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German Pages 352 [353] Year 2019
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 148
Dark Pools Schattenbörsen im Lichte US-amerikanischer, europäischer und deutscher Kapitalmarktregulierung
Von
Martin Konstantin Thelen
Duncker & Humblot · Berlin
MARTIN KONSTANTIN THELEN
Dark Pools
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 148
Dark Pools Schattenbörsen im Lichte US-amerikanischer, europäischer und deutscher Kapitalmarktregulierung
Von
Martin Konstantin Thelen
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15812-6 (Print) ISBN 978-3-428-55812-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85812-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Dr. med. Hilarius Engels 23. 05. 1914 – 28. 08. 1981
Vorwort Die Arbeit wurde im Sommersemester 2019 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand von Mitte April 2019. Dank gebührt zunächst meinem hochverehrten Doktorvater Prof. Dr. Matthias Lehmann, D.E.A., LL.M., J.S.D. (Columbia). Er hat nicht nur die Entstehung dieser Arbeit, sondern auch zahlreiche weitere wissenschaftliche Projekte seiner Bonner Doktoranden stets mit großem Einsatz gefördert. Seine E-Mails voll von hilfreichen und wertvollen Anmerkungen gingen oft zu Zeiten ein, in denen Normalsterbliche längst schlafen. Zugleich hat er mir alle wissenschaftlichen Freiheiten gewährt, die sich ein Doktorand wünschen kann. Eine bessere Betreuung kann ich mir nicht vorstellen. Herrn Prof. Dr. Kumpan, LL.M. (Univ. of Chicago), danke ich herzlich für die Übernahme sowie die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die Erstellung der Arbeit wurde durch ein Promotionsstipendium des Cusanuswerks gefördert. Neben der finanziellen Förderung bin ich dem Cusanuswerk vor allem für seine unschätzbare ideelle Förderung dankbar. Sie hat mir über die Jahre des Studierens und Promovierens den Zugang zu völlig neuen Themen und Fachrichtungen erschlossen sowie viele gute Freundschaften enstehen lassen. Ohne ein Stipendium der Deutsch-Amerikanischen Fulbright-Kommission wären mein LL.M.-Studium an der Columbia Law School in New York und die Anfertigung der rechtsvergleichenden Teile zum US-amerikanischen Kapitalmarktrecht nicht möglich gewesen. Zugleich hat mir die Fulbright-Kommission mit ihren Veranstaltungen in den USA viele neue Perspektiven auf dieses ausgesprochen vielfältige Land eröffnet. Für diese Privilegien bin ich sehr dankbar. Zahlreiche Freunde haben mich auf dem langen Weg des Promovierens begleitet und standen mir mit Rat und Tat zur Seite. Zu nennen sind insbesondere Dr. iur. Stefan Korch, LL.M. (Harvard), Dr. iur. Marcel Kühn, Benjamin Nußberger, LL.M. (Columbia), Johannes Ungerer, LL.M. oec., und Biljana Vrhovac. Meinen guten Freunden Prof. Dr. rer. nat. Dominik Michels und Dr. med. Theodor Rüber danke ich für zahlreiche Gespräche an verschiedensten Orten unseres Planeten, in denen wir die Grenzen unserer eigenen Disziplinen weit hinter uns gelassen haben.
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Vorwort
Mein größter Dank gebührt schließlich meinen Eltern, Dr. med. Birgitta EngelsThelen und Dr. iur. Werner Thelen, sowie meiner Schwester Natascha Thelen, M.Sc. Seit ich denken kann, steht mir meine Mutter mit ihrem unschätzbaren Rat und ihren – stets zutreffenden – Einschätzungen in allen Lebenslagen zur Seite. Mein Vater hat sehr früh mein Interesse an wissenschaftlichen Fragestellungen geweckt und mir zugleich gezeigt, dass sich juristischer Sachverstand und Humor (zumindest im Rheinland) nicht ausschließen. Wie mein Leben schließlich ohne die Empathie, den Witz und die unvergleichliche Menschenkenntnis meiner Schwester aussähe, wage ich mir kaum vorzustellen. Gewidmet ist die Arbeit dem Gedenken an meinen viel zu früh verstorbenen Großvater. Ihm fühle ich mich in vielfältiger Weise sehr verbunden. Troisdorf, im Juni 2019
Martin Konstantin Thelen
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Kapitel 1 Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
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A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I. Marktmikrostruktur von Wertpapierbörsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Ordertypen und ihre Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Klassische Händlertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Informationshändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Uninformierte Händler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4. Hochfrequenzhändler als neuer Händlertyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Arten von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Fundamentalwertbezogene Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Handelsbezogene Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 III. Transparenz und Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Vor- und Nachhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Transparenzvorgaben in quote- und ordergetriebenen Systemen . . . . . . . . . . . 40 a) Ähnliche Vorhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Unterschiedliche Nachhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Positive Effekte von Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Transparenz und Marktbeeinflussungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Zur Einstufung als Blockorder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Marktbeeinflussungskosten im Auktionsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Marktbeeinflussungskosten im Market Maker System . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 d) Informierte und uninformierte Blockhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5. Verschärfungen durch die Hochfrequenzhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Elektronisches Front Running . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Slow-Market Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 6. Zwischenfazit: Anstieg der Marktbeeinflussungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 IV. Liquidität und Marktbeeinflussungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Elemente der Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
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Inhaltsverzeichnis 2. Liquidität und Geld-Brief-Spanne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Subjektiver Einschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Liquiditätsbereicherung durch Hochfrequenzhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5. Liquidität und Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 V. Dark Pools als Heilsbringer für Blockhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Vermeidung der Marktbeeinflussungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Weitere Kosteneinsparungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Nachteile für Blockhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 VI. Schlussfolgerung: Dark Pools schützen Blockhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
B. Die Evolution von Dark Pools: Vom kleinen Markt für große Transaktionen zum großen Markt für kleine Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Vom upstairs market und Telefonhandel zum elektronischen Handel . . . . . . . . . 56 II. Entwicklung nach MiFID I sowie Reg. ATS und NMS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Systematisierung eines vielfältigen Phänomens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Partielle Transparenzausnahmen, eigene Preisfeststellung, kein Eigenhandel 60 2. Feste Transparenzausnahmen, eigene Preisfeststellung, kein Eigenhandel . . . 61 3. Feste Transparenzausnahmen, eigene Preisfeststellung, Eigenhandel . . . . . . . 61 4. Feste Transparenzausnahmen, Preisreferenzierung, kein Eigenhandel . . . . . . . 62 5. Feste Transparenzausnahmen, Preisreferenzierung, Eigenhandel . . . . . . . . . . . 63 6. Feste Transparenzausnahme und reine Internalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 7. Schlussfolgerung: Funktionale Definition von Dark Pools . . . . . . . . . . . . . . . . 64 IV. Unterschiede zwischen Aktien-, Derivate- und Anleihehandel . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Besonderheiten des Derivatehandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Besonderheiten des Anleihehandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 C. Die Regulierung von Dark Pools: Gratwanderung zwischen Effizienzförderung und Effizienzverringerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I. Ziele der Kapitalmarktregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Funktionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Die drei zentralen Effizienzformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Informationseffizienz und fundamentale Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Transparenz als Vorbedingung für Informationseffizienz . . . . . . . . . . . 71 bb) Informationseffizienz als Vorbedingung für Allokationseffizienz . . . . . 71 c) Operationalisierung der Effizienzbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Schutz der Systemstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Verhältnis der drei Schutzziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 II. Abstrakte Voraussetzungen einer Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Gefährdung der Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Monopol und ruinöse Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Inhaltsverzeichnis
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b) Transaktionskosten und Rationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Externe Effekte und öffentliche Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 d) Inadäquate Informationslage, Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . 80 e) Prinzipal-Agent-Konflikt und moralisches Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 f) Informationsineffizienzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Durch Insiderhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb) Durch Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Gefährdung des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Gefährdung der Systemstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Effizienzsteigerung durch Dark Pools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Kontrastierung mit dem Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Liquiditätssteigernde Wirkung und Marktstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Schutz der Marktmacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4. Schlussfolgerung: Dark Pools können die Liquidität steigern . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Effizienzverluste durch Dark Pools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Diskriminierung der Informationshändler beim Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Vorteile von Exklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Nachteile von Exklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Schlussfolgerung für die Regulierung: Pflicht zur Zugangsgewähr . . . . . . . 93 2. Gefährdung der fundamentalen Effizienz durch den Handel in Dark Pools . . . 93 a) Handelsstrategien in Dark Pools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Uninformierte Händler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Informationshändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 cc) Hochfrequenzhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (1) Exploitation of Midpoint Orders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (2) Pinging und elektronisches Front Running . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (3) Empfang von Handelsinformationen vom Betreiber des Dark Pool
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b) Auswirkungen von Dark Pools auf die Preisentdeckung . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Generell positive Bewertung des Blockhandels in Dark Pools . . . . . . . 99 bb) Positive Bewertung von Dark Pools abseits des Blockhandels . . . . . . . 99 cc) Negative Bewertung von Dark Pools abseits des Blockhandels . . . . . . 101 dd) Ambivalente Bewertung von Hochfrequenzhandel im Dark Pool . . . . . 102 c) Schlussfolgerung: Drei Leitlinien für eine Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Höhere Transaktionskosten durch Fragmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Kosten der Suche nach dem richtigen Dark Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Aufwendige Suche nach Orderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Heterogenität der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Ausführungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Das Vordrängeln (Queue Jumping) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Das Umgehen der Warteschlange an der Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
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Inhaltsverzeichnis bb) Bewertung des Vordrängelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 d) Schlussfolgerung: Unsichere Grundlage für eine Regulierung . . . . . . . . . . 110 4. Dark Pools als Trittbrettfahrer bei der Informationsproduktion . . . . . . . . . . . . 110 a) Eigentumsrechte der Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Eigentumsrechte der Händler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 c) Entlohnung für integre Preisfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 d) Alternative: Erfordernis einer Mindestpreisverbesserung . . . . . . . . . . . . . . . 113 5. Dark Pools als Trittbrettfahrer bei der Marktaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6. Informationsasymmetrien und Prinzipal-Agent-Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Orderrouting im Interesse der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Front Running des Betreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Potentiell effizienzsteigernde Wirkung des Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 d) Schlussfolgerung für die Regulierung: Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . 118 7. Zusammenfassung: Dark Pools können die Effizienz schädigen . . . . . . . . . . . 119 V. Zu tolerierende Marktineffizienzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Ineffizienz und Staatsversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Bemessen der Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 VI. Selbstregulierung versus Fremdregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Vor- und Nachteile von Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Konsequenzen für die Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 VII. Der zentrale Zielkonflikt von Dark Pools und sein Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
D. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Kapitel 2 Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
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A. Dark Pools im alten und neuen System der Handelsorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Öffentlicher und privater Handel mit Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Die vier Abgrenzungsmerkmale im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Fließende Grenzen zwischen den Handelsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Dark Pools als Amalgam verschiedener Handelstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Veränderung der Handelslandschaft durch MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Kein Verbleib von Dark Pools im OTC-Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Regulierung als Systematischer Internalisierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Geeignetheit des SI-Regimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Das Auswahlermessen des Betreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Multilaterale Elemente von Crossing Networks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Kombination von MTF und SI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Inhaltsverzeichnis
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4. Selektionsmechanismen als Herausforderung für die MTF-Kategorie . . . . . . . 137 a) Beurteilung der US-amerikanischen Rechtslage durch die SEC . . . . . . . . . 139 aa) Der Fall UBS ATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Der Fall Barclays LX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc) Stellungnahme in Proposed Reg. ATS-N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Beurteilung des europäischen Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 5. Die neue Kategorie der Organisierten Handelseinrichtung, Art. 20 MiFID II 144 IV. Schlussfolgerung: Regulierung als SI oder MTF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Dealer Market und Broker Market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Einsatz elektronischer Plattformen und Telefonhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Vergleich mit der Kategorie der Swap Execution Facility . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Interessen am Kauf und Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Vielzahl von Handelsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 IV. Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Das Zusammenführen von Aufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Interaktion als weiter gefasstes Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Interaktion und Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4. Varianten der Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5. Sprachfehler in der deutschen Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 V. Interaktion im System hin zum Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 VI. Multilateral/Mehrere Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Kontroverse um die OTF-Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Multilateraler Charakter der Swap Execution Facility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 VII. Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Annäherung an den Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Kontrastierung mit den nicht-diskretionären Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Ermessen in der ökonomischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Die zwei Ermessensgegenstände von Art. 20 Abs. 6 MiFID II . . . . . . . . . . 161 2. Die Struktur von Art. 20 Abs. 6 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Einschränkungen des Ermessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Best execution im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . 164 bb) Pflicht zur bestmöglichen Ausführung im europäischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Ermessen und Pflichtenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
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Inhaltsverzeichnis Kapitel 3 Ein neues Transparenzregime
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A. Hintergründe und Systematik der MiFIR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 B. Transparenz an den Handelsplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Eigenkapitalinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Vorhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Anwendungsbereich der Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Umfang der Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 cc) Sonderfall Marktmacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Referenzpreissysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (2) Doppelte volumenmäßige Begrenzung (Double Volume Cap Mechanism) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (3) Folgen des Überschreitens der Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Ausgehandelte Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) Rückausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Großvolumige Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (2) Attraktivität für große Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (3) Umgehung des Large-in-Scale-Waiver durch den Waiver für Referenzpreissysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (4) Ausnutzung des Large-in-Scale-Waiver durch das Aggregieren von Ordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 dd) Auftragsverwaltungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Nachhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Verzögerte Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Großvolumige Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Weitere Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Fremdkapitalinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Vorhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Preisanfragesysteme und sprachbasierte Handelssysteme . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Nachhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 III. Adressaten der Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Informationen gegenüber der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Inhaltsverzeichnis
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2. Gegenüber Systematischen Internalisierern und OTC-Händlern . . . . . . . . . . . 189 IV. Vergleich mit den US-amerikanischen Transparenzvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Nachhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Vorhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3. Parallelen zur europäischen Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 V. Zugang zum Handelssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 C. Transparenzvorgaben für Systematische Internalisierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I. Eigenkapitalinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Quotierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Strikte Quotierungspflicht für liquide Eigenkapitalinstrumente . . . . . . . . . . 196 aa) Anwendungsbereich der Quotierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Zivilrechtliche Qualifizierung der Kursofferten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Zugangsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 dd) Veröffentlichungspflicht gegenüber der Marktöffentlichkeit . . . . . . . . . 200 b) Quotierung bei illiquiden Eigenkapitalinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Offenlegung und Zugangsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Keine Pflicht zur Veröffentlichung der Kursofferten gegenüber der Marktöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Mindestgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 d) Ausnahme für Kursofferten oberhalb der Standardmarktgröße . . . . . . . . . . 204 e) Preisverbesserung gegenüber Kursofferten, Art. 15 Abs. 2, 3 MiFIR . . . . . 205 2. Pflicht zur Veröffentlichung abgeschlossener Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Fremdkapitalinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Vorhandelstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Liquide Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Illiquide Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Umfang des Verweises auf Art. 9 Abs. 1 lit. b) MiFIR . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Verhältnis von Art. 18 Abs. 2 und Abs. 10 MiFIR . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Pflicht zur Veröffentlichung abgeschlossener Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . 209 III. Die regulatorische Begünstigung von Systematischen Internalisierern . . . . . . . . . 209 1. Keine volumenmäßige Beschränkung der Transparenzausnahmen . . . . . . . . . . 209 2. Keine Preisverbesserungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 D. OTC-Handel und Handelsplatzpflichten für Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 I. Gefahr der Umgehung der Vorhandelstransparenzvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 II. Ausnahmen von der Handelsplatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 E. Zentralisierung von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Bedürfnis nach Zentralisierung und passende Regulierungsmöglichkeiten . . . . . 213 II. Funktionen der beiden zentralen Informationsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
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Inhaltsverzeichnis III. Vergleich mit der US-amerikanischen Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Informationen über abgeschlossene Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Risiken der privatrechtlichen Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Kapitel 4 Verhaltenspflichten
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A. Das Insiderhandelsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Telos und Dogmatik des Verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Zentrale Regulierung durch die MAR in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Regulierung durch diverse Vorschriften in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Insiderhandelsverbot auf dem Securities Market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Insiderhandelsverbot auf dem Derivatives Market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Besonderheiten handelsbezogener Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 II. Front Running des Dark Pool-Betreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Definition von Front Running . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Regulierung durch verschiedene Verbotsvorschriften in den USA . . . . . . . . . . 226 a) Verbot für Broker durch Rule 10b-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Verbot für Broker und Dealer durch die Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Verbot für außerbörslich aktive Broker-Dealer durch FINRA . . . . . . . . . . . 228 d) Verbot im Derivatehandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3. Zentrale Regulierung in Europa durch Artt. 7, 14 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Mit der Auftragsausführung beauftragte Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) Betreiber eines RM und MTF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Betreiber eines OTF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 cc) Systematischer Internalisierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 dd) OTC-Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Präzise Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Von einem Kunden mitgeteilt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 d) Bezug auf noch nicht ausgeführten Auftrag des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . 233 e) Bezug zum Finanzinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 f) Kursrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 aa) Subjektiver Maßstab zur Bestimmung der Erheblichkeit . . . . . . . . . . . . 234 bb) Kein Kausalitätserfordernis bzgl. der öffentlichen Bekanntgabe . . . . . . 238 (1) Schutzbedürftigkeit der Informationshändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (2) Verbotener Insiderhandel auf dem Terminmarkt . . . . . . . . . . . . . . . 239 (3) Falscher Anknüpfungspunkt der strengen Kausalitätstheorie . . . . . 240 (4) Vermutungen über den Fundamentalwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
Inhaltsverzeichnis
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cc) Schlussfolgerung: Kursrelevanz besteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 g) Verwendung der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 h) Ausnahme für gewöhnliche Tätigkeit, Art. 9 Abs. 2 MAR . . . . . . . . . . . . . 242 4. Die Sanktionierung von Insider-Abstinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Keine Incentivierung des Dark Pool-Betreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) Rechtsverfolgungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Kompensation für das Verbot aktiven Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 d) Schwächen des Kenntnisstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 e) Folgen für Dark Pool-Betreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 f) Der beschränkte Umfang der sanktionierten Insider-Abstinenz unter Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 5. Zwischenfazit: Verbotene Verhaltensweise in beiden Rechtsordnungen . . . . . 249 III. Weitergabe von Informationen aus dem Dark Pool an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Informationen über verdeckte Ordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Erfordernis einer Aufklärungspflicht unter Rule 10b-5 . . . . . . . . . . . . . . . . 250 aa) Keine Anwendbarkeit der Fiduciary Duty Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Anwendbarkeit der Misappropriation Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Verstoß gegen das europäische Insiderhandelsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Umfassender Verweis des Art. 14 MAR auf Art. 7 Abs. 1 MAR . . . . . 254 bb) Kollusives Zusammenwirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Unrechtmäßige Offenlegung von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (1) Keine privilegierte Weitergabe von Orderinformationen . . . . . . . . . 256 (2) Ausnahme bei notwendigem Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Informationen über einsehbare Ordern und Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 257 a) Erlaubte Tätigkeit im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . 258 b) Erlaubte Tätigkeit im europäischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Erlaubnis von co-locations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 bb) Verbesserte Datenströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 cc) Zeitpunkt der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3. Zwischenfazit: Differenzierung nach Veröffentlichungsgrad . . . . . . . . . . . . . . 263 IV. Pflichten der Zugangsintermediäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Verbot von Front Running . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Verbot der Weitergabe von Orderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 3. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 V. Handel eines Marktteilnehmers aufgrund zugespielter Information . . . . . . . . . . . 265 1. Informationen über eine abgeschlossene Transaktione und eine offene Order 265 2. Informationen über verdeckte Ordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Verbot im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Der Fall ArcaSec in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Tippee Liability nach der Misappropriation Theory . . . . . . . . . . . . . . . 267
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Inhaltsverzeichnis b) Verbot im europäischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Tatbestand der Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 bb) Verbotenes Insidergeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3. Zwischenfazit: Differenzierung nach Veröffentlichungsgrad . . . . . . . . . . . . . . 270 VI. Handel eines Marktteilnehmers aufgrund selbst ermittelter Information . . . . . . . 270 1. Kein Verstoß gegen Rule 10b-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Verstoß gegen Art. 14 lit. a) MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 VII. Zusammenfassung: Unterschiedliche Dogmatik, aber ähnliche Resultate . . . . . . 274
B. Verbot der Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I. Telos und Dogmatik des Verbots der Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Verschiedene Verbotsvorschriften im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht 276 2. Zentrales Verbot im europäischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Marktmanipulation durch einen Hochfrequenzhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Spoofing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 a) Verbot im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Verbot durch Art. 12 Abs. lit. c) iii) MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Pinging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Kein Verbotsverstoß im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . 284 b) Keine verbotene Marktmanipulation im europäischen Kapitalmarktrecht 285 III. Marktmanipulation durch einen Blockhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 1. Spoofing des Blockhändlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Ausführung gegenläufiger kleiner Ordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) Unklare Rechtslage in USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Verbot im europäischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 IV. Unterlassen einer Veröffentlichung durch den Betreiber eines Dark Pool . . . . . . 290 1. Erfordernis einer Aufklärungspflicht unter Rule 10b-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Keine Manipulation durch Unterlassen in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 V. Zusammenfassung: Unterschiedliche Dogmatik, aber ähnliche Ergebnisse . . . . . 292 C. Falschdarstellung der Händlerstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 I. Anschauungsmaterial: Der Fall Barclays LX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 II. Konkurrenz einzelstaatlicher und bundesstaatlicher Regulierung in den USA . . . 294 1. Ablehnende Ansicht des Bundesbezirksgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 2. SEC: Verstoß gegen Sec. 17(a)(2) des Securities Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 3. Supreme Court von New York: Möglicher Verstoß gegen Martin Act . . . . . . . 297 a) Hintergründe und Bedeutung des Martin Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 b) Der weite Anwendungsbereich des Martin Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 c) Der Streitpunkt: Verbindung zu einer Wertpapiertransaktion . . . . . . . . . . . . 299 4. Friktionen der drei Entscheidungen und Vorschlag für Kohärenz . . . . . . . . . . 300 a) Falschdarstellung eines Umstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Inhaltsverzeichnis
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b) Kursrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 aa) Preismanipulationen durch falsche fundamentalwertbezogene Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 bb) Falsche Informationen über den Ursprung der Order . . . . . . . . . . . . . . 303 cc) Mittelbare Preisbeeinflussung bei Preisreferenzierungssysteme . . . . . . 304 c) Verbindung zu einem Geschäft mit Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . 304 aa) Wortlaut von § 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 bb) Vergleich mit Rule 10b-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 d) Vertrauen der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 5. Schlussfolgerung: Unterschiedliche Ansätze im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III. Kein Verstoß gegen das europäische Marktmanipulationsverbot . . . . . . . . . . . . . 309 1. Die Tatbestände des Art. 12 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Falsches oder irreführendes Signal bzgl. Angebot und Nachfrage . . . . . . . . . . 310 a) Falsche Darstellung der Orderlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Falsche Darstellung des Anteils von Hochfrequenzhändlern an der Orderlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 c) Falsche Darstellung des Ursprungs der ausgeführten Ordern . . . . . . . . . . . . 312 d) Bildung eines künstlichen Kursniveaus, Art. 12 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 MAR 314 3. Kein Verstoß gegen das deutsche Betrugsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 IV. Schlussfolgerung: Weite US-amerikanische und enge europäische Verbotsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 D. Informationspflichten bei der Wahl des Dark Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 I. Umfangreiche Informationspflichten für OTF-Betreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 II. Neue Informationspflichten im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht . . . . . . . . 318 E. Vorkehrungspflichten der Handelsplatzbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
Abkürzungsverzeichnis Abs. a.F. aff’d AG Am. Econ. Rev. AMF Am. U. Bus. L. Rev. Anh. APA Art. ASIC ATS Aufl. B2B BaFin Bank. & Fin. L. Rev. BCN BCS BGBl. BGH BGHSt BGHZ BKR BörsG BRJ Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. BSK bspw. BT-Drucks. B. U. L. Rev. BVerfG BVerfGE BVI BYU L. Rev. bzgl. bzw. Cardozo L. Rev. CCZ CEA CESR
Absatz alte Fassung affirmed Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft American Economic Review Autorité des Marchés Financiers American University Business Law Review Anhang Approved Publication Arrangement Artikel Australian Securities and Investments Commission Alternative Trading Systems Auflage Business-to-Business Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Banking and Finance Law Review Broker Crossing Network Broker Crossing System Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Börsengesetz Bonner Rechtsjournal Brooklyn Journal of Corporate, Financial & Commercial Law Börsensachverständigenkommission beispielsweise Bundestagsdrucksache Boston University Law Review Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverband Investment und Asset Management e. V. Brigham Young University Law Review bezüglich beziehungsweise Cardozo Law Review Corporate Compliance Zeitschrift Commodity Exchange Act Committee of European Securities Regulators
Abkürzungsverzeichnis C.F.R. CFTC Cir. Clev. St. L. Rev CLOB CMLJ CN Co. Colum. Bus. Rev. Colum. J. L. & Soc. Probs. Conn. L. Rewv. Cornell L. Rev. Corp. CTP DBW ders. d. h. dies. DJT D. Minn. D.N.J. Duke L. J. EBOR ECB ECFR ECN Emory L. J. endg. ESMA et al. etc. EU EuZW f./ff. F.2d F.3d FCA Fed. Fed. Reg. Fed. R. Civ. P. FESE Fin. Anal. J. FINRA Fin. Rev. Fn. Fordham J. Corp. & Fin. L.
Code of Federal Regulations Commodity Futures Trading Commission Circuit Cleveland State Law Review Central Limit Order Book Capital Markets Law Journal Crossing Network Company Columbia Business Review Columbia Journal of Law and Social Problems Connecticut Law Review Cornell Law Review Corporation Consolidated Tape Provieder Die Betriebswirtschaft derselbe das heißt dieselben Deutscher Juristentag District Court for the District of Minnesota District Court for the District of New Jersey Duke Law Journal European Business Organization Law Review European Central Bank European Company and Financial Law Review Electronic Communication System Emory Law Journal endgültig European Securities and Markets Authority et alii et cetera Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Financial Conduct Authority Federal Federal Register Federal Rules of Civil Procedure Federation of European Securities Exchanges Financial Analyst Journal Financial Industry Regulatory Authority The Financial Review Fußnote(n) Fordham Journal of Corporate & Financial Law
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22 Fordham L. Rev. FS F. Supp. F. Supp. 3d Ga. St. U. L. Rev. gem. Geo. Wash. L. Rev Georg. L. J. GWR Hdb. HGB HJWG Hofstra L. Rev. Hrsg. i.d.R. Inc. Int‘l. J. Theor. Appl. Fin. IOSCO Iowa L. Rev. IREF i.S.d. ISDA i.S.v. ITG i.V.m. J. Appl. Corp. Finance J. Corp. L. J. Corp. L. Stud. J. Econ. Perspect. JFQA J. High Tech. L. J. Int’l Bus. & L. J. of Fin. J. of Fin. Econ. J. of Fin. Mark. J. of Fin. Reg. & Com. J. of L. & Econ. J. of Sec. & Cust. KapitalanlageR KöKo KWG L. & Fin. Markets Rev. LIS lit. Litig. MaKonV MAR
Abkürzungsverzeichnis Fordham Law Review Festschrift Federal Supplement Federal Supplement, Third Series Georgia State University Law Review gemäß George Washington Law Review The Georgetown Law Review Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Handbuch Handelsgesetzbuch Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik Hofstra Law Review Herausgeber in der Regel Incorporation International Journal of Theoretical and Applied Finance International Organization of Securities Commissions Iowa Law Review International Review of Economics and Finance im Sinne des International Swap and Derivatives Association im Sinne von Investment Technology Group in Verbindung mit Journal of Applied Corporate Finance The Journal of Corporation Law Journal of Corporate Law Studies Journal of Economic Perspectives Journal of Financial and Quantitative Analysis Journal of High Technology Law The Journal of International Business & Law The Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of Financial Markets Journal of Financial Regulation and Compliance Journal of Law and Economics Journal of Securities Operations & Custody Kapitalanlagerecht Kölner Kommentar Kreditwesengesetz Law and Financial Markets Review Large-in-Scale Buchstabe Litigation Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation Market Abuse Regulation
Abkürzungsverzeichnis MiFID MiFID II MiFIR Misc. 3d MKWI MTF MüKo N. NBBO N.D. Ill. N.E. New Eng. L. Rev. n.F. NHT NJW NMS No. Nr. NStZ N.Y. 2d N.Y. Gen Bus. Law N.Y. Sup. Ct. NYU J. of Law & Bus. NYU L. Rev. NZG NZZ OTC OTF Pacific-Basin Fin. J. Pepp. L. Rev. PLC Q. J. Econ. RdF Reg. Rev. of Bank. & Fin. L. Rev. of Fin. Rev. of Fin. Stud. RM Rn. SA S. Ct. S.D.N.Y. SEA SEC SEF SI SIP sog.
Markets in Financial Instruments Directive Neufassung der Markets in Financial Instruments Directive Markets in Financial Instruments Regulation Miscellaneous Reports, Third Series Multikonferenz Wirtschaftsinformatik Multilateral Trading Facility Münchener Kommentar Footnote National Best Bid and Offer Northern District of Illinois North Eastern Reporter New England Law Review Neue Fassung Nachhandelstransparenz Neue Juristische Wochenzeitschrift National Market System Number Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht New York Reports, Second Series New York General Business Law Supreme Court von New York New York University Journal of Law & Business New York University Law Review Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zürcher Zeitung Over the Counter Organized Trading Facility Pacific-Basin Finance Journal Pepperdine Law Review Public limited corporation Quarterly Journal of Economics Recht der Finanzinstrumente Regulation Review of Banking & Financial Law Review of Finance Review of Financial Studies Regulated Market Randnummer Securities Act Supreme Court Reporter District Court for the Southern District of New York Securities Exchange Act Securities and Exchange Commission Swap Execution Facility Systematischer Internalisierer Securities Information Processor sogenannt
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24 Stan. J. L. Bus. & Fin. StGB St. Thomas L. Rev. Suffolk U. L. Rev. Sup. Ct. Trinity C. L. Rev. u.a. Uabs. U. Chi. L. Rev. UCLA L. Rev. U. Ill. J. L. Tech. & Pol’y UMIR U. Pa. J. Bus. L. U. Penn. L. Rev. U. Rich. L. Re. U.S. U.S.C. Utah L. Rev. v. Va. L. Bus. Rev Va. L. Rev. Vand. L. Rev. VHT Vol. Wake Forest J. Bus. & Intell. Prop. L. Wake Forest L. Rev. Wash. U. J.L. & Pol’y WiWo WM Wm. & Mary Bus. L. Rev. WpHG Yale J. on Reg Y. L. J. ZBB ZGR ZHR ZIP ZVglRWiss
Abkürzungsverzeichnis Stanford Journal of Law, Business and Finance Strafgesetzbuch St. Thomas Law Review Suffolk University Law Review Supreme Court von New York Trinity College Law Review unter anderem Unterabsatz University of Chicago Law Review University of California Law Review University of Illinois Journal of Law, Technology and Policy Universal Market Integrity Rules University of Pennsylvania Journal of Business Law University of Pennsylvannia Law Review University of Richmond Law Review United States/United States Reports United States Code Utah Law Review versus Virgina Law & Business Review Virginia Law Review Vanderbilt Law Review Vorhandelstransparenz Volume Wake Forest Journal of Business and Intellectual Property Law Wake Forest Law Review Washington University Journal of Law & Policy Wirtschaftswoche Wertpapier-Mitteilungen William & Mary Business Law Review Wertpapierhandelsgesetz Yale Journal on Regulation The Yale Law Journal Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaften
Einleitung „Händler der Finsternis“1, „Unterwelt der Aktienmärkte“2, „Haifischbecken“3 – mit solch düsteren Metaphern umschreiben Finanzjournalisten den intransparenten Handel von Finanzinstrumenten abseits der traditionellen Börsen. In sog. Dark Pools brauchen Anleger weder Preis und Volumen ihrer Aufträge noch ihre eigene Identität offenzulegen.4 Dark Pools sind elektronische Handelsplattformen, die häufig von einer Bank oder einem Konsortium von Banken – vor allem im Aktienhandel – betrieben werden.5 Viele Dark Pools stellen selbst keine Preise fest, sondern führen die Aufträge ihrer Nutzer zu einem bestimmten Zeitpunkt zum dann geltenden Börsenpreis zusammen.6 Während Dark Pools in der Vergangenheit vornehmlich für den Handel mit sehr großen Ordern genutzt wurden, haben sie sich im Verlauf der vergangenen zehn Jahre als Alternative zum gewöhnlichen Börsenhandel etabliert.7 Sie unterlagen aber nicht den umfangreichen regulatorischen Vorgaben, welche für die Börsen galten. Als deutsche Übersetzung bietet sich daher der Begriff der Schattenbörse an. Dass die bis 1
Stocker/Trentmann, Händler der Finsternis, Die Welt vom 24. 08. 2014, S. 11. Heismann, „Dark Pools“ – Wie alternative Plattformen den Aktienhandel bedrohen; abrufbar unter: http://www.wiwo.de/finanzen/boerse/dark-pools-wie-alternative-plattformenden-aktienhandel-bedrohen/9082884-all.html (Abruf am 12. 04. 2019). 3 Rasch, Dark Pools von CS und UBS – Willkommen im Haifischbecken; abrufbar unter: http://www.nzz.ch/finanzen/willkommen-im-haifischbecken-1.18372665 (Abruf am 12. 04. 2019). Ähnlich Clarke, 8 L. & Fin. Markets Rev. 342, 348 (2014): „sharks never sleep“. 4 O’Malley, 17 Trinity C.L. Rev. 94, 96 (2014); Buti/Rindi/Werner, 124 J. of Fin. Econ. 244, 246 (2017); Gallo, 29 Rev. of Bank. & Fin. L. 88 (2009); Mercurio, 33 Rev. of Bank. & Fin. L. 69 (2013 – 2014); FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 5; Fox/Glosten/Rauterberg, 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 40 (2017). 5 Die SEC veröffentlicht regelmäßig eine Liste von Dark Pool-Betreibern, vgl. die Alternative Trading List, Stand 31. 03. 2019, abrufbar unter: https://www.sec.gov/foia/docs/atslist. htm (Abruf vom 12. 04. 2019). Siehe ferner SEC, Regulation of NMS Stock Alternative Trading Systems, 83 Fed. Reg. 38768, 38770; Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 40 ff. Zum weiteren Begriff der Dark Liquidity siehe Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 5. 6 Übersichten bei: FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 47 Rn. 22 f.; Mo/ Paddrik/Yang, A Study of Dark Pool Trading, 2012, S. 3; Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 2015, 330, 333; Hoops, RdF 2017, 14, 15; Güllner, WM 2017, 938, 940; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 73 ff. Ein Beispiel bildet der Dark Pool von Pipeline, vgl. SEC, In the Matter of Pipeline LLC, File No. 3-14600 Rn. 22. 7 Vgl. etwa Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 29 ff.; Easthope/Ray, Dark Pools, Celent-Studie 2013, S. 8 f.; Clarke, 8 L. & Fin. Markets Rev. 342, 347 (2014). Allgemein zur Entwicklung der Aktienmärkte: Fox/Rauterberg, 42 J. Corp. L. 793, 798 ff. (2017). 2
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Einleitung
dato über ein Monopol verfügenden Börsen durch außerbörsliche Handelsplattformen Konkurrenz erhielten, lag ganz im Sinne der europäischen8 und US-amerikanischen Finanzmarktregulierer9. Der große Exodus der Anleger in den Schattenhandel hat die Regulierer diesseits und jenseits des Atlantiks jedoch aufgeschreckt. In den USA erfolgte mit dem Dodd-Frank Act eine umfangreiche (Neu-)Regulierung des Finanzmarktes. Zugleich ging die US-amerikanische Börsenaufsicht Securities Exchange Commission (SEC) ab dem Jahr 2011 gegen mehrere Betreiber von Dark Pools wegen Verstößen gegen verschiedene kapitalmarktrechtliche Vorschriften vor und verhängte teilweise umfangreiche Sanktionen.10 Auf Seiten der EU versucht man mit einem auf mehrere Gesetze verteilten Gesetzespaket den Schattenhandel möglichst weitgehend trocken zu legen. Ziel dieser Arbeit ist es, zunächst ein Verständnis für die Funktionsweise und die Bedeutung von Dark Pools im heutigen Kapitalmarkt zu schaffen. Anders als die oben zitierten Metaphern suggerieren, ist intransparenter Handel mit Finanzinstrumenten nicht per se negativ zu bewerten, sondern kann sich durchaus als effizienzförderlich erweisen. Allerdings legen verschiedene ökonomische Studien nahe, dass ein zu großer Anteil von Dark Pools am Handel in kleinen Stückzahlen Gefahren für die Effizienz des Kapitalmarkts begründen kann. Diese Gefahren werden nacheinander identifiziert und Leitlinien für eine Regulierung von Dark Pools erarbeitet (Kapitel 1). Auf der Grundlage der rechtsökonomischen Erkenntnisse werden sodann die einzelnen gesetzlichen Vorgaben des europäischen Gesetzgebers für den Handel in Dark Pools analysiert. An erster Stelle stehen die Überarbeitung der verschiedenen Handelsorte für Finanzinstrumente sowie die Einführung einer neuen Handelsplatzkategorie, der Organisierten Handelseinrichtung, durch die MiFID II (Kapitel 2). Daran schließt sich eine Untersuchung der durch die MiFIR verschärften Transparenzanforderungen an die Handelsplätze und die Systematischen Internalisierer an (Kapitel 3). Abschließend sind die verschiedenen Verhaltenspflichten, insbesondere die Verbote von Insiderhandel und Marktmissbrauch, mit Blick auf den Handel in Dark Pools zu analysieren (Kapitel 4). Im rechtsvergleichenden Pendelblick werden zudem stets die US-amerikanischen Regulierungsvorschriften analysiert und auf Unterschiede zu ihren europäischen Pendants untersucht. Allgemein im Kapitalmarktrecht, speziell aber im Bereich des Schattenhandels, erweist sich der Blick über den Atlantik als sehr erkenntnisreich. Die USA sind oftmals Ursprung und Motor neuer technischer Entwicklungen im Handel mit Finanzinstrumenten. Außerdem gilt das US-amerikanische Kapitalmarktrecht weiterhin (und zu Recht) als die Referenzrechtsordnung für Kapitalmarktregulierer weltweit. 8
Vgl. Gomber/Gsell/Lutat, Competition, 2010, S. 2 f. Ausführlich dazu: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 143 ff, 164 ff.; Colby/Sirri, 5 CMLJ 169, 181 ff. (2010). 10 Übersicht bei Freedman, 35 Rev. of Bank. & Fin. L. 150, 152 ff. (2015). 9
Einleitung
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Dark Pools sind in den letzten Jahren vor allem deswegen so rasant gewachsen, weil sich der Handel mit Finanzinstrumenten massiv verändert11 hat. Ausgestattet mit ausgefeilten Algorithmen und Glasfaserkabeln, die direkt zum Börsenrechner führen, geben sog. Hochfrequenzhändler heute die Mehrzahl der Aufträge im Handel ab und sind zu den zentralen Liquiditätsspendern avanciert.12 Diese Händler beobachten das Marktgeschehen genau und reagieren auf kleinste Preisveränderungen mit der Anpassung ihrer eigenen Aufträge.13 Institutionelle Anleger fürchten Hochfrequenzhändler und sehen Dark Pools als sicheren Hafen vor diesen an14, zumal deren Betreiber aggressiv für sich werben15. Dementsprechend lassen sich Dark Pools nicht ohne die rasante Entwicklung des Hochfrequenzhandels begreifen. Allgemein befinden sich die modernen Kapitalmärkte in einem fundamentalen Wandel, der durch den Einsatz modernster Technik geprägt ist und wird.16 Die Chancen und Risiken (eines Teils) dieses Wandels auszuloten, ist eines der zentralen Anliegen dieser Arbeit.
11 Überblick bei: Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et. al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 221 f. 12 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 2015, 191, 199; Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 993 ff. (2016) jeweils m.w.N. 13 Korsmo, 48 U. Rich. L. Rev. 2014, 523, 540; Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 2015, 191, 199; IOSOCO, CR02/11, 2011, S. 21. 14 Clarke, 8 L. & Fin. Markets Rev. 342, 347 (2014). 15 Vgl. SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 24 – 26; In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 352 (S.D.N.Y. 2015); Clarke, 8 L. & Fin. Markets Rev. 342, 348 (2014). 16 Siehe dazu Brummer, 84 Fordham L. Rev. 977, 998 ff. (2015); Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 216 ff. Von „cyborg finance“ spricht gar Lin, 60 UCLA L. Rev. 678 (2013). Einen kleinen Ausblick geben Fox/Rauterberg, 42 J. Corp. L. 793, 807 f. (2017).
Kapitel 1
Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools Welche Funktion erfüllen Dark Pools auf den modernen Kapitalmärkten? Welche Strukturen haben sie? Und welche Gefahren gehen von ihnen für die Effizienz des Kapitalmarktes aus? So lauten die drei zentralen Fragen für eine effizienzorientierte Beurteilung von Dark Pools.
A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern Ein großer deutscher Fonds möchte 100.000 Aktien einer an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Aktiengesellschaft zum Preis des aktuell besten börslichen Verkaufsangebots von 100,00 Euro pro Aktie erwerben.1 Dieses simple Ziel zu erreichen, erweist sich als ausgesprochen schwierig in einem Umfeld, das schon auf kleinste Marktbewegungen mit empfindlichen Preisveränderungen reagiert. Unser Fonds wird daher erwägen, die Aktien nicht am „hellen“ Markt, d. h. an der transparenten Börse, zu erwerben, sondern unbemerkt von allen Marktteilnehmern in einem oder mehreren Dark Pools.
I. Marktmikrostruktur von Wertpapierbörsen Dass sich eine große Order an der Börse2 oft nur mit erheblichen (Zusatz-)Kosten ausführen lässt, liegt an der Organisation und den am Handel beteiligten Händlern, der Marktmikrostruktur3 des heutigen Börsenhandels.4 1
Ein ähnliches Beispiel gibt O’Malley, 17 Trinity C. L. Rev. 94, 103 (2014). Zu Organisation und Rechtsnatur der deutschen Börse siehe Afschar-Hamdi/Lenz, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2013, S. 190 ff. 3 Zum Begriff der Marktmikrostruktur, vgl. Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 3: „Market microstructure is the branch of financial economics that investigates trading and the organization of markets.“ Aus dem deutschen Schrifttum vgl. etwa Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 17 ff.; vgl. dazu auch Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 5 ff. 4 Dieser Entwicklung schenkt die Forschung kaum Beachtung, vgl. die Kritik von Fox/ Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 196 (2015). 2
A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern
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1. Organisationsformen Wertpapierbörsen sind (Sekundär-)Märkte, auf denen Rechte an Kapital (Aktien, Anleihen, Zertifikate, usw.) gehandelt5 werden.6 Angebot und Nachfrage nach einem bestimmten Wertpapier werden zusammengeführt.7 Zwei idealtypische Organisationsformen8 sind zu unterscheiden9: In einem ordergetriebenen Handelssystem, wie der Frankfurter Wertpapierbörse, werden alle Ordern der Handelsteilnehmer in ein zentrales Orderbuch eingegeben und anschließend zusammengeführt; aus Sicht der Marktteilnehmer handelt es sich um eine Auktion existierender Vertragsabschlussmöglichkeiten.10 Die Auktion kann kontinuierlich, d. h. permanent während des gesamten Handelstags, oder periodisch, d. h. zu bestimmten Zeitpunkten, erfolgen.11 Die Marktpreise werden aus dem Ausgleich gegenläufiger Ordern ermittelt, die Preise sollen also den Ordern folgen.12 In einem quotegetriebenen Handelssystem veröffentlichen dagegen spezielle Händler, sog. Dealer, permanent verbindliche Kauf- und Verkaufskurse, sog. Quotierungen oder Kursofferten (Quotes), zu denen sie bereit sind, Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen.13 Die Ordern sollen hier den Preisen folgen.14 An vielen 5
Zum Ablauf des Handels siehe Stoll, 20 J. Econ. Perspect., 153, 154 ff. (2006). Zur Börse als Marktveranstaltung: Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, § 3 Rn. 93,105 ff.; Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al. (Hsrg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 224 ff. Siehe ferner Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 11 ff. 7 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 161; Fox/ Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 196 (2015). Dabei stellt die Transaktion des Wertpapiers nur einen Teil der Dienstleistungen dar, welche eine Börse anbietet, vgl. Böhme, Transaktionskosten, 2004, S. 14 ff. Groß unterscheidet drei wettbewerbsrechtlich relevante Märkte: Der Markt für den Handel mit Wertpapieren, der Markt für die Abwicklung des Handels und der Markt für Informationen, vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2016, § 9 BörsG Rn. 4. 8 Idealtypen deshalb, weil sich in der Praxis oft Mischformen finden, vgl. dazu Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 26. 9 Eine ausführliche Darstellung beider Prototypen findet sich bei: O’Hara, Market Microstructure Theory, 1998, S. 13 – 52; Madhaven, 47 J. of Fin. 607, 612 ff. (1992); siehe auch Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 25. 10 Gerke/Rapp, DBW 1994, 5, 7; Stoll, 20 J. Econ. Perspect., 153, 156 (2006); Klöhn, Spekulation, 2006, S. 43; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 40 ff. 11 Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 21 f.; Madhavan, 47 J. Fin. 607, 608 f. (1992); Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 127. 12 Madhavan, 47 J. Fin. 607, 608 f. (1992); Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 21; Gerke/Rapp, DBW 1994, 5, 7; Fischer/Rudolph, in: Hagen/Stein, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 2000, S. 382. 13 Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 25; Stoll, 20 J. Econ. Perspect., 153, 155 f. (2006); Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 39 f.; Gerke/Rapp, DBW 1994, 5, 7; Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 127; Klöhn, Spekulation, 2006, S. 41 f.; Mahoney/Rauterberg, The 6
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Börsen sind professionelle Marktteilnehmer dafür zuständig, Quotierungen permanent zu stellen und dadurch Ausführungsmöglichkeiten zu schaffen.15 Diese Marktteilnehmer heißen Market Makers (Marktmacher)16 oder auch Specialists17. 2. Ordertypen und ihre Bedeutung In beiden Handelssystemen gibt es zwei grundlegende Ordertypen zu unterscheiden.18 Eine Limit Order wird nur ausgeführt, sobald ein vorgegebenes Limit, i. d. R. ein festgelegter Preis, für die Ausführung erreicht wird, andernfalls verbleibt sie im Orderbuch. Die Orderausführung ist also an eine Bedingung geknüpft.19 Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um eine Kauf- oder Verkaufsorder handelt.20 Eine Limit Order schafft Ausführungsmöglichkeiten für Gegenordern und damit ein „Angebot“ an Ordern („making a price“).21 Dagegen wird eine Market Order ohne jede Bedingung zum nächstmöglichen Kurs, d. h. dem höchsten Kaufgebot oder dem niedrigsten Verkaufsgebot, gegen eine vorhandene (Limit) Order ausgeführt, stellt also die „Nachfrage“ nach vorhandenen Ordern dar („taking a price“). Kann die Limit Order im Moment der Absendung ausgeführt werden, weil ihre Bedingung (ein bestimmter Preis) erfüllt ist, spricht man von einer „marketable limit order“. Letztere werden zusammen mit den Market Ordern unter dem Oberbegriff der „marketable orders“ zusammengefasst. Kann die Limit Order dagegen nicht ausgeführt werden, wenn sie abgesendet wird, handelt es sich um eine „nonmarketable limit order“. Limit Ordern erfüllen mehrere wichtige Funktionen: Erstens ermöglichen sie die jederzeitige Ausführung von Gegenordern und damit die kontinuierliche Feststellung eines Börsenpreises.22 Zudem motivieren die permanent verfügbaren Handelsmöglichkeiten Händler dazu, ihre Finanzinstrumente zu halten, anstatt sie sofort Regulation of Trading Markets, in: Fox et al. (Hsrg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 225. 14 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 15. 15 Vgl. Haeberle, Col. Bus. L. Rev. 121, 146 ff. (2015). 16 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 12 Fn. 46 m.w.N., S. 15 f. 17 Stoll, 20 J. Econ. Perspect., 153, 158 ff. (2006); Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 494 ff.; Dolgopolov, 18 U. Pa. J. Bus. L. 651, 653 f. (2016). 18 Konziser Überblick bei Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 16 ff.; Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 10 ff. 19 Ausführlich zum Limit Order Markt: Hasbrouck, Empirical market structure, 2007, S. 118 ff. Vgl. auch McNamara, 2018 BYU L. Rev. 969, 978 (2018). 20 Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 23. 21 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 208 (2015); Hasbrouck, Empirical market structure, 2007, S. 5; Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 73. 22 So und im Folgenden: Bartlett/McCray, Dark Trading at the Midpoint, 2015, S. 1; Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 23 ff. McNamara, 2018 BYU L. Rev. 969, 978 f. (2018).
A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern
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wieder abzustoßen. Erst über Limit Ordern wird also ein funktionierender Sekundärmarkt etabliert. Funktional betrachtet handelt es sich bei Limit Ordern, die im Orderbuch verbleiben, um (kostenlose) Call-Optionen für andere Händler, da sie bei Einhaltung des Limits einen Handelsabschluss ermöglichen.23 Händler, die Limit Ordern einstellen, insbesondere die professionell agierenden Marktmacher, werden daher auch als Liquiditätsspender (liquidity provider) bezeichnet.24 Dagegen werden Händler, die Market Ordern einstellen als Liquiditätsnehmer (liquidity takers) bezeichnet.25 Das ständige Bereithalten für die eintreffenden (Limit) Ordern ist für die Liquiditätsspender nicht ohne Risiken. Neue Informationen können sich schnell am Markt verbreiten und eine Neubewertung des Kurses bewirken, sodass der für eine Limit Order gewählte Preis überholt ist.26 Stets droht die Gefahr, einem Marktteilnehmer mit überlegenem (privaten) Wissen bzgl. des wahren Werts des jeweiligen Wertpapiers zu begegnen. Dies wird als Risiko adverser Selektion bezeichnet.27 Um dem entgegenzuwirken, lassen sich die Liquiditätsspender ihre Tätigkeit über die Geld-Brief-Spanne (Bid-Ask-Spread)28 kompensieren: Sie verkaufen Wertpapiere zu einem höheren Preis, als sie zu kaufen bereit sind; die Differenz zwischen dem höchsten Verkaufsangebot und dem niedrigsten Kaufangebot stellt den Gewinn der Liquiditätsspender dar. Zahlen müssen dafür die Liquiditätsnehmer.29 Freilich dürfen Liquiditätsspender ihre Spannen im Wettbewerb um die Ausführung von Ordern nicht zu hoch ansetzen, damit Liquiditätsnehmer mit ihnen handeln.30 Sie müssen daher den Spagat schaffen, aggressiv Ausführungsmöglichkeiten für Ordern anzu23 Händler, die sich dagegen sicher für die Zukunft binden wollen, werden dagegen einen echten Optionsvertrag abschließen, mittels dessen sie einer anderen Partei das Recht zum Vertragsschluss einräumen, vgl. Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 75 f. 24 Glosten, 4 J. of Fin. 1127, 1134 f. (1994); Easley/O’Hara, 19 J. of Fin. Econ. 69, 70 ff. (1987); Bartlett/McCray, Dark Trading at the Midpoint, 2015, S. 1; von diesem Modell geht bereits aus Kyle, 53 Econometrica 1315 ff. (1985). Siehe auch Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 36 ff. 25 Hasbrouck, Empirical market structure, 2007, S. 118; Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 23 m.w.N.; Bartlett/McCray, Dark Trading at the Midpoint, 2015, S. 1. 26 Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 23 m.w.N. 27 Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 298 – 300; Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 206, 216 (2015), denen zufolge das Risiko adverser Selektion eines der Kernbestandteile zum Verständnis des heutigen Börsenhandels ist; ebenso bereits Glosten/Milgrom, 14 J. of Fin. Econ. 71, 98 (1985). Man kann auch von „Informationsrisikokosten“ sprechen, vgl. Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 40 f. Vgl. auch Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 91 f.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 91 f. 28 Der Geldkurs (bid) zeigt an, zu welchem Preis ein Handelsteilnehmer bereit ist, ein Wertpapier zu verkaufen. Dagegen zeigt der Briefkurs (ask) an, zu welchem Preis jemand bereit ist, ein Wertpapier zu kaufen. 29 Hasbrouck, Empirical market structure, 2007, S. 62; Easley/O’Hara, 19 J. of Fin. Econ. 69, 70 (1987); Bartlett/McCray, Dark Trading at the Midpoint, 2015, S. 1; zur genauen Berechnung der Einpreisung, vgl. Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 218 ff. (2015). 30 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 207 (2015).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
bieten, gleichzeitig aber ungünstige Geschäfte mit einem informierten Händler auffangen zu können.31 3. Klassische Händlertypen Damit rücken die einzelnen an der Börse vertretenen Händlertypen32 in den Fokus. Nach dem Informationsarbitragemodell33 sind, ausgehend von ihrem Informationsstand, zwei Händlertypen zu unterscheiden.34 a) Informationshändler Informationshändler35 (informed traders) suchen kontinuierlich und systematisch nach neuen Informationen, durch welche sie sich einen Informationsvorsprung gegenüber dem restlichen Markt erarbeiten können.36 Bemerken sie, dass der wahre Wert eines Finanzinstruments, der sog. Fundamentalwert, und der gegenwärtige Marktpreis divergieren, handeln sie so lange, bis beide Werte wieder identisch sind.37 Der Fundamentalwert ist ein Erwartungswert, welcher sich zusammensetzt aus den künftigen zu erwartenden Zahlungsströmen und den zu erwartenden Risiken des Finanzinstruments.38 Die kurzzeitige Differenz zwischen Fundamentalwert und Börsenpreis verschafft den Informationshändlern eine Profitmöglichkeit (Arbitra31 Ausführlich dazu: Glosten/Milgrom, 14 J. of Fin. Econ. 71, 90 f. (1985); Easley/O’Hara, 19 J. of Fin. Econ. 69, 73 (1987). 32 Der Begriff „Händlertyp“ im hier verwendeten Sinne bezieht sich allein auf die vom jeweiligen Marktteilnehmer verwendete Handelsstrategie, nicht aber auf dessen berufliche Stellung, vgl. dazu ausführlich Klöhn, Spekulation, 2006, S. 45 ff.; Haeberle/Henderson, 101 Cornell L. Rev. 1373, 1398 ff. (2016). 33 Vgl. dazu etwa Grossman/Stiglitz, 70 Am. Econ. Rev. 393 ff. (1980); vgl. auch Glosten/ Milgrom, 14 J. of Fin. Econ. 71 (1985); Kyle, 53 Econometrica 1315 ff. (1985); Easley/O’Hara, 19 J. of Fin. Econ. 69, 70 (1987); Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 723 ff. (2006); Haeberle, Col. Bus. L. Rev. 121, 139 ff. (2015). Aus dem deutschen Schrifftum: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 84 ff.; derselb, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 84 ff.; ders., Spekulation, 2006, S. 26 ff. 34 So und im Folgenden: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 84 ff.; derselb, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 84 ff., jeweils m.w.N. 35 Konzise Darstellung bei Klöhn, Spekulation, 2006, S. 46 f., 48 ff.; vgl. auch Gilson/ Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 569 ff. (1984). 36 Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 35 f.; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 354 ff; Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 723 (2006); Haeberle/Henderson, 101 Cornell L. Rev. 1373, 1398 ff. (2016). 37 Die Angleichung geschieht dadurch, dass die Liquiditätsspender die Veränderung auf einer Seite (Angebot oder Nachfrage) registrieren und in der Folge die spreads anpassen. Im quotegetriebenen System ändern die market maker die Quoten, vgl. Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 39 und Glosten/Milgrom, 14 J. of Fin. Econ. 71, 90 f. (1985). 38 Klöhn, in: KöKo, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 72 – 74; derselb, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 72 – 74 ff.
A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern
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gemöglichkeit) – sie kaufen bei Unterbewertung und verkaufen bei Überbewertung eines Finanzinstruments.39 Dies incentiviert sie zu weiteren Investitionen in die Suche und Analyse von Informationen, was dazu führt, dass der Marktpreis zügig alle öffentlich verfügbaren Informationen widerspiegelt.40 Anhand ihrer Handelsstrategie sind Informationshändler ihrerseits zu unterteilen in sog. value traders, news traders, information-oriented technical traders und Arbitrageure.41 Value traders sammeln neue Informationen über den wahren Wert, den Fundamentalwert, eines Finanzinstruments.42 Finden sie Abweichungen zum derzeitigen Börsenpreis, handeln sie.43 Auf diese Weise wird eine neue Information über den Fundamentalwert in den Preis eingearbeitet. Aus (Informations-)Effizienzsicht44 ist dieses Verhalten besonders zu begrüßen. Dementsprechend schutzwürdig ist value trading.45 News traders reagieren hingegen als erste auf neue Information und handeln so schnell wie möglich.46 Anders als value traders halten sie Positionen nur sehr kurzfristig. Es ist zweifelhaft, ob der in einer erhöhten Geschwindigkeit liegende Beitrag der news traders zur Informationsverarbeitung solche Vorteile mit sich bringt, dass man diese Form des informierten Handels als besonders wünschenswert ansehen sollte.47 Information-oriented technical traders beobachten dagegen nicht neue Informationen über den Fundamentalwert, sondern das Marktgeschehen selbst.48 Sie gehen davon aus, dass den übrigen Informationshändlern systematische Fehler unterlaufen. Diese Fehler korrigieren sie durch ihr eigenes Handelsverhalten. Arbitrageure sammeln dagegen Informationen über die Bewertung vergleichbarer Finanzinstrumente und nutzen Unterschiede zwischen denselben aus.49 Da39 Easley/O’Hara, 19 J. of Fin. Econ. 69, 73 (1987); vgl. auch Hasbrouck, Empirical market structure, 2007, S. 62; Harris, Exchanges & Trading, 2003, S. 235 ff.; Klöhn, Spekulation, 2006, S. 49; Eng/Frank/Lyn, 12 J. Int’l Bus. & L. 39, 42 (2014). 40 Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 842 ff. (2018); Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 357 f. m.w.N. 41 Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 194; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 355 f.; ders., Spekulation, 2006, S. 48 ff. 42 So und im Folgenden: Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 194; Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 826 (2018); Klöhn, Spekulation, 2006, S. 48 f. 43 Anschauliches Beispiel bei Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 837 ff. (2018). 44 Ausführlich dazu unten Kap. 1 C. I 1. b). 45 Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 837 ff. (2018). 46 So und im Folgenden: Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 194; Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 826 (2018); Klöhn, Spekulation, 2006, S. 49 f. 47 Sehr skeptisch Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 847 (2018). 48 So und im Folgenden: Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 194; Klöhn, Spekulation, 2006, S. 50. 49 So und im Folgenden: Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 194; Klöhn, Spekulation, 2006, S. 51 f.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
durch stellen sie sicher, dass Finanzinstrumente relativ zueinander richtig bewertet werden. Da jede in einer neuen Information liegende Arbitragemöglichkeit nur kurzfristig besteht, alle Informationshändler also schnell handeln müssen, wurde bis vor Kurzem angenommen, dass sie sich allein der Market Order bedienen50, um sich zwischen den übrigen Händlern zu verstecken und Gewinne einzufahren.51 Neuere Forschung52 beweist aber, dass sich Informationshändler strategisch verhalten: Ist der Wert einer Information hoch, nutzen sie die Arbitragemöglichkeit durch Market Ordern aus; nähern sich dagegen Fundamentalwert und Preis an, wechseln sie zu Limit Ordern. Betrachtet man Informationshändler nicht im Aggregat, sondern individuell, zeigt sich, dass auch sie den Markt mit neuen Ordern und Liquidität versorgen, also auf der „Angebotsseite“ tätig sind.53 b) Uninformierte Händler Den Informationshändlern gegenüber steht die Gruppe der uninformierten Händler (uninformed traders).54 Sie ist ihrerseits zu unterteilen in die sog. Noise Trader, die Utilitätshändler und die Liquiditätsspender.55 Noise Trader verfügen über keinen Informationsvorsprung, sondern nehmen diesen nur irrtümlich an.56 Dagegen suchen die Utilitätshändler den Markt überhaupt nicht nach neuen Informationen ab, sondern verfolgen eine vom Marktpreis unabhängige Strategie, wobei sie sich sowohl der Limit als auch der Market Order bedienen.57 Liquiditätsspender, wie die Marktmacher, wollen allein über die Bereitstellung von Handelsmöglichkeiten bzw. Liquidität (per Abgabe von Limit Ordern) Gewinne erzielen.58 Zwar 50 Market Order werden zudem von uninformierten Händlern genutzt, vgl. Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 38. 51 Vgl. Boulatov/George, 26 Rev. of Fin. Stud. 2095, 2099, 2105 (2013); ähnlich bereits Glosten/Milgrom, 14 J. of Fin. Econ. 71, 76 ff. (1985). 52 So und im Folgenden: Bloomfield/O’Hara/Saar, 74 J. of Fin. Econ. 165, 186 – 189 (2005). 53 Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 136; vgl. auch Klöhn, Spekulation, 2006, S. 49. 54 Ausführlich dazu Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 579 ff. (1984). Siehe auch Fox/ Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 827 (2018). 55 Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 37 f; konzise Darstellung bei Klöhn, in: KöKoWpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 87 ff.; derselb, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 87 ff..; ders., Spekulation, 2006, S. 45 f. 56 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 714 (2006); Haeberle/Henderson, 101 Cornell L. Rev. 1373, 1403 ff. (2016); Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 827 (2018). 57 Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 178 ff.; Klöhn, Spekulation, 2006, S. 44 ff.; ders., ZHR 173 (2013), 349, 357; Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 232 (2015); Haeberle/ Henderson, 101 Cornell L. Rev. 1373, 1401 ff. (2016). Zu den genauen Berechnungen der uninformierten Händler, vgl. Keim/Madhavan, 54 Fin. Anal. J. 50, 58 (1998). 58 Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 195; Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 36 – 38; Haeberle/Henderson, 101 Cornell L. Rev. 1373, 1405 ff. (2016).
A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern
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beobachten sie den Markt und passen ihre Quotierungen kontinuierlich an, dabei laufen sie jedoch Gefahr, in der kurzen Phase zwischen der Änderung des Fundamentalwerts und der Anpassung der Quotierungen durch Informationshändler übervorteilt zu werden.59 Einen Ausgleich für dieses Risiko erhalten sie, indem sie mit anderen uninformierten Händlern handeln und über die Geld-Brief-Spanne Gewinne realisieren.60 Alle uninformierten Händler legen großen Wert darauf, dass ihre jeweilige Order zu einem ihrer Handelsstrategie genehmen Preis ausgeführt wird.61 Gelangen neue Informationen an den Markt, besteht die Gefahr, dass eine bereits abgegebene Limit Order zu einem nunmehr ungünstigen Preis gegen die Order eines Informationshändlers ausgeführt wird – ihr wohnt die Gefahr einer adversen Selektion inne.62 Der Gewinn der Informationshändler bildet den Verlust der uninformierten Händler und führt zu einer Umverteilung von Wohlstand zugunsten der Informationshändler.63 Umso mehr uninformierte Händler in einem Handelssystem handeln, desto leichter kann ein Marktmacher seine Verluste gegenüber den Informationshändlern durch Transaktionen mit den (anderen) uninformierten Händlern ausgleichen; infolgedessen sinkt die Geld-Brief-Spanne.64 Gäbe es keine uninformierten Händler am Markt, erhielten zudem die informierten Händler keine Kompensation für die Informationssuche.65 Daher sind uninformierte Händler eine notwendige Voraussetzung für die Einarbeitung neuer Informationen und damit für die Informationseffizienz des Kapitalmarktes.66
59 Glosten/Milgrom, 14 J. of Fin. Econ. 71, 91 (1985); Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 829, 839 f. (2018); Haeberle/Henderson, 101 Cornell L. Rev. 1373, 1408 (2016). Zu möglichen Gegenmaßnahmen: Dolgopolov, 3 Wm. & Mary Bus. L. Rev. 1, 8 ff. (2012). 60 Haeberle/Henderson, 101 Cornell L. Rev. 1373, 1406 f. (2016). Den Mechanismus beschreiben Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 829 ff. (2018). Zur Zusammensetzung der Geld-Brief-Spanne siehe Dolgopolov, 3 Wm. & Mary Bus. L. Rev. 1, 23 ff. (2012). 61 So und im Folgenden: Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 36 ff. 62 Glosten/Milgrom, 14 J. of Fin. Econ. 71, 90 f. (1985); Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 829 (2018). Speziell zu Market Makern: Dolgopolov, 18 U. Pa. J. Bus. L. 651, 677 ff. (2016). 63 Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 37. Man kann von einem „Fluch des Gewinners“ sprechen, weil der uninformierte Händler zwar aus seiner Sicht erfolgreich handelt, tatsächlich aber übervorteilt wird, vgl. Iyer/Johari/Moallemi, Welfare Analysis, 2016, S. 3. 64 Vgl. Glosten/Milgrom, 14 J. of Fin. Econ. 71, 90 f. (1985); Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 830 (2018). 65 So und im Folgenden: Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 89 (2015). 66 Ausführlich zum Informationsparadigma: Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 357 f. Zur Informationseffizienz siehe auch unten Kap. 1 C. I. 1. c).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
4. Hochfrequenzhändler als neuer Händlertyp Zu den informierten und uninformierten Händlern gesellt sich mit den Hochfrequenzhändlern67 (high-frequency traders) ein dritter, erst vor kurzem68 aufgekommener Händlertyp hinzu.69 Hochfrequenzhändler geben heute die Mehrzahl der auf Verkauf oder Kauf gerichteten Limit Ordern ab und haben die Marktmacher weitgehend verdrängt.70 An den US-amerikanischen Börsen sind sie dadurch zu den zentralen Liquiditätsspendern avanciert.71 Ähnliches ist für den deutschen Kapitalmarkt zu konstatieren.72 Zu den wichtigsten Akteuren gehören eigenständige Händler (proprietary traders), große Banken und Hedgefonds.73 Gleichsam einem Marktmacher generieren Hochfrequenzhändler Gewinne über die Geld-Brief-Spanne.74 Aus Angst vor einer adversen Selektion versuchen sie permanent herauszufinden, ob die (anonyme) Gegenpartei ein informierter Händler ist.75 Wie der Name indiziert, nutzen Hochfrequenzhändler dafür Kommunikationsmittel, die die schnellstmögliche Sammlung von Daten über abgeschlossene Transaktionen und die gegenwärtige Orderlage erlauben.76 Diese Daten werden von 67 Ausführliche Darstellungen bei McGowan, 16 Duke L. & Tech. Rev. Rn. 14 ff. (2010); O’Hara, 116 J. of Fin. Econ. 257, 258 ff. (2015); Levens, 82 U. Chi. L. Rev. 1511, 1526 ff. (2015); Deutsche Bundesbank, high-frequency trading, Report 10/2016, S. 39 ff.; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 52 ff., 61 f. Zu den verschiedenen Formen von Algorithmen siehe Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 53 ff. 68 Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 170. Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 350 f. (2018); Abedine, 14 NYU J. L. & Bus. 595, 602 ff. (2018). Ihre Bedeutung für den Markt diskutiert Dolgopolov, 18 U. Pa. J. Bus. L. 651, 694 ff. (2016). Die Entwicklung prognostiziert bereits Stoll, 20 J. Econ. Perspect., 153, 167 ff. (2006). 69 Zu dieser Kategorisierung, vgl. Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 216 (2015). Zu den Überschneidungen von Market Making und Hochfrequenzhandel: Gomber et al., HighFrequency Trading, 2011, S. 16 ff. 70 Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 263; Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 352 (2018); Abedine, 14 NYU J. L. & Bus. 595, 597 (2018); Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 199 (2015); dies., 43 J. Corp. L. 817, 828 (2018); Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 993 ff. (2016); Deutsche Bundesbank, high-frequency trading, Report 10/2016, S. 38, jeweils m.w.N. 71 Korsmo, 48 U. Rich. L. Rev. 523, 543 f. (2014). Vgl. auch Abedine, 14 NYU J. L. & Bus. 595, 614 ff. (2018). 72 Siehe Deutsche Bundesbank, high-frequency trading, Report 10/2016, S. 50 ff. 73 Benvegna, 16 J. Int’l Bus. & L. 309, 312 f. (2017). 74 Daneben werden i. d. R. weitere Strategien verfolgt, vgl. Gomber et al., High-Frequency Trading, 2011, S. 26 ff. 75 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 208 (2015), die treffend von einem Katz-undMaus Spiel sprechen. 76 Kasiske, WM 2014, 1933, 1933 f.; Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al., Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 264; Abedine, 14 NYU J. L. & Bus. 595, 600 f. (2018); Mattig, WM 2014, 1940 f.
A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern
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einem Computeralgorithmus verarbeitet, der die Aufträge der Hochfrequenzhändler in Sekundenbruchteilen anpasst77 – es handelt also nicht mehr der Mensch, sondern die Maschine. Im Jahr 2013 brauchte ein Hochfrequenzhändler an der Frankfurter Wertpapierbörse nur 0,00025 Sekunden (0,25 Millisekunden), um eine Transaktion zu initiieren und sogleich abzuschließen!78 Zum Vergleich: Ein menschlicher Wimpernschlag dauert durchschnittlich 100 Millisekunden. In diesen enorm kurzen Zeiträumen können Hochfrequenzhändler ihre eingegebenen Ordern rasch wieder löschen oder verändern; der Großteil ihrer Ordern kommt nie zur Ausführung.79 Zudem halten Hochfrequenzhändler Positionen in Finanzinstrumenten oftmals nur über Sekunden. Am Ende eines jeden Handelstages wollen sie möglichst glatte Positionen halten, um nicht über Nacht dem Risiko einer negativen Preisveränderung ausgesetzt zu sein. Das europäische Kapitalmarktrecht stellt zur Definition des Hochfrequenzhandels auf die Merkmale einer ausgefeilten Infrastruktur für kurze Latenzzeiten, automatisierter Orderentscheidungen und eines hohen Auftragsvolumens ab, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 40 MiFID II80. Die SEC nutzt einen weitgehend inhaltsgleichen Test, welcher zusätzlich das Element der Positionsglattstellung am Ende des Handelstages beinhaltet.81
77 Korsmo, 48 U. Rich. L. Rev. 523, 540 (2014); Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 199 (2015) m.w.N. Einzelne Algorithmen stellt vor Brummer, 84 Fordham L. Rev. 977, 1002 f. (2015). 78 Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 132. Noch schneller geht es in den USA, siehe Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 172. 79 So und im Folgenden: IOSOCO, Regulatory Issues, CR02/11, 2011, S. 21 (mit einer ausführlichen Aufzählung aller Typenmerkmale des Hochfrequenzhandels); Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 172 f. 80 Art. 4 Abs. 1 Nr. 40 MiFID II lautet: „hochfrequente algorithmische Handelstechnik“ eine algorithmische Handelstechnik, die gekennzeichnet ist durch a) eine Infrastruktur zur Minimierung von Netzwerklatenzen und anderen Verzögerungen bei der Orderübertragung (Latenzen), die mindestens eine der folgenden Vorrichtungen für die Eingabe algorithmischer Aufträge aufweist: Kollokation, Proximity Hosting oder direkter elektronischer Hochgeschwindigkeitszugang, b) die Entscheidung des Systems über die Einleitung, das Erzeugen, das Weiterleiten oder die Ausführung eines Auftrags ohne menschliche Intervention, und c) ein hohes untertägiges Mitteilungsaufkommen in Form von Aufträgen, Quotes oder Stornierungen;“ 81 Siehe SEC, Concept Release on Equity Market Structure, 75 Fed. Reg. 3594, 3606 (Jan. 21, 2010): „(1) The use of extraordinarily high-speed and sophisticated computer programs for generating, routing, and executing orders; (2) use of co-location services and individual data feeds offered by exchanges and others to minimize network and other types of latencies; (3) very short time-frames for establishing and liquidating positions; (4) the submission of numerous orders that are cancelled shortly after submission; and
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Prima facie sind Hochfrequenzhändler uninformierte Liquiditätsspender.82 Anders als klassische Liquiditätsspender wie die Marktmacher sind Hochfrequenzhändler aber nicht verpflichtet, permanent Liquidität bereitzustellen, sondern sie können diese sehr schnell wieder abziehen.83 Durch den Einsatz ausgefeilter Algorithmen84 sind sie zudem in der Lage, schneller als jeder andere Marktteilnehmer auf mögliche einer Order innewohnende Informationen sowie eine neue Orderlage zu reagieren. Sie können daher als sehr schnelle Arbitrageure agieren.85 Von den klassischen Informationshändlern unterscheiden sich Hochfrequenzhändler insofern, als sie selbst keine aufwendige Suche nach neuen fundamentalwertbezogenen Informationen über das jeweilige Finanzinstrument betreiben. Eine Ähnlichkeit besteht allenfalls insoweit, als manche Hochfrequenzhändler ein sehr schnelles news trading betreiben.86 Zumeist spüren Hochfrequenzhändler aber mittels ihrer Algorithmen Informationen anderer Händler auf und nutzen diese und für ihren eigenen Handel aus.87 Ob die Information zutreffend ist, überprüfen sie nicht.88 Daher lassen sie sich als „abgeleitet informierte“89 Händler bezeichnen. Zwar tragen sie durch ihren Handel dazu bei, dass die neue Information rasch in den Marktpreis eingearbeitet wird.90 Sie nehmen den klassischen Informationshändlern aber Arbitragemöglichkeiten weg, sodass diese weniger Anreiz haben, aufwendig nach neuen Informationen zu suchen.91 Teilweise werden Hochfrequenzhändler gar als structural insider beschrieben und dem klassischen Unternehmensinsider (5) ending the trading day in as close to a flat position as possible (that is, not carrying significant, unhedged positions over-night).“ Yadav nennt drei charakteristische Merkmale: Elektronische Niederlassungen am Börsenrechner (co-location), schneller Informationsempfang und automatisierte Datenverarbeitung, vgl. Yadav, 56 Wash. U. J.L. & Pol’y 2018, 133, 134 f. (2018). 82 Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 993 ff. (2016); dies., 68 Vand. L. Rev. 1607, 1622 ff. (2015); Dolgopolov, 18 U. Pa. J. Bus. L. 651, 659, 695 f. (2016). Allgemein zu Liquiditätsspendern: Klöhn, KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 90 f.; derselb, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 90 f., jeweils m.w.N. 83 Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 174; Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 357 (2018). 84 Dazu Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 53. 85 Vgl. Vazquez, 17 Wake Forest J. Bus. & Intell. Prop. L. 151, 158 (2017); Abedine, 14 NYU J. L. & Bus. 595, 616 ff. (2018). Ähnlich Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 358 (2018). 86 Deutsche Bundesbank, high-frequency trading, Report 10/2016, S. 41 ff. 87 Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 1024 f. (2016). 88 Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 387 (2018). 89 Zum „derivatively informed trader“ vgl. bereits Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 572 ff. (1984). 90 Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 1024 (2016); dies., 68 Vand. L. Rev. 1607, 1646 ff. (2015); Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 361 ff. (2018) m.w.N. 91 Yadav, 68 Vand. L. Rev. 1607, 1659 ff. (2015); dies., 63 UCLA L. Rev. 968, 1024 f. (2016).
A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern
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gleichgestellt.92 Ganz gleich ob man diese Einschätzung teilt, sollte man sie jedenfalls nicht als uninformierte Händler ansehen, sondern sie einer eigenen Kategorie zuweisen.93
II. Arten von Informationen Sowohl Informationshändler als auch Hochfrequenzhändler nutzen neue Informationen als Arbitragemöglichkeiten. Zwei Informationsarten sind zu unterscheiden. 1. Fundamentalwertbezogene Informationen Fundamentalwertbezogene Informationen beziehen sich auf das jeweilige Finanzinstrument selbst.94 Indem sie die bisherige Informationslage verändern, führen sie zu einer Neubewertung des Finanzinstruments. Solange der Börsenpreis den neuen Fundamentalwert nicht widerspiegelt, können Informationshändler die Differenz zwischen den beiden Werten ausnutzen. Fundamentalwertbezogene Informationen werden vor allem durch den Emittenten selbst im Wege der Regelpublizität und der Ad-hoc-Publizität veröffentlicht, vgl. Art. 17 Abs. 1 S. 1 MAR. 2. Handelsbezogene Informationen Handelsbezogene Informationen betreffen nicht die Bewertung des Finanzinstruments, sondern dessen Handelsbedingungen, insbesondere die Preise und Mengen der Transaktionswünsche sowie die Ordergrößen und das gesamte Handelsvolumen.95 Auch sie eröffnen Arbitragemöglichkeiten: Weiß ein Informationshändler davon, dass ein Fonds 100.000 Aktien verkaufen will, kann er einen Kursverfall prognostizieren. Dies kann er ausnutzen, indem er vor der Ausführung der großen Order seine Aktien zum gegenwärtigen Börsenpreis (leer-)verkauft und später billig zurückkauft.96 Handelsbezogene Informationen werden nicht vom Emittenten, sondern von den Betreibern des jeweiligen Handelsplatzes veröffentlicht, vgl. Art. 13 MiFIR. 92
Ausführlich Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 971 (2016); dies., 56 Wash. U. J.L. & Pol’y 2018, 133, 134 (2018). 93 Vgl. Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 1015 (2016). Vor einer falschen Einordnung als uninformierte Market Maker warnt Dolgopolov, 18 U. Pa. J. Bus. L. 651, 702 (2016). 94 So und im Folgenden: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 150 ff.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 160 ff. 95 Hartmuth, Institutioneller Wandel, 2004, S. 88; Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 151, 268; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 162, 291. 96 Vgl. Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 278 f.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 301 f.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
III. Transparenz und Transaktionskosten Der Begriff der Transparenz beschreibt den Umfang, in welchem fundamentalwertbezogene und handelsbezogene Informationen am Kapitalmarkt veröffentlicht werden.97 Je stärker die handelsbezogene Transparenz ausgeprägt ist, desto besser können andere Händler eine große Order aufspüren98 und desto stärker wird die Versuchung für Blockhändler, in einem Dark Pool zu handeln. Daher ist die Handelstransparenz der Schlüssel zum Verständnis der Funktionsweise von Dark Pools und steht im Fokus dieser Untersuchung. 1. Vor- und Nachhandelstransparenz Es sind Vorhandelstransparenz und Nachhandelstransparenz zu unterscheiden. Die Vorhandelstransparenz versetzt die Marktteilnehmer in die Lage, die gegenwärtigen Aufträge einzusehen und dadurch den Orderstrom erkennen und abschätzen zu können.99 Sie setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Es sind der aktuelle Geld- und Briefkurs anhand des höchsten Kaufangebots und der niedrigste Verkaufsangebots des jeweiligen Finanzinstruments anzuzeigen. Zusätzlich muss das zu diesen Preisen handelbare Volumen veröffentlicht werden. Die Nachhandelstransparenz betrifft dagegen die Veröffentlichung von Informationen über tatsächlich getätigte Geschäfte, konkret deren Zeitpunkt, Volumen und Marktpreis.100 2. Transparenzvorgaben in quote- und ordergetriebenen Systemen Die Handelstransparenzvorgaben sind in quote- und ordergetriebenen Systemen teilweise unterschiedlich ausgestaltet. a) Ähnliche Vorhandelstransparenz Hinsichtlich der Vorhandelstransparenz bestehen zwischen einem order- und einem quotegetriebenen Handelssystem kaum relevante Unterschiede: Ein ordergetriebenes Handelssystem basiert i. d. R. auf einem offenen Orderbuch, welches allen Marktteilnehmern Zugang zu den marktrelevanten Informationen, vor allem
97
Hartmuth, Institutioneller Wandel, 2004, S. 88. Gomber/Sagade/Theissen/Westheide, 31 J. of Econ. Surveys 2017, 792, 796 f. 99 So und im Folgenden: Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 31 g WpHG Rn. 4 ff. 100 Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 436 ff.; Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 19; Liersch, Blockhandel, 2002, S. 73; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 208 ff; Hartmuth, Institutioneller Wandel, 2004, S. 88 f. 98
A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern
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den eingegebenen Limit Order gewährt.101 Zu veröffentlichen waren und sind die fünf besten Geld- und Briefkurse, die Zahl der dazu abgegebenen Ordern und die Volumina der fünf besten Ordern auf Kauf- und Verkaufsseite, vgl. Art. 17 Abs. 2 DVO-MiFID a.F.102 und Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Tabelle 1 von Anhang I zur Delegierten Verordnung (EU) 2017/587. In einem quotegetriebenen Handelssystem sind dagegen für das jeweilige Wertpapier die besten Quotierungen jedes Marktmachers zu veröffentlichen.103 Die Quotierungen lassen sich als Äquivalent der Limit Ordern in einem ordergetriebenen System ansehen.104 b) Unterschiedliche Nachhandelstransparenz Dagegen ist die Nachhandelstransparenz in den beiden Handelssystemen sehr unterschiedlich ausgestaltet. In einem ordergetriebenen Handelssystem hat der Marktbetreiber ein Interesse daran, Auskunft über die Zahl und das Volumen der geschlossenen Transaktionen zu geben, denn nur mit diesen Informationen kann er weitere Anleger zum Handel motivieren.105 Daher wird er die geschlossenen Geschäfte veröffentlichen und für ein hohes Niveau an Nachhandelstransparenz sorgen. Ein Marktmacher bzw. generell ein Eigenhändler (Dealer) will hingegen erworbene Wertpapiere nur kurzfristig halten und seine Bestände über Gegengeschäfte glattstellen.106 Muss er seine Transaktionen veröffentlichen, können andere Marktteilnehmer seine Bestände einsehen und daraus Schlussfolgerungen für sein zukünftiges Verhalten am Markt ziehen. Letztere können strategisch reagieren, sodass die Transaktionskosten für den Marktmacher steigen. Aus diesem Grund ist die Nachhandelstransparenz in einem quotegetriebenen Handelssystem schwach ausgeprägt.107
101 Hartmuth, Institutioneller Wandel, 2004, S. 89; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/ Rudolph/Baun, Börsenreform, 1997, S. 208; Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 19. 102 Dazu Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 31 g WpHG Rn. 5. Für die Börsen vgl. Beck/Röth, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 30 BörsG Rn. 12 ff. 103 Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 31 g WpHG Rn. 5. Für die Börsen vgl. Beck/Röth, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 30 BörsG Rn. 14. 104 Hartmuth, Institutioneller Wandel, 2004, S. 83, 89; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 40. 105 So und im Folgenden: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 209; Hartmuth, Institutioneller Wandel, 2004, S. 89. 106 So und im Folgenden: Fischer/Rudolph, in: Hagen/Stein, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 2000, S. 383; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 84 f.; Kumpan, Regulierung, S. 40 m.w.N. 107 Vgl. Dolgopolov, 18 U. Pa. J. Bus. L. 651, 681 ff. (2016).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
3. Positive Effekte von Transparenz Aus ökonomischer Sicht ist ein hoher Grad an Handelstransparenz positiv zu bewerten, denn er verringert die Transaktionskosten der Marktteilnehmer. Handelswillige brauchen nicht in die aufwendige Suche nach einer Gegenpartei und einen passenden Ausführungsort zu suchen (Suchkosten).108 Zudem verringert die Preisfeststellung an der Börse die Kosten der Einigung über die Vertragsmodalitäten erheblich (Einigungskosten). Ferner begünstigt ein hohes Maß an Transparenz die schnelle Verbreitung und Einarbeitung neuer Informationen in den Preis (durch die Informationshändler).109 Dadurch können auch jene Inhaber von Finanzinstrumenten, die selbst nicht an der Börse handeln, den Wert ihrer Investition jederzeit feststellen.110 Zuletzt ermöglicht erst ein hoher Grad an Handelstransparenz, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihrer Pflicht zur bestmöglichen Ausführung nachkommen und ihre Kunden sie umgekehrt effektiv überwachen können.111 4. Transparenz und Marktbeeinflussungskosten So segensreich ein hoher Grad an handelsbezogener Transparenz insbesondere für die Informationshändler ist, so sehr ist er ein Fluch für Händler mit großen Ordern – sog. Blockordern. a) Zur Einstufung als Blockorder Im Aktienhandel wird eine Blockorder definiert als eine große, nicht kontrollrelevante Beteiligung.112 Wo genau die Grenze zu einer gewöhnlichen „kleinen“ Order verläuft, wird unterschiedlich beurteilt.113 Da die Preiseffekte vom Verhältnis eines Auftrages zum durchschnittlichen Tagesumsatz des jeweiligen Wertpapiers abhängen, muss man mit relativen Größen arbeiten; in Betracht kommt vor allem das Verhältnis zwischen dem Volumen der Blockorder zum Volumen des gewöhnlichen
108 So und im Folgenden: Rudolph/Röhrl, Grundfragen in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 206. 109 Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, Teilband 1, 1995, S. 156. Zum Verhältnis von Transparenz und Informationsverarbeitung sowie Informationseffizienz sogleich. 110 Zur Ad-hoc-Publizität, vgl. Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor § 15 Rn. 42. 111 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudoplh/Baum, Börsenreform, 1997, S. 259; zum Informationsrisiko des Kunden, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 96 – 98. Beck/Röth, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 30 BörsG Rn. 2. 112 Die Ordervolumina sind deutlich größer als die sonst üblichen Tagesumsätze der gehandelten Wertpapiere, vgl. Gerke/Rasch, Die Bank 1992, 193 ff; einen Überblick über weitere Kriterien zur Qualifizierung einer Transaktion als Blocktransaktion gibt: Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, Teilband 1, 1995, S. 44. 113 Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 44.
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täglichen Handels.114 Eine gewisse Orientierung für die Größenordnungen bietet – zumindest auf dem sehr liquiden US-amerikanischen Kapitalmarkt – Rule 127.10 der NYSE115. Danach liegt die Mindestgrenze einer Blockorder bei 10.000 Aktien oder einem Wert von mindestens $ 200.000 – je nachdem, welcher Wert geringer ist. Nach oben ist die Blockorder darüber hinaus abzugrenzen vom Pakethandel, welcher eine strategische Beteiligung an einem Unternehmen zum Ziel hat und die besonderen Meldepflichten des WpHG auslöst.116 Da laut § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG n.F. die erste Schwelle zur Meldepflicht bei einem Beteiligungserwerb von 3 % überschritten wird, bietet es sich im deutschen Recht an, dort die Grenze zwischen Blockhandel und Pakethandel zu ziehen.117 b) Marktbeeinflussungskosten im Auktionsmarkt Gibt ein Blockhändler seine große Order in ein offenes Orderbuch ein,118 bewirkt allein dieser Akt eine Veränderung des Preises – es kommt zu einem adversen Preiseffekt.119 Im Vergleich zur atomistischen Order eines Privatinvestors steigen die Ausführungskosten für den Blockhändler erheblich an. Diesen Effekt umschreiben die synonym verwendeten Begriffe der Marktbeeinflussungskosten (market impact cost)120 und des Preis-Mengen-Effekts121. Die Marktbeeinflussung tritt aus zwei Gründen122 ein: Erstens muss die gesamte Blockorder gegen die gegenläufigen Limit Ordern im Orderbuch ausgeführt wer114 Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 44 f. Zu den verschiedenen möglichen Kriterien vgl. Holthausen/Leftwich/Mayers, 19 J. of Fin. Eco. 237, 244 (1987); Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, Teilband 1, 1995, S. 44 m.w.N. 115 NYSE Rule 127.10 lautet: „Definition of a Block. – For the purposes of this Rule, a block shall be at least 10,000 shares or a quantity of stock having a market value of $200,000 or more, whichever is less, which is acquired by a member organization on its own behalf and/or for others from one or more buyers or sellers in a single transaction.“ 116 Ausführlich zur Abgrenzung: Liersch, Blockhandel, 2002, S. 30 f.; Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel; Teilband 1, 1995, S. 44 ff.; vgl. auch Wastl, NZG 2000, 505, 506. 117 Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2014, § 14 Rn. 168 (mit Blick auf die Vorgängervorschrift des § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG a.F.). 118 Dieses Szenario untersuchen Murgia/Pinnab/Gottardoc/Bossettid, 59 IREF, 174 (2019). 119 Ausführlich: Keim/Madhavan, 54 Fin. Analy. J. 50, 52 ff. (1998); Holthausen/Leftwich/ Mayers, 19 J. of Fin. Econ. 237, 240, 264 (1987). Siehe auch Kasiske, BKR 2015, 454, 455. 120 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 172 f; Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 35 ff.; Liersch, Blockhandel, 2002, S. 58 ff; Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 43; Keim/Madhavan, 54 Fin. Anal. J. 50, 52 ff. (1998); Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 50 f. 121 Hartmuth, Institutioneller Wandel von Börsen, 2004, S. 80; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 76 f. 122 Man kann diese Gründe noch weiter ausdifferenzieren und zwischen sechs Effekten unterscheiden, grundlegend sind jedoch der Ablauf des Handels und die Informationsvermutung, vgl. Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 38. Vgl. auch Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 46 ff.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
den.123 Da keine der limitierten Ordern an der Spitze des Orderbuchs ausreicht, um die große Order komplett auszufüllen, muss die Blockorder gegen zusätzliche Gegenordern ausgeführt werden. Sind auch diese Gegenordern verbraucht, müssen weitere hinzukommen, die wiederum höher bzw. niedriger liegen als die vorherige Gegenordern – die Blockorder „frißt sich“124 durch das Orderbuch. Sie schafft dadurch ein starkes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage; dies führt zu einem erheblichen Preisverfall bei einer Verkaufsorder und einem erheblichen Preisanstieg bei einer Kauforder.125 Der zweite Grund für die bei einer Blocktransaktion eintretende Verteuerung liegt im sog. Informationseffekt126. Andere Marktteilnehmer orientieren sich in ihrem Marktverhalten an großen Transaktionen, denn sie vermuten dahinter eine neue, bisher unbekannte Information, welche nunmehr den Markt erreicht und zu einer baldigen Preisveränderung führen wird. Man spricht auch von einer mittelbar fundamentalwertbezogenen Information.127 Sie veranlasst die übrigen Marktteilnehmer dazu, ihre bisherige Bewertung des Wertpapiers und ihr Orderverhalten zu ändern.128 Wenn z. B. ein marktbekannter institutioneller Anleger wie der eingangs genannte deutsche Fonds einen Auftrag zum Kauf von 100.000 Aktien in ein System eingibt, werden die restlichen Marktteilnehmer unterstellen, jener Anleger gehe von einer positiven Wertentwicklung der entsprechenden Aktie aus.129 In der Folge werden sie versuchen, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, mehr noch, ihm vorauszufahren: Bei einem Blockkaufauftrag werden sie sich ebenfalls mit diesen Aktien eindecken, indem sie leicht bessere Limit Kaufordern eingeben als der Blockhändler; bei einem Blockverkaufsauftrag werden sie ebenfalls verkaufen oder ihre Kaufaufträge niedriger limitieren.130 Dies wird als Front Running131 bezeichnet. Befürchten die übrigen 123
So und im Folgenden: Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 39. Liersch, Blockhandel, 2002, S. 59 (sic); zu den spieltheoretischen Hintergründen, vgl. Gerke/Rasch, Die Bank 1992, 193, 194. 125 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 59; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 78 f. 126 Ausführlich dazu: Kraus/Soll, 27 J. of Fin. 569, 587 (1972); Gerke/Rasch, Die Bank 1992, 193, 194 f.; Holthausen/Leftwich/Mayers, 19 J. of Fin. Econ. 237, 240, 264 (1987); Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, Teilband 1, 1995, S. 156; Easley/O’Hara, 19 J. of Fin. Econ. 69, 82 ff. (1987); O’Malley, 17 Trinity C.L. Rev. 2014, 94, 103; vgl. auch Petrescu/ Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 17 f.; Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 43 f.; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 79 f. 127 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 154. 128 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 63. Vgl. auch Schlag/Mönch/Schurba, in: Bessler (Hrsg.), FS H. Schmidt, 2009, S. 109; SEC, In the Matter of Pipeline LLC, File No. 3-14600 Rn. 14 f. 129 Ein ähnliches Beispiel gibt: Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 6. 130 Holthausen/Leftwich/Mayers, 19 J. of Fin Econ. 237, 240 und 264 (1987); Stenzel, Außerbörslicher Handel, Teilband 1, 1995, S. 157; Liersch, Blockhandel, 2002, S. 63. 131 Ende/Muntermann, MKWI 2010, 1899 f.; Kasiske, BKR 2015, 454, 455. Allgemein zum Front Running: Kumpan, Der Interessenkonflikt, 2014, S. 341 ff., 472. 124
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Marktteilnehmer einen erheblichen Informationsnachteil gegenüber dem Blockhändler, werden sie keine Gegenposition zu diesem einnehmen und damit die sofortige Ausführung der Blockorder erschweren.132 Dies gilt insbesondere für die Hochfrequenzhändler, welche mittels ihrer Technologie kleinste Veränderungen der Orderlage aufspüren können.133 Falls sich die Erwartungen dieser Marktteilnehmer nicht erfüllen, also keine neue Information hinter der Blockorder stand, kehrt der Preis für das Wertpapier wieder zum Fundamental- und Ausgangswert zurück; diese Anpassung kommt für den Blockhändler jedoch zu spät, weil seine Order dann bereits ausgeführt worden ist.134 c) Marktbeeinflussungskosten im Market Maker System Marktbeeinflussungskosten treten nicht nur in einem ordergetriebenen, sondern auch in einem quotegetriebenen Handelssystem auf.135 Ein Marktmacher oder Eigenhändler ist nicht bereit, größere Blöcke an Finanzinstrumenten zu handeln, weil er ständig zweiseitige Kurse anbieten muss und nicht Gefahr laufen will, eine größere Position aufzubauen, welche er nur mit großem Aufwand wieder verringern kann.136 Daher gelten seine Quotierungen nicht für große Transaktionen. Der Blockhändler muss infolgedessen seine Blockorder in kleinere Ordern aufspalten und gegen die einzelnen Quotierungen des Marktmachers ausführen lassen. Die Vielzahl an kleinen Aufträgen und der damit verbundene Aufbau einer Position auf Seite des Marktmachers evoziert jedoch eine Anpassung der Quotierungen zulasten des Blockhändlers.137 Zugleich dienen die vom Marktmacher veröffentlichen Quotierungen den übrigen Marktteilnehmern als Orientierung. Eine deutliche Veränderung der Quotierungen infolge eines Blockhandels fassen sie als Signal für neue Informationen auf.138 Ferner können sie unterstellen, dass der Marktmacher seine Position glattstellen wird, was ihnen strategische Reaktionen erlaubt.139 d) Informierte und uninformierte Blockhändler Der klassische Blockhändler ist ein uninformierter Händler, z. B. ein Index-Fonds, welcher sich nie von neuen Informationen, sondern allein von bestimmten Anla132
Gerke/Rasch, Die Bank 1992, 193, 194 f.; Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 38 f. Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 9 ff. 134 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 63. 135 Konzise Beschreibung bei: Stenzel, Außerbörslicher Handel, Teilband 1, 1995, S. 157. 136 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 70; Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 323 ff.; Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 228 f. 137 Liersch, Blockhandel, 2002. S. 70 spricht von einer Risikoprämie. 138 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 71; Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 324 f. 139 Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 41. 133
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
gerichtlinien leiten lässt.140 Es gibt aber auch informierte Blockhändler, beispielsweise aktiv gemanagte Fonds. Diese investieren in die kontinuierliche Suche nach neuen Informationen zur Berechnung des Fundamentalwerts von Finanzinstrumenten. Der Begriff des Blockhändlers darf also nicht mit jenem des uninformierten Händlers gleichgesetzt werden! Vielmehr können auch Informationshändler eine Blockorder aufgeben und dadurch unter einem hohen Grad an Handelstransparenz leiden.141 5. Verschärfungen durch die Hochfrequenzhändler Das Verhältnis von Handelstransparenz und Transaktionskosten hat sich durch den rasanten technologischen Wandel der letzten Jahre und das Aufkommen der Hochfrequenzhändler erheblich verändert.142 Zwei von diesem Händlertyp verfolgte Handelsstrategien stehen besonders im Fokus der Diskussion143 und sind mitunter für das massive Wachstum des Handels in Dark Pools verantwortlich.144 a) Elektronisches Front Running Die erste Handelsstrategie wird als elektronisches Front Running145 bezeichnet. Hinter diesem Begriff verbergen sich diverse Verhaltensweisen, welche alle auf dem Ausnutzen technologischer Überlegenheit beruhen.146 Hochfrequenzhändler haben Vereinbarungen über sog. co-location facilities (elektronische Niederlassungen147/ Kolokation) mit den Börsen abgeschlossen.148 Danach gestatten die Börsen den Hochfrequenzhändlern, eigene Computer direkt neben der Matchingmaschine der Börse zu installieren. Auf diese Weise erfahren Hochfrequenzhändler schneller als jeder andere Marktteilnehmer von den an der Börse vorhandenen Ordern bzw. Quotierungen und abgeschlossenen Transaktionen. Dadurch dass die co-locations an 140
So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 232 (2015). Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 38. 142 Ausführlich dazu: Gomber et al., High-Frequency Trading, S. 6 ff; Clarke, L. & Fin. Markets Rev. 2014, 342, 343 ff.; Parkes/Thorpe/Li, Achieving Trust, 2015 S. 1 f. 143 Vgl. Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 2015, 191, 226 ff, 238 ff. 144 Konziser Überblick über die verschiedenen Handelsstrategien von Hochfrequenzhändlern bei: Korsmo, 48 U. Rich. L. Rev. 2013/14, 523, 543 – 549. 145 Fox/Glosten/Rauterberg, 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 32 (2017). Ausführlich zum Front Running: Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 245 – 251. 146 Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 2016, 256, 261; Lin, 66 Emory L.J. 1253, 1290 f. (2017); Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 132 ff. 147 Der Begriff der co-location lässt sich nur schwer ins Deutsche übersetzen. Daher wird im Folgenden der englische Begriff verwendet. 148 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 2015, 191, 201; Abedine, 14 NYU J. L. & Bus. 595, 623 f. (2018). Siehe auch Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 2016, 256, 267; Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 996 – 998 (2016); dies., 56 Wash. U. J.L. & Pol’y 2018, 133, 141 f. (2018); Lin, 66 Emory L.J. 1253, 1290 f. (2017). Vgl. auch Mattig, WM 2014, 1940 f. 141
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den einzelnen Handelsplätzen über Glasfaserkabel miteinander verbunden sind, können Hochfrequenzhändler kleinste Preisveränderungen an jeder Börse aufspüren und darauf reagieren. Wird nun eine Blockorder aufgespalten und an verschiedenen Börsen ausgeführt, sind die Hochfrequenzhändler in der Lage, die Verschiebung der Orderlage an einer Börse zu detektieren, dadurch Rückschlüsse auf die sich an anderen Börsen anbahnende neue Orderlage zu ziehen und dieser durch Abschluss entsprechender Gegengeschäfte vorauszulaufen.149 Fox/Glosten/Rauterberg150 geben ein einprägsames Beispiel: Ein Fonds gibt simultan eine Market Order zum Kauf von 10.000 Aktien in das Handelssystem BATS Y sowie eine Market Order zum Kauf von 35.000 Aktien in das Handelssystem NASDAQ, ein. Beide Ordern treffen aber nicht gleichzeitig in den beiden Handelssystemen ein, sondern zu um Millisekunden verschiedenen Zeitpunkten. In dem Moment, in dem die erste Order, jene über den Kauf von 10.000 Aktien, im System von BATS Y ausgeführt wird, lernt der Hochfrequenzhändler, der dort eine elektronische Niederlassung hat, dass offenbar ein Blockhändler unterwegs ist und es wahrscheinlich ist, dass an anderen Börsen gleichlautende Order abgegeben worden sind. Die co-location bei BATS Y versendet nun an die co-location bei NASDAQ eine Mitteilung. In deren Folge verändert der Hochfrequenzhändler seine Limit Ordern im Handelssystem von NASDAQ, z. B. indem er den Preis einer Verkaufsorder von $ 148,00 auf $ 148,02 erhöht. Dies alles geschieht in einem so kurzen Zeitintervall, dass die Order des Blockhändlers erst nach der Veränderung der Limit Ordern des Hochfrequenzhändlers im System von NASDAQ eintrifft. Stellt die Verkaufsorder von $ 148,02 des Hochfrequenzhändlers dann die beste Gegenorder für die Order des Blockhändlers dar, wird dessen Market Order dagegen ausgeführt. Der Blockhändler muss dadurch $ 0,02 pro Aktie mehr bezahlen als er bezahlt hätte, wenn der Hochfrequenzhändler die Blockorder nicht aufgespürt hätte. Gibt der Blockhändler eine Limit Order ein, kann der Hochfrequenzhändler darauf reagieren, indem er seinerseits eine Limit Order auf der gleichen Marktseite abgibt, die leicht über bzw. unter dem Preis der großen Limit Order liegt. Er spekuliert dann darauf, dass die große Limit Order des Blockhändlers ausgeführt wird und sich deswegen der Preis ändern wird. Bayram/Meier geben folgendes Beispiel: Der Blockhändler gibt eine große (verdeckte) Kauforder zum Preis von 5,23 Euro ein.151 Der Hochfrequenzhändler entdeckt die Order und gibt seinerseits eine limitierte Kauforder zum Preis von 5,24 Euro ein. Dabei spekuliert er darauf, dass eine große Verkaufsorder sowohl gegen seine eigene Order als auch gegen die Blockorder
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Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 60 f., 156 f.; Kasiske, BKR 2015, 454, 455 f.; Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 262 (2016). 150 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 228 f. (2015). Siehe auch Fox/Glosten/Rauterberg, 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 32 (2017). 151 So und im Folgenden: Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1296.
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ausgeführt werden wird und sich daher der Preis ändern wird. Diese Handelsstrategie wird als Quote Matching bezeichnet.152 Dem Hochfrequenzhändler beschert ein solches Verhalten Gewinne. Zugleich trifft sie uninformierte und informierte Blockhändler gleichermaßen. Auch ein informierter Händler kann sich, wenn er eine große Order auf mehrere Systeme verteilt, nicht dagegen wehren, dass ein Hochfrequenzhändler mittels seines Systems Rückschlüsse zieht und die Ausführung der Blockorder über eine Veränderung der Limit Ordern verteuert.153 Diese Form des Orderantizipierens154 erhöht den Druck auf Blockhändler nochmals. b) Slow-Market Arbitrage In den USA muss jede Börse das niedrigste Verkaufsangebot und das höchste Kaufangebot an das nationale Reportsystem melden, damit letzteres allen Marktteilnehmern die derzeit beste national verfügbare Ausführungsmöglichkeit anzeigen kann, vgl. Rule 602(a) und Rule 603(b) Reg. NMS.155 Preisveränderungen an einzelnen Börsen werden jedoch nicht sofort, sondern erst nach einer kurzen Zeitspanne durch das nationale Reportsystem angezeigt.156 Genau diese kurze Zeitspanne machen sich die Hochfrequenzhändler zunutze. Auch hierfür präsentieren Fox/Glosten/Rauterberg157 ein einprägsames Beispiel: Ein Hochfrequenzhändler bietet 1.000 Aktien zum Preis von $ 161,15 zum Verkauf an der NSYE an. Diese Order stellt das momentan beste nationale Verkaufsangebot (NBO) dar. Kurze Zeit später gibt ein anderer Händler an einer anderen Börse eine limitierte Verkaufsorder für $ 161,13 ein, sodass das neue NBO $ 161,13 lautet. Die Veränderung wird jedoch nicht sofort angezeigt, sondern mit einer Verzögerung von wenigen Millisekunden. Dem Hochfrequenzhändler ist es dadurch möglich, seine Verkaufsorder zum Preis von $ 161,15 ausführen zu lassen, wenn innerhalb der kurzen Frist eine entsprechende Gegenorder eintrifft. Trifft eine Gegenorder ein, sendet die co-location an der NYSE eine Nachricht an die co-location des anderen Handelssystems, mit dem Inhalt, nun die Aktien zum von dem anderen Händler angebotenen Preis von $ 161,13 für den Hochfrequenzhändler zu kaufen. Dadurch ist der Hochfrequenzhändler in der Lage, innerhalb eines Augenblicks Aktien für 152
Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1296 m.w.N. Vgl. Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 228, 230 (2015). Allgemein zum Orderantizipieren: Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 245 ff. 154 Auführlich dazu: Klöhn, Spekulation, 2006, S. 52 ff. 155 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 215 (2015); dies., 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 32 (2017). Dadurch soll ein gem. Rule 611 Reg. NMS verbotener „trade through“ verhindert werden. Zu den Hintergründen von Reg NMS 611 und der Umsetzung durch die SEC, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 166 – 169. 156 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J., 191, 228, 238 (2015). 157 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 239 ff. (2015). 153
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$ 161,15 zu verkaufen und für $ 161,13 zurückzukaufen. Bei 1.000 Aktien ergibt dies einen Gewinn von $ 20,00.158 Diese Handelsstrategie schadet uninformierten und informierten Händlern ebenfalls: Hätten beide in dem gebildeten Beispiel die Kauf-Order zum Preis von $ 161,15 abgegeben, hätte der Hochfrequenzhändler ihnen die Möglichkeit, zum Preis von $ 161,13 zu kaufen, weggenommen.159 6. Zwischenfazit: Anstieg der Marktbeeinflussungskosten Von einem hohen Maß an Vorhandelstransparenz profitieren zwar die Informationshändler. Jedoch können Hochfrequenzhändler mithilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Technologie die Ausführung von Blockorder erheblich verteuern. Dadurch steigen die Marktbeeinflussungskosten für die Blockhändler. Der transparente Börsenhandel wird dadurch umso unattraktiver, der intransparente Handel vice versa umso attraktiver.
IV. Liquidität und Marktbeeinflussungskosten Die konkrete Höhe der Marktbeeinflussungskosten hängt von der Liquidität des jeweiligen Handelsplatzes ab. Nach der heute gängigen Definition ist ein Markt dann liquide, wenn „die Marktteilnehmer schnell und zu niedrigen Transaktionskosten die von ihnen gewünschte Anzahl an Wertpapieren kaufen oder verkaufen können, ohne dass ihre Aufträge den Kurs maßgeblich beeinflussen.“160 Liquidität lässt sich auch als Erwartung formulieren, dass sich weitere Marktteilnehmer an dem konkreten Handelsplatz ansiedeln und dort Ordern ausführen lassen werden.161 1. Elemente der Liquidität Die Liquidität wird anhand von vier Elementen beschrieben162 : Die Marktbreite (breadth) gibt an, ob nahe am Gleichgewichtspreis bzw. dem bestehenden Marktpreis eine relevante Anzahl weiterer Ordern existiert. Ist dies der Fall, kann auch eine
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Ein ähnliches Beispiel gibt Kasiske, BKR 2015, 454, 456. Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 241 (2015). 160 Rudolph/Röhrl, Grundfragen in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 177; ebenso Hasbrouck, Empirical market structure, 2007, S. 4; vgl. auch Harris, Trading & Exchanges 2003, S. 70. 161 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 180. 162 So und im Folgenden: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 177 f.; ebenso Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 398 f.; Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 22; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 37 f. 159
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große Order zum Gleichgewichtspreis (bzw. dem bestehenden Marktpreis) ausgeführt werden. Verfügt ein Markt über Markttiefe (depth), gibt es eine hohe Anzahl verfügbarer Ordern, sodass viele neue Ordern dagegen ausgeführt werden können. Sofortigkeit (immediacy) heißt, dass Ordern gegebener Größe sehr schnell zu gegebenen Transaktionskosten ausgeführt werden können. Die Erneuerungskraft (resiliency) beschreibt schließlich, dass der Preis auf kurzfristige Orderungleichgewichte elastisch reagiert, sich also schnell wieder beim Gleichgewichtspreis einpendelt. 2. Liquidität und Geld-Brief-Spanne Die Liquidität eines Handelsplatzes wird üblicherweise anhand der Geld-BriefSpanne (Bid-Ask-Spread) bestimmt.163 Liegen für ein konkretes Finanzinstrument das höchste Kaufgebot und das niedrigste Verkaufsgebot nah beieinander, fallen die Kosten für den Wechsel von Rechten an der Aktie niedrig aus.164 Die Liquidität ist dann hoch. Liegen das höchste Kaufgebot und das niedrigste Verkaufsgebot dagegen weit auseinander, sind die Transaktionskosten für manche Marktteilnehmer so prohibitiv hoch, dass sie nicht handeln. Dadurch kommen weniger Transaktionen zustande. Die Liquidität ist dann niedrig, die Liquiditätskosten sind hoch.165 Die Geld-Brief-Spanne setzt sich ihrerseits zusammen aus einer Transaktionskostenkomponente (Kosten des Handels für den Liquiditätsspender) und einer Informationsrisikokomponente.166 Letztere beschreibt das Risiko, dass der Liquiditätsspender mit einem informierten Händler handelt; sie wird auch Adverse Selection Spread Component genannt.167
163 Sester, ZGR 2009, 310, 343 ff.; Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 224 f. (2015); vgl. auch Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 179 (die allgemein auf die Transaktionskosten zur Operationalisierung der Liquidität abstellen). 164 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 224 f. (2015). 165 Vgl. Liersch, Blockhandel, 2002, S. 65. Die Liquidität beschreibt die Erwartung, dass an einem Handelsplatz weitere Order eingegeben werden. Die Börse kann selbst keine Liquidität erschaffen, vgl. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 180. 166 So und im Folgenden: Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 299 ff.; Klöhn, Spekulation, 2006, S. 69 m.w.N. 167 Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 299 f. Ausführlich zur Berechnungsweise: Fox/ Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 217 ff. (2015).
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3. Subjektiver Einschlag Die Geld-Brief-Spanne darf jedoch nicht als alleiniger Maßstab gelten. So unterschiedlich die einzelnen Marktteilnehmer sind, so unterschiedlich priorisieren sie die einzelnen Elemente der Liquidität. Daher kann die Liquidität nicht für jeden Marktteilnehmer gleich, sondern nur individuell beurteilt werden.168 Für einen Blockhändler ist etwa die Breite eines Marktes ein wichtiges Kriterium, denn nur bei hinreichender Breite lassen sich große Ordern kostengünstig ausführen.169 Die einzelnen Elemente der Liquidität sind jedoch nicht in gleichem Maße vorhanden, sodass es zu Konflikten kommen kann. Ist etwa die Ausführung einer großen Order sofort möglich, kann es dennoch passieren, dass im Markt momentan nicht genügend oder ungünstige Gegenordern vorhanden sind, sodass die Orderausführung verhindert oder durch ansteigende Transaktionskosten erschwert wird.170 4. Liquiditätsbereicherung durch Hochfrequenzhändler Bisher erschienen die Hochfrequenzhändler in keinem guten Licht. Mit ihrem elektronischen Front Running scheinen sie allen anderen Händlern Vorteile im Handel und damit Wohlstand wegzunehmen.171 Im Kontext der Liquidität spielen Hochfrequenzhändler jedoch eine wichtige positive Rolle: Indem sie kontinuierlich Ordern eingeben, steigt die Ausführungswahrscheinlichkeit für gegenläufige Ordern und die Geld-Brief-Spanne sinkt.172 Könnten Hochfrequenzhändler die Orderlage an verschiedenen Börsen nicht auf die Präsenz von informierten Ordern durchleuchten und darauf mit Preisveränderungen reagieren, trügen sie selbst ein erhebliches Risiko adverser Selektion. Dagegen müssten sie sich absichern, indem sie die Geld-BriefSpanne weiten.173 Für uninformierte Händler würden sich dadurch die Kosten der Ausführung erhöhen. Die informierten Händler könnten ihre Ordern dagegen (noch) besser vor den uninformierten Händlern verstecken und dadurch höhere Gewinne einfahren. Diese Gewinne würde sie für in Form der erhöhten Spanne anfallende Zusatzkosten mehr als kompensieren. Ohne Hochfrequenzhändler würden also die 168 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 177; Harris, Trading & Exchanges 2003, S. 398 f. 169 Vgl. Harris, Trading & Exchanges 2003, S. 398 f. 170 Zu den Interdependenzen der Liquiditätselemente, vgl. Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 24 ff. 171 Vgl. dazu oben Kap. 1 A. III. 5. 172 Korsmo, 48 U. Rich. L. Rev. 523, 549 f. (2013/14); Abedine, 14 NYU J. L. & Bus. 595, 630 (2018); Gomber et al., High-Frequency Trading, 2011, S. 25; Levens, 82 U. Chi. L. Rev. 1511, 1529 (2015); Vazquez, 17 Wake Forest J. Bus. & Intell. Prop. L. 151, 171 (2017); Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 175 ff. m.w.N. Zur Diskussion über die positiven und negativen Effekte und zu verschiedenen Studien siehe Dolgopolov, 18 U. Pa. J. Bus. L. 651, 702 ff. (2016). 173 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 230 ff. (2015); dies., 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 36 (2017).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
uninformierten Händler verlieren und die informierten Händler (noch mehr) gewinnen. Hochfrequenzhändler können sich folglich durchaus positiv auf die Liquidität eines Marktes auswirken.174 Die Diskussion über die positiven Effekte des Hochfrequenzhandels befindet sich freilich in einem kontinuierlichen Fluss.175 5. Liquidität und Netzwerkeffekte Wenn viele Händler Ordern an einem einzelnen Handelsplatz einstellen und damit um gegenläufige Ordern miteinander konkurrieren, fällt die Geld-Brief-Spanne gering aus.176 Stellt dagegen jeder Händler seine Liquidität an einem anderen Handelsort bereit, ohne dass andere Marktteilnehmer dies erkennen können, ist die Liquidität zersplittert. Die Fragmentierung sorgt dafür, dass die Geld-Brief-Spanne an den einzelnen Handelsplätzen weit ist und weniger Marktteilnehmer handeln. Aus Sicht des einzelnen Marktteilnehmers ist es daher sinnvoll, eine Order stets an den Handelsplatz mit der höchsten Liquidität zu senden. Umso mehr Händler diese Verhaltensweise adaptieren, desto mehr folgen nach, sinken doch die Liquiditätskosten mit jedem neuen Marktteilnehmer weiter. Dies wird als Netzwerkeffekt bezeichnet.177 Für uninformierte Händler ergibt sich daraus ein Vorteil, weil sie durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Ordern das Risiko minimieren, (nur) mit informierten Händlern zu kontrahieren und dadurch ein nachteilhaftes Geschäft abzuschließen.178 Ihre Transaktionskosten sind dann besonders niedrig, wenn sie an einem Handelsplatz aktiv sind, an dem sich viele andere uninformierte Händler sammeln. Zudem profitieren die Börsen vom Netzwerkeffekt, weil sie oftmals die meiste Liquidität anbieten. Damit der Netzwerkeffekt seine volle Wirkung entfaltet, muss die Größe des Netzwerks maximiert werden.179 Die Börsen können jedoch einen Anreiz haben, den Zugang zum Netzwerk zu beschränken, weil die ihre eigenen
174
Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 350 f. (2018). Vgl. etwa Dolgopolov, 18 U. Pa. J. Bus. L. 651, 702 ff. (2016); Clarke, 8 L. & Fin. Markets Rev. 342, 346 f. (2014); Levens, 82 U. Chi. L. Rev. 1511, 1532 f. (2015); Peirce, 43 J. Corp. L. 335, 348 ff. (2018). 176 So und im Folgenden: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 179 f.; Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 25. 177 Harris, Trading & Exchanges 2003, S. 535 f.; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 109 f.; Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 180 sprechen vom „Netzeffekt“. Vgl. auch McNamara, 2018 BYU L. Rev. 969, 993 ff. (2018). 178 So und im Folgenden: Pirrong, 28 Regulation, 54, 55 (2005). Vgl. ferner Klöhn, Spekulation, 2006, S. 70 f. m.w.N. Grundlegend zur Beeinflussung der Geld-Brief-Spanne durch das Risiko einer adversen Selektion: Glosten/Milgrom, 14 J. of Fin. Econ. 71, 76 ff. (1985). 179 So und im Folgenden: Pirrong, 18 J. L. Econ. & Org. 385, 402 f. (2002); ders., 2 J. of Fin. Mark. 329, 339 (1999); ders., 28 Regulation, 54, 55 (2005). 175
A. Der Ursprung von Dark Pools: Das Verbergen großer Ordern
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Profite erhöht. Sobald die Börsen eine kritische Masse erreicht haben, brauchen sie zudem die Konkurrenz durch außerbörsliche Handelsplattformen nicht zu fürchten.
V. Dark Pools als Heilsbringer für Blockhändler Das an den Börsen geltende hohe Maß an Vorhandelstransparenz setzt jeden Blockhändler unter erheblichen Druck. Teilt er die Blockorder auf und gibt nach und nach kleine Ordern in den Markt, dauert die gesamte Transaktion deutlich länger.180 Zugleich besteht die Gefahr, dass sich die Information eines Blockhandels am Markt verbreitet und damit ein adverser Preiseffekt eintritt.181 Gibt der Blockhändler hingegen die gesamte Order sofort in den Markt, kann zwar nicht jeder Händler sofort darauf strategisch reagieren. Allerdings stehen auch insgesamt weniger Gegenhändler zur Verfügung, sodass die Liquiditätskosten steigen.182 1. Vermeidung der Marktbeeinflussungskosten Die Marktbeeinflussungskosten kann der Blockhändler nur vermeiden, wenn sich die Nachricht über seine Blockorder am Markt verspätet, d. h. nach Ausführung der gesamten Transaktion, verbreitet.183 Er muss also versuchen, die Vorhandelstransparenz auszuschalten.184 Dark Pools bieten ihm genau das185 : Innerhalb eines Dark Pool werden weder Preis noch Volumen der eingegebenen Ordern oder Kursofferten bekanntgegeben; nur abgeschlossene Transaktionen werden veröffentlicht.186 Dies erschwert es anderen Marktteilnehmern, insbesondere den (unliebsamen) Hoch180
Liersch, Blockhandel, 2002, S. 66. Von „digital fingerprints“ spricht Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 37. Siehe auch Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 13 f. Die Händler versuchen darauf zu reagieren, indem sie ihre Order auf verschiedene Handelsplätze verteilen und möglichst zeitgleich ausführen lassen, vgl. Gomber/Pierron, MiFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 39 f. Allgemein zur Marktbeeinflussung: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 207. 182 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 66. 183 Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 6, 36 f.; vgl. auch O’Malley, 17 Trinity C.L. Rev. 94, 103 (2014). 184 IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 11; ASIC-Report 331, Dark liquidity and high-frequency trading, 2013, S. 23, 25; Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 45. 185 Zur optimalen Handelsstrategie, vgl. Cheridito/Sepin, Optimal trade execution with a dark pool, 2014, S. 1 ff. 186 Vgl. die Definition der FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 14 Rn. 2.5.: „(…) a ,dark pool‘ is defined trading venue with no pre-trade transparency in that all orders are hidden as to price and volume and are anonymous.“ Siehe ferner Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 167; Fox/Glosten/Rauterberg, 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 40 (2017). 181
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
frequenzhändlern187, strategisch auf eine Blockorder zu reagieren.188 Spiegelbildlich verringert sich das Risiko einer adversen Selektion bzw. einer Marktbeeinflussung für den Blockhändler.189 Insoweit besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Wachstum von Dark Pools und dem Aufkommen der Hochfrequenzhändler.190 2. Weitere Kosteneinsparungen Neben der Vermeidung von Marktbeeinflussungskosten beeinflussen weitere Faktoren die Entscheidung für einen Dark Pool und gegen einen transparenten Handelsplatz. Viele Dark Pools referenzieren auf den Börsenpreis des jeweiligen Finanzinstruments, i. d. R. stellen sie auf den Mittelwert zwischen dem besten Kaufund Verkaufspreis ab.191 Dadurch ersparen sich die Händler im Dark Pool die Kosten der (Überwindung der) vollen Geld-Brief-Spanne, bieten also eine leichte Preisverbesserung gegenüber dem Börsenpreis an.192 Die Ersparnis lässt sich bisweilen erhöhen, weil in manchen Dark Pools Verhandlungen über den Transaktionspreis stattfinden können.193 Zudem fallen in einem Dark Pool i. d. R. geringere Gebühren als bei der Nutzung einer Börse an.194 All diese Faktoren steigern die Attraktivität von Dark Pools.195
187 ASIF Report-334, Dark liquidity and high-frequency trading, 2013, S. 25 Rn. 82; M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011, S. 10. 188 Genau dies ist das Ziel der Dark Pools, vgl. Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 10 und S. 16 ff.; FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 14 Rn. 2.5. 189 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 251 (2015); SEC Pipeline, In the Matter of Pipeline LLC, File No. 3-14600, Rn. 15. Ausführlich zur Motivation von Händlern, im Dark Pool zu handeln: Garvey/Huang/Wu, 68 J. of Bank. & Fin. 12 (2016); He/Lepone, 30 PacificBasin Fin. J. 1, 3 (2014). 190 McNamara, 2018 BYU L. Rev. 969, 1005 f. (2018). 191 Zu diesem Midpoint Crossing sogleich. 192 M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011, S. 10; Gomber/Pierron, MiFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 36; Degryse/Achet/Wuyts, Shedding Light on Dark Liquidity Pools, 2008, S. 6; Haeberle, 42 J. of Corp. L. 809, 815 (2017); Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 18 ff. m.w.N. 193 Gomber/Pierron, MiFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 36; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 78. 194 ASIF-Report 334, Dark liquidity and high-frequency trading, 2013, S. 25 Rn. 82; Garvey/Huang/Wu, 68 J. of Bank. & Fin. 12, 13 (2016); M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011, S. 10. Zu den Kommissionskosten bei Einschaltung eines Brokers: Buti/Rindi/Werner, Diving into Dark Pools, 2011, S. 1; O’Malley, 17 Trinity C.L. Rev. 94, 105 (2014). 195 Vgl. FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 14 Rn. 2.7.; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 89.
