiv voll bewußt. Verschiedene Aspekte der Symptome, die bislang bizarr und unver­ ständlich erschienen, erhalten plötzlich einen klaren Sinn. Sie erwei­ sen sich als Abkömmlinge der verborgenen holotropen Gestalt. Wie schon früher erwähnt, kann es sich dabei um ein Ereignis aus dem früheren Leben, um Aspekte der biologischen Geburt oder um ein transpersonales Phänomen handeln. Die vollständige bewußte Er­ fahrung des ursprünglich unbewußten Materials und seine Integra­ tion bringen das Symptom zum Verschwinden, und die betreffende Person kehrt in ihr hylotropes Alltagsbewußtsein zurück. Ein we­ sentliches Merkmal der holotropen Therapie besteht darin, daß jeder therapeutische Vorgang dieser Art die Lebensphilosophie der betref­ fenden Person in Richtung einer mystischen Weltauffassung umge­ staltet. Die Techniken, die den Zugang zur holotropen Erfahrungswelt für therapeutische Zwecke erschließen, sind höchst vielfältiger Natur. Die Meditation, die exploratorische Hypnose, das Biofeedback, verschiedene Selbsterfahrungsmethoden und der Trancetanz gehö­ ren ebenso zu ihnen wie die Einnahme von Psychedelika. Es sei aber hervorgehoben, daß nicht alle veränderten Bewußtseinszustände das Tor zur holotropen Erfahrungswelt öffnen. Was die psychoaktiven Substanzen anbelangt, so bleibt dieser Effekt echten Psychedelika Vorbehalten, und zu diesen zählen LSD, Psilocybin, Meskalin, Ibogain, Harmalin, die Tryptaminderivate (Dimethyl-, Diäthyl-, Dipropyl- und Methoxydimethyltryptamin) und die den Ampheta­ minen verwandten Empathogene (MDA, MMDA, 2-CB und das als Adam oder Ekstase bekannte MDMA). Viele andere bewußtseinsverändemde Substanzen bewirken lediglich triviale Delirien, die durch Verwirrung, Desorientiertheit und Amnesie und nicht durch einen holotropen Bewußtseinswandel gekennzeichnet sind. Ähnliche delirante Zustände finden sich auch in Verbindung mit sehr unterschiedlichen körperlichen Erkrankungen und Störungen. 289

Da der obigen abstrakten Beschreibung der therapeutischen Mecha­ nismen, die das holotrope Bewußtsein einbeziehen, möglicherweise nicht leicht zu folgen sein wird, möchte ich gern zur Veranschauli­ chung mehrere klinische Beispiele anführen. Das erste stammt aus der regressiven Hypnotherapie, wie sie von Joan Grant und Dennys Kelsey praktiziert wird. Es erinnert aber stark an viele Situationen, die wir selber in einer psychedelischen oder holotropen Therapie miterlebt haben. Joan Grant ist Französin und verfügt über die außerordentliche Fähigkeit, in Selbsthypnose Dinge zu rekonstru­ ieren, die sich offenbar in ihren früheren Leben zugetragen haben. Auf der Grundlage dieser karmischen Selbsterforschung hat sie viele Bücher veröffentlicht, darunter The WingedPharao, Life as Carola, The Eyes of Horus, So Moses Was Born u.v.a. Obwohl sie ganz bewußt keine historischen Studien betreibt, war sie in der Lage, die historischen Zeitabschnitte ihrer karmischen Vorleben mit verblüf­ fender Genauigkeit zu beschreiben. Joans Ehemann Dennys ist ein englischer Psychiater, der bei der Behandlung verschiedener emotionaler und psychosomatischer Pro­ bleme mit regressiver Hypnose arbeitet. Nachdem er den Klienten in hypnotische Trance versetzt hat, fordert er ihn auf, zeitlich so weit zurückzugehen, wie es erforderlich erscheint, um bis zum Ursprung des Problems zu gelangen. Die Kelseys arbeiten als therapeutisches Team zusammen. Sie haben ihre Behandlungstechniken und -ergebnisse in dem Buch Wiedergeburt und Heilung (Kelsey und Grant 1975) beschrieben. Joan scheint zu den früheren Inkarnationen anderer Personen ebenso leichten Zugang zu haben wie zu ihren eigenen. Mit dieser Gabe vermag sie den therapeutischen Prozeß bei ihren Klienten voranzutreiben. Ende der sechziger Jahre waren Joan und Dennys drei Wochen am Maryland Psychiatric Research Center als fachliche Berater tätig. In diesem Zeitraum führten sie Selbsterfahrungssitzungen mit allen Mitgliedern des therapeutischen Teams dieses Instituts durch. Da ich selber mit ihnen gearbeitet habe, spreche ich aus eigener Erfahrung. Eine Patientin, die viele Jahre lang erfolglos wegen einer schweren Vogel- und Fedemphobie behandelt worden war, konsultierte Joan Grant und Dennys Kelsey mit der Absicht, mit Hilfe regressiver Hypnose zu den Wurzeln ihres Problems zu gelangen. Dennys hypnoti­ 290

sierte sie und forderte sie auf, so weit zurückzugehen, bis sie heraus­ fand, was diese Ängste bedeuteten und wann sie anfingen. Nach einiger Zeit sagte die Patientin, ihr Körper fühle sich stark, muskulös und eindeutig männlich an. Sie glaubte, ein Soldat in einer Armee in früheren Zeiten zu sein. Im weiteren Verlauf der Sitzung entwickelte sich bei ihr ein sehr dramatisches Erlebnis. Die Patientin ging nun völlig in ihrem Erleben auf und schilderte, daß sie/er an einer heftigen Schlacht im alten Persien teilnahm. Plötzlich verspürte sie einen stechenden Schmerz in ihrer Brust, die von einem Pfeil durchbohrt war. Sterbend sank sie auf den staubigen Boden. Es war ein heißer Tag. Im blauen Himmel über ihr erblickte sie Geier, die sich ihr in großen Kreisen näherten. Sie ließen sich um sie herum am Boden nieder und warteten darauf, daß sie sterben würde. Noch während sie am Leben war, näherten sich einige Geier und fingen an, Stücke aus ihrem Körper zu reißen. Sie schrie und schlug um sich, sie focht einen verzweifelten Kampf mit den Aasvögeln, in dem sie aber unterlag. Schließlich gab sie auf und starb. Als sie wieder zu ihrem normalen Bewußtsein zurückkehrte, war sie frei von der Phobie, die sie lange Zeit gequält hatte. Wir haben hier eine Situation, in der eine erwachsene und intelli­ gente Frau in ihrem Alltagserleben (in ihrem hylotropen Bewußt­ sein) eine fremdartige und unverständliche »Enklave« hatte. Sie fürchtete sich vor Vögeln und sogar vor einzelnen Federn. Im hypnotisierten Zustand (im holotropen Bewußtsein) erhielt sie Zu­ gang zu der zugrundeliegenden transpersonalen Gestalt, in der es um eine Schlacht im mittelalterlichen Persien geht. In Verbindung mit der Situation, die im Laufe dieses Erfahrungsprozesses auftaucht ein zu Tode verwundeter Soldat liegt sterbend auf dem Boden und wird von hungrigen Geiern umringt -, ist die Angst vor Vögeln sicherlich mehr als gerechtfertigt. Um die Phobie loszuwerden, mußte das zugrundeliegende holotrope Motiv vom Unbewußten in das Bewußtsein gebracht, vollständig erlebt und verarbeitet wer­ den. Das zweite Beispiel ist die Geschichte einer jungen Frau, die an einem unserer Fünftageworkshops im Esalen-Institut teilnahm, in denen wir mit holotroper Therapie arbeiten. Vor diesem Workshop hatte sie viele Monate lang unter heftigen Muskelkrämpfen und -schmerzen in Hals, Nacken und Schultern gelitten. Alles, was sie 291

bis dahin getan hatte, um ihre Beschwerden loszuwerden - u. a. wiederholte Massagen und heiße Bäder -, verschaffte ihr nur teil­ weise und vorübergehend Erleichterung. Nach etwa einer halben Stunde intensiven Atmens verstärkten sich die Spannungen in Marions Nacken und Schultern beträchtlich. Ihre Tra­ pezmuskeln wurden hart und empfindlich. Plötzlich öffnete sie ihre Augen und richtete sich auf. Als wir sie fragten, was geschehen war, erwiderte sie, sie weigere sich weiterzuatmen. »Ich möchte das nicht mehr machen, es ist absolut verrückt. Ich habe das Gefühl, ich ver­ wandle mich in eine Krabbe.« Nachdem wir sie mehrmals ermuntert hatten weiterzuatmen, weil sie jetzt an die Wurzeln ihres Problems gelangen könne, gab sie nach. Während ihre oberen Rumpfmuskeln über sehr lange Zeit völlig steif waren, hatte Marion eine Erfahrung, in der sie sich voll und ganz mit einer Krabbe identifizierte. Dabei gewann sie interessante zoologische Erkenntnisse über das Leben dieses Tiers. Als sie das Hyperventilieren beendet hatte, spürte sie immer noch heftige Verspannungen in Nacken und Schultern. Die schon früher beschriebene Technik der gezielten Körperarbeit (S. 235 ff.) an wendend forderten wir sie auf, diese Ver­ spannungen noch zu intensivieren, und massierten dann die betroffenen Muskeln. Marion hatte wieder das überzeugende Empfinden, eine Krabbe zu sein, und schleppte uns beide viermal von Wand zu Wand (der Raum war etwa zehn Meter lang), wobei sie sich ohne im geringsten zu überlegen seitwärts - ganz genau wie eine Krabbe - bewegte. In dieser Sitzung lösten sich sämtliche Spannungen und Schmerzen, die sich bis zu diesem Zeitpunkt der Behandlung mit allen anderen Selbsterfahrungstechniken und Methoden der Körperarbeit widersetzt hatten. Vor mehreren Jahren wurde ich Zeuge eines ähnlichen, aber noch ungewöhnlicheren therapeutischen Mechanismus im Rahmen einer psychedelischen Behandlung. Die zugrundeliegende holotrope Ge­ stalt betraf in diesem Fall eine Kombination aus Pflanzenbewußtsein und einigen archetypischen Elementen. Martha, eine 32jährige Frau, befand sich in psychedelischer Therapie, weil sie unter verschiedenen psychopathologischen Symptomen litt. Das auffallendste waren Klagen über seltsame Empfindungen in den Beinen, die sie kaum mit Worten beschreiben konnte. Diese Empfin­ dungen waren schon als bizarre hypochondrische Beschwerden klassifi­ 292

ziert worden, die auf eine Borderlinepsychose mit Verzerrung der Körperwahmehmung hinweisen sollten. In einer ihrer psychedelischen Sitzungen nahmen diese Empfindungen solche Ausmaße an, daß sie für Martha unerträglich wurden und sie den Abbruch der Sitzung mit Thorazin verlangte. Nach einem kurzen Gespräch war sie aber bereit, die Sitzung fortzuführen und zu versu­ chen, hinter die Ursachen ihrer Beschwerden zu kommen. Als sie sich voll auf ihre Beine konzentrierte, erlebte sie sich plötzlich als einen wunderschönen großen Baum. Dieses Identifikationserlebnis war sehr authentisch und überzeugend und ging mit vielen interessanten Erkennt­ nissen über verschiedene botanische Prozesse einher. Sie stand auf und blieb lange Zeit mit ausgestreckten Armen, die sie als Zweige mit viel Blattwerk empfand, stehen. Eine Art Zellbewußtsein stellte sich bei ihr ein. Sie erfuhr den Prozeß der Photosynthese in den Blättern, jenen rätselhaften Prozeß, der die Grundlage alles Lebens auf diesem Planeten bildet. Sie spürte, wie der Baumsaft in ihrem Körper durch die Leitungsbahnen im Kambium zirkulierte und wie sich im Wurzelsystem der Austausch zwischen Mineralien und Wasser vollzog. Was als seltsame Verzerrung der menschlichen Körperwahmehmung erschien, erwies sich als eine absolut normale und faszinierende Erfah­ rung, in der sich die Patientin mit einem Baum identifizierte. Diese Erfahrung blieb aber nicht auf die botanische Ebene beschränkt. Was zunächst die Sonne in unserem Sonnensystem war, wurde nun zur kosmischen Sonne - zu der Quelle der kreativen Kraft im Universum. Die Erde wurde zu Mutter Erde, einer phantastischen mythischen Figur der großen Muttergöttin. Der Baum selber nahm eine tiefe archetypi­ sche Bedeutung an und wurde zum Baum des Lebens. Die Erfahrung, die zunächst so erschreckend war, erhielt ekstatischen und mystischen Charakter. Als Martha nach der Sitzung wieder zu ihrem normalen Bewußtsein zurückkehrte, waren die Verzerrungen ihrer Körperwahr­ nehmung verschwunden und sie empfand tiefe Ehrfurcht vor dem pflanzlichen Leben auf der Erde. Das abschließende Beispiel ist wohl das Ungewöhnlichste und Dramatischste, was ich in diesem Zusammenhang in den drei Jahrzehnten meiner Erforschung außergewöhnlicher Bewußt­ seinszustände erlebt habe. Die hier beschriebene Situation ergab sich im Rahmen eines psychedelischen Therapieprogramms mit LSD während meines Aufenthalts in Baltimore. Im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Beispielen enthielt die hier zugrundelie­ 293

gende holotrope Gestalt keine Elemente aus der phänomenalen Welt, sondern nur solche aus der Welt der Archetypen. Als ich am Maryland Psychiatric Research Center arbeitete, wurde ich zu einer Mitarbeiterkonferenz am Spring Grove State Hospital eingela­ den. Einer der Psychiater präsentierte dort den Fall Flora, eine 28jährige alleinstehende Frau, die mehr als acht Monate in einer geschlossenen Abteilung verbracht hatte. Man hatte alle verfügbaren therapeutischen Maßnahmen - Behandlung mit Tranquilizern und Antidepressiva, Psy­ chotherapie und Beschäftigungstherapie - ausprobiert, hatte aber mit keiner Erfolg gehabt und erwog nun, sie in die Abteilung für chronisch Geisteskranke zu verlegen. Flora zeigte die schwierigste und komplizierteste Kombination von Symptomen und Beschwerden, der ich jemals in meiner psychiatrischen Praxis begegnet bin. Mit 16 Jahren war sie Mitglied einer Bande gewesen, die einen bewaffneten Raubüberfall verübte und dabei einen Nachtwächter erschoß. Als Fahrerin des Fluchtautos wurde sie zu einer mehljährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Vier Jahre davon mußte sie absitzen, der Rest wurde ihr auf Bewährung erlassen. In den wilden Jahren, die nun folgten, wurde Flora alkohol- und drogensüchtig. Sie war heroinabhängig, nahm aber häufig auch hohe Dosen von Psychostimulantien und Barbituraten. Sie litt unter schweren Depressionen und hatte gewalttätige Selbstmordphantasien. Oft ver­ spürte sie den Impuls, sich mit dem Auto über ein Kliff zu stürzen oder gegen ein anderes Auto zu fahren. Außerdem litt sie unter hysterischem Erbrechen in Situationen, in denen sie emotional erregt war. Am meisten aber dürfte sie ein schmerzlicher Gesichtskrampf gequält haben, ein »tic douloureux«. Ein Neurochirurg hatte aus diesem Grund schon eine Gehimoperation empfohlen, bei der der betreffende Nerv durchtrennt werden sollte. Flora war auch Lesbierin und litt deswegen unter schweren Konflikten und vielen Schuldgefühlen. Sie hatte noch nie in ihrem Leben eine heterosexuelle Beziehung gehabt. Die Situation wurde noch weiter dadurch kompliziert, daß sie vom Gericht in psychia­ trische Behandlung überwiesen worden war, weil sie bei dem Versuch, unter Heroineinfluß ein Gewehr zu reinigen, ihre Freundin und Zimmer­ genossin schwer verwundet hatte. Am Ende der Mitarbeiterkonferenz in Spring Grove wurde ich von Floras behandelndem Psychiater gefragt, ob ich in ihrem Fall eine LSDBehandlung als letzte Möglichkeit erwägen würde. Dies stellte mich vor eine äußerst schwierige Entscheidung, besonders in Anbetracht der damaligen landesweiten Hysterie wegen LSD. Flora war schon straffäl­ 294

lig geworden, sie hatte Zugang zu Waffen und sie zeigte massive Selbstmordtendenzen. Eines stand unter diesen Umständen fest: im Falle einer Behandlung mit LSD würde alles, was in Zukunft geschehen würde, automatisch auf die Droge geschoben werden, ohne Berücksichtigung von Floras bisheri­ gem Leben. Andererseits war schon alles andere ohne Erfolg auspro­ biert worden und Flora drohte lebenslange Verwahrung in einer ge­ schlossenen Abteilung für chronisch Geisteskranke. Nach langen Dis­ kussionen beschloß das therapeutische Team des Maryland Psychiatric Research Center, sie in das LSD-Behandlungsprogramm aufzunehmen. Wir waren der Auffassung, daß ihre verzweifelte Situation das Risiko rechtfertigte. Floras erste beiden Sitzungen mit einer hohen Dosis LSD unterschieden sich nicht sonderlich von vielen anderen, die ich zuvor durchgeführt hatte. Sie wurde mit einer Reihe traumatischer Ereignisse aus ihrer bewegten Kindheit konfrontiert und erlebte wiederholt Szenen aus ihrem Kampf im Geburtskanal. Sie vermochte ihre gewalttätigen Selbstmordtendenzen und ihren schmerzhaften Gesichtskrampf mit be­ stimmten Aspekten ihres Geburtstraumas in Verbindung zu bringen und reagierte enorme Mengen an emotionalen und physischen Spannungen ab. Trotzdem schien der therapeutische Gewinn nur minimal zu sein. In den ersten zwei Stunden ihrer dritten LSD-Sitzung geschah ebenfalls nichts Außergewöhnliches. Ihre Erfahrungen glichen denen ihrer frühe­ ren beiden Sitzungen. Plötzlich begann sie zu jammern, daß der Krampf schmerz in ihrem Gesicht unerträglich würde. Ich konnte selber sehen, wie sich die Spasmen auf groteske Weise verstärkten und ihr Gesicht zu etwas einfror, das man am besten als eine Maske des Bösen bezeichnen konnte. Sie fing an, mit einer tiefen männlichen Stimme zu sprechen. Alles an ihr wurde so anders, daß ich kaum mehr Beziehun­ gen zwischen ihrer jetzigen Erscheinung und ihrer früheren Person erkennen konnte. Ihre Augen hatten einen unbeschreiblich bösartigen Ausdruck, ihre Hände waren zu Krallen verkrampft. Die fremde Energie, die Floras Körper und Stimme in Besitz genommen hatte, stellte sich als der Teufel vor. »Er« wandte sich direkt an mich und befahl mir, Flora in Ruhe zu lassen und alle Versuche aufzugeben, ihr zu helfen. Sie gehöre ihm, und er würde jeden bestrafen, der es wagte, sein Gebiet zu betreten. Was dann folgte, war ausgesprochene Erpressung. Er schilderte mir, was mit mir, meinen Kollegen und Kolleginnen sowie dem Forschungsprogramm passieren würde, wenn ich nicht ge­ horchte. 295

Man kann nur schwer die unheimliche Atmosphäre, die heraufbeschwo­ ren wurde, in Worte fassen. Die Gegenwart von etwas Fremdem im Raum ließ sich beinahe greifen. Die Gewalt der Erpressung und das Gefühl, hier würde etwas Übernatürliches geschehen, wurden noch weiter durch die Tatsache verstärkt, daß die Patientin in ihrem Alltagsle­ ben unmöglich Zugang zu manchen Dingen haben konnte, die mir jetzt ihre Stimme sagte. Ich merkte, wie ich unter enormen emotionalen Streß geriet, der metaphyische Dimensionen bekam. Obwohl ich schon in früheren LSDSitzungen mit ähnlichen Erscheinungen konfrontiert worden war, hat­ ten sie noch nie einen so realistischen und überzeugenden Charakter gehabt. Es fiel mir schwer, meine Angst in Schach zu halten, nicht dazu zu neigen, das bösartige Wesen als real anzusehen und in einen aktiven psychologischen und spirituellen Kampf mit ihm einzutreten. Ich merkte, wie sich meine Gedanken überstürzten, wie ich versuchte, die beste Strategie für diese Situation zu ersinnen. An einem Punkt ertappte ich mich bei der ernsthaften Überlegung, ob es nicht sinnvoll wäre, im Behandlungszimmer ein Kruzifix als therapeutisches Instrument zur Verfügung zu haben. Mein Verstand sagte mir, daß man sich gegen diese Art Archetyp, mit der ich konfrontiert wurde, am besten mit dem archetypischen Symbol des Kreuzes zur Wehr setzen könnte. Bald wurde mir aber klar, daß durch meine Emotionen - ob durch die Angst oder die Aggression - die Situation und das fremde Wesen nur noch realer wurden. Ich konnte nicht umhin, an eine Folge aus der Science Fiction-Femsehserie »Star Trek« zu denken, in der es um ein fremdes Wesen ging, das von menschlichen Emotionen lebte. Mir wurde klar, daß ich ruhig und zentriert bleiben mußte. Ich beschloß, mich in eine meditative Stimmung zu versetzen. Dabei hielt ich Floras verkrampfte Hand und versuchte, sie mir so vorzustellen, wie ich sie vorher kannte. Gleichzeitig bemühte ich mich, im Geiste eine Lichtkap­ sel heraufzubeschwören, die uns beide umhüllte - im Vertrauen auf die archetypische Polarität des Bösen und des Lichts. Diese Situation hielt nach objektiver Zeitrechnung zwei Stunden an, aber es waren für mich die längsten zwei Stunden, die ich jemals außerhalb meiner eigenen psychedelischen Sitzungen erlebt hatte. Nach diesem Zeitraum entspannte sich Floras Hand und ihr Gesicht nahm wieder die gewohnten Züge an. Diese Veränderung vollzog sich ebenso abrupt wie die vorher beschriebene Wandlung. Bald entdeckte ich, daß sie sich an überhaupt nichts während der beiden vorhergehen­ den Stunden erinnern konnte. Später - in ihrem schriftlichen Erfah­ 296

rungsprotokoll dieser Sitzung - beschrieb sie zunächst die ersten beiden Stunden und ging dann unmittelbar zur Phase nach ihrer »Besessenheit vom Teufel« über. Ich fragte mich ernsthaft, ob ich mit ihr über das Geschehen in der Zeit während ihrer Amnesie sprechen sollte, beschloß aber dann, es zu unterlassen. Es schien keinen Grund zu geben, ihr Bewußtsein mit einem solchen makabren Thema zu belasten. Zu meiner großen Überraschung hatte diese Sitzung einen gewaltigen therapeutischen Durchbruch bewirkt. Flora verlor ihre Selbstmordnei­ gungen und gewann eine neue Lebenseinstellung. Sie gab Alkohol, Heroin und Barbiturate auf und fing an, eifrig an den Treffen einer kleinen religiösen Gemeinschaft in Catonsville im Bundesstaat Mary­ land teilzunehmen. Die meiste Zeit hatte sie keine Gesichtskrämpfe mehr. Die ihnen zugrundeliegende Energie schien sich in der »Maske des Bösen«, die sie zwei Stunden lang gezeigt hatte, erschöpft zu haben. Gelegentlich kamen Schmerzen wieder, aber sie waren kaum spürbar und bedurften keiner Behandlung. Sie wagte dann sogar, zum ersten Mal in ihrem Leben eine hetero­ sexuelle Beziehung einzugehen und heiratete schließlich. Ihre sexuelle Anpassung war aber nicht problemlos. Sie konnte zwar den Ge­ schlechtsakt ausüben, empfand ihn aber als unerfreulich und schmerz­ haft. Die Ehe endete drei Monate später und Flora nahm wieder ihre lesbische Beziehung auf, diesmal aber mit sehr viel weniger Schuldge­ fühlen. Ihr Zustand besserte sich so sehr, daß man sie als Taxifahrerin einstellte. In den darauffolgenden Jahren gab es zwar Höhen und Tiefen, aber sie mußte nicht mehr in die psychiatrische Klinik zurück, in der sie beinahe ein Leben lang geblieben wäre. Flora hätte wahrschein­ lich noch mehr Fortschritte gemacht, wenn wir die LSD-Therapie hätten fortsetzen können. Das National Institute of Mental Health hatte aber die Anweisung gegeben, diese Behandlung auf drei Sitzungen zu begrenzen.

C. Möglichkeiten und Ziele der Selbsterforschung mit Drogen oder anderen Methoden Du wirst die Welt nicht richtig genießen, bis das Meer in deinen Adern fließt, bis du mit den Himmeln bekleidet und mit den Sternen gekrönt bist und dich selbst wahmimmst als den Alleinerben der ganzen Welt, um so mehr, weil auch andere da sind, jeder wie du alleiniger Erbe. Thomas Traheme, Centauries.

Aus den vorhergehenden Erörterungen dürfte klar geworden sein, daß es bei der Selbsterforschung mit psychedelischen Drogen oder anderen, nicht-pharmakologischen Techniken um einen Prozeß geht, der nicht leicht ist und auch nicht leicht genommen werden sollte. Er kann bestimmte extreme Zustände beinhalten, die durch gewaltiges emotionales Leid und heftige psychosomatische Be­ schwerden gekennzeichnet sind. Außerdem ist er für emotional nicht stabile Menschen nicht ohne potentielle Risiken. Unter diesen Umständen ist es nur natürlich, wenn man fragt: »Was kann man bei einem solchen Unterfangen gewinnen?« und »Warum sollte man sich überhaupt auf so etwas einlassen?« Sowohl die psychedelische als auch die holotrope Selbsterforschung erwuchsen aus der klinischen Arbeit mit psychiatrischen Patienten und aus Bemühungen, Wege zu finden, um ihnen besser helfen zu können. Der erste und wohl naheliegendste Grund für die Selbster­ forschung mit solchen Mitteln ist also der, eine effektivere Alterna­ tive zu konventionellen verbalen Psychotherapien anzubieten, die extrem zeitaufwendig und teuer sind, und um bestimmte psychopathologische Erscheinungsformen zu behandeln, die auf die her­ kömmlichen Maßnahmen nicht ansprechen. Die psychedelische und holotrope Selbsterforschung hat aber auch 298

gezeigt, daß sogar Menschen, die nach den üblichen Standards der westlichen Psychiatrie als normal gelten, oft ein Leben führen, das sie nicht befriedigt, in dem sie sich etwas vormachen oder gar sich selber zerstören. Sie schöpfen nicht alle im Menschen angelegten Möglichkeiten aus. Der zweite Hauptgrund für eine psychedelische oder holotrope Selbsterforschung wäre also die Suche nach einer befriedigenderen Lebensgestaltung und einem neuen In-der-WeltSein. Schließlich hat die moderne Bewußtseinsforschung die Grundan­ nahme der philosophia perennis bestätigt, wonach sich in der alltäg­ lichen Wirklichkeit nur ein Aspekt oder ein Fragment der Existenz offenbart. Es gibt bedeutsame Wirklichkeiten, die transzendenter und transphänomenaler Natur sind. Der Mensch hat ein extrem starkes und emstzunehmendes Bedürfnis, mit diesen spirituellen Bereichen Verbindung aufzunehmen. Dieses Bedürfnis ähnelt sei­ ner natürlichen Sexualität, ist aber noch viel grundlegender und zwingender. Das Leugnen oder Verdrängen dieses transzendenten Impulses führt ein schwerwiegendes Element der Verzerrung so­ wohl in das individuelle als auch in das kollektive Leben des Menschen ein. Die psychedelische oder holotrope Selbsterfor­ schung ist also ein wichtiges Hilfsmittel für die Erfüllung seines spirituellen und philosophischen Strebens. Sie kann den transperso­ nalen Bereich des eigenen Wesens und der Existenz als Ganzes erschließen. Im folgenden möchte ich kurz die Möglichkeiten der psychedelischen oder holotropen Selbsterforschung im Hinblick auf diese drei Punkte darlegen und die im einzelnen auftauchenden Probleme erörtern.

