Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung 9783110861617, 9783110082517


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German Pages 290 [340] Year 1981

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Wörter und Sachen
Wörter und Sachen im nachrömischen Europa
Faß und Tonne. Ein Beitrag zu Wörter und Sachen
Sachbezeichnungen aus dem Bereich des Hausbaus im Frühmittelalter
Heilkundliches in den Leges. Die Schädelverletzungen und ihre Bezeichnungen
Leod 'Mann'. Soziale Schichtung im Spiegel volkssprachiger Wörter der Leges
Schutz- und Angriffswaffen nach den Leges und verwandten fränkischen Rechtsquellen
Runeninschriften auf Waffen
Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden seit der Völkerwanderungszeit
Abkürzungen
Wort- und Sachregister bearbeitet von Ulrich Witte
Verzeichnis der Abbildungen
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Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung
 9783110861617, 9783110082517

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ARBEITEN ZUR FRÜH MITTELALTERFORSCHUNG

ARBEITEN ZUR FRÜHMITTELALTERFORSCHUNG Schriftenreihe des Instituts f ü r Frühmittelalterforschung der Universität Münster

In Zusammenarbeit mit

Hans Belting, Hugo Borger, Dietrich Hofmann, Karl Josef Narr, Friedrich Ohly, Karl Schmid, Ruth Schmidt-Wiegand und Rudolf Schützeichel

herausgegeben von

KARL HAUCK

1. BAND

W DE Cl 1981

WALTER DE GRUYTER • B E R L I N • NEW YORK

WÖRTER UND SACHEN IM LICHTE DER BEZEICHNUNGSFORSCHUNG

herausgegeben von

RUTH SCHMIDT-WIEGAND

w DE

G

1981

WALTER DE GRUYTER • B E R L I N • NEW YORK

Dieser Band der „Arbeiten zur Frühmittelalterforschung" ist im Sonderforschungsbereich 7: 'Mittelalterforschung' entstanden und wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung der ihm von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel gedruckt.

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung / [im Sonderforschungsbereich 7, Mittelalterforschung entstanden]. Hrsg. von Ruth Schmidt-Wiegand. — Berlin, New York : de Gruyter, 1980. (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung ; Bd. 1) ISBN 3-11-008251-9 NE: Schmidt-Wiegand, Ruth [Hrsg.]; Sonderforschungsbereich Mittelalterforschung (Münster, Westfalen)

© Copyright 1980 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp. — Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucks, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin

Vorwort Die Arbeiten, die in diesem Band zusammengefaßt sind, gehen auf Anregungen aus einem Kolloquium zurück, das im Sonderforschungsbereich 7 'Mittelalterforschung' der Universität Münster im November 1977 abgehalten worden ist. Es stand unter dem Thema 'Probleme historisch-philologischer Bezeichnungsforschung' und führte Sprachwissenschaftler, Philologen, Historiker und Prähistoriker des In- und Auslandes zu einem Rundgespräch über neue Aspekte der Wort- und Sachforschung zusammen. Dabei wurde die Notwendigkeit deutlich, im Blick auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Rahmen der Mediaevistik die Forschungsrichtung 'Wörter und Sachen' wieder zu beleben. Durch die Entwicklung der modernen Sprachwissenschaft ist das methodische Prinzip, das mit dieser Formel umschrieben wird, in seinen Grundfesten erschüttert. Denn die Lehre vom sprachlichen Zeichen schließt eine direkte Beziehung zwischen Wort und Sache aus. Nicht zuletzt dies haben die vorliegenden Aufsätze an ganz verschieden gelagerten Gegenständen zu verdeutlichen. Sie wollen darüber hinaus einen Weg eröffnen, um bei einer realistischen Einschätzung der bestehenden Grenzen und Möglichkeiten Wort- und Sachforschung dennoch zum Ziel 'wechselseitiger Erhellung' zu verbinden, — und zwar in einem neuen und anderen Verständnis als bisher. Kern dieser methodischen Besinnung ist die Rückkehr zur Geschichte in der Wortforschung, zu einer historischen Auffassung der Bezeichnungsforschung, die Onomasiologie und Semasiologie zugleich umfaßt und die sich auf schriftliche Quellen wie Uberreste stützt. Den Aufgaben des Sonderforschungsbereichs entsprechend, sind die Beispiele der Frühmittelalterforschung entnommen, wobei den Stammesrechten des Kontinents, den sog. Leges, eine Schlüsselfunktion zukommt. Neben den Realien im Bereich von Haus und Hof (Hilker-Suckrau), Ackerbau und Viehzucht (Schmidt-Wiegand, Knobloch), Gerät und Waffen (Capelle, Hüpper-Dröge) werden Probleme der Sozialstruktur (v. Olberg, Niederhellmann) wie der funktionalen Bedeutung von Schrift- und Bildzeugnissen (Düwel, Hauck) behandelt. Alle diese Untersuchungen sind als Fallstudien zum gegenseitigen Verhältnis von Wort und Sache gedacht, und sie sind durch diese Zielsetzung besonders eng miteinander verbunden, so daß von hier aus ihre Veröffentlichung in einem besonderen Band gerechtfertigt erscheint. Die anderen Beiträge des Kolloquiums, die der Leges-Forschung im allgemeinen (Schott) wie den volkssprachigen Wörtern im besonderen (Schmidt-Wiegand) gewidmet sind, die die Rechts- und Verwaltungssprache der Nordgermanen (Andersson) und Goten (Wolfram) mit ins Blickfeld rücken, oder die neue Perspektiven für eine historische Wortgeographie entwickeln (Baldinger, Kleiber), sind im Jahrbuch 'Frühmittelalterliche Studien' (Bd. 13, 1979) veröffentlicht. Allen Beiträgern zu diesem Bande wie den Autoren der Aufsätze im Jahrbuch, allen Helfern, die zum

VI

Vorwort

Gelingen beider Publikationen beigetragen haben, sei an dieser Stelle für ihre Mühe gedankt. Möge mit diesem Buch das Thema 'Wörter und Sachen' erneut Gesprächsgegenstand zum Nutzen interdisziplinärer Forschung werden! Münster, im September 1979

Die Herausgeberin

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

R U T H SCHMIDT-WIEGAND,

Wörter und Sachen. Zur Bedeutung einer Methode

für die Frühmittelalterforschung. Der Pflug und seine Bezeichnungen JOHANN KNOBLOCH,

Wörter und Sachen im nachrömischen Europa

Faß und Tonne. Ein Beitrag zu Wörter und Sachen . . . Sachbezeichnungen aus dem Bereich des Hausbaus im Frühmittelalter

TORSTEN CAPELLE,

1 42 52

MARTINA HILKER-SUCKRAU,

58

Heilkundliches in den Leges. Die Schädelverletzungen und ihre Bezeichnungen

74

Leod, 'Mann'. Soziale Schichtung im Spiegel volkssprachiger Wörter der Leges

91

ANNETTE NIEDERHELLMANN, GABRIELE VON OLBERG,

DAGMAR H Ü P P E R - D R Ö G E ,

Schutz- und Angriffswaffen nach den Leges und

verwandten fränkischen Rechtsquellen KLAUS DÜWEL, KARL HAUCK,

Runeninschriften auf Waffen

107 128

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im

Norden seit der Völkerwanderungszeit

168

Abkürzungen

271

Register, bearbeitet von U. WITTE

273

Verzeichnis der Abbildungen

285

Tafeln und Abbildungen

Alphabetisches Verzeichnis der Mitarbeiter dieses Bandes Prof. Dr. Torsten Prof. Dr. Klaus Prof. Dr. Karl

CAPELLE,

Sertürner Str. 14, 3400 Göttingen, S. 128.

DÜWEL, HAUCK,

Habichtshöhe 21, 4400 Münster, S. 168.

Martina

HILKER-SUCKRAU,

Dagmar

HÜPPER-DRÖGE,

Prof. Dr. Johann Annette

Hermann Löns Str. 15, 4712 Werne, S. 58. M. A., Lammerbach 4, 4400 Münster, S. 107.

KNOBLOCH,

NIEDERHELLMANN,

Gabriele von

OLBERG,

Prof. Dr. Ruth

Eupener Weg 1, 4400 Münster, S. 52.

Venusbergweg 34, 5300 Bonn, S. 42.

Hammer Str. 132, 4400 Münster, S. 74.

Wiedau 19, 4715 Ascheberg — Davensberg, S. 91.

SCHMIDT-WIEGAND,

Rotenberg 16, 3550 Marburg, S. 1.

RUTH SCHMIDT-WIEGAND

Wörter und Sachen Zur Bedeutung einer Methode für die Frühmittelalterforschung. Der Pflug und seine Bezeichnungen I.

Die Formel 'Wörter und Sachen' meint ein methodisches Prinzip, das Sach- und Wortforschung miteinander verbindet, indem es eine gegenseitige Erhellung beider Bereiche zum Ziel hat1. Es setzt von daher die Beteiligung verschiedener Disziplinen wie der Philologie und Historie, der Sprachwissenschaft und Volkskunde, der Archäologie und der Vor- und Frühgeschichte voraus. Heute, wo dieses Prinzip im Rahmen der Sachforschung, der Ethnologie und Archäologie, wieder zusehends Beachtung gewinnt, erscheint eine grundsätzliche Besinnung darauf, was es zu leisten vermag, geboten2. Denn was für den Sachforscher naheliegend zu sein scheint, von den Wörtern oder Bezeichnungen für einen bestimmten Gegenstand auf diesen selbst zurückzuschließen, von hier aus etwas über Form, Beschaffenheit und Funktion oder Geschichte des betreffenden Sachgutes zu erfahren, das wird von der Linguistik mit guten Gründen in Frage gestellt. Da das Wort als ein sprachliches Zeichen3 aus Lautkörper und Vorstellung aufgebaut ist und die Vorstellung auf dem Begriff beruht, gibt es keine direkte Verbindung zwischen der Bezeichnung und der Sache als der im außersprachlichen Bereich liegenden Realität. Hinzu kommt, daß der arbiträre oder willkürliche Charakter des sprachlichen Zeichens Rückschlüsse vom Wort auf die Sachkultur weitgehend auszuschließen scheint4. Ein häufig verwendetes Bild mag verdeutlichen, was gemeint ist: Es gibt keinen inneren Grund dafür, daß in unserer Sprache die Vorstellung 'Baum' mit dem Lautkörper Baum verbunden ist. Die Beziehung zwischen der Ausdrucksseite und der Inhaltsseite des 1

Z u r Beurteilung der Forschungsrichtung vgl. OSKAR REICHMANN, Germanistische Lexikologie, 2. vollständig umgearbeitete A u f l a g e v o n 'Deutsche W o r t f o r s c h u n g ' ( 1 9 6 9 ) Stuttgart 1 9 7 6 , S. 4 4 f . ; Lexikon der Germanistischen Linguistik, hg. v o n HANS PETER ALTHAUS—HELMUT HENNE—HERBERT ERNST WIEGAND, Tübingen 1 9 7 3 , S. 133.

2

V g l . hierzu auch RUTH SCHMIDT-WIEGAND, N e u e A n s ä t z e im Bereich ' W ö r t e r und Sachen' (Beiträge z u r V o l k s k u l t u r in Nordwestdeutschland) (im D r u c k ) .

3

FERDINAND DE SAUSSURE, C o u r s de linguistique générale, Lausanne—Paris 1 9 1 6 , deutsch: G r u n d begriffe der allgemeinen Sprachwissenschaft, hg. v o n PETER VON POLENZ, Berlin 2 1 9 6 7 ; dazu OSWALD SZEMERÉNYI, Richtungen der modernen Sprachwissenschaft 1: V o n Saussure bis B l o o m f i e l d (1916— 1 9 5 0 ) Heidelberg 1 9 7 1 ; zusammenfassend auch: H a n d b u c h der Linguistik. Allgemeine und angew a n d t e Sprachwissenschaft, unter Mitarbeit v o n HILDEGARD JANSSEN zusammengestellt v o n HARRO STAMMERJOHANN, M ü n c h e n 1 9 7 5 , S. 5 7 0 — 7 2 ; THEODOR LEWANDOWSKI, Linguistisches W ö r t e r b u c h , 2 . durchgesehene A u f l a g e Heidelberg 1976, S. 8 9 0 - 8 9 4 .

4

HANS GLINZ, Linguistische G r u n d b e g r i f f e und Methodenüberblick, 2. verbesserte A u f l a g e F r a n k f u r t a. M . 1 9 7 1 , S. 4 3 f .

2

Ruth Schmidt-Wiegand

Wortes scheint zunächst völlig beliebig, willkürlich oder arbiträr zu sein. Erst durch die 'Ubereinkunft' oder Konvention einer Sprachgemeinschaft wird diese Beziehung sanktioniert und damit gefestigt. Der Wechselbezug zwischen Wort und Sache wurde zum erstenmal von dem Altmeister der Germanistik, von Jacob Grimm, problematisiert, der in einer 'linguistischen Abhandlung' über 'Das Wort des Besitzes' aus dem Jahre 1850 schrieb: „wenn überall die Wörter aus den Sachen entsprungen sind, so müssen, je tiefer wir noch in ihr inneres einzudringen vermögen, auf diesem wege uns verborgene bezüge auf die dinge kund gethan werden und um der dinge willen forschenswerth erscheinen" s . Jacob Grimm stellt damit die Wortforschung bewußt in den Dienst der Sachforschung, nicht zuletzt deshalb, weil er davon ausgeht, daß die Bezeichnungen von den konkreten Bezügen in der Realität abhängig und von hier aus Zeugen einer kulturellen Entwicklung sind. Die Formel wie die Prämisse, auf der sie beruht, wurden um die Jahrhundertwende Gegenstand einer lebhaften Diskussion zwischen dem Romanisten Hugo Schuchardt 6 und dem Indogermanisten Rudolf Meringer 7 , in der es darum ging, ob den Wörtern oder den Sachen der Vorrang gebührt. Ihr Verlauf entschied praktisch für die Sache, womit zugleich für die nächsten Jahrzehnte ein Ubergewicht der Sachforschung gegenüber der Wortforschung begründet wurde. Immerhin war dies zugleich die Grundlegung zu einer kulturhistorischen Betrachtung des Wortschatzes und damit eine durchaus positiv zu wertende Reaktion auf die junggrammatische Schule und ihre einseitige Fixierung auf das grammatische System. Für Schuchardt wie Meringer stand nicht mehr der Lautkörper oder die Ausdrucksseite des Wortes im Vordergrund des Interesses, sondern seine Inhaltsseite oder Bedeutung. In deutlicher Abgrenzung zu den Junggrammatikern stellte Rudolf Meringer 1904 fest: „Bedeutungswandel hängt oft mit Sachwandel zusammen. Bei den Etymologien muß dieser berücksichtigt werden wie die Lautgesetze" 8 . Vorüberlegungen wie diese fanden in der von Rudolf Meringer und Wilhelm Meyer-Lübke 1909 begründeten Zeitschrift 'Wörter und Sachen' ihren sichtbaren Ausdruck 9 . Erfüllt von der Vorstellung, daß die Sprachwissenschaft nur ein Teil der Kulturwissenschaft ist und die Wortgeschichte der Ergänzung durch die Sachgeschichte bedarf, glaubten die Herausgeber, daß in der Vereinigung von 5

JACOB GRIMM, Das Wort des Besitzes. Eine linguistische Abhandlung (Kleinere Schriften 1, 2. Aufl.

6

H U G O SCHUCHARDT, S a c h e n u n d W ö r t e r ( A n t h r o p o s 7 , 1 9 1 2 , S .

7

RUDOLF MERINGER, Wörter und Sachen (Indogermanische Forschungen 16, 1904, S. 1 0 1 - 1 9 6 ) . Zur

Berlin 1879, S. 1 1 3 - 1 4 4 ) insb. S. 123f. 827—839).

Auseinandersetzung zwischen den beiden Gelehrten vgl. auch RUDOLF MERINGER, Zur Aufgabe und zum Namen unserer Zeitschrift (Wörter und Sachen 3, 1912, S. 22—56) und BRUNO QUADRI, Aufgaben und Methoden der onomasiologischen Forschung, Bern 1952, S. 67. 8 9

MERINGER, Wörter und Sachen (wie Anm. 7) S. 101 f. Wörter und Sachen. Kulturhistorische Zeitschrift für Sprach- und Sachforschung, hg. von RUDOLF MERINGER, WILHELM MEYER-LÜBKE u. a., 1 — 18, 1 9 0 9 - 1 9 3 7 ; W ö r t e r u n d S a c h e n , Zeitschrift für

indogermanische Sprachwissenschaft, Volksformen und Kulturgeschichte, hg. von HERMANN GÜNTERT, N F . 1—4, 1938—1941/42; außerdem sind zu nennen die 'Zeitschrift für romanische Philologie' (1877f.), die Zeitschrift 'Volkstum und Kultur der Romanen' (1928ff.) und die 'Indogermanischen Forschungen' (1892 ff.), in denen laufend Arbeiten zu dem Komplex 'Wörter und Sachen' veröffentlicht worden sind.

Wörter und Sachen

3

Sprachwissenschaft und Sachforschung überhaupt die Zukunft der Kulturwissenschaft liege 10 . Sie wurden dabei nicht zuletzt von der Einsicht geleitet, daß nicht Sprachwellen allein, sondern erst Sprachwellen und Sachwellen gemeinsam Kulturwellen ergeben11, — eine Anschauung, die z. B. auch Bruno Schier in seine Darstellung der 'Hauslandschaften und Kulturbewegungen im östlichen Mitteleuropa' (1932)12 übernommen hat. Die Themen, die in der Zeitschrift 'Wörter und Sachen' behandelt worden sind, hatten in der Regel die Sache zum Ausgangspunkt, wobei die klassischen Gegenstände der Realienforschung wie Haus und Herd, Bett und Grab zunächst im Vordergrund standen13. Immerhin beschränkte man sich auch hier nicht auf die Welt des rein Gegenständlichen. Brauchtümliches wie der Brautlauf 14 , Begriffliches wie die Strafe 15 oder Sozialgeschichtliches wie das frühe Genossenschaftswesen16 wurden ebenso mitbehandelt. Dennoch wird man sagen können, daß in jener ersten Phase die Wortforschung gegenüber der Sachforschung von sekundärer Bedeutung gewesen ist 17 . Für den Fortbestand der Methode 'Wörter und Sachen' über die Einstellung der gleichnamigen Zeitschrift (1942) hinaus sind nun zwei Dinge von entscheidender Bedeutung gewesen: Die Tatsache, daß mit der Diskussion über das Verhältnis von Wort und Sache eine Integration der Sachforschung in die Wortforschung herbeigeführt wurde und daß es außerdem gelang, diese Wortforschung in der Sprachgeographie zu verankern. In beiden Fällen wurde der Kontakt von der Zeitschrift aus vorbereitet. Es ist hier besonders an den grundlegenden Aufsatz von Leo Weisgerber über 'Die Stellung der Sprache im Aufbau der Gesamtkultur' (1934)18 zu erinnern wie an den Aufsatz von Wilhelm Peßler über 'Deutsche

10

11 12

13

RUDOLF MERINGER, Vorwort zum ersten Band der Zs. 'Wörter und Sachen' (wie Anm. 9): „Mit vielen Anderen sind wir überzeugt, daß die Sprachwissenschaft nur ein Teil der Kulturwissenschaft ist, daß die Sprachgeschichte zur Worterklärung der Sachgeschichte bedarf, sowie die Sachgeschichte, wenigstens für die ältesten Zeiten, der Sprachgeschichte nicht entraten kann. Wir glauben, daß in der Vereinigung von Sprachwissenschaft und Sachwissenschaft die Zukunft der Kulturgeschichte liegt". MERINGER, Wörter und Sachen (wie Anm. 7) S. 191. BRUNO SCHIER, Hauslandschaften und Kulturbewegungen im östlichen Mitteleuropa, 2. Aufl. Göttingen 1966, S. 1. JOHANNES R. BUNKER, Das Bauernhaus in der Gegend von Köflach (Wörter und Sachen 1, 1909, S. 121 — 164); VICTOR R. VON GERAMB, Die Feuerstätten des volkstümlichen Hauses in ÖsterreichUngarn (ebd. 3,1911, S. 1 — 16); HARTWIG POSCH, Die Ruhestätten des Menschen, Bett und Grab, bei den Indogermanen (ebd. 16, 1 9 3 4 , S. 1—47).

14

WILLY KROGMANN, Braut und Brautlauf (Wörter und Sachen 16, 1934, S. 80—90); dazu jetzt auch: HANS RUDOLF HAGEMANN, Brautlauf (Festschrift K a r l Siegfried Bader, hg. v o n FERDINAND ELSENER

und W. H. RUOFF, Zürich-Köln-Graz 1965, S. 185-190); DERS., Artikel 'Brautlauf' (HRG 1, Berlin 1 9 7 1 , Sp. 5 1 7 - 5 1 9 ) . 15 16

17

18

RICHARD VON KIENLE, Zum Begriffsbezirk der Strafe (Wörter und Sachen 16, 1934, S. 6 7 - 8 0 ) . FRIEDRICH KAUFFMANN, Altdeutsche Genossenschaften. Gemein und geheim; Bauern, Gesellen und andere Genossen (Wörter und Sachen 2, 1910, S. 9—42). REICHMANN (wie Anm. 1) macht darauf aufmerksam, daß sich die sprachliche Seite häufig in der Nennung und etymologischen Herleitung der Bezeichnungen erschöpft, die Wortgeschichte aber weitgehend außerhalb der Betrachtung bleibt. LEO WEISGERBER, Die Stellung der Sprache im Aufbau der Gesamtkultur (Wörter und Sachen 15, 1 9 3 3 , S. 1 3 4 - 2 2 5 ; 16, 1 9 3 4 , S. 9 7 - 2 3 6 ) .

4

Ruch Schmidt-Wiegand

Wortgeographie, Wesen und Werden, Wollen und Weg' (1933)19, wo die Zusammenfassung von Sprachwellen und Sachwellen als Grundlage der Kulturgeographie herausgestellt wird. Als sich so Walther Mitzka (1938)20 über die Prinzipien für den geplanten 'Deutschen Wortatlas' äußerte, mit dem das Bild der mundartlichen Gliederung, wie es der 'Deutsche Sprachatlas' vermittelte, nun auch von der lexikalischen Seite aus ergänzt werden sollte, war es für ihn selbstverständlich, die Erfahrungen mit dem methodischen Prinzip 'Wörter und Sachen' bereits in diesem frühen Stadium einzubringen. Sie kamen vor allem der Aus,wahl der Stichwörter wie der Zuordnung der Bezeichnungen zu den Sachen zugute. Die Veröffentlichung der Wortkarten 21 , zunächst durch Walther Mitzka (1951 ff.), dann auch durch Ludwig Erich Schmitt (1963 ff.), ist von einer Schriftenreihe mit dem Titel 'Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen' 22 , begleitet gewesen. Sie macht deutlich, daß Wortgeographie, sofern sie die Sachgrundlage umfassend miteinbezieht, in den größeren Rahmen einer Kulturgeographie gehört, die an den nationalen Grenzen nicht halt macht. So tritt fast auf allen Karten, die im 'Deutschen Wortatlas' veröffentlicht worden sind, das Lehnwortgut deutlich hervor, und zwar nicht nur an den Grenzsäumen, sondern bis tief in den deutschen Sprachraum hinein. Reiner Hildebrandts Untersuchung über Ton und Topf' 23 zeigt dies ebenso wie Peter von Polenz's Überlegungen zu den slawischen Lehnwörtern 24 im Osten des deutschen Sprachgebiets. Freilich hatte die enge Bindung der Forschungsrichtung 'Wörter und Sachen' an die Wortgeographie zur Folge, daß sie besonders nachhaltiger Kritik unterlag, als die Arbeiten am 'Deutschen Wortatlas' Gegenstand kritischer Grundsatzerörterungen wurden 25 . Diese Kritik erstreckte sich vor allem auf drei Punkte: 1. Die Arbeiten, die auf dem Forschungsgebiet 'Wörter und Sachen' bisher entstanden sind, unterscheiden in der Regel nicht zwischen dem Kompetenz- und dem Performanzbereich der Sprache, zwischen den Möglichkeiten und der tatsächlichen Anwendung sprachlicher Mittel 26 . Da in der 'Wörter und Sachen'-Forschung das Wort immer für eine einzelne 'Sache' oder 'Vorstellung' steht, wird es isoliert betrachtet, ohne Berücksichtigung des Kontextes, in den es gestellt ist, und das Assoziationsfeldes, zu dem es gehört 27 . Es wird mithin vorausgesetzt, was erst zu beweisen wäre, daß 19

20

21

22

23

W I L H E L M PESSLER, Deutsche Wortgeographie, Wesen und Werden, Wollen und Weg (Wörter und Sachen 15, 1933, S. 1 - 8 0 ) . W A L T H E R M I T Z K A , Der Deutsche Wortatlas ( Z M F 14, 1938, S. 4 0 - 5 5 ) S. 54. Deutscher Wortatlas (DWA) hg. von W A L T H E R M I T Z K A , ab Bd. 5 von W A L T H E R MITZKA und LUDWIG E R I C H SCHMITT, Gießen 1951 ff. Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen (DWEB). Untersuchungen zum Deutschen Wortatlas, hg. von LUDWIG E R I C H SCHMITT, 1 - 6 , Gießen 1 9 6 4 - 1 9 7 2 . REINER HILDEBRANDT, Ton und Topf. Zur Wortgeschichte der Töpferware im Deutschen (DWEB 3 [wie A n m . 22] 1963, S. 2 9 7 - 4 4 1 ) .

24

25

26 27

Slavische Lehnwörter im Thüringisch-Obersächsischen (nach dem Material des Deutschen Wortatlas) (DWEB 2 [wie Anm. 22] 1963, S. 265-296). HERBERT ERNST WIEGAND unter Mitarbeit von GISELA H A R R A S , Zur wissenschaftshistorischen Einordnung und linguistischen Beurteilung des Deutschen Wortatlas (Germanistische Linguistik Jg. 1971, Heft 1/2, S. 1 - 2 0 4 ) insbes. S. 92ff. Ebd. S. 96. Kompetenz = sprachliche Fähigkeit des idealen Sprechers oder Hörers; Performanz = aktuelle Sprachverwendung, vgl. W I N F R I D U L R I C H , Linguistische Grundbegriffe, Kiel 1 9 7 2 , S. 5 8 u. 8 7 ; zum Begriff PETER VON POLENZ,

5

Wörter und Sachen

nämlich Lautkörper und Vorstellung im Anwendungsbereich der Sprache, die untersucht wird, tatsächlich zusammengehören und sich auf eine ganz bestimmte Sache beziehen. 2. In der 'Wörter und Sachen'-Forschung werden die Begriffe Wort oder Bezeichnung einerseits, Sache und Bedeutung andrerseits, weitgehend gleichgesetzt. Dies kommt bereits in dem programmatischen Aufsatz Rudolf Meringers für die Zeitschrift 'Wörter und Sachen' zum Ausdruck, wo es u. a. heißt: „Unter Sachen verstehen wir nicht nur räumliche Gegenstände, sondern ebensowohl Gedanken, Vorstellungen, Institutionen, die in irgendeinem Wort Ausdruck finden" 2 8 . Diese Gleichsetzung war möglich, weil die Begründer der Richtung 'Wörter und Sachen' noch von einem unilateralen oder einseitigen Sprachzeichenmodell ausgingen, bei dem allein der Lautkörper als Zeichen verstanden wurde 29 . Als dieses Modell durch das bilaterale Zeichenmodell Ferdinand de Saussures ersetzt wurde 30 , war diese Auffassung in Frage gestellt, trat doch nun zwischen das Wort und die Sache der Begriff, gleichsam als psychisch geistigen Korrelat 3 1 , das zwischen den beiden Komponenten, den Wörtern auf der einen und den Sachen auf der anderen Seite, vermittelt. 3. Bei der Auswahl der Gegenstände in der Wörter und Sachen-Forschung wie bei der Bearbeitung der verschiedenen Themen stand das Interesse der Sachforschung eindeutig im Vordergrund, während der Beitrag der Sprachwissenschaft sich weitgehend in der Aufzählung der Bezeichnungen und der Erklärung der Etymologie erschöpfte 32 . Verbunden damit war eine Uberbewertung der materiellen Tatsachen auf Kosten von Kulturerscheinungen im Bereich des gesellschaftlichen und geistigen Lebens 3 3 . Das Mißbehagen an der 'Wörter und Sachen'-Forschung verstärkte sich, weil die Sachkunde nur in einem begrenzten Umfang in der Lage zu sein scheint, konkrete Einzelheiten der Diskussion beizusteuern, die für die Frühzeit der Sprache erhellend sind und die Besonderheiten der Etymologie oder semantischen Entwicklung eines Wortes zu erklären vermögen 34 . Die Ergebnisse, die für die Sprachwissenschaft abzuleiten waren, hatten deshalb oft nur hypothetischen Charakter, zumal sich bestimmte Gesetzmäßigkeiten oder auch nur Regelmäßigkeiten für den Verlauf der Entwicklung bei Wort und Sache zunächst nicht haben feststellen lassen. des A s s o z i a t i o n s f e l d e s vgl. LEWANDOWSKI ( w i e A n m . 3 ) S . 6 8 T.; CHARLES BALLY,

28 29 30

Linguistique

générale et linguistique française, 4. Aufl. Bern 1965; KURT BALDINGER, Die Semasiologie. Versuch eines Uberblicks, Berlin 1957, S. 13; STEPHEN ULLMANN, Semantik und Etymologie (Sprache und Stil. Aufsätze zur Semantik und Stilistik, Tübingen 1972, S. 3—32) S. 11. MERINGER, Zur Aufgabe und zum Namen unserer Zeitschrift (wie Anm. 7) S. 34. Zu den Begriffen bilateral und unilateral ULRICH (wie Anm. 27) S. 135. C. K. OGDEN — I. A. RICHARDS, The Meaning of Meaning. A Study of the Influence of Language upon Thought and of the Science of Symbolism, London 1923, 10 1952, S. 11; KLAUS HEGER, Die methodologischen Voraussetzungen von Onomasiologie und begrifflicher Gliederung (ZRPh 80, 1 9 6 4 , S. 4 8 6 — 5 1 6 ) S . 5 1 5 ; HERBERT ERNST WIEGAND, S y n c h r o n i s c h e O n o m a s i o l o g i e u n d S e m a s i o -

logie, Kombinierte Methoden zur Strukturierung der Lexik (Germanistische Linguistik 3, 1970, S . 2 4 3 — 3 8 4 ) ; REICHMANN ( w i e A n m . 1) S . 4 4 . D i e V e r w e n d u n g v o n S p r a c h z e i c h e n m o d e l l e n

im

Rahmen der Mittelalterforschung hat ihre Probleme, da kaum in einem Fall die drei Größen WortBegriff-Sache eindeutig festgelegt werden können. Vgl. hierzu RUTH SCHMIDT-WIEG AND, Historische Onomasiologie und Mittelalterforschung (FMSt 9, 1975, S. 4 9 - 7 8 ) . 31

REICHMANN, 1 9 6 9 ( w i e A n m . 1) S . 1 1 .

32

S. o . A n m . 17.

34

HEINZ KRONASSER, Handbuch der Semasiologie, 2. Aufl. Heidelberg 1968, S. 117.

«

QUADRI ( w i e A n m . 7) S. 1 1 7 .

6

Ruth Schmidt-Wiegand

Mit dieser kritischen Bewertung geriet die Forschungsrichtung 'Wörter und Sachen' in der Germanistik zunächst in eine ausgesprochene Randposition 35 . U m so mehr verdient Beachtung, daß in der Sachforschung im weitesten Sinne, in der Archäologie, Ethnologie und Volkskunde, das Interesse an dieser Forschungsrichtung laufend steigt 36 , und dies in einem gesamteuropäischen Rahmen. Dies zeigen nicht zuletzt die Arbeiten, mit denen die Forschung in den letzten Jahrzehnten zu den Gegenständen der Richtung 'Wörter und Sachen' in ihrem ursprünglichen Verständnis zurückgekehrt ist. Hier sind Hilka Vilpullas Untersuchungen über 'Das Dreschen in Finnland' (1955) 37 oder Ragnar Jirlows 'Geschichte des schwedischen Pfluges' (1970) 38 , Lajos Szolnokis Ausführungen zur Hanfbreche (1974) zu nennen 39 . Herbert Jankuhn hat dem ersten Band der deutschen Agrargeschichte (1969), der die Vor- und Frühgeschichte vom Neolithikum bis zur Völkerwanderungszeit behandelt, einen besonderen Beitrag über die Sprachzeugnisse zur frühesten Geschichte der Landwirtschaft anfügen lassen 40 , und Sigfrid Svensson widmete in seiner 'Einführung in die europäische Ethnologie' (1973) 41 dem Begriffspaar 'Wörter und Sachen' ein eigenes Kapitel, wobei er die Formel, wie dies bei der Begründung der gleichnamigen Zeitschrift der Fall gewesen, auf die ganze Breite der Kultur bezieht, indem er neben den Sachgütern auch Glaube und Brauch berücksichtigt. Zu diesen Publikationen einzelner kommt die Arbeit verschiedener Institutionen und Kommissionen, bei denen die Beschäftigung mit den Realien zwangsläufig zur Frage nach ihren Bezeichnungen führt oder umgekehrt die Bemühungen um die Wörter nach einer Ergänzung durch die Realienkunde verlangt. Neben dem 'Deutschen Wortatlas' und dem 'Atlas der deutschen Volkskunde' 4 2 sind hier vor allem die Kommissionen zu nennen, die mit der Möglichkeit zu interdisziplinärer Begegnung einen günstigen Boden für die Wiederbelebung der Forschungsrichtung 'Wörter und Sachen' bieten. Hier sei nur die 'Kommission für die Altertumskunde Mittel- und 35

36

Bezeichnend hierfür ist ihre Bewertung im Handbuch der germanistischen Linguistik (wie Anm. 1) S. 133. G Ü N T E R WIEGELMANN — MATTHIAS ZENDER — G E R H A R D HEILFURTH, V o l k s k u n d e . E i n e E i n f ü h -

rung, Berlin 1977, S. 25f., 74 u. 100. 37

HILKA VILPULLA, D a s D r e s c h e n in Finnland, H e l s i n k i 1955; d a z u auch WILHELM MEYER-LÜBKE, Z u r Geschichte der Dreschgeräte (Wörter und Sachen 1, 1909, S. 2 1 1 - 2 4 4 ) ; HUGO SCHUCHARDT,

Sachwortgeschichtliches über den Dreschflegel (ZRPh 34, 1910, S. 257—294). 38

39

40

41 42

RAGNAR JIRLOW, D i e G e s c h i c h t e des schwedischen P f l u g e s , S t o c k h o l m 1970; KUSTAA VILKUNA, D i e

Pfluggeräte Finnlands (Studia Fennica 16) Helsinki 1971, vgl. im übrigen Kap. II u. III, S. 18—31. LAJOS SZOLNOKI, Die Hanfbreche (Acta Etnographica Academiae Scientiarum Hungaricae 15, 1966, S. 1—74); DERS., Zwei weniger bekannte Hanfbrechgeräte (ebd. 23, 1974, S. 237—284). Diese Arbeiten sind auch für die Geschichte der Flachsbreche aufschlußreich, vgl. hierzu RAGNAR JIRLOW, Zur Terminologie der Flachsbereitung in den germanischen Sprachen, Göteborg 1926; ferner WALTHER GERIG, Die Terminologie der Hanf- und Flachskultur in den franko-provenzalischen Mundarten mit Ausblicken auf die umgebenden Sprachgebiete (Wörter und Sachen, Beiheft 1) Heidelberg 1913. HARALD JANKUHN, Sprachzeugnisse zur frühesten Geschichte der Landwirtschaft (HERBERT JANKUHN, Vor- und Frühgeschichte vom Neolithikum bis zur Völkerwanderungszeit, Deutsche Agrargeschichte hg. von GÜNTHER FRANZ, 1. Stuttgart 1969, S. 263-277). SIGFRID SVENSSON, Einführung in die europäische Ethnologie, Meisenheim/Glan 1973, S. 78—90. Atlas der deutschen V o l k s k u n d e , h g . v o n HEINRICH HARMJANZ u n d ERICH RÖHR, L e i p z i g 1937—

1939, N . F. hg. von MATTHIAS ZENDER, Marburg 1958ff.; Erläuterungen, DERS., (Hg.) Marburg 1959 ff.

7

Wörter und Sachen

Nordeuropas' an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen erwähnt, die im Blick auf die Neuauflage des Reallexikons der Germanischen Altertumskunde gegründet worden ist 43 . In Kolloquien über den Bauern, das Dorf, Flurformen und Agrartechnik, den Grabraub und das Handwerk, wurde hier seit 1973 ein Teil der bäuerlichen Sachkultur während der Eisenzeit und des frühen Mittelalters abgehandelt, stets unter Einbeziehung der Terminologie 44 . Ferner das 'Institut für mittelalterliche Realienkunde Österreichs' der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Krems a. d. Donau, das sich die^ Erforschung der spätmittelalterlichen Realienkunde zur besonderen Aufgabe gemacht hat 45 . Beiden Einrichtungen ist gemeinsam, daß sie eine bestimmte Phase der Sachentwicklung zum Ausgangspunkt nehmen, — die Eisenzeit oder das Spätmittelalter — und daß sie in diesem Rahmen versuchen, geschlossene Sachkomplexe wie Agrartechnik oder Handwerk, das Leben in der Stadt oder die Sachkultur des Klosters, auszuleuchten, in beiden Fällen verbunden mit einem intensiven Bemühen um die schriftlichen Quellen, so daß die Bezeichnungen, die zunächst mit den einzelnen Sachkomplexen erfaßt worden sind, nun in ihrem historischen wie situationsbedingten Kontext erscheinen. Vor diesem Hintergrund sind die Arbeiten zu sehen, die seit 1976 in einem Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs 7 der Universität Münster unter dem Titel 'Historisch-philologische Bezeichnungsforschung' durchgeführt werden 46 . Es geht hierbei darum, im Rahmen der 'Mittelalterforschung' interdisziplinären Charakters 43

Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RLA) begründet von

JOHANNES H O O F S ,

2. Aufl.

h g . v o n H E I N R I C H BECK, HERBERT JANKUHN, H A N S K U H N , K U R T RANKE, REINHARD WENSKUS, 44

45

46

Berlin—New—York 1973 ff. Bisher liegen folgende Veröffentlichungen vor: Wort und Begriff „Bauer". Zusammenfassender Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas, hg. von REINHARD WENSKUS, HERBERT JANKUHN, K L A U S GRINDA (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Kl., 3. Folge Nr. 89) Göttingen 1975; Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, Siedlungsform — wirtschaftliche Funktion — soziale Struktur. Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1973 u. 1974, hg. von HERBERT JANKUHN, RUDOLF SCHÜTZEICHEL und FRED SCHWIND (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. KL, 3. Folge, Nr. 101) Göttingen 1977; Zum Grabfrevel in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Untersuchungen zu Grabraub und „haugbrot" in Mittel- und Nordeuropa. Bericht über ein Kolloquium der Kommission für die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas vom 14. —16. Februar 1977, hg. von H E R B E R T JANKUHN, HERMANN NEHLSEN, H E L M U T R O T H (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Kl., 3. Folge, Nr. 113) Göttingen 1978. Zum Programm vgl. H A R A L D KÜHNEL, Aufgaben und Probleme der Realienkunde des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Verbandes der österreichischen Geschichtsvereine 21, 1977, S. 52—57); Veröffentlichungen: Die Funktion der schriftlichen Quellen in der Sachkulturforschung (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs Nr. 1 [österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., Sitzungsber. 304. Bd., 4. Abh.] Wien 1974); Das Leben in der Stadt des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs Nr. 2 [österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., Sitzungsber. 325. Bd.] Wien 1977). Zum Programm vgl. RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Historische Onomasiologie und Mittelalterforschung (wie Anm. 30); vgl. auch die Berichte (FMSt 10, 1976, S. 465-467; 11, 1977, S. 2 3 - 2 6 ; 12, 1978, S. 410-415; 13, 1979, S. 493-498); Wiederabdruck in: Sonderforschungsbereich 7 Mittelalterforschung (Bild, Bedeutung, Sachen, Wörter und Personen) Arbeits- und Ergebnisbericht 1977— 79, Münster 1979, S. 2 3 - 2 6 , 4 7 - 5 2 , 8 6 - 9 3 .

8

Ruth Schmidt-Wiegand

Bezeichnungen für bestimmte Sachgebiete aus der Zeit des frühen Mittelalters zu sammeln, zu sichten, sprachlich zu analysieren und für eine Wortforschung, die kulturhistorisch orientiert ist, philologisch und historisch zu erschließen47. Dabei werden, diachroner Sprachbetrachtung entsprechend, Methoden der historischen Onomasiologie und Semasiologie miteinander verbunden 48 . Den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden die volkssprachigen Wörter der Leges barbarorum oder Stammesrechte, einer Quellengruppe, die gerade im letzten Jahrzehnt wieder stärker in den Vordergrund des Interesses gerückt ist 49 . Diese Rechtsquellen, die einigermaßen genau zu datieren und zu lokalisieren sind, enthalten, eingebunden in den lateinischen Kontext, eine Reihe von Wörtern, die sich entweder aus einer germanischen Stammessprache oder aus einer anderen Volkssprache herleiten und die das Recht und seine Institutionen, die soziale Ordnung oder einzelne Kulturgüter betreffen50. Eine zusammenfassende Behandlung dieses Wortschatzes — sieht man von der Studie Georg Baeseckes über 'Die deutschen Worte der germanischen Gesetze' ab 51 — gibt es bisher noch nicht, erst recht nicht eine Auswertung dieser Wortquellen in bezug auf die Sachgeschichte. Hier ist Neuland zu betreten, dessen Erschließung für eine Wiederbelebung der Forschungsrichtung 'Wörter und Sachen' Bedeutung haben kann. Denn der Mediaevist, ob Historiker oder Philologe, ist es gewohnt, sich nicht allein auf die lexikalische Bedeutung eines Wortes zu berufen, sondern den Inhalt der Bezeichnungen aus ihrer Stellung im Kontext selbst abzuleiten. Dies ist im Grunde das Kernstück der historisch-philologischen Methode 52 . Er kommt von hier aus auch nicht so leicht in Versuchung, 47

Hierzu auch RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Die volkssprachigen Wörter der Leges barbarorum als Ausdruck sprachlicher Interferenz (FMSt 13, 1979, S. 56—87). Zum Begriff der volkssprachigen Wörter: HEINRICH TIEFENBACH, Studien zu Wortern volkssprachiger Herkunft in karolingischen Königsurkunden. Ein Beitrag zum Wortschatz der Diplome Lothars I. und Lothars II., München 1973, S. 9.

48

Die Onomasiologie (zu griech. onoma 'Name') oder Bezeichnungsforschung fragt, ausgehend vom Begriff, nach den Bezeichnungen, die diesem Begriff entsprechen. Die Semasiologie (zu griech.

semasia 'Zeichen') oder Bedeutungsforschung fragt, ausgehend von der Bezeichnung nach den Bedeutungen, die diese umfaßt. 49

CLAUSDIETER SCHOTT, Z u m g e g e n w ä r t i g e n S t a n d d e r L e g e s - F o r s c h u n g ( F M S t 1 3 , 1 9 7 9 , S . 2 9 — 5 5 ) ; H a n d w ö r t e r b u c h z u r d e u t s c h e n R e c h t s g e s c h i c h t e ( H R G ) , h g . v o n ADALBERT E R L E R u n d EKKEHARD

KAUFMANN unter philologischer Mitarbeit von RUTH SCHMIDT-WIEGAND, 2, Berlin 1978, darin folgende Artikel, die die sog. Leges betreffen: 'Langobardisches Recht' (DILCHER), 'Leges barbarorum' (ERLER), 'Leges Romanae' (KAUFMANN), 'Lex Alamannorum' (SCHOTT), 'Lex Baiuvariorum' (SIEMS), 'Lex Burgundionum' (NEHLSEN), 'Lex Frisionum' (SIEMS), 'Lex Ribvaria', 'Lex Salica', 'Lex S a x o n u m ' (SCHMIDT-WIEGAND), ' L e x V i s i g o t h o r u m ' (NEHLSEN) u . a. m . 50

RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Stammesrecht und Volkssprache in karolingischer Zeit (Nationes. Historische und philologische Untersuchungen zur Entstehung der europäischen Nationen im Mittelalter h g . v o n H E L M U T BEUMANN u n d W E R N E R SCHRÖDER, 1 : A s p e k t e d e r N a t i o n e n b i l d u n g i m M i t t e l a l t e r ;

Sigmaringen 1978, S. 1 7 1 - 2 0 3 ) insb. S. 1 7 4 - 1 7 9 . 51

GEORG BAESECKE, Die deutschen Worte der germanischen Gesetze (PBB 59, 1935, S. 1 —101); DERS., Vor- und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums, 2 : Frühgeschichte, 1. Lieferung, Halle 1950, S. 52—100; erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch: STEFAN SONDEREGGER, Die ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache (Festschrift Karl Siegfried Bader, Köln—Graz 1965, S. 419— 438); DERS., Althochdeutsche Sprache und Literatur, B e r l i n - N e w - Y o r k 1974, S. 7 4 - 76, 1 0 4 - 1 0 6 , 254 f.

52

Zur Notwendigkeit kontextbezogener Wortforschung vgl. auch: HANS SCHABRAM, Etymologie und Kontextanalyse in der altenglischen Semantik (Zs. für vergleichende Sprachforschung 84, 1970, S. 233—253); RUDOLF SCHÜTZEICHEL, Kontext und Wortinhalt. Vorüberlegungen zu einer Theorie

9

Wörter und Sachen

den Unterschied zwischen dem Kompetenz- und dem Performanzbereich zu übersehen, weil er sich auf die schriftliche Uberlieferung stützt und der Geschichte eines Wortes wie seiner semantischen Entwicklung vor der Etymologie, die für ihn nur am Rande steht, jederzeit den Vorrang gibt. Die Beiziehung homogener Texte, wie z. B. der Stammesrechte, bewahrt ihn zudem vor einer isolierenden Betrachtung des Einzelwortes. Wichtige Einwände gegen das methodische Prinzip 'Wörter und Sachen' lassen sich also von der Mediaevistik aus wie mit Hilfe der ihr eigenen historisch-philologischen Methode entkräften. Hier liegen die Möglichkeiten für einen positiven Beitrag, der von der Frühmittelalter-Forschung, ganz gleich ob lateinische oder volkssprachige Texte die Grundlage bilden, in die Diskussion über die Forschungsrichtung 'Wörter und Sachen' eingebracht werden kann. Man hat zeitweise angenommen, daß die Wortfeldforschung auch für eine Wörter und Sachen übergreifende Betrachtung einen neuen Weg eröffne 53 . Hier könnten für den Mediaevisten spürbare Grenzen liegen. Denn die schriftliche Uberlieferung, mit der er es vorrangig zu tun hat, bietet immer nur einen Ausschnitt aus der Fülle dessen, was tatsächlich einmal vorhanden gewesen ist, und läßt die Rekonstruktion eines Wortfeldes häufig nicht zu. So gibt es z. B. in den Leges barbarorum eine Fülle von volkssprachigen Wörtern für die verschiedenen Haustiere, die eine wortfeldmäßige Betrachtung durchaus erlauben. Die Verwandtschaftsbezeichnungen hingegen sind so schlecht bezeugt, daß Rückschlüsse auf das Wortfeld, das dem Gebrauch des Einzelwortes zugrunde liegt, hier nicht möglich sind. Jost Trier, der Begründer der sog. Wortfeldtheorie, hat die inhaltliche Bestimmung des Einzelwortes durch seine Zugehörigkeit zum Wortfeld einmal wie folgt charakterisiert: „Das Wortzeichenfeld als Ganzes muß gegenwärtig sein, wenn das einzelne Wortzeichen verstanden werden soll, und es wird verstanden im Maße der Gegenwärtigkeit des Feldes. Es 'bedeutet' nur in diesem Ganzen und kraft dieses Ganzen. Außerhalb eines Feldganzen kann es eine Bedeutung überhaupt nicht geben . . . " S 4 . Diese extreme Auffassung ist indessen nicht unwidersprochen geblieben. Helmut Gipper hat am Beispiel von Sessel und Stuhl55 gezeigt, daß der richtige Gebrauch dieser Bezeichnungen von der Präsenz eines Wortfeldes der 'Sitzgelegenheiten' unabhängig ist. Er hat durch eine Befragung ermittelt, daß die Sprecher weitgehend mit diesen beiden Wörtern auskommen, um eine Fülle von Gegenständen zu bezeichnen, ohne daß dabei der Wortinhalt von Feldnachbarn wie Bank und Sofa, Hocker und Schemel von wesentlicher Bedeutung wäre. Hingegen spielen die besonderen Gegebenheiten der Sachwelt eine ganz entscheidende Rolle.

53

54

des Ubersetzens aus älteren Texten („sagen mit sinne", Festschrift für Marie-Luise Dittrich, Göppingen 1976, S. 411-434). Hierzu und zum folgenden HELMUT GIPPER, Sessel oder Stuhl? Ein Beitrag zur Bestimmung von Wortinhalten im Bereich der Sachkultur (Sprache, Schlüssel der Welt, Festschrift für Leo Weisgerber, Düsseldorf 1959, S. 271—293), Wiederabdruck in: Wortfeldforschung. Zur Geschichte und Theorie des sprachlichen Feldes, hg. von LOTHAR SCHMIDT (Wege der Forschung 250) Darmstadt 1973, S. 371-398. JOST TRIER, Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes, 2. Aufl. Heidelberg 1973, S. 4 f. vgl. auch DERS., Meine drei Ansätze zur Wortfeldforschung (Gedenkschrift für Jost Trier, hg. von H A R T M U T BECKERS u n d HANS SCHWARZ, K ö l n - W i e n 1 9 7 5 , S .

55

S. o. Anm. 53, insb. S. 397.

1-12).

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Ruth Schmidt-Wiegand

Ihnen wird durch sprachliche Differenzierung in Form von zwei- und mehrgliedrigen Zusammensetzungen laufend Rechnung getragen. Sessel und Stuhl stehen von hier aus näher beieinander als die übrigen Bezeichnungen für Sitzgelegenheiten. Sie bilden miteinander eine Gruppe, für die Bezeichnungen wie Bank und Schemel keine echte Konkurrenz darstellen. Man hat also in der Welt des Gegenständlichen immer mit einer besonders starken 'Sacheinwirkung' zu rechnen. Dies aber bedeutet, daß das Bezeichnen der Gegenstände durch Sprache nicht aus dem 'Nachvollziehen einer vorgegebenen Feldordnung' besteht, sondern aus dem 'Beherrschen einer sprachlichen Gliederung, bei der bestimmte Sachmerkmale gruppenbildend wirksam geworden sind'. So gehört es denn auch zu den besonderen Anliegen der Sprachinhaltsforschung, herauszufinden, welche sachlichen Faktoren bei den Wortinhalten mit im Spiele sind. Dieser energetischen Sprachbetrachtung, die sich selbst auf Wilhelm von Humboldt zurückführt 56 , geht es um das Verhältnis von Wirklichkeit, Sprache und Denken bzw. Erkennen. Sprache selbst ist Energie, d. h. Wirksamkeit, Kraft oder Wirkung, mithin eine besondere Art von Erfassung, Verarbeitung und Gliederung der Wirklichkeit. Nach Leo Weisgerber 57 wird das Wesen der Sprache in ihren Leistungen faßbar, die im Prozeß des geistigen Umschaffens von Wirklichkeit, in der Weltgestaltung selbst, deutlich werden. Die dynamische Auffassung der Sprache in der Wortinhaltsforschung hat eine Weiterführung des Zeichen- und Systembegriffs zur Folge gehabt, die nicht zuletzt für die Forschungsrichtung 'Wörter und Sachen' die Möglichkeit eines neuen Ansatzes bietet. Zwar faßt auch Weisgerber das Wort als eine Einheit von Lautkörper und Inhalt auf, doch ist in dem Modell seiner Sprachbetrachtung58 zugleich auch das elementare Verhältnis von Mensch und Welt vertreten. Beide sind durch das Wort bzw. seine geistige Seite miteinander verbunden. Diese geistige Seite, die bei statischer Sehweise als Inhalt zu definieren ist, bei dynamischer oder energetischer Sehweise aber als Zugriff, ist Ausdruck einer menschlichen Auffassung von den Dingen, die sich in Sprache niedergeschlagen hat. Sie gehört der besonderen Weltansicht oder dem 'Weltbild der Sprache' an und wird von dem Sprechenden mit der Erlernung der Sprache als eine Art geistiger 'Zwischenwelt' erworben. Sie bestimmt sein besonderes Verhältnis zur Welt ganz entscheidend. Existenz und Wirksamkeit dieser Zwischenwelt lassen sich bei Bezeichnungen aus dem Bereich des Geistigen verhältnismäßig leicht aufzeigen. Sie ist aber auch bei den Bezeichnungen für Gegenstände der materiellen Kultur, die der Mensch selbst geschaffen und benannt hat, mit im Spiel. Der Gebrauch von Bezeichnungen wie Sessel und Stuhl lehrt, daß sie im Gegensatz zu den Namen keine Eindeutigkeit besitzen, sondern mit ihrem besonderen Inhalt von der 'geistigen Zwischenwelt' des Einzelnen wie der Gemeinschaft, in der er lebt, abhängig sind. Gipper hat von daher gefolgert: „Das Verhältnis von Wörtern und Sachen ist also weder mit den Methoden der 56

57

58

HELMUT GIPPER, Wilhelm von Humboldt als Begründer moderner Sprachforschung (Wirkendes Wort 15, 1965, S. 1—20); DERS., Sprachwissenschaftliche Grundbegriffe und Forschungsrichtungen (Lehrgebiet deutsche Sprache, 1) München 1978, S. 182—207. LEO WEISGERBER, Vom Weltbild der deutschen Sprache, Düsseldorf 1950; DERS., Die sprachliche Erschließung der Welt (Von den Kräften der deutschen Sprache 2) 3. Aufl. Düsseldorf 1962; DERS., Die vier Stufen in der Erfassung der Sprachen, Düsseldorf 1963. Vgl. hierzu GIPPER, Sessel oder Stuhl (wie Anm. 53) S. 373f.