B. Die Evolution von Dark Pools
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3. Nachteile für Blockhändler Den Kosteneinsparungen stehen aber auch Nachteile gegenüber: Da ein Dark Pool über deutlich weniger Liquidität, insbesondere im Sinne der Ordertiefe, verfügt, kann eine Order dort nicht immer sofort ausgeführt werden.196 Zudem können andere Marktteilnehmer versuchen, die Blockorder durch sog. Indications of Interest (IOI) zu identifizieren und sodann auf der Grundlage dieser Information zu handeln.197 Beide Faktoren lassen die Transaktionskosten für einen Blockhändler steigen und sind daher mit den Vorteilen der Nutzung eines Dark Pool abzuwägen. Um diese Nachteile zu minimieren ist es aus Sicht der Betreiber von Dark Pools sinnvoll, nicht nur bilateralen Handel anzubieten, sondern die Ordern möglichst vieler Nutzer in einer börsenähnlichen Umgebung zusammenzubringen.198
VI. Schlussfolgerung: Dark Pools schützen Blockhändler In einem transparenten Marktumfeld kann eine große Order nicht ausgeführt werden, ohne dass sie allein aufgrund ihrer Größe Zusatzkosten verursacht. Dark Pools schalten die Vorhandelstransparenz aus und ermöglichen es Blockhändlern auf diese Weise, eine große Order kostenschonend auszuführen. Ist damit die Rolle, welche Dark Pools im heutigen Marktumfeld spielen, definiert, sind nun die konkreten Strukturen der intransparenten Handelssysteme zu analysieren.
B. Die Evolution von Dark Pools: Vom kleinen Markt für große Transaktionen zum großen Markt für kleine Transaktionen Der Begriff des Dark Pool ist kein juristischer, sondern eine journalistische Sammelbezeichnung für eine Vielzahl von Handelssystemen.199 Ein Blick in die jüngere Vergangenheit hilft, das heutige Phänomen besser zu verorten.
196 Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 748 f. (2014); ISOCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 21. 197 ISOCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 23. 198 Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 90. 199 IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 4, 12 f.; Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 33; Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747 (2014); Degryse/ Achter/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 3; Degryse/Jong/Kervel, 19 Rev of Fin. 1587, 1593 (2015).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
I. Vom upstairs market und Telefonhandel zum elektronischen Handel Dass Blockhändler vor der Transparenz flüchten, ist keine Neuigkeit, sondern entspricht einer seit Jahrzehnten gepflegten Praxis.200 An der wichtigsten Börse der Welt, der New York Stock Exchange (NYSE), trafen sich die Blockhändler im sog. upstairs market.201 In diesem gesonderten Markt wurden die Transaktionen zunächst mit Broker-Dealern ausgehandelt, bevor sie anschließend in den Downstairs Market, den Parketthandel, eingegeben und dort durch einen besonderen Marktteilnehmer, den Specialist, ausgeführt wurden.202 Abseits der Börsen wurden Transaktionen zudem bilateral gegen einen Preisaufschlag oder Preisabschlag am Telefon ausgehandelt.203 Eben dieser Telefonhandel hat sich in den vergangenen 20 Jahren massiv verändert. An die Stelle des einfachen Telefongesprächs ist mehr und mehr die Nutzung von Computertechnologie getreten.204 Von Banken betriebene elektronische Systeme erlauben heute die Eingabe von Auftragswünschen und die Verfolgung elaborierter Handelsstrategien. Anschließend führen diese Systeme Aufträge entweder gegen die eigenen Bestände der Bank oder gegen die Aufträge anderer Klienten aus (sog. Crossing).205 Dabei referenzieren sie i. d. R. auf den Preis einer Börse.206
II. Entwicklung nach MiFID I sowie Reg. ATS und NMS Heute wird der Anteil des intransparenten außerbörslichen Handels am Gesamthandel mit Aktien in den USA auf ca. 35 %207 und in Europa auf ca. 30 – 40 %208 200 IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 4; O’Malley, 17 Trinity C.L. Rev. 94, 96 (2014). 201 Ausführlich: Madhavan/Cheng, 10 Rev. of Fin. Stud. 175 (1997); vgl. auch O’Malley, 17 Trinity C.L. Rev. 94, 96 Fn. 9 (2014); Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 87 f. 202 Eng/Frank/Lyn, 12 J. Int’l Bus. & L. 39, 42 f. (2014); Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 88. Ein ähnlicher Handel findet in Japan statt, vgl. Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, Teilband, 1995, S. 48. 203 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 119 f.; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 86 f. 204 Degryse/Achter/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 4; Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 48. 205 Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 7. Werden die Ordern gegen die eigenen Bestände des Betreibers ausgeführt, hat er selbst ein starkes Interesse daran, Marktbeeinflussungskosten zu vermeiden, vgl. Ferrarini/Moloney, Equity Trading, S. 12. Ausführlich zum Crossing: Hasbrouck, Empirical Market Structure, 2007, S. 20 ff. 206 IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 13; Degryse/Achet/Wuyts, Shedding Light on Dark Liquidity Pools, S. 4, 6. 207 Boskovic/Cerruti/Noel, Comparing Regulations, 2010, S. 12; Shorter/Miller, Dark Pools in Equity Trading, 2014, S. 3; Clarke, 8 L. & Fin. Markets Rev. 342, 347 (2014);
B. Die Evolution von Dark Pools
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geschätzt.209 Der Erfolgszug des Schattenhandels begann erst vor wenigen Jahren und beruht im Wesentlichen auf zwei Umständen. Von regulatorischer Seite brachte die Markets in Financial Instruments Directive aus dem Jahr 2004 (Richtlinie 2004/ 39/EG)210 einen Paradigmenwechsel mit sich: Das bis dato existierende Monopol der Börsen für den Handel mit Finanzinstrumenten wurde aufgebrochen.211 In der neuen Diktion fielen die Börsen nunmehr unter die Handelsplatz-Kategorie des Regulierten Markts (RM)212, während der Handelsplatz des Multilateralen Handelssystems (MTF) die immer populäreren213 alternativen elektronischen Handelsplattformen214 erfasste. Eine parallele Entwicklung vollzog sich in den USA: Mit Erlass der Regulations ATS (Alternative Trading Systems) und NMS (National Market System) wurde die dominierende Stellung der Börsen in der Handelslandschaft beendet.215 Die US-amerikanischen alternativen Handelssysteme werden – anders als die Börsen – nicht als sog. selbstregulierende Organisationen (Self-Regulatory Organizations) behandelt, sondern als Broker-Dealer reguliert.216 Durch die gesetzliche Anerkennung alternativer Handelssysteme sollte ein Wettbewerb auf dem „Markt der Marktplätze“217 angestoßen werden. Die positiven Folgen dieser Liberalisierung manifestieren sich heute insbesondere in geringeren Gebühren (Transaktionskosten) für die Benutzung der verschiedenen Handelsplätze bei gleichzeitig ansteigender
Mercurio, 33 Rev. of Bank. & Fin. L. 69 (2013 – 2014). Zur Entwicklung in den vergangenen Jahren siehe Eng/Frank/Lyn, 12 J. Int’l Bus. & L. 39, 43 f. (2014). 208 Boskovic/Cerruti/Noel, Comparing Regulations, 2010, S. 12; Clausen/Sorensen, EFCR 2012, 275, 278; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. IX. 209 Konzentriert man sich dagegen auf die mit einem MTF vergleichbaren Handelssysteme, liegt der Marktanteil in der EU schätzungsweise bei 8 %, vgl. Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper 193/July 2017, S. 5. 210 Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper 193/July 2017, S. 11 ff. 211 Gomber/Gsell/Lutat, Competition, 2010, S. 2 f. 212 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMKR, 4. Aufl. 2010, § 2 WpHG Rn. 118 – 120. 213 Der aufkeimende Wettbewerb der Handelsplätze ließ sich bereits zum Ende des letzten Jahrhunderts absehen, vgl. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 159 f. 214 ATS bildet den Oberbegriff für die ganze Bandbreite außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 7. Einen Überblick gibt Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 31 f WpHG a.F., Rn. 1 – 5. 215 Ausführlich dazu: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 143 ff, 164 ff.; Colby/Sirri, 5 CMLJ 169, 181 ff. (2010); Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 155 ff.; Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 239 ff. 216 Fox/Rauterberg, 42 J. Corp. L. 793, 795, 800 f. (2017). 217 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 77. Zur Klassifikation des Finanzmarkts als spezieller Markt, vgl. Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 464.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Liquidität.218 Von der Förderung außerbörslicher Handelssysteme haben auch die Dark Pools stark profitiert.219 Zur gleichen Zeit setzte die zunehmende Präsenz von Hochfrequenzhändlern im Börsenhandel die Händler großer Aktienblöcke zunehmend unter Druck.220 Zwar lassen sich große Ordern in mehrere kleinere Ordern aufspalten.221 Hochfrequenzhändler können jedoch auch die zerstückelten Aufträge aufspüren, strategisch reagieren und dadurch den Preis zulasten der Blockhändler verändern.222 Die Blockhändler suchten daher nach Alternativen zum transparenten Börsenhandel und fanden sie in den Dark Pools.223 Zudem glauben offenbar viele Händler daran, durch den Handel in einem Dark Pool auch dann Kosten einzusparen, wenn sie gar keine große Order ausführen lassen wollen; der Handel im Dark Pool dient dadurch nicht mehr nur der Abwicklung großer Ordern.224 Dark Pools werden heute insbesondere von einer großen Bank oder von einem Konsortium von Banken225 betrieben. Morgan Stanley, Deutsche Bank, Citigroup, Goldman Sachs, UBS, Credit Suisse und Barclays zählen zu den wichtigsten Akteuren im Schattenhandel.226 Daneben haben sich einige der breiten Öffentlichkeit unbekannte Unternehmen auf das Betreiben von Dark Pools spezialisiert.227
218 Dieser Effekt beruht vor allem darauf, dass Händler nunmehr auf verschiedenen Handelsplattformen Gebote abgeben können, vgl. Gomber/Gsell/Lutat, Competition, 2010, S. 3, 20. 219 Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Foreword Rn. 9 ff. (im Erscheinen); Zhu, Rev. of Fin. Stud. 747, 751 f. (2014); Shorter/Miller, Dark Pools in Equity Trading, 2014, S. 5; Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 32; O’Malley, 17 Trinity C.L. Rev. 94, 97 (2014); Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 1. 220 Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 9 – 11. 221 Nimalendran/Ray, 17 J. of Fin. Mark. 230, 235 f. (2014). 222 Vgl. dazu die oben beschriebenen Handelstechniken: Kap. 1 A. III. 5. 223 Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 11. 224 So würden sieben von zehn im intransparenten OTC-Bereich ausgeführte Transaktionen von hoch-liquiden Wertpapiere an der Börse keine Marktbeeinflussung mit sich bringen, vgl. Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 28; IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 4; ASIC-Report 331, Dark liquidity and high-frequency trading, 2013, S. 27, 29; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 97 f. 225 Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 40 ff. 226 Vgl. den Überblick über die verschiedenen Verfahren der SEC gegen diese Banken bei Freedman, 35 Rev. of Bank. & Fin. L. 150, 156 ff. (2015) sowie die Analyse von Class, 36 Rev. of Bank. & Fin. Law, 465 (2016/17). 227 Vgl. dazu die Alternative Trading List der SEC, Stand 31. 03. 2018, abrufbar unter: https://www.sec.gov/foia/docs/atslist.htm (Abruf vom 12. 04. 2018).
B. Die Evolution von Dark Pools
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III. Systematisierung eines vielfältigen Phänomens Alle Dark Pools teilen drei Charakteristika: (1) Sie dienen dem Abschluss von Geschäften über Finanzinstrumente, (2) die partizipierenden Händler können i. d. R.228 einander nicht erkennen und (3) weder Volumina noch Preise der Ordern und Quotierungen werden offengelegt.229 Jenseits dieser drei Merkmale unterscheiden sich die Systeme voneinander.230 Dementsprechend viele Vorschläge kursieren für ihre Systematisierung.231 So sollen etwa die Eigentümerstruktur232, die Operationsweise233 oder die Art der Preisfindung234 jeweils das entscheidende Abgrenzungskriterium bilden.235 Im Ergebnis fallen die Unterschiede zwischen diesen Konzepten gering aus, weil Interdependenzen zwischen den einzelnen Merkmalen bestehen.236 Im Folgenden werden Dark Pools in sechs verschiedene Kategorien eingeteilt. Diese Kategorisierung basiert auf der Idee, dass sich die einzelnen Handelssysteme typologisch237 danach abstufen lassen, wie weit sie sich vom Idealbild eines gänzlich transparenten Systems mit eigener Preisfeststellung und neutralem Marktbetreiber entfernen.
228 In einem Handelssystem, welches regelmäßig Transparenzausnahmen gewährt, können die Händler ggf. einander erkennen. 229 O’Malley, 17 Trinity C.L. Rev. 94, 96 (2014); Buti/Rindi/Werner, 124 J. of Fin. Econ. 244, 246 (2017); Gallo, 29 Rev. of Bank. & Fin. L. 88 (2009); Mercurio, 33 Rev. of Bank. & Fin. L. 69 (2013 – 2014); FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 5; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 89. 230 FCA, UK equity market dark pools, TR16/05, 2016, S. 21 Rn. 3.5; Überblicke geben: IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 12 f; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 64 ff.; Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 23, 36; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 90 f. 231 Vgl. dazu Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 21 ff., S. 28 ff. 232 Mittal, 3 J. of Trad. 20 (2008); Eng/Frank/Lyn, 12 J. Int’l Bus. & L. 39, 44 (2014). 233 Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 330, 333 (2015). Eng/Frank/Lyn, 12 J. Int’l Bus. & L. 39, 44 (2014) nennen diese als zweites wichtiges Kriterium. 234 Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 753 (2014). 235 Fünf verschiedene Faktoren nennt L. Ye, Understanding the Impacts of Dark Pools on Price Discovery, 2016, S. 9 f. Die Regulierungsbehörden weltweit orientieren sich dagegen an den regulatorischen Merkmalen, vgl. IOSCO FR06/11, Principles for Dark Liquidity, S. 12 f; ASIC-Report 331, Dark liquidity and high-frequency trading, 2013, S. 42 – 51; Boskovic/ Cerruti/Noel, Comparing Regulations 2010, S. 8 – 11. 236 Vgl. aber Degryse/Achet/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 3. 237 Die Unterschiede zwischen den Handelssystemen verschwimmen, vgl. Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al., Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 253 f.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
1. Partielle Transparenzausnahmen, eigene Preisfeststellung, kein Eigenhandel Zu der ersten Kategorie gehören all jene Handelssysteme, die nicht per se jede Order von der Vorhandelstransparenz freistellen, sondern sie im Grundsatz veröffentlichen und Preise selbst feststellen. Sie bieten aber besondere Ordertypen an, welche es Blockhändlern erlauben, ihre Blockorder nicht offenzulegen (sog. Dark Order).238 Dies geschieht insbesondere, indem der Blockhändler die Blockorder in mehrere kleine Ordern aufteilt, welche ihrerseits nicht dem Markt bekannt gegeben und nacheinander ausgeführt werden.239 Zudem organisiert der Betreiber nur den Handel Dritter, d. h. er handelt nicht selbst mit. Dazu zählen einerseits alle Börsen.240 In der Vergangenheit konnten diese große Ordern von der Vorhandelstransparenz gem. Art. 44 Abs. 2 MiFID I ausnehmen.241 In den USA enthalten Rule 604(b)(4) und Rule 600(b)(9) Reg. NMS eine vergleichbare Ausnahme für Blockorder. Neben den Börsen stellen auch einige außerbörsliche Handelssysteme Preise selbst fest und legen die Ordern überwiegend offen. In den USA bezeichnet man sie als Electronic Communications Networks (ECN).242 ECN ähneln einer Börse, werden aber nicht als solche reguliert; vielmehr brauchen sich die Betreiber nur als BrokerDealer zu registrieren, vgl. Rule 301(b)(1) Reg. ATS.243 ECN bilden ihrerseits einen Ausschnitt der sog. Alternative Trading Systems (ATS). Die ATS-Regulierung in den USA war das Referenzmodell für die MTF-Regulierung durch die MiFID I.244 Letztere gewährte auch im Handel an einem MTF Vorhandelstransparenzausnahmen, vgl. Art. 29 Abs. 2 MiFID I.245
238
Ausführlich dazu Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 92 f. Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 93 f. Zu sog. Eisberg-Ordern siehe Schlag/ Mönch/Schurba, in: Bessler (Hrsg.), FS H. Schmidt, 2009, S. 113 ff. 240 Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 65 ff. 241 Ferrarini/Moloney, Equity Trading, S. 48; Kumpan, WM 2006, 797, 798. 242 Zur Entwicklung dieser Handelssysteme siehe Brummer, 84 Fordham L. Rev. 977, 1004 ff. (2015); Stoll, 20 J. Econ. Perspect., 153, 160 ff. (2006). Siehe ferner Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 24 f. 243 Colby/Sirri, 5 CMLJ 169, 183 f. (2010); Mercurio, 33 Rev. of Bank. & Fin. L. 69, 71 (2013 – 2014); Shorter/Miller, Dark Pools in Equity Trading, 2014, S. 2; Boskovic/Cerruti/ Noel, Comparing Regulations, 2010, S. 9; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 69 ff.; SEC, ATS-N Proposal, Release No. 34-76474; File No. S7-23-15, S. 17. 244 Ausführlich zu dieser Entwicklung: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 119 – 169. 245 Ferrarini/Moloney, Equity Trading, S. 48; Kumpan, WM 2006, 797, 798; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 69 ff. 239
B. Die Evolution von Dark Pools
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2. Feste Transparenzausnahmen, eigene Preisfeststellung, kein Eigenhandel Von den (teilweise) transparenten ECN zu unterscheiden sind die intransparenten, ebenfalls von einem registrierten Broker-Dealer betriebenen, Dark-ECN246. Solange ein ECN nicht die Schwelle von mehr als 5 % des täglichen Handelsvolumens eines Finanzinstruments überschreiten, gelten die strengen Transparenzvorgaben der Reg. NMS nicht, vgl. Rule 301(b)(3) Reg. ATS.247 Dadurch brauchen die Betreiber die besten Bid und Ask Preise nicht zu veröffentlichen sowie jede abgeschlossene Transaktion innerhalb von 30 Sekunden zu melden.248 Die Zusammenführung der Ordern richtet sich nach einem geschlossenen Limitorderbuch (nondisplayed limit order book), d. h. die eingehenden Limit Ordern werden nicht veröffentlicht, sondern sind nur für den jeweiligen Eingebenden einsehbar.249 Dadurch können Händler, die Market Ordern in das System eingeben, nicht abschätzen, zu welchem Preis ihre Ordern ausgeführt werden wird. Da aber die Limit Order ein (Ausführungs-)Preis für die Order festsetzt, gibt es eine Geld-Brief-Spanne und es lassen sich innerhalb des Dark-ECN das gegenwärtige Angebot und die Nachfrage (theoretisch) identifizieren. Werden nun Market Ordern gegen die vorhandenen Limit Ordern ausgeführt, stellt das System die Preise selbst fest.250 Unter MiFID I fielen auch diese Systeme unter die MTF-Kategorie. 3. Feste Transparenzausnahmen, eigene Preisfeststellung, Eigenhandel Innerhalb eines US-amerikanischen Dark-ECN steht es dem betreibenden Broker-Dealer frei, ausschließlich als Agent seiner Kunden Aufträge zusammenzuführen oder zusätzlich als Geschäftsgegner (Dealer) tätig zu werden, indem er selbst Aufträge eingibt und gegen Kundenordern ausführen lässt.251 Die MiFID I untersagte es dem MTF-Betreiber, Eigenhandel zu betreiben, vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 MiFID I. Lediglich im OTC-Handel war es möglich, sowohl als Betreiber als auch als Marktteilnehmer aufzutreten.252
246
Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 753 (2014); Peirce, 43 J. Corp. L. 335, 339 (2018). Boskovic/Cerruti/Noel, Comparing Regulations, 2010, S. 11. 248 Colby/Sirri, 5 CMLJ 169, 185 (2010). 249 So und im Folgenden: Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 330, 333 (2015). Siehe auch Haeberle, 42 J. of Corp. L. 809, 814 f. (2017). 250 Dabei liegt der Ausführungspreis i. d. R. innerhalb der Spannweite des NBBO, vgl. Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 753 f. (2014). 251 Dies kann z. B. über eine eigene Handelseinheit erfolgen, vgl. Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 330, 333 (2015). 252 Vgl. Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 54 f. 247
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
4. Feste Transparenzausnahmen, Preisreferenzierung, kein Eigenhandel Handelssysteme müssen Preise nicht zwingend selbst feststellen, sondern können auch Preise von anderen Handelsplätzen importieren. In sog. Broker Crossing Networks (BCN)253 läuft der Handel häufig in der Weise ab, dass die Nutzer ihre (unbepreisten) Ordern in ein (nicht einsehbares) Orderbuch eingeben; ausgehend von den verfügbaren Mengen führt das System die Ordern sodann zu einem Referenzpreis, i. d. R. dem Mittelwert der höchsten Kauforder und der niedrigsten Verkaufsorder an der Börse, zusammen.254 Durch dieses Midpoint Crossing kann es innerhalb des Systems nicht zu Preisveränderungen oder gar einer Marktbeeinflussung durch eine große Order kommen.255 Der Betreiber eines Broker Crossing Network führt die Aufträge seiner Kunden allein als Agent, nicht aber als Gegenpartei und auf eigenes Risiko gegeneinander aus.256 Das genaue Datum für die Zusammenführung der Ordern wird zufällig innerhalb eines bestimmten Zeitfensters ausgewählt, damit kein Nutzer den Referenzpreis durch eine Order an der Börse in eine ihm genehme Richtung bewegt.257 Darüber hinaus verweigern manche Systeme die Zusammenführung von Ordern, wenn neue Informationen am Markt die Runde machen und einige Marktteilnehmer den Anschein erwecken, diese Informationen für sich auszunutzen.258 Zuletzt stellen diese Systeme höchstkomplexe Regeln zur Orderzusammenführung auf, um Ungleichgewichte der Orderlage auszugleichen. Dazu bedienen sie sich auch der Möglichkeit, bestimmte Marktteilnehmer vom Handel auszuschließen. Je nach System können die Nutzer für die Art der Orderausführung ferner spezifizierte Vorgaben machen. Beispielsweise können sie in dem von ITG betriebenen System namens POSIT ihre Ordern mit den Zusätzen „passive“, „midpoint“ oder
253 Konzise Beschreibung bei FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 47 f. Rn. 21 ff.; Degryse/Achet/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 6. Einen Überblick über die verschiedenen Betreiber und Funktionsweisen von Crossing Networks geben Degryse/Achter/ Wuyts, 7 Competition & Reg. Network Indus. 453, 456 (2006). 254 Dies geschah etwa im Dark Pool von Pipeline, vgl. SEC, In the Matter of Pipeline LLC, File No. 3-14600 Rn. 22. Allgemein: FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 47 Rn. 22 f.; Mo/Paddrik/Yang, A Study of Dark Pool Trading, 2012, S. 3; Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 2015, 330, 333; Hoops, RdF 2017, 14, 15; ders., Verborgene Liquidität, 2018, S. 42 f.; Güllner, WM 2017, 938, 940; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 73 ff. 255 IOSCO FR06/11, Principles for Dark Liquidity, S. 13; Degryse/Achet/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 4, 6; Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 753 (2014). Zu den anderen Referenzierungsmöglichkeiten siehe M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011, S. 9. 256 Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 73; Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 49 f.; Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 330, 333 (2015). 257 Hasbrouck, Empirical market structure, 2007, S. 21; M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011, S. 9. 258 So und im Folgenden: M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011 S. 9.
B. Die Evolution von Dark Pools
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„aggressive“ versehen.259 Eine „midpoint order“ wird zum Mittelwert des NBBO ausgeführt. Eine „aggressive order“ ist dagegen dazu bereit, über den Mittelwert hinauszugehen und die Geld-Brief-Spanne zu überwinden („cross the spread“). Eine „aggressive buy order“ wird also zum niedrigsten Briefkurs, eine „aggressive sell order“ zum höchsten Geldkurs ausgeführt. Umgekehrt zeigt eine „passive order“ an, dass sie die Geld-Brief-Spanne nicht überwinden will. Sie kann daher nur gegen eine „aggressive order“ ausgeführt werden. Da die Betreiber dieser Handelssysteme erhebliche Entscheidungsspielräume für sich reklamierten und behaupteten, der Handel finde nur unregelmäßig statt, wurden die Broker Crossing Networks nicht in gleicher Weise wie ein RM oder MTF reguliert, sondern dem von MiFID I unangetasteten OTC-Handel zugerechnet.260 In den USA werden Broker Crossing Networks zwar als ATS angesehen.261 Da die meisten von ihnen aber nicht die 5 %-Handelsschwelle von Rule 301(b)(3) Reg. ATS überschreiten, gelten für sie nur Mindeststandards; insbesondere müssen sie nur ausgeführte Ordern veröffentlichen – und dies auch nur mit Verzögerung.262 Dies hatte in beiden Jurisdiktionen zur Folge, dass Broker Crossing Networks ein erhebliches Maß an Intransparenz geschaffen haben.263 Weltweit blicken die Regulierungsbehörden kritisch auf diese Systeme.264 5. Feste Transparenzausnahmen, Preisreferenzierung, Eigenhandel Ferner kann ein Wertpapierunternehmen regelmäßig Ordern von Kunden gegen die eigenen Bestände zu referenzierten Preisen ausführen.265 Unter MiFID I wurden solche Internalisierungssysteme jedoch nicht als Systematischer Internalisierer qualifiziert, sondern als ad-hoc-Veranstaltung angesehen und daher dem OTCHandel zugerechnet.266 Wegen des Eigenhandelsverbots in Erwägungsgrund Nr. 6 259 So und im Folgenden: SEC, In the Matter of ITG INC. and AlterNet Securities Inc., File No. 3-16742, S. 8 Rn. 40. Vgl. ferner Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 71 f. 260 EU-Kommission, SEC(2011) 1226 endg., S. 10; Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 53 f.; Ferrarini/Moloney, Equity Trading, S. 31; Moloney, Regulation, 2014, S. 423; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 37 f. 261 Boskovic/Cerruti/Noel, Comparing Regulations 2010, S. 9. 262 Boskovic/Cerruti/Noel, Comparing Regulations 2010, S. 11; Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2016, S. 33 f., 37. 263 IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 4 f. 264 Vgl. IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 20 ff.; FCA, TR16/5, 2016, S. 29 Rn. 3.34, S. 48 Rn. 29; ASIC-Report 331, Dark liquidity and high-frequency trading, 2013, Rn. 82 ff.; SEC-Commissioner Luis A. Aguilar, Shedding Light on Dark Pools, Public Statement, abrufbar unter: https://www.sec.gov/news/statement/shedding-light-on-dark-pools. html (Abruf am 12. 04. 2019). 265 Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 34 ff. m.w.N. 266 So und im Folgenden: Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 53 ff.; Boskovic/Cerruti/Noel, Comparing Regulations 2010, S. 10.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
MiFID I konnte das Handelssystem zudem nicht als MTF reguliert werden. Einer Regulierung als Systematischer Internalisierer entzogen sich die meisten Betreiber ebenfalls. Das US-Recht kennt die Kategorie des SI nicht und sieht die gelegentliche Internalisierung als Teil des Handels im ATS an.267 Führt ein Broker-Dealer dagegen Ordern hauptsächlich gegen die eigenen Bestände aus, weist das US-Recht dies dem kaum regulierten OTC-Handel zu (Internalization).268 Hierunter fallen insbesondere die sog. Broker-Dealer Crossing Networks.269 6. Feste Transparenzausnahme und reine Internalisierung Abgesehen davon gibt es reine Internalisierungssysteme, die vor allem im Privatkundengeschäft eingesetzt werden270 : Ein sog. Retail Market Maker bezahlt Broker von Privatkundenfirmen dafür, ihm Ordern zuzuleiten, welche er gegen die eigenen Bestände zu eigenen Quotierungen ausführt.271 Während Kunden der sog. Käuferseite (buy-side), insbesondere Pensions- und Hedgefonds, stets Zugang genießen, kann sich der Betreiber des Internalisierungssystems dazu entschließen, Kunden der sog. Verkaufsseite (sell-side), vor allem Banken und Broker-Dealer, auszuschließen, um dadurch potentielle Konkurrenten im Wettbewerb um den Orderfluss auszuschalten.272 Meist entscheidet sich der Betreiber aus Gründen der Liquiditätssteigerung dazu, beiden Seiten Zugang zu seinem Handelssystem zu gewähren. 7. Schlussfolgerung: Funktionale Definition von Dark Pools Trotz ihrer großen Vielfalt und ihres bisweilen individuellen Zuschnitts verbindet alle Dark Pools, dass sie keine vorhandelsbezogenen Informationen veröffentlichen, um dadurch adverse Preiseffekte für die, anonym bleibenden, Nutzer zu vermeiden.273 Insbesondere Hochfrequenzhändler sollen so von einem elektronischen Front 267
SEC, Equity Market Structure, Release No. 34-61358; File No. S7-02-10, 2010, S. 19 f. Boskovic/Cerruti/Noel, Comparing Regulations, 2010, S. 11; SEC, Equity Market Structure, Release No. 34-61358; File No. S7-02-10, 2010, S. 20 f.; Haeberle, 42 J. of Corp. L. 809, 817 f. (2017). Zu den Ausführungsmöglichkeiten des Broker-Dealers siehe Köndgen, in: Bessler (Hrsg.), FS H. Schmidt, 2009, S. 282 f. 269 Vgl. Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 49 ff.; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 75, 81 ff. 270 Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 330, 333 (2015); Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 170. 271 Degryse/Achet/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 3; Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 753 (2014); Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 330, 333 (2015). 272 So und im Folgenden: Degryse/Achet/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 3; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 79. 273 Vgl. IOSCO, Principles for Dark Liquidity FR06/11, S. 4, 12 f.; Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 33; Gomber/Nassauer, ZBB 2014, 250, 252 268
B. Die Evolution von Dark Pools
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Running abgehalten werden.274 Zugleich stellt sich wegen der Transparenzausnahme für alle Systeme die Frage, ob sie der Effizienz des Kapitalmarktes schaden oder nützen.275 Dark Pools sind daher im funktionalen Sinne als Handelssysteme zum Schutz der Händler vor Handelstransparenz zu verstehen.
IV. Unterschiede zwischen Aktien-, Derivateund Anleihehandel Die funktionale Definition erfasst nicht nur intransparente Handelssysteme für Aktien, sondern auch Handelssysteme für andere Finanzinstrumente, namentlich Derivate und Anleihen. Letztere erfüllen aber (teilweise) andere ökonomische Funktionen als Aktien und unterliegen anderen Regeln als der Aktienhandel. Diese Unterschiede muss man sich vergegenwärtigen276, wenn man Dark Pools im Handel mit diesen Finanzinstrumenten untersucht. 1. Besonderheiten des Derivatehandels Im Derivatehandel galten bis in die jüngste Vergangenheit hinein kaum Transparenzpflichten, der Schattenhandel war die Regel. Anders als bei Aktien findet der Leistungsaustausch bei Derivativen nicht sofort statt, sondern jene begründen zukünftige – oftmals widerkehrende – Leistungspflichten.277 Die enge Bindung an eine andere Partei führt dazu, dass der Person des Vertragspartners eine deutlich höhere Bedeutung zukommt als auf dem Aktienmarkt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Insolvenzrisiko. Hinzu kommt zweitens, dass viele Derivate nicht in gleicher Weise standardisiert sind wie Aktien278 und die Kontrahenten eine Vielzahl von Risiken im Auge behalten müssen (v. a. Ausmaß der Absicherung, Ausfallrisiken, allgemeine ökonomische Entwicklungen).279 Das im Derivatehandel gängige Close-out Netting ermöglicht den Vertragspartnern, im Insolvenzfall gegenseitige Forderungen aufzurechnen und
Fn. 16; Degryse/Achter/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 3; Degryse/Jong/Kervel, 19 Rev. of Fin. 1587, 1593 (2015). 274 Ausführlich dazu oben: Kap. 1 A. V. 1. 275 Dazu sogleich Kap. 3 C. III und IV. 276 Im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht spielen die Unterschiede beispielsweise eine große Rolle für die Anwendbarkeit der sog. fraud-on-the-market-theory, vgl. Hartzmark/ Schipani/Seyhun, 2011 Colum. Bus. L. Rev. 654, 668 ff. 277 So und im Folgenden: Awrey, 92 N.Y.U. L. Rev., 1104, 1126 f. (2016). 278 Awrey, 92 N.Y.U. L. Rev., 1104, 1127 f. (2016). 279 Awrey, 92 N.Y.U. L. Rev., 1104, 1129 f. (2016).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
dadurch das Ausfallrisiko zu reduzieren. Es kann insofern die aufwendige Suche nach Informationen über die Gegenseite ersetzen.280 Zuletzt werden nicht alle Derivate zentral an einer Börse gehandelt281, sondern teilweise organisiert eine relativ kleine Gruppe von Eigenhändlern (Dealern) den Handel, indem sie potentielle Gegenparteien zusammenbringen.282 Zwar verarbeiten diese Dealer Informationen aus den Derivatgeschäften, indem sie untereinander handeln. Es fehlt jedoch an einer zentralen Stelle, welche zur Aggregierung aller Informationen beiträgt. Informationseffizienz spielt demnach auch im Derivatehandel eine Rolle, wird aber auf anderen Wegen erreicht als im Aktienhandel. Freilich wandelt sich der Handel angesichts vieler neuer regulatorischer Vorgaben wie der Handelsplatzpflicht für Derivate283 kontinuierlich.284 2. Besonderheiten des Anleihehandels Auch der Sekundärmarkt für Anleihen zeichnet sich dadurch aus, dass traditionell nicht an einer Börse mit einem zentralen Limitorderbuch gehandelt wird; stattdessen legen Eigenhändler (Dealer) auf Anfrage Quotierungen offen, zu denen sie zu handeln bereit sind.285 Außerdem sind – anders als im Aktienhandel – fast ausschließlich institutionelle Anleger auf dem Anleihemarkt aktiv. Da es an einer zentralen Börse als Sammelstelle für (handelsbezogene) Informationen fehlt und nur die Dealer untereinander und miteinander kommunizieren, fällt die (tatsächliche) Transparenz im Anleihehandel geringer aus als im Aktienhandel.286 Zuletzt zeichnen sich Anleihen dadurch aus, dass ihre Laufzeiten und Zahlungszeitpunkte genau festgelegt sind.287 Das macht sie als Investitionsobjekte für solche Anleger interessant, die fixe Gewinne über längere Zeiträume generieren wollen. Dagegen besteht bei Aktien stets Unsicherheit darüber, ob und wann Zahlungen erfolgen werden. Dementsprechend wechseln Anleihen deutlich seltener den Eigentümer als Aktien. Das schlägt sich in einer niedrigeren Liquidität des Anleihemarktes im Vergleich zum Aktienmarkt nieder. Folglich dürfte es sich schwieriger gestalten, einen Dark Pool für Anleihen als für Aktien zu betreiben. 280
Awrey, 92 N.Y.U. L. Rev., 1104, 1131, 1150 (2016). Awrey, 92 N.Y.U. L. Rev., 1104, 1133 f., 1137 (2016). 282 So und im Folgenden: Awrey, 92 N.Y.U. L. Rev., 1104, 1144 ff. (2016). 283 Vgl. Art. 28 Abs. 1 und 2 MIFIR. 284 Zur Entwicklung des Derivatehandels siehe Ferrarini/Saguato, 13 J. Corp. L. Stud. 319, 326 ff. (2013). 285 So und im Folgenden: Hartzmark/Schipani/Seyhun, 2011 Colum. Bus. L. Rev. 654, 668 f. 286 Hartzmark/Schipani/Seyhun, 2011 Colum. Bus. L. Rev. 654, 692. 287 So und im Folgenden: Hartzmark/Schipani/Seyhun, 2011 Colum. Bus. L. Rev. 654, 676 f. 281
C. Die Regulierung von Dark Pools
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C. Die Regulierung von Dark Pools: Gratwanderung zwischen Effizienzförderung und Effizienzverringerung Indem sie sich der Transparenz des Kapitalmarkts verweigern, bringen Dark Pools eine zentrale Säule288 des Handels mit Finanzinstrumenten ins Wanken. Sowohl der europäische als auch der US-amerikanische Gesetzgeber haben darauf reagiert, indem sie umfangreiche neue Gesetzesakte zur Regulierung von Dark Pools erlassen haben.289 Damit stellt sich vorrangig die Frage, wann eine Regulierung überhaupt erfolgen darf. Selbst wenn man dem Staat eine Art Allzuständigkeit für jede denkbare Aufgabe zugesteht290, werden ihm zwei Grenzen gesetzt. Erstens sind die Handlungsmöglichkeiten der Marktteilnehmer, insbesondere ihre Vertragsfreiheit, zu achten.291 Im freiheitlichen Staat muss jede Beschränkung der Freiheit eines Rechtssubjekts durch entgegenstehende Rechtsgüter gerechtfertigt sein (in dubio pro libertate).292 Die Verletzung von Grundrechten und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bilden eine rote Linie, welche der Staat nicht überschreiten darf.293 Die zweite Grenze ergibt sich aus einer ökonomischen Betrachtung294 und dem sog. Subsidiaritätsgrundsatz: In einer Marktwirtschaft ist zu vermuten, dass Private alle in privater Form erfüllbaren Aufgaben besser, d. h. effizienter erledigen können als der Staat.295 Zudem ist auf der Grundlage des Pareto-Kriteriums zu unterstellen, dass private Akteure durch die Begründung von Austauschbeziehungen ihre eigene Wohlfahrt steigern, was sich auf die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt positiv auswirkt.296 Will man die Freiheit, solche Austauschbeziehungen zu begründen, einschränken, bedarf es dafür einer Rechtfertigung.
288 Zur Bedeutung der Transparenz vgl. etwa Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 183 f., 204 ff.; Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 127 ff. 289 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 6 und 11 MiFIR. 290 So Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, 2. Aufl. 2012, § 19 Rn. 16. 291 Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 159. 292 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 46. Zu den deutschen und europarechtlichen Freiheitsrechten: Züll, Regulierung, S. 41 ff. 293 Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 19 Rn. 16. 294 Komprimierte Darstellung bei: Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 1, § 19 Rn. 17 f. 295 Züll, Regulierung, 2014, S. 17 f.; Seifert, Privilegierung und Regulierung, 1984, S. 42. 296 So und im Folgenden: Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 24 f.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Im Kapitalmarktrecht ergeben sich aus den Zielen der Kapitalmarktregulierung (I.) die Rechtfertigungsmöglichkeiten für eine Regulierung (II.). Ausgehend von diesen abstrakten Vorgaben ist sodann konkret zu untersuchen, inwiefern Dark Pools sich als effizienzfördernd (III.) und als effizienzschädlich erweisen (IV.). Anschließend ist zu erwägen, ob die Marktineffizienzen zu tolerieren sind (V.) und ob eine Selbstregulierung einer staatlichen Regulierung vorzuziehen ist (VI.).
I. Ziele der Kapitalmarktregulierung Die übergeordneten Ziele der europäischen und deutschen Kapitalmarktregulierung, der Funktionsschutz und der Anlegerschutz, werden in Gesetzgebung297, Rechtsprechung298 und Literatur299 immer wieder genannt und sind hinlänglich bekannt. Sie werden daher im Folgenden nur skizziert. 1. Funktionsschutz Hinter dem Funktionsschutz verbirgt sich das öffentliche Interesse an einem funktionierenden, für den Erfolg einer Volkswirtschaft notwendigen Kapitalmarkt.300 Ziel jeder staatlichen Regulierung ist es, die Effizienz dieses Marktes zu gewährleisten. a) Die drei zentralen Effizienzformen Traditionell unterscheidet man drei Effizienzformen301, von denen die Allokationseffizienz das übergeordnete Ziel bildet: Vorhandenes Risikokapital soll (auf dem Primärmarkt) dorthin fließen, wo der höchste Bedarf und die besten Renditeaussichten bei hinreichender Sicherheit bestehen.302 Damit es zu einer optimalen Ka297
Vgl. etwa Erwägungsgründe Nr. 13, 67, 108, 113, 155 MiFID II sowie Erwägungsgründe Nr. 3, 13, 29, 32, 40, 45, 46 MiFIR. 298 Vgl. etwa BGH DStR 2005, 1500, 1501; OLG Stuttgart, NZG 2009, 624, 635 (Schrempp). 299 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, § 1 Rn. 7 – 21; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, Vor § 104 Rn. 72 – 112 m.w.N. 300 Seiler/Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, Vor § 104 Rn. 86 ff; Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 3 ff. Zu den verschiedenen Unteraspekten: Fox/Haeberle, 42 J. Corp. L. 887, 891 ff. (2017); Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 833 (2018). 301 Vgl. schon früh: Kohl/Kübler/Walz/Wüstrich, ZHR 138 (1974), 1, 16 ff; ebenso Lehmann, in: MüKo-BGB, Band 12, 7. Aufl. 2018, Internationales Finanzmarktrecht, Rn. 3. 302 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl., 1996, S. 120; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, § 1 Rn. 10; vgl. auch Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl. 2011, S. 3 ff.; Fox/Haeberle, 42 J. Corp. L. 887, 904 (2017).
C. Die Regulierung von Dark Pools
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pitalverteilung kommen kann, müssen gewisse Vorbedingungen erfüllt sein, welche man mit der institutionellen und operationalen Effizienz des Kapitalmarkts umschreibt. Institutionelle Effizienz bedeutet, dass überhaupt ein Markt besteht, an dem verschiedene Akteure miteinander in Verbindung treten können.303 Daran schließt sich die operationale Effizienz an, wonach die für die Nutzung eines Markts anfallenden Kosten, die sog. Transaktionskosten, so niedrig wie möglich auszufallen haben.304 b) Informationseffizienz und fundamentale Effizienz Von den drei genannten Effizienzformen zu unterscheiden ist die Informationseffizienz305, welche auf der im Wesentlichen von Eugene Fama entwickelten Kapitalmarkteffizienzhypothese (Efficient Capital Markets Hypothesis) beruht.306 Jeder Marktakteur braucht demnach Informationen, um eine Transaktionsentscheidung treffen zu können.307 Nach der heute überwiegend genutzten308 halbstrengen Variante309 der Kapitalmarkteffizienzhypothese reflektieren die Kurse von Finanzinstrumenten (vor allem Aktien) alle öffentlich bekannten Informationen nahezu ohne Verzögerung und bringen dadurch die Marktakteure auf den für rationale Investitionsentscheidungen erforderlichen Kenntnisstand.310 Die Informationseffizienz beschreibt, wie schnell neue, relevante Informationen in den Preis (vollständig) eingearbeitet werden – sie ist damit ein rein relativer Wert.311 Je mehr Informationen in kurzer Zeit verarbeitet werden, umso informationseffizienter ist der Markt.312
303 Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, Vor § 104 Rn. 76 m.w.N. 304 Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, Vor § 104 Rn. 75 m.w.N. 305 Ausführlich dazu Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 235 ff. Zu den verschiedenen Begriffen: Klöhn, Spekulation, 2006, S. 60. Manche sprechen von der „externen Effizienz“, vgl. Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 39 ff. m.w.N. 306 Fama, 25 J. of Fin. 383 (1970). Konzise Darstellung der Entwicklung, Fundamente und Aussagen dieser Hypothese bei Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 75 ff.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 75 ff. 307 Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 45. 308 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 76; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 76. 309 So und im Folgenden: Fama, 25 J. of Fin. 383 (1970). 310 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 558 (1984); Klöhn, Spekulation, 2006, S. 60. 311 Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, S. 23; Klöhn, in: KöKo, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 77; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 77; Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rew. 549, 560 (1984); Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 729 f. (2006). 312 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 729 f. (2006).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Dagegen beschreibt die fundamentale Effizienz, inwiefern der (aktuelle) Börsenpreis, auf der Grundlage der verfügbaren Informationen313, mit dem wahren Wert eines Finanzinstruments, dem Fundamentalwert, übereinstimmt.314 In einem fundamental ineffizienten Markt weicht der Börsenpreis vom Fundamentalwert ab, sodass ein Marktteilnehmer, der zum Marktpreis ein Geschäft abschließt, einen finanziellen Nachteil in Höhe der Differenz zwischen Börsenpreis und Fundamentalwert erleidet.315 Der Geschwindigkeit, mit der neue Informationen in den Preis eingearbeitet werden (also der Informationseffizienz), kann grds. nicht entnommen werden, ob die derzeitigen Preise den wahren Wert zutreffend abbilden, also fundamental effizient sind.316 Die Verarbeitung neuer Informationen in den Börsenpreis ist dem (rationalen) Verhalten der (fundamentalwert-orientierten) Informationshändler zu verdanken.317 Bemerken diese bei ihrer Suche, dass der wahre Wert (Fundamentalwert) und der gegenwärtige Marktpreis eines Wertpapiers divergieren, handeln sie mit den uninformierten Händlern so lange, bis beide Werte wieder identisch sind.318 Ohne Informationshändler kann es demnach keine Informationseffizienz geben.319 Wie viele Informationshändler aktiv sind und wie informationseffizient ein Markt dadurch wird, hängt von den Kosten und Risiken ab, die die Informationshändler beim Handeln tragen.320 Zugleich tragen Informationshändler zur fundamentalen Effizienz bei, indem sie möglichst genaue Schätzungen des Fundamentalwerts abgeben und auf deren Grundlage handeln.321 Kommt die Schätzung dem Fundamentalwert
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Zur Bedeutung der verfügbaren Informatione siehe Klock, 10 Ga. St. U. L. Rev. 297, 299 (1994). 314 Vgl. Klöhn, in: KöKo, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 77 f.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 77 f.; ders., Spekulation, 2006, S. 40 m.w.N. Zum synonym verwendeten Begriff der „Share Price Accuracy“ siehe Fox, 1 Berk. Bus. L. J. 113, 114 ff. (2004); Haeberle, Col. Bus. L. Rev. 121, 130 ff. (2015); Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 834 (2018). Zum Verhältnis von fundamentaler Effizienz und Liquidität vgl. Fox/Glosten/ Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 225 (2015). 315 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 181. 316 Ausführlich zum Verhältnis von Informationseffizienz und fundamentaler Effizienz: Ayres, 77 Va. L. Rev. 945, 965 ff. (191). Vgl. ferner Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 559 f. (1984). 317 So und im Folgenden: Hachmeister, Informed Traders, 2007, S. 35 f.; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 357 f. 318 Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 837 ff. (2018); Klöhn, in: KöKo, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 80; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 80. Man spricht auch vom sog. Informationsarbritragemodell, vgl. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 354 ff. 319 Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 843 f. (2018). Vgl. ferner Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 224 f.; Klöhn, Spekulation, 2006, S. 61 ff. 320 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 731 f. (2006). 321 Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 223; vgl. auch Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 831 (2018).
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tatsächlich nahe, steigert der Handel der Informationshändler den Informationsgrad des Börsenpreises.322 aa) Transparenz als Vorbedingung für Informationseffizienz Damit die Informationshändler überhaupt Informationen verarbeiten können, müssen diese verfügbar sein. Den Umfang, in welchem Informationen über das Marktgeschehen öffentlich abgerufen werden können, beschreibt der Begriff der Transparenz.323 Herrscht ein hoher Grad an Transparenz, können die Informationshändler auf neue fundamentalwert- und handelsbezogene Informationen rasch zugreifen und diese durch ihren Handel im Preis verarbeiten.324 Transparenz bildet folglich die zentrale Voraussetzung für Informationseffizienz.325 Allerdings führt ein zu hoher Grad an Transparenz dazu, dass neue Informationen so schnell diffundieren, dass Informationshändler sie nicht für sich ausnutzen können.326 Dadurch sinkt der Anreiz, nach neuen Informationen zu suchen. Ein gewisser Grad an Intransparenz ist daher erforderlich, damit neue Informationen in den Preis eingearbeitet werden.327 bb) Informationseffizienz als Vorbedingung für Allokationseffizienz Oftmals werden Informations- und Allokationseffizienz gleichgesetzt: Ein Markt mit effizienter Informationsverteilung müsse zwangsläufig eine effiziente Allokation hervorbringen.328 Tatsächlich ist die Informationseffizienz nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für eine effiziente Allokation. Fest steht, dass ohne die Verarbeitung kursrelevanter Informationen kein Anleger in der Lage ist, die Chancen und Risiken einer Investition vollständig einschätzen zu können.329 Können Anleger die großen Chancen eines Investitionsobjekts nicht erkennen, fließt die 322
Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 224. Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 23. Vgl. ferner Kumpan, Regulierung, 2006, S. 81 ff. 324 Dann ist die Marktbeeinflussung entsprechend hoch, vgl. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 207. 325 Eine hohe Markttransparenz senkt vor allem die Anbahnungskosten für die Marktteilnehmer, vgl. Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 24; vgl. auch Klöhn, Spekulation, 2006, S. 155 f. 326 So und im Folgenden: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 206. 327 Siehe auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 83 f. 328 So und im Folgenden: Fleischer/Zimmer, Effizienzorientierung im Kapitalmarktrecht, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 14 f. 329 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 77 f.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 77 f. 323
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Investition nicht dorthin, wo sie am produktivsten eingesetzt und Pareto-superiore Ergebnisse erzielen kann.330 Selbst wenn ein Anleger auf alle erforderlichen Informationen zugreifen kann, kann es aber dennoch zu Fehlallokationen kommen, wie die Behavioral Finance Forschung331 eindrucksvoll belegt332 : Investoren lassen sich bei ihren Entscheidungen nicht nur von harten Fakten, sondern auch irrationalen Umständen leiten. Dies führt zu Marktanomalien und Abweichungen des gegenwärtigen Marktpreises vom wahren Wert des Wertpapiers (Fundamentalwert).333 Diese Situation kann es nach der Kapitalmarkteffizienzhypothese nicht geben, unterstellt sie doch, dass Anleger im Aggregat jedes Finanzinstrument rein rational bewerten.334 Will man nicht die Augen vor den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie335 verschließen, muss man Informationseffizienz und Allokationseffizienz trennen. c) Operationalisierung der Effizienzbegriffe Ob Effizienz im Sinne der soeben vorgestellten Begriffe erreicht wird, lässt sich ohne empirische Nachweise und handhabbare Kriterien nicht feststellen. Für die Allokationseffizienz wird insoweit auf das Pareto- und/ oder das Kaldor-HicksKriterium zurückgegriffen.336 Allerdings lassen sich diese Kriterien in der Praxis kaum nutzen, weil sich nicht nur ein richtiger Verteilungszustand (sog. Optimum Optimorum), sondern gleich mehrere optimale Zustände ermitteln lassen; eine eindeutige Aussage über die richtige Verteilung von Gütern lässt sich daher nicht treffen.337 Dementsprechend wird die Allokationseffizienz im Kapitalmarktrecht als ein übergeordnetes Ziel angesehen.338 Für die Messbarkeit der institutionellen und operationalen Effizienz sowie der Informationseffizienz werden mehrere Konzepte vorgeschlagen, welche allesamt bei den Transaktionskosten der Marktteilnehmer ansetzen, teilweise jedoch weitere 330
Dazu Klock, 10 Ga. St. U. L. Rev. 297, 303 (1994). Ausführliche Darstellung bei Klöhn, Spekulation, 2006, S. 80 ff. 332 So und im Folgenden: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 81 – 83; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 81 – 83. 333 Konzise Darstellung bei Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 81 – 83; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 81 – 83, jeweils m.w.N. 334 Vgl. Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 104 f. 335 Konziser Überblick bei Korch, Haftung und Verhalten, 2015, S. 29 ff. 336 Ausführlich zu beiden Kriterien: Schwalbe, Effizienzkonzepte, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel, 2008, S. 45 ff., 59 ff.; Eidenmüller, Effizienz, 3. Aufl. 2005, S. 48 ff. 337 Zimmer/Schwalbe, Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl. 2011, S. 4; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 24, 40 f. 338 Vgl. auch Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 222 (2016), die insgesamt sieben (!) Ziele der Kapitalmarktregulierung identifizieren. 331
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Kriterien nutzen: Nach einem ersten Konzept339 zerfällt die Kapitalmarkteffizienz in niedrige Transaktionskosten und Informationseffizienz. Beide Einheiten sollen anhand der Liquidität340 zu bemessen sein, die ihrerseits anhand der (möglichst niedrigen) Geld-Brief-Spanne beurteilt wird. Ein zweites Konzept341 sieht dagegen niedrige (Markt-)Transaktionskosten342 und hohe Liquidität als Primärkriterien und die Informationseffizienz als eines von mehreren Sekundärkriterien eines effizienten Markts an. Nach einem dritten Konzept343 sind allein niedrige Transaktionskosten das entscheidende Bemessungskriterium, wobei die Informationseffizienz und die Liquidität wichtige Indikatoren bilden. US-amerikanische Gerichte bestimmen die Markteffizienz schließlich anhand mehrerer Kriterien, die das Bundesbezirksgericht für den Bezirk von New Jersey in Cammer v. Bloom344 erstmals formuliert hat.345 Der Cammer-Test stellt u. a. darauf ab, ob das Finanzinstrument ein hohes wöchentliches Handelsaufkommen zeigt, von Analysten beobachtet wird und sich Preise unmittelbar im Anschluss an neue Ereignisse verändern346.347 Teilweise wird dieser Test ergänzt um drei weitere Faktoren, die das Bezirksgericht für den Nördlichen Bezirk von Texas in Krogman v. Steritt348 aufgestellt hat. Diese sind der Börsenwert des Emittenten, die Größe der Geld-BriefSpanne und der Anteil der frei handelbaren Finanzinstrumente.349
339 Sester, ZGR 2009, 310, 334 ff, der die Perspektive der Rechtsanwendung und Auslegung kapitalmarktrechtlicher Regelungen wählt und dabei zum Ergebnis kommt, dass das Senken der Transaktionskosten und das Erreichen von Informationseffizienz von allen Marktteilnehmern konsentierte Ziele sind. 340 Sester, ZGR 2009, 310, 342 stellt darauf ab, dass durch mehr Liquidität mehr Informationen verarbeitet werden könnten und dadurch die Informationseffizienz steige; ähnlich Zhu, Rev. of Fin. Stud. 2014, 747, 748; Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 223 ff. (2015). Zur Bedeutung der Liquidität allgemein: Klöhn, Spekulation, 2006, S. 68 ff. 341 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 170 ff.; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 34 ff. 342 Diese zerfallen in Marktbeeinflussungskosten, Kommissionskosten und Geld-BriefSpanne, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 34 m.w.N. in Fn. 183. 343 Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 18 – 32; zur Börsenintermediation: Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 32 ff. 344 Cammer v. Bloom, 711 F. Supp. 1264 (D.N.J. 1989). 345 Überblick bei Hartzmark/Schipani/Seyhun, 2011 Colum. Bus. L. Rev. 654, 663 ff. 346 Das Bundesberufungsgericht für den zweiten Bezirk lässt dafür auch indirekte Beweise ausreichen, vgl. Petrobras Sec. Univs. Superannuation Scheme Ltd. v. Petróleo Brasileiro S.A. Petrobras, 862 F.3d 250, 276 – 77 (2d Cir. 2017); Waggoner v. Barclays PLC, 875 F.3d 79 (2d Cir. 2017). 347 Cammer v. Bloom, 711 F. Supp. 1264, 1286 – 87 (D.N.J. 1989). 348 Krogman v. Sterritt, 202 F.R.D. 467 (N.D. Tex. 2001). 349 Krogman v. Sterritt, 202 F.R.D. 467, 478 (N.D. Tex. 2001).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Die Unterschiede zwischen den vorgestellten Konzepten fallen geringer aus, als es den Anschein hat. Letztlich nehmen sie nur verschiedene Perspektiven350 ein; zudem bestehen Interdependenzen zwischen Transaktionskosten, Liquidität, Informationseffizienz, Transparenz und Geld-Brief-Spanne.351 Dies offenbart sich, wenn man den Begriff der Informationseffizienz in eine eigene Kostenkategorie umformuliert: Informationskosten sind all jene Kosten, welche Marktteilnehmer dadurch erleiden, dass in einem informationsineffizienten Markt der Börsenpreis nicht alle verfügbaren Informationen sofort widerspiegelt und Händler Finanzinstrumente falsch bewerten. Diese Kosten reduzieren die Zahl der eingegebenen Aufträge, sodass sich die GeldBrief-Spanne weitet und die Liquidität sinkt.352 Umgekehrt gilt: Werden viele Ordern eingegeben, sinkt die Geld-Brief-Spanne, sodass die Ausführung einer Order nur wenig kostet.353 Geringe Liquiditätskosten senken wiederum das Risiko, Finanzinstrumente mit Verlusten verkaufen zu müssen; dies reizt weitere Händler dazu an, nach neuen Informationen zu suchen und auf deren Grundlage zu handeln. Dadurch steigt die Informationseffizienz (und die fundamentale Effizienz). Grundsätzlich besteht also eine positive Wechselwirkung. Da ein Markt nur informationseffizient sein kann, wenn Informationen veröffentlicht werden, bildet die Transparenz des Marktes eine wichtige Vorbedingung effizienter Märkte.354 Allerdings können in einem vollkommen transparenten Markt Informationshändler ihren Wissensvorsprung nicht ausnutzen, weil andere Händler sie genau beobachten können.355 Vor allem große Ordern sind dadurch dem Risiko einer Marktbeeinflussung ausgesetzt. Handeln Marktteilnehmer deswegen nicht, sinken Liquidität und Informationsniveau am jeweiligen Handelsplatz. Ein zu hoher Grad an Transparenz steigert demnach die Transaktionskosten, senkt die Liquidität und verringert die Informationseffizienz.356
350 Der Cammer-Test wurde entwickelt vor dem Hintergrund der Fraud-on-the-Market Theory, fokussiert sich daher auf die Informationseffizienz, vgl. Cammer v. Bloom, 711 F. Supp. 1264, 1277 (D.N.J. 1989). 351 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 170, Fn. 94: „Beispielsweise könnte man Transaktionskosten als Illiquiditätskosten behandeln.“; Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 31 f.; vgl. auch Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 225 (2015). 352 Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 22. 353 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 225 (2016); Fox/ Haeberle, 42 J. Corp. L. 887, 891 (2017). 354 Ausführlich zu den Wechselwirkungen: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 204 ff., die betonen, dass absolute Transparenz nicht erstrebenswert ist. Vgl. zudem Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 31 f. 355 So und im Folgenden: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 207 f.; Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 31 f. 356 Die Herausforderung liegt darin, das richtige Maß an Transparenz zu finden, vgl. Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 207 ff. Vgl. auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 83 ff. m.w.N.
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Neben den soeben vorgestellten spielen weitere Kosten eine Rolle, etwa die Kosten der Suche nach einem geeigneten Handelsplatz und die dort zu zahlenden Gebühren. Folglich bilden Transaktionskosten das entscheidende, oberste Effizienzkriterium, welches sich seinerseits untergliedert in die Informationseffizienz, die Liquidität des Marktes sowie weitere Handelskosten.357 2. Anlegerschutz Neben den Funktionsschutz tritt der Anlegerschutz, welcher seinerseits in den Schutz der Gesamtheit der Anleger (Institutioneller Schutz) und den Schutz einzelner Anleger (Individualschutz) aufgeteilt wird. Der gesamte Anlegerschutz kreist um die optimale Anlageentscheidung: Der Anleger soll in die Lage versetzt werden, eine seinem Risikoprofil entsprechende Investitionsentscheidung treffen zu können.358 3. Schutz der Systemstabilität Erst seit Kurzem rückt das Regelungsziel der Systemstabilität in den Fokus des Kapitalmarktrechts. Auslöser ist die Erkenntnis, dass nicht nur einzelne Institute, Produkte oder Verhaltensweisen Schäden verursachen können, sondern das gesamte Marktsystem aufgrund der vielfältigen Interdependenzen zwischen den Marktteilnehmern kollabieren kann.359 Als „systemische Risiken“360 wurden beispielsweise bestimmte Derivatearten361 und Leerverkäufe362 identifiziert. Sie können einen Domino-Effekt auslösen: Es bleibt nicht beim Niedergang eines Marktteilnehmers (Bank, Fonds, etc.)363, sondern andere Marktteilnehmer werden ebenfalls in den Abgrund gerissen.364 Solchen Gefahren kann man nicht mit einer mikroprudentiellen, sondern nur mit einer, den gesamten Markt beobachtenden, makroprudentiellen Aufsicht begegnen.365 357 Diese Dreiteilung kommt am nächsten dem Ansatz von Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 18 – 32. 358 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 164, 165. 359 Lehmann, in: MüKo-BGB, Band 12, 7. Aufl. 2018, Internationales Finanzmarktrecht, Rn. 4; Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 11. 360 Für eine genaue Begriffsdefinition, vgl. Schwarcz, 97 Georg. L. J. 193, 204 (2008); Schinasi, Defining Financial Stability, IMF Working Paper 04/187, 2004, S. 8. 361 Anand, 60 Uni. of Toronto L. J. 2010, 941, 960. 362 Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 11. 363 Es werden eben nicht nur die typischen Finanzmarktintermediäre, sondern ganz verschiedene Marktteilnehmer von systematischen Risiken erfasst, vgl. Schwarz, 97 Georg. L. J. 193, 197 (2008). 364 Schwarcz, 97 Georg. L. J. 193, 197 (2008); De Bandt/Hartmann, Systemic Risk, ECB Working Paper Nr. 35, 2000, S. 26 ff. 365 Vgl. Lehmann, in: MüKo-BGB, Band 12, 7. Aufl. 2018, Internationales Finanzmarktrecht, Rn. 4.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
4. Verhältnis der drei Schutzziele Anleger- und Funktionsschutz werden nach einem bekannten Diktum als „zwei Seiten derselben Medaille“366 angesehen. Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass die meisten Elemente des Anlegerschutzes in die Kategorien der Kapitalmarkteffizienz transponiert werden können.367 Insbesondere die zahlreichen kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten stellen sicher, dass der Anleger eine rationale Entscheidung über eine Investition treffen kann. Käme es nicht zu dieser Entscheidung, bliebe die Investition aus und der Markt könnte seine Allokationsfunktion nicht erfüllen.368 Zudem steigern die zahlreichen Pflichten und Haftungstatbestände das Vertrauen der Anleger in den Markt und damit ihre Investitionsbereitschaft.369 Zugleich werden die Anleger in einem effizienten Markt durch den Marktmechanismus geschützt. Teilweise wird dem Anlegerschutz deshalb eine bloß „dienende Funktion“370 gegenüber dem Funktionsschutz eingeräumt.371 Mag ein solches Stufenverhältnis bestehen oder nicht bestehen, so werden jedenfalls als allgemeine Ziele anerkannt, dass die Anleger für Entscheidungsdefizite zu kompensieren sind und eine möglichst große (informationelle) Chancengleichheit innerhalb der Anlegergesamtheit zu schaffen ist.372 Ob der Schutz der Systemstabilität ein eigenständiges Regelungsziel373 oder einen Ausschnitt des Schutzes der Funktionsfähigkeit darstellt374, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Der europäische wie auch der deutsche Gesetzgeber räumen der Systemstabilität eine eigenständige Bedeutung ein, indem sie dieses Regelungsziel separat neben dem Schutz der Funktionsfähigkeit aufführen.375 Die praktischen Folgen dieser Einordnung sind gering, solange die Verwirklichung von Systemstabilität nicht als Regelungsziel bestritten wird und man sich die enge Verknüpfung aller drei Regelungsziele vergegenwärtigt: Ohne funktionsfähige Institute lässt sich keine Systemstabilität erreichen; umgekehrt werden die Anleger 366
102.
Assmann, ZGR 1994, 494, 499; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 159; ders. WM 2013, 101,
367 Vgl. etwa Assmann, ZBB 1989, 49, 56; Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 34; Fleischer/Merkt, Gutachten DJT 2002, S. 22 f.; Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/ Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 108; Zimmer/ Fleischer, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 35 f. 368 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 51. 369 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 173 m.w.N. 370 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172. 371 Unter Verweis auf das Schaffen von Vertrauen spricht Hopt vom Anlegerschutz „zumindest im Sinne eines Zwischenziels“, vgl. Hopt, ZHR 159 (1999), 135, 159. 372 Vgl. Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 173. 373 Veil, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 9. 374 Klöhn, in: Langenbucher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 16. 375 Vgl. Art. 1 Abs. 5 S. 1 ESMA-VO und BT-Drs. 17/11631, S. 1.
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effektiv geschützt, wenn verhindert wird, dass sich die Schieflage eines Marktteilnehmers auf andere ausbreitet.376
II. Abstrakte Voraussetzungen einer Regulierung Die Ziele der Kapitalmarktregulierung geben zugleich die Voraussetzungen einer Regulierung vor: Reguliert werden darf nur dann, wenn die Funktionsfähigkeit oder der Anlegerschutz gefährdet werden. Davon zu unterscheiden sind die Motive einer Regulierung, welche sich aus den Interessen der Marktteilnehmer ergeben und von der, hier nicht weiter interessierenden, normativen Regulierungstheorie untersucht werden.377 1. Gefährdung der Funktionsfähigkeit Die Funktionsfähigkeit eines Marktes kann auf verschiedene Weisen gefährdet werden, welche unter dem Oberbegriff des Marktversagens378 zusammengefasst werden. Der Kreis der Fälle von Marktversagen wurde zunächst sehr eng gezogen und durch die Neue Institutionenökonomie erheblich erweitert.379 Stets handelt es sich um eine Abweichung380 vom Modell des vollkommenen Wettbewerbs.381 a) Monopol und ruinöse Konkurrenz Vollkommener Wettbewerb herrscht, wenn kein Marktteilnehmer, weder Käufer noch Verkäufer, den Preis für ein Gut durch sein Verhalten beeinflussen („setzen“) kann, also an den sich aus Angebot und Nachfrage bildenden Preis gebunden ist (sog. Preisnehmer).382 Verfügt ein Akteur über ein Monopol, ist der Wettbewerb (weitgehend) ausgeschaltet. Dies begegnet Bedenken, wenn der Monopolist seine Preise abweichend von der Preisbildung anhand von Angebot und Nachfrage setzen kann, 376 Vgl. Lehmann, in: MüKo-BGB, Band 12, 7. Aufl. 2018, Internationales Finanzmarktrecht, Rn 5 f. 377 Zu den verschiedenen Strömungen: Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, 2. Aufl. 2011, S. 40 ff. 378 Cremer, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, 2010, § 5 Rn. 94; Schulte, Regulierung, 1995, S. 39; White, in: Lo, Regulating 1993, 207, 210 ff. Vgl. ferner Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 80 ff. 379 Eine konzise Darstellung der Entwicklungsgeschichte gibt: Kress, Kapitalmarktregulierung, S. 12 ff; vgl. auch Schwalbe/Zimmer, S. 15; Schulte, Regulierung, 1995, S. 30 – 34. 380 Zu den Transaktionskosten, vgl.: Morell, in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden, 2. Aufl.2017, § 3 Rn. 161 ff. 381 Konzise Darstellung bei Walgenbach, HJWG 35, 1990, 257, 264 f. 382 So und im Folgenden: Morell, in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden, 2. Aufl. 2017, Rn. 154 f.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
die Koordination durch den Markt-Preis-Mechanismus also ausbleibt.383 Der Monopolist verringert aus Gründen der Gewinnmaximierung die Menge der produzierten Güter, erhöht den Marktpreis und zieht damit Gewinne der Konsumenten an sich. Von einem natürlichen Monopol spricht man dann, wenn es aufgrund eines Mengeneffekts günstiger ist, einen einzigen Anbieter die Leistungen erbringen zu lassen, anstatt die Produktion auf mehrere Anbieter zu verteilen.384 Dies kann sich positiv auf die Dynamik des Wettbewerbs auswirken, etwa weil der Monopolist aufgrund einer gesicherten Ertragslage besser dazu in der Lage ist, Investitionen in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte zu tätigen.385 Allerdings kann der Mangel an Wettbewerb auch den umgekehrten Effekt haben, dass der Monopolist nicht zu Investitionen in Innovationen incentiviert wird. Monopole begründen folglich nicht per se ein Marktversagen, sondern erst die missbräuchliche Ausnutzung der Monopolstellung lässt den Markt versagen.386 Das Kontrastprogramm zum Monopol bildet der ruinöse Wettbewerb: Ein sehr intensiver Wettbewerb kann zum Ausscheiden von Marktteilnehmern führen.387 Dies ist solange akzeptabel, wie nicht derjenige Marktteilnehmer ausscheidet, der am effizientesten produzieren kann und damit volkswirtschaftliche Verluste eintreten.388 Ruinöser Wettbewerb stellt i. d. R. nur ein temporäres Phänomen dar, weshalb sich diese Form des Marktversagens oft von selbst erledigt.389 b) Transaktionskosten und Rationalisierung Jede Markttransaktion löst Kosten aus, vor allem Kosten der Suche nach einem geeigneten Transaktionspartner und Verhandlungskosten.390 Aufgrund dieser Kosten können sich die Marktteilnehmer bei einer Transaktion nicht mehr allein auf den Preismechanismus verlassen, wie es das Modell des vollkommenen Wettbewerbs 383 So und im Folgenden: Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl. 2011, S. 19 ff.; Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 172 ff., 191. 384 Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, 2. Aufl. 2011, S. 16 f.; Krakowski, in: Krakowski, Regulierung, 1988, S. 27; Schulte, Regulierung, 1995, S. 24. 385 So und im Folgenden: Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 192 ff. 386 Dies gilt insbesondere dann, wenn der Monopolist vor dem Marktzutritt von Konkurrenten geschützt ist, vgl. Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 183, 198. 387 Krakowski, in: Krakowski, Regulierung, 1998, S. 59. 388 Krakowski, in: Krakowski, Regulierung, 1998, S. 61; Schulte, Regulierung, S. 26 f. 389 Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 182 ff. 390 Grundlegend Coase, 3 J. of L. and Econ. 1, 15 (1960). Bis heute gibt es keine genaue Definition von Transaktionskosten. Coase, 4 Economica 386, 391 (1937) definiert sie als Kosten der Nutzung des Preismechanismus. Allgemein unterscheidet man heute fünf Typen von Transaktionskosten: Anbahnungskosten, Vereinbarungskosten, Abwicklungskosten, Kontrollkosten und Anpassungskosten, vgl. Fritsch, Marktversagen und Wettbewerbspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 10 f.
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nach Coase391 vorsieht.392 Ihre Kosten können so exorbitant hoch ausfallen, dass sie den aus dem Vertrag resultierenden Gewinn vernichten und die Transaktion damit ökonomisch sinnlos machen. Kurz gesagt: Die Transaktionskosten blockieren einen Abschluss.393 Dem lässt sich durch eine Rationalisierung, oftmals in der Form einer Standardisierung, begegnen. Durch einheitliche Regeln für Produkte brauchen die Marktteilnehmer nicht mehr alles zu verhandeln, sondern können sich auf die Einheitlichkeit verlassen.394 Dadurch setzt ein Marktmechanismus mit dezentralen Ordnungskräften ein.395 c) Externe Effekte und öffentliche Güter Von externen Effekten spricht man, wenn ein Wirtschaftssubjekt unmittelbar auf andere Wirtschaftssubjekte einwirkt, ohne dass diese Einwirkung über einen Preis abgebildet und kompensiert wird. Technisch ausgedrückt: Es werden nicht alle Externalitäten im Preis internalisiert.396 Wenn jemand in den Genuss eines Vorteils kommt, ohne für diesen eine Gegenleistung erbringen zu müssen, handelt es sich um einen positiven externen Effekt.397 Werden dagegen die Nachteile einer Leistung (für Dritte) von den Parteien nicht eingepreist, spricht man von negativen externen Effekten.398 Alle externen Effekte werden durch eine unzureichende Zuteilung von Eigentumsrechten verursacht: Keinem Akteur werden Kosten und Nutzen einer Leistung exklusiv zugewiesen, sodass diese Posten in Verhandlungen nicht auftauchen und damit keine Allokationseffizienz gem. dem Coase-Theorem399 eintreten kann.400 391
Coase, 3 J. of L. and Econ. 1, 2 ff. (1960). In diesem Modell existieren keine Transaktionskosten, vgl. Eidenmüller, Effizienz, 3. Aufl. 2005, S. 93. Ohne Transaktionskosten können die Marktteilnehmer verhandeln und eine pareto-effiziente Lösung finden, vgl. dazu und zur Kritik am Coase-Theorem: Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 18 ff. 393 Die Marktteilnehmer werden dann eine interne Bereitstellung des nachgefragten Guts vorziehen, vgl. Fritsch, Marktversagen und Wettbewerbspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 10 ff. 394 Dies geschieht nicht zuletzt im Gesellschaftsrecht: AG und GmbH stellen standardisierte „Rechtsprodukte“ dar, welche den Rechtsverkehr erheblich entlasten, vgl. dazu Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 677 ff. 395 Eidenmüller, Effizienz, 3. Aufl. 2005, S. 92. 396 Ausführlich dazu: Fritsch, Marktversagen und Wettbewerbspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 90 ff; Krakowski, in: Krakowski, Regulierung, 1998, S. 80; Schulte, Regulierung, 1995, S. 25. 397 Dem Leistenden stehen dann keine Eigentumsrechte zu, welche es ihm erlauben, ein Entgelt für die Nutzung der Leistung zu verlangen, vgl. Fritsch, Marktversagen und Wettbewerbspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 90 ff. 398 Cremer, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, 2010, § 5 Rn. 97; Fritsch, Marktversagen und Wettbewerbspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 92 ff. 399 Nach Coase tritt eine pareto-optimale Güterverteilung ohne staatliches Einschreiten ein, wenn die Externalitäten durch Verhandlungen internalisiert, d. h. in die persönliche Kosten392
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Externe Effekte treten insbesondere bei sog. öffentlichen Gütern auf; diese zeichnen sich durch Nicht-Exklusivität und Nicht-Rivalität aus.401 Nicht-Exklusivität bedeutet, dass kein Konsument von der Nutzung des Guts zu vertretbaren Kosten ausgeschlossen werden kann; Nicht-Rivalität bedeutet, dass der Konsum des Guts durch eine Person den zeitgleichen Verbrauch durch eine andere Person nicht behindert.402 Sind öffentliche Güter damit umsonst zu haben, wird jeder Konsument versuchen, den größtmöglichen Verbrauch anzustreben und gleichzeitig nicht bereit sein, ein Entgelt dafür zu bezahlen – er mutiert zum Trittbrettfahrer.403 Gibt es aber kein Entgelt, wird sich kaum ein Produzent finden, der den Markt mit dem öffentlichen Gut versorgt, sodass es zu einer Unterversorgung kommt.404 Der Staat kann dies verhindern, indem er die Eigentumsrechte (neu) zuschneidet und zuweist.405 d) Inadäquate Informationslage, Informationsasymmetrien Verfügen Marktteilnehmer nicht über die notwendigen406 Informationen über ein Gut, können sie dieses nicht vollständig beurteilen und laufen daher Gefahr, dem Informationsvorsprung eines anderen Marktteilnehmers zum Opfer zu fallen.407 Zugleich kann es zu einer Negativauslese (adverse Selektion) kommen.408 Bekanntestes Lehrbuchbeispiel ist der von Akerlof409 präsentierte „Markt für Zitronen“: Auf einem Gebrauchtwagenmarkt können die Verbraucher nicht zwischen ehrlichen Händlern mit guter Qualität und unehrlichen Händlern mit schlechter Qualität unterscheiden. Die Verbraucher wissen aber um die Gefahr, an einen unehrlichen Händler zu geraten. Sie preisen dies ein durch einen Abschlag auf die Summe, kalkulation der Verhandlungspartner einbezogen werden, vgl. Coase, 3 J. of L. & Econ. 1 ff. (1960). 400 Cremer, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, 2010, § 5 Rn. 98 ff. 401 So und im Folgenden: Walgenbach, HJWG 35, 1990, 257, 264. 402 Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl. 2011, S. 14; Krakowski, in: Krakowski, Regulierung, 1988, S. 76; Cremer, in: Fehling/Ruffert, 2010, § 5 Rn. 115; Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 92 f. 403 Fritsch, Marktversagen und Wettbewerbspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 90 f.; Schulte, Regulierung, 1995, S. 26; Cremer, in: Fehling/Ruffert, § 5 Rn. 115 m.w.N. 404 Fritsch, Marktversagen und Wettbewerbspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 91 f. 405 Cremer, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, 2010, § 5 Rn. 99. 406 Es ist nicht erstrebenswert, dass Marktteilnehmer über alle Informationen bzgl. eines Guts verfügen, weil die Informationsbeschaffung ihrerseits Kosten verursacht. Man kann dafür auch den Terminus „optimale Informationen“ verwenden, vgl. Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 279. 407 Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, 2. Aufl. 2011, S. 18 f.; Krakowski, in: Krakowski, Regulierung, 1988, S. 65 ff.; Cremer, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, 2010, § 5 Rn. 110. 408 Der Begriff geht zurück auf den Aufsatz von Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 ff. (1970); vgl. auch Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 247 ff. 409 Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488 ff. (1970).
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welche sie maximal zu zahlen bereit sind. Aufgrund der sinkenden Zahlungsbereitschaft der Nachfrager kann ein Teil der ehrlichen Händler nicht mehr seine Kosten decken und scheidet aus dem Markt aus. Dadurch erhöht sich der relative Anteil der unehrlichen Händler, was für die Verbraucher die Gefahr eines ungünstigen Geschäfts steigert und zu höheren Abschlägen führt. Daraufhin müssen weitere ehrliche Händler den Markt verlassen, bis schließlich nur noch Händler mit schlechter Qualität, den „Zitronen“, am Markt agieren. Aufgrund der inadäquten Informationslage wird weniger nachgefragt, als es bei vollkommener Information der Fall wäre.410 Zugleich können Transaktionen nicht mehr kostenlos durchgeführt werden, was zu allokativen Ineffizienzen führt. Am Kapitalmarkt gilt es, wie an jedem anderen Markt auch, Informationsasymmetrien möglichst zu vermeiden. Allerdings ergeben sich mit Blick auf die Informationseffizienz und das sog. Informationsparadoxon411 einige Besonderheiten: Wären alle Marktteilnehmer sofort in Kenntnis einer neuen Information, bestünde für niemanden ein Anreiz, nach neuen Informationen Ausschau zu halten. Dadurch würden neue Informationen nicht mehr im Preis verarbeitet und das Informationsniveau sänke. Dieser unerwünschte Zustand lässt sich nur verhindern, indem den Marktteilnehmern, präziser: den Informationshändlern, konzediert wird, neue Informationen (kurzzeitig) für sich allein auszunutzen, also aus Informationsasymmetrien gegenüber uninformierten Handelsteilnehmern Profit zu schlagen. Umgekehrt schadet das längerfristige Zurückhalten neuer Informationen der Informationseffizienz. Überspitzt formuliert heißt das: Am Kapitalmarkt sind Informationsasymmetrien kurzfristig hinzunehmen, um sie langfristig zu beseitigen.412 e) Prinzipal-Agent-Konflikt und moralisches Risiko Oft geht eine inadäquate Informationsverteilung einher mit einem PrinzipalAgent-Konflikt413 und einem moralischen Risiko (Moral Hazard)414: Ein Beauftragter verfolgt eigene Interessen, welche den Interessen seines Auftraggebers zuwider laufen und diesem schaden.415 Dabei verfügt der Agent über mehr Informationen als der Prinzipal, kann daher das Geschehen besser als der Prinzipal beurteilen 410 Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl. 2011, S. 14; Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 247 ff. spricht von „Qualitätsunkenntnis“. 411 So und im Folgenden: Grossman/Stiglitz, 70 Am. Econ. Review 393 ff. (1980). 412 Vgl. aus dem deutschen Schrifftum etwa Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 375 f.; ders., in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor § 15 Rn. 39 ff.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 17 Rn. 39 ff. 413 Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 256 ff. Ausführlich dazu Kumpan, Der Interessenkonflikt, 2014, S. 60 ff. Vgl. ferner Kumpan/Leyens, EFCR 2008, 72, 79 f. 414 Fritsch/Wein/Ewers, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 252 – 254; Kumpan, Der Interessenkonflikt, 2014, S. 62 f. 415 So und im Folgenden: Schulte, Regulierung, 1995, S. 40 f.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
und sich unbemerkt auf dessen Kosten Vorteile verschaffen.416 Bei Banken besteht beispielsweise die Gefahr, dass sie unbemerkt so große Risiken eingehen, dass ihre Kunden ihr Vermögen verlieren oder sie ihre eigenen Gewinninteressen über die der Kunden stellen.417 Dies zeigt sich namentlich beim (aktiven) Front Running: Die Bank erhält eine Order von ihrem Kunden, deckt sich aber zunächst selbst mit Finanzinstrumenten ein und führt die Order des Kunden gegen die eigenen Bestände aus, anstatt sie an einen günstigeren Handelsplatz weiterzuleiten.418 Verhindern lässt sich diese Entwicklung etwa, indem der Schutz des Prinzipals dem Agenten ins Stammbuch geschrieben wird419 oder Informationsasymmetrien zwischen den Beteiligten abgebaut werden420. f) Informationsineffizienzen Die Allokationseffizienz des Kapitalmarkts beruht maßgeblich auf dessen Informationseffizienz.421 Ist ein Markt nicht informationseffizient, werden neue Informationen nur langsam in den Börsenpreis eingearbeitet.422 Nach dem sog. Informationsarbitragemodell entsteht Informationseffizienz dadurch, dass die Informationshändler Abweichungen zwischen Börsenpreis und Fundamentalwert erkennen und für sich ausnutzen; durch die ausgelösten Handelsaktivitäten nähern sich die beiden Werte wieder an, bis sie schließlich identisch sind.423 Aus dieser für die Informationseffizienz unverzichtbaren Rolle der Informationshändler424 erklärt sich, dass solche Verhaltensweisen, die die Informationshändler vom Markt verdrängen, reguliert werden müssen. Dies trifft vor allem auf Insiderhandel und Marktmanipulation zu.
416 Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 24; Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 228. 417 Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 134; Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011, S. 602 f. 418 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 283 f.; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 7. Aufl. 2017, § 107 Rn. 59; Bovi, 7 St. Thomas L. Rev. 103, 104 f. (1994); Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 246 – 248. 419 Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011, S. 602 f.; Kumpan, Der Interessenkonflikt, 2014, S. 65 f., 89 ff. 420 Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 26; Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 278; Kumpan, Der Interessenkonflikt, 2014, S. 66. 421 Vgl. oben Kap. 1 C. I. 1. a). 422 Klöhn, Spekulation, 2006, S. 40 m.w.N. 423 Grundlegend: Grossman/Stiglitz 70 Am. Econ. Rev. 393 (1980); Gilson/Kraakman 70 Va. L. Rev. 549, 581 (1984). 424 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 80; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 80.
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aa) Durch Insiderhandel Insiderhandel stellt eine besondere Form des informierten Handels dar: Eine Person erlangt aus einer nicht öffentlich zugänglichen Quelle eine Information über ein Finanzinstrument.425 Solange diese Information noch nicht am Markt bekannt ist, kann der Insider diese Information im Handel, oftmals als Informationsmonopolist, ausnutzen.426 Professionelle Liquiditätsspender wie die Marktmacher werden sich gegen dieses besondere Risiko adverser Selektion absichern, indem sie ihre GeldBrief-Spannen weiten; dadurch erhöhen sich die Transaktionskosten für die Informationshändler.427 Letztere werden die Handelsaktivitäten des Insiders wahrnehmen, aber mangels neuer öffentlich verfügbarer Informationen davon ausgehen, dass es sich um das uninformierte Handeln sog. noise trader handelt.428 Obwohl der Börsenpreis steigt, werden sie daher verkaufen und umgekehrt kaufen, obwohl der Börsenpreis fällt. Wird die neue Information schließlich veröffentlicht, müssen die Informationshändler erkennen, dass sie „in die falsche Richtung“ gehandelt haben. Die Differenz zwischen dem ursprünglichen (falschen) Börsenpreis und dem neuen, dem Fundamentalwert entsprechenden Börsenpreis bildet dann ihren Verlust. Wiederholt sich dieser Vorgang regelmäßig, werden die Informationshändler irgendwann aus dem Markt ausscheiden, sodass die Informationseffizienz sinkt.429 Zugleich sind Insider darauf bedacht, ihre privaten Informationen möglichst lange vor dem Markt geheim zu halten; daher sind sie im Vergleich zu den Informationshändlern die deutlich schlechteren Verarbeiter neuer Informationen.430 Die eindeutig schädlichen Effekte431 des Insiderhandels rechtfertigen es, ihn zu verbieten und sogar strafrechtlich zu sanktionieren.432
425 Goshen/Parchomovsky, 87 Va. L. Rev., 1229, 1237 Fn. 41 (2001); Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 847 f. (2018); Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 356 f. Zur Abgrenzung vom informierten Handel siehe Dolgopolov, 3 Wm. & Mary Bus. L. Rev. 1, 12 ff. (2012). 426 Goshen/Parchomovsky, 87 Va. L. Rev., 1229, 1253 f. (2001); dies., 55 Duke L. J. 711, 715 (2006); Leland, 100 J. Pub. Econ. 859, 884 (1992); Kyle, 53 Econometrica, 1315, 1333 f. (1985). 427 Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 850, 851 (2018). 428 So und im Folgenden: Kyle, 53 Econometrica, 1315, 1316 (1985). 429 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 734 (2006). 430 Goshen/Parchomovsky, 87 Va. L. Rev., 1229, 1258 ff. (2001); Walgenbach, HJWG 35, 1990, 257, 266; Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 852 (2018). 431 Ausführliche Darstellung bei Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 852 ff. (2018). 432 Ausführliche Diskussion der verschiedenen Rechtfertigungsgründe bei Klöhn, KöKoWpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 93 ff.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 93 ff.; vgl. zudem Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 372 ff. Zu den Auswirkungen auf die Liquidität und die Bid-Ask-Spread des uninformierten Marktmachers siehe Goshen/Parchomovsky, 87 Va. L. Rev., 1229, 1251 ff. (2001).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
bb) Durch Marktmanipulation Während der Insiderhandel den Börsenpreis in die richtige Richtung, die Richtung des Fundamentalwerts, bewegt433, verursacht die Marktmanipulation den gegenteiligen Effekt: Es wird ein künstliches Kursniveau geschaffen, welches sich vom Fundamentalwert entfernt.434 Bei der handelsgestützten Marktmanipulation geschieht dies mittels ausgefeilter Handelsstrategien, beispielsweise wash trades.435 Bei der informationsgestützten Marktmanipulation werden hingegen bewusst falsche Informationen in den Markt gegeben, um ein falsches Kursniveau zu erzeugen und für anschließende Transaktionen ausnutzen zu können.436 Bei der sog. handlungsgestützten Manipulation wird dagegen der Wert des Unternehmens selbst, der sog. Fundamentalwert, gezielt angegriffen.437 Oftmals wird darauf gesetzt, dass der Kurs nach der anfänglichen, manipulationsinduzierten Bewegung nicht mehr auf das Ausgangsniveau zurückkehren wird, sondern einen leicht höheren oder niedrigeren Wert als den Ausgangswert annehmen wird. Dadurch kann es sich lohnen, Finanzinstrumente nach der Manipulation zu kaufen oder zu verkaufen. Marktmanipulation schädigt die Informationshändler.438 Bei der informationsgestützten Manipulation werden sie die veröffentlichte Information als wahr ansehen und darauf aufbauend handeln.439 Kommt die Manipulation schließlich ans Licht und kehrt der Börsenkurs auf sein, dem Fundamentalwert entsprechendes, Ausgangsniveau zurück, müssen die Informationshändler die Differenz zwischen manipuliertem Wert und aktuellem Börsenpreis als Verlust tragen. Bei der handelsgestützten Manipulation ziehen die Marktteilnehmer aus den manipulierten Geschäften dagegen falsche Rückschlüsse auf, tatsächlich nicht vorhandene, neue Informationen.440 Auch hier gilt: Wiederholt sich dieses Verhalten zu oft, werden die Informationshändler aus dem Markt ausscheiden. Diese schädliche Wirkung rechtfertigt es, Marktmanipulation sogar unter Strafe zu stellen.441
433 Klöhn, KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 109; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 109. 434 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 374. Ähnlich Fleischer, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, Vor § 20a Rn. 9 f.; Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 38b ff. 435 Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 11 – 13; Vogel, in: Assmann/ Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 35 – 37. 436 Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 8 – 10; Vogel, in: Assmann/ Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 33 f. 437 Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 14; Vogel, in: Assmann/ Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 38. 438 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 374 f. 439 So und im Folgenden: Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 8 ff., 18; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 374. 440 Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 19. 441 Ausführlich Fox/Glosten/Rauterberg, 35 Yale J. on Reg. 67, 101 ff. (2018). Vgl. ferner Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 374 f.
C. Die Regulierung von Dark Pools
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2. Gefährdung des Anlegerschutzes Eine Regulierung darf zudem erfolgen, wenn der Anlegerschutz gefährdet wird. Da sich der Anlegerschutz oftmals in Effizienzbegriffe überführen lässt442, stellt eine Gefährdung des Anlegerschutzes i. d. R. zugleich eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Marktes dar. Deutlich wird dies am Informationsdefizit des Anlegers. Dieses soll weitgehend beseitigt werden, um eine optimale Anlageentscheidung zu ermöglichen.443 Ohne hinreichende Informationen kann der Anleger eine Anlage nicht vollständig beurteilen und läuft damit Gefahr, eine seinem Risikoprofil widersprechende Entscheidung zu treffen, im schlimmsten Fall sogar sein gesamtes eingesetztes Kapital zu verlieren.444 Das Informationsdefizit des einen bildet den Informationsvorsprung des anderen.445 Werden solche Asymmetrien nicht beseitigt, werden weniger informierte Anleger ihr Vertrauen in den Markt verlieren und daher ausscheiden.446 Erhalten Anleger Informationen, beugt dies zugleich einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit vor. Entsprechendes gilt für die von Hopt als „Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko“447 bezeichnete Gefahr, dass eine Bank entgegen den Interessen ihrer Kunden handelt. Der Kunde als Auftraggeber ist vor einem solchen Verhalten zu schützen. Es handelt sich aber letztlich um nichts anderes als einen Moral Hazard. Anlegerschutz und Schutz gegen Marktversagen sind daher oft identisch.448 3. Gefährdung der Systemstabilität Die Systemstabilität wird gefährdet durch Ansteckungen und systematische Schocks. Ansteckung bedeutet, dass sich die Schieflage eines einzelnen Instituts oder Markts auf andere Marktteilnehmer oder den gesamten Markt aufgrund enger Verknüpfungen auswirkt.449 Paradigmatisch ist der „Bank Run“, bei dem sich das 442 Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 108. 443 Daneben kann irrationales Verhalten der Anleger zu Abweichungen von einer optimalen Entscheidung führen, vgl. dazu Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 173. 444 Hopt spricht vom Informationsrisiko und vom Risiko der Substanzerhaltung, wobei er selbst darauf hinweist, dass ohne ausreichende Informationen das Substanzrisiko, also das Risiko des Totalverlustes, steigt, vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 53, 83 ff., 289 ff., 337 f. 445 So und im Folgenden: Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 173, 182 ff. 446 Darin zeigt sich die Parallele zur inadäquaten Informationslage und insofern eine Kongruenz von Funktions- und Anlegerschutz, vgl. auch Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 173. 447 Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 54. 448 So stellt etwa das von Hopt bezeichnete „Interessenvertretungsrisiko“ nichts anderes als einen Fall des Prinzipal-Agent-Konflikts dar, vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 54, 137 ff. 449 Schwarcz, 97 Georg. L. J. 193, 198 (2008); De Bandt/Hartmann, Systemic Risk, ECB Working Paper Nr. 35, 2000, S. 26 ff.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Versagen einer einzelnen Bank, Forderungen ihrer Kunden zu bedienen, auf andere Banken ausbreitet.450 Systematische Schocks betreffen hingegen einen großen Teil des Markts bzw. seiner Teilnehmer und lassen sich nicht durch Diversifizierung verhindern.451 So wirken sich allgemeine starke Preis- oder Liquiditätsschwankungen negativ auf alle Marktteilnehmer aus und sind daher in der Lage, den gesamten Markt zu destabilisieren.452
III. Effizienzsteigerung durch Dark Pools Dark Pools veröffentlichen die Ordern und Quotierungen der im System aktiven Händler nicht. Infolgedessen wird die wahre Angebots- und Nachfragelage eines Finanzinstruments nicht bekannt gegeben und kann nicht unverzüglich im Börsenpreis verarbeitet werden. Damit stellen Dark Pools eine Abweichung vom Modell der vollständigen Konkurrenz453 dar, dem vor allem die Kapitalmärkte sehr nahekommen.454 Leidtragende sind all jene Marktteilnehmer, die von dem verdeckten Handel nichts erfahren und dadurch ihre Gewinnchance nicht realisieren können. Sie erleiden Verluste durch den Abschluss von für sie nachteiligen Geschäften, etwa indem sie trotz ansteigender Nachfrage zu einem billigen Preis verkaufen. Dies trifft im Grundsatz455 auch die für die Informationseffizienz so wichtigen Informationshändler.456 Dagegen gewinnen die Blockhändler, weil sie ihre großen Ordern kostengünstig ausführen können. Da der Handel mit Finanzinstrumenten ein Nullsummenspiel457 ist, begründet die Vermeidung von Marktbeeinflussungskosten eine Wohlfahrtsumverteilung weg von den (informierten) Marktteilnehmern hin zu den Blockhändlern.458 Obwohl es kontraintuitiv erscheinen mag, erweist sich diese Umverteilung durchaus als effizienzfördernd.
450
Schwarcz, 97 Georg. L. J. 193, 199 (2008). Schwarcz, 97 Georg. L. J. 193, 200 f. (2008). 452 De Bandt/Hartmann, Systemic Risk, ECB Working Paper Nr. 35, 2000, S. 31 f. 453 Allgemein dazu Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 25 ff. 454 Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 100. Ausführliche Diskussion der (Im-)Perfektion des Kapitalmarktes bei Barucci, Financial Markets Theory, 2003, S. 295 ff. 455 Zu den genauen Effekten von Dark Pools auf Informationshändler sogleich unten Kap. 1 C. IV. 1. 456 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 251 (2015), die vor allem Informationshändler als benachteiligt ansehen. 457 Vgl. Bagehot, 27 Fin. Anal. J. 12 (1971): „Every time one investor benefits from a trade, after all, another loses.“ 458 An dieser Stelle interessiert nur die Feststellung, dass ein Blockhändler von der Transparenzausnahme zulasten anderer Marktteilnehmer profitiert. Wie sich die Umverteilung genau vollzieht und welche Händlertypen Vor- oder Nachteile erhalten, spielt erst für die Frage des Marktversagens durch Dark Pools eine Rolle, vgl. unten Kap. 4 C. IV. 1. 451
C. Die Regulierung von Dark Pools
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1. Kontrastierung mit dem Übernahmerecht Wohlfahrtsumverteilungen finden am Kapitalmarkt ständig statt. Zwischen informierten und uninformierten Händlern sind sie sogar notwendig, um die Informationseffizienz des Markts zu erreichen.459 Blockhändler wollen allerdings solche Transaktionskosten vermeiden, die durch das freie Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage entstehen. Steigt die Nachfrage nach einem Gut bei gleichbleibendem Angebot an, reagiert der Markt darauf mit einer Preiserhöhung. Dass sich einzelne Marktteilnehmer dieser Wirkungsweise entziehen können und dürfen, erscheint ungerecht. Ein Blick in das Übernahmerecht scheint diesen Eindruck zu erhärten: Der Übernehmer einer Aktiengesellschaft muss allen Anlegern den gleichen Preis zahlen. Bezahlt er einem bestimmten Anleger oder einer ausgewählten Gruppe von Anlegern mehr, erhöht sich seine Zahlungspflicht gegenüber allen anderen Anlegern, vgl. § 31 Abs. 4, 5 WpÜG. Die Verringerung der Übernahmekosten zulasten einer Gruppe von Marktteilnehmern ist im Interesse der Gleichbehandlung aller Aktionäre gesetzlich ausgeschlossen.460 Dieser Grundsatz lässt sich jedoch nicht auf Transparenzausnahmen übertragen. Erstens regelt das Übernahmerecht nur den Kontrollerwerb an Aktiengesellschaften, ist daher „Börsengesellschaftsrecht“461 und nicht reines, den Wertpapierhandel betreffendes, Kapitalmarktrecht. So werden andere Finanzinstrumente, beispielsweise Anleihen, gar nicht erfasst. Es geht folglich nicht um den Handel mit Aktien als Anlageprodukt, sondern um die durch die Aktien verkörperten Kontrollrechte der Aktionäre. Diese Rechte stehen bei einer – nicht kontrollrelevanten – Blockorder nicht in Rede. Zweitens gilt auch für Übernahmen keine lückenlose Transparenz, sondern es werden durch die Schwellenvorgaben des § 33 Abs. 1 WpHG n.F.462 Lücken beim Erwerb von Aktien akzeptiert. Ein Übernehmer ist demnach nicht verpflichtet, permanent seine Handelsstrategie offen zu legen. In den Bereichen zwischen den Schwellenvorgaben ist es ihm vielmehr freigestellt, auf den intransparenten Handel zurückzugreifen. Gilt damit für den Kontrollerwerb keine lückenlose Transparenz, muss dies erst recht für den unter den Kontrollschwellen liegenden Erwerb bzw. Verkauf von Finanzinstrumenten gelten.
459 Zur Erinnerung: Indem die Informationshändler ihren Informationsvorsprung gegenüber uninformierten Händlern ausnutzen und dadurch Gewinne einfahren, werden sie für die Informationssuche kompensiert und angereizt, dies in Zukunft beizubehalten. Ohne diese Wohlfahrtsumverteilung würden die informierten Händler aus dem Markt ausscheiden, sodass keine Informationseffizienz eintreten könnte, vgl. dazu oben: Kap. 1 C. I. 1. b). 460 Noack, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 31 WpÜG Rn. 74. 461 Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 515. 462 Die Vorgängervorschrift ist § 21 Abs. 1 WpHG a.F.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
2. Liquiditätssteigernde Wirkung und Marktstruktur Aus Effizienzsicht sprechen sogar gute Gründe dafür, Transparenzausnahmen zu gewähren. Angenommen ein Blockhändler gibt eine Blockorder zum Kauf von 100.000 Aktien an der einzig verfügbaren, transparenten Börse ein. Diese Order wird von den übrigen Marktteilnehmern, insbesondere Informationshändlern und Hochfrequenzhändlern, aufmerksam beobachtet werden und zu Anpassungen ihrer (Limit) Ordern bzw. Quotierungen führen.463 Geben hingegen zehn Marktteilnehmer unabhängig voneinander Ordern zum Kauf von je 10.000 Aktien ein, wird auch dies zu einer Preisveränderung führen. Allerdings kann jeder einzelne dieser kleinen Händler durch die Eingabe einer Limit Order den maximalen Ausführungspreis festlegen und die Order ggf. löschen. Kleine Ordern sind also dem Risiko einer adversen Selektion deutlich geringer ausgesetzt als eine einzelne große Order. Hinzu kommt, dass sich dieses Risiko bei einer großen Order nicht auf viele Händler verteilt, sondern sich bei einem einzigen Händler, dem Blockhändler, konzentriert. Steht der Blockhändler damit in einem transparenten Handelssystem unter erhöhtem Druck, wird er seine Order ggf. gar nicht eingeben.464 Auf diese Weise bleibt den übrigen Marktteilnehmern die in der Blockorder liegende Liquidität und Information gänzlich verwehrt. Dies schadet der Effizienz des Marktes.465 Dass Transparenzausnahmen zuzulassen sind, ist ferner der heutigen Marktstruktur geschuldet: Kein Blockhändler ist dazu gezwungen, seine Order im organisierten, transparenten Segment des Sekundärmarkts ausführen zu lassen. Vielmehr darf er auch den Weg in den außerbörslichen Handel und den OTC-Handel einschlagen. Ein Börsenzwang führt demgegenüber dazu, dass sich ein einzelner, sehr liquider Markt bildet, an dem auch Blockordern ohne große Preiseffekte ausgeführt werden können. Von diesem Prinzip hat man jedoch Abstand genommen, weil man einen Missbrauch der Monopolstellung durch die Börsen verhindern will.466 Ohne einen zentralen liquiden Markt stehen Blockhändler jedoch unter erheblichem Kostendruck, streben in den intransparenten OTC-Handel oder handeln gar nicht. Dieses aus Effizienzsicht nachteilige Resultat lässt sich nur verhindern, indem man liquiden Märkten wie den Börsen gestattet, Blockhändlern Transparenzausnahmen zu gewähren. Diese Lösung erweist sich gegenüber einem gänzlichen Ausbleiben der Ordereingabe oder einem gänzlich intransparenten Handel als weniger nachteilhaft für die Liquidität in Handelssystemen und die Informationseffizienz des gesamten Marktes.
463 Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 324 ff. Vgl. auch Holthausen/Leftwich/Mayers, 19 J. of Fin. Eco. 237, 265 f. (1987). 464 So und im Folgenden: Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, 1995, S. 156 f. 465 Baums/Segna, Börsenreform, 1998, S. 72. Zur Erinnerung: Liquidität und Informationseffizienz bilden die beiden zentralen Kriterien von Markteffizien, vgl. oben Kap. 1 C. I. 1. c). 466 Ausführlich dazu: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 75 ff. Vgl. ferner Gomber/ Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 7.
C. Die Regulierung von Dark Pools
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3. Schutz der Marktmacher Besonders deutlich wird dies bei der Ausführung von Blockordern in quotegetriebenen Systemen. Um Ungleichgewichte zu vermeiden, sind Marktmacher darauf bedacht, ihre Positionen möglichst zeitnah glattzustellen.467 Die Glattstellung nach Ausführung einer großen Order gestaltet sich als deutlich schwieriger als nach einer kleinen Order, wenn andere Marktteilnehmer Kenntnis von der Position des Marktmachers haben und auf der Basis von dessen Zwangslage strategisch handeln können. Ließe man solche strategischen Reaktionen durch eine vollständige Handelstransparenz uneingeschränkt zu, müssten die Marktmacher den Umfang der Liquiditätsbereitstellung reduzieren bzw. sich durch eine Vergrößerung der GeldBrief-Spanne zusätzlich absichern. Dadurch stiegen die Liquiditätskosten zulasten der übrigen Marktteilnehmer an. 4. Schlussfolgerung: Dark Pools können die Liquidität steigern Für Blockordern bilden Dark Pools eine legitime Ausnahme von dem, dem Modell der vollständigen Konkurrenz inhärenten, Prinzip der Transparenz von Angebot und Nachfrage. Wird eine Blockorder in einem gänzlich transparenten Umfeld nicht ausgeführt und büßt der Markt dadurch an Liquidität und Informationseffizienz ein, lassen sich Dark Pools als effizienzsteigerndes, in gewissem Maße sogar als ein Versagen des Kapitalmarkts verhinderndes Element begreifen. Dies gilt umso mehr, als die Ausführung großer Ordern durch die Hochfrequenzhändler im hellen Handel mehr und mehr erschwert wird.468
IV. Effizienzverluste durch Dark Pools Dark Pools erweisen sich im Grundsatz als effizienzförderlich. Damit ist aber noch keine Aussage über das richtige Maß an Transparenzausnahmen und Zugang zu ihnen getroffen. Insbesondere ist es möglich, dass ein zu großer Marktanteil von Dark Pools selbst diverse Formen von Marktversagen hervorruft.469 Sofern die Koordinierung durch den Markt versagt, muss es zu einer Regulierung kommen, welche den Markt wieder näher an das Modell der vollständigen Konkurrenz und dessen Transparenz (zurück-)führt.470 In der ökonomischen Forschung werden ver-
467 So und im Folgenden: Stenzel, Außerbörslicher Handel, 1995, S. 157; ebenso Fischer/ Rudolph, in: Hagen/Stein, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 40. Aufl. 2000, S. 383. 468 Vgl. dazu oben Kap. 1 A. III. 5. 469 FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 14 Rn. 2.8; Johnson, 42 J. Corp. L. 833, 866 ff. (2017). Vgl. auch Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Foreword Rn. 10 f. (im Erscheinen). 470 Vgl. dazu oben Kap. 1 C. II. 1.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
schiedene mögliche Formen von Marktversagen durch Dark Pools diskutiert. Auf sie ist im Einzelnen einzugehen. 1. Diskriminierung der Informationshändler beim Zugang Der Zugang zu einer Börse ist aus Gründen der Qualitäts- und Funktionssicherung beschränkt auf besonders finanzstarke Marktteilnehmer.471 Innerhalb dieser Gruppe findet keine weitere Differenzierung oder gar eine Diskriminierung statt – sie darf auch nicht stattfinden472. Damit erlangen alle Anleger zumindest mittelbar über einen Intermediär Zugang zum Börsenhandel.473 Hingegen beschränken viele Dark Pool-Betreiber den Zugang zum Handel auf mannigfaltige Art und Weise, bis hin zum Extremfall, dass nur institutionelle Investoren auf Kaufseite zugelassen werden.474 In den USA ist den Betreibern dies deswegen gestattet, weil sie die in Rule 301(b)(5) Reg. ATS475 vorgesehene 5 %471
Beck, in: Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, BörsG, § 19 Rn. 1. Zur Konformität mit Art. 12 GG, vgl. Beck, in: Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, BörsG, § 19 Rn. 9 – 13. 473 Vgl. dazu Kumpan, Regulierung, 2006, S. 93 f.; Boni/Brown/Leach, Dark Pool Exclusivity, 2013, S. 3; zu den Hintergründen der Zugangsbeschränkung: Beck, in: Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, BörsG, § 19 Rn. 1 – 3. 474 Boni/Brown/Leach, Dark Pool Exclusivity, 2013, S. 3; Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 251 f. (2015); Haeberle, Col. Bus. L. Rev. 121, 151 ff. (2015); Parkes/Thorpe/ Li, Achieving Trust, 2015 S. 2. 475 17 CFR 242.301 – Requirements for alternative trading systems. (b)Requirements. Every alternative trading system subject to this Regulation ATS, pursuant to paragraph (a) of this section, shall comply with the requirements in this paragraph (b). (…) (5)Fair access. (i) An alternative trading system shall comply with the requirements in paragraph (b)(5)(ii) of this section, if during at least 4 of the preceding 6 calendar months, such alternative trading system had: (A) With respect to any NMS stock, 5 percent or more of the average daily volume in that security reported by an effective transaction reporting plan; (B) With respect to an equity security that is not an NMS stock and for which transactions are reported to a self-regulatory organization, 5 percent or more of the average daily trading volume in that security as calculated by the self-regulatory organization to which such transactions are reported; (C) With respect to municipal securities, 5 percent or more of the average daily volume traded in the United States; or (D) With respect to corporate debt securities, 5 percent or more of the average daily volume traded in the United States. (ii) An alternative trading system shall: (A) Establish written standards for granting access to trading on its system; (B) Not unreasonably prohibit or limit any person in respect to access to services offered by such alternative trading system by applying the standards established under paragraph (b)(5)(ii)(A) of this section in an unfair or discriminatory manner; (…). 472
C. Die Regulierung von Dark Pools
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Schwelle für den Anteil am Handel mit einem bestimmten Finanzinstrument nicht überschreiten und daher nicht unter die ATS-Vorgaben zur Zugangsgewähr fallen.476 In Europa gestaltete sich die Lage in der Vergangenheit ähnlich: Zwar sahen Art. 42 Abs. 1 MiFID I (umgesetzt in § 19 Abs. 2 BörsG) sowie Art. 14 Abs. 4 MiFID I (umgesetzt in § 31f Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.) eine Zugangsgewähr auf der Grundlage objektiver Kriterien vor. Solange der Großteil der Dark Pools jedoch dem von MiFID I nicht angetasteten OTC-Bereich zugerechnet wurde477, kamen diese Zugangsregeln nicht zur Anwendung. Dadurch konnten auch in Europa Händler von der Nutzung von Dark Pools ausgeschlossen werden. Dies galt selbst dann, wenn ein Dark Pool einen aus Händlersicht relevanten Anteil des Handels auf sich vereinte.478 Ob dieser Zustand einer Korrektur bedarf, lässt sich nur ermessen, wenn man sich zunächst die Vor- und Nachteile des exklusiven Zugangs zu einem Handelssystem vergegenwärtigt. a) Vorteile von Exklusivität Durch Zugangsexklusivität werden der Informationseffekt und die Marktbeeinflussung einer Blockorder vermieden. Im hellen Handel muss ein Blockhändler befürchten, dass Informationshändler die in der Blockorder liegende Information auf seine Kosten ausnutzen.479 Werden ausschließlich uninformierte institutionelle Investoren zum Handel in einem Dark Pool zugelassen, ist der Blockhändler dagegen vor den Informationshändlern (und möglichen Preisveränderungen) geschützt. Die Dark Pool-Betreiber haben dementsprechend ein Interesse daran, Informationshändler vom Handel auszuschließen.480 Zudem gelten institutionelle Investoren als der Prototyp eines nicht strategisch anhand des Orderflusses handelnden Händlertyps.481 Sie nutzen keine Handelstechniken wie Gaming482, welche die Orderausführung für die Gegenseite verteuern. Die Exklusivität von Dark Pools bewirkt, dass der Preis und die Volatilität vor einem Blockhandel weniger stark ansteigen als im
476
Shorter/Miller, Dark Pools in Equity Trading, 2014, S. 7; Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2400 (2017). 477 Handelt es sich um einen Dark Pool in der Form einer Transparenzausnahme an einer Börse (RM) oder einem multilateralen Handelssystem (MTF), greifen natürlich die Zugangsvorgaben der MiFID I ein. 478 Vgl. dazu Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 56. 479 Vgl. oben: Kap. 1 A. III. 4. b). 480 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. S. 191, 251 (2015). Dieses Phänomen ist auch für Liquiditätsspender in hellen Märkte zu beobachten, vgl. Colby/Sirri, 5 CMLJ 169, 173 ff. (2010). 481 Boni/Brown/Leach, Dark Pool Exclusivity Matters, 2013, S. 7 f. 482 Gaming bedeutet, dass entgegen der eigenen Handelsstrategie gehandelt wird, d. h. ein Käufer mutiert plötzlich zum Verkäufer, vgl. Boni/Brown/Leach, Dark Pool Exclusivity, 2013, S. 8; Gallo, 29 Rev. of Bank. & Fin. L. 90 f. (2009). Vgl. ferner Dolgopolov, 9 Wm. & Mary Bus. L. Rev. 551, 586 ff. (2018).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
hellen Handel; sie ermöglicht daher eine kostengünstige Abwicklung der Blockorder.483 b) Nachteile von Exklusivität Allerdings schneidet eine Zugangsexklusivität die Informationshändler von ihren Arbitragemöglichkeiten, den uninformierten Händlern, ab.484 Indem Informationshändler nur an der Börse handeln können, steigt dort das Verhältnis von informiertem Handel zu uninformiertem Handel erheblich an.485 Infolgedessen kalkulieren die Liquiditätsspender an der Börse mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, auf einen Informationshändler zu treffen.486 Um sich gegen das Risiko einer adversen Selektion abzusichern, weiten sie ihre Geld-Brief-Spanne – und dies bereits nach minimalen Preisveränderungen. Dadurch steigen die Handelskosten und sinken die Einnahmen der Informationshändler.487 Jene drohen dann, aus dem Markt auszuscheiden, wodurch die Informationseffizienz sinkt.488 Es sind aber nicht nur die Informationshändler, sondern auch andere Händlertypen betroffen, wenn ausschließlich uninformierte Anleger zum Handel im Dunklen zugelassen werden. So können (uninformierte) Privatanleger den wahren Orderfluss sowie die darin enthaltenen Informationen gar nicht mehr überblicken und laufen Gefahr, falsche Anlageentscheidungen zu treffen.489 Zudem werden ihre Aufträge oft von einer außerbörslichen Handelsplattform zur nächsten geschickt, weil momentan im System keine Ausführung möglich ist. Dadurch verlieren die Anleger Zeit und es entgeht ihnen ggf. eine günstige Ausführungsmöglichkeit an der Börse.490 Insgesamt droht die Entstehung eines Zwei-Klassen-Systems, in welchem ein kleiner Teil von (institutionellen) Anlegern über mehr Informationen verfügt als die breite Masse an (uninformierten) Anlegern.491 Dieser Nachteil verschärft sich massiv, wenn der anvisierte Dark Pool über einen bedeutenden Marktanteil verfügt und Marktteil483
Boni/Brown/Leach, Dark Pool Exclusivity, 2013, S. 8 – 10, 22. Diesen Vorteil betont auch die SEC in einer Mitteilung. Abrufbar unter http://www.sec.gov/news/press/2009/2 009-223-fs.html ( Abruf am 12. 04. 2018). 484 Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2401, 2423 f. (2017); Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 57 f. 485 Haeberle, Col. Bus. L. Rev. 121, 157 f. (2015). 486 So und im Folgenden: Haeberle, Col. Bus. L. Rev. 121, 158 ff. (2015); Hatheway/Kwan/ Zheng, 52 JFQA 2399, 2423 f. (2017). 487 Ausführlich Haeberle, Col. Bus. L. Rev. 121, 162 ff. (2015); ders., 42 J. of Corp. L. 809, 826 f. (2017). Vgl. auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 94, der auf höhere Ausführungskosten verweist. 488 Haeberle, Col. Bus. L. Rev. 121, 164 ff. (2015). Vgl. dazu auch die Diskussion oben: Kap. 1 C. IV. 2. b) cc). 489 Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 57. 490 Haeberle, Col. Bus. L. Rev. 121, 154 f. (2015). Ähnlich bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 94. 491 IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 23.
C. Die Regulierung von Dark Pools
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nehmer dessen Liquidität aufgrund der Zugangsverweigerung nicht nutzen können.492 c) Schlussfolgerung für die Regulierung: Pflicht zur Zugangsgewähr Es zeigt sich, dass die Zugangsregeln von Dark Pools dazu dienen, uninformierte Händler vor informierten Händlern abzuschirmen. Für den Blockhandel kann man dies akzeptieren, weil die Blockhändler ihre Ordern andernfalls gar nicht ausführen könnten, dem Markt daher Liquidität verloren ginge493. Da der Blockhandel mittlerweile nur noch einen kleinen Teil des dunklen Handelsvolumens ausmacht494, besteht jedoch die große Gefahr, dass ein großer Anteil von Händlern gar nicht weiß, wie viel tatsächlich (im Dunklen) gehandelt wird. Eine solche Informationsasymmetrie lässt sich nur beheben, indem Dark Pools diskriminierungsfreien Zugang zum Handel in ihrem System gewähren müssen.495 Der Regulierer darf sich nicht darauf verlassen, dass die einzelnen Handelssysteme aus Gründen des Wettbewerbsdrucks und im Interesse eines größtmöglichen Liquiditätsvolumens allen Händlern auch ohne regulatorische Vorgaben Zugang gewähren werden.496 Ganz im Gegenteil spendet die Gruppe der (uninformierten) institutionellen Anleger bereits einen Großteil an Liquidität, sodass aus Sicht der Betreiber für die Aufnahme von Informationshändlern und Privatanlegern keine Notwendigkeit besteht. Eine größere Anwesenheit von Informationshändlern würde die Attraktivität des Systems sogar verringern. Sie ist aber erforderlich, damit der gesamte Handel ausreichend mit Informationen versorgt wird. Daher muss der Zugang zu Dark Pools einheitlich geregelt werden. 2. Gefährdung der fundamentalen Effizienz durch den Handel in Dark Pools Innerhalb eines Dark Pool erfahren die Marktteilnehmer nicht, wann eine Order eingegeben wird und welchen Umfang sie hat.497 Wird eine in einen außerbörslichen Dark Pool eingegebene Order nicht ausgeführt, erfährt der Börsenhandel von der Order nichts.498 Selbst wenn Informationshändler Zugang zu einem Dark Pool erhalten, ist daher nicht ausgeschlossen, dass der unbegrenzte Handel im Dark Pool
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IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 23. Vgl. dazu oben: Kap. 1 A. III. 4. 494 Dazu Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 61 f. 495 Vgl. IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 22 f. 496 So aber die Einschätzung zur MiFID I, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 94 f., 98. 497 So und im Folgenden: Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 72 (2015). Vgl. zu diesem Problem bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 103 m.w.N. 498 Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 72 (2015). 493
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
ihnen und der fundamentalen Effizienz499 des Kapitalmarkts schadet. Die genauen Auswirkungen von Dark Pools werden in der ökonomischen Forschung sehr unterschiedlich beurteilt.500 a) Handelsstrategien in Dark Pools Einigkeit besteht noch insofern, als Dark Pools vor allem für uninformierte Händler attraktiv sind und dementsprechend gerne von diesen genutzt werden.501 Was die Informationshändler angeht, gehen die Ansichten über die Auswirkungen von Dark Pools dagegen auseinander.502 Wiederum anders verhalten sich die Hochfrequenzhändler. Die drei verschiedenen Händlertypen sind daher zunächst gesondert zu betrachten. aa) Uninformierte Händler Im hellen Handel laufen uninformierte Händler mit der Abgabe einer Limit Order permanent Gefahr, Opfer einer Übervorteilung durch einen Informationshändler zu werden; denn letztere können durch die Abgabe von Market Ordern schnell(er) auf neue Informationen reagieren.503 Der Eingabe einer großen Order ist zudem die Gefahr inhärent, dass es zu ungünstigen temporären Preisverzerrungen kommt.504 In einem Dark Pool können dagegen weder die einzelne Ordern noch der Orderfluss eingesehen werden, sodass die Informationshändler nicht einschätzen können, wohin sich der Markt bewegt und wie es um ihre Arbitragemöglichkeiten bestellt ist. Dadurch verringert sich das Risiko einer adversen Selektion für die uninformierten Händler erheblich.505 Die Attraktivität der Dark Pools wird dadurch gesteigert, dass sie über die Referenzierung auf den Börsenpreis sowie minimale Preisverbesserungen506 eine günstigere507 Ausführung als die Börse anbieten.508 Je mehr unin-
499 Zur Erinnerung: Die fundamentale Effizienz beschreibt, inwiefern der Preis eines Handelsplatzes den wahren Wert eines Finanzinstruments zutreffend abbildet, vgl. oben Kap. 1 C. I. 1. b). 500 Vgl. nur Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 72 (2015); Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 71 ff. 501 Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 72 (2015); Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2408 (2017); Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 748 (2014). Vgl. auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 106. 502 Einen kurzen Überblick über die Literatur geben Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 47 f. 503 Siehe dazu oben: Kap. 1 A. I. 3. a). 504 So und im Folgenden: Comerton-Forde/Putnins, J. of Fin. Econ. 118 (2015), 70, 78 ff. 505 Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2407 f. (2017). 506 Zu den sub-penny Preisverbesserungen, vgl. Bartlett/McCray, Dark Trading at the Midpoint, 2015, S. 2 ff.