1. Emotionale und psychosomatische Gesundung Die Selbsterfahrungstherapien vermögen psychische Widerstände viel besser zu lösen und Abwehrmechanismen viel effektiver zu lockern als rein verbale Behandlungsformen. Es kommt nicht selten vor, daß schon in der ersten psychedelischen oder holotropen Sitzung Ereignisse aus früher Kindheit oder Vorgänge während der 299

biologischen Geburt wiedererlebt werden, ja sogar die Ebene der transpersonalen Erfahrungen erreicht wird. Gelegentlich können dramatische therapeutische Durchbrüche mit dauerhafter Wirkung schon nach Stunden oder wenigen Tagen erfolgen. Es ist zwar nicht als Norm aufzufassen, aber eine psychedelische oder holotrope Sitzung kann einen bedeutenden Persönlichkeitswandel bewirken oder ein chronisches emotionales bzw. psychosomatisches Problem beseitigen. In anderen Fällen kann eine solche Sitzung einen wichti­ gen Wendepunkt im Leben bedeuten. Es ist aber keineswegs hoch gegriffen, wenn man sagt, daß sich nach einer wirklich guten Selbsterforschungssitzung das deutliche Empfinden einstellt, es sei etwas Wichtiges erreicht worden und man fühle sich eindeutig besser als zuvor. In dieser Hinsicht schneidet eine psychedelische oder holotrope Therapie gegenüber den rein biographisch orientierten verbalen Behandlungsformen gut ab, bedarf es doch in letzteren häufig Monate oder gar Jahre, um mit Hilfe von freien Assoziationen sowie der Analyse von Träumen, psychopathologischen Erscheinungen des Alltagslebens, neurotischen Symptomen und Übertragungsphä­ nomenen an Erlebnisse in der frühen Kindheit heranzukommen. Die therapeutischen Veränderungen - wenn sie sich überhaupt einstellen - entwickeln sich nur langsam nach und nach über einen sehr langen Zeitraum. Es überrascht nicht, daß die hochwirksamen Selbsterfahrungsthera­ pien mit oder ohne Drogen, die das Heilpotential außergewöhnlicher Bewußtseinszustände nutzen, auch ihre Schattenseiten haben und mit bestimmten Risiken behaftet sind. Im allgemeinen gibt es nur minimale Probleme, wenn der Rahmen für solche Sitzungen sorgfäl­ tig gestaltet worden ist, sie mit Menschen durchgeführt werden, die emotional einigermaßen ausgeglichen sind, und wenn sie von einem erfahrenen Therapeuten überwacht werden. Unter solchen Umstän­ den läßt sich viel mit überhaupt keinen oder nur minimalen Risiken erreichen. Je schwerer der klinische Fall ist, mit dem man es zu tun hat, desto mehr Vorsicht ist angebracht und desto mehr Unterstüt­ zung muß geleistet werden. Eine psychedelische oder holotrope Therapie sollte mit Personen, die schon früher in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden 300

sind, nur durchgeführt werden, wenn im Bedarfsfall ständige Unter­ stützung gewährt werden kann. Im Rahmen einer holotropen Selbst­ erforschung gilt die heftige Aktivierung unbewußter Mechanismen nicht - wie in der traditionellen Psychiatrie - als Komplikation oder Hindernis, sondern als normale und gesetzmäßige Begleiterschei­ nung des therapeutischen Prozesses. Wird aber dieser Prozeß zu stark aktiviert und geht er über den Rahmen der Sitzungen hinaus, kann er spezielle Maßnahmen erfordern. Sehr oft wird gefragt, ob man eine Selbsterforschung mit oder ohne Drogen ohne jemanden, der sachkundige Anleitung gibt oder zumin­ dest anwesend ist, durchführen soll. Im allgemeinen ist dies nicht zu empfehlen. Selbst wenn es Personen gibt, die nach einiger anfängli­ cher Erfahrung unter Überwachung eines Fachmanns das Empfin­ den haben, sie könnten solche Sitzungen ziemlich gut alleine wagen, ändert sich durch ein solches Vorgehen das Verhältnis zwischen potentiellen Risiken und potentiellem Gewinn ungünstig. Es gibt mehrere gewichtige Gründe, warum man die Reise in die Tiefen seiner eigenen Psyche nicht antreten sollte, ohne sich nach außen abgesichert zu haben. Im Prinzip kann man nie sagen, wann eine bestimmte Sitzung eine Konfrontation mit unbewußten Inhalten bringt, die schwierig zu meistern ist und desorganisierend wirkt. Dies tritt gelegentlich sogar bei einem gut angepaßten Menschen nach einer Reihe von Sitzungen auf, die keine besonderen Probleme aufgeworfen haben. Werden hohe Dosen von psychedelischen Substanzen benutzt und arbeitet der oder die Betreffende an schweren emotionalen oder psychoso­ matischen Problemen, so scheinen massive und belastende Erleb­ nisse eher die Regel als die Ausnahme zu sein. Hier kann die Gegenwart einer Person des Vertrauens ein kritischer Faktor sein, der dem Vorgehen die Risiken nimmt und den Erfolg einer einzelnen Sitzung bestimmt. Doch die Möglichkeit, daß bestimmte Aspekte des Selbsterforschungsprozesses gefährlich sind und von der betreffenden Person nicht allein bewältigt werden können, ist nicht der einzige Grund dafür, warum jemand anders anwesend sein sollte. Es gibt andere Situationen, in denen die Gegenwart einer Person des Vertrauens wesentlich ist für den therapeutischen Prozeß und für den vollen 301

Gewinn aus der Sitzung. Bestimmte wichtige Stadien des Selbsterforschungsprozesses erfordern totalen KontrollVerlust, vollständi­ ges Sich-Gehen-Lassen. Im Prinzip ist dies eine äußerst heilsame und transformative Erfahrung. Der Betreffende kann sich aber kaum oder gar nicht einer solchen Erfahrung hingeben, wenn er nicht von einer Person des Vertrauens Unterstützung bekommt. Ein nicht überwachter totaler Kontrollverlust könnte für die betreffende Per­ son selber oder für andere ernste Gefahren heraufbeschwören. Unter solchen Bedingungen müßte man auf alle Fälle einen wichtigen Teil seiner Persönlichkeit vom Selbsterforschungsprozeß abspalten, um die notwendige Verbindung mit der Realität aufrechtzuerhalten. Nur die Gegenwart eines Menschen, der mit der Aufgabe betraut ist, während des Selbsterforschungsprozesses für die Sicherheit zu sor­ gen, gestattet ein totales und bedingungsloses Aufgeben der Kon­ trolle. Ein anderer wichtiger Grund dafür, warum ein Therapeut oder ein anderer Helfer bei einer Selbsterforschung mit oder ohne Drogen dabei sein sollte, ist die Arbeit an kritischen Problemen, die mensch­ liche Beziehungen betreffen. Ich habe schon früher auf die Bedeu­ tung von liebevollem Körperkontakt und der Befriedigung anaklitischer Bedürfnisse beim Auftauchen von Traumen hingewiesen, die durch emotionale Vernachlässigung entstanden sind (S.238f). In solchen Fällen ist die Gegenwart eines menschlichen Wesens, das Wärme und Verständnis zeigt, wichtig. Wird die alte Erinnerung reaktiviert und findet man sich dabei wieder allein in der ursprüngli­ chen traumatischen Situation, so können ihre Auswirkungen eher verstärkt als abgeschwächt werden. Auch die schädlichen Folgen von Situationen, in denen grundlegendes Vertrauen gebrochen wurde, lassen sich nicht beseitigen, wenn man nicht eine entgegen­ gesetzte Erfahrung mit einem anderen Menschen gemacht hat. Außerdem sollte die Gelegenheit, die inneren Vorgänge einem anderen Menschen, der einen unabhängig von seinen Erfahrungen bedingungslos akzeptiert, mitteilen zu können, in ihrer therapeuti­ schen Wirkung nicht unterschätzt werden. Der letzte Grund für die Anwesenheit eines erfahrenen Therapeuten oder Helfers ist die Tatsache, daß die gezielte Körperarbeit einen sehr wichtigen Bestandteil der holotropen Therapie ausmacht. Dies 302

gilt besonders für die Schlußphase mancher Sitzungen. Bleiben ungelöste emotionale oder psychosomatische Probleme zurück, dann ist ihre erfolgreiche Integration möglich, wenn man die bereits beschriebenen Prinzipien (S. 235f) anwendet. Aus Gründen, die auf der Hand liegen, bedarf es dazu einer anderen Person. Wenn eine solche nicht zur Verfügung steht, dann muß man auf dieses Vorge­ hen vollends verzichten oder sich mit einer mehr oder weniger unbefriedigenden Ersatzlösung begnügen. Bei der Diskussion der therapeutischen Möglichkeiten außerge­ wöhnlicher Bewußtseinszustände möchte ich auf diejenigen, die durch psychedelische Substanzen erzeugt werden, nicht ausführlich eingehen. Dies ist ein sehr umfassendes und komplexes Thema, dessen Erörterung viel Raum einnehmen würde. Es gibt mehrere Hauptgruppen von Psychedelika mit jeweils etwas unterschiedli­ chen Effekten und unterschiedlicher Problematik bei der Anwen­ dung. Verschiedene Forscher auf diesem Gebiet haben mehrere Behandlungsformen entwickelt, die sich in ihrer theoretischen Aus­ gangsbasis, den charakteristischen Dosierungen, im gesamten Setting und in den spezifischen Techniken vor, während und nach der Sitzung beträchtlich unterscheiden. Außerdem wird der Gebrauch psychedelischer Substanzen durch viele Faktoren emotionaler, politischer, juristischer und administra­ tiver Natur weiter kompliziert. In diesem Rahmen möchte ich nur einen ganz kurzen und groben Überblick über diese Probleme geben und die interessierten Leser auf den Anhang verweisen, ferner auf mein früheres Buch LSD-Psychotherapie (Grof 1983), das sich speziell den klinischen Anwendungen, Techniken, Indikationen und Kontraindikationen, Komplikationen, Möglichkeiten und Ergebnis­ sen einer psychedelischen Behandlung widmet. Eine Durchsicht der Literatur über Psychedelika zeigt, daß mit ihnen bei einer großen Zahl verschiedener Probleme klinischer Art gün­ stige Ergebnisse erzielt werden konnten, nämlich bei Depressionen, Phobien und anderen Psychoneurosen, psychosomatischen Erkran­ kungen, Charakteranomalien, sexuellen Abweichungen, kriminel­ len Verhaltensweisen, Alkoholsucht, Narkotikaabhängigkeit und sogar Psychosen. Zwei positive Resultate, über die außerdem noch berichtet wird, verdienen besondere Beachtung. Das erste betrifft 303

die psychedelische Therapie zum Zweck der Linderung körperlichen und emotionalen Leidens bei Patienten mit Krebs im Endstadium (Grof und Halifax 1980). Das zweite bezieht sich auf psychedelische Sitzungen mit ehemaligen KZ-Insassen mit dem Ziel, ihnen bei der Überwindung des sogenannten »KZ-Syndroms«, einer späten trau­ matischen Reaktion auf die KZ-Inhaftierung, zu helfen (Bastians, unveröff. Manuskript). Viele Erfolgsangaben psychedelischer Therapeuten basierten zwar auf klinischen Eindrücken, doch gibt es auch kontrollierte Untersu­ chungen, die diese bestätigen. Das aus Psychiatern und Psychologen zusammengesetzte Team am Maryland Psychiatric Research Center in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland, dem ich sieben Jahre lang angehörte, führte solche kontrollierten klinischen Studien in großem Umfang an Alkoholikern, Narkotikaabhängigen und Krebs­ patienten durch, die mit LSD, DPT (Dipropyltryptamin) oder MDA (Methylendioxyamphetamin) behandelt wurden, und gelangte zu signifikant positiven Resultaten (Grof 1983). Die therapeutische Arbeit mit Psychedelika hat nun schon eine über 25 Jahre lange Geschichte. Sie wurde von vielen einzelnen For­ schem und von Therapeutenteams in verschiedenen Ländern der Welt praktiziert. Im Vergleich damit stehen systematische klinische Untersuchungen und kontrollierte Studien über den Erfolg der holotropen Therapie noch aus. Wir haben aber im Laufe der Jahre viele therapeutische Veränderungen beobachtet, die eine systemati­ sche Erforschung dieser vielversprechenden Behandlungsform zweifellos rechtfertigen. In der Tat waren einige dieser Veränderun­ gen so dramatisch und überzeugend, daß sie kaum noch der Bestäti­ gung durch kontrollierte Studien bedürfen. Wenn man die Ergebnisse der holotropen Therapie auswertet, dann muß man sich vergegenwärtigen, daß die Situation in dieser Behand­ lungsform in einigen wichtigen Aspekten eine völlig andere ist als die in einer verbalen Psychotherapie. Dramatische Veränderungen können in ersterer innerhalb von wenigen Stunden oder Tagen eintreten, gelegentlich sogar bei Menschen mit emotionalen und psychosomatischen Störungen, die schon jahrelang aufgetreten sind. Da diese Veränderungen so eindeutig mit der therapeutischen Sitzung und den Ereignissen in ihr in Zusammenhang gebracht 304

werden können, steht die Wirksamkeit dieser Methode außerhalb jeden Zweifels. Im Vergleich damit ist die Besserung von Symptomen in den meisten der typischen verbalen Therapien eine Sache von vielen Monaten oder gar Jahren. Bei so langen Zeiträumen erfolgen die Veränderungen so langsam, daß sie sich kaum erfassen lassen. Außerdem ist es fraglich, ob es überhaupt eine kausale Verbindung zwischen diesen Veränderungen und den Ereignissen in der psycho­ therapeutischen Sitzung gibt. Es erscheint recht plausibel, daß sich in diesen Veränderungen die spontane Dynamik der Symptome offenbart, sie also auch ohne jede Behandlung erfolgt wären. Ebenso könnten sie durch viele Ereignisse im Leben des betreffenden Menschen außerhalb der Therapie bedingt sein, die zeitlich mit ihr zusammenfallen. Diese Ansichten sind von einigen der Hauptkriti­ ker der Psychoanalyse vertreten worden (Eysenck und Rachman 1965). Unter den Veränderungen, die wir im Rahmen unserer Workshops beobachten konnten, wären zu nennen: die Aufhellung chronischer Depressionen, der dramatische Rückgang von Angstzuständen und Phobien sowie das Verschwinden von Kopfschmerzen, Migräne­ kopfschmerzen, Krämpfen während der Menstruation und verschie­ denen anderen psychosomatischen Beschwerden. Sehr häufig sind auch die Lösung allgemeiner muskulärer Verspannung und die Öffnung bioenergetischer Blockierungen in den Nebenhöhlen, in der Kehle, in der Brust, im Magen, in den Eingeweiden, im Becken, in der Gebärmutter und im Rektum. In manchen Fällen folgt auf die Lösung solcher energetischer Blockierungen der Rückgang von chronischen Infektionen in diesen Bereichen, etwa einer Sinusitis, eines Rachenkatarrhs, einer Bron­ chitis oder einer Cystitis. Es hat den Anschein, als ob energetische Blockierungen regelmäßig mit einer Verengung der Gefäße im betroffenen Bereich verknüpft sind. Die reduzierte Zufuhr von Blut und seinen Bestandteilen, die beim Schutz des Organismus gegen eine Infektion eine wesentliche Rolle spielen - etwa die weißen Blutkörperchen und verschiedene Antikörper -, bedingen eine Si­ tuation, in der sich das Gewebe oder Organ nicht gegen die gemei­ nen Bakterien wehren kann. Wird die Blockierung gelöst, dann 305

fühlen die Betreffenden Wärme und Energie in diesem Bereich fließen. Sobald dies geschieht, gehen die chronischen Infektionen häufig innerhalb von Tagen zurück. Dies weist darauf hin, daß die holotrope Therapie in Zukunft eine bedeutende Rolle als Zusatzbehandlung bei der Therapie vieler Krankheitsbilder spielen könnte, die gegenwärtig als rein medizini­ sche Probleme gewertet werden. Ich hatte bereits früher erwähnt, daß wir in unseren Workshops mehrere Male eine dramatische Besserung des Befindens von Personen mit Raynaudscher Krankheit beobachten konnten. Die mangelnde Blutzirkulation in den Händen verschwand, sobald eine energetische Blockierung in diesem Be­ reich aufgelöst wurde. Unsere Beobachtungen im Hinblick auf psychogenes Asthma ver­ dienen in diesem Zusammenhang besondere Erwähnung. Man könnte leicht meinen, eine Technik, bei der das intensive Atmen eine Hauptrolle spielt, sei für Asthmatiker nicht geeignet. Dies muß aber nicht unbedingt zutreffen. Zwar kommen Asthmatiker in der Regel voller Ängste und Befürchtungen zur ersten holotropen Sit­ zung, doch haben wir bei sechs von ihnen schon nach wenigen Sitzungen eine weitgehende Besserung ihrer Beschwerden beobach­ ten können. In einigen Fällen waren Personen, die zuvor unter täglichen Asthmaanfällen gelitten hatten, über Monate oder gar Jahre praktisch beschwerdefrei. Ein wichtiger Faktor, der bei der holotropen Therapie von Asthmatikern besonders berücksichtigt werden muß, ist ein intaktes Herz- und Kreislaufsystem, da die Sitzungen mit beträchtlichem emotionalen und physischen Streß verbunden sein können. Holotrope Sitzungen mit einem Menschen, der unter Asthma leidet, werden in der Regel früher oder später asthmatische Symptome auslösen. Wird dadurch das Weiteratmen unmöglich gemacht, dann muß der Therapeut oder Therapeutenpartner zu gezielter Körperar­ beit übergehen und die betreffende Person zum vollen Abreagieren ermuntern, wobei sie ihre Stimme, verschiedene motorische Bewe­ gungen, bewußtes Husten und andere verfügbare Möglichkeiten zu Hilfe nehmen soll. Sobald sich die Atemwege wieder öffnen, wird sie aufgefordert, wieder schnell zu atmen. Dies wird so lange wiederholt, bis das erneute Hyperventilieren keine Verkrampfung 306

der Atemwege mehr bewirkt. Hat man in dieser Beziehung genü­ gend Arbeit geleistet, dann können die Atemwege auf Dauer frei bleiben. Die Tatsache, daß sich in einer psychedelischen und holotropen Therapie innerhalb von wenigen Tagen oder gar Stunden höchst eindrucksvolle Ergebnisse erzielen lassen, mag jenen Therapeuten unglaubwürdig erscheinen, die ausschließlich mit verbalen Metho­ den arbeiten und deren theoretische Ausgangsbasis nicht die perina­ tale und transpersonale Ebene beinhaltet. Um solchen Erfolgsmel­ dungen wirklich Glauben schenken zu können, muß man sich eine Vorstellung von der Tiefe und der Intensität der Erfahrungen ma­ chen, die in diesen und ähnlichen Therapieformen auftreten. Dazu gehören häufig eine Begegnung mit dem Tod, die sich von einer tatsächlichen Bedrohung der biologischen Existenz nicht unterschei­ den läßt, Erlebnisse der geistigen Verwirrung, die den Betreffenden wie Anfälle von Wahnsinn Vorkommen, ein totaler KontrollVerlust, der einige Minuten dauern kann, heftiges Würgen und lange Phasen, in denen man von Tremoren geschüttelt wird und wild um sich schlägt. Die Intensität, die solche Erfahrungen erreichen können, entzieht sich jeder verbalen Beschreibung. Sie muß selbst erfahren oder zumindest beobachtet werden. Obwohl die positiven Ergebnisse einer psychedelischen oder holo­ tropen Therapie gelegentlich nahezu unglaublich sein können, sollte man sie nicht als Allheilmittel auffassen, das in jedem einzelnen Fall rasche und eindrucksvolle Wirkung zeigt. Manche Menschen wer­ den tiefe heilende und lebensverändernde Erfahrungen haben, an­ dere machen nur langsame Fortschritte oder zeigen kaum eine Veränderung. Dies gilt besonders für solche Menschen, die mit einem chronischen Mangel an Befriedigung ihrer Bedürfnisse aufge­ wachsen sind. Ein extremes Beispiel dafür wäre jemand, der schon als Fötus einen vorwiegend »schlechten Mutterleib« erfuhr, danach eine lange und komplizierte Geburt hatte und dazu noch als Kind emotional vernachlässigt wurde. Hier konfrontiert eine psychedeli­ sche oder holotrope Therapie den Menschen mit einer langen Reihe von Traumen und bietet ihm nur sehr wenige beglückende Erleb­ nisse. In einer Situation wie dieser ist es wichtig, systematisch liebevollen Körperkontakt zu gewähren. Damit wird man allerdings 307

nur langsam »das Ich aufbauen« können. Es sind also keine soforti­ gen therapeutischen Erfolge zu erwarten. Ein anderes Problem in einer psychedelischen oder holotropen Therapie kann eine bestimmte Blockierung des therapeutischen Prozesses sein. Sie tritt in Situationen auf, in denen eine erfolgreiche Lösung des Problems im Prinzip möglich ist, diese aber eine extreme Erfahrung irgendeiner Art erfordert, auf die sich der Klient oder die Klientin nicht einlassen will oder kann. Solche psychischen Hinder­ nisse sind von Person zu Person sehr unterschiedlich. Es kann die Angst sein, sich mit dem psychischen Tod (dem »Ich-Tod«) zu konfrontieren, die Angst vor Kontrollverlust oder die Angst davor, wahnsinnig zu werden. In anderen Fällen besteht das Hindernis darin, daß man einen Widerwillen gegen Erfahrungen hat, die von extremen körperlichen Schmerzen, von drohendem Ersticken oder von anderen massiven körperlichen Beschwerden geprägt sind, so heilsam diese Erfahrungen vom Therapeuten auch hingestellt sein mögen. Sehr häufig sind es Blockierungen, die die betreffenden Klienten oder Klientinnen schon von ihrem Alltagsleben kennen. (»Ich würde mich um nichts in der Welt übergeben wollen«. »Der Gedanke, Schmerzen empfinden zu müssen, macht mich verrückt«. »Das Wichtigste für mich ist, alles immer unter Kontrolle zu haben«.) In Situationen wie diesen hat der Therapeut die wichtige Aufgabe, die Art des Hindernisses zu erkennen und der betreffenden Person zu helfen, ihre psychischen Widerstände gegen eine Kon­ frontation mit ihnen zu überwinden. Ich habe schon früher dargelegt, daß spezielle Vorsichtsmaßregeln getroffen werden müssen, wenn man Menschen behandelt, die schwere psychopathologische Störungen zeigen und früher schon einmal in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurden. Hier bedarf es erfahrener therapeutischer Führung und im Bedarfsfall zusätzlicher unterstützender Maßnahmen. Wenn aber diese Bedin­ gungen erfüllt sind, können sehr lohnende Ergebnisse erzielt wer­ den. Die in diesem Buch beschriebenen therapeutischen Techniken und Prinzipien lassen sich besonders erfolgreich bei vielen Men­ schen an wenden, die sich in einer transpersonalen Krise befinden (in einer »spirituellen Notsituation« sind). Solche Krisen würden von der traditionellen Psychiatrie als Anzeichen für eine Psychose ge­ 308

wertet werden, d . h . für eine geistige Erkrankung unbekannter Herkunft (Grof und Grof 1986). Die therapeutischen Möglichkeiten und Versprechungen der psy­ chedelischen und holotropen Therapie lassen sich nicht ohne weite­ res mit denen der traditionellen verbalen Behandlungsformen ver­ gleichen. Beide Therapiemethoden unterscheiden sich von letzteren erheblich, was die wissenschaftlichen und philosophischen Grund­ annahmen anbelangt, und müssen daher im Rahmen ihres eigenen theoretischen Bezugssystems beurteilt werden. Die traditionelle Psychotherapie setzt Techniken zur Selbsterforschung ein, die rela­ tiv schwach und ungeeignet sind, um in das Unbewußte vorzudrin­ gen. Solche Techniken wären beispielsweise das freie Assoziieren oder therapeutische Gespräche. Da sich aber das theoretische Be­ zugssystem der traditionellen Psychotherapie auf die Biographie des Klienten beschränkt, ist auch ihre Aufgabe sehr eng, nämlich postnatale traumatische Erlebnisse im Leben des einzelnen zu erfor­ schen. Auch ist ihre Zielsetzung sehr bescheiden, nämlich die Symptome zu mildem oder zu beseitigen, biographisch bedingte Persönlichkeitselemente zu beeinflussen und dem betreffenden Menschen dabei zu helfen, sich an die bestehenden Lebensbedin­ gungen anzupassen. Die psychedelische und die holotrope Therapie bieten unvergleich­ bar effektivere Möglichkeiten, um Zugang zum Unbewußten zu erlangen. Die Arbeit mit diesen Therapieformen hat aber gezeigt, daß die wirklichen Wurzeln der wichtigsten Lebensprobleme und auch der meisten emotionalen und psychosomatischen Beschwerden nicht nur im biographischen, sondern auch im perinatalen und transpersonalen Bereich liegen. Deshalb verfolgt man mit ihnen nicht lediglich das Ziel, den Klienten oder die Klientin symptomfrei ihrem ursprünglichen Weltbild, ihrem früheren Lebensstil und ihren alten Wertvorstellungen zu überlassen. Der therapeutische Prozeß besteht hier in einer tiefgehenden Wandlung der Persönlichkeit, bei der die meisten Aspekte des Lebens der betreffenden Person voll­ kommen umdefiniert werden. Ab einem gewissen Punkt nimmt die Therapie automatisch die Form einer ernsthaften spirituellen und philosophischen Suche an, die sich mit den grundlegendsten Fragen der Existenz auseinandersetzt. Wenn dies geschieht, ist der thera­ 309

peutische Prozeß nie abgeschlossen. Die Auseinandersetzung mit spirituellen und philosophischen Grundfragen wird zu einer neuen, wichtigen Dimension des eigenen Daseins.