Wörter und Sachen

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Onomasiologie ausreichend zu beschreiben, wie man lange Zeit zuversichtlich annahm, noch mit den Methoden der Feldforschung, wie man neuerdings hoffte. Vielmehr wirken in den heutigen Wortgeltungen und im heutigen Sprachgebrauch sprachgeschichtliche, synchron-inhaltliche, sachliche und psychologische Faktoren in so verschlungener Weise zusammen, daß man nur mit kombinierten Methoden und vor allem mit offenem Blick für die Sprach Wirklichkeit weiterkommen kann" 5 9 . Diese Feststellung geht zwar von Beobachtungen an der Gegenwartssprache aus, sie hat aber auch für zurückliegende Sprachstufen Gültigkeit, — ja man kann sagen, daß mit dem Hinweis auf die Sprachwirklichkeit der Philologe gegenüber dem Linguisten wieder voll in seine Rechte eingesetzt ist, besteht doch das Ziel seiner Bemühungen, wie bei dem Historiker auch, darin, zu zeigen, was als „wirklich wahr" anzusehen ist, in dem „Erkennen des Erkannten" 6 0 . Für die praktische Arbeit heißt dies, daß das Verhältnis von Wort und Sache zunächst an möglichst vielen Einzelbeispielen zu beobachten ist, die durch eine Kombination verschiedener Methoden der Philologie und Linguistik, der Historie und Sachforschung dann zu interpretieren sind. Dabei ist eine isolierte Betrachtung von Einzelwörtern möglichst zu vermeiden. Und wenn auch Bezeichnungen aus einem bestimmten Sachbereich noch nicht als 'Feld' anzusprechen sind, so eröffnet doch die Zusammenfassung der Wörter bestimmter Sachgebiete einen Weg, um das einzelne Wortzeichen aus seiner Isolierung zu lösen und in das Assoziationsgeflecht, um nicht zu sagen Assoziationsfeld, zu dem es gehört, einzuordnen. Es sollte versucht werden, bestimmte Regeln für das Verhältnis von Wort und Sache, für Bezeichnungswandel und Bedeutungsveränderung, für die Gewichtung von Tradition und Innovation aus dem Befund abzuleiten. Wie und auf welche Weise sei im folgenden an den Ackergeräten gezeigt, die in den Leges barbarorum bezeugt sind oder vorausgesetzt werden können. II. In der Erörterung über Umfang und Bedeutung der germanischen Siedlung in Nordgallien 61 hat eine Rolle gespielt, daß das Französische eine Reihe von Wörtern fränkischen Ursprungs enthält, die Ackerbau und Viehzucht, die Tier- und

59

Ebd. S. 398. Kritisch hierzu HANS SCHWARZ (Bibliographisches Handbuch zur Sprachinhaltsfors c h u n g , h g . v o n HELMUT GIPPER u n d HANS SCHWARZ, K ö l n - O p l a d e n 1 9 6 2 f f . ) N r . 5 3 7 0 ; V g l .

60

HELMUT GIPPER, Die feldhafte Gliederung des Wortschatzes und das Problem ihrer Formalisierbarkeit (Gedenkschrift für Jost Trier [wie Anm. 54] S. 116-149). AUGUST BOECKH, Encyklopädie und Methodenlehre der philologischen Wissenschaften, 2. Aufl. hg. v o n ERNST BRATUSCHECK, L e i p z i g 1866; ERNST BERNHEIM, L e h r b u c h der historischen M e t h o d e u n d

der Geschichtsphilosophie, A b d r u c k der 5 . / 6 . A u f l . v o n 1908, N e w Y o r k 1960; KARL GEORG FABER, 61

Theorie der Geschichtswissenschaft, 4. Aufl. München 1978, insb. S. 9ff. WALTER VON WARTBURG, Umfang und Bedeutung der germanischen Siedlung in Nordgallien (1950) (Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich, hg. von FRANZ PETRI, Wege der Forschung 49, Darmstadt 1973, S. 153-182) S. 156; Zusammenfassung des Forschungsstandes auch bei FRANZ PETRI, Die fränkische Landnahme und die Entstehung der germanisch-romanischen Sprachgrenze in der interdisziplinären Forschung (Erträge der Forschung 70) Darmstadt 1977; jetzt auch MAX PFISTER, Die Bedeutung des germanischen Superstrates für die sprachliche Ausgliederung der Galloromania (Nationes [wie Anm. 50] S. 127—170).

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Pflanzenwelt betreffen62. In diesem Zusammenhang sind u.a. blé 'Getreide3, gerbe 'Garbe', tas 'Haufe', haie 'Hecke, Zaun', houe 'Hacke, Haue, Karst', crèche 'Krippe, jardin 'Garten', herde undfouc 'Herde' genannt worden 63 . Ferner gehören allein vier Bezeichnungen für 'Schößling' hierher, nämlich scion, drageon, brout und écot 64 , und eine Reihe von Baumnamen wie hêtre und osier 'Buche' oder saule 'Weide' 65 . Die fränkischen Siedler behielten also für die Dinge des täglichen Lebens ihre eigenen Bezeichnungen bei, ja sie gaben diese an die Sprache der ansässigen Bevölkerung ab, sofern sie für bestimmte Formen des Wohnens und Wirtschaftens charakteristisch waren. So hat man die Übernahme von soule und osier in das Französische mit der funktionalen Bedeutung in Zusammenhang gebracht, die jene Hölzer für die Herstellung von Flechtwänden und Hürden hatten 66 . Frz. hêtre aber wie die suffixlose Nebenform hees, die auf germ. *haistr 'junger Baum' bzw. * hais ja 'Verhau, Landhag' zurückzuführen sind und sich im Französischen gegenüber den von fagus abgeleiteten Bezeichnungen für die Buche durchzusetzen vermochten 67 , sind auf dem Hintergrund einer Waldnutzung zu sehen, die auch als Niederwaldwirtschaft bezeichnet werden kann 68 . Die Verbreitung der fränkischen Baumnamen im romanischen Gallien hat in gewisser Weise eine Parallele in sehr viel früherer Zeit, nahmen doch auch die idg. Völker den Namen der Buche 69 auf ihre Wanderung mit, um sie auf Baumarten an ihren neuen Wohnsitzen zu übertragen, 62

63

64

65

V . WARTBURG (wie A n m . 61) S. 156—166; ferner ERNST GAMILLSCHEG, Romania Germanica. Sprach-

und Siedlungsgeschichte der Germanen auf dem Boden des alten Römerreichs, 1: Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen. Die Franken, 2. Aufl. Berlin 1970, insb. S. 301—308 u. 321—327. Hierzu MAX PFISTER, Die sprachlichen Berührungen zwischen Franken und Galloromanen (ZRPh 88, 1972, S. 175-193). Zu frz. blé < frk. blatum 'Getreide', ags. blöd 'Baumfrucht, Feldfrucht', mnl. blât 'Feldfrucht, Nutznießung', s. REW Nr. 1160; zu frz. gerbe < frk. garba, tas de blé > tas 'Haufe', frz. haie < frk. hagja zu ahd. an. hag, ags. haga, der Bezeichnung für die lebende Hecke, die auch in karrahago 'Wagenburg' enthalten ist, vgl. GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 303 u. 298; zu houe s. Anm. 110, zu frz. fouc < frk. fulk 'Schar, Herde' REW Nr. 3559. Frz. scion < germ. kidö 'Sprößling', dazu ags, kif>, ahd. kidi, gehört zu den ältesten fränkischen Lehnwörtern des Französischen, REW Nr. 4667, GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 323; die meisten Bezeichnungen des Sprießens und Knospens im Galloromanischen stammen danach von den Franken, desgl. andere Ausdrücke der Pflanzen- und Tierwelt; brüst 'junger Trieb', zu as. brustjan 'sprossen', frz. brout Treibreis'; frz. bourgion 'Knospe' < frk. burrjo; frz. drageon 'Wurzelschößling' < frk. draibjo Trieb' zu ostfries. drêfe; frz. écot 'Baumstumpf' < frk. skot 'Schößling' zu ahd. scoz, REW Nr. 1344 (brout), 1418 (bourgeon), 2763 (drageon), 8006 (écot), GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 323. Frz. saule zu frk. lang, salaba 'Weide' vgl. REW Nr. 7524, ferner THEODOR FRINGS, Germania Romana und Romania Germanica zwischen Mittelmeer, Rhein und Elbe. Zur Geschichte romanischgermanischer Wörter im Bereich von salix 'Weide', Berlin 1963; zu osier PFISTER (wie Anm. 61) S. 147f.; zu hêtre s. u. Anm. 67.

66

V . WARTBURG (wie A n m . 6 1 ) S.

67

Frz. hêtre frk. hëstre 'junger Baum, meist Buche' ersetzt weithin afrz. fou 'Buche' < lat. fagus, vgl.

156f.

R E W N r . 4 1 2 1 , GAMILLSCHEG ( w i e A n m . 6 2 ) S . 3 2 5 ; f e r n e r LARS GUNNAR R O M E L L , H e i s t e r : D e u -

tung und Vorkommen (Gedenkschrift für Jost Trier [wie Anm. 54] S. 243—250). 68

69

JOST TRIER, H o l z . Etymologien aus dem Niederwald, Münster—Köln 1952, S. 24, 98; FRIEDRICH

KLUGE, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 21. Aufl. Berlin—New York 1975, S. 3 0 1 . Zusammenfassend zur Diskussion über das sog. Buchenargument GÜNTHER NEUMANN, Frühe Indogermanen und benachbarte Sprachgruppen (Handbuch der Urgeschichte, hg. von KARL JOSEF NARR, Jüngere Steinzeit und Steinkupferzeit, Bern—München 1975, S. 673—689) S. 6 8 0 ; WOLFGANG PETER

Wörter und Sachen

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die wie die Speiseeiche eine vergleichbare funktionale Bedeutung hatten 70 . Wenn frk. hasla 'Haselstaude' so zu afrz. halot 'Weidengebüsch' und frz. ballier 'Gebüsch, Dickicht' weiterentwickelt wurde 71 , so ist auch diese Bezeichnungsübertragung, verbunden mit Bedeutungswandel, auf die besondere Situation wandernder Stämme zurückzuführen. Für die Übernahme bestimmter Bezeichnungen ist meistens die Lücke entscheidend gewesen: Man übernahm von dem anderen Sprachvolk, was man selbst nicht besaß oder bisher in einer anderen Weise nutzte, und zwar mit der besonderen Sache auch deren Bezeichnung für Gegenstände und Verrichtungen, die damit in einem inneren Zusammenhang standen. Die Übernahme kann sich dabei auf verschiedenen oder gleichen Ebenen abspielen. Je nachdem spricht man von Substrat, Adstrat oder Superstrat72. Unter Substrat versteht man die Sprache einer ansässigen Bevölkerung, die in einer übernommenen Sprache bestimmte Spuren, z. B. Wörter, hinterlassen hat. Als Beispiel sei mlat. carrtis 'Wagen' genannt, das auf gall. carros zurückgeht 73 . Als Adstrat kann man fremdsprachlichen Einfluß bezeichnen, der auf Sprachnachbarschaft beruht. Hier ist dt. Karch zu nennen, das aus mlat. carruca 'zweirädriger Wagen' vor allem in die Mundarten Südwestdeutschlands übernommen wurde und im Französischen charrue 'Pflug' ergab 74 . Unter Superstrat schließlich versteht man die Spuren einer von außen kommenden, durch Zuwanderung oder Invasion eingeführten Sprache der ansässigen Bevölkerung: Dies ist der Fall des Fränkischen in seinem Verhältnis zum Galloromanischen75. Der Vorgang der Übernahme von Bezeichnungen, sei es als Substrat, Adstrat oder Superstrat, läßt sich nun in einzelnen Fällen von den Legestexten aus verdeutlichen. Dies gilt z. B. für das bereits erwähnte hasla, das in beiden fränkischen Stammesrechten belegt ist. Nach der Lex Ribvaria Tit. 69 § 5 ist der Eid ad s t a f f l o regis in circulo et in colore, d.h. 'im gehaselten Ring' zu leisten, wofür einige Handschriften in hasla hoc est in ramo haben 76 ; colore ist hier aus corylus verderbt, auf das frz. coudre, die gängige Bezeichnung für den Haselstrauch im Französischen, zurückgeht 77 . Die Einhegung des Gerichts durch Haselstecken ist auch für andere germanische Stämme bezeugt und von der Vorstellung aus zu verstehen, daß das Haselholz magische Kräfte besitzt, die das Böse abzuwenden vermögen 78 . Tit. 41 § 4 Indogermanische Modelle und osteuropäische Frühgeschichte (Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse Jg. 1978, Nr. 1). Vgl. gr. phegös 'Speiseeiche' oder russ. buz, buzina 'Holunder', KLUGE (wie Anm. 6 8 ) S. 1 0 6 . Frk. hasla zu ahd. hasla 'Haselzweig', an. hasla 'Haselrute', vgl. GAMILLSCHEG (wie Anm. 6 2 ) SCHMJD,

70 71

S . 3 2 5 , KLUGE ( w i e A n m . 6 8 ) S . 2 9 2 . 72 73

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75

76

77 78

(wie Anm. 3) S. 770f. und THEODOR FRINGS, Germania Romana 2 , Dreißig Jahre Forschung romanischer Wörter (Mitteldeutsche Studien 1 9 / 2 ) Halle 1 9 6 8 , S. 2 0 7 - 2 0 9 ; KLUGE (wie Anm. 6 8 ) S. 3 5 4 . Ebd. Ferner THEODOR FRINGS, Deutsch Karch 'Wagen', frz. charrue 'Pflug' (Zs. f. Volkskunde N. F . 2, 1931, S. 100-105), Näheres s.u. S. 21 und Anm. 138. W A L T H E R VON W A R T B U R G , Die Ausgliederung der romanischen Sprachräume (ZRPh 56, 1936, S. 1-48). Lex Ribvaria, hg. von FRANZ BEYERLE und RUDOLF BUCHNER (MGH LL nat. Germ. III, 2 ) Hannover 1954, S. 121 f. REW Nr. 2271. R U T H SCHMIDT-WIEGAND, Artikel 'Hasel' ( H R G 1, Berlin 1971, Sp. 2013-15). LEWANDOWSKI

GERTRAUD M Ü L L E R

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Ruth Schmidt-Wiegand

der Lex Salica führt so an die Funktion heran, die von hier aus gesehen Haselruten im Totenkult hatten, wird doch nach diesem Text der Leichnam aut de ramis aut de hallis bedeckt 79 . Hasla bzw. hallis, mit bereits romanisierter Form, wird auch in diesem Text durch ramus 'Zweig' verdeutlicht, so daß die beiden fränkischen Stammesrechte eine Bedeutung 'Haselstecken' als Grundlage der Entlehnung sichern. Dabei kann die Vorstellung von der apotropäischen Wirkung der Hasel, die in beiden Texten mit enthalten ist, die aber der Antike und damit der Romania fehlte, der Übernahme von Wort und Sache durchaus günstig gewesen sein, wenn sie nicht überhaupt das Motiv für sie abgegeben hat 80 . Nicht immer läßt sich aus dem Kontext des Rechts für die Wortgeschichte so viel herausholen wie in diesem Fall. Doch sind die Leges mit ihrem besonderen Wortschatz auch unabhängig davon für die Sprachkontakte, die seit der Merowingerzeit zwischen Germanen und Romanen bestanden haben, höchst aufschlußreich. Art und Verlauf sprachlicher Transferenzund Interferenzvorgänge 81 lassen sich an diesen Texten z. T. recht gut beobachten. Dies gilt nicht nur in bezug auf die Rechtswörter wie etwa frk. *waddi 'Pfand', das über mlat. vadium frz. gage 'Lohn' ergab 82 , sondern ebenso wenn, nicht mehr für die sog. Sachbezeichnungen, an denen die 'Wörter und Sachen'-Forschung von jeher vorrangig interessiert gewesen ist. Sie stellen einen erheblichen Prozentsatz der volkssprachigen Wörter 83 , die in den Leges überhaupt enthalten sind. An dieser Stelle sollen nur einige wenige genannt werden: Mlat. scuria, das dem Wortkörper nach nhd. Scheuer entspricht, in den Rechtstexten aber mit der Bedeutung 'Stall' überliefert ist und in die Mundarten des Französischen mit der Bedeutung 'Pferdestall' einging 84 . Mlat. waranio 'Hengst' zu ahd. rain(i)o, das von seiner mlat.

79

80

81

Pactus Legis Salicae, hg. von KARL AUGUST ECKHARDT ( M G H L L nat. Germ. IV, 1) Hannover 1962, S. 155. Vgl. auch KARL WEINHOLD, Uber die Bedeutung des Haselstrauchs im altgermanischen Kultus und Zauberwesen (Zs. f. Volkskunde 11, 1901, S. 1 — 16); HANS VORDEMFELDE, Die germanische Religion in den deutschen Volksrechten 1, Gießen 1923, S. 8 8 - 9 0 . Unter Transferenz versteht man die Übernahme von Elementen, Merkmalen und Regeln aus einer anderen Sprache in die eigene. Die Übernahme von Lehnwörtern fällt unter den Begriff der 'lexikalischen Transferenz'. Unter Interferenz versteht man die Erscheinung, daß sich das vorhandene Sprachsystem mit den Strukturen einer zu erlernenden oder übernehmenden Sprache vermischt (interferiert); LEWANDOWSKI (wie Anm. 3) S. 291 u. 931 f.; vgl. auch Sprachliche Interferenz, Festschrift für W e r n e r B e t z , h g . v o n H E R B E R T K O L S u n d H A R M U T LAUFFER in V e r b i n d u n g m i t K A R L O T T O B R O G SITTER, W O L F G A N G H U B E R , H A N S H . R E I C H u n d H A N S SCHOTTMANN, T ü b i n g e n

82

83 84

1977.

GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 268 hat darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei frk. waddi zu ahd. wetti 'Pfand, Einsatz' offenbar um einen eher „volkstümlichen Ausdruck" handelte, während der „eigentliche Gerichtsausdruck" frk. pligi, mlat. plibium, plevium 'Verpflichtung, Bürgschaft' ergab. Auch dieses Wort ist in der Lex Salica Tit. 87 (plebium) belegt; mlat. vadium < frk. waddi hingegen fehlt in der Überlieferung der Lex Salica. Vgl. hierzu auch RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Die volkssprachigen Wörter der Leges barbarorum als Ausdruck sprachlicher Interferenz (FMSt 13, 1979, S. 5 6 - 8 7 ) insb. S. 71 u. Anm. 93. Zum Terminus s. o. S. 8 u. Anm. 47. Mlat. scuria 'Stall' bzw. 'Speicher' zu ahd. scüra, sciura F., dazu afrz. escure, prov. escura, frz. ecurie 'Pferdestall', KLUGE (wie Anm. 68) S. 644, dazu Pactus legis Salicae Tit. 16 § 4 (wie Anm. 79); Pactus und L e x A l a m a n n o r u m : L e g e s A l a m a n n o r u m , hg. von KARL LEHMANN, 2. A u f l . v o n KARL AUGUST ECKHARDT ( M G H L L nat. G e r m . V , 1) H a n n o v e r 1966, T i t . 21 § 4 b z w . T i t . 76 § 2 , 77 § 3 ; L e x

B a i w a r i o r u m , hg. v o n ERNST SCHWIND ( M G H L L nat. G e r m . V , 2) H a n n o v e r 1927, Tit. 2, 4 u n d

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Wörter und Sachen

Form aus in das Französische übernommen wurde und hier garaynon ergab 85 . Alach 'Hof' 8 6 und sali bzw. sala 'Haus' 8 7 , die in zahlreichen Ortsnamen, vor allem Nordfrankreichs, fortleben 88 . Mallum 'Gericht', das als Appellativum wie als Bestandteil von Ortsnamen übernommen wurde und das in der Rechtssprache frz. mal public 'öffentliche Gerichtsverhandlung' ergab 89 . Ferner bannum 'Befehl unter Strafandrohung', das im Französischen neben 'öffentliche Verkündigung' bzw. 'Beschlagnahme' auch die Bedeutung 'Bezirk' angenommen hat 9 0 . Dies alles sind Bezeichnungen, die über die Brücke des Frankolateinischen in das Galloromanische vermittelt wurden, — ein Vorgang sprachlicher Transferenz, für den die Legestexte sehr frühe und dabei recht bemerkenswerte Belege enthalten. Entsprechendes läßt sich bei den sog. Kulturlehnwörtern festzustellen, die über das Vulgärlateinische in das Deutsche und seine Mundarten gelangt sind 91 und für die die Texte der Lex Salica z. T. ebenfalls sehr frühe Belege enthalten. Das gilt z. B. für mlat. aulla/olla 'Topf', ein Wort, das vermutlich zunächst mit der besonderen Kunst der Terra sigillata-Töpferei in die Germania gekommen ist 92 . Ferner für carrus und carruca, auf die — wie bereits erwähnt — im Deutschen Karre und Karch als Bezeichnungen für den Ackerwagen zurückgehen93. Nach neueren Erkenntnissen 1 0 , 2 ; GAMILLSCHEG ( w i e A n m . 6 2 ) S . 2 9 6 f . ; T H E O D O R FRINGS 85

86

87

-

WALTHER VON W A R T B U R G ,

Französisch-Fränkisches. Drei Wörter der Lex Salica (ZRPh 72, 1956, S. 283-288) S. 285. Pactus legis Salicae Tit. 38 §§ 2 u. 4 (wie Anm. 79) S. 136f.: Mlat. waranius zu frk. wrainjo, ahd. wrenjo, an. wrenjo, afrz. garagnon, prov. garanhon GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 307; FEW 17, Basel 1966, S. 613 nimmt an, daß das Wort als Fachwort der königlichen Gestüte bis nach Sudfrankreich gelangt sei. ERNST GAMILLSCHEG, Alh 'Opferstelle, Hain' in nordfranzösischen Ortsnamen (Zs. f. Namenforschung 14, 1938, S. 5—17), Wiederabdruck (DERS., Ausgewählte Aufsatze 2, Tübingen 1962, S. 285—297); RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Alach. Zur Bedeutung eines rechtstopographischen Begriffs der fränkischen Zeit (Beiträge zur Namenforschung NF 2, 1967, S. 21—45). KAREL ROELANDTS, Sele und Heim (Namenforschung. Festschrift für Adolf Bach, hg. von RUDOLF SCHÜTZEICHEL u n d MATTHIAS Z E N D E R , H e i d e l b e r g 1 9 6 5 , S . 2 7 3 — 2 9 9 ) ; R U T H S C H M I D T - W I E G A N D ,

Sali. Die Malbergischen Glossen der Lex Salica und die Ausbreitung der Franken (1968) (Wege der Forschung 49 [wie A n m . 6 1 ] S. 4 9 0 - 5 3 0 ) . 88

89

RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Das Dorf nach den Stammesrechten des Kontinents (Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters [wie Anm. 44] S. 408—443). Mlat. mallus, mallum zu ahd. mahal, malst. N. 'Gericht, Gerichtsstätte, Gerichtsversammlung', got. mapl 'Versammlungsort, Markt'; vgl. RUDOLF SCHÜTZEICHEL, Althochdeutches Wörterbuch, 2. Aufl. Tübingen 1974, S. 120; SIGMUND FEIST, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache, 3. Aufl. Leiden 1939, S. 349f.; RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Mallus, mallum (HRG 3, Berlin 1978ff., Sp. 2 1 7 f . ) ; GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 3 8 2 f . ; zu den Ortsnamen WILHELM KASPERS, W o r t - und

Namensstudien zur Lex Salica (ZfdA 82, 1948/50, S. 291-335) S. 323 f.; A. CARNOY, Le mallum dans la toponymie beige (Melanges Ch. Moeller 1, 1914, S. 286-320). 90 pEW 15, Basel 1969, S. 65f.; zur Bedeutungsentwicklung im Deutschen vgl. auch: Südhessisches Wörterbuch, begründet von FRIEDRICH MAURER, bearb. von RUDOLF MULCH, 7. Lieferung Marburg 91

1977, Sp. 1236 u. Karte II 74: 'Gemarkung' nach dem südhessischen und pfälzischen Wörterbuch. Vgl. auch HANS-FRIEDRICH ROSENFELD, Klassische Sprachen und deutsche Gesamtsprache (Lexikon der Germanistischen Linguistik [wie Anm. 1] S. 474—485).

92

MÜLLER/FRINGS (wie A n m . 7 3 ) S. 112, HILDEBRANDT (wie A n m . 2 3 ) S. 3 3 7 — 3 4 1 ; Pactus legis

93

Salicae Tit. 8 § 1 u. 4 (wie Anm. 79) S. 43 u. 45 -.antedio olechardis 'Erbrechung eines Bienenzauns' mit ole- als Entsprechung zu apis 'Biene, Bien' (d. i. Bienenvolk) bzw. vasum 'Korb, Geschirr' (d. i. Bienenwohnung). S. o. S. 13 u. Anm. 74, s. u. S. 21 u. Anm. 138.

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Ruth Schmidt-Wiegand

ist auch herpex 'Egge' diesen Kulturlehnwörtern zuzurechnen94; über seca 'Pflugmesser' bzw. 'Vorpflug' wird noch zu sprechen sein95. An Gebäudebezeichnungen ist schließlich spicarium 'Scheune' zu nennen96, das dt. Speicher ergab, und als Lehnbildung aus lat. spica nach dem Muster von granarium 'Kornboden' oder cellarium 'Keller' angesehen wird: Der älteste Beleg findet sich in Tit. 16 § 3 der Lex Salica97. Das Bild der fränkischen Landnahme, das sich nicht zuletzt auf die eingangs erwähnten Bezeichnungen für Ackerbau und Viehzucht gründet, die in das Französische eingegangen sind, ist also von den Kulturlehnwörtern des Deutschen aus, die bereits in der Lex Salica bezeugt sind, zu ergänzen: Sie betreffen fast ausnahmslos die Siedlung und ihren inneren Ausbau98. Bezeichnend hierfür ist das Wort campus, das nach dem 4. Jahrhundert entlehnt wurde und das sich semantisch ganz entscheidend veränderte, indem es seinen ursprünglichen Sinn 'unbebautes Land' aufgab und die Bedeutung 'ager' bzw. 'bebautes Feld' annahm99. Diese Bedeutungsentwicklung läßt sich auch an der Uberlieferung der Lex Salica ablesen: In Tit. 2 § 4, einer Bestimmung, die zum ältesten Bestand des Rechtes gehört, wird mit campus noch das unbebaute Land bezeichnet, auf das die Schweine zur Weide getrieben wurden100. In Tit. 27, der einer jüngeren Textschicht angehört, wird § 13 das Flachsfeld campus genannt101, und §§ 31. 32 der Feldstreifen oder das Landlos, das nach Ausweis der Malbergischen Glosse in der fränkischen Sprache strippa hieß 102 . Die Wendung in campo vel exitu schließlich, der in späterer Zeit die "Paarformel in Feld und Flur entspricht, findet sich in einer sehr viel jüngeren Sonderüberlieferung des salischen Rechts 103 . Diese Bestimmung enthält mit der Nennung der vicini einen sicheren Hinweis auf einen Siedlungszusammenhang 94

95 96

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GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 304 geht von frk. harpa 'Egge' aus, das ihm durch prov. arpa 'Kralle' und mlat. erpex im Pactus legis Salicae Tit. 34 § 3 (wie Anm. 79) S. 127 gesichert erscheint. PFISTER (wie Anm. 62) S. 187 hat indessen darauf aufmerksam gemacht, daß für mlat. erpex wie für aprov. arpa ein Zusammenhang mit lat. harpa 'Sichel' näherliegt. Dies bedeutet, daß die Franken das Wort vermutlich zusammen mit der Sache von der galloromanischen Bevölkerung übernommen haben. S. u. S. 20ff. u. Anm. 131, 151, 153, 173, 175, 184, 186. MÜLLER/FRINGS (wie A n m . 73) S. 4 6 3 f f . ; KLUGE (wie A n m . 6 8 ) S. 722; F E W 12, Basel 1966, S . 175 f. Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 73. Hierzu mit weiteren Beispielen RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Der „Bauer" in der Lex Salica (Wort und Begriff „Bauer" [wie Anm. 44] S. 128-152). MÜLLER/FRINGS (wie A n m . 7 3 ) S.

147.

Si porcellum de campo furauerit qui sine matre uiuere possit. . . Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 22. Si quis in campo alieno lino furauerit. . . ebd. S. 102. St quis campum alienum arauerit et non seminauent. . . ebd. S. 108; Si quis campum alienum arauerit et seminauerit, mallobergo obrepo andre scrippas hoc est. . . ebd. S. 109. Die Malbergische Glosse enthält mit strippas (Gen. -as) eine Entsprechung zu mnd. stripa F. 'Landlos', vorauszusetzen ist *oferöf andres strippas 'unberechtigte Bearbeitung des (angrenzenden) Landstreifens', vgl. b. WILLEM L. VAN HELTEN ZU den malbergischen glossen und den salfränkischen formein und lehnwörtern in der lex salica (PBB 25, 1900, S. 225-542) S. 398. Tit. 102 Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 258: Sicut adsolet homo iuxta uilla aut inter duas uillas proximas sihi uicinas fuerit. . . Si uero non uenerit, qm corpus cognoscat, tunc uicim illi, in quorum campo nel exitu corpus muentum est. . .

Wörter und Sachen

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dörflichen Charakters 104 . Die angeführten Bestimmungen mit ihrer Terminologie sind also auch Reflex auf eine wirtschaftliche (und dies heißt sachliche) Entwicklung, die nicht zuletzt in verschiedenen Innovationen 105 greifbar wird, von denen die Lex Salica weiß. Sie betreffen die Einführung neuer Geräte, die der Intensivierung des Ackerbaues dienen, wie besondere Methoden und Produkte, den Anbau von Wein und Obst und die Veredlung der Bäume. In Tit. 27 § 8 wird das Pfropfreis, inpotus, genannt 106 , eine Bezeichnung, die zu lat. imputare 'veredeln' gehört, das als Fachwort des Wein- und Obstbaus noch vor der ahd. Lautverschiebung in das Deutsche gelangte und hier impfen ergab 107 . Die Innovationen, die so in der Lex Salica mehr oder weniger beiläufig bezeugt sind, setzen ein weitgehend technisiertes Handwerk, vor allem ein gut ausgebildetes Metallhandwerk, voraus. Hier ist das sog. Mühleneisen zu erwähnen, ein für die Konstruktion der Wassermühle äußerst wichtiges Stück, dessen Diebstahl nach Tit. 22 § 2 entsprechend zu büßen ist 1 0 8 . Man wird also sagen können, daß nach dem Zeugnis des salischen Rechts die Lebensformen der wandernden Franken ihrer Grundstruktur nach zweifellos agrarisch bestimmt gewesen sind, daß aber die Viehzucht zunächst gegenüber dem Ackerbau die größere Bedeutung hatte. Zu 'Ackerbauern' in einem spezifischen Sinne wurden die salischen Franken offensichtlich erst im Verlauf des 6. Jahrhunderts. Dies läßt sich an dem Text der Lex Salica ablesen, gehören doch die Bestimmungen, die die Flurordnung betreffen, vor allem der mehrfach zitierte Tit. 27 De furtis diversis109, einer jüngeren Textschicht bzw. mit einzelnen Bestimmungen auch späteren Fassungen an. Für die agrargeschichtliche Entwicklung, die sich hier abzeichnet, spielte die Übernahme von landwirtschaftlichen Geräten offenbar eine ganz entscheidende Rolle. Dies setzt ein unterschiedliches Kulturniveau bei Galloromanen und Franken voraus, für das nicht zuletzt die Gerätebezeichnungen signifikant sind, die ausgetauscht wurden. So stammen die französischen Bezeichnungen für 'Hacke' oder 'Karst', frz. houe oder hoyau110 aus dem Fränkischen, während die Bezeichnung für das bogenförmig geschmiedete Erntegerät im Deutschen, Sichel, über das Vulgärlateinische entlehnt und mit entsprechender Bedeutung auch in das Französische eingegangen ist. Die Bezeichnung für die Futtergewinnung aber, die mit dt. weiden ihre ursprüngliche Bedeutung weitgehend erhalten hat 1 1 1 , nahm auf gallischem Boden zunächst einen 104

los

RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen für soziale Schichten und Gruppen in der Lex Salica (Nachrichten der Akad. d. Wiss. in Göttingen, I. Phil.-hist. Kl., Jg. 1972, Nr. 4, S. 2 1 9 - 2 5 8 ) S. 236f. Innovation (Erneuerung, aufkommende Gewohnheit etc.) Gegensatzbegriff zu Tradition, vgl. WIEGELMANN -

ZENDER -

HEILFURTH (wie A n m . 36) S. 4 7 f f .

• . Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 100.

106

Si quis inpotus de pomarto

107

K L U G E ( w i e A n m . 6 8 ) S . 3 2 5 ; H I L D E SCHUCHHARDT, W a n d e r b a h n e n in d e r W o r t g e o g r a p h i e

aut de perario derupertt.

veredeln (ZMF 20, 1952, S. 8 - 2 3 ) ; DWA 14 (wie Anm. 21) Gießen 1965, Karte 10. los p a c tus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 87: Si quis ferramento de molino alieno furauerit. . . solldos culpabilis iudicetur. 1 0 9 Ebd. S. 9 8 - 1 0 9 . 1 1 0 GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 305: Frz. houe 'Hacke, Karst' wie die Abll. frz. hoyau, houel setzen frk. houwa voraus. 111

von

XLV

afrz.

Zu frk. sikila und vulgärlat. *sicilis, das einerseits ahd. sihhila, andererseits afrz. seille, wallon. sele, lothr., champ. seille, sdle ergab, vgl. GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 305; MÜLLER/FRINGS (wie Anm. 73) S. 458f. und u. S. 33 Anm. 211.

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Ruth Schmidt-Wiegand

agrartechnischen Sinn an: Frz. gagner 'gewinnen' liegt afrz. gaignie 'Land bebauen, bearbeiten' < galloromanisch waidanjare 'Land ausbeuten' zugrunde, das seinerseits auf frk. waidanjan 'weiden, jagen' zurückgeht 112 . Auch dieses Wort mit seinem Bedeutungswandel ist also bezeichnend für die Entwicklung, die sich in Gallien seit dem 6. Jahrhundert abgespielt hat. Vor diesem Hintergrund sind nun die Bestimmungen der Lex Salica zu sehen, die sich ausdrücklich auf den Pflug und die Verrichtung des Pflügens beziehen. Hier ist an erster Stelle Tit. 27 § 16 zu nennen: Si quis uero aratro de campo alieno anteostauerit aut iactauerit aut testauerit, mallobergo achuuerpho, sunt denarii DC qui faciunt solidos XV culpabilis iudicetur113. Sinngemäß heißt dies: „Wenn einer einen Pflug von dem Feld eines anderen zurückstößt oder wirft oder (ihm) wehrt, vor Gericht 'wenn er den Pflug wirft' so ist er zu 600 Denaren, das sind 15 Schillinge, schuldig zu sprechen". Die Bestimmung findet sich erstmals in der Fassung C, dem erweiterten 65 Titel-Text, der sich auf das Teilreich Guntchrams bezieht und wahrscheinlich zwischen 567 und 596 entstanden ist 114 . Zum besseren Verständnis ist eine Variante dieser Bestimmung, die nur aus dem Druck von Johannes Herold 115 bekannt ist, mit heranzuziehen. Die Lesarten auuerphe in C 6 und anhuuerbo bei Herold, beide mit typisch merowingerzeitlichen Graphien 116 , sind auf eine gemeinsame Ausgangsform angun uuerpe zurückzuführen. In ihr steht neben dem Tätigkeitswort uuerpe, der Entsprechung zu dem iactauerit des Kontextes, angun, das volkssprachige Gegenstück zu lat. aratrum. Diese Bezeichnung ist zu ahd. ango M. 'Haken' zu stellen 117 und in den frz. Mundarten mit entsprechender Bedeutung nachzuweisen: Mit angon wird im Wallonischen ein 'Hakenstock', im Lothringischen die 'Türangel', in Anjou 'eine Art Pflug' bezeichnet118. Bei dem aratrum/ango der Lex Salica handelt es sich mithin um einen sog. Haken 119 , der den Boden zwar aufwühlt, 112

113 114

ns

116

117

GAMILLSCHEG ( w i e A n m . 6 2 ) S . 3 0 3 ; KLUGE ( w i e A n m . 6 8 ) S . 8 4 6 .

Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 103. KARL VON AMIRA, Germanisches Recht 1: Rechtsdenkmäler, 4. Aufl. bearb. von KARL AUGUST ECKHARDT (Grundriß der Germanischen Philologie 5/1) Berlin 1960, S. 43. RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Artikel 'Lex Salica' (HRG 2, Berlin 1978, Sp. 1 9 4 9 - 1 9 6 2 ) Sp. 1951. Zu der Ausgabe, die 1557 von Johannes Herold gedruckt wurde, einem 80-Titel-Text, der auf einer Kompilation verschiedener Handschriften und Fassungen beruht, vgl. KARL AUGUST ECKHARDT (Hg.) Pactus legis Salicae, 1: Einführung und 80-Titel-Text (Germanenrechte Neue Folge. Westgermanisches Recht) Göttingen 1954, S. 232—280 (mit Text). Bei den Malbergischen Glossen ist mit Entstellung durch romanisch sprechende Abschreiber zu rechnen: anchun = Acc. Sg. von ango M. mit -c-, -cb-, -¿-Schreibung für -g-, uuerphe bzw. uuerbo mit -ph- bzw. -¿-Schreibung für -p-, vgl. SCHMIDT-WIEGAND, Bauer (wie Anm. 98) S. 133f. u. Anm. 44. Zu ahd. ango M. 'Stachel, Angelpunkt, Mittelpunkt' RUDOLF SCHÜTZEICHEL (wie Anm. 89) S. 8; ferner Althochdeutsches Wörterbuch. Aufgrund der von ELIAS VON STEINMEYER hinterlassenen Sammlungen im Auftrage der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, bearbeitet und h e r a u s g e g e b e n v o n ELISABETH KARG-GASTERSTÄDT u n d THEODOR FRINGS, 1 , B e r l i n 1 9 6 8 , S p . 5 2 0 f .

Zur Bedeutung 'Haken' vgl. auch KLUGE (wie Anm. 68) S. 22 unter Angel. 118

GAMILLSCHEG ( w i e A n m . 6 2 ) S . 3 0 4 .

119

ULRICH BERNER, Zur Typologie und Nomenklatur der Pflüge (Zs. f. Agrargeschichte und Agrarsoziologie, Jg. 11, 1963, S. 1 - 2 4 ) ; ULRICH BENTZIEN, Haken und Pflug. Eine volkskundliche Untersuchung zur Geschichte der Produktionsinstrumente im Gebiet zwischen Elbe und Oder, Berlin 1969. Zur Sache: PAUL LESER, Die Entstehung und Verbreitung des Pfluges, Münster 1931 (nicht mehr in allen Punkten unbestritten).

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indessen nicht die Schollen wendet, da ihm im Unterschied zum Wendepflug das Streichbrett fehlt 1 2 0 . In der fachwissenschaftlichen Nomenklatur wird dieser Typ auch als Arder (Abb. 1) (zu dän. ard bzw. schwed. ârder) bezeichnet 121 . Das Pfluggerät, das im Text der Lex Salica erwähnt wird, dürfte damit den Pflügen gleichen, die für die Angelsachsen und Goten bezeugt sind. Den Bezeichnungen nach zu urteilen, handelt es sich auch bei ihnen um Haken. So kann ags. sulh, das mit lat. sulcare 'pflügen' und sulcus 'Furche' zusammengehört, sowohl 'Pflug' wie auch 'Furche' bedeuten, — ein Hinweis auf die besondere Funktion des Geräts, die in einem Durchfurchen des Ackerbodens bestand 1 2 2 . Got. hoha M. 'Pflug' aber, das im Althochdeutschen die Bezeichnung huohili 'kleiner Pflug' zur Seite hat 1 2 3 , gehört mit russ. sochâ 'Hakenpflug' in eine Wortfamilie, bei der von einer Grundbedeutung 'Ast, gebogener Zweig' auszugehen ist und mit einer sekundären Bedeutung 'Pflug' gerechnet werden kann 1 2 4 . Ursprünglich dürfte es sich also bei dem mit sochâ oder hoha bezeichneten Gerät ebenfalls um einen Haken oder Arder gehandelt haben, bei dem ein zugespitztes Stammstück als Pflugschar diente und der dazugehörige Ast als Grindel oder Krummholz 1 2 5 . Doch ist damit nicht gesagt, daß die Goten des 4. Jahrhunderts nur diese einfachste Form des Arders besaßen. Erfahrungsgemäß kann eine Gerätebezeichnung beibehalten und auf ein verbessertes oder neues Gerät übertragen werden, wenn sich die Funktionen entsprechen 126 . Auch ist hoha kaum das älteste Pflugwort im Gotischen gewesen, führt doch die Tätigkeitsbezeichnung arjan127 in sehr viel tiefere Schichten. Mit ae. erian und ahd. erren, as. erida und aisl. ardr 'Pflug', lat. arare, arator und aratrum, frz. araire 'Pflug' gehört got. arjan zu der ältesten Bezeichnung für das Pflügen in den idg. Sprachen überhaupt 1 2 8 , die sich als erren o. ä. relikthaft auch in den deutschen Mundarten gehalten hat 1 2 9 . Das got. Beispiel arjan 'pflügen' und hoha 'Pflug' hat also eine Entwicklung des Arders zur Voraussetzung, ohne daß von den Wort- und Schriftquellen aus deutlich würde, 120

121

MICHAEL MÜLLER-WILLE, Eisenzeitliche Fluren in den festländischen Nordseegebieten, Münster 1965, S. 9 8 - 1 0 7 . Zusammenfassung des Forschungsstandes: MICHAEL MÜLLER-WILLE, Artikel 'Ackergerate' (RLA. 2 . A u f l . , 1, 1973, S. 50—53); KARL-ROLF SCHULTZ-KLINKEN, Artikel ' A c k e r g e r ä t e ' ( L e x i k o n des

122

123

124

125

126

127

Mittelalters, 1. Lieferung, München 1977, Sp. 81—85). FERDINAND HOLTHAUSEN, Altenglisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1974, S. 329; JULIUS POKORNY, Indogermanisches etymologisches Wörterbuch 1, Bern—München 1959, S. 901. F E I S T (wie Anm. 89) S. 266. Hier auch zu ahd. huohili vel suoli, suolinun aratiunculas. Vgl. auch P O K O R N Y (wie Anm. 122) S. 523: Ai. sâkha F. 'Ast', air. gëscae 'Zweig, Ast', air. cécht 'Pflug', slav. sochâ 'Knüppel, Haken, Pflug', — auch gallo-rom. *gascarta > frz. jachère 'Brachland', eigentlich 'Pflugland' gehört hierher. JOHANN KNOBLOCH, Zur Entstehung der germanischen und baltoslawischen Benennung des Pfluges (Slavica 8, 1968, S. 117-120) S. 118. So wurde die Bezeichnung des Dreschsparrens — eines zweiteiligen, unbeweglichen Gerätes —, nämlich Drischel, in einigen Mundarten Bayerns und Österreichs auf den Dreschflegel übertragen, der aus zwei beweglich miteinander verbundenen Teilen besteht. Vgl. MEYER-LÜBKE (wie Anm. 37); SCHUCHARDT (wie Anm. 37); DAG TROTZIG, Slagan och andra tröskredskap, Stockhalm 1943. FEIST (wie A n m . 89) S. 56.

128

POKORNY (wie A n m . 122) S. 6 2 ; JANKUHN (wie A n m . 40) S. 271 f.

129

So in Nordhessen, Nordthüringen, in der Eifel und im Allgäu. In alemannischen Mundarten wurde die Bezeichnung vor ihrem völligen Verschwinden auf ein bestimmtes Pflügen vor der Saat, eingeschränkt, vgl. WALTHER MITZKA, Pflügen und seine Wortgeographie (Zs. f. Agrargeschichte und Agrarsoziologie 6, 1958, S. 113-118).

Ruth Schmidt-Wiegand

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worin sie bestand, — naheliegend ist es, dabei an eine technische Verbesserung des Geräts, eine Innovation, zu denken, sei es durch Zusatzgeräte oder Zusatzteile. Auf Verbesserungen dieser Art — die Ergänzung des Arders oder Hakens (Abb. 2) durch ein Vormesser oder einen Vorpflug und die Verbindung des Pfluges mit einem Radvorgestell — ist aus dem Text der Lex Salica auch für die in Gallien siedelnden Franken zu schließen. Freilich sind die Belege hier nicht so eindeutig wie im Fall von ango/aratrum. Wenn in Tit. 7 § 13, in einer Bestimmung, die wiederum zu den Zusätzen der jüngeren C-Fassung gehört und Nachtragscharakter hat, von der Entwendung eines Messers, cultellus genannt, die Rede ist 130 , so bedarf es zusätzlicher Argumente, um hier die Bedeutung 'Pflugmesser' zu sichern. Wieder ist hier der Text von Johannes Herold hilfreich, der mit der Sonderüberlieferung Tit. 65 d nicht nur die Vorlage von Tit. 7 § 13 enthält131, sondern zugleich auch die volkssprachige Bezeichnung für das Pflugmesser, salfrk. secha bzw. seca. Sie entspricht dt. Sech, das in den Mundarten mit Kolter < lat. culter wechselt, einer anderen Bezeichnung für das Gerät, oder den Geräteteil, der vor der eigentlichen Pflugschar den Boden schneidet132. Die Bezeichnungen, die für ein Vormesser dieser Art in den französischen Mundarten gebraucht werden, gehen meist auf lat. culter zurück 133 . Im Massif Central und in der Provence indessen knüpfen sie auch an das Diminitivum cultellus an. In der Gascogne und an der Garonne findet sich außerdem sego, sega Tflugmesser' aus älterem *seca\ kleinere Vorkommen von sä, soie < *sega, *seca sind für Anjou und Orléans nachgewiesen134. Diese Sonder- und Reliktformen bestätigen also in gewisser Weise die Varianten secha und cultellus in der Uberlieferung des salischen Rechts und legen damit ebenfalls eine Bedeutung 'Pflugmesser' nahe. Als einen Hinweis auf die Verbindung des Pfluges mit einem Radvorgestell wird man Tit. 38 § 1 werten können, wo es heißt: Si quis caballum, qui carrucam trahit, furauerit, cui fuerit adprobatum, mallobergo chanzacho hoc est, MDCCC denarios qui faciunt solidos XLV culpabilis iudicetur135. Die Bestimung gehört zur ältesten Fassung (A) der Lex Salica, die noch unter Chlodwig (507—511) entstanden 130

Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 43: Si quis cultellum furauerit, denarii DC qm faciunt solidos XV culpabilis iudicetur.

131

Ebd. S. 225: De cultello sexxa(n)dro. Si quis alteri cultellum furauerit et ei fuerit adprobatum, ipsum m loco restituat et msuper DC denarios qui faciunt solidos XV culpabilis iudicetur. Zu cultellus 'Pflugmesser' vgl. FEW 2,2, Basel 1946, S. 1502, ferner BERND KRATZ, Zur Bezeichnung von Pflugmesser und Messerpflug in Germania und Romania (Beiträge zur deutschen Philologie 34) Gießen 1966. VAN HELTEN (wie Anm. 102) § 184 führt sexxa(n)dro auf "'sachs andras 'Messer eines anderen' zurück, indessen liegt von der Uberlieferung aus ''seches andras und damit Zusammenhang mit sech näher. Zur Schreibung chs > x vgl. VAN HELTEN § 6/3, zur Dittographie von xx für * ebd. § 2 0 .

132

MÜLLER/FRINGS ( w i e A n m . 7 3 ) S . 2 0 7 - 2 0 9 ; f e r n e r THEODOR FRINGS, G r u n d l e g u n g e i n e r G e s c h i c h t e

mallobergo

leodarde,

sunt

der deutschen Sprache 3. Aufl. Halle/Saale 1957, S. 26 und Karte 23; WILLIAM FOERSTE, Geschichte der niederdeutschen Mundarten (Deutsche Philologie im Aufriß, hg. von WOLFGANG STAMMLER, 1, 2. Überarb. Aufl. 1957, Nachdruck Berlin 1966, Sp. 1729-1898) Sp. 1845F. Karte 12; KARL BISCHOFF, Sprache und Geschichte an der mittleren Elbe und unteren Saale, Köln-Graz 1967, S. 1 5 3 , 1 8 4 u. 2 2 3 . 133

KRATZ ( w i e A n m . 1 3 1 ) S. 1 0 5 f f .

134

Ebd. S. 44 ff. Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 136.

135

Wörter und Sachen

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ist, mithin zu einem Text, der sein Hauptanwendungsgebiet in Nordfrankreich bzw. im Pariser Becken hatte136. Das Pferd, hier caballus genannt und durch die Glosse hangisto eindeutig als Wallach charakterisiert, ist ein Zugtier und damit dem Ochsengespann vergleichbar137. Bei carruca kann es sich, geht man von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes aus138, zunächst einfach um einen Wagen handeln. Doch wird das Fahrzeug, das dem Transport von Lasten dient, in der Lex Salica immer mit carrus bezeichnet139. Curruca ist nur ein einziges Mal, und zwar an dieser Stelle, belegt. Zieht man in Betracht, daß die Bezeichnung des Pfluges in Nordfrankreich charrue, auf mlat. carruca zurückgeht140 und daß schon früh neben dem Ochsengespann auch ein Pferd vor dem Pflug bezeugt ist 141 , so ist durchaus denkbar, daß mit carruca in Tit. 38 § 1 (wenn nicht ein herrschaftlicher Wagen) 142 bereits ein Pfluggerät mit Radvorgestell gemeint ist. Die Bezeichnung carruca freilich, deren galloromanischer Ursprung unbestritten ist, legt dann auch nahe, daß diese Verbesserung — sei es ein vierrädriger Wagen oder Radvorgestell für den Pflug — von der ansässigen Bevölkerung übernommen worden ist. Entsprechendes gilt für Vormesser oder Vorpflug, deren Bezeichnungen seca und cultellus ebenfalls zeigen, daß die Franken zugleich mit der Sache auch das Wort von der galloromanischen Bevölkerung übernommen haben. Diese Interpretation aller Textstellen, die sich in der Lex Salica auf das Pflügen beziehen und die dabei benützten Geräte betreffen143, fügt sich gut zu dem Bild, das eingangs von den Wörtern aus entworfen wurde, die aus dem Fränkischen in das Französische übernommen worden sind. Unter ihnen befindet sich nur ein Wort, das sich auf einen Pflug oder einzelne Teile bezieht: Frk. ango, wie got. hoha und ags. sulh eine Bezeichnung für den Arder oder Haken. Dazu paßt, daß auch die frk. Bezeichnung für die 'Furche' in die französischen Mundarten übernommen 136

RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Lex Salica (wie A n m . 1 1 4 ) Sp. 1 9 5 1 .

137

Zu caballus vgl. auch die Ausführungen von JOHANNES KNOBLOCH in diesem Bande S. 42—51. In der Lex Salica wird das Zugtier (so Tit. 9 § 2, 10 § 1, 38 §§ 11 — 13, 47 § 1) meist auch als iumentum bezeichnet; nach Tit. 10 § 1 ist damit ein weibliches Tier gemeint. In Tit. 47 § 1 werden caballus, bos und iumentum ausdrücklich unterschieden. Tit. 38 § 3 wird changisto < frk. hangist 'Wallach'>'Hengst' mit caballus spadus gleichgesetzt, vgl. Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 137, KLUGE (wie A n m . 6 8 ) S. 3 0 3 .