C. Die Regulierung von Dark Pools
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formierte Händler sich abseits der Börse an einem Handelsplatz sammeln, desto geringer ist ferner das Risiko, mit Informationshändlern zu kontrahieren.509 Dieser Netzwerkeffekt macht Dark Pools für uninformierte Händler umso attraktiver, je mehr andere uninformierte Händler dort bereits aktiv sind. Befinden sich dagegen in einem großen Markt viele uninformierte Händler an einer Börse, kann es dort zu einem Netzwerkeffekt kommen.510 Der Wahl eines (vermeintlich) kostengünstigen Dark Pool steht das Risiko der Nicht-Ausführung gegenüber: Da es in einem Dark Pool keinen kontinuierlichen Orderfluss gibt, wie er etwa durch einen Marktmacher an einer Börse gewährleistet wird, ist die Ausführung einer Order nicht garantiert.511 Uninformierte Händler müssen daher das Risiko der Übervorteilung mit jenem der Nicht-Ausführung abwägen. In einem Crossing Network, welches typischerweise auf den Börsenpreis referenziert, findet zudem oft nur eine verzögerte Orderausführung statt.512 Dadurch können die frühe Order eines uninformierten Händlers und die spätere Order eines informierten Händlers aufeinandertreffen.513 Uninformierte Händler müssen diese Risiken mit den Vorteilen eines Dark Pool abwägen. Insgesamt zeigt sich, dass Dark Pools regelmäßig von uninformierten Händlern frequentiert werden.514 bb) Informationshändler Wie sich Informationshändler, die keine Blockorder ausführen lassen wollen, in einem Dark Pool verhalten und ob sie vom intransparenten Handel profitieren, wird in der ökonomischen Forschung unterschiedlich beurteilt. Informationshändler können die Abweichungen zwischen Fundamentalwert und Preis nur dann ausnutzen, wenn sie auf entsprechende Gegenordern zugreifen können.515 Die einseitige Ausrichtung am Fundamentalwert bewirkt jedoch, dass sich Informationshändler i. d. R. und im Gegensatz zu uninformierten Händlern auf einer bestimmten Marktseite (Kauf- oder Verkaufsseite) sammeln; dadurch sinken ihre 507 Es geht hier allein um die Preisverbesserung. Dass neben den Kosten für die Nutzung des Dark Pools durch Insiderhandel oder andere Umstände möglicherweise weitere Kosten entstehen, wird an dieser Stelle ausgeblendet. 508 Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2407 f. (2017). Vgl. auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 106. 509 Pirrong, 28 Regulation, 54, 55 (2005). 510 Frutos/Manzano, 17 J. of. Fin. Mark. 174, 192 (2014). 511 Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 748 (2014). 512 Bisweilen werden auch alle vorhandenen Ordern zu einem fixen Termin auf einer pro rata Basis zusammengeführt, vgl. O’Hara, 116 J. of Fin. Econ. 257, 259 (2015). 513 Hendershott/Mendelson, 5 J. of Fin. 2071, 2104 (2000). 514 Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2407 f. (2017); Aquilina/Diaz-Rainey/Ibikunle/ Sun, Aggregate Market Quality Implications of Dark Trading, 2017, S. 20. 515 Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 237 ff.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Chancen der Orderausführung in einem tendenziell ohnehin trockenen Handelssystem weiter.516 Deshalb geben sie ihre Ordern bevorzugt an der Börse ab.517 Ob sich die Informationshändler vollständig von Dark Pools fernhalten, ist nicht eindeutig geklärt. Dafür spricht, dass Informationshändler die Orderlage im Dark Pool nicht einsehen können, daher überhaupt nicht wissen, ob ihre Order dort ausgeführt werden wird.518 Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass sich der dunkle Handel oftmals innerhalb der Geld-Brief-Spanne vollzieht und nicht, wie am hellen Markt, zum besten Verkaufs- oder Angebotspreis. Dadurch ist für die Informationshändler nicht erkennbar, in welche Richtung der Handel tendiert.519 Allerdings können Informationshändler wegen der fehlenden Transparenz ihre eigenen Informationen noch besser verbergen, sodass sie im Dark Pool deutlich aggressiver als an einer transparenten Börse Limit Order eingeben und damit dort Liquidität spenden können.520 Der Handel im Dunklen ist für die Informationshändler vor allem attraktiv, wenn die Fundamentalwertberechnung unsicher ist, weil dann jede Information einen höheren Wert hat und es sich lohnt, diese Information möglichst lange zur Profitmaximierung durch den Handel im Dark Pool zu verbergen.521 Dark Pools sind folglich nicht per se unattraktiv für Informationshändler. cc) Hochfrequenzhändler Dark Pools sind (auch) darauf ausgerichtet, uninformierten Händlern Schutz vor Hochfrequenzhändlern zu bieten.522 Dennoch gewähren viele Dark Pools Hochfrequenzhändlern Zugang zum Handel, wovon jene stark profitieren.523 Die typische 516 Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 78 ff. (2015); Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 748 (2014); Petrescu/Wedow, Dark Pools in European Equity Markets, ECB Paper No. 193/July 2017, S. 19 f. unter Verweis auf Garvey/Huang/Wu, 68 J. of Bank. & Fin. 12 (2016). 517 Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 748 (2014); ebenso Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 79 (2015). 518 Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2410 (2017). 519 Im Börsenhandel kann man dagegen erkennen, in welche Richtung der Handel tendiert, weil Order i. d. R. zum höchsten Kaufangebot oder zum niedrigsten Verkaufsangebot ausgeführt werden, vgl. Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 78 (2015). 520 Boulatov/George, 26 Rev. of Fin. Stud. 2095, 2097 f., 2113 f., 2120 f. (2013); Bloomfield/O’Hara/Saar, 70 J. of Fin. 2227, 2247 f. (2015); Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 385 (2018). Anders sehen dies offenbar Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2409 (2017). Sie verweisen auf das Risiko, dass andere Händler im Dark Pool die ausgeführte Order und die darin verkörperte Information erkennen. 521 M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011, S. 25, 34; Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 748 (2014); Nimalendran/Ray, 17 J. of Fin. Mark. 230, 231 (2014). Vgl. auch Hendershott/Mendelson, 5 J. of Fin. 2071, 2104 (2000). 522 Vgl. oben Kap. 1 A. V. 1. 523 In 85 % aller an einer Börse abgeschlossenen Transaktionen mit Transparenzausnahme sind Hochfrequenzhändler auf der Gewinnerseite, vgl. ASIC-Report 452, Review high-frequency trading and dark liquidity, 2015, S. 54 f. Rn. 234 f.
C. Die Regulierung von Dark Pools
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Referenzierung auf den Mittelwert des höchsten Kauf- und niedrigsten Verkaufsgebots können Hochfrequenzhändler im Wesentlichen auf drei Art und Weisen ausnutzen. (1) Exploitation of Midpoint Orders Zunächst können sich Hochfrequenzhändler die kurze Zeitspanne bis zur Anpassung des offiziellen besten Börsenpreises zunutze machen, was als Exploitation of Midpoint Orders bezeichnet wird.524 Fox/Glosten/Rauterberg525 veranschaulichen diese Strategie anhand eines Beispiels: An der NYSE liegt das beste Kaufgebot bei $ 161,11 und das beste Verkaufsgebot bei $ 161,15. Nun erreicht eine neue Verkaufsorder für $ 161,12 die NYSE. Über seine co-location an der NYSE erfährt der Hochfrequenzhändler davon schneller als die Öffentlichkeit und bevor das national angezeigte beste Verkaufsgebot (National Best Offer, NBO) von $ 161,15 auf $ 161,12 verändert wird. Sofort leitet der Hochfrequenzhändler eine Verkaufsorder zum Preis von $ 161,13 an einen Dark Pool, in dem die betroffene Aktie typischerweise gehandelt wird. Dabei verwendet er den Zusatz, dass die Order gelöscht werden soll, sofern sie nicht sofort ausgeführt werden kann. Ohne die Orderlage innerhalb des Dark Pools zu kennen, geht der Hochfrequenzhändler davon aus, dass dort eine Kauf-Order vorhanden ist, die zum Mittelwert des – derzeit noch angezeigten – National Best Bid and Offer (NBBO) von $ 161,13 ausgeführt werden soll. Erweist sich diese Annahme als richtig, kann der Hochfrequenzhändler die Aktien zum Preis von $ 161,13 im Dark Pool verkaufen und anschließend an der NYSE zum Preis von $ 161,12 zurückkaufen. (2) Pinging und elektronisches Front Running Hochfrequenzhändler betreiben zudem das sog. Pinging. Dabei geben sie eine kleine Immediate-or-Cancel-Order526 – i. d. R. über 100 Anteile – in den Dark Pool ein.527 Wird die kleine Order sofort ausgeführt, geben die Händler eine weitere, ggf. leicht vergrößerte Order ein. Wird auch diese Order sofort ausgeführt, können die Händler davon ausgehen, dass sich eine große Kauforder im (verdeckten) Orderbuch befindet. Danach decken sich die Hochfrequenzhändler an einer Börse mit einer großen Anzahl von Finanzinstrumenten ein. Dadurch steigt an diesem Handelsplatz der Verkaufspreis an, was infolge der Preisreferenzierung des Dark Pools auf den 524 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 242 ff. (2015); dies., 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 33 (2017). 525 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 243 (2015); dies., 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 33 (2017). 526 Eine IOC-Order (immediate or cancel) ist eine Limit-Order, die sofort ausführbar sein muss, sonst wird sie gelöscht, vgl. Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 263 (2016). 527 So und im Folgenden: Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 264 f. (2016). Vgl. auch Kasiske, BKR 2015, 454, 456; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 150 f.; Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 61; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 133 f.; Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 93; Bayram/Meier, WM 2018, 1295 f.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Mittelwert des NBBO den Preis innerhalb des Dark Pools ansteigen lässt. Gibt ein Hochfrequenzhändler nun seinerseits eine Blockverkaufsorder in den Dark Pool ein, wird diese zum angestiegenen Referenzpreis gegen die Blockkauforder ausgeführt. Für den Blockhändler verteuert sich dadurch die Ausführung seiner Order.528 (3) Empfang von Handelsinformationen vom Betreiber des Dark Pool Bisweilen braucht ein Hochfrequenzhändler gar nicht selbst nach vorhandenen Ordern zu fischen, sondern kann sich die entsprechenden Informationen beim Betreiber des Dark Pool gegen Zahlung eines Entgelts beschaffen. Im Fall von Posit, einem Dark Pool von ITG, lief dies folgendermaßen ab: Über einen eigens für ihn bereitgestellten Datenstrom lernt der Hochfrequenzhändler, dass ein Kunde des Handelssystems von ITG Aktien eines bestimmten Emittenten kaufen möchte.529 Als die Kauforder abgegeben wird, liegt das höchste Kaufgebot bei $ 10,00, das niedrigste Verkaufsgebot bei $ 10,02. Der Hochfrequenzhändler kauft nun Aktien zum Preis von $ 10,00 an einem transparenten Handelsplatz.530 Anschließend leitet der Orderroutingmechanismus von ITG die Kauforder des Kunden zu Posit.531 Dort verkauft der Hochfrequenzhändler dem Kunden die Aktien zum Preis von $ 10,02. Der Hochfrequenzhändler kann deswegen sicher sein, dass die Order des ITGKunden zu Posit geleitet wird, weil er den Routingalgorithmus von ITG genauestens analysiert hat und dadurch antizipieren kann, wann dieser eine Order in den Dark Pool leiten wird.532 Zudem kann der Hochfrequenzhändler durch seinen Handel an der Börse den referenzierten Preis beeinflussen. Dadurch verteuert sich die Ausführung der Blockorder. b) Auswirkungen von Dark Pools auf die Preisentdeckung So unterschiedlich das Verhalten der Informationshändler in Dark Pools eingeschätzt wird, so unterschiedlich werden auch die positiven und negativen Auswirkungen auf die fundamentale Effizienz (oder Preisentdeckung) beurteilt. Diese Differenzen lassen sich zu einem gewissen Teil durch die sehr stark divergierenden Ansätze der einzelnen Studien zu Dark Pools erklären.533 528 Man spricht auch von Dark Pool Arbitrage, vgl. Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 264 f. (2016); Kasiske, BKR 2015, 454, 456. 529 So und im Folgenden: SEC, In the Matter of ITG INC. and AlterNet Securities Inc., File No. 3-16742, Rn.S. 9 Rn. 44. Ähnliches geschah auch im zweiten von der SEC verfolgten Fall: SEC, In the Matter of ITG Inc. and Alternet Securities, Inc., File No. 3-18887, S. 6 Rn. 24 ff. 530 Die SEC erklärt nicht, wie es dem Hochfrequenzhändler möglich war, zum Preis von $ 10,00 zu kaufen. Vermutlich ist zwischenzeitlich eine Preisveränderung eingetreten. 531 So und im Folgenden: SEC, In the Matter of ITG INC. and AlterNet Securities Inc., File No. 3-16742, S. 9 Rn. 44. 532 SEC, In the Matter of ITG INC. and AlterNet Securities Inc., File No. 3-16742, S. 9 Rn. 45. 533 So der Hinweis von Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 778 (2014).
C. Die Regulierung von Dark Pools
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aa) Generell positive Bewertung des Blockhandels in Dark Pools Einigkeit besteht darüber, dass der sich im Dunklen vollziehende Blockhandel die Effizienz des Marktes nicht schädigt, sondern sogar fördert.534 Würde eine große Order im hellen Handel gar nicht ausgeführt werden, schafft ihre Ausführung im Dunklen zusätzliche Liquidität. Wird die ausgeführte Order zudem im Wege der Nachhandelstransparenz bekannt gegeben, erreicht die Information schließlich den Markt, wird verarbeitet und trägt positiv zur Preisfindung bei.535 Zudem kann der Blockhändler seiner Gegenpartei glaubhaft signalisieren, warum er handelt, sodass Preisverzerrungen vermieden werden. bb) Positive Bewertung von Dark Pools abseits des Blockhandels Abseits des Blockhandels tendiert eine Richtung536 in der ökonomischen Forschung mit variierenden Begründungen dazu, auch den weiteren Handel in Dark Pools als für die Informationseffizienz förderlich anzusehen. So schrecke das Risiko, auf derselben Marktseite zu stehen und dadurch geringe Ausführungschancen zu haben, Informationshändler teilweise vom Handel in einem Dark Pool ab.537 Informationshändler gäben daher weiterhin Ordern an der Börse ab, während die uninformierten Händler jene komplett verließen. Durch die Konzentration (und Konkurrenz) von Informationshändlern im hellen Handel sei der dortige Preis weniger durch irrationales Verhalten (noise trading) verzerrt und spiegele neue Informationen besser wider.538 Teilweise wird weiter danach differenziert, welche Art von Information den Informationshändlern zur Verfügung steht: Handele es sich um eine sehr präzise Information, verblieben die Informationshändler an der Börse.539 Denn ihnen sei die dortige hohe Ausführungswahrscheinlichkeit wichtiger als der – im Dark Pool gebotene – bessere Ausführungspreis für ihre Ordern. Sei die Information dagegen mit Unsicherheit behaftet, das Informationsrisiko daher größer, wechselten Informationshändler in den Dark Pool, weil ihnen nunmehr die Preisverbesserung wichtiger 534 Vgl. Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 72, 88, 90 (2015); Hatheway/ Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2402, 2424 (2017). 535 So und im Folgenden: Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 84 ff. (2015). 536 Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 748 (2014); Foley/Malinova/Park, Dark Trading on Public Exchanges, 2012, S. 23 f.; Mo/Paddrik/Yang, A Study of Dark Pool Trading, 2012, S. 7; Foley/Putnins, 122 J. of Fin. Econ. 456, 457 f. (2016); Boulatov/George, 26 Rev. of Fin. Stud. 2095, 2097 (2013). Aquilina/Diaz-Rainey/Ibikunle/Sun, Aggregate Market Quality Implications of Dark Trading, 2017, S. 20 f. ziehen die Grenze bei 15 % Anteil am Gesamthandel. 537 So und im Folgenden: Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 748, 765, 777 f. (2014). 538 Siehe insbesondere Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 768 (2014); Aquilina/Diaz-Rainey/ Ibikunle/Sun, Aggregate Market Quality Implications of Dark Trading, 2017, S. 24. 539 So und im Folgenden: L. Ye, Understanding the Impacts of Dark Pools on Price Discovery, 2016, S. 3, 23, 34 f.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
sei. Diese Abwanderung führe dazu, dass an der Börse das Verhältnis von informierten zu uninformierten Händlern sinke, neue Informationen daher nur unvollständig im Preis verarbeitet werden würden. Dark Pools seien daher (nur dann) positiv zu bewerten, wenn Informationshändler zugleich durch ein hohes Maß an Transparenz an möglichst präzise neue Informationen gelangten.540 Andere Stimmen541 stellen dagegen darauf ab, dass Informationshändler in Systemen mit eigener Preisfeststellung sowohl Liquiditätsnachfrager als auch Liquiditätsanbieter sind.542 Im hellen Handel müssten die Informationshändler bei einer Limit Order ihre Informationen preisgeben, sodass sie ihren Informationsvorsprung verlören.543 Um dies zu vermeiden, würden mehr Informationshändler Market Ordern eingeben, damit zu Liquiditätsnachfragern werden und weniger aggressiv handeln. Dadurch stiegen für die uninformierten Händler die Geld-BriefSpanne sowie die Kosten einer Limit Order an und das im Mittelwert des Börsenpreises (NBBO) abgebildete Informationsniveau sinke. Im Dark Pool könnten die Informationshändler ihre Informationen hingegen verbergen, sodass sie dort aggressiv Liquidität anbieten könnten. Indem den uninformierten Händlern mehr Ausführungsmöglichkeiten für ihre Ordern zur Verfügung stehen, sänken die Ausführungskosten.544 Durch den Wettbewerb der informierten Liquiditätsspender spiegele der Preis im Dark Pool den Fundamentalwert besser wider und erreiche ein höheres Informationsniveau als ein vergleichbarer gänzlich transparenter Markt.545 Ein dritter Ansatz546 verfeinert diese Argumentation durch eine Differenzierung zwischen sog. einseitigem (one-sided) und zweiseitigem (two-sided) Handel. Einseitiger Handel bedeutet, dass für Kauf- und Verkaufsordern derselbe Referenzpreis gilt. Dies geschieht insbesondere in den Crossing Networks. Durch die Referenzierung hängt die Ausführung jeder eingehenden Order davon ab, ob sich auf der Gegenseite weitere Ordern ansammeln. So wird eine Verkaufsorder nur dann sofort ausgeführt, wenn auf der Gegenseite Kaufordern warten. Träfen dagegen mehrere Verkaufsordern aufeinander und seien auf der Gegenseite keine Kaufordern abgegeben worden, müsse sich die Verkaufsorder entweder in die Warteschlange einreihen oder sich einen anderen Markt suchen. In einem zweiseitigen Markt könnten Händler ihre Ordern dagegen zu unterschiedlichen Preisen auf beiden Seiten ausführen, bis keine Gegenordern mehr vorhanden sind – dies ähnele einer Börse. 540
L. Ye, Understanding the Impacts of Dark Pools on Price Discovery, 2016, S. 43 f. Boulatov/George, 26 Rev. of Fin. Stud. 2095, 2105, 2108 ff. (2013). 542 Siehe dazu bereits oben Kap. 1 A. I. 3. a). 543 So und im Folgenden: Boulatov/George, 26 Rev. of Fin. Stud. 2095, 2108 ff. (2013). 544 Boulatov/George, 26 Rev. of Fin. Stud. 2095, 2105, 2112 f. (2013). 545 Boulatov/George, 26 Rev. of Fin. Stud. 2095, 2105, 2113 f., 2120 f. (2013). Dieses Argument wird auch für den „hellen“ Börsenhandel angeführt, vgl. Admati/Pfleiderer, 1 Rev. Of Fin. Stud. 3, 5, 19 f., 34 (1988). 546 So und im Folgenden: Foley/Putnins, 122 J. of Fin. Econ. 456, 457 ff. (2016); diese Studie wird u. a. aufgegriffen vom US-Kongress, vgl. Shorter/Miller, Dark Pools in Equity Trading, 2014, S. 8 f. 541
C. Die Regulierung von Dark Pools
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Einseitiger Handel wirke sich aufgrund seiner Signalwirkung negativ auf die fundamentale Effizienz aus.547 Werde z. B. eine Verkaufsorder nicht sofort ausgeführt, könne der einzelne Händler erkennen, dass die übrigen Marktteilnehmer seine Einschätzung teilen, er erhalte also zusätzliche Informationen. In einem zweiseitigen Markt werde jede Order dagegen i. d. R. sofort ausgeführt, sodass der einzelne Händler mangels Order-Ungleichgewicht auf einer Seite keine Rückschlüsse auf die Markttendenz ziehen könne. Informationshändler, die auf die Wahrung ihres Vorsprungs bedacht sind, würden daher eher in einem zweiseitigen Markt handeln. Da dieser Markt über eine Geld-Brief-Spanne verfügt, erweise sich das Anbieten von Liquidität als lukrativ, sodass die Informationshändler aggressiv darum konkurrieren und gleichzeitig die Liquiditätsanbieter am hellen Markt unter Druck setzen würden. Die Präsenz von Informationshändlern im dunklen wie im hellen Handel führe nachweisbar zu Preisreaktionen an der Börse, was eine (gewisse) Informationsverarbeitung beweise. Einseitige intransparente Märkte seien daher effizienzschädlich, zweiseitige intransparente Märkte seien dagegen effizienzförderlich.548 cc) Negative Bewertung von Dark Pools abseits des Blockhandels Andere ökonomische Studien549 sehen die fundamentale Effizienz immer in Gefahr, sobald auch kleine Ordern in den dunklen Handel gelangen. Je mehr uninformierte Händler in die Dark Pools emigrierten, desto stärker verringerten sich im hellen Handel die Chancen der Orderausführung für die Informationshändler.550 Dadurch stiegen im Börsenhandel das Risiko einer adversen Selektion und in der Folge die Geld-Brief-Spanne der Liquiditätsspender an551, während sie umgekehrt für die uninformierten Händler im dunklen Handel sänken.552 Dieser Effekt werde dadurch verstärkt, dass viele Dark Pools nicht dem Prinzip der Zeitpriorität folgen würden und Informationshändler vom Handel ausschließen könnten.553 Infolgedessen könnte eine im Dark Pool abgegebene Order eine Order an einem hellen 547
So und im Folgenden: Foley/Putnins, 122 J. of Fin. Econ. 456, 460, 479 (2016). Zu diesem Ergebnis kommen ebenfalls: Nimalendran/Ray, 17 J. of Fin. Mark. 230, 232 f. (2014); Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 779 (2014). 549 Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2401 f., 2424 (2017); Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 89 f. (2015); Degryse/Jong/Kervel, 19 Rev. of Fin. 1587, 1590 ff. (2015); ebenso IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 20. 550 Dies anerkennt auch Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 749 (2014). 551 Vgl. zu diesem Phänomen Kumpan, Regulierung, 2006, S. 107 m.w.N. 552 Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 89 f. (2015); Bayona/Dumitrescu/ Manzano, Information and Optimal Trading Strategies with Dark Pools, 2017, S. 4 f. (die freilich auf die Unterschiede zwischen den verschiedenen Finanzinstrumenten hinweisen). Speziell zur Internalisierung vgl. auch Köndgen, in: Bessler (Hrsg.), FS H. Schmidt, 2009, S. 287 f. 553 So und im Folgenden: Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 2015, 70, 89; zustimmend Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2401 (2017). Zum sog. „Vordrängeln“ sogleich. 548
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Handelsplatz überholen und übervorteilen. Dies demotiviere informierte Händler, am hellen Markt zu handeln.554 Würden die Informationshändler für ihre Handelskosten nicht mehr ausreichend kompensiert, lohne sich die Informationsbeschaffung nicht mehr und sie schieden aus dem Markt aus.555 Würde man den Informationshändlern zum Ausgleich Zugang zu einem Dark Pool gewähren, wirkt sich dies nach Ansicht einiger Autoren nur nachteilhaft auf die Informationseffizienz aus.556 Denn die Informationshändler würden dann versuchen, die im dunklen Handel erzielten Profite zu sichern, indem sie im hellen Markt weniger aggressiv handeln. Dadurch sinke die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung im hellen Handel. Zuletzt weisen selbst Dark Pools positiv bewertende Studien auf, teilweise ausgeblendete, Gefahren hin. So könne es zu erheblichen Preisverzerrungen etwa dadurch kommen, dass uninformierte Händler und informierte Händler vollkommen konträr handeln.557 Des Weiteren könnten insbesondere Informationshändler durch bestimmte Orderverhalten falsche Preissignale setzen und dadurch die Preisfeststellung stören.558 Je länger sie eine neue Information unter Verschluss hielten, desto ineffizienter sei der Dark Pool bei der Preisfeststellung.559 dd) Ambivalente Bewertung von Hochfrequenzhandel im Dark Pool Hochfrequenzhandel in einem Dark Pool ist aus Sicht der uninformierten Händler eindeutig negativ zu bewerten.560 Indem Hochfrequenzhändler vor der Anpassung des National Best Bid and Offer (NBBO) und des im Dark Pool referenzierten Preises handeln, eliminieren sie günstige Ausführungsmöglichkeiten für die uninformierten Händler. Dadurch werden die uninformierten Händler nicht länger vor einer Übervorteilung durch andere Händler geschützt. Für die Informationshändler erweisen sich Hochfrequenzhändler im Dark Pool dagegen mittelbar als vorteilhaft.561 Indem die Hochfrequenzhändler die uninformierten Händler aus den Dark Pools vertreiben, kehren letztere nolens volens an 554
Vgl. dazu bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 109. Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 71 f. (2015) gehen davon aus, dass dieser Effekt eintritt, sobald der dunkle Handel den Anteil von 10 % am Gesamtvolumen des Handels mit einem Finanzinstrument überschreitet. Ähnlich Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 385 f. (2018). 556 So und im Folgenden: M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011, S. 39; ähnlich Gomber/ Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 48. 557 Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 749 (2014), der dies aber für unwahrscheinlich hält. 558 M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011, S. 8, 36 ff; Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 749 (2014) nennt z. B. Pinging und Indication of Interests. 559 Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 749 (2014), der diese Aussage nicht weiter begründet. 560 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 244 (2015). 561 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 244 (2015). 555
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die Börse zurück. Dadurch stehen den Informationshändlern (wieder) mehr Arbitragemöglichkeiten zur Verfügung. Dies incentiviert sie zu weiteren Investitionen in die Suche nach neuen Informationen und befördert letztlich die Informationseffizienz. Allerdings lässt sich nicht ermessen, in welchem Umfang diese Migrationsbewegung stattfindet und ob sich uninformierte Händler der Präsenz von Hochfrequenzhändlern in einem Dark Pool überhaupt bewusst sind.562 Hochfrequenzhandel in einem Dark Pool lässt sich dadurch weder eindeutig als positiv noch als negativ bewerten. c) Schlussfolgerung: Drei Leitlinien für eine Regulierung In der ökonomischen Forschung findet derzeit eine vielschichtige Diskussion darüber statt, welche Auswirkungen Dark Pools auf die fundamentale Effizienz haben. Mit Blick auf ihre Regulierung lassen sich die folgenden drei Leitlinien aufstellen: (1) Transparenzausnahmen für den Blockhandel steigern die Liquidität und verbessern die Preisfeststellung des Gesamtmarkts. An ihnen ist daher festzuhalten. Dabei ist den Charakteristika des jeweiligen Finanzinstruments Rechnung zu tragen.563 (2) Dark Pools mit eigener Preisfeststellung können die fundamentale Effizienz steigern. Dagegen wird die reine Preisreferenzierung, namentlich durch Crossing Networks, überwiegend kritisch gesehen. (3) Unklar ist, inwieweit Informationshändler durch die Abwanderung der uninformierten Händler in die Dark Pools an Arbitragemöglichkeiten verlieren und inwieweit die Anwesenheit von Hochfrequenzhändlern in Dark Pools diese Bewegung wieder umkehrt.564 Insgesamt kommen viele Studien der modernen Finanzmarktforschung zu dem Ergebnis, dass Dark Pools die Effizienz des Kapitalmarktes gefährden können. Selbst jene Stimmen, die die positiven Effekte dieser dunklen Handelssysteme betonen, räumen ein, dass bestimmte Charakteristika von Dark Pools negative Auswirkungen auf die (fundamentale) Effizienz des Kapitalmarktes haben können.565 Solange nicht vollständig gesicherte empirische Erkenntnisse vorliegen, muss sich der Regulierungsgesetzgeber an den Modellen der verschiedenen Studien orientieren
562 Es bestehen erhebliche Parallelen zum (sogleich unten behandelten) Problem der Informationsasymmetrie zwischen Bank und Kunde und dem Prinzipal-Agent-Konflikt, vgl. Fox/ Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 244 (2015). 563 So und im Folgenden: Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 88, 90 (2015). 564 So auch das Votum von Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 48. 565 Vgl. Nimalendran/Ray, 17 J. of Fin. Mark. 230, 232 f. (2014); Zhu, 27 Rev. of Fin. Stud. 747, 779 (2014).
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und ein passgenaues Regulierungsregime entwickeln.566 In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass die Informationshändler eine ausgesprochen wichtige Funktion als Entdecker und Verarbeiter neuer Informationen erfüllen.567 Der Gesetzgeber muss daher auf den Schutz der Informationshändler bedacht sein und ihnen drohende, etwaige Gefahren ernst nehmen. Eine Regulierung zugunsten der Informationshändler ist keine Besitzstandswahrung, sondern Marktschutz.568 3. Höhere Transaktionskosten durch Fragmentierung Dark Pools können zu einem Anstieg der Transaktionskosten der Marktteilnehmer führen.569 Dieser Befund mutet paradox an angesichts des erklärten Ziels von Dark Pools, die Transaktionskosten zu senken. Er erklärt sich aber aus dem Umstand, dass verschiedene Arten von Transaktionskosten betroffen sind. a) Kosten der Suche nach dem richtigen Dark Pool Das enorme Wachstum in den letzten Jahren hat dazu geführt, dass heute eine unübersehbare Anzahl verschiedenster Dark Pools existiert, welche es den Marktteilnehmern erheblich erschwert, den für ihre Order passenden Ausführungsort zu finden.570 Die Fragmentierung des dunklen Handels könnte zunächst die Suchkosten571 der Marktteilnehmer derartig ansteigen lassen, dass nunmehr eine Regulierung hin zu mehr Zentralisierung, etwa in Form eines partiellen Börsenzwangs572 oder eines Dach-Skontos573, erfolgen muss.574
566 Vorsichtig bzgl. einer Regulierung von Preisreferenzsystemen: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 110. Ausführlich zum Umgang mit Unsicherheit bei der Regulierungsgesetzgebung: Pidot, 37 Cardozo L. Rev. 113 (2015). 567 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 357. 568 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 733 ff. (2006); Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 359. 569 Voraussetzung für eine Orderausführung ist ein Orderrouting. Da aber die Frage der Kosten der Ausführung so eng mit der der Informationseffizienz verwoben ist, wird auf die Gefahren im Rahmen des Orderrouting erst im Anschluss eingegangen. 570 Menkfeld/Yueshen/Zhu, 124 J. of Fin. Econ. 503, 504 (2017). 571 Vgl. Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 46 f. Dieses Phänomen ist auch für den Börsenhandel zu beobachten, vgl. Hartmuth, Institutioneller Wandel von Börsen, 2004, S. 79; Walgenbach, HJWG 35, 1990, 257, 260 f. 572 Dies erscheint aber unwahrscheinlich, vgl. Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 50 ff. 573 Ausführliche Diskussion dieser Idee bei Kumpan, Regulierung, 2006, S. 303 ff. Zum sog. „consolidated limit order book“ siehe Colby/Sirri, 5 CMLJ 169, 177 ff. (2010). 574 IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 21; Menkfeld/Yueshen/Zhu, 124 J. of Fin. Econ. 503, 504 (2017). Einen Überblick über den Meinungsstand geben Gomber/Sagade/ Theissen/Westheide, 31 J. of Econ. Surveys 2017, 792, 805 ff.
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aa) Aufwendige Suche nach Orderinformationen Abgesehen von vereinzelten Stellungnahmen einiger Marktteilnehmer575 sind Nachweise für einen schädlichen Anstieg der Suchkosten rar gesät. Laut einer Studie wird die Fragmentierung durch die modernen Orderroutingsysteme576 aufgefangen, sodass de facto eine Konsolidierung stattfindet.577 Diese Studie differenziert jedoch nicht zwischen dem hellen und dem dunklen Handel, sodass sich kaum Aussagen darüber treffen lassen, inwiefern die Suchkosten allein aufgrund der Vielzahl von Dark Pools ansteigen.578 In diesem Kontext ist ein eigennütziges (und ökonomisch rationales) Verhalten der Marktteilnehmer zu konstatieren: Allgemein räumt jeder Marktteilnehmer ein, dass Vorhandelstransparenz eine zentrale Bedingung für einen effizienten Handel mit Finanzinstrumenten ist. Seine eigene Order möchte jedoch kein Handelsteilnehmer offenlegen. Gewährt man den Marktteilnehmern daraufhin Transparenzausnahmen in gewissem Ausmaße, versucht jeder, diese Ausnahmen in größtmöglichem Rahmen für sich auszunutzen. Informationen über die verdeckten Aufträge anderer Marktteilnehmer verschafft man sich, indem man ausgefeilte Such- und Routingprogramme entwickelt.579 Diese sog. „Smart Order Routing“ Programme580 verfügen beispielsweise über eine Erinnerungsfunktion, welche es ihnen erlaubt, sich die für Kunden an bestimmte Handelsorte geleiteten Ordern zu merken.581 Solange diese Ordern noch nicht ausgeführt worden sind, kann das Programm die Order eines anderen Kunden, welche für eine Zusammenführung mit einer wartenden Order passt, an den gleichen Handelsort leiten. Auf diese Weise ist das Programm in der Lage, (auch) die verdeckte Liquidität abzubilden und dieses Wissen zugunsten seiner Nutzer beim Routing einzusetzen. Pointiert formuliert lehnen die Marktteilnehmer also Vorhandelstransparenz für sich selbst ab, versuchen aber gleichzeitig, über den Einsatz von Technologie ein möglichst großes Wissen über die gesamte verfügbare Liquidität zu erwerben. Da die Nutzung der Programme nur gegen Zahlung eines Entgelts möglich ist, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der effizienten Ausgestaltung der Informationsverarbeitung: Soll wirklich jeder Marktteilnehmer ein Entgelt dafür bezahlen 575
Vgl. etwa die Mitteilung des Handelsblatts über die Forderung des Norwegischen Staatsfonds: http://www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/trends/grauer-markt-norwe gischer-staatsfonds-will-weniger-dark-pools-/11684570.html (Abruf am 12. 04. 2019). 576 Dazu Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 50 ff. 577 O’Hara/Ye, 100 J. of Fin. Econ. 459, 468 – 472 (2011). 578 Zur Kritik: Degryse/Jong/Kervel, 19 Rev. of Fin. 1587, 1590 f. (2015). 579 Einen Überblick über die in der Praxis verwendeten Algorithmen gibt Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 142 f., 161 ff. Vgl. zudem Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 51 f. 580 Vgl. dazu Stoll, 20 J. Econ. Perspect., 153, 169 f. (2006); Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 55 f.; Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 51 f. 581 So und im Folgenden: SEC, In the Matter of eBX, LLC, File No. 3-15058, Rn. 17, 27; SEC, In the Matter of LavaFlow, Inc., File No. 3-15985, Rn. 12 – 15.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
müssen, dass er durch einen Anbieter (meist unvollständige) Informationen über die verdeckte Liquidität erfährt? Oder ist es nicht kostengünstiger, die Transparenzausnahmen auf ein Minimum zu reduzieren, sodass sich die Informationen über die aktuelle Orderlage – vermittelt durch die verschiedenen Handelsorte – zentral verbreiten? Immerhin hat man sich bei der Verbreitung von unternehmensbezogenen Informationen dafür entschieden, die Pflicht zur Ad-hoc-Mitteilung zentral beim Emittenten anzusiedeln.582 Als „least cost information provider“ ist der Emittent aus Kostensicht am besten dafür geeignet, neue Informationen bereitzustellen.583 Diesen Gedanken kann man insofern auf die Verbreitung von Informationen über die aktuelle Orderlage übertragen, als die verschiedenen Handelsplätze, insbesondere die Börsen, aufgrund ihrer zentralen Stellung den besten Überblick über die gegenwärtige Orderlage haben. Dann erscheint es aber effizient, sie dazu zu verpflichten, möglichst weitgehend alle orderbezogenen Informationen zu veröffentlichen und nicht die Marktteilnehmer mit der aufwendigen Rekonstruktion der vorhandenen Liquidität zu belasten. bb) Heterogenität der Anleger Ein interessanter Forschungsansatz584 besteht darin, die Fragmentierung des Handels als Ausdruck der Heterogenität der Anleger zu verstehen. Danach gibt es eine ganze Bandbreite von Anlegern, beginnend bei solchen, die möglichst geringe Kosten anstreben und dafür eine geringe Ausführungswahrscheinlichkeit hinnehmen, bis hin zu solchen, die eine sofortige Ausführung verlangen und bereit sind, die dafür anfallenden hohen Kosten zu tragen. Während sich die erste Gruppe im Dark Pool sammle, begebe sich die zweite Gruppe an andere, transparente Handelsorte. Daraus ergebe sich eine Hackordnung für die Eingabe von Ordern („pecking order“). Nicht jeder Anleger sei demnach an jedem Handelsort aktiv. Unklar ist jedoch, inwiefern die Fragmentierung innerhalb der verschiedenen dunklen und hellen Handelsplätze die Suchkosten der verschiedenen Marktteilnehmer ansteigen lässt und wie gut diese über die verschiedenen Mechanismen der einzelnen Handelsplätze informiert sind.585 b) Ausführungskosten Die Fragmentierung der Dark Pools kann sich nicht nur auf die Suchkosten auswirken, sondern darüber hinaus auch auf die Liquidität und die Geld-BriefSpanne, von denen die Ausführungskosten einer Transaktion entscheidend abhän582
In Europa nunmehr vereinheitlicht geregelt in Art. 17 Abs. 1 S. 1 MAR; in den USA gelten verschiedene Disclosure Regeln, vgl. dazu Jutzi, ZVglRWiss 109 (2010), 445, 453 ff. 583 Klöhn, ZHR 178 (2014), 55, 65 mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 56. 584 So und im Folgenden: Menkfeld/Yueshen/Zhu, 124 J. of Fin. Econ. 503, 504 ff., 529 f. (2017). 585 Menkfeld/Yueshen/Zhu, 124 J. of Fin. Econ. 503, 506 (2017).
C. Die Regulierung von Dark Pools
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gen.586 Ob diese Auswirkungen positiv oder negativ ausfallen, wird in der ökonomischen Forschung sehr unterschiedlich beantwortet. So kommt eine ganze Reihe von Studien587 zum Ergebnis, dass die Transaktionskosten durch die Fragmentierung des hellen wie dunklen Handels sinken. Zwar sei eine Zersplitterung des Marktes zu konstatieren, dieser werde jedoch durch die modernen Orderroutingsysteme entgegengewirkt.588 Die Möglichkeit, Informationen in einem Dark Pool zu verbergen, reize zudem die Informationshändler dazu an, aggressiver um das Anbieten von Liquidität zu konkurrieren, was zu geringeren Geld-Brief-Spannen für alle Marktteilnehmer führe.589 Ein anderer Teil der Studien590 kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass sich die Abwanderung der uninformierten Händler in den Schattenhandel gleich in zweifacher Weise negativ auf die Ausführungskosten auswirkt: Erstens müssten die Marktmacher im hellen Handel auf die Gefahr einer informationellen Übervorteilung durch die Informationshändler reagieren, indem sie die Geld-Brief-Spanne erhöhen.591 Zweitens bestehe in einem Dark Pool eine für die Händler ungünstige Korrelation zwischen Fundamentalwert und Preis.592 Liege der Fundamentalwert z. B. über dem Preis im Dark Pool, würden mehr Verkaufsordern ausgeführt, was sich als nachteilhaft für die Verkäufer erweise – es bestehe also das Risiko einer adversen Selektion. Insgesamt lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Studien nicht sicher feststellen, ob durch Dark Pools in einem fragmentierten Markt die Ausführungskosten ansteigen oder nicht.593
586
O’Hara/Ye, 100 J. of Fin. Econ. 459, 463 (2011). Bloomfield/O’Hara/Saar, 70 J. of Fin. 2227, 2230, 2265 f. (2015); O’Hara/Ye, 100 J. of. Fin. Econ. 459, 472 (2011); Gresse, 45 J. of Fin. Mark. 1, 2, 19 (2017). Buti/Rindi/Werner, 124 J. of Fin. Econ. 244, 258, 261 (2017) sehen eine Verbesserung nur dann, wenn der Dark Pool mit einem gefüllten hellen Orderbuch konkurriert. 588 O’Hara/Ye, 100 J. of Fin. Econ. 459, 472 (2011) und Kumpan, Regulierung, 2006, S. 104 m.w.N., die allerdings alle nicht zwischen der Fragmentierung des hellen und des dunklen Handels unterscheiden. 589 Boulatov/George, 26 Rev. of Fin. Stud. 2095, 2104 ff. (2013) 19 f; Bloomfield/O’Hara/ Saar, 70 J. of Fin. 2227, 2242 ff. (2015). 590 Degryse/Jong/Kervel, 19 Rev. of Fin. 1587, 1591 (2015); Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2400 f. (2017); Foley/Malinova/Park, Dark Trading, 2012, S. 2; Iyer/Johari/ Moallemi, Welfare Analysis, 2016, S. 5 f. 591 Iyer/Johari/Moallemi, Welfare Analysis, 2016, S. 5 f.; Degryse/Jong/Kervel, 19 Rev. of Fin. 1587, 1619 (2015); Hatheway/Kwan/Zheng, 52 JFQA 2399, 2408 f., 2423 f. (2017). Ebenso bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 107 und Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497, 1506. Vgl. auch Hendershott/Mendelson, 5 J. of Fin. 2071, 2104 (2000). 592 Iyer/Johari/Moallemi, Welfare Analysis, 2016, S. 4 f. 593 Vgl. Gomber/Sagade/Theissen/Westheide, 31 J. of Econ. Surveys 2017, 792, 804. 587
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c) Das Vordrängeln (Queue Jumping) Im Kontext der Transaktionskosten spielt ferner das sog. Vordrängeln (Queue Jumping)594 eine kontroverse Rolle. aa) Das Umgehen der Warteschlange an der Börse Händler mit preissensiblen Informationen wollen möglichst schnell daraus Profit im Handel ziehen, weil sie eine rasche Verbreitung der Information befürchten.595 Geben sie eine Limit Order an einer Börse ab, reiht sich die Order jedoch in die Reihe der bisher abgegebenen Limit Ordern ein, was die Ausführung erheblich verzögert und die Gewinnaussichten verringert. Ursache für diese Warteschlange ist in den USA Rule 612 Reg. NMS596, welche eine minimale Preiserhöhung (Tick Size) von einem Penny für Aktien mit einem Wert von über einem Dollar vorschreibt.597 Es sei angenommen, das NBBO einer bestimmten Aktie beträgt derzeit $ 10,01 x $ 10,02. Ein Anleger will seine Aktien zu einem höheren Verkaufspreis als $ 10,01 verkaufen. Wegen Rule 612 Reg. NMS muss er dafür an der Börse mindestens einen Verkaufspreis von $ 10,02 wählen.598 Es ist offensichtlich, dass die Order zu diesem höheren Preis kaum ausgeführt werden wird. Daher muss der Verkäufer an der Börse seine Verkaufsorder auf einen Preis von $ 10,01 reduzieren oder abwarten. Anders sieht es in einem Dark Pool aus. Da Rule 612 Reg. NMS auf diese keine Anwendung findet599, sind Preisverbesserungen, die kleiner als die Differenz von einem Penny ausfallen, möglich.600 Referenziert der Dark Pool auf das NBBO, führt dies im Beispiel dazu, dass die Verkaufsorder zu einem Preis von $ 10,015 ausgeführt werden kann. Der Verkäufer erhält also eine Preisverbesserung von $ 0,005. Vor allem für die Ausführung von großen Ordermengen birgt diese kleine Preisverän594 Vgl. dazu Kwan/Masulis/McInisch, 115 J. of Fin. Econ. 330, 331 Fn. 2 (2015); Dolgopolov, 9 Wm. & Mary Bus. L. Rev. 551, 564 f. (2018); Bartlett/McCray, Dark Trading at Midpoint, 2015, S. 1. Zum Umgehen der Prioritätsregeln in einem fragmentierten Markt vgl. bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 109. 595 So und im Folgenden: Kwan/Masulis/McInisch, 115 J. of Fin. Econ. 330, 331 f. (2015). 596 17 CFR § 242.612 Minimum pricing increment. (a) No national securities exchange, national securities association, alternative trading system, vendor, or broker or dealer shall display, rank, or accept from any person a bid or offer, an order, or an indication of interest) in any NMS stock priced in an increment smaller than $0.01 if that bid or offer, order, or indication of interest is priced equal to or greater than $1.00 per share. 597 Bartlett/McCray, Dark Trading at Midpoint, 2015, S. 1. 598 Vgl. für dieses Beispiel: Bartlett/McCray, Dark Trading at Midpoint, 2015, S. 2. 599 § 612(a) Reg. NMS stellt auf die Veröffentlichung von Order ab. Von der Veröffentlichungspflicht sind Dark Pools wegen der 5 %-Ausnahme in Reg. ATS Rule 301(b)(3) befreit. Vgl. zu dieser Vorschrift Kumpan, Regulierung, 2006, S. 358 f. 600 So und im Folgenden: Bartlett/McCray, Dark Trading at Midpoint, 2015, S. 2; Kwan/ Masulis/McInisch, 115 J. of Fin. Econ. 330, 333 (2015).
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derung einen erheblichen Vorteil. Zugleich steigen die Chancen einer schnellen Ausführung, je kleiner die Preiserhöhungen ausfallen. Es liegt auf der Hand, dass Händler, die schnell zu einem für sie günstigen Preis handeln wollen, zumindest teilweise ihre Ordern in einem Dark Pool platzieren. Dadurch umgehen sie die lange Warteschlage an der Börse – sie „drängeln sich vor“601. Je mehr Händler (nicht nur Informationshändler) diesen Weg einschlagen, umso mehr steigt dort die Liquidität an und sinkt das Risiko, dass Ordern im Dark Pool nicht ausgeführt werden.602 Darin liegt einer der Hauptgründe für das rasante Anwachsen des Schattenhandels. bb) Bewertung des Vordrängelns Ob diese Entwicklung positiv oder negativ zu bewerten ist, wird in der ökonomischen Forschung unterschiedlich beurteilt. Nach einer Ansicht603 bieten Dark Pools keine oder allenfalls minimale Preisversbesserungen, sodass die Liquiditätsnehmer keinen Vorteil durch den Handel im Dark Pool erlangen. Zudem demotiviere die Möglichkeit des Vordrängelns Händler, Limit Ordern an einer Börse zu platzieren, dadurch dem hellen Handel Liquidität zu spenden und den dortigen Preiswettkampf zu verschärfen. Auf diese Weise komme es zu einer Gewinnumverteilung weg von den Liquiditätsspendern der Börse hin zu den Liquiditätsspendern der Dark Pools.604 Laut der Gegenansicht605 findet zwar eine Umverteilung statt, allerdings in einer ganz anderen Richtung: Im hellen Handel ließen sich die Liquiditätsspender über die Geld-Brief-Spanne das Anbieten von Liquidität von den Liquiditätsnehmern bezahlen. Werde dagegen auf den Mittelwert des NBBO referenziert, fließe ein Teil dieses Entgelts an die Liquiditätsnehmer zurück, was exakt der Intention des Gesetzgebers entspreche. Zwar konzediert diese Ansicht eine Verringerung des Preiswettkampfs an der Börse, sie führt dies jedoch zurück auf eine deutlich geringere Präsenz von Hochfrequenzhändlern oberhalb der $ 1,00-Grenze.606 Hochfrequenzhändler seien an Börsen überwiegend im Bereich der sog. Penny Stocks aktiv, also im Handel von Wertpapieren, deren Wert unterhalb von $ 1,00 liege. Da für dieses Segment Rule 612(a) Reg. NMS nicht eingreife und damit sub-penny Preisverbesserungen auch im Börsenhandel erlaubt seien, könnten Hochfrequenz601 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 109 spricht vom „Umgehen der Prioritätsregeln bei der Ausführung“. 602 So und im Folgenden: Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 330, 332 (2015). 603 So und im Folgenden: Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 330, 332 (2015); Buti et al., Queue Jumping, 2015, S. 32. 604 Ebenso Kumpan, Regulierung, 2006, S. 109 unter Verweis auf Picot/Bortenlänger/ Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 109. 605 So und im Folgenden: Bartlett/McCray, Dark Trading at Midpoint, 2015, S. 3 – 6. 606 So und im Folgenden: Bartlett/McCray, Dark Trading at Midpoint, 2015, S. 27 ff.
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händler innerhalb von Millisekunden minimale Preisveränderungen vornehmen. Dadurch stiegen die Volatilität und in der Folge die Transaktionskosten an, obwohl die Präsenz der Hochfrequenzhändler die Liquidität an der Börse ansteigen ließe. Wenn für Wertpapiere, deren Wert oberhalb von $ 1,00 liege, mangels aktiver Hochfrequenzhändler weniger Liquidität vorhanden sei, sei dies zu begrüßen und kein Nachteil für die Börsen. Zudem existierten keine Anzeichen für negative Effekte durch das Vordrängeln via Dark Pools.607 d) Schlussfolgerung: Unsichere Grundlage für eine Regulierung Wie sich Dark Pools auf die Transaktionskosten auswirken, lässt sich letztlich nicht eindeutig feststellen.608 Der Gesetzgeber muss also in einer unsicheren Situation609 eine Entscheidung treffen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Transaktionskosten nicht für alle Marktteilnehmer im gleichen Maße erhöhen, sondern uninformierte Händler tendenziell von Dark Pools profitieren, während Informationshändler eher benachteiligt werden. Insofern muss der Gesetzgeber eine Kompromisslösung finden, welche die Interessen aller Marktteilnehmer berücksichtigt. Eine solche Lösung könnte etwa darin liegen, der zunehmenden Fragmentierung durch eine schnelle Informationsweitergabe entgegenzuwirken und damit tatsächlich einen auf diverse Marktplätze verteilten einheitlichen Markt für den Handel mit Wertpapieren zu schaffen.610 4. Dark Pools als Trittbrettfahrer bei der Informationsproduktion Börsenpreise müssen zwangsläufig einer großen Breite an Anlegern bekannt gegeben werden, weil Börsen andernfalls nicht mit ausgeführten Geschäften, Handelschancen und Angaben zur Liquidität für sich werben können. Dieses breite Adressatenfeld macht es unmöglich, einzelne Individuen von der Nutzung der Börsenpreise auszuschließen.611 Zugleich lassen sich Informationen über die Börsenpreise ohne relevante Kosten an zusätzliche Abnehmer verteilen, sodass ihr Konsum nicht rival ist. Demnach sind Börsenpreise öffentliche Güter.612 Können außerbörsliche Handelssysteme, insbesondere Crossing Networks, ungehindert auf die Börsenpreise zugreifen, besteht die Gefahr, dass sich die Investi607
Bartlett/McCray, Dark Trading at Midpoint, 2015, S. 33 f. Kwan/Masulis/McInish, 115 J. of Fin. Econ. 330, 346 (2015). 609 Auf die verschiedenen Konzepte zur Berechnung der Transaktionskosten verweisen: O’Hara/Ye, 100 J. of. Fin. Econ. 459, 463 (2011). 610 Vgl. dazu O’Hara/Ye, 100 J. of Fin. Econ. 459, 472 (2011). 611 Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 259; Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 131; Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 130. 612 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 87 f. 608
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tionen in die Preisfindungssysteme für die Börsen nicht mehr rentieren, sie daher ihr Engagement zurückfahren und es zu einer dem gesamtem Markt betreffenden Unterversorgung mit Börsenpreisen und Informationen kommt.613 Zugleich können die Nutzer von Dark Pools aufgrund der Intransparenz nicht sehen, welche Ordern im System vorhanden sind.614 Daher können sie ihre Ausführungschancen und die Möglichkeiten einer Preisverbesserung nicht beurteilen. Um ihr Informationsdefizit zu verringern, orientieren sich die Händler an den Börsenpreisen. Handeln sie aber nicht an der Börse, erhält jene keine Vergütung für die Bereitstellung des Börsenpreises. Um diese negativen Effekte zu vermeiden, wird bereits seit einiger Zeit615 diskutiert, de lege lata Börsen Eigentumsrechte an den Preisen einzuräumen, mittels derer sie andere Handelssysteme von der Nutzung bzw. Referenzierung ausschließen können.616 a) Eigentumsrechte der Börsen Eigentumsrechte an einem öffentlichen Gut lassen sich am leichtesten für dessen Produzenten begründen.617 Wer Börsenpreise produziert, wird jedoch unterschiedlich beurteilt. Während nach einer Ansicht618 die Börse selbst Informationen und Preise dank ihres hohen Organisationsgrads herstellt, ist nach einer anderen Ansicht619 strikt zwischen Produktion und Verbreitung zu unterscheiden: Der Preis ergebe sich aus der Zusammenführung einzelner Ordern und damit aus den Handelsaktivitäten der Marktteilnehmer. Die Börse biete lediglich ein besonderes Forum, um Geschäftsabschlüsse zu erleichtern. Sobald eine Transaktion abgeschlossen sei, müsse sie die beteiligten Parteien über die zugrunde liegenden Konditionen informieren. Da eine sehr große Anzahl von Ordern parallel ausgeführt werde, erfolge dies nicht über eine individuelle Benachrichtigung, sondern über die alle Marktteilnehmer adressierende Handelstransparenz. Der zweiten Ansicht ist insbesondere vor dem Hintergrund des Informationsarbitragemodells620 zuzustimmen. Entscheidend für die (effiziente) Preisbildung ist das 613 So und im Folgenden: IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR 06/11, S. 20; Rudolph/ Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 257 ff. 614 So und im Folgenden: Buti/Rindi/Werner, 124 J. of Fin. Econ. 244, 246 (2017). 615 Ausführlich zur Geschichte der Versuche der Börsen, eigentumsrechtlichen Schutz zu erlangen: Mulherin/Netter/Overdahl, 34 J. of. L. & Econ. 591, 605 ff. (1991). 616 Mulherin/Netter/Overdahl, 34 J. of. L. & Econ. 591, 592 (1991). Zur Diskussion, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 88. 617 Dies implizieren Kumpan, Regulierung, 2006, S. 87 ff; Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 132; Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 130. 618 Mulherin/Netter/Overdahl, 34 J. of. L. & Econ. 591, 626, 631 (1991). 619 Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 132; Picot/Bortenlänger/Picot, Börsen im Wandel, 1996, S. 130. 620 So und im Folgenden: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 WpHG, Rn. 84 ff. ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 84 ff., jeweils m.w.N.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Handeln der Informationshändler, welche durch das Auswerten neuer Informationen und ihren Handel kontinuierlich zu Preisveränderungen beitragen. Aus der Perspektive der Informationshändler beschränkt sich die Funktion der Börse darauf, ihnen Geschäfte mit geeigneten, d. h. uninformierten Gegenparteien zu vermitteln. Der Preis bildet sich sodann aus der Ausnutzung des Informationsvorsprungs gegenüber diesen Parteien, stellt schlussendlich ein Aggregat aller verfügbaren Informationen der Informationshändler dar. Dadurch zeigt sich, dass nicht die Börse, sondern nur die handelnden Marktteilnehmer – informierte wie uninformierte – zur Preisfeststellung beitragen. Konsequenterweise können nur die Marktteilnehmer, nicht aber die Börse selbst (originär) Eigentumsrechte am Börsenpreis erwerben.621 b) Eigentumsrechte der Händler Für die Gruppe der Informationshändler scheinen sich Eigentumsrechte leicht konstruieren zu lassen. Denn sie nutzen jene Informationen aus, die sie sich zunächst erarbeitet, sprich produziert haben. Jede einzelne Information fließt anschließend über den Handel in den Börsenpreis ein. Bildet der Börsenpreis damit ein Aggregat aller öffentlich verfügbaren Informationen, fasst er zugleich alle Eigentumsrechte an den Informationen zusammen. Nach diesem Modell ist jeder Informationshändler Teileigentümer des Börsenpreises. Allerdings übergeht eine solche Betrachtung, dass die Informationshändler durch den Handel selbst zur Diffusion des Wissens und Verwässerung eines Eigentumsrechts beitragen. Je mehr Händler auf die neue Information zugreifen können, desto schwieriger fällt die Durchsetzung des Eigentumsrechts gegenüber unberechtigten Zugriffen. Vieles spricht sogar dafür, dass die Informationshändler die Exklusivität und damit (unterstellte) Eigentumsrechte an der Information bewusst aufgeben. Ohne einen Einsatz der Information im Handel können sie daraus keinen Nutzen ziehen. Der Teilnahme am Handel ist jedoch die Verbreitung der Information inhärent. Selbst wenn man den Informationshändlern Eigentumsrechte an Informationen zugesteht, führt also der Handel an der Börse zu einer starken Verwässerung. c) Entlohnung für integre Preisfeststellung Auch wenn die Börsen den Preis nicht selbst feststellen, erbringen sie doch einen wichtigen Beitrag: Sie stellen die Infrastruktur bereit und überwachen den Handel, damit es zu einer integren Preisfeststellung kommt. Nach wie vor bietet der an der Börse festgestellte Preis ein zentrales Referenzobjekt, auf das sich verschiedenste Händler verlassen. Gäbe es keine Handelsüberwachung durch die Börsen, müssten die Marktteilnehmer befürchten, dass Kurse vielfach manipuliert werden. Insoweit 621 So verfahren: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 257, 260; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 89; Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 132; Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 130.
C. Die Regulierung von Dark Pools
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liegt es nahe, die Börsen für die Sicherstellung der Marktintegrität zu entlohnen, indem ihnen Eigentumsrechte622 am Börsenpreis zugewiesen werden. d) Alternative: Erfordernis einer Mindestpreisverbesserung Börsen und insbesondere die dortigen Marktmacher623 können vor einer übermäßigen Preisreferenzierung nicht nur durch Verfügungsrechte am Börsenpreis geschützt werden. Alternativ kann man die Preisreferenzierung weiterhin erlauben, diese aber an zusätzliche Bedingungen knüpfen. So müssen Dark Pools in Kanada und Australien eine Order grds. mit einer Preisverbesserung von mindestens einer Tick Size624 gegenüber dem NBB bzw. NBO ausführen.625 Durch dieses Mindest622 Solche property rights würden eine Alternative zu den sogleich diskutierten liability rules darstellen. 623 Zu deren Schutzbedürftigkeit siehe Kumpan, Regulierung, 2006, S. 90 f. 624 Als Tick Size bezeichnet man den Mindestbetrag, um den eine neue Order oder Quotierung von einer bereits vorhandenen Order oder Quotierung abweichen muss, um an einer Börse Preis-Priorität zu erlangen. In den USA beträgt dieser Betrag $ 0,01 für alle NMS Aktien, die oberhalb eines Werts von $ 1,00 pro Aktie gehandelt werden, vgl. Rule 612(a) Reg. NMS. 625 Vgl. die kanadischen Universal Market Integrity Rules (UMIR): 6.6 Provision of Price Improvement by a Dark Order (1) If a Participant or Access Person enters an order on a marketplace for the purchase or sale of a security that order may execute with a Dark Order provided the order entered by the Participant or Access Person is executed: (a) at a better price; (b) in the case of a purchase, at the best ask price if: (i) the order on entry to the marketplace is for more than 50 standard trading units or has a value of more than $100,000, and (ii) on the execution of the trade with the Dark Order, no orders for the sale of the security included in the calculation of the best ask price are displayed on that marketplace at that best ask price; or (c) in the case of a sale, at the best bid price if: (i) the order on entry to the marketplace is for more than 50 standard trading units or has a value of more than $100,000, and (ii) on the execution of the trade with the Dark Order, no orders for the purchase of the security included in the calculation of the best bid price are displayed on that marketplace at that best bid price. (…) 1.1 Definitions „better price“ means, in respect of each trade resulting from an order for a particular security: (a) in the case of a purchase, a price that is at least one trading increment lower than the best ask price at the time of the entry of the order to a marketplace provided that, if the best bid price is one trading increment lower than the best ask price, the price shall be at least one-half of one trading increment lower; and (b) in the case of a sale, a price that is at least one trading increment higher than the best bid price at the time of the entry of the order to a marketplace provided that, if the best ask price is one trading increment higher than the best bid price, the price shall be at least one-half of one trading increment higher. „Dark Order“ means:
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
preisverbesserungserfordernis werden Dark Pools im Wettbewerb der Handelsplätze gegenüber Börsen bewusst benachteiligt. In gewisser Weise erleiden sie einen wirtschaftlichen Nachteil dafür, dass sie selbst keine Preise feststellen. Dem kanadischen Gesetzgeber ist es damit buchstäblich über Nacht gelungen, den Handel in Dark Pools um ein Drittel zu reduzieren.626 Allerdings muss mit dem Mindestpreisverbesserungserfordernis vorsichtig umgegangen werden. So gilt es in Kanada gem. Rule 1.1 UMIR nicht, wenn die aktuelle Geld-Brief-Spanne des NBBO identisch ist mit der Tick Size. In diesem Fall darf die Order im Dark Pool zum Mittelwert des NBBO ausführt werden, d. h. mit einer Preisverbesserung von einer halben Tick Size für Käufer und Verkäufer.627 Diese Ausnahme hat dazu geführt, dass nunmehr 99,8 % aller Transaktionen in kanadischen Dark Pools zum Mittelwert des NBBO abgeschlossen werden.628 Referenzierungssysteme dominieren dadurch den dunklen Handel, nahezu kein Dark Pool stellt mehr selbst Preise fest. Da Systeme mit eigener Preisfeststellung gegenüber Referenzierungssystemen aus Effizienzsicht vorzuziehen sind629, ist die kanadische Regulierung nicht vollkommen geglückt. Ein Ausgleich lässt sich aber leicht erzielen. Die Tick Size muss lediglich so klein sein, dass sie nicht zu einer starren Geld-Brief-Spanne führt, sondern Spielraum für Veränderungen lässt. Solange Tick Size und Geld-Brief-Spanne nicht identisch sind, greift die Ausnahmeregel nicht, sodass keine Transaktionen zum Mittelwert des NBBO in Dark Pools abgeschlossen werden dürfen.630 Es bleibt abzuwarten, welche Erfahrungen die Regulierungspraxis mit diesem Instrument machen wird.
(a) an order no portion of which is displayed on entry on a marketplace in a consolidated market display; or (b) that portion of an order which on entry to a marketplace is not displayed in a consolidated market display if that portion may trade at a price other than the price displayed by that portion of the order included in the consolidated market display (…) 626 Foley/Putnins, 122 J. of Fin. Econ. 456, 462 (2016) (Verringerung von 8,5 % auf 5,3 %). 627 Beispiel: Das NBB ist $ 10,00 und das NBO ist $ 10,10. Die Minimum Tick Size ist $ 0,10. Will ein Käufer eine bessere Limit-Kauforder als das NBB abgeben, muss er $ 10,10 bieten. Umgekehrt muss ein Verkäufer eine Limit-Verkauforder zum Preis von $ 10,00 abgeben, um besser als das NBO zu sein. Beide Ordern würden sofort ausgeführt werden. Die Tick Size determiniert hier die Geld-Brief-Spanne. In diesem Fall braucht der Betreiber des Dark Pool die Kauforder nicht zu einem Preis von $ 10,00 (eine Tick Size niedriger/besser als das NBO) auszuführen. Die Verkauforder braucht er entsprechend nicht zu einem Preis von $ 10,10 (eine Tick Size höher/besser als das NBB) auszuführen. Vielmehr darf er Kauforder und Verkauforder zum Preis von $ 10,05 zusammenführen. Der Käufer braucht dadurch nicht die volle Tick-Size zu zahlen, spiegelbildlich erspart sich der Verkäufer eine Order zum Preis von $ 10,00. Beide gewinnen insofern $ 0,05. 628 So und im Folgenden: Foley/Putnins, 122 J. of Fin. Econ. 456, 462 (2016). 629 Ausführlich dazu oben: Kap. 1 C. IV. 2. b) bb). 630 Wie genau dies erfolgen kann, lassen die Autoren offen, vgl. Foley/Putnins, 122 J. of Fin. Econ. 456, 458, 479 (2016).
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5. Dark Pools als Trittbrettfahrer bei der Marktaufsicht Die Trittbrettfahrer-Problematik stellt sich nicht nur bei der Informationsversorgung, sondern auch bei der Aufsicht über den Markt.631 Weltweit stellten Börsen in der Vergangenheit nicht nur den zentralen Marktplatz für den Handel mit Finanzinstrumenten dar.632 Darüber hinaus haben sie die verschiedenen Marktakteure, vor allem Emittenten und Händler, überwacht. Sie bilden damit ein wichtiges Element der (Selbst-)Regulierung des Kapitalmarktes.633 Mit zunehmender Fragmentierung des Marktes können Börsen jedoch nicht mehr alle Händler gleich effektiv überwachen.634 Zugleich befinden sie sich in einem starken Konkurrenzkampf mit den außerbörslichen Handelssystemen, denen deutlich weniger regulatorische Pflichten auferlegt werden.635 Jene profitieren von der Handelsüberwachung durch die Börsen, investieren aber nicht in eigene Überwachungs- und Disziplinierungsmechanismen. Dadurch können sie mit geringeren Kosten als die Börsen arbeiten. Um ihrerseits nicht zu sehr an Liquidität einzubüßen, haben die Börsen einen starken Anreiz, möglichst viele Händler an sich zu binden und keine strenge Aufsicht (mehr) auszuüben.636 Die Nachteile einer laxen Aufsicht können sie in einem fragmentierten Markt teilweise auf andere Handelsplätze überwälzen, sodass die Börsen nicht für jedes Aufsichtsversagen zur Verantwortung gezogen werden. All diese Faktoren können der Marktqualität schaden. Dieser negative Effekt lässt sich auf zwei Wegen vermeiden: Entweder man zentralisiert den gesamten Handel wieder bei den Börsen. Oder man etabliert strenge Haftungsregeln für alle Handelsplätze, sodass die Nachteile einer laxen Aufsicht von allen Handelsplätzen (bzw. deren Betreibern) internalisiert werden.637 Da eine Rückkehr des Börsenmonopols seinerseits erhebliche ökonomische Nachteile birgt638 und politisch nicht gewollt ist, verbleibt als einzige Option die Einführung eines strengeren Haftungsregimes.639 Für ein solches Regime spricht insbesondere, dass dann, wenn Händler große Risiken eingehen, ein Aufsichtsversagen nahe liegt. Indem Handelsplätze für ihr Aufsichtsversagen haften, werden sie ex ante hinreichend dazu incentiviert, Händler auf mögliches Fehlverhalten zu kontrollieren.640 631
Allgemein zu außerbörslichen Handelssystemen: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 114 f. Ausführlich zur Geschichte: Fleckner/Hopt, 7 Va. L. Bus. Rev. 513, 523 ff. (2013). 633 Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 16 ff. 634 Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 46 ff.; Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 158. 635 So und im Folgenden: Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 37 ff. Vgl. auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 115. 636 So und im Folgenden: Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 45 ff. 637 Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 49 ff. 638 Vgl. die Diskussion bei Kumpan, Regulierung, 2006, S. 75 ff. 639 Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 51 ff. 640 Yadav, 102 Va. L. Rev. 1031, 1091 (2016); dies., Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 55. 632
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
Zudem bildet eine Haftung ein Gegengewicht zu dem Bestreben vieler Handelsplätze, die Nachteile einer defizitären Aufsicht auf andere Akteure abzuwälzen.641 Jeder Handelsplatz ist aufgrund seiner Nähe zum Handel und seinem Wissen um die einzelnen Marktteilnehmer am besten in der Lage, auf die vielfältigen Risiken des heutigen hochtechnologisierten Handels zu reagieren und Schäden abzuwenden.642 Demnach sollten außerbörsliche Handelssysteme in gleicher Weise wie Börsen zur Einhaltung kapitalmarktrechtlicher Vorschriften angehalten und zur Einführung entsprechender Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet werden.643 6. Informationsasymmetrien und Prinzipal-Agent-Konflikt Während des Orderroutings tritt regelmäßig ein Prinzipal-Agent-Konflikt auf zwischen dem Kunden und dessen Intermediär, der im Auftrag des Kunden eine Order zu einem Handelsplatz weiterleitet und dort im Idealfall ausführen lassen kann.644 a) Orderrouting im Interesse der Bank Dark Pools führen zu Prinzipal-Agent-Konflikten typischerweise in zwei Situationen: Die Bank leitet aus Gründen der eigenen Profitmaximierung eine Order immer zuerst in den eigenen Dark Pool und erst später an eine Börse oder einen alternativen Handelsplatz645 ; oder sie setzt sich über die klare Kundenanweisung hinweg, eine Order an einem spezifizierten Handelsplatz auszuführen.646 Es besteht dann die erhebliche Gefahr, dass dem Kunden ein gegenüber der Ausführung im Dark Pool günstigeres Geschäft entgeht, d. h. die Transaktionskosten des (uninformierten) Händlers steigen.647 Besonders brisant wird es, wenn der Agent Ordern des Kunden gegen die eigenen Bestände ausführt, sich also selbst zum Geschäftspartner seines Kunden aufschwingt oder jene gegen die Order eines besonders wichtigen und 641
Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 54 ff. Yadav, 102 Va. L. Rev. 1031, 1091 (2016) unter Verweis auf die Figur des „cheapest cost avoider“. 643 Ausführlich dazu: Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 53 ff. Ähnlich Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 160. 644 Vgl. dazu Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 134 ff. Speziell zu Dark Pools: Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 66 ff. 645 Vgl. FCA, UK equity market dark pools, TR 16/5, 2016, S. 27 Rn. 3.23; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 96. 646 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. S. 191, 249 f. (2015); Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al., Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 261. Siehe auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 95. 647 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. S. 191, 252, 254 (2015); Kumpan, Regulierung, 2006, S. 95 f., der darauf hinweist, dass der Interessenkonflikt auch durch die Referenzierung auf den Börsenpreis nicht vollständig entschärft wird. 642
C. Die Regulierung von Dark Pools
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bevorzugten Kunden ausführt.648 Da die Betreiber der Dark Pools kaum überwacht werden, sind diese Vorgänge für die Kunden nicht ersichtlich. Diese Informationsasymmetrie führt dazu, dass die höchste Priorität der Ausführung von Order in Dark Pools gilt, es sei denn der Kunde wünscht explizit eine schnelle Ausführung, welche sich nur an einer Börse realisieren lässt.649 b) Front Running des Betreibers Eine besonders gefährliche Spielart des Prinzipal-Agent-Konflikts ist das Front Running des Betreibers des Dark Pool.650 In diesem Fall nutzt der Betreiber sein Wissen um die eingegebene Order des Kunden in folgender Weise aus: Entweder imitiert er das Verhalten seines Kunden, weil er davon ausgeht, dass hinter der Order eine relevante Information steckt.651 Oder er gibt das erworbene Wissen an ausgewählte andere Nutzer weiter, sodass letztere in der Lage sind, entweder innerhalb des Dark Pools oder an anderen Handelsplätzen auf die neue Orderlage zu reagieren.652 Typischerweise geschieht dies bei sog. Indications of Interest (IOI):653 Ein (potentieller) Blockhändler gibt eine Nachricht in den Dark Pool ein, mittels derer er sich über das Interesse anderer Händler an seiner künftigen Order informieren möchte. Der Betreiber des Dark Pools gibt diese Information an seine eigenen Händler und/ oder andere, verbundene Dark Pools weiter, sodass ein ausgewählter Kreis an Händlern strategisch auf die künftige Order reagieren kann, etwa durch eine Erhöhung des Verkaufspreises bei einer (künftigen) Blockkauforder. Dadurch gehen dem Blockhändler die durch die Transparenzausnahme an sich garantierten Preisersparnisse verloren. Der Blockhändler erfährt von alldem nichts. Auch die Informationshändler sehen sich im Nachteil: Die in der großen Order liegende Information und Arbitragemöglichkeit bleibt ihnen verborgen. Dadurch können sie übervorteilt werden654 und Verluste einfahren, was sie zum Ausscheiden aus dem Markt bewegen kann. Diese negativen Effekte werden dadurch verstärkt, dass Banken in der Vergangenheit immer wieder Hochfrequenzhändlern privilegierten Zugang zu Informationen im Dark Pool gewährt haben.655 Die Bank verdient nicht nur an der Order648
Gomber/Pierron, Celent-Studie, S. 56; Harris, Trading and Exchanges, 2003, S. 521. Menkfeld/Yueshen/Zhu, 124 J. of Fin. Econ. 503, 507 (2017). 650 Konzise Darstellung bei Kasiske, WM 2014, 1933, 1938. 651 Angedeutet von Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 201. 652 Kasiske, BKR 2015, 454. 456 f. 653 So und im Folgenden: O’Malley, 17 Trinity C. L. Rev. 94, 107 (2014); vgl. auch Crudele, 9 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L., 569, 586 (2014/15). 654 Die besondere Schädlichkeit des Front Running betont auch Kumpan, Der Interessenkonflikt, 2014, S. 472. 655 Kasiske, BKR 2015, 454, 456 f., der von einem „kollusiven Zusammenwirken“ spricht; vgl. auch die Pressemitteilung der SEC zum Dark Pool von ITG, http://www.sec.gov/news/press release/2015-164.html (Abruf am 12. 04. 2018). 649
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
ausführung für den Kunden, sondern auch noch über weitere, den Interessen des Kunden entgegengesetzte Kanäle. Damit wird die Idee eines Dark Pool, Schutz vor Hochfrequenzhändlern zu bieten, ad absurdum geführt. Teilweise haben die Betreiber von Dark Pools sogar behauptet, ihre Systeme seien sicher vor Hochfrequenzhändlern, obwohl sie ihre Tore für diese zuvor geöffnet hatten.656 In Ermangelung hinreichender Informationen sind sich viele Marktteilnehmer dieser vielfältigen Risiken kaum bewusst.657 c) Potentiell effizienzsteigernde Wirkung des Konflikts Paradoxaler Weise kann genau dieser Prinzipal-Agent-Konflikt zu einer Effizienzsteigerung führen:658 In dem Maße, in dem uninformierte Händler vom Handel in einem Dark Pool Abstand nehmen, wandern sie zurück an die Börsen. Dort treffen sie auf die informierten Händler, für die sie willkommene Arbitragemöglichkeiten begründen. In der Folge werden die Informationshändler sich (noch) mehr in der Informationssuche engagieren, was die Informationseffizienz erhöht. Allerdings ist diese Prognose mit Vorsicht zu genießen. Denn erstens sind keine sicheren empirischen Grundlagen vorhanden. Zweitens kann man angesichts der schlechten Informationslage der uninformierten Händler nicht einfach unterstellen, dass sie sich der Verhaltensweisen der Banken bewusst sind und sich daher gegen die Nutzung eines Dark Pools entscheiden. Wer sich seiner Ausnutzung nicht bewusst ist, kann nichts dagegen unternehmen. Vor diesem Hintergrund sollte man eine Form von Marktversagen – den Prinzipal-Agent-Konflikt – nicht schlicht hinnehmen659 in der Hoffnung, dass es sich effizienzsteigernd auswirkt.660 d) Schlussfolgerung für die Regulierung: Offenlegungspflichten Dass die Informationslage der Nutzer von Dark Pools verbessert werden muss, um dem mit der Bank ausgetragenen Prinzipal-Agent-Konflikt entgegenzuwirken, ist nahezu allgemein anerkannt.661 Die Informationsasymmetrie lässt sich am ehesten 656 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 24 – 26; In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 352 (S.D.N.Y. 2015); SEC, In the Matter of Pipeline Trading Systems LLC, Fred J. Federspiel, and Alfred R. Berkeley III, File No. 3-14600, Rn. 26 ff.; SEC, In the Matter of ITG Inc. and Alternet Securities, Inc., File No. 3-16742, S. 6 Rn. 26 – 28; In re Inv. Tech. Grp., Inc. Sec. Litig., 251 F. Supp. 3d 596, 605 – 06 (S.D.N.Y. 2017). 657 Vgl. FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, S. 16 Rn. 2.19 f. 658 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 254 (2015). 659 Dafür votiert aber etwa Korsmo, 48 U. Rich. L. Rev. 523, 558 ff. (2014). 660 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 254 (2015). 661 IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 30; Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 254 (2015); Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 201; vgl. schon Kumpan, Regulierung, 2006, S. 98.
C. Die Regulierung von Dark Pools
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durch die Statuierung von Offenlegungsvorschriften beheben.662 Für die Kunden muss ersichtlich sein, auf welcher Grundlage ihre Bank die Aufträge an einen bestimmten Handelsplatz leitet oder sogar gegen ihre eigenen Bestände ausführt. Freilich muss sich der Regulierungsgesetzgeber zweier struktureller Schwächen bewusst sein:663 Falls die Banken falsche Angaben über die Auftragsausführung machen, müssen die Kunden und die Aufsicht in der Lage sein, diese Lüge zu entlarven. Zudem muss die Einhaltung der Vorgaben hinreichend stark überwacht werden. Solange die Kunden nicht zu einer privaten Rechtsdurchsetzung bereit sind, müssen staatliche Behörden die Überwachung übernehmen. 7. Zusammenfassung: Dark Pools können die Effizienz schädigen Im Querschnitt zeigt sich, dass vor allem drei Charakteristika von Dark Pools zu Effizienzverlusten führen können: (1) Die marktweite Verbreitung und Verarbeitung neuer Informationen leidet, weil Dark Pools eigene Handelsinformationen kaum oder gar nicht veröffentlichen, während sie gleichzeitig nur uninformierte Händler Zugang zu ihren Systemen gewähren. (2) Selbst wenn Informationshändler Zugang zum Dark Pool bekommen, kann ihnen die Preisreferenzierung, vor allem durch Crossing Networks, schaden und die fundamentale Effizienz reduzieren. (3) Der Prinzipal-Agent-Konflikt zwischen dem Betreiber des Dark Pool und dessen Nutzer kann die Ausführung von Aufträgen erheblich verteuern.
V. Zu tolerierende Marktineffizienzen Können Dark Pools auch zu einem Marktversagen führen, stellt dies nur die notwendige, nicht aber die hinreichende Bedingung für ein regulatives Einschreiten dar. Denn eine Regulierung verursacht ihrerseits Kosten: Aufsichtsbehörden sind zu schaffen und zu unterhalten.664 Zudem müssen die neuen regulatorischen Vorgaben durch die Marktteilnehmer umgesetzt und ihre Einhaltung gewährleistet werden.665 Überschreiten diese Kosten die Schmerzgrenze der Marktteilnehmer, werden diese 662 So lautet der Vorschlag von Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 274 (2015). Ebenso bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 98. 663 So und im Folgenden: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 275 (2015). 664 Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 74; Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 121. 665 Eidenmüller, Effizienz, 3. Aufl. 2005, S. 106 spricht von staatlichen Interventionskosten.
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
sich vom Markt zurückziehen, wodurch die Allokationsmöglichkeiten sinken.666 Unter Effizienzgesichtspunkten hat eine Regulierung dann zu unterbleiben, wenn die durch sie ausgelösten Kosten über dem erzielten Nutzen liegen.667 1. Ineffizienz und Staatsversagen Eine Regulierung erweist sich vor allem dann als ineffizient, wenn der Staat bei der Erfüllung seiner Rolle als Regulierer mehr Kosten als Nutzen schafft668 oder gar gänzlich versagt.669 Einige Fälle des Staatsversagens sind Spiegelbilder des oben dargestellten Marktversagens.670 Besonders deutlich wird dies bei Informationsasymmetrien: Diese können nicht nur im Verhältnis zweier Marktteilnehmer, sondern auch im Verhältnis zwischen Regulierungsinstanz und Regulierungssubjekt auftreten.671 Kennt die Regulierungsinstanz die Marktlage nur unzureichend, kann eine Regulierung in die vollkommen falsche Richtung stoßen und damit erhebliche Kosten verursachen.672 Weitere Ineffizienzen ergeben sich z. B. aus einer Verwirrung stiftenden Gemengelage unterschiedlichster Gesetzgebungsziele, mangelnder Motivation und Qualifikation der Staatsdiener und einer Beeinflussung der Regulierung durch (kleine) Lobbygruppen.673 Diese Negativposten sind vor jeder Regulierungsmaßnahme ins Auge zu fassen. 2. Bemessen der Vor- und Nachteile Die Krux an der Kosten-Nutzen-Rechnung einer Regulierung liegt darin, dass sich die Interventionskosten (wie auch Transaktionskosten) nicht genau beziffern lassen und damit ein empirischer Nachweis der Vor- und Nachteile wenn nicht unmöglich, so doch zumindest sehr schwierig ist.674 Dies bedeutet natürlich nicht, dass eine 666
Assmann, ZBB 1989, 49, 62. Eidenmüller, Effizienz, 3. Aufl. 2005, S. 107; Coase, 3 J. of L. and Econ. 1, 17 (1960); Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 121; Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 75. Vgl. ferner Walgenbach, HJWG 35, 1990, 257, 264 ff. 668 Dazu Zuffrey, Regulation, 1997, S. 69 Rn. 826. 669 Siehe Kumpan, Regulierung, 2006, S. 63 ff. Ausführlich zum Staatsversagen und dessen Formen: Molitor, HJWG 36, 1991, 55, 57 ff. 670 Stiglitz, 79 Am. Econ. Rev. 197, 201 f. (1989); eine Übersicht über alle „Government Failures“ findet sich bei White, in: Lo, The Industrial Organization and Regulation of the Securities Industry, 1996, S. 215 ff.; Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 100. 671 Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 100; Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 73. 672 Ausführlich dazu: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 63 ff. m.w.N. 673 White, in: Lo, The Industrial Organization and Regulation of the Securities Industry, 1996, S. 215 ff; Ähnliche Fälle finden sich bei: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 66 – 68. 674 Eidenmüller, Effizienz, 3. Aufl. 2005, S. 109; Köndgen, Effizienzorientierung, S. 121; ähnlich Fritsch, Wirtschaftspolitik und Marktversagen, 9. Aufl. 2014, S. 72. 667
C. Die Regulierung von Dark Pools
121
Regulierung erfolgen darf, wenn sich die Vor- und Nachteile nicht eindeutig prognostizieren lassen. Regulierungskosten, deren Eintritt als sicher dargestellt wird, sind jedoch mit Vorsicht zu genießen und können allenfalls als erste Orientierung dienen.675 Für die Regulierung von Dark Pools sind die Schwierigkeiten der Messbarkeit mit Händen zu greifen. Die ökonomische Forschung ist sich nicht vollkommen einig darüber, welche Auswirkungen Dark Pools auf die Verarbeitung neuer Informationen in öffentliche Preise haben.676 Die Nachteile einer Regulierung lassen sich ebenfalls kaum ermitteln, was alle Betroffenen vor erhebliche Herausforderungen stellt.677 Eindeutig ist immerhin, dass Gefahren, insbesondere in Form des PrinzipalAgent-Konflikts, bestehen.678 Die Umsetzung von Schutzmaßnahmen für die Anleger ist zwar für alle Betroffenen mit Kosten verbunden, aber angesichts der durch die Informationsasymmetrie verursachten Nachteile angebracht.
VI. Selbstregulierung versus Fremdregulierung Abschließend stellt sich die Frage, wem die Regulierungsaufgabe zuzuweisen ist: Den Marktteilnehmern selbst (Selbstregulierung)679 oder dem Staat (Fremdregulierung)?680 1. Vor- und Nachteile von Selbstregulierung Wie sinnvoll eine Selbstregulierung sein kann, ist bereits ausführlich diskutiert worden.681 Daher seien an dieser Stelle nur die wichtigsten pro- und contra-Argumente genannt: Die Vorteile einer (privatrechtlichen) Selbstregulierung liegen insbesondere in ihrer (Anpassungs-)Flexibilität682, der großen Kompetenz des Regu-
675
In diesem Sinne Kumpan, Regulierung, 2006, S. 69. Siehe oben Kap. 1 C. IV. 2. b). 677 Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 71 (2015). 678 Siehe oben Kap. 1 C. IV. 6. 679 Selbstregulierung wird hier im Sinne eines Gegensatzes zur staatlichen Rechtssetzung verstanden, vgl. Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 24. 680 Vgl. zu dieser Frage bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 69 ff. Allgemein: Ogus, ReThinking Self-Regulation, in: Baldwin/Scott/Hood, Regulation, 1998, S. 374 ff. 681 Vgl. etwa: Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 217 ff.; Bachmann, Private Ordnung, 2006, passim; Schmidhuber, Verhaltenskodizes, 2004, S. 128; Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 76 ff.; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 69 f. m.w.N. 682 Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 220 ff. Schmidhuber, Verhaltenskodizes, 2004, S. 134; Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 76, alle m.w.N. 676
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
lierenden683, einem hohen Grad an Akzeptanz der Regulierungsunterworfenen684 und einer Entlastung sowie Kostenersparnis für den Staat685. Dem stehen insbesondere die folgenden Nachteile gegenüber: Wer sich selbst überwacht, ist geneigt, seine eigenen Interessen und nicht die Interessen Dritter und der Allgemeinheit zu verfolgen.686 Zudem lassen sich die i. d. R. privatrechtlich verfassten Selbstregulierungsregime nicht gleichermaßen effektiv wie staatliche Regime durchsetzen.687 Damit einher geht oftmals eine Schwächung der verfahrensrechtlichen Position der Regulierungsunterworfenen.688 2. Konsequenzen für die Gesetzgebung So intuitiv plausibel die vorgebrachten Argumente für und gegen eine Selbstregulierung erscheinen, so wenig lassen sie sich aufgrund fehlender empirischer Nachweise verifizieren.689 Für den staatlichen Gesetzgeber wirft dies die schwierige (Prognose-)Frage auf, wann er selbst regulierend tätig werden soll und wann er die Rechtssetzung an Private delegieren darf. Dies lässt sich abstrakt, d. h. ohne eine genaue Betrachtung des zu regulierenden Bereichs nicht beurteilen.690 Nach einer oftmals verwendeten Formel soll der Staat selbst regulieren, wenn durch eine private Regulierung „die Interessen der Allgemeinheit nicht ausreichend berücksichtigt werden und/oder eine zwangsweise Durchsetzung der aufgestellten Bestimmungen erforderlich ist, um ihre Befolgung sicherzustellen.“691 Für den Gesetzgeber bietet diese Formel ein sehr grobes Sieb, denn wann Interessen der Allgemeinheit nicht ausreichend berücksichtigt werden, muss er immer noch selbst bestimmen.
683 Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 100; Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 429; Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 222 f.; Schmidhuber, Verhaltenskodizes, 2004, S. 134; Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 77. 684 Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 223 f.; Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 78. 685 Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 224 f.; Schmidhuber, Verhaltenskodizes, 2004, S. 134; Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 79; alle m.w.N. 686 Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 231 ff.; Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 98 f.; Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 80 f. 687 Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 229 ff.; Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 81. 688 Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 236; Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 82 f. 689 Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 239. 690 Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 83; Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 233. 691 Buck-Heeb/Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010, S. 240; nahezu wortgleich: Damrau, Selbstregulierung, 2003, S. 83. Enger dagegen Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 101, welche den schwer zu erbringenden Nachweis von positiven Effekten der staatlichen Regulierung fordert.
C. Die Regulierung von Dark Pools
123
Im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts ist jedenfalls zu beachten, dass Interessenkonflikte omnipräsent und kaum detektierbar sind. Dementsprechend besteht eine große Gefahr, dass Banken eigene Interessen oder die Interessen ausgewählter Kunden, aber eben nicht aller Kunden verfolgen.692 Es kommt also zu einem sehr ungünstigen Aufeinandertreffen von Prinzipal-Agent-Konflikt und Informationsasymmetrie. Bisherige Versuche, dem durch die Errichtung sog chinese walls Einhalt zu gebieten, haben sich als untauglich erwiesen.693 Funktioniert aber eine interne Lösung einer Bank nicht, ist es illusorisch anzunehmen, dass Banken im Kollektiv sich anders verhalten würden, durch eine Selbstregulierung sich mithin alle Interessenkonflikte und Informationsasymmetrien erübrigen würden.694 Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich diese Fälle des Marktversagens in einer privaten Regulierung fortsetzen würden. Dies gilt insbesondere für Verhaltensweisen wie Front Running695.696 Zugleich besteht die Gefahr, dass Dark Pools sich als Teilmärkte einer Regulierung durch die Börsen entziehen.697 Vermeiden kann dies nur eine staatliche Aufsicht, welche hinreichende institutionelle Schranken für die Marktakteure errichtet.698 Aus diesen Gründen müssen Dark Pools einer staatlichen Fremdregulierung unterliegen.
VII. Der zentrale Zielkonflikt von Dark Pools und sein Wandel Im Grundsatz sind Transparenz, Informationseffizienz und Liquidität positiv korreliert: Eine hohe Liquidität zieht zusätzliche Informationshändler an und je transparenter der Markt ist, desto kostengünstiger kann gehandelt werden, sodass die Liquidität steigt.699 Im Blockhandel gilt dieser Grundsatz nicht: Werden alle Aufträge und abgeschlossenen Transaktionen sofort veröffentlicht, können die Informationshändler diese handelsbezogenen Informationen sofort verarbeiten und da692 Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 137 f. 693 Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 138. 694 Skeptisch auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 71. 695 Zum Front Running des Dark Pool-Betreibers siehe oben Kap. 1 C. IV. 6. b). 696 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 71 Fn. 363; Kress, Kapitalmarktregulierung, 1996, S. 99. 697 Dazu bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 71 m.w.N. Siehe auch Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 41 ff. 698 Eine rein vertragliche Lösung ist zum Scheitern verurteilt, weil bei einer mehrstufigen Intermediation nicht alle Intermediäre in einer vertraglichen Beziehung zum Kunden stehen, vgl. Köndgen, Effizienzorientierung, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 137 f. 699 Vgl. oben Kap. 1 C. I. 1. c).
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Kap. 1: Ursprung, Arten und Regulierungsbedarf von Dark Pools
durch Marktbeeinflussungskosten für Blockhändler verursachen.700 Zugleich können Hochfrequenzhandler in Sekundenschnelle ihre Order ändern und dadurch die Ausführung einer großen Order verteuern.701 Infolgedessen werden Blockhändler von der Abgabe der Order absehen und Marktmacher ihre Geld-Brief-Spannen weiten, sodass die Liquidität sinkt. Wird zum Schutz der Blockhändler eine Transparenzausnahme gewährt, können die Informationshändler die Information über die Blockorder dagegen nicht wahrnehmen und verarbeiten, sodass die Informationseffizienz und die fundamentale Effizienz sinken.702 Im Blockhandel sind Liquidität, Transparenz und Informationseffizienz folglich negativ korreliert.703 Dieser Zielkonflikt lässt sich nicht vollständig auflösen.704 Da sich der Kapitalmarkt aus sehr heterogenen Teilnehmern zusammensetzt705, verbietet es sich, Transparenz oder Liquidität als ultimatives Ziel zu deklarieren und dadurch alle Marktteilnehmer über einen Kamm zu scheren. Vielmehr muss jede Regulierung die Ausdifferenzierung des Markts als Reaktion auf die unterschiedlichen Präferenzen seiner Teilnehmer berücksichtigen.706 Wenn Dark Pools den Zielkonflikt zugunsten der Liquidität lösen, indem sie bestimmte Händler davor schützen, dass ihre Order sofort am Markt bekannt gegeben wird, ist dies aus rechtsökonomischer Sicht nicht verwerflich. Hinzu kommt, dass die ausgeführte Transaktion dem Markt immerhin verzögert bekannt gegeben wird. Dadurch können die Informationshändler die in der großen Order liegende neue Information letztlich in den Preis einarbeiten.707 Die verringerte Informationseffizienz erscheint insoweit verkraftbar. Allerdings dienen Dark Pools heute nicht mehr nur Blockhändlern als Zuflucht, sondern vereinen mittlerweile einen beträchtlichen Anteil am gewöhnlichen Handel auf sich. Dadurch tritt das legitime Ziel, die Liquidität durch Transparenzausnahmen für große Ordern zu erhöhen, gänzlich in den Hintergrund.708 Solange keine große Order ausgeführt werden soll, geraten Liquidität und Transparenz jedoch in keinen negativen Zielkonflikt. Vielmehr gilt dann wieder, dass Liquidität und Transparenz positiv korreliert sind, ein hohes Maß an Transparenz also wünschenswert ist.709 700 So und im Folgenden: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 206 ff.; Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 23 ff. Vgl. ferner Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 241. 701 Vgl. oben Kap. 1 A. III. 5. 702 Vgl. oben Kap. 1 A. V. 1. und Kap. 1 C. I. 1. c). 703 Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, Teilband 1, 1995, S. 157. 704 Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, Teilband 1, 1995, S. 157; Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 241. 705 Vgl. Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, Teilband 1, 1995, S. 158 ff. 706 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 78 f. m.w.N. Ähnlich Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 241 ff. 707 Comerton-Forde/Putnins, 118 J. of Fin. Econ. 70, 84 ff. (2015). 708 Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 37. 709 Ausführlich zu den Wechselwirkungen: Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt, Börsenreform, 1996, S. 206 ff.; Picot/Bortenlänger/Röhrl, Börsen im Wandel, 1996, S. 23 ff.
D. Zusammenfassung und Ausblick
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Insbesondere die Referenzierungsmechanismen und Zugangsbeschränkungen der Crossing Networks erschweren den Informationshändlern die Informationsverarbeitung aber erheblich. Jede Regulierung muss daher darauf zielen, die goldene Mitte zu treffen: Der Blockhandel sollte weiterhin von Transparenzausnahmen profitieren dürfen, kleine Ordern sollten dagegen offengelegt und allen Händlern zugänglich gemacht werden.710 Interessenkonflikte der Dark Pool-Betreiber sind möglichst weitgehend auszuschalten. Die Herausforderung liegt darin, diese abstrakten Vorgaben mit dem notwendigen Augenmaß in konkrete Gesetzesvorschriften zu übersetzen.711
D. Zusammenfassung und Ausblick Dark Pools sind Handelssysteme für Finanzinstrumente, welche orderbezogene Informationen nicht oder nur stark verzögert bekannt geben. Während sie in der Vergangenheit ausschließlich zur Abwicklung großer Ordern genutzt wurden, werden heute auch viele kleine Ordern dort ausgeführt.712 Ihr massives Wachstum kann diverse Formen von Marktversagen hervorrufen und die Informationseffizienz des Marktes verringern. Vor allem Crossing Networks stehen im regulatorischen Fokus. Jedes gesetzgeberische Eingreifen muss die schwierige Balance finden zwischen der Privilegierung des Blockhandels zwecks hoher Liquidität einerseits und dem Schutz der Informationshändler im gewöhnlichen Handel andererseits. Der europäische Gesetzgeber reagiert auf das Wachstum der Dark Pools mit einem ganzen Strauß neuer Regularien, welche sich auf drei Gesetze und eine Vielzahl Delegierter Verordnungen verteilen. Auf der ersten Stufe stehen die verschiedenen Handelsplatzkategorien der MiFID II; besondere Bedeutung kommt der neuen Kategorie der Organisierten Handelseinrichtung zu (vgl. Kapitel 2). Auf der zweiten Stufe legt die MiFIR für alle Handelsplätze identische Transparenzregeln fest (vgl. Kapitel 3). Schließlich werden auf der dritten Stufe durch die MAR die bisherigen Marktmissbrauchstatbestände erheblich erweitert (vgl. Kapitel 4).
710 711 712
So etwa Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 48, 53. Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 207 f. Vgl. Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 61 f.
Kapitel 2
Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II Dark Pools haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt: Dienten sie einst nur der Abwicklung von Blocktransaktionen, vereinen sie mittlerweile einen beträchtlichen Anteil des gewöhnlichen Handels auf sich und nähern sich funktional betrachtet den etablierten Handelsplätzen sowie dem Systematischen Internalisier (SI) an.1 Die Einordnung als Handelsplatz ist deswegen so wichtig (und für den Systembetreiber verhängnisvoll), weil daran die verschärften Transparenzvorschriften der Art. 3 ff. MiFIR anknüpfen. Wird eine Handelsplattform als SI qualifiziert, unterliegt sie dem – im Vergleich milderen – Transparenzregime der Art. 14 ff. MiFIR. Verbleibt eine Handelsplattform dagegen weiterhin im OTC-Handel, herrschen bzgl. Transparenz und Verhaltenspflichten nur Minimalstandards.2 Will der Gesetzgeber Dark Pools stärker regulieren, muss er sie daher aus dem OTC-Handel herauslösen und einer – stärker überwachten – Handelskategorie zuweisen. Unter MiFID I ist dies nicht gelungen3, MiFID II läutet dagegen einen echten Wandel hin zu einer Regulierung von Dark Pools als SI oder als Handelsplatz ein. Dies gilt insbesondere für Crossing Networks (siehe A.). Zudem hat der europäische Gesetzgeber mit der Organisierten Handelseinrichtung (OTF) eine neue Handelsplatzkategorie geschaffen, um zu verhindern, dass sich viele Dark Pools weiterhin der Regulierung als Handelsplatz entziehen (siehe B.).
A. Dark Pools im alten und neuen System der Handelsorte Der europäischen Regulierung von Handelsplattformen liegt seit der MiFID I eine spezifische Systematik zugrunde (I.), in welche sich Dark Pools nicht recht einfügen wollten (II.). Die MiFID II behebt diese Schwierigkeiten zumindest teilweise (III.). 1 Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 54. Zur Entwicklung der Dark Pools oben Kap. 1 B. I., II. 2 Ausführlich zu den Transparenzpflichten: Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 480 – 493. Im OTC-Bereich entfallen die meisten Verhaltenspflichten, wenn mit einer geeigneten Gegenpartei gehandelt wird, Art. 30 MiFID II, vgl. Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 353, 479. Ausführlich zu den Transparenzpflichten unten Kap. 3 D. 3 Güllner, WM 2017, 938, 939 f.
A. Dark Pools im alten und neuen System der Handelsorte
127
I. Öffentlicher und privater Handel mit Finanzinstrumenten Idealtypisch wird unterschieden zwischen dem Idealtyp des öffentlichen und dem Idealtyp des privaten Handels. Während die durch MiFID I geschaffenen Handelsplätze des Regulierten Marktes (Regulated Market, kurz RM) und der Multilateralen Handelseinrichtung (Multilateral Trading Facility, kurz MTF) zum öffentlichen Handel zählen, werden der OTC-Handel und der Handel eines Systematischen Internalisierers (SI) zum privaten Handel gerechnet.4 Die Abgrenzung zwischen den beiden Handelsidealtypen erfolgt anhand von vier Gegensatzpaaren: (1) Multilateral – bilateral, (2) formal – informal, (3) indiskreationär – diskreationär, (4) hell – dunkel.5
1. Die vier Abgrenzungsmerkmale im Einzelnen Multilateraler Handel bedeutet, dass eine Zusammenführung von Ordern einer Vielzahl von Personen durch den Handelsplatz angeboten wird, wobei die Nutzer den Preis selbst auf der Handelsplattform „entdecken können“.6 Im bilateralen Handel sind Systembetreiber und Vertragspartner dagegen identisch, der Systembetreiber handelt selbst unter Einsatz seines Eigenkapitals.7 Formal bedeutet, dass der Zugang zum Handel anhand von festen Kriterien gewährt wird; dagegen hat der Betreiber eines informalen Systems einen größeren Spielraum bei der Aufnahme neuer Marktteilnehmer.8 Findet die Ausführung der Ordern nach festen Regeln statt, spricht man vom nicht-diskretionären Handel.9 Verfügt ein Akteur dagegen über eine gewisse Entscheidungsfreiheit bzgl. der Orderausführung, handelt es sich um diskretionären Handel. Letzterer findet typischerweise in bilateralen Systemen statt. Setzt etwa im OTC-Handel ein Marktteilnehmer einen Agenten (Broker) ein, um eine passende 4
Vgl. Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 32 ff. So und im Folgenden: Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 71 (2013); Ferrarini/ Saguato, 13 J. Corp. L. Stud. 319, 322 f. (2013); dies., in: Moloney/Ferran/Payne, Oxford Handbook of Financial Regulation, 2015, S. 572; Ferrarini/Moloney, 13 EBOR 557, 565 f. (2012); Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 427 f.; Gomber/Nassauer, ZBB 2014, 250, 251. 6 So und im Folgenden: Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 71 f. (2013); Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2015, S. 427. 7 Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1782; Güllner, WM 2017, 938, 941. 8 Ferrarini/Saguato, in: Moloney/Ferran/Payne, Oxford Handbook of Financial Regulation, 2015, S. 572; Ferrarini/Moloney, 13 EBOR 557, 565 f. (2012). 9 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 233 f., 273. 5
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
Gegenpartei zu finden, trifft der Agent eine Auswahl an Kandidaten und schaltet sich ggf. in die (Preis-)Verhandlungen ein.10 Hell bedeutet, dass ein hohes Maß an Transparenz herrscht, d. h. die Handelsinteressen und ausgeführten Ordern öffentlich bekannt gegeben werden; in einem dunklen Handelssystem herrscht dagegen kaum oder keine (Vorhandels-)Transparenz.11 Im US-Kapitalmarktrecht enthält Sec. 3(a)(1) SEA12 eine allgemeine Definition des Begriffs Börse. Diese Definition konkretisiert SEC Rule 3b-1613. Zusammengenommen verwendet das US-Recht sehr ähnliche Kriterien wie das europäische Kapitalmarktrecht, um den öffentlichen Handel an Handelsplätzen vom privaten Handel abzugrenzen. Nur dem Grad an Transparenz räumt es keine eigenständige Bedeutung ein. Dies mag daran liegen, dass eine Handelsplattform auch dann als ATS reguliert wird, wenn sie gänzlich intransparent ist, vgl. Rule 301(b)(3)(i) Reg. ATS. 2. Fließende Grenzen zwischen den Handelsformen Die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Handel lassen sich nicht trennscharf ziehen, sondern sind aufgrund der typologischen Betrachtungsweise fließend.14 Wird etwa innerhalb eines MTF oder RM eine Transparenzausnahme gewährt, handelt es sich um einen semi-öffentlichen Markt.15 Ob der Handel eines Finanzinstruments vornehmlich bilateral oder multilateral (über die Handelsplätze) stattfindet, hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Je liquider der Handel mit 10 So und im Folgenden: Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 71 ff. (2013); Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2015, S. 428. 11 Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2015, S. 427. 12 Vgl. 15 U.S.C. 78c(a)(1) „The term „exchange“ means any organization, association, or group of persons, whether incorporated or unincorporated, which constitutes, maintains, or provides a market place or facilities for bringing together purchasers and sellers of securities or for otherwise performing with respect to securities the functions commonly performed by a stock exchange as that term is generally understood, and includes the market place and the market facilities maintained by such exchange.“ 13 Vgl. 17 CFR § 240.3b-16(a): „An organization, association, or group of persons shall be considered to constitute, maintain, or provide „a market place or facilities for bringing together purchasers and sellers of securities or for otherwise performing with respect to securities the functions commonly performed by a stock exchange,“ as those terms are used in section 3(a)(1) of the Act, ( 15 U.S.C. 78c(a)(1)), if such organization, association, or group of persons: (1) Brings together the orders for securities of multiple buyers and sellers; and (2) Uses established, non-discretionary methods (whether by providing a trading facility or by setting rules) under which such orders interact with each other, and the buyers and sellers entering such orders agree to the terms of a trade.“ 14 Dies gilt vorallem für das Gegensatzpaar bilateral – multilateral, vgl. Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 12. 15 Ferrarini/Saguato, in: Moloney/Ferran/Payne, The Oxford Handbook of Financial Regulation, 2015, S. 572.
A. Dark Pools im alten und neuen System der Handelsorte
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einem Finanzinstrument wird, desto mehr wandelt sich ein Handelssystem von einem bilateralen zu einem multilateralen System mit einer mehr neutralen Infrastruktur, welche die häufige Zusammenführung erleichtert; sinkt dagegen die Liquidität, steigt der bilaterale Handel.16 Zudem findet umso weniger multilateraler Handel statt, je komplexer und individueller ein Produkt ausgestaltet ist.17
II. Dark Pools als Amalgam verschiedener Handelstypen Dark Pools lassen sich nicht leicht in diesem System verorten.18 Zum einen gleicht kein Dark Pool dem anderen, sodass sich nur gewisse Gemeinsamkeiten ausmachen lassen.19 Zum anderen zeichnet sich die Untergruppe der Broker-Dealer Crossing Networks ihrerseits durch eine eigenartige Mischung verschiedener Handelsweisen aus.20 Der Betreiber des Netzwerks spaltet oftmals die von einem Kunden eingehende Order, die sog. Parent Order, in mehrere kleinere Ordern, sog. Child Orders, auf. Einen Teil der kleinen Aufträge führt der Betreiber mit den Aufträgen anderer Kunden zusammen (Crossing). Dies legt einen multilateralen Handel nahe. Den anderen Teil der Child Orders führt der Betreiber in seiner Funktion als Eigenhändler (Dealer) gegen seine eigenen Bestände aus. Geschieht dies häufiger, was bei den meisten dieser Broker-Dealer-Crossing-Networks der Fall ist21, lassen sich kaum Unterschiede zum Systematischen Internalisierer ausmachen. Der hybride Charakter dieser Form von Dark Pools ermöglichte bisher eine, im Kapitalmarktrecht häufig zu beobachtende, Ausweichreaktion: Die gesetzlichen Vorgaben werden in einer solchen Art und Weise ausgelegt, dass das in Rede stehende Verhalten nicht eindeutig erfasst und eine Regulierung vermieden wird.22 Im Fall der Dark Pools diente vor allem die lediglich in Erwägungsgrund Nr. 49 MiFID I zu findende Definition des OTC-Handels als Aufhänger. Die Branche behauptete, nur großvolumige Aufträge ad-hoc und ohne feste Regeln auszuführen, sodass weder die Voraussetzungen eines MTF noch die eines SI erfüllt seien.23 Tatsächlich hat sich 16 So und im Folgenden: Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 72 – 75 (2013); Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 427 f. 17 Siehe die gute Übersicht bei Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 72 (2013). 18 FESE, Stellungnahme MiFID II Proposal, 2012, S. 22; Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 422 f. 19 Ausführlich dazu Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 64 ff. 20 So und im Folgenden: Easthope/Ray, Dark Pools Celent-Studie 2013, S. 16; Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 427. 21 Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 28, 37, 54 ff.; Ferrarini/Moloney, 13 EBOR 557, 577 f. (2012). 22 Vgl. zu dieser Problematik: Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1, 7 ff. 23 Vgl. dazu die Nachweise bei Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 47 f.; Ferrarini/Moloney, 13 EBOR 557, 577 f. (2012); Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 447.
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
jedoch das Volumen des durchschnittlichen in einem Dark Pool ausgeführten Auftrages in den vergangenen Jahren drastisch reduziert; heute liegt es auf einer Höhe mit dem Börsenhandel.24 Zudem weisen zumindest einige Systeme einen solch hohen Grad an Institutionalisierung auf, dass vom klassischen Telefonhandel nicht mehr viel übrig bleibt.25 Dennoch konnten sich Dark Pools unter MiFID I im OTCHandel halten.
III. Veränderung der Handelslandschaft durch MiFID II Die MiFID II schiebt der bisherigen Praxis einen Riegel vor. Dark Pools müssen sich entweder der Regulierung als Handelsplatz oder jener als Systematischer Internalisierer unterwerfen. 1. Kein Verbleib von Dark Pools im OTC-Handel Gegen eine weitere Privilegierung von Dark Pools als OTC-Handelsplattformen sprechen nicht nur diverse ökonomische Gründe26, sondern auch systematische Argumente: Ein Handelssystem, welches Elemente aufweist, die einer bestimmten Handelskategorie zugeordnet werden, wird reguliert, weil und sofern sich innerhalb dieser Kategorie bestimmte Risiken stellen (insbesondere Ausfall der Gegenpartei und Interessenkonflikte). Vereint nun ein Handelssystem Elemente verschiedener Handelskategorien, vergrößert sich die Zahl der Risiken, auf die es zu reagieren gilt. Demzufolge müssen hybride Systeme erst recht reguliert werden, etwa indem man das entsprechende Handelssystem anhand der klassischen Kategorien zerlegt und die einzelnen Teile den entsprechenden Regeln unterwirft.27 Ein Absenken der Regulierungsdichte durch einen Verbleib der Systeme im OTC-Handel lässt sich daher nicht rechtfertigen. Zudem hat sich der Vorschlag von CESR, Schwellenwerte einzuführen, ab deren Überschreiten sich ein OTC-System in ein MTF umwandeln muss, nicht durchgesetzt.28 Dieser Schritt ist durchaus zu begrüßen, laden doch feste Grenzen die Branche zu Umgehungsversuchen ein. Ein besonders beliebter Versuch besteht darin, Sub-Crossing Networks zu bilden, welche unregelmäßig lediglich einen verkleinerten Teil der Gesamtorder, teilweise gegen die eigenen Bestände des Betrei-
24
Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 28, 37. Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 48. 26 Vgl. dazu oben: Kap. 1 C. IV. 7. 27 So der Vorschlag von FESE, Stellungnahme MiFID II Proposal, 2012, S. 22. 28 CESR, Technical Advice, CESR/10-802, S. 36 f. Für die Abgrenzung von OTC-Handel und SI siehe Art. 12 ff. der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565. 25
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bers, ausführen.29 Isoliert betrachtet würde jedes dieser Sub-Crossing Networks dem OTC-Handel unterfallen und sich damit der Regulierung entziehen, obwohl im Ergebnis eine Zusammenführung von Kundenaufträgen wie bei einem multilateralen System oder ein Eigenhandel wie bei einem SI30 vorgenommen wird. Dadurch würde die von der MiFID II bezweckte Herstellung von Effizienz im Handel mit kapitalmarktrelevanten, sprich standardisierten Produkten unterminiert.31 Indem der Gesetzgeber auf die Einführung von Schwellenwerten verzichtet und gleichzeitig den Wunsch äußert, den gesamten organisierten Handel an die Handelsplätze zu verlagern, stellt er klar, dass Crossing Networks grds. nicht (mehr) dem OTC-Handel zuzuordnen sind.32 Zudem hätte die Einführung von Schwellenwerten für die Systembetreiber erhebliche Compliance-Kosten verursacht: Sie hätten umfangreiche Investitionen in ihre Systeme tätigen müssen, um ein Überschreiten der Schwellenwerte zu vermeiden und den Nachweis darüber führen zu können.33 Demgegenüber ist es effizienter, die Vorgaben der MiFID II zum Handel von Anfang an umzusetzen und einzuhalten. 2. Regulierung als Systematischer Internalisierer Laut Erwägungsgrund Nr. 6 S. 3 MiFIR sollen Broker Crossing Networks entweder als Handelsplatz oder als SI reguliert werden.34 Der europäische Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, dass er sowohl das Zusammenführen fremder Ordern durch den Bereiber als auch dessen Eigenhandel in einem Crossing Network regulieren will.35 Eine Einordnung als SI birgt für den Systembetreiber den Vorteil, dass er weiterhin selbst in seinem System handeln darf.36 Viele Crossing Networks werden sich daher wahrscheinlich in einen SI umwandeln. Dabei stellen sich schwierige Abgrenzungsfragen zwischen dem privaten und öffentlichen Handel.
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S. 56.
So und im Folgenden: Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010,
30 Ausführlich zur Abgrenzung von Systematischer Internalisierung und OTC-Handel unter MiFID II: Hoops, WM 2017, 319, 320 ff. 31 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 15 der MiFID II; Erwägungsgründe Nrn. 6, 8 der MiFIR. 32 Ebenso FCA, UK equity market dark pools, TR16/5, 2016, S. 48 f. Rn. 29. 33 So und im Folgenden: Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 56. 34 „Any trading system in financial instruments, such as entities currently known as broker crossing networks, should in the future be properly regulated and be authorised under one of the types of multilateral trading venues or as a systematic internaliser (…)“. 35 Erfasst werden also auch die Broker Dealer Crossing Networks. 36 Internalisierung bedeutet, dass eine Bank Kundenaufträge gegen die eigenen Bestände ausführt, d. h. den Kundenauftrag nicht an einen Marktplatz weiterleitet, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 285 f.; Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 16.
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
a) Geeignetheit des SI-Regimes Viele Literaturstimmen37 sehen die SI-Kategorie als die passende Kategorie für Broker-Dealer Crossing Networks an. Sie argumentieren, dass der SI nach der Konzeption der MiFID I immer als Gegenseite eines Geschäfts mit seinen Kunden agiere; er könne Finanzinstrumente sowohl kaufen als auch verkaufen.38 An dieser Struktur solle im Grundsatz festgehalten werden, sie solle lediglich erweitert werden. Der SI bleibe danach die zentrale Institution, betreibe aber sowohl auf der Kauf- als auch auf der Verkaufsseite ein Crossing Network.39 In diese Networks gäben die Käufer bzw. die Verkäufer von Finanzinstrumenten ihre Ordern ein. Die Aufträge würden anschließend gebündelt werden, sodass der SI die momentane Angebots- und Nachfragelage innerhalb des Systems überblicken könne. Ihm sei es dadurch möglich, genau die Menge an Finanzinstrumenten von der einen Marktseite zu kaufen, die er gleich wieder an die andere Marktseite verkaufen könne. Infolgedessen nehme der Systembetreiber in jedem Geschäft die Rolle der Gegenpartei ein und könne eigene Liquidität in das System speisen.40 Zudem stehe dem SI ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit zu: Nach den Leitlinien des CESR41 dürfe und müsse der SI im Rahmen seiner Pflicht zu bestmöglichen Ausführung prüfen, ob die Zusammenführung eigener Ordern mit denen seiner Kunden für letztere günstig ausfällt.42 Sei dies nicht der Fall, müsse der SI die Zusammenführung unterlassen bzw. damit abwarten. Ferner sei der Betreiber als Agent (Broker) eines einzelnen Marktteilnehmers tätig und in die Verhandlungen mit der Gegenseite involviert.43 Der Betreiber schalte sich nicht erst ein, nachdem eine Orderzusammenführung stattgefunden hat, sondern sei bereits in die Auswahl geeigneter Gegenorder involviert. Die Handelsteilnehmer können die Art und Weise der Orderausführung durch das Ausfüllen eines elektronischen Formulars oder eine (telefonische) Anweisung an den Betreiber festle37 So und im Folgenden: Easthope/Ray, Dark Pools Celent-Studie 2013, S. 16; Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 77 ff. (2013); Ferrarini/Moloney, 13 EBOR 557, 588 f., 593 f. (2012); zumindest kritisch gegenüber der OTF-Kategorie sind Ferrarini/Saguato, 13 J. Corp. L. Stud. 319, 351 ff. (2013). 38 Vgl. zur alten Rechtslage: Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 2 WpHG Rn. 128. 39 Vgl. Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 2013, 69, 77 ff.; Easthope/Ray, Dark Pools Celent Studie 2013, S. 16. 40 Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 78 (2013). 41 Vgl. CESR, Consultation Paper, CESR/10-394, S. 14 Rn. 55: „(…) a firm should always use discretion when deciding whether or not to execute a clientorder against its own account as the firm has to meet best execution obligations; (…) the non-discretionary element of a SI is a relevant component of the definition to avoid including ad hoc transactions that would not be systematic.“ 42 CESR, Consultation Paper, CESR/10-394, S. 14 Rn. 55. 43 So und im Folgenden: Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 73 – 75 (2013). Vgl. zudem die Stellungnahme der SEC zum bilateralen Charakter des Crossing eines einzelnen Brokers in SEC, Exchanges and ATS-N, Release No. 34-39884; File No. S7-12-98, S. 21.
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gen.44 Eine solche Flexibilität entspräche genau den Vorstellungen der Marktteilnehmer vom Handel in Crossing Networks und auf Derivate-Plattformen und sei mit dem Erfordernis nicht-diskretionärer Regeln eines MTF nicht vereinbar.45 b) Das Auswahlermessen des Betreibers Der SI-Ansatz vermag die aus dem hybriden Charakter der Broker-Dealer Crossing Networks erwachsenden Spannungen jedoch nicht gänzlich aufzulösen. So ist die Vorstellung irreführend, dass ein Broker immer nur einen einzelnen Kunden betreut. Oftmals werden sich mehrere Kunden parallel an den Betreiber des Crossing Networks wenden. Anders als im klassischen Brokergeschäft handeln die Handelsteilnehmer nicht über verschiedene Intermediäre, sondern alle handeln über einen einzigen. Sie nutzen den Betreiber als zentrale Annahme- und Exekutionsstelle für die Verfolgung hunderter von Handelsstrategien.46 Dadurch rückt der Betreiber in eine Vermittlungsstellung für die Zusammenführung von diversen Handelsinteressen ein, die für ein multilaterales System typisch ist.47 Nur in illiquiden Märkten und solchen, die sich durch eine geringe Produktstandardisierung auszeichnen, ist das Einschalten eines Brokers erforderlich, um überhaupt eine Transaktion abschließen zu können. Dann ist der Systembetreiber in der Tat als Agent für einzelne Kunden tätig. Dementsprechend kann man vor allem im Derivatehandel eine bilaterale Struktur entsprechender Broker-Plattformen bejahen.48 Im stärker organisierten Aktienhandel überzeugt das Arguent des Auswahlermessens hingegen nicht. c) Multilaterale Elemente von Crossing Networks Außerdem ergeben sich Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von multilateralem und bilateralem Handel. Wird jeweils ein Crossing Network auf Kauf- und auf Verkaufsseite betrieben, handelt der Systembetreiber zwar immer als zentrale Gegenpartei und auf eigene Rechnung. Allerdings ist es ihm möglich, Ordern verschiedener Kunden in das Kauf- und das Verkaufs-Crossing Network aufzunehmen.49 Auf diese Weise kann er etwa die Kaufordern seiner Kunden gebündelt gegen jene
44 Eine genaue Beschreibung der Vorgänge findet sich bei Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 154 ff. 45 Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 71, 77 ff. (2013); Ferrarini/ Moloney, 13 EBOR 557, 588 ff. (2012). Ähnlich Ferrarini/Saguato, 13 J. Corp. L. Stud. 319, 352 (2013). 46 Vgl. Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 156 ff. 47 Insofern ist die Darstellung von Valiante, dass ein einziger Dealer in Kontakt mit anderen Dealern gebracht wird, irreführend, vgl. Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 75 (2013). 48 Darauf konzentriert sich auch Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 74 f. (2013). 49 So und im Folgenden: Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 55.