2. Die Suche nach befriedigender Lebensgestaltung Die Möglichkeit, die Qualität unserer Lebenserfahrung zu steigern, geht über bloße Linderung oder Beseitigung klinischer Probleme hinaus. Viele Menschen, die nicht an erkennbaren emotionalen oder psychosomatischen Störungen leiden und deren äußere Lebensbe­ dingungen alle Voraussetzungen für Glück und Zufriedenheit erfül­ len, finden in ihrem Leben keine Freude und Erfüllung. Ein gutes Beispiel für diese Situation ist das, was der österreichische Psychia­ ter und Begründer der Existenzanalyse Viktor Frankl (1956) die »noogene Depression« genannt hat. Sie findet sich bei Menschen, die nicht offenkundig emotional gestört sind und häufig sogar im Beruf und Privatleben hervorragend funktionieren. Von ihren Freunden und Nachbarn werden sie bewundert und beneidet, doch sie selber sehen in ihrem Dasein keinen Sinn und sind nicht im­ stande, sich an ihren Erfolgen zu freuen. Und dann gibt es andere, die nach traditionellen psychiatrischen Standards als »normal« gel­ ten würden, die aber in bestimmten Bereichen ihres Lebens ver­ schiedene Formen und Grade einer Beeinträchtigung und Verzer­ rung ihrer Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken und Verhaltens­ weisen zeigen. In solchen Situationen deckt eine Selbsterforschung und Therapie mit Psychedelika oder holotropen Atemtechniken die Faktoren auf, die diesen Störungen zugrundeliegen, und bietet die Möglichkeit, korrigierend einzugreifen. Auf der biographischen Ebene können diese Faktoren traumatische Kindheitserlebnisse sein, die die An­ passung in bestimmten Lebensbereichen behindern und bestimmte Aspekte der zwischenmenschlichen Beziehungen beeinträchtigen. Dies sind Tatsachen, die in der traditionellen psychodynamisch orientierten Psychotherapie wohlbekannt sind. So kann eine trauma­ tische Erfahrung mit den Eltern oder deren Stellvertretern alle 310

zukünftigen Beziehungen zu Vorgesetzten und anderen Autoritätsfi­ guren negativ prägen. Komplikationen in den emotionalen Bezie­ hungen zur Mutter oder zum Vater können ständig wiederkehrende Probleme mit den späteren Sexualpartnem verursachen. Das Fehlen von Geschwistern, Geschwisterrivalität oder bestimmte andere Pro­ bleme mit Brüdern und Schwestern können zu Schwierigkeiten mit den Altersgenossen führen, seien es Schulkameraden, Freunde und Freundinnen, Mitsoldaten oder Mitarbeiter. Das Wiedererleben und Integrieren der Grundtraumen kann sich auf den betroffenen Lebens­ bereich in sehr günstiger Weise aus wirken. Menschen, deren Selbsterforschung über die biographische Ebene hinausgeht und die die perinatale Sphäre des Unbewußten erreichen, machen in der Regel eine erstaunliche, zugleich aber erschütternde Entdeckung. Sie erkennen, daß die mangelnde Authentizität ihres Daseins nicht auf bestimmte Lebensbereiche beschränkt ist, in denen spezifische Kindheitstraumen einen negativen Einfluß aus­ üben, sondern daß ihre gesamte Lebenseinstellung und Lebensge­ staltung in fundamentaler Weise inauthentisch und irregeleitet ist. Diese totale Verzerrung des »Lebensentwurfs« beruht auf der Tatsa­ che, daß die eigenen Handlungen von Faktoren auf einer tieferen Ebene des Unbewußten gesteuert werden, nämlich von einem unver­ arbeiteten Geburtstrauma und von der mit diesem Trauma verknüpf­ ten Angst vor dem Tod. Dies führt zu bestimmten Verhaltensweisen, die sinnlos oder schädlich sind und die Möglichkeit zu einer Lebens­ gestaltung nehmen, die mehr Freude und Erfüllung bringen würde. Zahlreiche Beobachtungen lassen vermuten, daß ein Mensch, des­ sen Bewußtsein von einer der negativen perinatalen Grundmatrizen beherrscht wird, nicht nur ein unbefriedigendes, sondern unter Umständen auf längere Sicht auch ein zerstörerisches und selbstzer­ störerisches Leben führt. Wenn sich die Psyche unter dem Einfluß der zweiten perinatalen Matrix befindet, dann wird der oder die Betreffende eine generell passive, resignierte und schicksalserge­ bene Haltung zum Leben haben. Unter den Auswirkungen der dritten perinatalen Matrix kann Arbeitssucht entstehen oder das Leben erscheint als sinnlose Schufterei und Plackerei. Die Dynamik der dritten perinatalen Grundmatrix zwingt dem Leben 311

eine bestimmte Form auf und schafft ein unablässiges Streben nach zukünftigen Zielen. Da in dieser Situation die Psyche eines Men­ schen von der Erinnerung an die schmerzliche Enge im Geburtskanal beherrscht wird, kann er nie den gegenwärtigen Augenblick und die gegenwärtigen Umstände als voll zufriedenstellend empfinden. Es gibt immer etwas, was fehlt, was nicht befriedigt oder was falsch ist, und auf dieses Etwas konzentriert man seine Aufmerksamkeit. Gleichzeitig ist man nicht oder nur beschränkt in der Lage, das zu schätzen und sich an dem zu freuen, was zur Verfügung steht, und das Beste daraus zu machen. Hervorzuheben ist, daß dieses Einstel­ lungsmuster außerdem noch von den äußeren Umständen unabhän­ gig ist und sich nicht durch Leistungen irgendeiner Form und irgendeines Umfangs voll oder zumindest teilweise ändern läßt. Der Mensch mit einer solchen Grundeinstellung ist unzufrieden mit seinem Aussehen, seinen Gaben und Fähigkeiten, seinen Leistun­ gen, seinem Besitz, seinem Ruf bei den Mitmenschen und seiner Machtstellung, egal wie die Situation beschaffen ist und oft in auffallendem Gegensatz zur Meinung anderer. Wie der Fötus, der sich im gewaltsamen Zugriff des Geburtskanals befindet und diesem zu entrinnen versucht, wird auch die Person, die psychisch im Bann der dritten perinatalen Grundmatrix steht, immer nach etwas stre­ ben, was die gegenwärtige Situation nicht bietet. Immer macht sie Wunscherfüllung und Befriedigung von etwas Zukünftigem abhän­ gig­ in einem solchen Fall lassen sich in den Zielen, die die Phantasie als Quellen wahren Glücks vorgaukelt, mühelos Surrogate für die psychische Vollendung des Geburtsvorgangs sowie für die nach oder vor - der Geburt herrschende Zufriedenheit und Sicherheit erkennen. Da diese Ziele nicht wirklich authentisch sind, also nur eine Ersatzbefriedigung ermöglichen, wird und kann sich, wenn sie erreicht sind, Zufriedenheit einstellen. Die auf der dritten perina­ talen Grundmatrix basierende Strategie ist also immer die Strategie des Verlierers, unabhängig davon, ob die Ziele erreicht worden sind oder nicht, da sie auf falschen Voraussetzungen beruht und nicht die eigentlich erhofften Ergebnisse bringt. Hat man ein bestimmtes Ziel nicht erreicht, von dem man Befriedi­ gung erwartete, dann gibt dies der Selbsttäuschung neue Nahrung, 312

daß das Glück von äußeren Umständen abhängt. In einem solchen Fall nimmt die betreffende Person gewöhnlich an, ein Erfolg hätte etwas geändert. Hat man aber Erfolg, d . h . wird das Ziel erreicht, dann bringt er in der Regel nicht das, was man sich davon für sich persönlich versprochen hat. Dies wird aber normalerweise nicht als Anzeichen dafür gewertet, daß die Strategie, die das Glück an den Erfolg koppelt, versagt hat. Es wird vielmehr dem Umstand zuge­ schrieben, daß man sich ein Ziel gesetzt hat, das nicht ehrgeizig genug oder einfach falsch war. Die Frustration, die unweigerlich folgt, führt lediglich dazu, daß neue Pläne oder ehrgeizigere Pläne von der alten Sorte geschmiedet werden. Das wichtigste Merkmal dieser selbstzerstörerischen Strategie besteht darin, daß die eigentli­ che Gegenwart übergangen wird und alle Hoffnungen auf zukünftige Erfolge gesetzt werden. Bei dieser Einstellung werden andere Menschen als Konkurrenten wahrgenommen und die Natur gilt als etwas, was im Grunde feindlich ist und erobert und kontrolliert werden muß. Historisch wurde diese Einstellung erstmals explizit von Francis Bacon formu­ liert, der die Grundstrategien für die neue empirische Methode in der westlichen Wissenschaft definierte. Im Hinblick auf die Natur verwendete er Ausdrücke wie: man muß der Natur auf ihren Wegen nachjagen, man muß ihr Gewalt antun, sie quälen, sie zwingen, ihre Geheimnisse den Wissenschaftlern preiszugeben, sie in Gewahrsam nehmen, sie zum Sklaven machen und sie kontrollieren (Bacon 1870). Mehrere Jahrhunderte hat es gedauert, bis man erkannte, daß Bacons Vorschlag gefährlich war und letztlich die eigene Existenz und die anderer zerstörte. Zusammen mit der Entwicklung der modernen Technologie erwies sich dieser Vorschlag als sicheres Rezept für den Selbstmord der gesamten Menschheit. Kollektiv und global betrachtet schafft diese perinatale Grundein­ stellung eine Lebensphilosophie und -Strategie, in der der Schwer­ punkt auf Stärke, Wettbewerb und einseitiger Kontrolle liegt. Sie glorifiziert den linearen Fortschritt und das »unbegrenzte Wachs­ tum«. Dabei werden der materielle Gewinn und die Steigerung des Bruttosozialprodukts als Hauptkriterien für den Wohlstand und den Lebensstandard gewertet. Diese Ideologie sowie die aus ihr resultie­ renden wirtschaftlichen und politischen Strategien bringen die Men313

sehen in einen ernsthaften Konflikt mit ihrer Natur als lebende Systeme und mit grundlegenden Gesetzen des Universums. Da alle biologischen Organismen und Systeme entscheidend von Optimalwerten abhängen, ist das Streben nach Maximierung des Gewinns ein unnatürliches und gefährliches Unterfangen. In einem Universum, das seiner Natur nach zyklisch ist, propagiert diese Strategie einen starren Vorwärtstrend und das unbegrenzte Wachs­ tum. Von einer höheren Warte aus gesehen bedeutet dies langfristig die Erschöpfung der nicht emeuerbaren natürlichen Ressourcen, insbesondere des Erdöls sowie die Anhäufung von giftigem Abfall und die immer stärker werdende Verschmutzung von Luft, Wasser und Erde, die alle für die Erhaltung des Lebens von entscheidender Wichtigkeit sind. Außerdem werden der Wettbewerb und das darwinistische Prinzip des »Überlebens des Stärkeren« glorifiziert. Sie werden als natürliche und gesunde Prinzipien der Existenz hinge­ stellt und man ist nicht in der Lage, das dringende Bedürfnis nach harmonischem Zusammenwirken zu erkennen. Ist der Mensch fähig, sich von der Herrschaft der negativen perinata­ len Matrizen zu befreien und Zugang zu Erlebnissen des positiven symbiotischen Austauschs mit dem mütterlichen Organismus im Mutterleib oder während des Gestilltwerdens zu gewinnen, dann ändert sich die Situation radikal. Die Erfahrung des Zusammenseins mit der Mutter im Mutterleib oder in der ersten Zeit nach der Geburt ist auf Erwachsenenebene gleichwertig mit der Beziehung zur ge­ samten Menschheit und zur ganzen Welt. Erstere ist ein Prototyp, eine Urschablone für letztere. Der Typus und die Qualität der perinatalen Matrizen, die auf die Psyche eines Menschen ein wirkt, übt demnach nicht nur tiefen Einfluß auf sein inneres subjektives Erleben aus, sondern auch auf die Einstellung und die Beziehung zu anderen Menschen, zur Natur und zur Existenz im allgemeinen. Wenn ein Mensch in einer bis in tiefe psychische Schichten vordrin­ genden Selbsterforschung eine Verlagerung von negativen auf posi­ tive perinatale Grundmatrizen erfährt, dann steigert sich die Fähig­ keit, das Leben zu genießen, erheblich. Die ursprüngliche Erfahrung der ungestörten Symbiose mit der Mutter im fötalen Stadium oder während des Gestilltwerdens, die mit diesen Matrizen einhergeht, vermittelt ein Gefühl der Zufriedenheit und der Zeitlosigkeit des 314

gegenwärtigen Augenblicks. Wenn diese tiefen Erfahrungselemente dem alltäglichen Erleben zugrundeliegen, dann wird es möglich, tiefe Befriedigung aus jedem Augenblick und aus vielen gewöhnli­ chen Situationen und Funktionen zu beziehen, seien es Essen, alltägliche menschliche Kontakte, die berufliche Tätigkeit, der Sex, das Hören von Musik, Spielen oder Spazierengehen. Gleichzeitig wird das irrationale Streben nach Zielen, zu denen man nur auf komplizierten Wegen gelangt und von deren Erreichung allein man sich Befriedigung erhofft, erheblich reduziert. In diesem Bewußt­ sein wird deutlich, daß das letzte Kriterium für den Lebensstandard die Qualität des Lebensgefühls ist und nicht die Quantität der Leistungen oder der materiellen Güter. Diese Veränderungen werden vom spontanen Erwachen eines tiefen ökologischen Bewußtseins begleitet. Die vorher beschriebene Baconsche Einstellung zur Natur (»Mutter Natur«) leitet sich von der gefahrvollen Erfahrung des Fötus mit dem mütterlichen Organismus während des Entbindungsprozesses ab, in dem jeder das Leben des anderen bedroht. In den neuen Werten und Einstellungen spiegelt sich die symbiotische Einheit zwischen Mutter und Kind in der vorgeburtlichen Existenz und nach der Geburt während des Stillens wider. Die für diese Situationen charakteristischen Elemente des Zusammenwirkens, des körperlichen und emotionalen Austauschs sowie der gegenseitigen Ergänzung werden in der Regel automatisch die im alten Wertsystem dominierenden Elemente des Konkurrierens und Ausbeutens verdrängen. Die Vorstellung, nach der die menschliche Existenz ein einziger Kampf ums Überleben in einer von den Gesetzen des Dschungels regierten Welt ist, weicht zugun­ sten einer Auffassung vom Leben, in der es als Ausdruck eines kosmischen Tanzes oder eines göttlichen Spiels erscheint. Der Aggressionspegel sinkt merklich und das Gefühl der Verbun­ denheit und der tiefen Einheit mit der Welt führt zu sexueller, politischer, nationaler, kultureller und rassischer Toleranz. Im neuen Bewußtsein werden Unterschiede nicht mehr als bedrohlich empfunden, sondern als interessante und wünschenswerte Variatio­ nen des einen ungeteilten kosmischen Gewebes betrachtet. Diese neue Weitsicht führt häufig zu »bewußter Einfachheit« (»voluntary simplicity«) im Sinne von Duane Eigin (1981), die nun als Ausdruck 315

tiefer Weisheit gilt. Es wird auch offenkundig, daß die einzige Hoffnung für eine politische, soziale und wirtschaftliche Lösung der gegenwärtigen globalen Krise eine transpersonale Betrachtungs­ weise der Dinge voraussetzt, die das perspektivlose »Wir gegen die anderen«, das bestenfalls die Rollen von Unterdrückern und Unter­ drückten zeitweilig umkehrt, transzendiert. Es sei hervorgehoben, daß die Entwicklung der oben beschriebenen Bewußtseinsveränderungen nicht automatisch einen Verlust an In­ teresse für kreative Aktivitäten bedeutet. In den meisten Fällen trifft das Gegenteil zu. Sobald mehr Energie verfügbar wird, kann die Arbeit sehr produktiv werden und mühelos fließen, wenn sie von der betreffenden Person mit ihrer neuen Lebensphilosophie für verein­ bar gehalten wird. Gelegentlich beobachtet man die Tendenz, bestimmte Tätigkeiten aufzugeben, weil sie nun unangemessen erscheinen oder weil ihnen eine Motivation zugrundelag, die man jetzt als falsch erkannt hat. Der Schlüssel zu all diesen Veränderungen ist eine radikale Verlage­ rung der psychischen Dynamik von den negativen perinatalen Matri­ zen zu den positiven Elementen der vierten und ersten perinatalen Grundmatrix. Diese Veränderungen treten nicht auf oder sind sehr gefährdet, wenn es sich um Menschen handelt, die in ihrer Kindheit nicht genügend emotional befriedigende und biologisch positive, sondern statt dessen vorwiegend traumatische Erfahrungen (»schlechter Mutterleib« und »schlechte Brust«) gemacht haben. Bei solchen Menschen vollziehen sich die Veränderungen in der beschriebenen Richtung nur sehr langsam. Sie erfordern u. a. wäh­ rend der therapeutischen Arbeit unmittelbare Befriedigung anaklitischer Bedürfnisse in Phasen der Regression, denn diese Menschen müssen erst Erfahrungen machen, die im Gegensatz zu der emotio­ nalen Vernachlässigung und Ablehnung in der frühen Kindheit stehen. Bis zu diesem Punkt habe ich die Möglichkeiten der psychedelischen und holotropen Therapie besprochen, um die negativen psychischen Folgen des Geburtstraumas zu beseitigen. Die Beobachtungen in Selbsterfahrungstherapien geben aber auch wertvolle Aufschlüsse über Maßnahmen zur Vorbeugung gegen solche negativen Folgen. Sie unterstützen die neueren Bemühungen, die Geburtshilfe nicht als 316

Schauplatz dehumanisierter Technologie entarten zu lassen, sondern eine Disziplin aus ihr zu machen, die die Bedeutung biologischer, psychologischer und spiritueller Dimensionen der Schwangerschaft und Geburt für die Zukunft des Neugeborenen und der Gesellschaft anerkennt. Eine psychische und physische Hygiene während der Schwanger­ schaft, eine gute emotionale und körperliche Vorbereitung auf die Geburt, FrederickLeboyers »Geburt ohne Gewalt« (Leboyer 1981), Igor Charkowskys Unterwassergeburt (Sidenbladh 1983), genügend Zeit für den symbiotischen Kontakt zwischen Mutter und Kind sowie die Praxis des Stillens - all dies sind Faktoren von wesentli­ cher Bedeutung, die nicht nur die Zukunft eines einzelnen Men­ schen, sondern womöglich auch die unseres ganzen Planeten beein­ flussen. Wir können zwar heute Babys in Reagenzgläsern zeugen und wachsen lassen, tiefgefrorene Föten in die Gebärmutter ein­ pflanzen und Fehlgeburten mit künstlichen Mitteln am Leben erhal­ ten, aber dies bedeutet nicht automatisch, daß damit die minimalen Kriterien für eine gesunde psychische Entwicklung erfüllt sind. Man sollte noch viel mehr Forschung auf diesem Gebiet betreiben, ehe man solche Techniken in großem Umfang einsetzt. In den obigen Ausführungen habe ich mich auf die Veränderungen in der grundlegenden Werthierarchie und in der Lebensgestaltung, die sich in Verbindung mit perinatalen Erfahrungen einstellen, konzen­ triert. Diese Veränderungen werden noch markanter, dauerhafter und verfeinerter, wenn jemand den Zugang zum transpersonalen Bereich seiner Psyche gewinnt. Während die Tod- und Wiederge­ burtserfahrung im wesentlichen ein Prozeß der spirituellen Eröff­ nung ist, lassen transpersonale Erlebnisse auf viele verschiedene Weisen offenkundig werden, daß die menschliche Psyche auf einer tieferen Ebene numinosen Charakter hat und daß die Spiritualität im »Weltenplan« eine entscheidende Dimension darstellt. Die Bedeu­ tung des Strebens nach Spiritualität und nach letzter philosophischer Erkenntnis im menschlichen Leben bildet den Gegenstand des folgenden Abschnitts.

317

3. Das Streben nach Spiritualität und letzter philosophischer Erkenntnis Wenn die Selbsterforschung die Ebene der perinatalen und transper­ sonalen Erfahrungen erreicht, verwandelt sie sich automatisch in die Suche nach den Antworten auf die grundlegenden spirituellen und philosophischen Fragen der Existenz. Der oder die Betreffende hat den Zugang zu wichtigen Aspekten der Realität gewonnen, die sich unter gewöhnlichen Bedingungen der Sinneswahmehmung nicht erschließen. Wenn sich das Bewußtsein in einer bestimmten Weise verändert, wie es in spontanen mystischen Zuständen oder in psy­ chedelischen und holotropen Sitzungen geschieht, dann offenbaren sich einige dieser verborgenen Aspekte der Wirklichkeit als imma­ nente göttliche Dimensionen der phänomenalen Welt, andere als transzendente Bereiche, die sich von dem Universum, in dem wir leben, radikal unterscheiden. Wenn wir eine moderne Analogie aus dem Bereich der Technik ziehen wollen, dann können wir sagen, daß wir im ersteren Fall die Gelegenheit haben, ein Programm, das wir bisher nur in Schwarz-Weiß empfangen konnten, in Farbe zu sehen. Die zuletzt genannte Situation wäre mit der Möglichkeit zu vergleichen, andere Kanäle und Programme zu empfangen, die vorher zwar schon existierten, aber nicht verfügbar waren. Der Begriff der spirituellen Dimension - und die Entschlossenheit derer, die Verbindung mit ihr hersteilen wollen - wird wahrschein­ lich nur denjenigen etwas sagen, die aus eigener früherer Erfahrung Bezug zu ihr haben. Ohne diese frühere Erfahrung mag dieser Begriff ebensowenig Sinn haben wie der der Farbe für jemanden, der farbenblind ist. Wenn ein Mensch, der in der Vergangenheit nur darum bemüht war, sich von emotionalen und physischen Proble­ men zu befreien und Erfolg in dieser Welt zu haben, plötzlich mit perinatalen und transpersonalen Erlebnissen konfrontiert wird, dann wird er die entscheidende Bedeutung der grundlegenden ontologi­ schen und kosmologischen Fragen erkennen. »Wer oder was erschuf dieses Universum?« »Wie wurde es erschaf­ fen und in welcher Beziehung stehe ich zum Schöpfer oder zum kreativen Prinzip?« »Wer bin ich, wo komme ich her und wohin gehe ich?« »Was ist Sinn und Zweck meines Lebens oder des Lebens 318

überhaupt?« »Gibt es andere Ebenen und Bereiche der Existenz, die so real sind wie unser Universum?« »Ist es möglich, daß die archetypischen Wesen und mythologischen Bereiche eine eigene Existenz besitzen und unsere Realität wesentlich beeinflussen?« »Schreiten wir durch eine ganze Kette von Existenzformen und haben diese Existenzformen eine gesetzmäßige Verbindung?« »Wenn das ständige Wiedergeborenwerden eine Quelle des Leidens ist, gibt es ein höheres Wissen und bestimmte Handlungen, die zur Befreiung führen?« Fragen dieser Art, die früher als Ausdruck von Pseudophilosophieren abgetan wurden, wie es für primitive Kultu­ ren, pubertierende Jugendliche und psychiatrische Patienten als typisch galt, erscheinen plötzlich in einem völlig neuen Licht. Der Prozeß der Selbsterforschung mit Psychedelika oder holotropen Atemtechniken zeigt nicht nur, daß diese Fragen extrem realistisch und wichtig sind, sondern er vermittelt auch den Zugang zu Informa­ tionen, die eine Lösung dieser Grundrätsel des Seins ermöglichen. Die traditionalistisch orientierten Wissenschaftler des Westens neh­ men gern eine allwissende Haltung ein und werten jede Vorstellung von Spiritualität als primitiven Aberglauben, regressives magisches Denken, Mangel an Bildung oder psychopathologische Wesensveränderung ab. Die vom mechanistischen Weltbild bestimmte Psych­ iatrie und Psychologie ist unfähig, einen Unterschied zu machen zwischen den engstirnigen und dogmatischen religiösen Überzeu­ gungen der großen institutionalisierten Religionen und der tiefen Weisheit der großen spirituellen Philosophien und mystischen Tra­ ditionen, zu denen beispielsweise die verschiedenen Yogasysteme, der Kaschmir-Shaivismus, das Tibetische Vajrayana, der Zen, die christliche Mystik, die Kabbalah, der Sufismus oder bestimmte Formen von Gnostizismus gehören. Die westliche Wissenschaft ist blind gegenüber der Tatsache, daß die genannten Traditionen das Ergebnis jahrhundertelanger Erfor­ schung des menschlichen Geistes sind, in der das systematische Beobachten, das Experimentieren und das Aufstellen von Theorien in einer Weise kombiniert wurden, die der modernen wissenschaftli­ chen Methode ähnelt. Viele traditionell orientierte Wissenschaftler verwechseln das gegenwärtig vorherrschende Kartesianisch-Newtonsche Weltbild mit einer definitiven Beschreibung der Realität, 319

deren Richtigkeit und Wahrheit bewiesen und über jeden vernünfti­ gen Zweifel erhaben ist. In einem Universum, in dem die Materie das Primäre ist und Leben, Bewußtsein und Intelligenz nur ihre zufälligen Produkte darstellen, gibt es keinen Platz für irgendeine Form der Spiritualität, zumindest nicht als relevanten und sinnvollen Aspekt der Existenz. Wenn das mechanistische Paradigma tatsächlich eine richtige und vollständige Beschreibung der Realität wäre, dann würde das aufge­ klärte Weltbild der Wissenschaft implizieren, daß man seine Bedeu­ tungslosigkeit als einer von vier Milliarden Bewohnern auf einem der zahllosen Himmelskörper in einem Universum mit Millionen von Galaxien akzeptieren müßte. Es würde auch die Erkenntnis erfordern, daß der Mensch nichts anderes als ein hochentwickeltes Tier und eine biologische Maschine ist, die sich aus Zellen, Gewe­ ben und Organen zusammensetzt. Aus dieser Betrachtungsweise erscheint unser Bewußtsein als ein physiologisches Produkt des Gehirns und unsere Psyche als von unbewußten biologischen und instinktiven Kräften gesteuert. Wenn in nichtwestlichen Kulturen - besonders in solchen mit mangelhaften Bildungssystemen - tiefe spirituelle Überzeugungen vorgefunden werden, dann werden diese in der Regel auf Unwissen­ heit, kindliche Leichtgläubigkeit und primitiven Aberglauben zu­ rückgeführt. In unserer eigenen Kultur ist eine solche Interpretation offensichtlich fehl am Platz, insbesondere bei hochgebildeten Men­ schen mit überragender Intelligenz. Hier beruft sich die institutiona­ lisierte Psychiatrie auf die Ergebnisse der Psychoanalyse, wonach die Wurzeln religiöser Überzeugungen in ungelösten Konflikten im Säuglingsalter und in der frühen Kindheit zu suchen sind. Götter werden als infantile Abbilder der Eltemfiguren interpretiert, die religiösen Einstellungen gläubiger Menschen als Anzeichen für emotionale Unreife und kindliche Abhängigkeit, und das Ausführen von Riten als Ergebnis eines Kampfes gegen frühe psychosexuelle Impulse - vergleichbar den Mechanismen, die sich auch in einer Zwangsneurose finden. Unmittelbare spirituelle Erfahrungen wie etwa das Gefühl der Ein­ heit mit dem Kosmos, Tod- und Wiedergeburtserlebnisse, Begeg­ nungen mit archetypischen Gottheiten, Visionen von übernatürlich 320

schönem Licht oder Erinnerungen an frühere Inkarnationen werden als grobe Verzerrungen der »objektiven Realität« gesehen, die auf eine schwere geistige Erkrankung hinweisen. Die Anthropologen haben die Persönlichkeit und die Verhaltensweisen von Schamanen gewöhnlich als Schizophrenie, Hysterie oder Epilepsie abqualifi­ ziert, und alle großen Propheten und Weisen wurden mit Etiketten aus der Psychopathologie versehen. Sogar die Meditation wurde in einen klinischen Kontext gestellt. Das folgende Zitat aus einem Artikel des berühmten Psychoanalytikers Franz Alexander, der die buddhistische Meditation mit künstlicher Katatonie vergleicht, mag hier als Beispiel dienen: »Nach unseren gegenwärtigen psychoana­ lytischen Erkenntnissen ist klar, daß die Selbstversunkenheit in der buddhistischen Meditation eine libidinöse, narzißtische Wendung des Wissensdrangs nach innen darstellt, eine Art künstliche Schizo­ phrenie mit vollständigem Abzug des libidinösen Interesses von der Außenwelt« (Alexander 1931). Von einigen Ausnahmen wie C . G . Jung, Roberto Assagioli und Abraham Maslow hat man in der westlichen Psychiatrie die Spiritualität nicht als emstzunehmendes Phänomen eines psychisch vollkommen gesunden Menschen aner­ kannt und mystische Erfahrungen mit psychotischen Erlebnissen in einen Topf geworfen. In einem anderen Rahmen (Grof 1985) habe ich die Irrtümer, die in dieser Vorstellung von Spiritualität liegen, zu demonstrieren ver­ sucht. Das Kartesianisch-Newtonsche Modell der Realität mit der Realität selber zu verwechseln heißt die moderne Wissenschaftsphi­ losophie mit ihren Erkenntnissen über die Natur wissenschaftlicher Theorien und die Dynamik von Paradigmen zu ignorieren. Außer­ dem liegt hier ein schwerwiegender logischer Irrtum vor: da im Korzybskischem Sinn die Landkarte mit dem Territorium verwech­ selt wird (Korzybski 1933), wird gegen das Prinzip der logischen Typen verstoßen - ein Lieblingsthema des verstorbenen Wissen­ schaftlers Gregory Bateson (1982). Vor allem aber überträgt ein solcher Ansatz Ergebnisse von Forschungen in den Grundwissen­ schaften auf die Psychologie und ignoriert zahlreiche Beobachtun­ gen aus der Bewußtseinsforschung, insbesondere solche in bezug auf transpersonale Erlebnisse. Jede ernsthafte wissenschaftliche Theorie muß ein Versuch sein, die existierenden Tatsachen zu 321

ordnen, nicht das Ergebnis spekulativen Extrapolierens. Sie muß auf Beobachtungen des Universums beruhen, nicht auf dem Glauben von Wissenschaftlern, wie es beschaffen ist oder ihrem Wunsch, wie es beschaffen sein sollte, damit es zu ihren Theorien paßt. Die

moderne

Bewußtseinsforschung

und

die

Selbsterfahrungsthera-

pien mit oder ohne Psychedelika haben auf das Problem der Spirituali­ tät

und

der

menschlichen völliger

Religion Psyche

ein

völlig

wieder

Übereinstimmung

neues

ihren

mit

Licht

kosmischen

der

Auffassung

geworfen Status

von

und

der

verliehen.