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143

Carruca, das gallischen Ursprungs und Abi. von carrus ist, bezeichnete zunächst einen 'Prunkwagen', dann einen 'zweirädrigen Wagen' schlechthin, schließlich den 'Räderpflug', vgl. KLUGE (wie Anm. 68) S. 354 (Karren). Vgl. Tit. 14 § 7, 27 §§ 13, 17 u. 20, 34 §§ 3 u. 4; 74; 122. Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 296. Zum Problem der meist vierrädrigen Ackerwagen vgl. im übrigen jetzt auch HELMUT SCHÜWER, Wortgeographische und etymologische Untersuchungen zur Terminologie des Ackerwagens (Niederdeutsche Studien 24) Köln-Wien 1978, S. 9f. Zur Diskussion über diese Frage, die u. a. von MERINGER, FOERSTER, FRINGS U. a. geführt worden ist, vgl. u. S. 22 f. und Anm. 147ff. MÜLLER-WILLE (wie Anm. 120) S. 51: Nach den Darstellungen auf Felszeichnungen wurde der Arder meist von 3 bis 6 Rindern gezogen. Ein Felsbild bei Tegneby (Bohuslän) zeigt indessen ein Pferd als Vorspann. Die Bestimmung ist nachträglich einem Titel vorangestellt worden, der sich auf ein Gestüt bezieht und wo u. a. auch vom 'königlichen Hengst', uuaranio regis, die Rede ist. Zum Stichwort arare 'pflügen' vgl. auch Tit. 27 § 31 u. 32, Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 108 u. o. S. 19 Anm. 128.

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worden ist: Frk. forh ergab norm, forière 'Querfurche eines Ackers' und ist mit entsprechender Bedeutung in Dialekten der Pikardie und der Vogesen erhalten144. Für die Verbreitung der Wörter, die als fränkisches Superstrat im Französischen bezeichnet werden können, läßt sich nun beobachten, daß die Bezeichnungen aus dem Bereich der Viehzucht meist auf Nordfrankreich beschränkt bleiben, während die Ackerbautermini zum Teil sehr viel weiter nach Süden reichen, über die Loire hinaus und bis nach Südfrankreich145. Zwar ist frk. habaro 'Hafer' mit der eingeschränkten Bedeutung "Windhafer' nicht über die Normandie und Boulogne hinausgekommen, doch gelangten frk. roggo 'Korn' und bläd 'Getreide' mit gerbe und tas bis in die Provence. Dabei ist für roggo und bläd durch Lautstand und sprachliche Parallelen gesichert, daß sie aus Nordfrankreich eingeführt wurden, und zwar in fränkischer Zeit. Dies ist sicherlich kein Zufall, sondern im Zusammenhang mit der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung zu sehen, die sich nicht zuletzt von den Bestimmungen der Lex Salica aus rekonstruieren läßt. Die Rechtsquellen, sofern sie mit einiger Sicherheit zu datieren und zu lokalisieren sind, erlauben also die Unterscheidung historischer Schichten, für die Sprachgeschichte wie für die Siedlungsgeschichte, oder anders ausgedrückt: für die Wörter wie für die Sachen. III. Was ergibt sich nun von dieser Interpretation eines Rechtstextes unter kulturhistorischem Aspekt für die Diskussion über den Pflug 146 und damit über einen Gegenstand, der die Sachforschung147 seit langem und immer wieder nachhaltig beschäftigt hat? Bereits Rudolf Meringer (1904) hat das Thema 'Pflug und pflügen' vom Standpunkt des Etymologen aus mit großer Ausführlichkeit abgehandelt148. Theodor Frings (1931) und Jost Trier (1944) verbanden mit der Betrachtung von frz. charrue und dt. Pflug Methoden und Erkenntnisse der deutschen Dialektgeographie149. In Zusammenhang mit den Arbeiten am 'Deutschen Wortatlas' hat dann Walther Mitzka (1958) die Wortgeographie des 144

GAMILLSCHEG (wie A n m . 6 2 ) S . 3 0 2 .

145

Zum Grundsätzlichen v. WARTBURG (wie Anm. 61) S. 161 f., zu den Beispielen GAMILLSCHEG

146

(wie Anm. 62) S. 305, zur Interpretation des Befundes RUTH SCHMIDT-WIEGAND, Die fränkischen Rechtsquellen in ihrer Bedeutung für Sprach- und Siedlungsdichte (RhVb 35, 1971, S. 53-61). S. o. Anm. 119 u. 120. An dieser Stelle sind zu ergänzen: GERHARD MILDENBERGER, Der Pflug im vorgeschichtlichen Europa (Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Leipzig 1951/52, Heft 5, S. 69 - 75); BURCHARD BRENTJES, Der Pflug - Ein Forschungsbericht (Zs. f. Agrargeschichte und Agrarsoziologie, Jg. 3/4, 1955/56, S. 112—117); ALFRED DIECK, Terminologie der Pflugteile, älteren

147

148 149

Pflugarten und des Pflügens; ein Beitrag "ur bäuerlichen Gegenstandskultur (ebd. Jg. 5, 1957, S. 160-169); KARL JOSEF NARR, Frühe Pflüge (Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 92, Horn-Wien 1962, S. 227-238). Von den älteren Arbeiten soll hier nur eine Untersuchung genannt werden, die seinerzeit viel Beachtung gefunden hat: WENDELIN FOERSTER, Der Pflug in Frankreich und Vers 296 in Karl des Großen Wallfahrt nach Jerusalem (ZRPh 29, 1905, unveränderter Nachdruck 1968, S. 1 - 1 8 ) , Wiederabdruck auch bei LEO SPITZER (Hg.), Meisterwerke der romanischen Sprachwissenschaft, München 1929, S. 163-182. MERINGER (wie Anm. 7) insb. S. 1 0 1 - 1 3 2 . FRINGS (wie A n m . 7 4 ) ; JOST TRIER, P f l u g ( P B B 6 7 , 1 9 4 4 , S . 1 1 0 - 1 5 0 ) .

Wörter und Sachen

23

verbalen Bereichs untersucht 150 und Bernd Kratz (1966) von den Bezeichnungen für das Pflugmesser, Kolter und Sech, ausgehend, der Diskussion über das Gerät und seine Namen eine neue Wendung zu geben versucht. Seine Abhandlung über Pflugmesser und Messerpflug enthält die letzte größere Zusammenfassung des sprachgeschichtlichen Forschungsstandes 151 . Neue Gesichtspunkte von seiten der vergleichenden Sprachwissenschaft steuerte Johann Knobloch der Erörterung bei 1 5 2 . Alle genannten Arbeiten enthalten Thesen und Einsichten, die in der einen oder anderen Beziehung weiterführen. Doch stehen sie zueinander häufig in Widerspruch und — was mehr wiegt — z. T. auch im Widerspruch zu den Ergebnissen der Sachforschung. Kann hier, bei dem Rest der bleibt, eine Textanalyse, wie die vorgelegte, klärend wirken? Die Überlegungen, die bisher angestellt worden sind, erbrachten für die Diskussion über den Pflug dreierlei: 1. Sie zeigten, daß die Franken als Arbeitsgerät einen Arder oder Haken (ango) besaßen, während ein Wendepflug nicht nachzuweisen ist. 2. Sie machten deutlich, daß die Ergänzung des Geräts durch einen Vorpflug (secha) oder ein Vormesser (cultellus) nicht an den Typ des Wendepflugs gebunden, sondern auch bei Arder oder Haken möglich gewesen ist. 3. Sie führen zu dem Schluß, daß die Verbesserung des Geräts durch ein Radvorgestell (carruca) nicht notwendig den Wendepflug zur Voraussetzung hat. Mit diesem Ergebnis befindet man sich durchaus in Einklang mit der neueren Sachforschung, die ebenfalls herausgebracht hat, daß Vorpflug, Pflugmesser und Radvorgestell auch in Kombination mit anderen Gerätetypen als dem Wendepflug, z. B. auch in Verbindung mit Arder oder Haken, auftreten können 153 . Die Sachforschung hat außerdem zu zeigen vermocht, daß der Arder oder Haken als Haupt- oder Zusatzgerät in vielfältigen Formen während des ganzen Mittelalters, ja bis in die Neuzeit hinein in Gebrauch gewesen ist 1 5 4 . Hier sei nur an den mecklenburgischen Haken 1 5 5 und die steirische Arl 1 5 6 erinnert. Das Ergebnis der Textanalyse, das die funktionale Bedeutung des Arders oder Hakens von einer ganz anderen Seite aus ebenfalls deutlich gemacht hat, ist dazu angetan, den Wortforscher von einer vorschnellen Gleichsetzung des Wortes Pflug mit der Sache Wendepflug, d. i. in der älteren Forschung der Räderpflug, zurückzuhalten. Gerade diese Gleichsetzung aber beherrscht die Diskussion und ist, wie Handbücher und Nachschlagewerke zeigen, zu einer Art Lehrmeinung geworden. Schon für Meringer 157 wie Foerster 158 stand fest, daß das Aufkommen 150

S. o. Anm. 129.

151

S. o. Anm. 131.

152

S. o. Anm. 125.

153

MÜLLER-WILLE (wie Anm. 120) S. 51 f.: „Kolter und Seche aus Eisen, welche dazu dienten, die Erde vorzuschneiden, tauchen mit Sicherheit erst in provinzialrömischen Siedlungen und Hortfunden auf. Für die Merowingerzeit sind sie vereinzelt als Beigaben in Gräbern nachgewiesen . . . Die Kolter können ebenso wie die symmetrischen Scharen an Pfluggeräten unterschiedlicher Konstruktion verwendet worden sein". „Radvorgestelle können . . . sowohl an schweren Pflügen wie auch an leichten Ardern angebracht sein".

154

SCHULTZ-KLINKEN ( w i e A n m . 1 2 1 ) S p . 8 4 f .

155

BENTZIEN (wie Anm. 119) zu Haken mit Radvorgestell Abb. 74, 80 u. 81, S. 229 u. 250.

156

HANNS KOREN, Pflug und Arl. Ein Beitrag zur Volkskunde der Ackergeräte, Salzburg 1950; zur

157

MERINGER (wie Anm. 7) insb. S. 112f.

158

FOERSTER (wie Anm. 147) insb. S. 6 f .

Arl mit Radvorgestell S. 1 2 9 - 1 3 1 .

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der Bezeichnungen Pflug und charrue gegenüber den Abkömmlingen oder Verwandten von ardr und aratrum mit einem neuen oder verbesserten Pfluggerät zusammenhängen müsse, dem Pflug mit breiter Pflugschar und Radvorgestell. Theodor Frings 1 5 9 hat dann den dialektgeographischen Gegensatz von frz. araire < aratrum, das im Südfranzösischen und Provenzalischen seine stärkste Verbreitung hat, und charrue < carruca, das hauptsächlich im Norden Frankreichs gilt, mit der Einführung des Räderpflugs durch die Franken in Zusammenhang bringen wollen: Die galloromanische Bevölkerung habe dieses Gerät von den Franken übernommen, die fränkische Bezeichnung plög aber durch ein Wort der eigenen Sprache, carruca, ersetzt. Die Folge sei der Bedeutungswandel, der bei carruca von 'Wagen' > 'Pflug' führte. Wichtigster Zeuge für diese Entwicklung ist nach Frings Tit. 38 § 1 der Lex Salica, wo von dem Pferd die Rede ist, das eine carruca zieht 1 6 0 . Nun ist, wie bereits ausgeführt wurde, keineswegs sicher, daß mit carruca an dieser Stelle bereits die Bedeutung 'Pflug' fest verbunden ist 1 6 1 . Ein 'Wendepflug' vollends würde schlecht in das Bild der kulturellen Verhältnisse passen, das sich nicht zuletzt von den volkssprachigen Wörtern des salischen Stammesrechts aus ergibt. Alle anderen Bestimmungen, die sich in der Lex Salica zweifellos auf den Vorgang des Pflügens und die dabei verwendeten Geräte beziehen, wiedersprechen diesem Ansatz. Frings hat sie denn auch unberücksichtigt gelassen. Seine These blieb ohnehin nicht ohne Kritik 1 6 2 . Walther von Wartburg hat z. B. darauf aufmerksam gemacht, daß sich der älteste sichere Beleg für carruca mit der Bedeutung 'Pflug' im Polyptique d'Irminon findet, mithin erst dem 9. Jh. angehört 163 . Trotzdem findet man zu Karch 'zweirädriger Wagen' — und Entsprechendes gilt für Pflug — in führenden Wörterbüchern Bemerkungen wie diese, daß carruca in frz. charrue die Bedeutung 'Pflug' angenommen habe, ,,als der alte Hakenflug {aratrum) in Nordfrankreich dem Zweiräderpflug germanischen Ursprungs w i c h " 1 6 4 . Sätze wie diese sind nach sorgfältigem Abwägen alle Argumente, die von der Sachforschung wie von der Wortforschung beigebracht worden sind, heute nicht mehr zu halten. Für Frings und seine Argumentation war indessen der wortgeographische Befund ausschlaggebend, den er nicht eigens mit einer kritischen Prüfung der schriftlichen Quellen verband 16S . Die Tatsache, daß mlat. carruca, das noch vor der ahd. Lautverschiebung in das Deutsche entlehnt worden ist und sich im Elsaß, in Baden, Lothringen und der Pfalz wie im Rheinischen mundartlich als Karch mit der 159

FRINGS (wie A n m . 74) insb. S. 1 0 3 f .

160

Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 136. S. o. S. 20 u. Anm. 135. Zu den kritischen Stimmen wird man auch MEYER-LÜBKE rechnen können, der in REW Nr. 1720 durchaus verschiedene Möglichkeiten der Erklärung nebeneinanderstellt. FEW 2, 1, Tübingen 1949, S. 424ff., vgl. auch FRINGS (wie Anm. 74) S. 104. KLUGE (wie Anm. 68) S. 354 f. {Karren). Entsprechend TRÜBNERS Deutsches Wörterbuch, in Zu-

161 162

163 164

s a m m e n a r b e i t m i t EDUARD BRODFÜHRER u n d A L F R E D SCHIRMER, h g . v o n W A L T H E R M I T Z K A ,

Berlin 1954, S. 1 0 5 - 1 0 6 (Pflug);

165

5,

HERMANN PAUL, Deutsches W ö r t e r b u c h , bearb. von WERNER BETZ,

6. Aufl. Tübingen 1966, S. 485 (Pflug): „vielleicht ursprünglich das germanische Wort für den neuen Räderpflug (nach dem Hakenpflug), den die Römer im 1. Jh. v. Chr. über Rätien kennenlernten". Eine kurze Besprechung von insgesamt vier Belegen für karuh im Althochdeutschen bei MÜLLER/ FRINGS ( w i e A n m . 7 4 ) S . 9 5 .

Wörter und Sachen

25

Bedeutung 'Wagen' behauptet hat 1 6 6 , ist für ihn ein sicherer Hinweis darauf, daß in Nordgallien der Ubergang zur Bedeutung 'Pflug' auf den Einfluß der Franken zurückgeführt werden kann. Freilich gibt es hier auch von seiten der Dialektgeographie Einwände. So spricht gegen Zusammenhang mit der fränkischen Einwanderung die Tatsache, daß sich gerade im Nordosten des Landes, also dort, wo am ehesten mit fränkischer Nachwanderung zu rechnen ist, die Nachfolgewörter von lat. aratrum gehalten haben 167 . Das fränkische Wort plög ist aber nicht in das Französische übernommen worden, sieht man von Ortsnamen des Typs Le Plouy ab, die indessen einer jüngeren Überlieferungsschicht angehören und bei denen im übrigen von einer Bedeutung 'Ackerland, Pflugland' auszugehen ist 1 6 8 . Schließlich ist charrue 'Pflug' in allen Teilen Frankreichs zu finden und mithin auch an Substrat gallischen Ursprung zu denken 169 . Entscheidend für die Übernahme der Bezeichnung dürfte die Ausrüstung des Geräts mit einem Radvorgestell gewesen sein. Die Bedeutung 'zweirädriger Karren' konnte damit auf 'Radvorgestell des Pfluges' und von hier aus auf den 'Räderpflug' in seiner Ganzheit übergehen 170 . Diese Bedeutungsentwicklung, die sich grundsätzlich jederzeit und an jedem Ort vollziehen kann, wenn die sachlichen Voraussetzungen dazu gegeben sind, ist auch an dialektgeographischen Befunden abzulesen, und zwar in der ganzen Romania. So ist in Friaul tsaridiel das 'Rädergestell, auf das die Pflugdeichsel gelegt wird' 1 7 1 . Die Übertragung der Bezeichnung von dem 'Radvorgestell des Pfluges' auf den 'Räderpflug' selbst aber läßt sich in Mundarten Graubündens nachweisen, wo cariga u. ä. beide Bedeutungen auf sich vereinigen kann 1 7 2 . Auf Beispiele wie diese hat Kratz noch einmal nachdrücklich hingewiesen. Wie hier so zeichnet sich auch sonst seine Abhandlung durch die maßvolle Art aus, mit der ihr Verfasser zu den Thesen von Theodor Frings Stellung nimmt, die, auf das Ganze gesehen, immer anregend sind, die sich aber im Detail oft nicht halten lassen. Durch eigene, z. T. gut fundierte Argumente, hat Kratz hier die 166

Z u r V e r b r e i t u n g KLUGE (wie A n m . 6 8 ) S . 3 5 4 f . , MÜLLER/FRINGS (wie A n m . 74) S . 9 5 f .

167

Belege FEW 1, Tübingen 1948, S. 123; REW N r . 602, wonach arere fast nur nordostfranzösisch ist. Vgl. aber auch die Belegsammlung bei FOERSTER (wie Anm. 147) S. 13ff. wie seine Interpretation. Der Umstand ist Frings nicht entgangen. Doch in konsequenter Fortsetzung seiner früheren Thesen zu frz. charrue und dt. Karcb wird bei MÜLLER/FRINGS (wie Anm. 74) für die niederrhein.-westfäl. Bezeichnungen aartr, aadr u. ä. — Bezeichnungen für verschiedene Einzelteile des Pflugs und zweifellos Reliktwörter, die zu as. erida 'Pflug' wie seinen Verwandten gehören — Herkunft aus dem Galloromanischen (bzw. Ostwallonischen) erwogen. Nach GAMILLSCHEG (wie Anm. 62) S. 174 gehören Ploich, Plouy u. ä. (ältester Beleg Li Ploich a. 1072) zu ndl. Ploeg 'ein mit einer Hecke abgegrenztes Stück Ackerboden' > 'Arbeiterabteilung' zu der „letzten germanischen Namensschicht". Ihre Reichweite ist an den Bezeichnungen abzulesen, die auf diese Weise aus dem Mittelflämischen in das Romanische übernommen worden sind. MEYER-LÜBKE, REW (wie Anm. 162) gibt so zu bedenken, daß mit einer gallischen Pflugform gerechnet werden muß, die den aratrum genannten Hakenpflug der Römer nicht hat aufkommen lassen. Mit gall. carruca 'Pflug' wäre dann eine alte Bedeutung neben der im Lateinischen gebräuchlichen ('Wagen') festgehalten worden.

168

169

170

Hierzu wie zum folgenden KRATZ (wie Anm. 131) S. 24.

171 P E W 2 , 1, T ü b i n g e n 1949, S . 4 2 5 ; v g l . auch die Parallelen bei ANDRE GEORGES HAUDRICOURT

et MARIEL JEAN-BRUNHES DELAMARRE, L'homme et la charrue ä travers le monde, Paris 1955, S. 46. 172 F E W 2 , 1, Tübingen 1949, S. 425.

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Ruth Schmidt-Wiegand

Diskussionsgrundlage entscheidend zu verändern vermocht. Dies gilt vor allem für den Gegenstand, der im Zentrum seiner Überlegungen steht, für das Pflugmesser wie seine Bezeichnungen Sech und Kolter. Wie bereits kurz erwähnt, handelt es sich bei Sech und Kolter um zwei Kulturlehnwörter des Deutschen von beträchtlichem Alter 1 7 3 , mit denen sich vor allem die Dialektgeographie 174 wiederholt beschäftigt hat. Sech, das Entsprechungen in mehreren romanischen Sprachen hat und wohl auf "'secum oder *seca, eine Rückbildung zu lat. secare 'schneiden', zurückzuführen ist 175 , lebt mit verschiedenen lautlichen Varianten vor allem in den Mundarten Süddeutschlands, in einem Gebiet, das vom Elsaß und der Schweiz bis nach Kärnten reicht 176 . Nördlich der Mittelgebirge steht Sech mehrfach mit Kolter in Konkurrenz, ohne daß ein Unterschied im Sachbezug festzustellen wäre. Kolter < lat. culter 'Messer', das frz. couteau, engl, coulter und nl. kouter ergab 177 , findet sich vor allem in den Mundarten Luxemburgs, Lothringens, des Rheinlandes und Westfalens 178 , östlich der Elbe steht es — wie bereits erwähnt — mit den Nachfolgeformen von Sech im Wechsel. Diesen Befund hat Frings 179 wie folgt interpretiert: Beide Wörter sind in vorliterarischer Zeit aus der Romania entlehnt worden und auf verschiedenen 'Einzugsstraßen' in das Deutsche gelangt: Kolter bzw. culter erreichte, aus der Galloromania kommend, über die Niederlande Westfalen und wurde von hier weiter nach Mittel- und Nordostdeutschland gegeben; über Lothringen, die Saar und die Mosel abwärts, kam es außerdem nach Trier und von hier in den westmitteldeutschen Raum. Sech aber wurde nach Frings aus Oberitalien übernommen und gelangte einmal über die Alpen nach Süddeutschland; zum anderen die Rhone aufwärts, durch die Burgundischen Pforte zum Oberrhein. Dies Bild der Verbreitung ist nun von Kratz in wesentlichen Punkten berichtigt worden. Er geht davon aus, daß die Frage des Pflugmessers und seiner Benennungen nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern im Zusammenhang mit den Bezeichnungen für den Pflug zu sehen ist. Denn Kolter oder Sech gehören nach Kratz zu der entwickelten Form des Wendepflugs, der mit breiter Schar und Rädergestell versehen ist und in den germanischen Sprachen mit Plög, Pflug o. ä. bezeichnet wird, im Französischen aber mit charrue180. Kratz hält es für denkbar, daß Sech als das ältere Wort, dessen Ursprung dunkel ist, zunächst einen Vorpflug bezeichnete, aus dem sich erst später das mit dem Pflug verbundene Messer entwickelt hat 1 8 1 . Eine entsprechende Entwicklung ist bei südbair. Riß zu beobachten. In Kärnten und Steiermark ist dies die Bezeichnung für das Vormesser der Arl 1 8 2 . Das Wort, das wie Sech von der Funktion des Geräts, dem Aufreißen oder Aufschneiden des Bodens vor der Schar, motiviert ist, bezeichnete aber, wie sich aus archivalischen Quellen ergeben hat,

173 174

S. o. S. 20. S. o. Anm. 132.

175

KLUGE ( w i e A n m . 6 8 ) S . 6 9 6 .

176

Zur Verbreitung auch MÜLLER/FRINGS (wie Anm. 73) S. 207f. (culter, *seca, secum). REW Nr. 2382 (culter) Nr. 7762 a. (seca). TRÜBNERS Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 164) 6, Berlin 1955, S. 295 (Sech). FRINGS, Grundlegung (wie Anm. 132) S. 26 und Karte 23.

177 178 179 180

KRATZ ( w i e A n m . 1 3 1 ) S . 1 5 - 2 5 .

181

E b d . S. 5 5 - 6 3 .

182

Ebd. S. 92 £.

Wörter und Sachen

27

zunächst einen Vorpflug. Die Bezeichnung wurde dann auf das Vormesser der Arl übertragen, als dieses Pfluggerät, das mit zwei Streichleisten versehen ist, selbst ein Messer erhielt und der Riß als Gerät fortfallen konnte 183 . Im gleichen Gebiet heißt das Vormesser an dem Pflug, der ein Streichbrett besitzt, Sech. Für dieses Wort ist nach Kratz mit einer ähnlichen Entwicklung zu rechnen, wie sie bei Riß festgestellt werden kann. Nun läßt sich aber eine Bedeutung 'Vorpflug' oder 'Vormesser' bei den Nachfolgewörtern von *seca weder in den oberitalienischen noch in den rätoromanischen Dialekten oder in den Mundarten des östlichen Südfrankreich nachweisen 184 . Auch sind die Kulturgüter Pflug und Vormesser die Rhone abwärts und nicht in umgekehrter Richtung gezogen 18S . Beides spricht gegen eine Entlehnung von Sech aus Oberitalien. Wort und Sache sind nach Kratz weder über die Alpen noch durch die Burgundische Pforte nach Oberdeutschland gekommen, sondern vielmehr vom donauländisch-ostalpinen Raum und seiner vorgermanischen Bevölkerung ausgegangen, wobei den Römern — wie häufig — die wichtige Rolle des Vermittlers zufiel 186 . Sie haben denn auch auf gallischem Boden die Sache mit einem Wort der eigenen Sprache (culter) bezeichnet, das gleichzeitig eine neue Bedeutung (seca) zu der bisherigen hinzugewann. '''Seca 'Pflugmesser', mit Sech im Deutschen also ein Stück Substrat, konnte sich als Adstrat im Galloromanischen nur in ausgesprochenen Reliktlagen halten. Der ungleiche Ursprung der Nachfolgewörter von culter und seca hat den unterschiedlichen Verlauf ihrer Geschichte zweifellos mit bestimmt, — ihre Übernahme in andere Sprachen, den Grad ihrer Romanisierung und Germanisierung, ihr Verschwinden und Beharren. Dies spiegelt sich auch in der Uberlieferung der Lex Salica wider. So ist hier cultellm unversehrt als eine mlat. Bezeichnung erhalten, der von Schriftbild und Lautform aus nicht anzusehen ist, daß sie in bezug auf die Bedeutung bereits einer Romanisierung unterliegt. Secha hingegen, das durch cultellus ersetzt wurde, als die Sonderüberlieferung dem Text des Rechts eingefügt wurde, ist in der Schriftform bis zur Unkenntlichkeit verändert. Die Uberlieferung spiegelt also hier eine Situation wider, deren Auswirkungen an dem Verhältnis der Nachfolgewörter von seca und culter in den französischen Mundarten deutlich abzulesen sind. Hierin, wie mit dem Gebrauch von cultellus statt culter, entspricht diese Überlieferung der volkssprachigen Wörter in der Lex Salica einer Realität, die sonst nur schwer festzumachen ist. Um so mehr ist zu überdenken, was sich aus dieser Uberlieferung für eine Beurteilung der Thesen von Kratz gewinnen läßt. Denn auch bei ihm bleibt ein ungelöster Rest. Er betrifft seinen Ansatz: Die Verbindung von Pflugmesser und Wendepflug. Nimmt man die Überlieferung der Lex Salica ernst, in der ango, cultellus und secha getrennt voneinander und offensichtlich als selbständige Geräte behandelt werden, so sind Pflugmesser und Pflug auch unabhängig voneinander zu sehen, nicht nur was den Gerätetyp Arder oder Pflug betrifft, sondern auch in bezug auf ihre Herkunft und Verbreitung. Damit aber läßt sich der Widerspruch lösen, der bestehen bleibt, wenn man mit Kratz für das 183

Zur Sach- und Wortgeschichte auch KOREN (wie Anm. 156) S. 132f. und S. 190—193.

184

KRATZ S . 106.

185

Ebd. S. 29. Ebd. S. 105 f.

186

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Ruth Schmidt-Wiegand

Pflugmesser, den Wendepflug wie die Bezeichnungen Sech und Plög Herkunft aus dem donauländisch-ostalpinen Raum annimmt, — hat doch das Wort Pflug, dies zeigt gerade auch die Wortgeographie von pflügen, das Zentrum seiner Verbreitung offensichtlich in Nordwestdeutschland oder im Westniederdeutschen gehabt. Dies haben Trier und Mitzka grundsätzlich richtig gesehen und entsprechend betont. Nur ist zu fragen, ob sich daraus auch schon germanische Abkunft des Wortes Pflug, der Sache Wendepflug wie der Zusammengehörigkeit beider ergibt. Hier ist es notwendig, die Etymologie von Pflug zu prüfen, die mit wechselndem Ansatz und Ergebnis oft genug erörtert worden ist, ohne daß sie befriedigend hätte geklärt werden können. Weder die schon von Meringer vorgeschlagene Verbindung mit der Wortfamilie von dt. pflegen187, noch der Vergleich mit lat. plaustrum, plostrum Trachtwagen' 188 sind wirklich erhellend gewesen. Vielmehr haben erst die jüngsten Beiträge von sprachwissenschaftlicher Seite — hier sind Johann Knobloch 189 und Wolfgang Peter Schmid 190 zu nennen — durch den Hinweis auf die Ubereinstimmung der Pflugbezeichnung im Germanischen und Baltoslawischen der Diskussion eine Richtung gegeben, deren weitere Verfolgung durchaus zum Ziel führen kann. Ausgangspunkt ist bei Knobloch wie bei Schmid die Feststellung, daß es sich bei den Wörtern, die im Niederdeutschen mit p-, mit Hochdeutschen aber mit pf- anlauten, wie Pflaume, pfropfen und pflücken, meist um Kulturlehnwörter aus dem Lateinischen handelt 191 . Neben diesen Kulturlehnwörtern steht eine sehr viel kleinere Gruppe von Bezeichnungen, zu der z.B. auch Pfad gehört, die auf diese Weise nicht zu erklären sind 192 . Man sieht sie als Substrat einer vorgermanischen Bevölkerung an, die im nördlichen Mitteleuropa in vorgeschichtlicher Zeit den Ackerbau entwickelte und den germanischen Sprachen in der Form des Substrats eine Reihe von Bezeichnungen vermittelte, die sich auf die umgebende Natur, den Ackerbau und das Handwerk beziehen. Hier sei nur ae. tilian 'das Feld bestellen' genannt, zu dem aruss. thlo 'Boden' und nhd. Ziel gehören 193 . Diese Wörter sind zwar erst nach der ersten oder germanischen Lautverschiebung in das Germanische übernommen worden (2. Jt. v. Chr.), müssen aber dem Charakter des Substrats entsprechend, vor diesem Zeitpunkt entstanden sein. Hans Kuhn 194 hat nun darauf aufmerksam 187

MERINGER ( w i e A n m . 7) S. 1 1 1 ; e n t s p r e c h e n d T R I E R ( w i e A n m . 149) S.

188

KRATZ ( w i e A n m . 1 3 1 ) S . 2 5 u . A n m .

110—150.

55.

189

KNOBLOCH ( w i e A n m .

190

Diese wie die unmittelbar folgenden Ausführungen gehen von einem Beitrag von WOLFGANG PETER SCHMID 'Zur Etymologie des Wortes Pflug' aus, der den Mitgliedern der Kommission f ü r die Altertumskunde Mittel- und Nordeuropas (wie Anm. 44) anläßlich ihrer Diskussion über Flurformen vorgelegen hat. Der Beitrag ist im Druck. KNOBLOCH (wie Anm. 125) S. 117: Es gehören hierher auch Pfahl, Pfanne, Pfeil. Nach KNOBLOCH (wie Anm. 125) gehören hierher Pfette 'waagerechter Dachbalken', pflegen, Pflock M., Pfote, Pfuhl. Möglicherweise gehört auch nd. Pot (mit md. Top, Topf?) in diesen Zusammenhang. Freundlicher Hinweis von W . P. Schmid.

191

192

193

194

125).

Vgl. KLUGE (wie Anm. 68) S. 883. Zu ags. tilian 'das Feld bestellen', engl, tili 'ackern' gehört auch tillt 'Neuerwerb (von Land)' nach Pactus legis Salicae (wie Anm. 79) S. 262 (Tit. 109). HANS KUHN, Vor- und frühgermanische Ortsnamen in Norddeutschland und den Niederlanden (Westfälische Forschungen 12, 1959, S. 5—44), Wiederabdruck DERS., Kleine Schriften, 3, B e r l i n N e w Y o r k 1972, S. 1 1 5 - 1 7 3 , i n s b . S. 1 1 7 f . V g l . a u c h ROLF HACHMANN -

HANS KUHN, Völker zwischen Germanen und Kelten, Neumünster 1962.

GEORG KOSSACK —

Wörter und Sachen

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gemacht, daß sich Orts- und Gewässernamen mit anlautendem p- mit einer bemerkenswerten Häufigkeit in einem Gebietsstreifen gehalten haben, der von dem Bergland beiderseits von Leine und Weser, aus dem Harzvorland westwärts bis in den Raum Osnabrück reicht, sich in der Geest der östlichen Niederlande fortsetzt und dort im Süden die Marsch am Niederrhein erreicht. In diesem Gebiet, das zum Siedlungsraum der Weser-Rhein-Germanen gehört195, findet sich z. B. der Flußname der Pader mit dem Ortsnamen Paderborn196. In ihm dürfte am ehesten das erwähnte Substrat und mit ihm die Bezeichnung plög/Pflug zu lokalisieren sein. Dies legt auch die Verbreitung von plögen/pflügen nahe, das in den deutschen Mundarten bezeichnenderweise weitgehend auf das Niederdeutsche beschränkt geblieben ist, — im Gegensatz zu der Gerätebezeichnung Pflug, die sich in Verbindung mit dem Wendepflug schließlich im ganzen deutschen Sprachgebiet durchgesetzt hat. Doch ist dies eine jüngere, sekundäre Entwicklung, die von den Vorgängen in vorgeschichtlicher Zeit zu trennen ist. Für Pflug kann man nach Schmid von einer Wz. *plek/plök ausgehen, zu der auch ostbalt. plesti 'reißen, aufreißen, zerreißen' gehört. Dieses Verb hat Entsprechungen im Littauischen und Lettischen, von denen aus Ackerbautermini und Bedeutungen wie 'Acker', 'Neuland' und 'zum ersten Mal pflügen' gebildet worden sind. Diese Ableitung des Wortes Pflug, die auch vom Standpunkt der historischen Sprachgeographie aus gesehen, recht überzeugend ist, führt in sehr tiefe historische Schichten. Die Bezeichnung Pflug, bei der es sich also um sprachliches Substrat handelt, ist von der Funktion des Geräts aus motiviert, dem Aufreißen und Durchfurchen des Bodens. Sie hat sich also nicht von vornherein auf den Wendepflug bezogen, sondern eher auf ein Gerät, das dem ags. sulh oder dem frk. ango, dem mecklenburgischen Haken oder der steirischen Arl verwandt gewesen ist. Bei dem Wenigen, was man vom Aufkommen des Wendepflugs in vorgeschichtlicher Zeit weiß, ist dies auch nicht anders zu erwarten. Wie sich z. B. aus Furchenspuren in Feddersen-Wierde und anderwärts ergibt, ist seit der Spätlatenezeit im nordwestlichen Europa mit schollenwendenden Pfluggeräten zu rechnen 197 . Doch ist es recht unwahrscheinlich, daß es sich dabei bereits um einen voll ausgebildeten Wendepflug mit breiter Pflugschar, Radvorgestell und einseitig angebrachtem Streichbrett gehandelt hat. Die Fundlage ist, bedingt durch den Werkstoff Holz, schlecht. Das Bruchstück eines vierseitigen Rahmenpflugs, das in Tömmerby (Jütland) gefunden worden ist und das man zunächst in die beginnende Eisenzeit datierte198, hat sich unlängst als neuzeitlich erwiesen. Im ganzen wird man das Aufkommen des Wendepflugs nicht zu früh ansetzen dürfen, vor allem auch nicht, was seine allgemeine Verbreitung betrifft, angesichts des Arders und der vielfältigen Formen, die während des ganzen Mittelalters nach wie vor in Gebrauch gewesen 195

Vgl. hierzu RUDOLF SCHÜTZEICHEL, Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen, 2. Aufl. Tübingen

196

DAGMAR SCHMIDT, Die Namen der rechtsrheinischen Zuflüsse zwischen Wupper und Lippe unter

1976, S. 45ff. besonderer Berücksichtigung der älteren Bildungen, Diss. Göttingen 1970, S. 88—91 (mit Literatur); DIES., Die rechten Nebenflüsse des Rheins von der Wupper bis zu Lippe, Wiesbaden 1968, S. 58f. u. 99 f. 197

MÜLLER-WILLE (wie A n m . 120) S. 51 f.

198 Vgl. hierzu auch MILDENBERGER (wie Anm. 146) S. 71.

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Ruth Schmidt-Wiegand

sind. Das Wort Pflug jedenfalls ist aufgrund seiner Etymologie wie seines Alters davon zu trennen. Man wird freilich die Frage stellen können, aufgrund welcher Verbesserung des Geräts sich wohl plög — das im Germanischen gemessen an an. ardr und as. erida eindeutig einer jüngeren Sprachschicht angehört — durchzusetzen vermochte? Verschiedene Neuerungen sind hier denkbar. Theoretisch gehören auch Radvorgestell und Pflugmesser in diesen Zusammenhang. Sie scheiden indessen aufgrund ihrer eigenen kulturgeographischen Festlegung (Gallien, der ostalpine-donauländische Raum) wie die damit zusammenhängende Wortgeographie ihrer Bezeichnungen aus. Knobloch 199 hat nun darauf aufmerksam gemacht, daß bei den frühen Pfluggeräten der Bronze- und Eisenzeit, die noch vollständig aus Holz gearbeitet waren, der Ubergang zum mehrteiligen Arder eine ganz erhebliche Verbesserung darstellte. Denn während beim Ast- oder Hakenarder das ganze Gerät unbrauchbar war, wenn sich die ihm fest verbundene Schar abgenützt hatte, konnte beim mehrteiligen Arder die pfeilförmig gestaltete Pflug- oder Vorschar leicht ausgewechselt werden. Auswechselbare Pflugscharen, aus Holz und Metall, sind schon aus vorgeschichtlicher Zeit bekannt. Sie könnten dem verbesserten Gerät zu einem neuen Namen, und sei es auch nur durch die Übernahme einer Bezeichnung aus einer anderen Sprache, verholfen haben. Das Südbairische verfügt mit Wagensun u. ä., das zu ahd. waganso und aisl. vangsi zu stellen ist und im außergermanischen Bereich Entsprechungen in lat. vömen 'Pflugschar 5 und apreuß. wagnus Tflugmesser' hat 200 , über eine Bezeichnung der Pflugschar von sehr hohem Alter. Bei ihr hat das keilförmige Aussehen der Schar, die dem Asthaken fest verbunden gewesen ist, motivierend gewirkt. Die Bezeichnung blieb indessen für den Gegenstand auch dann noch in Gebrauch, als die Voraussetzungen für eine solche Benennung längst in Fortfall gekommen waren, weil die Pflugschar am mehrteiligen Arder einen anderen Charakter angenommen hatte. Knobloch hält es für denkbar, daß sich das Wort Pflug zunächst auf die pfeilförmige Schar bezog, ehe es auf das ganze Gerät übertragen wurde 201 . Diese Interpretation, mit der das Wort Pflug räumlich und zeitlich wieder von Sech abgerückt und nicht mehr ohne weiteres mit dem Gerät in Zusammenhang gebracht wird, das Radvorgestell, Pflugmesser, breite Schar und Streichbrett besitzt, läßt sich nun durchaus mit dem ältesten Beleg dieser Bezeichnung in den germanischen Sprachen vereinigen. Im Edictus Rothari c. 288 heißt es unter der Uberschrift 'De plovum': Si quis plovum aut aratrum alienum iniquo animo capellaverit, conponat solidos tres, et si furaverit, reddat in octogild. In einer besonderen Studie hat Bernd Kratz 202 wahrscheinlich gemacht, daß mlat. plovum 199

200 201

202

KNOBLOCH (wie A r n n . 125) S. 119 m i t B e r u f u n g auf PETER VILHELM GLOB, A r d o g P l o v i N o r d e n s

Oldtid, Aarhus 1951, S. 59 - 69. POKORNY (wie Anm. 1 2 2 ) S . 1 1 7 9 F . ; vgl. auch ahd. weggi, wecki M . 'Keil' (und 'keilförmiger Wecken'); apr. wagnis 'Sech'=Teil des Pfluges. KNOBLOCH (wie Anm. 125) S. 119 erinnert an das ruderfòrmige Aussehen der Scharen aus Holz. Er möchte deshalb von einer Wz. *pleu- 'fließen' und einer Ableitung mit der vorgerm. Bedeutung 'Ruder' ausgehen. Zur Ruderform vgl. auch NARR (wie Anm. 146) S. 233. Y G ) hierzu und zum folgenden B E R N D K R A T Z , ZU lat. plovum in den langobardischen Gesetzen (Neuphilologische Mitteilungen 56, 1965, S. 217—229); FLORUS VAN DER RHEE, Die Germanischen Wörter in den langobardischen Gesetzen, Rotterdam 1970, S. 109f.

Wörter und Sachen

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langb. * p l o g a - zugrunde liegt, dessen -g- zu -v- romanisiert ist. Die Tatsache, daß die Bezeichnung von dieser Form aus in die oberitalienischen Dialekte übernommen wurde, erweist sie als ein Wort des täglichen Gebrauchs. Der Kontext macht deutlich, daß mit plovum ein Gerät gemeint ist, das dem als aratrum bezeichneten grundsätzlich gleichwertig war. Man wird also bei dem plovum des langobardischen Rechts am ehesten an einen Arder besonderen Typs zu denken haben. Während eine Ableitung wie plovina 'Feldmaß' nur die Pflugbezeichnung im allgemeinen bestätigt, gehen Ableitungen wie plina 'die vor den Pflug gespannten Ochsen' bzw. pyuva 'Raum zwischen zwei Furchen' durchaus in die Richtung Arder. Oberital. poyoda 'Pflug', das auch 'Pflugschar' bedeuten kann, vermag die von Knobloch angenommene Bedeutungsentwicklung von 'Pflugschar' > 'Pflug' zu stützen. Die starke Verbreitung des Wortes in den oberitalienischen Mundarten zwingt indessen nicht zu der Annahme, daß dieses Wort von einem Innovationszentrum im donauländisch-ostalpinen Raum ausgegangen sein muß. Die Langobarden können *plöga- auch von weiter her, etwa von ihren Sitzen an der unteren Elbe, mitgebracht haben203. Wenn von den ältesten Schriftzeugnissen für den Pflug die Rede ist, wird meist auf Plinius (Naturalis Historia 18, 172) verwiesen. Hier heißt es u. a.: non pridem inventum in Ratiae Galliae duas addere tali rotulas quod genus vocant plaumorati . . . Die Stelle ist häufig, und dabei recht unterschiedlich, ausgelegt worden 204 . Bei plaumoratus hat man auch an Zusammenhang mit mlat. plovum gedacht. Meringer ging z. B. von * p l e g u m o r a p a z 'Pflugwagen' (zu germ. raf)a 'Wagen' bzw. 'Rad') aus 205 . Diese Ableitung aus dem Germanischen ist nicht unwidersprochen geblieben206, und — wie nun wohl gesagt werden kann — zu recht. Der Kontext zeigt, daß Plinius wohl einen Pflug mit Radvorgestell meinte, der schon deshalb einer Erklärung bedurfte, weil die römischen Pflüge im 4. Jh. n. Chr. im allgemeinen keine Räder besaßen. An einen voll ausgebildeten Wendepflug wird man deshalb noch nicht zu denken brauchen. Dagegen sprechen vor allem die rotulae. Da der Text im übrigen von Pflugscharen handelt, hielt es z. B. Leser für möglich, daß die 'Rädchen' einer Schar beigegeben gewesen sind, daß es sich mithin bei plaumoratus um eine Bezeichnung für eine besondere Art der Schar handelte207. Wenn man vielleicht auch nicht soweit zu gehen braucht, — rotulae und culter 'Pflugmesser', von dem Plinius im vorangehenden Kapitel spricht, sind nicht nur beim Wendepflug möglich gewesen, sondern konnten ebenso mit Ardern verschiedenen Typs verbunden werden. Dies hat die Zusammenfassung der verschiedensten Aspekte, die sich aus der gegenwärtigen Sach- wie Wortforschung ergeben, deutlich werden lassen. IV. Das Thema Pflug und pflügen wurde gewählt, weil es für den Sachforscher wie Wortforscher in gleicher Weise von Bedeutung ist und von hier aus seit jeher zu den 203 204

ERNST SCHWARZ, Germanische Stammeskunde, Heidelberg 1956, S. 191 f. Zusammenfassung der älteren Diskussion bei LESER (wie Anm. 119) S. 2 3 4 - 2 3 7 .

205

MERINGER (wie A n m . 7) S. 1 0 9 - 1 1 1 .

206

Zuletzt KRATZ (wie Anm. 131) S. 32f.

207

LESER ( w i e A n m . 1 1 9 ) S . 2 3 6 .

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'klassischen' Gegenständen der 'Wörter und Sachen'-Forschung gehört hat. Es besitzt darüber hinaus paradigmatischen Wert, weil die Beobachtungen über das Verhältnis von Wort und Sache, die hier gemacht werden konnten, sich zu Feststellungen von allgemeiner Gültigkeit erweitern lassen, wenn man sie mit dem Befund der Gegenwartssprache verbindet. Dies bleibt in einem letzten Schritt zu zeigen. Dabei ist zunächst von einer Definition der Sache auszugehen, die sich auch mit den historischen Gegebenheiten, um die es in der Frühmittelalterforschung geht, in Einklang befindet. Sie hätte etwa zu lauten: Der Pflug ist ein lenkbares, aus mehreren Teilen zusammengesetztes Ackergerät, das von Mensch, Tier oder anderer Kraft gezogen wird, sich kontinuierlich in einer Richtung fortbewegt und den Boden, hauptsächlich zur Aufnahme der Frucht, aufreißt, wendet oder häufelt 208 . Als Bezeichnungen dieses Geräts sind bisher aratrum, frz. araire und charrue, an. ardr, lang.-lat. plovum, got. höha und ahd. huohili, ags. sulh und afrk. ango, nd. Haken und Plög, hd. Pflug u. a. m. begegnet. Fragt man nach der Etymologie dieser Bezeichnungen, so erhält man Auskunft über die 'ursprüngliche' oder 'eigentliche' Bedeutung und damit über das Motiv 209 , das im Augenblick der Benennung den Ausschlag gegeben hat. Dies ist bei aratrum/araire und ardr/erida die Funktion des Pflügens schlechthin, bei sulh und Plog/Pflug nach der hier vertretenen Auffassung das Durchfurchen des Bodens. Formkriterien haben bei got. boba, afrk. ango und nd. Haken den Ausschlag gegeben, — nicht zu vergessen frz. charrue < mlat. carruca, wo die Tatsache des Radvorgestells den Namen bestimmte. Die genannten Bezeichnungen knüpfen also immer an einem bestimmten Merkmal an, das zum Zeitpunkt der Namengebung offensichtlich dominierend gewesen ist. Sie sagen von hier aus nichts über den komplexen Charakter des Geräts aus, das seit vorgeschichtlicher Zeit der Bearbeitung des Ackerbodens dient. Die Bezeichnungen des Pfluges konnten bei Einführung eines neuen oder verbesserten Geräts durch andere Wörter ersetzt werden, die mit der Erneuerung in irgendeiner Weise in Zusammenhang standen. So trat etwa neben ags. sulh mit der Einführung des Räderpflugs vom Festland aus um 1 0 0 0 p l ö g , das sich, wie ne. plough zeigt, schließlich durchgesetzt hat 210 . Diese Übernahme eines neuen Wortes zugleich mit der Sache ist das, was man beim Austausch von Kulturgütern zwischen benachbarten oder verwandten Sprachvölkern gemeinhin erwartet. Freilich sind auch die Lehnwörter nicht unauflöslich mit der betreffenden Sache verbunden. Mit größerer Entfernung vom Innovationszentrum und wachsendem zeitlichen Abstand lockert sich dieser Zusammenhang, so daß die Bezeichnungen ausgewechselt werden können. Die Römer übernahmen zwar mit dem Pflugmesser von der Bevölkerung des ostalpinen-donauländischen Raums zunächst auch deren Bezeichnung *seca oder *secum, ersetzten sie aber auf gallischem Boden durch ein Wort der eigenen Sprache, culter, das sie ihrerseits mit der Sache an benachbarte Völker weitervermittelten. Im Deutschen, wo sich das Substratwort Sech in den Mundarten erstaunlich zäh gehalten hat, wurde dieses Wort stellenweise durch eine 208 Diese Definition ist orientiert an DIECK (wie Anm. 146) S. 16. 209

210

Zur sog. Motivation der Bezeichnungen (d. i. die Durchsichtigkeit einer Wortbildung im Hinblick auf ihre Zusammensetzung) vgl. ULRICH (wie Anm. 27) S. 76. JOHANNES HOOPS, Artikel 'Ackergeräte' (RLA, 1. Aufl., 1, Straßburg 1911-13) S. 24f.

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Neubildung, Pflugeisen, ersetzt. Adstrat, Substrat und Superstrat sind also — wie das Beispiel zeigt — von durchaus unterschiedlicher Konsistenz. Dies erklärt auch, warum sich Herkunft der Sache und Herkunft des Wortes wie etwa bei Kolter dann nicht mehr entsprechen. Wie an dieser Bezeichnung des Pflugeisens der Vermittler des Sachgutes zu erkennen ist und dadurch die Diffusionswege zu rekonstruieren sind, so gilt auch für die bogenförmige Sichel211, daß die Bezeichnung zwar provinzialrömischen Ursprungs ist, daß die Sache aber von dem gleichen Innovationszentrum ausgegangen ist wie das Pflugmesser. Herkunft von Wort und Sache entsprechen sich also auch hier nicht. Diesem Grundzug sprachlichen Verhaltens, mit neuen Kulturgütern auch deren Bezeichnungen zu übernehmen, steht das starke Beharrungsvermögen der Sprache nach innen gegenüber, das bewirkt, daß die Sprachteilnehmer auch bei entscheidenden Veränderungen im Bereich der Sachkultur bei den gewohnten Bezeichnungen bleiben. Wie sich dieser Konservativismus der Sprache im einzelnen auswirkt, das läßt sich wiederum an dem Gegenstandsbereich des Pfluges beobachten. So konnten z. B. die Bezeichnungen des Geräts durchaus beibehalten werden, wenn durch die fortschreitende Sachentwicklung die Voraussetzungen für die ursprüngliche Motivation der Bezeichnung längst in Fortfall gekommen waren. Bezeichnungen des Asthakens wie hoha, ango, vielleicht auch Haken selbst, ursprünglich für den einteiligen Arder oder Sohlpflug passend, wurden weiterhin benutzt, nachdem man zum mehrteiligen Pfluggerät mit auswechselbarer Schar übergegangen war. Das neue oder verbesserte Gerät oder auch Geräteteil wurde dann genauso wie der funktionale Vorgänger bezeichnet. Die 'ursprüngliche' oder 'eigentliche' Bedeutung spielte bei dieser Bezeichnungsübertragung dann eine durchaus untergeordnete Rolle, so daß die Motivation des Wortes von hier aus gesehen ganz oder teilweise verloren ging. So blieb z. B. Wagensun u. ä., das sich ursprünglich auf die keilförmige Schar des Asthakens bezog, auch noch in Gebrauch, nachdem die auswechselbare Schar des mehrteiligen Arders längst ein pfeilförmiges Aussehen hatte. Die ursprüngliche Motivation des Wortes durch ein Formkriterium war damit aufgehoben. Für die Beibehaltung der Bezeichnung war indessen entscheidend, daß die damit benannten Stücke die gleiche Funktion besaßen. Von hier aus erklärt es sich auch, daß Bezeichnungen, die von der Funktion aus motiviert sind, oft ein höheres Alter erreichen oder allgemeiner verbreitet sind, als solche, bei denen Formkriterien das Benennungsmotiv abgegeben haben. Schar selbst ist ein Beispiel dafür: Mit ahd. scaro, mhd. schar und pfluocschar gehört es zu einem st. V. ahd. sceran '(zer)schneiden, zerhauen', später auch 'scheren' 212 und ist allgemeiner und weiter verbreitet als das südbair. Wagensun, das sich nur in ausgesprochener Randlage zu halten vermochte. Ein anderes Beispiel ist lat. aratrum mit seinen Nachfolgewörtern in den romanischen Sprachen. Der Erhaltung dieser Bezeichnungen, die von der Funktion des Geräts aus motiviert sind, dienlich gewesen ist zweifellos ihre Nähe zu den Bezeichnungen des verbalen Bereichs, sind doch die 211

212

S. o. S. 17 u. Anm. 111; ferner BERND KRATZ, Zum landwirtschaftlichen Wortschatz der Germania Romana (Muttersprache 76, 1966, S. 65—77). KLUGE (wie A n m . 6 8 ) S. 5 4 5 ( P f l u g s c h a r ) ; TRÜBNERS D e u t s c h e s W ö r t e r b u c h , 6 (wie A n m .

S. 30 f. (Schar). mhd. pfluocschar,

178)

Für das Alter der Bezeichnung spricht danach auch die Ubereinstimmung von nl. ploegschar, mengl. ploughshare und schwed. plogskar.