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
eigenen Bestände ausführen, die er zuvor mithilfe der Verkaufsordern anderer Kunden aufgebaut hat.50 Funktional51 betrachtet findet in einem solchen Crossing Network multilateraler Handel statt.52 Der Betreiber ist selbst keinem wirtschaftlichen Risiko53 ausgesetzt, sondern agiert nur als risikolose Zwischenstation für die Zusammenführung von Handelsinteressen Dritter.54 Führt er wirtschaftlich betrachtet regelmäßig (nur) Aufträge verschiedener Kunden zusammen, spendet er selbst überhaupt keine Liquidität. Erschwerend kommt hinzu, dass die Transparenzausnahmen für den SI ihrerseits nicht beschränkt werden – anders als die Transparenzausnahmen für Handelsplätze, vgl. Art. 14 ff. MiFIR.55 Dadurch können SI unbegrenzt Transparenzausnahmen nutzen. Diese Privilegierung soll SI aber nur dann zuteil werden, wenn sie – über ihre Quotierungen – selbst wertvolle Liquidität spenden und zugleich einem wirtschaftlichen Risiko (etwa durch Marktreaktionen) ausgesetzt sind.56 Solange SI Transaktionen ohne jedes Risiko abschließen, bedürfen ihre Quotierungen keines Schutzes durch Transparenzausnahmen.57 Es steht dann zu befürchten, dass sie zu einer Ausdehnung des Schattenhandels beitragen und der Verwirklichung eines weitestgehend transparenten Kapitalmarktes58 entgegenstehen. Die Korrektur dieses Problems fällt unter MiFID II und MiFIR nicht leicht. Erwägungsgrund Nr. 7 S. 2 MiFIR ordnet eine rein formale Betrachtungsweise an: Ist der Betreiber des Handelssystems selbst Kontrahent jeder Transaktion innerhalb des Systems, und sei es nur als risikolose Gegenpartei59, handelt es sich um ein bilaterales System.60 Damit scheint jegliche funktionale Abgrenzung zwischen den
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Vgl. dazu die gute Übersicht bei Easthope/Ray, Dark Pools, Celent-Studie 2013, S. 16. Zur (früher herrschenden) funktionalen Betrachtungsweise: Spindler/Kasten, WM 2006, 1749, 1754; Hoffmann, WM 2003, 2025, 2028, 2031; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 2 WpHG Rn. 90; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 232, 237. Anders dagegen jetzt Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1783. 52 Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 55; Easthope/Ray, Dark Pools, Celent Studie 2014, S. 16; ESMA, Q &A Market Structure, Stand 28. 03. 2018, S. 49. 53 Gemeint ist nicht das Gegenparteirisiko (Insolvenzrisiko), sondern das Risiko, erworbene Bestände unter Verlusten wieder glattstellen zu müssen. 54 Dies war früher der entscheidende Ansatzpunkt für die Qualifizierung als multilaterales Handelssystem, vgl. Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 12. 55 Ausführlich dazu unten: Kap. 3 C. I. 1. b). 56 ESMA, Q&A Market Structure, Stand 02. 04. 2019, S. 53 f. 57 ESMA, Q&A Market Structure, Stand 02. 04. 2018, S. 53 f. 58 Dieses Ziel erscheint prominent in Erwägungsgrund Nr. 1 MiFIR. 59 Dagegen darf ein Dritter weiterhin die Funktion einer zentralen Gegenpartei übernehmen, vgl. Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1783. 60 So Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1781 ff. unter Verweis auf Erwägungsgrund Nr. 20 MiFIR; ebeno Güllner, WM 2017, 938, 941. 51
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Handelsplätzen und der SI-Kategorie auszuscheiden.61 Allerdings ist es einem SI gem. Erwägungsgrund Nr. 17 S. 3 MiFID II62 und Erwägungsgrund Nr. 19 S. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/56563 untersagt, in einer einem Handelsplatz funktional vergleichbaren Weise die Handelsinteressen Dritter zusammenzuführen. Erwägungsgrund Nr. 19 S. 2 und 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/ 56564 konkretisieren den Tatbestand dahingehend, dass ein SI keine Orderzusammenführung betreiben darf, die zu einem sog. Matched Principal Trading führt. Jenes zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der Systembetreiber sich deckende Kundenaufträge zusammenführt, ohne selbst jemals einem Marktrisiko ausgesetzt zu sein, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 38 MiFID II65. Die ESMA konstatiert gar in ihrem Q&A zur Marktstruktur, ein SI müsse Transaktionen auf eigenes Risiko ausführen.66 Damit widerspricht sie Erwägungsgrund Nr. 7 S. 2 MiFIR, demzufolge die SI-Kategorie gerade auch die Zusammenführung von Ordern ohne Risiko für den Betreiber erfasst. Diese unglückliche Gemengelage lässt sich in ein sinnvolles System überführen, indem man Erwägungsgrund Nr. 7 S. 2 MiFIR als Grundregel ansieht. Danach fallen all jene Handelssysteme unter die SI-Kategorie, in denen der Systembetreiber selbst (risikolose) Gegenpartei jeder Transaktion ist. Gem. Erwägungsgrund Nr. 17 S. 2 MiFID II67 spielt jeglicher bilateraler Handel mit Kunden eine Rolle für die Klassifizierung als SI. Jedoch ist dem SI gem. Erwägungsgrund Nr. 17 S. 3 MiFID II die Zusammenführung von Ordern in einer einem Handelsplatz funktional vergleich-
61 So Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1782 f. Anders für MiFID I: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 237, 272 m.w.N. 62 „While trading venues are facilities in which multiple third party buying and selling interests interact in the system, a systematic internaliser should not be allowed to bring together third party buying and selling interests in functionally the same way as a trading venue.“ 63 „Pursuant to Directive 2014/65/EU, a systematic internaliser should not be allowed to bring together third party buying and selling interests in functionally the same way as a trading venue.“ 64 „A systematic internaliser should not consist of an internal matching system which executes client orders on a multilateral basis, an activity which requires authorisation as a multilateral trading facility (MTF). An internal matching system in this context is a system for matching client orders which results in the investment firm undertaking matched principal transactions on a regular and not occasional basis.“ 65 „,Matched principal trading‘ means a transaction where the facilitator interposes itself between the buyer and the seller to the transaction in such a way that it is never exposed to market risk throughout the execution of the transaction, with both sides executed simultaneously, and where the transaction is concluded at a price where the facilitator makes no profit or loss, other than a previously disclosed commission, fee or charge for the transaction.“ 66 ESMA, Q&A Market Structure, Stand 02. 04. 2019, S. 53 f. 67 „In order to ensure the objective and effective application of that definition to investment firms, any bilateral trading carried out with clients should be relevant and criteria should be developed for the identification of investment firms required to register as systematic internalisers.“
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baren Art und Weise untersagt („should not be allowed“).68 Der Wortlaut und die innere Systematik von Erwägungsgrund Nr. 17 MiID II sprechen dafür, dass die MiFID II die formale Betrachtungsweise von Erwägungsgrund Nr. 7 S. 2 MiFIR – und damit die Einordnung als SI – teilt. Zugleich wird eine funktionale Begrenzung bzw. Korrektur vorgenommen: Führt der Betreiber sich deckende Aufträge fremder Parteien gleichzeitig gegeneinander aus, ohne selbst ein Ausführungsrisiko zu übernehmen und erhält er ein Entgelt ausschließlich für die Nutzung des Systems69, agiert er wie der Betreiber eines Handelsplatzes.70 Dies ist ihm verboten. Erwägungsgrund Nr. 19 S. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/56571 unterstreicht dies, indem er das risikolose Zusammenführen von Ordern verschiedener Handelsteilnehmer ausschließlich der Domäne der MTF-Kategorie zuweist. Demnach können Crossing Networks als SI reguliert werden. Ihre Betreiber dürfen diese Kategorie aber nicht dafür ausnutzen, de facto verschiedene Kundenordern zusammenzuführen. 3. Kombination von MTF und SI Besondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der Betreiber eines Handelssystems nicht an allen Transaktionen selbst beteiligt ist, sondern Handelsteilnehmer eine Transaktion untereinander abschließen können.72 Richtigerweise muss man sich dann von der strikten Differenzierung zwischen bilateralem und multilateralem Handel lösen und Broker-Dealer Crossing Networks als hybride Form des Handels anerkennen. Regulierungstechnisch bietet es sich an, die wirtschaftliche Einheit des Crossing Networks beizubehalten und jenes rechtlich in seine MTF- und SI-Teile aufzuspalten. Kunden könnten dann ihre Aufträge weiterhin zentral in eine Maske 68
Vgl. auch den Vorschlag für einen Art. 16a der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565: „An investment firm shall not be considered to be dealing on own account for the purposes of Article 4(1)(20) of Directive 2014/65/EU where that investment firm participates in matching arrangements with the objective or consequence of carrying out de facto riskless back-to-back transactions in a financial instrument outside a trading venue.“ Vgl. ferner ESMA, Q&A Market Structure, Stand 02. 04. 2019, S. 53: „By crossing client trading interests with other liquidity providers’ quotes, via matched principal trading or another type of riskless back-to-back transaction, so that it is de facto not trading on risk, the SI would actually organise an interaction between its client orders on the one hand and the SI or other liquidity providers’ quotes on the other hand. The SI would be bringing together multiple third party buying and selling trading interests in a way functionally similar to the operator of a trading venue.“ 69 Vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 38 MiFID II. 70 So auch Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1782 unter Verweis auf den Handel für eigene Rechnung. 71 „A systematic internaliser should not consist of an internal matching system which executes client orders on a multilateral basis, an activity which requires authorisation as a multilateral trading facility (MTF).“ 72 Ein Zusammenführen fremder Order ist einem SI in kleinem Umfang stets gestattet, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 231.
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eingeben und das System würde entscheiden, ob die einzelne Order in den SI- oder den MTF-Bereich weitergeleitet wird. Ob Art. 19 Abs. 5 MiFID II eine solche Aufspaltung erlaubt, ist nicht eindeutig. Nach dieser Vorschrift ist es dem MTF-Betreiber nur verboten, Kundenordern gegen sein eigenes Kapital auszuführen. Dagegen fehlt es in Art. 19 Abs. 5 MiFID II gänzlich an einem Verbot, dass ein MTF und ein SI miteinander kombiniert werden dürfen. Ein solches Verbot findet sich nur in Art. 20 Abs. 4 MiFID II für die neue OTF-Kategorie. Daraus kann man im Umkehrschluss folgern, dass eine Bank eine Order aus einem eigenen MTF auch an sich selbst weiterleiten darf. Führt die Bank – in ihrer Funktion als SI – die Order sodann aus, setzt sie jedoch eigenes Kapital ein. Da die Order zuerst in das MTF gelangt ist, muss das Eigenhandelsverbot des Art. 19 Abs. 5 MiFID II weiterhin greifen. Dies gilt umso mehr, als sich nicht ausschließen lässt, dass die Bank die Order nicht im besten Interesse der Kunden, sondern in ihrem eigenen Interesse weiterleitet. Außerdem besteht die Gefahr, dass sie Handelsinformationen aus dem multilateralen Handel im eigenen bilateralen Handel ausnutzt.73 Der europäische Gesetzgeber will eben diese Gefahr dadurch bannen, indem er dem MTF-Betreiber den Einsatz von eigenem Kapital im System verbietet, Art. 19 Abs. 5 MiFID II. Man muss sich daher für einen Ansatz entscheiden: Entweder muss der Systembetreiber selbst als SI handeln. Oder der Betreiber handelt nie selbst, sondern agiert ausschließlich als neutraler Marktorganisator. Eine Kombination von MTF und SI scheidet hingegen aus. Dies steht im scharfen Gegensatz zum US-amerikanischen Kapitalmarktrecht, welches es dem ATS-Betreiber erlaubt, über eine eigene Handelseinheit (Proprietary Trading Desk) in seinem ATS mitzuhandeln.74 Die SEC hat sich über die vielfältigen Interessenkonflikte, welche sich daraus ergeben können, besorgt gezeigt und ein umfangreiches Regime an Informationspflichten vorgeschlagen.75 Der Eigenhandel bleibt aber weiter erlaubt. 4. Selektionsmechanismen als Herausforderung für die MTF-Kategorie Führt der Betreiber eines Crossing Network fremde Ordern zusammen, ohne selbst Gegenpartei der Transaktionen zu werden, ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 Nr. 19 MiFID II sowie den Erwägungsgründen Nr. 6 S. 2 und Nr. 7 S. 2 MiFIR, dass das System als multilateral zu qualifizieren ist. Gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 MIFID II setzt die Einordnung als multilaterales Handelssystem voraus, dass die Handelsinteressen
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Vgl. dazu oben: Kap. 1 C. IV. 6. Ein rein bilaterales System fällt dagegen nicht unter die ATS-Definition, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 153. 75 SEC, Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, S. 53 ff. 74
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
innerhalb des Systems nach festen Regeln zusammengeführt werden.76 Parallel definiert die SEC ein ATS durch einen Teilverweis von Rule 300(a)77 Reg. ATS auf die Börsendefinition von Rule 3b-16(a)78 als ein System, welches nicht-diskretionäre Regeln für die Interaktion von Ordern aufstellt.79 In beiden Rechtsordnungen ergibt sich bzgl. dieses Merkmals eine Schwierigkeit: Marktteilnehmer wählen Crossing Networks bzw. allgemein Dark Pools vor allem deswegen aus, weil diese sie vor einer adversen Preisreaktion bewahren sollen, die Informations- und Hochfrequenzhändler verursachen.80 Damit die Preisreaktion ausbleibt, darf die eingegebene Order nur gegen die Ordern uninformierter Händler ausgeführt werden. Viele Betreiber von Dark Pools gestatten es ihren Nutzern daher, die Zusammenführung ihrer Order mit den Ordern bestimmter, zuvor spezifizierter Händlertypen auszuschließen.81 Dadurch erlangt nicht jeder Nutzer die Chance, dass seine Order gegen eine im Dark Pool vorhandene, an sich passende Gegenorder eines anderen Nutzers ausgeführt wird. Dieser Fall unterscheidet sich insofern vom Auswahlermessen eines Brokers, als der Betreiber keine Verhandlungen als Agent eines Kunden führt. Vielmehr verweigert er die Zusammenführung mit Aufträgen anderer Kunden auf der Grundlage der abstrakten-generellen Vorgaben des jeweiligen Nutzers. Es ist fraglich, ob ein solcher Selektionsmechanismus unter die nicht76 Zur Erinnerung: Die nicht-diskretionären Regeln sind ein weiteres Element der Abgrenzung von privatem und öffentichem Handel, vgl. dazu oben: Kap. 2 A. I. 1. 77 17 CFR § 242.300 Definitions. For purposes of this section, the following definitions shall apply: (a) Alternative trading system means any organization, association, person, group of persons, or system: (1) That constitutes, maintains, or provides a market place or facilities for bringing together purchasers and sellers of securities or for otherwise performing with respect to securities the functions commonly performed by a stock exchange within the meaning of § 240.3b-16 of this chapter; and (2) That does not: (i) Set rules governing the conduct of subscribers other than the conduct of such subscribers’ trading on such organization, association, person, group of persons, or system; or (ii) Discipline subscribers other than by exclusion from trading. 78 17 CFR § 240.3b-16 Definitions of terms used in Section 3(a)(1) of the Act. (a) An organization, association, or group of persons shall be considered to constitute, maintain, or provide „a market place or facilities for bringing together purchasers and sellers of securities or for otherwise performing with respect to securities the functions commonly performed by a stock exchange,“ as those terms are used in section 3(a)(1) of the Act, ( 15 U.S.C. 78c(a)(1)), if such organization, association, or group of persons: (1) Brings together the orders for securities of multiple buyers and sellers; and (2) Uses established, non-discretionary methods (whether by providing a trading facility or by setting rules) under which such orders interact with each other, and the buyers and sellers entering such orders agree to the terms of a trade. 79 Vgl. dazu auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 153. 80 Ausführlich dazu oben: Kap. 1 A. V. 1. und Kap. 1 C. IV. 2. a) aa). 81 FCA, UK equity market dark pools, TR16/05, 2016, S. 29 Rn. 3.34 (unter Hinweis auf weitere Kriterien wie Handelsverhalten und Ordergröße).
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diskretionären Regeln fällt, die ein ATS in den USA und ein MTF in Europa aufstellen müssen. a) Beurteilung der US-amerikanischen Rechtslage durch die SEC Die SEC hat sich mit der Kategorisierung von Händlern durch ATS-Betreiber in zwei Verfolgungsentscheidungen und einem Konzeptpapier auseinandergesetzt. aa) Der Fall UBS ATS UBS ATS war im Jahr 2014 mit einem Handelsvolumen von $ 416 Milliarden der größte Dark Pool des US-amerikanischen Kapitalmarkts.82 Die den Dark Pool betreibenden Mitarbeiter der Bank UBS hatten im Verlauf des Jahres 2010 das Handelsverhalten diverser Nutzer von UBS ATS analysiert und dabei solche Händler identifiziert, die nach ihrer Ansicht sog. „non-natural trading“ betrieben; dazu zählten fast ausnahmslos Marktmacher und Hochfrequenzhändler.83 Basierend auf dieser Klassifizierung entwickelten die UBS-Mitarbeiter einen speziellen Algorithmus, welcher sicherstellte, dass die Order eines als „natural“ eingestuften Händlers nicht mit der Order eines als „non-natural“ eingestuften Händlers zusammengeführt wird.84 Von diesem Algorithmus erfuhren nur die als „natural“ eingestuften Händler, welche darüber hinaus ein Entgelt für dessen Nutzung zahlen mussten.85 Die SEC stellte fest, dass UBS ATS im Jahr 2011 mehrfach die 5 %Schwelle von Rule 301(b)(5) Reg. ATS86 überschritten hatte.87 Während dieses Zeitraums habe UBS über keine (geschriebenen) Regeln für den fairen und diskriminierungsfreien Zugang zum Algorithmus verfügt. Darin sah die SEC einen Verstoß gegen Rule 301(b)(5)(ii)(B) Reg. ATS88.89 Sie stellte aber nicht fest, dass der Einsatz 82
SEC, In the Matter of UBS Securities LLC, File No. 3-16338, S. 2 Rn. 1. SEC, In the Matter of UBS Securities LLC, File No. 3-16338, S. 10 Rn. 39, 40 84 SEC, In the Matter of UBS Securities LLC, File No. 3-16338, S. 10 Rn. 37. 85 SEC, In the Matter of UBS Securities LLC, File No. 3-16338, S. 10 f. Rn. 37, 41, 44. 86 Rule 301(b) Reg. ATS (5)Fair access. (i) An alternative trading system shall comply with the requirements in paragraph (b)(5)(ii) of this section, if during at least 4 of the preceding 6 calendar months, such alternative trading system had: (A) With respect to any NMS stock, 5 percent or more of the average daily volume in that security reported by an effective transaction reporting plan; (B) With respect to an equity security that is not an NMS stock and for which transactions are reported to a self-regulatory organization, 5 percent or more of the average daily trading volume in that security as calculated by the self-regulatory organization to which such transactions are reported. 87 SEC, In the Matter of UBS Securities LLC, File No. 3-16338, S. 12 Rn. 49 f. 88 Rule 301(b)(5) Reg. ATS (ii) An alternative trading system shall: 83
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
des Algorithmus in UBS ATS per se illegal gewesen war, sondern konstatierte nur, dass UBS ATS alle Nutzern darüber hätte informieren und diskriminierungsfreie Regeln zur Nutzung des Algorithmus hätte aufstellen müssen.90 bb) Der Fall Barclays LX Barclays LX war im Mai 2014 das zweitgrößte ATS des US-amerikanischen Kapitalmarkts.91 Im Juni 2011 stellte die betreibende Barclays-Bank den Nutzern von Barclays LX, institutionellen Anlegern, Broker-Dealern und Hochfrequenzhändlern, ein Programm namens „Liquidity Profiling“ zur Verfügung.92 Dieses Programm kategorisierte die verschiedenen Nutzer von Barclays LX anhand ihres dortigen Handelsverhaltens. Konkret analysierte das Programm den Orderfluss der einzelnen Nutzer und wies sie daraufhin einer von sechs numerischen Kategorien zu. Während die Zahl „0“ für die höchste Stufe aggressiven Handels stand, repräsentierte die Zahl „5“ die niedrigste Stufe aggressiven Handelns. Jeder Nutzer des Programms konnte festlegen, dass er mit Händlern, die einer bestimmten Kategorie zugewiesen worden waren, nicht kontrahieren will. Zuvor war es nur möglich gewesen, Transaktionen mit Nutzern zu verweigern, die einer bestimmten statischen Kategorie, beispielsweise „institutioneller Anleger“, zugewiesen waren.93 Den Nutzern stand jedoch weiterhin die Option offen, beides zu kombinieren, d. h. Transaktionen mit Personen sowohl auf der Basis der Kundenkategorie als auch aufgrund der Verhaltensweise auszuschließen.94 Barclays bewarb dieses Programm vor seinen Kunden u. a. als Schutz gegen „räuberische“ Händler.95 Die SEC hatte an der von Barclays vorgenommenen Kategorisierung und der Möglichkeit, Transaktionen mit ausgewählten anderen Nutzern des Dark Pool zu verweigern, nichts auszusetzen. Sie sanktionierte Barclays vielmehr dafür, dass die Bank diverse Kunden manuell aus der ihnen durch das Programm zugewiesenen Kategorie entfernt und einer anderen Kategorie zugewiesen hatte.96 Auf diese Weise (A) Establish written standards for granting access to trading on its system; (B) Not unreasonably prohibit or limit any person in respect to access to services offered by such alternative trading system by applying the standards established under paragraph (b)(5)(ii)(A) of this section in an unfair or discriminatory manner; (C) (…)“. 89 SEC, In the Matter of UBS Securities LLC, File No. 3-16338, S. 12 Rn. 51 ff. 90 SEC, In the Matter of UBS Securities LLC, File No. 3-16338, S. 12 Rn. 47 f., 51. 91 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 1, 19. 92 So und im Folgenden: SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 21. 93 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 21 94 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 22. 95 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 24 – 26. 96 So und im Folgenden: SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 31 ff.
A. Dark Pools im alten und neuen System der Handelsorte
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hatten einige Nutzer des Dark Pool mit Händlern der höchsten Aggressivitätsstufe gehandelt, obwohl sie zuvor ausdrücklich dagegen votiert hatten. cc) Stellungnahme in Proposed Reg. ATS-N In ihrem Vorschlag zu einer schärferen Regulierung von ATS erwähnt die SEC zwar die Tatsache, dass viele ATS-Betreiber die Zusammenführung von Ordern anhand einer Nutzerklassifikation vornehmen.97 Sie problematisiert aber nicht weiter, ob diese Klassifikation überhaupt unter den Begriff der nicht-diskretionären Regeln fällt. Daher scheint sie abseits der gängigen Preis-Zeit-Priorität auch neuartige Regeln für die Orderzusammenführung als legal anzusehen Dieser Eindruck erhärtet sich deswegen weiter, weil die SEC im selben Konzeptpapier den Fokus auf umfangreiche Informationspflichten der ATS-Betreiber legt.98 Dadurch sollen die Marktteilnehmer in die Lage versetzt werden, die Funktionsweise und Risiken der unterschiedlichen Handelssysteme beurteilen zu können.99 Die SEC zieht also den informationsbasierten Regulierungsansatz einem strikten Verbot von Händlerkategorisierungen vor. b) Beurteilung des europäischen Kapitalmarktrechts Diese Erwägungen lassen sich nicht einfach in das europäische Kapitalmarktrecht importieren. Zwar mag es einem Marktteilnehmer schon helfen, zu erfahren, dass er wegen einer bestimmten Klassifikation durch den Betreiber eines Handelsplatzes geringe Chancen auf eine Transaktion hat.100 Zudem verleiht eine ex ante vorgenommene Kategorisierung dem Betreiber scheinbar keine Entscheidungsfreiheit für die einzelne Transaktion, sondern bindet ihn vielmehr abstrakt-generell. Insofern scheint kein Unterschied zu einer nicht-diskretionären Regel wie der Preis-ZeitPriorität zu bestehen. Während sich aber Preis und Zeit für jede Order eindeutig und objektiv bestimmen lassen, ist die Kategorisierung von Händlern subjektiv gefärbt. Dies gilt einerseits für den Betreiber, der die Kategorien formuliert und die einzelnen Händler diesen Kategorien zuweist, ohne dass die Händler dies genau nachvollziehen können. Anderseits gilt dies für die Nutzer des Handelssystems, die die Gefahren durch die jeweilige Händlerkategorie unterschiedlich gewichten und daher ganz unterschiedliche Zielvorstellungen haben. Dadurch eröffnet sich ein Entscheidungsspielraum für die Gestaltung der Orderzusammenführung, welcher für vielfältige Manipulationen und Diskriminierungen genutzt werden kann. Gem. Art. 18 Abs. 3 97
SEC, Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, S. 52 ff. SEC, Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, Teil VIII (S. 256 ff.). 99 SEC, Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, S. 54 f. 100 So Spindler/Kasten, WM 2006, 1749, 1754. 98
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
MiFID II ist der Betreiber eines MTF aber dazu verpflichtet, den Zugang zu seinem Handelssystem nach objektiven Kriterien und frei von jeglicher Diskriminierung auszugestalten.101 Ein MTF-Betreiber darf danach einem unliebsamen Händler nicht einfach die Teilnahme am Handel verweigern. Dürfte der Betreiber aber diesen Händler aufgrund von dessen Kategorisierung von der Mehrzahl der möglichen Transaktionen ausschließen, liefe dessen Zugangsrecht ins Leere. Zugleich verlöre der Preis seine Stellung als entscheidender Faktor für das Zustandekommen einer Transaktion. Der Preis eines Finanzinstruments verkörpert nach der halbstrengen Variante der Kapitalmarkteffizienzhypothese alle öffentlich verfügbaren Informationen nahezu ohne Verzögerung.102 Zunächst verfügt nur eine kleine Gruppe von Marktteilnehmern über die neue Information, doch durch ihr Handeln erfährt der gesamte Markt von der Information und der Preis ändert sich.103 Eine Kategorisierung führt dazu, dass nicht mehr alle Händler miteinander kommunizieren können, sondern sich innerhalb ein und desselben Handelsplatzes Segmente für unterschiedliche Händlertypen bilden. Hochfrequenzhändler mögen dadurch weniger mit uninformierten (Block-)Händlern kontrahieren können, sodass letztere geschützt werden.104 Es kann aber gleichzeitig dazu kommen, dass Informationshändler weniger Ausführungsmöglichkeiten für ihre Order erhalten und daher aus dem Handel ausscheiden, sodass die Informationseffizienz und die Liquidität sinken.105 Das Zusammenspiel der verschiedenen Händlertypen kann also gestört werden.106 Es ist aber der Sinn und Zweck jedes Handelsplatzes, Angebot und Nachfrage der verschiedenen Marktteilnehmer bzgl. bestimmter Güter zusammenzubringen und dadurch ein hohes Niveau an Liquidität zu erreichen.107 Selektionsmechanismen laufen diesem Zweck auch dann zuwider, wenn sie für alle Nutzer gleichermaßen vorhersehbar sind und jene wissen, wie sie ihre Einstufung beeinflussen können. Darüber hinaus operiert der Betreiber des Handelssystems in der konkreten Entscheidungssituation wie ein Agent, der (möglicherweise) nachteilhafte Transaktionspartner für seine Nutzer herausfiltert. Solange ein Nutzer einer Kategorie zuordnet ist, mit der andere Nutzer nicht kontrahieren wollen, kann der Betreiber jedes Mal eine Zusammenführung von Ordern dieser Nutzer verweigern. Die Ka101
S. 37 f. 102
Zur Auslegung dieser Vorschrift vgl. ESMA Q&A Market Structure, Stand 02. 04. 2019,
Vgl. dazu oben Kap. 1 C. I. 1. b). Grundlegend zur Bedeutung des Preises: Hayek, 35 Am. Econ. Rev. 519, 526 (1945). 104 Ausführlich zur schädlichen Wirkung des Hochfrequenzhandels oben: Kap. 1 A. III. 5. 105 Die ökonomische Forschung ist sich diesbezüglich bei Dark Pools nicht einig, vgl. oben Kap. 1 C. IV. 2. a) bb). 106 Ausführlich zum Prozess der Preisbildung: Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 726 ff. (2006). 107 Vgl. Fleckner/Hopt, 7 Va. L. Bus. Rev. 513, 516 f. (2013); Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al., Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 225 f. 103
A. Dark Pools im alten und neuen System der Handelsorte
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tegorisierung dient dem Betreiber zwar als abstrakt-generelle Handlungsanweisung; er braucht nicht in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der potentielle Transaktionspartner für den jeweiligen Nutzer schädlich ist. Die Verallgemeinerung, welche in der Kategorisierung liegt, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Betreiber des Handelssystems in Wahrheit eine Anweisung vom Nutzer erhält, hinsichtlich der jeweiligen konkreten Transaktion eine Auswahl an geeigneten Transaktionspartnern zu treffen. Diese Anweisung erneuert sich mit jeder neuen Transaktion, die zustande kommen kann, weil sich die Einstufung der Händler aufgrund ihres Verhaltens im Handel mit der Zeit ändern kann. Ein solches Selektionsverhalten ist für den ermessensbasierten bilateralen Handel108 typisch und passt nicht zum multilateralen Handel. Dass es den Dark Pool-Betreibern vor allem darum geht, besonders geschätzte Nutzer zu schützen und ihre Systeme für diese attraktiver zu machen, zeigt sich auch daran, dass die Betreiber oft nur bestimmte Nutzer über die Möglichkeit der Kategorisierung informieren.109 Dadurch ist es für die von der Kategorisierung betroffenen Händler kaum möglich, nachzuvollziehen, warum ihre Ordern nicht ausgeführt werden und wie sie ihre Ausführungschancen im System verbessern können. Aus alldem folgt, dass Selektionsmechanismen für die Zusammenführung von Ordern wie eine Kategorisierung nach Händlertypen ein Substitut der Ermessensausübung durch den Betreiber eines Handelssystems und daher diskretionäre Regeln sind.110 Gem. der Definitionsnorm in Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 MiFID II ist Voraussetzung für die Einordnung als MTF, dass das System über nicht-diskretionäre Regeln verfügt. Versteht man dieses Erfordernis als zwingend, fallen Systeme mit Selektionsmechanismen aus der MTF-Kategorie heraus. Dies gälte selbst dann, wenn diese Systeme ansonsten alle weiteren Voraussetzungen des öffentlichen Handels an Handelsplätzen erfüllten. Dagegen spricht, dass es sich bei der Abgrenzung von privatem und öffentlichem Handel um eine typologische Betrachtung handelt.111 Entscheidend ist nicht, dass jedes Merkmal in gleicher Weise erfüllt ist, sondern dass die Zusammenschau der Merkmale eine Einordnung als Handelsplatz nahelegt. Zudem definiert Art. 1 Abs. 1 Nr. 19 MiFID II ein multilaterales System als ein System, in dem die Handelsinteressen Dritter interagieren können, ohne das Erfordernis der nicht-diskretionären Regeln zu nennen. Art. 1 Abs. 7 Uabs. 1 MiFID II schließt daran an, indem es den Betreiber des multilateralen Systems verpflichtet, sich entweder als MTF oder OTF oder RM regulieren zu lassen. Ferner verlangt Art. 19 Abs. 1 MiFID II vom Betreiber eines MTF, dass er nicht-diskretionäre Regeln verwendet. Die Norm setzt also die Einordnung als MTF voraus und knüpft daran die Rechtsfolge, dass der Betreiber nur nicht-disketionäre Regeln verwenden darf. Insofern ist sie umgekehrt aufgebaut zu Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 MiFID II, welcher 108
Vgl. dazu bei illiquiden Märkten: Valiante, J. of Fin. Reg. & Com. 69, 74 (2013). SEC, In the Matter of UBS Securities LLC, File No. 3-16338, Rn. 49 f. Vgl. zudem die Untersuchung der FCA, UK equity market dark pools, TR16/05, S. 29 Rn. 3.36. 110 In die Richtung argumentieren auch Spindler/Kasten, WM 2006, 1749, 1754. 111 Zu den einzelnen Merkmalen vgl. oben Kap. 2 A. I. 1. 109
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
nicht-diskretionäre Regeln als eine Voraussetzung für die Einordnung als MTF nennt. Die beiden Normen lassen sich indes so in Einklang miteinander bringen, dass die Einordnung als MTF ein Minimum an nicht-diskretionären Regeln erfordert, etwa die Preis-Zeit-Priorität. Verwendet der Betreiber darüber hinaus weitere Regeln, die ihm Ermessen einräumen, ist ihm dies gem. Art. 19 Abs. 1 MiFID II verboten. Crossing Networks mit Selektionsmechanismen können auf diese Weise als MTF eingeordnet werden. Zugleich ist es ihnen untersagt, neben den festen Regeln zum Crossing Selektionsmechanismen zu nutzen. 5. Die neue Kategorie der Organisierten Handelseinrichtung, Art. 20 MiFID II Angesichts des starken Wachstums der Crossing Networks und der vielfältigen Gefahren für die Anleger112 entschied sich der europäische Gesetzgeber dazu, das bisherige System der Handelsplätze um eine weitere Kategorie, die Organisierte Handelseinrichtung (Organized Trading Facility, OTF), zu ergänzen.113 Diese Kategorie soll die bisher im OTC-Handel angesiedelten Handelsplattformen der Regulierung eines Handelsplatzes unterwerfen.114 Quasi als Lockmittel dient dem Gesetzgeber dabei das Merkmal des Ermessens gem. Art. 20 Abs. 6 MiFID II, welches dem OTF-Betreiber – anders als einem MTF-Betreiber – eine gewisse Entscheidungsfreiheit bei der Orderplatzierung und -zusammenführung zugesteht.115 Ferner darf sich der Betreiber i.R.d. sog. Matched Principal Trading 116 gem. Art. 20 Abs. 2 MiFID II unter Einsatz von Eigenkapital am Handel im System beteiligen. Dadurch werden Elemente des bilateralen und des multilateralen Handels miteinander vermischt.117 Obwohl diese Kategorie dem hybriden Charakter vieler Dark Pools entspricht und die dargestellten Einordungsschwierigkeiten beseitigen könnte, steht die OTF-Kategorie im Aktienhandel nicht zur Verfügung, Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 MiFID II. In der ursprünglichen Fassung der Kommission sollte auch der Handel von Eigenkapitalinstrumenten in einer OTF erlaubt werden. Dagegen wandte sich jedoch das EUParlament mit der Begründung, das Ermessen des Betreibers berge negative Folgen für die Preisbildung.118 Könne der OTF-Betreiber über den Zeitpunkt und die Art und Weise der Zusammenführung von Ordern frei entscheiden, stelle dies eine Verzer112 Paradigmatisch sind die Informationsasymmetrie und die Entstehung einer „ZweiKlassen-Gesellschaft“, vgl. dazu oben Kap. 1 C. IV. 1 b), 6. 113 Konzise Darstellung bei Hops, RdF 2017, 14, 16 ff. 114 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 7 ff. MiFIR; einen Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte gibt Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 445 ff. 115 Ausführlich dazu unten: Kap. 2 B. VI. 116 Vgl. dazu Erwägungsgrund Nr. 9 Uabs. 3 MiFIR. 117 Hops, RdF 2017, 14, 17, 20. 118 Vgl. Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 466.
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
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rung des Handels gegenüber der festen Zusammenführung in einem RM oder MTF dar. Die in einer OTF ermittelten Preise hätten dann nicht die gleiche Aussagekraft bzgl. Angebot und Nachfrage nach einer Aktie wie die in einem RM oder MTF gebildeten Preise.119 Um die Entstehung weiterer Schlupflöcher zu vermeiden, müssten Aktien daher vom Handel an einer OTF ausgenommen werden. Diese Einschränkung ist vor dem Hintergrund der besonderen Charakteristika des Aktienhandels angebracht. Anders als viele Derivate stellen Aktien hochstandardisierte Finanzinstrumente dar, für deren Handel im Regelfall ein liquider Sekundärmarkt zur Verfügung steht. Es besteht daher keine Notwendigkeit für Verhandlungsspielräume oder eine anders geartete Flexibilität der Marktteilnehmer innerhalb des jeweiligen Handelssystems. Was die Ausführung von Blockordern angeht, ist schließlich zu bedenken, dass die MiFIR Transparenzausnahmen für große Ordern120 bereithält. Blockhändler von Aktien werden damit nicht schutzlos gestellt. Es ist daher gerechtfertigt, die Betreiber von Crossing Networks für Aktien dazu zu verpflichten, sich entweder in einen SI oder in ein MTF umzuwandeln.
IV. Schlussfolgerung: Regulierung als SI oder MTF Unter MiFID II und MiFIR hängt die Abgrenzung von bilateralem und multilateralem Handel allein davon ab, ob der Betreiber des Handelssystems an jeder Transaktion selbst als Gegenpartei beteiligt ist. Dass Broker-Dealer Crossing Networks bei funktionaler Betrachtung bilaterale und multilaterale Elemente in sich vereinen, wird dadurch nur teilweise berücksichtigt. Immerhin fallen Crossing Networks im Aktienhandel entweder in die Kategorie eines SI oder eines MTF, sodass eine schärfere Regulierung möglich ist. Für ein MTF verbietet es sich, Selektionsmechanismen wie eine Händlerkategorisierung einführen.
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie Die neue OTF-Kategorie erfasst zwar nicht den Aktienhandel, dafür aber insbesondere einen Teil des bisher intransparenten OTC-Handels mit Derivaten. In dieser Hinsicht soll sie das europäische Pendant zum durch den Dodd-Frank Act eingeführten Handelsplatz der Swap Execution Facility (SEF)121 bilden.122 Der US119
So und im Folgenden: Moloney, Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 466 Fn. 261. Dazu ausführlich unten Kap. 3 A I 1 b) cc). 121 Die Legaldefinition der SEF in 7 U.S.C. Sec. 1a(50) lautet: (…) [A] trading system or platform in which multiple participants have the ability to execute or trade swaps by accepting bids and offers made by multiple participants in the facility or system, through any means of interstate commerce, including any trading facility, that – (A)facilitates the execution of swaps between persons; and (B)is not a designated contract market. 120
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
amerikanische Gesetzgeber schuf diese Kategorie in Reaktion auf die G20-Beschlüsse zum Derivatehandel. Ein Großteil der im Folgenden zu analysierenden Merkmale der OTF-Kategorie sind mit jenen der RM- und MTF-Kategorie123 identisch, sodass sich die meisten Erkenntnisse zur OTF-Kategorie auf die beiden anderen Kategorien übertragen lassen.
I. System Der für RM, MTF und OTF gleichermaßen benutzte Begriff des Systems ist, wie schon unter MiFID I, weit zu verstehen, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nrn. 19, 21 – 23 MiFID II, § 2 Abs. 8 Nrn. 8, 9 WpHG n.F., § 2 Abs. 1 BörsG. Danach liegt ein System vor, wenn auf einer elektronischen Plattform Ordern nach einem bestimmten Regelwerk zusammengeführt werden oder allein ein Regelwerk124 existiert, vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 S. 3 MiFID I.125 Für das Merkmal „System“ kommt es nicht darauf an, ob die Zusammenführung der Aufträge stets bilateral mit dem Systembetreiber oder aber mit dritten Parteien zustande kommt; diese Weichenstellung ergibt sich erst aus dem Merkmal „multilateral“.126 Eine besondere Herausforderung für die Auslegung des Merkmals „System“ stellt der Wandel des Telefonhandels dar127, der nicht nur den Aktien-, sondern auch den Anleihen- und Derivatehandel im OTC-Bereich erfasst hat. 1. Dealer Market und Broker Market Grundlegend zu unterscheiden sind zwei verschiedene Märkte, der Dealer Market und der Broker Market. Im Dealer Market wendet sich ein Kunde direkt an einen Dealer, eine Bank oder Investmentfirma, um ein bestimmtes Geschäft abzuschließen.128 Dies geschieht regelmäßig durch eine Preisanfrage (Request for Quote)129, 122
Vgl. Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 2013, 69. Vgl. zu den einzelnen Merkmalen bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 268 ff. 124 Zu den Einzelheiten des Regelwerks, vgl. BT-Drucks. 16/4028, S. 56: „Um von einem System im Sinne dieser Vorschrift zu sprechen, bedarf es zumindest eines Regelwerks über die Mitgliedschaft, die Handelsaufnahme von Finanzinstrumenten, den Handel zwischen den Mitgliedern, Meldungen über abgeschlossene Geschäfte und Transparenzpflichten; eine Handelsplattform im technischen Sinne ist nicht erforderlich.“ 125 Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617, 620; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 269; krit. Spindler, WM 2002, 1365, 1366. 126 Dadurch werden auch Internalisierungssysteme erfasst, vgl. Schwark, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, 3. Aufl. 2004, BörsG, § 58 Rn. 3. 127 Diese Problematik ist schon seit Längerem bekannt, vgl. Spindler, WM 2002, 1325, 1332 f.; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 3. Aufl. 2004, BörsG, § 58 Rn. 2; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 219 f. 128 Ausführlich dazu: Dodd, 9 The Financier, 1, 2 f. (2002). 123
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
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d. h. der Kunde bittet den Dealer um die Abgabe eines Kursangebots, zu welchem letzterer bereit ist, das Geschäft abzuschließen. Der Dealer hält einen bestimmten Bestand an Finanzinstrumenten vorrätig, um die eingehenden Kundenwünsche zeitnah befriedigen zu können.130 Um selbst nicht zu großen Risiken ausgesetzt zu sein, handeln die Dealer regelmäßig untereinander und stellen dadurch ihre Bestände glatt. Da sie häufig sowohl Geld- als auch Briefkurs für Geschäftsabschlüsse veröffentlichen, ist ihre Stellung mit jener eines Marktmachers vergleichbar, allerdings sind sie anders als dieser nicht zur permanenten Stellung solcher Kurse verpflichtet.131 Im Broker Market treten die Dealer und ihre Kunden dagegen nicht unmittelbar miteinander in Kontakt, sondern setzen einen Broker als Agenten für sich ein.132 Dieser Broker sucht dann gezielt nach möglichen Geschäftspartnern, d. h. nach Dealern, die bereit sind, einen Handel mit dem den Broker beauftragenden Dealer oder Kunden einzugehen. Der Vorteil des Einsatzes eines Brokers liegt darin, dass der Broker den Markt und dessen Teilnehmer genau kennt und zugleich die Identität seines Geschäftsherrn nicht offenzulegen braucht.133 Diese Anonymität ist vor allem für solche Dealer interessant, die größere Bestände an Finanzinstrumenten halten und bei deren Offenlegung eine strategische Marktreaktion befürchten müssen. Die Einschaltung des Brokers dient also der Vermeidung einer strategischen Marktreaktion, wie sich in vergleichbarer Form beim Blockhandel von Aktien auftreten kann. 2. Einsatz elektronischer Plattformen und Telefonhandel In der Vergangenheit wandte sich ein Kunde mit einem spezifischen Geschäftswunsch per Telefon an einen Dealer und verhandelte mit diesem die Konditionen. Heute betreiben Dealer oftmals eine eigene Plattform, auf welcher sie Quotierungen veröffentlichen, die die zugelassenen Teilnehmer entweder annehmen oder ablehnen 129
Ein request for quote System wird definiert in Annex I Tabelle 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587: „A trading system where a quote or quotes are provided in response to a request for quote submitted by one or more members or participants. The quote is executable exclusively by the requesting member or participant. The requesting member or participant may conclude a transaction by accepting the quote or quotes provided to it on request.“ 130 So und im Folgenden: Flögel, The Microstructure of European Bond Markets, 2006, S. 12. 131 Man spricht auch von einem „Take-it-or-leave-it pair of prices“, welches den Bid und Ask Kursen eines Market Makers entspricht. Der Kunde kann sofort akzeptieren, indem er einen der Kurse anklickt. Daran können sich Vertragsverhandlungen über die genaue Menge der zum festgelegten Preis auszutauschenden Papiere anschließen, vgl. Duffie, Dark Markets, 2011, S. 2. 132 So und im Folgenden: Flögel, The Microstructure of European Bond Markets, 2006, S. 12 ff. 133 So und im Folgenden: Flögel, The Microstructure of European Bond Markets, 2006, S. 12 ff.
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
können.134 Es besteht damit ein Regelwerk für ein abgrenzbares System, sodass solche Handelsplattformen als System i.S.d. der MiFID II anzusehen sind. Schwieriger erweist sich dagegen die Erfassung solcher Handelsweisen, bei denen der Dealer einem Kunden oder Broker per E-Mail oder elektronischer Anzeige135 seine Kursofferten nennt, die Gegenpartei dies per Telefon akzeptiert und im Folgenden die Details der Transaktion, insbesondere die Menge der zum festgelegten Preis zu liefernden Finanzinstrumente mit dem Dealer verhandelt. Gem. Art. 8 Abs. 2 MiFIR müssen sprachbasierte Systeme (voice-trading systems)136 die in Art. 8 Abs. 1 MiFIR statuierten Vorgaben der Vorhandelstransparenz für Handelsplätze erfüllen. Da die Regulierung als Handelsplatz ihrerseits voraussetzt, dass ein System besteht, spricht der weite Gesetzeswortlaut von Art. 8 Abs. 2 MiFIR dafür, dass auch der Telefonhandel als Handelsplatz erfasst werden soll. Dafür sprechen auch Stellungnahme der ESMA zu Fragen betreffend die Marktstruktur137 und Transparenzvorgaben138, denen zufolge Systeme, die auf einem offenen Ausruf basieren, ebenfalls erfasst werden sollen. Vom Telefonhandel unterscheidet sich ein System, das offene Ausrufe zulässt, jedoch insoweit, als die einzelnen Marktteilnehmer in einem physisch abgrenzbaren Raum miteinander agieren können. Sprechen zwei Marktteilnehmer über das Telefon, besteht zwar zwischen diesen ein – zumindest gedachter – exklusiver Gesprächsraum: Der Dealer offenbart allein seinem Kunden und nicht der gesamten Öffentlichkeit seine Bedingungen, umgekehrt kann allein der Kunde diese Bedingungen annehmen. Allerdings wird das Telefonnetz nicht von einem Broker oder Dealer zur Verfügung gestellt, sondern von einer Telefongesellschaft betrieben.139 Nutzer und Betreiber der Handelsinfrastruktur sind also nicht identisch. Zudem bildet das Telefonnetz keine geschlossene Einheit, sondern wird nur für die kurze 134 Man spricht auch vom „Proprietary Electronic Dealer or Trading Platform“, vgl. Dodd, 9 The Financier 1, 2 (2002). 135 ISDA, Stellungnahme MiFIR/MiFID II Proposal, 2012, S. 3. 136 ESMA definiert solche Systeme folgendermaßen: „A trading system where transactions between members are arranged through voice negotiation.“, vgl. ESMA 2015/1464 Annex I, S. 49, 65. 137 ESMA, Q&A Market Structure, Stand 02. 04. 2019, S. 43: „MiFID II is technology neutral and the OTF definition includes voice trading in the same way as the definition of regulated markets and MTFs include voice trading systems. An investment firm executing transactions through voice negotiation would be considered as falling under the definition of an OTF where the arrangements in place would meet the conditions set out in Answer 3.“ 138 ESMA, Q&A Transparency, Stand 02. 04. 2019, S. 28: „The voice system must be effectively operated by the trading venue to qualify as a trading protocol under Annex I of RTS 2. For example, an open outcry system maintained by a trading venue would qualify as a voice trading system. The venue would provide the facility where members can interact and conclude transactions through voice negotiation. The venue, by operating the voice trading system, would have access to and oversight over how trading interest is broadcasted, which will make possible the immediate publication of bids and offers and the attaching volumes and in any case before the possible matching of the quotes occurs.“ 139 So und im Folgenden: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 219 f.
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
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Zeit des Handels umgewidmet, ohne dass der Netzbetreiber dies erfährt. Kumpan schlug deswegen unter Geltung der MiFID I vor, den Telefonhandel grds. vom Systembegriff auszunehmen.140 Dieser Vorschlag lässt sich für die neue Rechtslage unter MiFID II insoweit aufgreifen, als sich der Systembegriff in der Weise auslegen lässt, dass eine irgendwie geartete Infrastruktur durch einen Marktteilnehmer selbst geschaffen werden muss. Bei einer alleinigen Kommunikation über das Telefon geschieht dies nicht. Zudem ist die Rollenverteilung nicht immer klar: Bisweilen melden sich Kunden bei einem Dealer, bisweilen bietet der Dealer seinen Kunden Quotierungen aus eigener Initiative an. Ein Betreiber lässt sich daher kaum identifizieren. Ferner kann ein System, das auf offenen Ausrufen basiert, nicht ohne ein vorher festgelegtes Regelwerk für den Ablauf des Handels funktionieren. Beim Handel über das Telefon können die Marktteilnehmer hingegen individuell und ohne vorherige Regelfestlegung ad hoc miteinander verhandeln. Es fehlt also an jeglicher Form von Institutionalisierung. Daher stellt der reine Telefonhandel kein System i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nrn. 19, 21 – 23 MiFID II dar. 3. Vergleich mit der Kategorie der Swap Execution Facility Die CFTC legt für die Kategorie der Swap Execution Facility (SEF) ein ähnliches Verständnis zugrunde. Zwar kann auch der Telefonkontakt als solcher unter den Begriff der SEF fallen, sofern mehrere Parteien die Möglichkeit haben, miteinander in Kontakt zu treten.141 Allerdings gelten für solche Transaktionen, die einer Handelspflicht unterliegen (sog. required transactions), schärfere Anforderungen. Danach muss der SEF-Betreiber (1) eine Preisanfrage (Request-for-Quote) von einem Marktteilnehmer erhalten, (2) die Preisanfrage an drei andere Marktteilnehmer weitgeben, (3) die Antworten auf die Preisanfrage und die restlichen im Orderbuch vorhandenen Ordern dem Anfragenden mitteilen, und (4) die Transaktion ausführen.142 Mit dem vom SEF-Betreiber bereit zu stellenden Orderbuch fordert der USamerikanische Gesetzgeber eine gewisse Infrastruktur für den besonders wichtigen 140
So und im Folgenden: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 219 f. Vgl. die Definition der SEF in Sec. 1(a)(50) CEA. 142 Ansatzpunkt der CFTC ist das Merkmal „through any means of interstate commerce“ in Sec. 1a(50) CEA. Dieses erlangt besondere Relevanz für die Ausführung sog. Required Transactions im Derivatehandel (es handelt sich um eine Transaktion, die einen Swap beinhaltet, für den eine Handelspflicht gem. CEA Section 2(h)(8) besteht), vgl. CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33501 (June 4, 2013). 141
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
Teil des Derivatehandels ein. In Kombination mit der Weitergabepflicht entsteht eine gewisse Transparenz im Derivatehandel, sodass Marktteilnehmer das Angebot an Derivatekontrakten besser abschätzen können.143 Dementsprechend geht es der CFTC weniger um eine präzise Definition der SEF-Kategorie als darum, ein Mindestmaß an Transparenz im organisierten Derivatehandel zu erreichen.144 Da diese Erfordernisse ferner nicht für alle Transaktionen gelten, bestehen zwischen dem USamerikanischen und dem europäischen Verständnis des Begriffs „System“ keine großen Unterschiede.
II. Interessen am Kauf und Verkauf Wie schon die MiFID I verwendet auch die MiFID II für die Kategorien des RM und MTF das Merkmal der „Interessen am Kauf und Verkauf“. Jenes wird auf die neue OTF-Kategorie erstreckt, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nrn. 21 – 23 MiFID II, § 2 Abs. 8 Nrn. 8, 9 WpHG n.F., § 2 Abs. 1 BörsG. Konturen erlangt dieses Merkmal in Erwägungsgrund Nr. 7 S. 6 MiFID II, welcher den Begriff weit versteht in dem Sinne, dass neben Aufträgen und Kursofferten auch Interessenbekundungen und damit unverbindliche Erklärungen erfasst werden. Dagegen müssen nach der SEF-Definition die Marktteilnehmer die Möglichkeit haben, „bids and offers“ im System anzunehmen, vgl. Sec. 1a(50) CEA. Diese Wortwahl spricht dafür, dass in einer SEF nur verbindliche Erklärungen abgegeben werden dürfen. Allerdings wird es dem SEF-Betreiber freigestellt, neben einem Orderbuch ein Preisanfragesystem zu installieren, mittels dessen die Marktteilnehmer sich untereinander Aufforderungen zur Abgabe eines Angebots schicken können.145 Handelt es sich bei der Aufforderung um eine bloß unverbindliche Interessensbeurkundung, verschwinden die Unterschiede zur OTF-Kategorie, welche ihrerseits gerade auch Preisanfragesysteme erfassen will.146 Zudem müssen die Parteien verbindliche Erklärungen innerhalb des Systems abgeben, wenn es zu dem geforderten Vertragsschluss bzw. der Ausführung innerhalb des Systems kommen soll.147 Solange die Weitergabe verbindlicher Erklärungen nicht durch das System
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Für Transaktionen, die nicht der Handelspflicht unterliegen, ist der reine Telefonhandel zulässig, vgl. CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33499 (June 4, 2013). 144 Vgl. CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33501 (June 4, 2013) (unter Verweis auf Section 5 h(e) CEA; 7 U.S.C. 7b–3(e)). 145 CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33484 (June 4, 2013). 146 Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 77 (2013). 147 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 226.
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
151
selbst erfolgt, handelt es sich demnach nicht um eine SEF bzw. einen Handelsplatz i.S.d. MiFID II.148
III. Vielzahl von Handelsinteressen Gem. Art. 4 Abs. 1 Nrn. 21 – 23 MiFID II149 bringen RM, OTF und MTF die Handelsinteressen einer Vielzahl Dritter zusammen. Weder MiFID II noch MiFIR definieren dieses Merkmal weiter.150 Immerhin lässt sich Art. 18 Abs. 7 MiFID II bzw. § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 13 WpHG n.F. im Umkehrschluss entnehmen, dass bereits drei regelmäßig aktive Mitglieder bzw. Nutzer des Handelssystems, die miteinander interagieren können, ausreichen, damit ein Handelssystem in die Kategorie eines MTF oder OTF fällt. Die BaFin konstatiert in ihrem Merkblatt, dass die Vielzahl der Handelsinteressen das Gegenstück zu einer einzelfallbezogenen Abschlussvermittlung bildet und Privatanlegern kein Zugang zu gewähren ist.151 Bisweilen wird dieses Merkmal in dem Sinne ausgelegt, dass die Anzahl der Marktteilnehmer nicht begrenzt sein dürfe.152 Denn diese Systeme stünden einem breiten Publikum nicht zur Verfügung, sodass der Anlegerschutz keine Regulierung als MTF erfordere. Dies mag für einige nur von professionellen Marktakteuren genutzte Handelsplattformen zutreffen. Allerdings begrenzen auch Dark Pools den Zugang zum Handelssystem häufig, indem sie nur Aufträge uninformierter professioneller Händler akzeptieren.153 Könnte der Dark Pool-Betreiber argumentieren, sein System erfülle deswegen nicht das Merkmal der Vielzahl der Interessen, fiele der Dark Pool aus der MTF- oder OTF-Kategorie heraus. Dies widerspricht aber dem erklärten Ziel des europäischen Gesetzgebers154 und begünstigt die Diskriminierung informierter Anleger. Daher sollte zumindest für Dark Pools die Regel gelten, dass die Aufträge von drei tatsächlich aktiven Mitgliedern, die miteinander interagieren können, bereits eine Vielzahl von Handelsinteressen darstellen.
148
Vgl. zur Diskussion um den Börsenbegriff: Kümpel, WM 1990, 45, 46; Hoffmann, WM 2003, 2025, 2028. 149 Der deutsche Gesetzgeber hat dies in § 2 Abs. 8 Nrn. 8, 9 WpHG n. F. und § 2 Abs. 1 BörsG übernommen. 150 So und im Folgenden: Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1782 f. 151 BaFin, Merkblatt multilaterales Handelssystem, Juli 2013, Nr. 1 c), abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091208_tatbestand_ multilaterales_handelssystem.html (Abruf vom 12. 04. 2018). 152 So und im Folgenden: Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 2 WpHG Rn. 91. 153 Ausführlich dazu oben Kap. 1 C. IV. 1. 154 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 MiFIR.
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
IV. Interaktion Kennzeichnend sowohl für die RM- als auch für die MTF-Kategorie ist das Merkmal des Zusammenführens von (Handels-)Interessen („brings together … interests“), vgl. Art. 4 Abs. 1 Nrn. 22, 23 MiFID II. In der deutschen Sprachfassung der MiFID II sowie in § 2 Abs. 8 Nr. 9 WpHG n.F. wird dieses Merkmal auch für die OTF-Kategorie verwendet, obschon die englische Sprachfassung den Begriff der Interaktion („interacts“) verwendet, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 24 MiFID II. Das wirft die Frage auf, inwieweit beide Begriffe synonym verwendet werden können. 1. Das Zusammenführen von Aufträgen Das Merkmal des Zusammenführens von Aufträgen ist im Lichte der Funktion eines jeden Handelssystems zu sehen: Der Orderstrom soll möglichst stark gebündelt werden, um vielfältige Handelsmöglichkeiten zu schaffen.155 Das System muss also der Zentralisierung des Handels dienen, was die Transaktionskosten der Marktteilnehmer sinken lässt. Damit nicht jedes (unbedeutende) System erfasst wird, wurde für die MTF-Kategorie erwogen, das Merkmal des Zusammenführens einschränkend auszulegen. Das System müsse danach streben, einen größtmöglichen Anteil am Handelsvolumen zu erzielen, um als Handelsplatz qualifiziert zu werden.156 Dadurch würden all jene Handelsplattformen ausgenommen werden, welche nur ausgewählten Marktteilnehmern Zugang zum Handel gewähren. Eine solche Auslegung ist gerade mit Blick auf Dark Pools gefährlich, denn diese würden nicht als Handelssysteme reguliert werden, obwohl dies mit Blick auf ihr Handelsvolumen angezeigt ist.157 Zudem würde dies die Anlegerschaft in eine ZweiKlassen-Gesellschaft umformen; vor allem Informationshändler würden vom Zugang zum Handelsplatz und den dortigen Informationen ausgeschlossen, sodass die Informationseffizienz sinken könnte.158 Als Alternative kann man eine explizite Bereichsausnahme für Systeme mit überschaubarem Teilnehmerkreis diskutieren159 oder diese – nach Vorbild der US-amerikanischen Gesetzgebung160 – als Handelsplatz regulieren, aber bis zu einem gewissen Handelsvolumen von den Transparenzpflichten ausnehmen.
155
So und im Folgenden: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 223 f. m.w.N. So und im Folgenden: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 270, der die Einschränkung aber ablehnt. 157 Allgemein zu diesem Problem: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 270; vgl. auch Spindler, WM 2002, 1325, 1336. 158 Ausführlich dazu oben Kap. 1 C. IV. 1. b). 159 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 270. 160 Siehe Rule 301(b)(3)(i) Reg. ATS. 156
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
153
2. Interaktion als weiter gefasstes Merkmal Richtigerweise muss man den Begriff der „Interaktion“ als weiter ansehen als den Begriff des „Zusammenführen[s]“. Der Grund dafür liegt allerdings nicht im Ermessen des OTF-Betreibers gem. Art. 20 Abs. 6 MiFID II. Denn eine Orderzusammenführung kann auch unter Einsatz von Ermessen stattfinden, d. h. die Merkmale des „Zusammenführen“ und der „nicht-diskretionären Regeln“ sind nicht voneinander abhängig. Ausgangspunkt ist vielmehr Art. 4 Abs. 1 Nr. 19 MiFID II, welcher ein multilaterales System ohne Rücksicht auf das Zusammenführen allein anhand der Interaktion von Interessen definiert. Die Interaktion von Interessen verschiedener Parteien ist demnach jedem multilateralen System inhärent, erst das Zusammenführen dieser Interessen qualifiziert dieses System zum multilateralen Handelssystem. Ist der Begriff des Zusammenführens damit enger als jener der Interaktion, bedeutet dies, dass ein System, welches Ordern gegeneinander ausführt, das Merkmal des Zusammenführens und erst recht das Merkmal der Interaktion erfüllt. Wenn nun der Gesetzgeber für die neue OTF-Kategorie im Gegensatz zur MTFKategorie nicht das Merkmal des Zusammenführens, sondern das Merkmal der Interaktion verwendet, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass ein System nicht danach zu streben braucht, einen möglichst großen Anteil des Handels zu erfassen, um als OTF eingeordnet zu werden.161 Selbst wenn man eine solche restriktive Auslegung des Merkmals „Zusammenführen“ forderte, kann man diese also nicht auf die OTF-Kategorie übertragen. Dies hat erhebliche Konsequenzen: Vor allem solche Systeme, die bisher exklusiv einer bestimmten Anlegergruppe Zugang gewährt haben, und dadurch der Regulierung als MTF entgehen konnten, erfüllen das Merkmal der Interaktion und unterfallen damit der OTF-Kategorie. Der europäische Gesetzgeber hat den weiteren Begriff der Interaktion bewusst gewählt, um künftige Umgehungsversuche durch selektive Zugangsregeln zu verhindern. Er reagiert damit auf die Gefahr, dass im OTC-Bereich Plattformen bestehen bleiben, die einen signifikanten Anteil des Handels auf sich vereinen, ohne als Handelsplatz reguliert zu sein. Dies stünde im Widerspruch zum gesetzgeberischen Willen, den gesamten organisierten Handel an die Handelsplätze zu verlagern.162 Der Anwendungsbereich der OTF-Kategorie geht in dieser Hinsicht über jenen der MTF-Kategorie hinaus.
161 Für die OTF-Kategorie verwendet der Gesetzgeber das Merkmal der Interaktion letztlich zweimal, erstens bei der Definition des multilateralen Systems und zweitens bei der Definition des organisierten Handelssystems. Dadurch kommt es zu einer gewissen Dopplung, die bei Ausblendung der restlichen Merkmale klar zutage tritt: Ein OTF ist ein System, in dem Interessen interagieren, und in dem Interessen in einer Weise interagieren, die zu einem Vertragsschluss führt, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nrn. 19, 23 MiFID II. 162 Siehe Erwägungsgrund Nr. 8 MiFIR.
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
3. Interaktion und Handel Der Begriff der Interaktion bezieht sich aber nicht nur auf den Zugang zum Handel, sondern auch auf den Handel selbst. Besonders deutlich wird dies in Erwägungsgrund Nr. 62 MiFID II, der die Angst vieler Marktteilnehmer vor einer Übervorteilung bei einer „Interaktion“ mit Hochfrequenzhändlern und die Flucht in sichere Handelsplätze adressiert.163 Hochfrequenzhändler brauchen nicht notwendigerweise mit dem jeweiligen Marktteilnehmer selbst zu handeln, um diesem zu schaden. Gibt etwa ein Marktteilnehmer jeweils eine limitierte Kauforder für 1.000 Aktien zum Preis von 10,00 Euro an zwei verschiedenen Handelsplätzen ein, kann der Hochfrequenzhändler von der gestiegenen Nachfrage am ersten Handelsplatz erfahren und seine Verkaufsorder am zweiten Handelsplatz daran anpassen.164 Ohne dass es am ersten Handelsplatz zu einer Zusammenführung der Ordern von Marktteilnehmer und Hochfrequenzhändler kommt, verteuert sich die Orderausführung für den betroffenen Marktteilnehmer. In diesem Sinne lässt sich die Interaktion von Interessen verstehen als Austausch von Handelsinformationen, die durch Ordern und unverbindliche Kursanzeigen165 verkörpert werden.166 4. Varianten der Interaktion Auch im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht findet sich eine weite Auslegung des Begriffs der Interaktion. Dies zeigt sich insbesondere anhand der Auslegung der SEF-Kategorie durch die CFTC. Danach findet in einer SEF gerade keine „full order interaction“ in dem Sinne statt, dass eine Order immer gegen die Gegenorder mit dem besten Preis ausgeführt wird; vielmehr können die Marktteilnehmer der Orderausführung neben dem Preis weitere Parameter zugrunde legen, wodurch sie eine gewisse Flexibilität erlangen.167 Die OTF-Kategorie gesteht dagegen nicht den Handelsteilnehmern, sondern allein dem Betreiber des Handelsplatzes Ermessen zu. Ungeachtet dieses Unterschieds liegt aber die Vermutung nahe, dass der europäische 163
In der englischen Sprachfassung heißt es: „High-frequency trading may also, because of the information advantage provided to high-frequency traders, prompt investors to choose to execute trades in venues where they can avoid interaction with high-frequency traders.“ 164 Ausführlich zum elektronischen Front Running und der Slow Market Arbitrage oben: Kap. 1 A. III. 5. 165 Zur Erinnerung: Auch unverbindliche Kursanzeigen fallen unter den Begriff der „Interessen“, vgl. dazu oben: Kap. 2 B. II. 166 Vgl. FCA, MiFID II Implementation, CP15/43, S. 47 Rn. 11.10: „We are of the view that interaction in a system or facility occurs when the system or facility allows multiple trading interests to exchange information relevant to any of the essential terms of a transaction in financial instruments (being the price, quantity and subject-matter) with a view to dealing in such instruments. The information exchanged need not be complete contractual offers, but may be simply invitations to treat or ,indications of interest‘).“ 167 CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33566 (June 4, 2013).
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
155
Gesetzgeber bewusst den Begriff der Interaktion gewählt hat, um die im Vergleich zu RM und MTF größere Flexibilität der OTF bei der Orderausführung auszudrücken. 5. Sprachfehler in der deutschen Umsetzung § 2 Abs. 8 Nr. 9 WpHG n.F. enthält die deutsche Legaldefinition der OTF-Kategorie. Diese verwendet – offenbar in wortwörtlicher Übernahme der deutschen Sprachfassung der MiFID II – den Begriff „zusammenführt“. Das deutsche Umsetzungsrecht erweist sich dadurch als enger und in der Konsequenz laxer als die Richtlinie. Bei unreflektierter Anwendung unterfielen all solche Systeme nicht der OTF-Kategorie, die Aufträge nicht zusammenführen. Das deutsche Umsetzungsrecht würde dadurch den Anwendungsbereich der Richtlinie verkürzen. Es liegt nahe, dass es sich dabei um einen Übersetzungsfehler oder ein Redaktionsversehen handelt. Vor dem Hintergrund der englischen Sprachfassung der MiFID II ist allein auf das Merkmal der Interaktion abzustellen.
V. Interaktion im System hin zum Vertragsschluss Gemäß der englischen Sprachfassung der MiFID II müssen die Kauf- und Verkaufsinteressen der Dritten in einem MTF und OTF in einer Weise interagieren, die zu einem Vertragsschluss gem. Titel II der MiFID II führt, Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 MiFID II. Wie schon für die MTF-Kategorie unter MiFID I stellt sich durch die Anordnung der einzelnen Merkmale für die Handelsplätze die Frage, ob der Vertragsschluss (das Matching) innerhalb des Systems erfolgen muss.168 Verneinte man dies, könnten die Parteien innerhalb des Systems durch die Abgabe von Erklärungen in Kontakt treten, den Vertrag selbst aber außerhalb des Systems schließen. Dadurch fielen auch passive und teilaktive Inseratsysteme unter die MTF- oder OTF-Kategorie. Dass dies nicht geschehen soll, ergibt sich aus Erwägungsgrund Nr. 8 der MiFIR, wonach das unverbindliche Anbieten von Kursen, namentlich durch sog. Bulletin Boards, nicht unter die OTF-Kategorie fällt, sondern der Handel innerhalb des Systems stattfinden muss.169 Das Merkmal des Vertragsschlusses wirkt dadurch wie ein Filter: Plattformen, auf denen Handelsinteressen von Marktteilnehmern unverbindlich veröffentlicht und eingesehen werden können, erfüllen zwar die Merkmale 168
Kumpan, Regulierung, 2006, S. 229, 271. Die entscheidende Passage lautet: „(…) It should not include facilities where there is no genuine trade execution or arranging taking place in the system, such as bulletin boards used for advertising buying and selling interests, other entities aggregating or pooling potential buying or selling interests, electronic post-trade confirmation services, or portfolio compression, which reduces non-market risks in existing derivatives portfolios without changing the market risk of the portfolios. (…)“ 169
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
System, Interessen und Interaktion, fallen aber mangels verbindlicher Abschlüsse innerhalb des Systems nicht unter die OTF-Kategorie.170 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass jene Systeme, in denen Kurse verbindlich gestellt und per Anklicken oder telefonischer Bestätigung angenommen werden können, als OTF reguliert werden.171 Fasst man unter den Begriff des „Systems“ auch die Kombination aus elektronischer (verbindlicher) Anzeige und Telefonat172, findet bei einer Bestätigung per Anklicken oder Telefonat der Vertragsschluss innerhalb dieser abgrenzbaren Einheit statt, sodass auch diese Form des Handels die Voraussetzungen der OTF-Kategorie erfüllt.
VI. Multilateral/Mehrere Marktteilnehmer Multilateral ist ein System dann, wenn der Betreiber nicht selbst (risikolose) Gegenpartei eines innerhalb des Systems geschlossenen Vertrages wird, sondern nur die Interessen der Marktteilnehmer zusammenführt; im Gegensatz dazu wird der Betreiber eines bilateralen Systems immer selbst Gegenpartei der im System zustande kommenden Verträge.173 Werden in einem bilateralen System gelegentlich Aufträge zweier Nutzer zusammengeführt, avanciert das System dadurch nicht sofort zum multilateralen.174 Umgekehrt schadet der Einsatz einer zentralen Gegenpartei, die nicht identisch mit dem Systembetreiber ist, nicht der Einordnung als multilaterales System.175 Denn die zentrale Gegenpartei erleichtert den Handel zwischen den Marktteilnehmer lediglich und spielt damit eine nur untergeordnete Rolle.176
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Die FCA stellt darauf ab, dass ein Handelsinteresse nicht innerhalb des Systems auf ein anderes Handelsinteresse reagieren kann, vgl. FCA, MiFID II Implementation, CP15/43, S. 47 Rn. 11.13. 171 Vgl. dazu auch die Auslegung der FCA, MiFID II Implementation, CP15/43, S. 47, Rn. 11.11: „At a minimum, therefore, a platform will be considered a multilateral system (and hence must operate as a RM, MTF, or OTF in accordance with article 1(7) of MiFID II) if the system provides the ability for trading interests to interact with a view to dealing and: allows multiple participants to see such information about trading interest in financial instruments, or submit such information about trading interest in financial instruments for matching, and enables them, through technical systems or other facilities, to take steps to initiate a transaction, or be informed of a match“. 172 Dies wurde oben bejaht, vgl.: Kap. 2 B. I. 2. 173 Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1782 f. 174 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 231. 175 Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1782 f. 176 Seitz, AG 2004, 497, 500; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 232. *
*
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
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1. Kontroverse um die OTF-Kategorie Die neue OTF-Kategorie erfährt vor allem deswegen Kritik, weil sie einerseits wie ein Handelsplatz ausgestaltet ist, andererseits dem Betreiber Ermessen einräumt, Art. 20 Abs. 6 MiFID II. Der OTF-Betreiber sei daher nicht verpflichtet, die Aufträge nach festen Regeln zusammenzuführen, sondern dürfe gezielt nach Marktteilnehmern Ausschau halten.177 Es finde damit keine Einbeziehung aller im System vorhandenen Interessen statt, wie es für ein multilaterales Handelssystem erforderlich sei. Auf diese Kritik ist zu erwidern, dass der Handelsplatz für alle Marktteilnehmer offensteht und diese die Gelegenheit erhalten, vom OTF-Betreiber als Gegenpartei in Erwägung gezogen zu werden. Das System ist demnach darauf ausgerichtet, die Interessen verschiedener Parteien zusammenzubringen. Hinzu kommt: Der Betreiber der OTF darf selbst nicht handeln, sondern nur als risikoloser Vermittler auftreten, vgl. Art. 20 Abs. 1 – 3 MiFID II. Versteht man das Merkmal „bilateral“ gem. Erwägungsgrund Nr. 7 S. 2 MiFIR eng in dem Sinne, dass der Systembetreiber stets selbst Gegenpartei eines Geschäfts sein muss178, erfüllt es der OTF-Betreiber nicht. Umgekehrt fallen all jene Systeme, in denen stets nur eine einzige Partei auf der Gegenseite aktiv wird, aus dem Anwendungsbereich der OTF-Kategorie heraus. Namentlich betrifft dies sog. single-dealer-Plattformen und one-to-many platforms, auf denen der Betreiber, vornehmlich eine Bank, stets selbst Geschäftsgegner eines angebotenen Vertrags wird.179 Jene Plattformen sind entweder dem OTC-Bereich zuzuordnen oder unterfallen der Regulierung als SI. 2. Multilateraler Charakter der Swap Execution Facility Im US-amerikanischen Recht lässt sich die Swap Execution Facility prima facie deutlich leichter als eine Form eines multilateralen Systems einordnen. Das Merkmal „multilateral“ bildet nicht nur einen Teil der Legaldefinition180, sondern der Handel in einem SEF muss oftmals zwingend über ein Orderbuch ablaufen, welches den Marktteilnehmern das Anbieten, Aufrufen und Zusammenführen von Angeboten ermöglicht.181 Allerdings fordert die CFTC nicht, dass der SEF-Betreiber die An177
So und im Folgenden: Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 76 f. (2013); Ferrarini/ Moloney, 13 EBOR 557, 591 ff. (2012). 178 Dazu Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1782 f. 179 Erwägungsgrund Nr. 20 MiFIR; dies gilt auch für die SEF-Kategorie, vgl. CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33481 f. (June 4, 2013). 180 Vgl. Sec. 1a(50) CEA: Swap execution facility The term „swap execution facility“ means a trading system or platform in which multiple participants have the ability to execute or trade swaps by accepting bids and offers made by multiple participants in the facility or system, (…). 181 CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33483 f. (June 4, 2013).
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
frage eines Marktteilnehmers an mehr als drei andere Marktteilnehmer versendet.182 Das jeweilige Kauf- oder Verkaufsinteresse richtet sich dadurch nicht an den gesamten Markt, sondern nur eine kleine Auswahl von Marktteilnehmern.183 Um eine übermäßig Selektion zu verhindern, wird der SEF-Betreiber dazu verpflichtet, dem anfragenden Marktteilnehmer alle anderen Ordern bzgl. desselben Swaps mitzuteilen, die sich bei Eingang der ersten Kursofferte im Orderbuch befinden und ihm die Ausführung gegen diese Ordern zu ermöglichen. Allerdings darf der einzelne Marktteilnehmer frei entscheiden, welche Ordern oder Quotierungen er akzeptiert, d. h. er kann sich seine Gegenpartei(en) gezielt aussuchen. Der Wortlaut des Gesetzes steht dem nicht entgegen, setzt es doch nur für die nach der Swap Execution Facility fast wortlautidentisch geregelte Trading Facility184 voraus, dass die angebotenen Kauf- und Verkaufsgebote für alle Marktteilnehmer einsehbar sind.185 Will man die SEF-Kategorie wegen dieser Ermessensspielräume nicht als bilaterales System einordnen, muss man, wie schon bei der OTF-Kategorie, eine enge Auslegung des Merkmals „bilateral“ wählen: Da nicht der Betreiber der SEF selbst, sondern nur andere Marktteilnehmer Gegenpartei eines Geschäfts werden, handelt es sich um ein multilaterales System.186 Zudem besteht durch die Offenlegung aller vorhandenen Ordern zumindest die Möglichkeit, dass sich der die Quote anfragende Marktteilnehmer für ein bestimmtes Angebot entscheidet.187 Gegenüber dem zentralisierten und nach festen Regeln stattfindenden Handel in einem MTF oder ATS stellt dies dennoch eine Abschwächung dar. Rechtfertigen lässt sie sich damit, dass im Derivatehandel nur eine kleine Gruppe an Marktteilnehmern als Gegenpartei in Betracht kommt, die Versendung einer Preisanfrage an drei Marktteilnehmer also bereits einen bedeutenden Teil des Marktes abdecken kann. Insofern bilden OTF und SEF multilaterale Systeme zweiter Klasse.
182 CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33501 (June 4, 2013). 183 So und im Folgenden: CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33484 (June 4, 2013). 184 Sec. 1a (51) Trading facility (A) In general The term „trading facility“ means a person or group of persons that constitutes, maintains, or provides a physical or electronic facility or system in which multiple participants have the ability to execute or trade agreements, contracts, or transactions – (i) by accepting bids or offers made by other participants that are open to multiple participants in the facility or system; (…). 185 ISDA, Statutory Analysis of SEF, 2010, S. 4. 186 Eben darauf verweist die CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33482 (June 4, 2013). 187 Vgl. dazu die Auslegung der SEC, Registration and Regulation of Security-Based SEFs, Release No. 34-63825, File No. S7-06-11, S. 89 f.
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
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VII. Ermessen Die neue OTF-Kategorie hebt sich von den RM- und der MTF-Kategorie durch das neue Merkmal des „Ermessen“ („discretionary basis“) ab, Art. 20 Abs. 6 MiFID II, § 75 Abs. 6 WpHG n.F. 1. Annäherung an den Begriff Der Begriff des Ermessens gewinnt an Konturen, indem man sich ihm von zwei Seiten nähert. a) Kontrastierung mit den nicht-diskretionären Regeln Zunächst bietet sich eine Kontrastierung mit dem Gegenbegriff, den nicht-diskretionären Regeln, an. Dabei handelt es sich um solche Regeln, welche den Marktteilnehmern und dem Betreiber eines Handelsplatzes (RM, MTF) keine Dispositionsbefugnis darüber zugestehen, ob, wie und wessen Ordern zusammengeführt werden.188 Vielmehr findet eine automatische Zusammenführung einmal eingegebener Aufträge statt.189 Die Nutzer eines RM oder MTF können also nur den Zeitpunkt der Auftragseingabe selbst beeinflussen; ab der Eingabe greifen die festen Regeln über die Auftragszusammenführung. Im Umkehrschluss bedeutet Ermessen demnach Entscheidungsfreiheit bzgl. der Orderzusammenführung. Die übliche strikte Preis-Zeit-Priorität190 gilt nicht. Auch im Kontext der neuen SEF-Kategorie finden sich nicht-diskretionäre Regeln: Gem. Sec. 1a(50) CEA191 handelt es sich bei der SEF entweder um ein Handelssystem (trading system) oder eine Plattform (platform). Sec. 1a(51)(A) CEA192 188 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, WpHG, § 2 Rn. 89; Kumpan, in: Baumbach/Hopt, 38. Aufl. 2014, § 2 WpHG, Rn. 23; Assmann, in: Assmann/Schneider, 6. Aufl. 2012, § 2 WpHG, Rn. 110; Erwägungsgrund Nr. 6 S. 7 der MiFID I. Vgl. zudem die Diskussion zu Selektionsmechanismen oben Kap. 2 A. III. 4. 189 So und im Folgenden: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 273. 190 Siehe dazu Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 94 f. 191 7 U.S.C. § 1a(50) Swap Execution Facility The term „swap execution facility“ means a trading system or platform in which multiple participants have the ability to execute or trade swaps by accepting bids and offers made by multiple participants in the facility or system (…).“ 192 7 U.S.C. § 1a(51) Trading facility (A) In general The term „trading facility“ means a person or group of persons that constitutes, maintains, or provides a physical or electronic facility or system in which multiple participants have the ability to execute or trade agreements, contracts, or transactions – (i) by accepting bids or offers made by other participants that are open to multiple participants in the facility or system; or (ii) through the interaction of multiple bids or multiple offers within a system with a predetermined non-discretionary automated trade matching and execution algorithm.“
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
definiert den Begriff der Handelseinrichtung (trading facility). Dabei wird zwischen (i) dem Annehmen von Kauf- und Verkaufsangeboten und (ii) der Interaktion nach festen Regeln differenziert. Auffällig ist, dass die Definitionen der SEF und der Handelseinrichtung in Sec. 1a(51)(A)(i) CEA fast wortlautidentisch sind. Mag es auch punktuelle Abweichungen geben, so setzen beide nicht-diskretionäre Regeln nicht voraus. Tatsächlich kann die Zusammenführung von Interessen innerhalb der SEF nach Ermessen stattfinden, allerdings nicht nach dem Ermessen des Betreibers193, sondern nach dem Ermessen des einzelnen Marktteilnehmers: Mithilfe des Preisanfragesystems kann der anfragende Marktteilnehmer die Marktlage sondieren und anschließend entscheiden, mit welchen Quoten oder Ordern die Zusammenführung stattfindet.194 Er darf sich also seine Handelspartner frei aussuchen – ein Vorgehen, welches in einem auf festen Regeln beruhenden MTF ausgeschlossen ist. Für die SEF-Kategorie lässt sich dieser Spielraum mit den Besonderheiten des Derivatehandels erklären: Der anfragende Marktteilnehmer will seine Position möglichst nicht der gesamten Marktöffentlichkeit, sondern nur ausgewählten potentiellen Gegenparteien offenlegen und einen möglichst passgenauen Vertrag abschließen.195 b) Ermessen in der ökonomischen Forschung Der Begriff des Ermessens gewinnt seine zweite Facette durch die Erkenntnisse der ökonomischen Forschung. Letztere versteht unter Ermessen die Freiheit, den Zeitpunkt für die Platzierung einer Order auswählen zu können.196 Es hat sich gezeigt, dass Blockhändler ihre großen Ordern (erst) dann in ein Handelssystem eingeben, wenn dessen Liquidität besonders hoch ist. Zwar liegt es auf den ersten Blick nahe, eine große Order möglichst schnell ausführen zu lassen, um Preisrisiken, die sich über einen längeren Zeitraum erhöhen, zu vermeiden. Das Abwarten lohnt sich jedoch: Sobald Informationshändler hoch korrelierte Signale bzgl. eines hohen Grades an (uninformiertem) Liquiditätshandel erhalten, handeln sie selbst stärker. Dadurch verschärft sich der zwischen ihnen herrschende Wettbewerb um die Ausführung von Ordern; infolgedessen reduziert sich die Geld-Brief-Spanne, die Liquidität des Markts erhöht sich und die Ausführungspreise für Ordern fallen.197 Sind 193
Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 79 (2013). Vgl. CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33499 (June 4, 2013): „The SEF must provide the RFQ requester with the ability to lift the firm offers and execute against any of the responsive orders. The final rule requires that SEFs communicate any resting bid or offer pertaining to the same instrument back to the RFQ requester, while the requester retains the discretion to decide whether to execute against the resting bids or offers or responsive orders.“ 195 CFTC, Core Principles and Other Requirements for Swap Execution Facilities, 78 Fed. Reg. 33475, 33497 (June 4, 2013). 196 So und im Folgenden: Admati/Pfleiderer, 1 Rev. of Fin. Stud. 3, 3 ff., 33 f. (1988); Gomber/Schweickert/Theissen, Zooming in on Liquidity, 2004, S. 14 – 16, 18. 197 Zur Erinnerung: Informationshändler nutzen Arbitragemöglichkeiten in Form von Informationsvorsprüngen gegenüber anderen (uninformierten Händlern). Dafür greifen sie nicht 194
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
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die Liquiditätssignale dagegen nicht stark korreliert, fällt der Wettbewerb der Liquiditätsspender geringer aus. Je mehr Informationshändler dann handeln, desto größer sind der Anteil informierten Handels und damit das Risiko einer adversen Selektion für die Blockhändler.198 Durch das gezielte Abpassen von Orderkonzentrationen und Liquiditätsspitzen können sich die Blockhändler also in gewissem Maße gegen das Risiko einer adversen Selektion und einer Marktpreisbeeinflussung absichern.199 Dies gelingt ihnen typischerweise am Anfang und Ende eines Handelstages. Denn die nicht auf den Zeitpunkt der Orderausführung achtenden sog. nicht-diskretionären Händler können vor bzw. nach Ende des Handelstages nicht an der Börse handeln und damit ihre Positionen nicht verändern. Zu Beginn und Ende des täglichen Börsenhandels haben sie daher ein Interesse daran, ihre Positionen anzupassen. Dies führt zu einem vermehrten Handelsaufkommen. c) Die zwei Ermessensgegenstände von Art. 20 Abs. 6 MiFID II Es sind demnach zwei Formen von Ermessen zu unterscheiden: Die Freiheit, eine Order zu einem bestimmten Zeitpunkt zu platzieren sowie die Freiheit, eine Order mit einer anderen zusammenzuführen. Genau diese zwei Ermessensformen spiegeln Art. 20 Abs. 6 Uabs. 1 lit. a) und b) MiFID II und § 75 Abs. 6 S. 1 WpHG n.F. wider. Hinsichtlich des Ermessens bzgl. der Auftragsplatzierung bestehen noch gewisse Paralellen zur Entscheidungsfreiheit eines Marktteilnehmers in einem RM oder MTF. Ursprünglich musste sich ein Kunde für den Zeitpunkt der Orderausführung entscheiden und sich dann an eine Bank wenden, welche ihrerseits an der Börse handelt.200 Die Bank entschied dann in den Grenzen ihrer Pflicht zur bestmöglichen Ausführung über die Wahl des richtigen Handelssystems. Der OTF-Kategorie liegt demgegenüber die Idee einer Disintermediation201 zugrunde: Zu einem Crossing Network haben i. d. R. nur institutionelle Kunden Zugang, die auf die Zwischenschaltung einer Bank nicht angewiesen sind; sie interagieren unmittelbar mit der das Crossing Network betreibenden Bank.202 Diese Struktur greift die OTF-Kategorie auf, indem sie der betreibenden Bank einen Spielraum für die Orderausführung ihrer Kunden einräumt und gleichzeitig der Pflicht zur bestmöglichen Ausführung unterwirft, Art. 20 Abs. 6 Uabs. 2 lit. a) MiFID II.
nur Liquidität über Market Ordern ab, sondern spenden auch Liquidität über Limit Ordern, vgl. dazu oben Kap. 1 A. I. 3. a). 198 Admati/Pfleiderer, 1 Rev. Of Fin. Stud. 3, 19 f. (1988). 199 So und im Folgenden: Admati/Pfleiderer, 1 Rev. Of Fin. Stud. 3, 3 ff., 33 f. (1988); Gomber/Schweickert/Theissen, Zooming in on Liquidity, 2004, S. 14 – 16, 18. 200 So und im Folgenden: Seitz, AG 2004, 497, 498. 201 Diesen Begriff verwendete schon Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 56, 62. Allgemein zum Wandel des Handels durch Technologie: Brummer, 84 Fordham L. Rev. 977, 1024 ff. (2015). 202 Vgl. zum Wachstum dieser Systeme: Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 73 f., 79 f.
162
Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
Dagegen betrifft das Ermessen hinsichtlich der Rücknahme und der Zusammenführung von Ordern den innerhalb des Systems stattfindenden Handel, also jenen Bereich, für den in RM und MTF starre Regeln gelten. Es lässt den Systembetreiber zur zentralen Figur avancieren, weil er die ihm vorliegenden Aufträge zunächst prüfen und für seinen jeweiligen Kunden eine Auswahl ihm besonders geeignet erscheinender Gegenparteien treffen kann.203 Dadurch werden nicht nur Ermessensspielräume der Marktteilnehmer an den OTF-Betreiber delegiert, sondern der OTF-Betreiber erhält eigene, bisher im öffentlichen Handel nicht vorhandene Entscheidungsspielräume. In seiner Person verschmelzen dadurch die Rolle eines neutralen Marktplatzbetreibers und die eines Broker-Dealers.204
2. Die Struktur von Art. 20 Abs. 6 MiFID II Das Ermessen des OTF-Betreibers bezieht sich gem. Art. 20 Abs. 6 Uabs. 1 einerseits auf die Auftragsplatzierung und -rücknahme (lit. a), andererseits auf die Ausführung einer spezifischen Kundenorder (lit. b). Aus der englischen Sprachfassung der MiFID II ergibt sich ferner, dass Uabs. 2205 den Sonderfall des Broker Crossing Networks (BCN)206 regelt, jene also als eine eigene Sub-Kategorie der OTF behandelt werden. Die MiFID II differenziert demnach zwischen OTF mit eigener Preisfeststellung und solchen mit Preisreferenzmechanismen.207 Dieser Unterabsatz erweist sich insoweit als notwendig, als in BCN oftmals keine vollständige Zusammenführung der Aufträge möglich ist.208 Es besteht daher ein Bedürfnis der Marktteilnehmer, entweder selbst miteinander verhandeln zu können oder den Betreiber des Systems entscheiden zu lassen, in welchem Umfang eine Zusammenführung stattfinden soll. Auch die Freiheit des OTF-Betreibers zu entscheiden, wann er Aufträge zusammenführt, stellt sich als Reaktion auf die große Bandbreite der Crossing-Systeme heraus, denn diese führen Aufträge teilweise kontinuierlich, teilweise periodisch oder in gänzlich anderen Abständen209 zusammen. In welchem Verhältnis aber stehen das in Art. 20 Abs. 6 Uabs. 1 und das in Uabs. 2 MiFID II gewährte Ermessen zueinander? Bei dem in Uabs. 2 normierten Ermessen des Betreibers eines Crossing Networks kann es sich entweder um eine lex specialis oder eine Erweiterung gegenüber Uabs. 1 handeln. Der Wortlaut des Art. 20 Abs. 6 MiFID II gibt darüber keine eindeutige Auskunft. Gegen eine vollständige Verdrängung von Uabs. 1 spricht, dass man zumindest das Ermessen bei der Auftragsplatzierung und -rücknahme (Uabs. 1 lit. a)) und das Ermessen beim Crossing 203 204 205 206 207 208 209
Vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 Satz 8 der MiFID I. Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 202 f. In Deutschland umgesetzt in § 75 Abs. 6 S. 3 WpHG n. F. Dazu Kumpan, Regulierung, 2006, S. 17; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 19, 73 ff. EU-Kommission, SEC(2011) 1226 endg., S. 35. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 17; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 119. Degryse/Achter/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 3; IOSCO FR06/11, S. 13.
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
163
(Uabs. 2) anhand ihrer verschiedenen Regelungsgegenstände voneinander abgrenzen kann: Das Crossing bietet über den Preisimport die Möglichkeit, Aufträge einer Vielzahl von Kunden vergleichbar einer Börse zusammenzuführen.210 Die für den Erfolg dieses besonderen Systems notwendige Flexibilität soll dem Betreiber durch Uabs. 2 gewährt werden, d. h. das Gesetz stellt allein auf einen spezifischen Marktmechanismus ab. Dagegen regelt Uabs. 1 lit. a) die Ausführung eines einzelnen Auftrags zugunsten eines Kunden, bezieht sich also auf das Prinzipal-AgentenVerhältnis211 zwischen dem OTF-Betreiber und seinem Kunden, nicht aber auf den Markt an sich. Daraus ergibt sich ein Stufenverhältnis: Der OTF-Betreiber darf zunächst entscheiden, ob er einen einzelnen Auftrag in seinem System platziert. Liegen ihm schließlich mehrere Aufträge vor, darf er im Rahmen des Crossing entscheiden, ob, wie und wann er diese zusammenführt. Schwieriger gestaltet sich die Abgrenzung des Ermessens bei der Verweigerung der Zusammenführung von Kundenorder (Uabs. 1 lit. b)) und dem Ermessen beim Crossing (Uabs. 2). Gem. Uabs. 1 lit. b) muss der OTF-Betreiber die Zusammenführung einer spezifischen Order mit anderen Ordern verweigern, wenn dies im Einklang mit einer spezifische Kundenweisung sowie seiner Pflicht zur bestmöglichen Ausführung steht. Dagegen nimmt Uabs. 2 eine andere Perspektive ein: Beim Crossing darf der Betreiber immer frei entscheiden, wie er Ordern zusammenführt. Er darf die Zusammenführung auch dann verweigern, wenn ihm ein Kunde keine spezifische Anweisung erteilt hat. Allerdings trifft den Betreiber gem. Uabs. 3 auch beim Crossing die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung. Uabs. 2 bildet also für Crossing Networks eine Erweiterung des Handlungsspielraums, den Uabs. 1 lit. b) dem OTF-Betreiber einräumt. Dieses Auslegungsverständnis leuchtet ein, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass viele Betreiber von Crossing Networks ihren Nutzern Selektionsmechanismen anbieten, um die Zusammenführung von Ordern mit bestimmten Händlerkategorien zu verhindern.212 Wählt der Nutzer bestimmte Kategorien aus, begründet dies eine Anweisung an den Betreiber, die Zusammenführung von Ordern mit Ordern der entsprechenden Kategorie immer zu verweigern. Die Anweisung bezieht sich demnach nicht auf einen konkreten Einzelfall, sondern hat abstrakt-generellen Charakter. Art. 20 Abs. 6 Uabs. 1 lit. b) MiFID II setzt jedoch eine spezifische Order und eine spezifische Anweisung des Kunden voraus. Die Vorschrift erfasst nicht abstrakt-generelle Selektionsmechanismen, die für die Zusammenführung diverser Ordern gelten. Aus Sicht der Nutzer ist dies deswegen misslich, weil das Crossing Network sie vor strategisch handelnden Marktteilnehmer, insbesondere Hochfre-
210
Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie 2010, S. 49; EU-Kommission, SEC(2011) 1226 endg., S. 10. 211 Valiante, 21 J. of F. Reg. & Compl. 69, 73 (2013); Ferrarini/Moloney, 13 EBOR 557, 592 ff. (2012). 212 Vgl. oben: Kap. 2 A. III. 4.
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
quenzhändlern, schützen soll.213 Dafür braucht der Betreiber ein solches Ermessen bei der Orderzusammenführung, welches losgelöst von einem spezifischen Einzelfall gilt. Eben dieses Ermessen räumt ihm Art. 20 Abs. 6 Uabs. 2 MiFID II ein, indem er nicht auf die Perspektive eines einzelnen Kunden abstellt und keine spezifische Anweisung voraussetzt. Die Vorschrift bildet insofern eine auf Crossing Networks beschränkte Erweiterung des in Uabs. 2 lit. b) eingeräumten Ermessens bei der Zusammenführung von Order. 3. Einschränkungen des Ermessens Das Ermessen des OTF-Betreibers besteht nicht grenzenlos. Der Gesetzgeber hat sich gegenüber vielen Forderungen214 der Branche taub gestellt und den Anwendungsbereich des Ermessens auf den Handel selbst begrenzt. Art. 20 Abs. 6 Unterabs. 3 MiFID II215 ordnet an, dass u. a. die Pflichten der kundengünstigsten Ausführung (Art. 27), der Gewähr diskriminierungsfreien Zugangs und der Vermeidung von Interessenkonflikten (Art. 18 Abs. 3, 4) für den OTF-Betreiber gelten. Letzteren trifft als Wertpapierfirma ferner die Pflicht, Interessenkonflikte zu antizipieren und zu regeln (Art. 23 MiFID II). Dadurch wird verhindert, dass der OTFBetreiber einige Marktteilnehmer bevorzugt oder Aufträge stets in seinem System platziert, um durch eine höhere Liquidität dessen Attraktivität zu steigern.216 a) Die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung Die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung einer Kundenorder stellt einen wichtigen Baustein der Regulierung von Intermediären sowohl im US-amerikanischen als auch im europäischen Kapitalmarktrecht dar. aa) Best execution im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht In den USA ist der Broker dazu verpflichtet, alle angemessenen Vorkehrungen zu treffen, um das bestmögliche Resultat für seinen Kunden zu erzielen.217 Er muss insbesondere sicherstellen, dass er eine angemessene Zahl von Handelsplätzen darauf prüft, welche Ausführungskonditionen sie für eine Kundenorder bieten.218 213
Ausführlich zu den ökonomischen Hintergründen: Kap. 1 A. V. 1. So forderte der BVI u. a. einen Ermessenspielraum bei der Auswahl der Handelsteilnehmer, vgl. BVI, Positionspapier MiFID-Reform, 2013, S. 3. Dagegen plädierte die Gruppe Deutsche Börse für einen diskriminierungsfreien Zugang, vgl. Gruppe Deutsche Börse, Stellungnahme MiFID Review, 2011, S. 6. 215 Umgesetzt in § 75 Abs. 6 S. 5 WpHG n. F. 216 ESMA/2014/549, S. 216. 217 Newton v. Merrill, Lynch, Pierce, Fenner & Smith, 135 F.3d 266, 270 – 71 (3d Cir. 1998) m.w.N. 218 Kurz v. Fid. Mgmt. & Research Co., 556 F.3d 639, 640 (7th Cir. 2009). 214
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
165
Dazu zählen nicht nur der Preis, sondern auch die Größe der Order, die Ausführungsgeschwindigkeit, Kosten des Clearings sowie die Charakteristika des Finanzinstruments und des Marktumfelds.219 Dogmatisch leitet sich diese Pflicht aus dem Agency Law ab.220 Darüber hinaus wird sie durch FINRA Rule 5310(a)(1)221, im Wege der Selbstregulierung, kodifiziert. Handelt der Broker bisweilen nicht als Agent, sondern als Geschäftsgegner seines Kunden, lässt dieser Umstand seine Pflicht zur bestmöglichen Ausführung nicht entfallen.222 Broker, die Kundenorder in ihren eigenen Dark Pool leiten und dort selbst handeln, können sich folglich nicht ihrer Pflicht entziehen.223 Neben der Pflicht des Brokers sichert die sog. „Trade-through Rule“ oder „Order Protection Rule“ die bestmögliche Ausführung einer Kundenorder, vgl. Rule 611(a)(1) Reg. NMS.224 Diese Regel besagt, dass jeder Handelsplatz dafür Sorge tragen muss, dass eine Order nicht in seinem System ausgeführt wird, wenn an einem anderen Handelsplatz ein besserer Preis erhältlich ist. Diese Verpflichtung trifft auch die als ATS regulierten Dark Pools.225 Solange diese aber durch ein Midpoint Crossing oder andere Preisverbesserungen mit dem aktuellen NBBO mithalten können, verstößt die dortige Orderausführung nicht gegen Rule 611(a)(1)
219
Newton v. Merrill, Lynch, Pierce, Fenner & Smith, 135 F.3d 266, 270 n. 2 (3d Cir. 1998). Newton v. Merrill, Lynch, Pierce, Fenner & Smith, 135 F.3d 266, 270 (3d Cir. 1998). 221 FINRA Rule 5310. Best Execution and Interpositioning (a)(1) In any transaction for or with a customer or a customer of another broker-dealer, a member and persons associated with a member shall use reasonable diligence to ascertain the best market for the subject security and buy or sell in such market so that the resultant price to the customer is as favorable as possible under prevailing market conditions. Among the factors that will be considered in determining whether a member has used „reasonable diligence“ are: (A) the character of the market for the security (e. g., price, volatility, relative liquidity, and pressure on available communications); (B) the size and type of transaction; (C) the number of markets checked; (D) accessibility of the quotation; and (E) the terms and conditions of the order which result in the transaction, as communicated to the member and persons associated with the member. 222 Opper v. Hancock Sec. Corp., 250 F. Supp. 668, 675 (S.D.N.Y. 1966); In re Merrill Lynch, 911 F. Supp. 754, 760 (D.N.J. 1995). 223 Den Dark Pool-Betreiber trifft aber keine allgemeine Treuepflicht, wenn er als neutraler Broker-Dealer agiert, vgl. Zaza, 18 Stan. J.L. Bus. & Fin. 319, 347 f. (2012 – 2013). 224 Vgl. 17 CFR § 242.611 Order protection rule. (a) Reasonable policies and procedures. (1) A trading center shall establish, maintain, and enforce written policies and procedures that are reasonably designed to prevent trade-throughs on that trading center of protected quotations in NMS stocks that do not fall within an exception set forth in paragraph (b) of this section and, if relying on such an exception, that are reasonably designed to assure compliance with the terms of the exception. 225 Zaza, 18 Stan. J.L. Bus. & Fin. 319, 330 (2012 – 2013). 220
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Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
Reg. NMS.226 Zudem wird kein Investor durch die Regel dazu verpflichtet, seine eigene Order dem gesamten Markt gegenüber offenzulegen. Gibt er die Order verdeckt an einer Börse oder einem Dark Pool ein, muss die Order nur zum aktuell besten öffentlich einsehbaren NBBO ausgeführt werden. Der Ausführungspreis im Dark Pool darf demgegenüber besser sein. Von dieser Verbesserung erfährt der gesamte Markt aber nie etwas. bb) Pflicht zur bestmöglichen Ausführung im europäischen Kapitalmarktrecht Das europäische Kapitalmarktrecht kennt keine Trade-Through Rule.227 Dadurch wächst die Bedeutung der Pflicht zur bestmöglichen Ausführung im Wettbewerb der Handelsplätze.228 Ausweislich des Wortlauts von Art. 27 Abs. 1 Uabs. 1 MiFID II229 und dessen Stellung im zweiten Kapitel der MiFID II gilt die Pflicht für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Ordern ausführen. Die Betreiber eines MTF werden aber gem. Art. 19 Abs. 4 MiFID II230 ausgenommen. Auf diese Weise sind nur die unmittelbaren Handelsteilnehmer gegenüber deren Kunden zur bestmöglichen Ausführung verpflichtet. Dies entspricht der Vorgängerreglung in Art. 14 Abs. 3 MiFID I231. Gänzlich anders gestaltet sich die Rechtslage für die OTF-Betreiber. Art. 20 Abs. 8 MiFID II232 ordnet lapidar an, dass die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung auf (alle) Transaktionen Anwendung findet, die in einem OTF abgeschlossen werden. Darüber hinaus unterliegt der OTF-Betreiber selbst dieser Pflicht bei der Ausübung seines Ermessens doppelt, einmal gem. Art. 20 Abs. 6 Uabs. 1 lit. b) und ein zweites Mal gem. Art. 20 Abs. 6 UAbs. 3 MiFID II. Hinter dieser Abweichung von der MTF-Kategorie steht erneut die Idee der Disintermediation: Anders als der 226
So und im Folgenden: SEC, Rule 611 Memo, 2015, S. 4; Haeberle, 42 J. of Corp. L. 809, 815 f. (2017). 227 Dazu Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 204 f. 228 Vgl. v. Hein, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, WpHG § 33a Rn. 3. 229 Die englische Sprachfassung lautet: „Member States shall require that investment firms take all sufficient steps to obtain, when executing orders, the best possible result for their clients taking into account price, costs, speed, likelihood of execution and settlement, size, nature or any other consideration relevant to the execution of the order. Nevertheless, where there is a specific instruction from the client the investment firm shall execute the order following the specific instruction.“ 230 Die englische Sprachfassung lautet: „Member States shall ensure that Articles 24, 25, Article 27(1), (2) and (4) to (10) and Article 28 are not applicable to the transactions concluded under the rules governing an MTF between its members or participants or between the MTF and its members or participants in relation to the use of the MTF. However, the members of or participants in the MTF shall comply with the obligations provided for in Articles 24, 25, 27 and 28 with respect to their clients when, acting on behalf of their clients, they execute their orders through the systems of an MTF.“ 231 Vgl. dazu Kumpan, Regulierung, 2006, S. 389. 232 Die englische Sprachfassung lautet: „Member States shall ensure that Articles 24, 25, 27 and 28 are applied to the transactions concluded on an OTF.“
B. Die einzelnen Merkmale der OTF-Kategorie
167
MTF-Betreiber stellt der OTF-Betreiber nicht nur eine Dienstleistung233 für eine Vielzahl von Marktteilnehmern bereit, sondern agiert zugleich als Agent von Kunden. Der OTF-Betreiber hat daher vielfältige Anreize, seine eigenen Interessen oder die Interessen ausgewählter Kunden über die Interessen der anderen Kunden zu stellen. Vor diesem Hintergrund muss ihm das Gesetz vorschreiben, für alle Kunden die bestmögliche Ausführung zu erzielen. b) Ermessen und Pflichtenkollision Die Einschränkung des Ermessens durch die Pflicht zur kundengünstigsten Ausführung führt zu vielfältigen Problemen. Im Grundsatz gilt, dass der für den Anleger an einem RM oder MTF handelnde Agent (Broker) nicht auf Kosten seines Prinzipals handeln soll, sondern sein Handeln allein an dessen Interessen ausrichten soll.234 Dieses Prinzip funktioniert solange, wie der Agent für einen einzigen Prinzipal handelt. Der Betreiber einer OTF handelt jedoch als Agent für eine Vielzahl von Kunden, sobald er deren Aufträge in seinem System zusammenführt. Da jeder dieser Aufträge die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung gem. Art. 20 Abs. 6 UAbs. 3, 27 MiFID II auslöst, kollidieren in der Person des OTF-Betreibers gleichwertige Interessen seiner Prinzipale – er wird zum Diener gleich mehrerer Herren235. Diese Situation ist akzeptabel, soweit zwei Aufträge zusammengeführt werden, die beide andernfalls zu einem schlechteren Preis hätten ausgeführt werden müssen. Dann profitieren beide Seiten von der Transaktion, sodass der Betreiber seiner Plicht zur bestmöglichen Ausführung gegenüber beiden Seiten nachkommt.236 Schwierigkeiten ergeben sich aber, wenn der OTF-Betreiber zwei Aufträge nicht zusammenführt, durch die eine der beiden Seiten bessergestellt werden würden. Dazu kann er sich etwa deswegen veranlasst fühlen, weil er auf einer Seite einen Hochfrequenzhändler vermutet und deswegen wirtschaftliche Nachteile für seinen anderen Kunden befürchtet. Verweigert der Betreiber die Zusammenführung, mag er dadurch gegenüber einem Kunden die Pflicht zur kundengünstigsten Ausführung wahren. Er verletzt sie aber gegenüber dem anderen Kunden, dessen ausführbare (!) Order er mutwillig zurückstellt. Dieser Konflikt kann nur gelöst werden, indem man einem Auftrag zeitliche oder „inhaltliche Priorität“237 gegenüber dem anderen einräumt, den OTF-Betreiber also, wie es für einen Broker typisch ist, an die Interessen
233
Zur Qualifikation als Dienstvertrag, vgl. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 394 f. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 390. 235 Allgemein zur Kollision verschiedener Drittinteressen: Kumpan/Leyens, EFCR 2008, 72, 81 f. 236 Vgl. Kumpan, Der Interessenkonflikt, 2014, S. 473. 237 Gemeint ist, dass der Auftrag, der sofort ausgeführt werden kann, auch sofort ausgeführt werden soll, unabhängig vom Zeitpunkt seiner Eingabe, vgl. Ekkenga, in: MüKo-HGB, Band 6, 3. Aufl. 2014, Effektengeschäft Rn. 518. 234
168
Kap. 2: Dark Pools im System der Handelsorte von MiFID II
(nur) eines Kunden bindet.238 Eben diesen Lösungsansatz beinhaltet Art. 20 Abs. 6 Uabs. 1 lit. b) MiFID II, indem er die Perspektive eines bestimmten Kundenauftrags einnimmt. Demnach setzt sich die spezifische Anweisung eines Kunden gegenüber dem Interesse der Gegenseite an einer Zusammenführung durch. Die Anweisung, eine Order nicht auszuführen, stellt in gewisser Weise das Gegenteil des Grundsatzes der sofortigen Durchführbarkeit239 dar. Sieht man das in Art. 20 Abs. 6 Uabs. 2 MiFID II gewährte Ermessen als Erweiterung des in Uabs. 1 lit. b) geregelten Ermessens an240, müssen dafür die gleichen Grundsätze greifen. Demnach darf der OTF-Betreiber das Crossing verweigern, wenn ein Kunde ihm abstrakt-generelle Anweisungen zur Zusammenführung erteilt hat und er diesen sowie seiner Pflicht zur bestmöglichen Ausführung durch die Verweigerung der Zusammenführung nachkommt. Haben beide Kunden spezifische oder allgemeine Anweisungen erteilt, bietet es sich an, der zeitlich zuerst abgegebenen Order den Vorrang einzuräumen.241
C. Zusammenfassung Durch die MiFID II werden die im bisher intransparenten Aktienhandel besonders relevanten Crossing Networks entweder als Handelsplatz oder als SI reguliert. Da das Gesetz eine rein formale Betrachtung vornimmt und die SI-Kategorie Eigenhandel erlaubt, werden sich viele Crossing Networks der Regulierung als SI unterwerfen. Ist ein Crossing Network hingegen als multilaterales Handelssystem einzustufen, darf es nur nicht-diskretionäre Regeln aufstellen; Selektionsmechanismen für die Zusammenführung von Ordern wie eine Händlerkategorisierung sind unzulässig. Die neue OTF-Kategorie bildet im Derivatehandel das Pendant zum US-amerikanischen Handelsplatz der SEF. Der Betreiber des SEF übt kein Ermessen aus, ermöglicht aber seinen Nutzern, zwischen verschiedenen Angeboten auszuwählen. Die OTF-Kategorie gewährt dem Betreiber dagegen Entscheidungsspielräume bei der Orderplatzierung und Orderzusammenführung. Dadurch verschmelzen in der Person des OTF-Betreibers die Funktionen des (neutralen) Marktbetreibers und des für den Kunden handelnden Agenten. Dies führt zu vielfältigen Interessenkonflikten, welche die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung nicht vollständig aufzulösen mag.
238 Vgl. Ekkenga, in: MüKo-HGB, Band 6, 3. Aufl. 2014, Effektengeschäft Rn. 518 f. Ausführlich zum Prioritätsprinzip: Kumpan, Der Interessenkonflikt, 2014, S. 462 ff. 239 Dazu Ekkenga, in: MüKo-HGB, Band 6, 3. Aufl. 2014, Effektengeschäft Rn. 518. 240 Dazu oben Kap. 2 B. VII. 2. 241 Vgl. Ekkenga, in: MüKo-HGB, Band 6, 3. Aufl. 2014, Effektengeschäft Rn. 519.
Kapitel 3
Ein neues Transparenzregime A. Hintergründe und Systematik der MiFIR Die schnelle Verbreitung neuer Informationen spielt eine entscheidende Rolle für den effizienten Handel mit Finanzinstrumenten. Ist das Transparenzniveau zu niedrig, können die einzelnen Marktteilnehmer nur mit hohem Aufwand die aktuell besten Konditionen und geeignete Handelspartner an einem der zahlreichen Handelsplätze ermitteln.1 Zudem können die Informationshändler2 neue Informationen nur langsam in den Preis einarbeiten, sodass der Börsenpreis nur verzögert alle relevanten Informationen bzgl. eines Unternehmens widerspiegelt.3 Ein zu hohes Transparenzniveau wirkt sich allerdings ebenfalls schädlich aus: Wird jede neue Order samt darin liegender Information sofort jedem Marktteilnehmer bekannt gegeben, können große Ordern nicht mehr schonend ausgeführt werden. Der einzelne Blockhändler sieht sich sofort dem Risiko einer strategischen Marktreaktion (durch Informationshändler und Hochfrequenzhändler) ausgesetzt.4 Unterlässt er die Orderausführung aus Angst vor einem Preisanstieg oder Preisverfall, geht dem Markt Liquidität verloren. In der Folge können weniger Ordern ausgeführt werden, als dies möglich wäre und die in der Blockorder liegende Information wird nicht verarbeitet. Um diese negativen Effekte zu vermeiden, bedarf es der Gewähr von Transparenzausnahmen – Dark Pools beziehen daraus ihre Legitimation.5
1
Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 206. Als Informationshändler bezeichnet man solche Marktteilnehmer, die über einen Informationsvorsprung gegenüber anderen, sog. uninformierten Händlern verfügen und die sich ergebenden Arbitragemöglichkeiten zu Gewinnerzielung ausnutzen, vgl. oben: Kap. 1 A. I. 3. a). 3 Stenzel, Außerbörslicher Aktienhandel, Teilband 1, 1995, S. 156. 4 Ausführlich dazu oben: Kap. 1 A. III. 4. b). Dieser Effekt spielt sowohl für die Vor- als auch für die Nachhandelstransparenz eine Rolle: Will ein Blockhändler eine große Order aufspalten und sukzessive ausführen, wirkt sich auch die Bekanntgabe des bereits ausgeführten ersten Teils der Order negativ aus, vgl. Liersch, Blockhandel, 2002, S. 96 f. 5 Ausführlich zum Schutz der Blockhändler oben: Kap. 1 A. V. 1. und Kap. 1 C. III. 2
170
Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Der europäische Gesetzgeber versucht, die richtige Balance zwischen hellem und dunklem Handel durch ein ausgefeiltes Transparenzregime zu finden.6 Nachdem er unter MiFID I umfangreiche Vorgaben zur Vor- und Nachhandelstransparenz für Aktien eingeführt hat,7 weitet er diese nunmehr auf Fremdkapitalinstrumente, insbesondere Anleihen und Derivate, aus, vgl. Art. 3 – 7 und Art. 8 – 11 MiFIR. Gleichzeitig werden in bestimmten Fällen Ausnahmen von Vor- und Nachhandelstransparenz gewährt.8 Dieses Transparenzregime gilt für alle Handelsplätze (RM, MTF, OTF) gleichermaßen. Systematische Internalisierer unterliegen einem abgewandelten, aber vergleichbaren Transparenzregime, welches den Besonderheiten des Eigenhandels Rechnung tragen soll, Art. 14, 20 sowie Art. 18, 21 MiFIR.9 Der durch die Fragmentierung des Handels eintretenden Zersplitterung von Liquidität und Informationen soll durch die Einführung zentraler Informationsdienste (APA und CTP) entgegengewirkt werden.10 Darüber hinaus vollzieht der europäische Gesetzgeber einen Wandel in der Gesetzgebungstechnik: Die Transparenzvorgaben werden nicht mehr als Mindestvorgaben in einer Richtlinie formuliert, sondern in einer neuen Verordnung, der MiFIR, als unmittelbar geltendes, von den Mitgliedstaaten strikt zu befolgendes Recht fixiert. Dadurch sollen nationale Unterschiede, welche bislang eine Regulierungsarbitrage erlaubten, beseitigt werden.11 All dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der europäische Gesetzgeber den Handel mit Finanzinstrumenten so weit wie möglich an den organisierten Handelsorten (Handelsplätze und SI) stattfinden lassen will.12
6
Ob eine solche Komplexität schon i.R.d. MiFID I notwendig war, bezweifelte Kumpan, Regulierung, 2006, S. 355. Zur Gesetzgebungsgeschichte siehe Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Forword Rn. 6 ff. (im Erscheinen). 7 Siehe dazu etwa Hoops, Verborgene Liquidität, 2018, S. 114 ff. 8 Konzise Darstellung bei Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 182 ff. 9 Clausen/Sorensen, EFCR 2012, 275, 296. 10 De Meijer, 4 J. of Sec. Oper. & Cust. 39, 42 ff. (2011); Clausen/Sorensen, EFCR 2012, 275, 298; Hoops, WM 2018, 205, 206. 11 Erwägungsgrund Nr. 5 MiFIR; vgl. auch Clausen/Sorensen, EFCR 2012, 275, 294 f. 12 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 MiFIR.
B. Transparenz an den Handelsplätzen
171
Transparenzpflichten der MiFIR
Bilateraler Handel
Handelsplätze (RM, MTF, OTF)
OTC
SI
Nur NHT, Art. 20, 21
Eigenkapital-
Fremdkapital-
Eigenkapital-
Fremdkapital-
instrumente
instrumente
instrumente
instrumente
VHT
NHT
VHT
NHT
VHT
NHT
VHT
NHT
Art. 3, 4
Art. 6, 7
Art. 8, 9
Art. 10, 11
Art. 14
Art. 20
Art. 18
Art. 21
B. Transparenz an den Handelsplätzen Die neuen Transparenzvorgaben der MiFIR spielen eine wichtige Rolle für die drei Handelsplatzkategorien, welche einen Großteil des europäischen Handels mit Finanzinstrumenten auf sich vereinen.
I. Eigenkapitalinstrumente Die Vorgaben für den Handel mit Eigenkapitalinstrumenten sind vor allem für den Handel mit Aktien von Bedeutung. Da Aktien nicht an einer OTF gehandelt werden dürfen, gelten die Transparenzvorgaben insofern nur für RM und MTF, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 MiFID II.
172
Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
1. Vorhandelstransparenz Die Vorhandelstransparenz umfasst die Versorgung mit Informationen über die Auftragslage, insbesondere das (Preis-)Limit der jeweiligen Order und deren Volumen.13 a) Vorgaben Die Pflicht zur Vorhandelstransparenz für den Handel von Eigenkapitalinstrumenten an Handelsplätzen wird in Art. 3 Abs. 1 MiFIR statuiert. aa) Anwendungsbereich der Veröffentlichungspflicht Art. 3 Abs. 1 MiFIR verpflichtet den jeweiligen Betreiber des Handelsplatzes zur Veröffentlichung von Handelsinformationen, nicht aber die Wertpapierfirma, welche an dem Handelsplatz handelt.14 Die Pflicht erstreckt sich auf alle Formen von Eigenkapitalinstrumenten, sodass nicht mehr nur Aktien15, sondern auch neuartige Anlageprodukte erfasst werden. Diese Finanzinstrumente müssen nicht mehr, wie unter MiFID I, zum Handel an einem Regulierten Markt zugelassen worden sein, sondern es reicht aus, wenn das jeweilige Finanzinstrument an einem Handelsplatz gehandelt wird, Art. 3 Abs. 1 MiFIR. Diese Erweiterung ist deswegen notwendig und sinnvoll, weil zwischen den neuen Finanzinstrumenten und den klassischen Aktien kaum wirtschaftliche Unterschiede bestehen und der Handel parallel ausgestaltet ist.16 bb) Umfang der Veröffentlichungspflicht Zu veröffentlichen sind gem. Art. 3 Abs. 1 MiFIR die aktuellen Brief- und Geldkurse für das jeweilige Finanzinstrument sowie die Tiefe der Handelspositionen zu diesem Kurs. Gem. Art. 3 Abs. 2 MiFIR ist den Charakteristika der verschiedenen Handelssysteme, welche innerhalb der Handelsplätze eingesetzt werden, Rechnung zu tragen. Diese Vorgabe wird konkretisiert durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Tabelle 1 von Anhang I zur Delegierten Verordnung (EU) 2017/587, welche aufgrund der Ermächtigung in Art. 4 Abs. 6 lit. a) MiFIR erlassen wurde. Tabelle 1 von Anhang I differenziert zwischen fünf Grundtypen an Handelssystemen: Kontinuierliches ordergetriebenes System, quotierungsgetriebenes System, periodisches Auktionssys13
Rudolph/Röhrl, Grundfragen, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, 1997, S. 208. Der Begriff des Marktbetreibers wird definiert durch den Verweis in Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 MiFIR auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 MiFID II (Betreiber eines RM). Der Begriff des Handelsplatzes wird wie in der MiFID II verstanden (RM, MTF, OTF), vgl. den Verweis von Art. 2 Abs. 1 Nr. 16 MiFIR auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 24 MiFID II. 15 Vgl. Art. 29 Abs. 1 MiFID I. 16 Siehe Erwägungsgrund Nr. 12 MiFIR. 14
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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tem, Preisanfragesystem (Request for quote system) sowie hybrides System.17 In ordergetriebenen Handelssystemen müssen nicht alle Geld- und Briefkurse veröffentlicht werden, sondern es reicht aus, wenigstens für die fünf besten Kauf- und Verkaufspreise die aggregierte Menge der vorhandenen Ordern anzuzeigen. Insofern ergeben sich gegenüber dem Technical Advice von CESR für MiFID I keine Unterschiede.18 In quotierungsgetriebenen Systemen sind der beste Kauf- und Verkaufspreis eines jeden Marktmachers anzuzeigen.19 Anders als unter MiFID I werden Preisanfragesysteme ausdrücklich als weiteres transparenzrelevantes Handelssystem anerkannt und erfasst. In diesen Systemen werden die Kursofferten eines oder mehrerer handelswilliger Marktteilnehmer nur auf Anfrage erteilt und können nur vom Anfragenden, nicht aber von Dritten, für eine Transaktion akzeptiert werden.20 Wird eine Anfrage gestartet, sind all jene Kursofferten mit den dazugehörigen Volumina zu veröffentlichen, welche zu einem (sofortigen) Abschluss innerhalb des Systems führen würden. Alle weiteren, d. h. momentan nicht ausführbaren Quotierungen dürfen zur selben Zeit veröffentlichen werden. Dies muss aber nicht zwingend geschehen. Eine Pflicht zur Veröffentlichung besteht erst dann, sobald auch diese Quotierungen ausgeführt werden können.21 Damit soll eine bessere Informationsversorgung auch in illiquiden Märkten erreicht werden: Der Anfragende erhält einen Überblick über alle am jeweiligen Handelsplatz verfügbaren Ausführungsmöglichkeiten und ist nicht mehr nur auf einen oder einige wenige kontaktierte Anbieter von Quotierungen festgelegt. Zudem kann er über den Vergleich der Kursofferten sofort erkennen, welche Ausführungsmöglichkeit für ihn am günstigsten ist.22 cc) Sonderfall Marktmacher Wie schon unter MiFID I fallen auch unter MiFIR alle Marktmacher unter das Transparenzregime. Zwar scheint sich Art. 4 Abs. 6 lit. a) MiFIR mit dem Merkmal „Kursofferten bestimmter Market-Maker“ auf ausgewählte Marktmacher zu beschränken, sodass nur einige, nicht aber alle Marktmacher von der Vorhandelstransparenz nach Art. 3 Abs. 1 MiFIR erfasst werden. Jedoch sind nach Erwägungsgrund Nr. 7 MiFIR Kursofferten (von Marktmachern) als Interessen am Kauf und Verkauf zu verstehen. Soweit die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, sind 17 Vgl. dazu Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 3 Rn. 15 ff. (im Erscheinen). 18 Überblick bei Kumpan, Regulierung, 2006, S. 347 f. 19 Vgl. Tabelle 1 Annex 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587. 20 Die Veröffentlichung der Kursofferten ist nicht mehr Teil der Definition eines Preisanfragesystems, sondern Teil der Transparenzvorgaben. Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund Nr. 7 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587. Zu der genauen Funktionsweise vgl. oben: Kap. 2 B. I. 1. 21 Vgl. Annex I der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587. 22 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 7 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Marktmacher als MTF zu qualifizieren und damit gem. Art. 3 Abs. 1 MiFIR zur Transparenz verpflichtet.23 Damit stellt sich die Frage, welche Bedeutung dem Merkmal „bestimmter“ i.R.d. Art. 4 Abs. 6 lit. a) MiFIR zukommt. Die englische Sprachfassung verwendet den Begriff „designated“, ohne weiter zu erläutern, auf welche Weise ein Marktmacher ausersehen wird. Die entsprechende Vorschrift der MiFID I erfasste all jene Wertpapierfirmen als bestimmte Marktmacher welche als SI tätig sind und ihre Quotierungen über ein MTF veröffentlichen, Art. 27 Abs. 7 lit. b) ii) MiFID I; sie sind dann funktional betrachtet als Marktmacher an diesem MTF tätig.24 Zwar existiert mit Art. 17 Abs. 3 MiFIR eine parallel aufgebaute Nachfolgevorschrift, jedoch erlaubt diese nicht die Veröffentlichung über ein MTF, sondern nur über einen RM oder ein genehmigtes Veröffentlichungssystem (APA), Art. 17 Abs. 3 lit. a) i) und ii). Mit dem Merkmal „bestimmter“ können folglich nur solche Wertpapierfirmen gemeint sein, welche als SI tätig sind und ihre Kurse über einen RM oder ein APA veröffentlichen. Warum der Gesetzgeber die Veröffentlichung von Quotierungen eines SI über ein MTF ausgenommen hat, kann man nur vermuten. Wahrscheinlich möchte er die Fragmentierung der Informationslage dadurch eindämmen, dass SI ihre Kursofferten nicht über jeden Handelsplatz, sondern nur über eine begrenzte Zahl von Systemen (RM, APA, eigenes System) veröffentlichen dürfen. b) Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz Von der in Art. 3 Abs. 1 MiFIR statuierten Pflicht zur Vorhandelstransparenz bzgl. des Handels mit Eigenkapitalinstrumenten werden in Art. 4 Abs. 1 MiFIR insgesamt vier Ausnahmen, sog. waiver, zugelassen: Referenzpreissysteme (lit. aa)), ausgehandelte Geschäfte (lit. bb)), großvolumige Aufträge (lit. cc)) sowie Auftragsverwaltungssysteme (lit. dd)). Die Ausnahmen für Referenzpreissysteme und ausgehandelte Geschäfte werden ihrerseits durch zwei volumenmäßige Schranken in Art. 5 Abs. 1 MiFIR, sog. Double Volume Cap Mechanism, begrenzt. aa) Referenzpreissysteme (1) Anwendungsbereich Die von Art. 4 Abs. 1 lit. a) erfassten Referenzpreissysteme25 dienen dem Zweck, eine große Order schonend, d. h. ohne Marktreaktionen, ausführen zu können. Durch die Referenzierung auf den an einem anderen Handelsplatz ermittelten Preis findet innerhalb des Referenzpreissystems keine eigene Preisfeststellung statt. Wird dort eine große Order ausgeführt, ändert sich zwar die Angebots- oder Nachfrageseite 23
Zur MiFID I siehe Kumpan, Regulierung, 2006, S. 346 f. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 347. 25 Dazu Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 4 Rn. 9 ff. (im Erscheinen). 24
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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bzgl. des jeweiligen Finanzinstruments, jedoch wird diese Veränderung nicht im Kurs verarbeitet. Die große Order kann dadurch zu einem fixen Preis vollständig ausgeführt werden. Da der Referenzpreis i. d. R. aus dem Mittelwert der Geld-BriefSpanne einer Börse gebildet wird, sparen sich die beteiligten Händler zudem einen Teil der durch die Spanne verursachten Ausführungskosten.26 Blockhändler werden dadurch privilegiert, was sich mit dem Umstand rechtfertigen lässt, dass ihre große Order zusätzliche Liquidität schafft, welche dem Handelsplatz andernfalls verloren ginge.27 Referenzpreissysteme sind dementsprechend sehr beliebt und kommen in der überwiegenden Zahl der Dark Pools zum Einsatz.28 Die MiFIR erlaubt die Nutzung solcher Systeme weiterhin, erlegt den Betreibern allerdings strenge Restriktionen auf. Erstens darf nur auf den Preis desjenigen Marktes referenziert werden, an welchem das Finanzinstrument zum Handel zugelassen worden ist oder von dem unter Liquiditätsgesichtspunkten die höchste Bedeutung29 ausgeht. Zweitens darf grds. nur auf den Mittelwert der aktuellen Geldund Briefkurse an dem ermittelten Handelsplatz referenziert werden, Art. 4 Abs. 2 lit. a) MiFIR. Dadurch können keine größeren Preisverbesserungen bei der Orderausführung erreicht werden und die Attraktivität des Referenzpreissystems sinkt. Der europäische Gesetzgeber will dadurch mehr Händler zum Wechsel in den gewöhnlichen, „hellen“ Handel bewegen und die Nutzung von Transparenzausnahmen reduzieren.30 (2) Doppelte volumenmäßige Begrenzung (Double Volume Cap Mechanism) Ferner soll der neue Double Volume Cap Mechanism die übermäßige Nutzung von Referenzpreissystemen verhindern.31 Aus Effizienzsicht geht es darum, das Trittbrettfahrerverhalten von Dark Pools beim Import von Börsenpreisen einzuhegen und damit eine Form von Marktversagen32 zu verhindern. Der Double Volume Cap Mechanism enthält zwei Begrenzungen33: Für den Handel mit dem jeweiligen Finanzinstrument wird die Transparenzausnahme an einem einzelnen Handelsplatz für maximal 4 % des gesamten Handelsvolumens an allen EU-Handelsplätzen gewährt. Zudem darf die Transparenzausnahme an allen Handelsplätzen zusammen maximal 8 % des gesamten EU-Handelsvolumens ausmachen, Art. 5 Abs. 1 Uabs. 1 MiFIR. 26
Ausführlich dazu oben: Kap. 1 A. V. 2. Ausführlich dazu oben: Kap. 1 C. III. 28 Manche Dark Pools stellen Preise auch selbst fest, vgl. dazu den Überblick oben Kap. 1 B. III. 1 – 3. 29 Wann dies der Fall ist, wird durch ESMA im Rahmen einer aufwendigen Prüfung festgestellt, Art. 4 Abs. 6 lit. b) MiFIR. 30 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 10 MiFIR. 31 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 17 MiFIR. 32 Vgl. dazu oben: Kap. 1 C. IV. 2., 4. 33 Teilweise wird daher auch vom Double Volume Cap Mechanismus gesprochen, vgl. ESMA Final Report, 2015/1464, S. 170. 27
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Sobald der erste Schwellenwert überschritten wird, darf der betroffene Handelsplatz für die Dauer von sechs Monaten keine Transparenzausnahme für Referenzpreissysteme gewähren, Art. 5 Abs. 2. Wird auch die zweite Schwelle überschritten, dürfen alle Handelsplätze im EU-Raum die Transparenzausnahme für die Dauer von sechs Monaten nicht gewähren, Art. 5 Abs. 3 MiFIR. Die Folgen dieser neuen doppelten Begrenzung lassen sich nur schwer prognostizieren. Plausibel erscheint es jedenfalls, dass es zu einem „Venue Shopping“34 kommen wird: Anleger werden von einem Handelsplatz zum nächsten ziehen, sobald am ersten Handelsplatz die 4 %-Schwelle überschritten worden ist.35 Sie werden Handelsplätze strategisch nach dem Kriterium aussuchen, ob jene Transparenzausnahmen bieten oder nicht. Dadurch kann es zu erheblichen Liquiditätsschwankungen an einzelnen Handelsplätzen kommen.36 Will man diese nur bis zu einem gewissen Maße tolerieren und Umgehungsversuche unterbinden, ist es notwendig und richtig, mit der 8 %-Schwelle eine strikte Obergrenze für den europaweiten intransparenten Handel zu definieren. Freilich stellt sich dann die Frage, ob nicht solche Investoren benachteiligt werden, die bisher keine Transparenzausnahme genutzt haben und diese für die Zeit der sechsmonatigen Sistierung der Transparenzausnahme auch nicht nutzen können. Jene Händler könnten dann vor einer Orderaufgabe zurückschrecken, sodass dem Markt insgesamt Liquidität verloren geht.37 Trifft diese Befürchtung zu, handelt es sich aus Effizienzsicht um eine defizitäre Regelung, welche einer Revision bedarf. Freilich wird es kaum eine bessere Lösung geben, als auf das Erreichen von Schwellenwerten und eine zeitliche Prioritätsregel abzustellen. (3) Folgen des Überschreitens der Schwellenwerte Nach der deutschen Sprachfassung der MiFIR darf das Handelsvolumen des jeweils betroffenen Finanzinstruments bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten; nach einer Überschreitung ist die Gewähr der Transparenzausnahme auszusetzen. Diese Formulierung lässt Raum für verschiedene Interpretation: Muss jede Order, die sich im Orderbuch befindet, ab dem Überschreiten des Schwellenwertes sofort offengelegt werden? Oder wird jede Order, die noch unter die 34 Der Begriff wird hier angelehnt an jenen des „forum shopping“ (Nutzung des günstigstes internationalen Gerichtsstands für eine Partei). Zum „forum shopping“ siehe etwa Brinkmann, BRJ 2013, 5. 35 Wennerberg, Double Volume Caps, abrufbar unter: http://www.bobsguide.com/guide/ news/2015/Nov/30/double-volume-caps-in-mifid-ii-what-are-the-effects/ (Abruf vom 12. 04. 2018). 36 Blockhändler handeln strategisch, indem sie ihre Ordern zu Zeiten eingeben, in denen der Markt besonders liquide ist, vgl. dazu oben: Kap. 2 B. VII. 1. b). Denkbar ist, dass sich dieses Verhalten bei den Transparenzausnahmen fortsetzen wird: Aufträge werden dann eingegeben, wenn der Markt besonders liquide ist und eine Transparenzausnahme (noch) gewährt werden kann, weil die Schwellenwerte (noch) nicht überschritten worden sind. 37 O’Malley, 17 Trinity C. L. Rev. 94, 116 (2014).