C.G.

In

Jung

er­

scheint die Spiritualität oder Numinosität als ein von jeher bestehen­ des Merkmal tieferer psychischer Schichten. Sobald der Prozeß der Selbsterforschung die perinatale oder transpersonale Ebene erreicht, führt er zu spirituellem Erwachen und die betreffende Person beginnt, nach mystischer Vereinigung zu streben. Ich habe viele hochgebil­ dete Menschen beobachtet, die diesen Prozeß in unserem psychedeli­ schen

Trainingsprogramm

und

in

unseren

holotropen

Workshops

durchgemacht haben und noch keinen einzigen Menschen - weder einen

Atheisten,

Wissenschaftler

noch -

einen

erlebt,

Marxisten

dessen

Skepsis

noch

einen

und

positivistischen

Zynismus

gegenüber

der Spiritualität eine solche Erfahrung überdauert hätte. Die Form von Spiritualität, von der ich spreche, ist voll vereinbar mit jedem

Intelligenzniveau,

jedem

Bildungsgrad

und

jedem

Wissens­

stand in Disziplinen wie der Physik, der Biologie, der Medizin und der Psychologie.

Keiner

der

gearbeitet

habe,

spirituellen

Erlebnissen

sche

hochintelligenten

empfand

Wirklichkeit.

und

Sie

Verallgemeinerungen

irgendwelche seinen

mußten

und

Menschen, Konflikte

Kenntnissen

aber

häufig

unbegründete

mit

denen

zwischen

über

die

bestimmte

metaphysische

ich

seinen

physikali­ unzulässige Annahmen,

die sich während ihrer akademischen Ausbildung in ihnen verfestigt hatten,

aufgeben.

Es

gibt

dieser

Tage

zahlreiche

Aufsätze

und

Bücher, aus denen hervorgeht, daß viele revolutionäre Fortschritte in der modernen Wissenschaft auf ein völlig neues Weltbild hinauslau­ fen. Obwohl wir von einer umfassenden Synthese all dieser neuen Erkenntnisse noch weit entfernt sind, zeigen wesentliche Elemente des

aufkommenden

Paradigmas

eine

weitgehende

Übereinstimmung

mit dem Weltbild der großen mystischen Traditionen (Grof 1986). Hervorzuheben ist aber, daß dies nicht notwendigerweise eine

322

Konvergenz

zwischen

Wissenschaft

und

Religion

bedeutet.

Die

Spiritualität, die sich in einem bestimmten Stadium der Selbsterfor­ schung spontan einstellt, sollte nicht mit den großen Religionen und ihren Überzeugungen, Glaubenssätzen, Dogmen und Ritualen ver­ wechselt werden. Die meisten dieser Religionen haben die Verbin­ dung mit ihrem Ursprung, der die unmittelbare visionäre Erfahrung transpersonaler geht

es

in

Wirklichkeiten erster

Linie

um

ist,

vollkommen

Macht,

Geld,

verloren.

Hierarchien

Ihnen

sowie

um

ethische, politische und soziale Kontrolle. Es ist durchaus möglich, einer Religion anzugehören, die sehr wenige oder gar keine spiritu­ ellen

Elemente

enthält,

ja

sich

sogar

dem

Streben

nach

wahrer

spiritueller Erkenntnis widersetzt. Ein enger Freund von mir, Walter Houston Clark, ein ehemaliger Professor für Theologie und Verfasser eines sehr bekannten Buches über

die

Psychologie

der

Religion,

hatte

nach

vielen

Jahren,

in

denen er Theologie an einer Universität lehrte, tiefe mystische Erfahrungen. Aufgrund dieser Erfahrungen gelangte er zu Erkennt­ nissen über die Beziehung zwischen wahrer Spiritualität und Reli­ gion. Für diese Beziehung verwandte er ein sehr interessantes Bild. Er sagte, daß vieles an den institutionalisierten Religionen ihn an eine Impfung erinnerte. Man gehe in die Kirche und »erhalte etwas, was gegen die wahre Sache schützt«. So glauben viele Leute, der regelmäßige Kirchgang an Sonn- und Feiertagen, das Sprechen von Gebeten und das Anhören der Predigt reiche aus, um als wirklich religiös zu gelten. Dieses falsche Gefühl, schon am Ziel angelangt zu sein, hindert sie daran, sich auf eine spirituelle Entdeckungsreise zu begeben. C.G. Jung brachte eine ähnliche Ansicht zum Ausdruck (Jung 1983). Er meinte, die Hauptfunktion der formalisierten Reli­ gionen bestehe darin, den Menschen vor einer unmittelbaren Erfah­ rung Gottes zu schützen. Spirituelle erschließen,

Erfahrungen,

die

bewirken bei

sich

dem

durch

eine

tiefe

Selbsterforschung

betreffenden Menschen keine Annä­

herung an die etablierte Kirche und inspirieren ihn nicht zur häufige­ ren Teilnahme am formalisierten Gottesdienst, gehöre er nun der christlichen,

der

jüdischen

oder

der

mohammedanischen

Religion

an. Häufiger vermitteln sie ein klares Verständnis der Probleme und Begrenzungen etablierter Kirchen und lassen erkennen, an welchem

323

Punkt und warum sie in die Irre gegangen sind und den Kontakt zur wahren

Spiritualität

Erlebnisse großen

passen

verloren

voll

Weltreligionen,

christlichen

Mystik,

chassidischen

haben.

und

ganz

etwa

zum

Bewegung.

Die

zu

zu

den

Sufismus Die

den

unmittelbaren mystischen

verschiedenen

oder

zur

Haupttrennlinie

spirituellen Schulen

der

Formen

der

Kabbalah in

der

Spiritualität verläuft nicht zwischen den etablierten sondern innerhalb jeder von ihnen, nämlich zwischen

und

zur

Welt

der

Religionen, ihnen und

ihren jeweiligen mystischen Schulen. Die

etablierten

Religionen

vertreten

in

der

Regel

eine

Vorstellung

von Gott, wonach das Göttliche eine Kraft ist, die sich außerhalb des Menschen befindet und zu der man nur durch die Vermittlung der Kirche und der Priesterschaft Zugang gewinnen kann. Ein bevorzug­ ter Ort für einen solchen Vorgang ist das Gotteshaus. Im Gegensatz dazu erkennt die Spiritualität, die sich im Prozeß einer tiefgehenden Selbsterforschung

offenbart,

Gott

als

das

Göttliche

im

Menschen.

Mit Hilfe verschiedener Techniken, die den unmittelbaren erlebens­ mäßigen

Zugang

zu

transpersonalen

Wirklichkeiten

vermitteln,

ent­

deckt man seine eigene Göttlichkeit. Bei spirituellen Übungen dieser Art sind es der Körper und die Natur, die die Funktion des Gottes­ hauses

übernehmen.

Diese

Auffassung

von

Spiritualität

und

Reli­

gion steht nicht im Widerspruch dazu, daß religiöse Strukturen von außerordentlicher wie

die

Schönheit

gotischen

und

architektonischer

Kathedralen,

große

islamische

Vollkommenheit Moscheen

oder

buddhistische und hinduistische Tempel an und für sich einen tiefen spirituellen

Eindruck

ausüben

und

mystische

Erfahrungen

vermit­

teln können. Die

wichtigsten

Spiritualität Sitzung

eines

Gruppe

die

eingenommen

Aspekte

sollen

dieser

anhand

Schriftstellers

des

Beziehung folgenden

veranschaulicht

amphetaminverwandten hatte

(Adamson

zwischen werden,

Empathogene

1986).

Ein

Religion

Selbstberichts der

MDMA

anderer

und

über

eine

in

einer

und

2CB

Ausschnitt

aus

seinem Erlebnisbericht findet sich auf S. 157. Es war, als schwebte ich, durch mehrere Schichten trübender Realität getrennt, über einer gewaltigen brausenden Lichtquelle. Sobald sich die verschiedenen Ebenen von Mißverständnissen, Verdrehungen, Illusio­ nen und gängigen Meinungen aufzulösen begannen und sich schließlich

324

wie Nebel verflüchtigten, wurde das Brausen lauter und lauter. Es war das Geräusch eines Bogenlichts von Milliarden von Volt, das Donnern Tausender von Sonnen, der Klang des Universums in Flammen. Mit der Zeit zeigte sich immer deutlicher eine riesige Lichtkugel, die ich umkreiste. Das Licht, das sie ausstrahlte, weißes Licht zu nennen, würde nur eine blasse Vorstellung von seiner Leuchtkraft vermitteln. Es hatte eine Intensität, die man nur als absolut bezeichnen kann. Ich gelangte zu der Erkenntnis - nicht über Worte, sondern tief in meinem Innern durch Intuition -, daß diese tosende Explosion das Leben selber war. Sie donnerte und pulsierte durch alles, was lebte, sie war der Ursprung der kristallinen Bewegung des Lebens. Sie war noch vor der Kugel uranfänglicher Stemenmaterie, die explodierte und alles schuf, was in unserem sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitenden oder - je nach der Kosmologie, an die man glaubt - pulsierenden Universum existierte. Und sie durchschoß auch mich. Ich vereinte mich mit ihr - ich war eine zitternde Faser nicht nur reinen Lichts, sondern auch reiner Energie. Dies war eine vorreligiöse Erfahrung. Die Religion schien mir nun angesichts meiner unmittelbaren Nähe zur Quelle allen Lebens - über­ flüssig. Die Spiritualität war zu einem fahlen Abbild des Sturms und der Gewalt des Lebens geworden. Es war nicht schrecklich, es war der Schrecken selber. Es war nicht göttlich, sondern machte zum Gott. Es war nicht prächtig, sondern es war, wie es war - das reine Absolute, weder richtig, noch liebevoll, noch gütig, sondern einfach das lebende Leben. Natürlich liebt man alle Lebewesen. Natürlich spürt man, daß die Schöpfung etwas Großartiges ist. Natürlich sind wir alle vereint. Wir alle sind schlicht Teil des Lebensfeuers. Würde diese Energiequelle, die uns durchströmt, nicht existieren, so würden auch wir nicht existieren. Liebe, Spiritualität und innerer Friede folgen aus dieser Erfahrung ebenso wie ein Atemzug aus dem vorhergehenden. Das alles ist selbst­ verständlich - es ist schlicht unsere Natur. Es

gibt

zahlreiche

Hinweise

darauf,

daß

der

transzendente

Impuls

die wichtigste und mächtigste Kraft im Menschen ist. Das systemati­ sche Leugnen und Verdrängen der Spiritualität, das für die moder­ nen westlichen Gesellschaften so charakteristisch ist, kann sich als ein

kritischer

Faktor

erweisen,

der

zu

zu psychopathologischen Erscheinungen und der Gesellschaft, zu Kriminalität,

Entfremdung,

Existenzangst,

beim einzelnen Menschen Gewalttätigkeit und selbst­

325

zerstörerischen

Tendenzen

der

heutigen

Menschheit

beiträgt.

Aus

diesem Grund ist das in letzter Zeit gestiegene Interesse an verschie­ denen Formen der Selbsterforschung, die unmittelbare spirituelle Erfahrungen vermitteln können, ein sehr ermutigender Trend und eine Entwicklung von potentiell großer Bedeutung. Die

wichtige

kann

mit

Funktion

Hilfe

des

dieses oben

Strebens

nach

284f)

bereits

(S.

spiritueller

Erleuchtung

beschriebenen

Modells

erklärt werden. Wie ich vorgeschlagen habe, muß man - um das Wesen

des

Menschen

Beobachtungen

in

in

einer

der

Weise

modernen

zu

beschreiben,

die

Bewußtseinsforschung

den

gerecht

wird - ein Modell benutzen, das bestimmte Ähnlichkeit zum Wellen-Teilchen-Paradox Bewußtseinsformen,

in

der

subatomaren

die

den

beiden

Physik

einander

besitzt.

Die

ergänzenden

zwei

Aspekten

der menschlichen Natur entsprechen, sind das hylotrope oder mate­ rieorientierte

und

das

holotrope,

auf

Ganzheit

abzielende

Bewußt­

sein. Um

alle

müssen

in

wir

uns diese

kultivieren und das,

mit

schlummernden beiden

Aspekte

mit ihnen vertraut

unserem

Alltagsaktivitäten

Innenleben

mit

einer

in

Möglichkeiten unseres

zu

Wesens

verwirklichen,

anerkennen,

sie

werden. In der Praxis bedeutet Fühlung

konzentrierten

zu

bleiben

Erforschung

und

unsere

unseres

Un­

bewußten und Überbewußten zu ergänzen. Das kann mit verschiede­ nen

Mitteln

geschehen

humanistischen nahme

an

und

-u.a.

mit

transpersonalen

Schamanenritualen

und

Meditation,

mit

Psychotherapie, Tranceriten,

mit

Techniken mit

der

dem

der Teil­

Aufenthalt

in einem sensorischen Isolationstank, mit der Einnahme von Psyche­ delika unter Überwachung. Auf diese Weise wird das eigene Leben zu einem aktiven Dialog zwischen dem hylotropen und dem holotropen Bewußtsein. Dies ist in der Tat nichts anderes als eine Neuformulierung des Gedankens von

C.

besteht,

G. seine

symbolischen

Jung,

daß

eigene Lebens

das innere

zu

wichtigste

menschliche

Wirklichkeit

entdecken

und

durch in

Bedürfnis Kultivierung

aktivem

darin des

dynamischem

Kontakt mit dem kollektiven Unbewußten und dem Selbst zu leben. So wird es möglich, aus den immensen Schätzen und der jahrtausen­ dealten Weisheit, die in der kollektiven Psyche ruhen, zu schöp­ fen.

326

Ein

Mensch,

Bewußtsein

dessen

geprägt

Existenz wird,

ausschließlich

ist

-

selbst

durch

wenn

er

das

hylotrope

keine

manifesten

klinischen Symptome zeigt und deshalb aus der Sicht der traditionel­ len

Psychiatrie

als

»geistig

gesund«

gilt

-

von

diesen

inneren

Hilfsquellen abgeschnitten und vermag sie nicht für sich zu nutzen. Dies

führt

zu

einer

chronischen

nisse

und

zu

einem

Gefühl

Erfahrungen, stellen,

die

sich

besitzen

Frustration

mangelnder

im Laufe

heilende

einer

Kräfte.

transzendenter

Erfüllung.

Die

Bedürf­

holotropen

tiefen Selbsterforschung ein­

Die

schwierigen

und

schmerzli­

chen Erfahrungen unter ihnen scheinen, wenn sie vollständig durch­ lebt

und

und

Spannungen

gut

integriert

beeinträchtigen Erlebnisse

zu

werden,

die

beseitigen,

die

würden.

nehmen

Quellen emotionaler

Ekstatische

das

Gefühl

sonst

das

und

vereinigende

der

Störungen

alltägliche

Entfremdung,

Dasein

holotrope

erzeugen

ein

Bewußtsein der Verbundenheit mit allen Lebewesen und dem gan­ zen Kosmos, verleihen innere Kraft, Lebensfreude und Optimismus und steigern das Selbstwertgefühl. Sie läutern die Sinne und öffnen sie für die Wahrnehmung der außerordentlichen Fülle, der Schönheit und

des

Rätsels

der

Existenz.

Die

Erfahrung,

mit

der

übrigen

Schöpfung wesentlich eins zu sein, erhöht die Toleranz und Geduld gegenüber

anderen,

senkt

den

Aggressionspegel

und

intensiviert

die

Fähigkeit zu Synergie und Kooperation. Die Entdeckung der verborgenen Aspekte der Wirklichkeit und der mit

ihnen

verbundenen

faszinierende

Herausforderungen

Dimensionen

hinzu.

Sie

fügen

gestalten

der

Existenz

das

eigene

neue Leben

um vieles reicher und interessanter. Sie machen einige der Energien frei,

die

bislang

in

verschiedenen

überspannten,

ehrgeizigen

Bestre­

bungen aufgebraucht wurden, und leiten sie um auf das Abenteuer der

Selbstentdeckung.

Wiederholte

Begegnungen

mit

der

transper­

sonalen Sphäre üben auf den betreffenden Menschen in der Regel eine

sehr

tiefe

beschränkten stens

Wirkung

aus.

Perspektive,

kennzeichnet,

und

die

Sie den

lassen

lösen

ihn

von

der

engen

Durchschnittsmenschen

ihn

die

Probleme

des

des

und We­

Alltagslebens

von einem kosmischen Standpunkt betrachten. Einige der Erfahrungen, mit denen man auf seiner inneren Suche konfrontiert

wird,

Grundeinstellung

besitzen des

eine

Menschen

so zum

große Leben

Intensität, und

daß

seine

sie

die

Auffassung

327

davon, was man ertragen, bewältigen und verarbeiten kann, verän­ dern.

Zusätzlich

zu

den

HeilungsVorgängen,

solchen

Erfahrungsprozesses

flussung

der

Perspektive

auftreten,

und

der

kann

die

im

diese

Ausgangsbasis

Laufe

drastische für

die

eines Beein­

Bewertung

seiner Lebenserfahrungen eine große Stütze sein und die Qualität des Alltagsdaseins verwandeln. Angesichts dieser Fakten stellt das gesteigerte Interesse an Spiritua­ lität und an innerer Suche eine der wenigen hoffnungsvollen Ent­ wicklungen in unserer bedrohten Welt dar. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, dann könnte die innere Wandlung in den Menschen eine der Hauptkräfte werden, die die von uns selbst verschuldete Kata­ strophe, auf die die Welt in einem erschreckenden Tempo zuzustre­ ben

scheint,

noch

Konvergenz

zwischen

Traditionen

der

spektive

eines

sich

wird.

als

Bewußtseins

ein

wenden

der

neuen

philosophia zukünftigen

wissenschaftlichen brücken

ab

Forschung

Ein

solches

bedeutender

erweisen,

die

können.

Die

Wissenschaft

perennis

bietet

Weltbildes,

das

und

dem

eine

und

eine die

der

den

Kluft

neues

der

fortschreitende mystischen

faszinierende

spirituellen

allumfassendes Katalysator wohl

rasch

Per­

zwischen Streben

Paradigma

könnte

Weiterentwicklung

wesentlichen

für das Weiterbestehen des Lebens auf diesem Planeten ist.

der

über­ des

Bedingungen

III. Anhang: Psychedelika in Psychotherapie und Selbsterforschung

1. Psychedelische Pflanzen und Substanzen Der Gebrauch von psychedelischen Substanzen zum Zweck der Hei­ lung, der Weissagung und der Kommunikation mit den über- und unterirdischen Mächten läßt sich bis zu den Anfängen der Menschheits­ geschichte zurückverfolgen. Seit undenklichen Zeiten wurden Pflan­ zen, in seltenen Fällen auch tierische Substanzen, die stark bewußtseinsverändemd wirkende Alkaloide enthielten, sowohl bei Naturvöl­ kern als auch in hochentwickelten Kulturen in verschiedenen Teilen der Welt für rituelle und magische Zwecke verwendet. In der Geschichte der chinesischen Medizin finden sich Berichte über psychedelische Substanzen schon vor über 3500 Jahren. Von besonde­ rem historischen Interesse ist die legendäre göttliche Pflanze bzw. der legendäre göttliche Getränk, der im altpersischen Zend-Awesta als Haoma, in der alten indischen Literatur als Soma bezeichnet wird. Er wurde von nomadisierenden arischen Invasoren eingeführt und übte einen tiefgreifenden Einfluß auf die Entwicklung der Religion und des philosophischen Denkens bei den Hindus aus. Im Rigveda sind dem Soma 120 Verse gewidmet; sie preisen die außerordentliche Wirkung dieses göttlichen Getränks auf die Anbetenden. Diejenigen, die ihn zu sich nahmen, gerieten in ekstatische Verzückung, bei denen sie »zur Hälfte auf der Erde, zur anderen Hälfte in den Himmeln« waren. Ihre Körper wurden gestärkt, ihre Herzen füllten sich mit Mut, Freude und Begeisterung, ihr Geist wurde erleuchtet, und sie erlangten Gewißheit ihrer Unsterblichkeit. Eine andere übliche und weitverbreitete Pflanze mit psychedelischen Eigenschaften, die zum Zweck der Heilung und Erfrischung verwendet wurde, ist der Hanf. Blätter, Blüten und Harz seiner Abarten - etwa der

329

Cannabis sativa und der Cannabis indica - wurden im Mittleren Osten, in Afrika, Indien, China, Tibet, Nord- und Südamerika sowie in der Karibik unter verschiedenen Bezeichnungen wie Haschisch, Kif, Cha­ ras, Bhang, Ganja oder Marihuana zum Vergnügen, zur Heilung und bei Riten geraucht bzw. eingenommen. Der Hanf diente als wichtiges Sakrament bei den verschiedensten Gruppen, etwa bei den afrikani­ schen Naturstämmen, den indischen Brahminen, den tantrischen Bud­ dhisten Tibets, einigen Sufi-Orden, den alten Skythen und den Rastafarianen Jamaikas. Psychedelische Arzneien wurden in besonderer Vielfalt in Zentralame­ rika verwendet. Verschiedene präkolumbianische Kulturen (Azteken, Tolteken, Mayas) und heute lebende Indianergruppen (Huichols, Yaquis, Mazateken) benutzten bzw. benutzen mindestens sechzehn ver­ schiedene Pflanzen mit deutlich bewußtseinsverändemden Eigenschaf­ ten. Die berühmtesten unter ihnen sind der Peyotekaktus (Lophophora williamsii), die heiligen Teonanakatl-Pilze (Psilocybe mexicana und cubensis), die auch als das »Fleisch der Götter« bezeichnet werden, und die Samen der Windenart Turbina corymbosa, die in der Landessprache Ololiuqui heißen. Der zeremonielle Gebrauch von Peyote findet sich auch heute noch insbesondere bei den Huichol-, Yaqui-, Cora- und Tarahumaraindianem Mexikos. Nach dem Bürgerkrieg verlagerte sich die Peyotereligion nach Norden vom Gebiet um den Rio Grande nach den Vereinigten Staaten und wurde dort von mehr als fünfzig nordamerikanischen Indianerstämmen assimiliert. Manchen Schätzungen zufolge gehört mehr als die Hälfte der amerikanischen Indianer (250000) gegenwärtig der Native American Church an, einer synkretistischen Religion, die den Peyotekult mit Elementen des Christentums vereinigt. Der zeremo­ nielle Gebrauch von Psilocybe-Pilzen bei den Mazateken Mexikos wurde weltweit bekannt, nachdem die berühmte Curandera Maria Sabina ihr Geheimnis dem amerikanischen Bankier und Pilzforscher Gordon Wasson und dessen Frau an vertraut hatte. Das berühmteste südamerikanische Psychedelikum ist Ayahuasca oder Yage, das aus der Rinde der Dschungelliane Banisteriopsis caapi zubereitet wird und in Brasilien, Peru, Ecuador und Kolumbien unter vielen Bezeichnungen bekannt ist, etwa als Wein des Todes, Wein der Seele oder Weinranke des Todes (soga de muerte). Es wird in dramati­ schen Pubertätsriten benutzt, zu denen auch eine intensive Geißelung gehört, und ist bekannt für seine massiven läuternden, heilenden, visionären und telepathischen Wirkungen. Die südamerikanischen psy­

330

chedelischen Schnupfstoffe sind vor kurzem durch den Film »The Emerald Forest« populärer geworden. Am bekanntesten sind das Cohoba, das aus dem Harz der Virola theiodora oder Virola cuspidata gewonnen wird sowie das aus der Virola calophylla und Virola theio­ dora hergestellte Epenä. Die Virolaschnupfstoffe werden bei vielen Indianergruppen im Amazonasgebiet von Venezuela, Kolumbien und Brasilien zum Zweck der Kommunikation mit der Welt der Geister, der Diagnose und Behandlung von Krankheiten, der Prophezeiung, der Weissagung und anderer magisch-religiöser Handlungen benutzt. Der San Pedro-Kaktus (Trichocerus pachanoi) ähnelt in seiner Wirkung dem Peyote, weil er ebenfalls das aktive Alkaloid Meskalin enthält. Er wird von den Schamanen der ecuadorianischen Anden seit mehr als drei Jahrtausenden für Weissagung und Heilung verwendet. Äquatorialafrika trägt zur Welt der psychedelischen Pflanzen den Ebogastrauch (Tabemanthe iboga) bei. Seine Wurzeln werden von Goril­ las, Wild- und Stachelschweinen gesucht, deren Verhalten durch ihren Genuß massiv beeinflußt wird. Späne der Wurzelrinde werden von den Eingeborenen unter der Bezeichnung Eboga oder Iboga benutzt. In kleinen Dosen ist es ein Aphrodisiakum und Psychostimulantium. Stammeskrieger auf dem Kriegspfad und Löwenjäger nehmen es ein, um bei Nachtwachen nicht einzuschlafen. Bei Ibogakulten, an denen Männer (Bwiti) und Frauen (Mbiri) teilnehmen, werden große Dosen in Zeremonien eingenommen, die die ganze Nacht über andauem und bei denen zur Herstellung der Verbindung mit Geistern der Vorfahren getanzt und getrommelt wird. Die letzte bedeutende psychedelische Pflanze, die ich erwähnen möchte, ist der Fliegenpilz (Amanita muscaria), jener rote, weiß ge­ sprenkelte Pilz, der in Lewis Carrolls »Alice im Wunderland« und in vielen anderen Märchen des Westens vorkommt. Er wurde und wird häufig von sibirischen Schamanen der Koryak-, Samoyed-, Ostyak- und Chukcheestämme, von nordamerikanischen Indianergruppen im Gebiet der Großen Seen - insbesondere den Ojibway -, und von bestimmten Völkern Skandinaviens benutzt. Manche Forscher haben versucht, die alten Wikingerberichte über den sogenannten Berserkergang - die tobsüchtige Raserei einer Gruppe mit Bärenfellen bekleideter Krieger, die in den nordischen Sagen beschrieben wird -, auf die Einnahme von Fliegenpilzen zurückzuführen (Fabing 1956). Gordon Wasson (1967) hat Hinweise aus verschiedenen Disziplinen darauf gesammelt, daß der Riegenpilz mit dem legendären Soma der Veden identisch ist. Nun hat es in bezug auf die psychedelische Wirkung des Fliegenpilzes einige