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Ruth Schmidt-Wiegand

Tätigkeitsbezeichnungen im allgemeinen weit beständiger als die Nomen. So hat sich z. B. dt. evren 'pflügen', das im weitesten Sinne zu lat. arare gehört, auch in Mundarten gehalten, in denen man für die Bezeichnung des Geräts längst zu Pflug übergegangen war 213 . Dieses Beispiel ist auch für das Nebeneinander von got. hoha 'Pflug' und arjan 'pflügen' erhellend. Auch hier dürfte eine ältere Gerätebezeichnung zur Wz. *ar- 'pflügen' durch eine jüngere ersetzt worden sein, die mit einer besonderen Form des Pfluges, möglicherweise einer bestimmten Verbesserung, verbunden gewesen ist. Worin diese bestand, läßt sich von der Bezeichnung hoha aus nicht sagen, die aufgrund ihrer Etymologie zu der primitiven Form des Asthakens gehört. Allein die Tatsache des Bezeichnungswechsels erlaubt den Schluß, daß hoha im Kontext der gotischen Bibelübersetzung ein Bodenbearbeitungsgerät bezeichnet haben muß, das bereits einer höheren Stufe der Entwicklung angehörte214. Wie auch das Beispiel hoha zeigt, folgt die Sprache — ihrem konservativistischem Grundzug entsprechend — durchaus nicht allen Innovationen der Sachkultur durch neue Bezeichnungen, sondern sie kommt weitgehend mit den vorhandenen aus, zwischen denen sie freilich auch wechselt. Bezeichnungswechsel gehört zu den Möglichkeiten der Sprache, auf sachliche Veränderungen zu reagieren. Die Reaktionen der Sprache auf Veränderungen im Bereich der Sachen sind also sehr viel variantenreicher als bisher angenommen. Dies macht den Umgang mit dem methodischen Prinzip 'Wörter und Sachen' keineswegs leichter, zumal dem modernen Interpreten des sprachlichen Befundes oft verschlossen bleibt, warum die Sprache gerade hier und auf diese Weise auf Innovationen in der kulturellen Entwicklung reagiert hat und auf andere nicht. Denn die Maßstäbe in der Bewertung von Neuerungen einst und jetzt entsprechen sich durchaus nicht immer. Hierfür wieder nur ein Beispiel: Die Ausstattung des Pfluges mit einem Streichbrett, die das Wesen des Wendepflugs ausmacht. Im Blick auf eine moderne Typologie des Pfluges ist dies die entscheidende Verbesserung des Geräts, die alle anderen, wie etwa seine Ausrüstung mit Vorschneider und Radvorgestell, an Bedeutung übertrifft 215 . Nach dem Vorhandensein einer Wendevorrichtung sind die beiden Hauptgruppen Arder und Pflug zu unterscheiden. Nun hat bereits die Durchsicht der schriftlichen Quellen, die im Zusammenhang dieser Ausführungen mit herangezogen worden sind, der sog. Leges barbarorum, ein etwas anderes Bild ergeben, indem sich eine deutliche Verschiebung der Gewichte zugunsten von Radvorgestell und Pflugmesser beobachten ließ. Hierzu paßt, daß die sachlich wichtige Innovation des Streichbretts offensichtlich ohne direkte Wirkung auf das Sprachverhalten geblieben ist. Denn es gibt keine alte Bezeichnung des Pfluges, die von der besonderen Funktion des Wendens oder der Wendevorrichtung motiviert wäre. Eine nachträgliche Festlegung des Wortes Pflug auf den 'Wendepflug' läßt 216 sich von den historischen Belegen aus ebenfalls nicht nachweisen: Das Wort bezieht sich im modernen Sprachgebrauch auf diesen wie als Gattungsbezeichnung auf alle anderen Formen des Pfluges auch. Eine eindeutige Beziehung auf den-Wendepflug wird erst 213

MITZKA ( w i e A n m . 1 2 9 ) S .

214

In diesem Sinne auch

115f.

215

BERNER ( w i e A n m . 1 1 9 ) S . 2 f .

216

Zu dieser Problematik ausführlich BERNER (wie Anm. 119) S. 3.

MITZKA

(wie Anm.

129)

S.

114.

Wörter und Sachen

35

durch ein zusätzliches Bestimmungswort bei Bezeichnungen wie Schälpflug, Streichpflug, Wendepflug u. ä. hergestellt217. Die Form der Zusammensetzung weist Komposita wie diese als relativ junge Bildungen aus. Das gilt für die Bezeichnung Streichbrett ebenfalls, ein Wort, das an die Stelle von älterem Moltbrett (zu ahd. molta 'Staub, Erde') getreten ist 218 , als dieses Wort undurchsichtig zu werden begann. Andere Bezeichnungen für die Wendevorrichtung sind Kehrbrett, Häufelholz und Wender, — ein Wort, das leicht zur Bezeichnung des ganzen Geräts hätte werden können —, Keil und Ohr als typische Metaphern der Arbeitssprache. Alles dies sind verhältnismäßig junge Bezeichnungen. Im Blick auf das Sprachverhalten ist also offensichtlich die Ausstattung des Geräts mit Radvorgestell und Vorschneider wichtiger gewesen als die Erfindung des Streichbretts. Hier sei noch einmal an frz. charrue < lat. carruca erinnert wie an die Tatsache, daß in den slawischen Sprachen die Unterscheidung von Ralo und Pluh keineswegs an das Vorhandensein eines Streichbretts gebunden ist, können doch hier auch Wühlpflüge mit einem Radvorgestell durchaus als Pluh bezeichnet werden 219 . Die Gleichsetzung des Wortes Pflug mit der Sache Wendepflug ist also auch von hier aus gesehen nicht zu rechtfertigen. Überlegungen, wie sie hier angestellt wurden, haben noch einmal deutlich gemacht, wie vielschichtige das Wechselverhältnis von Wort und Sache ist und welche Probleme mit zu berücksichtigen sind, will man beide Größen mit dem Ziel wechselseitiger Erhellung aufeinander beziehen. Die Natur des sprachlichen Zeichens, die Tatsache, daß es sich um Bezeichnungen und nicht um Namen in einem speziellen Sinn handelt, schließen eine feste Zuordnung von Wort und Sache aus. Dies gilt für die historischen Sprachstufen ebenso wie die Gegenwartssprache, wie auch beide im Verhältnis zueinander. Um bei einem bekannten Beispiel zu bleiben: Das bereits erwähnte Moltbrett220 ist mit ahd. moltbret wohl einmal die Bezeichnung für die 'Sohle' des Pfluges gewesen, während im Mittelhochdeutschen damit wahrscheinlich das 'Streichbrett' gemeint war. Diese Bedeutung ist in der Gegenwartssprache sporadisch erhalten, daneben aber eine andere, eingeschränkte durchaus dominierend, — bezeichnet doch Moltbrett meist ein besonderes Brett, das an manchen Pflügen angebracht ist, um zu verhindern, daß die aufgebrochene Erde in die Furche zurückfällt. Die lockere Verbindung von Wort und Sache hat hier also eine Bezeichnungsübertragung ermöglicht, die von 'Sohle des Pfluges' zu 'Streichbrett' und dann zu 'Moltbrett' in einem technischen Sinn geführt hat. Das Ergebnis des Bedeutungswandels ist also in diesem Fall eine extreme Bedeutungsverengung oder Bedeutungsspezialisierung, die zugleich eine weitgehende Festlegung der Bezeichnung auf die Sache im Gefolge hat. Für Festlegungen dieser Art und damit verbundene Eindeutigkeit besteht in den sog. Fachsprachen ein ausgesprochenes Bedürfnis. Zu ihnen gehört die Sprache des Bauern ebenso wie die

217

Diese wie die folgenden Beispiele sind zusammengestellt bei DIECK (wie Anm. 146) S. 167f.

218

SCHÜTZEICHEL ( w i e A n m . 8 9 ) S. 1 3 0 , D I E C K ( w i e A n m . 1 4 6 ) S. 1 6 4 .

219

BERNER ( w i e A n m . 1 1 9 ) S. 3 .

220

MORIZ HEYNE, Fünf Bücher deutscher. Hausaltertümer, 2: Nahrung. Das deutsche Nahrungswesen von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert, Leipzig 1901, S. 37 u. Anm. 42ff.; LESER (wie Anm. 119) S. 132.

36

Ruth Schmidt-Wiegand

Fachterminologie des Landmaschinenbaus. In beide Bereiche gehört auch der Pflug, der allein schon durch die Tatsache, daß es sich bei ihm um ein vielteiliges Gerät handelt, eine Fülle von terminologischen Schwierigkeiten schafft. Anders als ein einfaches Werkzeug wie etwa das Beil ist der Pflug aus einer Mehrzahl, um nicht zu sagen Vielzahl von Teilen aufgebaut, die nach ihrem Sitz am Gerät in verschiedene Gruppen zusammengefaßt werden 221 . Man unterscheidet an ihm (Fig. 1) den Bodenbearbeitungsteil oder Pflugkörper mit Sech, Schar, Sohle und

L Fig. 1. Pflugkörper: (A) Sech, (B) Schar, (C) Sohle, (D) Streichbrett, (E) Sterze, (F) Grindel, (G) Griessäule (nach Dieck).

Streichbrett und den Lenkteil des Pfluges, das sog. Gerippe, das aus Sterz und Grindel besteht. Bei ihm ist der Grindel zum besseren Halt durch die Griessäule mit der Sohle verbunden. Diese Teile haben in der Sprache des Bauern wie in der technischen Nomenklatur, z. T . landschaftlich bedingt, verschiedene Namen, von denen einige z. T . sehr weit in die Vergangenheit zurückreichen. Dies gilt neben Sech und Wagensun 'Pflugschar', von denen schon mehrfach gesprochen wurde, vor allem für Sterz und Grindel. Sterz M. 'Schwanz, Schweif (bei Tieren)' ist in verschiedenen Mundarten Gerätebezeichnung geworden, meist für den besonderen Pflugteil, der als Handhabe dient, und mit dieser Bedeutung seit dem 12. Jh. bezeugt 2 2 2 . Das gleichbedeutende Sterze F. entwickelte sich aus der Pluralform, da der Pflug meist für jede Hand des Pflügenden einen Sterz besaß. Der Pflugbaum, Grindel oder Grendel223, ist mit ahd. grintil und mhd. pfluogegrendel recht früh belegt; wie ags. grindel 'Stange' und an. grind 'Gatter' zeigen, dürfte die ursprüngliche Bedeutung des Wortes 'Balken' oder 'Latte' gewesen sein. Hier ist also wieder ein Fachwort des Pflugbaus durch Bedeutungsverengung entstanden. Im Fall von Sterz bzw. Sterze hingegen hat man es mit einer Metapher zu tun, wie sie in der Sprache der Arbeit häufig zur Bezeichnung von Geräten und Geräteteilen verwendet werden 2 2 4 . Der Pflug selbst ist ein gutes Beispiel dafür. So wird z. B. die Sohle auch als Haupt, Fuß 221

Zu dieser Einteilung des Pfluges vgl. DIECK (wie Anm. 146) S. 160—166, insb. S. 161 und Fig. 1 - 3

222

TRÜBNERS Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 178) S. 574 f.

in diesem Bande. 123

Ebd. 5 (wie Anm. 178) S. 574f.

224

ALFRED SCHIRMER, Beseeltes Gerät (Muttersprache 62, 1952, S. 1 5 8 - 1 6 2 ) .

Wörter und Sachen

37

oder Schuh bezeichnet, das Pflugmesser als Nase, die Schar als Mund, das vordere Stück der Sohle als Zunge oder Zehe, das hintere als Hacke, das Streichbrett als Ohr usw. Metaphern wie diese beruhen auf einem Vergleich von Merkmalen, die meist nicht auf eine einzige Sache beschränkt sind. Die Bindung an den bezeichneten Gegenstand ist von hier aus sehr viel lockerer als bei den Bezeichnungen mit Bedeutungsspezialisierung, die wie bei Grindel bewirken kann, daß ein Wort, das im übrigen ausgestorben ist, als Terminus der bäuerlichen Fachsprache doch erhalten bleibt. Eine andere Möglichkeit, Fachwörter zu bilden, bietet die Komposition: Zweiund dreigliedrige Komposita sind sehr viel eindeutiger auf die Sache bezogen, sofern sie nicht wie Grindel als veraltete Bezeichnungen im übrigen Wortschatz ohnehin isoliert sind. Das Bedürfnis nach verdeutlichenden Zusammensetzungen hat so seit frühester Zeit bestanden, wie z. B. auch mhd. pfluocschar gegenüber ahd. scaro zeigt. Für das Pflugmesser sind Komposita wie Pflugeisen, Voreisen, Vordereisen, Rißoder Reißeisen gebräuchlich, entsprechend Hintereisen, Erdeisen für die Schar. Die Sohle wird auch Pflughaupt, Pflugholz, Schienholz oder Scharbaum genannt. Wortbildungen wie diese, mit denen entweder (wie bei Sohle) eine mehrdeutige Metapher oder (wie bei Kolter und Sech) ein undurchsichtig gewordenes Wort ersetzt wird, — und zwar auf die Weise, daß das Bestimmungswort Funktion oder Sitz des Eisens angibt, scheinen auf den ersten Blick als motivierte Bezeichnungen die für die Fachsprache notwendige Eindeutigkeit zu besitzen 225 . Sie entsprechen aber dennoch längst nicht den Anforderungen, die an eine Terminologie oder Nomenklatur gestellt werden, weil auch sie den zu bezeichnenden Gegenständen keineswegs fest und unauflöslich verbunden sind. Wie bereits das Beispiel Molthrett gezeigt hat, können in dieser Beziehung die Komposita wie die Simplizia ihren Bezugspunkt wechseln. Mit Pflugeisen kann das Kolter oder Sech wie auch die Pflugschar gemeint sein. Entsprechendes gilt für die Bezeichnung Pflugmesser. Die lockere Form der Zuordnung von Ausdrucks- und Inhaltsseite des Wortes, die im Wesen des sprachlichen Zeichens begründet ist, wird also auch an den Bezeichnungen der Gegenwartssprache deutlich, die sich auf den Pflug wie seine Einzelteile beziehen. Wenn auf den älteren Sprachstufen die Belege auch nicht in der gleichen Menge und Dichte vorhanden sind, so sind doch die damit verbundenen Probleme grundsätzlich die gleichen. Dies wird an solchen Bezeichnungen deutlich, bei denen es sich ähnlich wie bei Grindel um veraltete und dadurch mehr oder weniger isoliert stehende Wörter handelt. So kann sich Haupt226 z. B. auf die Sohle oder Schar beziehen, die auch als Haken oder Krümel bezeichnet wird. Reester 225

GERHARD EIS, Mittelalterliche Fachliteratur, 2. Aufl. Stuttgart 1972; DERS., Mittelalterliche Fachprosa der Artes (Deutsche Philologie im Aufriß, hg. von WOLFGANG STAMMLER, 2. überarbeitete Auflage 1960, unveränderter Nachdruck, 2, Berlin 1966, Sp. 1103-1216); PETER ASSION, Altdeutsche Fachliteratur (Grundlagen der Germanistik 13) Berlin 1973; LUBOMIR DROZD, Grundfragen der T e r m i n o l o g i e in der L a n d w i r t s c h a f t ( M u t t e r s p r a c h e 74, 1964, S . 296—312, 336—344 u . 3 6 0 - 3 6 9 ) ;

226

DERS. und WILFRIED SEIBICKE, Deutsche Fach- und Wissenschaftssprache. Bestandsaufnahme. Theoriegeschichte, Wiesbaden 1973; HANS-RÜDIGER FLUCK, Fachsprachen. Einführung und Bibliographie, München 1976. GERHARD ÄUGST, Haupt und Kopf. Eine Wortgeschichte bis 1550. Diss. Phil. Fak. Mainz, Gießen 1970.

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begegnet als Bezeichnung für die Sterze wie das Streichbrett, während Man(n)dl die Sohle oder Sterze meint. Bemerkenswert sind die Bezeichnungen, die von einem Teil des Geräts auf das ganze Gerät übertragen worden sind oder die umgekehrt von einem Einzelgerät auf ein Geräteteil übergewechselt haben. Ango und Haken, ursprünglich Bezeichnungen für die Schar, sind so zu Bezeichnungen des Arders im Ganzen erweitert worden, während aadr bzw. aartr im Westfälischen auf die Bezeichnung für Grendel oder Baum, die Stellvorrichtung für den Tiefgang des Pfluges, den Haken an der Pflugkette u . a . m . eingeengt worden sind 227 . Der Wechsel der Bezeichnungen zwischen ganzem Gerät und Einzelteil kann ganz konkrete Voraussetzungen in der Sachgeschichte haben. So vereinigt an neuzeitlichen Pflügen bisweilen ein einziger Teil die Funktionen auf sich, die früher von mehreren Geräten ausgeübt worden sind. Dies ist z. B. bei der Wendeschar der Fall, die den Boden sowohl waagerecht wie auch senkrecht zu trennen vermag und zusätzlich wendet: Dieser Vorgang war früher auf mindestens zwei Bodenbearbeitungsgeräte verteilt, wie das Nebeneinander von Pflug, Arl und Riß in Kärnten und Steiermark zeigt (Fig. 2). Als mehrere dieser Funktionen auf ein Gerät vereinigt wurden, ging die Bezeichnung des Einzelgeräts Riß auf den entsprechenden Teil des neuen Geräts über.

Fig. 2. Riß aus St. Georgen/Steiermark (nach Koren).

Die verschiedene Beschaffenheit der Einzelteile wie ihre unterschiedliche Zuordnung zueinander bedingt die verschiedenen Pflugarten und ihre typologische Gliederung. Auf sie kann hier im einzelnen nicht eingegangen werden, vielmehr interessieren allein die Bezeichnungen und was sich etwa aus ihnen für das Verhältnis von Wort und Sache ergibt. Auffallend ist, daß bei diesen Bezeichnungen auch Anspannung und Radvorgestell eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen 228 . So meint die Bezeichnung Joch- oder Rindspflug einen Pflug, bei dem der Grindel so lang ist, daß er bis zum Joch des ziehenden Tieres reicht. Ist der Grindel kurz und liegt er auf einem Karren, so spricht man von einem Radvorgestell oder Karrenpflug. Ist der Grindel nicht als Einzelteil gearbeitet, sondern bestehen Grindel und Schar aus einem einzigen Krummholz, das als Krümel oder Grindelsohle, wohl auch als Grindelschar bezeichnet wird, so handelt es sich um einen Krümel- oder Hakenpflug bzw. Haken. Ist der Pflug nicht mit einer breiten Schar, sondern mit zwei Zinken versehen, die die Funktionen von Sech und Schar auf sich vereinigen, so heißt dieses Gerät Zoche229 (Fig. 3) bzw. Gabel- oder Karstpflug. Hat der Pflug nur 227

MÜLLER/FRINGS ( w i e A n m . 73) S. 96.

228

DIECK (wie A n m .

229

Z u m T y p v g l . a u c h BRENTJES ( w i e A n m . 119) S. 1 1 6 f .

146) S.

167f.

Wörter und Sachen

39

Fig. 3. Zoche aus Estland (nach Werth).

ein Sech, so ist dies ein Rißpflug. Pflüge, bei denen Sohle, Griessäule, Grindel und Sterz ein Viereck bilden, werden als Vierseitpflug, Viereckpflug, Vierkantpflug, Quadratpflug oder Rahmenpflug bezeichnet. Im Hinblick auf die Bearbeitung des Bodens unterscheidet man vollkommene und unvollkommene Pflüge. Unvollkommene Pflüge sind der Wühl- oder Rührpflug wie Haken oder Arl, der Eggepflug, mit dem die Sommersaat leicht untergeeggt wurde, und der Hakenpflug, mit dem z. B. in Thüringen der Boden gelockert wurde. Dies alles sind Geräte, mit denen man den Untergrund zwar aufzuschließen vermochte, nicht aber die Schollen zu wenden. Die vollkommenen Pflüge wenden und mischen das gebrochene Erdreich zugleich. Man bezeichnet ein solches Gerät deshalb auch als Bodenwende- oder Wendepflug. Besitzt der Wendepflug ein feststehendes Streichbrett, so daß das gewendete Erdreich immer nach derselben Seite (meist nach rechts) geworfen wird, so spricht man von Beet- oder Ebenpflug. Kann das Streichbrett nach jeder Furche verstellt und einmal rechts, einmal links angebracht werden, so heißt dieser Pflug mit versetzbarem Streichbrett Kehrpflug. Mit dieser Bezeichnung kann aber auch ein Pflug mit Doppel- oder Drehkörper gemeint sein, bei dem statt des versetzbaren Streichbretts ein linkswendiger Pflugkörper den rechtswendigen ergänzt. Eine Sonderform dieses Doppelpfluges ist der Kipp- oder Klappflug, der einen rechtsund linkswendigen Pflugkörper vor und hinter dem Radvorgestell trägt und bei dem nur der jeweils niedergedrückte Teil pflügt, während der nicht pflügende Teil in die Luft steht. Pflüge mit zwei Streichbrettern, auch Flügel genannt, dienen vor allem als Häufelpflüge. Es sind dies Frühformen der heutigen Wendescharpflüge, indem sie mit einer vor der Vorderkante angebrachten Eisennase das Erdreich nach beiden Seiten hin abschälen und wenden. Der Reichtum der vorhandenen Bezeichnungen für den Pflug, von denen hier nur einige wenige behandelt werden konnten, entspricht der Vielfalt der verschiedenen Pflugaiten. Sie ist auch für das Mittelalter charakteristisch, wie aus den Abbildungen von Pfluggeräten hervorgeht, die sich in Handschriften verschiedenen Inhalts mehr oder weniger beiläufig finden230. Hierher gehört z. B. der Codex Nr. 132 in Montecassino aus dem Jahre 1023 mit der Schrift 'De originibus rerum' des Hrabanus Maurus231. Er enthält die Abbildung eines 230

Bis auf die Beispiele aus dem Sachsenspiegel sind die folgenden Abbildungen bei LESER (wie Anm.

231

HEYNE (wie A n m . 2 2 0 ) S. 38 u. A b b .

119) besprochen. 6.

40

Ruth Schmidt-Wiegand

Jochpfluges mit Sterze und Sohle, aber ohne Sech und Streichbrett. Die Schar, die ebenfalls nicht zu sehen ist, muß indessen als vorhanden gedacht werden. Dieser Pflug steht als Typ recht isoliert, repräsentiert also zumindest eine seltene Pflugart. In einem angelsächsischen Kalender aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts 232 ist das Bild eines Pfluges enthalten, der als vierseitiger Pflug bezeichnet werden kann, weil bei ihm die Grundform des Gerippes bereits aus Sohle, Grindel und Sterze besteht und ein 'Viereck' bildet. Der abgebildete Pflug hat außerdem ein Radvorgestell, Doppelsterze, Schar und Sech. Daß er auch mit einem Streichbrett ausgerüstet ist, läßt sich indessen nicht erkennen. Ein ganz entsprechendes Bild findet sich in einem Kalender des 11. Jahrhunderts. Es muß sich also hier um einen Pflugtyp handeln, der für die Zeit und den betreffenden Kulturraum durchaus charakteristisch gewesen ist. Ein vierseitiger Pflug ist auch im 'Hortus deliciarum' der Herrad von Landsberg (Abb. 3) aus der Zeit um 1170 abgebildet 233 . Dieser Pflug hat ein zweirädriges Radvorgestell, Grindel, Doppelsterze, Sohle und Griessäule, ein Sech und ein Streichbrett, das an der rechten Seite befestigt ist. Die Schar ist auch auf diesem Bild nicht zu sehen. Von der Kenntnis neuzeitlicher Pflugformen aus bleibt ein Geräteteil, der auf der linken Seite über dem Grindel sichtbar wird, rätselhaft. Es könnte sich um ein zweites Streichbrett handeln, das der Illustrator hierher statt an die Sohle gesetzt hat, an der es nur schwer wiederzugeben gewesen wäre. Dann wäre ein Häufelpflug gemeint. Denkbar ist aber auch, daß der Illustrator einen Kehrpflug mit verstellbarem Streichbrett und entsprechender Vorrichtung im Auge hatte. Diese Abbildung wie andere Wiedergaben mittelalterlicher Pflüge (Abb. 4) beweisen, daß es mehr Pflugtypen gegeben hat, wie aus den bekannten Pflugformen abzuleiten. Hier ist auch eine aus Passau stammende Abbildung (Abb. 5) aus dem Jahr 1445 zu nennen 2 3 4 : Sie stellt einen Pflug ohne Griessäule aber mit Grindel, Sterze und Sohle dar, bei dem die Sterzen und der Grindel aus einem einzigen Stück bestehen und der außerdem zwischen Sohle und Hinterbaum einen Bogen besitzt, der offensichtlich der Verstärkung dient. Nicht zuletzt die Bilderhandschriften des Sachsenspiegels (Abb. 6 u. 7) enthalten, dem Charakter des Landrechts entsprechend, mehrere Pflugdarstellungen 235 . Es handelt sich dabei in der Regel um einen recht weit ausgebildeten Pflug mit Haupt, Rädern, Sterze, Sech, Schar und Streichbrett, der von einem Ochsengespann oder einem Pferd gezogen wird 2 3 6 . Die Konstruktion ist besonders gut auf der Illustration zu Ldr. II 66 § 1 zu erkennen, einer Bestimmung, die von befriedeten Stätten handelt: Danach haben Kirchen, Pflüge und Mühlen, Kirchhöfe und Dörfer innerhalb von Graben und Zaun und des

232

HOOPS (wie Anm. 210) S. 26, Taf. 1, Abb. 1. Die Abbildung (Originalphoto) stammt aus dem angelsächsischen Kalendarium Cotton Tiberius B V im Brit. Museum.

233

LESER (wie A n m .

1 1 9 ) S . 8 5 , A b b . 2 0 , v g l . a u c h H E R R A D VON LANDSBERG, H o m i s

deliciarum,

Strasbourg 1952, Fol. 112 b . 234

Nachweis bei ALWIN SCHULTZ, Deutsches Leben im 14. und 15. Jahrhundert, Wien 1892, S. 168,

235

KARL VON AMIRA, Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1: Ausgabe, Leipzig 1902;

A b b . 2 1 5 ; d a n a c h LESER ( w i e A n m . 1 1 9 ) S . 1 2 9 u. A b b .

32.

2 : Erläuterungen, Leipzig 1925/26; WALTER KOSCHORRECK, Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, Kommentar und Anmerkungen, 2 Bde., Frankfurt a. M . 1970. 236

V. AMIRA (wie Anm. 235) 2, 1, S. 237. Es handelt sich um folgende Tafeln: 2 5 a 5 , 3 0 b 4 , 3 5 a 4 , 51 b 3 , 5 4 b 1, 7 7 b 2 .

41

Wörter und Sachen

Königs Straßen zu Wasser und zu Lande dauernden Frieden 237 . Rechtswidriges Bepflügen fremden Bodens behandelt Ldr. II 46 § 1: Swe do werket enes anderen mannes lant unwetene, oder dat eme en ander gedan hevet, wert he dar umme besculdeget de wile he it eret, sin arbeit verluset he daran, of it jene behalt. Swe it aver eme gedan hevet, de scal eme irstaden sinen scaden238. In der Dresdener Bilderhandschrift und entsprechend in der Wolfenbütteler und Oldenburger Handschrift wird allein der Vorgang des Pflügens illustriert 239 . Der Landeigentümer beschuldigt dabei den Pflüger und dieser gibt sein Unrecht zu. Der Ertrag seiner Arbeit geht darauf an den rechtmäßigen Eigentümer über. Obwohl es sich auch hier wieder eindeutig um einen ausgebildeten Wendepflug — einen pluch, wie es im Sachsenspiegel heißt — handelt, hat der Text mit eren (statt plügen o. ä.) das ältere Wort festgehalten, das sich ursprünglich auf einen anderen, einfacheren Pflugtyp bezog. Text und Bild spiegeln also hier noch einmal die Problematik wider, die das Verhältnis von Wort und Sache im Bereich des Pflügens betrifft.

237

Der Sachsenspiegel in Bildern. Aus der Heidelberger Bilderhandschrift ausgewählt und erläutert v o n WALTER KOSCHORRECK, F r a n k f u r t a. M . 1 9 7 6 , A b b . 2 6 ; vgl. a u c h ebd. A b b .

238

und Lehnrechtsbücher) Göttingen—Berlin—Frankfurt 1955, S. 169. 2 3 9

123.

Sachsenspiegel Landrecht, hg. von KARL AUGUST ECKHARDT (Germanenrechte neue Folge, LandV . AMIRA (wie A n m . 2 3 5 ) 2 , 2 , S. 4 0 8 .

JOHANN KNOBLOCH

Wörter und Sachen im nachrömischen Europa 1. Einige Benennungen des Pferdes F r z . cheval, it. cavallo, span. caballo sind die westroman., rum. cal der ostroman. Nachfolger von lat. caballus 'Pferd', das bei Lucilius in den Saturae III 24 erstmals vorkommt. C . Lucilius hatte 134—133 v. C h r . als eques am numantinischen Krieg teilgenommen: so hat er das Soldatenwort dort offenbar von seinem equiso übernommen und in die römische Literatursprache eingeführt, die er bekanntlich um so manches volkstümliche, aber in R o m noch unerhörte Wort bereichert hat. „ W o h e r caballus stammt, ist nicht abgeklärt" heißt es bei W . v. Wartburg 1 . G r . KaßaXXtjg, das wohl bei Antipatros von Thessalonike 2 (um C h r . G e b . ) zuerst belegt ist, hat dort keine abfällige Bedeutung, wie sie sonst dem lat. Wort zugeschrieben wird; bei H e s y c h ist es das Arbeitspferd (¿gydrrjg iitiioq). H j . Frisk 3 möchte den ä-Stamm als Hinweis auf ein volkstümliches Fachwort im Sinne von Chantraine 4 deuten und hält dasselbe für ein „asiatisches W a n d e r w o r t " , das, wie dt. Wallach, ein ursprüngliches Ethnikon sein könne. Die hier erwähnten Wörter vorderasiatischer Sprachen (türk. kävä Beiwort zu at 'Pferd', pers. kaval 'mischblütiges, zweitklassiges Pferd') sind erst im 11. u. 12. J h . bezeugt: der Wanderweg könnte gut auch in umgekehrter Richtung angesetzt werden, als Ausstrahlung des griech. Wortes weit nach Mittelasien hinein. D e r älteste Beleg ist hier nach A . Nehring 5 , der eine Mitteilung von W. B . Henning wiedergibt, kapala uta 'kapala-Kamel' in den Kharosthi-Texten von N i y a (3. J h . n. C h r . ) . Wenn die erwähnten Wörter mit gr. KaßäXXrjq zusammenhängen sollten und dieses nach P. Kretschmer 6 das kastrierte Pferd bezeichnet hätte, dann müßten demnach auch Kamele kastriert worden sein! Daher ist es vorzuziehen, in dem Kharosthi-Beleg vielmehr die Entsprechung von kapäli zu sehen, was im U r d u K a p p z a u m oder Halfter bezeichnet und von sanskr. kapälam n. 'Hirnschale, Schädel' abgeleitet ist, wie dt. Kappzaum aus lat. capitium (zu caput). Für das Verschneiden gibt es ein griech. Adjektivum von wechselnder Lautgestalt: die Metathesen, die aus KäÄr/ßog' djieoKokvfi^ievog tö aiöoiov (Hesych), vgl. KoXoßöq 'verstümmelt', zunächst ein KaßrjXog ' o aJieoKoXvjujuevog TÖ alöolov. 1 2

3 4 5 6

FEW 2,1, Tübingen 1949, S. 11. Anthologia Graeca epigrammatum Palatina cum Planudes, hg. von HUGO STADTMUELLER, 3, Pars prior, Leipzig 1906, S. 187, Nr. 241. HJALMAR FRISK, Griechisches etymologisches Wörterbuch, 1, Heidelberg 1960, S. 749. P[IERRE] CHANTRAINE, La formation des noms en grec ancien, Paris 1933, S. 30. ALFONS NEHRING, Die Wortsippe von gr. KaßäAXrjg (Die Sprache 1, 1949, S. 164—170) S . 168. PAUL KRETSCHMER, Literaturbericht f ü r d a s J a h r 1925 ( G l o t t a 16, 1928, S . 1 6 1 - 1 9 8 ) S .

DERS., Literaturbericht für das Jahr 1929 (Glotta 20, 1932, S. 218-256) S. 248.

191;.

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Wörter und Sachen im nachrömischen Europa

oi de ovog (ebd.) und weiter ein ßaKTjXog 'Verschnittener, Eunuch der Kybele, Weichling' gemacht haben, sind durch die affektische Natur des Begriffs bedingt; verwandt ist noch KÖXacpoc, m. 'Ohrfeige'. Zum Sachlichen ist das Wortzeugnis von dt. Klopfhengst 'kastriertes Pferd', was zum pejorativen Ausdruck Klepper geführt hat, zu vergleichen. In den Gesichtskreis der erwähnten Wörter bezieht A. Nehring weiter, hierin A. Leskien7 folgend, „finn. hepo (hevon) 'Pferd', älter hebo 'Stute', hevonen [Stamm hevose] 'Hengst' [jetzt Pferd], weps. hebo 'Stute', estn. hebti (ibobu) 'Stute', hobune 'Pferd'", lapp. bävos (dial. Nebenformen häpos, häbus, hävos "Pferd'8 ein. Ahlqvist9 sah in diesen Wörtern eine skandinavische Entlehnung, was Leskien wegen der „Ausdehnung des Wortes über die gesamten westfinnischen Sprachen sehr unwahrscheinlich" vorkommt, weswegen er sich für finnischen Ursprung der von ihm erwähnten baltischen und slawischen Wörter ausspricht. Nehring stellt einen Zusammenhang mit den vorhin schon erwähnten asiatischen Wörtern (türk. käväl etc.) her: „Es wäre daher im Prinzip sehr wohl möglich, daß das . . . . angenommene zentralasiatische Grundwort auch in die finnisch-ugrischen Sprachen drang." Er übersieht dabei ganz die lautliche Unmöglichkeit dieser Erklärung. Mit h- anlautende Wörter von indogermanischem Aussehen können der ältesten germanischen Lehnwortschicht zugewiesen werden, wie etwa finn. hame 'Obergewand der Frauen, Untergewand der Männer' zu ahd. llh-hamo 'Leichnam' (eigentl. 'Leibeshülle') mit Verwandten. So könnte auch die finn. Wortsippe bewahrt haben, was in german. Dialekten aus lat. cabö, -önis m., der Kurzform für caballus, werden mußte. (Einem späten Ansatz der germanischen Lautverschiebung steht die Inschrift auf dem Helm von Negau wohl nicht mehr entgegen.10) Einen anderen Weg der Entlehnung aus lat. cabo hat aksl. kobyla 'Stute' genommen, doch ist er im einzelnen noch unklar und wird es wohl auch bleiben, da hier nicht das Griechische sondern eine nördlichere Balkansprache vermittelt hat. Den Hinweis darauf darf man der gleichartigen Bildung mit serb.-ksl. mogyla 'Hügel' entnehmen, dessen alban. Entsprechungen gomile 'Steinhaufen' (mit Metathese) und magule 'Hügel' auf ein altes Balkanwort hindeuten. Altruss. komon' 'Pferd' und das daraus als komprimierte Schnellsprechform11 entstandene aksl. kon zusammen mit lit. kumele 'Stute' sind in ihren weiteren 7 8

AUGUST LESKIEN, Die Bildung der Nomina im Litauischen, Leipzig 1891, S. 2 7 7 f . In einen anderen Zusammenhang gehören: livisch kev, LESKIEN

lett.

das aus dem Baltischen entlehnt ist; nach

(wie Anm. 7) S. 278: „zurückgewandert". Aber es ist mit apreuß.

Ipeve,

lit.

keve 'Schindmähre', kevinas

'Wallach' und lit.

kaimene

kaywe 'Stute', paustocaican

H e r d e ' , apreuß.

'Wildpferd' zu verbinden, s. schon ADALBERT BEZZENBERGER, Anzeige von LEO MEYER, Handbuch der griech. etymologie (BB 27, 1902, S. 168) S. 168, Anm. 1. — Für finn. wot.

öhva,

estn.

öhw,

liv.

ov

hehko, hehvo, hieho,

nimmt V I L H E L M T H O M S E N Beröringer mellem de finske og de

baltiske (litauisk-lettiske) sprog, Kopenhagen 1890, S. 146 Anm. 4, eine Grundform

"'ehvo, *ehva,

also urgermanische Entlehnung an. 9 10

AUGUST AHLKVIST, Die Kulturwörter der westfinnischen Sprachen, Helsingfors 1875, S. 9. FRANS VAN COETSEM, Zur Entwicklung der germanischen Grundsprache (Kurzer Grundriß der germ a n i s c h e n P h i l o l o g i e b i s 1 5 0 0 , h g . v o n L U D W I G E R I C H S C H M I T T , 1, B e r l i n 1 9 7 0 S . 1 — 9 3 ) S . 8 .

11

Anders JOHANNES SCHMIDT, Kritik der Sonantentheorie, Weimar 1895, S. 138f., der an einen Zerfall der Formen aus einem in den obliquen Kasus endbetonten Paradigma denkt: Genitiv

*komnjä > konjä.

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Johann Knobloch

Zusammenhängen strittig. Gegen die Verbindung des litauischen Wortes mit aind. kumärä- 'neugeborenes Kind, Knabe' spricht so manches, einer Ableitung deminutiven Charakters nach der Art von apreuß. camnet (*kamnent, nach A. Bezzenberger KZ 50,1922,151) steht nichts entgegen. Vor der weiteren Deutung soll jedoch auf gr. Kaß6XXr\q zurückgegriffen werden. Die Verbindung von gr. KaßoMrjg mit Völker- und Personennamen entbehrt jeden Rückhalts, sobald man die Ansicht aufgibt, es müsse sich um das kastrierte Pferd handeln (P. Kretschmer Glotta 16,1928,191: „Ein Volksstamm, der das Kastrieren betrieb, gab [nach Ernst Maass RhM 74,1925,432—476] den Namen für den Wallach her. Diese Etymologie von caballus, die langgesuchte, ist das Glanzstück von M.s Aufsatz.") Man kommt auf ganz anderem Wege zu einer neuen und, wie zu hoffen ist, haltbaren Deutung des Wortes. Wenn ca.pa.nna 'Hütte' eine Rückbildung aus *ca[ta]pannare 'unter ein Zeltdach bringen' ist, wenn span. galic. cafüa 'Hütte' ein *ca[ta]fuga = gr. KaTaqiv/rj 'Zufluchtsort, refugium' ist, und wenn schließlich caliga 'Stiefel gemeiner Leute, bestehend aus Sohle und riemenartig zerschnittenem Oberleder' als *ca[ta]liga die genaue Entsprechung von gr. vnobt]fia als 'Daruntergebundenes'12 ist, so darf man auch gr. KaßälXrjq zu KaraßaXXeiv als 'störriges, den Reiter herabwerfendes Pferd' stellen; s. Xenophon, Hellenika, V,2,41: KaxaßöXkovoiv and rov LJIJZOV, ferner KaßßaXixög 'aptus ad deiciendum' bei Stephanus s. v. Ein solches Kraftwort caballus 'Herabwerfer' konnte sich wohl in der Militärsprache einstellen und von dort aus nach allen Richtungen im Römischen Imperium weiterverbreiten. Sollte es noch eine ähnliche Bildung hervorgebracht haben? Es gab ja Pferdebezeichnungen mit vorangestellter Präposition, alles Mischbildungen, wie man sie für die Sprache des Militärs voraussetzen darf: parhippus, paraveredus. Lat. parhippus lebt in tschech. paripa fort, das ebenfalls einen pejorativen ¿-Stamm aufweist, wie gr. KaßaXXr\g. Es war das 'Beipferd, Nebenpferd', während das in frz. palefroi 'Paradepferd' und dt. Pferd fortgesetzte lat. para-veredus 'das für den Dienst auf Nebenlinien bestimmte Pferd' 13 bezeichnete. Wäre es da zu gewagt, neben einem lat. mannus 'kurz gebautes gallisches Pferd' ein in der illyrischen Herkunftssprache dieses Wortes hybrid gebildetes *ca[ta]mannus anzusetzen, genauer noch *cata-mannius (nach dem Bildungsmuster mürus: postmoiriom > pömerium 'Raum hinter der Mauer'), was dann lautgerecht im Slawischen komon' ergeben mußte. Sehr zögernd hatte schon Johannes Schmidt (und nach ihm andere) das slawische Wort als ein Kompositum aus kob- von kobyla und lat. mannus angesehen14.

12

Vgl. JOHANN KNOBLOCH, Unerkannte Gräzismen in den Volkssprachen des europaischen Westens ( A P X E I O N KOINQ N I O A O r i A 2 KAI H 0 I K H 2 , Jg. 1 9 6 7 - 1 9 6 8 , Athen, S. 6 1 - 7 0 ) .

13

KARL RITTWEGER—EDUARD WÖLFFLIN, Was heißt das Pferd? (Archiv für lateinische Lexikographie 7,

14

SCHMIDT

1892) S. 319 f. (wie

Anm.

11)

S.

139,

Anm.

1;

vgl.

ERICH

BERNEKER,

Slavisches

etymologisches

Wörterbuch, 1, Heidelberg 1908—1913, S. 555. Nach ERNST DICKENMANN, Das Pferd in russischen Nomina appellativa und Nomina propria, Heidelberg 1977, S. 24 „steht" die etymologische Deutung von kon' und kobyla „noch offen".

Wörter und Sachen im nachrömischen Europa

45

Bei dieser Gelegenheit seien auch Vermutungen zur Deutung von lat. *runcinus 'Arbeitspferd' 1 5 vorgebracht, das frz. roussin 'derbes, untersetztes Pferd' 1 6 und seinen altfrz. Vorgängern roncin, ronchin17 zugrunde liegt und mhd. runzit, runzin n. 'kleines Pferd, Klepper, Mähre' ebenso wie den pejorativen sprechenden Namen Rosinante von Don Quijotes 'edlem' Roß ergeben hat. „ D e r Ursprung des Wortes ist noch nicht abgeklärt", heißt es bei W. v. Wartburg 1 8 . Wenn hier V. Günther schließlich eine Herkunft aus ahd. rozzig 'muculentus' für erwägenswert hält in Anbetracht der Rotzkrankheit der Pferde, so widerspricht dem, daß unter den Bedeutungen von roncin auch 'fromage cuit', 'fromage blanc', 'mélange d'oeufs et de farine que l'on fait cuire dans une casserole' aufscheinen 19 , ferner ronci 'fromage non salé'. Zu lat. runcäre 'jäten' ist runcö, -önis m. die 'Jäthacke'. Als Rückbildung aus dem Verbum ist runca f. 'gejätetes Unkraut' belegt, ein gleiches Wort runca könnte auch 'gezogene Furche' bedeutet haben, was dann zu runcus 'Krümmung' überleiten würde. Wenn nun runca in der Sprache des Landwirts die Ackerfurche bedeutet, dann wäre runcinus hiervon mit dem bekannten, schon voreinzelsprachlichen Tiernamensuffix 2 0 abgeleitet. Wohl nicht zufällig läßt sich dies Ableitungsverhältnis einem ähnlichen zur Seite stellen: ostpreuß. kunter 'kleines Bauernpferd' ist aus Kummet, *Kunt gebildet, das in der Ableitung lautlich vereinfacht wurde, wie auch der Handwerkernamen Kunter 'Kummetmacher' zeigt. Nicht dazu gehört lat. cantérius (auch canthérius) 'verschnittener Hengst; Gaul', dem ein wohl nördlich der klassischen Sprachen beheimatetes *kanto- 'Gegrabenes, Furche' zugrunde liegt; eine Verbalwurzel dieser Bedeutung geht aus aind. khánati 'gräbt' (wohl mit Affektaspiration, während th in den lateinischen Wörtern sicher nur gräzisierende Schreibung ist), khanitram n. 'Schaufel' und neupers. kanda 'gegraben', awest. k^stram 'Spaten' hervor, deren weitere Zusammengehörigkeit mit gr. KEVXQOV 'Stachel(stab)' und Kovxóg 'Schifferstange' durch den Hinweis auf den Grabstock wahrscheinlich zu machen ist. D a der Grabstock und der daraus entwickelte Ziehspaten bald durch verschiedene Pflugtypen ersetzt worden ist, muß cantérius aus einem kulturell rückständigen Randgebiet stammen, das vom Verbum vielleicht nur die Partizipialform *kanto- 'Furche' (ähnlich jungawest. kanay- m., f. 'Graben') bewahrt hatte. Die lautliche Ähnlichkeit von gr. KavdrjXiog 'Packesel' (Kurzform KÓV6(OV) 21 trügt, da hier der 'Lastträger' nach den 'Lastkörben' (KavOr/kia, KavOiai) benannt ist. Im galloromanischen Bereich ist die Bedeutung

15 16

17

18 19 20

21

REW, S. 616, Nr. 7445 a. ERNST GAMILLSCHEG, Etymologisches Wörterbuch der französischen Sprache, Heidelberg 2 1969, S. 782 b. HERBERT KOLB, Namen und Bezeichnungen der Pferde in der mittelalterlichen Literatur (Beiträge zur Namenforschung N F 9, 1974, S. 151-166) S. 152. FEW 10, Basel 1962, S. 576b. FEW 10, Basel 1962, S. 575b. Es liefert auch von cantherius (s. u.) gleichbedeutendes cantherinus, vgl. MANU LEUMANN, Lateinische Laut- und Formenlehre, München, Neuausgabe 1977, S. 326, Nr. 296. Gr. KavOrjXiog hat demnach ebensowenig mit lat. cantherius etwas zu tun, wie gr. KÖXv/ißog 'Tauchvogel' mit lat. columba 'Taube'.

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Johann Knobloch

verschoben zu cantero 'Erhöhung zwischen den Furchen' (Alava, Nordspanien), was zu unserem Kante mit Verwandten vermittelt. Ngr. KeXrjg 'Reitpferd, Renner' hat schon seit altgriechischer Zeit die weitere Bedeutung 'schnellsegelndes Schiff; Jolle, Gig'. Bei Homer sind KeXrjq (Odyssee V 371) und das Verbum KeXrjri^ct) (Ilias X V 679) „aufsitzen" (aufs Pferd) jeweils Hapax legomena 22 . Auch wenn lat. celer nur noch die allgemeine Bedeutung von 'schnell' hat, läßt sich eine anschaulichere Grundbedeutung im Sinne einer 'Objektivbeschränkung' voraussetzen. Diese darf man aber nicht, wie dies bisher allgemein geschieht, in einer idg. Wurzel *kel 'treiben, zu schneller Bewegung antreiben' suchen. Aind. kaldyati kann man sicherlich mit 'treibt' übersetzen, aber culukam jalasya kalayati kann nur verstanden werden als 'den Wasserstrahl in die hohle Hand springen machen'; das Kausativum hat seine Entsprechung in got. haldan ßöoKeiv, noifiaiveiv: das Vieh weiden heißt immer auch, es 'springen machen' 2 3 . Und sollte nicht ahd. hiltja, hilta ' K a m p f genau lat. assaltus 'Angriff (frz. assaut) entsprechen, so daß mhd. hiltegrin mit 'Sturmhelm' wiederzugeben wäre? Bei einer solchen Auffassung ergeben sich Deutungen für bisher Unerklärbares: aind. kalalam 'the embryo short time after conception' wäre das Punctum saliens: man konnte diesen Zustand ja nur am bebrüteten Vogelei beobachten 24 . Ein weiterer Beweis für kalalam *Sprung (auch konkret gefaßt) ergibt sich aus aind. kalalajah 'the resinous exudation of the Shorea robusta L . ' (also das aus einem Sprung in der Rinde ausgetretene Harz). Möglich

22

EDOUARD DELEBECQUE, L e cheval dans l'Iliade suivi d'un lexique du cheval chez H o m è r e et d'un essai sur le cheval pré-homérique, Paris 1951, S. 210.

23

Man denke auch an schweizerfrz. sallhaita

printemps, époque o ù les troupeaux sortent de

l'étable o ù ils ont passé l'hiver, p o u r aller paître dans les pâturages', F E W

11, Basel

1964,

S. 95 a, und an engl, spring 'Frühling' (nicht vom 'Aufspringen der K n o s p e n ' , wie meist angenommen wird). 24

D e m Punctum

saliens oder dem springenden

Punkt unserer Redensart entspricht im Original von Kai Kivehai. D a s altind. Wort kalalam kommt zuerst in der Susruta-Samhita vor; nach Ansicht von ERNST HAASJC Hippokrates und die indische Medizin des Mittelalters ( Z D M G 31, 1877, S. 6 4 7 - 6 6 6 ) ; vgl. ERNST WINDISCH, Geschichte der Sanskrit-Philologie und indischen Altertumskunde, 1, Straßburg 1917, S. 363, wäre der N a m e Susruta aus einer arabischen Umgestaltung des N a m e n s Hippokrates entstanden. Auch wenn dieser extremen Position widersprochen wurde, bleibt die Tatsache v o m tiefgreifenden Einfluß der Griechen auf die Entwicklung der indischen Medizin, so daß die These von der griechischen Herkunft des Begriffs von kalalam gut zu stützen ist. Im Bhägavata-Puränam 3,31,2 wird kalalam als ekarätrena pancarätrena budbudam erklärt: „ d a s K . ist von der ersten N a c h t bis zur fünften N a c h t eine B l a s e " . Die Erkenntnis, daß sich die befruchtete Eizelle durch Zellteilung früh zu einem blasenförmigen Gebilde umwandelt (Blastula- und Morulastadium), ist in der indischen Biologie schon älter und läßt sich bis auf das Nirukta des Yäska (5. J h . v. C h r . ) zurückverfolgen. N a c h dem Kommentar zum Bhägavata-Puränam ist das K . eine kugelige Blase ( b u d b u d a m vartuläkäram), das durch Vermengung von Samen und Menstruationsblut entsteht ( sukra-sonitamisritam bhavati). A u s dieser Auffassung heraus läßt sich die Bezeichnung des K . als 'Springendes' nicht motivieren, so daß daraus der griechische Ursprung des Terminus deutlich wird. Aind. kal-a-la-m ist seiner Bildungsweise nach zu vergleichen mit kusülab, kusülab, das, mit anderem Bindevokal, auf eine Verbalwurzel idg. keuk-, keuk-, keug- 'zusammenballen, häufen' zurückgeht und seine Verwandten in got. hühjan 'sammeln, anhäufen', russ. kuca ' H a u f e n , H e u s c h o b e r ' , lett. kàudze ' H a u f e n , Schober', lit. kâugè 'Heuhaufe, Heuschober' hat. — Für freundliche Ermittlung und Deutung der Sanskritbelege danke ich Herrn Kollegen MICHAEL HAHN verbindlich. Aristoteles' Hist. animal. 6,3 rd cnjfieiov mjôq

47

Wörter und Sachen im nachrömischen Europa

ist auch die Auffassung des von M. Mayrhofer vorsichtig aus der Verbindung mit gr. KakvE, 'Fruchtkelch' gelösten aind. kalikä "Knospe' als 'Aufgesprungenes'. Ein got. *halds 'Sprung' ergibt sich aus dem ungedeuteten ni pe haldis (Skeireins 4,22), was man mit Hinweis auf die frz. Negation ne . . pas sehr gut als 'nicht um einen Sprung' (mit partitivem Genitiv, der bisher fälschlich als Komparativ gedeutet wurde) verstehen kann. Da das Präteritum von got. haldan nicht belegt ist, läßt sich nicht endgültig entscheiden, ob es auch hier einen Rest der alten -jan-Bildung

gibt,

wie

bei

dem

Iterativum

"gaggjan

( P r ä t . gaggida).