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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Transparenzausnahme fällt und ggf. selbst zum Überschreiten des Schwellenwertes beigetragen hat, von der Veröffentlichung verschont? Ob die Veröffentlichungspflicht mit ex-tunc-Wirkung oder mit ex-nunc-Wirkung einsetzt, ist eine Frage mit erheblichen Auswirkungen: Sind Aufträge, die im Moment der Überschreitung des Schwellenwertes eingegeben werden, sofort zu offenbaren, müssen vor allem große Händler strategische Marktreaktionen befürchten.38 Umgekehrt sind letztere geschützt, wenn Ordern, die noch unterhalb des Erreichens des Schwellenwertes abgegeben worden sind, auch nach Überschreiten dieses Schwellenwertes nicht veröffentlicht werden. Dann ist allerdings mit einem strategischen Verhalten bzgl. der Wahl des Ortes und der Zeit der Ausführung zu rechnen: Händler werden genau den Moment abpassen, in dem der Schwellenwert noch nicht überschritten worden ist, um noch von der Ausnahme zu partizipieren. Die Liquidität innerhalb eines Handelsplatzes wird dadurch unmittelbar vor Erreichen der 4 %-Schwelle erheblich ansteigen. Richtigerweise ist von einer ex-nunc-Wirkung der Veröffentlichungspflicht auszugehen. Der Wortlaut der englischen Sprachfassung („shall be limited to“) spricht eher dafür, dass erst nach dem Überschreiten der Schwellenwerte jede (neue) Order offenbart werden muss. Zwar ist es Sinn und Zweck der doppelten volumenmäßigen Begrenzung, eine möglichst strenge Grenze für den intransparenten Handel zu etablieren, vgl. Erwägungsgrund Nr. 17 MiFIR. Allerdings geben große Händler ihre Order nur ein, wenn sie auf einen vollständigen Schutz vor Offenlegung und strategischen Marktreaktionen vertrauen können. Würde ihre Position ab dem Überschreiten der Schwellenwerte offengelegt werden, wäre dieser Schutz unvollkommen und die Händler würden von der Eingabe ihrer Ordern absehen, sodass der Markt Liquidität verlöre. Diesen Nachteil kann man nur durch eine ex-nunc-Wirkung der Veröffentlichungspflicht abwenden. bb) Ausgehandelte Transaktionen (1) Anwendungsbereich Die zweite Ausnahme von der Vorhandelstransparenz betrifft ausgehandelte Transaktionen39, Art. 4 Abs. 1 lit. b) MiFIR. Nach der Definition der EMSA handelt es sich dabei um typischerweise bilateral, abseits eines Handelsplatzes ausgehandelte Verträge, welche anschließend zur Ausführung an einen Handelsplatz wei-
38 Zwar sind sie innerhalb des Referenzpreissystems vor Preisschwankungen geschützt. Allerdings können Händler am Handelsplatz, von dem der Preis importiert wird, sofortige Preisveränderungen hervorrufen, sodass auch der importierte Preis ungünstig ausfällt, vgl. dazu Hasbrouck, Empirical Market Structure, 2007, S. 21; M. Ye, A Glimpse into the Dark, 2011, S. 9. 39 Dazu Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 4 Rn. 14 ff. (im Erscheinen).
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
tergeleitet werden.40 Ziel ist es, solche Transaktionen zu begünstigen, welche ohne eine private Absprache zwischen den betroffenen Parteien mangels Liquidität am Handelsplatz oder anderer Umstände nicht ausführbar wären.41 Dabei wird zweifach differenziert: Soll die Transaktion nicht zum aktuellen Marktpreis ausgeführt werden, kann jeder Preis gewählt werden, der nach den Regeln des Handelsplatzes zulässig ist, Art. 4 Abs. 1 lit. b) iii) MiFIR.42 Soll sie dagegen zum aktuellen Marktpreis ausgeführt werden, wird der Preisspielraum abhängig von der Liquidität eingegrenzt: Handelt es sich um ein liquides Instrument, muss die Transaktion innerhalb der Geld-Brief-Spanne ausgeführt werden und der Double Volume Cap Mechanism greift, Art. 4 Abs. 1 lit. b) i) MiFIR.43 Handelt es sich dagegen um ein illiquides Instrument, muss die Transaktion zu einem vorher festgelegten Prozentsatz eines Referenzpreises ausgeführt werden, Art. 4 Abs. 1 lit. b) ii) MiFIR.44 (2) Rückausnahme Die doppelte volumenmäßige Begrenzung gilt nur für ausgehandelte Transaktionen i.S.d. Art. 4 Abs. 1 lit. b) i) MiFIR. Bei Transaktionen, die zu einem Preis innerhalb der Geld-Brief-Spanne oder der Quotierung des Marktmachers abgeschlossen werden, ist zu befürchten, dass ein Marktteilnehmer über neue, kursverändernde Informationen verfügt und andere Marktteilnehmer für eine Transaktion bereitstünden. Werden entsprechende Orderinformationen wiederholt nicht bekannt gegeben, können Informationshändler darauf nicht zugreifen. Dies kann sich negativ auf die Informationseffizienz auswirken. Bei Geschäften, die illiquide Finanzinstrumente betreffen oder außerhalb der Geld-Brief-Spanne abgeschlossen werden, sind handelswillige Marktteilnehmer dagegen einem deutlich größeren Risiko strategischer Marktreaktionen ausgesetzt.45 Damit die in ihren Ordern liegende Liquidität nicht verloren geht, müssen sie uneingeschränkt privilegiert werden, Art. 4 Abs. 1 lit. (b) ii) und iii) MiFIR.
40
ESMA, Final Report, 2015/1464, S. 19 Rn. 17. Eine Aufzählung der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeit enthält Art. 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587. 41 ESMA, Final Report, 2015/1464, S. 19 Rn. 17; vgl. auch Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 481 zu MiFID I. 42 ESMA, Final Report, 2015/1464, S. 20 Rn. 20. Wann eine Transaktion nicht zum aktuellen Marktpreis ausgeführt wird, wird definiert in Art. 6 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587. 43 Vgl. dazu Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 4 Rn. 15 (im Erscheinen). 44 Vgl. auch ESMA, Final Report, 2015/1464, S. 20 Rn. 21. 45 Vgl. dazu Schelling, BKR 2015, 221, 223.
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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cc) Großvolumige Aufträge (1) Anwendungsbereich Die in Art. 4 Abs. 1 lit. c) MiFIR normierte Ausnahme für großvolumige Aufträge, sog. Large-in-Scale-Waiver (LIS-Waiver), dient dem Schutz großer Ordern vor einer adversen Preisreaktion und Marktverzerrungen.46 Die Schwellenwerte, ab denen ein LIS-Waiver gewährt werden kann, ergeben sich aus Art. 7 Abs. 1 und den Tabellen 1 und 2 von Annex II der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587. Abgestellt wird auf den durchschnittlichen Tagesumsatz (average daily turnover [ADT]) des jeweiligen Finanzinstruments.47 Gem. Art. 7 Abs. 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587 gilt die Transparenzausnahme auch für eine solche Order, die zum Zeitpunkt ihrer Eingabe als großvolumig galt, im Laufe der Zeit aber teilweise ausgeführt wurde und nun unterhalb der Schwelle für die Transparenzausnahme liegt, sog. resting order.48 Im Gesetzgebungsprozess war sehr umstritten, ob die verbleibende Order weiterhin vom dem LIS-Waiver profitieren sollte oder aber der Marktöffentlichkeit offenbart werden solle. Letztlich ist dies eine Frage des Blickwinkels: Stellt man allein auf die ursprüngliche Order ab, deckt die LIS-Ausnahme die Ausführung der gesamten Order ab. Beschränkt man sich dagegen auf den noch nicht ausgeführten Teil der Order, so ist dieser nicht als großvolumig anzusehen und weist damit keinen Unterschied zu anderen Ordern auf, sodass eine Privilegierung ausscheidet.49 Die ESMA schlug für dieses Problem zunächst eine vermittelnde Lösung vor, wonach die resting order zu veröffentlichen war, sobald deren Volumen weniger als 75 % der jeweiligen LIS-Schwelle ausmachte.50 Mit dem Argument, dass ein Blockhändler andernfalls sensible Informationen offenlegen müsste, schloss sich die EMSA dann aber doch der Ansicht an, dass eine teilweise ausgeführte Order überhaupt nicht zu veröffentlichen ist, selbst wenn der noch auszuführende Teil für sich gesehen die relevante LIS-Schwelle nicht (mehr) erreicht.51 Eine solche Privilegierung kann sich jedoch negativ auf die Kapitalmarkteffizienz auswirken. Obwohl die große Order schon zu einem beträchtlichen Teil ausgeführt worden ist, wird die darin liegende Information der Marktöffentlichkeit verzögert bekannt gegeben, sodass die Informationshändler erst entsprechend spät reagieren 46
ESMA 2015/1464, S. 24 Rn. 37. Vgl. dazu ESMA 2015/1464, S. 24 ff. Dieser Ausnahmetatbestand hat sich gegenüber MiFID I nicht verändert, vgl. Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 482 Fn. 330; Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 4 Rn. 20 (im Erscheinen). 48 Vgl. dazu auch ESMA 2015/1464, S. 29 Rn. 60. 49 Zusammenfassung der Diskussion bei ESMA 2015/1464, S. 29 Rn. 61. Für eine Veröffentlichung des Subs sprach sich etwa aus Gruppe Deutsche Börse, Stellungnahme MiFID Review, 2011, S. 19. 50 ESMA, Final Report, 2015/1464, S. 29 Rn. 62. 51 ESMA, Final Report, 2015/1461, S. 29 Rn. 63. 47
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
können. Die Blockhändler werden somit auf Kosten aller anderen Marktteilnehmer bevorzugt, ohne dass der Rechtfertigungsgrund der liquiditätssteigernden Wirkung noch großen Bestand hat. Die von der ESMA zunächst präferierte 75 %-Schwelle schafft hingegen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Bedürfnis nach Transparenz und dem Interesse an zusätzlicher Liquidität. Zumindest de lege ferenda sollten für teilweise ausgeführte Aufträge daher schärfere Vorgaben gelten. (2) Attraktivität für große Investoren Da die doppelte volumenmäßige Begrenzung für großvolumige Aufträge gem. Art. 4 Abs. 1 lit. c) MiFIR nicht eingreift, kann diese Transparenzausnahme unbegrenzt genutzt werden. Viele Investoren werden versuchen, möglichst häufig von dieser Ausnahme Gebrauch zu machen. Die Prognose lautet daher, dass der Orderfluss an speziell auf Blockordern ausgerichtete Dark Pools abwandern wird.52 Diese Entwicklung ist deswegen als positiv zu bewerten, weil sie den von vielen Marktteilnehmern gewünschten status quo ante wiederherstellt53 : Es werden sich einige wenige Dark Pools für die Ausführung großer Ordern herausbilden, sodass nicht mehr diverse Handelsorte im Blick zu behalten sind. Der Markt wird sich konsolidieren und aufgrund der eintretenden Zentralisierung werden die Transaktionskosten54 der Blockhändler sinken. (3) Umgehung des Large-in-Scale-Waiver durch den Waiver für Referenzpreissysteme Einige Stimmen fordern, dass die Ausnahme für Referenzpreissysteme nur für großvolumige Aufträge gelten soll.55 Sie gehen davon aus, dass viele Marktteilnehmer ungeachtet der Größe ihrer Ordern die Vorhandelstransparenz um jeden Preis vermeiden wollen und ihnen die Referenzpreissysteme als Mittel dafür sehr gelegen seien. Dies führe dazu, dass auch kleine Ordern von der Vorhandelstransparenz ausgenommen werden würden, obwohl es an einem legitimen Grund – der Vermeidung einer strategischen Marktreaktion bei einer Blockorder – fehle. In der Folge werde der gerade für große Ordern geschaffene LIS-Waiver umgangen. Um dies zu vermeiden, müssten die Schwellenwerte für das Eingreifen des LIS-Waivers entsprechend für die Ausnahme von Referenzpreissystemen gelten.56 52 Wennerberg, Double Volume Caps, abrufbar unter: Abrufbar unter: http://www.bobsgu ide.com/guide/news/2015/Nov/30/double-volume-caps-in-mifid-ii-what-are-the-effects/ (Abruf vom 12. 04. 2018). 53 Vgl. etwa den Wunsch des norwegischen Staatsfonds: http://www.handelsblatt.com/finan zen/anlagestrategie/trends/grauer-markt-norwegischer-staatsfonds-will-weniger-dark-pools-/11 684570.html (Abruf vom 12. 04. 2018). 54 Zum Problem der steigenden Transaktionskosten siehe oben Kap. 1 C. IV. 3. 55 So und im Folgenden: Gruppe Deutsche Börse, Stellungnahme MiFID Review, 2011, S. 19. 56 Vorgeschlagen werden 80 % des Volumens für den Einsatz des LIS-Waivers, vgl. Deutsche Börse Group, Stellungnahme MiFID Review, 2011, S. 19.
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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De lege lata lässt sich eine solche Beschränkung, etwa im Wege der teleologischen Reduktion von Art. 4 Abs. 1 lit. (a) MiFIR, nicht realisieren. Zwar will der europäische Gesetzgeber gem. Erwägungsgrund Nr. 10 MiFIR vollständige Transparenz an allen Handelsplätzen erreichen. Solange ein Marktteilnehmer keine große Order eingibt, muss er keine erheblichen Preisreaktionen befürchten, sodass eine Transparenzausnahme für seine Order ökonomisch nicht gerechtfertigt ist.57 Der europäische Gesetzgeber hat sich jedoch nicht für ein generelles Verbot von Preisreferenzmechanismen entschieden, sondern mit dem Double Volume Cap Mechanism eine strikte volumenabhängige Grenze gezogen. Referenzpreissysteme dürfen infolgedessen nicht unendlich, sondern nur in einem festgelegten Umfang genutzt werden. Sind diese Möglichkeiten ausgeschöpft, können Marktteilnehmer eine Transparenzausnahme nur noch dann erhalten, wenn sie einen großvolumigen Auftrag i.S.d. Art. 4 Abs. 1 lit. (c) MiFIR ausführen wollen. Insofern toleriert es der europäische Gesetzgeber bewusst, dass Referenzpreissysteme auch dann zur Vermeidung von Transparenz eingesetzt werden, wenn sie keine großvolumigen Aufträge betreffen. Diese eindeutige Entscheidung ist zu akzeptieren, auch wenn sie aus Effizienzsicht Kritik58 verdient. Zuletzt legen die Befürworter der Analogie ein zu enges Verständnis der Transparenzausnahmen zugrunde. Sie gehen davon aus, dass letztere allein dem Schutz großvolumiger Ordern dienten, andere (kleinere) Ordern daher keine Privilegierung erfahren dürften. Der europäische Gesetzgeber wählt dagegen einen weiter gefassten Ansatz: Ihm geht es nicht nur darum, großvolumige Aufträge im Interesse einer hohen Liquidität zu schützen, sondern organisierten Handelsplätzen den Einsatz von Referenzpreissystemen zu erlauben, sie dadurch attraktiver für den bisherigen OTC-Handel zu machen und den organisierten Handel insgesamt zu stärken.59 Sinn und Zweck der Transparenzausnahmen ist es demnach (auch), dass möglichst viele Ordern an den Handelsplätzen ausgeführt werden.60 Damit verträgt es sich nicht, sich ausschließlich auf große Ordern zu fokussieren. (4) Ausnutzung des Large-in-Scale-Waiver durch das Aggregieren von Ordern Manche Intermediäre können ferner versuchen, Aufträge ihrer Kunden zu aggregieren und mit ihrer Weiterleitung in ein Handelssystem abzuwarten, bis die Schwelle für den dortigen LIS-Waiver überschritten wird.61 Ob ein solches Verhalten legal ist, ist bisher nur ansatzweise diskutiert worden.
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Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality Celent Studie 2010, S. 48. Vgl. dazu oben Kap. 1 C. VII. 59 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 6, 13 MiFIR. 60 Vgl. zu Preisanfragesystemen: Schelling, BKR 2015, 221, 224. 61 Wennerberg, Double Volume Caps in MiFID II: What are the effects?, http://www.bobsgu ide.com/guide/news/2015/Nov/30/double-volume-caps-in-mifid-ii-what-are-the-effects/ (Abruf 58
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Fest steht zunächst, dass wir uns in der Phase des Orderroutings befinden, nicht aber in der Phase der Orderzusammenführung. Daher kann das in Art. 20 Abs. 6 MiFID II normierte Ermessen des OTF-Betreibers nicht als Argument für das Aggregieren von Ordern angeführt werden. Die ESMA spricht sich dafür aus, dass der LIS-Waiver nicht greift.62 Dabei bezieht sie sich jedoch nicht auf die Transparenzpflichten der MiFIR, sondern auf Art. 28 Abs. 2 MiFID II63. Dieser verpflichtet Wertpapierdienstleistungsunternehmen dazu, Kundenordern möglichst schnell auszuführen, insbesondere indem sie sie an einen Handelsplatz schicken. Jedoch ist Art. 28 Abs. 2 MiFID II insofern problematisch, als er Kunden ausdrücklich erlaubt, ihre Broker von der Pflicht zur sofortigen Ausführung zu entbinden. Institutionelle Anleger mit einem hohen Interesse an Intransparenz könnten von dieser Ausnahme Gebrauch machen. Dadurch würde die Argumentation der ESMA auf sie nicht passen. Vorzugswürdig ist es daher, in die Vorhandelstransparenzausnahmen ein Umgehungsverbot hineinzulesen, wonach nur eine einzelne große Order, nicht aber viele kleine, zusammengenommene Ordern unter den LIS-Waiver fallen. Teleologisch lässt sich dies damit begründen, dass der LIS-Waiver eine Ausnahme vom in Art. 3 Abs. 1 MiFIR verankerten Prinzip des gleichen Zugangs zu handelsbezogenen Informationen bildet. Die Ausnahme beruht auf der Annahme, dass eine große Order wertvolle Liquidität spendet, es dafür aber erforderlich ist, von einer sofortigen Veröffentlichung abzusehen. Kurz formuliert wird die Informationseffizienz zugunsten der Liquidität eingeschränkt.64 Diese Idee beansprucht aber nur so lange Geltung, wie tatsächlich große Ordern abgegeben werden. Geben verschiedene Händler kleine Ordern ab, tragen sie nicht wie ein einziger Blockhändler das Risiko, dass die Ausführung ihrer jeweiligen Order durch Hochfrequenzhändler verteuert wird. Sie brauchen daher vor der Ordereingabe auch in einem transparenten Markt nicht zurückzuschrecken65. Ihre Liquiditätsspende hängt nicht von einer Einschränkung der Vorhandelstransparenz ab, daher bedürfen sie keines Schutzes. vom 12. 04. 2018). Auf Umgehungsversuche weist ebenfalls hin Kumpan, in: Lehmann/ Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 5 Rn. 16 (im Erscheinen). 62 ESMA, Final Report, 2014/1569, S. 181 f. 63 Die englische Sprachfassung lautet: „Member States shall require that, in the case of a client limit order in respect of shares admitted to trading on a regulated market or traded on a trading venue which are not immediately executed under prevailing market conditions, investment firms are, unless the client expressly instructs otherwise, to take measures to facilitate the earliest possible execution of that order by making public immediately that client limit order in a manner which is easily accessible to other market participants. Member States may decide that investment firms comply with that obligation by transmitting the client limit order to a trading venue. Member States shall provide that the competent authorities may waive the obligation to make public a limit order that is large in scale compared with normal market size as determined under Article 4 of Regulation (EU) No 600/2014.“. 64 Ausführlich dazu oben Kap. 1 C. III. 65 Vgl. Gomber/Pierron, MiIFID Spirit and Reality, Celent-Studie, 2010, S. 61, wonach die meisten Ordern im bisherigen OTC-Handel zu klein sind, um eine Marktreaktion auszulösen.
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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Vielmehr gilt die in Art. 3 Abs. 1 MiFIR verankerte Doktrin des gleichen Informationszugangs strikt. Grammatikalisch und systematisch lässt sich diese Argumentation dadurch unterfüttern, dass Art. 4 Abs. 1 MiFIR eine abschließende Aufzählung zulässiger Ausnahmen enthält. Während Art. 7 Abs. 1 Uabs. 2 MiFIR eine verspätete Meldung einer Transaktion abseits der aufgeführten Fälle erlaubt („insbesondere“), enthält Art. 4 Abs. 1 MiFIR keine entsprechende Öffnungsklausel. Dies entspricht dem Anliegen des europäischen Gesetzgebers, dass an allen Handelsplätzen ein möglichst transparenter Handel stattfindet, vgl. Erwägungsgrund Nr. 11 MiFIR. Folglich ist das Aggregieren kleiner Ordern nicht durch den LIS-Waiver gedeckt. dd) Auftragsverwaltungssysteme Die letzte Ausnahme von der Vorhandelstransparenz betrifft Auftragsverwaltungssysteme, Art. 4 Abs. 1 lit. d) MiFIR. Art. 8 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587 enthält genaue Bestimmungen, wann eine Order unter diesen Ausnahmetatbestand fällt. Erfasst werden insbesondere sog. Iceberg Ordern66 und Reserve Ordern, deren erster Teil ausgeführt wird und für deren zweiten Teil die Ausführung ausgesetzt wird, vgl. Art. 8 Abs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587.67 Typischerweise handelt es sich dabei um großvolumige Aufträge. 2. Nachhandelstransparenz a) Vorgaben Die Pflicht zur Nachhandelstransparenz an Handelsplätzen ist für Eigenkapitalinstrumente in Art. 6 Abs. 1 MiFIR normiert und parallel zur Vorhandelstransparenz nach Art. 3 Abs. 1 MiFIR ausgestaltet. Zu veröffentlichen sind Preis bzw. Kurs, das Volumen und der Zeitpunkt des Geschäfts. Die genauen technischen Vorgaben werden geregelt in den Art. 12 ff. der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587. Die Ermächtigungsgrundlage dafür befindet sich in Art. 7 Abs. 2 MIFIR. Im Grundsatz sind die dort aufgezählten Informationen so schnell wie technisch möglich zu veröffentlichen, Art. 6 Abs. 1 MiFIR.
66
Dazu Schlag/Mönch/Schurba, in: Bessler (Hrsg.), FS H. Schmidt, 2009, S. 110. Vgl. dazu auch Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 482; Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 3 Rn. 24 (im Erscheinen). 67
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
b) Verzögerte Bekanntgabe aa) Großvolumige Aufträge Gem. Art. 7 Abs. 1 MiFIR kann ein Marktbetreiber nach einer entsprechenden Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde die Informationen über ein abgeschlossenes Geschäft verzögert veröffentlichen. Dies betrifft insbesondere Geschäfte mit großvolumigen Aufträgen, für welche Annex II der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587 ein ausdifferenziertes System bereithält. Im Handel mit Aktien wird beispielsweise je nach Volumen der Order eine Verzögerung der Veröffentlichung für die Dauer von 60 Minuten oder 120 Minuten oder bis zum Ende des Handelstages erlaubt, vgl. Annex II Tabelle 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587. Damit trägt der Gesetzgeber der liquiditätssteigernden Wirkung großer Ordern Rechnung und schützt die betroffenen Händler angemessen vor den nachteiligen Folgen der sofortigen Bekanntgabe ihrer Geschäfte.68 Denn auch die Bekanntgabe einer bereits ausgeführten Transaktion wirkt sich für einen Blockhändler nachteilig aus, wenn er plant, weitere gleichgerichtete Transaktionen unmittelbar im Anschluss vorzunehmen.69 bb) Weitere Fälle Mit der Verwendung des Wortes „insbesondere“ („in particular“) zeigt der Verordnungsgeber an, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 7 Abs. 1 MiFIR nicht nur für großvolumige Aufträge, sondern auch für andere Fälle gelten soll, in denen ein striktes Regime der Nachhandelstransparenz nachteilhafte Wirkungen entfaltet oder sich als ungeeignet erweist. Die MiFIR enthält selbst an keiner Stelle eine Aufzählung der zusätzlichen Fälle. Art. 13 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587 zählt zwar bestimmte Transaktionen auf. Diese beziehen sich jedoch auf die in Art. 20 Abs. 1 MiFIR statuierte Nachhandelstransparenz für den SI- und OTCHandel, nicht aber auf die in Art. 6 und 7 MiFIR statuierte Veröffentlichungspflicht für den Handel an Handelsplätzen. Die weiteren Ausnahmefälle von der Pflicht zur Nachhandelstransparenz lassen sich durch eine systematische Auslegung ermitteln. Einen ersten Aufschluss gibt zunächst die Kontrastierung der Ausnahmetatbestände der Nachhandelstransparenz für Eigen- und Fremdkapitalinstrumente. Art. 11 Abs. 1 Uabs. 2 MiFIR unterscheidet bei Fremdkapitalinstrumenten zwischen drei relevanten Fallgruppen: Großvolumige Aufträge, illiquide Instrumente und unangemessene Risiken für die Ausführenden. Diese Ausnahmetatbestände sind parallel ausgestaltet zu den Ausnahmetatbeständen der Vorhandelstransparenz für Fremdkapitalinstrumente in
68 69
Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 485. Liersch, Blockhandel, 2002, S. 96 f.
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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Art. 9 Abs. 1 MiFIR.70 Dies legt den Schluss nahe, die Ausnahmetatbestände für die Nachhandelstransparenz bei Eigenkapitalinstrumenten anhand der Ausnahmen für die Vorhandelstransparenz zu entwickeln, vgl. Art. 4 Abs. 1 MiFIR. Allerdings besteht zwischen den Transparenzvorgaben für Eigen- und Fremdkapitalinstrumente ein wichtiger Unterschied, der gegen eine solche entsprechende Anwendung spricht: Der Gesetzgeber hat den Double Volume Cap Mechanism nur für Eigenkapitalinstrumente eingeführt und damit eine strikte Grenze für die Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz etabliert. Dies legt den Schluss nahe, dass er auch für die Nachhandelstransparenz ein möglichst hohes Niveau erreichen möchte und daher allzu viele Ausnahmen nicht duldet. Dementsprechend sind die Ausnahmen für Referenzpreissysteme und für ausgehandelte Transaktionen innerhalb der GeldBrief-Spanne nicht analog i.R.d. Art. 7 Abs. 1 MiFIR anzuwenden. Die restlichen in Art. 4 Abs. 1 MiFIR normierten Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz können dagegen für die Bestimmung des Anwendungsbereichs von Art. 7 Abs. 1 MiFIR fruchtbar gemacht werden. Insbesondere für illiquide Aktien sollten demnach Ausnahmen von der Nachhandelstransparenz gewährt werden dürfen, vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. b) ii) MiFIR. Für Marktmacher lässt sich dieser Schutz darüber hinaus über eine entsprechende Anwendung des Art. 3 Abs. 2 MiFIR begründen. Gem. Art. 3 Abs. 2 MiFIR sind die Spezifika des jeweiligen Handelssystems bei der Ausgestaltung der Vorhandelstransparenz zu berücksichtigen. Diese Flexibilität erlaubt es, das Transparenzniveau individuell so auszugestalten, dass es die Liquidität nicht vermindert.71 Allerdings kann nicht nur die Vorhandelstransparenz, sondern auch die Nachhandelstransparenz die Transaktionskosten und die Liquidität negativ beeinflussen: Müssen Marktmacher all ihre abgeschlossenen Transaktionen sofort offenlegen, können andere Marktteilnehmer ihre Bestände einsehen und sich strategisch verhalten, weil der Marktmacher seine Positionen glattstellen muss. Gegen den Anstieg der Handelskosten sichert sich der Marktmacher seinerseits durch eine Erhöhung seiner GeldBrief-Spanne ab. Der Handel wird dadurch unattraktiver und die Liquidität sinkt. Um diesen negativen Effekt zu verhindern, sind Marktmacher im Rahmen der Nachhandelstransparenz zu privilegieren, sobald sie große Ordern ausführen oder illiquide Finanzinstrumente handeln.72 Insofern bedarf es einer analogen Anwendung des Art. 3 Abs. 2 MiFIR innerhalb des Art. 7 Abs. 1 MiFIR.
70 Art. 11 Abs. 1 lit. a) entspricht Art. 9 Abs. 1 lit. a) MiFIR; Art. 11 Abs. 1 lit. b) entspricht Art. 9 Abs. 1 lit. c) MiFIR und Art. 11 Abs. 1 lit. c) entspricht Art. 9 lit. b) MiFIR. 71 Zur Erinnerung: Besteht ein zu hohes (Vorhandels-)Transparenzniveau, müssen Händler schon bei kleinen Aufträgen sofortige strategische Marktreaktionen befürchten. Die Handelskosten steigen dadurch und die Liquidität sinkt, vgl. dazu Kap. 1 C. I. 1. c). 72 Siehe dazu Erwägungsgrund Nr. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
II. Fremdkapitalinstrumente Eine bedeutende Neuerung der MiFIR gegenüber MiFID I liegt in der Ausdehnung des Transparenzregimes auf den Handel mit Fremdkapitalinstrumenten.73 Die entsprechenden Vorgaben und Ausnahmen sind weitgehend parallel zum Handel mit Eigenkapitalinstrumenten ausgestaltet. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise 2008 ist es ihr Ziel, die Informationsversorgung des Marktes zu verbessern.74 1. Vorhandelstransparenz a) Systematik Die Vorgaben zur Vorhandelstransparenz für Fremdkapitalinstrumente in Art. 8 Abs. 1 – 3 MiFIR sind identisch mit jenen für Eigenkapitalinstrumente in Art. 3 Abs. 1 – 3 MiFIR. Die genauen Vorgaben enthalten Art. 3 Abs. 1 und Tabelle 1 von Anhang I der Delegierten Verordnung (EU) 2017/587.75 In Art. 9 Abs. 1 MiFIR werden sodann drei Ausnahmetatbestände aufgeführt, von denen die Ausnahmen für großvolumige Aufträge (lit. a)) sowie illiquide Derivate (lit. c)) starke Ähnlichkeiten zu den entsprechenden Ausnahmen für Eigenkapitalinstrumente aufweisen. Hinzu kommt die Möglichkeit, die Vorhandelstransparenz bei Liquiditätsengpässen vorübergehend auszusetzen, Art. 9 Abs. 4 MiFIR. Anders als bei den Eigenkapitalinstrumenten werden die Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz im Handel mit Fremdkapitalinstrumenten nicht durch einen Double Volume Cap Mechanism eingeschränkt. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Einschätzung angesichts des großen Handelsvolumens als richtig erweisen oder in Zukunft Transparenzausnahmen massiv genutzt werden. Für den Fall einer Umgehung oder eines Missbrauchs ist immerhin die Rücknahme der gewährten Ausnahme in Art. 9 Abs. 3 MiFIR vorgesehen. b) Preisanfragesysteme und sprachbasierte Handelssysteme Vor allem für den Handel mit Anleihen und Derivaten spielt die in Art. 8 Abs. 4 MiFIR normierte, speziell auf Preisanfragesysteme76 und sprachbasierte Handelssysteme77 zugeschnittene Rückausnahme eine wichtige Rolle. Danach sind die Betreiber der entsprechenden Systeme bei Gewähr der Ausnahme nach Art. 9 Abs. 1 73
Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 485. Erwägungsgründe Nrn. 14, 15 MiFIR. 75 Dazu Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 8 Rn. 11 (im Erscheinen). 76 In diesen System stellt ein Mitglied auf Anfrage eines anderen Mitglieds eine oder mehrere verbindliche Kursofferten, vgl. Schelling, BKR 2015, 221, 224. 77 In diesen Systemen werden Kursofferten über Fernkommunikation gestellt und akzeptiert, vgl. Schelling, BKR 2015, 221, 224. 74
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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lit. b) MiFIR verpflichtet, wenigstens indikative Vorhandelsgeld- und Vorhandelsbriefkurse zu veröffentlichen.78 Dadurch wird für diese speziellen Systeme eine zusätzliche Transparenzverpflichtung geschaffen, welche ihrer besonderen Bedeutung Rechnung trägt.79 2. Nachhandelstransparenz Die Vorgaben zur Nachhandelstransparenz für Fremdkapitalinstrumente in Art. 10 MiFIR sind mit jenen für Eigenkapitalinstrumente identisch. Unterschiede ergeben sich erst bzgl. der Ausnahmen. So sieht Art. 11 Abs. 1 MiFIR – anders als Art. 7 Abs. 1 MiFIR – drei Fälle vor, in denen Informationen über abgeschlossene Transaktionen verzögert bekannt gegeben werden dürfen. Die erste Ausnahme betrifft großvolumige Aufträge, welche eines besonderen Schutzes bedürfen, da andernfalls strategische Marktreaktionen zu befürchten sind. Diese Ausnahme existiert auch für Eigenkapitalinstrumente.80 Daneben existiert eine Ausnahme für solche Fremdkapitalinstrumente, für die es keinen liquiden Markt gibt. Der Gesetzgeber will dadurch verhindern, dass die betroffenen Handelspartner ihre Positionen dem Markt offenlegen müssen und angesichts der geringen Handelsmöglichkeiten Opfer von strategischen Marktreaktionen werden.81 Für Eigenkapitalinstrumente wurde diese Ausnahme vermutlich deswegen nicht explizit formuliert, weil der Gesetzgeber davon ausging, dass insbesondere Aktienmärkte über ein hinreichendes Liquiditätsniveau verfügen. Zuletzt wird eine Ausnahme für solche Geschäfte zugelassen, deren Umfang über das übliche Volumen hinausgeht (size specific to the instrument). Diese Ausnahme gilt nicht nur, wie die Parallelausnahme für die Vorhandelstransparenz, für sprachbasierte Systeme und Preisanfragesysteme, sondern für jedes System.82
78 Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 9 Rn. 12 (im Erscheinen). Die deutsche Sprachfassung des Art. 8 Abs. 4 MiFIR spricht missverständlich von „mindestens einen indikativen Vorhandelsgeld- und -briefkurs (…)“, die englische Sprachfassung fordert dagegen die Veröffentlichung von „at least indicative pre-trade bid and offer prices (…)“. Die Details regelt die Delegierte Verordnung (EU) 2017/583. 79 Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 486. 80 Die abweichende sprachliche Fassung des Art. 9 Abs. 1 lit. a) MiFIR dürfte Ergebnis eines Redaktionsversehens sein, vgl. Schelling, BKR 2015, 221, 227. 81 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 13 MiFIR. 82 Zu den Details: Schelling, BKR 2015, 221, 227.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
III. Adressaten der Veröffentlichungspflichten Die Pflichten zur Veröffentlichung der Vor- und Nachhandelstransparenzdaten gelten zunächst nur innerhalb und gegenüber den Teilnehmern des einzelnen Handelsplatzes.83 Dieser Adressatenkreis wird in zweifacher Weise durch die Art. 12, 13 MiFIR erweitert: Die Marktbetreiber sind zur Offenlegung der Informationen gegenüber der Öffentlichkeit sowie gegenüber SI und Wertpapierfirmen im OTCHandel verpflichtet. 1. Informationen gegenüber der Öffentlichkeit Gem. Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 MiFIR sind die Daten der Vorhandelstransparenz separat von den Daten der Nachhandelstransparenz zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen der Öffentlichkeit offenzulegen.84 Aus der englischen Sprachfassung ergibt sich, dass diese Informationen 15 Minuten nach der Veröffentlichung kostenfrei abrufbar sein müssen.85 Art. 8 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/567 erlaubt es dem Marktbetreiber, die Abnehmer der Informationen nach von dem Marktbetreiber zu veröffentlichenden, objektiven Kriterien in verschiedene Kategorien einzuordnen.86 Den Mitgliedern einer Kategorie muss der Betreiber die Informationen zu demselben Preis und unter denselben Bedingungen zugänglich machen. Auf diese Weise stellt das Gesetz sicher, dass gleichartige Anleger gleichen Zugang zu handelsbezogenen Informationen bekommen und nicht bestimmte Anleger privilegiert werden87.88 Dieses Prinzip des gleichen Informationszugangs (equal access to information) ist für emittentenbezogene Informationen seit Langem anerkannt.89 Die Details der zu veröffentlichen Daten regeln Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/572. Ziel der Trennung von Vor- und Nachhandelsinformationen ist es, die Bedürfnisse vieler Marktteilnehmer nach einer möglichst präzisen Informationsversorgung noch besser zu befriedigen.90 83 Vgl. dazu den Wortlaut von Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 MiFIR. 84 Diese Pflicht bestand auch schon nach Art. 29 Abs. 1 S. 2, Art. 30 Abs. 1 S. 3 MiFID I, vgl. dazu Kumpan, Regulierung, 2006, S. 351 f.; zur Umsetzung in das deutsche Recht siehe: Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 31 g WpHG Rn. 14 – 16; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, § 31 g Rn. 5. 85 Art. 13 Abs. 1 S. 2 MiFIR: „Such information shall be made available free of charge 15 minutes after publication.“ 86 Siehe dazu Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 194 ff. 87 Vgl. dazu oben Kap. 1 C. IV. 1. 88 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 1, 5, 14 MiFIR. 89 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 38; ders., in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 7 Rn. 38, Art. 14 Rn. 6 ff.; Veil, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 5 Rn. 4, jeweils m.w.N. 90 Erwägungsgrund Nr. 23 MiFIR; ESMA 2015/1464 Annex II, S. 360 ff.
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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2. Gegenüber Systematischen Internalisierern und OTC-Händlern Handelsplatzbetreiber müssen zudem Informationen, die der Vorhandelstransparenz von Eigenkapitalinstrumenten unterfallen, gem. Art. 3 Abs. 3 MiFIR jenen SI zugänglich machen, die einer Quotierungspflicht nach Art. 14 Abs. 1 MiFIR unterliegen. Nach Art. 6 Abs. 2 MiFIR müssen Handelsplätze sodann solchen SI und OTC-Wertpapierfirmen Zugang zu ihren Systemen und Daten der Nachhandelstransparenz gewähren, welche nach Art. 20 MiFIR selbst zur Veröffentlichung von Daten über abgeschlossene Geschäfte verpflichtet sind. Für Fremdkapitalinstrumente besteht eine parallel ausgestaltete Systematik. Nach Art. 8 Abs. 3 MiFIR muss Zugang zu den Einrichtungen der Handelsplätze für solche SI gewährt werden, welche Kursofferten nach Art. 18 MiFIR veröffentlichen müssen. Die deutsche Sprachfassung wählt hier den missverständlichen Begriff der Regelungen, während sie für Eigenkapitalinstrumente zutreffend von „Systemen“ spricht. Dabei handelt es sich wohl um ein Redaktionsversehen. Art. 10 Abs. 2 MiFIR verpflichtet die Handelsplätze sodann dazu, solchen SI und OTC-Wertpapierfirmen Zugang zu Daten über abgeschlossene Geschäfte zu gewähren, welche ihrerseits einer Veröffentlichungspflicht nach Art. 21 MiFIR unterliegen. Sinn und Zweck dieser besonderen Veröffentlichungspflichten ist es, SI und OTCWertpapierfirmen möglichst schnell und ungehindert mit den für sie besonders relevanten Handelsdaten der Handelsplätze zu versorgen. Dadurch sollen sie in der Lage sein, nahezu in Echtzeit ihre eigenen Kurse anpassen zu können und eine Übervorteilung, etwa durch Hochfrequenzhändler, zu vermeiden.91 Durch die permanente Informationsweitergabe und Anpassung der SI und OTC-Wertpapierfirmen soll ein virtuell einheitlicher Markt entstehen, welcher die durch die Fragmentierung des Handels eintretenden Nachteile eliminiert.
IV. Vergleich mit den US-amerikanischen Transparenzvorgaben 1. Nachhandelstransparenz In den USA werden die meisten Dark Pools als alternative Handelssysteme (ATS) eingestuft. Dadurch sind sie verpflichtet, sich als Broker-Dealer bei der SEC zu registrieren92 und Mitglieder der FINRA zu werden93. Die Betreiber von ATS müssen jede abgeschlossene Transaktion innerhalb von 30 Sekunden entweder der FINRA
91 92 93
Zu diesen Gefahren, vgl. Schelling, BKR 2015, 221, 222 f. Rule 301(b)(1) Reg. ATS, 17 C.F.R. § 242.301(b)(1). § 15(b) SEA, 15 U.S.C. § 78o(b).
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
oder einer Börse zu melden.94 Die FINRA unterliegt ihrerseits der gesetzlichen Pflicht, Informationen über abgeschlossene Transaktionen ihrer Mitglieder einzusammeln und zu veröffentlichen, Rule 601(a) Reg. NMS95.96 Über FINRA Rule 622297 und Rule 6380B98 stellt sie sicher, dass auch ihre OTC-Handel betreibenden Mitglieder abgeschlossene Transaktionen an sie melden. Diese Regeln gelten auch für Broker-Dealer-Internalisierungssysteme, welche sich nicht als ATS registrieren müssen.99 Anders als Art. 7 Abs. 1 MiFIR sieht die US-amerikanische Regulierung keine besondere Verzögerungsmöglichkeit für die Meldung großvolumiger Transaktionen vor.100 Insoweit erweisen sich die US-amerikanischen Regeln zur Nachhandelstransparenz als strikter als ihre europäischen Pendants. 94
Colby/Sirri, 5 CMLJ 169, 185 (2010). 17. C.F.R. § 242.601 – Dissemination of transaction reports and last sale data with respect to transactions in NMS stocks. (a)Filing and effectiveness of transaction reporting plans. (1) Every national securities exchange shall file a transaction reporting plan regarding transactions in listed equity and Nasdaq securities executed through its facilities, and every national securities association shall file a transaction reporting plan regarding transactions in listed equity and Nasdaq securities executed by its members otherwise than on a national securities exchange. (…). (b)Prohibitions and reporting requirements. (…) (2) Every broker or dealer who is a member of a national securities exchange or national securities association shall promptly transmit to the exchange or association of which it is a member all information required by any effective transaction reporting plan filed by such exchange or association (either individually or jointly with other exchanges and/or associations). 96 Haeberle, 42 J. Corp. L. 809, 820 f. (2017). 97 FINRA Rule 6622. Transaction Reporting (a) When and How Transactions are Reported (1) OTC Reporting Facility Participants shall, as soon as practicable but no later than 10 seconds after execution, transmit to the OTC Reporting Facility, or if the OTC Reporting Facility is unavailable due to system or transmission failure, by telephone to the Operations Department, last sale reports of transactions in OTC Equity Securities executed during normal market hours. Transactions not reported within 10 seconds after execution shall be designated as late. (…). 98 FINRA Rule 6380B. Transaction Reporting (a) When and How Transactions are Reported (1) Trade Reporting Facility Participants shall, within 90 seconds after execution, transmit to the FINRA/NYSE Trade Reporting Facility or, if the FINRA/NYSE Trade Reporting Facility is unavailable due to system or transmission failure, by telephone to the FINRA/NYSE TRF Operations Department, last sale reports of transactions in designated securities executed during normal market hours. Transactions not reported within 90 seconds after execution shall be designated as late. (…). 99 Haeberle, 42 J. Corp. L., 809, 822 (2017). 100 Colby/Sirri, 5 CMLJ 169, 187 (2010). 95
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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2. Vorhandelstransparenz ATS-Betreiber unterliegen der Pflicht, die Kursofferten in ihrem System zu veröffentlichen, Rule 602(a)(1) Reg. NMS101. Allerdings gilt diese Pflicht nur für solche ATS, die Quotierungen innerhalb des Systems den übrigen Marktteilnehmern offenlegen. Solange eine Quotierung verdeckt bleibt, braucht diese nicht der FINRA gemeldet werden und kann daher verborgen bleiben.102 Für Blockordern gilt gem. Rule 604(b)(4) Reg. NMS die gesetzliche Regel, dass sie verborgen bleiben (müssen), solange der Blockhändler keine anderweitige Aussage trifft. Werden Aufträge innerhalb des Systems anderen Marktteilnehmern offengelegt, muss das ATS die Preise und Volumina der höchsten Kauforder und der niedrigsten Verkaufsorder für NMS Aktien an eine Börse oder an die FINRA melden, Rule 301(b)(3)(ii) Reg. ATS103. Allerdings greift diese Veröffentlichungspflicht erst ein, sobald das ATS die Schwelle von 5 % des aggregierten durchschnittlichen Gesamthandelsvolumens für das jeweilige Finanzinstrument überschreitet.104 Die 5 %-Schwelle beruht auf der Vorstellung, dass Handelssysteme, in denen Finanzinstrumente nur in kleinem Umfang gehandelt werden, keinen wesentlichen Beitrag 101
17 C.F.R. § 242.602(a)(1): „Every (…) national securities association shall establish and maintain procedures and mechanisms for collecting bids, offers, quotations sizes, and aggregate quotations sizes from responsible brokers or dealers who are member of such . .. association, processing such bids, offers, and sizes, and making such bids, offers, and sizes available to [approved information processors] (…)“. 102 Haeberle, 42 J. Corp. L., 809, 821 (2017). 103 17 CFR 242.301 – Requirements for alternative trading systems. (3)Order display and execution access. (i) An alternative trading system shall comply with the requirements set forth in paragraph (b)(3)(ii) of this section, with respect to any NMS stock in which the alternative trading system: (A) Displays subscriber orders to any person (other than alternative trading system employees); and (B) During at least 4 of the preceding 6 calendar months, had an average daily trading volume of 5 percent or more of the aggregate average daily share volume for such NMS stock as reported by an effective transaction reporting plan. (ii) Such alternative trading system shall provide to a national securities exchange or national securities association the prices and sizes of the orders at the highest buy price and the lowest sell price for such NMS stock, displayed to more than one person in the alternative trading system, for inclusion in the quotation data made available by the national securities exchange or national securities association to vendors pursuant to § 242.602. (iii) With respect to any order displayed pursuant to paragraph (b)(3)(ii) of this section, an alternative trading system shall provide to any broker-dealer that has access to the national securities exchange or national securities association to which the alternative trading system provides the prices and sizes of displayed orders pursuant to paragraph (b)(3)(ii) of this section, the ability to effect a transaction with such orders that is: (A) Equivalent to the ability of such broker-dealer to effect a transaction with other orders displayed on the exchange or by the association; and (B) At the price of the highest priced buy order or lowest priced sell order displayed for the lesser of the cumulative size of such priced orders entered therein at such price, or the size of the execution sought by such broker-dealer. 104 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 358 m.w.N.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
zum Gesamthandel leisten und mit einer Veröffentlichungspflicht übermäßig belastet würden.105 Angesichts der Vielzahl von kleinen Dark Pools regen sich jedoch Zweifel daran, ob die 5 %-Schwelle nicht zu einer erheblichen Zersplitterung des Schattenhandels beiträgt. In den USA wird daher diskutiert, die Schwelle auf 0,25 % herab zu setzen.106 Ob dieser Schritt positive Effekte haben wird, ist unklar. So kann ein Dark Pool-Betreiber einfach mehrere Handelssysteme nebeneinander betreiben, welche alle unterhalb der 0,25 %-Schwelle liegen.107 Außerdem müssen Marktmacher im OTC-Handel ihre Quotierungen erst dann veröffentlichen, wenn sie eine Schwelle von 1 % des durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens überschreiten. Müssten ATS ihre Order ab einer Schwelle von 0,25 % veröffentlichen, könnte dies gegenüber den OTC-Marktmachern einen Wettbewerbsnachteil darstellen.108 3. Parallelen zur europäischen Regulierung Die US-amerikanische Transparenzregulierung ähnelt stark dem Double Volume Cap Mechanism in Art. 5 Abs. 1 MiFIR: Eine Ausnahme von der Vorhandelstransparenz wird nicht (mehr) gewährt, sobald ein gewisser Schwellenwert für den verdeckten Handel an dem jeweiligen Handelsplatz überschritten wird. Allerdings kennt die US-amerikanische Regulierung keine Begrenzung, wenn der intransparente Handel an allen Handelsplätzen die Schwelle von 8 % Anteil am Gesamthandel überschreitet. Die europäische Verschärfung erweist sich aus mehreren Gründen als vorzugswürdig: Erstens können auch an einem kleinen Handelsplatz wichtige Transaktionen vorgenommen werden. Werden die entsprechenden Informationen dem Markt nie i.R.d. Vorhandelstransparenz bekannt gegeben, reduziert dies den Grad der Informationsversorgung.109 Zugleich ist zu befürchten, dass sich Marktteilnehmer auf möglichst viele kleine Handelsplätze verteilen werden und die Betreiber um jeden Preis versuchen werden, unterhalb der 5 %-Schwelle zu bleiben.110 Zwar wird es vermutlich auch am europäischen Kapitalmarkt zu einer Wanderbewegung von einem Handelsplatz zum nächsten kommen.111 Der Double Volume Cap Mechanism setzt dieser Fluchtbewegung aber ein klares Ende, vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. b) MiFIR. Im Gegensatz zum US-amerikanischen Kapitalmarkt können sich die Marktteilnehmer dadurch nicht dauerhaft der Vorhandelstransparenz an einem 105
SEC, 63 Fed. Reg. 70844, 70867 (Dec. 22, 1998) (to be codified at 17 CFR Parts 202, 240, 242 and 249). 106 Colby/Sirri, 5 CMLJ 169, 189 f. (2010); Mercurio, 33 Rev. of Bank. & Fin. L. 69, 73 (2013 – 2014); Baxter, 70 Vand. L. Rev. 311, 330 f. (2017); Hintz, 13 DePaul Bus. & Comm. L. J. 329, 349 (2014 – 2015). 107 Hatch, 78 Geo. Wash. L. Rev. 1032, 1045 f. (2010). 108 Batista, 14 J. High Tech. L. 83, 108 f. (2014). 109 BSK, Empfehlungen, 2001, S. 9. 110 Vgl. Kumpan, Regulierung, S. 359. 111 Vgl. dazu oben: Kap. 3 B. I. 1. b) aa) (2) („venue shopping“).
B. Transparenz an den Handelsplätzen
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Handelsplatz entziehen. Dafür werden auf dem US-amerikanischen Kapitalmarkt abgeschlossene Transaktionen schneller als in Europa veröffentlicht.112 Es erscheint möglich, dass sich im Ergebnis zwischen beiden Rechtsordnungen kaum Unterschiede in der Informationsverarbeitung ergeben werden.
V. Zugang zum Handelssystem Die Veröffentlichung von Handelsinformationen hilft handelswilligen Marktteilnehmern wenig, wenn sie keinen Zugang zum Handel in einem Handelssystem erhalten. Dürfen Handelsplätze den Zugang zum Handel in ihrem System auf uninformierte Händler beschränken, besteht die Gefahr, dass Informationshändler benachteiligt werden.113 Es liegt daher im Interesse effizienter Märkte, Handelsplätze dazu zu verpflichten, den Zugang zu ihren Systemen nach objektiven und diskriminierungsfreien Kriterien zu regeln. In den USA sind Börsen und ATS114 gem. Rule 610(a) und (b) Reg. NMS115 dazu verpflichtet, Marktteilnehmern zu nicht-diskriminierenden Bedingungen Zugang zu ihren Quotierungen zu gewähren. Allerdings gilt dies nur, wenn in dem ATS mehr als 5 % des Handelsvolumens eines Finanzinstruments gehandelt werden. Da die meisten ATS unter der 5 %-Schwelle verbleiben, steht es ihnen frei, bestimmte Händler(-typen) zu diskriminieren.116 Werden den Nutzern des ATS gar keine Order angezeigt oder handelt es sich um ein Crossing Network, gelten die Regeln zum 112
Siehe oben Kap. 3 B. IV. 1. Vgl. dazu oben Kap. 1 C. IV. 1. b). 114 Vgl. die Definition in Rule 600(b)(78) Reg. NMS: Trading center means a national securities exchange or national securities association that operates an SRO trading facility, an alternative trading system, an exchange market maker, an OTC market maker, or any other broker or dealer that executes orders internally by trading as principal or crossing orders as agent. 115 § 242.610 Access to quotations. (a) Quotations of SRO trading facility. A national securities exchange or national securities association shall not impose unfairly discriminatory terms that prevent or inhibit any person from obtaining efficient access through a member of the national securities exchange or national securities association to the quotations in an NMS stock displayed through its SRO trading facility. (b) Quotations of SRO display-only facility. (1) Any trading center that displays quotations in an NMS stock through an SRO displayonly facility shall provide a level and cost of access to such quotations that is substantially equivalent to the level and cost of access to quotations displayed by SRO trading facilities in that stock. (2) Any trading center that displays quotations in an NMS stock through an SRO displayonly facility shall not impose unfairly discriminatory terms that prevent or inhibit any person from obtaining efficient access to such quotations through a member, subscriber, or customer of the trading center. 116 Haeberle, 42 J. Corp. L., 809, 824 (2017). 113
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
fairen Zugang sogar überhaupt nicht, Rule 301(b)(5) Reg. ATS117. Nicht unter die ATS-Kategorie fallende Internalisierungssysteme dürfen ebenfalls frei auswählen, mit wem sie kontrahieren.118 Dagegen enthalten die Zugangsregeln der MiFID II keine Schwellenwerte. Gem. Art. 53 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 3 MiFID II sind die Betreiber von RM, MTF und OTF uneingeschränkt dazu verpflichtet, transparente und diskriminierungsfreie Zugangsregeln aufzustellen, die auf objektiven Kriterien beruhen.119 Art. 53 Abs. 3 MiFID II konkretisiert die zulässigen Kriterien für die Gewähr des Zugangs zu einem RM. Dabei lässt sich zwischen einer hinreichenden persönlichen Eignung (Reputation, Handelskenntnisse) und der notwendigen technischen Ausstattung unterscheiden. Gem. Art. 19 Abs. 2 MiFID II müssen die Betreiber eines MTF diese Kriterien bei der Aufstellung ihrer eigenen Zugangsregeln ebenfalls beachten. Dagegen sind OTF-Betreiber nicht an diese Kriterien gebunden.120 Der EU-Gesetzgeber
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17 CFR 242.301 – Requirements for alternative trading systems. (5) Fair access. (i) An alternative trading system shall comply with the requirements in paragraph (b)(5)(ii) of this section, if during at least 4 of the preceding 6 calendar months, such alternative trading system had: (A) With respect to any NMS stock, 5 percent or more of the average daily volume in that security reported by an effective transaction reporting plan; (B) With respect to an equity security that is not an NMS stock and for which transactions are reported to a self-regulatory organization, 5 percent or more of the average daily trading volume in that security as calculated by the self-regulatory organization to which such transactions are reported; (C) With respect to municipal securities, 5 percent or more of the average daily volume traded in the United States; or (D) With respect to corporate debt securities, 5 percent or more of the average daily volume traded in the United States. (ii) An alternative trading system shall: (A) Establish written standards for granting access to trading on its system; (B) Not unreasonably prohibit or limit any person in respect to access to services offered by such alternative trading system by applying the standards established under paragraph (b)(5)(ii)(A) of this section in an unfair or discriminatory manner; (iii) Notwithstanding paragraph (b)(5)(i) of this section, an alternative trading system shall not be required to comply with the requirements in paragraph (b)(5)(ii) of this section, if such alternative trading system: (A) Matches customer orders for a security with other customer orders; (B) Such customers’ orders are not displayed to any person, other than employees of the alternative trading system; and (C) Such orders are executed at a price for such security disseminated by an effective transaction reporting plan, or derived from such prices. 118 Haeberle, 42 J. Corp. L., 809, 824 f. (2017). 119 Vgl. dazu ESMA Q&A Market Structure, Stand 02. 04. 2019, S. 37 f. Die Umsetzung in das deutsche Recht erfolgte in § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG n. F. und § 19 BörsG. Zur Umsetzung der Vorgaben von MiFID I in § 19 BörsG siehe Beck, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 19 BörsG Rn. 3. 120 Güllner, WM 2017, 938, 944 f.
C. Transparenzvorgaben für Systematische Internalisierer
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will ihnen eine gewisse Flexibilität im Umgang mit ihren Kunden einräumen.121 Es bleibt abzuwarten, ob die OTF-Betreiber diese Freiheit dazu nutzen werden, unliebsame Händler von ihren Systemen fernzuhalten. Für Preisanfragesysteme hat die ESMA jedenfalls klargestellt, dass der Betreiber die Zahl der Marktteilnehmer, von denen ein Nutzer Quotierungen erhalten kann, nicht beschränken darf.122 Andernfalls werden Nutzer darin eingeschränkt, auf vorhandene Liquidität zuzugreifen. Diese Form der Regulierung ist gegenüber der US-amerikanischen vorzugswürdig, weil sie nicht per se den Ausschluss von Händlern aus dem Handelssystem und die Entstehung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft von Anlegern123 begünstigt. Anders als in den USA wird gewährleistet, dass Informationshändler auch außerhalb der Börsen auf uninformierte Händler treffen können. Dadurch konzentriert sich der informierte Handel wahrscheinlich nicht an den Börsen, sodass die (uninformierten) Liquiditätsspender die Geld-Brief-Spannen nicht zu weiten brauchen.124
C. Transparenzvorgaben für Systematische Internalisierer Systematische Internalisierer können Liquidität von den Handelsplätzen abziehen und zur Fragmentierung des Marktes beitragen.125 Damit die Marktteilnehmer in die Lage versetzt werden, die gesamte Marktlage einschätzen zu können, werden die SI zur Veröffentlichung ihrer Konditionen verpflichtet.126 Zudem beugt die MiFIR der Gefahr eines Trittbrettfahrerverhaltens127 vor: SI orientieren sich bei ihren Quotierungen i. d. R. an den Börsenpreisen, d. h. sie tragen selbst nicht zur Preisfindung bei, sondern nutzen das öffentliche Gut Börsenpreis für sich aus.128 Damit nicht unbemerkt ein Großteil des Handels zu den SI abwandert und es dadurch zu einer Unterversorgung mit Informationen kommt, müssen auch SI ihre Preise veröffentlichen. Allerdings muss man zugunsten der SI berücksichtigen, dass ein zu hoher Grad an
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Vgl. Erwägungsgrund Nr. 14: (…) OTF [sollten] in der Lage sein, unter Berücksichtigung unter anderem der Rolle und der Verpflichtungen, die sie hinsichtlich ihrer Kunden haben, den Zugang zu bestimmen und einzuschränken. (…)“. 122 So und im Folgenden: ESMA Q&A Market Structure, Stand 02. 04. 2019, S. 37 f. 123 Dazu oben Kap. 1 C. IV. 1. b). 124 Zu dieser Problematik: Haeberle, 42 J. of Corp. L. 809, 826 f. (2017). 125 Schelling, BKR 2015, 221, 222. 126 Zur Rechtslage unter MiFID I, vgl. Bialluch, WM 2015, 2030, 2033; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32 WpHG Rn. 1 m.w.N. 127 Das Trittbrettfahrerverhalten bzw. die Ausnutzung eines öffentlichen Guts sind eine Form von Marktversagen, die durch Dark Pools eintreten und eine Regulierung erforderlich machen, vgl. dazu oben: Kap. 1 C. IV. 4. 128 So und im Folgenden: Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 131.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Transparenz die Gefahr einer adversen Selektion begründet.129 Daher müssen in besonderen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht zugelassen werden. Das gesetzliche System der Offenlegungspflichten für SI ist umgekehrt zu den Transparenzpflichten der Handelsplätze aufgebaut: Zunächst wird zwischen Vorund Nachhandelstransparenz unterschieden, Art. 14 – 19 MiFIR und Art. 20 – 22 MiFIR. Innerhalb der Vorgaben zur Vor- und Nachhandelstransparenz wird dann weiter zwischen Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten differenziert, wobei sich der genaue Umfang der Veröffentlichungspflichten nach der Liquidität des jeweiligen Instruments richtet. Diese abweichende Systematik mag auf dem Umstand beruhen, dass die Nachhandelstransparenz nicht nur für SI, sondern auch für jede im OTCBereich handelnde Wertpapierfirmen gilt und der Veordnungsgesetzgeber diese beiden Formen des bilateralen Handels zusammen regeln wollte. Um die Unterschiede gegenüber den Transparenzpflichten für Handelsplätze besser erörtern zu können, werden die Veröffentlichungspflichten des SI parallel zu den Transparenzpflichten analysiert.
I. Eigenkapitalinstrumente 1. Quotierungspflicht Ein systematischer Internalisierer schließt innerhalb seines Systems Geschäfte stets selbst mit Kunden ab, betreibt also Eigenhandel.130 Versteht man den Begriff der Vorhandelstransparenz eng in dem Sinne, dass sie Informationen über die vielfältigen Handelsmöglichkeiten an einem Handelsplatz bietet, passt dieser Begriff nicht auf einen SI, welcher allein seine eigenen Kursofferten/Quotierungen für den Handel offenlegt.131 Statt des Begriffs der Vorhandelstransparenz verwendet man daher besser jenen der Quotierungspflicht.132 a) Strikte Quotierungspflicht für liquide Eigenkapitalinstrumente Für liquide Eigenkapitalinstrumente legt die MiFIR die Veröffentlichungspflichten des SI in zwei Schritten fest: Zunächst muss der SI gegenüber den Kunden 129 Informationshändler können aufgrund ihres Informationsvorsprungs mit den SI für letztere nachteilhafte Geschäfte eingehen, vgl. Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 140; ebenso Schelling, BKR 2015, 221, 223. 130 Konziser Überblick über die verschiedenen Varianten des Eigenhandels bei Bialluch, WM 2015, 2030 f. 131 Während der SI funktional wie ein einzelner Market Maker handelt, ist an einem Handelsplatz eine Reihe von Market Makern aktiv, welche in ihrer Gesamtheit die Vor- und Nachhandelstransparenz prägen. Die Tätigkeit des SI ist daher wie die Quotierung durch einen einzelnen Market Maker anzusehen. 132 Schelling, BKR 2015, 221, 222.
C. Transparenzvorgaben für Systematische Internalisierer
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des Systems seine verbindlichen Kursofferten regelmäßig und kontinuierlich offenlegen133, Art. 14 Abs. 1 Uabs. 1, 15 Abs. 1 Uabs. 1 S. 1 MiFIR. Dabei darf er unter den engen Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 MiFIR bestimmten Kunden den Zugang zu den angebotenen Kursofferten verwehren. Innerhalb des Systems besteht damit eine strikte Quotierungspflicht, an welche sodann die Pflicht zur Veröffentlichung der Kursofferten gegenüber der gesamten Marktöffentlichkeit anknüpft, Art. 15 Abs. 1 Uabs. 3.134 aa) Anwendungsbereich der Quotierungspflicht Die Quotierungspflicht des Art. 14 Abs. 1 Uabs. 1 MiFIR ist mit der Vorgängervorschrift des Art. 27 Abs. 1 Uabs. 1 MiFID I135 inhaltlich identisch, allein der Anwendungsbereich erweitert sich. Sie besteht fortan nicht mehr nur für Aktien, die zum Handel an einem Regulierten Markt zugelassen sind, sondern für alle Eigenkapitalinstrumente, welche an einem Handelsplatz (RM, MTF, OTF) gehandelt werden. Der Gesetzgeber reagiert damit auf die Entwicklung, dass ein bedeutender Anteil des Handels mit Finanzinstrumenten auch auf anderen Handelsplätzen als den Regulierten Märkten stattfindet. Die entsprechenden Marktteilnehmer haben ein hohes Interesse daran, die Konditionen des SI und die dort ggf. bestehenden günstigeren Ausführungsmöglichkeiten zu erfahren.136 Aus Art. 14 Abs. 1 Uabs. 2 und Abs. 2 MiFIR ergeben sich sodann zwei Einschränkungen: Die Quotierungspflicht greift nicht, wenn es an einem liquiden Markt für das jeweilige Finanzinstrument fehlt137 oder an einem liquiden Markt Aufträge oberhalb der Standardmarktgröße ausgeführt werden138. Beide Ausnahmen waren bereits in der MiFID I enthalten139 und dienen gleichermaßen dem Schutz des SI vor einer strategischen Marktreaktion.140 Denn der SI kann in einem illiquiden Umfeld oder nach Ausführung einer großen Order seine Bestände nur langsam und mit erheblichem Aufwand glattstellen. Könnten andere Marktteilnehmer die Position des
133 Dadurch erlangen die Kunden Zugang zum Handel des SI. Eigener Zugangsregeln für den SI bedarf es daher nicht, vgl. zur Vorgängervorschrift: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 387. 134 Diese Systematik bestand schon unter Art. 27 Abs. 1, 3 Uabs. 2 MiFID I. Sie ist in § 32a WpHG nicht erkennbar, weil der deutsche Gesetzgeber die beiden Stufen miteinander vermischt. Zur alten Rechtslage vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32a WpHG Rn. 2. 135 Diese Vorschrift wurde ihrerseits umgesetzt in § 32a Abs. 1 S. 1 WpHG. 136 Zur Lage unter MiFID I: Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, § 32a WpHG Rn. 2. 137 Wann ein Markt als liquide anzusehen ist, wird durch die ESMA festgelegt, vgl. Art. 14 Abs. 7 MiFIR. 138 Dazu Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 14 Rn. 8 ff. (im Erscheinen). 139 Art. 27 Abs. 1 Uabs. 1 und 2 MiFID I. 140 Mülbert, Transparenzregeln, Arbeitspapiere 2003, S. 21.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
SI ungehindert einsehen, würden sie entweder das Verhalten des SI kopieren141 oder die Glattstellung von dessen Position durch Preisveränderungen verteuern.142 bb) Zivilrechtliche Qualifizierung der Kursofferten Schließt der SI zu seinen offengelegten Kusofferten mit einem Kunden ein Geschäft ab, handelt es sich zivilrechtlich um einen Kaufvertrag.143 In diesem Kontext ist umstritten, ob die gem. Art. 14 Abs. 1 Uabs. 1 MiFIR festzulegende „verbindliche Kursofferte“ („firm quote“) des SI einen verbindlichen Antrag ad incertas personas i.S.d. § 145 BGB144 oder eine unverbindliche invitatio ad offerendum145 darstellt. Ist der SI an seine Quoten gem. § 145 BGB gebunden, entsteht ein faktischer Kontrahierungszwang, kann er sich doch dann seinen Vertragspartner innerhalb des Systems nicht selbst aussuchen146 sowie den Inhalt des Vertrages wegen der starren Vorgaben des Art. 15 Abs. 3 MiFIR nur eingeschränkt bestimmen.147 Die eigentliche Problematik liegt darin, dass sich ein verbindliches Angebot i.S.d. bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäftslehre nur schwer in Einklang bringen lässt mit den weiteren Quotierungsvorgaben der MiFIR.148 Dies gilt vor allem für die Möglichkeiten der ständigen Aktualisierung und des Zurückziehens der Offerten gem. Art. 15 Abs. 1 Uabs. 1 MiFIR149 sowie die Berechtigung des SI, die Anzahl der mit einem Kunden getätigten Geschäfte zu beschränken, Art. 17 Abs. 2 MiFIR. Die genannten Vorgaben räumen dem SI eine gewisse Flexibilität ein, was dafür spricht, 141 Dies werden sie bei einer großen Order dann tun, wenn sie davon ausgehen, dass dahinter eine neue Information steckt, vgl. zum Informationseffekt Kap. 1 A. III. 4. b). 142 Ausführlich zur strategischen Marktreaktion beim Blockhandel im quotegetrieben Handel oben Kap. 1 A. III. 4. c). 143 Bialluch, WM 2015, 2030, 2032 m.w.N. 144 So Mülbert, Transparenzregeln, Arbeitspapiere 2003, S. 28; Assmann, in: Assmann/ Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32a WpHG Rn. 2; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 364; Beck/Röth, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 32a WpHG Rn. 2; Bialluch, WM 2015, 2030, 2034. 145 Schelling, BKR 2015, 221, 226. 146 Art. 18 Abs. 5 MiFIR erlaubt es dem SI allerdings, den Zugang von Kunden zu beschränken, dazu sogleich. 147 Zur Rechtslage unter § 32a WpHG: Bialluch, WM 2015, 2030, 2033; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, § 32a WpHG Rn. 4; von einer Kontrahierungspflicht spricht auch Schelling, BKR 2015, 221, 226. 148 An dieser Stelle kann man die (grundsätzlichere) Frage stellen, auf welche Art und Weise die Vorgaben der MiFIR Wirkungen im Zivilrecht entfalten. Man gelangt dann zu einer Problematik, welche mit der Diskussion um die zivilrechtliche Wirkung der §§ 31 ff. WpHG vergleichbar ist, vgl. dazu etwa Forschner, Wechselwirkungen, 2014, S. 98 ff. Allerdings ist zu beachten, dass die MiFIR als Verordnung eine unmittelbare Geltung im nationalen Recht beansprucht. Man müsste dementsprechend untersuchen, ob ihre Vorgaben nur im Aufsichtsrecht oder auch im Zivilrecht unmittelbar gelten. 149 Ausführliche Diskussion der Voraussetzungen und der zivilrechtlichen Qualifikation des Zurückziehens bei Bialluch, WM 2015, 2030, 2034.
C. Transparenzvorgaben für Systematische Internalisierer
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dass seine Quotierung nur eine invitatio ad offerendum darstellt. Alternativ kann man in der Aktualisierung und dem Zurückziehen jeweils den Widerruf eines verbindlichen Angebots sehen.150 Das Recht zur Beschränkung der abgeschlossenen Geschäfte muss man als einen Fall behandeln, in dem es dem SI nach dem Gesetz ausnahmsweise erlaubt ist, die Bindung an seinen Antrag gem. § 145 BGB (gegenüber einem spezifischen Kunden) auszuschließen. Der konstruktive Aufwand der zweiten Variante fällt höher aus als bei einer Qualifizierung der Kursofferten als invitatio ad offerendum, ohne dass sich im Ergebnis etwas ändert. Dies spricht dafür, die Kursofferten als invitatio ad offerendum zu behandeln. cc) Zugangsgewähr Der in Art. 17 Abs. 1 MiFIR verwendete Begriff des Zugangs zu Kursofferten bedeutet nichts anderes, als dass es möglich sein muss, mit dem SI zu dessen Quotierungen einen Vertrag abschließen zu können.151 Der SI ist nicht verpflichtet, allen Marktteilnehmern diese Möglichkeit zu gewähren, darf Zugangsbeschränkungen jedoch nur in nicht diskriminierender und objektiver Weise vornehmen.152 Unklar ist, wem gegenüber diese Pflicht besteht. Gem. Art. 25 Abs. 5 S. 1 MiFID I konnte der SI entscheiden, welchen Anlegern („investor“)153 er Zugang zu den Quotierungen in diskriminierungsfreier Weise gewährt. Aus diesem Wortlaut wurde geschlussfolgert, der SI könne den Zugang auf den Kreis seiner eigenen Kunden beschränken.154 Nach Art. 16 Abs. 1 MiFIR kann der SI dagegen entscheiden, ob er bestimmten Kunden („client“) den Zugang zu den Kursofferten verweigert. Versteht man den Kundenbegriff eng in dem Sinne, dass bereits eine Geschäftsbeziehung zum SI bestehen muss, bevor zu den Kursofferten gehandelt wird, ist der SI nicht gegenüber allen Marktteilnehmern, sondern nur gegenüber seinen eigenen Kunden zum diskriminierungsfreien Zugang verpflichtet. Dann könnte er gegenüber allen anderen Marktteilnehmern, zu denen keine Geschäftsbeziehung besteht, den Abschluss eines Geschäfts prinzipiell verweigern. Insbesondere aus
150 Bei der Aktualisierung muss sodann sofort ein neuer Antrag abgegeben werden, beim Zurückziehen darf abgewartet werden vgl. Bialluch, WM 2015, 2030, 2034; Beck/Röth, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 32a WpHG Rn. 26 f. Die Autoren nennen die Vorschrift nicht, gehen aber wohl von einem Widerruf nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB aus; vgl. auch Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32a WpHG Rn. 12. 151 Beck/Röth, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 32d WpHG Rn. 3. 152 Insofern ergeben sich keine Unterschiede zu Art. 27 Abs. 5 und § 32d Abs. 1 S. 1 WpHG, vgl. dazu Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32d WpHG Rn. 2. 153 Die MiFID I verwendet an dieser Stelle den Begriff des Anlegers („investor“), nicht aber den des Kunden („client“), vgl. Art. 27 Abs. 5 MiFID I. 154 Beck/Röth, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Auflage 2010, § 32a WpHG Rn. 3; gegen dieses Auslegungsverständnis wendet sich Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32a WpHG Rn. 2; andeutungsweise auch Seitz, AG 2004, 497, 504.
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Sicht des SI lästige Marktteilnehmer wie Informationshändler155 hätten dann keinen unmittelbaren Zugriff auf die Handelsmöglichkeiten.156 Dadurch könnten Marktteilnehmer die sich durch die Internalisierung bietenden Arbitragemöglichkeiten nicht nutzen, was zur Folge hätte, dass der SI seine Kusofferten nicht sofort an neue Informationen anpasst.157 Der Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 S. 3 MiFIR158 setzt jedoch eindeutig eine vorherige Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und dem SI voraus. Für dieses Erfordernis spricht ferner, dass die systematische Internalisierung eine zusätzliche Dienstleistung einer Bank gegenüber Anlegern darstellt. Müsste die Bank diese Dienstleistung jeden Marktteilnehmer unabhängig von einer vorherigen Geschäftsbeziehung anbieten, zwänge man der Bank Rechtsverhältnisse mit fremden Personen auf. Nur Kunden, die vorher mit der Bank bereits verbunden waren, etwa durch eine Kontobeziehung, werden demnach von der Zugangsregel erfasst.159 dd) Veröffentlichungspflicht gegenüber der Marktöffentlichkeit An die systeminterne Quotierungspflicht knüpft sodann die Pflicht zur Veröffentlichung der Kursofferten gegenüber der gesamten Marktöffentlichkeit gem. Art. 15 Abs. 1 Uabs. 1, Abs. 3 lit. a) MiFIR an. Im Vergleich zur wortlautidentischen Vorgängervorschrift des Art. 27 Abs. 3 Uabs. 1 S. 1 MiFID I ergeben sich keine Unterschiede, sodass auf die dortigen Grundsätze verwiesen werden kann. Danach darf der SI die Veröffentlichung seiner Kusofferten an die Zahlung eines Entgelts knüpfen, darf jedoch nicht durch zu hohe Preise eine Kulisse der Abschreckung errichten.160 Zudem muss allen zahlungsbereiten Marktteilnehmern in gleicher Weise der Zugang gewährt werden.161 Kleinanleger erlangen dadurch zwar keine Kenntnis von den sich durch die systematische Internalisierung bietenden Handelsmöglichkeiten.162 Ihnen gehen aber keine besseren Ausführungsmöglichkeiten verloren, weil die SI sich am Börsenpreis orientieren und ihre Kursofferten die aktuellen Marktbedingungen widerspiegeln sollen, Art. 14 Abs. 3 S. 3 MiFIR163. 155 Zur Erinnerung: Informationshändler nutzen Informationsarbitragemöglichkeiten gegenüber uninformierten Marktteilnehmern aus, vgl. Kap. 1 A. I. 3. a). 156 Auf die Gefahr, dass Arbitragemöglichkeiten durch den SI eliminiert werden, verweist bereits Seitz, AG 2004, 497, 504. 157 Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32d WpHG Rn. 1 f., der insbesondere die Konkurrentenabwehr als unzulässig aufführt; siehe auch Seitz, AG 2004, 504. 158 Aus dem Wortlaut der englischen Sprachfassung des Art. 17 Abs. 1 S. 3 MiFIR wird dies deutlich: „Systematic internalisers may refuse to enter into or discontinue business relationships with clients on the basis of commercial considerations such as the client credit status, the counterparty risk and the final settlement of the transaction.“ 159 Weiter dagegen für MiFID I: Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, § 32d Rn. 2 f. 160 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, § 31 g WpHG Rn. 5 (zur inhaltsgleichen Vorschrift für MTF). 161 Forst, BKR 2009, 454, 455. 162 Forst, BKR 2009, 454, 455. 163 Zu dieser Vorschrift siehe auch unten Kap. 3 C. III. 2.
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b) Quotierung bei illiquiden Eigenkapitalinstrumenten Besteht für das jeweilige Finanzinstrument kein liquider Markt, wird der SI insofern privilegiert, als er nicht permanent, sondern nur auf Anfrage von Kunden seine Kurofferten offenlegen muss, Art. 14 Abs. 1 Uabs. 2 MiFIR. Insofern bleibt es bei der bereits unter MiFID I geltenden Kompromisslösung: Auch auf den illiquiden Märkten soll es ein hinreichendes Niveau an Transparenz geben. Die in diesem Segment aktiven SI sollen jedoch nicht durch eine strikte Offenlegungspflicht strategischen Marktreaktionen ausgesetzt und dadurch übermäßig belastet werden.164 Im Grundsatz gelten für die auf Anfrage erteilten Quoten dieselben Regeln wie für die strikt zu veröffentlichen Quoten, Art. 14 – 17 MiFIR. aa) Offenlegung und Zugangsgewähr Aus der Differenzierung des Art. 14 Abs. 1 Uabs. 1 und 2 MiFIR ergibt sich, dass der SI seine Kursofferten für Eigenkapitalinstrumente, die nur auf einem illiquiden Markt gehandelt werden, nur dem anfragenden Kunden bekannt geben muss. Für diese Kursofferten besteht zudem keine Zugangspflicht. Aufschluss bietet der Vergleich mit der Systematik des Art. 18 MiFIR. Laut Art. 18 Abs. 5 S. 1 MiFIR sind nur die gem. Art. 18 Abs. 1 MiFIR zu veröffentlichenden, nicht aber die gem. Art. 18 Abs. 2 MiFIR auf Anfrage offenzulegenden Kursofferten allen Kunden zugänglich zu machen. Bei illiquiden Fremdkapitalinstrumenten darf der SI also den Zugang zu angefragten Kursofferten auf den anfragenden Kunden beschränken. Diese Privilegierung findet sich in Art. 17 Abs. 1 MiFIR mangels Differenzierung zwischen liquiden und illiquiden Eigenkapitalinstrumenten nicht. Allerding differenziert das Gesetz bei Eigenkapitalinstrumenten zwischen liquiden und illiquiden Märkten. Dies spricht dafür, dass die Zugangspflicht nur für Eigenkapitalinstrumente auf liquiden Märkten gilt. bb) Keine Pflicht zur Veröffentlichung der Kursofferten gegenüber der Marktöffentlichkeit Zudem stellt sich die Frage, ob auch die auf Anfrage erteilten Quoten gegenüber der gesamten Marktöffentlichkeit gem. Art. 15 Abs. 1 Uabs. 3 MiFIR auf regelmäßiger und kontinuierlicher Basis zu veröffentlichen sind. Gesetzgebungstechnisch stellt sich die Frage, ob Art. 15 Abs. 1 MiFIR sich umfassend auf Art. 14 Abs. 1 MiFIR bezieht, oder aber die auf Anfrage erteilten Quoten nach Uabs. 2 ausnimmt. Richtig ist die zweite Auslegungsvariante, d. h. SI unterliegen für auf Anfrage erteilte
164 Vgl. zu § 32a Abs. 1 S. 2 WpHG zustimmend Beck/Röth, in: Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 32a WpHG Rn. 17; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32a WpHG Rn. 6; krit. Kumpan, Regulierung, 2006, S. 363 unter Verweis auf Mülbert, Transparenzregeln, Arbeitspapiere 2003, S. 21.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Kursofferten keiner kontinuierlichen Veröffentlichungspflicht gegenüber der Marktöffentlichkeit.165 Dafür lassen sich mehrere Gründe anführen. Erstens schließen sich die Veröffentlichungspflicht nach Art. 15 Abs. 1 Uabs. 1 MiFIR und die Privilegierung des Art. 14 Abs. 1 Uabs. 1 MiFIR gegenseitig aus. Ist der SI nur auf Anfrage zur Offenlegung von Kursofferten für illiquide Instrumente verpflichtet, kann man ihn nicht gleichzeitig zur regelmäßigen und kontinuierlichen Offenlegung derselben verpflichten. Müsste der SI auch für illiquide Instrumente kontinuierlich Kursofferten veröffentlichen, wäre seine für diesen Bereich greifende Privilegierung dahin. Alle anderen Marktteilnehmer könnten dann seine Position einsehen und sich strategisch verhalten. Genau davor soll ihn aber Art. 14 Abs. 1 Uabs. 2 MiFIR bewahren.166 Dieses Ziel kommt auch in Erwägungsgrund Nr. 18 MiFIR zum Ausdruck, wonach strikte Regeln der Vorhandelstransparenz an Handelsplätzen und SI für liquide Finanzinstrumente gelten sollen. Der europäische Gesetzgeber erkennt also selbst an, dass für illiquide Finanzinstrumente nicht das gleiche Bedürfnis nach Transparenz besteht und die betroffenen Marktteilnehmer ein legitimes Interesse an Ausnahmen haben.167 Diese Begünstigung zieht sich wie ein roter Faden durch die MiFIR und taucht als allgemeines Prinzip an verschiedenen Stellen im Gesetz auf. Es zeigt sich insbesondere in Art. 4 Abs. 1 lit. a) ii) MiFIR, welcher ausgehandelte Transaktionen in illiquiden Finanzinstrumenten an Handelsplätzen von der Vorhandelstransparenz ausnimmt. Für den SI ist vor allem Art. 18 Abs. 8 MiFIR relevant. Danach besteht die Veröffentlichungspflicht für Fremdkapitalinstrumente nur für die liquiden Instrumente des Art. 18 Abs. 1 MiFIR, nicht aber für die illiquiden Instrumente des Art. 18 Abs. 2 MiFIR.168 Angesichts dieser systematischen und teleologischen Erwägungen muss man den Verweis in Art. 15 Abs. 1 MiFIR einschränkend in dem Sinne auslegen, dass Kursofferten, die gem. Art. 14 Abs. 1 Uabs. 2 MiFIR nur auf Anfrage erteilt wurden, nicht gegenüber der gesamten Marktöffentlichkeit bekannt zu machen sind. c) Mindestgröße Eine wichtige und wesentliche Veränderung gegenüber Art. 27 MiFID I enthält die Regelung über die Mindestgröße der vom SI abzugebenden Kursofferten in Art. 14 Abs. 3 MiFIR. Danach muss eine Kursofferte des SI mindestens die Größe 165
In dieser Richtung auch Schelling, BKR 2015, 221, 223 f. Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32a WpHG Rn. 6. 167 Insofern ist der Hinweis von Schelling, Erwägungsgrund Nr. 18 MiFIR sei irreführend, weil er nur liquide Instrumente erfasse, nicht zutreffend. Es ist genau das Ziel der MiFIR, Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz zuzulassen, vgl. Schelling, BKR 2015, 221, 223. 168 Art. 18 Abs. 8 verweist auch auf Abs. 5. Abs. 5 verweist aber seinerseits nur auf Abs. 1, sodass in beiden Fällen nur liquide Instrumente erfasst werden. 166
C. Transparenzvorgaben für Systematische Internalisierer
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von 10 % der Standardmarktgröße des jeweiligen Eigenkapitalinstruments erreichen. Der europäische Gesetzgeber reagiert damit auf die Kritik, dass SI ohne eine Mindestgrenze für die Größe ihrer Quotierungen nur sehr kleine Transaktionen ausführen würden.169 Da ihnen Art. 17 Abs. 2 MiFIR (und zuvor Art. 27 Abs. 6 MiFID I) das Recht einräumt, die Zahl der Geschäfte mit einem Kunden zu beschränken, könnten SI die vollständige Ausführung von Kundenordern vermeiden. Dies ist aber solange nicht zu rechtfertigen, wie keine Blockorder, sondern nur kleine Ordern ausgeführt werden, besteht dann doch kein Risiko einer strategischen Marktreaktion und damit kein legitimes Interesse des SI an einer Beschränkung.170 Die Standardmarktgröße wird gem. Art. 14 Abs. 4 – 7 MiFIR in der Weise berechnet, dass für jedes Eigenkapitalinstrument zunächst der arithmetische Durchschnittswert der am Markt ausgeführten Geschäfte berechnet wird. Der Begriff des Marktes ist dabei weit in dem Sinne zu verstehen, dass alle Geschäfte, welche innerhalb der Europäischen Union abgeschlossen werden, zu berücksichtigen sind, ausgenommen ausgeführte großvolumige Aufträge, Art. 14 Abs. 5 MiFIR. Steht der Durchschnittswert fest, werden die Eigenkapitalinstrumente Kategorien zugewiesen. Die jeweilige Kategorie gibt dann vor, welche Standardmarktgröße gilt. Beispielsweise soll die Standardmarktgröße bei einem durchschnittlichen Auftragsvolumen von unter 20.000 Euro 10.000 Euro betragen, bei einem Volumen zwischen 100.000 und 120.000 Euro hingegen 90.000 Euro.171 Ein SI müsste dementsprechend Kursofferten im Umfang von mindestens 1.000 bzw. 9.000 Euro abgeben. Das 10 %-Erfordernis ist teilweise mit dem Argument kritisiert worden, es erlaube dem SI, zu deutlich geringeren Volumina zu quotieren als dies an Handelsplätzen üblich sei und sich über eine extreme Geld-Brief-Spanne, z. B. 1 Euro – 1.000 Euro, dem Handel zu entziehen. Vorzugswürdig sei es, den SI zu verpflichten im Umfang von 100 % der Standardmarktgröße zu quotieren und ihm ein Recht zur Rücknahme in Extremfällen einzuräumen.172 Diese Kritik erweist sich jedoch insofern als überzogen, als der SI gem. Art. 14 Abs. 3 MiFIR dazu verpflichtet wird, Kursofferten abzugeben, die jenen am wichtigsten Handelsplatz des jeweiligen Finanzinstruments nahezu entsprechen.173 Richtig ist jedoch, dass die Gefahr besteht, dass der SI im Vergleich zum üblichen Auftragsvolumen nur sehr kleine Transaktionen ausführt und die Möglichkeit der zahlenmäßigen Beschränkung gegenüber Kunden nach
169 Mülbert, Transparenzregeln, Arbeitspapiere 2003, S. 23; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 365. 170 Mülbert, Transparenzregeln, Arbeitspapiere 2003, S. 23; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 365. 171 Siehe dazu Art. 11 und die Tabelle 3 in Annex II der Delegierten Verordnung (EU) 2017/ 587. 172 Deutsche Börse Group, Stellungnahme MiFID Review, 2011, S. 16. 173 Vgl. dazu die Konkretisierung durch Art. 10 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/ 587. Diese Pflicht bestand bereits gem. Art. 27 Abs. 2 Uabs. 3 S. 3 MiFID I.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Art. 17 Abs. 2 MiFIR ausnutzt.174 Da SI funktional wie Marktmacher agieren175, sollten sie dazu verpflichtet werden, auch die Größe ihrer Kursofferten jenen der an den Börsen agierenden Marktmacher anzupassen. Nur auf diese Weise lässt sich ein Gleichlauf von börslichem und außerbörslichem Handel sicherstellen. d) Ausnahme für Kursofferten oberhalb der Standardmarktgröße Gem. Art. 14 Abs. 2 MiFIR gelten die gesamten Pflichten des SI, insbesondere die Quotierungs-, Zugangs- und Veröffentlichungspflicht, nicht, wenn der SI Kursofferten oberhalb der Standardmarktgröße abgibt. Gegenüber der nahezu wortlautidentischen Vorschrift des Art. 27 Abs. 1 Uabs. 2 MiFID I ist eine kleine, aber folgenschwere Veränderung festzustellen: Während die alte Privilegierung nur dann eingriff, wenn der SI ausschließlich („only“) oberhalb der Standardmarktgröße quotierte176, gilt die neue Vorschrift unabhängig davon, ob die Kursofferten des SI stets oder nur gelegentlich oberhalb der Standardmarktgröße liegen. Der SI braucht fortan also nicht mehr allein großvolumige Kursofferten abzugeben, um in den Genuss der Ausnahmen von seinen Pflichten zu kommen. Vielmehr greift der Ausnahmetatbestand des Art. 14 Abs. 2 MiFIR bereits dann ein, wenn der SI eine einzelne großvolumige Quotierung vornimmt, ansonsten aber unterhalb der Standardmarktgröße bleibt. Diese privilegierende Erweiterung ist zu begrüßen, weil bereits bei einer einzelnen Blockorder die Gefahr besteht, dass sich andere Marktteilnehmer strategisch verhalten und sich das strikte Transparenzregime nachteilhaft für den SI auswirkt. Zugleich schafft der Gesetzgeber einen Gleichlauf mit Art. 4 Abs. 1 lit. c) MiFIR, welcher großvolumige Aufträge an Handelsplätzen von der Vorhandelstransparenz ausnimmt, ohne danach zu differenzieren, ob an dem Handelsplatz stets oder nur gelegentlich Blockordern ausgeführt werden.
174 Art. 17 Abs. 2 MiFIR erlaubt es dem SI, die Zahl der Geschäfte zu beschränken, wenn das Volumen und/oder die Zahl der Geschäfte deutlich über dem Durchschnitt liegen. Es wäre besser gewesen, eine Kombination aus Zahl und Volumen als Schwelle für die Beschränkungsmöglichkeit zu wählen. 175 Sefanski, Eigenhandel für andere, 2006, S. 16. 176 Der Uabs. lautet: „The provisions of this Article shall be applicable to systematic internalisers when dealing for sizes up to standard market size. Systematic internalisers that only deal in sizes above standard market size shall not be subject to the provisions of this Article.“ Diese Beschränkung wurde seinerzeit in das WpHG übernommen, vgl. § 32 S. 1 WpHG a.F.: „Die §§ 32a bis 32d gelten für systematische Internalisierer, soweit sie Aufträge in Aktien und Aktien vertretenden Zertifikaten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, bis zur standardmäßigen Marktgröße ausführen.“
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e) Preisverbesserung gegenüber Kursofferten, Art. 15 Abs. 2, 3 MiFIR Gem. Art. 27 Abs. 3 Uabs. 3 MiFID I musste ein SI die Aufträge seiner Privatkunden zu den zuvor abgegebenen Kursofferten ausführen und gleichzeitig seiner Pflicht zur kundengünstigen Ausführung gem. Art. 27 MiFID I nachkommen. Gem. Art. 27 Abs. 3 Uabs. 4 MiFID I durfte er die Geschäfte mit professionellen Kunden in begründeten Ausnahmefällen zu anderen als den quotierten Preisen ausführen, sofern diese nahe am Marktpreis lagen und ein großes Volumen aufwiesen. Durch das prinzipielle Verbot von Preisverbesserungen sollte verhindert werden, dass die Aussagekraft der zuvor veröffentlichen Kursofferten des SI unterminiert wurde.177 Diese Vorgaben wurden in Art. 15 Abs. 2 und 3 MiFIR übernommen, allerdings leicht modifiziert. So differenziert Art. 15 Abs. 1 Uabs. 1 MiFIR nicht mehr zwischen Privatkunden und professionellen Kunden, sodass die Bindung an die Kursofferten und die Pflicht zur kundengünstigsten Ausführung nunmehr für alle Kunden des SI gleichermaßen gilt. Eine Ausnahme speziell für professionelle Kunden greift dann, wenn mehrere Transaktionen zusammengefasst werden, Art. 15 Abs. 3 MiFIR.178 Eine Preisverbesserung war gem. Art. 27 Abs. 3 Uabs. 4 MiFID I nur dann zulässig, wenn die Order eines professionellen Kunden zu marktnahen Bedingungen ausgeführt wurde und ein im Vergleich zur Order eines Privatkunden großes Volumen aufwies.179 Von diesen strengen Erfordernissen löst sich die MiFIR insofern, als sie eine Preisverbesserung gegenüber jedem Kunden erlaubt und dafür kein großes Volumen fordert.180 Kann der SI seine Preise nachträglich nicht anpassen, besteht die 177 Mülbert, Transparenzregeln, Arbeitspapiere 2003, S. 29; Seitz, AG 2004, 497, 504; Kumpan, Regulierung, S. 368; Bialluch, WM 2015, 2030, 2035. Vgl. auch ESMA, Q &A Market Structure, 70-872942901-38, Stand 28. 03. 2018, S. 51. 178 Diese Ausnahme wurde wortlautgetreu übernommen von Art. 27 Abs. 3 Uabs. 5 MiFID I: „Furthermore, systematic internalisers may execute orders they receive from their professional clients at prices different than their quoted ones without having to comply with the conditions established in the fourth subparagraph, in respect of transactions where execution in several securities is part of one transaction or in respect of orders that are subject to conditions other than the current market price.“ 179 Vgl. dazu den Wortlaut: „Systematic internalisers shall execute the orders they receive from their professional clients in relation to the shares for which they are systematic internalisers at the quoted price at the time of reception of the order. However, they may execute those orders at a better price in justified cases provided that this price falls within a public range close to market conditions and provided that the orders are of a size bigger than the size customarily undertaken by a retail investor.“ 180 Vgl. Art. 15 Abs. 2 Uabs. 2 MiFIR: „However, in justified cases, they may execute those orders at a better price provided that the price falls within a public range close to market conditions.“ Der SI muss also gegenüber allen Kunden seine Pflichten einhalten und darf Preisverbesserungen vornehmen. Damit erübrigt sich der zu § 32c Abs. 1 S. 2 WpHG ausgetragene Streit, ob die Pflicht zur kundengünstigsten Ausführung nur für Privatkunden oder auch für professionelle Kunden gilt, vgl. dazu Bialluch, WM 2015, 2030, 2035 und Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 32c WpHG Rn. 5.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Gefahr, dass andere Marktteilnehmer dessen Preise übernehmen und anschließen unterbieten.181 Da der SI seine Quoten veröffentlichen muss, können andere Marktteilnehmer die Quoten leicht einsehen und sich wie Trittbrettfahrer verhalten.182 2. Pflicht zur Veröffentlichung abgeschlossener Transaktionen Die Pflicht des SI zur (sofortigen) Veröffentlichung abgeschlossener Geschäfte über Eigenkapitalinstrumente, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, ist in Art. 20 Abs. 1 MiFIR geregelt. Zu beachten ist, dass Art. 20 MiFIR nicht nur für den SI, sondern für jede Wertpapierfirma gilt, die bilateral handelt, d. h. auch der OTCHandel wird einer im Grundsatz strengen Pflicht zur Nachhandelstransparenz unterworfen. Dadurch sollen die Marktteilnehmer in die Lage versetzt werden, die Konditionen für ein Geschäft an den Handelsplätzen mit jenen anderer Anbieter vergleichen zu können.183 Die Konkurrenzsituation zwischen SI und OTC-Handel auf der einen und Handelsplätzen auf der anderen Seite besteht indes nur dann, wenn Finanzinstrumente an einem Handelsplatz gehandelt werden. Daher unterliegen SI und OTC-Wertpapierfirmen nur für diese Finanzinstrumente der Pflicht zur Nachhandelstransparenz.184 Zugleich kommen SI und OTC-Handel über den Verweis des Art. 20 Abs. 2 S. 2 MiFIR auf Art. 7 MiFIR in den Genuss der gleichen Ausnahmen von der Nachhandelstransparenz wie die Handelsplätze. Insbesondere die Abwicklung von großvolumigen Aufträgen wird an jedem Handelsort privilegiert, vgl. Art. 7 Abs. 1 S. 2 MiFIR.185 Dadurch wird ein begrüßenswertes einheitliches (Wettbewerbs-)Niveau für Handelsplätze, SI und OTC-Handel geschaffen.
II. Fremdkapitalinstrumente Anders als Art. 27 MiFID I enthält die MiFIR auch für Fremdkapitalinstrumente genaue Vorgaben zur Quotierungspflicht des SI. Insgesamt fällt das Veröffentlichungsregime aber weniger streng aus als jenes für Eigenkapitalinstrumente. 181
Kumpan, Regulierung, 2006, S. 368. Schelling, BKR 2015, 221, 223; Kumpan, Regulierung, 2006, S. 368. Dagegen lässt sich einwenden, dass SI ihre Preise von den Börsen importieren, also selbst als Trittbrettfahrer tätig sind, vgl. Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 131. 183 Schelling, BKR 2015, 221, 222. 184 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 18 MiFIR und Schelling, BKR 2015, 221, 222. 185 Da auf Art. 7 Abs. 1 S. 2 MiFIR verwiesen wird, stellt sich die Frage, welche anderen Ausnahmetatbestände abseits großvolumiger Aufträge existieren. Aus dem Wortlaut („insbesondere“) ergibt sich, dass es weitere Ausnahmen geben muss, vgl. dazu die Ausführungen oben: Kap. 3 B. I. 2. b) bb). 182
C. Transparenzvorgaben für Systematische Internalisierer
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1. Vorhandelstransparenz Auch bei Fremdkapitalinstrumenten ist hinsichtlich der Quotierungspflichten zwischen liquiden und illiquiden Instrumenten zu differenzieren. a) Liquide Instrumente Im Gegensatz zur strikten Quotierungspflicht für liquide Eigenkapitalinstrumente gem. Art. 14 Abs. 1 MiFIR sind SI bei liquiden Fremdkapitalinstrumenten zur Quotierung nur dann verpflichtet, wenn sie von einem Kunden dazu angefragt worden sind und mit der Abgabe einer Kursofferte einverstanden sind. Diese Privilegierung lässt sich dadurch rechtfertigen, dass Fremdkapitalinstrumente anders gehandelt werden als etwa Aktien. Der SI hat mangels vergleichbar liquider Märkte ein berechtigtes Interesse daran, nicht kontinuierlich zur Abgabe von Kursofferten für Fremdkapitalinstrumente verpflichtet zu sein. An die Abgabepflicht schließen sich dann die Pflicht zur Veröffentlichung der Kursofferten gegenüber anderen Kunden des SI (Art. 18 Abs. 5 MiFIR) und die Pflicht zur Zugangsgewähr gegenüber den übrigen Marktteilnehmern an (Art. 18 Abs. 8 MiFIR). Im Vergleich mit den Vorgaben für liquide Eigenkapitalinstrumente bestehen bezüglich der letzten beiden Punkte keine relevanten inhaltlichen Unterschiede.186 b) Illiquide Instrumente Gem. Art. 18 Abs. 2 MiFIR trifft den SI für illiquide Fremdkapitalinstrumente keine strenge Quotierungspflicht, sondern nur eine Pflicht zur Bereitstellung von indikativen Quoten auf Anfrage eines Kunden.187 Zu beachten ist, dass die Pflicht zur Offenlegung der (verbindlichen) Kursofferten gegenüber anderen Kunden des SI gem. Art. 18 Abs. 5 MiFIR nur i.R.d. Abgabepflicht für liquide Instrumente gem. Art. 18 Abs. 1 MiFIR besteht. Gegenüber anderen Marktteilnehmern besteht diese Pflicht nicht, weil Art. 18 Abs. 8 MiFIR nur auf Art. 18 Abs. 1 und 5, nicht aber auf Abs. 2 MiFIR verweist. Allerdings muss der SI gem. Art. 18 Abs. 2 S. 1 MiFIR die indikativen Quotierungen, die er auf Anfrage mitgeteilt hat, auch den anderen Kunden („their clients“) offenbaren.188 Gem. Art. 18 Abs. 2 S. 2 MiFIR braucht der SI noch nicht einmal dem anfragenden Kunden Kursofferten anzubieten, wenn die Voraussetzungen von Art. 9
186 Man kann natürlich auch für die Quotierungen im Handel mit Fremdkapitalinstrumenten die Frage aufwerfen, ob es sich um eine invitatio ad offerendum oder ein Angebot ad incertas personas handelt, vgl. dazu die Diskussion bei den Eigenkapitalinstrumenten oben: Kap. 3 C. I. 1. a) bb). 187 Dazu Hoops, WM 2017, 319, 321 ff.; Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 18 Rn. 11 ff. (im Erscheinen). 188 Hoops, WM 2017, 319, 322 f.
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Abs. 1 MiFIR erfüllt sind.189 Art. 9 Abs. 1 MiFIR enthält Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz für den Handel mit Fremdkapitalinstrumenten an Handelsplätzen.190 Der Verweis in Art. 18 Abs. 2 S. 2 MiFIR ist Ausdruck des gesetzgeberischen Bestrebens, Wettbewerbsgleichheit zwischen den Handelsplätzen und den SI zu schaffen.191 Hierbei stellen sich zwei systematische Fragen. aa) Umfang des Verweises auf Art. 9 Abs. 1 lit. b) MiFIR Während der Verweis auf die großvolumigen Aufträge bzw. Quotierungen noch einleuchtet (Art. 9 Abs. 1 lit. a) MiFIR), bereitet der Verweis auf die über den typischen Umfang hinausgehenden Aufträge i.S.d. Art. 9 Abs. 1 lit. b) MiFIR Schwierigkeiten. Unklar ist zunächst, ob es sich um eine vollumfängliche Rechtsgrundverweisung handelt, d. h. ob der SI ein Preiseanfragesystem oder ein sprachbasiertes Handelssystem nutzen muss oder ob es allein schon ausreicht, dass die Kursofferten des SI den für das Finanzinstrument typischen Umfang überschreiten.192 Für eine vollumfängliche Rechtsgrundverweisung spricht zunächst der Wortlaut des Art. 18 Abs. 2 MiFIR („sofern die Bedingungen des Art. 9 Abs. 2 MiFIR erfüllt sind.“). Dagegen wird vorgebracht, Preisanfragesysteme und sprachbasierte Systeme würden typischerweise an Handelsplätzen verwendet. Da der SI aber nicht als Handelsplatz gelte, müsse man ihn von diesem Erfordernis ausnehmen.193 Eine solche Argumentation erweist sich jedoch als Zirkelschluss: Natürlich ist der SI kein Handelsplatz, die entscheidende Frage lautet aber, ob die Regeln für Handelsplätze teilweise auch für ihn gelten sollen. Man muss also untersuchen, ob der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass sprachbasierte Systeme und Preisanfragesysteme auch innerhalb eines SI zur Anwendung kommen können und ob er nur diese Systeme privilegieren will. Für ein solch enges Verständnis spricht, dass der Gesetzgeber insbesondere Broker Crossing Networks, in denen auch Telefonhandel stattfindet, als Handelsplatz oder als SI regulieren will.194 Er geht also davon aus, dass sprachbasierte Systeme auch innerhalb eines SI zur Anwendung kommen. Vor diesem Hintergrund ist der Verweis in Art. 9 Abs. 2 MiFIR als vollständige Rechtsgrundverweisung zu verstehen. bb) Verhältnis von Art. 18 Abs. 2 und Abs. 10 MiFIR Selbst wenn es sich um einem vollständigen Rechtsgrundverweis handelt, bleibt unklar, welche Funktion die pauschale Ausnahme des Art. 18 Abs. 10 MiFIR erfüllt. 189 190 191 192 193 194
Dazu Hoops, WM 2017, 319, 322 f. Ausführlich dazu oben: Kap. 3 C. II. 1. a). Schelling, BKR 2015, 221, 224. Dazu Schelling, BKR 2015, 221, 224. Schelling, BKR 2015, 221, 224. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 MiFIR.
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Danach gelten die in Art. 18 MiFIR aufgestellten Pflichten nicht, wenn der SI Geschäfte mit einem Volumen oberhalb des typischen Geschäftsumfangs abschließt. Ist die Norm des Art. 18 Abs. 10 MiFIR damit weiter gefasst als die spezielle Ausnahme für großvolumige Geschäfte in einem sprachbasierten System oder Preisanfragesystem in Art. 18 Abs. 2 MiFIR, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis beider Vorschriften.195 Für einen Vorrang des Art. 18 Abs. 10 MiFIR spricht insbesondere der Vergleich mit Art. 14 Abs. 2 MiFIR.196 Danach sind SI für Eigenkapitalinstrumente pauschal von ihren Pflichten befreit, wenn sie oberhalb der Standardmarktgröße handeln. Da die Standardmarktgröße funktional mit dem geschäftsüblichen Volumen von Fremdkapitalinstrumenten vergleichbar ist, kann man eine Angleichung vornehmen. 2. Pflicht zur Veröffentlichung abgeschlossener Transaktionen Auch für Fremdkapitalinstrumente gilt die Pflicht zur Nachhandelstransparenz nicht nur für SI, sondern für jede Wertpapierfirma, die Geschäfte mit solchen Instrumenten tätigt, welche an einem Handelsplatz gehandelt werden, Art. 21 Abs. 1 MiFIR. Die Angleichung an die Ausnahmen für Handelsplätze wird realisiert durch einen – sprachlich stark missglückten197 – Verweis auf die Voraussetzungen des Art. 11 MiIFR in Art. 21 Abs. 4 MiFIR. Danach kann sich auch ein SI auf die Ausnahmetatbestände für großvolumige Geschäfte, Instrumente mit einem illiquiden Markt und Geschäfte mit einem über den typischen Geschäftsumfang hinausgehenden Umfang berufen.198
III. Die regulatorische Begünstigung von Systematischen Internalisierern Die MiFIR reguliert Systematische Internalisierer im Vergleich zu den Handelsplätzen weniger strikt. Es ist zu erwarten, dass sich die Betreiber von Dark Pools dies vor allem in zwei Bereichen zunutze machen werden. 1. Keine volumenmäßige Beschränkung der Transparenzausnahmen Bietet ein SI seine Kursofferten für Eigenkapitalinstrumente oberhalb der Standardmarktgröße an, unterliegt er keiner Veröffentlichungspflicht, Art. 14 Abs. 2 S. 2 MiFIR. Für Fremdkapitalinstrumente besteht schon im Grundsatz keine generelle 195
Schelling, BKR 2015, 221, 225. So und im Folgenden: Schelling, BKR 2015, 221, 225. 197 Ausführlich dazu: Schelling, BKR 2015, 221, 227. 198 Zu diesen Ausnahmetatbeständen vgl. oben die Analyse bei den Handelsplätzen: Kap. 3 B. II. 2. Zu Detailfragen siehe: Schelling, BKR 2015, 221, 227 f. 196
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Veröffentlichungspflicht, Art. 18 Abs. 1 MiFIR. Zudem werden die Ausnahmen für illiquide Märkte (Art. 14 Abs. 1 Uabs. 2, Art. 18 Abs. 2 MiFIR) nicht nach Vorbild von Art. 5 Abs. 1 MiFIR volumenmäßig beschränkt. Ein SI darf demnach Referenzpreissysteme uneingeschränkt nutzen. Anleger, die besonders viel Wert auf Intransparenz legen, werden daher wahrscheinlich von den Handelsplätzen abwanden und vorwiegend SI nutzen. Zudem ist zu befürchten, dass ein SI die Aufträge verschiedener Kunden so aufbauen wird, dass seine darauf bezogene Kursofferte oberhalb der Standardmarktgröße liegt, Art. 14 Abs. 2 S. 2 MiFIR.199 Auf diese Weise braucht der SI seine Kursofferte nicht zu veröffentlichen und kann zugleich auf den Börsenpreis referenzieren. Damit bleibt genau jener Mechanismus von Dark Pools erhalten, den die MiFIR so weit wie möglich abschaffen wollte. Immerhin dürfen sich de lege lata solche Crossing Networks, welche bei funktionaler Betrachtung multilateralen Handel betreiben, nicht in einen SI umwandeln, sondern müssen sich der Regulierung als Handelsplatz unterwerfen.200 Dadurch greifen die Art. 3 ff. MiFIR für sie. De lege ferenda ist zu erwägen, die Transparenzvorschriften für die SI-Kategorie weiter zu verschärfen, um das gezielte Ausnutzen von Regulierungslücken zu verhindern. 2. Keine Preisverbesserungsregel Gem. Art. 49 Abs. 1, 18 Abs. 5 MiFID II müssen alle Handelsplätze die Regeln zur Tick Size beachten. Bei der Tick Size handelt es sich um den Mindestbetrag, um den eine neue Order eine bisherige Order überbieten muss, um im Orderbuch Preispriorität zu erlangen. Die Details regeln Art. 2 und Art. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/588. Mittels der Tick Size Regel soll sichergestellt werden, dass sich Order nur noch durch kleinste Beträge voneinander unterscheiden und es zu Marktverzerrungen kommt.201 Ist beispielsweise eine Kauforder zum Preis von 10,00 Euro abgegeben worden, muss bei einer – fiktiven – Tick Size von 0,01 Euro die nächste Kauforder auf 10,01 Euro lauten, um Preispriorität zu erlangen. Diese Regulierung gilt nicht für einen SI. Im obigen Beispiel dürfte ein SI daher eine Kursofferte zu einem Preis von 10,00001 Euro anbieten. Eine solch minimale Preisverbesserung könnte vor allem für Hochfrequenzhändler attraktiv sein und Liquidität von den Handelsplätzen zu den SI ziehen. Demgegenüber unterwirft Rule 612(a) und (b) Reg. ATS202 alle Marktakteure, welche Kursofferten anbieten, einer Pflicht zur Mindestpreisverbesserung. Da auch 199 Vgl. Wennerberg, Double Volume Caps, abrufbar unter: http://www.bobsguide.com/ guide/news/2015/Nov/30/double-volume-caps-in-mifid-ii-what-are-the-effects/ (Abruf vom 12. 04. 2018). 200 Ausführlich dazu oben Kap. 2 A. III. 2. c). 201 Erwägungsgrund Nr. 1 Delegierte Verordnung (EU) 2017/588. 202 § 242.612 Minimum pricing increment. (a) No national securities exchange, national securities association, alternative trading system, vendor, or broker or dealer shall display, rank, or accept from any person a bid or offer,
D. OTC-Handel und Handelsplatzpflichten für Aktien
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die rein bilateral handelnden Dealer erfasst werden, sorgt die US-amerikanische Regulierung für einen ausgeglichenen Wettbewerb und bevorzugt keinen Liquiditätsspender einseitig. Dieser Zustand lässt sich auch im europäischen Kapitalmarkt herbeiführen: Gem. Art. 14 Abs. 3 S. 3 MiFIR muss ein SI solche Kursofferten anbieten, die die vorherrschenden Marktbedingungen widerspiegeln. Der Begriff der „Marktbedingungen“ ist derart offen, dass er sich nicht nur auf die aktuellen Preise an den Handelsplätzen bezieht, sondern auch auf die dort geltenden Regeln zur Preisverbesserung. Zudem erfüllen Systematische Internalisierer funktional eine mit einem börslichen Marktmacher vergleichbare Aufgabe. Dies gebietet es, beide Akteure den gleichen Pflichten zu unterwerfen.203 Die ESMA geht daher zu Recht davon aus, dass ein SI seine Quotierungen im Rahmen der an einem Handelsplatz geltenden Tick Size abzugeben hat.204
D. OTC-Handel und Handelsplatzpflichten für Aktien Wertpapierfirmen, welche im OTC-Handel aktiv sind, unterliegen keiner Pflicht zur Veröffentlichung ihrer Ordern oder Kursofferten, sondern müssen nur Informationen über abgeschlossene Geschäfte gem. den Vorgaben der Art. 20, 21 MiFIR veröffentlichen.
I. Gefahr der Umgehung der Vorhandelstransparenzvorgaben Naturgemäß wirkt die vollständige Freistellung des OTC-Handels von der Vorhandelstransparenz ungemein anziehend auf die Wertpapierfirmen und begründet die ernste Gefahr, dass der OTC-Handel zu einer Umgehung der Vorhandelstransparenz benutzt wird. Der europäische Gesetzgeber hat diese Gefahr gesehen und mit der Handelsplatzpflicht205 für Aktien eine besondere Umgehungssperre errichtet, Art. 23 an order, or an indication of interest) in any NMS stock priced in an increment smaller than $0.01 if that bid or offer, order, or indication of interest is priced equal to or greater than $1.00 per share. (b) No national securities exchange, national securities association, alternative trading system, vendor, or broker or dealer shall display, rank, or accept from any person a bid or offer, an order, or an indication of interest in any NMS stock priced in an increment smaller than $0.0001 if that bid or offer, order, or indication of interest is priced less than $1.00 per share. 203 Vgl. ESMA, Consultation Paper Amendment to RTS 1, ESMA70-156-275, S. 7 Rn. 7. 204 ESMA, Consultation Paper Amendment to RTS 1, ESMA70-156-275, S. 6 – 8. 205 Da SI keinen Handelsplatz darstellen, handelt es sich streng genommen nicht um eine Handelsplatzpflicht, sondern eine Pflicht, Handel nur an einem organisierten Handelsort zu betreiben. Da SI und Handelsplätze nahezu identischen Transparenzvorgaben unterliegen und
212
Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Abs. 1 MiFIR.206 Danach dürfen Wertpapierfirmen ihre Geschäfte mit Aktien, die zum Handel an einem Handelsplatz zugelassen sind, nur an einem RM oder MTF oder mittels eines SI ausführen.207 Zugleich muss eine Wertpapierfirma, welche ein internes Matching von Kundenaufträge betreibt, dieses System als MTF betreiben, Art. 23 Abs. 2 MiFIR.