331

Unklarheiten und Kontroversen gegeben und Wassons Theorie, so interessant und populär sie auch ist, hat nicht allgemeine Anerkennung gefunden. Die Besprechung der berühmtesten psychedelischen Stoffe möchte ich mit einem kurzen Hinweis auf bewußtseinsverändemde Substanzen tierischen Ursprungs abschließen. Der »Traumfisch« (Kyphosus fuscus), der vor der Küste der Norfolkinsel im Südpazifik vorkommt, hat bei den Eingeborenen den Ruf, heftige alptraumartige Visionen zu erzeugen. Joe Roberts, ein Fotograf für das National Geographie Magazine, hat 1960 einige Fische dieser Art gebraten und gegessen und konnte diese Behauptungen bestätigen. Er geriet in einen intensiven halluzinatorischen Zustand und hatte Erlebnisse, die viele Science Fiction-Elemente enthielten (Roberts 1960). Die psychoaktiven Eigen­ schaften der Krötenhaut und ihrer Sekretionen erklären ihre Beliebtheit als Zutat zu den Hexengebräuen und -salben des Mittelalters, die für den Hexensabbath oder die Walpurgisnacht zubereitet wurden. Die bewußtseinsverändemden Effekte dieser tierischen Produkte lassen sich auf ihren hohen Gehalt an psychedelischen Tryptaminderivaten wie Dimethyltryptamin (DMT), N-methoxy-DMT und Bufotenin (Dimethylserotonin) zurückführen. Bei den Vorbereitungen für den Hexensabbath wurden hauptsächlich auch Pflanzen aus der Familie der Nachtschatten­ gewächse verwendet: die Tollkirsche (Atropa Belladonna), der Stech­ apfel (Datura Stramonium), der Alraun (Mandragora officinarum) und das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger). Die lange Geschichte der rituellen Anwendung psychedelischer Sub­ stanzen steht in einem auffallenden Gegensatz zu einem relativ kurzzei­ tigen wissenschaftlichen Interesse an diesen Stoffen und ihrer systema­ tischen Erforschung in Labor und Klinik. Louis Lewin, der häufig als der Vater der modernen Psychopharmakologie bezeichnet wird, sam­ melte Proben von Peyote, brachte sie nach Deutschland und gewann aus ihnen die darin enthaltenen Alkaloide. 1897 gelang es seinem Kollegen und Rivalen Arthur Heffter, die chemische Zusammensetzung des psychoaktiven Wirkstoffs des Peyote zu identifizieren. Er nannte ihn Mezcalin (Meskalin). Die Pionierexperimente mit Peyote wurden von Weir Mitchell, Havelock Ellis und Heinrich Klüver durchgeführt. Diese Forschungstätigkeit gipfelte 1927 in der Veröffentlichung des Buches Der Meskalinrausch von Kurt Beringer. In der darauf folgenden Zeit, bis Anfang der vierziger Jahre, wurde sehr wenig psychedelische Forschung betrieben. Das goldene Zeitalter in der Geschichte der Psychedelika begann im April 1942, als der schweizeri­

332

sehe Chemiker Albert Hofmann die epochemachende Entdeckung der außergewöhnlichen psychoaktiven Eigenschaften winziger Dosen von Lysergsäurediäthylamid (LSD-25) machte. Dieses neue halbsyntheti­ sche Mutterkomderivat, das schon in der unglaublich winzigen Dosis von einem Millionstel eines Gramms (eines Mikrogramms oder Gammas) wirkt, wurde über Nacht zu einer wissenschaftlichen Sensation. Die durch Hofmanns Entdeckung angeregte Forschung beschränkte sich nicht auf LSD. Sie führte zu einer Wiedergeburt des Interesses an den schon früher bekannten psychedelischen Pflanzen und Substanzen sowie zu einer Lawine an neuen Erkenntnissen über sie. Nach und nach vermochten Wissenschaftlerteams in systematischer Forschungsarbeit den Geheimnissen der Psychedelika auf den Grund zu kommen. Man ermittelte die chemische Zusammensetzung der Haupt­ wirkstoffe der meisten berühmten psychedelischen Pflanzen und konnte sie im Labor in reiner Form hersteilen. Albert Hofmann selber entwikkelte - nach einer anfänglichen zufälligen Vergiftung durch LSD-25 und dem darauf folgenden geplanten Selbstversuch mit dieser Substanztiefes Interesse an den chemischen Zusammenhängen bei psychedeli­ schen Pflanzen. Es gelang ihm, das Rätsel der heiligen mexikanischen Pilze zu lösen, indem er aus ihnen die alkaloiden Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin isolierte. Bevor seine wissenschaftliche Arbeit auf diesem Gebiet beendet wurde - durch die bedauerlichen politischen und admini­ strativen Maßnahmen, die aufgrund der Existenz eines schwarzen Psychedelika-Markts und der unüberwachten Massenselbstversuche der jungen Generation ergriffen wurden -, war er noch in der Lage, die Wirkung der Ololiuquisamen auf ihre Bestandteile d-Lysergsäureamid und seine verwandten Mutterkomderivate zurückzuführen. Der Hauptwirkstoff im Ayahuasca oder Yage ist das Alkaloid Harmalin, auch Banisterin, Yagein oder Telepathin genannt. Seine chemische Zusammensetzung ist zwar seit 1919 bekannt, doch gelangte man in neuen chemischen und pharmakologischen Untersuchungen zu weiteren wichtigen Erkenntnissen. Besonders interessant ist die Tatsache, daß Harmalin große Ähnlichkeit mit Substanzen besitzt, die aus der Zirbel­ drüse gewonnen werden können, etwa mit 10-Methoxyharmalin. Damit war die Grundlage für so manche interessanten Spekulationen geschaf­ fen, da nämlich die mystischen Traditionen der Zirbeldrüse in bezug auf die »Öffnung des dritten Auges«, auf visionäre Zustände und auf paranormale Fähigkeiten große Bedeutung beimaßen. Harmalaalkaloide sind auch in den Kohoba- und Epenäschnupfstoffen sowie im syrischen Rue (Peganum harmala) nachgewiesen worden.

333

Ibogain, das wichtigste psychoaktive Alkaloid der afrikanischen Ebogapflanze (Tabemanthe iboga), wurde 1901 isoliert, doch sein chemi­ scher Aufbau wurde erst gegen Ende der sechziger Jahre vollständig erkannt. Nach vielen Schwierigkeiten entschlüsselte man im modernen Laboratorium die chemischen Geheimnisse des Haschischs und des Marihuanas. Deren typische Wirkungen konnten auf eine Gruppe von Tetrahydrocannabinolen (THC) zurückgeführt werden. Ein theoretisch bedeutsamer Beitrag zur Enträtselung der Geheimnisse verschiedener psychedelischer Substanzen pflanzlichen und tierischen Ursprungs war die Erforschung der psychoaktiven Tryptaminderivate, die in Budapest von Böszörmönyi und Szara begonnen wurde. Dime-

thyltryptamin (DMT), Diäthyltryptamin (DÄT), Dipropyltryptamin (DPT) und andere verwandte Verbindungen zählen zu den einfachsten Molekülen mit psychedelischer Wirkung. Sie sind verantwortlich für die bewußtseinsverändemden Eigenschaften der südamerikanischen Schnupfstoffe Kohoba, Epenä und Paricä und tragen auch zur Wirksam­ keit von Ayahuascamixturen bei. Auch sind sie, wie ich bereits er­ wähnte, die Hauptwirkstoffe in der Krötenhaut und ihren Sekretionen sowie im Fleisch des pazifischen »Traumfischs« (Kyphosus fuscus). Die theoretische Bedeutung der Tryptaminderivate beruht auf dem Umstand, daß sie von Natur aus im menschlichen Organismus Vorkom­ men, Derivate des wichtigen Aminosäurentryptophan und mit den Neurotransmittern chemisch verwandt sind. Aus diesen Gründen sind sie zwangsläufig Kandidaten für endogene psychotomimetische Sub­ stanzen, die eventuell durch Stoffwechsel Vorgänge im Körper erzeugt werden und häufig im Rahmen biologischer Psychosetheorien diskutiert wurden. Zu den natürlich vorkommenden Tryptaminderivaten zählen auch die bereits erwähnten wirksamen Alkaloide der mexikanischen heiligen Pilze, das Psilocybin und das Psilocin. Die moderne chemische Forschung hat somit das Problem der meisten psychedelischen Substanzen gelöst, die in der Menschheitsgeschichte eine wichtige Rolle gespielt haben. Nur der Soma der Veden ist sowohl in botanischer als auch in chemischer Hinsicht ein Rätsel geblieben. Neben Wassons Theorie, in der der Soma mit dem Fliegenpilz in Verbindung gebracht wird, gibt es andere, die eine Verbindung mit dem syrischen Rue (Peganum harmala), mit der chinesischen Ephedra (Ephedra sinica) oder mit anderen Pflanzen vermuten. Es ist bedauer­ lich, daß die enthusiastischen Bemühungen von Anthropologen, Bota­ nikern, Pharmakologen, Chemikern, Psychiatern und Psychologen, die die psychedelische Forschung der fünfziger und sechziger Jahre charak­

334

terisierten, so massiv lahmgelegt wurden, noch ehe die Neugier der Wissenschaftler der Welt der Psychedelika die noch verbleibenden Geheimnisse entlocken konnte. Die vor kurzem weit bekannt gewordene Kontroverse um das Methylendioxymethamphetamin (MDMA) -allgemein auch als XTC, Ekstase oder Adam bekannt - hat die Aufmerksamkeit von Vertretern der Heilberufe wie auch von Laien auf eine große Gruppe von psychoaktiven Substan­ zen gelenkt, die in ihrer Molekular Struktur dem Meskalin, dem Dopa­ min und dem Amphetamin ähneln. Die meisten dieser Substanzen, die für die Psychiatrie Relevanz haben, sind halbsynthetisch. Sie kommen als solche in der Natur nicht vor, doch ihre chemischen Vorläufer sind ätherische Öle, die sich in der Muskatnuß, im Safran, im Sassafras sowie in anderen Pflanzen und botanischen Produkten finden. Zu den am meisten bekannten dieser amphetaminverwandten Psychedelika oder »Empathogene« gehörenMDA (3,4-Methylendioxyamphetamin), MMDA (3-Methoxy-4,5-Methylendioxyamphetamin), MDMA (3,4Methylendioxymethamphetamin), DOM oder STP (2,5-Dimethoxy-4Methylamphetamin), TMA (3,4,5-Trimethoxymethylamphetamin) und 2-CB (4-Brom-2,5-Dimethoxyphenetylamin). Ketaminhydrochlorid (Ketalar, Ketanest, Ketajet) ist eine vollkommen synthetische Verbindung, die in chemischer Hinsicht dem berüchtigten Phenzyklidin (PCP oder »Engelstaub«) ähnelt. Es ist ein Anästhetikum, das in der Veterinärmedizin verwendet wird, und gilt als gefährliche Straßendroge. Trotz seiner Verwandtschaft mit dem Phenzyklidin un­ terscheidet sich das Ketamin erheblich in seiner psychischen Wirkung. Es wird von Parke-Davis als dissoziatives Anästhetikum produziert und vertrieben und gilt allgemein als eine der gefahrlosesten Substanzen, die bei chirurgischen Eingriffen zur Erzeugung einer generellen Anästhesie verwendet wird. In den ersten Jahren ihrer Existenz wurde sie Hundert­ tausenden von Patienten mit ungewisser medizinischer Vorgeschichte verabreicht, wenn in einem Notfall eine sofortige Operation erforderlich war. Trotz ihrer biologischen Gefahrlosigkeit fiel sie bei den Chirurgen allmählich in Ungnade, weil sie häufig zu sehr ungewöhnlichen und heftigen Veränderungen in den Wahrnehmungen und Emotionen der Patienten während ihrer Rückkehr zu normalem Bewußtsein führte. Psychiater, die dieses Phänomen untersuchten, entdeckten, daß das Ketamin eine hochwirksame psychedelische Substanz ist, die in sehr viel geringeren Mengen als solchen, wie sie von den Chirurgen verwen­ det wurden (etwa ein Zehntel bis ein Sechsei der anästhetisch wirkenden Dosis), für außergewöhnliche psychiatrische Explorationen, für die

335

Schulung von werden kann.

Fachleuten

sowie

für

therapeutische

Zwecke

benutzt

2. Die Verwendung von Psychedelika in Ritus und Therapie Nach der Beschreibung von Anthropologen, die den rituellen Gebrauch von Psychedelika bei verschiedenen Naturvölkern erforscht haben, werden über die Möglichkeiten dieser Substanzen die verschiedensten Dinge behauptet. Mit ihrer Hilfe soll es gelingen, Krankheiten zu diagnostizieren sowie emotionale und psychosomatische Heilung her­ beizuführen, die Kommunikation mit der Welt der Geister, Vorfahren, Gottheiten und Dämonen herzustellen, schwarze Magie und Hexerei zu betreiben, zu seinen Ursprüngen zurückzukehren, außersinnliche Wahmehmungskanäle zu öffnen (Telepathie, Hellsehen, Psychometrie, Astralprojektion), den Tod zu transzendieren und dadurch die Angst vor dem Sterben zu verlieren, eine grundlegende PersönlichkeitsWandlung und Verjüngung zu bewirken, die Verbindung mit Naturkräften, Tieren und dem Leben der Pflanzen herzustellen, den Zusammenhalt in der Gemeinschaft zu stärken, usw. In Anbetracht der enormen Vielfalt dieser Phänomene, die meistenteils den theoretischen Rahmen der traditionellen Psychologie und der west­ lichen Wissenschaftsphilosophie sprengen, verwundert es nicht, wenn westliche Wissenschaftler und gebildete Laien diese Behauptungen mit Zurückhaltung aufnehmen. In der Blütezeit der experimentellen und klinischen Untersuchungen mit Psychedelika aber, also in den fünfziger und sechziger Jahren, erfuhren diese in alten Kulturen und bei Naturvöl­ kern gehegten Überzeugungen über die Wirkung von Psychedelika unerwartete Bestätigung. Gleichzeitig wurde an vielen grundlegenden Annahmen und Vorurteilen der Kartesianisch-Newtonschen Wissen­ schaft gerüttelt. Der erste Schritt in dieser Richtung war die Erkenntnis, daß die bedeutendsten Psychedelika nicht spezifische pharmakologische Zu­ stände (toxische Psychosen) erzeugen, sondern unspezifische Verstär­ ker geistiger Prozesse sind. Die Erforschung der menschlichen Psyche mit diesen intensiv wirksamen Katalysatoren ließ keinen Zweifel übrig, daß das in der »Tiefen« psychologie Freuds zum Ausdruck kommende biographische Modell gerade eben an der Oberfläche der geistigen Mechanismen kratzt. Um all die außergewöhnlichen Erlebnisse und

336

Beobachtungen in psychedelischen Zuständen zu erklären, war es notwendig, eine erheblich erweiterte Kartographie der menschlichen Psyche zu entwickeln. Die Kartographie, die ich im ersten Teil dieses Buches beschrieben habe und die durch viele klinische Beispiele veran­ schaulicht werden kann, läßt sich als übergeordneter theoretischer Bezugsrahmen verwenden, der ein neues Licht auf die überaus zahlrei­ chen psychedelischen Phänomene wirft und sie auf einen gemeinsamen Nenner bringt. Das neue Modell ist so umfassend, daß es auf alle oder zumindest die meisten Phänomene angewendet werden kann, die in verschiedenen historischen Epochen und in verschiedenen Ländern der Welt im Zusammenhang mit Situationen beschrieben wurden und werden, in denen Psychedelika eine Rolle spielen. Verschiedene Kulturen und Epochen haben aber auch bestimmte Erfahrungsbereiche und ihre Verknüpfungen betont und kultiviert. So scheinen sich beispielsweise die alten Tod- und Wiedergeburtsmysterien wie etwa die Eleusinischen Mysterien, die ungefähr zwei Jahrtausende lang in Griechenland prakti­ ziert wurden, auf die grundlegenden TransformationsVorgänge in Ver­ bindung mit den perinatalen Mechanismen konzentriert zu haben - auf die Konfrontation mit dem Tod, die Transzendenz und die daraus resultierenden Veränderungen im Lebensgefühl, in der Werthierarchie und in der Beziehung zum Kosmos. Wasson, Hofmann und Ruck (1984) haben in ihrem Buch Der Weg nach Eleusis. Die Geheimnisse der Mysterien eindrucksvolle Belege dafür gesammelt, daß der in Eleusis verwendete heilige Trank Kykeon Mutterkomderivate enthielt, die in ihrer chemischen Zusammensetzung dem LSD sehr ähnlich waren. Die sogenannten Übergangsriten - machtvolle Rituale, die bei ver­ schiedenen Naturvölkern zum Zeitpunkt der Übernahme neuer biologi­ scher und sozialer Rollen abgehalten werden - kreisen um die Trias Geburt, Sexualität und Tod und enthalten Erlebnisse, die für die dritte perinatale Grundmatrix charakteristisch sind. Hierbei machen diejeni­ gen, die eingeweiht werden, starke psychische Todund Wiedergeburtserfahrungen durch, die in der Regel als Tod der alten biologischen oder sozialen Rolle und als Geburt in die neue Rolle aufgefaßt werden. So läßt man beispielsweise bei Pubertätsriten Knaben und Mädchen in ihrer Rolle als Kinder »sterben« und als Erwachsene »geboren werden«. Außerdem können bei verschiedenen Kulturen unterschiedliche transpersonale Erfahrungsbereiche als Teil des symbo­ lischen Kontexts der Riten dominieren, beispielsweise kosmologische

337

mythologische Motive, die Rückführung zum Erbe der Vorfahren, die Verbundenheit mit dem Totentier, die Teilnahme verschiedener Götter oder Dämonen an den Ritualen, usw. In der »Schamanenkrankheit«, die am Anfang der Tätigkeit vieler Schamanen steht, bestimmen normalerweise massive perinatale Ele­ mente das Erleben. Die Tod- und Wiedergeburtserfahrungen nehmen die Form des Abstiegs in die Unterwelt, der Folter, Zerstückelung und Vernichtung durch Dämonen und des nachfolgenden Aufstiegs in die Oberwelt an. Die damit verknüpften transpersonalen Erfahrungen krei­ sen in der Regel um Elemente aus der Natur - um die tiefe Verbunden­ heit mit kosmischen Kräften, Tieren und tierischen Geistern, Pflanzen und sogar leblosen Objekten. Außerdem gehören zu den typischen transpersonalen Begleiterscheinungen tiefgehender und gut integrierter Schamanenerfahrungen die Entwicklung paranormaler Fähigkeiten, kreativer Inspiration sowie der Fähigkeit zur Diagnose und Heilung von Krankheiten. In anderen Ritualen spielen andere Formen transpersonaler Erfahrungen eine dominierende Rolle, etwa die Kommunikation mit oder gar Beses­ senheit von Göttern, Dämonen oder anderen archetypischen Wesenhei­ ten, Heilung mit der Vermittlung geistiger Führer oder tierischer Helfer, verschiedene parapsychologische Phänomene, rassische oder kollektive Erfahrungen, usw. Je nach den kulturellen und sozialen Gegebenheiten sowie den benutzten Techniken scheinen sich unterschiedliche Zugänge zu verschiedenen Ebenen und Bereichen der Psyche, wie sie im oben erwähnten Modell beschrieben werden, zu öffnen. Nach intensiven perinatalen Erfahrungen sowie in Verbindung mit verschiedenen trans­ personalen Phänomenen lassen sich häufig Empfindungen tiefen Mitge­ fühls oder der Verbundenheit mit anderen sowie ein Gefühl der Grup­ penzugehörigkeit beobachten. Betont sei, daß die oben geschilderten Erlebnisse, die für die Tod- und Wiedergeburtsmysterien, die Übergangsriten, die »Schamanenkrank­ heit« und andere rituelle Situationen charakteristisch sind, nicht nur im Zusammenhang mit der Einnahme psychedelischer Substanzen, son­ dern auch bei Anwendung hochwirksamer nichtpharmakologischer Mittel auftreten. Dies stützt die Hauptthese dieses Buches, nämlich daß zwischen psychedelischen Erlebnissen und außergewöhnlichen Be­ wußtseinszuständen, die durch andere Techniken herbeigeführt wer­ den- etwa durch Atemtechniken, Singen und Tanzen, Trancetanz, Meditation, usw. -, kein grundlegender Unterschied besteht. Wie schon erwähnt, hat die psychedelische Forschung im allgemeinen

338

die Behauptungen in verschiedenen nichtwestlichen Kulturen über psychedelische Zustände bestätigt. Die modernen Psychologen, Psych­ iater und Anthropologen sehen sich nun mit der Herausforderung konfrontiert, diese Behauptungen so zu interpretieren, daß sie mit der gegenwärtigen westlichen Psychologie und Wissenschaftsphilosophie im Einklang stehen. In Anbetracht des Hauptthemas dieses Buches interessiert besonders die Frage, wie die Behauptungen über die heilen­ den Kräfte psychedelischer Drogen der Überprüfung durch moderne Untersuchungstechniken standhielten. Die häufigen dramatischen und tiefgreifenden Auswirkungen von Psy­ chedelika bei Versuchspersonen im Labor und unter klinischen Bedin­ gungen lassen natürlich vermuten, daß sie sich besonders gut für therapeutische Zwecke eignen. Aus irgendwelchen Gründen ist man aber in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts, als man sich erstmals für diese Substanzen interessierte und die Forschung sich in erster Linie auf das Meskalin konzentrierte, dieser Möglichkeit nicht weiter nachgegangen. Vom Meskalin glaubte man damals im allgemei­ nen, daß es eine toxische Psychose bewirke, also einen Zustand, der nicht von therapeutischem Interesse war. Die Möglichkeit der therapeutischen Verwendung von LSD wurde erstmals 1949 von Condrau ins Auge gefaßt, nur zwei Jahre nachdem Stoll in der Schweiz die erste wissenschaftliche Untersuchung über LSD veröffentlicht hatte (Condrau 1949). Anfang der fünfziger Jahre emp­ fahlen mehrere Forscher unabhängig voneinander LSD als einen Zusatz zur Psychotherapie, der den therapeutischen Prozeß vertiefen und intensivieren kann. Zu den Pionieren in dieser Hinsicht zählen Busch und Johnson (1950) sowie Abramson (1955) in den Vereinigten Staaten, Sandison, Spencer und Whitelaw (1954) in England und Frederking (1953) in Westdeutschland. Die frühen Berichte dieser Forschung zogen beträchtliche Aufmerksam­ keit auf sich und stimulierten Psychiater sowie Psychologen in verschie­ denen Ländern der Welt dazu, ihre eigenen therapeutischen Experi­ mente mit LSD und anderen Psychedelika durchzuführen. Viele der Berichte, die innerhalb von etwa zwanzig Jahren veröffentlicht wurden, bestätigten die ursprünglichen Behauptungen, daß Psychedelika den therapeutischen Prozeß fördern und den für die Behandlung verschiede­ ner emotionaler und psychosomatischer Störungen erforderlichen Zeit­ raum verkürzen können. Außerdem erschienen zahlreiche Berichte über Untersuchungen, die darauf hinwiesen, daß eine mit LSD unterstützte Psychotherapie auch

339

für bestimmte psychiatrische Patienten geeignet sein könne, von denen man allgemein annahm, daß sie auf eine Psychoanalyse oder andere Formen von Psychotherapie kaum ansprechen würden. Viele einzelne Forscher sowie Therapeutenteams meldeten mehr oder weniger Erfolg bei chronischen Alkoholikern, Arzneimittelabhängigen, Soziopathen, kriminellen Psychopathen, Personen mit sexuellen Perversionen sowie solchen mit schweren Charakteranomalien. Anfang der sechziger Jahre entdeckte man ein neues und vielverspre­ chendes Anwendungsgebiet für die psychedelische Psychotherapie: die Behandlung von Patienten mit Krebs im Endstadium oder mit anderen unheilbaren Erkrankungen. Aus Untersuchungen an sterbenden Perso­ nen ging hervor, daß man mit Hilfe einer solchen Therapie nicht nur eine Linderung des emotionalen Leidens und eine Abschwächung der für Krebs charakteristischen starken körperlichen Schmerzen erreichen könne, sondern sich auch eine tiefgreifende Wandlung der Auffassung vom Tod und der Einstellung zum Sterben bewirken läßt (Grof und Halifax 1980). Die Bemühungen, LSD und andere Psychedelika in der Behandlung emotionaler Störungen einzusetzen, umfassen nunmehr eine Zeitspanne von mehr als drei Jahrzehnten. Seit dem Erscheinen der ersten klini­ schen Berichte wurde viel Zeit und Energie auf die Erforschung des therapeutischen Potentials von Psychedelika verwendet und wurden viele Hunderte von Fachartikeln über dieses Thema veröffentlicht. Wie bei jedem neuen Gebiet von solch enormer Komplexität und revolutio­ närer Bedeutung zu erwarten ist, gibt es auch in der Geschichte der psychedelischen Therapie Ansätze, die sich als irrig erwiesen. Viele verschiedene Techniken der therapeutischen Verwendung von LSD und anderer Psychedelika wurden in den vergangenen dreißig Jahren vorgeschlagen und überprüft. Manche von ihnen hielten sich nicht und wurden fallengelassen; andere wurden verfeinert, modifiziert und von anderen Therapeuten in kompliziertere Behandlungsverfahren integriert. Es würde den Rahmen dieses Textes sprengen, wollte ich versuchen, diesen komplexen Prozeß durch all seine verschiedenen Stadien zu verfolgen. Interessierte Leser finden eine umfassendere Erörterung dieses Themas in meinem Buch LSD-Psychotherapie (Grof 1983). Hier möchte ich lediglich einen kurzen kritischen Überblick über die klinische Anwendung von Psychedelika geben. Ich beschränke mich dabei auf die wichtigsten Behandlungsansätze, die aus der Sicht des gegenwärtigen Erkenntnisstands Beachtung verdienen. Zu den Ansätzen, die fallengelassen wurden, weil sie der Komplexität

340

der Wirkungsweise von Psychedelika nicht gerecht wurden, gehören diejenigen, bei denen diese Substanzen lediglich als eine weitere Gruppe von chemischen Wirkstoffen aufgefaßt wurden, deren pharma­ kologische Eigenschaften man ausbeuten wollte. Hierzu zählen Versu­ che, LSD als ein Antidepressivum zu gebrauchen, als eine chemische Substanz zur Herbeiführung von Schocks, als Mittel zum Abreagieren oder als ein Medikament, das chronische und stationäre klinische Zustände aktivieren und so einer traditionellen psychiatrischen Behand­ lung besser zugänglich machen kann. Die Forscher, die ihr Vertrauen in die psychedelische Therapie trotz der verschiedenen widersprüchlichen Berichte in der Anfangsphase nicht verloren, gelangten zu dem Schluß, daß psychedelische Substanzen eine mehr oder weniger unspezifische Verstärkungsfunktion haben und daß der Therapieerfolg entscheidend von einer Reihe nichtpharmakolo­ gischer Faktoren (extrapharmakologischer Variablen) abhängt. Zu den wichtigsten Faktoren dieser Art zählen die Persönlichkeitsstruktur des Patienten, die Persönlichkeit des Therapeuten, die therapeutische Be­ ziehung, Art und Grad spezifischer therapeutischer Hilfe, der äußere Behandlungsrahmen sowie das allgemeine zwischenmenschliche Klima während der Sitzung. Alles, was psychedelische Drogen von sich aus tun können, besteht darin, die Psyche zu aktivieren und unbewußtes sowie überbewußtes Material bewußt werden zu lassen. Ob dieser Prozeß therapeutisch oder destruktiv und desorganisierend wirkt, hängt von einer ganzen Reihe anderer Faktoren ab, die nichts mit dem pharmakologischen Effekt dieser chemischen Verbindungen zu tun haben. Da der äußere Behand­ lungsrahmen sowie der allgemeine therapeutische Hintergrund eine so grundlegende Rolle spielen, darf man keine Wunder erwarten, wenn man Psychedelika wie ein normales Medikament verabreicht. Sie sollten immer im Rahmen eines komplexen psychotherapeutischen Programms eingesetzt werden. Selbst wenn man Psychedelika nur als Zusatz in einer Psychotherapie verwendet, gibt es mehrere verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, die unterschiedlich effektiv sind. Weniger interessant sind die Anwen­ dung kleiner Dosen zur Unterstützung des psychotherapeutischen Pro­ zesses, gelegentliche psychedelische Sitzungen im Laufe einer reinen Psychotherapie zur Überwindung von Abwehrmechanismen und Wi­ derständen, die Anwendung kleiner Dosen in einer Gruppenpsychothe­ rapie sowie eine Kombination aus Hypnose und Psychedelika, die sogenannte hypnodelische Therapie (Levine und Ludwig 1967). Die