Man

darf

aber das gleiche Verhältnis hier in der kausativen Funktion vermuten: *haldjan (> haldan) : *haldida 'springen machen' > antreiben > weiden. Es ist ja schließlich zu erwarten, daß die seit indogermanischer Zeit bekannte Pferdezucht einen reichen Wortschatz entwickelt hat, der sich auch in Nachbarbereiche ausgedehnt hat. Ein *kel- 'Sprung', in kausativer Bedeutung 'springen machen', als Adjektiv 'hurtig, flink' dürfte also hier einzureihen sein. Ein weiteres Verbum, das den Galopp als Gangart des Pferdes im Germanischen bezeichnet hat, liegt in der Wurzel *kleu- und ihren Ableitungen durch labiale Formanten vor, die selbst Erweiterung zu *kel ist. Got. -hlaupan gilt S. Feist 2 5 als ungedeutet; Versuche der Anknüpfung an eine von Fr. Kluge 2 6 angesetzte 'Doppelwurzel' *klub-, * k l u p - lehnt er ab, da sich die Bedeutungen 'knien' und 'hinken' nicht mit der Bedeutung 'laufen' vereinigen ließen. Diesem Zweifel trägt noch die letzte Auflage von Fr. Kluges Wörterbuch Rechnung, in das er jedoch erst nach A. Götzes T o d durch Alfred Schirmer, den Bearbeiter der 15. Auflage, Eingang fand. Es war aber eine Flüchtigkeit Feists, eine Grundbedeutung 'laufen' zu erwähnen, so sich doch aus seinem eigenen Artikel deutlich ergibt, daß vielmehr 'springen' anzunehmen ist, das erst in einzelnen germanischen Dialekten durch Affektentleerung zu 'laufen' herabgemindert worden ist. Die Anknüpfung Fr. Kluges an lit. klumpü (wo sich in der Lautform Affektnasalierung mit affektischem Stimmtonverlust des Okklusivlauts verbinden), klüpti 'straucheln, stolpern, in die Knie stürzen, fallen' 2 7 , mit Media klübti 25

26

27

SIGMUND FEIST, Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache mit Einschluß des Krimgotischen und sonstiger zerstreuter Uberreste des Gotischen, Leiden 3 1939, S. 532: „Etymologie unbekannt". Schon in seinem Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache. Straßburg 4 1889, S. 201 wird zögernd lit. klüpti 'stolpern' verglichen. Ihm folgt entschiedener E R N S T Z U P I T Z A , Die germanischen Gutturale, Berlin 1896, S. 118, der hier auch tschech. klusati 'traben' (als *kloups-) anschließt. Hierzu kommt aksl. kljusq 'Lasttier', tschech. klisna, klichna, klisa 'Stute' und zigeuner. klisäwa 'reite', klisto 'Berittener; Gendarm'. Auch das bei VACLAV M A C H E K , Etymologicky slovnik jazyka ceskeho, Prag 2 1968, S. 256, unerklärt gelassene klibna Tferdemaske im Karnevalszug' gehört in diesen Zusammenhang und enger zu lett. kluburät 'hinken'. Diese Reihenfolge in der Bedeutungsentwicklung ist anzunehmen, gegen FRANZ SPECHT, Der Ursprung der Indogermanischen Deklination, Göttingen, Neudruck 1947, S. 131: „Zugrunde liegt überall die Wurzel hei-, kel- 'neigen', aus der sich der Begriff 'lahm, krummbeinig' entwickelt hat." Alle Wurzelerweiterungen bauen vielmehr auf einem einfachen Stamm *kel- auf, der in gr. KeXrjg, -rog 'Renner' (Pferd; dann auch Schiff), lat. celer 'schnell' erhalten ist. Zu den Belegen im Griechischen kommt noch tcoAea 'ein Tanz' (bei Hesych, auch KoXia), KoXaßQi&iv OKiQTäv; aind. kelih f. 'Spiel, Sport, Unterhaltung', kelakah m. 'Schwert)tänzer' (auch khelä, kilab 'Sport, Spiel', khelagatib wohl 'mit wiegendem Gang einherschreiten', khelanam 'Hin und Herbewegung'. Diese nach MANFRED MAYRHOFER, Kurzgefaßtes etymologisches Wörterbuch des Altindischen 1, Heidelberg 1956, S. 296 (s. v. ksvelati 'springt, hüpft, spielt' < *khel-)

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Johann Knobloch

(s. bei Jan Otrfbski 2 8 , der auf die Intensivierung der Grundbedeutung durch den Wandel zur Tenuis hinweist,) und ebenso an lit. slübas 'lahm , slubti, slumbü 'lahm werden' ist über jeden Zweifel erhaben 29 . Was den Wechsel zwischen Velar und Palatal im Litauischen betrifft, so hat Otrgbski 30 bemerkt, die Formen mit Velar gäben die jeweils gröbere Bedeutungsschattierung wieder. Man braucht nicht weit zu suchen, um für den angeblich unbefriedigenden Bedeutungsübergang weitere Belege zu finden. Lit. klusineti 'stolpern, straucheln' gehört jedenfalls zu tschech. klusati 'traben', das nach V. Machek 31 ein Intensivformans -s enthält. Zu klusineti erhielt ich von Frau Edite Sturms freundlicherweise die folgende Auskunft (14.12.1978): „Das Wort ist ein einziges Mal in Dauksas Postille, 16. Jh., belegt — laut Lietuviy kalbos zodynas Vi (1962), S. 188 ( = Akademie-Wörterbuch). Die Iterativa oder Durativ-Frequentativa auf -ineti sind meistens deverbal. Ein primäres Verb *klusti oder *klusti gibt es nicht. Laut L K 2 VI 187 gibt es allerdings ein ma. klustüoti 'langsam gehen', womit sich klusineti allenfalls vergleichen ließe, aber von diesem Typ sind wiederum Ableitungen auf ineti nicht üblich." Die Frage, ob die Ubereinstimmung zwischen beiden Verben so eng ist, daß eine Erweiterung *kleu-s- in beiden Fällen zugrunde läge, die im Litauischen in das affektstärkere -s- überführt worden wäre, oder ob das slawische Verbum ferner steht und, wie bisher üblich, als Erweiterung von *kleup- (für die auch im Litauischen einiges spräche) anzusehen ist, muß hier offen bleiben. 2. Die schnellste Gangart des Pferdes: Galopp P. G. Hamberg 3 2 gibt in einem lesenswerten Aufsatz über Bewaffnung und Kampfesart der Germanen alle erforderlichen Unterlagen, um einer noch vielfach

28

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32

„mittelindisch anmutende" Wurzel kann mit zigeun. kelaw 'ich anze', keljipen 'Tanz' und andererseits mit skt. khälah m. 'Tenne' verbunden werden, da die Körner oft aus den Ähren ausgetreten werden (vgl. ital. trescere 'trampeln, tanzen', entlehnt aus got. priskan 'dreschen'). JAN OTR^BSKI, Aus der Geschichte der litauischen Sprache (Lingua Posnaniensis 5, 1955, S. 23—40) S. 30; DERS., Gramatyka j§zyka litewskiego 1, Warschau 1958, S. 334. Sie wird schon von OTTO HOFFMANN vorgeschlagen: T E P A 2 . Abhandlungen zur Indogermanischen Sprachgeschichte, August Fick zum siebenzigsten Geburtstage gewidmet, Göttingen 1903, S. 51. OTR^BSKI, Gramatyka (wie Anm. 28) S. 334 gleich kleiner Buchstabe. Wenn er in Lingua Posnaniensis 1, 1949, 136 für die Sippe von poln. klus 'Trab' wegen lit. klusineti 'stolpern' eine Palatalerweiterung fürs Baltoslawische ansetzt: *kleu-%-, so empfiehlt sich demgegenüber fürs Slawische der bisherige Ansatz *kleup~s-, *kloups-, während im Baltischen vielleicht nur "'kleu-s- anzusetzen ist, dessen s wegen der affektischen Bedeutung leicht in den affektstärkeren Sibilanten übergehen konnte, vgl. die lettischen Beispiele suns 'Hund' mit dem pejorativen Diminutivum sunelis, maiss 'Sack' (diminuiert zu maiselis), ferner tschech. slupka 'Obstschale' (also Abfall) zu s-loupiti abschälen, tschech. skaredy 'häßlich' gegenüber russ. skarednyj 'ekelhaft' und vieles andere mehr. VACLAV MACHEK, Etymologicky slovnik jazyka ceskeho, Prag 2 1968, S. 261 a. Daß auch die einfache Wurzel *kel- mit p erweitert werden konnte, zeigt die Sippe von gr. KäXmj 'Trab', was von FRISK (wie Anm. 3) s. v. nicht erkannt wurde („reitsportlicher Ausdruck ohne Etymologie"). „Auf einer Stufe mit KAXTIT] stehen nhd. holpern, dial. holpein, hülpen, holpel 'ungeschickter Mensch', die in der Bedeutung den oben angeführten baltischen Worten am nächsten stehen" hatte schon ZUPITZA (wie Anm. 26) S. 118 festgestellt. PER GUSTAV HAMBERG, Zur Bewaffnung und Kampfesart der Germanen. Bemerkungen über einige Zeugnisse der römischen Triumphalstruktur (Acta Archaeologica 7, Kopenhagen 1936, S. 21—49).

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Wörter und Sachen im nachrömischen Europa

anzutreffenden Erklärung von afrz. waloper, galoper aus fränk. *wala hlaupan33 'wohl laufen' ein Ende zu bereiten. Im Jahre 1878 wurden in Dalmatien fünf Bronzefiguren gefunden, von denen die eine den römischen Feldherrn, die andere einen gefallenen Feind (einen jugendlichen Barbaren), eine dritte einen fliehenden Barharen zu Fuß, die vierte den Waffenträger des Feldherrn, und die fünfte einen stürzenden Reiter darstellte. Solche Figuren stammten, wie schon E. v. Sacken 34 gezeigt hat, von einem Schmuck eines Brustschildes für Pferde, der wieder durch eine besondere Kampfesweise der Germanen gegen berittene Römer erforderlich wurde. Die Abbildung 14 bei Hamberg zeigt einen leichtbewaffneten Germanen, der ein römisches Pferd zu erstechen versucht, wie dies auf einem Sarkophag von der Via Tiburtina zu sehen ist, der aus der Zeit der Markomannenkriege stammt. Die Kampfesweise schildert Caesar, B G I 48,5, wie er sie von der Reiterei des Königs Ariovist her kannte: Genus hoc erat pugnae quo se Germani exercuerant. equitum milia erant sex, totidem numero pedites velocissimi ac fortissimi, quos ex omni copia sihguli singulos suae salutis causa delegerant; cum his in proeliis versabantur, ad eos se equites recipiebant; hi si quid erat durius, concurrebant; sie qui graviore vulnere accepto equo deciderat circumsistebant; si quo erat longius prodeundum aut celerius recipiendum, tanta erat horum exercitatione celeritas, ut iubis sublevati equorum cursum adaequarent. Hamberg 35 führt auch noch weitere Zeugnisse an, so Ammianus Marcellinus XVI 12, 21—22, der aus der Schlacht von Straßburg (357) berichtet, die Alamannen hätten im Kampf gegen die Truppen Julians quidquid apud eos per equestres copias praepollebat, in laevo cornu locavere confertum. isdem sparsim pedites miscuere discursatores. ." Aus Caesar, B C III 84 geht hervor, daß er im Bürgerkrieg selbst diese Kampfesweise der Germanen nachgeahmt hat: quoniam numero multis partibus esset inferior, adolescentes atque expeditos ex antesignanis electis ad pernicitatem armis inter equites proeliari iuberet, qui quotidiana consuetudine usum quoque eius generis proeliorum perciperent36. Ältere Nachrichten gibt es bei den griechischen Historikern, daß die Kampfesweise der äftuiJioi bei den Böotern (Thukydides, bell. Peloponnes. V 57) ausgeübt wird; Epameinondas wendet sie in der Schlacht bei Mantineia an: o - bzw. der erschlossenen Grundform Hep-agi 'Besprechet, 'Beschwörer', in Verwandtschaft mit got. lekeis,

aisl. Iteknir,

ahd. lähhi und in Urverwandtschaft mit

akslaw. lekT 'Heilmittel', lekarjb 'Arzt', leciti, lekovati 'heilen' gesehen 15 . Auch im

9

KARL SUDHOFF, Eine Verteidigung der Heilkunde aus den Zeiten der 'Mönchsmedizin' (Archiv für Ges c h i c h t e d e r M e d i z i n 7 , 1 9 1 3 , S . 2 2 3 - 2 3 7 ) S . 2 2 4 - 2 6 . V g l . W O L F VON SIEBENTHAL, K r a n k h e i t als

Folge der Sünde. Eine medizinhistorische Untersuchung (Heilkunde und Geisteswelt 2) Hannover 1 9 5 0 ; DIEPGEN, Studien (wie A n m . 7) S. 7 ff. 10

11

Vgl. dazu HEINRICH SCHIPPERGES, Die Benediktiner in der Medizin des frühen Mittelalters (Erfurter Theologische Studien 7) Leipzig 1964. VERN L. BULLOUGH, The Development of Medicine as a Profession, Basel—New York 1966, S. 37; vgl. Alcuin, Didascalia - Dialogus de rhetorica et virtutibus ( M I G N E PI. 101, 947). Isidor hingegen schätzt die Medizin so hoch ein, daß er sie den Artes überordnet: WALLACE MARTIN LINDSAY (Hg.), Isidori Hispalensis episcopi etymologiarum sive originum, Libri X X , Oxford 1911, CIV, 13. Vgl. auch HANS WOLTERS, S. J . , Geschichtliche Bildung im Rahmen der antiken Bildung zur Wissenschaft des Mittelalters, L e i d e n - K ö l n

12

13

14 15

1 9 7 6 , S. 5 0 — 8 4 , insb. S. 55 u. 81. GUNDOLF KEIL—PETER

ASSION

(Hgg.) Fachprosaforschung, Acht Vorträge zur mittelalterlichen Artesliteratur, Berlin 1974. Gesetze der Angelsachsen, hg. von FELIX LIEBERMANN, 1. Text und Ubersetzung, Halle (Saale) 1903, JELFRED, Einleitung 16, S. 33. Vgl. dazu DIRK KÖRTE, Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6. bis 12. Jahrhunderts (Archiv für vergleichende Kulturwissenschaft 10) Meisenheim 1974. LIEBERMANN (wie Anm. 12) Si rixati fuerint viri et perçussent alter proximum suum lapide uelpugno, et ille mortuus non fuerit, sed iacuerit in lectulo, st surrexerit et ambulauerit foris super baculum suum, innocens erit qui perçussent, ita tarnen ut opéra eius et impensas in medicos restituât. LIEBERMANN (wie Anm. 12) Leis Willelme 10, S. 499. KURT SCHIER, A r t i k e l ' A r z t " ( R L A , 2 . A u f l . 1, 1 9 7 3 , S . 4 4 0 - 4 4 6 ) S . 4 4 0 . JULIUS POKORNY, I n d o -

germanisches etymologisches Wörterbuch 1, 2, Bern—München 1959—1969, S. 659, 677; SIGMUND

Heilkundliches in den Leges

77

späteren Sprachgebrauch trugen die Bezeichnungen z . B . mhd. lächenen, bzw. noch die Bedeutungen '(das) Besprechen', '(Z)zaubem, (H)heilen' 16 . Im Schweizerdeutschen gibt es noch heute lächsnen 'Hexen- und Zauberkünste treiben; durch abergläubische Mittel (bes. Beschwörungen) Krankheiten an Mensch und Vieh zu heilen suchen' 17 . Die Nähe von Religion, bzw. Magie und Heilkunde, die Wichtigkeit, die dem Besprechen zugemessen wurde, wird somit auch in diesem Wort deutlich. Obwohl die Leges offiziell auf christlichem Boden standen, zeigt sich in allen Gesetzen, wenngleich in verschiedenem Ausmaße, heidnisch-zauberisches Gedankengut. Verschiedentlich ist von Kräutern mit Zauberwirkung die Rede, in den salfränkischen Rechtstexten mit volkssprachig touuerfo bezeichnet 18 . Die Anwendung von Kräutermitteln erklärt die in den Leges sichtbare sprachliche Austauschbarkeit von Gift und Zauber, bzw. venenum und maleficium19. Die Wirkungsweise der Kräuter war den Menschen erstaunlich, zumal häufig lediglich die Dosierung über negative und positive Konsequenzen, Gift- und Heilwirkung entscheidet. Man denke hier an die Verwandtschaft der Bezeichnungen für 'Gabe' und 'Gift' in den germanischen Sprachen: mhd. nhd. nl. gift 'Gift', ne. gift 'Gabe' zu got. giban, ahd. geban 'geben', dazu ahd. fergiftian 'vergiften' 20 . Im Altnordischen wird lyf 'Pflanzengift5 durch den Zusatz med Ixkning als 'heilendes Gift' charakterisiert, desgleichen in dem Kompositum l a s o e r J ) e t a „Dufnall Seehundskopf besitzt dies Schwert" 2 4 7 . Erneut liegt damit eine Besitzerinschrift vor.

241

N u r am Rande erwähne ich das Fragment einer Lederschwertscheide aus Lund, auf der sich eine schwer lesbare, bisher ungedeutete mittelalterliche Inschrift befindet, JACOBSEN—MOLTKE (wie Anm.

242

17) S p . 5 8 5 f . u n d MOLTKE (wie A n m .

19) S .

420.

ARTHUR NORDEN, Magiska runiskrifter (Arkiv för nordisk filologi 53, 1937, S. 1 4 7 - 1 8 9 ) S. 180f. Die Deutung Norden's erscheint mir recht willkürlich, indem den beiden ersten Begriffen a und / eine magische Wirkung für Glück, Gedeihen und Reichtum des Besitzers zugeschrieben wird, den beiden folgenden k und i jedoch eine solche, die T o d und Vernichtung seiner Feinde bewirkt hätte.

243

SIDURD SIERKE, Kannten die vorchristlichen Germanen Runenzauber?, Königsberg 1939, S. 72

244

HANNA RYDH, Kring en vikingatida spjutspets med runinskrift (Runer of Rids. Festskrift til Lis

A n m . 53 bezweifelt sogar, daß es sich überhaupt bei den vier Zeichen um Runen handelt. Jacobsen, Kobenhavn 1952, S. 2 7 - 3 2 ) S. 27. 245 OTTO VON FRIESEN, Spjutbladet med runinskrift frin Svenskens i Endre (Gotländskt Arkiv 1942, S. 3 3 - 3 9 ) , MUSSET (wie A n m . 99) S. 4 0 5 u n d KRAUSE (wie A n m .

172) S.

lOOf.

246

MAGNUS OLSEN, N o r g e s Innskrifter med de yngre Runer, 1, O s l o 1941, S. 6 6 f f .

247

MAGNUS OLSEN, Runic Inscriptions in Great Britain, Ireland and The Isle of Man (Viking Antiquities in Great Britain and Ireland, Part 6, O s l o 1954, S. 1 5 1 - 2 3 3 ) S. 181 und KRAUSE (wie A n m . 172) S. 118f.

Runeninschriften auf W a f f e n

163

5. Um 1200 wird ein Schildbuckel datiert, der aus Rike (Aust-Agder/Norwegen), wo er mit dem gesamten Schild als Türbeschlag diente, in die Altertümersammlung der Universität Oslo kam. Die Inschrift, von Zierritzungen umgeben, lautet in Transkription: Gunnar gerdi mik. Helgi ä mik „Gunnar machte mich. Helgi besitzt mich" 2 4 8 . Der Inschriftentyp stimmt vollkommen mit Nr. 3 (Kors0ygarden) überein. 6. Als Zufallsfund beim Pflügen wurde der Schwertknauf von Ikast (Nordjütland) aus dem Ende des 13. Jahrhunderts gefunden. Er ist runisch und lateinisch mit dem ersten Teil des Engelgrußes an Maria beritzt. Runisch: aux :ma igracia : buna : pominu. Lateinische Majuskeln: AV(EM)ARTA : OMRACIA PLENA 2 4 9 . Moltke macht sich Gedanken über die Funktion dieser christlichen Formel am Ende des 13. Jahrhunderts (übelvertreibende Formel?, Schutz für den Besitzer gegen den Schwerthieb eines anderen?, Zeichen der Frömmigkeit des Besitzers?), meint aber dann, vermutlich habe sich der Besitzer des Schwertes darüber selbst keine bestimmten Vorstellungen gemacht 250 . Damit ist das aus der jüngeren Runenzeit relevante Material erschöpft. Rechnet man alle erwähnten Stücke, auch die Messergriffe und Äxte zusammen, so ergeben sich: 5 Messer, 7 Äxte, 5 Schwerter bzw. Schwertteile, 1 Speer, 1 Schild und 1 Pfeilschaft, also insgesamt 20 Waffen der Wikingerzeit und des Mittelalters. Ich hatte schon darauf hingewiesen, daß im Vergleich zu den insgesamt in diesem Zeitraum überlieferten 5000 Inschriften der Anteil an runenberitzten Waffen ganz gering ist. Dies Ergebnis ist insofern auch interessant, da die literarische Uberlieferung, die mit Runen beschriftete und mit Zeichen versehene Waffen erwähnt, erst weit nach 700 einsetzt. Wenn aber zu der Zeit, als die schriftlichen Quellen aufgezeichnet wurden, kaum reale Vorstellungen über die Beschriftung von Waffen mit Runen vorhanden waren, so liegt die Frage nahe, ob sich ältere Traditionen in der literarischen Uberlieferung gehalten haben können. Doch bevor ich auf diese Frage näher eingehe, sollen die wichtigsten literarischen Belege zur Frage der Runeninschriften auf Waffen vorgestellt werden. VI. Literarische Zeugnisse zu den Runeninschriften auf Waffen In der altenglischen und altwestnordischen Literatur werden einige Male runenbeschriftete Waffen erwähnt. Aus der altenglischen Literatur ist hier vor allem eine Stelle aus dem Beowulf (entstanden im 8. Jahrhundert, Handschrift von etwa 1000) beizuziehen. Beowulf berichtet dem König Hrothgar von seinem Kampf mit Grendels Mutter. Als sein eigenes Schwert Hunting versagt, sieht er ein mächtiges altes Schwert an der Wand hängen, mit dem er das Ungeheuer erschlägt. In dem heißen Blut schmilzt die Klinge, nur den kostbaren goldenen Griff des 248

MAGNUS OLSEN A.SLAK LIESTOL, Norges Innskrifter med de yngre Runer, 3, Oslo 1954, S. 4 2 f f .

249

JACOBSEN-MOLTKE (wie A n m . 17) Sp. 8 8 f .

250

MOLTKE (wie A n m . 19) S. 3 8 0 f . MOLTKE (ebd. S. 417) erwähnt noch einen Pfeilschaft (ohne Datierung: wohl Mittelalter) aus Idom (Nordjutland), auf dem sich Versalien, runenähnliche Zeichen und Gekritzel befinden. Nicht berücksichtigt habe ich einen Holzstab mit Runen aus Alt-Ladoga. Dieser wird einige Male als Fragment eines Bogens angesprochen, vgl. KRAUSE (wie A n m . 240) S. 2 2 4 f . Auf dieses Stück hat HANS SCHWARZ in der Diskussion aufmerksam gemacht.

164

Klaus Diiwel

Schwertes kann Beowulf als Beute mitnehmen und vorzeigen. Der Fürst schaut ihn an: Auf dem Griff ist der Kampf der Giganten mit Gott dargestellt und der Name des ersten Besitzers in Runen eingegraben: Swa was on dam scennum sciran goldes purh runstafas rihte gemearcod, geseted ond gesad hvam pat sweord geworht, irena cyst, arest wäre, wreopenhilt ond wyrmfah . . ,2S1 „Auch war auf dem Beschlag in schimmerndem Gold richtig geritzt in Runenstäben, gesetzt und gesagt, wem die Siegwaffe, das Schwert, zuerst geschmiedet wurde mit gewundner Wurmzier" 252 . Was scennum bedeutet, ist nicht genau bekannt, es muß sich jedoch um einen Teil des Griffes handeln. Auf diesem ist in Runen der Besteller- bzw. Besitzername angegeben, bei dem es sich sowohl um einen Riesen wie einen Menschen handeln kann. Davidson meint, ob der Dichter den Namen kannte, oder ob er lediglich annahm, daß Runen am Griff eines Schwertes in der Regel den Besitzernamen nennen, ließe sich nicht entscheiden253. Auf keinen Fall scheint es möglich zu sein, die Aussage so zu verstehen, daß der Herstellername angegeben würde. Sieht man einmal von der möglicherweise riesischen Herkunft des Schwertes ab, dann bleibt doch die eindeutige Feststellung, daß auf einen Teil des Griffes mit Runen der Name des Besitzers eingelassen wurde. Damit belegt dieses älteste literarische Zeugnis, das runenbeschriftete Waffen erwähnt, zweierlei: 1. daß Runen an einem Teil des Griffes angebracht worden sind, wie es die kentischen Funde von Sarre und Ash/Gilton als sachkulturelle zeitlich vorhergehende Parallelen bestätigen und 2. daß der Typ der Besitzerinschrift dabei maßgebend ist und nicht etwa eine magische Inschrift. Auch diesem Befund wird durch die vorsichtige Deutung von Ash/Gilton in der Sachkultur entsprochen. Im Blick auf die fragmentarische runische Uberlieferung müssen diese Entsprechungen um so höher veranschlagt werden. Ganz anders verhält es sich mit den Zeugnissen zu Runenwaffen aus der nordgermanischen literarischen Uberlieferung. An erster Stelle ist hier die Runenlehre der Sigrdrifa an Sigurd zu nennen. Sie findet sich in dem eddischen Gedicht Sigrdrifumäl, das zur jüngeren Schicht der Eddalieder zählt und ins \\J\2. Jahrhundert 251

252

253

Beow. 1694ff., vgl. E L L I O T T VAN KIRK D O B B I E , Beowulf and Judith (The Anglo-Saxon Poetic Records 4) New York 1953, S. 52. FELIX GENZMER, Beowulf und das Finnsburg-Bruchstück (Reclams Universal-Bibliothek 430) Stuttgart 1953, S. 56 mit Korrektur „wem die Siegwaffe" für „wie die Siegwaffe". Vgl. G . N . GARMONSWAY—JACQUELINE SIMPSON, Beowulf and its Analogues, London 1968, S . 46: „Also, by means of runic letters on foils of shining gold, it was rightly marked down, set forth and recorded, for whom that sword had first been wrought, the choicest of steely blades, with its hilt of twisting patterns and its gleaming serpent forms." DAVIDSON ( w i e A n m . 1) S. 1 3 6 .

Runeninschriften auf Waffen

165

datiert werden kann 2 5 4 . Ob die Runenlehre möglicherweise älter ist, läßt sich nicht entscheiden. In der Str. 6 heißt es: Sigrünar pü scalt kunna, ef pü vilt sigr hafa, oc rista ä hialti hiprs, sumar ä valbpstom, sumar ä vettrimom, oc nefna tysvar Ty255. „Siegrunen sollst du kennen, wenn du den Sieg erringen willst, und (sie) einritzen auf den Griff des Schwertes, einige auf die Grifftülle, einige auf die Griffplättchen und anrufen zweimal T y r . " Trotz aller Versuche wurden die Bezeichnungen vettrim und valbpst bisher nicht zweifelsfrei erklärt. Dem Text ungezwungen folgend (vgl. zur stilistischen Anordnung auch Str. 30), handelt es sich um Teile des Schwertgriffes (hjplt), vielleicht, wie Falk darlegte, bei vettrim um den an die Parierstange angrenzenden Teil des Gefäßes, insbesondere die dort befindliche Metalltülle, während mit valbpst die Metallplättchen am Griff bezeichnet sein könnten 256 . Nach den Anweisungen der Sigrdrffa waren an diesen beiden Stellen Siegrunen zu ritzen und dabei zweimal der Kriegsgott Tyr anzurufen. Was Siegrunen sind, wissen wir nicht. Vielfach wird behauptet, es kämen dafür i-Runen in Betracht, deren Begriffswert tyr (das Appellativum „Gott" oder den Namen des Gottes Tyr) repräsentiert. Doch ist diese Auffasung nicht zu halten. Die Strophe besagt lediglich, daß beim Einritzen der Siegrunen zweimal Tyr anzurufen sei, von einer irgendwie möglichen oder gar notwendigen Verwendung der i-Rune ist nicht die Rede. Nach dieser Runenlehre sollen nicht Wörter geritzt werden, sondern Siegrunen, worunter man sich am ehesten einzelne (verschiedene?) Runen vorstellen mag. Damit ist aber doch wohl eine magische Einflußnahme auf die Waffe beabsichtigt. Blicken wir uns in der etwa gleichzeitigen Sachkultur um, so fällt auf, daß die Runeninschriften auf Schwertbeschlagteilen keine magischen Inschriften darstellen, sondern Besitzer- und Herstellerinschriften (KorsOygärden) bzw. nur Besitzerinschriften (Greenmount) bieten 257 . Während also die

254

255 256

257

JAN DE VRIES, Altnordische Literaturgeschichte, (Grundriß der germanischen Philologie 15) 1, Berlin 2 1964, S. 295ff. HANS KUHN (Hg.), Edda, Heidelberg 4 1962, S. 191. FALK (wie Anm. 32) S. 2 9 f . Zu diesen unklaren Bezeichnungen zuletzt RICHARD SCHRODT, Zwei altnordische Waffen(teil)namen und Egil Skallagrimsson, Lv. 40 (Arkiv för nordisk filologi 90, 1975, S. 151 — 155) und (dagegen) FRANÇOIS-XAVIER DILLMANN, Les runes dans la littérature islandaise ançienne (Thèse pour l'obtention du Doctorat de 3ème cycle d'Etudes Scandinaves de l'Université de Caen, France) 1976 (maschinenschriftliches Manuskript) S. 231 f. Anm. 76f. Die Auffassung SCHRODTS, „daß vétrrim und valbçst verschiedene Schwertarten bezeichnen", hat HELMUT BIRKHAN mit bedenkenswerten Argumenten zu vertiefen gesucht: Altgermanistische Miszellen „aus funfzehen Zettelkästen gezogen" (Festgabe für Otto Höfler zum 75. Geburtstag, Wien-Stuttgart 1976, S. 1 5 - 8 2 ) S. 2 8 - 3 1 . MUSSET (wie Anm. 99) S. 152 bemerkte bereits: „II est tout à fait remarquable que, malgré la mention de sigrünar gravées sur le pommeau des épées, dans un texte de l'Edda, si peu des inscriptions runiques tracées sur des armes et venues jusqu'à nous aient un caractère magique. Ce sont surtout des noms d'hommes (de fabricants où de propriétaires) ou les noms des armes elles-mêmes."

166

Klaus Düwel

epigraphischen Zeugnisse eindeutig einen profanen Charakter der Schwertinschriften dokumentieren, tritt die literarische Uberlieferung auseinander und weist auch auf eine magische Verwendung von bestimmten Runen hin 258 . Diese Diskrepanz zwischen Sachkultur und literarischer Uberlieferung verlangt nach einer Erklärung. Möglicherweise sind in dieser Anweisung zur magischen Verstärkung der Funktion einer Waffe Praktiken eingegangen, denen auch die Anbringung bestimmter Symbole und Zeichen auf Waffen korrespondiert. Als anschauliches Beispiel, das wegen seiner zeitlichen Differenz aber nur begrenzten Aussagewert hat, kämen die runenähnlichen Zeichen auf den Schwertknäufen von Ash/Gilton und Faversham in Betracht, ohne mit diesem Hinweis die i-runenähnlichen Zeichen mit der Anrufung Tyrs in der Strophe verquicken zu wollen. Wahrscheinlich aber hängt die Tendenz zum Magischen mit der gleichlaufenden Tendenz zur Mythisierung zusammen, die Klaus von See beobachtet hat. Am Beispiel der Sage von der Erweckung der Walküre Sigrdrifa und der Hildr-Sage macht er darauf aufmerksam, „dass die mythischen Elemente in jüngeren altnordischen Texten zuzunehmen scheinen, dass wir es hier also möglicherweise mit einer Tendenz zur nachträglichen Mythisierung der alten Sagenstoffe zu tun haben" 2 5 9 . Zwei andere Stellen aus den eddischen Sigrdrifumäl sollen noch kurz erwähnt werden. Str. 15 heißt es, daß (Runen) geritzt seien auf dem Schild, der vor der Sonne stehe. Da hier ein mythologisches Bild vorliegt, kann man daraus keinen Hinweis auf Schildinschriften entnehmen. Str. 17 wird von Odins Speer Gungnir gesagt, er sei an der Spitze mit Runen versehen. Die Auszeichnung mit einer Inschrift, die Odins Waffenattribut erfährt, läßt sich kaum verallgemeinern. Zum Vergleich aus der Wikingerzeit böte sich auch nur die Speerspitze von Svenskens an, die ihrem Inschriftencharakter nach aber keinerlei Beziehung auf eine kultische Verwendung nahelegt. Es sei aber an den Lanzenschaft von Kragehul erinnert, der in den Zusammenhang der Kampferöffnung durch Speerwurf gestellt wird, ein Ritus, der, ohne die antiken Parallelen genügend zu berücksichtigen, in der Regel auf Wodan/Odin zurückgeführt wird (s. o. S. 141). Der älteste Beleg entstammt dem Hunnenschlachtlied (Str. 27f.), das seiner stofflichen gotischen Grundlage nach in die 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts gehört und das in der Mitte des 9. Jahrhunderts nach Skandinavien gekommen sein dürfte. Der schwierige Text lautet (Gizurr spricht): 258

Trotz gelegentlicher Wiedergabe von altnord. mdlaspjöt mit „Runenspeer", s. FRIEDRICH RANKES Ubersetzung der Gisla saga, Kap. 6, bei ANDREAS HEUSLER—FRIEDRICH RANKE, Fünf Geschichten von Ächtern und Blutrache (Thüle. Altnordische Prosa und Dichtung 8) Jena 1912, S. 69, vgl. S. 77, muß betont werden, daß in keinem Fall, in denen Waffen mit mal „Zeichen" erwähnt werden, von Runen die Rede ist, s. bereits JOHAN FRITZNER, Ordbog over det gamle norske Sprog, Kristiania 2 1891, 2, S. 625; RUDOLF MUCH, Zauberzeichen auf germanischen Eisenwaffen (Wiener Prähistorische Zeitschrift 7/8, Jg. 1920/1921, Wien 1921, S. 7 8 - 8 1 ) ; FALK (wie Anm. 32) S. 89 mit Beispielen aus der mittelhochdeutschen Epik und zuletzt DILLMANN (wie Anm. 256) S. 143 mit Anm. 107. Das Gesagte gilt auch für den malasax (nur Hervarar saga, Kap. 2), den EDITH MAROLD, „Thor weihe diese Runen" (FMSt 8, 1974, S. 195—222) S. 202, noch mit „Runenschwert" wiedergegeben hat. Dagegen DILLMANN (wie Anm. 256) S. 176 mit Anm. 120. Neben eingelegten Zeichen und Figuren kann mit mal auch das von der Damaszierung der Schwertklinge herrührende Muster gemeint sein, vgl. DAVIDSON (wie A n m . 1) S . 127.

259

KLAUS VON SEE, Germanische Heldensage, Frankfurt/M. 1971, S. 35, vgl. S. 34, 52f., 55, 56, 58, 60.

Runeninschriften auf Waffen

167

,,'Felmtr er ydro fylki, feigr er yävarr visir, gnxfar ydr gunnfani, gramr er ydr Odinn. Byd ec ydr at Dilgio oc d Dünheidi orrosto, undir Jassarfipllom; hrösi ydr at häi hveriom, oc lati svd Ödinn flein fliüga, sem ec fyrir m^eli!'"260 „Schrecken ist eurem Volke, todgeweiht ist euer Fürst, es erhebt sich über euch die Kampffahne, feindlich gesinnt euch Odin. Ich biete euch bei Dilgia und auf der Dunheide die Schlacht an unter den Jassarbergen; er rühme euch bei jedem Ruderpflock (?), und es lasse so Odin den Wurfspeer fliegen, wie ich es vorspreche." 2 6 1 Obwohl vieles unklar bleibt, ist das Ritual doch verständlich: Odin möge so den Wurfspeer lenken, wie der Heerführer es vorspricht, daß der feindliche Anführer (und damit sein Heer) todgeweiht sei 2 6 2 . Im übrigen muß betont werden, daß keiner der angeführten Texte Runen oder Zeichen auf den Speeren erwähnt. Es ist deshalb von vornherein problematisch, sie hier beizuziehen. Wenn überhaupt eine Beziehung zwischen diesem kampferöffnenden Speerwurf und einer runenberitzten Waffe möglich ist, dann doch wohl in dem Sinne, den bereits Lange am Beispiel der magischen Inschrift des Lanzenschaftes von Kragehul vermutet hat 2 6 3 . Hier würde die Weihung an Odin, die mit dem Speerwurf ursprünglich verbunden ist, noch einmal ins magisch wirkende Wort gefaßt. Zwar wird Odin nicht genannt, doch sind entsprechende Anspielungen möglich, sei es im Namen Asgisl, sei es in der Folge g a , die man auch vermutungsweise als „Gabe- Ase (Odin)" aufgelöst hat. Eine Sicherheit ist auch hier nicht zu erreichen, es bleibt nur die grundsätzliche Möglichkeit, den Ritus der Kampferöffnung durch Speerwurf über das feindliche Heer mit dem einen überlieferten Beispiel eines runenberitzten Lanzenschaftes in Beziehung zu setzen. Abgesehen von den Unsicherheiten und den Diskrepanzen weist die literarische Uberlieferung von Runeninschriften auf Waffen auf bestimmte Anbringungsstellen und Verwendungsmodi hin, die durch das epigraphische Material selbst, das dieser Uberlieferung vorausliegt oder doch in etwa zeitgleich ist, im wesentlichen bestätigt wird 2 6 4 . Die literarische Uberlieferung bietet in diesen Fällen Detailrealismen, die uns den Verstehenshorizont der Runenwaffen erweitern helfen. 260

KUHN (wie A n m . 255) S.

309.

261 YGI DIE Ubersetzung von HANS KUHN, Die Heldenlieder der älteren Edda (Reclams Universalbibliothek) Leipzig 1944, S. 150. 2 6 2 Im späten Styrbjarnar |)ättr wird die Weihe des feindlichen Heeres an Odin deutlich ausgesprochen und im weiteren Handlungsverlauf auch dargestellt, vgl. Fornmanna Sögur 5, Kaupmannahofn 1830, S. 250; vgl. DÜWEL (wie Anm. 191) S. 140 f. In einer Szene der altertumsinteressierten Eyrbyggja saga wird ebenfalls der Speerwurf über die gegnerische Mannschaft erwähnt, aber von einer Beziehung dieses Ritus zu Odin ist trotz der Bemerkung, es handle sich um einen alten, heidnischen Brauch (fom sidr), nicht die Rede, vielmehr verweist der Erzähler dieses Geschehens in eine g a n z andere Vorstellungswelt, vgl. EINAR. Ö l . SVEINSSON—MATTHIAS PÖRDARSON ( H g g . ) , E y r -

byggja Saga (Islenzk fornrit 4) Reykjavik 1935, S. 122. 263

LANGE (wie A n m . 92) S.

264

Zu diesem Ergebnis kommt auf breiterer Grundlage auch DILLMANN (wie Anm. 256) S. 263f., S. 409 ff.

99.

KARL HAUCK

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden seit der Völkerwanderungszeit (Zur Ikonologie der Goldbrakteaten, XVIII) 1 Die folgende Untersuchung hätte nicht durchgeführt werden können ohne die besondere Hilfsbereitschaft des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle/Saale, von 1. Afdeling, Nationalmuseet Kopenhagen, vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart und nicht zuletzt vom Universitätsmuseum för nordiska fornsaker, Uppsala. Die genannten Museen halfen ebenso mit Photographien wie auch mit Abformungen und ermöglichten die Aufnahmen von C. Schaffernicht. — Grundgedanken der folgenden Analyse habe ich im November 1979 in der Universität Amsterdam unter dem Titel 'Antikenimitation der Völkerwanderungszeit in der Interpretatio Germanica des Nordens' vorgetragen". 1. Einführung und Begründung dafür, daß der Heldenspeer nur im darstellerischen Kontext von Götterbildern berücksichtigt wird, S. 168. — 2. Würdigung der antiken Vorstufen von den DioskurenBildern des Nordens, S. 174. — 3. Dioskuren-Bilder der Goldbrakteaten, S. 190. — 4. Die neue Auswertung der Speerwurf-Szenen der Helme aus den Aristokratengräbern 7 und 8 von Valsgärde, Kirchspiel Altuppsala, S. 203. — a) Einführung in den durch neue Einsichten veränderten Diskussionsstand, S. 203; b) Die neue Auswertung der Speerwurf-Szenen der Helms Valsgärde 8, S. 211; c) Die neue Auswertung der Speerwurf-Szenen sowie des Waffentänzer-Motivs des Helms Valsgärde 7, S. 224. — 5. Gesamtauswertung unter Einbeziehung christlicher Versionen des Himmelsspeer-Themas, S. 237. — 6. Anhänge zu den Überlieferungs-Grundlagen der Rekonstruktions-Zeichnungen von den Bildmodeln. Anhang 1: Die Speerwurf-Motive der rechten Seite des Helms Valsgärde 8*, S. 256. — Anhang 2: Die Speerwurf-Motive der rechten Seite des Helms Valsgärde 7*, S. 261. — Anhang 3: Die von dem ZwillingsPaar umtanzten Speere von der Stirnseite des Helms Valsgärde 7, S. 267.

1. Einführung und Begründung dafür, daß der Heldenspeer nur im darstellerischen Kontext von Götterbildern berücksichtigt wird Mehrere Generationen lang beschäftigte sich die germanistische Literaturwissenschaft besonders intensiv damit, die Heldensagen und die Heldenlieder der Völkerwanderungszeit zu rekonstruieren. Nicht allein die Analysen der älteren Schichten in den Liedern der Edda und in mittelhochdeutschen Epen ließen das jenen damaligen Auffassungen gemäß als aussichtsreich erscheinen, sondern auch historische Texte wie die sog. Volksgeschichten der Ubergangsepoche seit Jordanes' ° Die dem Beitrag beigefügten Abbildungen und Textfiguren sind im Folgenden gesondert gezählt. * Die linken Helmseiten werden in Ikonologie X X behandelt. 1

Von den Studien 'Zur Ikonologie der Goldbrakteaten', die ich mit diesem Beitrag fortsetze, seien hier nur die genannt, die im folgenden zitiert werden: IV Metamorphosen Odins nach dem Wissen von Snorri und von Amulettbildern der Völkerwanderungszeit (Festschrift für Siegfried Gutenbrunner, Heidelberg 1972, S. 47—70). V Ein neues Drei-Götter-Amulett von der Insel Fünen (Geschichte in der Gesellschaft: Festschrift für Karl Bosl, Stuttgart 1974, S. 9 3 - 1 5 9 ) .

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

169

G e t i c a . A u ß e r h a l b der i s l ä n d i s c h - n o r w e g i s c h e n T e x t e d r a n g m a n d e m g e g e n ü b e r in d e n h i s t o r i s c h e n D e n k m ä l e r n d e s K o n t i n e n t s unter d e n gleichen P r ä m i s s e n sehr viel seltener bis z u d e n S p u r e n v o n v ö l k e r w a n d e r u n g s z e i t l i c h e n G ö t t e r s a g e n u n d G ö t t e r liedern v o r 2 . V o n d i e s e n h ö c h s t m a n n i g f a l t i g e n älteren B e m ü h u n g e n h a t d i e n e u e r e F o r s c h u n g auf vielerlei W e i s e A b s t a n d g e w o n n e n 3 . Sich d e n älteren F r a g e s t e l l u n g e n erneut z u n ä h e r n , hat i n f o l g e d e s s e n n o c h a m ehesten d a n n E r f o l g , w e n n es gelingt, l a n g e rätselhafte u n d daher v e r n a c h l ä s s i g t e Z e u g n i s s e a u s d e m v ö l k e r w a n d e r u n g s zeitlichen H o r i z o n t selbst a u s z u w e r t e n . In d e r h e i d n i s c h e n H ä l f t e E u r o p a s e r ö f f n e t v o r allem die g e r m a n i s c h e B i l d ü b e r l i e f e r u n g seit der S p ä t a n t i k e d i e s e M ö g l i c h k e i t . O b w o h l es sehr viel seltener als bei a n d e r e n a r c h ä o l o g i s c h e n F u n d e n v o r k o m m t , erweitert sich a u c h dieser h o c h b e d e u t s a m e Z e u g n i s k r e i s n o c h i m m e r d u r c h n e u e E n t d e c k u n g e n . V o r allem a b e r z e i c h n e t sich i m m e r klarer a b , d a ß w i r j e t z t v o n einem

Kernbestand

methodisch

gesicherter

Deutungen

ausgehen

können.

Die

I X m i t KLAUS DÜMPEL u n d GUNTER MÜLLER, D i e p h i l o l o g i s c h e u n d i k o n o g r a p h i s c h e A u s w e r t u n g

von fünf Inschriftenprägungen (Frühmittelalterliche Studien 9, 1975, S. 143—185). X Formen der Aneignung spätantiker ikonographischer Konventionen im paganen Norden (Centro Italiano di studi sull' Alto Medioevo Spoleto Ventitreesima settimana di studio: Simboli e Simbologia nell' Alto Medioevo, 3 - 9 aprile 1975, Spoleto 1976, S. 81-106). XII Die Ikonographie der C-Brakteaten (Archäologisches Korrespondenzblatt 6,1976, S. 235—242). XIV Die Spannung zwischen Zauber- und Erfahrungsmedizin, erhellt an Rezepten aus zwei Jahrtausenden (Frühmittelalterliche Studien 11, 1977, S. 414-510). XV Die Arztfunktion des seegermanischen Götterkönigs, erhellt mit der Rolle der Vögel auf den goldenen Amulettbildern (Festschrift für Helmut Beumann, Sigmaringen 1977, S. 98—116). XVI Gott als Arzt. Eine exemplarische Skizze mit Text- und Bildzeugnissen aus drei verschiedenen Religionen zu Phänomenen und Gebärden der Heilung (Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von CHRISTEL MEIER und UWE RUBERG, W i e s b a d e n 1980, S . 1 9 - 6 2 ) .

2

XVII Völkerwanderungszeitliche Bildzeugnisse eines Allgottes des Nordens und ihre älteren mediterranen Analogien (Jahrbuch für Antike und Christentum, Ergänzungsband 8: Pietas. Festschrift für B. Körting, Münster/W. 1980, S. 566-583). XIX Gemeinschaftstiftende Kulte der Seegermanen (Frühmittelalterliche Studien 14, 1980, im Druck). X X Die Veränderung der Missionsgeschichte durch die Entdeckung der Ikonologie der germanischen Bilddenkmäler erhellt am Beispiel der Propagierung der Kampfhilfen des Mars-Wodan in Altuppsala im 7. Jahrhundert (Westfalen 58, 1980, im Druck). KARL HAUCK (Hg.), Zur germanisch-deutschen Heldensage. Sechzehn Aufsätze zum neuen Forschungsstand (Wege der Forschung 14) Darmstadt 1965; K. HAUCK, Lebensnormen und Kultmythen in germanischen Stammes- und Herrschergenealogien (Saeculum 6, 1955, S. 186—223); JAN DE VRIES, Altgermanische Religionsgeschichte (Grundriß der germanischen Philologie, begr. von HERMANN PAUL, 12,1, Berlin 2 1956; 12,2, Berlin 2 1957); WERNER BETZ, Die altgermanische Religion (Deutsche P h i l o l o g i e i m A u f r i ß , h g . v o n WOLFGANG STAMMLER, 3 , Berlin

2

1967, Sp. 1 5 4 7 - 1 6 4 6 ) ;

ÄKE

V. STRÖM—HARALDS BIEZAIS, Germanische und Baltische Religion (Die Religionen der Menschheit, h g . v o n CHRISTEL MATTHIAS SCHRÖDER, 1 9 , 1 ) S t u t t g a r t — B e r l i n — K ö l n — M a i n z 1 9 7 5 . 3

ALOIS WOLF, Gestaltungskerne und Gestaltungsweisen in der altgermanischen Heldendichtung, München 1965; KLAUS VON SEE, Germanische Heldensage. Stoffe, Probleme, Methoden, Frankfurt 1971; FRANTISEK GRAUS, Lebendige Vergangenheit. Uberlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, Köln—Wien 1975; HERWIG WOLFRAM, Geschichte der Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie, München 1979, S. 15, Anm. 11; vgl. auch KLAUS VON SEE (Hg.), Europäische Heldendichtung (Wege der Forschung 500) Darmstadt 1978; OTTO GSCHWANTLER, Formen langobardischer mündlicher Uberlieferung (Jahrbuch für Internationale Germanistik 11, 1979, S. 58—85).

170

Karl Hauck

Ikonographie, ja die Ikonologie dieser vorchristlichen Bildzeugnisse läßt sich subjektunabhängig erhellen. Diese neuen Einsichten und Auswertungen verändern die Grundlagen der älteren Diskussion auch insofern, als zuerst die bildlichen Darstellungen bestimmter Götter identifiziert und wiedererkannt wurden 4 . Dagegen konnte bisher bei den abgebildeten Helden allein die Wiedergabe ihrer Individualität erwiesen werden 5 . Wenn dessen ungeachtet jedoch zumindest bei den Bildzeugnissen des 5. bis 7. Jahrhunderts sich die individualisierten Gestalten noch nicht mit bestimmten Heldennamen überzeugend verknüpfen lassen, so vor allem auch deswegen, weil die vorchristliche Heldensage der Germanen ein weithin unerforschtes Gebiet ist 6 . Die folgenden Ausführungen passen sich demgemäß dieser Diskussionskonstellation an. Die bildlichen Wiedergaben von Götterwaffen werden hier in erster Linie mit Speer-Exempla behandelt. Wir wollen deswegen ihre unterschiedlichen Spielarten aufzeigen, weil gerade diese Varianten eines der Hindernisse waren, die es erschwerten, die Wiederkehr der gleichen Gestalt zu erkennen und zu verstehen. Wir zeigen also einerseits die Kerngruppe der Zeugnisse auf, bei deren Deutung wir Gewißheit erreichen, andererseits Varianten der kriegerischen Hauptwaffe bei den bestimmbaren Göttern. Dagegen werden wir die Abbildungen von Heldenlanzen nur aus dem Kreis jener Belege berücksichtigen, bei denen die Gottheit ihr eigenes Kampfattribut an Menschen ausleiht. Den ausgeliehenen und weitergegebenen GötterSpeer zur Abgrenzung unserer Beispiel-Auswahl zu verwenden, ist deswegen sinnvoll, weil sie den so Beschenkten qualifiziert, indem sie seine heldenhafte Gottesnähe erhellt. Auf diese Weise gewinnen wir in zweierlei Hinsicht verwertbare Kriterien: unterscheiden sich doch diese von den Göttern ausgezeichneten Gestalten unübersehbar von den gewöhnlichen Menschen, andererseits aber auch von den ihnen sich zuwendenden überirdischen Mächten. Die erste Blickrichtung schließt Auffassungen wie die aus, daß etwa die Kammhelmbilder die Schicht ihrer Auftraggeber unmittelbar wiedergeben 7 . Die zweite Blickrichtung benötigen wir jedoch gleichfalls, weil in unseren Bildzeugnissen ähnlich wie in den antiken Vorstufen unausgesetzt menschliche Waffen in den Händen der Götter begegnen. Daher brauchen wir Merkmale, durch die sich Götter und Helden klar unterscheiden. So wird von uns das Heroenbild hier nur insoweit miterörtert, als es im darstellerischen Kontext von Götterbildern erscheint. 4

KARL HAUCK, Bilddenkmäler, § 8 zur Religion und § 9 zur Heldensage (Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, begr. von JOHANNES HOOPS, 2, Berlin-New York 2 1976, S. 5 7 7 - 5 9 8 ) .

5

KARL HAUCK, Bildforschung als historische Sachforschung. Zur vorchristlichen Ikonographie der figuralen Helmprogramme aus der Vendelzeit (Geschichtsschreibung und geistiges Leben im Mittelalter. Festschrift für Heinz Löwe, hg. von K. HAUCK und HUBERT MORDEK, K ö l n - W i e n 1978, S. 2 7 - 7 0 ) S. 46f.

6

OTTO HÖFLER, Der Runenstein von Rök und die germanische Individualweihe (Germanisches Sakralkönigtum, hg. von O. HÖFLER, 1, Tübingen-Münster-Köln 1952); HAUCK (wie Anm. 4) S. 590ff.; vgl. auch STIG WIKANDER, Bravellir und Kurukshetra. Heldendichtung als Reflex germanischer und indoiranischer Mythologie, in: VON SEE (wie Anm. 3, 1978, S. 6 1 - 7 4 ) .

7

Dazu GRETA ARWIDSSON, Valsgärde 7 (Die Gräberfunde von Valsgärde 3. Acta Musei Antiquitatum Septentrionalium Regiae Universitatis Upsaliensis V, hg. von BERTIL ALMGREN) Uppsala 1977, bes. S. 125; BERTIL ALMGREN, Hjalmar, kronor och stridsrockar - fran kejsargardets Rom tili Upplands hövdingar (Vendeltid S. 1 5 8 - 1 6 6 .

[Historia i fickformat]

Statens Historiska Museum)

Stockholm

1980,

171

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

Die hervorragende Rolle der Götter in den germanischen Bildzeugnissen ist vorgeprägt durch deren Abhängigkeit von mittelmeerischen Vorlagen. Verwendeten doch Menschen des Mittelmeerraums viele Jahrhunderte lang die Amulettform des Götterbildes und -symbols, um übernatürliche Kräfte und unheilabwehrenden Schutz für sich zu gewinnen 8 . In welcher Weise sich der Norden diese Amulettform aneignete, soll mit zwei Zeugnisgruppen beispielhaft veranschaulicht werden: Erstens mit germanischen Nachschöpfungen römischer Pracht- und Paraderüstungen, die Götter- und Heroenbilder schmückten 9 . Von jenen Nachfolgeformen haben im Norden die größte Bedeutung die Preßblechbilder der Kammhelme 10 . Auf ihnen sind der Gott in der Rolle des nordischen Mars sowie das Götterpaar der germanischen Dioskuren identifizierbar. Den Mars des Nordens zu erkennen, ermöglicht die reiche Wort- und Bildüberlieferung aus und zu Altuppsala (Fig. 1). Durch sie erhalten wir, wie in der parallel durchgeführten Untersuchung dieser Zeugnisse dargelegt wird, Gewißheit über die erfolgreichsten Formen der menschen- und der vogelgestaltigen Darstellungen des Mars-Wodan-Odin im 6. und 7. Jahrhundert. Neben ihm tritt der ältere Kriegsgott Mars-:;"Tiwaz ganz zurück 11 . Dagegen erscheinen als die Begleit- und Botengötter des Mars-Wodan die germanischen Dioskuren. Ihre Rolle näher kennen zu lernen, ist eines der Hauptziele dieser Untersuchung. Zweierlei kommt uns dabei zustatten: einmal wird die nähere Bestimmung der göttlichen Zwillinge des Nordens entscheidend dadurch erleichtert, daß diese überirdischen Schützer und Retter auch in der heidnischen Antike des Südens bis zuletzt als Nothelfer wesentlich bleiben und bildlich dargestellt werden 12 . Zum anderen läßt sich nachweisen, daß die bisherige Auswertung der Speerwurf-Szenen der Helme Valsgärde 7 und 8 wie auch der Waffentänzer-Szene des Helms Valsgärde 7 unvollständig und unbefriedigend ist und seit ihrer neuen Restauration im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz 1978/79 wesentlich ergänzt werden kann. Durch diese bedeutsamen Ergänzungen der erreichbaren Befunde, die Aufnahmen des Mainzer Photolabors objek" CAMPBELL BONNER, Studies in magical amulets chiefly graeco-egyptian (University of Michigan Studies, H u m a n i s t i c Series. 4 9 ) ; FRIEDRICH ECKSTEIN—JAN HENDRIK WASZINK, A m u l e t t ( R e a l l e x i k o n für A n t i k e u n d C h r i s t e n t u m , h g . v o n THEODOR KLAUSER,

1, S t u t t g a r t 1 9 5 0 , S p . 3 9 7 — 4 1 1 )

bes.