II. Ausnahmen von der Handelsplatzpflicht Art. 23 Abs. 1 MiFIR lässt zwei Ausnahmen von der Handelsplatzpflicht zu: Klassische OTC-Geschäfte und Geschäfte zwischen besonders qualifizierten Marktteilnehmern, welche nicht zur Preisbildung beitragen. Mit diesen engen Ausnahmen versucht der Gesetzgeber den Aktienhandel im größtmöglichen Umfang an die Handelsplätze zu verlagern. Zugleich stellt er klar, dass diese Ausnahmen nicht dazu missbraucht werden können, die strikten Grenzen der Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz für Referenzpreissysteme und ausgehandelte Transaktionen zu umgehen (d. h. über deren volumenmäßige Grenzen hinaus verdeckt zu handeln) oder ein Broker Crossing Network zu betreiben.208 Daraus ergeben sich die folgenden beiden Grundregeln: Führen Wertpapierfirmen Kundenaufträge zusammen, müssen sie sich als MTF registrieren; betreiben sie systematisch Eigenhandel, sind sie dagegen Systematische Internalisierer. Referenzieren sie als MTF auf den Börsenpreis, haben sie die entsprechenden Vorgaben für die Vorhandelstransparenz einschließlich des Double Volume Cap Mechanism zu beachten, vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a), Art. 5 MiFIR. So sehr sich der europäische Gesetzgeber damit bemüht, den OTC-Handel mit Aktien, die an einem Handelsplatz gehandelt werden, auf ein Minimum zu reduzieren, bleibt doch offen, wie der in Art. 23 Abs. 1 lit. a) MiFIR umschriebene Begriff des OTC-Handels genau zu verstehen ist. Es drängt sich die Vermutung auf, dass Wertpapierfirmen auch in Zukunft versuchen werden, vor den verschärften Transparenzvorgaben in den OTC-Handel zu flüchten.209 Eine klare Grenzziehung zwischen organisiertem Handel und OTC-Handel wird dann umso dringender. ImSI als Handelsort anerkannt sind, wird in diesem Abschnitt ausnahmsweise von einem Handelsplatz gesprochen. 206 Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 23 Rn. 1, 5 (im Erscheinen). 207 Die deutsche Sprachfassung erlaubt ausdrücklich auch den Handel an einem OTF. Dies widerspricht eindeutig der Vorgabe des Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 MiFID II, wonach an einem OTF keine Aktien gehandelt werden dürfen, vgl. auch Erwägungsgründe Nr. 8, 11 MiFIR. Zudem nennt die englische Sprachfassung OTF nicht. Es handelt sich wohl um einen Übersetzungsfehler in der deutschen Fassung. 208 Erwägungsgrund Nr. 11 MiFIR. 209 Vgl. Gomber et al., MiFIR Trading Obligation, 2018, S. 8 ff.; Kumpan, in: Lehmann/ Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 23 Rn. 4 ff. (im Erscheinen).
E. Zentralisierung von Informationen
213
merhin enthält Art. 4 Abs. 1 MiFID II Kriterien210 für die Abgrenzung von OTCHandel und systematischer Internalisierung, die sich für die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Handel verallgemeinern lassen. Zudem lässt sich Art. 23 Abs. 1, 2 MiFIR ein Umgehungsverbot entnehmen. Investmentfirmen sind daher gut beraten, ihre Handelsgeschäfte nicht als OTC-Geschäfte zu tarnen, um nicht der Vorhandelstransparenz zu unterfallen. Eine solche Vorgehensweise ist eindeutig unzulässig.
E. Zentralisierung von Informationen I. Bedürfnis nach Zentralisierung und passende Regulierungsmöglichkeiten Findet der Handel mit Finanzinstrumenten an verschiedenen Orten statt, sorgt die Fragmentierung von Liquidität und Informationen dafür, dass die Marktteilnehmer die für sie günstigsten Ausführungsorte und die Marktlage schwieriger einschätzen können.211 Dürfen zudem einige Ordern verborgen bleiben, reduziert das niedrigere Transparenzniveau den Grad an Informationsversorgung des Marktes noch weiter.212 Der europäische Gesetzgeber wirkt zwar beiden Entwicklungen mit der Einführung eines strengen Transparenzregimes und einer Handelsplatzpflicht für Aktien entgegen. Allerdings bezieht sich die Transparenz immer nur auf den einzelnen Handelsort (RM, MTF, OTF, SI). Die Marktteilnehmer stehen dann immer noch vor der Herausforderung, die Vielzahl der Informationen von den verschiedenen „hellen“ Handelsorten zusammenzutragen und auszuwerten.213 Die damit verbundenen Transaktionskosten214 lassen sich nur vermeiden, indem man einen virtuell ein210 Die entsprechende Passage lautet: „(…) The frequent and systematic basis shall be measured by the number of OTC trades in the financial instrument carried out by the investment firm on own account when executing client orders. The substantial basis shall be measured either by the size of the OTC trading carried out by the investment firm in relation to the total trading of the investment firm in a specific financial instrument or by the size of the OTC trading carried out by the investment firm in relation to the total trading in the Union in a specific financial instrument. The definition of a systematic internaliser shall apply only where the preset limits for a frequent and systematic basis and for a substantial basis are both crossed or where an investment firm chooses to opt-in under the systematic internaliser regime;“. 211 De Meijer, J. of Sec. Operations & Custody 40, 41 f. (2011); Clausen/Sorensen, EFCR 2012, 275, 276; Hoops, WM 2018, 205, 206 f. 212 Vgl. dazu die Diskussion um die Auswirkungen von Dark Pools oben Kap. 1 C. IV. 2. b). 213 Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 494; De Meijer, J. of Sec. Operations & Custody 40, 41 f. (2011). 214 Unterscheiden lassen sich die Kosten des Zugangs zu verschiedenen Handelsorten, die Kosten der Informationsbeschaffung von verschiedenen Handelsorten und schließlich die Kosten der Zusammenführung all dieser Informationen, vgl. De Meijer, J. of Sec. Operations & Custody 40, 41 (2011).
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
heitlichen (Kapital-)Markt schafft.215 Anders formuliert: Für eine optimale Informationsversorgung des Marktes reicht es nicht, den Schattenhandel nur im Rahmen des einzelnen Handelssystems zu bekämpfen, sondern es ist zusätzlich sicherzustellen, dass die Informationen aus allen Systemen die Marktteilnehmer erreichen. Dafür lässt sich auf zwei Ebenen ansetzen: Man kann einerseits die Zugangsintermediären dazu verpflichten, die Aufträge ihrer Kunden an den Markt mit den besten Konditionen weiterzuleiten.216 Diesen Ansatz hat der europäische Gesetzgeber mit der Pflicht zur bestmöglichen Ausführung in Art. 27 Abs. 1 MiFID II umgesetzt. Der Nachteil liegt darin, dass die Zugangsintermediäre ihrerseits ermitteln müssen, welcher Handelsort denn genau die besten Konditionen für den Kunden bietet. Ist der Markt stark fragmentiert, fallen erhebliche Suchkosten an.217 Alternativ lässt sich auf Ebene der Marktplätze ansetzen, indem man die Preisfindung durch die verschiedenen Handelsorte zusammenführt.218 Dies lässt sich auf verschiedene Weise bewerkstelligen: Der stärkste Eingriff in den Wettbewerb der Marktplätze liegt in der Einführung eines zentralen Limitorderbuchs bzw. Dachskontros.219 In Betracht kommt aber auch, institutionelle220 oder private Verbindungen zwischen den Marktplätzen vorzuschreiben221 oder einen Wettbewerb um Listings zu etablieren.222
II. Funktionen der beiden zentralen Informationsdienste Der europäische Gesetzgeber hat sich auf Ebene der Marktplätze für einen möglichst leichten Eingriff in den Wettbewerb entschieden, in dem er mit sog. genehmigten Veröffentlichungssystemen (Approved Publication Arrangements, APA) und konsolidierten Datenträgern (Consolidated Tape Providers, CTP) zwei private Institutionen zur Konsolidierung der Daten geschaffen hat.223 215
Hoops, WM 2018, 205, 206; Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 43; siehe auch Kumpan, Regulierung, 2006, S. 303. 216 Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 43. 217 Hoops, WM 2018, 205, 206. 218 Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009, S. 44. 219 Ausführliche Diskussion der Vor- und Nachteile dieser Maßnahme bei Kumpan, Regulierung, 2006, S. 304 – 307. 220 Dafür plädiert Röhrl, Börsenwettbewerb, 1996, S. 168 f. 221 Ausführlich zur Diskussion um die Vor- und Nachteile institutionalisierter und privater Marktverbindungen: Kumpan, Regulierung, 2006, S. 307 – 312 m.w.N. 222 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 312 – 315. Aktien eines Unternehmens können dann nur an dem Marktplatz gehandelt werden, an dem das Unternehmen gelistet ist, ausführlich dazu: Beny, 2002 Colum. Bus. L. Rev. 399, 464 ff. 223 Daneben gibt es noch den sog. Approved Reporting Mechanism (ARM), welcher die Funktion hat, anstelle einer Wertpapierfirma Informationen an die Aufsicht zu melden, vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 54 MiFID II. Ausführlich zur Regulierung: Hoops, WM 2018, 205, 207 ff. Vgl. ferner Kumpan, in: Lehmann/Kumpan, Financial Services Law, 2018, MiFIR, Art. 20
E. Zentralisierung von Informationen
215
Die genehmigten Veröffentlichungssysteme (APA) haben die Funktion, die Vielzahl roher Daten aus dem OTC-Handel aufzubereiten, in eine standardisierte Form zu bringen und anschließend an einen konsolidierten Datenträger weiterzugeben.224 Dadurch soll die Nachhandelstransparenz im bilateralen Handel (SI- und OTC-Handel) deutlich verbessert werden.225 Grundlage der Weitergabe der Informationen von einer Wertpapierfirma an einen APA ist ein Vertrag226, zu dessen Abschluss die Wertpapierfirma im OTC-Handel durch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben in Art. 20 Abs. 1 S. 3 und Art. 21 Abs. 1 S. 3 MiFIR verpflichtet wird.227 Die konsolidierten Datenträger (CTP) setzen dagegen auf einer höheren Ebene als die APA an, indem sie nicht Daten von einem einzigen Handelsort aufbereiten und veröffentlichen, sondern Handelsinformationen von allen Handelsplätzen, SI und APA beziehen, diese zusammenführen und veröffentlichen.228 Dabei geht es stets nur um Daten der Nachhandelstransparenz, vgl. Art. 65 MiFID II. Der CTP darf darüber hinaus auch Daten der Vorhandelstransparenz bereitstellen, vgl. Art. 13 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/571.229
III. Vergleich mit der US-amerikanischen Regulierung Die CTP weisen in vielerlei Hinsicht Parallelen auf zum US-amerikanischen Securities Information Processor (SIP). Letzterer sammelt die von den Börsen veröffentlichten Handelsdaten ein und führt diese zu einem einzigen Datenstrom zusammen.230 Dabei sind zwei Datenströme zu unterscheiden: Einerseits werden Daten über alle ausgeführten Transaktionen erfasst und veröffentlicht (sog. „consolidated trade tape“); andererseits werden alle von den Handelsplätzen veröffentlichten Quotierungen verglichen, um auf dieser Grundlage das NBBO (national best bid and offer) zu ermitteln (sog. „consolidated quote tape“). Sowohl die Daten der Vor- als auch jene der Nachhandelstransparenz werden also jeweils konsolidiert. Indem jeder
Rn. 3 ff. (im Erscheinen); Lehmann, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 5. Aufl. 2018, Vor §§ 58 ff. WpHG Rn. 3, § 60 WpHG Rn. 1 ff. (im Erscheinen). 224 Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 496; Lehmann, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 5. Aufl. 2018, Vor §§ 58 ff. WpHG Rn. 1 (im Erscheinen). Diese Entwicklung wird von den Börsen sehr begrüßt, vgl. Gruppe Deutsche Börse, Stellungnahme MiFID Review, 2011, S. 28. 225 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 141 MiFID II. 226 De Meijer, J. of Sec. Operations & Custody 40, 42 (2011). 227 Ein SI kann dagegen zwischen drei Varianten wählen, vgl. Art. 17 Abs. 3 lit. a) MiFIR. 228 Gomber/Nassauer, ZBB 2014, 250, 255. 229 Zur Umsetzung ins deutsche Recht siehe Lehmann, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 5. Aufl. 2018, § 58 WpHG Rn. 9 (im Erscheinen). 230 So und im Folgenden: Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 260 (2016). Vgl. ferner McNamara, 2018 BYU L. Rev. 969, 978, 980 ff. (2018).
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
Handelsplatz durch die sog. Order Protection Rule231 dazu verpflichtet wird, Order zum NBBO auszuführen oder andernfalls an einen geeigneten Handelsplatz weiterzuleiten, soll ein virtuell einheitlicher Markt entstehen.232 Allerdings sind die Marktbetreiber nicht dazu verpflichtet, ihre Daten an den SIP weiterzugeben, sondern dürfen auch in Eigenregie ihre Daten veröffentlichen (und verkaufen).233 Mit Blick auf die Regulierung von Dark Pools sind zwei Aspekte besonders relevant. 1. Informationen über abgeschlossene Geschäfte Die meisten Dark Pools in den USA werden als ATS reguliert.234 Solange ihr Handelsvolumen unter der 5 %-Schwelle von Rule 301 (b) (3) SEA bleibt, unterliegen sie keiner Pflicht zur Vorhandelstransparenz.235 Die in einem solchen ATS verfügbaren Quotierungen werden nicht i.R.d. „consolidated quote tape“ angezeigt, dagegen werden aber die dort ausgeführten Transaktionen i.R.d. „consolidated trade tape“ veröffentlicht.236 Da die MiFIR kein „consolidated quote tape“ vorsieht, nun aber auch den OTC-Handel in die Offenlegung und Zentralisierung der Informationen einbezieht, lässt sich insofern von einem Gleichlauf sprechen.237 Die spannende Frage in der Praxis wird lauten, ob die Versorgung des Marktes mit handelsbezogenen Informationen in Europa anders ausfallen wird als in den USA. Immerhin sind die Handelsplätze nach europäischem Recht nicht pauschal von der Pflicht zur Vorhandelstransparenz ausgenommen, solange sie unter einem Schwellenwert verbleiben. Stattdessen müssen die spezifischen Voraussetzungen der Art. 4, 5 bzw. 9 MiFIR erfüllt sein. Auf dem europäischen Kapitalmarkt sind Informationen über den Handel an den verschiedenen Handelsplätzen im Grundsatz also immer offenzulegen. Gleiches gilt für den Handel eines SI. Jener ist zur Veröffentlichung seiner Kursofferten verpflichtet und muss dafür gem. Art. 17 Abs. 3 lit. a) MiFIR zwischen einer von drei Möglichkeiten auswählen. Dabei steht ihm insbesondere die Veröffentlichung über ein APA offen. Dies führt dazu, dass die Marktteilnehmer auch bei illiquiden Finanzinstrumenten einen besseren Überblick über die Ausführungsmöglichkeiten von Ordern erlangen sowie Vergleiche zwischen den Handelsplätzen 231
17 CFR 242.611 – Order protection rule. Vgl. dazu oben Kap. 2 B. VII. 3. a) aa). Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 261 (2016); vgl. auch Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 159 ff.; Liersch, Blockhandel, 2002, S. 144. 233 Insbesondere Hochfrequenzhändler nutzen diese sog. direct feeds der Börsen, vgl. Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 266 (2016). 234 Vgl. oben Kap. 1 B. III. 1., 2. 235 Vgl. dazu oben Kap. 3 B. IV. 236 Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 261 (2016). 237 Vgl. Art. 20 Abs. 1 S. 3/ Art. 21 Abs. 2 MiFIR. Darin liegt ein erheblicher Unterschied zur MiFID I, welche die Gefahr begründete, dass bestimmte Anleger keine Informationen über den außerbörslichen Handel erhalten, vgl. Liersch, Blockhandel, 2002, S. 149. 232
E. Zentralisierung von Informationen
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und anderen Handelsoptionen besser ziehen können. Der europäische Gesetzgeber stellt also auch für den bilateralen außerbörslichen Handel strengere Regeln auf als der US-amerikanische, welcher allerdings die Institution des SI gar nicht kennt.238 2. Risiken der privatrechtlichen Ausgestaltung Hinsichtlich der organisatorischen Ausgestaltung der CTP hat sich die Kommission gegen eine zentrale öffentliche Einrichtung nach dem US-amerikanischen Vorbild der sog. Consolidated Tape Authority239 entschieden.240 Stattdessen sollen im Sinne eines wettbewerblichen Ansatzes mehrere private Informationsdienstleister miteinander konkurrieren. Dies birgt eine ganze Reihe von Risiken. Für den Schattenhandel sind zwei Aspekte zentral: Erstens dürfen APA und CTP für die Dauer von 15 Minuten beginnend ab der systeminternen Veröffentlichung eine Gebühr für die Weitergabe der jeweiligen Information erheben.241 Dies mag auf der Erwägung beruhen, dass sich ein privater Informationsdienstleister ohne Gebühren nicht finanzieren kann. Allerdings begründet die Gebührenerhebung die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Anleger, welche die Gebühren bezahlen, erhalten schneller Zugriff zu marktrelevanten Daten als solche Anleger, welche nicht bezahlen wollen oder können. Dies kann dazu führen, dass vor allem Hochfrequenzhändler den Markt deutlich besser einschätzen können als private Anleger. Die Erfahrungen aus den USA belegen, dass Hochfrequenzhändler sehr viel investieren, um Informationen früher als andere Anleger erhalten und verwerten zu können.242 Nimmt die Informationsasymmetrie zu, werden Anleger angesichts der Übervorteilung durch die Hochfrequenzhändler frustriert aus dem Markt ausscheiden, sodass Liquidität verloren geht.243 Zweitens ist nicht ausgeschlossen, dass sich private Informationsanbieter von ihren eigenen Interessen leiten lassen. Zwar schreiben Art. 64 Abs. 3 und Art. 65 Abs. 4 MiFID II vor, dass APA und CTP geeignete Maßnahmen treffen müssen, um Interessenkonflikte mit ihren Kunden zu vermeiden.244 Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Betreiber des APA oder CTP gleichzeitig einen Handelsplatz betreibt. Trotzdem besteht die Gefahr, dass APA und CTP nur solche Daten veröffentlichen, die bestimmte Kunden nicht belasten.245 Beispielsweise könnten sie die Meldung 238
Boskovic/Cerruti/Noel, Comparing Regulations, 2010, S. 10 f. De Meijer, J. of Sec. Operations & Custody 40, 44 (2011). 240 Lehmann, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 5. Aufl. 2018, § 59 WpHG Rn. 2. 241 Art. 64 Abs. 1 Uabs. 3 S. 3, Abs. 2 Uabs. 2 S. 3; Art. 64 Abs. 1 S. 2 MiFID II. 242 Vgl. Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 268 (2016). 243 Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 256, 269 f. (2016). Dort findet sich auch eine Aufzählung einschlägiger empirischer Studien. 244 Zur Umsetzung ins deutsche Recht siehe Lehmann, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 5. Aufl. 2018, § 58 WpHG Rn. 20 (im Erscheinen). 245 De Meijer, J. of Sec. Operations & Custody 40, 47 (2011). 239
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Kap. 3: Ein neues Transparenzregime
einer Blocktransaktion zurückhalten, damit ein oder mehrere Kunden erst noch weitere Geschäfte am Markt tätigen können, bevor die Marktöffentlichkeit von der veränderten Orderlage erfährt.246 In der Folge werden sich enttäuschte Anleger von der Nutzung dieser Informationsdienste abwenden und sich nach alternativen Informationsquellen umsehen.247 Zusammengenommen besteht damit die Gefahr, dass eben jene Informationsasymmetrie aufrechterhalten wird, welche durch die MiFIR und MiFID II beseitigt werden soll. So sinnvoll und wünschenswert Wettbewerb ist, stellt sich an dieser Stelle doch die Frage, ob es für die Verbreitung verlässlicher Daten nicht besser ist, einen staatlichen Monopolisten einzusetzen.248
F. Zusammenfassung Die Transparenzvorgaben der MiFIR sind darauf ausgelegt, den nach Erlass der MiFID I immer stark gewachsenen Schattenhandel mit Finanzinstrumenten auf ein Minimum zu reduzieren und keine Umgehungsmöglichkeiten zuzulassen. Dieses wünschenswerte Ziel wird erkauft durch ein im Vergleich zu MiFID I noch einmal deutlich an Komplexität hinzugewonnenes Transparenzregime.249 Die wichtigsten inhaltlichen Veränderungen gegenüber der MiFID I liegen in der Einführung des Double Volume Cap Mechanism und der Ausdehnung aller Transparenzvorgaben auf Fremdkapitalinstrumente. Dadurch werden für liquide wie für illiquide Instrumente mehr Informationen abrufbar sein, was die Gefahr einer adversen Selektion und damit den Druck für bestimmte Marktteilnehmer erhöhen wird. Entsprechendes gilt für SI, welche aufgrund ihres Eigenhandels ein besonderes Interesse daran haben, sich gegen informierte Händler abzusichern. Abzuwarten bleibt, ob sich die neugeschaffenen Institutionen APA und CTP in der Praxis bewähren werden.
246
Zur Frage, ob es sich dabei um einen Marktmissbrauch handelt siehe unten Kap. 4 B. IV. De Meijer, J. of Sec. Operations & Custody 40, 47 (2011). 248 Eine Vorstellung der verschiedenen Modelle sowie eine Diskussion ihrer Vor- und Nachteile finden sich bei de Meijer, J. of Sec. Operations & Custody 40, 43 ff. (2011). Für private Marktverbindungen plädiert hingegen Kumpan, Regulierung, 2006, S. 310 – 312, 315 f. 249 Es stellt sich dementsprechend erneut die Frage, ob es eines solch ausdifferenzierten Systems an Vorschriften wirklich bedarf, vgl. dazu bereits Kumpan, Regulierung, 2006, S. 355. 247
Kapitel 4
Verhaltenspflichten In einem Dark Pool treffen diverse Akteure aufeinander. Diese verfolgen verschiedene Interessen, welche auf unterschiedliche Art und Weise miteinander in Konflikt geraten und ein Marktversagen auslösen können.1 Von diesen Konflikten zeugen eine ganze Reihe von Verfolgungsentscheidungen der SEC2 sowie mehrere Entscheidungen US-amerikanischer Gerichte3. Die für die verschiedenen Akteure geltenden Verhaltenspflichten sind nacheinander zu analysieren. Im rechtsvergleichenden Pendelblick zeigen sich zwar dogmatische Unterschiede zwischen dem USamerikanischen und dem europäisches Kapitalmarktrecht, die Resultate ähneln sich aber häufig.
A. Das Insiderhandelsverbot In Dark Pools werden Ordern ausschließlich verdeckt abgegeben.4 Weiß ein Marktteilnehmer um eine große verdeckte Order5 im Handelsssystem und nutzt er dieses Wissen im Handel aus, verstößt er möglicherweise gegen das Insiderhandelsverbot.
1
Vgl. für einen Überblick oben Kap. 1 C. IV. Übersicht bei Freedman, 35 Rev. of Bank. & Fin. L. 150, 152 ff. (2015). 3 People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862 (Sup. Ct.); In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342 (S.D.N.Y. 2015). Teilweise ging es auch um unterlassene oder fehlerhafte Mitteilungen an den Kapitalmarkt, vgl. In re Inv. Tech. Grp., Inc. Sec. Litig., 251 F. Supp. 3d 596 (S.D.N.Y. 2017); Waggoner v. Barclays PLC, No. 16-1912cv, 2017 U.S. App. LEXIS 22115 (2d Cir. Nov. 6, 2017). 4 Zu den verschiedenen Formen der Verdeckung siehe oben Kap. 1 B. III. 5 Es geht im Folgenden allein um die Information über eine fremde Order. Insiderhandel kann auch derjenige begehen, der die Order im Rahmen eines Beteiligungsaufbaus selbst einstellt, vgl. dazu Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 792 ff.; dies., in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, BankR-HdB, 5. Aufl. 2017, § 107 Rn. 89, 98. 2
220
Kap. 4: Verhaltenspflichten
I. Telos und Dogmatik des Verbots Insiderhandel stellt eine besondere Form des informierten Handels6 dar: Der Insider nutzt eine, i. d. R. nur ihm persönlich zugängliche, private Information im Handel mit Finanzinstrumenten aus und bewegt dadurch den Börsenkurs in die Richtung des wahren Werts des Finanzinstruments, des sog. Fundamentalwerts.7 Insiderhandel schädigt die Informationshändler8, weil sie mangels Veröffentlichung einer neuen Information davon ausgehen, dass ein uninformierter Händler (noise trader) handelt.9 Die Informationshändler werden trotz steigendem Kurs verkaufen bzw. trotz sinkendem Kurs kaufen. Realisieren sie auf diese Weise zu oft Verluste, scheiden sie aus dem Markt aus. Insiderhandel reduziert daher die Informationseffizienz des Kapitalmarktes.10 1. Zentrale Regulierung durch die MAR in Europa Aufgrund dieser schädlichen Wirkung verbietet Art. 14 lit. a) MAR nunmehr europaweit einheitlich den Handel unter Ausnutzung einer Insiderinformation.11 Darüber hinaus werden sowohl das Empfehlen und Verleiten als auch die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen gegenüber Dritten verboten, vgl. Art. 14 lit. b) und c) MAR. Wann eine Insiderinformation vorliegt, wird in Art. 7 MAR definiert. Nach dem Grundtatbestand des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR muss es sich um eine präzise, nicht-öffentliche und kursrelevante Information mit Bezug zu einem Emittenten oder Finanzinstrument handeln. Art. 8 MAR erläutert die verschiedenen Verbotstatbestände näher und Art. 9 MAR schafft spezielle Ausnahmen für wünschenswerte Verhaltensweisen, die andernfalls unter das Verbot fielen.12 Die Vorschriften sind Ausfluss des Prinzips des gleichen Zugangs zu Informationen (equal acess to information): Alle Anleger sollen auf dem Kapitalmarkt gleichermaßen Zugang zu Informationen erlangen.13 Rechtsökonomisch formuliert soll ein 6
Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 847 f. (2018). Ausführlich dazu oben Kap. 1 C. II. 1. f) aa). 8 Zur Erinnerung: Informationshändler arbeiten neue Informationen zügig in den Börsenpreis ein. Dadurch entsteht Informationseffizienz, vgl. Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 77, 80, 88; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 77, 80, 88. 9 So und im Folgenden: Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 715 (2006); Leland, 100 J. Pub. Econ. 859, 884 (1992); Kyle, 53 Econometrica 1315, 1333 f. (1985). 10 Ausführliche Darstellung bei Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 847 ff. (2018). 11 Konzise Darstellung der Hintergründe und des Aufbaus der MAR bei Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Einl. Rn. 3 ff., Art. 14 Rn. 34 ff.; Veil, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 1 Rn. 1 ff., § 2 Rn. 1 ff. 12 Zur Struktur siehe etwa Veil, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 5 Rn. 18 ff. 13 Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 7 Rn. 38; Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Art. 14 Rn. 6; Veil, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 5 Rn. 4; Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 372 f. (2018). Zur Vorgängervorschrift siehe: EuGH EuZW 2010, 7
A. Das Insiderhandelsverbot
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kompetitiver Markt für Informationshändler geschaffen werden.14 Dieser Schutzzweck lässt sich auch Erwägungsgrund Nr. 23 der MAR entnehmen, weil es sich bei den dort genannten benachteiligten Dritten nur um Informationshändler handeln kann, welche die Insiderinformation nicht kennen.15 2. Regulierung durch diverse Vorschriften in den USA Das US-amerikanische Insiderrecht ist durch eine eigentümliche Mischung verschiedenster Vorschriften und Dogmen geprägt. Grundlegend zu unterscheiden sind die Verbote im Handel klassischer Finanzinstrumente (Securities Market)16 und solche im Derivatehandel (Derivatives Market). Im Detail bestehen freilich erhebliche Überschneidungen zwischen diesen beiden Märkten.17 a) Insiderhandelsverbot auf dem Securities Market Die zentrale18 Vorschrift für das Verbot des Insiderhandels bildet die auf Sec. 10(b) des Securities Exchange Act von 1934 aufbauende SEC Rule 10b-519. Diese Regel verwendet den Begriff des Insiderhandels jedoch nicht, sondern sanktioniert allgemein betrügerisches Verhalten auf dem Kapitalmarkt.20 Zwar besteht heute kein Zweifel mehr daran, dass Rule 10b-5 Insiderhandel verbietet, jedoch hat sich die dahinter stehende Dogmatik im Verlauf der US-amerikanischen Kapital227, 231 Rn. 48 – Photo Spector unter Verweis auf EuGH, Slg. 2007, I-3741 = EuZW 2007, 572 Rn. 38 – Georgakis; Klöhn, ECFR 2010, 347, 358 ff. 14 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 39; ders., in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 7 Rn. 39, 108 ff.; Art. 14 Rn. 7; ders., ZHR 177 (2013), 349, 358. 15 Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Art. 14 Rn. 8. 16 Zur Wortwahl, vgl. Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 152 ff. 17 So beaufsichtigt nicht die CFTC, sondern die SEC den Handel mit sog. „security-based swaps“, vgl. Sec. 3(a)(68)(a) SEA = 15 U.S.C. § 78c(a)(68)(A). Lehmann ordnet zu Recht auch Derivate als Finanzinstrumente ein, vgl. Lehmann, Finanzinstrumente, 2009, S. 337. Die USamerikanische Differenzierung lässt sich nur aus historischen Gründen erklären. 18 Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al., Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 246 f.; Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 861 (2018). 19 17 C.F.R. § 240.10b-5 Employment of manipulative and deceptive devices. It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, by the use of any means or instrumentality of interstate commerce, or of the mails or of any facility of any national securities exchange, (a) To employ any device, scheme, or artifice to defraud, (b) To make any untrue statement of a material fact or to omit to state a material fact necessary in order to make the statements made, in the light of the circumstances under which they were made, not misleading, or (c) To engage in any act, practice, or course of business which operates or would operate as a fraud or deceit up-on any person, in connection with the purchase or sale of any security. 20 Weber, Insiderrecht und Kapitalmarktschutz, 1999, S. 48 f.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
marktrechtsprechung stark gewandelt.21 Anfangs dominierte die Idee des gleichen Informationszugangs (equal access to information).22 Ab Mitte der 1970er Jahre orientierten sich die US-amerikanischen Gerichte stärker an den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des klassischen Betruges.23 Dadurch standen sie vor einer schwierigen dogmatischen Herausforderung:24 Der Betrugstatbestand erfordert eine Täuschungshandlung. Der Insider trifft aber keine Aussage, sondern verschweigt seinen Informationsvorsprung. Um auch das Unterlassen sanktionieren zu können, bedurfte es einer Aufklärungspflicht.25 Dies markiert die Geburtsstunde der sog. Fiduciary Duty Doktrin: Ein (Unternehmens-)Insider ist gegenüber allen Aktionären seiner Gesellschaft dazu verpflichtet, die Information entweder offen zu legen oder vom Handel Abstand zu nehmen.26 Der bloße Besitz einer Information reicht hingegen nicht aus, um eine Aufklärungspflicht und mithin einen Verstoß gegen Rule 10b-5 zu begründen.27 Die Fiduciary Duty Doktrin erfasst nur jenen kleinen Personenkreis, der Teil des Unternehmens ist oder mit dem Emittenten in einem besonderen Treueverhältnis steht.28 Es können aber auch unbeteiligte Personen von außerhalb des Emittenten Zugriff auf unveröffentlichte Informationen erlangen. Um diese Lücke zu schließen, entwickelten die US-amerikanischen Gerichte, ausgehend von Justice Burgers dissentierender Meinung in der Chiarella Entscheidung29, ergänzend30 die sog. 21
Sehr gute Überblicke bei Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al., Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 247 ff.; Yadav, 56 Wash. U. J.L. & Pol’y 2018, 133, 137 ff. (2018); Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 861 ff. (2018); Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 7 Rn. 52 – 59. Kritische Darstellung bei Karmel, 56 Wash. U. J.L. & Pol’y, 121 (2018). 22 Ausführlich Weber, Insiderrecht und Kapitalmarktschutz, 1999, S. 51 ff. 23 Weber, Insiderrecht und Kapitalmarktschutz, 1999, S. 74 ff.; Nagy, 94 Iowa L. Rev. 1315, 1320 (2009). 24 So und im Folgenden: Nagy, 94 Iowa L. Rev. 1315, 1323 f. (2009); Weber, Insiderrecht und Kapitalmarktschutz, S. 76 f. 25 Vgl. Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 235, 100 S. Ct. 1108, 1118 (1980): „When an allegation of fraud is based upon nondisclosure, there can be no fraud absent a duty to speak.“ Kritisch Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 7 Rn. 52 f. 26 SEC v. Tex. Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 848 (2d Cir. 1968); Konzise Darstellung bei Nagy, 94 Iowa L. Rev. 1315, 1324 ff. (2009). 27 Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 235, 100 S. Ct. 1108, 1118 (1980): „We hold that a duty to disclose under § 10 (b) does not arise from the mere possession of non-public market information.“ 28 Vgl. Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 232 – 34, 100 S. Ct. 1108, 1116 – 17 (1980); Dirks v. S. E.C., 463 U.S. 646, 655, 103 S. Ct. 3255, 3262 N. 14 (1983); Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 7 Rn. 53. Zur Ausdehnung der Theorie auf sog. Temporary Insiders siehe ferner Weber, Insiderrecht, S. 84 ff.; Nagy, 94 Iowa L. Rev. 1315, 1329 f. (2009); Hagen, 44 Business Lawyer 13, 22 ff. (1988) m.w.N. 29 Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 239 – 45 (Burger, C.J., dissenting). 30 Die beiden Theorien sind nebeneinander anwendbar, vgl. United States v. O’Hagan, 521 U.S. 642, 652, 117 S. Ct. 2199, 2207 (1997).
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Misappropriation Theory.31 Nach dieser Theorie kann eine besondere (Treue-) Pflicht auch zwischen einer nicht zum Emittenten zählenden Informationsquelle und einem Dritten bestehen; erlaubt die Informationsquelle die Nutzung der Information nicht, handelt der Dritte aber dennoch, verletzt er seine Pflicht zur Vertraulichkeit gegenüber der Informationsquelle.32 Auf der Grundlage dieser Theorie und der Fiduciary Duty Doktrin entwickelte die US-amerikanische Rechtsprechung sodann Kriterien, um auch die Weitergabe einer Information durch einen Insider (sog. Tipper) an Dritte (sog. Tippees) als verbotenen Insiderhandel zu erfassen.33 Zusammengefasst lauten die fünf objektiven Tatbestandsmerkmale eines gem. Rule 10b-5 verbotenen Insiderhandels: (1) Eine Person handelt mit einen Finanzinstrument oder gibt Wissen weiter (2) unter Ausnutzung einer (3) kursrelevanten und (4) nicht-öffentlichen Information (5) und verletzt dabei eine Treuepflicht (fiduciary duty) oder einer Vertrauenspflicht (duty of trust and confidence).34 Neben Rule 10b-5 tritt die sog. Regulation FD35, welche die selektive Weitergabe von unternehmensbezogenen Informationen an Personen, vor allem Analysten, verbietet und dadurch das Prinzip des gleichen Informationszugangs in diesem speziellen Bereich verwirklicht.36
31 Zur Entwicklung dieser Theorie vgl. Anderson, 10 Hofstra L. Rev. 341, 346 ff. (1982); Nagy, 94 Iowa L. Rev. 1315, 1330 ff. (2009). 32 Die Leitentscheidung sind: U.S. v. Newman 664 F.2d 12 (2d Cir. 1981), cert. denied, 464 U.S. 863 (1982); United States v. Carpenter, 791 F.2d 1024, 1029 – 30 (2d Cir. 1986), affd, 484 U.S. 19 (1987). Kristische Analyse bei Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 869 ff. (2018). 33 Zu den wichtigsten Entscheidungen zählen Dirks v. SEC, 463 U.S. 646, 103 S. Ct. 3255 (1983); United States v. O’Hagan, 521 U.S. 642, 117 S. Ct. 2199 (1997). Zur Rechtsentwicklung siehe Fox/Glosten/Rauterberg, 43 J. Corp. L. 817, 864 ff. (2018). Wichtige aktuelle Entscheidungen sind: Salman v. United States 137 S. Ct. 420; 196 L. Ed. 2d 351, besprochen in Note, Salman v. U.S. 131 Harv. L. Rev. 383 (2017); United States v. Martoma, 894 F.3d 64 (2d Cir. 2018), besprochen in Note, U.S. v. Matoma, 132 Har. L. Rev. 1730 (2019). 34 Ausführliche Darstellung bei Bondi/Lofchie, 8 NYU J. of Law & Bus. 151, 153 ff. (2011); zur Weitergabe von Wissen vgl. United States v. O’Hagan, 521 U.S. 642, 656, 117 S. Ct. 2199, 2209 (1997). Für zivilrechtliche Klagen muss zudem das Vertrauen der Anleger nachgewiesen werden, vgl. dazu Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 231 ff. 35 Vgl. 17 CFR § 243.100. 36 Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 374 (2018). Ausführlich zu den verschiedenen Publizitätspflichten im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht: Jutzi, ZVglRWiss 109 (2010), 445, 453 ff.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
b) Insiderhandelsverbot auf dem Derivatives Market Für den Handel mit Derivaten hat sich der US-amerikanische Gesetzgeber lange Zeit nicht für ein Insiderhandelsverbot erwärmen können.37 Da der Derivatehandel der Absicherung gegen Risiken diene, sollte jede Information über ein Risiko genutzt werden dürfen.38 Im Zuge des Dodd-Frank Act hat sich diese Situation verändert. Die für die Aufsicht über den Derivatehandel zuständige Commodity Futures Trading Commission (CFTC) hat auf der Grundlage des allgemeinen Betrugsverbots von § 4c(a) CEA die Regulation 180.139 erlassen, welche ihrerseits stark an Rule 10b-5 der SEC angelehnt ist.40 Konkret verlangt die CFTC für einen verbotenen Insiderhandel, dass eine Person eine nicht öffentliche, kursrelevante Information durch Verletzung einer sich aus Vertrag oder Gesetz ergebenden, fiduziarischen Pflicht oder durch eine Täuschung erlangt.41 3. Besonderheiten handelsbezogener Insiderinformationen Im Insiderrecht spielt die Differenzierung zwischen fundamentalwertbezogenen (oder unternehmensbezogenen) und handelsbezogenen Insiderinformationen eine wichtige Rolle. Fundamentalwertbezogene Informationen betreffen die Bewertung eines Unternehmens.42 Der Fundamentalwert ist nichts anderes als ein Erwartungswert, welcher sich zusammensetzt aus den erwarteten Vorteilen (vor allem Dividenden, Liquidationserlös) und den erwarteten Risiken des Anlageobjekts.43 Die 37 So und im Folgenden: Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 631 ff. (2015); Bondi/Lofchie, 8 NYU J. of Law & Bus. 151, 167 ff. (2011). 38 Bondi/Lofchie, 8 NYU J. of Law & Bus. 151, 168 (2011) (unter Verweis auf die CFTC). 39 17 CFR 180.1 – Prohibition on the employment, or attempted employment, of manipulative and deceptive devices. (a) It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, in connection with any swap, or contract of sale of any commodity in interstate commerce, or contract for future delivery on or subject to the rules of any registered entity, to intentionally or recklessly: (1) Use or employ, or attempt to use or employ, any manipulative device, scheme, or artifice to defraud; (2) Make, or attempt to make, any untrue or misleading statement of a material fact or to omit to state a material fact necessary in order to make the statements made not untrue or misleading; (3) Engage, or attempt to engage, in any act, practice, or course of business, which operates or would operate as a fraud or deceit upon any person; or, (…) 40 Ausführlich dazu: Verstein, 102 Va. L. Rev. 447, 466 ff. (2016); vgl. zudem Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 684 (2015). 41 Vgl. CFTC, Prohibition on the Employment, or Attempted Employment, of Manipulative and Deceptive Devices and Prohibition on Price Manipulation, 76 Fed. Reg. 41398, 41,403 (July 14, 2011) (to be codified at 17 CFR Part 180). 42 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 150; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 160 f.; ders., WM 2014, 537, 538. 43 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 72 – 74; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 72 – 74 ff.
A. Das Insiderhandelsverbot
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Arbitragemöglichkeit des (informierten) Händlers ergibt sich daraus, dass er den wahren Wert des Finanzinstruments besser einschätzen kann als die restlichen Händler.44 Fundamentalwertbezogene Informationen werden vor allem im Wege der Regelpublizität und der Ad-hoc-Publizität durch den Emittenten veröffentlicht.45 Handelsbezogene Informationen betreffen dagegen die aktuelle Orderlage eines bestimmten Finanzinstruments, dessen Liquidität oder die Aktivitäten bestimmter Marktteilnehmer.46 Die Arbitragemöglichkeit besteht darin, dass der (informierte) Händler die Handelsbedingungen besser einschätzen kann als die restlichen Marktteilnehmer. Handelsbezogene Informationen werden vor allem durch die Handelsplatzbetreiber veröffentlicht.47 Eine handelsbezogene Information kann zugleich eine fundamentalwertbezogene Information darstellen.48 Gibt beispielweise ein Investor, der am Markt für seine Analysefertigkeiten und seinen Zugang zu privaten Informationen bekannt ist, eine große verdeckte Order über seine Bank ab, stellt dies einerseits eine handelsbezogene Information dar. Andererseits kann der Auftragsausführende aus der Größe der Order den Schluss ziehen, dass der Investor mehr weiß als der Markt und den Fundamentalwert anders einschätzt. Dies stellt eine mittelbar fundamentalwertbezogene Information dar.
II. Front Running des Dark Pool-Betreibers Von den verschiedenen Akteuren in einem Dark Pool steht an erster Stelle der Systembetreiber im Fokus, weil er allein alle eingehenden Ordern und Marktteilnehmer kennt.49 Zwei Verhaltensweisen sind insiderrechtlich von besonderem Interesse: Der Betreiber kann einerseits die von Nutzern erlangten Informationen selbst im Wege des sog. Front Running ausnutzen oder er gibt die Information an Dritte, vor allem Hochfrequenzhändler, weiter (dazu unten III.).
44 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 150.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 161. 45 Vgl. Art. 17 Abs. 1 S. 1 MAR. 46 So und im Folgenden: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 151, 269; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 162, 302; ders., WM 2014, 537, 538. 47 Vgl. Art. 13 Abs. 1 MiFIR. 48 So und im Folgenden: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 270; ders., WM 2014, 537, 538. 49 Insofern bestehen Parallelen zum Specialist an der Börse, vgl. dazu: Fleischer/Murphy/ Mundheim, 121 U. Penn. L. Rev. 798, 848 (1973).
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
1. Definition von Front Running Front Running bedeutet, dass ein Kunde seinem Broker einen großvolumigen Auftrag erteilt, der Broker eine Kursveränderung antizipiert und sich dies für seine eigenen Aufträge zunutze macht.50 Beim aktiven Front Running deckt sich der Broker bei einer Kauforder seines Kunden selbst mit dem entsprechenden Finanzinstrument durch die Abgabe von Market Ordern ein.51 Bei einer Verkaufsorder tätigt er dagegen Leerverkäufe zum noch unbeeinflussten Kurs. Anschließend führt er die Blockorder aus. Es tritt dann eine Kursveränderung ein, in deren Folge der Broker seine eigenen Bestände zu einem höheren Preis (an den Kunden) verkaufen bzw. zu einem niedrigeren Preis zurückerwerben kann. Beim passiven Front Running platziert der Broker dagegen zuerst die Blockorder. Anschließend gibt er eine im Vergleich leicht bessere Order ab.52 Will der Blockhändler beispielsweise 10.000 Aktien zu einem Preis von 10,10 Euro kaufen, gibt der Broker eine (höhere) Limit-Kauforder zum Preis vom 10,20 Euro ab. Er spekuliert dabei darauf, dass seine preisprioritäre Kauforder zuerst ausgeführt wird und der Kurs anschließend weiter steigt. Kommt es beispielsweise zu einem Kursanstieg auf 10,30 Euro, kann der Broker seine – zuvor erworbenen – Aktien zu diesem Preis verkaufen. Sinkt der Kurs dagegen, kann er seine Aktien immer noch zu einem Preis von 10,10 Euro an den Blockhändler verkaufen. Dadurch trägt er ein überschaubares Verlustrisiko. Auf diese Weise erlangt er eine Profitchance, die ungleich größer ausfällt als sein Handelsrisiko. Das passive Front Running vermittelt also eine kostengünstige Handelsoption zum Nachteil des Blockhändlers.53 2. Regulierung durch verschiedene Verbotsvorschriften in den USA Front Running wird in den USA durch verschiedene Vorschriften verboten. a) Verbot für Broker durch Rule 10b-5 Für jeden Handelsort gilt zunächst, dass zwischen einem Broker und dessen Auftraggeber ein besonderes Treuepflichtverhältnis besteht, welches den Broker dazu verpflichtet, keine falschen Angaben zu machen; andernfalls verstößt er gegen
50 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 283 f.; Bovi, 7 St. Thomas L. Rev. 103, 104 f. (1994); Sethe, in Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, 4. Aufl. 2015, § 8 Rn. 45; Krause, in: Meyer/ Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 6 Rn. 193; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, BankR-HdB, 5. Aufl. 2017, § 107 Rn. 59 m.w.N. 51 So und im Folgenden: Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 246 – 248. 52 So und im Folgenden: Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 248 – 250. 53 Vgl. auch Klöhn, Spekulation, 2006, S. 55 f.
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das Verbot von Rule 10b-5.54 Auf die Fiduciary Duty Doktrin oder die Misappropriation Theory braucht man in dieser Konstellation nicht zurückzugreifen.55 Schweigt der Broker hingegen, kommt die sog. shingle theory ins Spiel: Wer als professioneller Marktakteur auftritt, erzeugt den Anschein, dass er stets im Einklang mit seinen rechtlichen und standesgemäßen Pflichten handelt.56 Der Kunde nimmt an, dass der Broker als Agent seine eigenen Gewinninteressen nicht über jene seines Auftraggebers stellen wird. Es handelt sich damit um eine implizite Selbstdarstellung des Brokers (implied representation). Begeht der Broker ein Front Running, schadet er seinem Kunden unmittelbar, weil dieser nicht den günstigsten Ausführungspreis erhält. Der Broker verstößt dann gegen das Bild, das er gegenüber dem Kunden von sich selbst gemalt hat. Auf diese Weise ermöglicht es die shingle theory, eine von Rule 10b-5 geforderte Falschdarstellung selbst bei Schweigen des Brokers zu konstruieren. b) Verbot für Broker und Dealer durch die Börsen Unabhängig davon haben die US-amerikanischen Börsen in ihrer Funktion als Self-Regulatory Organizations (SROs) Regeln erlassen, die sowohl das Front Running eines Brokers als auch jenes eines Marktmacher bzw. Specialist57 in ihren Systemen verbieten.58 Da diese Regeln den Schutz des Kunden und die Vermeidung von Informationsasymmetrien zum Ziel haben, gehen sie weit über den Anwendungsbereich von Rule 10b-5 hinaus.59 An ihre Stelle ist mittlerweile ein umfangreiches Verbot in Form von FINRA Rule 5270 getreten.60 Dieses Verbot greift aber nur ein, wenn eine Blocktransaktion unmittelbar bevorsteht. 54 Opper v. Hancock Sec. Corp., 250 F. Supp. 668, 673 (S.D.N.Y. 1966) („(…) this is a simple, and indeed a flagrant, case of faithless and fraudulent performance by a fiduciary.“); vgl. auch SEC v. Bergin, No. 3:13-CV-1940-M, 2015 U.S. Dist. LEXIS 91736, at *2 (N.D. Tex. July 15, 2015); Bovi, 7 St. Thomas L. Rev. 103, 113. (1994); Liersch, Blockhandel, S. 287 ff.; SEC, Equity Market Structure, Release No. 34-61358, File No. S7-02-10, 2010, S. 54 f. 55 Vgl. Opper v. Hancock Sec. Corp., 250 F. Supp. 668, 673 (S.D.N.Y. 1966) („Defendant had undertaken an „agency“ in the law’s most elementary sense of the term, with all the fiduciary responsibilities attendant upon this status.“); vgl. auch Anderson, 10 Hofstra L. Rev. 341, 369 (1982). 56 So und im Folgenden: Bovi, 7 St. Thomas L. Rev. 103, 119 – 122 (1994) m.w.N. 57 Der Specialist ist ein besonderer Market Maker und damit als Dealer tätig, vgl. Note „The Downstairs Insider: The Specialist and Rule 10b-5“, 42 N.Y.U. L. Rev. 695, 697 ff. (1967). 58 Überblick bei Liersch, Blockhandel, 2002, S. 293 ff.; Bovi, 7 St. Thomas L. Rev. 103, 111 f. (1994); Fleischer/Murphy/Mundheim, 121 U. Penn. L. Rev. 798, 847 ff. (1973). 59 Ausführliche Darstellung bei Liersch, Blockhandel, 2002, S. 287 ff. unter Verweis auf NYSE Rule 97 und Information Memorandum No. 95-28; vgl. zudem Fleischer/Murphy/ Mundheim, 121 U. Penn. L. Rev. 798, 847 ff., 854 ff. (1973). 60 FINRA Rule 5270. Front Running of Block Transactions (a) No member or person associated with a member shall cause to be executed an order to buy or sell a security or a related financial instrument when such member or person associated with a member causing such order to be executed has material, non-public market information
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c) Verbot für außerbörslich aktive Broker-Dealer durch FINRA Da sich die Betreiber von ATS als Broker-Dealer61 gem. Rule 301(b)(1) Reg. ATS registrieren müssen, müssen sie Mitglied der FINRA werden, Sec. 15(b)(8) SEA.62 Dadurch gilt das Front Running-Verbot von FINRA Rule 5270 auch für sie. Darüber hinaus verpflichtet Sec. 15(g) SEA jeden Broker und jeden Dealer dazu, Verfahrensweisen zu etablieren, die den Missbrauch von relevanten, nicht-öffentlichen Informationen durch den Broker bzw. Dealer selbst oder einen assoziierten Dritten verhindern.63 Der Verstoß hängt nicht davon ab, dass ein verbotener Insiderhandel i.S.v. Rule 10b-5 tatsächlich stattgefunden hat, d. h. die bloße Gefährdungslage reicht bereits für einen Verstoß gegen Sec. 15(g) SEA aus.64 d) Verbot im Derivatehandel Für den Handel mit Derivaten hat die CFTC mit Regulation 155.265 ein Verbot des Front Running aufgestellt.66 Dieses Verbot geht insofern über FINRA Rule 5270 concerning an imminent block transaction in that security, a related financial instrument or a security underlying the related financial instrument prior to the time information concerning the block transaction has been made publicly available or has otherwise become stale or obsolete. (…). 61 Einen Überblick über die Geschichte der Broker-Dealer-Regulierung gibt Brummer, 84 Fordham L. Rev. 977, 987 ff. (2015). 62 Vgl. dazu Haeberle, 42 J. Corp. L., 809, 820 f. (2017). 63 15 U.S. Code § 78o – Registration and regulation of brokers and dealers (g) Prevention of misuse of material, nonpublic information „Every registered broker or dealer shall establish, maintain, and enforce written policies and procedures reasonably designed, taking into consideration the nature of such broker’s or dealer’s business, to prevent the misuse in violation of this chapter, or the rules or regulations thereunder, of material, nonpublic information by such broker or dealer or any person associated with such broker or dealer. The Commission, as it deems necessary or appropriate in the public interest or for the protection of investors, shall adopt rules or regulations to require specific policies or procedures reasonably designed to prevent misuse in violation of this chapter (or the rules or regulations thereunder) of material, nonpublic information.“ 64 Vgl. SEC, In the Matter of Certain Market Making Activities on NASDAQ, Exchange Act Release No. 40910, 1999 WL 6176, at *6 fn. 3 (Jan. 11, 1999); In the Matter of Gabelli & Co., Inc., et al., Exchange Act Release No. 35057, 1994 WL 684627 (Dec. 8, 1994). 65 17 CFR 155.2 – Trading standards for floor brokers. Each contract market shall adopt rules which shall, at a minimum, with respect to each member of the contract market acting as a floor broker: (a) Prohibit such member from purchasing any commodity for future delivery, purchasing any call option, or selling any put option, for his own account or for any account in which he has an interest, while holding an order of another person for the (1) purchase of any future, (2) purchase of any call option, or (3) sale of any put option, in the same commodity which is executable at the market price or at the price at which such purchase or sale can be made for the member’s own account or any account in which he has an interest. (b) Prohibit such member from selling any commodity for future delivery, selling any call option, or purchasing any put option, for his own account or for any account in which he has an
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hinaus, als es keine Blockorder voraussetzt. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass ein Broker67 eine eigene Order ausführt, bevor er die zuvor erhaltenen Aufträge anderer Marktteilnehmer ausführt. Allerdings bleibt der Insiderhandel eines Marktteilnehmers, der kein Broker ist, wegen der Besonderheiten des Derivatehandels weiterhin erlaubt.68 3. Zentrale Regulierung in Europa durch Artt. 7, 14 MAR Insbesondere für das Front Running hat der europäische Gesetzgeber mit Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR ein eigenes Regelbeispiel der Insiderinformation geschaffen.69 Die allgemeinen Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR müssen ebenfalls erfüllt sein.70 a) Mit der Auftragsausführung beauftragte Person Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR setzt zunächst voraus, dass eine Person mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente beauftragt worden ist. Dies erfasst klassischerweise die Bank, die die Anlageentscheidung eines Kunden als dessen Agentin ausführt.71 Daneben sind die folgenden Konstellationen zu unterscheiden. aa) Betreiber eines RM und MTF Im öffentlichen Handel72 an einem Regulierten Markt oder Multilateralen Handelssystem agiert der Betreiber des Handelsplatzes als neutraler Organisator. Er führt die eingehenden Ordern zusammen, ist aber nicht für die Ausführung eines spezifischen Auftrages eines Kunden verantwortlich. Auftragsausführende im Sinne interest, while holding an order of another person for the (1) sale of any future, (2) sale of any call option, or (3) purchase of any put option, in the same commodity which is executable at the market price or at the price at which such sale or purchase can be made for the member’s own account or any account in which he has an interest. (…). 66 Ausführlich dazu Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 631 f. (2015). 67 Es werden die verschiedenen Brokertypen erfasst, vgl. dazu 17 CFR 155.3 und 155.4. 68 Vgl. Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 633 (2015). 69 Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Art. 7 Rn. 304, 306. 70 Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Art. 7 Rn. 305; Krause, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 6 Rn. 191. 71 Zur deutschen Vorgängervorschrift siehe etwa Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, § 13 Rn. 167 ff.; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 70 ff. 72 Öffentlicher Handel ist der an Handelsplätzen (RM, MRF, OTF) stattfindende Handel im Gegensatz zum an SI und OTC stattfindenden privaten Handel, vgl. dazu oben Kap. 2 A. I.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
dieser Vorschrift sind vielmehr die ihren Kunden Zugang zum Handelsplatz verschaffenden Intermediäre.73 Allerdings ist der Begriff des Auftragsausführenden in Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR nach einheitlicher und zutreffender Auffassung74 weit auszulegen. Denn es handelt sich bei Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR um ein Regelbeispiel einer Insiderinformation; eine Eingrenzung des allgemeinen Tatbestands der Insiderinformation ist nicht bezweckt.75 Infolgessen wird jeder Marktteilnehmer erfasst, welcher von der handelsbezogenen Insiderinformation erfährt. Eine Bank, die ein MTF betreibt und im Rahmen der Auftragszusammenführung Kenntnis von handelsbezogenen Insiderinformationen erlangt, fällt folglich unter den Tatbestand des Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR. bb) Betreiber eines OTF Zwar zählt nach der Gesetzessystematik auch die neue OTF-Kategorie zu den Handelsplätzen. Jedoch nimmt der OTF-Betreiber die Orderausführung von Kunden vor, vgl. Art. 20 Abs. 1, 6 MiFID II. Das Gesetz behandelt den OTF-Betreiber demnach sowohl als (neutralen) Marktplatzbetreiber als auch als Agent/Broker seiner Kunden. Dies entspricht genau der Lage in den Broker Crossing Networks76, die gezielt durch die neue OTF-Kategorie reguliert werden sollen.77 Dem OTF-Betreiber ist es bereits gem. Art. 20 Abs. 1 MiFID II untersagt, Ordern seiner Kunden gegen seine eigenen Bestände auszuführen. Darüber hinaus verbietet es ihm Art. 20 Abs. 4 MiFID II, sein Handelssystem mit einem SI unter demselben Dach zu betreiben. Für den OTF-Betreiber bedarf es des in Art. 7 Abs. 1 lit. a), 14 lit. a) MAR normierten besonderen Verbots, Eigenhandel unter Ausnutzung einer Insiderinformation zu betreiben, daher nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber aufgrund der schädlichen Wirkung des Insiderhandels beide Verbotstatbestände als nebeneinander anwendbar ansieht. cc) Systematischer Internalisierer Ein SI kann seine Kenntnis von einer Blockorder im Rahmen seines eigenen Handels nutzen, indem er erst einen eigenen Aktienbestand aufbaut und jenen sodann 73
Dazu unten: Kap. 4 A. IV. Krause, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR § 6 Rn. 194; Grundmann, in: Canaris/Habersack/Schäfer, GroßkommHGB, Band 11/1 BankvertragsR, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rn. 352; Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 305. 75 Krause, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR § 6 Rn. 194; Grundmann, in: Canaris/Habersack/Schäfer, GroßkommHGB, Band 11/1 BankvertragsR, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rn. 352. 76 Zur Erinnerung: Im Broker Crossing Network führt der Betreiber als Broker die Order der Nutzer zu einem referenzierten Preis zusammen. Teilweise ist er dabei auch selbst als Dealer aktiv, vgl. oben Kap. 1 B. III. 3. 77 Vgl. Art. 20 Abs. 6 Uabs. 2 und Erwägungsgrund Nr. 6 MiFIR. 74
A. Das Insiderhandelsverbot
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an den anfragenden Kunden verkauft.78 Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR ist bzgl. der Einordnung des SI als Auftragsausführenden jedoch nicht eindeutig. Auch der SI führt Ordern aus – nur eben nicht als Vermittler, sondern gegen seine eigenen Bestände. Hinzu kommt, dass die Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 Nr. 28 MAR eine nichtssagende, weil zirkuläre Definition für den Begriff der Ausführung von Transaktionen bietet.79 Gegen ein Erfassen des SI spricht, dass dieser nicht für einen bestimmten Kunden die Order platziert, sondern erkennbar als Gegenpartei (Dealer) mit eigenen Gewinninteressen auftritt. Ferner ist es dem SI schlichtweg kaum möglich, die Kenntnis der in der eingehenden Order verkörperten Information bei seinem eigenen Handel auszublenden. Es entspricht ja gerade der Idee des SI, dass er als einzige Gegenpartei für die Abwicklung einer Order zur Verfügung steht. Dazu muss sich der SI aber ggf. zuerst selbst mit den entsprechenden Beständen eindecken oder Leerverkäufe tätigen, um den Aufbau eigener zu großer Positionen zu vermeiden. Allerdings erstreckt Erwägungsgrund Nr. 30 das Verbot des Front Running auch auf autorisierte Gegenparteien und Marktmacher.80 Dieser Erwägungsgrund verdeutlicht, dass der europäische Gesetzgeber strikt zwischen den gewöhnlichen Handelsaktivitäten dieser Personen und einem anormalen Aufbau von Positionen unterscheidet. Für SI ist diese Passage relevant, weil sie funktional mit Marktmacher vergleichbar sind: Während ein Marktmacher seine Quotierungen innerhalb eines Handelsplatzes anbietet, stellt ein SI seine Quotierungen außerhalb eines Handelsplatzes. Beiden Akteuren geht es darum, über die Bereitstellung von Liquidität Gewinne zu realisieren. Man würde erhebliche Umgehungsmöglichkeiten schaffen, wenn man einem Marktmacher das Front Running verböte, es seinem Pendant im
78 Zur Erinnerung: Den SI trifft bei liquiden Finanzinstrumenten eine strikte Quotierungspflicht trifft, Art. 14 Abs. 1 S. 1 MiFIR. Bei großvolumigen Quotierungen, etwa in Reaktion auf die entsprechende Anfrage eines Blockhändlers, besteht allerdings eine Ausnahme, Art. 14 Abs. 2 MiFIR, sodass die Information über die große Order nicht sofort bekannt gegeben wird. Ausführlich dazu oben: Kap. 3 C. I. 1. d). 79 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 28: ,person professionally arranging or executing transactions‘ means a person professionally engaged in the reception and transmission of orders for, or in the execution of transactions in, financial instruments. 80 Vgl. den folgenden Ausschnitt aus Erwägungsgrund Nr. 30: „Beschränken sich MarketMaker oder Personen, die als Gegenparteien fungieren dürfen, auf die Ausübung ihrer legitimen Geschäftstätigkeit in Form des Erwerbs oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten oder beschränken sich zur Ausführung von Aufträgen für Rechnung Dritter, die über Insiderinformationen verfügen, befugte Personen auf die pflichtgemäße Ausführung der Stornierung oder Änderung eines Auftrags, so sollte dies nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten. Der in dieser Verordnung vorgesehene Schutz für Market-Maker, für Stellen, die befugt sind, als Gegenpartei aufzutreten, und für Personen, die befugt sind, im Namen Dritter, die über Insiderinformationen verfügen, Aufträge auszuführen, erstreckt sich nicht auf Tätigkeiten, die gemäß dieser Verordnung eindeutig verboten sind, so unter anderem die gemeinhin als „Frontrunning“ bekannte Praxis (Eigengeschäfte in Kenntnis von Kundenaufträgen). (…)“
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
außerbörslichen Handel aber weiterhin erlaubte. Folglich fallen auch SI unter das Verbot des Front Running.81 dd) OTC-Handel Wer als Broker im OTC-Handel tätig wird, zählt ebenfalls zu den mit der Auftragsausführung beauftragten Personen. Art. 7 Abs. 1 lit. d) und Erwägungsgrund Nr. 30 MAR enthalten keinerlei Einschränkung dahingehend, dass nur die Eingabe oder Stornierung von Ordern an einem Handelsplatz vom Begriff der Insiderinformation erfasst wird. Es spricht viel dafür, dass das Gleiche für die im OTC-Markt tätige Wertpapierfirmen gilt, die Eigenhandel betreiben. Die deutsche Sprachfassung der MAR verwendet in Erwägungsgrund Nr. 30 den leicht kryptischen Begriff der „Personen, die als Gegenparteien fungieren dürfen“82. Die MAR definiert diesen Begriff nicht weiter. Die Gegenüberstellung mit den Marktmachern in Erwägungsgrund Nr. 30 und Art. 8 Abs. 2 lit. a) MAR legt den Schluss nahe, dass es sich um außerbörsliche Liquiditätsspender handelt, welche auf eigene Rechnung Finanzinstrumente erwerben und veräußern. Gem. § 1 Abs. 1a Nr. 4 KWG handelt es sich dabei um eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung.83 Die Erlaubnispflichtigkeit dieser Tätigkeit beruht ihrerseits auf europäischen Richtlinien.84 Es liegt daher nahe, dass der europäische Gesetzgeber mit der Wortwahl „fungieren dürfen“ auf die in den Mitgliedstaaten umgesetzten Erlaubnisvorbehalte für den außerbörslichen Eigenhandel anspielt. Aus Effizienzsicht ist es sinnvoll, auch diesen in das Insiderhandelsverbot einzubeziehen: Vor allem große Ordern werden traditionell abseits der Börsen im OTC-Handel abgewickelt.85 Könnte ein Dealer sein Wissen um die große Order im Börsenhandel durch ein Front Running ausnutzen, würde er dort ein Signal setzen und die Ausführung der Blockorder zum Nachteil des Blockhändlers verteuern.86 b) Präzise Information Das Merkmal der präzisen Information stellt eine aus dem Merkmal der Kursrelevanz herausgelöste Evidenzkontrolle dar.87 Dementsprechend gilt der in Art. 7 81
So wohl auch Krause, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 6 Rn. 194, der für ein Erfassen aller Marktteilnehmer, die vom Auftrag erfahren, plädiert. 82 Im Englischen heißt es „persons authorised to act as counterparties“. 83 Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 5. Aufl. 2016, § 1 Rn. 172. 84 Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 5. Aufl. 2016, § 1 Rn. 169. 85 Dazu oben Kap. 1 B. I. 86 Dies gilt vor allem, wenn im OTC-Handel auf den Börsenpreis referenziert wird. 87 So und im Folgenden: Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-HdB, 5. Aufl. 2017, § 107 Rn. 43 Fn. 2; Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 83; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 84.
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Abs. 4 Uabs. 1 formulierte Maßstab des verständigen Anlegers88 auch für das Merkmal der präzisen Information. Entscheidend ist demnach, dass aus der Sicht eines verständigen Anlegers der Information ein hinreichender Grad an Schärfe zukommt. Wie sich aus Erwägungsgrund Nr. 16 der MAR ergibt, kommt es für diese Prognose allein darauf an, dass der Eintritt des Ereignisses hinreichend wahrscheinlich ist.89 Die Information über die verdeckte Orderlage schafft i. d. R. lukrative Handelsoptionen, weil sich daraus ablesen lässt, in welche Richtung sich der Preis des Finanzinstruments bewegen wird.90 Dies gilt umso mehr, wenn Händler mittels ausgefeilter Agorithmen Prognosen über den Orderfluss treffen können.91 c) Von einem Kunden mitgeteilt Die Information über die Order muss dem Beauftragten zudem durch den Kunden mitgeteilt worden sein. Dieses Merkmal besagt im Grunde nichts anderes, als dass der Agent seinen Kenntnisstand nicht aus einer öffentlichen Quelle, sondern aus der vertraulichen Beziehung mit seinem Kunden bezogen haben muss. Das private Mitteilen der Information durch den Kunden bildet insofern das Äquivalent zum Merkmal der nicht-öffentlichen Information des Grundtatbestands des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR. Solange die Order nur dem Auftragsausführenden bzw. der Gegenpartei bekannt ist, ist dieses Erfordernis erfüllt. d) Bezug auf noch nicht ausgeführten Auftrag des Kunden Der Auftrag des Kunden darf zudem noch nicht ausgeführt worden sein. Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR schweigt dazu, ob der Auftrag gänzlich nicht ausgeführt worden sein darf oder ob teilweise schon ausgeführte Aufträge ebenfalls erfasst werden. Diese Frage ist deswegen relevant, weil große Ordern oftmals in kleinere Ordern aufgespalten und an verschiedenen Handelsorten zu verschiedenen Zeiten ausgeführt werden.92 Für eine weite Auslegung des Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR spricht, dass der Agent die Pflicht hat, jede der kleinen Ordern im Interesse des Blockhändlers möglichst kostengünstig auszuführen. Dann kann man für jede kleine Order gesondert feststellen, ob sie bereits vollständig ausgeführt worden ist oder nicht. Zudem kann der Beauftragte selbst bei einer noch nicht vollständig ausgeführten Order Arbitragemöglichkeiten nutzen. Denn wird die Order aufgrund einer Ausnahme von der Vorhandelstransparenz, etwa wegen ihrer Größe (vgl. den Large-in88
Ausführlich dazu: Langenbucher, AG 2016, 417. Damit wird die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Schrempp umgesetzt, vgl. EuGH NJW 2012, 2787, 2789 Rn. 49 f. 90 Vgl. oben Kap. 4 A. II. 1. 91 Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1301. 92 Vgl. Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 85. 89
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
Scale-Waiver93), nicht veröffentlicht94, kann der Auftragsausführende bis zur Veröffentlichung der gesamten Transaktion zu kostengünstigen Bedingungen am Markt handeln. Dadurch übervorteilt er die Informationshändler und hat zudem einen starken Anreiz, seinem eigenen Kunden Finanzinstrumente aus seinen eigenen Beständen zu verkaufen. Diese schädlichen Effekte lassen sich nur durch eine weite Auslegung des Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR vermeiden. e) Bezug zum Finanzinstrument Die Orderlage bzgl. eines einzelnen Finanzinstruments sagt etwas über Angebot von und Nachfrage nach diesem aus. Informationen über die Orderlage stehen daher zwangsläufig in einem (mittelbaren95) Bezug zum jeweiligen Finanzinstrument. f) Kursrelevanz Dagegen bereitet die Kursrelevanz von handelsbezogenen Informationen erhebliche Schwierigkeiten. Zwei Problemkreise sind zu unterscheiden. aa) Subjektiver Maßstab zur Bestimmung der Erheblichkeit Sowohl Art. 7 Abs. 1 lit. a) als auch lit. d) MAR setzen voraus, dass die Information geeignet sein muss, den Kurs des Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen. Wie diese Schwelle zu bestimmen ist, war bereits unter der alten Rechtslage umstritten.96 Während die Vertreter der sog. objektiven Ansicht feste Prozentzahlen favorisieren97, fragen die Vertreter der sog. subjektiven Ansicht danach, ob ein verständiger objektiver98 Anleger durch die Kenntnis der Information hinreichend dazu incentiviert werde, die Information im Handel ausnutzen.99 Da sich der Kurs 93
Vgl. dazu oben Kap. 3 B. I. 1. b) cc). Zur Frage, ob eine teilweise ausgeführten Order nach einem Absinken unter den LISSchwellenwert zu veröffentlichen ist, vgl. Kap. 3 B. I. 1. b) (3). 95 Diesem Merkmal kommt keine eigene Bedeutung zu, weil jede kursrelevante Information einen Bezug zum Emittenten oder Papier aufweist, vgl. Klöhn, in: KöKo, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 121; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 116. 96 Zum alten Streitstand siehe Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, MAR Art. 7 Rn. 70 ff. Zur neuen Diskussion: Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 143 ff. 97 Claussen, DB 1994, 27, 30; Dierlamm, NStZ 1996, 519, 522 (für 5 %-Schwelle); ebenso Kasike, WM 2014, 1933, 1939. 98 Auf den konkret Handelnden kommt es nicht an, vgl. Sethe, in Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, 4. Aufl. 2015, § 8 Rn. 66. 99 Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-HdB, 5. Aufl. 2017, § 107 Rn. 54 f.; Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, Kap. 5.3 Rn. 67 ff.; Klöhn, in: KöKo, 2. Aufl. 2014, WpHG § 13 Rn. 278 f.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 301 f. (speziell zu handelsbezogenen Informationen); Assmann, in: Ass94
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eines Finanzinstruments selbst bei Offenlegung einer Blockorder kaum mehr als 1 – 2 % vom Ausgangswert wegbewegen wird, verneinen die Vertreter der objektiven Ansicht die Kursrelevanz.100 Dagegen kommt es für die Vertreter der subjektiven Ansicht allein darauf an, ob ein verständiger Anleger in der Information über die Orderlage eine Arbitragemöglichkeit sieht, die sich – nach Abzug der Handelskosten – auszunutzen lohnt.101 Dies dürfte bei jenen Blockordern, die die Schwelle des Large-in-Scale-Waivers überschreiten, zu bejahen sein.102 Dass die anreizorientierte subjektive Betrachtungsweise unter Geltung der MAR die richtige ist, ergibt sich erstens daraus, dass Art. 7 Abs. 4 Uabs. 1 MAR den verständigen Anleger zum Maßstab für die Beurteilung der Kursrelevanz erhebt. Beim verständigen Anleger handelt es sich um die Personifizierung der halbstrengen Variante der Kapitalmarkteffizienzhypothese.103 Kursrelevant ist demnach alles, was ein (rational agierender) Informationshändler seinen Anlageentscheidungen zugrunde legen würde. Dazu zählen auch und dann Informationen über die Orderlage, soweit sie dem Händler Arbitragemöglichkeiten verschaffen.104 Dies entspricht im Übrigen weitgehend dem Reasonable Investor Standard105 des US-amerikanischen Insiderrechts.106 Die objektive Betrachtungsweise führt ferner dazu, dass nur sehr gewichtige Informationen als Insiderinformationen eingestuft werden. Informationshändler werden aber auch dann durch Insiderhandel geschädigt, wenn eine Vielzahl weniger bedeutender Informationen über einen längeren Zeitraum durch diverse (ansonsten mann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 51, 64 ff.; so wohl auch Sethe, in Assmann/ Schütze, HdB KapitalanlageR, 4. Aufl. 2015, § 8 Rn. 67 ff.; Krause, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 6 Rn. 101, 114 ff., 121, 192. 100 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 275 f.; Kasike, WM 2014, 1933, 1939. 101 Klöhn, in: KöKo, 2. Aufl. 2014, WpHG § 13 Rn. 278 f.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 301 f.; Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-HdB, 5. Aufl. 2017, § 107 Rn. 54 f.; Grundmann, in: Canaris/Habersack/Schäfer, GroßkommHGB, Band 11/1 – BankvertragsR, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rn. 354; Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 146; Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1301. 102 Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 143. 103 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 248 – 256; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 271 – 279; ebenso Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, MAR Art. 7 Rn. 72, 75; Krause, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 6 Rn. 116. 104 Klöhn, ZIP 2014 945, 946 f. m w. N. in Fn. 23; ders., in: KöKo-WpHG § 13 Rn. 278 ff.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 301 ff.; Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 142, 145. 105 Vgl. SEC v. Tex. Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 849 (2d Cir. 1968); bestätigt in Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 232, 108 S. Ct. 978, 983, 99 L. Ed. 2d 194 (1988): „We now expressly adopt the TSC Industries standard of materiality for the § 10(b) and Rule 10b–5 context.“; TSC Indus. v. Northway, 426 U.S. 438, 96 S. Ct. 2126 (1976). Überblick bei Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 369 ff. 106 Vgl. Weber, Insiderrecht und Kapitalmarktschutz, S. 181; Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 371 ff.
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uninformierte) Händler ausgenutzt wird. Die Summe all dieser Verluste kann sie genauso zum Ausscheiden aus dem Markt bewegen wie das Erleiden weniger großer Verluste.107 Für das Front Running ist demnach allein entscheidend, dass es dem Vorlaufenden wahrscheinlich einen Gewinn einbringen wird. Die Größe des Gewinns ist unerheblich.108 Beachtung verdient dagegen der Einwand, eine subjektive Betrachtungsweise sei mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG109 unvereinbar110. Die MAR nennt zwar an keiner Stelle objektive Schwellenwerte zur Bestimmung der Kursrelevanz. Jedoch erhebt sie den verständigen Anleger zum Maßstab, Art. 7 Abs. 4 Uabs. 1. Man muss Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4 MAR also lediglich im Zusammenhang lesen, um eine Konturierung des Begriffs der Erheblichkeit zu erhalten.111 Hinzu kommt, dass sich präsumtive Insider selbst fragen können, ob aus ihrer Sicht die Vorteile der Nutzung der Information die Kosten ihrer Nutzung im Handel überwiegen. Ist dies zu bejahen, sollten sie vom Handel Abstand nehmen. Hinter der Diskussion um die Bestimmtheit der Norm verbirgt sich allerdings ein fundamentales Problem: Aufgrund des technologischen Wandels unterscheiden sich die Anlegertypen des Kapitalmarkts heute massiv.112 Uninformierte (Privat-)Anleger treffen auf Informationshändler und mit ausgefeilten Algorithmen sowie leistungsstarken Rechnern ausgestattete Hochfrequenzhändler.113 Mit dem „verständigen Anleger“ wird das Handelsverhalten aller Anlegertypen aus der Sichtweise eines klassischen Informationshändlers beurteilt.114 Informationshändler und Hochfrequenzhändler sind jedoch nicht identisch. Ein Informationshändler kann mangels Ausstattung gar nicht jene minimalen Kursveränderungen wahrnehmen, auf deren
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Vgl. dazu auch Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 250 f. Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 278 ff.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 301 ff. Anders dagegen Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 66; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rn. 49; Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 142. 109 Da sämtliche Insiderhandelsverbote gem. § 120 Abs. 3 Nr. 3 WpHG n. F. strafbewehrt sind, müssen sich auch die in Art. 7 MAR aufgeführten Tatbestandsmerkmale am strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz messen lassen, Art. 103 Abs. 2 GG, vgl. Kasiske, WM 2014, 1933, 1939. 110 So jüngst Kasike, WM 2014, 1933, 1939; ebenso bereits Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1951. Ahnliche Vorbehalte äußern Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, MAR Art. 7 Rn. 73. 111 Vgl. bereits Peltzer, ZIP 1994, 746, 749. 112 Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 145. Kasiske diskutiert die Problematik im Kontext des Hochfrequenzhandels, vgl. Kasiske, WM 2014, 1933, 1939. Vom „New Investor“ spricht Lin, 60 UCLA L. Rev. 678, 699 ff. (2013). 113 Ausführlich dazu oben Kap. 1 A. I. 3., 4. 114 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 364, 371; Langenbucher, AG 2016, 417, 418 ff. unter Verweis auf Erwägungsgrund Nr. 14 MAR. 108
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Basis Hochfrequenzhändler in einer Vielzahl von Situationen handeln.115 Wäre ein Informationshändler dazu in der Lage, würde er diese Arbitragemöglichkeiten aber (vermutlich) nutzen. Dementsprechend sollte man den „verständigen Anleger“ in zwei Unterkategorien aufteilen: Den klassischen Informationshändler und den durch Technologie (partiell) informierten116 Hochfrequenzhändler. Sodann steht man vor der großen Herausforderung, dass Hochfrequenzhändler Informationen über kleinste Kursbewegen in einer Vielzahl von Transaktionen ausnutzen117; aggregiert können sie dadurch erhebliche Gewinne realisieren.118 Es lässt sich dann schlechterdings nicht mit festen Prozentzahlen arbeiten, um die Kursrelevanz zu bestimmen. Um willkürliche Verurteilungen zu vermeiden, verbleiben nur die Möglichkeiten, für Hochfrequenzhändler Bagatellgrenzen einzuführen119 oder deren Tätigkeit ganz vom Verbot des Insiderhandels auszunehmen. Letzteres ist dann gerechtfertigt, wenn nachgewiesen werden kann, dass Hochfrequenzhändler durch das elektronische Front Running120 zusätzliche Liquidität spenden und die Handelskosten für die, aufwendige Analysen betreibenden, Informationshändler insgesamt senken anstatt steigern.121 Ob dies der Fall ist, konnte bislang nicht empirisch beantwortet werden.122 Angesichts dieser Unsicherheit sollten strafrechtliche Sanktionen nur dann verhängt werden, wenn eine Schädigung der Informationshändler außer Frage steht.123 Dies ist der Fall, wenn die Veröffentlichung der Information eine deutlich erkennbare Kursbewegung zur Folge hatte. Da handelsbezogene Informationen kleinere Kursbewegungen als fundamentalwertbezogene Informationen auslösen, sollte die Praxis nicht mit einem Schwellenwert einer Kursschwankung von 5 %124, sondern mit einer kleineren Größe125 arbeiten.
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Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 145. Zur Frage, inwiefern Hochfrequenzhändler informiert sind, vgl. oben Kap. A I. 4. 117 Diese Problematik ähnelt stark der Frage, die ein britisches Gericht in Massey (2011) UKUT 49 (TCC) Rn. 38, 41 zu entscheiden hatte. Vgl. dazu auch Langenbucher, AG 2016, 417, 420. Eine ähnliche Diskussion führt auch Bachmann, ZHR 172 (2008), 497, 603. Zum Sonderfall der unklaren Kursrichtung: Klöhn, ZIP 2014. 945. 950 ff. 118 Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 145. 119 So etwa Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, MAR Art. 7 Rn. 73. 120 Ausführlich dazu Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 226 ff. (2015). 121 Dafür gibt es gewisse Anhaltspunkte, vgl. Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 230 ff. (2015). 122 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 236 ff. (2015). 123 Zur Vorsicht mit rechtstheoretischen Modellen mahnt auch Langenbucher, AG 2016, 417, 419 f., 422. Ähnlich spektisch äußert sich Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 75. 124 Diesen Wert schlagen vor Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, MAR Art. 7 Rn. 73. 125 Gegen kleine Schwellenwerte wendet sich Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 146. 116
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
bb) Kein Kausalitätserfordernis bzgl. der öffentlichen Bekanntgabe Losgelöst davon stellt sich die Frage, wie sich der Zusatz „wenn sie öffentlich bekannt würden“ zum Merkmal der Kursrelevanz verhält. Die Mehrzahl der Literaturstimmen126 misst diesem Zusatz keine eigenständige Bedeutung zu. Namentlich Jan Liersch vertritt dagegen ein strenges Kausalitätserfordernis: Die Kursbewegung müsse durch die öffentliche Bekanntgabe der Information verursacht werden.127 Auch dieser Streit wird bei einer Information über die Orderlage virulent, denn eine große (verdeckte) Order sorgt aus sich heraus für eine (schwache) Kursbewegung. Dies liegt daran, dass sie gegen andere Ordern ausgeführt werden muss und sich auf diese Weise durch das Orderbuch nach oben bzw. unten arbeitet.128 Erfolgt schließlich die Bekanntgabe der auf der Blockorder basierenden Transaktionen, ist eine Kursbewegung bereits und unabhängig von der Bekanntgabe eingetreten. Erst anschließend könnten andere Marktteilnehmer die Order wahrnehmen, Rückschlüsse auf eine neue Information ziehen und ihre Ordern bzw. Quotierungen verändern. Gemäß der strengen Kausalitätstheorie tritt der sog. Informationseffekt daher nach der (ersten) Kursbewegung ein.129 Hat nun ein Marktteilnehmer Kenntnis von der Blockorder erlangt, bevor diese ausgeführt worden ist und hat er diese Information genutzt, um sich selbst mit Beständen einzudecken oder Leerverkäufe zu tätigen, stelle sich die Frage, warum er gehandelt hat. Er könne einerseits die orderinduzierte Kursbewegung antizipiert und ausgenutzt haben. Diese Bewegung sei aber unabhängig von der öffentlichen Bekanntgabe der Information allein aufgrund der Angebots- und Nachfragelage im Orderbuch eingetreten. Andererseits könne der Marktteilnehmer die Blockorder als Verkörperung einer neuen Information, also als mittelbar fundamentalwertbezogene Information, angesehen und auf den Informationseffekt130 gesetzt haben. Nur in diesem zweiten Fall beruhe die Kursbewegung auf der öffentlichen Bekanntgabe der Information. Da man dem betroffenen Marktteilnehmer kaum nachweisen kann, worin seine Motivation bestand, sei die Kursrelevanz in beiden Fällen zu verneinen.131 Diese Argumentation überzeugt aus vier Gründen nicht.
126 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 156; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 168; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 50 ff.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, § 13 Rn. 143 – 145. 127 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 238 ff, S. 269 ff. 128 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 268 f. 129 So und im Folgenden: Liersch, Blockhandel, 2002, S. 268 ff. 130 Zur Erinnerung: Informationseffekt bedeutet, dass andere Marktteilnehmer davon ausgehen, die Blockorder verkörpere eine neue Information, vgl. dazu oben Kap. 1 A. III. 4. a). 131 Liersch, Blockhandel, 2002, S. 269 ff.
A. Das Insiderhandelsverbot
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(1) Schutzbedürftigkeit der Informationshändler Erstens ist es Sinn und Zweck des Insiderhandelsverbots, einen kompetitiven Markt für Informationshändler zu schaffen.132 Dies gelingt nur dann, wenn Arbitragemöglichkeiten einerseits möglichst schnell aufgedeckt werden und andererseits kein Insider die Arbitragemöglichkeiten bis zur Veröffentlichung der neuen Information nutzen darf. Allerdings fehlt handelsbezogenen Informationen der unmittelbare Bezug zum Emittenten. Daher ist der Emittent nicht verpflichtet, sie sofort zu veröffentlichen, Art. 17 Abs. 1 S. 1 MAR.133 Da gleichzeitig die Vorschriften zur Vorhandelstransparenz wegen diverser Ausnahmen, insbesondere jener für großvolumige Aufträge134, nicht greifen, erhalten die Informationshändler keine neuen Informationen über die aktuelle Orderlage. Sie können daher die in der Blockorder liegende Arbitragemöglichkeit nicht nutzen.135 Fällt damit ihr publizitätsrechtlicher Schutz136 komplett weg, müssen sie durch eine weite Auslegung des Verbots des Insiderhandels vor Front Running geschützt werden. Damit verträgt es sich nicht, in das Merkmal der öffentlichen Bekanntgabe ein strenges Kausalitätserfordernis hineinzulesen. (2) Verbotener Insiderhandel auf dem Terminmarkt Zudem weist Liersch selbst darauf hin, dass derjenige, der eine Kursbewegung am Kassamarkt antizipiert, dieses Wissen durch den Abschluss von Derivategeschäften am Terminmarkt ausnutzen kann.137 Das Derivat, oftmals eine Aktienoption, bildet die Wertentwicklung des zugrundeliegenden Finanzinstruments (des Basiswerts) ab. Ein Optionsrecht darf zu einem bestimmten Basiswert ausgeübt werden (sog. Ausübungs- oder Basispreis).138 Verändert sich der Basiswert, verändert sich dementsprechend auch der Wert des Derivats.139 Der Orderantizipierende kann sich nun folgenden Mechanismus zunutze machen: Wird die veränderte Orderlage des zugrundeliegende Finanzinstruments bekannt gegeben, verändert sich dessen Kurs.140 Da das Derivat diesen Kurs abbildet, ändert sich notwendigerweise auch der Wert des 132 Vgl. Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711, 734 ff. (2006); Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 38; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 38. 133 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 371 ff. 134 Zum Large-In-Scale-Waiver, vgl. oben Kap. 3 B. I. 1. b) cc). Beim SI gilt die Ausnahme für großvolumige Quotierungen, Art. 14 Abs. 2 MiFIR. 135 Vgl. dazu Jarrow/Protter, 15 Int’l. J. Theor. Appl. Fin., 1250022-1, 120022-5 ff. (2012). 136 Dazu Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor § 15 Rn. 41 ff., 62 ff.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 17 Rn. 41 ff., 62 ff. 137 So und im Folgenden: Liersch, Blockhandel, 2002, S. 241 f., 274. 138 Clouth, OTC-Derivategeschäft, in: Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 2009, S. 357 Rn. 902. Vgl. auch Becker, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2013, S. 139 f. 139 Zu Aktienoptionen: Storck, in: Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl., § 12 Rn. 3 f., 9 – 11. Allgemein zu Derivaten: Schüwer, in: Zerey, Finanzderivate, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 8, 12. 140 So und im Folgenden: Liersch, Blockhandel, 2002, S. 241 f., 274
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
Derivats selbst. Damit beruht die Wertveränderung des Derivats auf der Bekanntgabe einer handelsbezogenen Information über dessen Basiswert.141 In der Folge ist das Kausalitätserfordernis für das Derivatgeschäft erfüllt, sodass dieses ein verbotenes Insidergeschäft darstellt.142 Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum der Handel mit einem derivativen Instrument strafbewehrt, der unmittelbare Handel mit dessen Basiswert hingegen straffrei sein sollte.143 (3) Falscher Anknüpfungspunkt der strengen Kausalitätstheorie Die strenge Kausalitätstheorie wählt zudem den falschen Zeitpunkt für ihre Kausalitätsbetrachtung. Die Blockorder wird zwar aufgrund einer Ausnahmeregel nicht offengelegt, bevor sie gegen die übrigen Ordern ausgeführt wird. Sie bleibt damit gegenüber allen Marktteilnehmern verborgen. Hochfrequenzhändler sind aber dennoch in der Lage, eine verdeckte Order aufzuspüren und daraus Informationen zu gewinnen.144 Dazu geben sie Kauf- und Verkaufsangebote zu verschiedenen Preisen, u. a. an der Spitze des Orderbuchs, ein. Sobald eine ihrer Ordern gegen die verdeckte Order ausgeführt wird, lernen die Hochfrequenzhändler bzw. ihre Algorithmen daraus, canceln ihre verbliebenen Ordern und beginnen, entsprechende Gegengeschäft zu tätigen, sog. Pinging.145 Spätestens das Zusammenführen der verdeckten Blockorder mit der allerersten Gegenorder eines Hochfrequenzhändlers löst also eine Kursbewegung aus, in deren Folge sich die Ausführung der Blockorder verschlechtert. Gleichzeitig nehmen die Hochfrequenzhändler durch dieses Verhalten den langsameren Informationshändlern Arbitragemöglichkeiten weg. Wäre die verdeckte Blockorder den Hochfrequenzhändlern von Anfang im Wege der Vorhandelstransparenz bekannt, würden sie ihre Ordern bzw. Quotierungen gleichsam ändern. Demnach evoziert die öffentliche Bekanntmachung der Blockorder zu dem Zeitpunkt, zu dem sie das Orderbuch (oder den Quotierenden) erreicht, bereits eine Kursbewegung.
141 Beispiel: Der Ausübungspreis für eine Kaufoption (Call-Option) der Aktie X ist 100. Der derzeitige Basiswert ist 95. Ein Insider weiß, dass eine große Kaufblockorder den Preis der Aktie nach oben treiben wird. Er deckt sich daher mit Call-Optionen ein. Die Bekanntgabe der großen Order lässt den Basiswert auf 105 steigen. Der Insider übt seine Option aus. Er kann nun Aktien zum Preis von 100 kaufen, obwohl deren Wert 105 beträgt. Nach Abzug des gezahlten Optionspreises macht er einen Gewinn. 142 Vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 10 MAR, welcher explizit auf den Marktmissbrauch durch den Einsatz derivativer Instrumente verweist. 143 Vgl. Liersch, Blockhandel, 2002, S. 274. 144 So und im Folgenden: Jarrow/Protter, 15 Int’l. J. Theor. Appl. Fin., 1250022-1, 1250022-5 f. (2012). 145 Vgl. Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 301 f. ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 345. Ausführlich dazu unten: Kap. 4 A. V. 2.
A. Das Insiderhandelsverbot
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(4) Vermutungen über den Fundamentalwert Zuletzt ist zu beachten, dass eine handelsbezogene Information zugleich eine mittelbar fundamentalwertbezogene Information darstellen kann.146 Kennt ein Händler die Richtung der Blockorder (Kauf oder Verkauf), wird er vermuten, dass der Blockhändler über eine neue (positive oder negative) Information über das jeweilige Unternehmen verfügt.147 Eine solche Vermutung kann den Tatbestand des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR erfüllen.148 Für die Kursrelevanz ist entscheidend, wie wahrscheinlich es ist, dass die Vermutung zutrifft.149 Handelt es sich um eine wohlbegründete Vermutung und wäre diese dem gesamten Markt bekannt, würde sich der Kurs verändern. Es liegt nahe, dass der Front Runner auf der Grundlage dieser Vermutung gehandelt hat und nicht allein auf die orderinduzierte Kursbewegung gesetzt hat. Die strenge Kausalitätstheorie privilegiert den Front Runner in diesem Fall ungerechtfertigt. Sie ist daher aus all den genannten Gründen abzulehnen. cc) Schlussfolgerung: Kursrelevanz besteht Die Information über eine verdeckte große Order erfüllt das Merkmal der Kursrelevanz sowie alle weiteren Voraussetzungen des besonderen Insidertatbestandes des Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR. g) Verwendung der Information Deckt sich ein Insider selbst mit Aktienbeständen ein, um diese anschließend an den Kunden zu verkaufen oder führt er Leerverkäufe durch, verstieß er unter der alten Rechtslage gegen das Verwendungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.150.151 Dabei wurde das Handeln sowohl im eigenen als auch im fremden Namen erfasst.152 Aus dem Begriff des Verwendens wurde allerdings das Erfordernis abgeleitet, dass
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Vgl. dazu oben: Kap. 4 A. I. 3. Vgl. Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 151, 154, 267 ff.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 290, 295. 148 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 154, 189 („unsichere Information“); ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 201. Anders dagegen: Liersch, Blockhandel, 2002, S. 268 f. 149 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 190; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 202. 150 Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 12 f. m.w.N. 151 Das Unterlassen ist dagegen straffrei, vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 16 f. m.w.N. 152 Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 21 m.w.N. 147
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
die Kenntnis der Insiderinformation (mit-)ursächlich für den Abschluss des Insidergeschäfts gewesen sein muss.153 Der Begriff des Tätigens eines Insidergeschäfts gem. Art. 14 lit. a) MAR ist demgegenüber weiter gefasst. Allerdings lässt sich aus dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 S. 1 i.V.m. den Erwägungsgründen Nr. 24 und 25 der MAR ebenfalls ein Kausalitätserfordernis herauslesen, d. h. auch unter der neuen Rechtslage muss die betroffene Person die Information für ein Kauf- oder Verkaufsgeschäft nutzen. Für Personen, die Insiderinformationen erlangen und anschließend Geschäfte tätigen, wird jedoch unterstellt, dass sie die Insiderinformation genutzt haben.154 Es wird also – in Anknüpfung an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Photo Spector Group155 – eine Vermutungsregel bzgl. der Kausalität der Insiderinformation formuliert.156 Dem Insider ist es laut Erwägungsgrund Nr. 24 S. 2 der MAR unbenommen, sich gegen den Vorwurf des Insiderhandels zur Wehr zu setzen. Diese Formulierung lässt sich in dem Sinne verstehen, dass der Insider sich u. a. mit dem Einwand verteidigen kann, die Insiderinformation habe für seinen Handel keine Rolle gespielt. Ein Front Runner kann diesen Beweis kaum führen, wie Erwägungsgrund Nr. 30 MAR bestätigt. h) Ausnahme für gewöhnliche Tätigkeit, Art. 9 Abs. 2 MAR Gem. Art. 9 Abs. 2 lit. (a) MAR fallen ein Marktmacher und eine autorisierte Gegenpartei – wie einen SI – nicht unter das Verbot des Insiderhandels, wenn sie Finanzinstrumente berechtigterweise im Rahmen ihrer gewöhnlichen Marktfunktion kaufen oder verkaufen. Für Auftragsausführende ordnet Art. 9 Abs. 2 lit. (b) MAR eine Befreiung unter den gleichen Bedingungen an. Beide Ausnahmetatbestände wollen verhindern, dass zentrale Marktakteure ihre Funktionen deswegen nicht erfüllen können, weil sie Kenntnis von einer Insiderinformation haben.157 Solange ein Marktmacher seine Quotierungen vornimmt, ohne dass sich die Insiderinformation auf die Art und Weise seiner Quotierungen auswirkt, brauchen andere Marktteilnehmer keine Übervorteilung zu befürchten. Gleiches gilt für eine Bank, die Auf153 Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 25 m.w.N. Ausführlich zu den ökonomischen und rechtsvergleichenden Aspekten: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 68 ff.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 8 Rn. 112 ff. 154 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 S. 1 MAR: „Wenn eine juristische oder natürliche Personen im Besitz von Insiderinformationen für eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter, sei es unmittelbar oder mittelbar, Finanzinstrumente, auf die sich diese Informationen beziehen, erwirbt oder veräußert bzw. zu erwerben oder zu veräußern versucht, sollte unterstellt werden, dass diese Person diese Informationen genutzt hat.“ 155 EuGH EuZW 2010, 227, 231 Rn. 54, 62. Ausführliche Analyse der Entscheidung bei Klöhn, ECFR 2010, 347, 351 ff. 156 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 86a.; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 8 Rn. 126 ff. Vgl. auch die ausführliche Diskussion zum alten Recht bei Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 25 ff. 157 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 29, 30 MAR.
A. Das Insiderhandelsverbot
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träge ihrer Kunden ausführt, ohne diesen auf „ihre“ Insiderinformation hinzuweisen. Andere Marktteilnehmer können dann unbesorgt ihre Ordern abgeben. Dadurch sinkt die Liquidität nicht, sodass kein Bedürfnis besteht, den Marktmacher oder die ausführende Bank zu sanktionieren. Auf das Front Running lassen sich diese Erwägungen nicht übertragen. Denn der Marktmacher oder die Bank reagieren ja gezielt auf eine große verdeckte Order: Der Marktmacher ändert seine Quotierungen, ohne dass andere Marktteilnehmer den Grund erkennen können; die Bank kauft oder verkauft eigene Bestände, um sodann von der Blockorder zu profitieren. Dadurch steigen die Ausführungskosten für den Blockhändler – mit negativen Folgen für die Liquidität. Ganz in diesem Sinne stellt auch Erwägungsgrund Nr. 30 MAR klar, dass Front Running kein berechtigtes Marktverhalten darstellt. 4. Die Sanktionierung von Insider-Abstinenz Unter der Geltung von § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. wurde allein das aktive Handeln, nicht aber das Unterlassen eines Geschäfts sanktioniert; der Rückgriff auf § 13 StGB war versperrt.158 Demgegenüber enthält Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR eine bemerkenswerte – punktuelle159 – Ausdehnung des Insiderhandelsverbot: Auch das Stornieren, d. h. das vollständige Streichen der Order160, und die Änderung161 einer bereits abgegebenen Order werden als verbotener Insiderhandel erfasst. Damit durchbricht die MAR wenigstens teilweise den bisherigen – weltweit anzutreffenden162 – Grundsatz der Sanktionslosigkeit der sog. Insider-Abstinenz163.164 Erlangt der Betreiber eines Dark Pool Kenntnis von einer Blockkauforder und storniert er deswegen seine eigenen Verkaufsorder, verstößt er gegen das Insiderhandelsverbot von Artt. 14 lit. a), 8 Abs. 1 S. 2 MAR. Die für die Sanktionslosigkeit der InsiderAbstinenz vorgebrachten Argumente165 vermögen im Kontext handelsbezogener Insiderinformationen nicht zu überzeugen. Es sei daran erinnert, dass handelsbezogene Informationen sich aufgrund ihres Ursprungs und ihres geringeren Potentials der Kurseinwirkung von fundamentalwertbezogenen Informationen unterschei158
Sethe, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, 4. Aufl. 2015, § 8 Rn. 80; zur parallelen Diskussion um das Verbot der Marktmanipulation, vgl. Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189. 159 Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Art. 8 Rn. 74. 160 Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Art. 8 Rn. 78. 161 Dazu Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Art. 8 Rn. 79. 162 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 49; ders., in: Klöhn, MMVO, Art. 8 Rn. 75. 163 Ausführlich dazu: Fried, 113 Y.L.J. 455 (2003); Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 49 ff. 164 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 86a; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 8 Rn. 75; ders., AG 2016, 423, 432. 165 Überblick bei Klöhn, in: Klöhn, MMVO, Art. 8 Rn. 76.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
den.166 Daher lassen sich die für die Insider-Abstinenz bei fundamentalwertbezogenen Insiderinformationen vorgebrachten Argumente nicht schlicht auf handelsbezogene Informationen übertragen. a) Keine Incentivierung des Dark Pool-Betreibers Zugunsten der Sanktionslosigkeit der Insider-Abstinenz wird ausgeführt, dass sie das (mitunter) in Aktien vergütete Management zu Höchstleistungen incentiviere.167 Müsste der Vorstand seine Aktien verkaufen, bevor die Meldung über gute Quartalszahlen veröffentlicht ist und der Aktienkurs entsprechend steigt, sei er nicht hinreichend dazu angereizt, den Unternehmenswert für die Aktionäre zu maximieren. Erlaubte man dem Vorstand dagegen, mit dem Verkauf der eigenen Aktien zu warten, bis die positive Nachricht veröffentlicht ist und sich der Kurs entsprechend verändert hat, könne er die Früchte seiner Arbeit ernten. Dieses Anreiz-Argument lässt sich auf den Betreiber eines Dark Pool oder einen Broker, der eine große Order platzieren soll, nicht anwenden. Es ist nicht deren Aufgabe, den Wert der gehandelten Aktien zu steigern. Sie sollen allein ihren Kunden eine möglichst kostengünstige Ausführungsmöglichkeit für eine große Order anbieten. Gestattete man ihnen, ihre Quotierungen oder Ordern an der Börse zu stornieren oder zu ändern, sobald sie von einer Blockorder erfahren, hätte dies eindeutig negative Folgen. Bei einer großen Kauforder würden günstige Ausführungsmöglichkeiten vom Markt verschwinden und der (referenzierte) Preis würde ansteigen. Umgekehrt würde bei einer großen Verkaufsorder infolge der Stornierungen und Änderungen des Betreibers der (referenzierte) Preis fallen. Infolgedessen wird der Blockhändler die Ausführung seiner Order überdenken und ggf. gänzlich davon absehen, sodass der Markt Liquidität und eine, ggf. in der Order liegende, Information verlöre.168 b) Rechtsverfolgungskosten Zweitens wird zugunsten der Sanktionslosigkeit von Insider-Abstinenz angeführt, die Kosten ihrer Entdeckung und Verfolgung seien ungleich höher als jene des aktiven Handelns.169 Jedoch kann man diejenigen Geschäfte, die ein Broker oder Dealer tätigt, sobald er Kenntnis von einer Blockorder seines Kunden erlangt, anhand der Bestandsveränderungen in dessen Portfolio relativ leicht nachvollziehen. Zudem hat man mit dem Eingang der Blockorder ein klares Datum, ab dem man das Verhalten
166
Siehe oben Kap. 4 A I. 3. So und im Folgenden: Fried, 113 Y.L.J. 455, 467, 481 ff. (2003); Klöhn, in: KöKoWpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 60 f. 168 Vgl. zu dieser Problematik oben Kap. 1 C. III. 3.–5. 169 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 62. 167
A. Das Insiderhandelsverbot
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des Brokers oder Dealers genau untersuchen muss. Die Kosten der Rechtsverfolgung erscheinen daher nicht wesentlich höher als beim aktiven Handeln. c) Kompensation für das Verbot aktiven Handels Das dritte Argument zugunsten der Sanktionslosigkeit von Insider-Abstinenz fällt deutlich komplizierter aus. Es stellt darauf ab, dass ein Insider eine Information sowohl durch aktives Handeln als auch durch Unterlassen ausbeuten kann.170 Wer eine positive Information kennt, kann entweder Finanzinstrumene kaufen oder vom Verkauf bereits erworbener Finanzinstrumente absehen.171 Das Kaufen wird als aktives Tun vom Verbot des Art. 14 lit. a) MAR und Rule 10b-5 erfasst, das passive Abwarten hingegen nicht. Wer umgekehrt eine negative Information kennt, kann seine eigenen Finanzinstrumente verkaufen oder den Kauf neuer Finanzinstrumente aufschieben. Das Verkaufen ist als aktives Handeln gem. Art. 14 lit. a) MAR untersagt, das Aufschieben weiterer Käufe hingegen nicht. Die Sanktionierung des Insiderverhaltens müsse man mit dem legalen Verhalten eines Outsiders vergleichen:172 Derjenige Insider, der eine positive Information erhält, dürfe den Verkauf eigener Finanzinstrumente verzögern. Dadurch stehe er besser als ein vergleichbarer Outsider, der seine Finanzinstrumente sofort, d. h. vor dem informationsbedingten Preisanstieg, verkaufe. Erhalte der Insider dagegen eine negative Information, dürfe er seine Finanzinstrumente nicht verkaufen, bis die Information die Marktöffentlichkeit erreicht hat (und sich dadurch der Preis verändert hat). Ein uninformierter Händler könne seine Finanzinstrumente dagegen sofort verkaufen. Dadurch trage der uninformierte Händler nicht jene Verluste, die dem Insider aufgrund seiner Wartepflicht entstehen. Der Insider stehe daher schlechter als der Outsider. Die Sanktionslosigkeit der Insider-Abstinenz kompensiere den Insider also dafür, dass er Insiderinformationen nicht aktiv ausnutzen dürfe. Wolle man dieses Gleichgewicht erhalten und den Insider gegenüber dem Outsider nicht zusätzlich belasten, müsse die Insider-Abstinenz sanktionslos bleiben. In diesem Kontext spricht man von untersagten Handelsgelegenheiten und erlaubten Unterlassungsgelegenheiten.173 Jedoch funktioniert diese Argumentation nur dann, wenn das Verwendungsverbot allein die Kenntnis der Insiderinformation voraussetzt, nicht aber die Kausalität der Insiderinformation174 für den Handel des Insiders erfordert. Jesse M. Fried und ihm
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Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 54. So und im Folgenden: Fried, 113 Y. L. J. 455, 466 f. (2003); Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 54 f. (zur deutschen Vorgängervorschrift in § 14 WpHG). 172 So und im Folgenden: Fried, 113 Y. L. J. 455, 467, 475 ff. (2003). 173 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 54. 174 Im US-amerikanischen Recht spricht man vom Possession Standard im Gegensatz zum Use Standard, vgl. dazu United States v. Teicher, 987 F.2d 112, 120 – 21 (2d Cir. 1993); SEC v. Lipson, 278 F.3d 656, 660 (7th Cir. 2002); United States v. Smith, 155 F.3d 1051, 1066 – 67 (9th Cir. 1998); SEC v. Adler, 137 F.3d 1325, 1337 (1th Cir. 1998). 171
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
folgend Lars Klöhn bringen dafür das folgende Beispiel175 : Vorstandsmitglied V ist fest zum Verkauf seines Aktienpakets entschlossen. Erfährt V sodann, dass die Quartalszahlen seines Unternehmens deutlich besser sind als gedacht, wird er vom Verkauf bis zur Veröffentlichung der Zahlen absehen. Dieses Verhalten verstößt nicht gegen das Insiderhandelsverbot. Erfährt V umgekehrt von schlechten Zahlen, darf er seine Aktien verkaufen. Da er bereits vor Kenntniserlangung seinen Verkaufsentschluss gefasst hatte, ist die Insiderinformation nicht kausal für seinen Verkauf geworden. Jedoch verändert sich die Orderlage in Abhängigkeit von der Art der Information, die Verfährt: Bei einer positiven Information verkauft V nicht, bei einer negativen verkauft er hingegen.176 Daher müssten Outsider, insbesondere die Informationshändler, damit rechnen, dass die Order des V Insiderwissen widerspiegeln.177 Die Informationshändler sollen durch das Insiderhandelsverbot aber davor geschützt werden, durch Insider übervorteilt zu werden. Folglich könne nur der Kenntnisstandard, nicht aber der Kausalitätsstandard das notwendige Gleichgewicht zwischen Handlungs- und Unterlassungsgelegenheiten schaffen.178 d) Schwächen des Kenntnisstandards Allerdings sieht sich der Kenntnisstandard der Kritik ausgesetzt. Denn dieser Standard erfasst auch solche Fälle, in denen der Insider keinen hinreichenden Anreiz dazu hat, die Insiderinformation durch ein Unterlassen ausnutzen. Dafür bildet Lars Klöhn folgendes Beispiel:179 Fonds F möchte 10 % der Aktien der A-AG erwerben. Erfährt F im Rahmen der Due Diligence von einer positiven Information, wird er allein aufgrund dieser Kenntnis den Kauf aufschieben müssen. Erfährt F hingegen von einer negativen Information, kann er vom Kauf absehen, da dieses Unterlassen nicht vom Insiderhandelsverbot erfasst ist. Allerdings kompensiert ihn die Freiheit, im Falle einer negativen Information nicht kaufen zu müssen, nicht hinreichend für den Zwang, im Falle einer positiven Information den Kauf aufschieben zu müssen. Denn F wird einen Spielraum für mögliche negative Informationen definieren. Solange sich die entdeckte negative Information innerhalb dieses Spielraums bewegt, wird F mit der Transaktion fortfahren. Anders formuliert: Obwohl er eine negative Information durch ein Unterlassen ausnutzen könnte, sieht F davon ab. Der Kenntnisstandard verschafft ihm einen solchen Spielraum bei positiven Informationen gerade nicht. Vielmehr zwingt ihn die Kenntnis jeder positiven Information zum Aufschub. Folglich wird F häufiger einen sozial wünschenswerten Kauf auf-
175
So und im Folgenden: Fried, 113 Y. L. J. 455, 474 ff. (2003); Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 58 f. 176 So und im Folgenden: Fried, 113 Y. L. J. 455, 467 (2003); Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 72 f. 177 So und im Folgenden: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 80, 83. 178 Fried, 113 Y. L. J. 455, 467 ff., 485 f. (2003). 179 So und im Folgenden: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 76 f.
A. Das Insiderhandelsverbot
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schieben müssen als er von einem unerwünschten Kauf absehen möchte.180 Der Kenntnisstandard entfaltet daher eine überabschreckende Wirkung.181 Gegen den Kenntnisstandard und für das Kausalitätserfordernis wird zudem angeführt, dass sich eine Insiderinformation, wie im Falle des Fonds F, nur durch eine eingehende Prüfung des Zielobjekts extrahieren lasse.182 Darüber hinaus müsse der Insider bei einer negativen Information abwarten, bis diese im Marktpreis enthalten sei, bei positiven Informationen dagegen sofort handeln. Dieses Verhalten müsse er ferner wiederholen, um Profit aus seinem Wissen zu ziehen, was so viel Ressourcen und Zeit verlange, dass der Insider nur selten nach (nicht kausalen) Insiderformationen fahnden werde. e) Folgen für Dark Pool-Betreiber Welche Folgen ergeben sich aus der Diskussion um Insider-Abstinenz und Kenntnis- und Kausalitätsstandard für Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR und den Handel im Dark Pool? Festzuhalten ist zunächst, dass die dargestellte, in den Details sehr komplizierte Debatte ausschließlich für fundamentalwertbezogene Informationen geführt wird.183 Es ist sehr zweifelhaft, ob sich auf handelsbezogene Informationen das Argument übertragen lässt, der Kenntnisstandard zwinge den Insider dazu, öfter auf Handlungsmöglichkeiten zu verzichten als er einen Handel unterlassen will. Dies lässt sich anhand des folgenden Beispiels illustrieren: Broker B erhält eine große Kauforder für A-Aktien von seinem Kunden K, einem für seine Analysestärken bekannten Fonds. B wird eine positive Information unterstellen, daher seine eigenen Bestände nicht verkaufen und ggf. zusätzliche A-Aktien erwerben. Erhält B umgekehrt eine große Verkaufsorder von K, wird er dahinter eine negative Information vermuten, daher vom Kauf weiterer A-Aktien absehen und ggf. eigene Bestände verkaufen. Kauft bzw. verkauft B, verstößt er gegen das Insiderhandelsverbot; wartet er dagegen ab, bleibt dies ohne Folgen. Gegner des Kenntnisstandards müssten nun beweisen, dass B auch dann A-Aktien kaufen würde, wenn er von der Verkaufsblockorder des K auf eine negative Information schließt. In diesem Fall wäre die Freiheit, von einem Handel abzusehen, für B ohne Nutzen. Da er bei Kenntnis einer positiven Information nicht handeln darf, verlöre er dann mehr Handlungsmöglichkeiten, als er (erlaubte) Unterlassungsmöglichkeiten nutzen will. Dieser Beweis lässt sich kaum führen. Denn eine große Order bietet B eine nahezu sichere Arbitragemöglichkeit: Er kann sich zunächst selbst mit den entsprechenden Aktien eindecken bzw. Leerverkäufe tätigen, sodann die durch die Blockorder verursachte Kursbewegung abwarten und anschließend seine Aktien verkaufen bzw. 180 F muss „(…) häufiger Handelsmöglichkeiten aufopfern als Unterlassungsmöglichkeiten nutzen.“, vgl. Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 77. 181 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 79. 182 So und im Folgenden: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 83. 183 Vgl. Fried, 113 Y. L. J. 455, 464 ff. (2003).
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
zurückkaufen.184 Aufgrund des technologischen Wandels des Kapitalmarkts zeichnen sich handelsbezogene Informationen heute zudem dadurch aus, dass sie über eine nur kurze Lebensspanne verfügen und daher ein schnelles Reagieren seitens des Insiders erfordern. Besteht die Arbitragemöglichkeit aber nur kurz, liegt es nahe, dass ein Front Runner keine Spielräume definieren wird, sondern sich einzig und allein daran orientieren wird, ob es sich um eine Kauforder (positive Information) oder eine Verkaufsorder (negative Information) handelt. Folglich halten sich bei handelsbezogenen Informationen die Handlungs- und Unterlassungsmöglichkeiten unter dem Kenntnisstandard die Waage. Das obige Beispiel verdeutlicht noch einen weiteren Unterschied: Fundamentalwertbezogene Informationen lassen sich nur mit erheblichem Aufwand extrahieren und ausnutzen;185 handelsbezogene Informationen können einer Person hingegen ohne großen Aufwand zugetragen werden. Ein Broker oder Systematischer Internalisierer, der eine Blockorder ausführt, hat die dahinterstehende (vermutete) Information nicht selbst entdeckt. Ganz im Gegenteil richtet er sich lediglich auf das Verhalten seiner Informationsquelle ein und treibt durch sein antizipierendes Verhalten den Ausführungspreis der Order nach oben. Verfügt der Broker über einen hinreichend großen Kundenstamm oder einen hinreichend großen Dark Pool, steht zu befürchten, dass er regelmäßig in die Lage kommen wird, Informationen ausnutzen zu können. Vor diesem Hintergrund sollte für handelsbezogene Informationen der reine Kenntnisstandard und nicht der in Photo Spector mit einer Vermutung kombinierte Kausalitätsstandard gelten. f) Der beschränkte Umfang der sanktionierten Insider-Abstinenz unter Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR Laut Fried kompensieren die Unterlassungsgelegenheiten den Insider dafür, dass ihm aktiver Handel untersagt wird.186 Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR verbietet einem Insider den Aufschub und zwingt ihn dazu, ein möglicherweise für ihn schlechtes Geschäft abzuschließen. Die Norm schränkt damit die erlaubten Unterlassungsgelegenheiten ein. Ausweislich ihres Wortlauts bezieht sie sich aber nur auf solche Aufträge, die bereits in ein Handelssystem eingegeben worden sind.187 Es steht einem Händler demnach auch in Zukunft frei, von der Eingabe einer Order abzusehen, nachdem er von positiven oder negativen Insiderinformationen erfahren hat. Nur die Korrektur einer eingegebenen Order nach Erhalt der Insiderinformation wird sanktioniert. Ob
184
Vgl. dazu die Ausführungen zum Front Running oben Kap. 4 A. II. 1. Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 83. 186 Fried, 113 Y. L. J. 455, 467 (2003). 187 Vgl. die englische Sprachfassung von Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR: „(…) where the order was placed (…)“. 185
A. Das Insiderhandelsverbot
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dieser Fall oft vorkommt, wird bisweilen bezweifelt.188 Das neue Verbot eliminiert jedenfalls nicht alle Unterlassungsgelegenheiten. Einem Insider spendet dies freilich nicht viel Trost. Denn ob er die Insiderinformation erlangt hat, bevor oder nachdem er die Order eingegeben hat, scheint dem Zufall überlassen zu sein. Aus Sicht der restlichen (informierten wie uninformierten) Marktteilnehmer gibt es aber Unterschiede: Solange ein Insider eine Order nicht (aktiv) eingegeben hat, wird diese Order von keinem Marktteilnehmer wahrgenommen. Sie hat daher keinerlei Auswirkung auf die Preisbildung. Hat ein Händler dagegen eine Order eingegeben, nehmen andere Händler sie wahr. Ändert der Eingebende seine Order sodann ab oder löscht er sie, können andere Händler daraus schlussfolgern, der Eingebende habe Kenntnis von neuen Informationen. Dadurch kann das Ändern oder Löschen der ursprünglichen Order die gleichen Effekte auf die Preisbildung haben wie das Eingeben einer neuen Order. Davon sind wiederum Blockhändler besonders betroffen, weil schon kleinste Preisveränderungen die Orderausführung für sie erheblich verteuern. Der Zweck von Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR scheint darin zu liegen, eine einmal abgegebene uninformierte Order als solche zu erhalten. Dass sich der Eingebende zwischenzeitlich vom Outsider zum Insider wandelt, soll auf den Bestand der Order keinen Einfluss haben. Blockhändler sind dadurch (noch) weniger dem Risiko einer Preisbeeinflussung ausgesetzt. Zugleich dürfen Informationshändler noch mehr darauf vertrauen, nicht von einem Insider übervorteilt zu werden. Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR bewirkt insofern eine Wohlstandsumverteilung weg vom Insider hin zu den Blockhändlern. Da Blockhändler wertvolle Liquidität spenden, ist die zusätzliche Belastung der Insider aus Effizienzsicht nicht per se verwerflich. 5. Zwischenfazit: Verbotene Verhaltensweise in beiden Rechtsordnungen Sowohl in USA als auch Europa ist es dem Betreiber eines Dark Pool untersagt, Informationen über eingehende Ordern ausnutzen. Die MAR führt dazu, dass in Europa künftig auch eine Form der Insider-Abstinenz verboten wird, während das US-Recht das Unterlassen des Handels mit Finanzinstrumenten insiderrechtlich nicht sanktioniert. Für den speziellen Fall der Dark Pools greifen die in einem Teil der Literatur vorgebrachten Argumente gegen ein Verbot der Insider-Abstinenz nicht.
188 Allgemeine Zweifel äußert etwa Dyer, Utah L. Rev. 1, 24 (1992): „The insider must be about to sell or about to buy the corporate stock for independent reasons. This is hardly an everyday matter. Zudem ist aus praktischer Sicht unklar, ob man dem Insider Vorsatz nachweisen kann, vgl. Klock, 10 Ga. St. U. L. Rev. 297, 332 f. (1994).
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
III. Weitergabe von Informationen aus dem Dark Pool an Dritte Der Betreiber des Dark Pool kann nicht nur handelsbezogene Information für seinen eigenen Handel auszunutzen, sondern diese auch an Dritte weitergeben.189 Dabei muss man strikt differenzieren zwischen der Weitergabe von Informationen über verdeckte Ordern einerseits (1.) und jener über öffentliche Ordern und abgeschlossene Transaktionen andererseits (2.).190 1. Informationen über verdeckte Ordern In einer Zeit, in welcher innerhalb von Millisekunden tausende von Aktien gehandelt werden191, stellt die Kenntnis einer großen Order eine lukrative Arbitragemöglichkeit dar. Denn zum einen wird sie aus sich heraus zu Preisveränderungen führen, zum anderen kann sich die Kursbewegung durch den Informationseffekt noch weiter verstärken.192 Aus diesem Grund haben vor allem Hochfrequenzhändler und Orderrouting-Anbieter ein hohes Interesse daran, eine verdeckte Order so schnell wie möglich aufzuspüren. Für sie liegt daher nichts näher, als sich vom Betreiber eines Handelsplatzes Orderinformationen (gegen Zahlung eines Entgelts) übermitteln zu lassen.193 Teilweise haben die Dark Pool-Betreiber sogar eigene Handelsteams aufgebaut und diesen exklusiven Zugang zu Daten über den Handel im System gewährt.194 Es wird sich zeigen, dass diese Verhaltensweise sowohl in den USA als auch in Europa gegen das Insiderhandelsverbot verstößt. a) Erfordernis einer Aufklärungspflicht unter Rule 10b-5 Solange der Betreiber nicht zur Aufklärung über die handelsbezogene Information verpflichtet ist, kann er sie als sog. Tippgeber (tipper) an Dritte weitergeben, 189
Einen Überblick über die entsprechenden SEC-Verfolgungsentscheidungen gibt Freedman, 35 Rev. of Bank. & Fin. L. 150, 152 ff. (2015). 190 Man kann auch davon sprechen, dass betroffen sind einerseits Informationen, die der Vorhandelstransparenz zugeordnet sind und andererseits Informationen, die der Nachhandelstransparenz unterfallen. 191 Miller/Shorter, High Frequency Trading, 2016, S. 1. 192 Andere Händler nehmen die große Order wahr und vermuten dahinter eine neue Information. Ausführlich dazu oben Kap. 1 A. III. 4. b). 193 Vgl. SEC, In the Matter of eBX, LLC, File No. 3-15058, S. 7 Rn. 30 ff.; SEC, In the Matter of LavaFlow, Inc., File No. 3-15985, S. 6 Rn. 21 ff. Ähnliches geschah in den beiden ITG-Fällen: SEC, In the Matter of ITG INC. and AlterNet Securities Inc., File No. 3-16742, S. 9 Rn. 44; SEC, In the Matter of ITG Inc. and Alternet Securities, Inc., File No. 3-18887, S. 6 Rn. 24 ff. 194 Vgl. SEC, In the Matter of ITG INC. and AlterNet Securities, INC., File No. 3-16742, S. 4 Rn. 13, S. 5 Rn. 22, S. 9 Rn. 41 ff.; SEC, In the Matter of Pipeline Trading Systems LLC, Fred J. Federspiel, and Alfred R. Berkeley III, File No. 3-14600, S. 6 Rn. 35.