341

beiden Formen einer mit psychedelischen Drogen unterstützten Psycho­ therapie, die die meiste Aufmerksamkeit auf sich lenkten und das größte Interesse verdienen, sind die psycholytische und die psychedelische Therapie. Psycholytische Therapie. Der Begriff psycholytisch wurde von dem britischen Forscher und Pionier der LSD-Therapie, Ronald A. Sandison, geprägt. Die Silbe lytisch (aus dem griechischen lysis = Auflö­ sung) weist auf einen Prozeß des Abbaus von Spannungen oder der Lösung von Konflikten in der Psyche hin. Diese Behandlungsform ist sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht eine Modifika­ tion und Erweiterung der Freudschen Analyse. Hierbei wird eine ganze Serie (15 bis 100) von mittleren Dosen an Psychedelika in Abständen von ein bis zwei Wochen verabreicht. Die psycholytische Therapie ist eine Erforschung zunehmend tieferer Schichten des Unbewußten. Der Therapeut ist gewöhnlich mehrere Stunden lang in den Kulminationsphasen der Sitzungen anwesend. Er greift - wenn nötig - unterstützend ein und gibt spezifische Interpreta­ tionen. Alle Phänomene, die in den Sitzungen mit der psychedelischen Droge oder in den drogenfreien Intervallen zwischen ihnen auftreten, werden mit den therapeutischen Grundprinzipien nach Freud angegan­ gen. Psychedelische Therapie. Der Begriff psychedelisch wurde erstmalig von dem Psychiater und LSD-Forscher Humphrey Osmond - angeregt durch seine Korrespondenz mit Aldous Huxley - vorgeschlagen. Er heißt wörtlich übersetzt: Psyche, den Geist manifestierend (abgeleitet von den griechischen Wörternpsyche und delein = manifest machen). Die psychedelische Therapie unterscheidet sich vom psycholytischen Ansatz in mehreren wichtigen Aspekten. Ihr Hauptanliegen besteht darin, optimale Bedingungen für den Klienten bzw. die Klientin herzu­ stellen, damit dieser bzw. diese eine tiefgreifende transformative Erfah­ rung transzendentaler Natur machen kann. Bei den meisten Personen nimmt diese die Form des Ich-Todes und der Wiedergeburt an, auf die sich dann Gefühle der Einheit mit dem Kosmos und andere transperso­ nale Phänomene einstellen. Zu den Faktoren, die eine solche Erfahrung begünstigen, gehören eine spezielle Vorbereitung, die Anwendung höherer Dosen von Psychede­ lika, die Verinnerlichung des Prozesses durch die Verwendung von Augenbinden, eine high fidelity stereophone Musik, die während der ganzen Sitzung gespielt wird, sowie die Betonung des Spirituellen, des

342

Künstlerischen und der natürlichen Schönheit in den äußeren Rahmen­ bedingungen. Die verbale Kommunikation beschränkt sich auf die Zeiträume vor und nach der Drogensitzung. Während der psychedeli­ schen Erfahrung selber ist das Sprechen tunlichst zu unterlassen, da es die emotionale und psychosomatische Selbsterforschung daran hindert, in die Tiefe zu gehen. Die psychedelischen Therapeuten glauben nicht an brillante und zum richtigen Zeitpunkt vorgenommene verbale Inter­ pretationen oder andere Interventionen, in denen sich die Überzeugun­ gen einer bestimmten Schule widerspiegeln. Sie ermuntern den Klien­ ten bzw. die Klientin, die üblichen Abwehrhaltungen einfach abzulegen und sich den spontanen Heilkräften der tieferen psychischen Mechanis­ men anzuvertrauen. Die meisten der Psychiater und Psychologen, die klinische Forschungen mit Psychedelika betrieben haben, schwören entweder auf die psycholy­ tische oder die psychedelische BehandlungsVariante. Meiner Ansicht nach haben beide Ansätze, wenn sie in reiner Form praktiziert werden, ihre entschiedenen Nachteile. Bei der psycholytischen Therapie sind es die theoretische Beschränkung auf das biographische Modell der Freudschen Psychoanalyse, die fehlende Berücksichtigung der perinatalen und transpersonalen Dimensionen der Psyche sowie die Extemalisierung des Prozesses durch die übermäßige Anwendung rein verbaler Techniken. Im Gegensatz dazu schenkt man in einer psychedelischen Therapie dem in den Sitzungen auftauchenden biographischen Material nicht genü­ gend Beachtung und erwartet man zuviel von einer einzigen transformativen Erfahrung. Die Anwendung der »einen überwältigenden Dosis«, die für die psychedelische Therapie charakteristisch ist, mag zwar im allgemeinen bei Alkoholikern, Arzneimittelsüchtigen, depressiven Per­ sonen und Patienten, die unter Krebs im Endstadium leiden, sehr effektiv sein. Bei Menschen aber, die unter verschiedenen Psychoneurosen, psychosomatischen Störungen und Charakteranomalien leiden, ist in der Regel ein systematisches Durcharbeiten in einer ganzen Reihe von psychedelischen Sitzungen erforderlich. Im folgenden Abschnitt möchte ich die Form einer mit psychedelischen Drogen unterstützten Psychotherapie beschreiben, die ich in meiner eigenen klinischen Arbeit als die effektivste empfand. Dieser Ansatz vereinigt die Vorteile der psycholytischen und psychedelischert Thera­ pie und meidet ihre Nachteile. Seine Grundprinzipien besitzen weitge­ hende Ähnlichkeit mit denen der holotropen Therapie, die ich in einem früheren Kapitel ausfürhlich beschrieben habe. Dies überrascht auch

343

nicht, da die Technik* des holotropen Atmens sowohl im Hinblick auf ihre Konzeption als auch auf ihren philosophischen Hintergrund unmit­ telbar aus der klinischen Arbeit mit Psychedelika hervorgeht.

3. Prinzipien der LSD-Psychotherapie Dieses Behandlungsverfahren besteht aus drei miteinander zusammen­ hängenden Phasen. Die erste ist die Vorbereitungsphase. In ihr wird (ohne die Benutzung von Drogen) eine Reihe von Interviews durchge­ führt, in denen der Klient auf die psychedelische Erfahrung vorbereitet wird. Wieviel Zeit nötig ist, um dieses Ziel zu erreichen, hängt von den zu behandelnden Problemen ab, von der Persönlichkeit des Klienten oder der Klientin, von der benutzten Droge und von einigen anderen Umständen. In dieser Phase geht es darum, genügend Informationen über die Natur der emotionalen Schwierigkeiten und der persönlichen Vorgeschichte des Betreffenden zu sammeln. Noch wichtiger ist es, eine Vertrauensbeziehung zwischen Therapeut und Klient herzustellen, denn diese ist der bedeutsamste Einzelfaktor, der den Verlauf und das Ergebnis der Sitzung bestimmt. Sind diese Ziele erreicht worden, dann sollte ein besonderes Treffen vereinbart werden, um die verschiedenen speziellen Fragen im Zusam­ menhang mit der Drogensitzung zu erörtern. Hier sollten detaillierte Informationen darüber erteilt werden, welche Wirkung die zu verabrei­ chende Droge hat, welche potentiellen Gewinne und Risiken mit ihr verbunden sind, und welche Erfahrungen sie unter Umständen herbei­ führen wird. Zu diesem Zeitpunkt sollten dem Klienten auch die Behandlungsphilosophie, die allgemeine Behandlungsstrategie und die Regeln für die Durchführung psychedelischer Sitzungen erklärt werden. Am Ende dieses Treffens sollte der Klient schriftlich bestätigen, daß er über die Behandlung informiert worden und mit ihr einverstanden ist. Die zweite Phase ist die psychedelische Sitzung selber. Sie sollte in einer geschützten Umgebung stattfinden, in der der Klient von äußeren Einflüssen femgehalten wird, umgekehrt aber - falls notwendig unbegrenzte Freiheit zum Ausleben seiner Erfahrung besitzt. Der Be­ handlungsort sollte anheimelnd, bequem möbliert und geschmackvoll eingerichtet sein. Wenn möglich sollte er in einer landschaftlich schö­ nen Gegend liegen, da die Rückkehr zur Natur ein wichtiger Aspekt der psychedelischen Erfahrung ist. Bad und Toilette sollten leicht erreich­

344

bar sein. Da die Musik ein wichtiger Bestandteil der psychedelischen Therapie ist, gehören eine gute Anlage sowie eine reichhaltige Samm­ lung von Bändern oder Platten zur absolut unerläßlichen Standardausrü­ stung einer jeden Räumlichkeit, in der psychedelische Therapie prakti­ ziert wird. Vor einer psychedelischen Sitzung sollte der Klient fasten oder nur eine sehr leichte Mahlzeit zu sich nehmen. Das Fasten begünstigt außerge­ wöhnliche Bewußtseinszustände und verringert die Auftretenswahr­ scheinlichkeit von Komplikationen, die mit einem zu vollen Magen Zusammenhängen (etwa vorschnelles Erbrechen usw.). Unmittelbar vor der Sitzung sollte sich der Klient nicht in streßgeladene und chaotische Aktivitäten stürzen, sondern eine ruhige und entspannte Phase der Besinnung einlegen. Nach Verabreichung der Droge sollte der Klient die meiste Zeit, so lange die Droge wirkt, in liegender Position verblei­ ben und Augenbinden sowie Kopfhörer tragen. Wenn die Dosierung niedrig ist, kann man auch lohnende extemalisierte Sitzungen durchfüh­ ren, in denen der Patient seine Augen offen hält. Dies gilt besonders für die amphetaminverwandten Psychedelika MDA und MDMA. Sie kön­ nen die Sinnes Wahrnehmung intensivieren, die zwischenmenschlichen Beziehungen vertiefen und zu einer Spiritualisierung des alltäglichen Lebens führen. Wenn aber höhere Dosen angewendet werden, sind intemalisierte Sitzungen im allgemeinen tiefgehender und weniger verwirrend. Sie ermöglichen auch eine bessere Integration der Erfah­ rung. Die oberste Regel für psychedelische Sitzungen lautet, sich mit allem Material, was aus dem Unbewußten freigesetzt wird, zu konfron­ tieren, es voll und ganz zu erfahren und es zu integrieren. Diese Bedingung wird in extemalisierten Sitzungen nicht erfüllt, da hier verschiedene Ablenkungen durch die Sinne die Konzentration auf den inneren Prozeß stören. Unmittelbar während intensiver psychedelischer Erfahrungen sollte die verbale Kommunikation auf ein Minimum beschränkt sein. Der Klient sollte die meiste Zeit der Sitzung über die Augen geschlossen halten (ausgenommen dann natürlich, wenn er die Toilette aufsuchen muß). Im Idealfall sollte ein aus Mann und Frau bestehendes Therapeutenpaar den Klienten während der ganzen Sitzung ununterbrochen im Auge behal­ ten. Mindestens einer von ihnen sollte immer gegenwärtig sein, um die Musik zu wechseln, auf die Bedürfnisse des Klienten zu achten, ihm falls notwendig - Unterstützung anzubieten und für den reibungslosen äußeren Ablauf zu sorgen. Die ständige Anwesenheit der Therapeuten ist eine wesentliche Voraus­

345

setzung für eine gute und gefahrlose psychedelische Erfahrung, auch wenn eine unkomplizierte Sitzung nur ein minimales Eingreifen von ihrer Seite erfordert. Sie wählen die Musikstücke aus, die zur Natur der Erfahrung des Klienten passen, überprüfen jede halbe Stunde kurz seinen Zustand, bringen ihm - falls erforderlich - Wasser, Kleenextücher oder eine Plastiktüte, und helfen ihm zur Toilette, wenn er Beistand braucht. In den Stunden, in denen die Droge ihre stärkste Wirkung zeigt, bedarf es spezifischer Interventionen nur, wenn der Klient sich gegen seine Erfahrung wehrt, sich weigert, die Augenbinde oder die Kopfhörer zu tragen, oder eine Tendenz zeigt, sein inneres Erleben nach außen zu projizieren und abzureagieren. Die Beschreibung solcher Situationen und die Erörterung der geeigneten Interventionen finden sich in meinem Buch LSD-Psychotherapie (Grof 1983). Sobald die pharmakologische Wirkung der psychedelischen Substanz nachläßt, sollten sich die Therapeuten mit dem Klienten eingehender befassen, um einen Eindruck von der Art seiner Erfahrung zu gewinnen. In den meisten Fällen gelangt die Sitzung zu einem natürlichen Ab­ schluß mit einer Lösung aller Probleme, die an diesem Sitzungstag die psychedelische Erfahrung bestimmten. Ein ausführliches Gespräch über die Erlebnisse gegen Ende der Sitzung oder am folgenden Tag kann ihre Integration erleichtern. Auch das Schreiben eines Erlebnisberichts, die zeichnerische oder malerische Darstellung der Erfahrung sowie Meditieren können in dieser Hinsicht nützliche Dienste leisten. Ist die psychedelische Erfahrung zu einem Zeitpunkt, wenn die pharma­ kologischen Effekte nachlassen, nicht zu einem positiven Abschluß gekommen, bedarf es eventuell aktiven Eingreifens. In solchen Fällen können sich die Therapeuten der bereits früher beschriebenen Techni­ ken der holotropen Therapie bedienen. Schnelleres Atmen über kurze Zeit kombiniert mit gezielter Körperarbeit an den Stellen, an denen sich energetische Blockierungen befinden, führt in der Regel zu einer raschen Auflösung jeglicher noch verbleibender emotionaler oder psy­ chosomatischer Spannungen. Wenn erforderlich kann die aufdeckende Arbeit am folgenden Tag fortgesetzt werden, bis eine gute Integration der Erlebnisse unter der Einwirkung der Droge erreicht ist. Die dritte Phase, das nachträgliche Verarbeiten, besteht normalerweise aus mehreren Interviews (ohne Einnahme der Droge), in denen der Klient mit dem (den) Therapeuten seine Erfahrungen bespricht und sich überlegt, wie er sie am besten in sein Alltagsleben integrieren kann. Gruppengespräche oder verschiedene künstlerische Ausdrucksformen

346

der psychedelischen Erfahrung bieten sich hier ebenfalls als Möglich­ keit an. Wie schon früher erwähnt, ist es gelegentlich notwendig, Selbsterfahrungssitzungen ohne Einnahme der Droge oder gezielte Körperarbeit durchzuführen, um die unvollständige psychische Gestalt zu schließen. Im Idealfall sollte der Abschluß einer psychedelischen Therapie offen bleiben, d. h. die Anzahl der Sitzungen sollte nicht von vornherein durch den Behandlungsplan oder andere Faktoren limitiert sein. Therapeut und Klient sollten sich ihr eigenes Urteil bilden und eine weitere Sitzung anberaumen, falls und sobald notwendig. Im allgemei­ nen ist die aufdeckende Arbeit immer einer Medikation mit Tranquili­ zern vorzuziehen, da letztere unter diesen Umständen den Erfahrungs­ prozeß in seinen schwierigen Stadien eher einfrieren und einen positiven Abschluß verhindern. Psychedelische Substanzen sind extrem wirksame Mittel für die Öff­ nung der Tiefen des Unbewußten und der Höhen des Überbewußten. Sie besitzen große Heilkraft, können aber je nach den Umständen auch mit schweren Risiken verbunden sein. Mit diesen Stoffen sollte man sehr ernsthaft und respektvoll umgehen. Wie die Geschichte der psychedeli­ schen Bewegung zeigt, kann die Forschung auf diesem Gebiet nicht nur die Versuchspersonen, sondern auch erfahrene Forscher selber in ge­ fährliche Situationen bringen. Sollten Psychedelika jemals wieder in der klinischen Praxis eingesetzt werden, dann nur im Rahmen von Teamar­ beit unter gegenseitiger Kontrolle und Supervision. Im Vergleich mit der psychedelischen Therapie geht die holotrope Therapie im allgemeinen nicht so sehr in die Tiefe wie Sitzungen mit hohen Dosen von LSD oder Psilocybin, doch öffnet sie den Zugang zu ähnlichen Erfahrungsbereichen und besitzt ebenfalls bemerkenswerte Heilkraft. Die Tatsache, daß sich die Erfahrungen allmählich entwikkeln und durch ständige Anstrengung von seiten des Klienten hervorge­ bracht werden, nimmt diesem Vorgehen viele Gefahren und macht es auch auf breiter Basis leicht anwendbar. Wenn in Zukunft die Arbeit mit Psychedelika wieder möglich werden sollte, dann könnte die holotrope Therapie eine sehr nützliche Vorbereitung sowohl für den psychedeli­ schen Therapeuten als auch für den Klienten sein. Da beide mit verschiedenen heftigen emotionalen und psychosomatischen Erschei­ nungen bereits vertraut wären, dürften sie die Einführung eines psyche­ delischen Katalysators in die Behandlungssituation als einen logischen und nützlichen Schritt empfinden. Dies wäre eine Situation, die sich von der in den fünfziger Jahren wesentlich unterscheiden würde, da damals die meisten Fachleute auf

347

LSD völlig unvorbereitet waren. Sie waren an die zahme Atmosphäre des freien Assoziierens in der Freudschen Psychoanalyse, an Gespräche unter vier Augen oder an das verhaltenstherapeutische Dekonditionieren gewöhnt und in der Zwangsjacke des Kartesianisch-Newtonschen Paradigmas gefangen, so vermochten sie die fremdartige Welt der LSDPhänomene in ihre Theorie und Praxis nicht zu integrieren. Was immer auch in Zukunft mit der psychedelischen Therapie als solcher geschehen mag, man kann nur schwerlich die Tatsache leugnen, daß es, um zu ähnlichen herausfordernden Beobachtungen zu gelangen, nicht merk­ würdiger und exotischer Drogen bedarf, sondern daß zu diesem Zweck einfache Mittel wie Atmen oder Einsetzen von Klängen genügen. Eigentlich sollte es nur eine Frage der Zeit sein, bis dies endlich erkannt und Psychiatrie, Psychologie sowie Psychotherapie revolutionieren wird. Bisher habe ich mich auf sehr allgemeine Prinzipien der therapeutischen Arbeit mit Psychedelika beschränkt. Obwohl diese Substanzen in relativ unspezifischer Weise den biographischen, perinatalen und transperso­ nalen Bereich der menschlichen Psyche aktivieren, unterscheiden sie sich untereinander in bestimmten Aspekten der pharmakologischen Wirkung sowie in der Hinsicht, daß sie bestimmte Elemente der psychedelischen Erfahrung selektiv hervorheben. Im folgenden möchte ich nun ein paar genauere Anmerkungen über die wichtigsten Substan­ zen machen, die in der psychotherapeutischen Arbeit ausprobiert wor­ den sind. Das LSD-25 (Lysergsäurediäthylamid) bleibt auch nach mehreren Jahr­ zehnten klinischer Forschung das bemerkenswerteste und interessante­ ste von allen Psychedelika. Seine unglaubliche Wirksamkeit und biolo­ gische Gefahrlosigkeit wird von keiner anderen psychoaktiven Substanz erreicht. Schon eine Dosis von nur 25 Mikrogramm (Gammas oder Millionstel von Gramm) kann deutliche psychische Veränderungen herbeiführen, die sechs bis acht Stunden anhalten. Die optimale Dosie­ rung für das oben beschriebene therapeutische Vorgehen beträgt 250 bis 500 Mikrogramm. Der Hauptnachteil von LSD besteht darin, daß es in höherer Dosierung gelegentlich zu massiven desorganisierenden Erfah­ rungen führt, die unter unglücklichen Umständen und ohne fachmänni­ sche Hilfe zu einem gefährlichen Abreagieren kulminieren können. Das Psilocybin, das reine Alkaloid aus den mexikanischen heiligen Pilzen, ähnelt in seiner Wirkung weitgehend dem LSD. Sowohl For­ schem, die Doppelblindversuche ausführten, als auch erfahrenen Pro­ banden fiel es schwer, die beiden Substanzen auseinanderzuhalten. Der

348

einzige Unterschied ist die kürzere Wirkungszeit des Psilocybin. Die Dosierung, die für therapeutische Zwecke optimal ist, schwankt zwi­ schen 25 und 35 mg. Trotz der Tatsache, daß die Mazatekenindianerin und Curandera Maria Sabina einer Laborprobe von Psilocybin beschei­ nigte, ein gleichwertiger Ersatz für die heiligen Pilze zu sein, ziehen viele erfahrene Probanden das Naturprodukt vor. Frische oder getrock­ nete Psilocybepilze genießen in psychedelischen Kreisen den Ruf, die am sanftesten wirkenden bewußtseinsverändernden Substanzen zu sein, die zur Verfügung stehen. Sie werden oft als das ideale Mittel dafür angesehen, Unerfahrene in die Welt der psychedelischen Erlebnisse einzuführen. Das Meskalinsulfat, der reine Wirkstoff, der für die psychedelischen Effekte des Peyote verantwortlich ist, ähnelt in seiner Wirkung den beiden oben erwähnten Substanzen. Der bedeutsamste Unterschied dürfte in der ungewöhnlichen Reichhaltigkeit von Farben in Meskalin­ visionen sowie in einer hohen Wahrscheinlichkeit des Auftretens von gastrointestinalen Beschwerden, insbesondere von Übelkeit und Erbre­ chen, liegen. Das Meskalin ist als therapeutisches Mittel nie populär geworden. Einer seiner großen Nachteile neben den gastrointestinalen Nebenwirkungen besteht in seiner Giftigkeit und eingeschränkten Ge­ fahrlosigkeit. Schon Dosen, wie sie in der klinischen Praxis verabreicht werden (150-500 mg) wirken sich auf die Leber aus und verursachen deutliche in Labortests nachweisbare Veränderungen. Die Toxizität von Meskalin nimmt gefährliche Ausmaße an, wenn sich die Dosis der lOOOmg-Grenze nähert. Im Gegensatz dazu genießt das natürliche Peyote bei den Indianern einen sehr guten Ruf als Medikament. Es wird bei so vielen körperlichen Beschwerden verwendet, daß es schon fast als ein Allheilmittel bezeichnet werden kann. Seine bemerkenswerte Heil­ kraft wird sogar von solchen Indianern anerkannt, die sich seinem Gebrauch in religiösen Riten widersetzen. Der bittere Geschmack des Peyote sowie seine Eigenschaft, Übelkeit hervorzurufen, schränken von sich aus die eingenommene Menge ein. Von den kurzzeitig wirkenden Tryptaminderivaten verdienen zwei besondere Beachtung. DasDipropyltryptamin (DPT) ist systematisch in seiner Funktion als Zusatz zur Psychotherapie von Alkoholikern und Krebspatienten erforscht worden und erwies sich in seiner Wirkung als vergleichbar mit LSD (Grof u.a., 1973; Richards u.a. 1979). Wie alle Tryptaminderivate muß es injiziert werden. Die alternative Möglich­ keit, es zu inhalieren, gilt in ihrer Wirkung als nicht zuverlässig genug, um es in wissenschaftlichen Experimenten zu erproben. Die optimale

349

therapeutische Dosierung beträgt 75-150 mg. Die Wirkung läßt nach vier Stunden abrupt nach. Das 5-Methoxy-DMT gilt als eine therapeu­ tisch interessante Substanz, da es eine intensive und zwingende Erfah­ rung im Verlauf einer einzigen Stunde ermöglicht. Je nach Dosierung kann es für die Erforschung des biographischen, perinatalen oder transpersonalen Bereichs verwendet werden. Es kann aber auch, bei entsprechender Dosierung, eine tiefgehende transformative Erfahrung völlig abstrakter, inhaltsloser, aber dennoch alles beinhaltender Natur herbeiführen, die die Probanden oft mit dem im Tibetanischen Toten­ buch beschriebenen klarem Urlicht vergleichen. Bei den Ayahuasqueros im nordwestlichen Südamerika ist das Yage als die »große Medizin« bekannt. Sie halten es für heilsam, egal ob der Patient oder der Heiler es einnimmt. Man hat aber nur sehr wenig Anstrengungen unternommen, um diese Behauptungen in der klini­ schen Medizin des Westens zu prüfen. Die wichtigste Untersuchung über die therapeutischen Effekte des Yage und der Harmalaalkaloide stammt von Claudio Naranjo (1979). Er beobachtete bei zehn von seinen dreißig Versuchspersonen, die Harmalin nahmen, dramatische therapeutische Veränderungen. Ein faszinierender Aspekt der Harma­ laalkaloide ist der, daß sie ungewöhnlich häufig bestimmte Bilder aus dem kollektiven Unbewußten wachrufen, etwa Bilder von Großkatzen, Schlangen und nackten schwarzen Frauen. Diese treten zusammen mit den üblichen Erlebnissen auf, etwas mit dem Herausgedrücktwerden aus der Gebärmutter, mit dem Tod, mit Visionen von Geschlechtsorga­ nen, mit kosmischen Bildern u. a. Nach Shulgin beträgt die wirksame Dosis von Harmalin - oral eingenommen - 300-400 mg. Die therapeutischen Erfahrungen mit dem Ibogain sind ebensosehr beschränkt wie die mit der Gruppe der Harmalaalkaloide. Die Haupt­ quelle von Daten ist wiederum der Bericht von Claudia Naranjo, der auf vierzig Sitzungen mit dreißig Patienten basiert, die entweder Ibogain oder einen vollständigen Ibogaextrakt einnahmen (Naranjo 1979). Nach seinen Beschreibungen bringt das Ibogain mehr die triebhafte Seite der Psyche zum Vorschein. Es dominieren aggressive und sexuelle Motive sowie Bilder von Tieren und primitiven Eingeborenen. Die optimale Dosierung für Ibogain scheint bei 3 bis 5 mg pro Kilogramm Körperge­ wicht zu liegen. Im Gegensatz zum LSD, das biologisch weitgehend gefahrlos ist, aber tiefe erschütternde Erlebnisse auslösen kann, wirken die psychedeli­ schen Amphetamine (mit Ausnahme von DOM oder STP) in psychi­ scher Hinsicht sehr »milde«, sind aber physiologisch nicht unproblema­

350

tisch. Ihr Sicherheitsspielraum ist ziemlich eng und ihre sympathomimetischen Effekte machen sie zu einer potentiellen Gefahr für Personen mit kardiovaskulären Störungen, insbesondere mit einer Herzerkran­ kung oder mit Bluthochdruck. Die meisten psychedelischen Ampheta­ mine (Empathogene) bewirken nur minimale Veränderungen in der Sinneswahmehmung, steigern aber erheblich die emotionalen Reaktio­ nen, stimulieren das philosophische Denken und führen zu tiefen spirituellen Empfindungen. Sie öffnen Kanäle für das Einfühlungsver­ mögen und steigern das Gefühl der Verbundenheit mit anderen Men­ schen oder mit der natürlichen Umwelt. Sie lassen sich auch vorteilhaft in Gruppen in völlig oder teilweise extemalisierter Weise einsetzen. Während des vor kurzer Zeit herrschenden öffentlichen und fachlichen Interesses an MDMA (Adam, Ekstase) gewann diese Substanz große Anerkennung als Liebesdroge, die das Herzchakra öffnet. Ehe der weitverbreitete Gebrauch die Gesetzgeber alarmierte und sie diese Droge auf die Liste der gefährlichsten Rauschmittel setzten, wurde sie von vielen Fachleuten mit großem Erfolg in der Eheberatung und Familientherapie sowie als Mittel zur Wiederherstellung des Vertrauens in menschliche Beziehungen (etwa bei Opfern von körperlichem Miß­ brauch oder Vergewaltigung) eingesetzt. Die therapeutische Arbeit mit Empathogenen erfordert die Auswahl einer anderen Musik als die mit LSD oder Psilocybin. Eine süßliche, sanfte und fließende Musik scheint der Wirkungsweise dieser Substanzen am besten zu entsprechen. Zwei Empathogene verdienen besondere Aufmerksamkeit: DOM oder STP wegen seiner starken Wirkung, die sehr lange andauem kann (bis zu mehreren Tagen), und 2-CB, weil es die allgemeinen, das Einfühlungs­ vermögen fördernden Effekte mit reichhaltigen Veränderungen der visuellen Wahrnehmung kombiniert, so daß es sich irgendwo zwischen MDMA und LSD plazieren läßt. Das Ketaminhydrochlorid, eine Substanz, die anästhesierende und psychedelische Eigenschaften vereinigt, ist aus heuristischer Sicht extrem interessant. Es öffnet den Zugang zu höchst außergewöhnlichen Erfahrungsbereichen, vermittelt bemerkenswerte philosophische und spirituelle Offenbarungen und gewährt faszinierende Einblicke in die kosmischen Prozesse, durch die die Realität selber geschaffen wird. Sein Nachteil besteht darin, daß sich der Proband stark betäubt fühlt, über mangelnde Koordinationsfähigkeit verfügt, und seine Fähigkeit zur verbalen Kommunikation sowie zur nachträglichen Erinnerung deutlich beeinträchtigt ist. Da die benebelnden und die psychedelischen Wirkungen selektiv mit der links-rechts-Drehkomponente der razemö-

351

sen Ketamine einherzugehen scheinen, dürften die Trennung der zwei Fraktionen und getrenntes Experimentieren mit beiden lohnend sein. Aus therapeutischer Sicht scheint Ketamin allerdings die am wenigsten interessante Substanz zu sein, da die Ketaminerfahrung sehr wenig emotionale und psychosomatische Transformation von Dauer bewirkt. Sein größter Wert liegt in einer tiefgehenden und dauerhaften Verände­ rung des Weltbildes und einem völlig neuen Verständnis des Todespro­ zesses. Die optimale Dosierung entspricht etwa einem Zehntel bis einem Sechstel der anästhetischen Dosis, das sind intramuskulär ge­ spritzt 100-150 mg. Die Musik für Ketaminsitzungen muß ihrer Natur nach langsam, expansiv und »kosmisch« sein, um der Art der Ketamin­ erfahrung zu entsprechen.