Sp. 399ff.; BERNHARD KÖTTING, Devotionalien (Reallexikon für Antike und Christentum, hg. von T H . KLAUSER, L i e f e r u n g 2 2 , S t u t t g a r t 1 9 5 7 , S p . 8 6 2 - 8 7 1 ) b e s . Sp. 8 6 3 f f . 9

H . RUSSELL ROBINSON, T h e A r m o u r o f I m p e r i a l R o m e , L o n d o n 1 9 7 5 ; JOCHEN GARBSCH, R ö m i s c h e

Paraderustungen (Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 30, 1978); den ersten Hinweis auf das ausgezeichnete Buch von Garbsch verdanke ich der Freundlichkeit von J . Werner, München. RUPERT BRUCE-MITFORD, The Sutton H o o ship-burial, 2, Arms, Armour, and Regalia (The Trustees of The British Museum) London 1978, bes. S. 186ff. und S. 205ff.; ARWIDSSON (wie Anm. 7) S 116ff.; ALMGREN (wie Anm. 7) S. 158ff. 11

HAUCK ( w i e A n m . 1, X X ) ; HERBERT JANKUHN, D a s A b e n d l a n d u n d d e r N o r d e n ( D a s e r s t e J a h r -

tausend. Kultur und Kunst im werdenden Abendland an Rhein und Ruhr. Textband 2, hg. von KURT BOHNER U. a . , D ü s s e l d o r f 1 9 6 4 , S. 12

WALTHER KLAUSER,

KRAUS,

Dioskuren

821-847).

(Reallexikon

Lieferung 2 4 , Stuttgart

für

Antike

1957, Sp. 1 1 2 2 - 1 1 3 8 ) ;

und

Christentum,

hg.

von

THEODOR

E M I L KRÜGER, D i e g a l l i s c h e n u n d

die

germanischen Dioskuren. Teil 1: Divanno und Dinomogetimarus und die Alces (Trierer Zeitschrift für Geschichte und Kunst des Trierer Landes und seiner Nachbargebiete 15, 1940, S. 8—27); DERS., Die gallischen und germanischen Dioskuren. Teil 2 : Die Martes Divanno und Dinomogetimarus und die A l c e s ( e b d . 1 6 / 1 7 , 1 9 4 1 / 4 2 , S.

1-66).

172

Karl Hauck

tivieren, kommen wir erheblich über die Einsichten hinaus, die bis 1977 und 1978 erzielt wurden 13 . Der Norden eignete sich die Amulettform des Götterbildes zweitens mit germanischen Imitationen der Kaiserporträts spätantiker Goldmedaillons an, also vornehmlich mit Goldbrakteaten. Bei diesen Nachschöpfungen des Nordens sind die darstellerischen Mittel der imperialen römischen Staatskunst in erster Linie den Bildern des nordischen Götterfürsten Wodan-Odin dienstbar gemacht 14 . Da zu den mannigfachen Funktionen dieses Götterherrschers, wie gesagt, auch die des Kriegsgottes gehört, läßt sich die Übernahme der mediterranen Amulettform des Götter13

GRETA ARWIDSSON, Valsgärde 8 (Die Gräberfunde von Valsgärde 2. Acta Musei Antiquitatum Septentrionalium Regiae Universitatis Upsaliensis I V , hg. von SUNE LINDQVIST) Uppsala 1 9 5 4 ; D I E S , (wie A n m . 7 ) ; H A U C K ( w i e A n m . 5 ) ; D E R S . ( w i e A n m . 1, X X ) .

14

KARL H A U C K ,

Brakteatenikonologie (Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, begr. von 3, Berlin-New York 21978, S. 3 6 1 - 4 0 1 ) bes. S. 382ff.

JOHANNES H O O F S ,

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

173

bildes am leichtesten mit den Zeugnissen dartun, die den Götterfürsten des Nordens in der Marsrolle wiedergeben, wie das der jütländische Ärs-Brakteat veranschaulicht 1 5 . Neben solchen goldenen Mars-Wodan-Bildern ergänzen gleichfalls goldene Dioskuren-Amulette die Aussagen der Bildbleche von den Kammhelmen zum Thema der Götterwaffen wesentlich 16 . Das schließt jedoch keineswegs aus, daß die Brakteatenmeister ungleich häufiger als die Kriegsfunktionen die Heilungsmacht des Götterfürsten rühmen 17 . Wie weit sie selbst dabei ikonographische Konventionen der paganen Antike verwendeten, ist in diesem Rahmen nicht mit zu behandeln 18 . Unsere Untersuchung beschränkt sich darauf, die Sachforschung mit einer Erörterung des abgebildeten Götterspeers zu fördern, der im Darstellungszusammenhang der Götterbilder als Heldenwaffe wiedergegeben wird 19 . Der hier vorgelegte Beitrag setzt die Reihe der Einzelstudien zur historischen Bildforschung in der heidnischen Ubergangsepoche sowie zur Brakteatenikonologie fort 2 0 . Methodisch zielen diese Analysen darauf ab, zuerst zu zeigen, wie die germanischen Bilder als Antikenimitationen beginnen. Da jenes Lehngut aber dann in der Interpretatio Germanica gestaltet wurde, kann dieselbe Vorstellungswelt noch in ganz spät aufgezeichneten Schriftzeugnissen des christlichen Mittelalters wiederkehren. Unter günstigen Bedingungen werden also die germanischen Götterbilder durch mehrere von literarischer Uberlieferung erhellte Horizonte verständlich: einmal durch ihre Herleitung aus antiken Vorlagen, die Wortzeugnisse erklären, zum anderen durch das späte Traditionsecho mittelalterlicher Belege. Die einzelnen Deutungen, mit denen die Interpretatio Germanica ausgewertet wird, sind um so sicherer, je differenzierter der darstellerische Kontext gestaltet ist. Das heißt, daß die Bildpreßbleche der Kammhelme methodisch unseren Bemühungen noch glücklicher entsprechen als die runden Goldscheiben der Brakteatenbilder. Infolgedessen gelingt bei den Helmblechen sogar die Identifizierung der göttlichen Zwillinge, obwohl wir „in den germanischen Quellen . . . nur sehr fragmentarische Zeugnisse für einen Dioskurenkult" finden 21 . Andererseits haben sich die Preßblechbilder öfters nur sehr trümmerhaft erhalten und stellen uns so schon bei der Lesung vor ungleich schwierigere Aufgaben 22 als die meisten goldenen Brakteatenbilder. Auch können wir bei letzteren von dem einheitlich erfaßten Material eines Korpus ausgehen 23 , während wir für die Bilder der Kammhelme auf recht unterschiedliche Einzeleditionen angewiesen sind, die zum Teil noch dem neuen Forschungsstand angepaßt werden müßten. Denn Neufunde wie die aus den uppländischen Valsgärdegräbern 7 2 4 und 8 2 5 ermöglichten es, nicht 15

HAUCK (wie A n m . 1, X V I I ) .

17

HAUCK (wie A n m . 1, X I V , X V , X V I und X I X ) nach A n m . 5 6 4 .

18

HAUCK ( w i e A n m . 1, X u n d X V I ) .

19

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) .

16

HAUCK (wie A n m . 14) S. 3 8 8 f .

20

HAUCK (wie A n m . 5 u n d 14).

21

D E VRIES (wie A n m . 2 , 1957) S. 2 4 7 .

22

HAUCK (wie A n m . 1, X X , u n d w i e A n m . 5 ) .

23

KARL HAUCK, Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit. Einleitung, 1, 1 (Münstersche Mittela l t e r - S c h r i f t e n 2 4 , 1 , 1 ) ; U R S CLAVADETSCHER, K L A U S D Ü W E L , K A R L H A U C K , L U T Z VON P A D B E R G ,

Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit. Ikonographischer Katalog. Text und Tafeln, 1, 2 und 3 (Münstersche Mittelalter-Schriften 24, 1 , 2 und 3, im Druck) = IK. 24

ARWIDSSON ( w i e A n m .

7).

25

ARWIDSSON ( w i e A n m .

13).

174

Karl Hauck

nur die Kammhelmrekonstruktionen bemerkenswert zu verbessern 26 . Vielmehr erlauben sie zusammen mit den Bildblechen aus Sutton Hoo 2 7 es auch, die ältere Auswertung der Bildbleche etwa der Vendelhelme zu vervollkommnen 28 . Unsere Darlegungen gehen aus von einer Auswahl kaiserzeitlicher DioskurenBilder des Südens (Abschnitt 2). Sie wenden sich dann Dioskuren-Bildern auf den Goldbrakteaten des Nordens zu (Abschnitt 3). Danach mustern wir die Dioskuren-Bilder vornehmlich von den Kammhelmen aus Valsgärde, Kirchspiel Altuppsala (Abschnitt 4). Diese Musterung erleichtern die drei Anhänge zu den Uberlieferungs-Grundlagen der Rekonstruktions-Zeichnungen von den Dioskuren-Bildmodeln aus Valsgärde (Abschnitt 6). Die Gesamtauswertung überprüft die erzielten Ergebnisse durch die Einbeziehung christlicher Versionen des Himmelsspeer-Themas (Abschnitt 5).

2. Würdigung der antiken Vorstufen von den Dioskuren-Bildern des Nordens Auch wenn uns viele Zwischenglieder zwischen den bildlichen Wiedergaben des Nordens, ja oft genug ihre eigentlichen Vorlagen aus dem Süden verloren gingen, so kehren doch ältere Grundgedanken der mittelmeerischen Denkmäler nicht zufällig seit der Völkerwanderungszeit in germanischen Versionen wieder. Das sei zuerst mit Wangenklappen von Kavalleriehelmen des 2. und 3. Jahrhunderts veranschaulicht, die wir gerade auch aus den nördlichen Grenzzonen des römischen Imperiums kennen. Treffen wir doch schon auf ihnen, ganz gleich ob sie zur Reiterausrüstung des Krieges oder des Kult- bzw. Übungsspiels gehörten, auf die Bilder der göttlichen Zwillinge. Das sei hier einerseits mit dem Dioskuren in gepunzter Verzierung auf der linken Wangenklappe eines Auxiliar-Reiterhelms des späten 2. oder frühen 3. Jahrhunderts von dem Kastell und Depot in South Shields (Fig. 2) erhellt, dessen Rest jetzt die Altertümersammlung in New-Castle upon Tine besitzt 29 . Andererseits konkretisiert das auch die rechte Klappe mit einem DioskurenWangenblech (Fig. 4) eines Reiterspiel-Helms des 2. oder 3. Jahrhunderts, dessen Fragment aus Brough, Nottinghamshire, stammt und ins Newark Museum gelangte 30 . Germanisch variiert dieses Wangenklappen-Thema der Königshelm von Sutton Hoo, bei dem die göttlichen Zwillinge als Paar nicht bloß über der Stirn, sondern auch auf dem Wangenschutz (Fig. 3) abgebildet sind. Ist doch die Identifizierung dieser frontal wiedergegebenen Zweiergruppe, die zwei Speere umtanzt, mit der Methode der 'Kontext-Ikonographie' bereits gelungen 31 . Damit wir nun nicht allein jene späten in Ostanglien und Uppland auf Waffen gefundenen, sondern auch die auf Goldbrakteaten erhaltenen, germanischen NachfolgeVersionen dieser Götter besser verstehen können, haben wir uns mit den wichtigsten Varianten der kaiserzeitlichen D i o s k u r e n - I k o n o g r a p h i e zu beschäftigen sowie 26

SUNE LINDQVIST, Vendelhjàrmarna i ny rekonstruktion (Fornvànnen 45, 1950, S. 1—24) S. 8ff.

27

BRUCE-MITFORD (wie A n m . 10) S . 1 8 6 f f .

28

HAUCK (wie A n m .

29

JOCELYN MARY CATHERINE TOYNBEE, A r t in R o m a n Britain, L o n d o n 2 1963, S. 1 6 8 f . , PI. 110.

5).

30

ROBINSON (wie A n m . 9) S. 134 T a f . 4 0 1 ; GARBSCH (wie A n m . 9) S. 75 N r .

31

B R U C E - M I T F O R D ( w i e A n m . 10) S. 146FF.; H A U C K ( w i e A n m . 5 ) S. 4 6 f f .

71.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

175

das Assoziationsfeld zu schildern, das im Süden ihre Wiedergabe heraufbeschwor 32 . Diese Assoziationen sind deswegen recht zuverlässig rekonstruierbar, weil sie mit der kaiserzeitlichen Soldatenkultur zusammenhängen. Ihre Erscheinungen begegnen daher nicht nur in der archäologischen Hinterlassenschaft der Legionen und Auxiliarverbände, sondern auch in den zentralen Zeugnissen der imperialen Militärmonarchie. Die Belege sind daher in solcher Vielfalt zugänglich, daß wir uns auf eine Beispielserie beschränken. Wir beginnen sie mit dem Blick auf Emissionen der Reichsprägung des 2. Jahrhunderts. Mit ihrer Bildpropaganda stattet das Imperium den Göttern den Dank für die Hilfe ab, mit der man die Siege erfochten zu haben meinte. Gedankt wurde nicht bloß dem Mars Ultor und dem Iuppiter Stator im restaurativen Rückgriff. Vielmehr werden „entsprechend den archaisierenden Tendenzen der Zeit. . . auch die Dioskuren gefeiert". Die Münzen rühmen die Zwillinge (Abb. 3b) unter Berufung auf sehr viel ältere Traditionen, die zunächst durch Jahrhunderte in erster Linie literarisch fortdauerten, „als göttliche Helfer im Kampf wie einst am See Regillus und in anderen Schlachten der historischen Zeit" 33 . Die ersten derartigen Prägungen beginnen mit dem Dioskurenpaar nach Siegen von Feldherren des Antoninus Pius im Rahmen umfangreicher Siegesemissionen seit 143 n. Chr. 3 4 . Ihnen folgt 155 das Siegesmedaillon des Marc Aurel mit der Verherrlichung des stehenden Castor allein (Abb. 4) mit seiner Lanze, der sterngeschmückten konischen Mütze, dem Pilos, sowie seinem Pferd in einer Bildformel, deren Konvention der des Helm-Fragments von South Shields nahe ist 35 . Dieses Nebeneinander von Rühmungen des Dioskuren-Paares und von Preisungen eines der Zwillinge allein bleibt grundlegend auch für die Nachfolgeformen im Norden. Wie die Reichsprägung bezeugen im 2. Jahrhundert auch Lukians 'Deorum dialogi', die zudem das lichte Weiß der Götterpferde überliefern 36 , die gleichen Vor32

33

34

(wie Anm. 5 ) S . 27ff.; SCHMIDT-WIEGAND oben S . 4 ff. PAUL L. STRACK, Untersuchungen zur römischen Reichsprägung des zweiten Jahrhunderts 3. Die Reichsprägung zur Zeit des Antoninus Pius, Stuttgart 1937, S. 55; FRANCESCO GNECCHI, I Medaglioni Romani 2. Bronzo 1: Gran Modulo, Mailand 1912, Taf. 54,6; WOLFGANG SPEYER, Die Hilfe und Epiphanie einer Gottheit, eines Heroen und eines Heiligen in der Schlacht (Jahrbuch für Antike und Christentum, Ergänzungsband 8, 1980, S. 5 5 - 7 7 ) S. 70.

HAUCK

STRACK ( w i e A n m . 3 3 ) S . 5 4 .

35

STRACK e b d . S . 6 1 ; GNECCHI ( w i e A n m . 3 3 ) T a f . 6 2 , 2 .

36

Lukian, Göttergespräche (Die Hauptwerke des Lukian, griechisch und deutsch, hg. und übers, von KARL MRAS, Tusculum-Bücherei, München 1954) S. 116, 118: 26. Apollo (A) und Hermes (H). A: Kannst du mir, Hermes, sagen, welcher von diesen beiden Kastor und welcher Polydeukes ist; ich könnte sie nämlich nicht unterscheiden. H : Der gestern bei uns war, das ist Kastor, dieser hingegen ist Polydeukes. A: Wie unterscheidest du sie? Sie sind ja gleich. H : Weil dieser in seinem Gesicht Spuren der Wunden hat, die er im Ringkampf mit seinen Gegnern erhielt, und besonders der Wunden, die ihm, dem Begleiter des Iason auf der Argonautenfahrt, der Bebryker Amykos, zufügte. Der andere hingegen weist nichts derartiges auf, sondern ist im Gesicht rein und unverletzt. A : Meinen Dank dafür, daß du mich auf die Kennzeichen aufmerksam gemacht hast, denn sonst ist alles gleich, das halbe Ei auf ihrem Kopf, der Stern darüber, der Wurfspieß in der Hand und das weiße Roß; so daß ich oft den einen mit Kastor ansprach, obwohl es Polydeukes war, den anderen aber mit dem Namen des Polydeukes. Aber sage mir auch das, warum sind sie nicht beide bei uns, sondern ist zur Hälfte der eine von ihnen bald ein Toter, bald ein Gott? H : Das tun sie aus Bruderliebe; denn da einer von den Söhnen der Leda tot sein, einer aber unsterblich sein sollte, verteilten sie selber so die Unsterblichkeit. — Zur Parallelüberlieferung und zu den einschlägigen Vorstellungen FRANZ JOSEPH DÖLGER, Der heilige Fisch in den antiken Religionen und im Christentum 2, Textband, Münster 1922, S. 416f., 433.

176

Karl Hauck

Stellungen. In dem 3. Jahrhundert schmückten die Reverse von Gold-, Antonianenund Denarprägungen des Postumus (259—268) Reversbilder dieser Tradition mit CASTOR-Inschriften 37 . Ihnen folgen in den Jahren von 294—305 Goldprägungen des Caesar Constantius aus Aquileja (Abb. 5a/b). Ihre Reverse bilden das nackte 37

The Roman Imperial Coinage V 2 , hg. von London 1 9 6 8 , S . 332f., 358, 361, 364.

PERCY H . W E B B , SYDENHAM,

HAROLD MATTINGLY-EDWARD

A.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

177

Fig. 3. Wangenklappe des Königshelms aus Sutton Hoo, nach der Rekonstruktion durch Bruce-Mitford, arrangiert von H . Lange.

Dioskurenpaar mit einander zugewandten Köpfen ab, über deren Helmen Sterne erscheinen. Die Zwillinge halten jedoch weder ihren Speer noch ihr Pferd, sondern langszepterartige Stäbe. Dagegen ist wie bisher gleichfalls der in Falten herabfallende Schultermantel zu sehen. Als überirdisches Kampfgeleit der Augusti und Caesaren verherrlicht sie ausdrücklich die COMITES A V G G (Augustorum) E T CAESS (Caesarum) NNNN(nostrorum)-Inschrift 3 8 . Ähnlich bemerkenswert sind AureiReverse des Kaisers Tacitus (275/76). Denn ihre Inschriften preisen den einen 38

CAROL HUMPHREY VIVIAN SUTHERLAND, The Roman Imperial Coinage VI: From Diocletian's reform ( A . D . 294) to the death of M a x i m i n u s ( A . D .

3 1 3 ) , h g . v o n C A R O L H U M P H R E Y VIVIAN

L A N D - R O B E R T ANDREW GLENDINNING CARSON, L o n d o n 1973, S. 310.

SUTHER-

178

Karl Hauck

Fig. 4. Wangenklappe eines Reiterspiel-Helms aus Brough, Zeichnung H . Lange.

stehend wiedergegebenen Dioskuren, dessen Rechte über dem Pferdenacken zu sehen ist und dessen Linke wiederum ein Szepter hält, mit der älteren lateinischen Spielart für das griechische Soter als CONSERVATOR AVG(VSTI) 39 . Das überirdische schützende und rettende Kampfgeleit der Zwillinge als kosmischer Wechselgötter 40 aber garantierte in der Sicht des Maxentius noch im frühen 4. Jahrhundert, wie die Reversbilder einiger seiner Foliesemissionen aus Ostia 309—312 das propagieren, die AETERNITAS AVG(VSTI) N(OSTRI) mit der Wiedergabe der nackten Zwillinge (Abb. 6), die auch hier den Schultermantel, die sterngeschmückte Mütze und ein Langszepter tragen, während sie neben ihren Pferden zügelführend auftreten 41 . Die kontinuierliche Bildformel der nackten Jünglinge, die schon die Schutzpatrone des frührömischen Reiteradels gewesen waren, hängt mit dem alten adligen Kriegerideal zusammen, zwar bewaffnet in die Schlacht zu ziehen, aber ungepanzert. 39

The Roman Imperial Coinage V 1, hg. von H A R O L D MATTINGLY—EDWARD A. London 1 9 6 8 , S . 3 3 7 . H A N S PETER LAUBSCHER, Der Reliefschmuck des Galeriusbogen in Thessaloniki (Deutsches Archäologisches Institut, Archäologische Forschungen 1) Berlin 1975, S. 34, 71ff., 150; WALTER N I K O L A U S SCHUMACHER, Hirt und 'Guter Hirt' (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, 34. Supplementheft) Rom—Freiburg—Wien 1977, S. 55ff., 71f., 284f.; vgl. auch oben Anm. 36 sowie JOSEF ENGEMANN, Akklamationsrichtung, Sieger- und Besiegtenrichtung auf dem Galeriusbogen in Saloniki (Jahrbuch für Antike und Christentum 22, 1979, S. 150— 160). PERCY

H.

WEBB,

SYDENHAM,

40

41

SUTHERLAND ( w i e A n m . 3 8 ) S . 4 0 3 f .

179

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

Fig. 5. Dreiteilige Roßstirn aus Gherla nach Garbsch. In den unteren Dritteln der Seitenteile erscheinen die Dioskuren, jedoch hier zugleich mit Feldzeichen an der Spitze ihres Segments.

Zum Verständnis des Folgenden ist es grundlegend zu wissen, daß es neben dem besonders erfolgreichen T y p u s I der Zwillinge in heroischer Nacktheit Varianten von ihnen in militärischem Panzer-Kostüm gibt, den Typus II, der gleich zu behandeln ist. Für unser Beweisziel sind beim nackten Typus I folgende Spielarten von Interesse wie: Ia)

Ib)

Ic)

die barhäuptigen, welche etwa die dreiteilige Roßstirn (Fig. 5) aus Gherla, Bez. Cluj in Rumänien, belegt. Zwar hält jeder Zwilling auch da in der einen Hand den Zügel seines Pferdes, in der anderen den Speer, jedoch erweitern F e l d z e i c h e n über den Pferdeköpfen sowie auf die Rahmung zu gelehnte Schilde den Bildtopos 42 ; die behelmten, welche neben den bereits genannten Münzen etwa das Dioskurenbildblech einer Spiegelkapsel des ausgehenden 2. Jahrhunderts aus der Saciro-Werkstatt (Abb. 7) exemplifiziert 43 ; die mit zwei Lanzen, die in einer Hand gehalten werden, wie das auf dem Sarkophagrelief von Tortona (Abb. 8) erwägbar ist 4 4 ;

42

GARBSCH ( w i e A n m . 9 ) S. 1 0 f . ,

43

JOACHIM WERNER, Die beiden Zierscheiben des Thorsberger Moorfundes. Ein Beitrag zur früh-

58f.

germanischen Kunst- und Religionsgeschichte (Römisch—Germanische Forschungen 16, hg. von Römisch—Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts zu Frankfurt a. M.) Berlin 1941, S. l l f . ; HAUCK (wie Anm. 1, X X ) nach Anm. 34. 44

THEODOR KLAUSER, Studien zur Entstehungsgeschichte der christlichen Kunst (Jahrbuch für Antike und Christentum 1,1958, S. 2 0 - 5 7 ) S. 41ff.; SCHUMACHER (wie Anm. 40) S. 55, 82, 111 mitTaf. 12. Vgl.

grundsätzlich

auch

HELLMUT

SICHTERMANN-GUNTRAM

KOCH,

Griechische

Mythen

auf

180

Id) Ie)

If)

Karl Hauck

die mit zwei bewaffneten göttlichen Armen, also die mit je einer Lanze und je einem Schwert, die Dioskurengemmen der Kaiserzeit (Abb. 9) abbilden 45 ; die Ausformungen der Variante Id) durch die Hinzufügung von je einem Götterschild. Dabei wird das Schildpaar zum Zwillingssymbol durch seine parallele Anordnung an der Mittelsäule unten, auf die oben das mit Sternen geschmückte konische Kappenpaar gestellt ist (Abb. 10) 46 . Das Beispiel konkretisiert zugleich wie die Seitenteile der Roßstirn von Gherla (Fig. 5) das Götterattribut, das von der Gestalt ausgegliedert als Sinnzeichen verwendet werden kann 4 7 ; die mit der Götterinsignie des Langszepters (Abb. 11), die bereits auf Varianten der Reichsprägungen (Abb. 5 und 6) vorkam 4 8 .

Unstreitig ist der bisher besprochene nackte Typus I auch in Ägypten auf alexandrinischen Bronzeprägungen zu treffen 49 . Jedoch fängt der Vorliebe der Ägypter für Götter in militärischer Tracht gemäß 50 bereits in den letzten Jahren Kaiser Hadrians eine Bronzeemission mit den Dioskuren, über denen gleichfalls da je ein Stern zu sehen ist, in gepanzerter Uniform an. Mit dieser Version beginnen wir, den kostümierten T y p u s II des göttlichen Brüderpaares zu besprechen. Die Zwillinge sind nunmehr nicht bloß mit einem Speer sowie mit einem kurzen Schwert, einem Parazonium, sondern auch mit einem Panzer bewaffnet 51 und tragen hohe Stiefel. Dabei gibt es Spielarten, auf denen die überwiegend in Vorderansicht gezeigten Jünglinge entweder die Speere in den äußeren Händen, das Kurzschwert dagegen mit den inneren einander benachbarten Armen (Abb. 13) halten 52 oder umgekehrt außen ihre Schwerter und innen ihre Lanzen haben (Abb. 12), wie das uns bereits auf den Spielarten Id) (Abb. 9) und Ie) (Abb. 10) begegnete 53 . Jene Götterzwillinge, zu deren Ausrüstung in solchen regionalen Abwandlungen auch das gepanzerte Gewand gehörte, begegnen keineswegs nur in Ägypten 5 4 , sondern auch in

45

römischen Sarkophagen (Bilderhefte des deutschen archäologischen Instituts Rom, 5 und 6) Tübingen 1975, S. 17, 39, 42ff., 60f., 63. PETER ZAZOFF (Hg.), Antike Gemmen in deutschen Sammlungen = A G D S III Braunschweig, Göttingen, Kassel, Wiesbaden 1970, S. 25 N r . 58 Taf. 8; A G D S IV Hannover, Hamburg, S. 285 N r . 1550 Taf. 207.

46

A G D S I 3 M ü n c h e n , b e a r b . v o n E L F R I E D E B R A N D T , A N T J E K R U G , W E N D U L A G E R C K E , EVAMARIA

SCHMIDT, München 1972, S. 96 N r . 2726, Taf. 255. 47

GARBSCH (wie A n m . 9) S. 1 0 f . , 5 8 f .

48

A G D S I 2 M ü n c h e n , b e a r b . v o n ELFRIEDE BRANDT, EVAMARIA SCHMIDT, M ü n c h e n 1 9 7 0 , S . 74

49

JOSEF VOGT, D i e alexandrinischen M ü n z e n , 1 u n d 2 , Stuttgart 1924,1 S. 1 0 2 f . ; ANGELO GEISSEN,

N r . 991 Taf. 113; vgl. oben nach Anm. 37.

50 51

Katalog Alexandrinischer Kaisermünzen der Sammlung des Instituts für Altertumskunde der Universität zu Köln 2: Hadrian—Antoninus Pius (Papyrologica Coloniensia 5, Sonderreihe der Abhandlungen der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, hg. von der RheinischWestfälischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Universität zu Köln) Opladen 1978, S. 96 f. N r . 1012. ERNST H . KANTOROWICZ, Selected Studies, Locust Valley 1965, S. 8. VOGT ( w i e A n m . 4 9 ) 1 S . 1 0 4 f . , 2 S . 5 4 f f . ; KANTOROWICZ ( w i e A n m . 5 0 ) S . 5 0 f . ; GEISSEN ( w i e

Anm. 49) S. 116 N r . 1075, S. 126ff. N r . 1112-1116. 52

GEISSEN (wie A n m . 4 9 ) N r . 1075, 1112, 1 1 1 4 f .

53

GEISSEN ( w i e A n m . 4 9 ) N r .

54

S. oben Anm. 49 f.

1113.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

181

Chapouthier.

Kleinasien (Fig. 6) 5 5 und in Nordafrika. Im späten 3. Jahrhundert beweist letzteres am eindringlichsten die Grabstele aus der kleinen tunesischen Stadt Siliana in ihrem obersten Bildregister (Abb. 14). Denn dort stehen die ihre Pferde führenden Dioskuren wiederum barhäuptig, aber im Schuppenpanzer mit Schultermänteln und Stiefeln neben dem auf einem Stier thronenden Gott Saturn 56 . So bedeutsam der nackte Typus I die ungeheure Macht der lange festgehaltenen Tradition dartut, der Typus II mit den Dioskuren im Panzerkostüm erhellt die Anpassung des Uberlieferten an die jeweilige Gegenwart und regional dominierende Vorstellungen und zwar in einer Weise, die zum Verständnis der Zeugnisse des Nordens besonders willkommen ist. Unser Typus I und unser Typus II stimmen darin überein, daß sie die Dioskuren in voller Gestalt und in der Regel als Hauptthema zeigen. Beide Versionen geben sie sowohl o h n e wie auch mit den Pferden, die sie am Zügel führen, wieder 57 . Wir haben jedoch außerdem Büstenformeln des Paares oder eines der Dioskuren, die wir als Typus III behandeln, sowie das Auftreten der Zwillinge als Nebengötter an der Seite von anderen Hauptgottheiten wie in unserem Silianabeispiel (Abb. 14) zu berücksichtigen. Diese polytheistischen Verknüpfungen erörtern wir als Typus IV mit wenigen Belegen, auch wenn es sehr viel mehr gibt. 55

56

KANTOROWICZ (wie A n m . 50) S. 8; FERNAND CHAPOUTHIER, L e s D i o s c u r e s au Service d ' u n e D é e s s e

(Bibliothèque des Écoles Françaises d'Athènes et de Rome 137) Paris 1935, S. 23ff. N r . 2. MARCEL LEGLEY, Saturne Africain, Monuments 1: Afrique proconsulaire, Paris 1961, S. 227f. mit T a f . I X F i g . 4 ; 2 , Paris 1966, S. 3 4 6 s. v . ' D i o s c u r e s ' ; RANUCCIO BIANCHI BANDINEIXI, R o m .

Das

Ende der Antike. Die römische Kunst in der Zeit von Septimius Severus bis Theodosius I. (Universum der K u n s t , h g . v o n ANDRÉ MALRAUX—ANDRÉ PARROT) M ü n c h e n 1971, S. 2 1 6 f . 57

Vgl. etwa Anm. 44 und 45 sowie Anm. 51 und 56.

182

Karl Hauck

Beim Büsten-Typus, dem T y p u s I I I , unterscheiden wir Spielarten wie die: l i l a ) die das Paar in brüderlicher Nähe darstellen. Als Beispiele benutzen wir Miniaturüberlieferung aus dem Belegkreis der Gemmen und Glaspasten, obschon wir leider, wie so oft bei diesen Zeugnissen, ihren Fundort nicht kennen. Unser erstes Exemplum befindet sich heute im Besitz des Kestnermuseums in Hannover und wird in die 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. datiert (Abb. 20). Die Zwillings-Köpfe erscheinen fast in Vorderansicht mit runden lockengerahmten Gesichtern und je einem Stern über dem Haar. Unter dem Hals auf der nackten Brust über deren Lanzen sind Amulettbänder mit runden 'bullae', hinter den Schultern außen je ein Speer zu sehen s8 . Zur Bestimmung der Herkunftsregion ist eine ungleich schlechter erhaltene italische Glaspaste mit dem gleichen Motiv wesentlich 59 . Demgegenüber dominiert die gestaffelte Seitenansicht von rechts bei der italischen — heute Münchener-Glaspaste (Abb. 21). Die Götter sind auf ihr an ihrer Zwillingsrolle und an ihren konischen Mützen, den Piloi, zu erkennen. Auf deren Spitzen sitzen die Sterne, auf die wir in anderen, schon öfters genannten Varianten unmittelbar über dem Haar stoßen, das wiederholt ein Lockenkranz rahmt. Die Halsausschnitte (Abb. 21) und eine runde 'Fibel' weisen auf einen kostümierten Typus 6 0 ; I l l b ) die das Brustbild des Dioskuren mit einer Pferde-Protome identifizierbar machen. Das war um so eher möglich, als man diese Kurzversion des Vierbeiners selbst bei Darstellungen der jungen Götter in voller Gestalt schon seit vielen Jahrhunderten benutzte 61 . Dieser Typus konnte daher auch für kleine Götterbronzen der Kaiserzeit verwendet werden, wie das der 8,6 cm hohe Dioskur im Museum Carnuntinum (Abb. 24) konkretisiert 62 . Am erfolgreichsten war diese Version, als sie bis in die Porträtbüsten-Prägungen der Soldatenkaiser des späten 3. und frühen 4. Jahrhunderts vordrang, die sich wie einen der göttlichen Dioskuren (Abb. 22) darstellen ließen 63 . In solcher Weise konnte sich selbst noch Konstantin in seinem berühmten DecennalienMedaillon (Abb. 23) preisen lassen, als es galt, ihn als vorbildlichen E Q V E S R O M A N V S zu propagieren 64 . Daß gerade diese Kaiser-Porträts in der Strator58 59 60 61

62

63

AGDS IV (wie Anm. 45) S. 59 Nr. 192. AGDS I 2 (wie Anm. 48) S. 170 Nr. 1679. Ebd. Nr. 1680. VITTORIO BIANCHI, Dioscuri (Enciclopedia dell'arte antica classica e orientale 3, Rom 1960, S. 122—127); CHARLES PICARD, Sur un groupe mutilé d'Eleusis: Le dioscure à la protomè Chevaline (Bulletin de Correspondance Hellénique 82, 1958, S. 435-465). ROBERT FLEISCHER, Die römischen Bronzen aus Österreich (Römisch-Germanisches Zentralmuseum zu Mainz) Mainz 1967, S. 114 Nr. 146 Taf. 77. GNECCHI ( w i e A n m . 3 3 ) 1 : O r o e d A r g e n t o , S . 11 N r . 1 T a f . 4 A b b . 7 ; R I C H A R D D E L B R U E C K , D i e

Münzbildnisse von Maximinus bis Carinus, Berlin 1940, S. 233 mit Taf. 36 Abb. 30; ERNST H. KANTOROWICZ, Constantinus Strator, Marginalien zum Constitutum Constantini (Jahrbuch für Antike und Christentum, Ergänzungsband 1, 1964, S. 181-189) bes. S. 187f. 64

GNECCHI (wie A n m . 33) 1 S. 59 N r . 18 Taf. 2 9 A b b . 3 ; JOSEF VOGT, Constantinus der G r o ß e (Real-

lexikon für Antike und Christentum 3, hg. von THEODOR KLAUSER, Stuttgart 1955, Sp. 306—379) bes. Sp. 3 1 8 f f . mit A b b . 5; KANTOROWICZ (wie Anm. 63) S. 1 8 7 f . ; ROBERT GÖBL, Antike Numis-

matik 2, München 1978, S. 264 Nr. 3386 Taf. 158.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

183

Rolle des zügelführenden Dioskuren in der Vorgeschichte der zentralen Gestalt der C-Brakteaten bedeutsame Vorstufen waren, ist seit dreißig Jahren in immer neuer Weise beobachtet worden 65 . Bei dem polytheistischen T y p u s IV, den wir in unserer Auswahl zuerst mit der Grabstele aus Siliana (Abb. 14) kennen lernten, beschränken wir uns angesichts der Fülle möglicher Belege von Dioskuren in Neben- oder Geleitgötter-Rollen auf einige wenige, die im Rahmen unserer Argumentation interessieren. Das gilt von Spielarten wie die: IVa) die die Dioskuren als Geleit des M a r s darstellen. Wir weisen besonders hin auf entsprechende Bilder von Teilen der Paraderüstung. So treffen wir auf den Helm tragenden nackten Mars im Mittelteil als überdimensionierte Hauptfigur und auf die zwergenhaft kleinen nackten Dioskuren vor ihren Pferden am unteren Rand der beiden Seitenteile von einer der Roßstirnen des großen Straubinger Ensembles (Fig. 7), die sterngeschmückte Piloi und Lanzen tragen wie andere Spielarten der Traditionsversion unseres Typus Ia 66 . In vergleichbarer Weise sind zum Mittelteil mit einem riesenhaften Mars in Helm und Panzer bei der schon genannten Roßstirn aus Gherla (Fig. 5) im unteren Drittel der beiden Seitenteile die Dioskuren wiedergegeben und zwar mit den Feldzeichen und

65

BERTIL ALMGREN, Romerska drag i nordisk figurkonst f r l n folkvandringstiden (Tor 1, 1948, S. 81 — 103) bes. S. 84; HEINZ MENZEL, Zur Entstehung der C-Brakteaten (Mainzer Zeitschrift. Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte 44/45, 1949/50, S. 63—66) bes. S. 64; KARL HAUCK, Goldbrakteaten aus Sievern. Spätantike Amulett-Bilder der 'Dania Saxonica' und die Sachsen-'Origo' bei Widukind von Corvey (Münstersche Mittelalter-Schriften 1) München 1970, S. 4 1 4 f f .

66

GARBSCH ( w i e A n m . 9 ) S . 1 0 , 4 9 , 3 1 6 m i t T a f . 4 A b b .

2.

184

Karl Hauck

Schilden als göttlichen Attributen 67 . Auf die Schutzgeister-Funktion der Zwillinge wirft ein Kästchenblech des Bonner Landesmuseum (Abb. 18) mit der Seitenansicht eines Tempels helles Licht, die seit 1843 bekannt ist 68 . Das eigentliche Kultidol stellt den thronenden Mars teils von der Seite, teils von vorn dar, der sich auf einen Speer in der Rechten stützt und sein Schwert im linken Arm hält. Neben den Göttersitz sind Schild und Panzer abgelegt. Als künstlerisches Pendant zu jenen Schutzwaffen tritt ein Wasservogel unter einem Ziehbrunnen in Seitenansicht von rechts auf. Aus dem mit einem Erotenfries verzierten First ragen weit figurale Pferde-Protomen mit je einem Reiter links und rechts heraus, die als Dioskuren verstehbar sind 69 ; IV b) die in einer Serie anderer Nebengötter in halber Größe auch die nackten ihre Pferde führenden, lanzenbewaffneten Zwillinge als G e l e i t des allein überdimensionierten M e r k u r abbilden wie das Relief von Marbach im unteren Bildregister außen, das sich seit langem im württembergischen Landesmuseum in Stuttgart befindet 70 ; IVc) die die Zwillinge oder einen von ihnen verkleinert als G e l e i t des t h r o n e n den J u p i t e r wiedergeben. Dieses Motiv variieren im 2. Jahrhundert eindrücklich Prägungen des Commodus unter Verwendung des konventionellen nackten Typus Ia, aber auch kaiserzeitliche Gemmen, die den Gott auf dem herrscherlichen Sitz in seinem Tempel (Abb. 16) wiedergeben 71 ; IVd) die die Dioskuren als N e b e n g ö t t e r n e b e n dem kaiserzeitlichen polytheistischen A l l g o t t darstellen. In inschriftlichen Texten begegnen wir diesen Pantheos-Varianten überall da, wo Epitheta verschiedener Götter einem einzigen gegeben werden, wie etwa in der häufigen Weihung an Helios-Zeus-Sarapis Soli Iovi Sarapi12. In ähnlicher Weise häufen die Bilddarstellungen die Attribute gegensätzlicher Gottheiten auf eine einzige 73 und zwar keineswegs nur in Ägypten, aus dem unser erhellender Beleg herstammt, obschon er in Kleinasien gefunden wurde. So entstand der Doppelaspekt der Götterbüste über dem seine Schwingen regenden Adler des Jaspis aus Ephesos, der Sarapis mit dem für ihn kennzeichnenden Getreidescheffel, dem modius, auf dem Haupt in seiner Jupiter-Rolle rühmt. Neben dieses Brustbild ist in Seitenansicht von rechts bzw. links je eine 67

Ebd. S. 10f., 58f. K 1 und 2 mit Taf. 13 Abb. 1.

68

WERNER (wie A n m . 4 3 ) S. 1 1 ; HAUCK (wie A n m . 1 , X X ) nach A n m .

69

Ebd. a . a . O .

70

PHILIPP

FILTZINGER—DIETER

PLANCK—BERNHARD

CÄMMERER

30.

(Hgg.),

Die

Römer

in

Baden-

Württemberg, Stuttgart-Aalen 1976, S. 182 mit Taf. 60b; HAUCK (wie Anm. 1,XV) S. 102 mit Abb. 3. 71

72

GNECCHI (wie A n m . 33) 2 , S. 5 9 f . N r . 74 mit T a f . 83 A b b . 2 ; vgl. auch ebd. S. 43 N r . 5 mit T a f . 71

Abb. 5; GISELA M. RICHTER, The Engraved Gems of the Greeks, Etruscans and Romans, 2: Engraved Gems of the Romans, London 1971, S. 24, 29 Abb. 59. KURT LATTE, Römische Religionsgeschichte (Handbuch der Altertumswissenschaft, V 4, begr. von IWAN VON MÜLLER) M ü n c h e n 2 1 9 6 7 , S. 3 3 4 ; HAUCK (wie A n m . l . X V I I ) S. 5 7 1 f f .

73

WILHELM HORNBOSTEL, Sarapis. Studien zur Uberlieferungsgeschichte, den Erscheinungsformen und Wandlungen der Gestalt eines Gottes, Leiden 1973, S. 21ff., 25ff.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

185

Miniatur eines Zwillings im Panzerkostüm unseres Typus II in den Stein geschnitten (Abb. 15) 7 4 ; IVe) die die oder einen der Dioskuren als G e l e i t e i n e s G ö t t e r p a a r e s schildern. Wir gehen dazu von der Retter- und Schützerfunktion der Zwillinge bei Seereisen auf dem Mittelmeer aus, die selbst in der Apostelgeschichte 28,11 biblisch nach dem Schiffbruch des Paulus als Gefangenen vor Malta bezeugt ist. Denn die Reise wurde danach auf einem Alexandriner-Schiff fortgesetzt 'mit den Dioskuren als Schiffszeichen' (jtaQaof|[xq) AiooKotigoig — insigne Castorum). Durch Lampen in Schiffsform wie die aus Puteoli (Abb. 17) sind uns die stilisierten Nachbildungen solcher Fahrzeuge aus der Kaiserzeit erhalten. Im Heck stehen dort in Flachreliefs Sarapis mit dem Steuer als Zeichen seiner Seeherrschaft und Isis. Uber der Inschriftentafel mitten im Schiffsleib mit dem Segenswunsch 'Gute Fahrt!' (EYFLAOIA) erscheint frontal mit einem Langszepter und seinem Pferd im Typus I a in abgestufter geringerer Größe der Dioskur 7 5 . An dem Schluß dieser einführenden Ubersicht über die verschiedenen Versionen bringen wir einen Beleg von den Korybanten, engen Verwandten der Dioskuren, auch wenn sie nicht bloß auf deren Zweiheit festgelegt sind 7 6 . Es handelt sich um die silberne Opferschale aus Parabiago, die im Auftrag der heidnischen Aristokratie des 4. Jahrhunderts die Herrlichkeit der alten Götter vergegenwärtigen sollte 7 7 . Sie schildert den Frühlingsadventus der großen Göttermutter Kybele mit ihrem jungenhaft schüchternen Geliebten Attis. Ihr Triumphgespann, das zweimal zwei Löwenpaare ziehen, umtoben als dämonisiertes Kollektiv helmtragende Korybanten, deren Dienerrolle hier mit ihrer Riesenhaftigkeit (Abb. 19) ausgedrückt wird 7 8 . Ihr ekstatisches Rasen im Waffentanz, in dem sie Schwert und Schild schwingen, wirkt mit an der göttlichen Welterneuerung 79 . Zum Abschluß dieser Ubersicht über die kaiserzeitlichen Dioskuren-Bilder des Südens heben wir einige Gesichtspunkte nochmals hervor, die für die Auswertung der Zeugnisse aus dem Norden wesentlich werden. Zwar erleichtert den Zugang zur Ikonographie dieser Zwillingsgötter, daß sie immer wieder paarweise auftreten. Aber es ist zugleich unübersehbar, daß oft genug einer der beiden allein abgebildet wird. Das gilt ebenso für Castor, mit dessen Namen im Plural das Paar gleichfalls bezeichnet wird 8 0 , wie für Pollux 8 1 . Ähnlich begünstigt das Pferdegeleit die ikono74

AGDS I 3 (wie Anm. 46) S. 87 Nr. 2670 Taf. 249; HORNBOSTEL (wie Anm. 73) S. 307.

75

FRANZ JOSEPH DÖLGER, Antike und Christentum. Kultur- und Religionsgeschichtliche Studien 6,

76

BENGT HEMBERG, Die Kabiren, Diss. Uppsala 1950, S. 328 ff.

Münster 1950, S. 2 7 6 - 2 8 5 ; HORNBOSTEL (wie Anm. 73) S. 307 Anm. 1. 77

ANDREAS ALFÖLDI, Die Spätantike in der Ausstellung 'Kunstschätze der Lombardei' in Zürich (Atlantis. Länder, Völker, Reisen 21, 1949, S. 6 1 - 8 8 ) bes. S. 68ff.; SCHUMACHER (wie Anm. 40) S. 228.

78

MARTIN J. VERMASEREN, The Legends of Attis in Greek and Roman Art, Leiden 1966, S. 27ff.; KURT WEITZMANN (Hg.), Age of Spirituality. Late Antique and Early Christian Art, Third to Seventh Century, New York 1979, S. 185f. Nr. 164.

79

A L F Ö L D I ( w i e A n m . 7 7 ) S. 6 9 .

80

LATTE ( w i e A n m . 7 2 ) S. 1 7 3 f . m i t A n m . 6 .

81

HELMUT BUSCHHAUSEN, Die spätrömischen Metallscrinia und frühchristlichen Reliquiare, 1: Katalog (Wiener Byzantinische Studien 9, hg. von HERBERT HUNGER) Wien 1971, S. 38ff. A 10—13.

186

Karl Hauck

DIRECTION G E N E R A L E DES ANTIQUITES MUSEE N A T I O N A L DE D A M A S Fouilles d* Ourn-Hauron Details du C a s q u e A Echelle

2/1

Fig. 8. Bilderfolge vom Helm A aus Teil Oum Hauran, nach Abdul-Hak, 2 : 1 .

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

187

graphische Bestimmung, jedoch ist es alles andere als selbstverständlich. Das gilt gerade auch dann, wenn der oder die Dioskuren als Begleitgötter neben Hauptgottheiten auftreten 82 . Dabei sind verschiedene Versionen zu unterscheiden, so die Spielart a, in der Castor allein oder das Brüderpaar wie andere Götter etwa das überirdische Geleit des Kaisers als seine Schützer und Retter bilden 8 3 , von der Spielart b, in der die Dioskuren zusammen mit und neben anderen Gottheiten begegnen. Ihre Rolle läßt sich da der der Victorien vergleichen 84 . Bei diesem Vergleich zu verweilen ist auch deswegen sinnvoll, weil er uns den Blick freigibt auf den grundlegenden Zusammenhang von Siegesopfer und göttlichem Beistand. Vielleicht am eindrucksvollsten bezeugen ihn von den mediterranen bildgeschmückten Waffen zwei Helme des 2. nachchristlichen Jahrhunderts. Sie stammen beide aus Raubgrabungen in der römischen Nekropole Teil O u m Hauran in Syrien und kamen aus einem Schachtgrab 85 . Auf dem Helm A (Fig. 8) treffen wir die Victoria als Botin des Sonnengottes, die im Strahlenglanz seiner Allgewalt hinter den Sieger getreten ist und ihn triumphal bekrönt 8 6 . Wie aber diese Victoria-Huldigung in Wechselwirkung zum Opfer steht, veranschaulicht aus demselben Grab die Stirnbild-Gruppe des Helms B (Fig. 9a und b). Denn dort wird die Victoria-Hilfe und -Huldigung zusammen mit dem Siegesopfer am Altar wiedergegeben, über dem die Gottheit in Adlergestalt erscheint. Auf Grund von Analogien läßt sich erschließen, daß die Hilfe der göttlichen Siegesmacht über der rechten Wangenklappe (Abb. l a und b) durch die zeremonielle Gebärde der Stützung, der sustentatio, des Kämpfer-Speerarms mitgeteilt wird, die an eine gleichartige zeremonielle Stützung des Kaisers Domitian durch Roma im Gefolge von anderen Geleitgöttern (Fig. 45) erinnert 8 7 . Ähnlich konventionell ist beim Helm B (Fig. 9 b) die Geste der Huldigung über der linken Wangenklappe als Pendant dazu, bei der die Victoria sich zur Bekränzung des Siegers anschickt. Wie wir im übernächsten Abschnitt sehen werden, variieren die Dioskuren-Bilder des Nordens nun nicht das Motiv der huldigenden Bekränzung, sondern vielmehr das Motiv der Kampfhilfe. Auch sie treten bei den für uns wichtigsten Preßblechbildern genau so als Botengötter einer größeren Hauptgottheit auf, wie in den syrischen Helmbildern die Victorien, die den Willen der mediterranen solaren Allgottheit vollstrecken. So wenig wir sonst von dem vorchristlichen Kult des Nordens wissen, verwandte Opfer für den Sieg wie das auf dem syrischen Helm B abgebildete (Fig. 9 a und b) gehören 82 83

84 85

Vgl. oben nach Anm. 65. Vgl. oben nach Anm. 37; ARTHUR DARBY NOCK, Essays on Religion and the Ancient World 2, Oxford 1972, S. 653 ff. Vgl. oben nach Anm. 65. SÉLIM ABDUL-HAK, Rapport préliminaire sur des objets provenant de la nécropole romaine située à proximité de Nawa (Hauran) (Annales archéologiques de Syrie 4/5, 1954/55, S. 163—188) S. 167ff., 175ff.; ROBINSON (wie Anm. 9) S. 120 Taf. 3 4 5 - 3 4 8 , S. 132f. Taf. 397f.; GARBSCH (wie Anm. 9) S. 61 f.

86

GARBSCH ( w i e A n m . 9 ) S . 6 1 N r . 1 m i t T a f . 1 6 A b b .

87

Bei ABDUL-HAK (wie Anm. 85) nicht verstanden, so daß es notwendig war, seine Zeichnung in diesem Punkt zu korrigieren; GARBSCH (wie Anm. 9) S. 61 Nr. 2 mit Taf. 16 Abb. 2—4; zur sustentatio unten nach Anm. 326 sowie HAUCK (wie Anm. 1 , X X ) nach Anm. 230.

1.

188

Karl Hauck

Fig. 9 a. Bilderfolge vom Helm B aus Teil Oum Hauran, nach Abdul-Hak, Opferszene und linke Gruppe mit Victoria (überarbeitet) 2 : 1 .

grundsätzlich zu den Ritualen, mit denen man die Huld des Mars-Wodan in Altuppsala errang. Denn an dem Altar dieses überregionalen Zentralortes wurden diesem Mars-Wodan bis weit ins Hochmittelalter, gerade auch bei bevorstehenden Kriegen, Opfer dargebracht, um sich seine siegverleihende Hilfe zu sichern 88 . Demgemäß propagierte die Kulttradition dieses nobilissimum templum heilsgeschichtliche Präzedenzfälle, in denen sich die mit dem Opfer verbundene Erwartung des gött88

Magistri Adam Bremensis gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum IVc. 2 5 f f . , hg. von BERNHARD SCHMEIDLER ( M G H SS r e r . G e r m , in us. s c h o l . 3 1 9 1 7 ) S. 2 5 7 - 2 5 9 ; d a z u HAUCK ( w i e A n m .

nach Anm. 76 und 309.