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ohne gegen Rule 10b-5 zu verstoßen.195 Hinsichtlich der Grundlage der Aufklärungspflicht ist zu differenzieren: Sofern der Betreiber des Dark Pool auch in seiner Eigenschaft als Broker tätig wird und für Kunden Aufträge ausführt, trifft ihn eine Treue- und Aufklärungspflicht. Stellt er sein eigenes Verhalten falsch dar, verstößt er gegen diese Pflicht.196 Auf die Fiduciary Duty Doktrin oder die Misappropriation Theory braucht man in dieser Konstellation nicht zu rekurrieren.197 Wird der Betreiber des Dark Pool dagegen nicht als Broker für den Blockhändler aktiv, muss man mit den beiden zu Rule 10b-5 entwickelten Theorien arbeiten, um den Betreiber als Tippgeber sanktionieren zu können. Dies erweist sich als durchaus schwierig. aa) Keine Anwendbarkeit der Fiduciary Duty Doktrin Nach der Fiduciary Duty Doktrin verstößt ein Tippgeber dann gegen seine Treuepflicht, wenn er die Information nicht ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken weitergibt, sondern auch, um einen persönlichen Nutzen daraus zu ziehen.198 Diese Doktrin lässt sich prima facie auf den Betreiber eines Dark Pool nicht anwenden, weil ihn keine gesellschaftsrechtliche oder vergleichbare199 Treuepflicht gegenüber den Aktionären des Emittenten trifft.200 Er steht nur mit jenem Blockhändler in Kontakt, der seine Order im Dark Pool ausführen lassen will. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, die Fiduciary Duty Doktrin komme nur dann zur Anwendung, wenn der Emittent eines Finanzinstruments selbst den Betreiber des Dark Pool gezielt über eine große verdeckte Order informiert.201 Allerdings wurde die Fiduciary Duty Doktrin anhand von Unternehmensinsidern entwickelt, die fundamentalwertbezogene Informationen nutzen202 oder weitergeben203. Soweit ersichtlich haben US-amerikanische Gerichte noch nicht entschieden, 195
Vgl. zu dieser Problematik Anderson, 10 Hofstra L. Rev. 341, 369 (1982). Vgl. Opper v. Hancock Sec. Corp., 250 F. Supp. 668, 673 (S.D.N.Y. 1966). 197 Vgl. oben: Kap. 4 A. II. 2. 198 Dirks v. SEC, 463 U.S. 646, 662, 103 S. Ct. 3255, 3265 (1983). Dieses Kriterium wurde geschaffen, um Wertpapieranalysten, welche häufig mit Unternehmensinsidern in Kontakt treten, zu schützen, vgl. Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, 1996, S. 273. 199 Zur Anwendung der Doktrin auf Berater des Emittenten vgl. Shapiro v. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith, Inc., 495 F.2d 228, 237 (2d Cir. 1974). Siehe ferner Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 232 – 34, 100 S. Ct. 1108, 1116 – 17 (1980); Dirks v. S. E.C., 463 U.S. 646, 655, 103 S. Ct. 3255, 3262 N. 14 (1983); Weber, Insiderrecht und Kapitalmarkschutz, 1999, S. 84 ff.; Hagen, 44 Business Lawyer 13, 22 ff. (1988) m.w.N. 200 Anderson, 10 Hofstra L. Rev. 341, 369 f. (1982); vgl. auch United States v. Newman, 664 F.2d 12, 17 f. (2d Cir. 1981). 201 Bovi, 7 St. Thomas L. Rev. 103, 126 f. (1994). 202 Vgl. SEC v. Tex. Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 848 (2d Cir. 1968); vgl. auch Bovi, 7 St. Thomas L. Rev. 103, 126 (1994). 203 Vgl. Dirks v. SEC, 463 U.S. 646, 661 – 64, 103 S. Ct. 3255, 3265 (1983). 196
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
ob diese Theorie auch für einen Handelsplatzbetreiber gilt, der handelsbezogene Informationen, die von seinen Nutzern stammen, ausnutzt oder weitergibt. Will man die Fiduciary Duty Doktrin auf diese neue Konstellation übertragen, muss man den Blockhändler als Quelle einer handelsbezogenen Information ansehen. Seine Stellung entspricht insoweit jener des Emittenten als Quelle fundamentalwertbezogener Informationen. Zwar wird nicht der Blockhändler, sondern der Betreiber eines Handelsplatzes dazu verpflichtet, die handelsbezogenen Informationen zu veröffentlichen. Dies ähnelt der Pflicht des Emittenten, fundamentalwertbezogene Informationen zur veröffentlichen. Allerdings stammen die Informationsgegenstände, die Ordern und Quotierungen, nicht vom Handelsplatzbetreiber selbst, sondern von anderen Marktteilnehmern. Rule 602(b) Reg. NMS veranschaulicht dies, indem sie Broker und Dealer dazu verpflichtet, ihre eigenen Quotierungen einer Börse zu melden. Die Börsen werden lediglich zur endgültigen Veröffentlichung der Informationen eingesetzt. Der Handelsplatzbetreiber ist also nur Verbreiter, nicht aber Ursprung der Information. Zudem muss der Handelsplatzbetreiber hinsichtlich der handelsbezogenen Information einem Unternehmensinsider im Sinne der Fiduciary Duty Doktrin entsprechen. Dafür muss er entweder dem Innenbereich des Blockhändlers angehören oder zu diesem in einem besonderen Vertrauensverhältnis204 stehen. Da der Handelsplatzbetreiber nicht für den Blockhändler arbeitet, sondern diesem eine Dienstleistung anbietet, kommt nur die zweite Variante in Betracht. Ein Vertrauensverhältnis entsteht laut der Dirks-Entscheidung des U.S. Supreme Court, wenn der Emittent mit seiner Geschäftsentwicklung befassten Personen Zugang zu privaten Informationen zur Verwirklichung seiner unternehmerischen Zwecke gewährt.205 Dazu zählen namentlich Konsortialbanken, Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater. Abstrahiert man diesen Grundsatz, muss sich ein Außenstehender dazu verpflichten, die geschäftlichen Interessen der primären Informationsquelle zu wahren und zu befördern, um ein Insider i.S.d. Fiduciary Duty Doktrin zu sein. Eine reine Austauschbeziehung reicht hingegen nicht aus. Der Handelsplatzbetreiber erbringt gegenüber dem Blockhändler eine reine Dienstleistung, indem er ein Forum bietet, auf dem der Blockhändler handeln kann. Die gleiche Dienstleistung bietet der Betreiber einer Vielzahl anderer Marktteilnehmer ebenfalls an. Zudem bestimmt nicht er die Ausführung der Transaktionen, sondern die Marktteilnehmer müssen selbst entscheiden, zu welchen Konditionen sie handeln wollen. Dazu können sie wiederum Banken und ähnliche Experten konsultieren. Der Betreiber des Handelsplatzes hat als Anbieter eines Marktplatzes nichts mit einem Berater gemein. Folglich lässt sich zwischen ihm und einem 204
Zum Anwendungsbereich der Fiduciary Duty Doktrin vgl. Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 232 – 34, 100 S. Ct. 1108, 1116 – 17 (1980); Dirks v. S. E.C., 463 U.S. 646, 655, 103 S. Ct. 3255, 3262 N. 14 (1983); Weber, Insiderrecht, S. 84 ff.; Hagen, 44 Business Lawyer 13, 22 ff. (1988) m.w.N. 205 So und im Folgenden: Dirks v. S. E.C., 463 U.S. 646, 655, 103 S. Ct. 3255, 3262 N. 14 (1983).
A. Das Insiderhandelsverbot
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Blockhändler kein besonderes Vertrauensverhältnis im Sinne der Fiduciary Duty Doktrin konstruieren. bb) Anwendbarkeit der Misappropriation Theory Allerdings kann man auf die – daneben anwendbare – Misappropriation Theory zurückgreifen. Diese besagt, dass ein Tippgeber dann gegen das Insiderhandelsverbot verstößt, wenn er selbst zur Verschwiegenheit gegenüber seiner Informationsquelle verpflichtet ist.206 Erneut gilt: Der Blockhändler bildet die Quelle der handelsbezogenen Information über die große Order. Gibt er diese Order verdeckt in ein Handelssystem ein, weiß dessen Betreiber, dass keine Offenlegung gewünscht ist. Da die Betreiber selbst festlegen, welche Arten von verdeckten Ordern es in ihren Systemen gibt, darf der Blockhändler unterstellen, dass die Order im gegenseitigen Einvernehmen nicht offen gelegt werden wird. In diese Richtung deutet auch die von der SEC als Ergänzungshilfe formulierte Rule 10b-5 – 2(b)(1) und (2)207. Diese besagt, dass ein Vertrauensverhältnis u. a. dann besteht, wenn eine Person sich einverstanden erklärt, eine Information vertraulich zu behandeln oder vernünftigerweise davon ausgehen muss, dass der Mitteilende vom Empfänger eine vertrauliche Behandlung der Information erwartet.208 Ein von einer Börse bereit gestellter verdeckter Ordertyp („hidden order“) oder die gänzliche Ausschaltung der Vorhandelstransparenz in einem ATS stellt nicht anders als die Zusicherung dar, anderen Marktteilnehmern diese Order nicht mitzuteilen. Der Betreiber verpflichtet sich also zur 206
Vgl. SEC v. Yun, 327 F.3d 1263, 1274 – 75 (11th Cir. 2003); SEC v. Gansman, 657 F.3d 85, 92 (2d Cir. 2011). 207 Vgl. 17 CFR 240.10b5-2 – Duties of trust or confidence in misappropriation insider trading cases. Preliminary Note to § 240.10b5-2: This section provides a non-exclusive definition of circumstances in which a person has a duty of trust or confidence for purposes of the „misappropriation“ theory of insider trading under Section 10(b) of the Act and Rule 10b-5. The law of insider trading is otherwise defined by judicial opinions construing Rule 10b-5, and Rule 10b5-2 does not modify the scope of insider trading law in any other respect. (a)Scope of Rule. This section shall apply to any violation of Section 10(b) of the Act ( 15 U.S.C. 78j(b)) and § 240.10b-5 thereunder that is based on the purchase or sale of securities on the basis of, or the communication of, material nonpublic information misappropriated in breach of a duty of trust or confidence. (b)Enumerated „duties of trust or confidence.“ For purposes of this section, a „duty of trust or confidence“ exists in the following circumstances, among others: (1) Whenever a person agrees to maintain information in confidence; (2) Whenever the person communicating the material nonpublic information and the person to whom it is communicated have a history, pattern, or practice of sharing confidences, such that the recipient of the information knows or reasonably should know that the person communicating the material nonpublic information expects that the recipient will maintain its confidentiality; or (…). 208 Ausführliche Analyse der gesamten Vorschrift bei Nagy, 94 Iowa L. Rev. 1315, 1357 ff. (2009).
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
vertraulichen Behandlung dieser Information. Die SEC hat zudem in mehreren Verfahren gegen verschiedene Dark Pool-Betreiber von vertraulichen Informationen über die Orderlage und die Kunden gesprochen.209 Offenbart der Betreiber die Information gegenüber Dritten, verletzt er erkennbar seine Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Blockhändler.210 Ein Verstoß gegen Rule 10b-5 ist dann möglich. b) Verstoß gegen das europäische Insiderhandelsverbot Im europäischen Kapitalmarktrecht ist Ausgangspunkt erneut Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR: Die handelsbezogene Information über eine noch nicht ausgeführte Blockorder stellt eine Insiderinformation dar; insbesondere ist sie kursrelevant211. Gem. Art. 14 MAR ist nicht nur die Nutzung dieser Information für den eigenen Handel verboten, sondern auch die Empfehlung an oder die Anstiftung von Dritten (lit. b) sowie die unrechtmäßige Offenlegung der Information (lit. c). Zwei Fragen stellen sich: Erfassen Art. 14 lit. b) und c) auch handelsbezogene Insiderinformationen i.S.d. Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR? Und welche Handlungen verbieten diese Tatbestände im Einzelnen? aa) Umfassender Verweis des Art. 14 MAR auf Art. 7 Abs. 1 MAR Der Tatbestand des Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR stellt explizit auf die Person des Auftragsausführenden, nicht aber auf einen Dritte ab. Demnach könnte Art. 7 Abs. 1 lit. d) i.V.m. Art. 14 lit. a) MAR allein das Front Running durch den Auftragsausführenden selbst sanktionieren, nicht aber die Weitergabe der handelsbezogenen Informationen an Dritte. Jedoch enthält der Wortlaut des Art. 14 MAR keinerlei Differenzierung zwischen fundamentalwert- und handelsbezogenen Insiderinformationen, sondern verweist umfassend auf den in Art. 7 Abs. 1 MAR definierten Begriff der Insiderinformation. Gesetzgebungstechnisch handelt es sich bei Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR nur um ein – den Begriff der Insiderinformation konkretisierendes – Regelbeispiel.212 Zudem ist der Begriff des Auftragsausführenden, wie oben gezeigt wurde213, weit auszulegen. Art. 8 Abs. 4 lit. c) MAR stützt diese Lesart, weil danach jede Person als Insider gilt, welche aufgrund ihrer Beufsausübrung mit Insiderinformationen in Kontakt kommt. Ferner entspricht es dem Sinn und Zweck des Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR, das schädliche Orderantizipieren zu unterbinden, weil
209 SEC, In the Matter of ITG INC. and AlterNet Securities, INC., File No. 3-16742, S. 3 Rn. 8, 10; SEC, In the Matter of Liquidnet, Inc., File No. 3-15912, S. 9 Rn. 37 ff.; SEC, In the Matter of eBX, LLC, File No. 3-15058, S. 8 Rn. 33. 210 Vgl. Bovi, 7 St. Thomas L. Rev. 103, 128 (1994).Dass selbst die berufliche Sonderbeziehung ausreichend kann, belegt der Fall U.S. v. Carpenter, 791 F.2d 1024 (2nd Cir. 1986). 211 Vgl. oben Kap. 4 A. II. 3. f). 212 Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, 2018, Art. 7 Rn. 304. 213 Kap. 4 A. II 3. a) aa).
A. Das Insiderhandelsverbot
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dieses Liquidität vom Markt nimmt und Handelsanreize senkt.214 Könnte der Auftragsausführende die orderbezogene Information sanktionslos an einen Dritten weitergeben, würde dieser Dritte sie sofort selbst ausnutzen und damit den Informationshändlern schaden. Der Verlust an Informationseffizienz tritt unabhängig davon ein, wer Zugriff auf die handelsbezogene Insiderinformation hat. Dieses negative Resultat wollen Artt. 14 lit. b), 8 Abs. 2 MAR vermeiden.215 Daher müssen alle Verbotstatbestände des Art. 14 MAR auch auf handelsbezogene Insiderinformationen Anwendung finden. bb) Kollusives Zusammenwirken Der Betreiber eines Dark Pool wird Informationen über die Orderlage deswegen an Dritte weitergeben, weil er dafür einen – i. d. R. monetären – Vorteil von Hochfrequenzhändlern und Orderrouting-Anbietern erhält.216 Wirken Betreiber und Dritter damit kollusiv zulasten eines anderen Marktteilnehmers zusammen, muss man selbst bei einem sehr strengen Verständnis des Begriffs des Verleitens217 eine Tathandlung i.S.d. Art. 14 lit. b) Alt. 2 MAR bejahen. Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass gem. Art. 8 Abs. 2 lit. b) MAR nicht nur das Verleiten zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten, sondern auch das Verleiten zum Stornieren und Ändern bereits abgegebener Ordern unter das Verbot des Art. 14 lit. b) MAR fällt. Der Vorfeldtatbestand des Art. 8 Abs. 2 lit. b) MAR schafft dadurch einen Gleichlauf mit dem Verwendungsverbot des Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR, welcher seinerseits das Stornieren und Ändern von Ordern in Kenntnis einer Insiderinformation erstmalig sanktioniert. cc) Unrechtmäßige Offenlegung von Informationen Abgesehen davon kann der Betreiber des Dark Pool kaum einen legitimen Grund vorweisen, welcher die Offenlegung der Order gegenüber einem speziellen Marktteilnehmer rechtfertigt, Artt. 14 lit. c), 10 Abs. 1 MAR. Was genau eine unbefugte Weitergabe konstituiert, war zwar unter der Geltung der Marktmissbrauchsrichtlinie und § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. umstritten.218 Der EuGH hat in seiner Entscheidung
214
Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 304. Vgl. zur Vorgängervorschrift Klöhn, KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 277. 215 Schelm, in: Meyer, Veil, Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 9 Rn. 8. 216 Vgl. Kasiske, BKR 2015, 454, 456 f. 217 Vgl. dazu Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, Kap. 5.4 Rn. 98, Kap. 5.5 Rn. 15. Für ein weiteres Verständnis siehe dagegen: Schelm, in: Meyer, Veil, Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 9 Rn. 19 ff.; Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 8 Rn. 219 ff. 218 Ausführliche Diskussion bei Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 14 Rn. 73 m.w.N.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
in der Rechtssache Grøngaard und Bang219 insofern Rechtsklarheit geschaffen, als er eine enge Auslegung favorisiert hat: Befugt ist die Weitergabe dann, wenn sie „für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder für die Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet.“220 Diese Regel gilt unter der MAR fort, weil sich der europäische Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Art. 10 Abs. 1 MAR stark an der EuGH-Rspr. orientiert hat.221 Für Dark Pools lassen sich darauf aufbauend zwei Leitlinien entwickeln. (1) Keine privilegierte Weitergabe von Orderinformationen Erstens ist auf die Rechte und Pflichten eines Handelsplatzbetreibers abzustellen. Bei handelsbezogenen Informationen rückt die Publizitätspflicht des Art. 13 Abs. 1 MiFIR in den Fokus. Diese besagt, dass der Betreiber der Öffentlichkeit diskriminierungsfreien Zugang zu allen unter die Vorhandelstransparenz fallenden Informationen zu gewähren hat. Zwar braucht eine unter eine Vorhandelstransparenzausnahme fallende Order schon innerhalb des Handelssystems nicht veröffentlicht zu werden. Dadurch fällt sie an sich nicht unter das Diskriminierungsverbot des Art. 13 Abs. 1 MiFIR. Jedoch verwirklicht diese Vorschrift das Prinzip des gleichen Zugangs zu Informationen (equal access to information).222 Es soll verhindert werden, dass einzelne Anleger Vorteile beim Zugang zu handelsbezogenen Informationen genießen und dadurch Informationshändler übervorteilen können. Diese Gefahr droht aber nicht nur, wenn Händler eine veröffentlichte Order schneller abrufen können als andere, sondern auch, wenn sie im Gegensatz zum restlichen Markt eine verdeckte Order sehen können. Aus Art. 13 Abs. 1 MiFIR lässt sich daher ein Umkehrschluss ziehen: Wenn alle Anleger gleichen Zugang zu einer öffentlichen Order haben sollen, dann soll umgekehrt kein Anleger privilegierten Zugang zu einer verdeckten Order haben. Dafür spricht auch, dass sich innerhalb der MiFIR keine Vorschrift findet, welche die selektive Weitergabe von Informationen über verdeckte Order erlaubt.223 Darüber hinaus verwirklichen auch die insiderhandelsrechtlichen Vorschriften der MAR das Prinzip des gleichen Informationszugangs.224 Besteht die Gefahr, dass ein (Informations-)Händler durch einen Insider aufgrund einer ihm unzugänglichen Insiderinformation übervorteilt werden könnte, darf der Insider weder selbst handeln 219
EuGH Slg. 2005, I-9939 = EuZW 200, 25 – Knud Grøngaard, Allan Bang. EuGH EuZW 2006, 25, 27 Rn. 34. Vgl. dazu Meyer, in: Meyer, Veil, Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 8 Rn. 9 ff. 221 Hopt/Kumpan, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-HdB, 5. Aufl. 2017, § 107 Rn. 105; Moloney, Securities Regulation, 3. Aufl., 2014, S. 725 f.; vgl. ferner Poelzig, NZG 2016, 528, 535; a. A. Zetzsche, NZG 2015, 817, 820; Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 10 Rn. 72; Meyer, in: Meyer, Veil, Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 8 Rn. 12. 222 Vgl. Erwägungsgründe Nr. 1, 5, 14 MiFIR. 223 Weder Art. 7 noch Art. 11 MiFIR enthalten eine entsprechende Bestimmung. 224 Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Vor Art. 7 Rn. 38. Vgl. zur Vorgängerregelung: EuGH EuZW 2010, 227, 231 Rn. 48 – Photo Spector unter Verweis auf EuGH, Slg. 2007, I3741 = EuZW 2007, 572 Rn. 38 – Georgakis. 220
A. Das Insiderhandelsverbot
257
noch die Information an Dritte weitergeben, bis alle Händler die Möglichkeit haben, auf die Information zuzugreifen. Die Gefahr der Übervorteilung besteht nicht nur bei fundamentalwertbezogenen Informationen, sondern, wie oben gezeigt225, auch bei handelsbezogenen Informationen über Blockordern. Auf diese Weise bestärken das Gleichbehandlunsgebot des Art. 13 Abs. 1 MiFIR und die Vorschriften zum Insiderhandelsverbot einander. Qua Beruf ist der Handelsplatzbetreiber demnach zur Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer verpflichtet. Verschafft er ausgewählten Händlern Zugang zu verdeckten Ordern in seinem Handelssystem, verstößt er gegen diese Pflicht. (2) Ausnahme bei notwendigem Kontakt Eine Ausnahme gilt zweitens dann, wenn ohne die Offenlegung keine Transaktion zustande kommen kann, wie sich aus dem Merkmal „unerlässlich“226 ergibt. Dies ist denkbar, wenn die Order so groß ist, dass der Betreiber des Dark Pool andere Händler gezielt kontaktieren muss. Da dieses Ansprechen geschieht, um die Blockorder für den Blockhändler auszuführen und sich eine solche Transaktion liquiditätssteigernd auf den Handel auswirkt, sind sowohl die Interessen der Informationsquelle als auch jene des Marktes gewahrt. Es handelt sich dann ganz im Sinne der Grøngaard und Bang Entscheidung um eine Offenlegung, die notwendig ist, damit der Betreiber des Dark Pool seiner berufsmäßigen Aufgabe der anonymen Zusammenführung von großen Ordern nachkommen kann. Für kleine Ordern besteht hingegen kein Bedürfnis nach einer Offenlegung, sodass ein solches Verhalten als unbefugt einzustufen ist. 2. Informationen über einsehbare Ordern und Transaktionen Nicht nur Informationen über verdeckte Ordern im Dark Pool, sondern auch Informationen über im Orderbuch einsehbare Ordern und bereits abgeschlossene Transaktionen können einen Wert für andere Händler haben227 und die Frage nach einem Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot aufwerfen. Dies veranschaulicht der Fall In Re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig.228 : Zum einen gewährte Barclays Hochfrequenzhändlern Zugang zum hauseigenen, als ATS regulierten Dark Pool namens Barclays LX.229 Die Hochfrequenzhändler erhielten 225
Kap. 4 A. II. 3. f). Dazu Meyer, in: Meyer, Veil, Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 8 Rn. 61. 227 Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 266 f. Aus der Nachhandelstransparenz lassen sich Rückschlüsse auf die Entwicklung des Handels ziehen, vgl. oben Kap. 1 A. III. 1., 2. b). 228 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342 (S.D.N.Y. 2015). 229 So und im Folgenden: In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 352 (S.D.N.Y. 2015). 226
258
Kap. 4: Verhaltenspflichten
sodann einen im Vergleich zum konsolidierten Datenstrom verbesserten Datenstrom über die in Barclays LX abgeschlossenen Transaktionen. Für diese Zusatzleistung zahlten sie ein Entgelt an Barclays. Zum anderen gestattete Barclays den Hochfrequenzhändlern, ihre eigenen Server unmittelbar neben dem bankeigenen Server zu platzieren (sog. co-location). Über diese elektronische Niederlassung war es den Hochfrequenzhändlern möglich, schneller als alle anderen Teilnehmer auf neue Informationen aus dem Dark Pool zu reagieren und ihre Ordern anzupassen. Neben Barclays hatte die NYSE vergleichbare Absprachen mit Hochfrequenzhändlern getroffen.230 a) Erlaubte Tätigkeit im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht In den USA lautet die überraschende Antwort: Beide Verhaltensweisen sind legal! Die SEC hat sich in ihrem „Concept Release on Equity Market Structure“ eingehend damit beschäftigt und keine Verstöße gegen das geltende Kapitalmarktrecht feststellen können.231 Was die Versendung eines verbesserten Datenstroms angeht, stellt sie insbesondere auf Rule 603(a) Reg. NMS232 ab. Diese Vorschrift erfordere lediglich, dass der Betreiber eines Handelssystems die (verbesserten) Handelsinformationen nicht an eine ausgewählte Person weitergibt, bevor er sie an den zentralen Verarbeiter (Securities Information Processor, SIP) versendet233.234 Das zeitgleiche Versenden an den SIP und einen Dritten sei angesichts des Wortlauts von Rule 603(a) Reg. NMS erlaubt. Auf den Zeitpunkt des Empfangs kommt es deswegen nicht an.235 230 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 351 – 52 (S.D.N.Y. 2015). Allgemein zu diesen Phänomenen: Yadav, 56 Wash. U. J.L. & Pol’y 2018, 133, 142 f. (2018); Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 377 f. (2018); Abedine, 14 NYU J. L. & Bus. 595, 616 ff. (2018). 231 SEC Concept Release on Equity Market Structure, Exchange Act Release No. 61,358, 75 Fed. Reg. 3594, 3610 (Jan. 21, 2010). 232 Rule 603(a) Reg. NMS (a) Distribution of information. (1) Any exclusive processor, or any broker or dealer with respect to information for which it is the exclusive source, that distributes information with respect to quotations for or transactions in an NMS stock to a securities information processor shall do so on terms that are fair and reasonable. (2) Any national securities exchange, national securities association, broker, or dealer that distributes information with respect to quotations for or transactions in an NMS stock to a securities information processor, broker, dealer, or other persons shall do so on terms that are not unreasonably discriminatory. 233 Das vorzeitige Versenden hat die SEC sanktioniert, vgl. SEC, In the Matter of New York Stock Exchange LLC, and NYSE Euronext, File No. 3-15023, S. 3 ff. 234 So und im Folgenden: SEC, Concept Release on Equity Market Structure, 75 Fed. Reg. 3594, 3601 (Jan. 21, 2010). 235 Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 267; Abedine, 14 NYU J. L. & Bus. 595, 625 (2018).
A. Das Insiderhandelsverbot
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Diese Weichenstellung wirkt sich unmittelbar auf das Insiderhandelsverbot von Rule 10b-5 aus: Zwar kann man mittels der Misappropriation Theory ein Treueverhältnis zwischen dem Betreiber des Dark Pool bzw. der Börse und den Blockhändlern als Informationsquelle konstruieren.236 Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Geheimhaltung ist jedoch dann nicht angezeigt, wenn die Transparenzvorschriften von Reg. NMS die Weitergabe der Informationen über abgeschlossene Transaktionen an Dritte erlauben. Es lässt sich kaum von einer nicht-öffentlichen Information sprechen, wenn die Versendung der Information an ausgewählte Dritte im Einklang mit den Transparenzvorgaben steht.237 Diese Ansicht schloss sich das Bundesbezirksgericht für den südlichen Bezirk von New York in seiner Barclays-Entscheidung an, indem es konstatierte, dass die Weitergabe von verbesserten Datenströmen an Hochfrequenzhändler vom Kongress gewünscht und von der SEC als zulässig eingestuft worden sei.238 An diesem Auslegungsverständnis regen sich jedoch berechtigte Zweifel.239 Zwar besagt Rule 603(a) Reg. NMS lediglich, dass die Weitergabe der Informationen nicht nach nicht nachvollziehbaren diskriminierenden Bedingungen erfolgen darf („term that are not unreasonably discriminatory“). Die Krux in der Praxis besteht aber darin, dass der SIP eine kurze Zeitspanne benötigt, um die von dem einzelnen Handelsplatz sowie allen anderen Handelsplätzen eingehenden Informationen zu verarbeiten und zu konsolidieren. Genau innerhalb dieser Zeitspanne240 können Hochfrequenzhändler den ihnen zeitgleich vom Betreiber zugesendeten, deutlich umfangreicheren Datenstrom auswerten und ihre Quotierungen bzw. Ordern bereits anpassen.241 Dies ist mit Sinn und Zweck von Rule 603(a) Reg. NMS nicht vereinbar.242 Die Vorschrift will allen Marktteilnehmern, präziser: allen Informationshändlern, gleichzeitig Zugang zu Informationen verschaffen. Damit verwirklicht Rule 603(a) Reg. NMS das Prinzip des gleichen Zugangs zu Informationen (equal access to information) im Bereich der handelsbezogenen Informationen.
236
Vgl. dazu oben Kap. 4 A. III. 1. a). Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 383 f. (2018). 238 Das Gericht diskutiert die Wirkung von Rule 603(a) und der SEC-Stellungnahmen unter dem Prüfungspunkt der regulatorischen Immunität der NYSE, vgl. In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 358 – 59 (S.D.N.Y. 2015). 239 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 271 (2015); dies., 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 42 (2017). Ähnlich Yadav, 56 Wash. U. J.L. & Pol’y 2018, 133, 143 f. (2018); Balp/ Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 387 f. (2018). 240 Die Schätzungen liegen zwischen 10 und 22 Millisekunden (!), vgl. Adrian, 14 Duke L. & Tech. Rev. 2016, 256, 266 m.w.N. 241 Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 1016 (2016). Siehe ferner die ökonomische Studie von Ding/Hanna/Hendershott, 49 Fin. Rev. 313 (2014). 242 Vgl. Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 271 (2015); dies., 29 J. Appl. Corp. Finance, 30, 42 (2017). Ähnlich Yadav, 56 Wash. U. J.L. & Pol’y 2018, 133, 143 f. (2018). 237
260
Kap. 4: Verhaltenspflichten
Es bietet sich an dieser Stelle an, eine Parallele zu Reg. FD243 zu ziehen, welche die selektive Weitergabe fundamentalwertbezogener Informationen verbietet, um die Informationshändler vor Insidern zu schützen.244 Wer als Betreiber eines Handelsplatzes ausgewählten Personen vorab handelsbezogene Informationen – noch dazu in höherer Qualität – verschafft, privilegiert diese Person und diskriminiert umgekehrt alle Informationshändler. Da die Informationseffizienz in beiden Fällen leidet, sollten beide Formen der Vorab-Weitergabe von Informationen untersagt werden. Nichts liegt daher näher, als eine Diskriminierung i.S.v. Rule 603(a) Reg. NMS auch dann zu bejahen, wenn zwar die Datenströme zur gleichen Zeit versendet werden, es aber für den Betreiber des Handelsplatzes erkennbar ist, dass ein Datenstrom früher ankommen wird als der andere.245 Im Insiderrecht lässt sich dieser Anpassung Rechnung tragen, indem eine Information so lange nicht als öffentlich gilt, bis sie durch den SIP veröffentlicht und damit dem gesamten Markt bekannt geworden ist.246 Da die SEC ihr Auslegungsverständnis jedoch immer wieder bekräftigt hat, muss man davon ausgehen, dass sich diese Praxis in den USA auf absehbare Zeit nicht ändern wird.247 b) Erlaubte Tätigkeit im europäischen Kapitalmarktrecht Mit den neu eingeführten genehmigten Veröffentlichungssystemen (Approved Publication Arrangements, APA) und konsolidierten Datenträgern (Consolidated Tape Providers, CTP)248 stellt sich gleichermaßen im europäischen Kapitalmarktrecht die Frage, ob Handelsplatzbetreiber verbesserte Datenströme veröffentlichen dürfen und ab wann sie diese Informationen an Hochfrequenzhändler herausgeben dürfen, ohne gegen das Weitergabeverbot des Art. 14 lit. c) MAR zu verstoßen. Vergleichbar dem SIP soll der CTP als zentraler Datenverarbeiter für alle von den Handelsplätzen und den APAs kommenden Daten agieren. Das insiderrechtliche Gebot des gleichen Informationszugangs249 zwingt die Handelsplatzbetreiber im Grundsatz dazu, kursrelevante handelsbezogenen Informationen Dritten solange nicht zugänglich zu machen, bis alle Marktteilnehmer auf die Information zugreifen können. Es kommt demnach entscheidend darauf an, wann genau die erforderliche (Bereichs-)Öffentlichkeit hergestellt ist.
243
Ausführliche Darstellung bei Haeberle/Henderson, 101 Cornell L. Rev. 1373, 1385 ff., 1392 ff. (2016). 244 Vgl. Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 1015 f. (2016). 245 So der Vorschlag von Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 270 (2015). 246 Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 271 (2015). Von einer nicht öffentlichen Information spricht auch O’Hara, 116 J. of Fin. Econ. 257, 263 (2015). 247 So zumindest das Votum von Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 271 (2015). 248 Ausführlich dazu oben: Kap. 3 E. II. 249 Vgl. zur Vorgängerregelung: EuGH EuZW 2010, 227, 231 Rn. 48 – Photo Spector unter Verweis auf EuGH, Slg. 2007, I-3741 = EuZW 2007, 572 Rn. 38 – Georgakis.
A. Das Insiderhandelsverbot
261
Art. 13 Abs. 1 S. 1 MiFIR verpflichtet die Betreiber von Handelsplätzen, die unter die Vor- und Nachhandelstransparenzpflichten fallenden Informationen in nicht diskriminierender Weise und auf vernünftiger wirtschaftlicher Basis der Öffentlichkeit, einschließlich den CTPs, zugänglich zu machen.250 Die europäische Wortwahl („ensure non-discriminatory access to the information“) ähnelt stark jener von Rule 603(a)(2) Reg. NMS („terms that are not unreasonably discriminatory“) und lässt ebenfalls erheblichen Auslegungsspielraum. Nimmt man verschiedene Normen des neuen Regulierungsregimes zusammen, ergibt sich jedoch ein eindeutiges Bild: Auch in Europa ist die Privilegierung von Hochfrequenzhändlern durch verbesserte Datenströme und co-locations erlaubt!251 Ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot des Handelsplatzbetreibers gem. Art. 14 lit. b) und c) MAR ist de lege lata abzulehnen. aa) Erlaubnis von co-locations Dies ergibt sich zum einen aus Art. 48 Abs. 8 MiFID II, welcher den Einsatz von co-locations gestattet und die Mitgliedstaaten nur dazu verpflichtet, diskriminierungsfreie Regeln für den Umgang mit ihnen zu erlassen. Diese Regeln werden näher definiert durch die auf Grundlage der Ermächtigung in Art. 48 Abs. 12 lit. d) MiFID II erlassene Delegierte Verordnung der Kommission zum Umgang mit colocations.252 Der Rechtsakt erlaubt es den Betreibern von Handelsplätzen explizit, eine eigene Geschäftspolitik für das Anbieten von co-locations zu entwickeln und anhand objektiver Kriterien darüber zu entscheiden, wem sie Zugang zu diesen verschaffen, vgl. Art. 1 Abs. 1 und Erwägungsgrund Nr. 4253 der Delegierten Verordnung EU/2017/573. Da Hochfrequenzhändler dazu bereit sind, ein höheres Entgelt für die Nutzung von co-locations zu zahlen als andere Marktteilnehmer, wird man kaum eine Diskriminierung darin sehen können, dass ihnen die Handelsplatzbetreiber einen Vorzug einräumen. Der europäische Gesetzgeber billigt damit, dass Hochfrequenzhändler Vorteile gegenüber langsameren Händlern erlangen.
250 Zu den Vorgaben: Hoops, WM 2018, 205, 210 f. Zur alten Rechtslage: Mattig, WM 2014, 1940, 1944 f. 251 So auch Balp/Strampelli, 2018 U. Ill. J.L. Tech. & Pol’y 349, 379 (2018); Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1299. 252 Delegierte Verordnung (EU) 2017/573. 253 Erwägungsgrund Nr. 4 von Verordnung (EU) 2017/573 lautet: „Trading venues should have the ability to determine their commercial policy as regards co-location and determine which types of market participants they want to grant access to those services provided that their commercial policy is based on objective, transparent and non-discriminatory criteria. Trading venues should not be required to extend their co-location capacities beyond the limits of the space, power, cooling or similar facilities available and should have discretion to decide whether they expand their co-location space or not.“
262
Kap. 4: Verhaltenspflichten
bb) Verbesserte Datenströme Was das Anbieten verbesserter Datenströme angeht, verpflichtet Art. 13 Abs. 1 MiFIR die Betreiber von Handelsplätzen nur dazu, die im Rahmen der gem. Artt. 3, 4 und 6 bis 11 MiFIR zu veröffentlichenden Angaben auf eine vernünftige wirtschaftliche Basis zu stellen und nicht-diskriminierende Kriterien anzulegen. Art. 13 Abs. 1 MiFIR trifft aber keine Aussage darüber, ob die Handelsplatzbetreiber über das vorgegebene Mindestmaß an Transparenz hinausgehen dürfen. Mit anderen Worten ist offen, ob Art. 13 Abs. 1 MiFIR die Veröffentlichung von mehr Handelsdaten als den in der MiFIR vorgesehenen Daten gegenüber ausgewählten Marktteilnehmern verbietet. Dies ist klar zu verneinen.254 Denn erstens enthält schon der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 MiFIR selbst keinerlei Andeutung in diese Richtung. Zweitens mag zwar die Veröffentlichung von zusätzlichen Informationen gegenüber ausgewählten Marktteilnehmern wie eine Diskriminierung des restlichen Marktes erscheinen. Sind die ausgewählten Marktteilnehmer jedoch dazu bereit, ein entsprechendes zusätzliches Entgelt für die Nutzung dieser Daten zu zahlen, ähnelt das Ganze einer Auktion: Die Daten fließen an denjenigen Marktteilnehmer, der sich davon den höchsten Nutzen entspricht und deswegen bereit ist, dafür den höchsten Preis zu zahlen. Theoretisch steht jedem Marktteilnehmer die Chance offen, die Daten zu erwerben. Einziges Kriterium für die Weitergabe der zusätzlichen Informationen ist folglich die Zahlungsbereitschaft der Datenabnehmer. Darin lässt sich kaum eine unzulässige Diskriminierung erblicken.255 In diesem Sinne stellt denn auch Art. 1 Abs. 5 der die Transparenzvorgaben konkretisierenden Delegierten Rechtsverordnung 2017/572 fest, dass ein Handelsplatzbetreiber zusätzlich zu den vorgeschriebenen Handelsdaten Datenbündel veröffentlichen darf.256 cc) Zeitpunkt der Veröffentlichung Die Betreiber von Handelsplätzen dürfen die verbesserten Datenströme bereits zu dem Zeitpunkt gegenüber ihren Kunden (den Hochfrequenzhändlern) veröffentlichen, zu dem sie den regulären Datenstrom an den CTP versenden. Dagegen spricht zwar, dass der CTP eine kurze Zeitspanne für die Konsolidierung all der Informationen von den verschiedenen Handelsplätzen benötigen wird; genau während dieser Zeitspanne können die Hochfrequenzhändler ihre Quotierungen und Order jedoch bereits anpassen, sodass sie allen anderen Marktteilnehmern voraus sind.257 Der Blick auf die Ebene oberhalb der einzelnen Handelsplätze zeigt jeoch, dass es sich nicht um eine unzulässige Diskrmimierung handelt: Für APAs und CTPs sieht 254
So auch Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1299. So auch Kasiske, WM 2014, 1933, 1939; Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1299. 256 Art. 1 Abs. 5 der Delegierten Verordnung 2017/572 lautet: „In addition to offering the data in accordance with paragraph 1 and 2, a market operator or investment firm operating a trading venue may offer bundles of data.“ 257 Ausführlich dazu: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 228 ff. (2015). 255
A. Das Insiderhandelsverbot
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der europäische Gesetzgeber keine allgemeine Veröffentlichungspflicht vor. Vielmehr dürfen APAs und CTPs die Veröffentlichung von Informationen in den ersten 15 Minuten seit ihrer Veröffentlichung innerhalb des einzelnen Handelssystems gegen Entgelt anbieten, vgl. Art. 64 Abs. 1 Uabs. 3 S. 3, Abs. 2 Uabs. 2 S. 3 und Art. 64 Abs. 1 S. 2 MiFID II. Händler, welche nicht bereit sind, dieses Entgelt zu bezahlen, werden die Handelsinformationen stets mit Verzögerung erhalten und laufen dadurch Gefahr, von den Hochfrequenzhändlern übervorteilt zu werden. Findet damit auf Ebene der konsolidierten Handelsinformationen schon keine (entgeltlose) Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer statt, dürfen die einzelnen Handelsplätze erst recht Informationen an ausgewählte Marktteilnehmer schneller herausgegeben als an andere.258 Die Versendung von Informationen über öffentlich verfügbare Order und abgeschlossene Transaktionen verstößt folglich nicht gegen das Verbot des Art. 14 lit. c) MAR, solange die Informationen zeitgleich an die Datenverarbeiter versendet werden. 3. Zwischenfazit: Differenzierung nach Veröffentlichungsgrad Gibt der Betreiber eines Dark Pool Informationen über den Handel in seinem System an einen Dritten weiter, ist insiderrechtlich zu differenzieren: Legt er eine verdeckte Order offen, verstößt er sowohl im US-amerikanischen als auch im europäischen Kapitalmarktrecht gegen das Insiderhandelsverbot. Gibt er hingegen Informationen über offene Order oder abgeschlossene Transaktionen an ausgewählte Marktteilnehmer weiter, handelt er in beiden Rechtsordnungen rechtmäßig, solange diese Informationen zeitgleich mit den für den konsolidierten Datenstrom bestimmten Daten versendet werden. Dieser Zustand ist mit der Idee des gleichberechtigten Zugangs zu Informationen nur schwer zu vereinbaren, aber unter dem geltenden Recht hinzunehmen.
IV. Pflichten der Zugangsintermediäre Sofern der Betreiber eines Dark Pools weder Eigenhandel betreibt noch als Broker tätig wird, droht den Nutzern des Dark Pools von dieser Seite nur wenig Gefahr. Allerdings sind sie oftmals auf einen Intermediär, i. d. R. eine Bank, ange-
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Ein fiktives Beispiel: Über einen verbesserten Datenstrom und eine co-location erhält Marktteilnehmer 1, ein Hochfrequenzhändler, die Handelsinformationen an einer Börse innerhalb von einer Sekunde. Marktteilnehmer 2 nutzt dagegen einen CTP. Dieser benötigt zwei Sekunden für die Bereitstellung der konsolidierten Informationen. Marktteilnehmer 3 bezahlt für den CTP nicht und erhält die Handelsinformationen daher erst nach 15 Minuten. Selbst wenn man der Börse verböte, Handelsinformationen an Hochfrequenzhändler nur mit Verzögerung zu versenden, könnte Marktteilnehmer 1 immer noch Marktteilnehmer 3 übervorteilen. Eine Ungleichheit der Marktteilnehmer existiert also weiterhin.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
wiesen, um Zugang zum Dark Pool zu erlangen. Ein solcher Zugangsintermediär kann seinerseits gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen. 1. Verbot von Front Running Erfährt der Zugangsintermediär von einer großen verdeckten Order, hat er einen starken Anreiz, diese Information im Wege des Front Running auszunutzen. Im USamerikanischen Recht treffen ihn die bereits beschriebenen Pflichten eines Brokers.259 Demnach muss er nicht nur Rule 10b-5 und FINRA Rule 5270 beachten, sondern ist zusätzlich gem. Sec. 15(g) SEA dazu verpflichtet, Front Running durch angemessene Präventionsmaßnahmen zu verhindern. Des Weiteren gelten die Prinzipien des Agency Law.260 Im europäischen Kapitalmarktrecht verbieten es Art. 7 Abs. 1 lit. d) und Art. 14 lit. a) MAR dem Auftragsausführenden, einer Kundenorder „vorzulaufen“. Darüber hinaus verpflichtete § 31c Abs. 1 Nr. 5 WpHG a.F. dazu, den Missbrauch der Orderinformation, insbesondere in Form eines Front Running, zu verhindern.261 Mit der Umsetzung der MiFID II in das deutsche Recht durch das zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz ist diese Vorschrift weggefallen. Allerdings statuieren nunmehr § 69 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG n.F. ein strenges Prioritätsprinzip. Danach muss der Beauftragte den zuerst eingegangen Kundenauftrag auch zuerst ausführen oder an einen Dritten weiterleiten. Diese Pflicht verbietet es dem Beauftragten zugleich, sich erst selbst mit Beständen einzudecken oder Leerverkäufe zu tätigen und anschließend die Kundenorder auszuführen. Hinzu kommt, dass § 63 Abs. 1 WpHG n.F. Wertpapierdienstleistungsunternehmen dazu verpflichtet, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln. 2. Verbot der Weitergabe von Orderinformationen Anstatt selbst Front Running zu betreiben, kann der Zugangsintermediär die Information über die große verdeckte Order an Dritte weitergeben. Im US-amerikanischen Recht verletzt der als Agent tätige Broker seine Interessenwahrungspflicht, wenn er für einen Blockhändler tätig ist, es aber einer anderen Person ermöglicht, aus dieser Blockorder Profit zu schlagen.262 Aus Sicht des Blockhändlers macht es keinen Unterschied, ob der Preis wegen eines Front Running des Dritten oder des Brokers selbst steigt. Daher verstößt der Broker auch durch die Weitergabe der Information gegen Rule 10b-5. Auf die Fiduciary Duty Doktrin oder die Misappropriation Theory braucht nicht zurückgegriffen zu werden. 259 260 261 262
Vgl. oben Kap. 4 A. II. 2. Vgl. Opper v. Hancock Sec. Corp., 250 F. Supp. 668, 673 (S.D.N.Y. 1966). Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 31c Rn. 9. Vgl. Opper v. Hancock Sec. Corp., 250 F. Supp. 668, 673 (S.D.N.Y. 1966).
A. Das Insiderhandelsverbot
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Im europäischen Recht verstößt der Zugangsintermediär gegen das Verbot der Artt. 7 Abs. 1 lit. d) MAR, 14 lit. c) MAR, solange er nicht nachweisen kann, dass die Offenlegung erforderlich war, um eine Transaktion überhaupt zustande bringen zu können.263 3. Schlussfolgerung Sowohl das US-amerikanische als auch das europäische Kapitalmarktrecht verbieten es dem Zugangsintermediär, sein Wissen um eine große Order für einen Dark Pool für den eigenen Handel ausnutzen oder Dritten mitzuteilen. Dadurch wird sichergestellt, dass der Intermediär seine Interessen nicht über jene des Kunden stellt.
V. Handel eines Marktteilnehmers aufgrund zugespielter Information Handelt ein anderer Marktteilnehmer, insbesondere ein Hochfrequenzhändler, in Kenntnis einer ihm aus dem Dark Pool zugespielten Information über die Orderlage,264 stellt sich die Frage, ob er selbst gegen das Insiderhandelsverbot verstößt. 1. Informationen über eine abgeschlossene Transaktione und eine offene Order Geht es um eine Informationen über eine offene Order oder eine abgeschlossene Transaktionen in einem Dark Pool, greifen für den Marktteilnehmer spiegelbildlich die für den Betreiber aufgestellten Grundsätze: Solange die Weitergabe vom Betreiber des Handelsplatzes an den Marktteilnehmer zeitgleich mit der Weiterleitung von Handelsdaten an den SIP bzw. CTP erfolgt, handelt es sich um eine legale Verhaltensweise.265 Sowohl das US-amerikanische266 als auch das europäische Kapitalmarktrecht billigen diese Veröffentlichungspraxis, sodass man dem Marktteilnehmer bzgl. des Nutzens dieser Information keinen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot vorwerfen kann.
263 264 265 266
Vgl. dazu oben Kap. 4 A. III. 1. b) cc). Zu dieser Konstellation vgl. Dolgopolov, 9 Wm. & Mary Bus. L. Rev. 551, 577 ff. (2018). Vgl. oben Kap. 4 A. III. 2. Dazu Yadav, UCLA L. Rev. 968, 1022 (2016).
266
Kap. 4: Verhaltenspflichten
2. Informationen über verdeckte Ordern Erfährt ein Marktteilnehmer dagegen von einer verdeckten Order und handelt er auf der Grundlage dieser Information, verstößt er sowohl im US-amerikanischen als auch im europäischen Kapitalmarktrecht gegen das Insiderhandelsverbot. a) Verbot im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht ist erneut auf Rule 10b-5 abzustellen. aa) Der Fall ArcaSec in den USA Einen ersten Fingerzeig gibt die Entscheidung der SEC in der Sache NYSE Entities267. In deren Fokus stand ArcaSec, ein vollständig der IntercontinentalExchange, Inc. (ICE)268 gehörender Broker, der für das Orderrouting zwischen verschiedenen Börsen, vor allem zwischen NYSE und Arca zuständig ist.269 Ab dem Jahr 2005 betrieb ArcaSec einen sog. fehlerausgleichenden Handel („error account trading“) für die NYSE. Das Unternehmen war dafür verantwortlich, Unregelmäßigkeiten im Handel, etwa infolge von Computerfehlern oder der Zuleitung von Ordern von anderen Börsen, für die NYSE auszugleichen.270 Die von ArcaSec dafür eingesetzten Mitarbeiter nutzten die gleichen Rechner wie ihre für die Organisation eines ordnungsgemäßen Handels verantwortlichen Kollegen. Auf diese Weise war es den Fehler ausgleichenden Mitarbeitern möglich, auf ein weiteres Programm zuzugreifen, welches die komplette Orderlage der NYSE, einschließlich aller verdeckten Ordern anzeigte.271 Der Zweck dieses Programms lag einzig darin, einen ordnungsgemäßen Handel an der NYSE zu organisieren. Es sollte nicht für eigene Handelsaktivitäten genutzt werden. Dennoch versetzte es die Mitarbeiter in die Lage, Kursveränderungen zu antizipieren und für ihre Handelsaktivitäten auszunutzen. Die SEC stellte fest, dass dieses Verhalten gegen Sec. 15(g) des Securities Exchange Act von 1934 verstieß: ArcaSec habe es versäumt, Verfahren zu etablieren, die verhinderten, dass die Mitarbeiter auf kursrelevante, nicht-öffentliche Informa267
SEC, In the Matter of New York Stock Exchange LLC, NYSE Arca, Inc., NYSE MKT LLC f/k/a NYSE Amex LLC, and Archipelago Securities, L.L.C., File No. 3-15860. 268 Die ICE ist ihrerseits Eigentümerin von NYSE und Arca, vgl. SEC, In the Matter of New York Stock Exchange LLC, NYSE Arca, Inc., NYSE MKT LLC f/k/a NYSE Amex LLC, and Archipelago Securities, L.L.C., File No. 3-15860, S. 3 f. 269 SEC, In the Matter of New York Stock Exchange LLC, NYSE Arca, Inc., NYSE MKT LLC f/k/a NYSE Amex LLC, and Archipelago Securities, L.L.C., File No. 3-15860, S. 4. 270 Die NYSE besaß dafür ein eigenes Handelskonto bei ArcaSec, vgl. SEC, In the Matter of New York Stock Exchange LLC, NYSE Arca, Inc., NYSE MKT LLC f/k/a NYSE Amex LLC, and Archipelago Securities, L.L.C., File No. 3-15860, S. 5. 271 SEC, In the Matter of New York Stock Exchange LLC, NYSE Arca, Inc., NYSE MKT LLC f/k/a NYSE Amex LLC, and Archipelago Securities, L.L.C., File No. 3-15860, S. 8.
A. Das Insiderhandelsverbot
267
tionen über die Orderlage an der NYSE zugreifen konnten.272 Da ein Verstoß gegen diese Norm nicht voraussetzt, dass ein verbotener Insiderhandel tatsächlich stattgefunden hat273, ging die SEC nicht weiter auf Rule 10b-5 ein.274 Ein solcher Verstoß ist aber nicht ausgeschlossen, sondern lässt sich leicht begründen: ArcaSec war als Broker für die NYSE tätig. Damit bestand zwischen diesen beiden Parteien ein Vertraulichkeitsverhältnis.275 Innerhalb dieses Verhältnisses erhielt ArcaSec von der NYSE nicht-öffentliche Informationen über verdeckte Ordern von der NYSE. Sieht man die Nutzer der NYSE als primäre Quelle der handelsbezogenen Informationen an, stellt die NYSE für ArcaSec eine sekundäre Informationsquelle dar. Die auf der Informationsquelle besonders nahestehende Personen zugeschnittene Fiduciary Duty Doktrin passt nicht.276 Allerdings kann man dem Vertraulichkeitsverhältnis zwischen NYSE und ArcaSec die Pflicht entnehmen, die Information über eine verdeckte Order entweder nicht zu nutzen oder die NYSE um Erlaubnis der Nutzung zu bitten. Man kann daher mittels der Misappropriation Theory einen Verstoß von ArcaSec gegen Rule 10b-5 begründen. bb) Tippee Liability nach der Misappropriation Theory Demgegenüber kann auch ein mit dem Dark Pool-Betreiber in keiner Weise verbundener Hochfrequenzhändler Zugriff auf Informationen aus dem Dark Pool (gegen Entgelt) erhalten und diese für sich nutzen, indem er im Dark Pool oder an der Börse Order abgibt. Die Fiduciary Duty Doktrin277 findet in diesem Fall keine Anwendung. Denn weder der tippgebende Betreiber (tipper) noch der die Information empfangende Händler (tippee) stehen in einem gesellschaftsrechtlichen oder anderweitigem besonderen Treueverhältnis278 zu den Aktionären des Emittenten oder dem Blockhändler als Quelle der handelsbezogenen Information279.280 272
So und im Folgenden: SEC, In the Matter of New York Stock Exchange LLC, NYSE Arca, Inc., NYSE MKT LLC f/k/a NYSE Amex LLC, and Archipelago Securities, L.L.C., File No. 3-15860, S. 8 f., S. 17. 273 SEC, In the Matter of Certain Market Making Activities on NASDAQ, Exchange Act Release No. 40910, 1999 WL 6176, at *6 fn. 3 (Jan. 11, 1999); In the Matter of Gabelli & Co., Inc., et al., Exchange Act Release No. 35057, 1994 WL 684627 (Dec. 8, 1994). 274 Vgl. SEC, In the Matter of New York Stock Exchange LLC, NYSE Arca, Inc., NYSE MKT LLC f/k/a NYSE Amex LLC, and Archipelago Securities, L.L.C., File No. 3-15860, S. 8. 275 Vgl. dazu Opper v. Hancock Sec. Corp., 250 F. Supp. 668, 673 (S.D.N.Y. 1966). 276 Vgl. dazu die Ausführungen unter Kap. 4 III. 1. a) aa). 277 Vgl. dazu Dirks v. SEC, 463 U.S. 646, 660, 103 S. Ct. 3255, 3264 (1983). 278 Vgl. dazu Shapiro v. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith, Inc., 495 F.2d 228, 237 (2d Cir. 1974). Siehe ferner Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 232 – 34, 100 S. Ct. 1108, 1116 – 17 (1980); Weber, Insiderrecht und Kapitalmarktschutz, 1999, S. 84 ff.; Hagen, 44 Business Lawyer 13, 22 ff. (1988) m.w.N. 279 Ausführlich dazu oben: Kap. 4 III. 1. a) aa). 280 Andeutungsweise Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 1015 (2016).
268
Kap. 4: Verhaltenspflichten
Es ist also erneut die Misappropriation Theory zu bemühen. Diese unterwirft einen Tippempfänger dem Insiderhandelsverbot von Rule 10b-5, wenn (1) die Weitergabe der Information durch den Insider gegen dessen Vertraulichkeitsvereinbarung mit der Informationsquelle verstößt und (2) der Tippempfänger davon Kenntnis hat.281 Für die Weitergabe von Informationen über verdeckte Ordern an einer Börse und gänzlich von der Vorhandelstransparenz ausgenommene Ordern in einem ATS ist dies zu bejahen. Denn der Betreiber eines Handelssystems trifft durch das Anbieten von verdeckten Ordern eine Vertraulichkeitszusage. Diese Zusage ist für alle Marktteilnehmer erkennbar, da sich die verschiedenen Ordertypen an einer Börse leicht aus deren Geschäftsbedingungen entnehmen lassen; in einem intransparenten ATS ist die verdeckte Order sogar die Norm.282 Zugleich zeigt sich, dass kein Verstoß mehr erfolgen kann, sobald der Vertraulichkeitsstatus der Order endet. Dieser Effekt tritt ein, sobald die Order ihren Status von einer verdeckten zu einer offenen ändert oder dem Markt die abgeschlossene Transaktion bekannt gegeben wird.283 b) Verbot im europäischen Kapitalmarktrecht Das europäische Insiderhandelsverbot kommt wegen seiner Konzeption als marktschädigendes Delikt gänzlich ohne die Konstruktion eines Treuepflichtverhältnisses aus. Für einen Verstoß gegen Art. 14 lit. a) MAR muss die zugespielte Information eine Insiderinformation darstellen und der Empfänger muss diese für den Abschluss eines Insidergeschäfts nutzen, Artt. 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 MAR. aa) Tatbestand der Insiderinformation Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR stellt ausdrücklich klar, dass die Information über eine große verdeckte Order eine private, kursrelevante handelsbezogene Insiderinformation darstellen kann. Allerdings beschränkt sich Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR darauf, das Front Running einer zur Auftragsausführung eingesetzten Person zu verbieten. Gibt diese Person die Information über die Order an einen Dritten weiter, ist die Vorschrift mangels Auftragsverhältnisses auf Geschäfte des Dritten nicht anwendbar. Man kann dann nur mit dem Grundtatbestand des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR arbeiten. Dass Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR diesen Rückgriff nicht sperrt, ergibt sich erstens aus der Verwendung des Begriffs „auch“ und der Stellung der Vorschrift innerhalb des Art. 7 MAR. Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR hat demnach die Funktion, den Grundtatbestand als Regelbeispiel284 zu ergänzen, nicht aber ihn einzuschränken. Zweitens 281 Vgl. United States v. Falcone, 257 F.3d 226, 234 (2d Cir. 2001); Bovi, 7 St. Thomas L. Rev. 103, 129 (1994). 282 Vgl. oben Kap. 4 A. III. 1. a) bb). 283 Vgl. Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 1015 (2016). 284 Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 304.
A. Das Insiderhandelsverbot
269
ist es Sinn und Zweck des Art. 7 Abs. 1 MAR, die Arbitragemöglichkeiten der Informationshändler zu schützen. Könnte ein Auftragsausführender eine Orderinformation nicht selbst nutzen, dafür aber ein Dritter, würde dieser Dritte durch sein Handeln die Arbitragemöglichkeiten der Informationshändler eliminieren.285 Zugleich würde sich die Ausführung der Order durch das Front Running des Dritten ebenso verteuern wie beim Front Running des Ausführenden selbst. Auf die Person des Front Runners kommt es also nicht an. Zudem handelt es sich bei Art. 7 Abs. 1 lit. d) MAR um ein Regelbeispiel286, nicht aber um eine verdrängende Spezialregelung für Insiderinformationen. Daher findet der Grundtatbestand des Art. 7 Abs. 1 lit. a) daneben Anwendung.287 bb) Verbotenes Insidergeschäft Besitzt der ansonsten unbeteiligte Marktteilnehmer eine Insiderinformation i.S.d. Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR, muss er das umfassende Verwendungsverbot der Artt. 8 Abs. 1, 14 lit. a) MAR beachten. Danach ist es ihm nicht nur untersagt, Wertpapiergeschäfte aktiv zu tätigen, sondern auch, bereits eingegebene Ordern zu stornieren oder zu ändern. Letzteres Verbot trifft vor allem Hochfrequenzhändler, da es zu deren Handelsstrategie gehört, Ordern sehr kurzfristig zurückzuziehen. Darüber hinaus verbietet Art. 8 Abs. 3 MAR die Nutzung einer Empfehlung oder Verleitung, wenn der Händler davon ausgehen muss, eine Insiderinformation erhalten zu haben.288 Auf diese Weise soll verhindert werden, dass sich andere Marktteilnehmer wie Insider schädigend am Markt verhalten, wenn sie annehmen müssen, eine Insinderinformation zugespielt erhalten zu haben.289 Damit dehnt der europäische Gesetzgeber die Sanktionierung von Tippempfängern aus.290 Vor allem Hochfrequenzhändler dürfen deswegen weder auf der Grundlage der Orderinformation selbst noch auf der Grundlage eines Hinweises des Dark Pool-Betreibers handeln. In beiden Fällen ist es für sie offensichtlich, dass der Betreiber ihnen Wissen um die (verdeckte) Orderlage im System mitteilt. Aufgrund ihrer hohen Kapitalmarktnähe291 befinden sich Hochfrequenzhändler schnell im Bereich der fahrlässigen Unkenntnis. Diese reicht auf subjektiver Seite aus, um das Verbot des Art. 8 Abs. 3 MAR zu aktivieren.292 285 So und im Folgenden: Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 13 WpHG Rn. 72. 286 Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 304. 287 Zum alten Recht: Klöhn, KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 284; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 13 WpHG Rn. 72. 288 Ausführlich dazu: Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 8 Rn. 247 ff. 289 Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 8 Rn. 242. 290 Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 8 Rn. 240 ff. 291 Zu diesem und weiteren Kriterien: Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 8 Rn. 260. 292 Klöhn, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 8 Rn. 258.
270
Kap. 4: Verhaltenspflichten
3. Zwischenfazit: Differenzierung nach Veröffentlichungsgrad Die Regeln zur Weitergabe von Informationen durch den Betreiber eines Handelsplatzes gelten spiegelbildlich für den Empfänger und Nutzer dieser Information. Informationen über öffentliche Order und abgeschlossene Transaktionen darf er nutzen, wenn diese zeitgleich an ihn und einen Datenverarbeiter versendet werden. Informationen über verdeckte Ordern fallen dagegen unter das Insiderhandelsverbot.
VI. Handel eines Marktteilnehmers aufgrund selbst ermittelter Information Wenig diskutiert293 wurde bislang die Frage, ob ein Hochfrequenzhändler auch dann gegen das Insiderhandelsverbot verstößt, wenn er die Information über eine verdeckte Order nicht vom Betreiber des Dark Pool zugespielt bekommt, sondern die Order selbst entdeckt und sodann auf der Grundlage der gewonnen Orderinformation handelt. Dies kann insbesondere durch ein eigens dafür entwickeltes Programm294 oder durch das sog. Pinging geschehen.295 Als Pinging bezeichnet man das Verhalten, kleinvolumige Ordern in kurzer Abfolge an einem Handelsplatz einzugeben, um dadurch eine große verdeckte Order ausfindig zu machen.296 Werden die Ordern des Hochfrequenzhändlers nicht sofort ausgeführt, storniert er sie unverzüglich.297 Werden sie dagegen ausgeführt, kann der Hochfrequenzhändler vermuten, dass eine große Order auf der Gegenseite steht. Bei mehreren nacheinander ausgeführten Kaufordern kann er annehmen, dass sich im (verdeckten) Orderbuch eine große Verkaufsorder befindet. Er kann dieses Wissen sodann ausnutzen, indem er seine eigenen Aktienbestände an einem anderen Handelsplatz (leer) verkauft und sich sodann mit den Aktien des verkaufenden Blockhändlers zu einem – dann niedrigeren – Preis wieder eindeckt.298 Pinging dient insofern der Vorbereitung eines elektronischen Front Running.299 Die Ping-Order bildet selbst keine Insiderinformation, weil sie nur der Informationsgewinnung dient.300 293
Eine längere Diskussion führen Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 136 ff.; Klöhn, WM 2014, 537, 541. 294 So das Beispiel von Klöhn, WM 2014, 537, 541. 295 Dazu Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 137 f.; Bayram/Meier, WM 2018, 1295 f. 296 Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 613 ff. (2015); Kasiske, WM 2014, 1933, 1937 f.; Gallo, 29 Rev. of Bank. & Fin. L. 88, 90 f. (2009); Bayram/Meier, WM 2018, 1295 f.; Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 93. 297 So und im Folgenden: Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 625 (2015); Lin, 66 Emory L.J. 1253, 1288 f. (2017); Bayram/Meier, WM 2018, 1295 f.; Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 93. 298 Es handelt sich um eine Prognose, vgl. Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 138. 299 Kasiske, WM 2014, 1933, 1937 f.; Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 94. 300 Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 137.
A. Das Insiderhandelsverbot
271
1. Kein Verstoß gegen Rule 10b-5 Im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht verstößt dieses Verhalten nicht gegen Rule 10b-5. Denn zwischen dem Hochfrequenzhändlern und den übrigen Marktteilnehmern lässt sich ein Treueverhältnis weder im Sinne der Fiduciary Duty Doktrin noch im Sinne der Misappropriation Theory konstruieren.301 Vielmehr verfolgen diese Akteure gegensätzliche Interessen mit ihrem Handel im Dark Pool. Parallel dazu scheidet im Derivatehandel ein Verstoß gegen Regulation 180.1 aus.302 2. Verstoß gegen Art. 14 lit. a) MAR Im europäischen Insiderrecht erfüllt die vom Hochfrequenzhändler ermittelte Information über eine verdeckte Order alle Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR303, sodass sich die Frage nach einem Verstoß gegen das Verwendungsverbot des Art. 14 lit. a) MAR in voller Schärfe stellt. Unter der alten Rechtslage des § 13 WpHG a.F. plädierte die herrschende Meinung im Schrifttum dafür, die Ausnahmeregel des § 13 Abs. 2 WpHG a.F. analog auf die Suchtechniken von Hochfrequenzhändlern anzuwenden und sie damit vom Insiderhandelsverbot freizustellen.304 Zur Begründung führte sie aus, dass der Hochfrequenzhändler sich keines privilegierten Zugangs zu Informationen bediene, sondern Technologie nutze, deren Einsatz jedermann offen stehe.305 Da jedermann die Information extrahieren könne, werde das fundamentale Prinzip des gleichen Informationszugangs (equal access to information) nicht berührt.306 Unter der neuen Rechtslage der MAR und MiFIR muss sich diese Ansicht mehrere Einwände entgegenhalten lassen. Erstens existiert keine § 13 Abs. 2 WpHG vergleichbare Ausnahmeregelung in der MAR. Zwar stellt Nr. 28 MAR klar, dass Bewertungen aufgrund öffentlicher Umstände weiterhin nicht dem Insiderhandelsverbot unterfallen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Vorschrift, sondern lediglich eine Auslegungshilfe.307 Eine Analogie scheidet damit aus, in Betracht kommt allenfalls eine teleologische Reduktion des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR. 301 Yadav, 63 UCLA L. Rev. 968, 1021 f. (2016)). Vgl. auch das Beispiel des „Obervant Trader“ von Harris, Trading & Exchanges, 2003, S. 247. 302 Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 682 ff. (2015). 303 Vgl. dazu oben: Kap. 4 A. IV. 2. b) aa). 304 Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 301 f.; ders., WM 2014, 537, 541; Kasiske, WM 2014, 1933, 1938 f. (der darüber hinaus die Kurserheblichkeit der Information ablehnt). 305 Klöhn, WM 2014, 537, 541; Kasiske, WM 2014, 1933, 1939. Dieses Argument taucht auch im US-amerikanischen Insiderrecht auf und wird dort unter dem Merkmal der öffentlichen Information angeführt, vgl. Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 627 f. (2015). 306 Kasiske, WM 2014, 1933, 1939. 307 Speziell zu Erwägungsgrund Nr. 28, vgl. Klöhn, WM 2016, 1665, 1667 f.; Bayram/ Meier, WM 2018, 1295, 1300.
272
Kap. 4: Verhaltenspflichten
Darüber hinaus stellt laut Erwägungsgrund Nr. 28 MAR die aufgrund öffentlicher Umstände erstellte Analyse selbst eine Insiderinformation dar, sofern der Markt die Verbreitung der Analyse erwartet und diese zur Preisbildung beiträgt. Man kann darüber streiten, ob dieses extensive Verständnis des europäischen Gesetzgebers richtig ist oder nicht.308 Unabhängig davon räumen aber selbst Befürworter einer Privilegierung des Hochfrequenzhändlers ein, dass die verdeckte Order keinen öffentlichen Umstand darstellt.309 An sich bewegt man sich damit bereits außerhalb des Anwendungsbereichs von § 13 Abs. 2 WpHG a.F. Mit Blick auf Erwägungsgrund Nr. 28 MAR lässt sich ferner anführen, dass der Markt die regelmäßige Verbreitung von Informationen über verdeckte Ordern in der Tat erwartet. Schließlich erlangt man über die Vorschriften zur Nachhandelstransparenz Kenntnis von jeder ausgeführten Transaktion und darüber mittelbar von jeder ausgeführten Order. Des Weiteren überzeugt das Argument nicht, die verdeckte Order könne von jedem detektiert werden, der nur über die notwendigen technischen Möglichkeiten verfüge.310 Denn nicht jeder Informationshändler wird Investitionen in Höhe der Summen tätigen, die erforderlich sind, um mithilfe von Algorithmen verdeckte Ordern aufspüren zu können.311 Zudem bieten die Marktbetreiber in ihren Regelwerken verdeckte Ordertypen deswegen an, damit der Markt diese gerade nicht erkennen kann.312 Es entsteht also höchstens eine kleine Bereichsöffentlichkeit. Dazu enthält Erwägungsgrund Nr. 28 MAR ebenfalls eine Aussage: Die Marktteilnehmer sollen sich stets fragen, wie groß der Veröffentlichungsgrad der jeweiligen Information ist. Dieser letzte Satz des Erwägungsgrundes lässt sich in dem Sinne verstehen, dass es sich umso mehr um eine Insiderinformation handeln wird, desto kleiner der Veröffentlichungsgrad der Information ist. Das Detektivspiel der Hochfrequenzhändler läuft schließlich dem gesetzgeberischen Willen glatt entgegen: Ziel der Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz ist es, die Ausführung solcher Ordern zu ermöglichen, die andernfalls allein aufgrund ihrer Größe eine sog. Marktbeeinflussung hervorrufen und daher ggf. nicht abgegeben werden.313 Indem er Transparenzausnahmen gewährt, entscheidet sich der Gesetzgeber zugunsten der Liquiditätssteigerung durch eine große Order und gegen eine sofortige Verbreitung dieser handelsbezogenen Information. Anders formuliert gewinnt in diesem Zielkonflikt von Liquidität und Informationseffizienz die Liquidität.314 Eben diese gesetzgeberische Entscheidung wird unterminiert, wenn es 308
Klöhn, WM 2016, 1665, 1665 f.; ders. AG 2016, 423, 427 f. Kasiske, WM 2014, 1933, 1938. Dagegen sieht Klöhn eine (teilweise verdeckte) IcebergOrder als öffentlich bekannte Tatsache an, obschon nicht jeder Marktteilnehmer in der Lage ist, sie zu entdecken, vgl. Klöhn, WM 2014, 537, 541. Gegen eine Öffentlichkeit wendet sich auch Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 139 f. 310 So aber Klöhn, WM 2014, 537, 541; Kasiske, BKR 2014. 311 So auch Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 140. 312 Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 140. 313 Ausführlich zu den einzelnen Ausnahmen oben Kap. 3 B. I. 1. b). 314 Ausführlich dazu oben Kap. 1 C. VIII. 309
A. Das Insiderhandelsverbot
273
einzelnen Händlern erlaubt ist, die verdeckte Order doch aufzuspüren und durch schnellen Abschluss von Geschäften für sich Profit daraus zu schlagen.315 Dem tragen auch die Börsen und MTF-Betreiber Rechnung, indem sie in ihre Regelwerke Missbrauchsklauseln bzgl. des Ausspähens verdeckter Ordern eingefügt haben.316 Wie bereits oben dargelegt wurde, lässt sich aus Art. 13 Abs. 1 MAR das allgemeine Prinzip entwickeln, dass alle Händler gleichen Zugang zu den veröffentlichten Ordern und niemand privilegierten Zugang zu verdeckten Ordern erhalten soll.317 Zwar ergibt sich beim Pinging das Privileg des Hochfrequenzhändlers nicht aus einem exklusiven Kanal zum Handelsort, sondern aus seinem technischen Vorsprung. Der negative Effekt ist jedoch der gleiche: Infolge seines Pinging und anschließenden elektronischen Front Running verteuert der Hochfrequenzhändler die Ausführung der großen Order.318 Damit tritt eben jener negative Effekt ein, den die Ausnahmen von der Vorhandelstransparenz zu verhindern versuchen. Zugleich vernichtet der Hochfrequenzhändler Arbitragemöglichkeiten für die Informationshändler, welche (erst) nach Veröffentlichung der abgeschlossenen Transaktion neue Informationen verarbeiten können.319 Angesichts dieser beiden schädlichen Wirkungen320 erscheint es ungerechtfertigt, den Hochfrequenzhändler durch eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 2 WpHG a.F. bzw. eine teleologische Reduktion des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR zu privilegieren.321 Vielmehr handelt es sich dann um verbotenen Insiderhandel, wenn er durch die Ping-Order eine verdeckte Order aufspürt und anschließend passende Gegengeschäfte tätigt.322
315
Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1300. Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 140 f. 317 Vgl. oben Kap. 4 A. III. 1. b) cc). 318 Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1300. Siehe auch Korsmo, 48 U. Rich. L. Rev. 523, 557 ff. (2014), welcher freilich behauptet, durch solche parasitären Händler würde der Markt robuster werden. 319 Beispiel: Das NBB lautet 10.00, das NBO lautet 10.10. Entdeckt ein Hochfrequenzhändler eine große Kauforder, wird er sich selbst mit Aktien eindecken. Das NBBO steigt daher auf 10.10 – 10.20. Im Dark Pool steigt dementsprechend der Referenzierungspreis (Midpoint) von 10.05 auf 10.15. Dies verteuert die Ausführung der Order. Wird die Transaktion im Dark Pool schließlich bekannt gegeben, steigt das NBBO auf 10.20 – 10.30 infolge des Informationseffekts. Für die Informationshändler bestand folglich eine Arbitragemöglichkeit in der Preisspanne von 10.10 bis 10.20. Hätte der Hochfrequenzhändler kein elektronisches Front Running begangen, wäre die Preisspanne mit 10.00 bis 10.20 größer gewesen. 320 Auf die Schädigung der Informationseffizienz geht nicht ein Kasiske, BKR 2015, 454, 456. 321 So auch Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1300. 322 So auch Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 147. Vgl. auch Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 625 (2015). 316
274
Kap. 4: Verhaltenspflichten
VII. Zusammenfassung: Unterschiedliche Dogmatik, aber ähnliche Resultate Die Regulierung von Insiderhandel im Dark Pool fällt in den USA und Europa im Ergebnis sehr ähnlich aus – trotz erheblicher dogmatischer Unterschiede. Während das US-amerikanische Kapitalmarktrecht mit Rule 10b-5 im Wesentlichen auf einem Betrugsdelikt aufbauen, gestaltet der europäische Gesetzgeber mit den Art. 7, 8 und 14 MAR den Insiderhandel als Marktdelikt aus. Ein bemerkenswerter Unterschied zwischen den beiden Regulierungsregimen ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR: Während der europäische Gesetzgeber erstmalig auch Teile der sog. Insider-Abstinenz sanktioniert, bleibt diese im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht nach wie vor ungesühnt. Die Ergebnisse lassen sich in der folgenden Tabelle zusammenfassen: Akteur
Informationsgegenstand Rechtsordnung Normen und Theorien
I. Betreiber nutzt In- Verdeckte Order formation selbst zum Handel
II. Betreiber gibt In- Verdeckte Order formation weiter
USA
Broker haftet gem. Rule 10b-5 Misappropriation Theory: +
Europa
Artt. 7 Abs. 1 lit. d), 14 lit. a) MAR
USA
Fiduciary Duty Doktrin: Misappropriation Theory: +
III. Zugangsintermediär nutzt Information zum Handel
Europa
Artt. 7 Abs. 1 lit. a), 14 lit. b) und c) MAR
Öffentliche Order und abgeschlossene Transaktion
USA
Erlaubt, wenn Information gleichzeitig an Datenverarbeiter versendet wird
Verdeckte Order
USA
Broker haftet gem. Rule 10b-5
Europa
Artt. 7 Abs. 1 lit. d), 14 lit. a) MAR
USA
Broker haftet gem. Rule 10b-5
Europa
Art. 7 Abs. 1 lit. d), 14 lit. c) MAR
IV. Zugangsinterme- Verdeckte Order diär gibt Information weiter
Europa
B. Verbot der Marktmanipulation V. Anderer Händler erhält Information vom Betreiber und handelt
Verdeckte Order
USA
275 Fiduciary Duty Doktrin: – Misappropriation Theory: +
Öffentliche Order und abgeschlossene Transaktion
VI. Anderer Händler Verdeckte Order ermittelt Information selbst und handelt
Europa
Artt. 7 Abs. 1 lit. a), 14 lit. a) MAR
USA
Erlaubt, wenn Information gleichzeitig an Datenverarbeiter versendet wird
Europa
USA
Fiduciary Duty Doktrin: – Misappropriation Theory: –
Europa
Artt. 7 Abs. 1 lit. a), 14 lit. a) MAR (umstr.)
B. Verbot der Marktmanipulation In einem Dark Pool kann nicht nur Insiderhandel stattfinden. Darüber hinaus droht die Gefahr, dass verschiedene Marktteilnehmer Strategien anwenden, um die Preise innerhalb und außerhalb des Dark Pool in eine ihnen genehme Richtung zu bewegen. Diese Verhaltensweisen sind der Reihe nach auf einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation zu untersuchen.
I. Telos und Dogmatik des Verbots der Marktmanipulation Eine allgemeine Definition des Begriffs der Marktmanipulation im Kapitalmarktrecht konnte bislang nicht gefunden werden.323 Traditionell wird unterschieden zwischen der informationsgestützten, der handelsgestützten und der handlungsgestützten Marktmanipulation.324 Bei der informationsgestützten Marktmanipulation werden gezielt falsche Informationen verbreitet, um den Kurs des Finanzinstruments
323
Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 1. Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 7; Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 32; Worms, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, 4. Aufl. 2015, § 10 Rn. 85; Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 14 ff.; Teigelack, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 12 Rn. 15. 324
276
Kap. 4: Verhaltenspflichten
(durch die Reaktionen der Informationshändler) zu beeinflussen.325 Dies kann auch über falsche Ad-hoc-Mitteilungen geschehen.326 Dagegen wird bei der handelsgestützten Manipulation den anderen Marktteilnehmern (den Informationshändlern) durch eine falsche Orderlage vorgespielt, sodass diese auf eine, tatsächlich nicht existierende, Information schließen.327 Es ist offensichtlich, dass diese beiden Formen der Marktmanipulation die Informationshändler fehlleiten und die Effizienz des Marktes schädigen.328 Bei einer handlungsgestützten Marktmanipulation greift der Handelnde dagegen den Fundamentalwert des Emittenten selbst an, wendet sich also unmittelbar gegen ein Unternehmen.329 Diese letzte Form der Manipulation spielt für Dark Pools keine Rolle und wird daher im Folgenden ausgeklammert. 1. Verschiedene Verbotsvorschriften im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht regeln und sanktionieren, wie auch beim Insiderhandel, diverse Vorschriften marktmanipulatives Verhalten.330 Für den Securities Market enthält Sec. 9(a)(2) SEA331 eine Generalklausel zum Verbot ma-
325
Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 8 – 10; Vogel, in: Assmann/ Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 33 f.; Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 15. 326 Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 33; Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 150. 327 Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 11 – 13; Vogel, in: Assmann/ Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 35 – 37; Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 16 ff. 328 Ausführliche Diskussion der ökomischen Folgen von Marktmanipulation bei Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 38b ff.; Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 25 ff. 329 Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 14; Vogel, in: Assmann/ Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 38 (mit Beispielen); Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 20. 330 Konziser Überblick bei Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 126 – 139. Zur Kritik an diesem System, vgl. Sanders, 51 Wake Forest L. Rev. 517, 523 f. (2016). 331 Vgl. 15 U.S. Code § 78i – Manipulation of security prices (a) Transactions relating to purchase or sale of security It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, by the use of the mails or any means or instrumentality of interstate commerce, or of any facility of any national securities exchange, or for any member of a national securities exchange – (…) (2) To effect, alone or with 1 or more other persons, a series of transactions in any security registered on a national securities exchange, any security not so registered, or in connection with any security-based swap or security-based swap agreement with respect to such security creating actual or apparent active trading in such security, or raising or depressing the price of such security, for the purpose of inducing the purchase or sale of such security by others.
B. Verbot der Marktmanipulation
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nipulierender Geschäfte. Zudem spielt Rule 10b-5 eine wichtige Rolle in der Praxis.332 Für den Derivatehandel wurde dagegen im Zuge des Dodd-Frank Act ein eigenes Verbot der Marktmanipulation in Sec. 4c(a) des Commodity Exchange Act333 eingeführt. Auf dessen Grundlage hat die CFTC die konkretisierende Regulation 180.1334 erlassen, welche ihrerseits stark an Rule 10b-5 orientiert ist.335
2. Zentrales Verbot im europäischen Kapitalmarktrecht Dagegen enthält das europäische Kapitalmarktrecht mit Art. 15 MAR nunmehr ein für alle Mitgliedstaaten geltendes Verbot der Marktmanipulation.336 Der Verbotstatbestand wird näher definiert in Art. 12 MAR, dessen erster Absatz die Differenzierung zwischen informationsgestützter und handelsgestützter Manipulation nur noch ansatzweise aufgreift.337 Die handlungsgestützte Manipulation wird dagegen, wie schon unter der alten Rechtslage338, nicht explizit genannt. Art. 13 MAR enthält sodann Ausnahmen vom Verbot für solche Handlungen, die eine positive Wirkung entfalten. Diese Vorschriften gelten sowohl für den Handel mit klassischen 332 Sanders, 51 Wake Forest L. Rev. 517, 524 (2016); Mahoney/Rauterberg, The Regulation of Trading Markets, in: Fox et al., Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 249 f.; Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 128 ff. Im Einzelnen muss der Kläger folgende Elemente nachweisen: „(…) (1) manipulative acts; (2) damage (3) caused by reliance on an assumption of an efficient market free of manipulation; (4) scienter; (5) in connection with the purchase or sale of securities; (6) furthered by the defendant’s use of the mails or any facility of a national securities exchange.“, vgl. ATSI Communs., Inc. v. Shaar Fund, Ltd., 493 F.3d 87, 101 (2d Cir. 2007); Schnell v. Conseco, Inc., 43 F. Supp. 2d 438, 448 (S.D.N.Y. 1999); Cowen & Co. v. Merriam, 745 F. Supp. 925, 929 (S.D.N.Y. 1990). 333 Vgl. 7 U.S.C. § 6c(a) (2012); Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 693. 334 § 180.1 Prohibition on the employment, or attempted employment, of manipulative and deceptive devices. (a) It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, in connection with any swap, or contract of sale of any commodity in interstate commerce, or contract for future delivery on or subject to the rules of any registered entity, to intentionally or recklessly: (1) Use or employ, or attempt to use or employ, any manipulative device, scheme, or artifice to defraud; (2) Make, or attempt to make, any untrue or misleading statement of a material fact or to omit to state a material fact necessary in order to make the statements made not untrue or misleading; (3) Engage, or attempt to engage, in any act, practice, or course of business, which operates or would operate as a fraud or deceit upon any person; or, (…) 335 Ausführlich dazu: Coppler, 5 Am. U. Bus. L. Rev. 261, 265 ff. (2016); Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 664 ff., 684 (2015). 336 Zur Rechtsentwicklung in Europa und Deutschland siehe Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Vor Art. 12 Rn. 44 ff. 337 Schmolke, AG 2016, 434, 441. 338 Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 14.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
Finanzinstrumenten als auch für den Handel mit Derivaten, sofern sie zum Handel an einem Regulierten Markt, Multilateralen Handelssystem zugelassen worden sind oder an einem Organisierten Handelssystem gehandelt werden, Art. 2 Abs. 1 Uabs. 1 lit. a) – c) MAR. Dass auch Derivate erfasst sind, ergibt sich daraus, dass Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 MAR für die Definition des Begriffs des Finanzinstruments auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFID II verweist. Diese Norm verweist ihrerseits auf die in Annex I Sec. C der MiFID II aufgestellte Liste an Finanzinstrumenten. Die Nummern 4 – 10 dieser Liste erfassen Swaps, Futures, Optionen, Forwards und weitere Derivate. Die europäische Regulierung stellt also auch hier auf dem Handel an einem Handelsplatz auf, nicht aber auf die Art des gehandelten Produkts. Im Vergleich dazu ist die Rechtsfolgenseite des europäischen Marktmanipulationsverbots deutlich unübersichtlicher. Die MAR regelt die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation nicht selbst. Vielmehr verpflichtet eine begleitende Richtlinie, die sog. CRIM-MAD339, die Mitgliedstaaten dazu, bestimmte Mindestsanktionen im nationalen Recht zu etablieren. Art. 5 Abs. 1 CRIM-MAD stellt klar, dass die Marktmanipulation (wenigstens) in schweren und vorsätzlich begangenen Fällen eine Straftat darstellen muss. Der deutsche Gesetzgeber ist seiner Umsetzungspflicht im Rahmen der Neufassung des WpHG nachgekommen. Allerdings hat er dabei die bislang schon unübersichtlichen Straf- und Bußgeldvorschriften des WpHG noch weiter verkompliziert. Ausgangspunkt der Suche (!) nach der Strafbarkeitsanordnung der Marktmanipulation im deutschen Recht sind § 120 Abs. 2 Nr. 3 und § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG n.F. Diese Bußgeldvorschriften verweisen beide auf das Marktmanipulationsverbot des Art. 15 MAR. Darauf bauen wiederum § 119 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG n.F. auf. Sie ordnen eine Strafbarkeit für den Fall an, dass die Manipulation vorsätzlich begangen wurde und auf den Preis des jeweiligen Instruments eingewirkt worden ist.
II. Marktmanipulation durch einen Hochfrequenzhändler Hochfrequenzhändlern werden mit dem sog. Spoofing und dem sog. Pinging gleich zwei manipulative Verhaltensweisen vorgeworfen. 1. Spoofing Beim Spoofing gibt der Hochfrequenzhändler großvolumige Ordern zu einem Preis ab, der deutlich niedriger liegt als das beste Kaufgebot (Bid) bzw. deutlich höher als das beste Verkaufsangebot (Offer).340 Die Ordern werden aufgrund ihres
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RL 2014/57/EU. So und im Folgenden: Lin, 66 Emory L.J. 1253, 1289 (2017); Sanders, 51 Wake Forest L. Rev. 517, 518 f. (2016); Miller/Shorter, High Frequency Trading, S. 9; Schmolke, in: Klöhn 340
B. Verbot der Marktmanipulation
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unpassenden Limits nicht ausgeführt, sie sollen nach dem Willen des Hochfrequenzhändlers auch niemals ausgeführt werden.341 Sein Ziel ist es vielmehr, durch das Vorspiegeln von falscher Liquidität Händler zu beeinflussen.342 Stellt der Hochfrequenzhändler eine hohe Verkaufsorder ein, werden die anderen Händler annehmen, dass der Preis des Finanzinstruments steigen wird. Wird dagegen eine niedrige Kauforder eingestellt, werden sie von einem Preisverfall ausgehen. Der Hochfrequenzhändler macht sich diese Reaktion zunutze, indem er nach343 der Preisveränderung eine neue Order eingibt, die ausgeführt wird. Anschließend löscht er die erste Order. Ist der Preis zwischenzeitlich gestiegen, kann er dadurch zu einem nun höheren Preis verkaufen; ist der Preis gefallen, kann er zu einem niedrigeren Preis als zuvor kaufen.344 Gibt der Hochfrequenzhändler mehrere Aufträge hintereinander ab, die sich zunehmend vom besten Bid bzw. Ask entfernen, spricht man auch von Layering.345 Spoofing trifft auch den außerbörslichen Handel in Dark Pools. Denn durch die dort übliche Preisreferenzierung hängt der Ausführungspreis im Dark Pool unmittelbar vom Börsenpreis ab.346 Ist der Hochfrequenzhändler selbst im Dark Pool aktiv, kann er versuchen, erst den Börsenpreis in die gewünschte Richtung zu lenken und anschließend seine eigene Order gegen eine Blockorder im Dark Pool ausführen zu lassen. Die Betreiber der Dark Pools haben auf diese Gefahr reagiert, indem sie periodische Auktionen durchführen, den Nutzern aber nicht mitteilen, wann genau diese stattfinden.347 Dadurch reduzieren sie die Gefahr kurzzeitiger, beeinflusster Preisveränderungen erheblich. Da viele Hochfrequenzhändler jedoch Zugang zu Dark Pools haben und teilweise Informationen von deren Betreibern erhalten348, lässt sich die Gefahr der Preisbeeinflussung nicht vollständig eliminieren.
(Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 163; Anschütz/Kunzelmann, Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 14 Rn. 39. 341 Man spricht von einer „non-bona fide order“, vgl. SEC, In the Matter of Briargate, Rn. 1. 342 So und im Folgenden: Lin, 66 Emory L.J. 1253, 1289 (2017); Sanders, 51 Wake Forest L. Rev. 517, 518 f. (2016); Miller/Shorter, High Frequency Trading, 2016, S. 9; Kasiske, WM 2014, 1933, 1935 f.; Schmolke, in: Klöhn, MMVO, Art. 12 Rn. 163. 343 Teilweise wird auch schon vor der Preisveränderung eine Limit-Order eingegeben, die nach der Preisveränderung ausgeführt werden kann. 344 Eine besonders perfide Strategie nutzten die Händler von Briargate, indem sie sich das Orderungleichgewicht an der NYSE zu Beginn des Handelstages zunutze machten, vgl. dazu SEC, In the Matter of Briargate Trading, LLC and Eric Oscher, File No. 3-16889 Rn. 1, 13 – 15. 345 Ausführlich dazu Kasiske, WM 2014, 1933, 1936; vgl. auch SEC, Equity Market Structure, Release No. 34-61358, File No. S7-02-10, 2010, S. 56 f. 346 So und im Folgenden: Kasiske, BKR 2015, 454, 456. 347 Vgl. Degryse/ Achter/Wuyts, Shedding Light, 2008, S. 3; IOSCO, Principles for Dark Liquidity, FR06/11, S. 13. 348 Vgl. oben Kap. 4 A. III. 1.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
a) Verbot im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht gibt es mit § 4(c)(a)(5) des CEA349 für den Derivatehandel erstmals eine Vorschrift, die das Spoofing explizit verbietet.350 Konzeptionell zeichnet sich das Spoofing-Verbot des § 4(c)(a)(5) CEA dadurch aus, dass der Händler eine Order mit dem Vorsatz351 abgegeben haben muss, sie niemals ausführen zu lassen. Der Nachweis dieses subjektiven Elements lässt sich in der Praxis zwar nur mit großem Aufwand erbringen; steht jedoch fest, dass ein Händler 99 % seiner zunächst abgegebenen Ordern wieder löscht, bildet dies ein starkes Indiz für Vorsatz.352 Die CFTC stellt in ihren Auslegungsrichtlinien zum Spoofing-Verbot fest, dass es für die Beurteilung der Illegalität des Spoofing auf das Marktumfeld, das Handelsmuster sowie weitere Umständen des Einzelfalls ankommt.353 Im Derivatehandel ist das Spoofing-Verbot demnach klar und scharf formuliert. Im Aktienhandel (Securities Market) fehlt es dagegen an einer speziellen Vorschrift, sodass man dort auf Sec. 9(a)(2) und Sec. 10(b) SEA sowie Rule 10b-5 rekurrieren muss.354 Für einen Verstoß gegen das Verbot von Sec. 9(a)(2) SEA ist nachzuweisen, dass der Händler den Vorsatz hatte, den Preis zu beeinflussen.355 Dies stellt eine größere Herausforderung dar als der Nachweis von Vorsatz unter § 4c(a)(5) CEA. Rule 10b-5 ab stellt ebenso hohe Anforderungen, denn die US-Gerichte verlangen, dass die Handlung ein falsches Preissignal an den Markt sendet356 oder ein falscher Eindruck von Marktaktivität erzeugt wird357. Zudem hat die SEC in einer kürzlich zum Spoofing ergangenen Verfolgungsentscheidung festgestellt, dass der Hochfrequenzhändler die Ordereingaben und Löschungen ohne wirtschaftlichen Grund vorgenommen haben muss.358 349 § 4c(a)(5) CEA lautet: „Disruptive practices It shall be unlawful for any person to engage in any trading, practice, or conduct on or subject to the rules of a registered entity that – (…) (C) is, is of the character of, or is commonly known to the trade as, „spoofing“ (bidding or offering with the intent to cancel the bid or offer before execution).“ 350 Sar, 22 Fordham J. Corp. & Fin. L. 383, 384 f. (2017). Der offene Wortlaut der Vorschrift wird kritisiert von Coppler, 5 Am. U. Bus. L. Rev. 261, 278 ff. (2016). 351 Es reicht sicheres Wissen um das Spoofing-Verbot, vgl. United States v. Coscia, 177 F. Supp. 3d 1087, 1093 (N.D. Ill. 2016), aff’d, 866 F.3d 782 (7th Cir. 2017). 352 Sanders, 51 Wake Forest L. Rev. 517, 531 (2016). 353 CFTC, Interpretative Guidance, Antidisruptive Practices Authority, 78 Fed. Reg. 31,890, 31,896 (May, 28, 2013). Vgl. dazu Sar, 22 Fordham J. Corp. & Fin. L. 383, 397 ff. (2017). 354 Ausführlich dazu: Sanders, 51 Wake Forest L. Rev. 517, 525 ff., 530 ff. (2016). Siehe auch Sar, 22 Fordham J. Corp. & Fin. L. 383, 412 f. (2017). 355 So und im Folgenden: Sanders, 51 Wake Forest L. Rev. 517, 535 f. (2016). 356 Wilson v. Merrill Lynch & Co., 671 F.3d 120, 130 (2011). 357 Grundlegend Santa Fe Indus., Inc. v. Green, 430 U.S. 462, 476, 97 S. Ct. 1292, 51 L. Ed. 2d 480 (1977); GFL Advantage Fund, Ltd. v. Colkitt, 272 F.3d 189, 205 (3d Cir. 2001). 358 SEC, In the Matter of Briargate Trading, LLC and Eric Oscher, File No. 3-16889, S. 6 Rn. 17. Für ein besonders ausgefeiltes Spoofing-System, vgl. SEC, In the Matter of Behruz
B. Verbot der Marktmanipulation
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Ausgehend von diesen Prinzipien verstößt ein Hochfrequenzhändler dann gegen Sec. 9(a)(2), Sec. 10b SEA und Rule 10b-5, wenn er gezielt Ordern an einer Börse eingibt, um dadurch anderen Marktteilnehmern falsche Liquidität vorzuspiegeln und mittels ihrer Reaktionen den referenzierten Preis im Dark Pool zu ändern.359 Er suggeriert dann nicht vorhandene Marktaktivitäten bzw. neuen Informationen. Alle anderen Marktteilnehmer werden im guten Glauben an eine Preisverschiebung ihre Transaktionen im Dark Pool vornehmen. Sie erkennen nicht, dass der referenzierte Preis an sich zu hoch bzw. zu niedrig ist und sie dadurch ein für sie schlechtes Geschäft abschließen. Gleichzeitig werden die Informationshändler durch die Preisveränderung irregeführt: Sie unterstellen möglicherweise, dass eine neue Information an den Markt gelangt ist und sich dadurch der Preis verändert. Stellt sich dies schließlich als falsche Vermutung heraus, haben die Informationshändler gegen den Markt gehandelt. b) Verbot durch Art. 12 Abs. lit. c) iii) MAR Im europäischen Kapitalmarktrecht adressiert Art. 12 Abs. 2 lit. c) iii) MAR360 Spoofing zwar nicht namentlich, aber der Sache nach.361 Eine Konkretisierung erfolgt durch den Indikator e) im Anhang I von Abschnitt A. der MAR362 sowie durch
Afshar, Shahryar Afshar, Richard F. Kenny, IV, Fineline Trading Group LLC, and Makino Capital LLC,File No. 3-16978, S. 12 Rn. 65 ff. 359 So und im Folgenden: Levens, 82 U. Chi. L. Rev. 1511, 1546 f. (2015). 360 Die Vorschrift lautet: „Als Marktmanipulation gelten unter anderem die folgenden Handlungen: (…) lit. c) die Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen an einen Handelsplatz, einschließlich deren Stornierung oder Änderung, mittels aller zur Verfügung stehenden Handelsmethoden, auch in elektronischer Form, beispielsweise durch algorithmische und Hochfrequenzhandelsstrategien, die eine der in Absatz 1 Buchstabe a oder b genannten Auswirkungen hat, indem sie (…) iii) tatsächlich oder wahrscheinlich ein falsches oder irreführendes Signal hinsichtlich des Angebots eines Finanzinstruments oder der Nachfrage danach oder seines Preises setzt, insbesondere durch das Einstellen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen zur Auslösung oder Verstärkung eines Trends;“ 361 Kasiske, WM 2014, 1933, 1935 ff.; ders., BKR 2015, 454, 457; Sorgenfrei/Salinger, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, Kommentierung zu §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i.V.m. Art. 15, 12 MAR, Rn. 97. Siehe auch Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 341 ff. 362 A. Indikatoren für manipulatives Handeln durch Aussenden falscher oder irreführender Signale und durch Herbeiführen bestimmter Kurse Für die Zwecke der Anwendung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a dieser Verordnung und unbeschadet der Handlungen, die in Absatz 2 des genannten Artikels aufgeführt sind, werden die nachfolgend in nicht erschöpfender Aufzählung genannten Indikatoren, die für sich genommen nicht unbedingt als Marktmanipulation anzusehen sind, berücksichtigt, wenn Marktteilnehmer oder die zuständigen Behörden Geschäfte oder Handelsaufträge prüfen:
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
Punkt 4(f) und Punkt 5(e) in Anhang II von Abschnitt 1 der Delegierten Verordnung 2016/522.363 Der in der MAR normierte Verbotstatbestand setzt selbst keine Einwirkung auf den Preis voraus. Vielmehr wird durch den (teilweise redundanten) Verweis auf Art. 12 Abs. 1 lit. a) und b) MAR klargestellt, dass das Einstellen und Löschen der Order einen der drei folgenden Effekte364 haben muss: - Es muss ein falsches oder irreführendes Signal senden oder zumindest wahrscheinlich senden, Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR. - Es muss ein anormales oder künstliches Kursniveau sichern oder zumindest wahrscheinlich sichern, Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR. - Es muss durch eine Täuschung den Kurs des Finanzinstruments beeinflussen oder zumindest zur Kursbeeinflussung geeignet sein, Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR. Dieses europaweit geltende Verbot ist weitgehend identisch mit dem nur in Deutschland geltenden Verbot des § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c) MaKonV.365 Im Vergleich zum US-amerikanischen Verbot des § 4(c)(a)(5) CEA fällt auf, dass der europäische Gesetzgeber im Text der MAR auf das Erfordernis verzichtet hat, dass der Händler mit dem Vorsatz handeln muss, die Ordern niemals ausführen zu lassen.366 Dieses Merkmal lässt sich aber insofern in Art. 12 Abs. 2 lit. c) iii) MAR hineinlesen, als dieser voraussetzt, dass ein falsches oder irreführendes Signal bzgl. Angebot oder Nachfrage eines Finanzinstruments ausgesendet wird. Dazu kommt es, e) der Umfang, in dem erteilte Handelsaufträge oder abgewickelte Geschäfte durch ihre Häufung innerhalb eines kurzen Abschnitts des Handelstages eine Kursveränderung bewirken, auf die einen gegenläufige Preisänderung folgt. 363 4. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators A (d) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: f) Erteilung von Handelsaufträgen oder einer Auftragsserie bzw. Abwicklung von Transaktionen oder einer Transaktionsserie mit der Absicht, einen Trend auszulösen oder zu verschärfen und andere Teilnehmer zu ermutigen, den Trend zu beschleunigen oder zu erweitern, um eine Gelegenheit für die Auflösung oder Eröffnung einer Position zu einem günstigen Preis zu schaffen, was gewöhnlich als „Momentum Ignition“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand einer großen Zahl von Auftragsstornierungen (z. B. gemessen an der Zahl der Handelsaufträge), die in Verbindung mit dem Verhältnis zum Volumen (z. B. Anzahl der Finanzinstrumente je Auftrag) betrachtet werden kann, veranschaulichen. 5. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators A (e) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: e) Übermittlung von Großaufträgen oder mehreren Aufträgen, die häufig auf der einen Seite des Orderbuchs nicht sichtbar sind, mit der Absicht, ein Geschäft auf der anderen Seite des Orderbuchs auszuführen. Nachdem das Geschäft abgeschlossen wurde, werden die fiktiven Aufträge entfernt; dies wird gewöhnlich als „Layering und Spoofing“ bezeichnet. Diese Praxis lässt sich auch anhand des Indikators veranschaulichen, auf den in Punkt 4 (f) (i) dieses Abschnitts Bezug genommen wird. 364 Für einen effektbasierten Ansatz plädiert Schmolke, AG 2016, 434, 437, 441. 365 Sorgenfrei/Salinger, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, Kommentierung zu §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i.V.m. Art. 15, 12 MAR, Rn. 97. 366 Vgl. Mock/Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 214.
B. Verbot der Marktmanipulation
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wenn der Händler Ordern eingibt, die er nicht ausgeführt haben will. Genau dies erfordert auch die Konkretisierung in Punkt 5(e) in Anhang II von Abschnitt 1 der Delegierten Verordnung 2016/522. Insoweit fällt Spoofing unter das Marktmanipulationsverbot des Art. 12 Abs. 1 a), Abs. 2 lit. c) MAR.367 Werden die Aufträge des Hochfrequenzhändlers dagegen ausgeführt, spendet der Hochfrequenzhändler Liquidität, welche von anderen Marktteilnehmern genutzt werden kann. Wie sich aus Art. 13 Abs. 2 lit. c) MAR ergibt, ist ein solches Verhalten positiv zu bewerten. Stellen sich diese Transaktionen als nachteilhaft für den Hochfrequenzhändler heraus, wird er früher oder später aus dem Markt ausscheiden. Dies ist aber eine natürliche Folge des Wettbewerbs zwischen den Liquiditätsanbietern. Demnach ist das Merkmal „falsch“ bzw. „irreführend“ in dem Sinne auszulegen, dass der Händler kein Interesse an der Ausführung der Ordern haben darf. Mit Blick auf die Strafbarkeit des Spoofing ist im deutschen Recht zu beachten, dass § 119 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG n.F. eine tatsächliche Einwirkung auf den Preis des Finanzinstruments voraussetzen.368 Zwar stellte die Rspr. in der Vergangenheit sehr niedrigere Anforderungen, indem sie jede dem Täter zurechenbaren „Einwirkung auf irgendeinen festgestellten Preis im laufenden Handel“369 ausreichen ließ. Sofern der Hochfrequenzhändler seine irreführende Order in das System eingibt und innerhalb von Millisekunden wieder löscht, kann das Preisfeststellungssystem der Börse diese Order jedoch gar nicht erfassen.370 Dementsprechend kann die Order nicht in die Preisbildung einfließen. Eine Preiseinwirkung ist daher nur dann denkbar, wenn andere Marktteilnehmer durch die irreführende Order des Hochfrequenzhändlers zur Eingabe oder Veränderung von Order animiert werden und sich dadurch der Preis verändert. Durch dieses strengere Erfordernis schafft der deutsche Gesetzgeber auf strafrechtlicher Ebene einen Gleichlauf mit dem US-amerikanischen Spoofing-Verbot in Sec. 9(a)(2) SEA. 2. Pinging Der Begriff Pinging bezeichnet das Eingeben kleiner Order an einem Handelsplatz, um dort nach verdeckten großen Ordern zu fischen; wird die Order nicht sofort ausgeführt, wird sie unverzüglich wieder gelöscht.371 Sowohl im US-amerikani367
Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 162, 341 ff.; Anschütz/Kunzelmann, Meyer/Veil/Rönnau (Hrsg.), Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 14 Rn. 70. So wohl auch Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1297. 368 Art. 5 Abs. 1 CRIM-MAD verpflichtet die Mitgliedstaaten nur dazu, in schweren Fällen der Marktmanipulation die Strafbarkeit anzuordnen. Das Merkmal der Einwirkung ist daher richtlinienkonform. 369 OLG Stuttgart, NJW 2011, 3667, 3669. 370 So und im Folgenden: Kasiske, WM 2014, 1933, 1937 (zur Rechtslage unter § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F.). 371 Vgl. die Definition oben Kap. 4 A. VI.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
schen372 als auch im deutschen373 Schrifttum wird die Frage, ob es sich dabei um eine verbotene Marktmanipulation handelt, bislang nur ansatzweise diskutiert. a) Kein Verbotsverstoß im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Ausgangspunkt im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht ist der sehr weit gefasste Tatbestand des § 4(c)(a)(5) CEA, welcher maßgeblich darauf abstellt, dass Ordern eingegeben und sofort wieder gelöscht werden. Dagegen ist Rule 10b-5 deutlich strenger formuliert, indem sie ein falsches Preissignal an den Markt374 oder einen falschen Eindruck von Marktaktivität375 voraussetzt. Mit Blick auf alle diese beiden Vorschriften ist zu diskutieren, ob Pinging als verbotene Markmanipulation angesehen werden sollte. Gegen ein manipulatives Verhalten spricht, dass der die Ping-Order eingebende Händler durchaus eine Ausführung seiner Order wünscht. Nur wenn keine passende Gegenorder vorhanden ist, cancelt der Händler seine Order wieder. Das Löschen der Order hängt also von der vorhandenen Liquidität ab, der Händler sieht es nicht per se vor. Eine solche Einstellung verträgt sich prima facie nicht mit dem Wortlaut von § 4(c)(a)(5) CEA, wonach die Order mit dem Ziel eingegeben werden muss, vor ihrer Ausführung wieder gelöscht zu werden. Allerdings wird in der großen Mehrheit der Fälle die abgegebene Order mangels passender Gegenorder sofort wieder gelöscht und dies ist vom Hochfrequenzhändler genauso intendiert.376 Die durch die Ping-Order ausgelöste Irreführung377 lässt sich kaum von jener des verbotenen Spoofing unterscheiden. Anders als beim Spoofing stellt der Händler beim Pinging jedoch seine Order innerhalb der Geld-Brief-Spanne ein. Dadurch verringert er die Differenz (Spread) und bewegt den Kurs gerade nicht weg von seinem Ausgangswert, wie es für das Spoofing typisch ist. Andere Marktteilnehmer werden daher eher von einer Verschärfung des Wettbewerbs um Liquidität ausgehen. Allerdings spielt jede nicht ausgeführte Ping-Order anderen Marktteilnehmern vor, dass der Hochfrequenzhändler von einem zumindest leicht höheren oder niedrigeren Fundamentalwert ausgeht. Theoretisch werden die anderen Marktteilnehmer daher eine neue – tat372 Vgl. Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 625, 688 ff. (2015); Coppler, 5 Am. U. Bus. L. Rev. 261, 282 – 284 (2016). 373 Eine längere Diskussion auch zu verschiedenen Strafnormen des StGB führt Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 147 ff. Siehe ferner Klöhn, WM 2014, 537, 541, der nur andeutet, dass das Ausspähen einer Iceberg-Order durch ein spezielles Programm gegen das Marktmanipulationsverbot verstoßen kann. Dagegen diskutiert Kasiske das Pinging nur unter dem Stichwort Insiderhandel, vgl. Kasiske BKR 2015, 454, 457. 374 Wilson v. Merrill Lynch & Co., 671 F.3d 120, 130 (2011). 375 Grundlegend Santa Fe Indus., Inc. v. Green, 430 U.S. 462, 476, 97 S. Ct. 1292, 51 L. Ed. 2d 480 (1977); GFL Advantage Fund, Ltd. v. Colkitt, 272 F.3d 189, 205 (3d Cir. 2001). 376 Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 688 ff. (2015). 377 Dazu Hoops, Verdeckte Liquidität, 2018, S. 148.
B. Verbot der Marktmanipulation
285
sächlich nicht vorhandene – Information unterstellen und ihre Order verändern. Der Kurs wird dadurch künstlich in eine Richtung weg vom Fundamentalwert bewegt.378 Jedoch werden die naturgemäß kleinen Ping-Ordern derart schnell wieder gelöscht, dass kaum vorstellbar ist, wie andere Marktteilnehmer sie überhaupt als falsches Signal wahrnehmen können sollen. Nur andere Hochfrequenzhändler, die die extrem kurzzeitigen Preisveränderungen aufspüren und darauf automatisch reagieren können, kommen als Geschädigte in Betracht. Innerhalb eines Dark Pool, der auf Börsenpreise referenziert, ist eine Preiseinwirkung zudem per se ausgeschlossen. Dementsprechend ist zu differenzieren: Für einen Verstoß gegen Rule 10b-5 muss positiv festgestellt werden, dass andere (Hochfrequenz-)Händler die Ping-Order wahrgenommen haben. Da der Hochfrequenzhandel heute einen wichtigen Anteil am Gesamthandel mit Finanzinstrumenten einnimmt, ist es nicht ausgeschlossen, dass andere Hochfrequenzhändler durch die Ping-Order fehlgeleitet werden können. Für § 4(c)(a)(5) CEA kommt es nur darauf an, dass Ordern schnell eingestellt und wieder gelöscht werden. b) Keine verbotene Marktmanipulation im europäischen Kapitalmarktrecht Im Vergleich zu § 4(c)(a)(5) CEA ist Art. 12 Abs. 2 lit. c) iii) MAR379 enger gefasst, weil er darüber hinaus ein (wahrscheinlich) falsches oder irreführendes Signal fordert. Dennoch sieht die ESMA Pinging als verbotene Marktmanipulation an.380 Dem kann nur insoweit gefolgt werden, als die eingegebene Ping-Order überhaupt von anderen (Hochfrequenz-)Händlern wahrgenommen werden und sich auf deren Marktverhalten auswirken kann.381 In allen anderen Fällen scheidet eine Marktmanipulation deswegen aus, weil es zu keiner Kursveränderung kommen kann.382 Wird eine Ping-Order tatsächlich ausgeführt, kann der Hochfrequenzhändler daraus Rückschlüsse auf eine große Order ziehen. Tätigt er anschließend passende Gegengeschäfte, kann er die – infolge der großen Order – erst später eintretende Kursbewegung bereits (partiell) vorwegnehmen. Beispielsweise kann er mittels einer 378 Beispiel: Die letzte Transaktion an der Börse fand zum Preis von 10.10 statt. Das aktuelle NBB ist 10.00, das aktuelle NBO ist 10.20. Der Midpoint liegt demnach bei 10.10. Es existiert keine neue Information, d. h. laut der Kapitalmarkteffizienzhypothese ist der Börsenpreis jetzt identisch mit dem Fundamentalwert. 10.10 ist demnach der „richtige“ Preis. Nun gibt ein Hochfrequenzhändler eine Ping Buy Order für 10.10 ein. Dadurch suggeriert er anderen Marktteilnehmern, dass der wahre Wert bei 10.15 liegt. Da die Order nicht sofort ausgeführt wird, wird sie wieder gelöscht. Handeln nun andere Marktteilnehmer auf dieser Grundlage und ändert sich der Preis auf 10.15, hat der Hochfrequenzhändler den Börsenpreis vom Fundamentalwert entfernt. 379 Zu den beiden anderen Varianten von lit. c) siehe Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1297. 380 ESMA, Consultation Paper Automated Trading,2011/224, S. 27; ESMA, Technical Advice Market Abuse, 2015/224, S. 16. 381 Ähnlich Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1297. 382 Kasiske, WM 2014, 1933, 1937 f.; Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 94.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
kleinen Verkaufsorder eine große Kauforder aufspüren. Gibt er anschließend selbst Kaufordern ein, lässt deren Ausführung den Kurs in Richtung des Fundamentalwerts steigen. Die ausgeführten Aufträge spiegeln ein echtes Handelsinteresse des Hochfrequenzhändlers wider.383 Sie senden daher keine falschen Signale an den Markt aus, die unter Art. 12 Abs. 2 lit. (c) (ii) und (iii) MAR fallen könnten. Die im Anschluss an die ausgeführte Ping-Order eingegebenen Ordern des (insofern informierten) Hochfrequenzhändler sind daher nicht als Marktmanipulation, sondern als elektronisches Front Running anzusehen. Dementsprechend kommt ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot in Betracht.384 Die ausgeführte Ping-Order könnte deswegen nicht der wahren Handelsintention des Hochfrequenzhändlers entsprechen und täuschenden Charakter haben, weil der Hochfrequenzhändler mit ihr in die entgegengesetzte Richtung seiner späteren Order handelt.385 Vermutet er beispielsweise eine große verdeckte Verkaufsorder im Orderbuch, drückt er mit einer kleinen Kauforder den Preis in die Höhe. Er will jedoch gar nicht seine eigenen Bestände vergrößern, sondern diese verkleinern (sofern eine große Order im Orderbuch ruht). Dagegen spricht jedoch, dass die (ausgeführte) Ping-Order derartig klein ist, dass sie kaum ein irreführendes Signal an den Markt senden kann.386 Zudem will der Hochfrequenzhändler diese Order tatsächlich ausführen lassen. Sein Vorsatz lautet nicht, den Markt fehlzuleiten, sondern Informationen aus diesem zu extrahieren. Die Schwere seiner Tat ergibt sich nicht aus der Beschaffung der Information, sondern aus deren sofortiger Ausnutzung. Die ausgeführte Ping-Order stellt daher keine Marktmanipulation dar, sondern ist als Vorbereitungshandlung eines verbotenen Insiderhandels387 anzusehen.388
III. Marktmanipulation durch einen Blockhändler Spoofing und Pinging bieten Hochfrequenzhändlern nicht nur Vorteile, sondern machen sie ihrerseits anfällig für die Kursbeeinflussung durch einen Blockhändler. Letzterer kann versuchen, den Börsenpreis zunächst in eine für ihn günstige Richtung zu bewegen und anschließend die Blockorder zum günstigeren Preis in einem Dark Pool ausführen zu lassen.
383
Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1297. Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 94; Kasiske, WM 2014, 1933, 1937 f. Siehe dazu auch oben Kap. 4 A. V. 2. b) bb). 385 So Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 689 f. (2015) unter Verweis auf SEA Sec. 10(b), SEC Rule 10b-5, CEA Sec. 6(c)(1) und CFTC Rule 180.1. 386 Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 94. 387 Vgl. dazu auch Scopino, 47 Conn. L. Rev. 607, 689 (2015). 388 Kasiske, WM 2014, 1993, 1937 Fn. 38. 384
B. Verbot der Marktmanipulation
287
1. Spoofing des Blockhändlers Eindeutig illegal ist ein eigenes Spoofing des Blockhändlers: Gibt er mehrere Ordern im hellen Handel ab, die er gar nicht ausführen lassen will und reagieren andere Händler darauf, beeinflusst er den referenzierten Preis. Der Blockhändler verstößt dann wie ein Hochfrequenzhändler gegen die verschiedenen, soeben dargestellten Verbotsvorschriften. 2. Ausführung gegenläufiger kleiner Ordern Alternativ kann ein Blockhändler zunächst kleine Ordern, die seiner großen Order genau entgegenlaufen, an einem transparenten Handelsplatz eingeben und ausführen lassen. Dadurch kann sich der dortige Preis derart ändern, dass die Ausführung der Blockorder günstiger wird. Beispielweise kann der Blockhändler zunächst mehrere kleine und sehr günstige Verkaufsordern angeben, um den Preis von $ 10,10 auf $ 10,00 zu drücken. Anschließend gibt er seine Blockkauforder in einen Dark Pool mit Preisreferenzierungssystem ein. Haben andere Händler, vor allem die Hochfrequenzhändler, ihre Ordern angepasst, liegt das beste Kaufangebot im hellen Handel nunmehr unter $ 10,00 und nicht mehr bei $ 10,15 oder höher. Durch die Preisreferenzierung des Dark Pool sinkt dort zugleich der Preis zugunsten des Blockhändlers. Mit Blick auf das Verbot der Marktmanipulation liegt die besondere Schwierigkeit dieses Falls darin, dass jede ausgeführte Order notwendigerweise das Angebot und die Nachfrage eines Finanzinstruments und damit dessen Kurs beeinflusst.389 Dementsprechend kann man nicht auf die Kursbeeinflussung an sich abstellen, sondern muss andere Ansatzpunkte finden, um eine Manipulation zu begründen.390 a) Unklare Rechtslage in USA Für das US-amerikanische Marktmanipulationsverbot von Rule 10b-5 präsentieren Fox/Glosten/Rauterberg zwei Konstellationen, in denen – aus ökonomischer Sicht – von einer Marktmanipulation auszugehen ist: (1) Ein Händler verkauft391 Finanzinstrumente und es kommt zu einer Preisreaktion. Danach kauft er die Finanzinstrumente zurück. Die zweite Preisreaktion fällt jedoch geringer aus als die erste.392 Der Händler konnte beim Verkaufen rational
389
Liersch, Blockhandel, 2002, S. 163 ff. So und im Folgenden: Liersch, Blockhandel, 2002, S. 164. 391 Spiegelbildlich kann der Händler auch erst kaufen und dann verkaufen. 392 Ein Beispiel: Der Händler verkauft bei eine Preis von 10,00. Der Preis fällt daraufhin auf 9,00. Anschließend kauft er Finanzinstrumente zurück. Der Preis steigt jedoch nur bis 9,80 und nicht auf das Ausgangsniveau von 10,00. 390
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
vorhersehen, dass die zweite Preisreaktion geringer ausfallen wird als die erste.393 (2) Der Händler schließt wirtschaftlich nachteilhafte Geschäfte ab. Diese Nachteile werden aus ex-ante-Sicht jedoch durch punktgenaue externe Geschäfte mit einem Dritten mehr als kompensiert werden.394 Das Eingeben kleiner gegenläufiger Ordern durch den Blockhändler kann insbesondere unter Konstellation (1) fallen. Aus rechtlicher Sicht ist aber noch nichts zum ersten, zentralen und problematischen Merkmal von Rule 10b-5 gesagt: Der Täuschung.395 Da der Blockhändler sich nicht explizit dazu äußert, dass er vor der Ausführung seiner großen Order den Preis nach oben oder unten gedrückt hat, muss man eine Aufklärungspflicht konstruieren. Die US-amerikanische Rechtsprechung behilft sich bisweilen mit der Annahme, die Marktteilnehmer vertrauten darauf, dass der Preis frei von künstlicher Beeinflussung gebildet werde.396 Diese Annahme erlaubt es ihnen, den Blockhändler dazu verpflichten, die Marktteilnehmer über deren „Fehlvorstellung“ eines integeren Marktes aufzuklären. Sie ist jedoch nicht unumstritten, weil man befürchtet, dass sie die Trennung zwischen Falschdarstellungen und unterlassenen Darstellungen auflöst.397 Fox/Glosten/Rauterberg plädieren angesichts des dogmatischen Ballastes, den die Anwendung von Rule 10b-5 mit sich bringt, für eine Anwendung von Sec. 9(a)(2)398 des Securities Exchange Act.399 Diese Norm setzt insbesondere keine Täuschungshandlung voraus. Es bleibt abzuwarten, ob die US-amerikanischen Gerichte diesen Vorschlag aufgreifen werden. Insgesamt zeichnet sich die US-amerikanische Rechtslage in diesem Bereich durch eine große Unsicherheit und Divergenz der Ansichten in Wissenschaft und Praxis aus.400
393 Fox/Glosten/Rauterberg, 35 Yale J. on Reg. 67, 107, 123 (2018). Dies ähnelt dem Ansatz von Liersch, auf den besonderen Anreiz zur Vornahme einer Transaktion abzustellen, vgl. Liersch, Blockhandel, 2002, S. 166 f. 394 Fox/Glosten/Rauterberg, Yale J. on Reg. 67, 111, 123 (2018). 395 Fox/Glosten/Rauterberg, 35 Yale J. on Reg. 67, 107, 119 (2018). 396 In re Initial Pub. Offering Sec. Litig., 241 F. Supp. 2d 281, 381 – 82 (S.D.N.Y. 2003) 397 Konkret geht es darum, dass die fraud-on-the-market theory nur bei Falschdarstellungen greift, vgl. Desai v. Deutsche Bank Sec. Ltd., 573 F.3d 931, 941 (9th Cir. 2009). 398 15 U.S.C. § 78i. Manipulation of security prices (a) Transactions relating to purchase or sale of security It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, by the use of the mails or any means or instrumentality of interstate commerce, or of any facility of any national securities exchange, or for any member of a national securities exchange(1) (…) (2) To effect, alone or with one or more other persons, a series of transactions in any security registered on a national securities exchange creating actual or apparent active trading in such security or raising or depressing the price of such security, for the purpose of inducing the purchase or sale of such security by others. 399 Fox/Glosten/Rauterberg, 35 Yale J. on Reg. 67, 107, 123 (2018). 400 Fox/Glosten/Rauterberg, 35 Yale J. on Reg. 67, 69, 114 ff. (2018).