Literatur

Aaronson, B. & Osmond, H.: Psychedelics: The Uses andImplications of Hallucinogenic Drugs. New York. Anchor Books. Doubleday, 1970. Abramson, H. A.: LSD-25 As an Adjunct to Psychotherapy with Elimina­ tion of Fear of Homosexuality. J. Psychol. 39: 127, 1955. Adamson, S.: Through the Gateway oftheHeart. San Francisco, Ca., Four Trees, 1986. Alexander, F.: Buddhist Training As Artificial Catatonia. Psychoanalyt. Rev. 18: 129, 1931. Bacon, F..De Dignitate and The Great Restauration, Bd. 4, The Collected Works of Francis Bacon. Hrsg. J. Spedding, L. Ellis & D. D. Heath. Longmans Green, 1870. Bastians, K. . Der Mann im Konzentrationslager und das Konzentrationsla­ ger im Mann. Unveröffentl. Manuskript. Bateson, G.: Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven. Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1981. Bateson, G.: Geist und Natur. Eine notwendige Einheit. Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1982. Bell, J. S.: On the Problem of Hidden Variables in Quantum Physics. Review of Modern Physics 38, 447; 1966. Bender, H.: Umgang mit dem Okkulten. Freiburg im Breisgau, Aurum, 1984a. Bender, H.: Telepathie, Hellsehen und Psychokinese. München-Zürich, Piper, 1984 b. Bender, H.: Verborgene Wirklichkeit. München-Zürich, Piper, 1985. Benson, H. et al.: Body Temperature Changes During the Practice of g Tum-mo Yoga. Nature 295, 232; 1982. Berendt, J.-E.: Das dritte Ohr. Vom Hören der Welt. Reinbek, Rowohlt, 1985. Beringer, K.: Der Meskalinrausch. Seine Geschichte und Erscheinungs­ weise. Berlin, Springer, 1927. Bohm, D.: Die implizite Ordnung. Grundlagen eines neuen dynamischen Holismus. München, Dianus-Trikont Buchverlag, 1985. Bonny, H. & Savary, L. M.: Music and YourMind. New York, Harper and Row, 1973.

353

Bleuler, E.: Die Psychoide als Prinzip der organischen Entwicklung. Berlin, 1925. Busch, A. K. & Johnson, W. C.: LSD As an Aid in Psychotherapy. Dis. Nerv. Syst. 11, 241; 1950. Campbell, J.: Der Heros in tausend Gestalten. Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1978. Campbell, J.: The Way of the Animal Powers. New York, Harper and Row, 1984. Capra, F.: Das Tao der Physik. Die Konvergenz von westlicher Wissen­ schaft und östlicher Weisheit. Bem-München-Wien, Scherz (O. W. Barth), 1984. Capra, F.: Wendezeit. Bausteine für ein neues Weltbild. Bem-MünchenWien, Scherz (O. W. Barth), 1983. Condreau, G.: Klinische Erfahrungen an Geisteskranken mit LSD-25. Acta psychiat. neurol. Scand. 24, 9; 1949. Croissant, J.: Aristöte et les mysteres. Faculte de Philosophie et Lettres, Liege, 1932. Davies, P.: God and the New Physics. New York, Simon and Schuster, 1983. Driesch, H.: Philosophie des Organischen. 2 Bde. (1909), 41930. Eisenbud, J.: Gedankenfotografie. Die PSI-Aufnahmen des Ted Seriös. Freiburg i. Br., Aurum, 1975. Eigin, D.: Voluntary Simplicity. New York, W. Morrow & Co., 1981. Eliade, M.: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik. Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1975. English, J.: Different Doorway: Adventures of a Caesarean Born. Point Reyes, Ca., Earth Heart, 1985. Eysenck, H. J. & Rachman, S.: The Causes and Cures ofNeurosis. San Diego, Ca., R. R. Knapp, 1965. Ferenczi, S.: Bausteine zur Psychoanalyse. Bern-Stuttgart, Hans Huber, 1964. Ferguson, M.: Music Medicine. Sonderdoppelausg. vonBrain/MindBulle­ tin Bd. 10, 21. Januar/11. Februar 1985. Fodor, N.: Searchfor the Beloved. A Clinical Investigation ofthe Trauma of Birth andPrenatal Condition. New Hyde Park, N.Y., University Books, 1949. Frankl, V.: Theorie und Therapie der Neurosen. Einführung in die Logotherapie und Existenzanalyse. Wien, Urban & Schwarzenberg, 1956. Frederking, W.: Intoxicant Drugs (LSD-25 and Mescaline) in Psychothe­ rapy. J. Nerv. Ment. Dis. 121, 262; 1953. Freud, S. & Breuer, J.: Studien über Hysterie. Frankfurt a. M., Fischer Taschenbuch, Bd. 6001.

354

Greyson, B. & Flynn, C. P.: The Near-Death Experience. Chicago, 111. Charles C. Thomas, 1984. Grof, S.: Topographie des Unbewußten. LSD im Dienst der tiefenpsycholo­ gischen Forschung. Stuttgart, Klett-Cotta, 1978. Grof, S.: LSD-Psychotherapie. Stuttgart, Klett-Cotta, 1983. Grof, S.: Geburt, Tod und Transzendenz. Neue Dimensionen in der Psycho­ logie. München, Kösel, 1985. Grof, S. (Hrsg.): Alte Weisheit und modernes Denken. Spirituelle Traditio­ nen in Ost und West im Dialog mit der neuen Wissenschaft. München, Kösel, 1986. Grof, S. & Grof, C.: Jenseits des Todes. An den Toren des Bewußtseins. München, Kösel, 1984. Grof, S. & Grof, C.: Spiritual Emergency. Understanding and Treatment of Transpersonal Crises. Re-Vision J. 8, 1986. Grof, S. & Halifax, J.: Die Begegnung mit dem Tod. Stuttgart, Klett-Cotta, 1980. Grof, S. et al.: DPT As an Adjunct in Psychotherapy of Alcoholics. International Pharmacopsychiatry 8, 104; 1973. Hanzlicek, L.: Biologicke terapie psychöz. (Biologische Therapien der Psychosen) Csl. zdravotnicke nakladatelstvi, Prag, 1966. Hamer, M.: The Way of the Shaman. New York, Harper & Row, 1980. Harner, M.: The Sound of Rushing Water, ln: Hallucinogens and Shamanism (Hrsg. M. Harner). New York, Oxford University Press, 1973. Hastings, A.: The Oakland Poltergeist. J. Americ. Soc. for Psychic Re­ search 72, 233; 1978. Hastings, A.: Channeling (Manuskript in Vorher.). Hamei, P. M.: Durch Musik zum Selbst. Wie man Musik neu erleben und erfahren kann. Kassel, Bärenreiter, 1980. Huxley, A.: Die Pforten der Wahrnehmung. Himmel und Hölle. München, Piper, 1970. Huxley, A.: Visionäre Erfahrung. In: Moksha. Auf der Suche nach der Wunderdroge. München-Zürich, Piper, 1983. Huxley, A.: The Perennial Philosophy. New York, Harper, 1945. James, W.: Die Vielfalt religiöser Erfahrung. Eine Studie über die mensch­ liche Natur. Olten/Freiburg i.Br., Walter, 1979. Jantsch, E.: Die Selbstorganisation des Universums. Vom Urknall zum menschlichen Geist. München-Wien, Hanser, 1979. Jung, C. G.: Zur Psychologie westlicher und östlicher Religion. GW XII. Freiburg i.Br., Walter, 1983. Jung, C. G.: Die Archetypen und das kollektive Unbewußte. GW IX, 1. Halbb. Freiburg i. Br., Walter, 1975.

355

Jung, C. G.: Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge. GW VIII. Freiburg i.Br., Walter, 1976. Jung. C. G.: Erinnerungen, Träume, Gedanken. (1962), Olten-Freiburg i.Br., Walter, 1971 (Sonderausg.). Jung, C. G.: Briefe. Drei Bände. Freiburg i.Br., Walter, 1972/1973. Jung, C. G.: Zivilisation im Übergang. GW X. Olten/Freiburg i.Br., Walter, 1981a. Jung, C. G.. Psychologische Typen. GW VI. Freiburg i. Br., Walter, 1981 b. Jung, C. G.: Psychological Commentary on Kundalini Yoga. Spring Publications, New York, 1975 b. Jung, C. G.: Septem Sermones ad Mortuos. In: Jung, C. G.: Erinnerungen, Träume, Gedanken (1962), Olten-Freiburg i.Br., 1971 (Sonderausg.), S. 389ff. Kalff, D.: Sandspiel. Seine therapeutische Wirkung auf die Psyche. Erlenbach-Zürich, Rentsch, 1979. Kardec, A.: Das Buch der Geister. Wiesbaden, VMA-Verlag, 1981. Kardec, A.: The Mediums Book. Saö Paulo, Livraria Allan Kardec Editora Ltda (LAKE), 1975. Katz, R.: The Painful Ecstasy of Healing. Psychology Today, December 1976. Kellogg, J.: The Use of Mandala in Psychological Evaluation and Treat­ ment. Americ. J. of Art Therapy 16, 123; 1977. Kelsey, D. & Grant, J.: Wiedergeburt und Heilung. Zug, Edition Bergh, 1975. Korzybski, A.: Science and Sanity. An Introduction to Non-Aristotelian Systems and General Semantics. Lakeville, Conn., The International Non-Aristotelian Library Publ. Co., 1933. Krippner, S.: The Song of the Siren. A Parapsychological Odyssey. New York, Harper & Row, 1977. Krippner, S.: Human Possibilities. Garden City, N. Y., Anchor Press/ Doubleday, 1980. Krishna, G.: Kundalini. Erweckung der geistigen Kräfte im Menschen. Bem-München-Wien, Scherz (O. W. Barth), 1977. Kübler-Ross, E.: Death. The Final Stage of Growth. Vortrag anläßlich der neunten Jahreskonferenz der International Transpersonal Association (ITA) in Kyoto, Japan, April 1985. - Deutsch in: Grof, S. (Hrsg.): Bewußtseinsentwicklung und menschliches Überleben. München, Kösel (in Vorbereitung). Lamb, F. B.: The Wizard of the Upper Amazon. The Story of Manuel Cordova-Rios. Boston, Mass., Houghton-Mifflin, 1971. Lawson, A. H.: Perinatal Imagery in UFO Abduction Reports. Journal of Psychohistory 12: 211, 1984.

356

Leboyer, F.: Geburt ohne Gewalt. München, Kösel, 1981. Lee, R. B. &DeVore, I. (Hrsg.): KalahariHunter-Gatherers. Studies ofthe IKung San and Their Neighbours. Cambridge, Mass., Harvard University Press, 1976. Levine, J. & Ludwig, A. M.: The Hypnodelic Treatment Technique. In: Abramson, H. A. (Hrsg.): The Use of LSD in Psychotherapy and Alcoholism. New York, Bobbs-Merrill, 1967. Lilly, J. C.: Das Zentrum des Zyklons - Eine Reise in die inneren Räume. Frankfurt a.M., Fischer-Taschenbuch, 1976. Lilly, J. C.: Der Scientist. Basel, Sphinx, 1984. Lovelock, J.: Unsere Erde wird überleben. Gaia - eine optimistische Ökologie. München, Heyne, 1984. Margalo Gaetani, V. R.: Gasparetto. Nem santo, nem genio, medium. Grafica Editera Aguarela, S.A., Saö Paulo, 1986. Maslow, K. . Psychologie des Seins. Ein Entwurf. München, Kindler, 1978. Maslow, A.: Religions, Values and Peak-Experiences. Columbus, Ohio, Ohio State University Press, 1964. Masters, R. E. L. & Houston, J.: Varieties of Psychedelic Experience. A Delta Book. New York, Dell Publishing Co., 1966. Maturana, H. R. & Varela, F. J.: Der Baum der Erkenntnis - Wie wir die Welt durch unsere Wahrnehmung erschaffen. Bem-München-Wien, Scherz (O. W. Barth), 1987. Matus, Father Thomas: Yoga and the Jesus Prayer. An Experiment in Faith. Ramsey, N . J . , Paulist Press, 1984. McCririck, P.: The Importance of Fusion in Therapy and Maturation. Unveröffentl. Manuskript. McGee et al.: Unexperienced Experience. A Critical Reappraisal of the Theory of Repression and Traumatic Neurosis. Irish Journal of Psycho­ therapy 3, 7; 1984. Metzner, R.: The Ecstatic Adventure. New York, Macmillan, 1968. Miller, A.: For Your Own Good. The Hidden Cruelty in Child-Rearing and the Roots ofViolence. New York, Farrar, Strauß and Giroux, 1983. Monroe, R.: Der Mann mit den zwei Leben. Die seltsamen Exkursionen des Mr. Monroe. Düsseldorf-Wien, Econ, 1972. Moody, R.: Leben nach dem Tod. Die Erforschung einer unerklärten Erfahrung. Reinbek, Rowohlt, 1977. Moody, R.: Nachgedanken über das Leben nach dem Tod. Reinbek, Rowohlt, 1984. Mookerjee, A.: Kundalini. Die Erweckung der inneren Energie. Bern, Origo, 1984. Muktananda, Swami: Kundalini. Die Erweckung der kosmischen Energie im Menschen. Freiburg i. Br., Aurum, 1982.

357

Muktananda, Swami: Spiel des Bewußtseins. Die geheime KundaliniPraxis. Freiburg i.Br., Aurum, 1975. Murphy, M. & White, R.: PSI im Sport. Der Einfluß übernatürlicher Wahrnehmung auf sportliche Spitzenleistungen. München, Hugendubel, 1983. Muses, C.: Destiny and Control in Human Systems. Studies in the Interac­ tive Connectedness ofTime (Chronotopology). Boston-Dordrecht-Lancaster, Kluwer-Nijhoff, 1985. Nalimov, V. V.: Realms of the Unconscious. The Enchanted Frontier. Philadelphia, Pa., ISI Press, 1982. Naranjo, C.: Die Reise zum Ich. Psychotherapie mit heilenden Drogen. Behandlungsprotokolle. Frankfurt a. M., Fischer-Taschenbuch, 1979. Neher, A.: Auditory Driving Observed with Scalp Electrodes in Normal Subjects. EEG & Clin. Neurophysiol. 13, 449; 1961. Neher, A.: A Physiological Explanation of Unusual Behavior Involving Drums. Human Biology 34: 151, 1962. Origenes: Vier Bücher von den Prinzipien. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1976. Orr, R. L. & Ray, S.: Rebirthing in the New Age. Millbrae, Ca., Celestial Arts, 1977. Pauli, W.: The Influence of Archetypical Ideas on the Scientific Theories of Kepler. In: The Interpretation of Nature and the Psyche. Bollingen Series LI. New York, Pantheon, 1955. Peerbolte, L.: Prenatal Dynamics. In: Psychic Energy. Amsterdam, Servire Publ., 1975. Pietsch, H.: Shujflebrain. Boston, Houghton Mifflin, 1981. Platon: Phaidros oder vom Schönen. Stuttgart, Reclam, 1982. Pribram, K.: Languages of the Brain. Englewood Cliffs, N. J., PrenticeHall, 1971. Pribram, K.: Holonomy and Structure in the Organization of Perception. In: Images, Perception and Knowledge (Hrsg. Nicholas, J . M . ) . Reidel, Dordrecht, 1977. Prigogine, I. & Stengers, I.: Dialog mit der Natur. Neue Wege naturwissen­ schaftlichen Denkens. München, Piper, 1981. Radin, P.: The Autobiography of a Winnebago Indian. New York, Dover, 1920. Rank, O.: Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoana­ lyse. Leipzig-Wien-Zürich, Internationaler Psychoanalyt. Verlag, 1924. Reich, W.: Charakteranalyse. Frankfurt am Main, Fischer-Taschenbuch, 1983 a. Reich, W.: Die Funktion des Orgasmus. Sexualökonomische Grundpro­

358

bleme der biologischen Energie. Frankfurt am Main, Fischer-Taschen­ buch, 1983b. Richards, W. et al.: Psychedelic Drug (DPT) As an Adjunct in Brief Psychotherapy with Cancer Patients. Omega 2, 9; 1979. Ring, K.: Den Tod erfahren - das Leben gewinnen. München, Scherz (0. W. Balth), 1985. Roberts, J.: Gespräche mit Seth. Von der ewigen Gültigkeit der Seele. Genf, Ariston, 1972. Rosen, D.: Suicide Survivors. A Follow-Up Study on Persons Who Survived Jumping from the Golden Gate and San Francisco-Oakland Bay Bridges. West. J. Med. 122, 289; 1973. Roszak, T.: Mensch und Erde auf dem Weg zur Einheit. Soyen, Ahorn, 1982. Russell, P.: The Global Brain. Speculations on the Evolutionary Leap to Planetary Consciousness. Los Angeles, J. P. Tarcher, 1983. Sabom, M.: Erinnerung an den Tod. Eine medizinische Untersuchung. München, Goldmann, 1983. Sandison, R. A., Spencer, A. M. & Whitelaw, J. D. A.: Further Studies in the Therapeutic Value of LSD-25 in Mental Illness. J. Ment. Sei. 103, 332; 1957. Sannella, L.: Kundalini. Psychosis or Transcendence. San Francisco, Ca., H. R. Dakin, 1976. Schweickart, R.: Space-Age and Planetary Awareness. A Personal Expe­ rience. Re-Vision Journal 8, 69; 1985. Sheldrake, R.: Das schöpferische Universum. Die Theorie des morphoge­ netischen Feldes. München, Meyster, 1983. Sidenbladh, E.: Wasserbabys. Geburt und Entwicklung in unserem Urele­ ment. Essen, Synthesis, 1983. Silverman, J.: Shamans and Acute Schizophrenia. American Anthropologist 69, 21; 1967. Simonton, C. et al.: Wieder gesund werden. Reinbek, Rowohlt, 1983. Spangier, D. : New Age. Die Geburt eines neuen Zeitalters. Frankfurt a. M., Fischer-Taschenbuch, 1978. Stafford, P.: Psychedelics Encyclopedia. Los Angeles, J. P. Tarcher, 1983. Stevenson, Ian: Reinkarnation. Der Mensch im Wandel von Tod und Wiedergeburt. Freiburg i . B r . , Aurum, 1983. Stevenson, Ian: Unlearned Language. Charlottesville, Va., University of Virginia Press, 1984. Targ, R. & Puthoff, H.: Jeder hat einen sechsten Sinn. Stuttgart-HamburgMünchen, Deutscher Bücherbund, 1978. Targ, R. & Harary, K.: The MindRace. New York, Villard Books, 1984.

359

Tart, C.: Out-of-the-Body-Experience. In: Psychic Explorations (Hrsg. E. Mitchell & J. White). New York, Putnam’s, 1974. Tart, C.: Learning to Use Extrasensory Perception. Chicago-London, The University of Chicago Press, 1975a. Tart, C.: States of Consciousness. New York, E. P. Dutton, 1975b. Tart, C.: PSI. Scientific Studies of the Psychic Realm. New York, E. P. Dutton, 1977. Vallee, J.: UFO’s in Space. Anatomy of a Phenomenon. New York, Ballantine Books, 1965. Varela, F. J.: Principles of Biological Autonomy. North Holland-New York, Elsevier Publ. Co., 1979. Vonnegut, K.: Schlachthof Fünf oder der Kinderkreuzzug. Reinbek, Ro­ wohlt, 1984. Walsh, R. & Vaughan, F. (Hrsg.): Grundlagen, Methoden und Ziele der transpersonalen Psychologie. Bem-München-Wien, Scherz, 1985. Wasson, R. G.: Soma. Divine Mushroom of Immortality. New York, Harcourt & Brace, 1968. Watts, A.: Kosmologie der Freude. Darmstadt, Melzer, 1972. White, J. (Hrsg.): Kundalini. Evolution and Enlightenment. Garden City, N.Y., Anchor Books, 1979. Wilber, K.: The Spectrum of Consciousnes s. Wheaton, 111., The Theosophical Publication House, 1977. Wilber, K.: The Atman Project. A Transpersonal View of Human Develop­ ment. Wheaton, 111., The Theosophical Publication House, 1980. Young, A.: Der kreative Kosmos. Am Wendepunkt der Evolution. Mün­ chen, Kösel, 1987.

Register

Abreagieren 211, 267ff., 306 - Techniken des 243 f. Abwehrmechanismen 267, 272, 299, 308 Adamson 157, 324 Adler, Alfred 220 Adonis 56, 161 Aggression 216, 280 - Instrumente der 216 - orale 219 Agpaoa, Tony 192 Ahasver 158 Ahnen-Erfahrungen 108 ff., 113, 133 - Integration von 282 akausale Verbindungen 186 Akupunkturpunkte, 148 akustische Wahrnehmung 233 ff. Alberich 158 Alchemie 91 Alexander, Franz 321 Alkoholismus 263, 279 Amahuaca-Indianer 81 Amazonasdschungel 81 American Parapsychological Associa­ tion 143 Amphetamine 137 - Derivate 157 amphetaminverwandte Empathogene (MDA etc.) 227, 289, 324 anaklitische - Bedürfnisse 239 - Befriedigung 302 analysierendes Denken 250 analytisch-biographische Ebene 18, 20 ff. Anaxagoras 172 Angstzustände 280, 305 Animismus 91

Anonyme Alkoholiker (AA) 280 antagonistisches Verhältnis 241 Anthropologen (medizinische) 192 Anthropologie 223, 284 Anthroposophen 119 Antichrist 163 Anubis 152 Apokalypse, Archetyp der 166f. apokalyptische Visionen 34 Archetypen, chinesische 148 archetypisch(e) - Begleitmotive 34 - Bilder 34, 72, 150, 158, 161, 164, 185 - Elemente 292 - Figuren 39 - Gottheiten 161, 320 - Muster 282 - und mythologische Motive 23, 36, 47, 221 - Phänomene 45, 69 - Sequenzen 32 - Visionen 29 - Welt 294 - Wesen 55 Aristoteles 268 Armstrong, Anne 76, 133 Arrigo 192 asanas 112, 146 Aschenbrödel 158 Asimov, Isaac 137 Assagioli, Roberto 321 v. Assisi, Hl. Franz 120 Assoziationen 228 - freie 300 Asthma 306 - psychogenes 279, 306 Astralprojektion 98

361

astralpsychische Erlebnisse 65, 139 Astralreich 139, 141 Astralreisen 65 Astronomie 131 Astrophysik 90, 131, 198, 284 Atemblockierungen 222, 253 Atmen 217, 222, 236, 243f., 251, 306 - holotropes 210, 214, 219, 222, 255 Augustinus, Hl. 120 Auren 65, 138, 144 außerirdische Lebewesen 287 außersinnliche - Kanäle 197 - Wahrnehmung 102 australische Ureinwohner 112 Ausweglosigkeit, Muster der 50 automatische Bewegungen 213 Avatamsaka-Buddhismus 172 ayahuasca (Yaje) 81 Azteken 112

Bacon, Francis 313 Barber, Samuel 231 Basilides 187 Bastians 304 bastrika 212 Bateson, Gregory 76, 94, 152, 198, 321 - »double-bind«-Theorie 270 Beethoven 52 Bellsches Theorem 122, 185 Bender, Hans 188, 195 Bennett, William 83 Berlioz, Hector 231 Bewußtsein 66f., 289, 320 - mechanistische Auffassung vom 181 - nach dem Tod 143 - ökologisches 89, 315 - Verengung des 136 - von Pflanzen 85, 292 siehe auch holotropes Bewußtsein Bewußtseinsausfall 269 Bewußtseinsentwicklung 85 Bewußtseinserweiterung 71, 72f., 77, 89, 138

362

Bewußtseinsforschung 66, 180, 284, 299, 321, 326 bewußtseinsverändemde Labortechni­ ken 18 Bewußtseinszustände - außergewöhnliche 9, 21, 64, 71, 73, 75,76, 84,94, 102, 111, 119, 131, 133, 139, 144, 149, 152, 155, 160, 169, 171, 173, 177, 180, 186, 190, 202, 203, 205, 223, 224, 229, 235, 264, 265, 267, 274, 281, 289, 293, 300, 303 - gewöhnliche 89 - ohne Drogen 147 bija mantra (akustisch wahrnehmbares Licht) 66 bioenergetische - Blockierungen 305 - Mechanismen 267 Biofeedback 193, 289 biographische - Ebenen 25, 29, 195, 203, 211, 242, 310 - Erfahrungen 25, 68, 71, 75, 281 - Probleme 158 - Ursachen 218 Biologie 89, 284 Bizet, Georges 228 Bleuler, Eugen 69 Blockierungen 219ff., 305 Body Transformation Project 187 Bohm, David 199 Bohr, Niels 285 Bonny, Helen 224 Boxen 212 Brahma 58 Breuer, Joseph 211 Browne, Ivor 271 Buddha 155 Buddhismus 119 buddhistische(s) - Meditationstechnik 243 - Rad 169 Bunyonbaum 86