1,XX)

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im N o r d e n

189

liehen Eingreifens durch die Himmelsgabe eines heilsmächtigen Speers erfüllt zu haben schien. Infolgedessen werden dort die wunderbaren Kampfhilfen des Kriegsund Totengottes nicht so zeremoniell stilisiert wie auf dem syrischen Helm der Victorien-Auftritt, sondern in einer ganz anderen Unmittelbarkeit dargestellt. Auf den Hauptzonen der Kammhelme aus Altuppsala und seinem Umland, zu dem das nahe Valsgärde gehört (Fig. 1), wird daher besonders oft jener außerordentliche Moment wiedergegeben, in dem der von dem Gott erwählte Held auf Grund von überirdischer Hilfe den tod- und siegbringenden Speer schleudert. Dieses schlachtentscheidende Geschehen wird im Kern einheitlich dargestellt, um die lebensbedrohende Kampfnot ebenso zu schildern wie die überirdische Rettung. Von den

190

Karl Hauck

Varianten der göttlichen Hilfe interessieren in unserem Beweiszusammenhang in erster Linie diejenigen, in denen einer von den Dioskuren den Himmelsspeer überbracht hat und zusammen mit dem dem Gott geweihten Helden in einer signifikanten Verdoppelung des Speerwurfs-Motivs schleudert 89 . Um diese Bildthematik besser und tiefer verstehen zu können, haben wir uns zunächst in diesem Abschnitt damit vertraut gemacht, daß bereits die römische Kaiserzeit die Dioskuren in recht unterschiedlichen Varianten darstellte. Am bekanntesten von ihnen sind die Versionen der nackten Zwillinge, die allenfalls außer ihren Waffen einen Schultermantel tragen. Aber neben ihnen treffen wir seit dem 2. Jahrhundert die Versionen der Dioskuren im Panzer, durch die sie sich den Göttern in Uniform anreihen 90 . Beide Versionen wurden auch im Norden weitergegeben, wie gleich deutlich werden wird, wenn wir uns nun einer Auswahl von DioskurenBildem auf den seegermanischen Goldamuletten zuwenden. 3. Dioskuren-Bilder der Goldbrakteaten Aus dem Bannkreis der Schriftüberlieferung heraus scheint es kühn zu sein, mit Dioskuren-Bildern im Norden zu rechnen. Wohl kennt bereits Tacitus die Verehrung der beiden Jünglinge und Brüder. Sind sie doch im Kulthain der Naharvalen die Hauptgottheiten, die in der Interpretatio Romana mit den römischen Zwillingen Castor und Pollux, griechisch Kastor und Polydeukes, gleichgesetzt werden. Allerdings ermöglicht die Interpretatio Germanica nur ihr Alci-Name. Hebt doch Tacitus ausdrücklich die Bildlosigkeit ihres Kultes hervor: nulla simulacra91. Sollte das auch in der damaligen Gegenwart wirklich so gewesen sein, so ändert jedenfalls das Aufkommen des Menschenbildes im Norden spätestens in der jüngeren Kaiserzeit diesen Zustand 92 . Infolgedessen gehören auf den Goldbrakteaten in den Kreis der Götter, die sich identifizieren lassen, auch die Dioskuren. Diese Einsicht ist noch verhältnismäßig neu und erst langsam herangereift. Gewann sie doch an innerer Wahrscheinlichkeit auf eine Weise, die für den Menschen des 20. Jahrhunderts erstaunlich ist. Denn auf ihre Spur führte zuerst jene besondere Gruppe der Goldamulette, bei denen der Gehilfe des göttlichen Arztes Wodan-Odin bei der Pferdeheilung nicht einer seiner Vögel ist, sondern ein zweites Pferd. „Die signifikante Gemeinsamkeit, daß in dieser Gruppe" sowohl das Tier in ärztlicher Behandlung „wie der Heilgehilfe des Gottes in Pferdegestalt anzutreffen sind, (beeinflußt) die Deutungsentscheidung. Denn diese Zweiheit der Brakteatenpferde eröffnet die Dioskuren-Perspektive, auch wenn das eine Pferd ungleich häufiger vorkommt als die zwei. Den griechischen beiden weißen Füllen, XEDKÜ) Jtd)X,ö), des Zeus entsprechen in den reichsten Brak89

HAUCK (wie A n m . 1 , X X ) nach A n m . 166.

90

V g l . KANTOROVICZ (wie A n m . 5 0 ) S. 8 f f .

91

WOLFGANG LANGE ( H g . ) , D i e Germania des Tacitus, erläutert von RUDOLF MUCH, C. 43 (Germa-

nische Bibliothek 5, Handbücher und Gesamtdarstellungen zur Literatur- und Kulturgeschichte) Heidelberg 1967, S. 473 , 4 7 9 f f . ; HANS KUHN, Alci (HOOPS, wie A n m . 4) 1 S. 1 3 3 f . ; HELMUT

ROSENFELD, Dioskuren (ebd., 1981, im Druck). 92

JOACHIM WERNER, Das Aufkommen von Bild und Schrift in Nordeuropa (Bayerische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte 4, 1966, S. 3—47). Vgl. auch KRÜGER (wie A n m .

12).

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

191

teatenversionen zwei Pferde Odins, der an die Stelle des älteren Himmelsgottes Tlwaz-Tyr rückte. Im Rahmen der indischen wie der griechischen Dioskurenzeugnisse gibt es nun ebenso wichtige Belege für das Beweisthema Dioskuren und Jungmannschaft wie für die Retter- und Helferrolle der beiden Gottessöhne" 9 3 . Daraus, „daß die Dioskuren bei der Initiation mitwirkten . . . könnte sich sogar ihre bei Griechen und Indern . . . gut bezeugte Tätigkeit als Ärzte und Wundertäter entwickelt haben" 9 4 . Aus der Gruppe jener Brakteaten, in denen der tiergestaltige Heilgehilfe des Gottes als ein weiteres Pferd an der Stelle abgebildet wird, die sonst sein gefiederter Begleiter einnimmt, nennen wir zunächst allein das Amulett aus Asmundtorp (Abb. 32a und b), Schonen 95 . Die bemerkenswerte Gegensätzlichkeit im Schicksal der pferdegestaltigen Zwillinge auf den Goldbrakteaten, „ist diesen Überlegungen nicht abträglich, sondern günstig" 96 . Selbst wenn für unsere weiteren Einsichten hier das Auftreten der Zwillinge auch im Norden in Pferdegestalt fast nichts für das eigentliche Ziel der Beweisführung hergibt, für die die menschengestaltigen Versionen am meisten interessieren, so sind doch die Namen der jütischsächsischen Landnahmeführer auf der britischen Insel Hengist und Horsa bedeutsam. Denn diese Kultnamen bezeugen, daß sich die Landnahme unter der Führung irdischer Repräsentanten der auch in Hengstgestalt erscheinenden göttlichen Zwillinge vollzog 97 . Von den menschengestaltigen Dioskuren-Amuletten erörtern wir zuerst die Brustbilder, dann die Wiedergaben in Vollgestalt. Für das Problem der bildlichen Darstellungen von Götterwaffen sind zweifellos die Dioskuren in Vollgestalt noch bedeutsamer. Andererseits erreichen wir Sicherheit für unsere ikonographischen Bestimmungen am überzeugendsten bei den Brustbildern sowie auf Grund der Parallelität von Dioskuren-Bildern in Menschen- und in Pferdegestalt. Jener Parallelität entspricht in diesem Denkmälerkreis die Parallelität der Wodan-OdinBilder in Menschen- und in Vogelgestalt. Nachdem die Editions-Konstellation uns veranlaßt, hier in erster Linie die Dioskuren-Problematik in Angriff zu nehmen, erwähnen wir den Gestaltwechsel des Mars-Wodan jetzt nur und mustern ihn ausführlich in der analogen Untersuchung, die vor allem seiner Ikonographie gewidmet ist 98 . Bei der Erörterung der goldenen B r u s t b i l d e r von den Dioskuren gehen wir von Zwillings-Paaren aus, die auf der Insel Fünen gefunden wurden und, wie andere hervorragend wichtige Goldbrakteaten, offenbar in dem großen überregional bedeutsamen Wodansheiligtum Odense-Odinsve selbst entstanden 99 . Liegt doch der 93

HAUCK (wie A n m . 14) S. 3 8 8 .

94

NORBERT WAGNER, Dioskuren, Jungmannschaften und Doppelkönigtum (Zeitschrift für deutsche Philologie 79, i960, S. 1 - 1 7 und S. 225-247) S. 229. MOGENS B. MACKEPRANG, De Nordiske Guldbrakteater (Jysk Arkasologisk Selskabs Skrifter 2) Aarhus 1952, S. 50, 165 Nr. 248 Taf. 14,2; IK (wie Anm. 23) Nr. 18.

95

96

HAUCK (wie A n m . 14) S. 3 8 9 ; vgl. oben A n m . 36.

97

Venerabiiis Baedae historia ecclesiastica I, c. 15, hg. von CAROLUS PLUMMER, Oxford 1961, S. 31; JAN DE VRIES, Kleine Schriften, Berlin 1965, S. 1 — 19; GUNTER MÜLLER, Studien zu den theriophoren Personennamen der Germanen (Niederdeutsche Studien 17, hg. von DIETRICH HOFMANN) K ö l n Wien 1970, S. 35, 157.

98

HAUCK (wie A n m . 1 , X X ) nach A n m . 82, 142 und 2 1 8 .

99

HAUCK (wie A n m . 6 5 ) S. 2 7 , 2 3 9 ff.

192

Karl Hauck

Vedby

Allessi

Bolbro Elmelund Killerup

Broholm

Fig. 10. Fundorte von A- und B-Inschriften-Brakteaten aus dem Raum Odense, Fünen.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

193

Fundort Elmelund (Abb. 25), Kirchspiel Sanderum, im Amt Odense (Fig. 10)100 und der durch seinen Goldreichtum berühmte Fundort Broholm/Oure (Abb. 26), Kirchspiel Gudme, im Amt Svendborg an der Ostküste Fünens 101 . Als Götterbilder lassen sich diese Goldbrakteaten dann leichter verstehen, wenn man ihren mediterranen Verwandtenkreis eingehender berücksichtigt, als das bisher geschehen ist. Denn es reicht keineswegs aus, sich mit der Feststellung, die an sich durchaus zutrifft, zu begnügen, daß diese Zwillings-Bilder gleichfalls wie zahlreiche andere A-Brakteaten von den Bildkonventionen der Kaiserporträts in der Reichsprägung abhängen. Die Zwillings-Formeln von der Insel Fünen (Abb. 25 und 26) sind nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich weit von den Intaglio-Kopien entfernt, die hier in ihre Vorgeschichte einbezogen werden. Dessen ungeachtet betrachten wir als italische Vorstufen die bereits besprochene Münchener Glaspaste (Abb. 21) 102 und ihre Berliner Analogie 103 . Die gelbe Münchener Ringstein-Imitation (Abb. 21) ist der hellenistischen Hochblüte solcher italischen Gemmenabgüsse des 3. bis 1. Jahrhunderts vor Christus zuzurechnen 104 . Das Berliner Pendant, das einen Sarder nachahmt, mag dagegen in das erste Jahrhundert vor oder in das erste Jahrhundert nach Christus gehören 105 . Bei diesem mediterranen Ringschmuck sichert die Dioskuren-Deutung der Büsten-Zwillinge die konische, sterngeschmückte Mütze. An ihrer Stelle erscheinen in den beiden fünischen Versionen (Abb. 25 und 26) Diademe. Stehen sie doch in solcher Unmittelbarkeit in der Nachfolge des Kaiserbildes der imperialen Goldmedaillons, daß auf den Broholm-Amuletten (Abb. 26) die Kapitalis-Imitation am rechten Bildrand noch lesbar geblieben ist. Dieser Teil der Inschrift lautet TANSPFAVC und läßt sich daher noch als depravierte kopiale Tradition einer authentischen Umschrift CONSTANS P(IVS) F(ELIX) AVG(VSTVS) erkennen 106 . Bei den Medaillonprägungen dieses Kaisers Constans (335 bzw. 337—350) gibt es jedoch keine Doppelporträts107. Daher ist es keineswegs Zufall, daß die vordere Hälfte der Broholm-Inschrift (Abb. 26) eine reine wildwuchernde Phantasie-Kapitalis darstellt, weil das vorangestellte Profil das authentische Kaiserbild der zweiten Bildhälfte wiederholt. Zudem weist nicht allein die zwillingshafte Verdopplung des Antlitzes auf die Intention, eine Dioskuren-Chiffre zu schaffen, sondern auch die ornamentalisierende Verknüpfung des Halsschmuckes zu einer Paar-Formel 108 . Ihr 100

MACKEPRANG ( w i e A n m . 9 5 ) S . 2 6 , 1 1 9 N r . 5 5 m i t T a f . 3 , 9 ; I K ( w i e A n m . 2 3 ) N r . 4 7 , 1 .

101

MACKEPRANG ( w i e A n m . 9 5 ) S . 2 6 , 1 2 0 N r . 6 0 T a f . 3 , 6 ; I K ( w i e A n m . 2 3 ) N r . 4 7 , 2 ; HENRIK THRANE—ELISABETH MUNKSGAARD, B r o h o l m (HOOPS, w i e A n m . 4 ) 3 S. 4 7 0 .

102 103

104 105 106

107

S. oben Anm. 59. ADOLF FURTWÄNGLER, Beschreibung der geschnittenen Steine im Antiquarium (Königliche Museen zu Berlin) Berlin 1896, S. 195 Nr. 4852 mit Taf. 35. A G D S I 2 (wie Anm. 48) S. 81. FURTWÄNGLER (wie Anm. 103) S. 1 5 0 - 2 2 6 . So zuerst SUNE LINDQVIST, Zur Entstehungsgeschichte der nordischen Goldbrakteaten (Acta Archaeologica 11, 1940, S. 1 2 4 - 1 3 2 ) S. 125f. GNECCHI (wie Anm. 33) 1 S. 26—28; 2 S. 143—146; KONRAD KRAFT, Die Taten der Kaiser Constans und Constantius II. (Gesammelte Aufsätze zur antiken Geldgeschichte und Numismatik 1, hg. von HELMUT CASTRITIUS—DIETMAR KIENAST, D a r m s t a d t 1 9 7 8 , S . 8 7 - 1 3 2 ) .

108

Als tiergestaltige Version ist das Doppeltier auf dem Avers von Fig. 13 bei EGIL BAKKA, Methodological Problems in the Study of Gold Bracteates (Norwegian Archaeological Review 1, 1968, S. 5—56) S. 32 ff. zu erwägen. Demgegenüber ziehe ich meine Ausführungen (wie Anm. 65) S. 431 zurück. Vgl. auch HAUCK (wie Anm. 1, XIX) 3. Abschnitt nach Anm. 412.

194

Karl Hauck

gehen im Süden die Medaillons der Reichsprägung voraus, die, wie besprochen, den Kaiser als irdisches Abbild des göttlichen Dioskuren, als secundus Castor (Abb. 22), darstellen 109 . Auf diese Weise konnte nach dem Szepter, das uns wiederholt begegnete 1 1 0 , nunmehr auch das Diadem in die Dioskuren-Bilder des Südens vordringen. Sich gerade diese Version anzueignen aber lag bei den Goldamuletten des Nordens besonders nahe, da sie die Kaiserbildkonventionen der mediterranen Goldmünzen für ihre Götterbilder benutzten 1 1 1 . Infolgedessen ist es durchaus begründet, das provinziellere Elmelund-Amulett (Abb. 25) und die schöneren Broholm-Staffel-Antlitze (Abb. 26) als Dioskuren-Varianten des Nordens anzusehen. Denn auch die letzte späteste Phase der heidnischen Ausgestaltung des Kaiserbildes der südlichen Münzprägung zum Dioskuren-Idealporträt des Eques Romanus 1 1 2 wird auf Goldbrakteaten imitiert. Im Süden erhellt dies das bereits genannte Silbermedaillon Kaiser Konstantins (Abb. 23), das zu dessen Decennalien in Pavia geprägt wurde. Es ist durch sein X P Monogramm im Stirnjuwel des Helms besonders berühmt 1 1 3 , aber dabei wird in der Regel übersehen, daß seine Bildaussage synkretistisch ist, weil es zugleich den seit dem späteren 3. Jahrhundert eingebürgerten Bildtypus des Kaisers als eines Dioskuren fortführt und mit dem marshaften Helm abwandelt 114 . Die DioskurenPerspektive ist dabei durch die Wiederholung des Motivs der Zügelführung festgehalten 115 , auch wenn es nur mit einer Pferde-Protome mitgeteilt wird. Diese Mitteilung war um so eindeutiger, als solche Abbreviatur-Formen im Dioskurenbild (Abb. 24) bereits eingebürgert waren und eine Tradition hatten, die wir schon streiften 116 . Diese Tradition aber ermöglichte es, die Pferde-Protome neben der DioskurenBüste mit Mars-Helm zu zeigen, nachdem der Dioskur mit dem Mars-Helm bereits um 200 zu den Bildkonventionen zählte, die die Saciro-Werkstatt (Abb. 7) als Vollgestalten produzierte 117 . Auf den Goldbrakteaten begegnet uns dieses Traditionsecho auf dem einen der beiden A-Amulette aus Aschersleben 118 . Von diesen beiden Ascherslebener A-Spielarten läßt sich die eine mit dem zurückgebogenen ProfilHaupt (Abb. 27a und b) von links, u. a. wegen des antithetischen Vogels den WodanOdin-Amuletten zuordnen 1 1 9 . Die andere hat infolge ihrer Unvergleichlichkeit und schweren Lesbarkeit (Abb. 28a und b) das Scheitern von verschiedenen Lese- und Deutungs-Experimenten verursacht 120 . Im Zentrum des Bildfeldes ist ein Menschenhaupt in Seitenansicht von rechts wiedergegeben. Das Profilbild wird beherrscht 109 110 111

Vgl. oben Anm. 63 und 64. Vgl. oben Anm. 3 8 f „ 41 und 48. HAUCK (wie A n m . 6 5 ) S. 2 8 8 ff.

112

KANTOROWICZ ( w i e A n m . 6 3 ) S .

113

VOGT (wie A n m . 64) Sp. 327.

1,4

MENZEL (wie A n m . 6 5 ) S. 6 4 .

115

KANTOROWICZ ( w i e A n m . 6 3 ) S .

116

Vgl. oben Anm. 61 und 62. Vgl. oben nach Anm. 42.

117 118

188.

187f.

MACKEPRANG ( w i e A n m . 9 5 ) S . 8 1 , 8 4 , 1 8 4 N r . 3 3 1 T a f . 1 5 , 2 8 ; HAUCK ( w i e A n m . 6 5 ) S . 2 0 3 f f . ;

IK

(wie Anm. 23) Nr. 16. 115

MACKEPRANG ( w i e A n m . 9 5 ) S . 8 1 , 8 4 , 1 8 4 N r . 3 3 1 T a f . 4 , 1 3 ; I K ( w i e A n m . 2 3 ) N r .

120

So hat noch MACKEPRANG (wie Anm. 95) Taf. 15, 28 das Amulett den C-Brakteaten zugeordnet; so verstand HAUCK (wie Anm. 65) S. 208 ff. das Tier als Wolfschiffre.

15.

195

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

von dem großen mandelförmigen Auge sowie von einer spitzen Brauenwulst über einer langen feingeschwungenen Nase. Demgegenüber tritt das Kinn ähnlich zurück wie bei den berühmten B-Brakteaten von Söderby und Sletner (Abb. 29a und b) 1 2 1 . Dies Ascherslebener Haupt (Abb. 28a und b) wird von einem großen Helm mit Nackenschutz und einer weit nach vorn ragenden Vogel-Protome (Abb. 28c) umhüllt. Der Vogelkopf hält gleichsam als Stirnjuwel ein steinartiges Gebilde im Schnabel. Dem Helm gemäß weist auch die dreieckige Büste auf kriegerische Rüstung. Das Verständnis von Haupt und Büste erschwerte bislang entscheidend die Tier-Abbreviatur am rechten Bildrand gleichfalls von rechts. Bei deren Kopf ist die Maulpartie und das aufgestellte Ohr am wichtigsten genommen. An den Kopf schließt sich unmittelbar und fast zusammengesehen der Hals und die Schulter an, vor der das Tier eine Vorderhand erhebt 1 2 2 . Ordnet man den Befund den Dioskuren-Varianten mit Pferde-Protome zu und sieht ihn in der paganen Nachfolge des konstantinischen Silbermedaillons (Abb. 23), verliert er seine Einzigartigkeit und wird zu einem Schlüssel-Zeugnis der Dioskurenamulette, auch wenn der Brakteat, wie die entsprechenden Kaiserbilder, nur einen der beiden Zwillinge zeigt 1 2 3 . Von den Brustbild-Spielarten der Dioskuren-Brakteaten fördert allein dieses Amulett aus Aschersleben unser Thema, da es den Dioskuren mit einem Helm abbildet, der, wie andere Dioskuren-Helme (in Süd und Nord), Mars-Assoziationen anregt 124 . Mehrfach dagegen erhalten wir von den Dioskuren-Bildern über Götterwaffen Auskunft, wenn wir ihre D a r s t e l l u n g e n auf den Goldamuletten in V o l l g e s t a l t mustern. Der Kreis dieser Zeugnisse läßt sich allerdings deswegen nicht vollständig würdigen, weil er sofort über die beiden Denkmäler-Gruppen sowie über die Problematik hinausführt, auf die wir uns hier spezialisiert haben. Wir erörtern ihn daher mit einer Auswahl. Wir beginnen das mit Belegen für die Dioskuren in der Rolle von Begleitern des Hauptgottes Wodan-Odin. Fortgesetzt wird das mit Zeugnissen, auf denen dagegen die Zwillinge oder doch einer von ihnen in das Zentrum des Bildfeldes rückt. In beiden Beleggruppen gibt es tier- und menschengestaltige Varianten dieser Zwillingsgottheiten. Nunmehr geht es also zuerst um den D i o s k u r e n als B e g l e i t e r des H a u p t g o t t e s Wodan-Odin. Daß die Pferdegestalt der Zwillinge bei den Wodan-ArztBrakteaten wichtig ist, haben wir gleich am Eingang dieses Abschnitts besprochen 125 . Jetzt ist das deswegen erneut zu erwähnen, weil das Auftreten des tiergestaltigen Heilgehilfen als Pferd neben und bei dem verletzten Tier zugleich kombiniert wird mit dem Speer als Heilszeichen auf dem C-Brakteaten (Abb. 31a und b) aus einem vergessenen Fundort in Schonen 1 2 6 . Der Befund ist ganz eindeutig, da auch alle anderen drei Beizeichen wie der Speer doppelt wiedergegeben werden, so die Swastika, so der gleichschenklige Winkel und das gleichschenklige Kreuz 1 2 7 . Das 121

MACKEPRANG ( w i e A n m . 9 5 ) T a f . 5 , 3 ; I K N r . 1 7 6 ( S ö d e r b y ) ; MACKEPRANG T a f . 5 , 1 0 ; I K

(wie

A n m . 2 3 ) N r . 167 (Sletner); HAUCK (wie A n m . 65) S. 208 mit Fig. 1 8 b . 1 2 2 Uber dem Kopf ist der Raum, der für eine Inschriften-Formel bestimmt war, einfach schraffiert. 123 Ygj oben nach Anm. 62. 1 2 4 Vgl. oben nach Anm. 42. 1 2 5 Vgl. oben nach Anm. 92. 126

MACKEPRANG ( w i e A n m . 9 5 ) S . 4 5 , 1 6 0 N r . 1 2 3 T a f . 9 , 2 0 ; I K ( w i e A n m . 2 3 ) N r .

127

Zu einer ähnlichen doppelten Verwendung des gleichschenkligen Kreuzes s. unten nach Anm. 152.

151.

196

Karl Hauck

spricht eher für eine konsequente Verdoppelung der Zeichen als für die Anpassung an die zwei Tiere, durch deren hier — anders als bei Asmundtorp (Abb. 32a und b) — ungleiche Größe der Gehilfenrang des pferdegestaltigen Heilers unterstrichen wird. Andererseits ist dessen Heilungsaktivität mit dem Belecken der ausgerissen gezeigten Vorderhand des verletzten Tiers nachdrücklich hervorgehoben 128 . Der Speer darf daher als verdoppeltes Attribut und Heilszeichen des zaubermächtigen Götterfürsten, dessen Haupt das Bildfeld beherrscht, verstanden werden. Die Speer-Form mit Widerhaken 129 kehrt auch dort wieder, wo Wodan-Odin nicht wie hier als heilungs- und schöpfungsmächtiger Arzt, sondern zumindest gleichzeitig in seiner Marsrolle gerühmt wird 1 3 0 . Das geschieht am eindrucksvollsten auf dem unvergleichlichen seeländischen Reiterbrakteaten Kitnies I (Abb. 30a und b) 1 3 1 . Identifizierbar wird dieses Götterbild, dessen Haupt mit seinem Tierzierrat am wichtigsten genommen ist, durch drei Bildelemente: einmal den antithetischen Vogel im Anflug, dann durch das Speer-Attribut unter den Hinterhänden des prächtigen Pferdes wie schließlich durch den vor dem Reiter auftretenden Waffentänzer. Der gefiederte Begleiter kennzeichnet den Gott konventionell in dieser Amulettkunst und gehört dort zu seiner Arztrolle. Ihr gemäß ist es, wenn nicht bloß auf dem Schönen-Amulett das Todessymbol des Speeres als überwunden triumphal am Boden gezeigt wird 1 3 2 , sondern auch bei der Preisung des Gottes als Kriegsherr und Reiter. Das Reiterbild dokumentiert jene ältere Phase, in der das Motiv des achtbeinigen Götterpferdes noch nicht im Norden selbstverständlicher war 1 3 3 . Die Kriegsherr-Perspektive aber wird von dem Waffentänzer eingebracht. Sein Zwei-Schwerter-Spiel wird vor dem Reiter nackt getanzt, vor dem er die eine Waffe wie zum Gruß erhebt. Die Größenabstufung entspricht ähnlich wie auf dem Schönen-Amulett der Charakterisierung des Haupt- und des Neben- bzw. Begleitgottes. Das Waffentanz- und das Begleitermotiv sind signifikant für die DioskurenRolle, die sich also erneut in einer nackten Version präsentiert. Ihr entspricht auch in besonderer Weise die Barhäuptigkeit 134 . Auf Kitnaes I (Abb. 30a und b) steigert die Integration des Begleitgottes in das Figuren-Ensemble den Heilsbild-Charakter des Brakteaten ähnlich wie das eine Dioskurenbild auf der Lampe in Schiffsform (Abb. 17), die wir oben erwähnten. Wie auf römischen Paraderüstungen oder Roß128 Vergleichbares bei HAUCK (wie Anm. 1,XIV) S. 487. 129

130 131

132

HANS K U H N - H E R B E R T JANKUHN, A n g o ( H O O P S , w i e A n m . 4 ) 1 S . 3 3 1 f f . ; H E I K O STEUER, B e w a f f -

nung (ebd.) 2 S. 438 ff. HAUCK (wie Anm. 1,XVI) nach Anm. 105. ELISABETH MUNKSGAARD, New bracteate finds in Denmark (Acta Archaeologica 36, 1965, S. 2 4 0 - 2 4 8 ) S. 240f. mit Fig. 1; DIES., A gold hoardfrom Kitnaes, Zealand, from the early Germanic iron age (ebd. 37, 1966, S. 5 3 - 6 6 ) S. 54f. mit Fig. 2; IK (wie Anm. 23) Nr. 92. HANS KUHN, Philologisches zur altgermanischen Religionsgeschichte 4: Der Todesspeer. Odin als Totengott (Kleine Schriften 4. Aufsätze aus den Jahren 1968-1976) Berlin-New York 1978, S. 2 4 7 - 2 5 7 .

133

134

Zu den einschlägigen jüngeren Belegen GERD WOLFGANG WEBER, Odins Wagen. Reflexe altnordischen Totenglaubens in literarischen und bildlichen Zeugnissen der Wikingerzeit (Frühmittelalterliche Studien 7, 1973, S. 8 8 - 9 9 ) S. 94f. Sie ist nicht erkannt bei DETLEV ELLMERS, Zur Ikonographie nordischer Goldbrakteaten (Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 17, 1970, S. 2 0 1 - 2 8 4 ) S. 270f. mit Abb. 84. Dessen Versuch, die Umrißkontur des Kopfes als Hörner eines Helmes zu verstehen, war unglücklich. Eine ähnliche Kopf-Chiffre bietet IK (wie Anm. 23) Nr. 132.

197

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

Stirnen (Fig. 5 und 7) das Mars-Bild oft genug mit dem Dioskuren-Geleit gezeigt wurde, ist uns gleichfalls aus den älteren mediterranen Beispielen vertraut, die wir oben betrachteten 135 . Etwas anders, nämlich mit Schwert und Schild gerüstet, treffen wir auf die Dioskuren wiederum als Begleitgötter auf dem Runenhorn von Gallehus. Wenn sie dort in der obersten Zone (Fig. 11) wiedergegeben werden, wird ihr schützender Dienst allerdings nicht nur einem Gott allein, sondern zwei menschengestaltigen Gottheiten zuteil, die sich auf einer höheren Ebene als sie befinden 136 . Daß von jener Zweiheit die eine Gestalt Wodan-Odin, der Speergott sein könnte, wurde durchaus seit langem erwogen 137 . Dabei blieb noch unberücksichtigt, daß diese Auffassung von der Form der Speerspitze bekräftigt wird. Ist sie doch dem neben der Angoähnlichen Spielart, die wir durch den schonischen (Abb. 31a und b) und seeländischen Brakteaten (Abb. 30a und b) kennenlernten, am besten beglaubigten Speerblatt-Typus der Gotteslanze überaus nahe, wie die Darstellung des Kriegs- und Totengottes mit seinen Waffen auf der Prägeplatte von Torslunda (Fig. 12) veranschaulicht 138 . Von den beiden Möglichkeiten, den Diener- und Botenrang der göttlichen Zwillinge zu kennzeichnen, die bereits die mediterranen Zeugnisse bei der Darstellung der Dioskuren verwendeten, von der Wiedergabe im verkleinerten Bild 1 3 9 oder von der Wiedergabe in riesenhaften Körpern 1 4 0 , hat Hlewagast, der Schöpfer des Runenhorns, die letztere gewählt. Das heißt, er entschied sich für eine Version, die wir mediterran mit der Oxforder Gemme (Abb. 16) kennenlernten. Denn auch bei ihr hat der in seinem Tempel thronende Jupiter eine mittlere Größe, die DioskurenWache dagegen ist überdimensioniert 141 . Wenn bei Gallehus die Dioskuren auf dem obersten Reifen des Runenhorns als Wächter des Heiligtums dargestellt werden, so lenkt das unsere Aufmerksamkeit noch auf einen anderen bemerkenswerten Zusammenhang, der schon deswegen nicht ganz ausgeklammert werden kann, weil er Zweifel an der Dioskuren-Deutung weckte. Die Bäuche der beiden Gestalten, die

135

S. oben nach Anm. 74, sowie bei Anm. 2 9 f . und 42.

136

Lis JACOBSEN—ERIK MOLTKE, Danmarks Runeindskrifter, Atlas, Kopenhagen 1941, N r . 12; Text og Registre, 1942; KRÜGER (wie Anm. 12) Teil 2 S. 40 (seine anderen Überlegungen bedürfen der Kritik);

ERIC

GRAF

OXENSTIERNA,

Die

Goldhörner

von

Gallehus,

Lidingö

1956;

WOLFGANG

KRAUSE—HERBERT JANKUHN, Die Runeninschriften im älteren Futhark 1 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse III 65) Göttingen 1966, S. 97ff. N r . 43; unglücklich dagegen die Veröffentlichungen von WILLY HARTNER, Die Goldhörner von Gallehus, Wiesbaden 1969; HEINZ KLINGENBERG, Runenschrift -

Schriftdenken -

Runen-

inschriften, Heidelberg 1973; s. dazu KLAUS DÜWEL, Göttingische Gelehrte Anzeigen 231, 1979, S. 2 2 4 - 2 4 9 . 137

ERIC GRAF OXENSTIERNA, Die Nordgermanen (Große Kulturen der Friihzeit) Stuttgart 1957, S. 78;

138

RUPERT BRUCE-MITFORD, Aspects of Anglo-Saxon Archaeology. Sutton H o o and other discoveries,

KRAUSE-JANKUHN (wie A n m . 136) S. 100.

London 1974, S. 214—222; ULF ERIK HAGBERG, Fundort und Fundgebiet der Modeln aus Torslunda (Frühmittelalterliche Studien 10, 1976, S. 3 2 3 - 3 4 9 ) ; HAUCK (wie Anm. 5) S. 4 2 f . 139

Vgl. oben etwa Anm. 42 , 66 und 74.

140

Vgl. oben etwa Anm. 78.

141

S. oben Anm. 71.

198

Karl Hauck

Fig. 11. Die Götterbild-Zone des Runenhorns von Gallehus, nach Oxenstierna.

ihr Schwert und ihren Schild fast in Schulterhöhe erheben, bilden nämlich Ösen, „dadurch ein kleiner Strick oder eine Kette kan gezogen werden, um das Horn daran anzuhencken" 142 . Weil die beiden Relieffiguren aber diesem praktischen Zweck dienten, glaubte Graf Oxenstierna, es sei „nicht ratsam, in ihnen ebenfalls Götter, etwa Dioskuren, zu sehen" 143 . Jedoch geht dieser Schluß von Vorstellungen des 20. Jahrhunderts und nicht von denen der alten Zeit aus. Denn nach ihnen waren die Zwillinge als überirdische Wächter und Schützer so wirksam, daß man sie in ihren Bildern und Symbolen als Garanten auch auf Gerätköpfen (Fig. 13) oder bei Taschenbeschlägen wiedergab. Selbst noch diese Spielarten, auf die wir hier nicht ausführlicher eingehen können, sind für das Götterwaffen-Thema von Interesse. Bekrönt doch den Dioskurenkopf auf derartigen Gegenständen so eine vereinfachte Version jenes charakteristischen Gotteshelms, den wir durch die Torslunda-Platte (Fig. 12) kennen, daß das Bild dadurch identifizierbar wird 1 4 4 . Beschäftigt man sich aber mit den figuralen Taschenbeschlägen, über deren Funktion seit einigen Jahren eine Kontroverse im Gang ist, dann stößt man nicht nur auf die in reichen Bestattungen wie in dem Childerichgrab cloissonnierten PferdekopfPaare (Fig. 14 und 15) als figúrales Zitat der Zwillingsgötter 145 , sondern auch auf

142

OXENSTIERNA ( w i e A n m . 1 3 6 ) S . 1 3 9 .

143

OXENSTIERNA, e b d .

144

VERA I. EVISON, The Dover, Breach Downs and Birka Men (Antiquity 39, 1965, S. 2 1 4 - 2 1 7 ) S. 2 1 4 f . m i t F i g . 1 ; BRUCE-MITFORD ( w i e A n m . 1 3 8 ) S. 2 0 8 m i t T a f . 5 3 c / d ; HAGBERG ( w i e A n m .

1 3 8 J S. 3 3 6

mit Abb. 13a/b; vgl. auch PÄR OLSEN, Ett vendeltida nyckelskaft (Tor 2, 1949/51, S. 1 1 6 - 1 2 4 ) S. 117; sowie die gotländischen Pinzettenköpfe bei BIRGER NERMAN, Die Vendelzeit Gotlands 2, Tafeln, Stockholm 1969, Taf. 123 Nr. 1 0 9 9 - 1 1 0 7 , 1, Text, 1975, S. 43. 145

JEAN JACQUES CHIFLET, A n a s u s i s Childerici I, F r a n c o r u m regis, A n t w e r p e n 1 6 5 5 , S. 2 2 6 ; ANNA

ROES, Taschenbugel und Feuerstahle (Bonner Jahrbücher 167, 1967, S. 285 - 2 9 9 ) S. 2 8 5 f f . ; DAVID BROWN, Firesteels and Pursemounts again (Bonner Jahrbücher 177, 1977, S. 4 5 1 - 4 7 7 ) S. 452 ff.;

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

199

ornamentale Varianten, die angesichts jener Mars- und Dioskuren-Helm-Formen Beachtung fordern 146 . Die Zweifel Oxenstiernas erweisen sich demnach als unbegründet und gegenstandslos. Dagegen bestätigt in dem gleichen Lebenszusammenhang die Wiederkehr von Dioskurenbildern oder -zeichen, daß die Gegenwart des jütländischen Runenhorns die Schützerrolle der göttlichen Zwillinge gerade bei Halterungs- und Schließungs-Details aktualisierte und zitierte. Nachdem wir Brakteaten-Beispiele der Dioskuren-Vollgestalten in ihrer Begleiterrolle kennenlernten, wenden wir uns nun Goldamuletten zu, auf denen zumindest einer der g ö t t l i c h e n Z w i l l i n g e im Z e n t r u m des B i l d f e l d s erscheint. Das sei mit einem gegensätzlichen Brakteatenpaar veranschaulicht, das wir deswegen gemeinsam mustern, weil das eine Amulett das Thema, das für die Dioskuren im Norden einschlägig ist, in einer menschengestaltigen Version abbildet, das andere in einer tiergestaltigen. Die erstere Variante bildet daher Götterwaffen ab, die auch in diesem Fall, anders als bei der eben genannten Helmform, Menschenwaffen gleichen. Wir werden das Brakteatenpaar zugleich mit einem frühen Bildstein-Fragment aus Gotland erörtern, weil auf ihm, anders als auf den H E U ROOSENS, Die Datierung des Grabes X von Arlon (Archaeologia Belgica 213, 1979, S. 124-127); KURT BÖHNER, C h i l d e r i c h v o n T o u r n a i ( H O O P S , w i e A n m . 4) 4 S. 4 5 3 . 146

R O E S ( w i e A n m . 1 4 5 ) S . 2 9 1 F i g . 7, S . 2 9 8 f . F i g . 15 u n d 16.

200

Karl Hauck

Fig. 13. Behelmter Gerätkopf, nach Evison.

beiden Goldamuletten, die göttlichen Zwillinge nicht in Einzelgestalten, sondern zusammen wiedergegeben sind. Aus dieser Dreier-Gruppe von Denkmälern gehen wir zuerst auf den norwegischen Goldbrakteaten aus Gudbrandsdalen (Abb. 33 a und b) näher ein 147 . Es handelt sich um eines der Amulette, deren an darstellerischem Kontext reicher Befund die Deutungs-Phantasie der Gelehrten seit langem immer neu reizte. Von jenen älteren Experimenten lassen sich zwei Beobachtungen übernehmen, einmal die, daß die Szene einen Untierkampf wiedergibt, und zum anderen die, daß das Amulett durch das Schiffsbild 148 eine Sonderstellung hat. Die Auswertung kann insofern von veränderten Voraussetzungen ausgehen, weil es sich 147

MACKEPRANG (wie A n m . 95) S. 51, 1 4 0 f . N r . 129 T a f . 14, 2 2 ; I K (wie A n m . 2 3 ) N r .

148

ELLMERS (wie A n m . 134) S. 2 1 7 f .

65.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

201

Fig. 14. Cloissonierter Taschenbeschlag mit Pferdeköpfen aus dem Childerichgrab 1 : 1 , nach Chiflet.

Fig. 15. Cloissonierter Taschenbeschlag aus Arlon, Grab X, 2 : 3, nach Roosens.

nach den Erfahrungen der Arbeit am Brakteaten-Korpus empfiehlt, den Sitz der verlorenen Öse als Lesehilfe zu benutzen 149 . Folgt man dieser Faustregel zur Bestimmung der senkrechten Bildachse, liegt das Untier, vor dem der Reiter erscheint, praktisch auf dem Rücken und wird damit als besiegt charakterisiert. Diesem Befund entspricht, daß der Reiter seine Waffen, das Schwert und den Speer triumphierend erhebt. Daß aber dieser Triumph als seiner Rolle gemäß angesehen wurde, wird dann um so schlüssiger, wenn man mit Hayo Vierck das Tier unter der einstigen, jetzt verlorenen Öse als Helmzier versteht150. Dieser Befund hat durch die Neuauswertung der fünffigurigen Speerwurf-Szene der linken Seite des Helms Valsgärde 7 die erwünschte Bestätigung mit jener verwandten, aber nicht identischen Verzierung von deren Reiterhelm (Fig. 35) erhalten, zu dem es bedeutsame antike Vorstufen gibt 151 . Bei der Wechselbeziehung, die zwischen den Dioskuren- und Wodan-Odin-Waffen besteht, darf nicht übergangen werden, daß die Speerform von Gudbrandsdalen den Varianten des Wodan-Speeres mit Widerhaken (Abb. 30a und b, 31a und b) nahe ist, die wir oben diskutiert haben 152 . Bei dem Beispiel aus Schonen begegnete uns zudem ähnlich das gleichschenklige „Kreuz" als Heilszeichen, das nach der Devise 'doppelt hält besser' nicht bloß einmal verwendet ist. Auch die Überlegungen, wie die Schlange vor bzw. neben dem Pferd zu verstehen ist, werden durch Parallelen wie das Schlangen-Geleit der Helden in der Schildgesang-Szene des Helms von Valsgärde 7 (Fig. 43) verändert 153 . Schließlich erscheint selbst die Schiffs-Chiffre durch die Berücksichtigung der ursprünglichen Bildachse in einem veränderten Licht. Denn nun ragt der Schiffsbug so hoch auf, daß die Formel eine stürmisch bewegte See voraussetzt. Und genau das korrespondiert mit der Dioskuren-Rolle in Süd und Nord, vom Sturm bedrohte Schiffer aus Seenot zu IK (wie Anm. 23) Nr. 65. Anregung aus einem Gesprächsaustausch vor einem Vortrag. 1 5 1 Dazu HAUCK (wie Anm. 1, X X ) nach Anm. 157. is2 Vgl. oben nach Anm. 125. 1 5 3 HAUCK (wie Anm. 5) S. 47ff.

149

150

202

Karl Hauck

retten 154 . Der Untierkampf rückt so in die Perspektive der Bezwingung von Sturmdämonen. Von ihnen aber war man nicht nur im seemännischen Alltag bedroht, sondern auch auf der Jenseitsreise, worauf wir gleich zu sprechen kommen 1 5 5 . Wie es nun aber in der Wodan-Ikonographie Parallelversionen von dem Gott als Kämpfer gegen die Midgardschlange in Menschen- und Vogelgestalt gibt 1 5 6 , so stoßen wir auch auf eine tiergestaltige Variante des Dioskuren-Kampfes mit einem drachenartigen Untier. Denn über bzw. neben der konventionellen Gott-PferdFormel, die Wodan-Odin als schöpfungsmächtigen Arzt mit seinem gefiederten Hilfsgeist rühmt 157 , treffen wir auf dem Brakteaten aus Büstorf (Abb. 34a und b) als Gegner gleichfalls eines krokodilartigen Untiers das andere zweite Pferd. In der Gruppe der Zwei-Pferde-Brakteaten sind also nicht bloß jene Amulette zu berücksichtigen, die die Heilerrolle des tiergestaltigen Zwillings (Abb. 31a und b und 32a und b) rühmen 158 , sondern auch die Büstorf-Version (Abb. 34a und b), als deren menschengestaltiges Pendant wir Gudbrandsdalen (Abb. 33 a und b) ansehen dürfen. Diese Auffassung wird entscheidend erleichtert durch den gotländischen Bildstein aus Martebo (Abb. 35). Er gehört seiner Zeitstellung nach zu den frühen Monumenten, die mit dem Brakteatenhorizont gleichzeitig sind. Leider ist er nur unvollständig und stark reduziert erhalten, so daß auch die Runeninschrift unverständlich wurde 1 5 9 . Unter der großen Wirbelrosette, die 56 cm Durchmesser hat, erscheint ein Reiter-Paar. Von dessen Waffen sind für beide Gestalten Speere sicher, für die linke auch ein Schild, über den wir bei der rechten Gestalt keine Sicherheit mehr gewinnen. Aber gerade jener zweite Reiter bewegt sich direkt auf das riesenhafte Untier zu, dessen Schlangenleib sich um die beiden unteren Rondelle gewunden haben muß, die nur noch zum Teil zu sehen sind 1 6 0 . Auch wenn das Phantasietier variiert, lautet mein Deutungs-Vorschlag: die Martebo-Reiter sind eine Zwillings-Version zu den Wiedergaben des einen Dioskuren in Menschengestalt auf Gudbrandsdalen (Abb. 33 a und b) und in Pferdegestalt auf Büstorf (Abb. 34a und b). Diese Auffassung wird sowohl von jenen frühen Bildsteinen begünstigt, die das Thema des menschengestaltigen Paares in anderen Spielarten wiederholen 161 , wie von anderen, die Pferdepaare antithetisch abbilden. Denn auf diesen Steinen kehrt in Abwandlung des Nordens die Rolle der Dioskuren in der Gräbersymbolik des späteren Altertums wieder 162 . Die Erörterung der Dioskuren-Bilder der Goldamulette wird nun aber von dieser eben besprochenen Dreier-Gruppe von Denkmälern (Abb. 33 a und b, 34a 154

KRAUS (wie A n m . 12) S p . 1 1 2 2 f „ 1131.

155 Ygj 156

un

t e n nach Anm. 163.

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) nach A n m . 2 4 2 .

157

HAUCK (wie A n m . 1, X I X ) nach A n m . 6 0 7 .

158

Vgl. oben nach Anm. 94 und 125. SUNE LINDQVIST, Gotlands Bildsteine 1, Stockholm 1941, S. 27, 7 5 f „ 82, 112; 2, 1942, S. lOOff.;

159

ERIK NYLEN, Bildstenar, V i s b y 1978, S. 2 6 , 179 N r . 194. 160

LINDQVIST (wie A n m . 159) 2 , S . l O l f .

161

BIRGIT A R R H E N I U S - W I L H E L M H O L M Q V I S T , E n b i l d s t e n revideras ( F o r n v ä n n e n 5 5 , 1 9 6 0 , S . N Y L E N ( w i e A n m . 159) S. 2 5 , 186 N r .

162

173-192);

322.

Man sollte diese Steine keineswegs so selbstverständlich alle dem Thema 'Pferdehetze' zuordnen wie NYLEN ( w i e A n m . 159) S . 2 6 . V g l . KRAUS ( w i e o b e n A n m . 12) S p . 1129 s o w i e HAUCK ( w i e A n m . 1,

X I X ) 2. Abschnitt nach Anm. 296.

203

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

und b, 35) auch dadurch vorangebracht, daß sich von seiner Bewaffnung her der Reiter auf dem Revers des Hove-Medaillons (Abb. 36a und b) zumindest was Schwert und Speer — wenn auch mit anderem Blatt — betrifft, dem Reiter von Gudbrandsdalen (Abb. 33 a und b) an die Seite stellen läßt 1 6 3 . Dies wäre allein noch keineswegs schlüssig, behandelten nicht die Medaillon-Reverse das Thema der Jenseitsreise 164 . Das vollzieht sich in einer Weise, derzufolge es zwischen ihnen und den gotländischen Bildsteinen Motiv-Gemeinsamkeiten gibt 1 6 5 . Deswegen ist es erwünscht, zum Schluß eine Ubersicht darüber zu geben, mit welchen Waffen die Reiter auf den Reversen der Medaillon-Imitationen begegnen, auch wenn ihre Einbeziehung in die Dioskurenthematik hier nur als Arbeitshypothese möglich ist. Von den vier einschlägigen Belegen zeigt den Reiter die Rückseite des Medaillons, von Hove (Abb. 36a und b), Sogn och Fjordane, mit Speer und Schwert 1 6 6 ; Inderoy (Abb. 37), Nordtrondelag, mit Speer und Schild 1 6 7 ; Aneby, Smaland, mit Speer 168 ; Sundsvall, Medelpad, mit Speer 169 . Mit diesen Hinweisen beenden wir den Abschnitt, der sich in einer Auswahl mit den Dioskuren-Bildern auf den Goldamuletten beschäftigte, um so Auskunft zu erhalten über die Variationsbreite der bildlichen Wiedergabe der Waffen dieser Zwillingsgötter in diesem besonderen Zweig der Kleinkunst 170 . Wenn wir uns nun im nächsten Abschnitt in der spezialisierten Perspektive unseres Themas vor allem den Dioskuren-Bildern der Preßbleche zuwenden, so haben wir erneut VariantenErforschung zu treiben. 4. Die neue Auswertung der Speerwurf-Szenen der Helme Valsgärde 7 und 8 a) Einführung in den durch neue Einsichten veränderten Diskussionsstand Durch die Musterung des antiken Vergleichsmaterials und auf Grund der Analysen der Goldamulette wurden wir damit vertraut, daß die Dioskuren in Süd und Nord in zwei gegensätzlichen Versionen begegnen: entweder sind sie Begleitgötter der Haupt- und Staatsgottheiten, oder sie übernehmen selbst die Hauptrolle, wenn es gilt, Menschen Schutz und Hilfe zu gewähren. Daß es notwendig ist, die Dioskuren-Darstellung demgemäß zu unterscheiden, hatte ich im Herbst 1977 noch nicht verstanden, als ich begann, mich mit der Dioskuren-Ikonographie im Norden zu beschäftigen. Damals gelangte ich zu der Uberzeugung: die Verbindung der Waffentänzer-Paare auf dem Helm Valsgärde 7 163

MACKEPRANG (wie A n m . 95) S. 2 1 , 1 0 8 f f . N r . 11 T a f . 2 , 4 ; I K (wie A n m . 23) N r . 85.

164

HAUCK (wie Anm. 1, XIX) 3. Abschnitt nach Anm. 475.

165

S o b e r e i t s LINDQVIST ( w i e A n m . 1 5 9 ) 1 S . 9 6 ; H A U C K ( w i e A n m . 4 ) S . 5 8 8 m i t T a f . 6 6 a .

166 167

Vgl. oben Anm. 163. KRISTEN R. MOLLENHUS, En germansk gullmedaljong fra Inderoy (Ärsbok for Det Kgl. Norske Vidsk. Selsk. Museet, 1953, S. 73 - 79); IK (wie Anm. 23) Nr. 86.

168

MACKEPRANG ( w i e A n m . 9 5 ) S . 2 1 , 1 1 0 N r . 13 T a f . 2 , 6 b ; I K ( w i e A n m . 2 3 ) N r .

169

MACKEPRANG ( w i e A n m . 9 5 ) S . 1 1 1 N r . 1 7 T a f . 2 ,

170

ELISABETH MUNKSGAARD (und andere), Brakteaten (HOOFS, wie A n m . 4) 3, S. 337—361.

14.

10b.

204

Karl Hauck

in seiner Bildzone II (Fig. 16) mit Szenen, auf denen jeweils ein Reiter nicht allein, sondern vielmehr mit einem Miniatur-Kampfhelfer zusammen einen Speer schleudert, lasse sich als Wiedergabe von zwei signifikanten Dioskuren-Funktionen verstehen: einmal von dem Auftritt des P a a r e s im Waffentanz 171 sowie zum anderen von dem Erscheinen des einen der Zwillinge als Nothelfer und Retter aus kriegerischer Bedrängnis 172 .

Fig. 16. Die Bildbänder der rechten Seite des Helms Valsgärde 7, nach Arwidsson.

Methodisch beruhte die ikonographische Einsicht auf dem darstellerischen Kontext der Tanz- und Speerwurf-Szenen sowie auf ihrem Nebeneinander in einer Bildzone (Fig. 16). Beide Szenen zusammen auszuwerten, legitimierte das Erscheinen sowohl des Paares wie der Einzelgestalt-Miniatur mit dem auffallenden gleichen Helm. Zudem war dieser Helm als Götterwaffe identifizierbar, da er auch von dem Tänzer der Torslunda-Platte (Abb. 40 und Fig. 12) getragen wurde. Denn diese TänzerGestalt mit umgehängtem Ringknaufschwert und je einem Speer in jeder Hand war vor allem durch ihre Einäugigkeit als Wodan-Odin bestimmbar, zumal ihr Auftritt

171

HAUCK ( w i e ANM. 5 ) S. 4 9 f.

172

HAUCK ( w i e A n m . 5 ) S. 5 0 f f .