B. Verbot der Marktmanipulation
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b) Verbot im europäischen Kapitalmarktrecht Im europäischen Kapitalmarktrecht ist dagegen zwischen zwei Normen zu unterscheiden. Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR stellt darauf ab, dass ein künstliches Kursniveau gebildet wird. Der Blockhändler erfüllt diese Voraussetzung, indem er den Kurs durch die kleinen Transaktionen zuerst in eine ihm genehme Richtung drückt. Wird die Blockorder sodann in einem System mit eigener Preisfeststellung ausgeführt, löst sie (dort) eine zweite Preisbewegung aus. Jedoch wird diese Bewegung durch die erste (gegensätzliche) Preisbewegung abgefedert. Der Preis steigt dadurch nicht auf die Höhe, welche er aufgrund der Blockorder an sich erreichen müsste – darin liegt das künstliche Niveau. Wird die Blockorder dagegen in einem Preisreferenzierungssystem ausgeführt, kommt es zu gar keiner Preisveränderung. Der Preis verbleibt im hellen Handel zunächst auf dem Niveau, welches durch die kleinen Ordern geschaffen worden ist. Dieses Niveau spiegelt aber in keiner Weise das wahre Handelsinteresse des Blockhändlers wider. Die kleinen Ordern dienten ihm lediglich als Vehikel, um ein ihm genehmes Preisumfeld zu schaffen. Durch die Preisreferenzierung und die verzögerte Bekanntgabe der Transaktion können andere Marktteilnehmer die wahre Orderlage länger nicht erkennen und erliegen daher dem Falscheindruck, den die kleinen Ordern auslösen. Ein künstliches Preisniveau besteht dann erst recht. Der Vorteil von Art. 12 Abs. 1 lit. a) ii) MAR liegt darin, dass es keiner gesonderten Täuschungshandlung bedarf. Stattdessen reicht eine ex post Gesamtbetrachtung aller im Zusammenhang mit der Blockorder vorgenommenen Transaktionen. Schwieriger gestaltet sich dagegen die Subsumtion unter Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR. Da der Blockhändler Ordern eingibt, die er tatsächlich ausführen lassen will, kann man ihm streng genommen nicht vorwerfen, Angebot oder Nachfrage zu verfälschen. Allerdings kann man auch hier wieder mit einer Gesamtbetrachtung arbeiten: Die einzelnen Ordern mögen zwar ein echtes Handelsinteresse repräsentieren. Im Hintergrund wartet jedoch eine große Order, die in die genau entgegensetzte Richtung ausgeführt werden soll. Diese Order steht in einem inneren Zusammenhang zu den kleinen Ordern: Der Blockhändler rechnet zuvor aus, wie viel ihn die kleinen Ordern voraussichtlich kosten werden und welche Kostenersparnisse sich durch die Kursbewegung für die große Order ergeben. Ergibt sich im Saldo ein positiver Betrag, wird er handeln. Dann dienen seine ersten Ordern aber nicht der Schaffung zusätzlichen Angebots oder zusätzlicher Nachfrage. Vielmehr verschleiern sie jene Transaktion, an der dem Blockhändler wirklich gelegen ist. Dann handelt es sich aber nicht um authentische, sondern irreführende Signale der Handelsinteressen des Blockhändlers. Auch ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 lit. a) i) MAR ist daher möglich.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
IV. Unterlassen einer Veröffentlichung durch den Betreiber eines Dark Pool Der Betreiber eines Dark Pool kann ebenfalls Handlungen begehen, die die Frage nach einer Marktmanipulation aufwerfen. Insbesondere kann er großvolumige Aufträge, die nicht unter eine Vorhandelstransparenzausnahme fallen, nicht veröffentlichen und damit Informationen über den Handel zurückhalten. Soweit ersichtlich ist dieser Fall bisher weder in den USA noch in Europa401 entschieden worden. 1. Erfordernis einer Aufklärungspflicht unter Rule 10b-5 Im US-amerikanischen Recht verstößt der Emittent eines Finanzinstruments nur dann gegen Rule 10b-5, wenn er zur Aufklärung über den kursrelevanten Umstand verpflichtet gewesen ist.402 Die US-amerikanische Rspr. bemüht zur Bestimmung der Aufklärungspflicht zwar die Formel der „relationship of trust and confidence“403, konturiert das Vertrauensverhältnis aber nicht weiter.404 Ein Vertrauensverhältnis besteht zwischen Nutzer und Handelsplatzbetreiber jedenfalls dann, wenn der Betreiber auch als Broker für die Nutzer des Handelsplatzes tätig ist. In diesem Fall ist er dazu verpflichtet, seinen Kunden alle relevanten Informationen für deren Handel zur Verfügung zu stellen.405 Darüber hinaus muss der Betreiber gem. Rule 602(a)(1) Reg. NMS und Rule 301(b)(3) Reg. ATS die Quotierungen und Ordern veröffentlichen. Ob diese gesetzliche Pflicht gleichzeitig eine Aufklärungspflicht i.S.v. Rule 10b-5 begründet, ist noch nicht geklärt.406 Dagegen spricht, dass sich die Aufklärungspflicht des Emittenten nach der bisherigen Rechtsprechung aus einer individuell-konkreten
401 § 2 Abs. 4 MakonV enthält eine Aufzählung bewertungserheblicher Umstände für eine informationsgestützte Marktmanipulation. Diese beziehen sich jedoch alle auf den Fundamentalwert. Zudem kreist die Debatte um Publizitätspflichten des Emittenten, vgl. Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 20a Rn. 109 ff.; Fleischer, in: Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, § 20a Rn. 38. 402 Die diesbezügliche Leitentscheidung betrifft allerdings den besonderen Fall eines faceto-face Geschäfts, vgl. Affiliated Ute Citizens v. United States, 406 U.S. 128, 153, 92 S. Ct. 1456, 1472 (1972). Zur Anwendung auf Emittenten, vgl. ZVI Trading Corp. Employees’ Money Purchase Pension Plan & Tr. v. Ross (In re Time Warner Inc. Sec. Litig.), 9 F.3d 259, 267 (2d Cir. 1993). 403 Vgl. Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 230, 100 S. Ct. 1108, 1115 (1980). 404 Zur grundsätzlichen Kritik an der Anwendung der Insiderrechtsdogmatik auf Fälle unterlassener Veröffentlichungen, vgl. Langevoort/Gulati, 57 Vand. L. Rev. 1637, 1675 ff. (2004). 405 Vgl. etwa SEC v. Zandford, 535 U.S. 813, 822 – 24 (2002). 406 Zum Streitstand bei Veröffentlichungen des Emittenten, vgl. Langevoort/Gulati, 57 Vand. L. Rev. 1637, 1647 Rn. 22, 1680 ff. (2004).
B. Verbot der Marktmanipulation
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Beziehung407 ergeben muss. Den Handelsplatzbetreiber trifft aber eine abstraktegenerelle, gesetzliche Pflicht zur Veröffentlichung gegenüber allen Marktteilnehmern. Sie schützt das Interesse aller Marktteilnehmer an einer öffentlichen Informationsversorgung, nicht aber eine konkrete Informationsquelle. Zudem ist der Handelsplatzbetreiber letztlich nichts anders als ein Dienstleister. Als solcher ist er nicht in den Innenbereich seiner Nutzer einbezogen, wie es für einen Insider typisch ist. Es fehlt damit am Element einer konkreten Vertrauensbeziehung gegenüber einem individuellen Kunden. 2. Keine Manipulation durch Unterlassen in Europa Die Frage nach dem pflichtwidrigen Unterlassen einer Veröffentlichung stellt sich auch im neuen europäischen Marktmissbrauchsrecht: Zwar ist der Betreiber des Handelsplatzes gem. Art. 13 Abs. 1 MiFIR zur Veröffentlichung handelsbezogener Informationen gesetzlich verpflichtet. Daraus kann sich die erforderliche Garantenstellung ergeben.408 Allerdings enthalten weder Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR selbst noch die Erwägungsgründe der MAR einen Hinweis darauf, dass auch das pflichtwidrige Unterschlagen einer (handelsbezogenen) Information erfasst wird.409 Der Wortlaut („Verbreitung von Informationen“) spricht sehr stark dafür, dass allein das aktive Verbreiten falscher Informationen, nicht aber das Unterlassen richtiger Informationen inkriminiert wird. In gleicher Weise umfasst Art. 2 Abs. 4 der CRIMMAD nur aktives Handeln. Ferner erfasst das Verbot des Insiderhandels in Artt. 8, 17 MAR fast ausschließlich aktives Handeln. Sofern Insiderhandel auch durch ein Unterlassen verwirklicht werden kann, ordnet die MAR dies explizit an, vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 lit. b) MAR. Diese Regelungstechnik spricht dafür, dass der europäische Gesetzgeber marktmissbräuchliches Verhalten durch Unterlassen generell nur dann sanktionieren will, wenn er dies selbst ausdrücklich anordnet. Diese Weichenstellung hat unmittelbare Folgen für das deutsche Verbot der Marktmanipulation gem. § 120 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 15 Nr. 2 WpHG n.F. i.V.m. Art. 15 MAR und § 119 Abs. 1 Nrn. 1, 2 WpHG n.F. Da die deutschen Blanketttatbestände auf das europäische Marktmissbrauchsverbot in Art. 15 MAR verweisen, muss der deutsche Gesetzgeber bei der strafrechtlichen Ausgestaltung des Verbots die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers berücksichtigen.410 Die MAR stellt eine Verordnung dar, an die der deutsche Gesetzgeber strikt gebunden ist und die ihm 407 Zur Art dieser Beziehung siehe jüngst United States v. Martoma, 894 F.3d 64, 68 – 69 (2d Cir. 2018), besprochen in Note, U.S. v. Martoma, 132 Harv. L. Rev. 1730 (2018). 408 Zum Erfordernis einer gesetzlichen Publizitätspflicht, vgl. Richter, WM 2017, 1636, 1638 f. 409 So und im Folgenden: Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189, 1192. 410 So und im Folgenden: Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189, 1192, 1194 f.; ebenso Schmolke, AG 2016, 434, 437, 439.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
keinen eigenen Gesetzgebungsspielraum eröffnet. Ordnet der europäische Gesetzgeber an, dass eine Marktmanipulation nicht durch Unterlassen begangen werden kann, kann der deutsche Gesetzgeber folglich keine eigene Sanktionierung anordnen.
V. Zusammenfassung: Unterschiedliche Dogmatik, aber ähnliche Ergebnisse Die US-amerikanischen Verbotsvorschriften zur Marktmanipulation orientieren sich an der Dogmatik des klassischen Betruges. Dementsprechend schwierig gestaltet sich bisweilen die Sanktionierung unerwünschter Verhaltensweisen. Das europäische Kapitalmarktrecht gestaltet die Marktmanipulation dagegen als reines Marktdelikt aus und kommt ohne Treue- und Aufklärungspflichten aus. Im Ergebnis bestehen jedoch oftmals kaum Unterschiede: Beide Rechtsordnungen verbieten insbesondere das sog. Spoofing durch Hochfrequenzhändler. (Dogmatische) Unklarheiten bestehen im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht vor allem hinsichtlich der Anwendung von Rule 10b-5 bei Falschdarstellungen der Orderlage durch den Betreiber eines Dark Pools sowie bei der Eingabe und Ausführung kleiner Ordern durch einen Blockhändler.
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur Der Handel in einem außerbörslichen Dark Pool ist aus Sicht eines Blockhändlers beileibe nicht risikolos. Insbesondere Hochfrequenzhändler können auf vielfältige Weise versuchen, eine verdeckte Order auszuspüren und die Orderausführung zu verteuern.411 Die Betreiber der Dark Pools wissen darum und stellen oftmals den Anteil von Hochfrequenzhändlern an Transaktionen in ihren Systemen falsch dar, um Anleger anzuziehen (I.). Diese Falschdarstellungen werfen zahlreiche neue und schwierige kapitalmarktrechtliche Probleme auf. Im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht greifen sowohl bundesgesetzliche als auch einzelstaatliche Normen (II.). Ähnlich kommen in den EU-Mitgliedstaaten sowohl europäisches Sekundärrecht (III.) als auch rein nationale Normen zur Anwendung (III.).
I. Anschauungsmaterial: Der Fall Barclays LX Das beste Exempel412 für falsche Darstellungen rund um einen Dark Pool bieten erneut413 die Geschehnisse um Barclays LX, den in New York ansässigen Dark Pool 411
Vgl. oben Kap. 1 C. IV. 2. a) cc). Weitere Beispiele sind: SEC, In the Matter of Pipeline Trading Systems LLC, Fred J. Federspiel, and Alfred R. Berkeley III, File No. 3-14600, Rn. 26 ff.; SEC, In the Matter of ITG 412
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur
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der britischen Barclays-Bank.414 Dieser war im Mai 2014 das zweitgrößten ATS für NMS Aktien und stellte selbst Preise fest.415 Barclays hatte Hochfrequenzhändlern Zugang zu Barclays LX gewährt und diesen verbesserte Datenströme sowie co-location-Dienstleistungen angeboten.416 Gleichzeitig hatte die Bank ein Programm namens Liquidity Profiling entwickelt, mittels dem es die Nutzer seines Dark Pool anhand ihrer bisherigen Verhaltensweisen in eine von sechs Kategorien einstufte.417 Während die Kategorie „0“ für die höchste Stufe aggressiven Handels stand, repräsentierte ein Händler der Kategorie „5“ einen sehr defensiven Typ. Jeder Nutzer von Barclays LX konnte dafür optieren, dass seine eigenen Ordern nicht mit den Ordern von Händlern einer oder mehrerer dieser Kategorien zusammengeführt werden. Zu den Händlern der höchsten Aggressivitätsstufe gehörten insbesondere solche, welche einen von Barclays selbst bereitgestellten Algorithmus418 für den Handel im Dark Pool nutzten.419 Barclays stufte diese Händler jedoch manuell als weniger aggressiv ein, sodass die Ordern dieser Händler mit Ordern von defensiv handelnden Händlern zusammengeführt werden konnten und auch wurden.420 Ab dem Jahr 2012 bewarb Barclays seinen Dark Pool sodann als sicheren Hafen mit einem sehr geringen Anteil von aggressiven Hochfrequenzhändlern.421 Zum Werbematerial von Barclays zählte u. a. eine PowerPoint Präsentation mit einem Blasendiagramm, welches den Anteil der 100 größten Nutzer an abgeschlossenen Geschäften in Barclays LX darstellte.422 Barclays entfernte später die Blase, welche den größten Nutzer repräsentierte und verschwieg bei folgenden Präsentationen, dass es sich dabei um einen äußerst aggressiven (Hochfrequenz-)Händler handelte. Alle Werbematerialien richteten sich ausschließlich an institutionelle Anleger.423 Inc. and Alternet Securities, Inc., File No. 3-16742, S. 6 Rn. 26 – 28; In re Inv. Tech. Grp., Inc. Sec. Litig., 251 F. Supp. 3d 596, 605 – 06 (S.D.N.Y. 2017); SEC, In the Matter of Citigroup Global Markets, File No. 3-18766, 2018, S. 5 Rn. 23 ff. 413 Zu diesem Fall vgl. bereits oben Kap. 4 A. III. 2. 414 Vgl. auch die Sachverhaltsdarstellungen von Clarke, 8 L. & Fin. Markets Rev. 342, 348 (2014); Johnson, 42 J. Corp. L. 833, 873 f. (2017) und Benvegna, 16 J. Int’l Bus. & L. 309, 321 f. (2017). 415 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, S. 2 Rn. 1 und Fn. 3. 416 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 352 (S.D.N.Y. 2015). 417 So und im Folgenden: SEC, Barclays, Rn. 22 f.; In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 352 – 53 (S.D.N.Y. 2015). 418 Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig nur um Hochfrequenzhändler, weil auch gewöhnliche Kunden bzw. deren Broker Algorithmen heute nutzen, vgl. O’Hara, 116 J. of Fin. Econ. 257, 259 (2015). 419 So und im Folgenden: SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 30, 33. 420 People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 864 – 65 (Sup. Ct. 2015). 421 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 24 – 26; In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 352 (S.D.N.Y. 2015). 422 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, Rn. 35 ff. 423 People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 864 (Sup. Ct.).
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
II. Konkurrenz einzelstaatlicher und bundesstaatlicher Regulierung in den USA In den USA wurde Barclays gleich von drei Seiten angegriffen: Die Börsenaufsichtsbehörde SEC sah u. a. einen Verstoß gegen das Betrugsverbot des Sec. 17(a)(2) des Securities Act von 1933424 als gegeben an425 und einigte sich mit Barclays auf eine Strafzahlung in Höhe von $ 35 Mio. Daneben warfen die ehemaligen Nutzer von Barclays LX der Bank einen Verstoß gegen das Betrugs- und Manipulationsverbot gem. Rule 10b-5 vor; das Bundesbezirksgericht für den Südlichen Bezirk von New York wies diese zivilrechtliche Klage jedoch ab.426 Parallel dazu erhob der New Yorker Attorney General Eric Schneiderman Klage gegen die Bank vor dem Supreme Court427 des Bundesstaats von New York. Er warf Barclays einen Verstoß gegen ein einzelstaatliches Gesetz, den New Yorker Martin Act428, vor. Barclays verglich sich mit dem Attorney General und zahlte an diesen eine Strafe in Höhe von ebenfalls $ 35 Mio.429 Die Begründungen dieser drei Entscheidungen gehen in sehr unterschiedliche Richtungen. 1. Ablehnende Ansicht des Bundesbezirksgerichts Das Bundesbezirksgericht für den Südlichen Bezirk von New York führte aus, dass erste Voraussetzung eines Verstoßes gegen das in diesen Vorschriften wurzelnde Marktmanipulationsverbot ein manipulativer Akt sei.430 Dieser müsse ein falsches 424 Vgl. 15 U.S. Code § 77q – Fraudulent interstate transactions (a) Use of interstate commerce for purpose of fraud or deceit It shall be unlawful for any person in the offer or sale of any securities (including security-based swaps) or any securitybased swap agreement (as defined in section 78c(a)(78)[1] of this title) by the use of any means or instruments of transportation or communication in interstate commerce or by use of the mails, directly or indirectly – (…) (2) to obtain money or property by means of any untrue statement of a material fact or any omission to state a material fact necessary in order to make the statements made, in light of the circumstances under which they were made, not misleading; or (…). 425 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, S. 13 Rn. 63 lit. a). 426 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 366 (S.D.N.Y. 2015). 427 Anders als der Name suggeriert ist der Supreme Court von New York nicht der oberste Gerichtshof des Bundesstaats New York, sondern eine Eingangsinstanz. Höchstes Gericht des Bundesstaats ist der Court of Appeals, vgl. The New State Courts: An Introductory Guide, S. 5 – 7. 428 N.Y. Gen. Bus. Law §§ 352, 353. 429 Vgl. die Mitteilung unter: https://www.sec.gov/news/pressrelease/2016-16.html (Abruf vom 18. 04. 2018). 430 So und im Folgenden: In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 364 (S.D.N.Y. 2015).
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Preissignal aussenden und dürfe nicht das natürliche Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage widerspiegeln. Der Preis des Finanzinstruments müsse künstlich beeinflusst werden. Die Kläger könnten aber weder nachweisen, wie die Veränderung der Kategorisierung durch Barclays einen künstlichen Preis im Dark Pool geschaffen haben. Noch habe Barclays durch verbesserte Datenströme oder co-locations unmittelbar selbst auf die dortige Preisbildung Einfluss genommen. Barclays habe höchstens den Hochfrequenzhändlern dabei geholfen, dass diese den Preis in ihrem Sinne beeinflussen können. Eine solche Beihilfe sanktioniere Rule 10b-5 aber nicht. Unabhängig davon haben die Kläger laut Gericht nicht nachgewiesen, dass sie auf irgendeine Falschdarstellung von Barclays vertraut haben.431 Das Vertrauenserfordernis von Rule 10b-5 stellt eine hohe Hürde für Kläger dar. Sie müssen nachweisen, dass sie die Falschdarstellung tatsächlich wahrgenommen haben und darauf basierend ihre Anlageentscheidung getroffen haben.432 Da dieser Nachweis nur schwer gelingt und von einem hohen Grad an Individualität geprägt ist, versperrt er Klägern die Möglichkeit, eine Sammelklage zu erheben, vgl. Rule 23 Fed. R. Civ. P. Um Sammelklagen von Finanzanlegern (sog. securities class actions) doch zulassen zu können, behilft sich die US-amerikanische Rspr. mit der sog. fraud-on-the-markettheory. Im Kern besteht diese Theorie aus zwei Vermutungen:433 Geht es um eine kursrelevante öffentliche Information und wird das Finanzinstrument auf einem generell effizienten Markt gehandelt, wird erstens vermutet, dass diese Information den Kurs beeinflusst hat. Ist der Kurs tatsächlich beeinflusst worden, ist zweitens zu vermuten, dass der Anleger auf die Fehlinformation vertraut hat.434 Abgesehen davon muss der Anleger nachweisen, dass er das Finanzinstrument während der Desinformationsphase gehandelt hat, also zwischen der falschen Meldung und deren Korrektur.435 In seiner Barclays-Entscheidung verneint das Bundesbezirksgericht die Anwendbarkeit der fraud-on-the-market-theory sowie ein Vertrauen der Kläger insgesamt.436 Keiner der Kläger habe auf eine einzige Veröffentlichung oder Meldung von Barclays verweisen können, die jenen Preis verändert hat, zu welchem sich die Kläger zum Handel im Dark Pool entschlossen haben. Ihr Vorwurf laute vielmehr, 431 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 365 (S.D.N.Y. 2015). 432 So und im Folgenden: Goshen/Parchomovsky, 55 Duke J. L. 711, 766 (2006); Klöhn, AG 2014, 807, 808. 433 So und im Folgenden: Halliburton Co. v. Erica P. John Fund, Inc., 134 S. Ct. 2398, 2414 (2014); vgl. auch Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 690. 434 Damit handelt es sich im Grunde um das Konzept der Preiskausalität, vgl. ausführlich dazu Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 674 ff., 690. 435 Basic, Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 248 Fn. 27 (1988); Halliburton Co. v. Erica P. John Fund, Inc., 134 S. Ct. 2398, 2413 (2014). 436 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 365 (S.D.N.Y. 2015).
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
dass sich die Preise verändert haben zwischen den Zeitpunkt, zu dem sie die Order eingegeben haben und jenem, zu dem die Transaktion ausgeführt wurde. Das habe mit den Darstellungen von Barclays aber nichts zu tun. Dieser Komplex ist strikt von der Frage zu trennen, ob die Aktionäre von Barclays durch etwaige Falschdarstellungen fehlgeleitet worden sind. Die Aktionäre von Barclays haben ein separates Verfahren gegen die Bank angestrengt, in dem es um Barclays Rolle als Emittent von Finanzinstrumenten, nicht aber als Betreiber eines Handelsplatzes geht.437 2. SEC: Verstoß gegen Sec. 17(a)(2) des Securities Act Die SEC sah in ihrer Entscheidung einen Verstoß von Barclays gegen Sec. 17(a)(2) des Securities Act von 1933 als erwiesen an. Insbesondere stellte sie fest, dass es sich bei den Darstellungen von Barclays um fehlleitende Darstellungen (materially misleading statements) im Sinne dieser Vorschrift gehandelt habe.438 Sec. 17(a) SA verbietet allerdings nur Täuschungshandlungen beim Anbieten oder Verkaufen von Finanzinstrumenten. Darunter fallen laut der Definitionsnorm in Sec. 2(a)(3) SA jeder entgeltliche Verkauf sowie jeder entgeltliche Ankauf oder Versuch eines Kaufs von Finanzinstrumenten.439 Dagegen ist Rule 10b-5 deutlich weiter gefasst, indem sie jede Manipulationen in Verbindung mit dem Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten erfasst.440 Es überrascht, dass die SEC die Anwendbarkeit von Sec. 2(a)(3) SA bejaht, beziehen sich die Fehldarstellungen doch nicht auf den An- oder Verkauf von Finanzinstrumenten durch Barclays selbst. Vielmehr lautet der Vorwurf, dass Barclays falsche Informationen zum (allgemeinen) Handel in seinem Dark Pool verbreitet hat. Ganz grundsätzlich verwundert die Tendenz der SEC, eine auf den Primärmarkt zugeschnittene Vorschrift des Securities Act von 1933 im außerbörslichen Sekundärmarkt zum Einsatz zu bringen. Freilich hat sich diese Praxis mittlerweile fest eingebürgert.441 Zudem darf man davon ausgehen, dass Barclays sich dazu bereit erklärt hat, den Vorwurf des Verstoßes gegen Sec. 17(a)(2) SA zu akzeptieren, um im 437 Vgl. dazu Waggoner v. Barclays PLC, No. 16-1912-cv, 2017 U.S. App. LEXIS 22115, at *13 (2d Cir. Nov. 6, 2017). 438 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, S. 6 Rn. 15. Die gleiche Feststellung findet sich in SEC, In the Matter of Citigroup Global Markets, File No. 3-18766, 2018, S. 11 Rn. 54. 439 Vgl. 15 USCS § 77b(a)(2): „The term „sale“ or „sell“ shall include every contract of sale or disposition of a security or interest in a security, for value. The term „offer to sell,“ „offer for sale,“ or „offer“ shall include every attempt or offer to dispose of, or solicitation of an offer to buy, a security or interest in a security, for value. (…)“. 440 Vgl. SEC v. Tambone, 550 F.3d 106, 127 – 28 (1st Cir. 2008); diese Ausführungen wurden bestätigt in SEC v. Tambone, 597 F.3d 436, 450 (1st Cir. 2010). 441 Vgl. bereits United States v. Naftalin, 441 U.S. 768, 772, 99 S. Ct. 2077, 2081 (1979) zu Falschdarstellungen eines Brokers bei Leerverkäufen.
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur
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Gegenzug eine mildere Strafe zu erhalten. Dogmatische Fragen waren insofern zweitranging. 3. Supreme Court von New York: Möglicher Verstoß gegen Martin Act Gegenstand des Barclays LX-Urteils des Supreme Court von New York442 war weder der Securities Act von 1933 noch der Securities Exchange Act von 1934, sondern das Betrugsverbot des New Yorker Martin Act. a) Hintergründe und Bedeutung des Martin Act Der Martin Act wurde 1921 erlassen443 und gehört zu den sog. Blue Sky Laws. Damit bezeichnet man solche einzelstaatliche Gesetze zur Regulierung des Kapitalmarkts, welche bereits vor der Verabschiedung der beiden großen US-amerikanischen Bundesgesetze von 1933 und 1934 erlassen worden sind.444 Der Name rührt vermutlich daher, dass die einzelstaatlichen Gesetzgeber die Machenschaften betrügerischer Wertpapierhändler verhindern wollten, die Baugrundstücke im blauen Himmel verkaufen würden („would sell building lots in the blue sky“).445 Nach der Zeit des New Deal befand sich der Martin Act lange Zeit in einem Dornröschenschlaf.446 Dies änderte sich, als nach der Finanzkrise von 2000 und dem EnronSkandal von 2001 der damalige Attorney General von New York, Eliot Spitzer, das Gesetz nutzte, um Banken und Großunternehmen ins Visier zu nehmen. Spitzers Nachfolger im Amt, Andrew Cuomo und Eric Schneidermann, setzten diese Praxis fort.447 Der Martin Act von New York sticht aus der Gruppe der Blue Sky Laws deswegen hervor, weil er dem Attorney General von New York eine breite regulatorische Kompetenz einräumt.448 So darf dieser sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche 442
People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862 (S.D.N.Y. 2015). Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 807 (2018). 444 Sgambati, 49 Colum. J. L. Soc. Probs. 585, 593 (2015 – 2016); Marciello, 49 Suffolk U. L. Rev. 163, 175 (2016); Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 819 (2018). Siehe auch Hall v. Geiger-Jones Co., 242 U.S. 539, 550 (1917): „The name that is given to the law indicates the evil at which it is aimed; that is, to use the language of a cited case, ,speculative schemes‘ which have no more basis than so many feet of ,blue sky‘; (…)“. Konzise Darstellung der Entwicklung der Wertpapieraufsicht in den USA bei Lane, 39 New Eng. L. Rev. 317, 321 ff. (2005). 445 Lane, 39 New Eng. L. Rev. 317, 321 (2005). 446 So und im Folgenden: Sgambati, Colum. J. L. Soc. Probs. 585, 597 f. (2016); Marciello, 49 Suffolk U. L. Rev. 163, 175 – 177 (2016). 447 Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 807 ff., 870 ff. (2018). Ausführlich zu den vielfältigen Konflikten zwischen SEC und dem Attorney General von New York: Lane, 39 New Eng. L. Rev. 317, 330 ff. (2005). 448 Sgambati, 49 Colum. J. L. Soc. Probs. 585, 594, 596 (2015 – 2016). 443
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
Klagen wegen seiner Ansicht nach betrügerischer Aktivitäten auf dem Kapitalmarkt erheben, vgl. Sec. 353 N.Y. Gen Bus. Law. Die hohe praktische Bedeutung des Gesetzes ergibt sich daraus, dass es für alle in der Finanzmetropole New York stattfindenden Transaktionen mit Finanzinstrumenten gilt und damit Wirkungen für den gesamten US-amerikanischen Kapitalmarkt entfaltet.449 Zwar überrascht es, dass dieses einzelstaatliche Gesetz neben den Bundesgesetzen anwendbar ist und den Attorney General als zusätzlichen Regulierer ins Spiel bringt.450 Die daraus resultierende Konkurrenz zwischen der SEC als Bundesaufsichtsbehörde und einzelstaatlichen Regulierungsbehörden ist jedoch bewusst im kapitalmarktrechtlichen Aufsichtssystem der USA angelegt.451 b) Der weite Anwendungsbereich des Martin Act Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte haben die New Yorker Gerichte sich für die Auslegung des Martin Act nur teilweise an den bundesgesetzlichen Vorschriften, namentlich Rule 10b-5, orientiert.452 Bisweilen haben sie das Verbot der Falschdarstellung gem. § 352-c(1)453 N.Y. Gen. Bus. Law in eigener Initiative sehr extensiv ausgelegt.454 Als Resultat dieser Entwicklung muss der Attorney General für einen Verstoß gegen das Betrugsverbot des Martin Act nur vier Elemente nachweisen: 449
Sgambati, 49 Colum. J. L. Soc. Probs. 585, 595 (2015 – 2016). Kritik äußert Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 809 – 818 (2018). 451 Lane, 39 New Eng. L. Rev. 317, 325, 338 – 340 (2005) unter Verweis auf Securities Exchange Act of 1934, Pub. L. No. 73-291, § 28(a), 48 Stat. 74, 903 (1934). 452 Dies gilt vor allem für die Merkmale der Kursrelevanz (Materiality) und das Unterlassen einer Information, vgl. New York v. Rachmani Corp., 525 N.E.2d 704, 726 – 27 (N.Y. 1988); Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 837 (2018). 453 New York General Business Law Article 23-A § 352 Investigation by attorney-general § 352-c. Prohibited acts constituting misdemeanor; felony 1. It shall be illegal and prohibited for any person, partnership, corporation, company, trust or association, or any agent or employee thereof, to use or employ any of the following acts or practices: (a) Any fraud, deception, concealment, suppression, false pretense or fictitious or pretended purchase or sale; (b) Any promise or representation as to the future which is beyond reasonable expectation or unwarranted by existing circumstances; (c) Any representation or statement which is false, where the person who made such representation or statement: (i) knew the truth; or (ii) with reasonable effort could have known the truth; or (iii) made no reasonable effort to ascertain the truth; or (iv) did not have knowledge concerning the representation or statement made; where engaged in to induce or promote the issuance, distribution, exchange, sale, negotiation or purchase within or from this state of any securities or commodities, as defined in section three hundred fifty-two of this article, regardless of whether issuance, distribution, exchange, sale, negotiation or purchase resulted. (…). 454 Sgambati, 49 Colum. J. L. Soc. Probs. 585, 594 f. (2015 – 2016); Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 826 ff. (2018). Ein älteres Beispiel ist People v. Federated Radio Corp., 154 450
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(1) Die falsche Darstellung455 oder das Unterlassen456 (2) eines relevanten Umstandes457 (3) mit dem Ziel, die Emission, die Verteilung, den Tausch, den Verkauf, die Verhandlung oder den Kauf eines Finanzinstruments anzuregen oder zu bewerben (4) wobei der Erklärende Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis davon hatte, dass seine Aussage falsch war, vgl. § 352-c(1)(c) N.Y. Gen. Bus. Law.458 Im Gegensatz zu Rule 10b-5 erfordert die Verbotsvorschrift des Martin Act keinen Nachweis eines Täuschungsvorsatzes auf Seiten des Verfolgten.459 Auch bedarf es keines Vertrauens des Getäuschten460 oder einer tatsächlichen Kursbeeinflussung. Dadurch wird bereits die fahrlässige Abgabe einer irreführenden Erklärung im Zusammenhang mit Wertpapiertransaktionen sanktioniert.461 c) Der Streitpunkt: Verbindung zu einer Wertpapiertransaktion Im Verfahren um Barclays LX musste sich der Supreme Court von New York mit einer schwierigen Auslegungsfrage bzgl. des dritten Elements auseinandersetzen: Barclays behauptete, dass die Vorschrift nur solche Fälle erfasse, in denen die falsche Darstellung die Entscheidung, eine spezifische Transaktion durchzuführen, beeinflusst, namentlich die Art des Finanzinstruments, die Anzahl und den Preis.462 Dagegen erfasste die Vorschrift nach Ansicht des Attorney General auch die davon zu separierende Entscheidung, die Transaktion an einem spezifischen Ort vorzunehmen, insbesondere an einer Börse oder einem Dark Pool. Das Gericht stellte zunächst fest, dass es sich dabei um eine neue Frage handelt. Anschließend entschied es, ganz in der Tradition einer extensiven Auslegung des Martin Act463, dass auch die Beeinflussung
N.E. 655, 657 (N.Y. 1926) („In a broad sense the term [fraud] includes all deceitful practices contrary to the plain rules of common honesty.“) 455 Ausführlich dazu Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 838 ff. (2018). 456 People ex rel. Vacco v. World Interactive Gaming Corp., 714 N.Y.S.2d 844, 864 (Sup. Ct. 1999); Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 836 ff. (2018). 457 Siehe dazu New York v. Rachmani Corp., 525 N.E.2d 704, 726 – 27 (N.Y. 1988); Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 830 ff., 837 (2018). 458 People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 868 – 69 (S.D.N.Y. 2015) unter Verweis auf frühere Entscheidungen. 459 People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 868 – 69 (S.D.N.Y. 2015); Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 827 f. (2018). 460 People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 868 – 69 (S.D.N.Y. 2015). Krit. Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 845 ff. (2018). 461 Sgambati, 49 Colum. J. L. Soc. Probs. 585, 595 (2015 – 2016). 462 So und im Folgenden: People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 869 (N.Y. Sup. Ct. 2015). 463 Vgl. All Seasons Resorts v. Abrams, 68 N.Y.2d 81, 86 (1986).
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
der Entscheidung, an einem bestimmten Handelsplatz zu handeln, vom Täuschungsverbot des Martin Act erfasst wird.464 4. Friktionen der drei Entscheidungen und Vorschlag für Kohärenz In der Zusammenschau der drei US-amerikanischen Entscheidungen, offenbaren sich gegensätzliche, teils sogar widersprüchliche Aussagen: Die SEC bejaht implizit eine relevante Falschdarstellung.465 Darüber hinaus konstatiert der Supreme Court von New York, auch die Beeinflussung der Entscheidung, an einem bestimmten Handelsort zu handeln, weise den notwendigen Bezug zu einer Transaktion auf.466 Das Bundesbezirksgericht vertritt dagegen ein sehr enges Verständnis, indem es eine direkte Beeinflussung des Preises durch die Falschdarstellung fordert.467 Eine kohärente Lösung ergibt sich nur, indem man diejenigen Elemente, die allen drei Verbotsvorschriften gemeinsam sind, zusammenführt und einheitlich auslegt. a) Falschdarstellung eines Umstandes Sowohl Rule 10b-5 als auch Sec. 17(a)(2) Securities Act als auch § 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law setzen zunächst voraus, dass ein Umstand falsch dargestellt wird. Während die SEC und der Supreme Court von New York dieses erste Element bejahen, verwickelt sich das Bundesbezirksgericht in Widersprüche. So behauptet es einerseits, die Kläger hätten keinerlei Falschdarstellungen von Barclays präsentiert.468 Zuvor legt es jedoch im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung selbst dar, dass Barclays seinen Dark Pool als frei von Hochfrequenzhändlern beworben hatte.469 Gegen diese restiktive Handhabung hat sich das Bundesberufungsgericht für den zweiten Bezirk in seiner, nur die Börsen und nicht Barclays betreffenden, Berufungsentscheidung gewandt: Allein das Bereitstellen von Informationsdienstleistungen und besonderen Ordertypen könnte für einen manipulativen Akt im Sinne von Rule 10b-5 ausreichen.470 Die Vorschrift setze an keiner Stelle voraus, dass der 464 Vgl. zu dieser zentralen Streifrage auch Sgambati, 49 Colum. J. L. Soc. Probs. 585, 599 f. (2015 – 2016). 465 SEC, In the Matter of Barclays Capital Inc., File No. 3-17077, S. 6 Rn. 15. 466 People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 870 – 71 (N.Y. Sup. Ct. 2015). 467 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 364 (S.D.N.Y. 2015). Zur Diskussion um eine integrity-of-the-market-presumption siehe Dolgopolov, 9 Wm. & Mary Bus. L. Rev. 551, 583 ff. (2018). 468 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 365 (S.D.N.Y. 2015). 469 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 352 – 53 (S.D.N.Y. 2015). Vgl. zudem Waggoner v. Barclays PLC, No. 16-1912-cv, 2017 U.S. App. LEXIS 22115, at *8 – 10 (2d Cir. Nov. 6, 2017). 470 City of Providence, Rhode Island v. Bats Glob. Markets, Inc., 878 F.3d 36, 49 (2d Cir. 2017). Ähnlich argumentiert Dolgopolov, 9 Wm. & Mary Bus. L. Rev. 551, 592 ff. (2018).
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Betreiber des Handelssystems selbst mithandelt.471 Ferner sei – in dem betroffenen Verfahrensstadium vor Gericht – zugunsten der Kläger zu unterstellen, dass die Börsen die Anleger nicht vollständig und richtig über die Dienstleistungen für die Hochfrequenzhändler informiert haben.472 Dieser Ansicht ist zuzustimmen: Die US-amerikanischen Bundesgerichte haben Rule 10b-5 in der Vergangenheit weit ausgelegt, wenn es um Falschdarstellungen eines Emittenten ging, welche sich auf den Preis eines Finanzinstruments auswirken können.473 Ob der jeweilige Täter selbst Geschäfte tätigt, spielt keine Rolle474, weil die Auswirkungen auf die (falsche) Bewertung des Finanzinstruments im Zentrum des Verbots stehen.475 Geht es um handelsbezogene Informationen, reicht es dementsprechend aus, wenn der Betreiber eines Handelssystems Umstände falsch darstellt, welche eine Rolle bei der Bewertung der im System vorhandenen Handelsmöglichkeiten spielt. Dies ist mit Blick auf die verschiedenen Effekte, die Hochfrequenzhändler im hellen476 und dunklen477 Handel haben, zu bejahen. b) Kursrelevanz Alle drei Verbotsvorschriften verlangen zudem eine kursrelevante478 („material“) Falschdarstellung. Allein der Supreme Court von New York geht auf dieses Merkmal ein, gibt jedoch keine abschließende Antwort, sondern bittet die Parteivertreter um weitere Stellungnahmen.479 Immerhin stellt das Gericht fest, dass (auch) unter dem Martin Act der „vernünftige Anleger“ den Maßstab für die Beurteilung der Relevanz bildet. Es argumentiert sodann, dass Barclays LX allein von hochprofessionellen Anlegern genutzt worden sei. Daher könne man nicht auf den Horizont eines einfachen Anlegers abstellen, sondern müsse fragen, ob ein institutioneller Anleger den Umstand für relevant hält.480
471 City of Providence, Rhode Island v. Bats Glob. Markets, Inc., 878 F.3d 36, 50 (2d Cir. 2017). 472 City of Providence, Rhode Island v. Bats Glob. Markets, Inc., 878 F.3d 36, 50 – 52 (2d Cir. 2017). 473 Fox/Glosten/Rauterberg, Yale J. on Reg. 67, 111, 123 f. (2018). 474 Siehe bereits SEC v. Tex. Gulf Sulphur, 401 F.2d 833, 859 – 61 (2d Cir. 1968). 475 Fox/Glosten/Rauterberg, Yale J. on Reg. 67, 111, 124 (2018). 476 Siehe dazu oben Kap. 1 A. III. 5. 477 Siehe dazu oben Kap. 1 C. IV. 2. a) cc). 478 Für den Martin Act gelten insoweit die gleichen Erfordernisse wie für Rule 10b-5, vgl. New York v. Rachmani Corp., 525 N.E.2d 704, 726 – 27 (N.Y. 1988); Epstein, 14 NYU J. of Law & Bus. 805, 837 (2018). 479 So und im Folgenden: People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 864 – 65 (N.Y. Sup. Ct. 2015). 480 People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 864 (N.Y. Sup. Ct. 2015).
302
Kap. 4: Verhaltenspflichten
Diese Ausführungen verdienen insofern Zustimmung, als der vernünftige Anleger481 letztlich die Personifizierung der Kapitalmarkteffizienzhypothese bildet.482 Demnach handelt es sich bei ihm um einen Informationshändler, der jede Information nutzt, sofern sie ihm eine Arbitragemöglichkeit verschafft. Falsche Informationen wird ein vernünftiger Anleger dementsprechend für relevant halten, wenn er glaubt, dass sie ihm eine Arbitragemöglichkeit gegenüber uninformierten Händlern verschaffen. Den Normalfall bilden Informationen über den Fundamentalwert eines Finanzinstruments. Im Fall Barclays LX ging es jedoch darum, dass der Anteil von Händlern an abgeschlossenen Transaktionen im Handelssystem verfälschend dargestellt wurde! Um zu ermitteln, ob es sich auch dabei um eine kursrelevante Information handelt, ist mit dem Supreme Court von New York zwischen zwei Entscheidungsebenen eines informierten Anlegers zu differenzieren. aa) Preismanipulationen durch falsche fundamentalwertbezogene Informationen Im heutigen Marktumfeld muss jeder Anleger sich erstens dazu entschließen, ein bestimmtes Finanzinstrument zu einem bestimmten Mindestpreis zu verkaufen bzw. zu einem bestimmten Maximalpreis zu kaufen.483 Diese Entscheidung wird maßgeblich durch die dem Händler zugänglichen Informationen über das Finanzinstrument selbst beeinflusst. Veröffentlicht ein Emittent eine falsche Mitteilung, werden Informationshändler zu nachteilhaften Transaktionen verleitet. Infolgedessen bildet sich ein falscher Preis. Zugleich müssen Informationshändler aufwendige Nachforschungen anstellen, um die Informationen zu verifizieren. Aus diesen Gründen handelt es sich um eine (informationsgestützte) Marktmanipulation.484 Gleiches muss gelten, wenn ein Handelsplatzbetreiber aktiv485 falsche Informationen über die Orderlage (v. a. Preise und Volumina von Ordern) in seinem System 481 Siehe dazu Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 249 – 50 unter Verweis auf TSC Industries, Inc v Northway, Inc, 425 US 438, 449 (1976). Dieser Maßstab gilt auch für den Martin Act, vgl. New York v. Rachmani Corp., 525 N.E.2d 704, 727 (N.Y. 1988). Zum Unterschied zur „reasonble person“ siehe Rose, 43 J. Corp. L. 77, 80 f. (2017)). 482 Lin, 95 B. U. L. Rev. 461, 467 f. (2015). Konzise Darstellung des US-amerikanischen Meinungsspektrums bei Rose, 43 J. Corp. L. 77, 89 ff. (2017)). Aus dem deutschen Schrifttum: Klöhn, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 248 – 256; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 7 Rn. 271 – 279; ders., ZHR 177 (2013), 349, 366 ff.; Hilgendorf/Kusche, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, MAR Art. 7 Rn. 72, 75; Krause, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 6 Rn. 116. 483 Darauf weist der Supreme Court von New York zu Recht hin, vgl. People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 870 – 71 (N.Y. Sup. Ct. 2015). Vgl. auch Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 77, 81. 484 Zum US-Recht: Heit v. Weitzen, 402 F.2d 909, 913 (2d Cir. 1968); Jacobs, 42 Fordham L. Rev. 243, 246 ff. (1973); Goshen/Parchomovsky, 55 Duke J. L. 711, 741 f. (2006). Zum deutschen Recht vgl. etwa Hellgardt, ZIP 2005, 2000, 2001. 485 Zum Verschweigen einer handelsbezogenen Information siehe oben Kap. 4 B. IV.
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur
303
veröffentlicht und dadurch Informationshändlern falsche Arbitragemöglichkeiten vorspielt. Erfolgt anschließend eine Richtigstellung, tragen die Informationshändler die Verluste. Die Folgen für die Informationseffizienz dürften ebenso negativ sein wie bei der Mitteilung einer falschen fundamentalwertbezogenen Information. bb) Falsche Informationen über den Ursprung der Order Barclays hat jedoch weder falsche fundamentalwertbezogene noch falsche Informationen über die Orderlage in seinem System486 veröffentlicht, sondern den Ursprung der ausgeführten Ordern und die Anwesenheit eines äußerst aggressiven Händlertyps falsch dargestellt. Auch eine solche Information beeinflusst aber die Entscheidungsprozesse von Informationshändlern und letztlich den Preis im Dark Pool. Dafür muss man sich nunmehr auf die zweite Ebene der Entscheidungsfindung eines informierten Anlegers begeben: Will dieser einen großen Aktienblock verkaufen, stehen ihm mehrere außerbörsliche Handelsorte zur Verfügung, zwischen denen er auswählen muss.487 Seine entscheidenden Kriterien für die Wahl eines Handelssystems sind ein hoher Grad an Liquidität und Anonymität sowie die Vermeidung einer Preisbeeinflussung.488 Hochfrequenzhändler spenden zwar wertvolle Liquidität, können diese aber durch das Ändern von Ordern auch sofort wieder abziehen.489 Ferner können sie durch Ping-Ordern eine große Order identifizieren und deren Ausführung verteuern. Ist ein Dark Pool voller Hochfrequenzhändler, steigt das Risiko eines elektronischen Front Running innerhalb und außerhalb des Dark Pool, sodass spiegelbildlich die Arbitragemöglichkeiten des Blockhändlers sinken. Will der Blockhändler eine große Transaktion ausführen, muss er aber befürchten, dass Hochfrequenzhändler an dem gewünschten Handelsplatz die Ausführung der Order erheblich verteuern werden, wird er ggf. ganz von der Ausführung absehen. Anders formuliert können die Ausführungskosten an einem konkreten Handelsplatz so prohibitiv hoch sein, dass sie die ursprüngliche, in einer fundamentalwert- oder handelsbezogenen Information liegende, Arbitragemöglichkeit vernichten.490 Die Entscheidung, überhaupt zu handeln, und die Entscheidung für einen konkreten Handelsplatz sind auf diese Weise miteinander verknüpft. Dementsprechend sensibel reagieren informerte Anleger auf die Darstellungen der Betreiber von Dark Pools bzgl. der dort vertretenen Händler.491 Wird ein Dark Pool als sichere Zuflucht vor Hochfrequenzhändlern dargestellt, bietet er aus Sicht eines verständigen Anlegers viele Arbitragemöglichkeiten und zieht in der Folge mehr Ordern an als ein mit Unsicherheiten belasteter Dark Pool. Daher ist auch die In486 487
81. 488 489 490 491
Vgl. dazu oben Kap. 4 B. IV. 1. Vgl. zu den einzelnen Schritten; Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 77, Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 81 ff. Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 146. Ausführlich zum Blockhandel oben Kap. 1 A. III. 4. b) und 5. Vgl. People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 864, 870 – 71 (N.Y. Sup. Ct. 2015).
304
Kap. 4: Verhaltenspflichten
formation über den Anteil von Ordern, die von Hochfrequenzhändlern in einem Handelssystem stammen, kursrelevant. cc) Mittelbare Preisbeeinflussung bei Preisreferenzierungssysteme In einem Crossing-Network mit Preisreferenzierungsmechanimus ist die Gefahr eines elektronischen Front Running insofern gemindert, als Hochfrequenzhändler den Ausführungspreis des Dark Pool nicht durch eigenen Handel innerhalb des Systems beeinflussen können. Gehen scheinbar keine Arbitragemöglichkeiten verloren, liegt es fern, der Präsenz von Hochfrequenzhändlern (und einer entsprechenden Falschdarstellung) eine Kurzrelevanz beizumessen. Allerdings können Hochfrequenzhändler auch bei Preisreferenzierungssystemen zumindest mittelbar auf den Kurs des jeweiligen Finanzinstruments Einfluss nehmen. Dazu brauchen sie lediglich mehrere Ping-Ordern im Dark Pool abzugeben. Werden diese ausgeführt, können sie aus der Orderausführung auf eine große Order auf der Gegenseite schließen. Sodann können sie ihre Ordern an der Börse anpassen und neue Ordern abgeben.492 Infolge des elektronischen Front Running verändert sich der Preis an der Börse. Da der Dark Pool auf den Börsenpreis referenziert, ändert sich zwangsläufig auch der Preis innerhalb des Dark Pool. Dadurch verteuert sich dort die Ausführung der Blockorder für den Blockhändler.493 Da er diese Preisbeeinflussung vermeiden möchte, legt der Blockhändler Wert darauf, dass seine Order nicht innerhalb des Dark Pool mit den Ordern von Hochfrequenzhändlern in Kontakt kommt. Er wird daher die Orderausführung in preisreferenzierenden Systemen davon abhängig machen, ob Hochfrequenzhändler Zugang zu dem jeweiligen System haben. Folglich stellt auch die (Falsch-)Darstellung des Anteils von Hochfrequenzhändlern am Handel in preisreferenzierenden Systemen eine kursrelevante Information dar. c) Verbindung zu einem Geschäft mit Finanzinstrumenten Barclays hatte in dem Verfahren vor dem Supreme Court von New York die Position vertreten, die Falschinformation müsse sich auf die für einen Anleger relevanten Spezifika einer Transaktion selbst beziehen, namentlich die Auswahl eines bestimmten Finanzinstruments, dessen Preis und den Umfang der Transaktion.494 Eine Information, die die separate Entscheidung über die Wahl eines bestimmten Handelsplatzes betreffe, entbehre dagegen jeglicher Beziehung zu einer Transaktion. Daher falle sie nicht in den Anwendungsbereich von § 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law. Diese Auffassung wirkt wie ein Filter: Aus der soeben definierten Menge kursrelevanter Informationen werden all solche herausgenommen, die aus Sicht eines 492
Dazu ausführlich oben: Kap. 1 C. IV. 2. a) cc) (2). Vgl. oben Kap. 1 C. IV. 2. a) cc) (2). 494 So und im Folgenden: People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 869 (N.Y. Sup. Ct. 2015). 493
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur
305
verständigen Anlegers nicht die erste Entscheidungsebene, die Entscheidung überhaupt zu handeln, betreffen. Positiv formuliert: Handelsbezogene Informationen fallen nur dann unter den Martin Act, soweit sie die Entscheidung des Anlegers beeinflussen, zu welchen Konditionen er handeln will. Ob dieses enge Verständnis zutreffend ist, ist per Auslegung zu ermitteln. aa) Wortlaut von § 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law Der Wortlaut von § 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law ist insofern weit formuliert, als er auch die nur versuchte Beeinflussung oder Förderung des Kaufs oder Verkaufs von Finanzinstrumenten erfasst.495 Einerseits lässt sich im Sinne von Barclays argumentieren, dass die Norm nur solche Falschdarstellungen erfasst, welche die Entscheidung, überhaupt zu bestimmten Konditionen zu handeln, betreffen. Die Informationen über den Handelsplatz beeinflussen erst die nachgelagerte Entscheidungsebene der Wahl des richtigen Ausführungsortes. Allerdings beeinflussen auch Informationen über einen Handelsplatz die Anlagestrategie: Muss der Anleger davon ausgehen, dass die Durchführung der geplanten Transaktion durch eine hohe Präsenz von Hochfrequenzhändler erheblich verteuert wird, ändert er ggf. die Parameter oder sieht gänzlich von der Durchführung ab.496 Die Information über die Händlerstruktur an einem Handelsplatz kann also zu einem nachträglichen Wegfall des Entschlusses, überhaupt zu handeln, führen. Umgekehrt bestärkt die (Falsch-)Darstellung der Händlerstruktur einen Anleger darin, seine Transaktion an einem bestimmten Handelsplatz zu den ursprünglich geplanten Konditionen durchzuführen. Aus Sicht des verständigen Anlegers bildet die Entscheidung für einen bestimmten Handelsplatz zeitlich den nächsten Schritt auf dem Weg zum Abschluss eines Geschäfts.497 Insofern steht eine Information über einen Handelsplatz sogar in einem engeren Zusammenhang zur endgültigen Transaktion als die Information über den Wert des Finanzinstruments. Da § 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law auch das Verleiten und Fördern von Transaktionen durch falsche Darstellungen erfasst, steht der Wortlaut einem weiten Auslegungsverständnis im Sinne des Supreme Courts von New York498 nicht entgegen. bb) Vergleich mit Rule 10b-5 Weiteren Aufschluss bietet ein Vergleich mit dem sehr ähnlich formulierten Merkmal der „Verbindung zu einem Kauf oder Verkauf“ („in connection with the purchase or sale of any security“) von Rule 10b-5. Das bisweilen als „Transactional 495
§ 352-c. Prohibited acts constituting misdemeanor; felony 1. (…) where engaged in to induce or promote the issuance, distribution, exchange, sale, negotiation or purchase within or from this state of any securities or commodities, (…). 496 Vgl. People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 870 – 71 (N.Y. Sup. Ct. 2015). 497 Vgl. Gomber, Elektronische Handelssysteme, 2000, S. 77, 81. 498 People v. Barclays Capital Inc., 47 Misc. 3d 862, 870 – 71 (N.Y. Sup. Ct. 2015).
306
Kap. 4: Verhaltenspflichten
Nexus Requirement“499 bezeichnete Erfordernis war bereits Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen.500 Den Anfangspunkt markiert die berühmte Entscheidung SEC v. Texas Gulf Sulphur501. In dieser stellte das Berufungsgericht für den zweiten Bezirk darauf ab, dass ein verständiger Anleger durch eine falsche Mitteilung zum Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments bewegt werde.502 Einige US-amerikanische Gerichte haben daraus den Schluss gezogen, dass jede Veröffentlichung einer kursrelevanten Information ausreiche, um die notwendige Verbindung zu einer Transaktion herzustellen.503 Der U.S. Supreme Court hat mehr Verwirrung denn Klarheit geschaffen, indem er konstatierte, dass die manipulative Handlung die Transaktion „berühren“504 müsse.505 All diese Entscheidungen betrafen jedoch (falsche) fundamentalwertbezogene Informationen, die der jeweilige Emittent des Finanzinstruments veröffentlicht hatte. Geht es dagegen um Falschdarstellungen Dritter, haben US-amerikanische Gerichte große Schwierigkeiten zu begründen, warum die erforderliche Verbindung zu einer Transaktion besteht oder fehlt.506 Dies zeigt sich namentlich in jenen Fällen, in denen ein Broker falsche Informationen an seinen Kunden weitergibt:507 Während manche Bundesgerichte fordern, dass sich die Informationen auf den Fundamentalwert eines Finanzinstruments beziehen müssen508, lassen andere auch Falschdarstellungen bzgl. der Ausführungsmodalitäten einer Transaktion ausreichen.509 499
T. Moloney, 53 Santa Clara L. Rev. 767, 768 (2014). Konzise Darstellung der Entwicklung der US-amerikanischen Rspr. bei T. Moloney, 61 Clev. St. L. Rev. 101, 108 ff. (2013). 501 Sec. & Exch. Comm’n v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833 (2d Cir. 1968). 502 Sec. & Exch. Comm’n v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 860 (2d Cir. 1968): „(…) [Congress] intended only that the device employed, whatever it might be, be of a sort that would cause reasonable investors to rely thereon, and, in connection therewith, so relying, cause them to purchase or sell a corporation’s securities.“ 503 Siehe etwa In re Ames Dep’t Stores Inc. Stock Litig., 991 F.2d 953, 965 – 66 (2d Cir. 1993); Semerenko v. Cendant Corp., 223 F.3d 165, 176 (3d Cir. 2000); S. E.C. v. Rana Research, Inc., 8 F.3d 1358, 1362 (9th Cir. 1993). 504 Superintendent of Ins. of State of N. Y. v. Bankers Life & Cas. Co., 404 U.S. 6, 12 – 13, 92 S. Ct. 165, 169 (1971): „The crux of the present case is that Manhattan suffered an injury as a result of deceptive practices touching *13 its sale of securities an an investor.“ 505 T. Moloney, 53 Santa Clara L. Rev. 767, 768 f., 776 (2014). Vgl. dazu auch Fletcher, 16 Pepp. L. Rev. 913, 937, 923 ff. (1989). 506 Fletcher, 16 Pepp. L. Rev. 913, 937, 939 (1989). 507 Überblick bei Fletcher, 16 Pepp. L. Rev. 913, 939 f. (1989). 508 Chem. Bank v. Arthur Andersen & Co., 726 F.2d 930, 943 (2d Cir. 1984); Saxe v. E.F. Hutton & Co., 789 F.2d 105, 108 – 09 (2d Cir. 1986); Nevitsky v. Manufacturers Hanover Brokerage Servs., 654 F. Supp. 116, 119 n. 12 (S.D.N.Y. 1987): „A misrepresentation concerning the mechanics of a securities transaction, without particular regard to the nature of the securities themselves, is not actionable under section 10(b) (…)“ 509 A. T. Brod & Co. v. Perlow, 375 F.2d 393, 396 – 97 (2d Cir. 1967): „Neither § 10(b) nor Rule 10b-5 contains any language which would indicate that those provisions *397 were intended to deal only with fraud as to the ,investment value‘ of securities (…)“; Arrington v. 500
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur
307
Angesichts dieser unbefriedigenden Rechtslage wird im US-amerikanischen Schrifttum für eine teleologische Auslegung plädiert510 : Die erforderliche Verbindung zu einer Transaktion bestehe (nur) dann, wenn das jeweilige Verhalten einem der beiden Zwecke von Rule 10b-5 zuwiderlaufe. Rule 10b-5 schütze einerseits die Erwartungen eines (einzelnen) Anlegers bzgl. einer Transaktion. Andererseits solle das Vertrauen in den Kapitalmarkt als Ganzes bewahrt werden, indem als unfair empfundene Verhaltensweisen verboten werden. Ein Gericht solle insbesondere untersuchen, inwieweit eine Partei dasjenige aus einer Transaktion erhalten habe, was sie zuvor (aufgrund der Falschdarstellung der anderen Partei) erwartet habe. Nach diesem Maßstab weisen Falschdarstellungen über Hochfrequenzhändler in einem Dark Pool die notwendige Verbindung zu einer Transaktion auf. Denn aufgrund dieser Falschdarstellung geht der einzelne Nutzer davon aus, dass er seine Order ausführen kann, ohne dass es durch die Hochfrequenzhändler zu einer erheblichen Verteuerung kommt. Wird die Order im Dark Pool ausgeführt und betreiben die dort anwesenden Hochfrequenzhändler ein elektronisches Front Running, verteuert sich die Orderausführung jedoch. Zwar erhält der einzelne Händler genau jene Transaktion, die er sich gewünscht hatte. Jedoch hat sich der entscheidende Parameter – der Preis – zwischenzeitlich zu seinem Nachteil verändert. Dies trifft besonders Informationshändler, weil jene zunächst von einer Arbitragemöglichkeit ausgegangen sind, diese aber durch die Hochfrequenzhändler wieder verlieren. Dadurch können sie nicht den (vollen) Wert ihrer Information nutzen. Der Effekt dürfte vergleichbar sein mit dem Fall, dass ein Informationshändler eine Handelsposition einnimmt und eine spätere falsche Meldung des Emittenten den Kurs weg vom berechneten Wert bewegt511. In beiden Fällen kann der Informationshändler die Differenz zwischen wahrem Wert und Preis nicht für seinen Handel nutzen. Daher sollte eine entsprechende Falschdarstellung unter das Verbot fallen. Da das Verbindungserfordernis von § 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law weiter formuliert ist als jenes von Rule 10b-5 und der Martin Act extensiv ausgelegt wird512, dürfte dieser Verbotstatbestand erst recht erfüllt sein. d) Vertrauen der Anleger Das Bundesbezirksgericht verneinte in seiner Barclays LX-Entscheidung das – gem. Rule 10b-5 erforderliche – Vertrauen der Anleger in die Falschdarstellung.513 Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith, Inc., 651 F.2d 615, 619 (9th Cir. 1981); Angelastro v. Prudential-Bache Sec., Inc., 764 F.2d 939, 942 (3d Cir. 1985); Corbey v. Grace, 605 F. Supp. 247, 252 (D. Minn. 1985). 510 So und im Folgenden: Fletcher, 16 Pepp. L. Rev. 913, 978 f. (1989). 511 Dazu Goshen/Parchomovsky, 55 Duke J. L. 711, 742 (2006). 512 Sgambati, 49 Colum. J. L. Soc. Probs. 585, 594 f. (2015 – 2016); vgl. People v. Federated Radio Corp., 154 N.E. 655, 657 (N.Y. 1926). 513 In re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig., 126 F. Supp. 3d 342, 365 (S.D.N.Y. 2015).
308
Kap. 4: Verhaltenspflichten
Auch diese Entscheidung erweist sich als fehlerhaft. Denn die fraud-on-the-markettheory nimmt an, dass uninformierte Anleger neue Informationen am Kapitalmarkt nicht selbst wahrnehmen, sondern (nur) Informationshändler diese wahrnehmen und in den Preis einarbeiten.514 Dieses zweistufige Modell muss man konsequent auf die Falschdarstellungen bzgl. Barclays LX anwenden: Auf der ersten Stufe stehen alle jene (informierten) Händler, welche auf der Suche nach einem Handelsplatz sind, der frei von Hochfrequenzhändlern ist. Diese Händler nehmen die Aussage des Handelsplatzbetreibers tatsächlich selbst wahr und geben in der Folge Ordern in dessen Handelssystem ein. Wüssten sie von den dort vertretenen zahlreichen Hochfrequenzhändlern, würde sie ihre Ordern entweder ändern oder den Dark Pool ganz verlassen. In jedem Fall würden sie eine andere Anlageentscheidung treffen als jene, zum gegenwärtigen Preis innerhalb des Dark Pool zu handeln. Damit vertrauen diese Händler auf die vom Handelsplatzbetreiber veröffentliche falsche Information selbst. Zugleich bildet sich innerhalb des Dark Pool ein Preis, der die Information über das Risiko, dass man an diesem Handelsplatz auf Hochfrequenzhändlern trifft, nicht abbildet. Auf der zweiten Stufe stehen sodann all jene Händler, die der Information über den Anteil von Hochfrequenzhändlern am Handel im Dark Pool keine Bedeutung zumessen. Diese Händler nehmen die Falschdarstellung des Handelsplatzbetreibers nicht wahr und sind daher auf die Vermutungsregeln der fraud-on-the-market-theory angewiesen, um ihr Vertrauen nachzuweisen. Sie müssen vor allem beweisen, dass sich ein anderer Preis im Dark Pool gebildet hätte, wenn der Betreiber den Anteil der Hochfrequenzhändler am Handel richtig dargestellt hätte.515 Da die Abwesenheit von Hochfrequenzhändlern ein entscheidendes Kriterium bei der Wahl eines Dark Pool ist, werden jedoch die meisten Händler die Falschdarstellungen selbst wahrnehmen. Folglich befinden sich nur wenige Händler auf dieser zweiten Stufe. Da die meisten Händler auf die Falschdarstellungen von Barclays LX vertraut haben dürften, ist dem Bundesbezirksgericht daher zu widersprechen. 5. Schlussfolgerung: Unterschiedliche Ansätze im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Die im US-amerikanischen System der Börsenaufsicht angelegte Konkurrenz von bundesstaatlichen und einzelstaatlichen Regulierern und Gerichten führt hinsichtlich des Umgangs mit Falschdarstellungen über einen Dark Pool zu teilweise widersprüchlichen Ansichten. Diese lassen sich in der folgenden Tabelle zusammenfassen.
514
679 ff.
Ausfühlich zur Entwicklung und Kritik an der Theorie: Klöhn, ZHR 178 (2014), 671,
515 Mit Halliburton II hat sich der Supreme Court dem Konzept der Preiskausalität stark angenähert, vgl. Klöhn, ZHR 178 (2014), 671, 690 f.
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur
309
S. D. N. Y. Court
Supreme Court von NY
SEC
Falschdarstellung
-
+
+
Kursrelevanz
Wohl –
+/–
+
Bzgl. Transaktion
Wohl –
+
+
Vertrauen
–
n/a
n/a
Sanktion daher
–
+
+
III. Kein Verstoß gegen das europäische Marktmanipulationsverbot Zwar treffen in Europa ebenfalls verschiedenen Rechtstraditionen und Regulierungsphilosophien aufeinander. Allerdings existiert mit der Marktmissbrauchsverbot nunmehr eine einheitliche Verordnung gegen den Marktmissbrauch, über dessen Auslegung in letzter Instanz und für alle Mitgliedstaaten verbindlich der EuGH entscheidet. Es wird sich zeigen, dass der Dark Pool-Betreiber nicht gegen das Verbot der Marktmanipulation verstößt, wenn er den Anteil von Hochfrequenzhändlern an den abgeschlossenen Geschäften im eigenen System falsch darstellt, Artt. 15, 12 Abs. 1 lit. c) MAR. Zu Illustrationszwecken sei angenommen, dass sich der Fall Barclays LX genauso in Europa ereignet hätte. 1. Die Tatbestände des Art. 12 Abs. 1 MAR Für eine handelsgestützte Marktmanipulation wird der Abschluss eines Auftrages oder die Eingabe einer Order vorausgesetzt. Gibt der Betreiber eines Dark Pools aber, wie im Falle Barclays LX, lediglich falsche Informationen über die Zusammensetzung der Marktteilnehmer heraus, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Eine handelsgestützte Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR scheidet daher aus. Der Tatbestand der Manipulation eines Referenzwertes in Art. 12 Abs. 1 lit. d) MAR ist auf Referenzwerte wie den LIBOR zugeschnitten.516 Da der Betreiber des Dark Pool auf solche Werte jedoch keinen Einfluss nimmt, scheidet auch dieser Tatbestand aus. Übrig bleibt damit nur noch der Tatbestand der informationsgestützten Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR.517 Dieser enthält zwei Varianten:
516 Schmolke, AG 434, 437, 442; vgl. auch Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 171. 517 Der Rückgriff auf die „andere Handlung“ nach Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR ist versperrt, vgl. dazu Anschütz/Kunzelmann, Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 14 Rn. 16.
310
Kap. 4: Verhaltenspflichten
(1) Es wird ein falsches oder irreführendes Signal bzgl. des Angebots, der Nachfrage oder des Kurses eines Finanzinstruments gegeben oder dies ist zumindest wahrscheinlich. (2) Es wird ein anormales oder künstliches Kursniveau bzgl. eines oder mehrerer Finanzinstrumente herbeigeführt oder dies ist zumindest wahrscheinlich, insbesondere durch die Verbreitung falscher Gerüchte.
2. Falsches oder irreführendes Signal bzgl. Angebot und Nachfrage Ein Signal i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR ist jedes Erklärungszeichen, dem eine Bedeutung entnommen werden kann.518 Irreführend ist es dann, wenn es eine Fehlvorstellung bei einem verständigen Anleger hervorruft.519 Dies ist auch dann der Fall, wenn die Art und Weise der Präsentation einer Information eine Fehlvorstellung auslösen kann.520 Da im Grunde jede Information ein Signal für Angebot und Nachfrage enthalten kann und ein verständiger Anleger jede Information berücksichtigt, die ihm Arbitragemöglichkeiten verschafft,521 ist der Tatbestand sehr weit gefasst.522 Anders als Rule 10b-5 und § 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law setzt Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR ferner nicht voraus, dass die Information im Zusammenhang mit einem konkreten Geschäft über ein Finanzinstrument stehen muss. Vielmehr ist die Tat beendet, sobald es zu einer Einwirkung auf Angebot, Nachfrage oder Preis des jeweiligen Finanzinstruments gekommen ist.523 Es sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden, in denen das Verbot informationsgestützter Marktmanipulation Anwendung finden kann. a) Falsche Darstellung der Orderlage Der Betreiber eines Handelsplatzes kann sein System zunächst in einer Weise präsentieren, als ob dort mehr Ordern abgegeben und mehr Geschäfte abgeschlossen werden als dies tatsächlich der Fall ist. Dadurch spielt er den Marktteilnehmern ein höheres Liquiditätsniveau und bessere Ausführungsmöglichkeiten für deren Ordern 518 Anschütz/Kunzelmann, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 14 Rn. 18. 519 Anschütz/Kunzelmann, Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 14 Rn. 18; Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 261. Zum Begriff der unrichtigen und irreführenden Angabe im alten Recht, vgl. Stoll, in: KöKo-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 180, 182; Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 20a Rn. 62. 520 Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 261. 521 Zur Erinnerung: Der verständige Anleger ist ein Informationshändler. Zur Kursrelevanz handelsbezogener Informationen siehe oben Kap. 4 A. II. 3. f) aa). Vgl. auch Schmolke, in: Klöhn (Hrsg.), MMVO, Art. 12 Rn. 258. 522 Teigelack, in: Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. MarktmissbrauchsR, 2018, § 13 Rn. 38. 523 Sorgenfrei/Salinger, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2017, Kommentierung zu §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG i.V.m. Art. 15, 12 MAR Rn. 334.
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur
311
vor. In gewisser Weise ähnelt der Handelsplatzbetreiber dann einem Emittenten, welcher falsche (fundamentalwertbezogene) Informationen veröffentlicht. Informierte (Block-)Händler werden sich von der falschen handelsbezogenen Information über die Orderlage fehlleiten lassen, weil sie ihre Ordern möglichst kostengünstig524 ausführen lassen wollen. Dementsprechend werden sie mehr oder andere Ordern im System abgeben als sie es bei Kenntnis der wahren Angebots- oder Nachfragelage täten. Da Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR keine Verbindung zu einem konkreten Wertpapiergeschäft voraussetzt, sondern es allein auf die Perspektive des verständigen Anlegers und die (mögliche) Änderung der Orderlage ankommt, stellen sich die für die US-amerikanische Manipulationsverbote diskutierten Fragen525 nicht in gleicher Weise. Vielmehr besteht für einen verständigen Anleger der bereits beschriebene Nexus: Die Entscheidung, überhaupt zu handeln und die Entscheidung, an einem konkreten Handelsplatz zu handeln, hängen eng miteinander zusammen.526 Kann ein Informationshändler an einem Handelsort mehr (große) Ordern ausführen lassen und dadurch mehr Arbitragemöglichkeiten ausnutzen, wird er sich im Zweifel für den ersten Handelsort entscheiden. Infolgedessen wird sich die Orderlage verändern. Folglich stellt die falsche Darstellung der Orderlage eine gem. Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR verbotene informationsgestützte Marktmanipulation dar. b) Falsche Darstellung des Anteils von Hochfrequenzhändlern an der Orderlage Der Betreiber eines Handelssystems kann die Orderlage auch richtig darstellen, dabei jedoch verschweigen, dass ein erheblicher Anteil der abgegebenen Ordern von Hochfrequenzhändlern stammt. Eine solche Darstellung ist irreführend, weil sie bei (informierten) Händlern den Eindruck erweckt, die abgegebenen Ordern stünden ihnen als Ausführungsmöglichkeiten für ihre eigenen Ordern zur Verfügung. Tatsächlich ist die Zahl verfügbarer Gegenordern und damit das Liquiditätsniveau aber deutlich geringer, weil die überwältigende Mehrheit der von den Hochfrequenzhändlern abgegebenen Ordern schnell wieder gelöscht wird und gar nicht zur Ausführung kommt.527 Bewirbt der Systembetreiber seine Handelsplattform zudem als frei von Hochfrequenzhändlern, wird ein verständiger Anleger im Vertrauen auf ein hohes Niveau echter Liquidität seine Ordern in dieses System leiten, sodass sich die Orderlage dort ändert. Damit fällt auch dieses Verhalten unter das Verbot von Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR. 524
Zu den ökonomischen Hintergründen siehe oben Kap. 1 A. V. 1. Siehe oben Kap. 4 C. II. 4. b). 526 Siehe oben Kap. 4 C. II. 4. b) bb). 527 IOSOCO, Regulatory Issues, CR02/11, 2011, S. 21; Davies/Sirri, The Economics of Trading Markets, in: Fox et al. (Hrsg.), Securities Market Issues for the 21st Century, 2018, S. 172 f. 525
312
Kap. 4: Verhaltenspflichten
c) Falsche Darstellung des Ursprungs der ausgeführten Ordern Im Fall Barclays LX liegt das Problem darin, dass Barclays die Orderlage selbst richtig darstellt, aber den wahren Anteil von Hochfrequenzhändlern an den abgeschlossenen Geschäften unterschlägt. Die entscheidende Auslegungsfrage lautet, ob die Begriffe Angebot und Nachfrage i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. c) Alt. 1 MAR sich auch darauf beziehen, wer innerhalb des Handelssystems zum echten Angebot und der echten Nachfrage bzgl. eines Finanzinstruments beiträgt. Diese Frage ist bisher nicht diskutiert worden.528 Die Gesetzeslage ist denkbar dünn: Annex I der MAR listet allein Indikatoren für eine handelsgestützte Marktmanipulation auf, während § 2 Abs. 3 MaKonV allein fundamentalwertbezogene Informationen aufzählt, die eine informationsgestützte Manipulation begründen können. Ausgangspunkt einer Auslegung von Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR ist erneut der verständige Anleger. Sinn und Zweck des Marktmanipulationsverbots ist es, dafür zu sorgen, dass Informationshändler nicht eine aufwendige Verifikation neuer Informationen durchführen müssen und dem Risiko ausgesetzt sind, dass sich Preise zu ihren Ungunsten verschieben.529 Außerdem führt das Risiko einer Marktmanipulation dazu, dass Liquiditätsspender (wie Marktmacher) ihre Geld-Brief-Spanne weiten, um sich dagegen abzusichern; dadurch sinkt die Liquidität.530 Umso weniger Hochfrequenzhändler in einem Handelssystem aktiv sind, desto besser sind die Arbitragemöglichkeiten eines Informationshändlers.531 Ein Informationshändler differenziert daher zwischen jener Liquidität, die von Hochfrequenzhändlern stammt und solcher, welche andere (uninformierte) Händlern bereitstellen. Für ihn ist daher nicht nur die Kenntnis von Angebot und Nachfrage im Allgemeinen relevant. Ebenso wichtig ist für ihn, die Art von Händler zu kennen, von dem Angebot und Nachfrage stammen.532 Behauptet ein Dark Pool-Betreiber, in seinem System seien kaum Hochfrequenzhändler präsent, ist dies aber tatsächlich der Fall, bewertet ein Informationshändler die dortige Liquidität positiver als es der Wahrheit entspricht. Entscheidet er sich deswegen für die Ausführung seiner Order an diesem Handelsplatz, wird er durch Hochfrequenzhändler übervorteilt. Hätte der Informationshändler von der Anwesenheit der Hochfrequenzhändler gewusst, hätte er von der Orderausführung in dem konkreten Handelssystem abgesehen. Demnach schädigt es den Informationshändler auch, wenn der Betreiber die Orderlage zwar richtig darstellt, aber behauptet, Angebot und Nachfrage seien nicht (oder kaum) von Hochfrequenzhändlern beeinflusst. Informationen über einen Handelsplatz spielen damit eine 528 Kasiske geht auf Falschdarstellungen der Dark-Pool-Betreiber ein, untersucht einen Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot aber nicht, vgl. Kasiske, BKR 2014, 454, 457 f. 529 Goshen/Parchomovsky, 55 Duke J. L. 711, 741 f. (2006). 530 Fox/Glosten/Rauterberg, 35 Yale J. on Reg. 67, 102 (2018). 531 Vgl. oben Kap. 4 C. II. 4. b) bb). 532 Vgl. Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 244 (2015). Zwar stellen die Autoren auf die uninformierten Händler ab. Man darf aber davon ausgehen, dass ein informierter Blockhändler mit Hochfrequenzhändlern erst recht nicht in Kontakt kommen möchte.
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur
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wichtige Rolle für die Bewertung533 der Handelsmöglichkeiten bzgl. eines Finanzinstruments. Dies spricht dafür, die Begriffe von Angebot und Nachfrage i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. c) Alt. 1 MAR weit auszulegen. Allerdings enthält der Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 lit. c) Alt. 1 MAR keinerlei Hinweis darauf, dass auch die falsche Darstellung des Ursprungs tatsächlich existierender und ausgeführter Ordern erfasst wird. Die Norm ist darauf ausgerichtet, falsche oder irreführende Signale zu verbieten, welche sich auf die Quantität von Aufträgen und das Kursniveau beziehen und auswirken. Dagegen findet sich keinerlei Hinweis darauf, dass auch Signale bezüglich der Qualität der tatsächlich genutzten Liquidität, also die Orderausführung534 durch Hochfrequenzhändler, informierte und uninformierte Händler, erfasst werden sollen. Da das Verbot der Markmanipulation im Falle einer Preiseinwirkung strafbewehrt ist, darf die Wortlautgrenze nicht überschritten werden, vgl. Art. 15 MAR, § 120 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 15 Nr. 2 WpHG n.F., § 119 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpHG n.F. Ferner greift der deutsche Bestimmtheitsgrundsatz gem. Art. 103 Abs. 2 GG. In systematischer Hinsicht ist außerdem zu beachten, dass eine handelsgestützte Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a) und lit. b) MAR stets die Vornahme eines Geschäfts oder Eingabe eines Auftrages erfordert, welches ein falsches Signal aussendet. Geht man vom Grundsatz der Modalitätenäquivalenz aus, muss bei der informationsgestützten Marktmanipulation die falsche Information ebenso wirken wie die Vornahme des Auftrages oder Geschäfts bei der handelsgestützten Marktmanipulation. Dies spricht dafür, nur solche Informationen zu erfassen, welche aus sich heraus unmittelbar ein falsches Signal bzgl. Angebot oder Nachfrage eines Finanzinstruments geben.535 Für die Falschdarstellungen über die Händlerstruktur in einem Handelssystem lässt sich dies nur schwer bejahen. Denn der Betreiber gibt die tatsächliche Orderlage und die abgeschlossenen Geschäfte ja richtig wieder. Alle Marktteilnehmer können nachvollziehen, wie viele Transaktionen zu welchem Preis zustande gekommen sind. Angesichts der zutreffenden Zahlen zur tatsächlich vorhandenen Liquidität im System können sie ihre eigenen Ausführungsmöglichkeiten bestimmen. Insgesamt ist daher ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR abzulehnen.
533 Anders als § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG a.F. fordert die MAR nicht, dass die Umstände bewertungserheblich sind. Vgl. zur alten Rechtslage: Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 20a Rn. 68 ff. 534 Hier geht es um die tatsächlich abgeschlossenen Geschäfte. Wird der Anteil der Hochfrequenzhändler an den abgebenenen Ordern irreführend oder falsch dargestellt, kommt eine Marktmanipulation in Betracht, weil die Zahl tatsächlich verfügbarer Gegenordern deutlich geringer ist als es den Anschein hat, vgl. oben Kap. 4 C. III. 2. b). 535 Vgl. Schmolke, AG 2016, 434, 441 f.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
d) Bildung eines künstlichen Kursniveaus, Art. 12 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 MAR Daneben kommt ein Verstoß gegen das Verbot, ein künstliches Kursniveau (wahrscheinlich) herbeizuführen, in Betracht, Art. 12 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 MAR. Die Betreiber von Dark Pools, welche Preisreferenzierungsmechanismen nutzen, können nicht unter diesen Verbotstatbestand fallen, weil sie Preis gar nicht selbst feststellen, sondern nur den Börsenpreis importieren. In ihrem eigenen System kann sich daher kein künstliches Kursniveau bilden. Für Dark Pools, die Preise selbst feststellen, lässt sich an dieser Stelle die gleiche Argumentation wie im US-amerikanischen Recht536 anführen: Wüssten die (Informations-)Händler um die vielen Hochfrequenzhändler im System, würden sie sich einen anderen Dark Pool suchen. Da dadurch Liquidität verloren ginge, würde sich innerhalb des Systems die Geld-Brief-Spanne ändern und sich infolgedessen ein anderer Kurs bilden. Allerdings bildet sich dieser Kurs auf der Grundlage der (wahren) Handelsinteressen aller Nutzer des Dark Pool. Kein Händler gibt Ordern ein, die durch externe Informationen verzerrt werden. Allenfalls konkurrieren die Informationshändler aggressiver um die Bereitstellung von Liquidität,537 weil sie sich keiner Konkurrenz durch Hochfrequenzhändler ausgesetzt sehen. Eine engere Geld-Brief-Spanne, welche sich aus dem gewöhnlichen Wettbwerb der Liquiditätsspender ergibt, spiegelt die wahren Handelsinteressen wider. Besteht zwischen dem Kurs, der sich bei weiter Geld-Brief-Spanne bilden würde und jenem, der sich bei enger Geld-BriefSpanne bildet, kein wahrnehmbarer Unterschied, lässt sich nicht von einem künstlichen Kursniveau sprechen. Folglich scheidet ein Verstoß gegen diese Variante des Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR ebenfalls aus. 3. Kein Verstoß gegen das deutsche Betrugsverbot Täuscht der Betreiber eines Dark Pool seine Nutzer vorsätzlich darüber, dass in seinem System keine Hochfrequenzhändler aktiv sind, stellt sich im deutschen Recht die Frage nach einer Strafbarkeit wegen Betruges gem. § 263 Abs. 1 StGB. Nimmt der betroffene (Block-)Händler angesichts dieser Darstellung an, vor Hochfrequenzhändlern geschützt zu sein, irrt er sich. Die erforderliche Vermögensverfügung liegt darin, dass der Nutzer des Dark Pool eine Gebühr an den Betreiber entrichten. Für diese Gebühr erhält er freilich als Gegenleistung Zugriff auf das Handelssystem. Der Schaden kann deswegen nur darin bestehen, dass der Nutzer sein Ziel, die kostengünstige Ausführung seiner Order, durch die Interaktion mit den Hochfrequenzhändlern nicht erreichen kann. Wie Kasiske zutreffend darlegt, lässt sich die
536 537
Siehe oben Kap. 4 C. II. 4. B) b) bb). Vgl. dazu oben Kap. 1 A. I. 3. a) und Kap. 1 C. IV. 2. a) bb).
C. Falschdarstellung der Händlerstruktur
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Lehre vom persönlichen Schadenseinschlag538 anwenden.539 Haben Hochfrequenzhändler zudem ein elektronisches Front Running betrieben und hat sich dadurch der Ausführungspreis verteuert, liegt darin ein zusätzlicher Schaden. Allerdings ergeben sich einige dogmatische Schwierigkeiten: Zum einen ist zweifelhaft, ob der Nutzer den durch das elektronische Front Running entstandenen Differenzschaden nachweisen kann.540 Er müsste darlegen können, dass ihm zum Zeitpunkt der Orderausführung ein anderer Handelsplatz mit besseren Handelsbedingungen zur Verfügung gestanden hätte und die Order dort auch hätte ausgeführt werden können. Das wird ihm kaum gelingen. Ferner muss die Vermögensverfügung unmittelbar zum Vermögensschaden führen.541 Liegt die Vermögensverfügung in der Zahlung des Entgelts an den Betreiber, begründet zunächst nur diese Zahlung eine mögliche Vermögensminderung. Dass Hochfrequenzhändler später die Orderausführung verteuern, stellt einen Umstand dar, der nicht auf der Zahlung der Gebühr, sondern auf dem Verhalten Dritter beruht. Zuletzt fehlt es an der Absicht stoffgleicher Bereicherung542 : Der Betreiber des Dark Pools will die Gebür erhalten. Dass der Nutzer einen Nachteil durch die Verteuerung der Orderausführung erleidet, ist nicht sein Ziel. Ferner kommen die aus dem Orderantizipieren erwachsenden Vorteile nicht dem Betreiber, sondern den Hochfrequenzhändlern zugute. Aus diesen Gründen scheidet eine Strafbarkeit nach § 263 Abs. 1 StGB aus.
IV. Schlussfolgerung: Weite US-amerikanische und enge europäische Verbotsnormen Stellt der Betreiber eines Dark Pool die Händlerstruktur in seinem System falsch dar, stellen sich vielfältige und schwierige Rechtsfragen. Die verschiedenen USamerikanischen Marktmanipulationsverbote orientieren sich an der Dogmatik des Betrugstatbestands. Mit dem New Yorker Martin Act steht ein außergewöhnliches einzelstaatliches Verbotsstatut zur Verfügung, dessen beiden zentrale Erfordernisse die falsche oder irreführende Darstellung eines kursrelevanten Umstandes bilden. Da der Betrugstatbestand des § 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law traditionell sehr extensiv ausgelegt wird und keine tatsächliche Kursbeeinflussung erfordert, ist es möglich, auch die Falschdarstellung des Anteils von Hochfrequenzhändlern an abgeschlos538
Vgl. dazu etwa C. Schmidt, NJW 2015, 284; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 263 Rn. 307 ff. 539 So und im Folgenden: Kasiske, BKR 2014, 454, 457 f. 540 Kasiske, BKR 2014, 454, 457 f. 541 BGHSt 6, 115; 14, 170; 50, 175. 542 Dazu BGHSt 6, 115 (116) = NJW 1954, 1008; Hefendehl, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. 2019, § 263 Rn. 895.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
senen Geschäften in einem Dark Pool zu sanktionieren. Dahinter steht die Idee, dass ein verständiger Anleger seine Arbitragemöglichkeiten nicht nur anhand der verfügbaren fundamentalwertbezogenen Information, sondern auch anhand seiner Ausführungsmöglichkeiten an den verschiedenen Handelsplätzen beurteilt. Da ein großer Anteil von Hochfrequenzhändlern am Handel Arbitragemöglichkeiten zunichte machen kann, spielt für den verständigen Anleger die Händlerstruktur in einem konkreten Handelssystem eine wichtige Rolle. Dagegen gestaltet der europäische Gesetzgeber die verbotene Marktmanipulation als reines Marktdelikt aus. Gem. Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR muss eine Information ein falsches oder irreführendes Signal in Bezug auf Angebot, Nachfrage oder Preis aussenden. Da es sich um ein strafbewehrtes Verbot handelt, sind diese Begriffe in dem Sinne eng auszulegen, dass sie sich auf die Quantität, nicht aber auf die Qualität von Angebot und Nachfrage bzgl. eines Finanzinstruments beziehen. Dementsprechend wird die falsche Darstellung der Orderlage durch den Systembetreiber sanktioniert, nicht aber die irreführende Darstellung des Anteils von Hochfrequenzhändlern an tatsächlich im System abgeschlossenen Geschäften. Auch bildet sich kein künstliches Kursniveau, wenn die von den Marktteilnehmern im Dark Pool abgegebenen Ordern deren wahre Handelsinteressen widerspieglen.
D. Informationspflichten bei der Wahl des Dark Pool Viele Anleger unterschätzen und fehlbewerten die Risiken, die der Handel in Dark Pools birgt.543 Zugleich haben Banken ein hohes Interesse daran, Ordern ihrer Kunden zuerst in den hauseigenen Dark Pool und erst anschließend an einen anderen Handelsplatz zu leiten. Der fremde Handelsplatz bietet aber möglicherweise bessere Ausführungsmöglichkeiten als der hauseigene Dark Pool.544 Es bestehen daher eine erhebliche Informationsasymmetrie und ein klassischer Prinzipal-Agent-Konflikt.545 Sowohl das US-amerikanische als auch das europäische Kapitalmarktrecht nutzen die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung, um diesen Konflikt zu entschärfen.546 Die Pflicht zur bestmöglichen Ausführung ist jedoch ohne Nutzen, wenn die Marktteilnehmer, Intermediäre und die Aufsichtsbehörden keine Informationen darüber erhalten, wie die konkreten Handelsbedingungen in einem Handelsplatz aussehen.
543
Vgl. FCA, UK equity market dark pools, TR15/6, S. 16 Rn. 2.19 f. SEC, Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, S. 18 f. 545 SEC, Regulation of NMS Stock Alternative Trading Systems, 83 Fed. Reg. 38768, 38775 f., 38884, 38897 (August 7, 2018). 546 Vgl. ausführlich dazu oben Kap. 2 B. VII. 3. a) aa). 544
D. Informationspflichten bei der Wahl des Dark Pool
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I. Umfangreiche Informationspflichten für OTF-Betreiber Im europäischen Kapitalmarktrecht treffen MTF- und OTF-Betreibern unterschiedliche Informationspflichten. Der Betreiber eines MTF ist gem. Art. 19 Abs. 4 MiFID II umfassend von den in den Art. 24, 25, 27 und 28 statuierten Pflichten befreit. Gem. Art. 18 Abs. 1 Uabs. 2 MiFID II547 ist er lediglich dazu verpflichtet, bei Bedarf Informationen zu veröffentlichen, die Anlegern bei der Beurteilung des Handelsplatzes helfen. Diese Regelung ist insofern sinnvoll, als der MTF-Betreiber nicht als Agent eines Nutzers tätig wird, sondern diesem lediglich eine Dienstleistung anbietet. Ein Austauschverhältnis kann aber kaum jene umfassenden Informationspflichten rechtfertigen, denen Anlageberater unterliegen. Hinzu kommt, dass dem MTF-Betreiber jeglicher Eigenhandel untersagt ist, vgl. Art. 19 Abs. 5 MiFID II. Dadurch ist die Gefahr gebannt, dass der MTF-Betreiber eigene Handelsinteressen über die seiner Nutzer stellt. Oftmals hat er sogar ein eigenes Interesse daran, Informationen über sein System zu veröffentlichen, weil er dadurch weitere Nutzer anlocken kann.548 Dagegen ordnet Art. 20 Abs. 8 MiFID II an, dass die umfangreichen Pflichten der Art. 24, 25, 27 und 28 MiFID II auf (alle) Transaktionen angewendet werden, die in einem OTF abgeschlossen werden. Art. 24 Abs. 3 MiFID II (umgesetzt in § 63 Abs. 6 WpHG n.F.549) verpflichtet Wertpapierdienstleistungsunternehmen, einschließlich SI, dazu, dass sie Informationen über ihre Systeme in eindeutiger und nicht irreführender Form veröffentlichen. Aufschluss darüber, welche Transaktionen in einem OTF gemeint sind, gibt eine Gegenüberstellung mit der Parallelnorm in Art. 19 Abs. 4 MiFID II. Letztere schließt die Anwendbarkeit der Art. 24 ff. MiFID II aus einerseits für Geschäfte, die nach den Regeln des MTF zustande kommen und anderseits für solche, die sich auf die Nutzung des MTF beziehen. Die zweite Variante betrifft also den Zugang zum Handel im MTF, nicht aber die dortigen Transaktionen selbst. Da Art. 20 Abs. 8 MiFID II beide Arten von Geschäft nicht ausnimmt, gelten die Art: 24 ff. MiFID II umfassend für sie. Dies hat erhebliche Folgen für die OTF-Betreiber und SI: Stellen sie etwa den Anteil von Hochfrequenzhändlern in ihren System falsch dar, verstoßen sie (auch) gegen das Irreführungsverbot des Art. 24 Abs. 3 MiFID II.550 Zudem unterliegen sie 547
Die englische Sprachfassung lautet: „Member States shall require that, where applicable, investment firms and market operators operating an MTF or an OTF provide, or are satisfied that there is access to, sufficient publicly available information to enable its users to form an investment judgement, taking into account both the nature of the users and the types of instruments traded.“ Die Vorschrift entspricht der Vorgängerregelung in Art. 14 Abs. 2 Uabs. 2 MiFID I. Zur alten Rechtslage siehe Kumpan, Regulierung, 2006, S. 401 ff. 548 Kumpan, Regulierung, 2006, S. 402 m.w.N. 549 Zur alten Rechtslage siehe Kumpan, Regulierung, 2006, S. 403 f.; Cohn, ZBB 2002, 365, 373. 550 Vgl. zum alten Recht: Kasiske, BKR 2015, 454, 457. Die Vorschrift wird umgesetzt in § 63 Abs. 6 WpHG n.F.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
den gesteigerten Informationspflichten von Art. 24 Abs. 4 lit. b) und c) MiFID II, welche eine ausführliche Kostenaufstellung für die Kunden erfordern. Besonders bemerkenswert ist, dass Art. 25 Abs. 3 MiFID II die OTF-Betreiber und SI dazu verpflichtet zu prüfen, ob die Nutzung des Systems für ihre Kunden angemessen ist. Entspricht das Risikoprofil des Kunden nicht jenem des OTF oder SI, muss dessen Betreiber den Kunden sogar vor der Nutzung warnen, Art. 25 Abs. 3 Uabs. 2 MiFID II. Dieser Mechanismus ist deswegen sinnvoll, weil sich viele Dark Pools in ein OTF oder SI umwandeln werden. Selbst wenn die Betreiber ausführliche Informationen über ihr System bereitstellen, nehmen die Kunden diese selten wahr;551 eine Warnung mag mehr Aufmerksamkeit erhalten.
II. Neue Informationspflichten im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Auf dem US-amerikanischen Kapitalmarkt bestand mit Blick auf die Informationspflichten bis zum Jahr 2018 ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Börsen (exchanges) und den ATS. Während die Börsen umfangreiche Veröffentlichungspflichten gem. Sec. 19(b) SEA Act trafen und treffen552, erfuhren die Nutzer von ATS nicht, auf welche Weise das System Order zusammenführt und welchen Aktivitäten der ATS-Betreiber sonst noch nachgeht.553 Insbesondere erhielten Nutzer keine Informationen darüber, ob der – als Broker-Dealer registrierte – Betreiber zusätzlich im OTC-Markt als Marktmacher oder Dealer aktiv ist. Auch wurden keine Informationen darüber veröffentlicht, ob der Betreiber Ordern internalisiert. Deshalb war es für Nutzer nur sehr schwer nachzuvollziehen, ob der Broker-Dealer in der Tat für ihre Ordern die beste Ausführungsmöglichkeit findet. Ferner waren die Informationen, die Nutzer von einzelnen Systemen erhielt, nicht standardisiert und deswegen nur schwer miteinander vergleichbar.554 Es bestand eine erhebliche Gefahr, dass der Broker-Dealer die Order immer zuerst in sein eigenes System leitet oder gegen eigene Bestände ausführt, obwohl an anderen Handelsplätzen bessere Konditionen verfügbar sind.555
551
Vgl. zu diesem Problem: Fox/Glosten/Rauterberg, 65 Duke L. J. 191, 274 f. (2015). Vgl. SEC Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, S. 15 f. 553 So und im Folgenden: SEC, Regulation of NMS Stock Alternative Trading Systems, 83 Fed. Reg. 38768, 38775 f. (August 7, 2018); SEC, Reg. ATS-N Proposal, , Release No. 3476474, File No. S7-23-15, S. 55, 181 – 183, 507. 554 SEC, Regulation of NMS Stock Alternative Trading Systems, 83 Fed. Reg. 38768, 38886 (August 7, 2018). 555 SEC, Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, S. 181 – 184. 552
D. Informationspflichten bei der Wahl des Dark Pool
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Anders als der europäische Gesetzgeber hat sich die SEC gegen ein striktes Eigenhandelsverbot des Systembetreibers entschieden.556 Ein solches Verbot könne Broker-Dealer davon abhalten, ein eigenes Handelssystem zu betreiben und durch ihren Eigenhandel wertvolle Liquidität zu spenden.557 Stattdessen hat die SEC als weniger invasives Mittel ein umfangreiches Regime an Informationspflichten erarbeitet558 und schließlich erlassen559. Zu den offenzulegenden Umständen zählen danach insbesondere die Zugangsregeln, die Veröffentlichung von Orderinformationen, die Art und Weise der Orderzusammenführung, co-location-Dienstleistungen und das Orderrouting durch den Broker-Dealer.560 Die SEC räumt selbst ein, dass sich die Kosten der Umsetzung dieser Informationspflichten nicht prognostizieren lassen; insbesondere sei unsicher, ob ATS-Betreiber wegen der gestiegenen Regulierungskosten den „Markt für Märkte“ verlassen werden.561 Handelte es sich dabei um solche ATS, die vor allem für Blockhändler attraktiv seien, müssten Blockhändler künftig auf andere Handelsplätze ausweichen. Dort könnten sich für die Blockhändler die Kosten der Orderausführung verteuern.562 Auf der anderen Seite verspricht sich die SEC durch das gesteigerte Transparenzregime eine bessere Vergleichbarkeit der verschiedenen ATS und eine Reduktion der Suchkosten für Marktteilnehmer.563 Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob ein solch weitgehendes Informationspflichtenregime seinen Zweck, die Marktteilnehmer über die Risiken von Dark Pools zu informieren, erreicht oder vielmehr kontraproduktiv ist. Das Phänomen des sog. information overload zählt mittlerweile zu einem der klassischen Themen der Kapitalmarktregulierung564 und beansprucht auch im Kontext der Wahl des Handels556 SEC, Regulation of NMS Stock Alternative Trading Systems, 83 Fed. Reg. 38768, 38775 Fn. 95 (August 7, 2018): „The rules being adopted today would not require a brokerdealer that operates an NMS Stock ATSs to limit it business only to operating the ATS. We believe that the Form ATS-N disclosures will inform market participants about the ATS-related activities of the broker-dealer operator and its affiliates that give rise to potential conflicts between the interests of the broker-dealer operator and subscribers that use the services of the NMS Stock ATS.“ 557 SEC, Regulation of NMS Stock Alternative Trading Systems, 83 Fed. Reg. 38768, 38908 (August 7, 2018). 558 SEC, Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, S. 189 ff. 559 SEC, Regulation of NMS Stock Alternative Trading Systems, 83 Fed. Reg. 38768 (August 7, 2018). 560 Siehe 17 CFR § 242.301(a)(5), 301(b)(2), 301(b)(9), 303, 304(a)(2)(i). 561 SEC, Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, S. 515; SEC, Regulation of NMS Stock Alternative Trading Systems, 83 Fed. Reg. 38768, 38893 (August 7, 2018). 562 SEC, Reg. ATS-N Proposal, Release No. 34-76474, File No. S7-23-15, S. 521 ff. 563 SEC, Regulation of NMS Stock Alternative Trading Systems, 83 Fed. Reg. 38768, 38896 (August 7, 2018). 564 Vgl. etwa Klöhn. Spekulation, 2006, S. 185 ff.; Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 7 ff.; Koch, BKR 2012, 485 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
platzes Geltung. Vor diesem Hintergrund erscheint es diskussionswürdig, ob die SEC im Interesse des Anlegerschutzes nicht ebenfalls eine Warnpflicht oder sogar ein Eigenhandelsverbot der ATS-Betreiber einführen sollte. Zugunsten des SEC-Ansatzes lässt sich anführen, dass eine Standardisierung der Informationsdarstellung die Informationsaufnahme erleichtert. Zudem dürften sich vorrangig institutionelle Anleger für die Funktionsweisen von Handelsplätzen interessieren. Da diese Anleger über erhebliche Ressourcen und ausgefeilte Orderprogramme verfügen, dürfte ihnen auch die Auswertung zahlreicher Informationen leichtfallen.
E. Vorkehrungspflichten der Handelsplatzbetreiber Der deutsche Gesetzgeber verpflichtet die MTF- und OTF-Betreiber ferner dazu, Präventivmaßnahmen565 für den Handel in ihren Systemen zu ergreifen: - Gem. § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG n.F. müssen sie, wie der Betreiber einer Börse, Regelungen zur ordnungsgemäßen Durchführung des Handels und der Preisermittlung sowie zur Verwendung von Referenzpreisen aufstellen.566 Wer diese Regelungen nicht oder nicht in vollem Umfang aufstellt, handelt gem. § 120 Abs. 8 Nr. 55 WpHG n.F. ordnungswidrig. - Gem. § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG n.F. müssen die Betreiber Verfahren implementieren, um sicherzustellen, dass die Regelungen i.S.v. Nr. 2 eingehalten werden und keine Verstöße gegen die Marktmissbrauchsverordnung stattfinden. Werden diese Verfahren nicht implementiert, handelt der Betreiber ordnungswidrig, § 120 Abs. 8 Nr. 56 WpHG n.F. - Gem. § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG müssen die Betreiber Vorkehrungen treffen, um die Preisermittlungen auch bei erheblichen Preisschwankungen sicherzustellen. Wer keine oder nur unzureichende Vorkehrungen trifft, handelt gem. § 120 Abs. 8 Nr. 59 WpHG n.F. ordnungswidrig. Die genannten Ordnungswidrigkeiten können gem. § 120 Abs. 20 S. 1 WpHG n.F. mit Geldbußen in Höhe von bis zu fünf Millionen Euro geahndet werden. Gegenüber einer juristischen Person kann die Buße bis zu 10 % des Gesamtumsatzes des vorherigen Geschäftsjahres betragen, § 120 Abs. 20 S. 2 WpHG n.F. Der deutsche Gesetzgeber baut auf diese Weise eine Drohkulisse für Verstöße der Handelsplatzbetreiber auf. Besondere Bedeutung erlangt § 72 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 WpHG n.F. Er ermöglicht es, für marktmissbräuchliches Verhalten eines Marktteilnehmers am Handelsplatz auch den in der Aufsicht nachlässigen Betreiber zu sanktionieren. 565
Zur alten Rechtslage für Dark Pools siehe Seiffert, Dark Pools, 2010, S. 67 ff. Dadurch wird Art. 18 Abs. 1 MiFID II umgesetzt, vgl. Kumpan/Müller-Lankow, WM 2017, 1777, 1785. 566
F. Zusammenfassung
321
Diese Vorschrift ist weiter gefasst als Sec. 15(g) SEA, welche über die in Rule 301(b)(1) Reg. ATS angeordnete Pflicht zur Registrierung als Broker-Dealer auch für ATS-Betreiber greift567. Denn Sec. 15(g) SEA568 verpflichtet ausweislich des Wortlauts nur dazu, Maßnahmen zu ergreifen, um den Missbrauch von Insiderinformationen durch den Broker oder Dealer selbst oder durch eine diesen nahestehende Person zu verhindern. Nicht sanktioniert wird die mangelhafte Überwachung eines Marktteilnehmers, der in keinerlei Beziehung zum ATS-Betreiber steht und von diesem keine Insiderinformation erhalten hat. Zudem beschränkt sich Sec. 15(g) SEA auf den Missbrauch von Insiderinformationen. Dass ein ATS-Betreiber keine erforderlichen Maßnahmen ergreift, um die Manipulation des Kurses mittels einer falschen kursrelevanten Information durch einen Marktteilnehmer zu verhindern, bleibt ebenfalls ungesühnt. Im Vergleich zur deutschen Regulierung klafft damit eine Lücke im US-amerikanischen Aufsichtsrecht. Diese ist deswegen negativ zu bewerten, weil ATS-Betreiber durch Haftungsregeln dazu angehalten werden, auf die Integrität des Handels zu achten.569 Werden sie für eine nachlässige Überwachung des sich in ihrem System vollziehenden Handels nie zur Rechenschaft gezogen, werden sie auch Händlern mit schlechter Reputation Zugang zum System gewähren und versuchen, negative Effekte auf den Gesamtmarkt umzulenken.570 Eine Haftungsregel wirkt dem entgegen, indem sie dafür sorgt, dass die Handelsplatzbetreiber die von ihnen mit verursachten Nachteile (teilweise) internalisieren müssen.
F. Zusammenfassung Jeder Anleger muss sich darüber im Klaren sein, dass der Handel im Dark Pool nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch erhebliche Gefahren birgt. Sowohl die Betreiber selbst als auch Hochfrequenzhändler haben starke Anreize, Informationen über große verdeckte Ordern zu erlangen und für den Handel auszunutzen. Damit verstoßen sie regelmäßig sowohl gegen das US-amerikanische als auch gegen 567 Shorter/Miller, Dark Pools in Equity Trading, 2014, S. 2; Boskovic/Cerruti/Noel, Comparing Regulations, 2010, S. 9; Banks, Dark Pools, 2. Aufl. 2014, S. 69 ff. SEC, ATS-N Proposal, Release No. 34-76474; File No. S7-23-15, S. 17. 568 15 U.S.C. § 78o – Registration and regulation of brokers and dealers (g) Prevention of misuse of material, nonpublic information Every registered broker or dealer shall establish, maintain, and enforce written policies and procedures reasonably designed, taking into consideration the nature of such broker’s or dealer’s business, to prevent the misuse in violation of this chapter, or the rules or regulations thereunder, of material, nonpublic information by such broker or dealer or any person associated with such broker or dealer. (…) 569 Yadav, 102 Va. L. Rev. 1031, 1091 (2016); dies., Dark Pools and The Decline of Market Governance, S. 59. 570 Yadav, Oversight Failure in Securities Markets, 2018, S. 45 ff.
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Kap. 4: Verhaltenspflichten
das europäische Insiderhandelsverbot. Das von Hochfrequenzhändlern praktitizierte Spoofing stellt eine verbotene Marktmanipulation dar. Stellen Dark Pool-Betreiber die vor allem durch den Hochfrequenzhandel drohenden Risiken für den Handel falsch dar, um Anleger anzulocken, verstoßen sie im US-amerikanischen Recht zumindest gegen das – extensiv ausgelegte – Betrugsverbot des New Yorker Martin Act. Im europäischen Kapitalmarktrecht handelt es sich nicht um eine verbotene informationsgestützte Marktmanipulation. All diese Risiken zeigen, dass Anleger dringend mehr Informationen über Dark Pools benötigen. Während in Europa die OTF-Betreiber erhebliche Informationspflichten treffen, hat die SEC im Jahr 2018 umfangreiche Informationspflichten für ATS-Betreiber statuiert.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 1.
Die Ausführung einer großen Order verursacht besondere Transaktionskosten, die als Marktbeeinflussungskosten bezeichnet werden. Informationshändler und Hochfrequenzhändler vermuten hinter der großen Order des Blockhändlers eine neue Information und gehen daher davon aus, dass für sie das Risiko einer adversen Selektion steigt. Infolgedessen werden sie es vermeiden, eine Gegenposition zum Blockhändler einzunehmen. Zugleich reichen die im Orderbuch vorhandenen Aufträge oder die Quotierungen eines Marktmachers nicht aus, um die gesamte Order zum Preis des besten Kauf- oder Verkaufsgebots auszuführen.
2.
Dark Pools sind Handelssysteme, in denen keine Vorhandelstransparenz und (nahezu) keine Nachhandelstransparenz herrschen. Oftmals findet innerhalb der Systeme keine eigene Preisfeststellung statt, sondern es wird auf den Börsenpreis referenziert. Auf diese Weise können die Marktbeeinflussungskosten erheblich reduziert und zusätzliche Liquidität gespendet werden. Aus Effizienzsicht ist dies zu begrüßen.
3.
In den vergangenen Jahren ist der Anteil der Dark Pools am gewöhnlichen Handel mit Finanzinstrumenten erheblich gestiegen. Dies kann zu verschiedenen Formen von Marktversagen führen. Insbesondere können die Informationshändler geschädigt werden, weil sie keinen Zugang zu den, gerne von uninformierten Händlern genutzten, Dark Pools erhalten. Gewährt man den Informationshändlern Zugang, besteht jedoch die Gefahr, dass sich der Grad der Informationsverarbeitung im hellen Handel erhebliche verringert. Ferner kann der Betreiber des Dark Pool Informationen über die Ordern in seinem System für ein Front Running ausnutzen und dadurch dessen Nutzer schädigen. Diese Nachteile sprechen für eine stärkere Regulierung von Dark Pools.
4.
Unter MiFID II müssen sich Dark Pools für Aktien entweder als Systematischer Internalisierer oder als Multilaterales Handelssystem regulieren lassen. Die neu geschaffene Kategorie der Organisierten Handelseinrichtung (OTF) kann nur für Fremdkapitalinstrumente gewählt werden. Entscheidet sich ein Betreiber für die SI-Kategorie, darf er nicht unter diesem Deckmantel einen multilateralen Handel im funktionalen Sinne betreiben.
5.
Während im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht eine Händlerkategorisierung durch den Betreiber eines ATS zulässig ist, ist dies dem Betreiber eines MTF im europäischen Kapitalmarktrecht wegen des Verbots diskretionärer Regeln zur Orderzusammenführung nicht erlaubt.
324
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
6.
Der Begriff des Ermessens lässt sich im Rahmen der neuen OTF-Kategorie als Entscheidungsfreiheit bzgl. der Orderplatzierung und -zusammenführung definieren. Sie beruht auf der Idee einer Disintermediation: Der OTF-Betreiber ist einerseits Agent seiner Kunden und darf für diese den besten Moment für die Ausführung einer Order abpassen. Andererseits organisiert er den multilateralen Handel. Bei der Entscheidung über die Zusammenführung zweier Aufträge darf er sich von den spezifischen Anweisungen eines Kunden leiten lassen.
7.
Auf dem europäischen Kapitalmarkt wird die Nutzung der Vorhandelstransparenzausnahmen für Referenzpreissysteme und ausgehandelte Transaktionen durch die Einführung des sog. Double Volume Cap Mechanism strikt begrenzt. Es zeichnet sich bereits ab, dass viele Anleger versuchen werden, diese Begrenzung zu umgehen, insbesondere indem sie von einem Handelsplatz zum nächsten ziehen oder strategisch Transparenzausnahmen nutzen, für die die volumenmäßige Begrenzung nicht greift. Demgegenüber werden USamerikanische Handelssysteme, die unterhalb der 5 %-Schwelle von Rule 301(3)(b)(i) Reg. ATS bleiben, von der Vorhandelstransparenzpflicht ausgenommen.
8.
Systematische Internalisierer unterliegen gesteigerten Quotierungspflichten, damit ein Gleichlauf mit den Transparenzpflichten der Handelsplätze herrscht. Mit den genehmigten Veröffentlichungssystemen (Approved Publication Arrangements, APA) und konsolidierten Datenträgern (Consolidated Tape Providers, CTP) versucht der europäische Gesetzgeber zugleich, eine Zentralisierung der über die vielen Handelsorte verteilten Informationen zu erreichen.
9.
Der Betreiber eines Dark Pool verstößt gegen das Insiderhandelsverbot von Rule 10b-5 und jenes von Art. 14 lit. a) MAR, wenn er Informationen über den Handel in seinem System für eigene Geschäfte im Wege des Front Running ausnutzt.
10. Gibt der Betreiber Informationen über verdeckte Ordern an einen anderen Händler weiter, verstößt er gegen das Verbot des Tippgebens gem. Rule 10b-5 und das Weitergabeverbot von Art. 14 lit. b) und c) MAR. Der Empfänger verstößt seinerseits gegen das Insiderhandelsverbot, wenn er die erhaltene Information für Geschäfte ausnutzt. Dagegen ist das simultane Versenden von Informationen über öffentliche Ordern und abgeschlossene Transaktionen an den Datenverarbeiter und andere Handelsteilnehmer in beide Rechtsordnungen erlaubt. 11. Identifiziert ein anderer Handelsteilnehmer eine verdeckte Order selbst (etwa durch ein Programm oder eine Ping-Order) und handelt er anschließend, fällt dies nicht unter Rule 10b-5. Hinsichtlich Art. 14 lit. a) MAR sprechen die besseren Argumente dafür, einen verbotenen Insiderhandel zu bejahen. 12. Das sog. Spoofing fällt sowohl unter die verschiedenen US-amerikanischen als auch das europäische Markmanipulationsverbot. Dagegen ist eine ausgeführte
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
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Ping-Order als Vorbereitungshandlung eines verbotenen Insiderhandels anzusehen und nicht selbständig als Marktmanipulation zu sanktionieren. 13. Unterlässt der Betreiber eines Handelsplatzes es, eine Order nicht zu veröffentlichen, obwohl ihn eine Veröffentlichungspflicht trifft, verstößt er nicht gegen das europäische Marktmanipulationsverbot. Gleiches dürfte für die verschiedenen US-amerikanischen Verbotstatbestände gelten. 14. Stellt der Betreiber eines Dark Pool die Händlerstruktur seines Systems falsch dar, kann dies einen Verstoß gegen SEC Rule 10b-5 und das Betrugsverbot des New Yorker Martin Act (§ 352-c(1) N.Y. Gen. Bus. Law) begründen. Da die Wahl eines Handelsplatzes heute ebenso wichtig ist wie eine fundamentalwertbezogene Information über das zu handelnde Finanzinstrument, spielen Darstellungen über den Ursprung von Ordern eine zentrale Rolle für die Handelsentscheidungen von Anleger. Sie sind daher kursrelevant. Für das strafbewehrte europäische Verbot der Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. c) Alt. 1 MAR gebietet sich eine enge Auslegung der Begriffe „Angebot“ und „Nachfrage“. Daher wird die falsche oder irreführende Darstellung des Anteils von Hochfrequenzhändlern an abgeschlossenen Geschäften nicht erfasst. 15. Während der europäische Gesetzgeber ein striktes Eigenhandelsverbot für die Betreiber von Handelsplätzen erlassen hat, dürfen Broker-Dealer in den USA weiterhin auch Eigenhandel betreiben. Der US-amerikanische Regulierer versucht der Gefahr eines Interessenkonflikts durch umfangreiche Informationspflichten der Systembetreiber entgegenzuwirken.
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Stichwortverzeichnis Adverse Selection Spread Component 50 Adverse Selektion 31, 35 f., 51 f., 54, 80, 83, 88, 92, 94, 101, 107, 161, 196, 218, 323 Adverser Preiseffekt 43, 53, 64, 138, 179 APA 170, 174, 214 – 218, 260, 262 f., 324 Approved Publication Arrangements siehe APA Auktion 29, 262, 279 Auktionssystem 173 Auswahlermessen siehe Ermessen BaFin 151 Behavioral Finance 72 Bid-Ask-Spread siehe Geld-Brief-Spanne Blockhandel 93, 99, 103, 123 – 125, 147 Blockorder siehe Ordertypen Blue Sky Laws 297 Börsenmonopol siehe Monopol Broker 64, 127, 132 f., 138, 147 f., 164 f., 167, 182, 226 – 230, 232, 244 f., 247 f., 251 f., 263 f., 266 f., 290, 306, 321 Broker Crossing Network 62 f., 131, 162, 208, 212, 230 Broker-Dealer 56 f., 60 f., 64, 140, 162, 189, 228, 318 f., 321, 325 Broker-Dealer Crossing Network 64, 129, 132 f., 136, 145 Bulletin Board 155 Cammer-Test 73 CFTC 149 f., 154, 157, 224, 228, 277, 280 Child Order 129 Co-location 46 – 48, 97, 258, 261, 293, 295, 319 Consolidated Tape Provider siehe CTP CTP 170, 214 f., 217 f., 260 – 263, 265, 324 Dachskontro 214 Dealer 29, 41, 61, 66, 129, 146 – 149, 211, 228, 231 f., 244 f., 252, 318, 321 – Eigenhändler 41, 45, 66
Disintermediation 161, 166, 324 Dodd-Frank Act 26, 145, 224, 277 Doppelte volumenmäßige Begrenzung siehe Double Volume Cap Mechanism Double Volume Cap Mechanism 174 f., 177 f., 180 f., 185 f., 192, 212, 218, 324 Downstairs Market 56 Eigenhändler siehe Dealer Electronic Communication Network 60 f. Elektronisches Front Running 46, 65, 98, 270, 273, 286, 303 f., 307, 315 Equal Access to Information siehe Prinzip des gleichen Informationszugangs Ermessen 143 f., 153 f., 157, 159 – 164, 166 – 168, 182, 324 – Auswahlermessen 133, 138 Ermessensausübung 143 Ermessensspielraum 158, 162 ESMA 135, 148, 179 f., 182, 195, 211, 285 Fiduciary Duty Doktrin 222 f., 227, 251 – 253, 264, 267, 271 Frankfurter Wertpapierbörse 28 f., 37 Fraud-on-the-market theory 295, 308 Front Running 44, 51, 82, 117, 123, 225 – 229, 231 f., 236 f., 239, 243, 254, 264, 268 f., 323 f. – Aktives 226 – Passives 226 Gaming 91 Geld-Brief-Spanne 31, 35 f., 50 – 52, 54, 61, 63, 73 f., 83, 89, 92, 96, 100 f., 106 f., 109, 114, 124, 160, 175, 178, 185, 195, 203, 284, 312, 314 Genehmigtes Veröffentlichungssystem siehe APA Hidden Order siehe Ordertypen
Stichwortverzeichnis Iceberg Order siehe Ordertypen Immediate-or-Cancel-Order siehe Ordertypen In Re Barclays Liquidity Cross & High Frequency Trading Litig. 118, 219, 257 – 259, 293 f., 300, 307 Indication of Interest 55, 108, 117, 154, 211 Informationsarbitragemodell 32, 82, 111 Informationsasymmetrie 81 f., 93, 117 f., 120 f., 123, 217 f., 227, 316 Informationseffekt 44, 91, 238, 250, 273 Informationsparadoxon 81 Kaldor-Hicks-Kriterium 72 Kapitalmarkteffizienzhypothese 142, 235, 302 Kolokation siehe Co-location Kursofferte siehe Quotierung
69, 72,
Limit Order siehe Ordertypen Limitorderbuch siehe Orderbuch Liquiditätsnachfrager siehe Liquiditätsnehmer Liquiditätsnehmer 31, 100, 109 Liquiditätsspender 27, 31 f., 34, 36, 38, 50, 83, 92, 100 f., 109, 161, 195, 211, 232, 312, 314 Market Maker siehe Marktmacher Market Order siehe Ordertypen Markt für Zitronen 80 Marktbeeinflussung 43, 53 f., 62, 74, 91, 272 Marktbeeinflussungskosten 43, 45, 49, 53 f., 86, 124, 323 Marktmacher 30 f., 34 – 36, 38, 41, 45, 83, 89, 95, 107, 113, 124, 139, 147, 173 f., 178, 185, 192, 204, 211, 227, 231 f., 242 f., 312, 318, 323 – Retail Market Maker 64 – Specialist 30, 56, 227 Marktmikrostruktur 28 Matched Principal Trading 135, 144 Midpoint Crossing 62, 165 Misappropriation Theory 223, 227, 251, 253, 259, 264, 267 f., 271 Modell vollkommenen Wettbewerbs 78
351
Monopol 26, 57, 77 f., 88, 218 – Börsenmonopol 115 Monopolist siehe Monopol Moral Hazard 81, 85 Netzwerkeffekt 52, 95 Nicht-diskretionäre Regeln 168
153, 159 f.,
Öffentlicher Handel 127 f. Order Protection Rule 165, 216 Orderbuch 149 f., 157 f., 176, 210, 238, 240, 257, 270, 286, 323 – Geschlossenes Limitorderbuch 61 – Limitorderbuch 214 Ordergetriebenes Handelssystem siehe Typen von Handelssystemen Ordertypen – Blockorder 42 – 49, 53 – 55, 60, 87 – 89, 91 f., 95, 98, 124, 145, 169, 180, 191, 203 f., 226, 229 f., 232, 235, 238 – 241, 243 f., 247 f., 254, 257, 264, 279, 286 f., 289, 304 – Dark Order 60 – Hidden Order 253 – Iceberg Order 183 – Immediate-or-Cancel-Order 97 – Limit Order 30 f., 34 – 36, 41, 43, 47 f., 61, 88, 94, 96, 100, 108 f. – Market Order 30 f., 34, 47, 61, 94, 100, 226 – Nonmarketable limit order 30 – Ping-Order 270, 273, 284 – 286, 303 f., 324 f. – Reserve Order 183 OTC-Handel 61, 63 f., 88, 126 f., 129 – 131, 144 f., 181, 184, 188, 190, 192, 206, 211 – 213, 215 f., 232 Pakethandel 43 Parent Order 129 Pareto-Kriterium 67, 72 Ping-Order siehe Ordertypen Pinging 97, 240, 270, 273, 278, 283 – 286 Preisanfrage 146, 149, 158 Preisanfragesystem 150, 160, 173, 186, 187, 195, 208 f. Preis-Mengen-Effekt 43
352
Stichwortverzeichnis
Preis-Zeit-Priorität 141, 144, 159 Prinzip des gleichen Informationszugangs 182 f., 220, 222 f., 256, 259 f., 271 Prinzipal-Agent-Konflikt 81, 116 – 119, 121, 123, 316 Privater Handel 127 f. Proprietary Trading Desk 137 Quote Matching 48 Quotegetriebenes Hanndelssystem siehe Typen von Handelssystemen Quotes siehe Quotierung Quotierung 29 f., 35, 41, 45 f., 59, 64, 66, 86, 88, 134, 147, 149, 158, 173 f., 178, 191 – 193, 195, 199, 203 f., 207 f., 211, 215 f., 231, 238, 240, 242 – 244, 252, 259, 262, 290, 323 – Kursofferte 29, 53, 148, 150, 158, 173 f., 189, 191, 196 – 205, 207 – 211, 216 Quotierungspflicht 189, 196 f., 200, 204, 206 f., 324 Referenzpreis 62, 98, 100, 175, 178, 320 Referenzpreissystem 174 – 176, 180 f., 185, 210, 212, 324 Request for Quote siehe Preisanfrage Reserve Order siehe Ordertypen Ruinöser Wettbewerb 78
SEC 26, 37, 137 – 141, 189, 224, 253 f., 258 – 260, 267, 280, 296, 298, 300, 319 f., 322 SEC v. Texas Gulf Sulphur 306 SEC-Entscheidungen – Barclays LX 140, 292, 294, 296 – NYSE Entities 266 – UBS ATS 139 f. Securities Exchange Commission siehe SEC Securities Information Processor siehe SIP Shingle Theory 227 SIP 215 f., 258 – 260, 265 Smart Order Routing 105 Specialist siehe Marktmacher Spoofing 278 – 281, 283 f., 286 f., 292, 322, 324 Telefonhandel 56, 130, 146, 148 f., 208 Tick Size 108, 113 f., 210 f. Trade-through Rule siehe Order Protection Rule Typen von Handelssystemen – Ordergetrieben 29, 40 f., 172 f. – Quotegetrieben 29, 41, 45, 89 Venue Shopping Zugangsregeln
176 91, 93, 194, 201, 207, 319