Campbell, Joseph 150, 185 Capra, F. 122, 185 Castaneda, Carlos 81 Centaurus 158 Cerberus 158 Chakras 138, 147f., 217ff., 232 Charakterpanzer 242 Charkowsky, Igor - Unterwassergeburt 317 Chinesische Medizin 91, 148 chinesisches System der fünf Elemente 148 Christen 119 Christus 56, 75, 161, 163 Chronotopologie 135 Clark, Kimberley 100 Clark, Walter Houston 323 Coatlicue 56, 161 COEX-Systeme 22, 29ff., 39, 50, 273 f. Crashing Thunder 80 Croissant, J. 268 Cybele 56

Dalai Lama 193 Darwinscher Evolutionsstammbaum 282 Davidstem 169 Davies 198 dejä vecu 115 dejä vu 115, 133 Delirium 289 Demokrit 172 Depression 279, 305 Deuter, Georg 231 Dhyani-Buddhas 161 Dionysos 56, 161 dissipative Strukturen 199 DMT (DPT) 227 DNS 109, 113 Dornröschen 158 DPT 227, 304 Driesch, Hans 69 Drogenmißbrauch 263, 279 Druiden 86, 119 Dschingis Khan 112

Durchfall 221 Durga 152 dynamische - Konstellation siehe COEX-Systeme - Leere 179 - Matrizen 29, 273

»eingeklemmte Affekte« 268 Einstein, Albert 131, 173, 185 Eisenbud, Jules 195 Ekstase - apollinische oder ozeanische 33, 50, 227 - dionysische oder vulkanische 50 ekstatische - christliche Sekten 223 - Episoden 161 - Erfahrungen 209, 230 - Gefühle 33 Elektra 158 Eigin, Duane 315 Eliade, Mircea 150 embryonale - Erfahrungen 103 f. - Existenz 68, 195 emotionale - Erleichterung 212 - Probleme 282, 310 - und psychosomatische Gesundung 204, 263, 300 - und psychosomatische Störungen 24, 201, 202, 263, 278, 282, 290, 300, 301 - Reaktionen 80 empirische Methode 313 energetische - Blockierung 215, 305 - Manifestationen 138, 148 Eno, Brian 231 Entfremdung 325, 327 Epilepsie 245f., 321 Erde 93 Erektion 221 Erinnerung 195, 239, 250, 282 - verdrängte 267 Erweckungsprediger 223

363

Erweiterung des Erlebens 72ff., 89, 97, 138 ff. Esalen-Institut 76, 125, 185, 187, 204, 208,255,261,291 Essener 119, 207 Evolution - Ebenen 87 - des Planeten 129 Exhibitionismus 151 Existenzangst 325 Exterozeption 64

Fehlgeburt 245, 281 Ferenczi, Sandor 105 Ferguson, Marilyn 232 Feuer laufen (indonesisch) 194 Fodor, Nandor 105 fötale Traumen 104 Frankl, Victor 310 Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene 188 Freimaurertradition 145 Freud, Sigmund 17, 168, 211, 267, 268 - und Breuer 211, 268 Freudsche Psychologie - Berührungstabu 272 - erogene Zonen 29, 30, 34, 39, 56 - Traumbilder 150 - »Urszenen« 218 Frigga 152 Frigidität 221 Fruchtbarkeitsriten 49

Gaia 93, 130 Gallier 119 Galton, Francis 166 Gandhi 229 Ganesha 152 Garrett, Eileen 143 Geburt - biologische 22, 103, 110, 117, 217, 219, 240, 269, 271 - Vorbereitung auf die 317 Geburtsmodell 27

364

Geburtsprozeß 22 - biologischer 26, 28 Geburtstrauma 26, 220, 221 - unverarbeitetes 311 Geier (bei den Parsen) 149 Geist, überbewußter 198 Geistheilung 183, 191 genetischer Code (DNS) 109, 113 Gestalt - psychische 274 - Therapie 255 GIM (Guided Imagery with Music) 224 Gnostiker 119 Gnostizismus 319 Gottheit (göttliches Wesen) 56, 91, 93, 208, 324 Grant, Joan 282 Gregor, Hl. 120 Griechische Philosophie 91 Grof, Stanislav 199, 206, 255, 284, 304, 322 - Geburt, Tod und Transzendenz: Neue Dimensionen in der Psycholo­ gie (1985) 14, 48 - LSD-Psychotherapie (1983) 14, 74, 278, 303 - Topographie des Unbewußten: LSD im Dienst der tiefenpsychologischen Forschung (1978) 22, 102, 106, 110, 142, 274 Große Mutter oder Schreckliche Mut­ tergöttin 29 Grudge und Blue Book 190 Gruppen - -arbeit 241, 242 - -identifikation und -bewußtsein 77 ff., 166 —Sitzung 248, 250 »gute Brust« 73 »guter Mutterleib« 73

Hänsel und Gretel 158 Hakenkreuz (indoiranisch) 169 Halpem, Steven 231 Harary, Keith 134

Harner, Michael 150, 230 Hastings, Arthur 188 Heautoskopie 98 Heilrituale 192 Heilung und Persönlichkeitstransfor­ mation 15 Heisenberg, Werner 172 Helios 152 Hellhören 97, 133, 196 Hellsehen 97, 133, 196 - Experimente mit 99 Hera 56 Herkules 158 Herz- und Kreislaufprobleme 245 Herzzentrum 219 Hexerei 183, 191 Hieronymus, Hl., 119 Hinduismus 119 Hören (Physiologie und Pathologie) 234 Holocaust 108 Hologramme 166 holographische(s) - Archiv 32 f. - Bilder 166 - Modell 199, 288 »holomovement«-Theorie 199 holonome - Integration 12, 206 - Prinzipien 172 holophone, Technologie 234 f. holotrope(s) - Atemsitzung 71, 94, 110, 218, 255 - Atmen 35, 82, 125, 136, 148, 158f.,214, 215, 227 - Bewußtsein 65f., 68, 81, 84, 89, 100, 136, 144, 285f., 290, 291 - Elemente 282, 286, 289, 294 - Therapie(sitzungen) 11, 13, 15, 102ff., 133, 185, 202ff., 209, 210ff.,212, 217, 222, 225,228, 229, 232, 236, 240ff., 245, 246, 251, 252, 254, 256ff., 266, 267, 269, 271, 273, 278, 283, 289, 291, 300f., 304, 307, 310, 316 Holst, Gustav 227, 231

Homöopathie 91 homöostatische Mechanismen 94 homosexuelle Neigungen 221 Hopi-Indianer 145 Horn, Paul 231 Hovhannes, Alan 231 Huichol-Indianer 152, 192, 235 Huitzilopochtli 56, 161 Huxley, Aldous 69 - Himmel und Hölle 63 - »Die visionäre Erfahrung« 90 hylotropes Bewußtsein 64f., 68, 285, 286, 287 Hyperventilation 207ff., 228, 235, 242, 246, 253, 292, 306 Hypnose 134, 194, 206, 289, 290 - Selbsthypnose 290 Hysterie 211, 268, 321 hysterische Konversionssymptome 280

Ich-Tod 54, 55, 161, 184, 279, 308 Ida und Pingala 147 Identifikation 68, 74ff., 87f., 91, 109, 111, 115, 161, 287 I Ging 169 Imaginationen 249 Indianer 81, 86, 112, 119, 145 Individualpsychologie 220 »Indoktrination« 242 infektiöse Krankheit 246 Informations- und Systemtheorie 90, 181, 198, 284 Inkarnationen, Erinnerung an frühere 22, 114ff., 142, 184, 195, 219, 276 Interozeption 63 intrapsychische Phänomene 97, 156, 181, 195 introjizierte und intemalisierte Kon­ flikte 109 Intuition 109, 240 Isis 56 Isometrie 212 Isotonie 212 Ixion 158

365

Jainismus 119, 172 James, William 279f. Janov, Arthur 125 Jantsch, Eric 91 japanische Kriegskünste 148 Jason 158 Jesus Christus 155 »Jesusgebet« 145 Jivaro-Indianer 153 Jung, C. G. 69,98, 111, 139, 146, 159, 164, 168, 181, 183, 184, 185, 186, 197, 241, 280, 321, 322, 323 - Animus, Anima und Schatten 166, 168 - Fliegende Untertassen: Ein moder­ ner Mythos. Von Dingen, die am Himmel gesehen werden 191 Jungfrau Maria 56, 161 Justinian 119

Kabbalah 169, 319 kabbalistische - Symbole 169 - Theologie 119 Kabukitheater 213 Kahunas 119 Kain und Abel 158 Kalahari-Buschmänner 112 Kali 56, 57, 161 Karaiten 119 Kardec, Allan 140 Karma 119f., 284 - Gesetz des 117, 125 karmische(s) - Erbe (»akasha«) 117 - Erlebnisse 102, 116 ff. - Kontinuität 113 Karpopedale Spasmen 210 Kartesianisch-Newtonsches Weltbild 11, 14, 22, 32,98, 134, 141, 181, 183, 195, 321 Kartographie der Psyche 242, 243, 273 Katatonie 321 Kathakali 113, 213 Katharsis 211, 267 f.

Katz, Richard 223 Kausalität, lineare 122, 183 Kehl-Chakra 222 Kehl-Zentrum 218 Kekule, Friedrich August von 171 Kellogg, Joan 254 Kelly, Georgia 231 Kelsey, Dennys 282, 290 Kennedy, J. F. 135 Kepler, Johannes 185 Ketamin 92, 96, 98, 177, 227 ki-Energie 148 kinästhetische Empfindungen 173 Kindheit 270, 300, 307 - traumatische Erlebnisse 270, 310 Klangtechnologie 222, 223, 225f., 232 ff. Klaustrophobie 275 Körper - autonome Funktionen des 193 - feinstofflicher 148 - Grenzen unseres physischen 63, 80, 89, 270 Körperarbeit, gezielte 235ff., 244, 254, 292, 302, 306 Körper-Ich 136, 287 Körperkontakt 238ff., 272, 307 - »Vereinigungstherapie« 281 - mit Mutter 239 kollektive - Erfahrungen lllf., 114f. - holotrope Arbeit 241 - Erinnerung der Menschheit 32, 102, 195 Kollektives Unbewußtes 29, 33, 111, 139, 159, 164, 228, 326 Komplementaritätsprinzip (Niels Bohr) 285 Konversion 263 Kopfschmerzen 217, 236, 279, 305 Korzybski, A. 321 kosmische(s) - Bewußtsein 96f., 177, 198, 283 - Energie 85 - und natürliche Gesetze 87 - Ordnung 117 - Verschlungenwerden 37ff., 275

kosmogenetische - Erfahrungen 130 ff. - Systeme 172 Kosmos 198, 202, 208, 220 - Entstehungsgeschichte des 130, 131, 173 kreative - Impulse 215 - Inspiration 171 ff. Kreuz 169 Krippner, Stanley 135, 192, 194 Kriyas 146, 212 Kronenzentrum 217 Kübler-Ross, Elisabeth 98 f. Kundalini-Energie (Schlangenkraft) 145ff., 212 IKung-Buschmänner 112, 206 Kybernetik 198, 284 KZ-Syndrom 304

Lakshmi 56, 161 Lamb, Bruce 81 Laute bei holotropen Sitzungen 213, 237 f. Lawson, Alvin 156 Lebensgestaltung 310 ff. Leboyer, Frederick - Geburt ohne Gewalt 317 Leere 179 f. Lenin 52 Leukippos 172 Levitation 193 libidinöse Entwicklung 56 lila (göttliches Spiel) 113, 168 Lilly, John 96, 157 Liszt 229 Lloyd, Charles 231 Lodge, Sir Oliver 190 Loewi, Otto 171 Logische Typen, Prinzip der 321 Lotosblume 86, 169, 217 Lovelock, James - Unsere Erde wird überleben: Gaia eine optimistische Ökologie (1984) 94

LSD 9, 35, 40, 102, 174, 226, 227, 255, 294, 297, 304 LSD-Therapie für Krebspatienten 137, 143, 304 Lust, genital und prägenital 151 Lykanthropie 151

Machtwille 220 maithuna 73 Makrokosmos 197 Mandala 169, 254 f. Manipuri 113, 213 Mantras, Singen von 146 Maryland Psychiatric Research Center 9, 129, 143, 224, 254, 290, 294, 304 Maslow, Abraham 321 - »Gipfelerlebnisse« 265 Masochismus 47 Massage 237 Materialisationsphänomene 188 Matsuwa, Don Jose 192 Maturana, Humberto R. 198 Matus, Father Thomas 145 Maui 158 Maya 168 McCririck 281 McGee 271 McLaughlin, John 230 MDA (Methylendioxiamphetamin) 137 MDMA und 2-CB 157, 324 Meditation 73, 76, 100, 103, 207, 289, 321 mediumistische Erfahrung 139, 287 medizinisches Modell 144 Mendelssohn-Bartholdy 228 Menstruationskrämpfe 221, 279, 305 Meridiane 138 Meskalin 137 metakosmisches Nichts 139 metaphysische - Angst 102 - Perspektive 173 Migräne 279, 305 Mikrokosmos 197 Mikrowelt 89

367

Miller, Alice 270 Minderwertigkeitsgefühl 220, 279 Minkowski 131 Mistelzweig 86 Mohammed 155, 173 Moloch 56, 161 Monroe, Robert 99 Moody, Raymond 98, 139 Mookerjee 145 morphische Resonanz 152, 166, 199 Moses 155 Mozart, Wolfgang Amadeus 173 mudras 112, 146 Muktananda, Swami 145, 185 Muses, Charles 135 Musik 222ff., 236, 242, 243, 252, 268 Muskelinnervationen 196 Mutter Erde 93, 293 Mutter Natur 33, 314 Muttergöttin 184, 293 Mysterien - eleusinischen 268 - der Korybanten 268 Mystik, christliche 199, 319, 324 mystische - Erfahrung 90, 220 - Lehren 90 - Literatur 180, 192 - Schulen 86, 324 - Traditionen 65, 68f., 144, 319, 328 Mythologie 157 ff., 197ff. mythologische Bereiche 22, 23, 139

Nabelzentrum 220 Nadis 145 Nahtoderfahrung 98, 100, 139, 199 Nalimov, V. V. 123, 135 Nandi 152 Narasimha 152 Naturkatastrophen 89 Naturphänomene 94 Neoplatoniker 119 Neuronen, periphere 49 Newtonsche - Auffassung von Zeit und Raum 65 - Objekte 288

368

nichtpharmakologische Techniken 206 nirvikalpa samadhi 66, 71 Novas 131 Nymphomanie 221

»Objektive Realität« 23, 71, 72, 321 Ödipus 158 okkulte - Phänomene 65 - Schriften 120, 192 OOBE (außerkörperliche Erfahrungen) 65, 97ff., 196 orale Frustration 219 Orgasmus 51, 210, 221 Origenes - De Principiis 119 Orphiker 119 Osiris 49, 56, 161 Ozeanische Glückseligkeit 36

Pachelbel 231 Pahnke, Walter 143, 192 Palerismo 192 Palladino, Eusapia 190 pancha makara 73 Pantheismus 91 Pantheon 161 Papathanassiou, Vangelis 231 Paranoia 275 paranormale Erscheinungen 197 Parapsychologie 97, 180, 187, 190f., 192 ff., 197 Parvati 56 Pauli, Wolfgang 185 Peerbolte, Lietaert 105 perinatal(e) 26, 198 - Ebene 15, 18, 63, 203, 273, 280 - Erfahrungen 18, 27, 32, 68, 71, 73, 86, 195, 243, 282, 318 Perinatale Grundmatrizen 29f., 273 Perinatale Grundmatrix I 32ff., 50, 103, 158, 161,279,316 - Positive und negative Aspekte 34f., 274

Perinatale Grundmatrix II 37ff., 158, 161, 275,311 Perinatale Grundmatrix III 43ff., 110, 117, 158, 161, 221, 274f., 280, 311 f. Perinatale Grundmatrix III u. IV, Übergang 50, 54, 56, 161 Perinatale Grundmatrix IV 40, 53ff., 158, 161,276, 280,316 Persönlichkeitswandlung 204 Peyotezeremonie 80, 235 Pfingstbewegung 223 Phallus - Anbetung des 49 - heiliger (Shiva Lingam) 169 Pharisäer 119 philosophia perennis 65, 69, 71, 299, 328 Phobien 280, 291 Photon 172 phylogenetische Erfahrungen 35, 71, 128 f., 151, 197 physiologische Empfindungen 80, 214 physischer Innenraum 136 planetarische(s) - Bewußtsein 97 - Ökologie 87 Platon 268 Platoniker 119 Platonsche Ideen 166 Pneumokatharsis 207 ff., 253 Poltergeist 188 polymorph pervers 151 Popul Vuh 158 Präexistenz von Seelen 119 Präkognition 133, 188, 196 präkolumbianische Kulturen 119 pränatal 103 ff. pranayama 207 pranische Energie 147 Pribram, Karl 199, 288 Prigogine, Ilya 91, 199 Primärtherapie 125 ff. probabilistische Konzepte 135 Prokofiew, Sergej 226, 231 Prometheus 158

Prozeß-Theorie 172, 199 PSI-Phänomene 65, 97, 132 psychedelische - Forschung 71, 99, 181, 224, 243 - Pflanzen 81, 86 f. - Therapie 106, 120, 185, 206, 225, 226, 250, 263, 266, 269, 273, 278, 283, 289, 292, 293, 304, 307, 310, 316, 326 - Therapiesitzungen 23, 25, 51 ff., 64, 82, 102 ff., 131, 133, 135, 147, 157, 166, 174f., 177, 180, 232, 243f., 266, 273, 293f., 304, 318 - Substanzen 9, 13ff., 66, 98, 100, 103, 104, 136, 137, 149, 192, 206, 226, 255, 289, 298 ff. - Zustände 73, 76, 199 Psychiatrie - akademische 266, 272 - experimentelle 98, 180 f. - traditionelle 23, 185, 195, 199, 264, 266,268,281,301,310, 327 psychische - Energie 217 - Mittel 183 Psychoanalyse (Freud) 54, 105, 263, 269 psychogenes Symptom 288 psychoide Phänomene 69, 180ff., 193 Psychokinese - intentionale 183, 191 ff. - spontane 188 psycholytische Therapie 74, 142 Psychometrie 133, 196 Psychoneurose 268 Psychopathologie 199, 321 psychopathologische Symptome 267, 280, 288, 300 Psychosen 199, 202, 281, 308, 321 psychosexuelle Impulse 320 psychosomatische Beschwerden 243, 282, 309 Puharich, Andrija 192 Puthoff, Harold 99, 134, 195 Pyrokatharsis 49 Pythagoräer 119 Pythagoras, Theorien des 170

369

Quanten- und Relativitätstheorie 181 f., 185, 198, 284

Rachmaninow, Sergej 230 Radin, Paul 80 »Ragupati Raja Ram« 229 Rank, Otto 105 »Raum-Reisen« 97, 102 Raynaudsche Krankheit 215, 306 Reden »in Zungen« 146 Regression 21, 267 - historische 102, 108, 128f., 151 - tiefe 35, 270 regressive Hypnotherapie 290 Reich, Wilhelm 211, 242, 267 Reinkamation 119 ff. - Theorie 123 Relativitätstheorie 173 Religiomanie 279 Religion 322 f. Rhine, J. B. 187 Richet, Charles 190 Rimski-Korssakow 226 Ring, Kenneth 98 - Den Tod erfahren - das Leben ge­ winnen 265 Rituale (in synkretistischen Religionen) 223 Rockkonzerte 225 Rosen, David 264 Roszak, Theodore Russell, Peter 94

Sabom, Michael 98 Saccidänanda 176 Sadismus 47 Sadomasochismus 47, 221, 280 Samadhi 179 Sanella 147 santeria 192 Sarasvati 152 Satyriasis 221 Sauerstoff 85 savikalpa samadhi 66, 71

370

Schamanen 76, 81, 149, 192, 222, 321 »Schamanenkrankheit« 150 Schamanismus 150, 199, 203, 206, 235, 326 schamanistische und totemistische Er­ fahrungen 150, 184 Scheherazade 52 Schichtenmodell der Realität 65 Schizophrenie 69, 321 Schmerzen 221, 236, 238f., 291 Schneewittchen 158 Schöpfer 139, 173 f. Schöpferpaar (männlich/weiblich) 174 Schultze, Klaus 230 Schwangerschaft 245 »schwarze Löcher« 95, 131 Schwartz, Jack 134, 145 Science Fiction 67, 156 Scott, Tony 231 Scrijabin, Alexander 231 Selbst 326 Selbstbehauptung 220 Selbsterfahrung - Sitzungen 25, 73, 76, 120, 298ff., 241, 300 - Sitzungen mit LSD 51 ff., 74, 79, 82, 88, 106ff., 113f., 129f., 143, 162ff., 293ff. - Techniken 100 - Therapie 10, 13, 18, 21, 32, 98, 99, 104, 118, 150, 201, 208, 238, 246, 251, 255, 273, 281, 304, 323 Selbsterforschung 13,16,17,20,21,54, 82,96,125,195,198,225,245,250, 298,310,314,319,324,327 Selbsthypnose 290 Selbstmord 264 selbstzerstörerische Impulse 275, 279, 325 f. semantisches Modell 123 Sensorische(r) - Barriere 20 - Isolationstank 96 Sepher Yetzirah 169 Sexualtrieb 150 f. Sexualzentrum 220

sexuelle - Motive 49 - Neigungen, zurückgehaltene 215 Shaivismus 187, 319 Shakti 145, 212 Sheldrake, Rupert 152, 166, 199 Shiva 56, 57, 91 Siddha 185, 207, 212 Sikhismus 119 Simonton, Carl 137 Sisyphus 158 Sohar169 »Somatisierung« 24 Sonne 85, 90, 95 Soto-Zen 207 Spannungen, körperliche 214, 237, 246, 267, 327 Spannungsabbau 215 Spasmen (Verkrampfungen) 216f., 236, 291 spastische Verstopfung 220 Sphinx 158 Spinoza 94 spiritistische - Chirurgen 192 - Kirche 140 - Seancen 183, 187 Spiritualisten 19 Spiritualität 320, 321, 322, 324 spirituelle - Dimension 318 - Führer 149, 154 - »Notfälle« 19 - Philosophien 319 - Praktiken (alte und östliche) 18 - Systeme 120 - Traditionen 73, 223, 231 - Übungen 73 Sri Ramana Maharshi 155 Stafford, Peter 83 Stammeszeremonien 50 Status epilepticus 246 Stivell, Alan 231 Streß 212, 214, 245 subatomare Physik 90, 288, 326 Sufi - Musik 207, 230, 235

- Tradition 113 Sufismus 145, 319 sunyata 71 Supemovas 131 suprakosmisches Nichts 139, 283 Swann, Ingo 99 Symbole, religiöse 197 Synästhesien 234 synchronistische - Ereignisse 122, 184 ff. - Koppelung 282 Synchronizität 18ff., 69 Synchronizitäten (Jung) 121, " 241

Taoismus 91, 119 Tantalus 158 tantrische - Schriften 73, 91, 147 - Schulen 145 - Systeme 169, 217 - Übungen 73 Targ, Russell 99, 134, 195 Tarot 169 Tart, Charles 99, 194 Taufe 207 Telekinese 188 Telepathie 97, 100, 104, 139, 153, 188 teieplastische Manifestationen 188 Teleportation 188 Tempelprostitution 49 Tesla, Nikola 172 Thanatologie 98, 181, 284 Theosophen 119 Therapeut - Aufgabe des 203 - Helfer des (Partner) 247, 248, 250, 252, 256, 301 f., 308 therapeutisches Potential 223, 224, 231,267, 281 ff. thsrimorphe Gottheiten 152 Tiermodynamik 90, 284 Tkeseus 158 Tkot 152

371

Tibetanisches Totenbuch 98f., 161 - »Bardoleib« 99 tibetische(s) - Kultur 192 - lamaistische Gottheiten 152 - »tummo« 193 Tiere - autosymbolische Visionen oder Transformationen 150 - Identifikation mit 22 - Psyche der 196 - Tierseele 151 Tigeranthropie 151 Tod - Angst vor dem 311 - biologischer 122 - klinischer 98 - Konfrontation mit 26 Tod - Wiedergeburt - Erlebnisse 28, 54ff., 207, 276 - Götter als Symbol für 161 - Kampf 43ff., 54, 275, 281 - Prozeß 27, 49, 110, 150, 161, 242, 278 ff. - Zyklen 37, 117 Totemismus 149 Trance 193 Trancetanzmusik 235 transbiographische Bereiche 203 Transmodulation - positive 277 f. - substitutive 277 f. transpersonale(r) - Bereich 18, 22, 63, 184, 195, 197, 203 - Elemente 63 - Erfahrungen 18, 25, 29, 34, 63, 66, 69 f., 153, 156, 184, 187, 195, 197, 242, 243, 283, 318 - Krisen 19, 96, 308 - Matrizen 34, 276 - Phänomene 63, 67, 71, 85, 103, 114, 121, 150, 164, 181, 196, 269, 284 - Ursprung 171 transsylvanischer Volksglauben 151

372

transzendenter Impuls 325 Transzendenz, letzte 66 Transzendierung - des Raums 67, 70, 97f., 132 - der Zeit 67, 70, 97f., 102, 132 traumatische - Ereignisse 269 ff. - Erinnerungen 220, 238, 281, 295 - Neurosen 211, 269 Traumen - körperliche 23, 215 - psychologische 23, 269 Trieb 81 Tristan und Isolde 158 trsnä und tanha 117 Tryptaminderivate 227 Typhon 158

Übertragung 271, 300 Übertragungsneurose 271 UFOs 183, 188, 190, 191 Umbanda 119, 192, 223 unbewußte Mechanismen 230, 266, 301 Unbewußtes 63, 267, 271, 279, 288, 311 - individuelles Unbewußtes 20, 150, 198, 203 siehe auch kollektives Unbewußte universelles Selbst 58 Universum - Geist des 139, 284 - Ursprung des 131 Unterbauchzentrum (hara) 148 »Urbild« 164 Urknall 103, 131 Uroboros 156 Ursache - Wirkung - Prinzip 182, 191,285 Ursprung aller Dinge 179

Vajrayana 119, 145, 169, 178, 207, 319 Vallee, Jacques 191 vama marga 73

Varela, Francisco J. 198 f. Vergewaltigung, rituelle 49 Verstopfung 221 »verstorbene Fremde« 141 Vier- und Fünfelementensysteme 91 Vitalismus 69 Vonnegut, Kurt 134 »Vorprogrammierung« 243

Wagner, Richard 173, 223, 226, 227 Wahrscheinlichkeitstheorie 123 Watts, Alan 55, 131 »weißes Rauschen« 232 Wellen-Teilchen-Paradox 285, 326 Wells, H. G. 134 Weltbild westlicher Wissenschaft 193, 284 Werbungstanz 196 Wesen, körperlose 141 Wiedererleben 67, 75, 240, 267, 270, 282, 283f., 311 Wiedergeburt 54, 120, 184, 275, 279 Wilber, Ken 65 Winter, Paul 231

Wissenschaft - materialistische 192 - mechanistische 68, 87, 121, 134, 182, 191, 193, 197, 198 - Paradigma 141, 193 Wurzelzentrum 221 Yin und Yang-Symbol 169 Yoga 145, 193, 207, 212, 223, 232 - Gesten (mudras) 112, 146, 213 - Haltungen (asanas) 112, 146, 213 - Meditation 231 - Nada-Yoga 232 - Tradition 112, 185 Yogis 192 Young, Arthur 172, 199 zeitüberschreitende Reisen 131, 132 ff. Zen-Buddhismus 145 Zoroaster 155 Zoroastrianismus 119 Zucarelli, Hugo 232 ff. Zwangsneurosen 280, 320 Zwillinge 104