205

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

mit einem Wolfspelz und Maskenkrieger zu der Rolle als Kriegs- und Totengott vorzüglich paßte 173 . Dem Paar-Auftritt der Zwillingsgötter in der Tanzszene schienen die zwar nah verwandten, aber nicht identischen Speerwurf-Szenen auf der linken und rechten Helmseite zu entsprechen und so die Dioskuren-Deutung zu bestätigen. Diese Bestätigung aber schien um so nachdrücklicher, als die Kampfhelfer-Rolle in weiteren Varianten der Speerwurf-Szenen des Helms Valsgärde 8 wiederkehrte. Auch dort

Fig. 17. Gürtelschnalle von Finglesham, Kent, Grab 95, nach Chadwick—Hawkes.

trug der zweite, der miniaturhafte Speerwerfer, den gleichen Götterhelm 174 . Schließlich konkretisierten Varianten wie die des nackten Speertänzers der Schnalle von Finglesham (Fig. 17), der ebenso nicht einäugig und dennoch mit dem gleichartigen Gotteshelm wiedergegeben ist 175 , daß durchaus einer der Dioskuren allein abgebildet werden konnte. Auf diese Weise war es sehr wohl gerechtfertigt, nur mit einem der Zwillinge auch das Speerwurf-Motiv der Reiterszene von Sutton Hoo (Fig. 18) zu erklären, die unverändert auf beiden Helmseiten verwendet wird, ungeachtet dessen, daß sie rechtsseitig dann gegenläufig benutzt wurde 176 . Dieselbe 173

GUNTER MÖLLER,

1968,

S.

202-217)

Germanische Tiersymbolik und Namengebung (Frühmittelalterliche Studien 2, 214f.; B R U C E - M I T F O R D (wie Anm. 138) S . 208; H A U C K (wie Anm. 5) S. 42f.;

S.

STRÖM ( w i e A n m . 2 ) S . 1 2 3 . 174

175

S. hier unsere Abb. 39, die die Auswertung von ARWIDSSON (wie Anm. 13) S. 128 mit Abb. 79, hier Fig. 23, als sekundäre Vereinfachung eines differenzierteren Befundes erweist. S O N I A C H A D W I C K H A W K E S — H . R . E m s D A V I D S O N — C R I S T O P H E R H A W K E S , The Finglesham Man (Antiquhy 39, 1965, S . 1 7 - 3 2 ) S . 18ff„ 23ff., 27ff.; P E R - O L O F R I N G Q V I S T , Tva vikingatida uppländskamänniskofigurer i brons (Fornvännen 64, 1969, S . 287—296) S . 2 8 8 f f . ; B R U C E - M I T F O R D (wie A n m . 1 3 8 ) S . 2 0 8 m i t T a f . 5 3 b ; HAUCK (wie A n m . 5 ) S . 5 2 f .

176

B R U C E - M I T F O R D (wie Anm. 1 0 ) S . 1 8 1 F F „ 186ff.; dazu grundsätzlich K R A U S (wie Anm. mit dem Hinweis auf die Häufigkeit des Einzeldioskuren.

12)

Sp.

1123

206

Karl Hauck

Erklärung ließ sich auf die Speerwurf-Szene des fast spiegelbildlichen Reiters und seines gleichfalls wie in Sutton Hoo barhäuptigen Kampfhelfers auf der GoldblechScheibenfibel von Pliezhausen (Abb. 43a und b) anwenden 177 . Denn ihre ältere Vorstufe in einem Zaumzeug-Programm als phalera-Schmuck ist nur erschlossen, und das da mögliche spiegelbildliche Pendant wird nur über einen noch weitergehenden Rückschluß erreichbar, mögen auch Waffenbilder und Zaumzeug-Zierate grundsätzlich eng miteinander verwandt sein 178 .

¡'TT;']. . ,

ÌTTTITTTTTTI'TTÌTTTTTÌTT'

Fig. 18. Das Speerwurf-Motiv von Sutton Hoo, 2 : 1, nach Bruce—Mitford.

So vieles diese Dioskuren-Interpretation der Waffentänzer sowie der Kampfhelfer in den Speerwurf-Szenen der Kammhelme erklärte, um sie vertreten zu können, wäre es besser gewesen, mehr darüber zu wissen, wie weit bereits die älteren mediterranen Analogien den uniformierten Dioskuren-Typus und den barhäuptigen kannten und ob es bereits in Südversionen die Entsprechung von Mars- und Dioskuren-Helm gegeben hat? Da wir hier im 2. Abschnitt die älteren mittel meerischen Analogien exemplarisch besprochen haben, stellt sich nun heraus, daß sich mit Beispielen wie dem aus Siliana (Abb. 14) die barhäuptig uniformierte Spiel177

HAUCK ( w i e A n m . 5 ) S . 5 1 f f . V g l . u n t e n A n m .

178

Ebd. S. 3 0 f . ; PÄR OLSEN, Die Saxe von Valsgärde. Valsgärdestudien 2 (Acta musei antiquitatum septentrionalium regiae universitatis upsaliensis 3, hg. von SUNE LINDQVIST) Kopenhagen 1945, S. 7 9 f f .

183.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

207

art oder mit Beispielen wie dem Dioskuren der Saciro-Werkstatt aus Remagen (Abb. 7) die Helm-Entsprechung zwischen dem Zwilling und dem mittelmeerischen Mars (Abb. 18) tatsächlich schon früher nachweisen läßt 1 7 9 . Schließlich waren aber in der Preßblech-Uberlieferung selbst Fragen unbeantwortet geblieben, denen man besser damals schon nachgegangen wäre. So etwa der bereits erwähnte Unterschied der Dioskuren in der Rolle von Begleitgöttern sowie in der Rolle von Hauptgöttern. Denn die Wiederkehr des Mars-Wodan-Helms von Torslunda (Abb. 40 und Fig. 12) bei den Dioskuren von Valsgärde 8 und Valsgärde 7 weist ja eher auf ihre Funktion als Boten- und Begleitgötter, aber in der Zone II des Helms Valsgärde 7 könnte man sie möglicherweise als Hauptgötter verstehen. Da sie den eigentlichen Gegenstand meiner Analyse von 1977/78 darstellten, wurde ich nicht darauf aufmerksam, daß sie auch auf Valsgärde 7 und 8 als Gottheiten geringeren Ranges einzustufen sind 1 8 0 . Zu der Blindheit in dieser Frage trug auch bei, daß die Auswertung der Waffentanz-Szene von Valsgärde 7 durch Greta Arwidsson (Fig. 19) die von den Zwillingen umtanzten Speere in ihren Befundresten noch nicht erkannt hatte, obwohl das Tänzer-Motiv des Sutton Hoo-Helms (Fig. 20) darauf hinwies. Daß in Wirklichkeit auch das Zwillingspaar von Valsgärde 7 gleichfalls solche Speere umtanzte, hatte ich bereits bei meiner ersten Untersuchung des Originals vor über zwanzig Jahren in Erfahrung gebracht, ohne daß ich 1977 diese älteren Aufzeichnungen heranzog. Denn nun folgte ich zuerst ganz der Auswertung von Greta Arwidsson in ihrer endlich vorgelegten Veröffentlichung von Valsgärde 7. Wie folgenreich allein schon diese eine Auswertungslücke ist, wird daran ermeßbar, daß die Speerblatt-Form der Götterlanzen von Torslunda (Abb. 40 und Fig. 12) bei den Waffentänzern von Sutton Hoo (Fig. 20) ebenso wiederkehrt wie der so erstaunliche Gotteshelm. Spricht man aber davon, daß die Dioskuren den Götterhelm tragen, so ist es folgerichtig, ihnen auch den Gebrauch von spezifischen Götterlanzen zuzuerkennen. Umtanzen sie aber derartige Speere, so ist das nicht bloß eine Mut- und Geschicklichkeitsprobe, sondern so etwas wie Waffenverehrung. Dieser Form der Waffenverehrung in der Tänzerszene entspricht aber auch die besondere Bewandtnis, die es mit der Lanze in den genannten Wurfszenen hat; denn dort wird ja die Waffe nicht von dem Reiter allein, sondern vielmehr mit der Unterstützung durch den zweiten Werfer, den Dioskuren, geschleudert. In den Valsgärde-Versionen unterscheidet sich der eigene kleine Speer des Dioskuren von dem großen, den er zusammen mit dem Reiter wirft, deutlich selbst dann noch, wenn die Befunde nur bruchstückhaft (Fig. 21) erreichbar sind. Das legt die Frage nahe, ob der Dioskur nicht dem Reiter eben einen jener Gottesspeere überbracht hat, den er zusammen mit seinem Zwillingsbruder vorher umtanzte 181 . Daß diese Frage guten Sinn hat, ist zwar grundsätzlich einsichtig, aber deswegen nicht so leicht erweisbar, weil wir die Reiter-Speere in der Regel nur fragmentarisch kennen und zudem nicht in kritisch edierten Versionen, die derartig hohen Ansprüchen gerecht werden. Daß dieser strenge Anspruch unentbehrlich ist, erweist die Wiederholung dieser Speerblattform, wenngleich dort mit Zierknöpfen, 179 ygi oben nach Anm. 41 und 55. 180

S. dazu unten nach Anm. 310.

181

S. unten nach Anm. 280.

208

Karl Hauck

Fig. 19. Das Tänzer-Motiv von Valsgärde 7, 2 : 1 , nach Arwidsson.

auf der Torslundaplatte mit den Eberhelm-Trägern (Abb. 42) 182 , aber auch durch das Gold von Pliezhausen (Abb. 43 a und b), Landkreis Tübingen, obwohl dort die eigentliche Speerspitze eine Sonderform hat. Die Einwände, die gegen die Auffassung jenes Pliezhausen-Speerblattes in den letzten fünfzehn Jahren geltend gemacht worden sind, beruhen auf Spekulationen und Mißverständnissen und lassen sich um so leichter zurückweisen, als die von mir 1956 vorgeschlagene Lesung z. B. vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz zur Kommentierung der ausgestellten Abformung der Scheibenfibel übernommen wurde 183 . So bezeichnend 182

183

BRUCE-MITFORD

(wie A n m . 138) T a f . 5 9 b ;

HAUCK

( w i e A n m . 5) S . 34FF. m i t

A b b . 17;

zum

Editionsstand vgl. unten nach Anm. 197. Spekulativ ist der Einwand von P E T E R P A U L S E N , Alamannische Adelsgräber von Niederstotzingen (Veröffentlichungen des staatlichen Amtes für Denkmalspflege Stuttgart. Reihe A: Vor- und Frühgeschichte, hg. von H A R A L D Z Ü K N , 12,1) Stuttgart 1967, S. 110 mit Abb. 56, dessen Abbildung übernahm R A I N E R C H R I S T L E I N , Die Alamannen, Stuttgart—Aalen 1978, S. 113 mit Abb. 90 (versehentlich seitenverkehrt). Unglücklich argumentiert ohne Rest- und Feinbefunde G U N T H E R H A S E L O F F , Kunststile des Frühen Mittelalters, dargestellt an Funden des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart, Waiblingen 1979, S. 77ff. mit Abb. 46b, dessen Zeichnung übernahm H E L M U T H R O T H , Kunst der Völkerwanderungszeit (Propyläen Kunstgeschichte. Supplementband 4) Frankfurt/M.—Berlin—Wien 1979, S. 77f. mit Fig. 9. Vgl. jedoch dagegen K U R T B Ö H N E R — D E T L E V E L L M E R S — K O N R A D W E I D E MANN, Das frühe Mittelalter (Führer durch das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz 1) Mainz 1970, S. 142; R U D O L F M O O S B R U G G E R - L E U , Die Schweiz zur Merowingerzeit A (Handbuch der Schweiz zur Römer-und Merowingerzeit, hg. von A N D R E A S A L F Ö L D I ) Bern 1971, S. 118; H A U C K (wie Anm. 1, XX) Anhang 3.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

209

Fig. 20. Das Tänzer-Motiv von Sutton Hoo, 2 : 1 , nach Bruce—Mitford.

diese Form des Lanzenblatts für die Erkenntnis des Götterspeers in der Hand der heroisierten Reiter der genannten Szenen ist, man wird auch hier immerhin mit Varianten rechnen, wie wir eine bereits bei den Goldbrakteaten mit WiderhakenSpielarten des Speerblatts der Götterlanze (Abb. 30a sowie 31a) kennenlernten. Die hier skizzierten Einsichten, die über die Beobachtungen von 1977/78 hinausführen, reiften auf ganz unterschiedlichen Wegen heran: Zum ersten wurde ich auf sie durch die zwar erheblich älteren, aber ungeachtet dessen doch bedeutsamen mediterranen Analogien aufmerksam, die oben im Abschnitt 2 in einer Auswahl dargeboten werden. Dabei kam mir vor allem sowohl der überaus nützliche Katalog von Jochen Garbsch zu den kaiserzeitlichen Paraderüstungen zustatten wie die großzügige und gediegene Edition der Antiken Gemmen in Deutschen Sammlungen 184 . Zum anderen stellte sich, wie gesagt, heraus, daß die Veröffentlichungen der figuralen Preßbleche aus den Aristokratengräbern Valsgärde 7 und 8 1 8 S sich bei beiden Helmen entscheidend um ganze Motive ergänzen lassen. Begünstigt wurde diese neue Auswertung durch die neuerliche Restauration der Helme im RömischGermanischen Zentralmuseum in Mainz und durch die Bereitschaft der Museumsleitung, mir mit Originalphotos zu helfen 186 . Die Untersuchungen der Originale in 184

GARBSCH (wie Anm. 9); A G D S (wie Anm. 45f.).

185

ARWIDSSON ( w i e A n m . 7 u n d

13).

186 Auch an dieser Stelle möchte ich Kurt Böhner, Gisela Clauß und Konrad Weidemann für die vielfältige und effektive Hilfe und Gastfreundschaft nachdrücklich danken.

210

Karl Hauck

Fig. 21. Das Speerwurf-Motiv D 2 von Valsgärde 7, 2 : 1, nach Arwidsson, 1980.

Mainz sowie die Auswertung dieser Aufnahmen und nicht zuletzt der LatexAbformungen der wichtigsten Fragmentserien des Helms Valsgärde 8, die ich dem Universitätsmuseum in Uppsala noch aus Jahren verdanke, als es Marten Stenberger leitete 187 , sind benutzt, um die einschlägigen Bildmodeln in Zeichnungen zu rekonstruieren. Ihre Uberlieferungsgrundlagen werden im Abschnitt 6 in den Anhängen 1 bis 3 mit den erforderlichen Photographien dokumentiert. Drittens aber verstand ich jetzt erst, daß die Epiphanieschilderungen aus Altuppsala selbst, wo wir von ihnen freilich nur durch Fragmente aus dem Osthügel wissen 188 , und aus seinem Umland, vor allem im nahen Valsgärde (Fig. 1), ähnlich templum in der Vendelzeit werben 189 , wie die Tempelfür das nobilissimum gründungen auf dem Forum Romanum immer wieder von den von bestimmten Göttern verliehenen Siegen künden 190 . Dabei wurde von den einschlägigen Wort187 188

Angefertigt hat sie Allan Fridell; sie sind noch immer verwendbar. SUNE LINDQVIST, Uppsala Högar och Ottarshögen, Stockholm 1936, S. 171ff. mit Fig. 89 und 90a; NILS ÄBERG, Uppsala Högars Datering (Fornvännen 42, 1947, S. 2 5 7 - 2 8 9 ) S. 2 7 8 f f . ; BRUCEMITFORD (wie A n m . 1 0 ) S. 2 0 5 f f . ; HAUCK (wie A n m . 1, X X ) A n h a n g 4 .

189 190

Dazu HAUCK (wie Anm. 1, XX) nach Anm. 318 sowie grundsätzlich SPEYER (wie Anm. 33) S. 56. GEORG ROHDE, Die Bedeutung der Tempelgründungen im Staatsleben der Römer, Marburg 1932; SPEYER ( w i e A n m . 3 3 ) S. 7 0 f f .

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

211

Zeugnissen auf den Zusammenhang von Siegesopfern und göttlichem Beistand durch den Mars von Altuppsala Wodan-Odin hingewiesen 191 . Dadurch wurde ich darauf aufmerksam, daß der Gegenstand, der das eigentliche Unterpfand der Gegenwart des himmlischen Sieghelfers darstellte, jener Speer war, den jeweils nicht bloß die zentrale Reitergestalt schleuderte, sondern vielmehr auch zumindest der Dioskur als Bote des Mars-Wodan 1 9 2 . Ja, in einigen Fällen erscheint der Gott in uppländischen Bildern selbst in Vogelgestalt oder auf dem Kontinent als pars pro toto, als Vogelkopf, um den sieg- und todbringenden Speerwurf zu steuern 1 9 3 . Diese Propagierung der heilbringenden Kampfhilfen des Kriegs- und Totengottes in den Speerwurf-Szenen der Altuppsala-Kammhelme entstand aber unter der Herrschaft einer Dynastie, deren Könige bereits im 9. Jahrhundert als Hüter des Tempelaltars gerühmt werden konnten 1 9 4 . D e r E r k e n n t n i s z u w a c h s auf diesen verschiedenen Argumentationsebenen war so umfassend, daß es zweckmäßig war, ihn auf drei Studien aufzuteilen, die alle drei gleichzeitig der G ö t t e r b i l d - I k o n o l o g i e der Goldbrakteaten dienen. Die erste hier vorliegende befaßt sich daher mit der dioskurischen Waffentänzerszene von Valsgärde 7, von der, wie gesagt, ebenso wie in Ostanglien (Fig. 20), gleichfalls umtanzte Speere überliefert werden 1 9 5 , und vor allem mit den dioskurischen Speerwurf-Szenen der Helme aus Sutton H o o , Valsgärde 7 und 8. Wegen der zur Neuedition benötigten Photo-Serien mustern wir hier allein diese Stirnbilder mit den Waffentänzer-Zwillingen sowie die Speerwurf-Szenen der rechten Helmseiten. U m ihrer Eigenart willen war es sinnvoll, gerade bei der Musterung von ihnen auf die Dioskuren-Problematik näher einzugehen. Infolgedessen wird hier von den entsprechenden Bildern der linken Helmhälften nur ein Vorbericht gegeben. Umgekehrt wird dann in der Parallelstudie, die sich mit den linken Helmseiten und den Fragmenten aus dem Osthügel von Altuppsala befaßt, nur kurz über die rechten Helmseiten berichtet. Dafür ist dort die volle Aufmerksamkeit konzentriert auf die menschen- und vogelgestaltige Ikonographie des Mars-Wodan von Altuppsala. Dieser Brennpunkt des Interesses führte dazu, dort auch die goldene Scheibenfibel von Pliezhausen eingehend zu berücksichtigen 196 . D a man aber glaubte, den Gottesspeer, den die Dioskuren den von dem Mars-Wodan erwählten Geweihten übermitteln, auf der Erde durch entsprechende Siegesopfer erhalten zu können, beschäftigt sich die dritte einschlägige Untersuchung mit jenen Opfervollzügen, die das Bündnis zwischen der Gottheit und den Menschen stiften, erhalten und erneuern 1 9 7 . b) Die neue Auswertung der Speerwurf-Szenen von Valsgärde 8 Bevor wir uns mit der Auswertung der Dioskuren-Bilder in den SpeerwurfSzenen des Helms Valsgärde 8 näher befassen, müssen wir ausführlicher auf den 191

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) nach A n m . 76 u n d 180.

192

Ebd. nach Anm. 204. Ebd. nach Anm. 219.

193 194

E b d . v o r u n d in A n m . 3 1 9 s o w i e STRÖM (wie A n m . 2) S. 2 7 1 .

195

S. unten Anhang 3.

196

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) A n h a n g 3.

197

HAUCK (wie A n m . 1, X I X ) 3. A b s c h n i t t .

212

Karl H a u c k

bisherigen S t a n d der B i l d e d i t i o n und auf die Möglichkeiten, darüber hinaus zu gelangen, eingehen. Denn eine im ganzen überzeugende Auswertung der fragmentarisch erhaltenen Bild-Motive besitzen wir allein von dem Königshelm von Sutton Hoo. Die zwei uns von diesem Helm vollständiger zugänglichen Bildmotive (Abb. 38 und 41) 1 9 8 fördern beide das Dioskuren-Thema. Die T ä n z e r s z e n e , die auf der Stirnseite und auf den Wangenklappen montiert gewesen ist 1 9 9 , bildet das Dioskuren-Paar mit einem der Mars-Wodan-Helme (Abb. 38 und Fig. 20) ab, der für den Norden typisch wurde, auch wenn er sich von antiken Vorlagen herleitet 200 . Mit diesem behelmten Dioskuren-Typus des Motivs 1 zusammen wird beim Motiv 2, der S p e e r w u r f - S z e n e (Abb. 41 und Fig. 18), ein barhäuptiger Dioskur rings um den Helm und auch auf den Scheitelbändern wiederholt 201 . Diese auffallende Ungleichheit, die das Verständnis erschwert, wird von der Kostbarkeit der Model verursacht und kommt daher etwa auf dem Helm aus Vendel XIV ganz ähnlich vor 2 0 2 . Die Speerwurf-Szene hat auf dem ostanglischen Helm drei Figuren: 1. Auf einem großen Pferd den den Speer werfenden Reiter im Bildzentrum; 2. den barhäuptigen Dioskuren in Verdoppelung des Wurf-Themas gleichfalls als Schleuderer des einen gemeinsamen Speers;

Fig. 22. Das vermeintliche eine Bildmotiv der rechten Helmseite von Valsgärde 8, 2 : 1, nach Arwidsson.

198

BRUCE-MITFORD (wie A n m . 10) S. 181ff., 197ff.

199

Ebd. S. 186ff.

200

Auf diese Vorgeschichte hoffe ich anderwärts zurückzukommen.

201

BRUCE-MITFORD (wie A n m . 10) S. 181ff., 190ff.

2 0 2

H A U C K ( w i e A n m . 5) S . 34 f.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

213

3. den sich am Boden liegend bewegenden Gegner, der dem Pferd sein Schwert in die Brust stößt 203 . Diese dreifigurige Gruppe veranschaulicht uns, wie das Motiv aussah, das eigentlich für eine linke Helmseite bestimmt war, hier aber dessen ungeachtet auch auf der rechten Helmseite weiter benutzt wird, womit wir nochmals einen Fingerzeig auf die Stanzen als schwer erreichbare Rarität erhalten. Die goldene PreßblechScheibenfibel aus Pliezhausen, Landkreis Tübingen, konkretisiert mit ihrem Reiterbild (Abb. 43a und b), wie die dreifigurige Version auf der anderen Helmseite hätte gestaltet sein können, denn der Reiter und der mit ihm zusammen den Speer werfende barhäuptige Dioskur werden nun in Seitenansicht von rechts gezeigt 204 . Bei der Auswertung jenes weichen und stark abgewetzten Goldes der Scheibenfibel mit seinen überaus zahlreichen Rest- und Feinbefunden setzt die parallele weitgehend spiegelbildliche Uberlieferung aus Sutton Hoo die Maßstäbe für das, was eine Rekonstruktion des Bildmodels erreichen kann 205 . Neben der englischen Edition des Sutton Hoo-Helms bieten die Materialvorlagen der Bilderfolgen aus den Valsgärdegräbern einen mehrere Jahrzehnte älteren Forschungsstand. In dieser älteren Phase erschien es noch fast selbstver-

Fig. 23. Das vermeintliche eine Bildmotiv der linken Helmseite von Valsgärde 8, 2 : 1, nach Arwidsson.

203

204 205

Unglücklich Anm. 10) S. HAUCK (wie HAUCK (wie

ist seine Charakterisierung als gefallener Krieger, so zuletzt BRUCE-MITFORD (wie 190; s. unten nach Anm. 237. Anm. 5) S. 3 0 f f „ 51ff. Anm. 1, XX) Anhang 3.

214

Karl Hauck

ständlich, beim Helm Valsgärde 8 von den Bildmotiven überhaupt n u r Rekonstruktions-Zeichnungen zu veröffentlichen und nicht ein einziges Original-Photo 206 . So blieb bis heute unentdeckt, daß sich auf dem Helm nicht bloß zwei, sondern insgesamt vier verschiedene Motive erhalten haben. Außerdem lassen sich die Lesungen von Greta Arwidsson und ihrer Zeichnerin Ingrid Dahlen (Fig. 22 und 23) noch ergänzen und verbessern 207 . Daß die Entdeckung der weiteren Motive seit der Ausgrabung 1936 über vierzig Jahre dauerte, hängt nicht bloß mit der schweren Lesbarkeit zusammen, sondern auch damit, daß der Mensch des 20. Jahrhunderts nicht so nah miteinander verwandte Varianten unmittelbar nebeneinander erwartet, wie sie sich, sehe ich recht, aus dem Dioskuren-Thema ergeben haben, das man an dieser Stelle nicht vermutete. Alle vier Motive sind vierfigurige Spielarten des gleichen Themas, das wir aus Sutton Hoo (Abb. 41 und Fig. 18) und Pliezhausen (Abb. 43 a und b) in dreifigurigen Versionen kennen. Die auf den Speerwurf-Versionen des Helms Valsgärde 8 neu hinzugekommene vierte Figur tritt als Zügelführer des Reiters auf. Sie veranschaulicht in dieser Marschall-Rolle dessen herrscherlichen Rang. Durch das Speerwurf-Motiv des Eberhelm-Reiters aus Vendel I (Fig. 24) kannte man diese Strator-Rolle, die mediterrane Vorbilder abwandelt, allerdings schon seit langem 208 .

Fig. 24. Speerwurf des Reiters mit Eberhelm von der rechten Helmseite von Vendel I, 2 : 1, nach Hauck.

206 A R W I D S S O N ( w i e A n m . 207 208

13) A b b . 78 u n d

79.

S. unten Anhang 1. S. etwa KANTOROWICZ (wie Anm. 63), aber auch unten Anm. 242.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

215

Es ist nun von den neuen Einsichten kurz zu berichten, die sich bei jetzigen A u s w e r t u n g e n d e r l i n k e n H e l m s e i t e ergeben. Daß die linksseitigen Bilderfolgen ausführlicher in der Parallel-Veröffentlichung untersucht werden, ist bereits angedeutet 209 . Wir behalten bei unseren Darlegungen im einzelnen das Verfahren von Greta Arwidsson bei, die Bildfelder vom Nacken des Helms her zu zählen 210 . Wenn sich unsere Auswertungsergebnisse von denen der schwedischen Archäologin unterscheiden, die sie noch im Jahr 1980 (Fig. 25) wiederholt hat 211 , so ist die andere Auffassung in der Parallel-Veröffentlichung mit Originalphotos von allen wichtigeren Bruchstücken Feld für Feld dokumentiert. Diese Dokumentation wird hier nicht wiederholt, sondern vielmehr allein das Ergebnis in Form jener Zeichnungen, die als Rekonstruktions-Skizzen der von uns erreichten Details des einstigen Bildmodels zu verstehen sind 212 . Beim M o t i v L1 der linken Seite von Valsgärde 8 wird das Rekonstruktiansergebnis in Fig. 26 mitgeteilt. Photographisch objektiviert wird hier nur der Schlüsselbefund des zweiten kleinen Speerwerfers hinter dem großen und behelmten Reiterhaupt. Das Detailphoto zeigt den Originalbefund im Feld 11,3 (Abb. 39). Es vermittelt authentisch eine Anschauung davon, wie mühselig die Lesung ist. Zum Erfolg führt sie nur bei zäher Geduld und bei der Zerlegung des Lesevorgangs in kleine Schritte. Denn die hier verwendete schräge Beleuchtung verdunkelt fast ebensoviel, wie sie erhellt. Erst mit einer Photo-Serie ließe sich das noch anders meistern 213 . Da wir hier zu L I auf diese Reihe bewußt verzichten, heben wir aus dem damit Erreichten hervor: Die Aufnahme bietet Anhaltspunkte für die Objektivierung der Hand des Dioskuren, die den großen gemeinsamen Speer mit dem Reiter zusammen schleudert. Vor allem aber bestätigt dies Photo, wenn auch in ungleicher Deutlichkeit, die Wiederkehr der Tierköpfe, die die gebogenen Helmaufsätze des Dioskuren in der gleichen Weise bekrönen wie bei dem einäugigen Mars-Wodan von Torslunda (Abb. 40 und Fig. 12). Trotz der Miniaturgröße wiederholte das Dioskuren-Bild beim Helm alle Einzelheiten bis auf die spitzen Zipfel links und rechts der Schläfe 214 . Ähnlich kehren wieder die Gürtung und die Form des Speerblattes wenigstens bei der eigenen kleinen Lanze des Dioskuren 215 . Nicht vollständig rekonstruieren läßt sich dagegen das Speerblatt der großen vom Reiter und dem Dioskuren gemeinsam geworfenen Waffe. Wir werden daher zu überlegen haben, da wir auf dieselbe Lücke durch Zerstörung auch bei den Speerblättern der rechten Helmseite stoßen, wie wir dies Wissensdefizit überwinden können 216 . Auf der linken Helmseite von Valsgärde 8, die der Helmkamm von den Preßblech-Folgen der rechten Seite abgrenzt, wiederholen in den Zonen II, III und IV

209

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) A n h a n g 1.

So ARWIDSSON (wie Anm. 7) S. 23 mit Abb. 25 und 26. Das Verfahren für Valsgärde 8 zu ändern, würde zu zwei verschiedenen Zählweisen führen. 2 1 1 Vendeltid (wie Anm. 7, 1980) S. 45ff., 58f. 2 1 2 Es handelt sich also nicht nur um Auswertungszeichnungen der einzelnen Befunde, auch wenn, dem Vorbericht gemäß, als Mitteilungsform die der Skizze gewählt ist. 2 1 3 Sie werden hier zum Motiv 2 von Anhang 1 sowie in den Anhängen 2 und 3 verwendet. 2 1 4 Sie kehren auch auf den Bildblechen mit den Waffentänzer-Paaren bei den Helmen von Sutton Hoo (Fig. 20) und Valsgärde 7 (Fig. 41) wieder. 2 1 5 Die lange Stange bei ARWIDSSON (wie Anm. 13) Abb. 79, hier Fig. 23 und 25, ist ein Mißverständnis. 216 Vgl u n t e n n a c h Anm. 280. 210

216

Karl H a u c k

Fig. 25. Speerwurf des Reiters, Motiv 1, der linken Helmseite von Valsgärde 8, 2 : 1, nach Arwidsson, 1980.

fast alle Bilder eben dieses Motiv L I , so ungleiche Bruchstücke sich davon in den einzelnen Bildfeldern erhalten haben. Eine Sonderstellung hat nur das Feld L I I , 6 über der Stirn inne. Zwar kehrt auch bei ihm die vierfigurige Gruppe in der gleichen Weise wieder, jedoch erscheint vor der Speerhand des Reiters in der SpeerwurfRichtung ein Raubvogel (Fig. 27), dessen sichtbarer Fang den Speerschaft umklammert 217 . So eng verwandt diese erweiterte Variante mit dem Motiv 1 auch sein mag, sie ist nicht mit ihm identisch. Denn in der erweiterten Version erscheint da über der Reiterhand die Schwanzspitze des Vogels, wo sich in der einfacheren Spielart (Fig. 26) der Schnabel des Raubvogelhelms von dem Reiter befindet. Daher bezeichne ich die erweiterte Version als M o t i v L 2 (Fig. 27). Leider ist der Helmzierat des Reiters bei dem Motiv L 2 stärker zerstört, das nur von diesem einen Feld L 11,6 bezeugt ist. Diese Lücke macht ermeßbar, was es bedeutet, daß wir das Motiv L 1 durch sein Repetieren in zahlreichen Bildfeldern aus verschiedenen Fragmenten zusammensetzen können. Jedoch weist noch die über dem Reiternacken aufsteigende Kammlinie beim Feld L I I , 6 darauf hin, daß der Reiter auch beim Motiv L 2 mit einem Raubvogelhelm abgebildet gewesen ist. Der von dem 217

Zur Sonderstellung der Felder über dem Augenschutz grundsätzlich ARWIDSSON (wie A n m . 7 ) S . 2 3 f . ; vgl. auch DIES, (wie A n m .

13) S. 2 3 .

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

217

(1 !i •

sA> ©TJminnfTinrTm^ Fig. 26. Speerwurf des Reiters mit Raubvogelhelm, Motiv 1, der linken Helmseite von Valsgärde 8, (= L 1.), 2 : 1 .

Raubvogel geleitete Speerwurf ist seit der neuen Rekonstruktion des Helms Vendel I durch Sune Lindqvist bereits bekannt 218 . Dort begegnet er allerdings bei einem Reiter mit einer Eberhelmzier (Fig. 24), dessen Bilder sich auf der rechten Helmseite befinden 219 . Das Motiv L 2 von Valsgärde 8 (Fig. 27) hat aber auch formale Analogien. Denn die Felder über der Stirn haben ebenso bei anderen uppländischen Helmen mit ihren Bildern, soweit wir sie vollständiger kennen, eine Sonderstellung inne, so beim Helm: Vendel I durch den Untierkampf 220 , so bei Vendel XIV durch die Zweikampf-Szene 221 , so bei Valsgärde 7 in den Zonen II und III durch die Waffentänzer- und durch die Bärenkampf-Szene 222 . Ihnen reiht sich nun der Helm Valsgärde 8 unter diesem Gesichtspunkt deswegen unmittelbar an, weil bei ihm die gleiche Motiv-Verknüpfung, die das Feld über der 218

LINDQVIST ( w i e A N M . 2 6 ) .

219

H A U C K ( w i e A n m . 5 ) S. 4 7 m i t A b b . 2 6 u n d 2 7 .

220

H A U C K ( w i e A n m . 5 ) A b b . 11 b i s 13.

221

Ebd. Abb. 5 a, b und c.

222

ARWIDSSON ( w i e A n m . 7) S . 2 3 f .

218

Karl H a u c k

Fig. 27. Speerwurf des Reiters, Motiv 2, der linken Helmseite von Valsgärde 8 (um den R a u b v o g e l , der den Speer steuert, erweiterte Fassung von Motiv 1) ( = L 2), 2 : 1.

Stirn besonders wichtig nimmt, zu treffen ist. Wird auf der linken Seite L 11,6 besonders hervorgehoben, so nun dementsprechend auf der rechten Seite R 11,6. Wir vergegenwärtigen uns das jetzt im einzelnen, da ja die rechtsseitige Bilderfolge von Valsgärde 8 hier neu ediert wird 2 2 3 . Wie linksseitig auf Valsgärde 8 oberhalb der ornamentalen Zone I (Fig. 31) bis auf das Feld L 11,6 nur das Motiv L 1 wiederholt wird, so kehrt auf der r e c h t e n H e l m s e i t e gleichfalls von der Zone II an unausgesetzt mit Ausnahme von R 11,6 das M o t i v R 1 wieder. Auch dies Motiv R 1 variiert das Speerwurf-Thema der Reiterszenen mit den vier Figuren, die uns von dem Formular der Motive L 1 (Fig. 26) und 2 (Fig. 27) bereits vertraut sind. Das heißt, auch hier ist die dreifigurige Grundkonzeption, die wir seitengleich von der goldenen Scheibenfibel aus Pliezhausen (Abb. 43 a und b) kennen, um den Zügelführer als vierte menschliche Gestalt erweitert, so wie auf der linken Helmseite dieselbe Anreicherung (Fig. 26) gegenüber der seitengleichen Speerwurf-Szene von Sutton Hoo (Abb. 41 und Fig. 18) zu treffen ist. In einer Ubersicht fassen wir, um die Aussage des Motivs R 1 besser und 223

D e m A n h a n g 1 bei HAUCK (wie A n m . 1, X X ) für die linke Helmseite entspricht hier der A n h a n g 1 für die rechte Helmseite.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

219

Fig. 28. Speerwurf des Reiters mit Eberhelm, Motiv 1, der rechten Helmseite von Valsgärde 8 ( = R 1), 2 : 1.

tiefer verstehen zu können, die Abweichungen und Spielarten, vornehmlich mit Hilfe der zeichnerischen Rekonstruktion des Bildmodels (Fig. 28), die im A n h a n g 1 ausführlich mit den überlieferten Fragmenten besprochen wird, so zusammen: 1. Beim großen Pferd und dem Reiter (Fig. 28) unterscheiden sich beim V i e r b e i n e r vor allem die beiden Vorderhände in ihrer Haltungsformel, da der Angriff auf das Tier nicht in gleicher Weise wiederholt wird. Denn durch die unterschiedliche Gestaltung der Bedrohung des Pferdes ergeben sich Varianten der Beinstellung. Wie in Pliezhausen (Fig. 43a und b) fehlt dem R e i t e r das Schwert, das bei den Motiven L 1 (Fig. 26) und 2 (Fig. 27) ebenso zu treffen ist wie in der SpeerwurfSzene von Sutton Hoo (Fig. 18). Einheitlich kehrt in allen Spielarten zum einen der kleine R u n d s c h i l d wieder, den wir aus skandinavischen Funden so nicht kennen 224 , zum anderen der Speer, der uns besonders interessiert. Gegenüber dem Reiter mit den wehenden Locken von Pliezhausen (Abb. 43 b) 2 2 5 trägt der Reiter beim Motiv R 2 von Valsgärde 8 einen H e l m . Dabei handelt es sich bemerkenswerterweise nicht um den Raubvogelhelm der Motive L 1 (Fig. 26) und L 2 (Fig. 27, Restbefund!), sondern um einen Eberhelm. Am besten bezeugt ihn das Feld R II, 2 (Abb. 55 und Fig. 47), aber auch auf weiteren Feldern treffen wir auf Reste von ihm 2 2 6 . Der Eber224 225

Freundlicher Hinweis von Konrad Weidemann. Der entsprechende Befund bei der Sutton Hoo-Speerwurf-Szene (Fig. 18) ist verloren; BRUCEMITFORD (wie A n m . 10) S . 1 9 0 f f . mit F i g . 143.

226

S. dazu im einzelnen unten Anhang 1.

220

Karl Hauck

typus steht den Spielarten von Valsgärde 7 (Fig. 37 und 39) am nächsten, auf die wir unten zu sprechen kommen 227 . Nicht übergangen werden darf der B o r t e n m a n t e l , der regelmäßig in Verbindung mit den H a n d s c h u h e n auftaucht 228 . Denn Ledermäntel lassen sich ähnlich als Schutzwaffe ansehen, wie Panzer-Spielarten 229 . Der große S p e e r , den der Reiter zusammen mit dem Dioskuren schleudert, ist bei R 1 (Fig. 28) noch unvollständiger erhalten als bei L 1 (Fig. 26) und L 2 (Fig. 27), wo wir die Spitze und wenigstens den Beginn des Speerblatts mit seinem Mittelgrat hinter den Zierknöpfen der Tülle ausmachen können 230 . 2. D e r z w e i t e S p e e r w e r f e r , der wie der Reiter seine linke Hand zum großen Lanzenschaft erhebt, ist beim Motiv R 1 (Fig. 28) nur im Umriß erhalten 231 . Für die Auswertung hilft uns daher entscheidend die Tatsache, daß wir sein spiegelbildliches Pendant beim Motiv L 1 (Abb. 39 und Fig. 26) fast vollständig rekonstruieren können 232 . Das ermöglicht es uns davon zu sprechen, daß die Helmform des zweiten Speerwerfers dem Götterhelm geglichen hat, dessen Schlüssel-Zeugnis der schon oft genannte Mars-Wodan von Torslunda (Abb. 40 und Fig. 12) bietet 233 . Der behelmten Version des Reiters beim Motiv R 1 von Valsgärde 8 (Fig. 28) entspricht also die behelmte Version des zweiten Speerwerfers 234 . Sie korrespondiert daher sehr wohl mit dem behelmten Zwillingspaar von Sutton Hoo (Abb. 38 und Fig. 20), jedoch nicht mit den barhäuptigen zweiten Speerwerfern der Reiter-Szenen von Pliezhausen (Abb. 43) und Sutton Hoo (Abb. 41 und Fig. 18). Zu den Unterschieden rechnet auch, daß anders als bei jenen Versionen beim Motiv R 1 der Dioskur keinen Rundschild in seiner Rechten hält, sondern einen seiner Miniaturgröße gemäßen kleinen Speer, der sich um so deutlicher von der großen mit dem Reiter gemeinsam geworfenen Lanze abgehoben haben muß, solange sie noch unversehrt war. Schließlich ist beim Motiv R 1 noch von den Restbefunden der B o r t e n auch beim zweiten Speerwerfer Notiz zu nehmen, zumal sich ihre Spuren selbst auf dem Gold von Pliezhausen identifizieren ließen 235 . Zu ihnen kann aber in diesem Fall nur ein kurzer Kittel, wie ihn Bruce-Mitford rekonstruiert hat, jedoch kein Mantel gehören 236 . 3. D e r sich auf dem Rücken liegend bewegende G e g n e r des R e i t e r s ist zwar durch seine Lage benachteiligt, aber zugleich erstaunlich angriffslustig. So hat man mit guten Gründen an eine für Reiterverbände gefährliche Angriffstaktik von germanischen Fußkämpfern erinnert, die ein Fachmann wie Ammianus Marcellinus

227 228

229 230

231 232

233 234 235

236

S. unten nach Anra. 265. Diese Regel ist allerdings nicht umkehrbar, wie der dioskurische Kampfhelfer von Sutton Hoo (Fig. 18) verdeutlicht, um nur ihn zu nennen. R O B I N S O N (wie Anm. 9 ) S . 145ff.; B R U C E - M I T F O R D (wie Anm. 10) S . 238f. H A U C K (wie Anm. 1, XX) Anhang 1. Selbst die Oberfläche ist stärker reduziert. Auf die ältere Auswertung von A R W I D S S O N (wie Anm. 13) mit Abb. 79 wird grundsätzlich mit Fig. 23 verwiesen, ohne daß jedes Mal dazu Stellung genommen wird. Vgl. oben Anm. 214. Zu den Versionen ohne Helme H A U C K (wie Anm. 5) S. 33 ff. H A U C K (wie Anm. 1 , X X ) Anhang 3 . Vgl. oben Anm. 228.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

221

überliefert 237 , um die Bedrängnis des heroisierten Reiters voll ermeßbar zu machen. Während dieser Liegende, den man besser nicht als Gefallenen bezeichnet 238 , in den Varianten von Sutton Hoo (Abb. 41 und Fig. 18) und Pliezhausen (Abb. 43b) in einem Mantel mit Schutzhülle zu sehen ist 2 3 9 , fehlen beim Motiv R 1 (Fig. 28) sichere Anhaltspunkte für eine solche Hülle. Jedoch sind der ( L e d e r - ) M a n t e l mit seinen B o r t e n und entsprechende H a n d s c h u h - S t u l p e sicher. Bei Sutton Hoo (Abb. 41 und Fig. 18) und Pliezhausen (Abb. 43b) stößt der Liegende dem großen Pferd sein Schwert in den Bug, während er mit der anderen Hand in den Zügel greift. Die Valsgärde-Motive variieren und differenzieren das Thema in einer Weise, die ganz ähnlich die Kampfnot und die Bedrängnis des Reiters schildert. Am dramatischsten ist das beim Motiv L 1 (Fig. 26) verwirklicht, wenn dort die linke Hand des Angreifers den einen Pferdehuf abzuwehren versucht 240 und gleichzeitig die Rechte dem Vierbeiner das Schwert in den Bauch rennt. Das Motiv R 1 (Fig. 28) variiert die Abwehr-Perspektive mit dem R u n d s c h i l d in der Linken des Liegenden (Abb. 51 und 54), den Angriff mit dem von der Rechten gegen die Pferdebrust geschwungenen S c h w e r t . Gerade dieses Detail ist in seinen trümmerhaften Resten durch die analoge vierfigurige Speerwurf-Szene von Valsgärde 7 (Fig. 37) besser verständlich, auf die wir unten näher eingehen 241 . Wohl versinnbildlicht das gegen die Pferde-Brust geschwungene Schwert durchaus das wechselvolle Kampfgeschehen und die Bedrohung des Reiters. Noch unmittelbarer tritt sie allerdings beim Motiv L 1 (Fig. 26) in Erscheinung, da dort der Reitersturz unvermeidlich geworden ist. 4. Die Hinzufügung des Zügelführers als vierter Gestalt kennzeichnet, wie gesagt, den hohen Rang des Reiters, der den Speer wirft. Dieser 'Marschall' ist mit dem Speer bewaffnet und von einem mit Borten besetzten Mantel geschützt 242 . Vollständiger blieb die Gestalt auf dem oben schon genannten analogen Motiv von Valsgärde 7 (Fig. 37) erreichbar. Der Zügelführer erscheint am vollständigsten auf der spiegelbildlichen Version vom Motiv L 1 (Fig. 26) bei Valsgärde 8 2 4 3 . Wie die linke Seite des Helms Valsgärde 8 zwei Motive aufweist, von denen das Motiv 1 (Fig. 26) eine einfachere, das Motiv 2 eine etwas reichere Version des vierfigurigen 'Formulars' für das Stirnfeld L 11,6 (Fig. 27) bietet, so stoßen wir, wie bereits angekündigt, auch auf der rechten Seite neben dem Motiv 1 (Fig. 28) im Stirnfeld R 11,6 (Abb. 56 und 58f. sowie Fig. 29) auf eine abgewandelte Version, die ich als M o t i v 2 bezeichne. Es ist noch fragmentarischer als L 11,6 mit dem Motiv L 2 . Aber dennoch nimmt es eine Sonderstellung neben dem Motiv R 1 ein. Sie entsteht auf zweierlei Weise:

237

HAUCK ( w i e A n m . 5 ) S . 3 0 u n d 6 0 m i t A n m . 2 3 .

238

So zuletzt BRUCE-MITFORD (wie A n m . 10) S. 190; ARWIDSSON (wie A n m . 7) S . 1 1 8 ; vgl. oben

239

Anm. 203. Zur nicht mehr voll integrierten Version von Pliezhausen BRUCE-MITFORD (wie Anm. 138) S. 38; zum Mantel mit Schutzhülle DERS. (wie Anm. 10) S. 196 mit Anm. 4, S. 238.

240

N i c h t verstanden bei ARWIDSSON (wie A n m . 13) S. 128 mit A b b . 7 9 ; vgl. HAUCK (wie A n m . 1, X X )

241 242

243

Anhang 1 Motiv 1. S. unten Anhang 2 Motiv 1. Die von mir (wie Anm. 5) S. 40, 63 mit Anm. 50 erwogene Deutung 'Knappe' ziehe ich zurück. Vgl. oben Anm. 208. HAUCK (wie Anm. 1, X X ) Anhang 1 Motiv 1.

222

Karl Hauck

Fig. 29. Speerwurf des Reiters mit Raubvogelhelm, Motiv 2, der rechten Helmseite von Valsgärde 8 ( = R 2) mit dem Pferdesignum vor der Speerhand, 2 : 1 .

einmal dadurch, daß der R e i t e r , der den großen Speer schleudert, hier, anders als beim Motiv R 1 (Fig. 28) keinen Eberhelm, sondern einen R a u b v o g e l - H e l m trägt. Die Helmzier ähnelt der des Motivs L1 (Fig. 26), ohne ihr jedoch ganz zu gleichen (Abb. 58 und Fig. 29). Auch neben den Vogelhelm-Zieren der Helme Vendel X I V 2 4 4 und I 2 4 5 sowie Valsgärde 7 2 4 6 , die wir jeweils mit Aufnahmen der Befunde nachweisen, hat die Version einen eigenen Platz. Bisher unvergleichlich ist jedoch das P f e r d e - s i g n u m (Abb. 59 und Fig. 29) über der Lanze vor der Speerhand des Reiters. Es ordnet sich als Nachfolgeform von Pferde-Protomen ein, die im Süden zum Dioskurenbild der Kaiserzeit konventionell (Abb. 24, 22 und 23) rechneten. Ähnliches begegnet uns im Norden zuerst auf dem Goldbrakteaten von Aschersleben neben einem Dioskuren mit Marshelm (Abb. 28a und b) 2 4 7 . Von den jüngeren Zeugnissen interessieren hier grundsätzlich die ornamentalisierten Pferdebilder mit den vorwärts blickenden Tieren, die auf SaxScheiden wie der von Valsgärde 5 (Fig. 30) und auch bei der Verzierung etwa der Handhabe von dem Schwertgriff auf Hovgardsberg, Kirchspiel Vendel, vorkommen. Zu dem Verwandtenkreis zählen aber auch die kleinen Pferdespangen 248 . Als Ergebnis der neuen Auswertung der Bildmotive von der rechten und der linken Helmseite von Valsgärde 8 läßt sich also folgende Ubersicht über die Varianten der vierfigurigen Speerwurf-Szenen zusammenstellen: Rechte Seite: Motiv 1: Der Speerwurf eines Reiters mit Eberhelm im Geleit eines zweiten Speerwerfers, des Dioskuren (Fig. 28). 244

HAUCK (wie Anm. 5) Abb. 38a und b sowie Abb. 7 b .

245

Ebd. Abb. 28.

2 4 6

ARWIDSSON ( w i e A n m . 7 ) A b b . 1 1 0 , 1 1 2 u n d

247

S. oben nach Anm. 113 und 121.

248

OLSEN (wie Anm. 178) S. 79ff.

114.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

223

Motiv2 (beschränkt auf das Feld R H , 6 ) : Der Speerwurf eines Reiters mit Raubvogelhelm im Geleit eines zweiten Speerwerfers, des Dioskuren, mit dem dioskurischen Pferde-Signum über der Lanze (Fig. 29) vor der Speerhand des Reiters 249 . Linke Seite: Motiv 1: Der Speerwurf eines Reiters mit Raubvogelhelm im Geleit eines zweiten Speerwerfers, des Dioskuren (Abb. 39 und Fig. 26); Motiv 2 (beschränkt auf das Stirnfeld L 11,6): Der Speerwurf eines Reiters mit (Raubvogel-)Helm 250 im Geleit eines zweiten Speerwerfers, des Dioskuren (Fig. 27); vor der Speerhand des Reiters steuert ein Raubvogel die geschleuderte Lanze.

Fig. 30. Nach vorwärts blickendes Pferd von der Saxscheide von Valsgärde 5, nach Olsen.

Fig. 31. Das mit den Köpfen gegeneinander gestellte Paar der ornamentalisierten Pferde in der Zone I des Helms Valsgärde 8, 2 : 1, nach Arwidsson. 249 250

S. dazu oben nach Anm. 113 sowie auch vor Anm. 42. Dazu HAUCK (wie Anm. 1, X X ) Anhang 1 Motiv 2.

224

Karl Hauck

Daß das mit den Köpfen gegeneinander gestellt gezeigte Vierbeiner-Paar des Ornaments (Fig. 31), das in der Zone I wiederholt wird, unmittelbar in die Interpretation mit einbezogen werden darf, erweisen Versionen des Pferdes als Ornament-Tier wie die auf der Saxscheide von Valsgärde 5 (Fig. 30) 2S1 . c) Die neue Auswertung der Speerwurf-Szenen sowie des Waffentänzermotivs von Valsgärde 7 Wir gehen von dem Editionsstand aus, wie er durch die Veröffentlichung des Grabes Valsgärde 7 von Greta Arwidsson 1977 erreicht wurde 252 , die ihre Ergebnisse für das Taschenbuch zur Bootgräber-Ausstellung in Stockholm 1980 nur geringfügig korrigiert 253 und ergänzt (Fig. 21) hat 254 . Nach diesen Publikationen muß man annehmen, daß auf der l i n k e n H e l m s e i t e (Fig. 32) von Valsgärde 7,

Fig. 32. Die Bildbänder der linken Helmseite von Valsgärde 7, nach Arwidsson.

251

252 253

254

OLSEN (wie Anm. 178) S. 79ff.; vgl. auch ARWIDSSON (wie Anm. 13) S. 127f. sowie die weiteren einschlägigen Nachweise bei HAUCK (wie Anm. 1, XIX) 2. Abschnitt nach Anm. 141. ARWIDSSON (wie Anm. 7) bes. S. 23ff., 1 1 8 f f . mit den Abb. 122 bis 128 sowie 28 und 135 bis 138. Vendeltid (wie Anm. 7, 1980) S. 59 mit der plastischen Zeichnung (hier Fig. 21), statt der Rekonstruktionsskizze (hier Fig. 33). Ebd. bietet natürlich ein solches populäres Taschenbuch keinen Raum zu einer differenzierten Erörterung.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im N o r d e n

225

von deren vollständiger ermittelten Befunden der Reiter-Szenen wir hier nur einen V o r b e r i c h t geben, einheitlich ein einziges einschlägiges Thema, das Greta Arwidsson als Motiv D (Fig. 33) bezeichnete, viermal in der Zone II auf den Feldern L 11,2 bis L I I , 5 und einmal in der Zone III auf dem Feld L 111,4 überliefert ist. Diese Annahme hält jedoch einer Nachprüfung nicht stand, da sie sich für das Feld L 11,2 als unzutreffend erweist. Dort erscheint zwar von der einstigen Speerwurf-Szene vollständiger allein der zweite Speerwerfer, der Dioskur, aber in entgegengesetzter Richtung (Abb. 67 und Fig. 34) 2 5 S . Das M o t i v D 1, von dem der Dioskur zusammen mit dem Nackenschutz des Reiters und mit einem Stück der Kruppe allein übrig blieb, war also gegenläufig, wie die Reiterszene von Sutton H o o (Fig. 18) auf der rechten Helmseite 256 . Da das Motiv auf der rechten Helmseite von Valsgärde 7 auf weiteren z w e i Feldern wiederholt wird 2 5 7 , läßt es sich rekonstruieren. Denn nach seinen Maßen handelt es sich um den Uberrest einer vierfigurigen SpeerwurfSzene (Fig. 34), die mit der vierfigurigen Speerwurf-Szene R 1 (Fig. 28) des Helms Valsgärde 8, die wir soeben behandelten, aufs engste verwandt ist. Das fünffigurige Speerwurf-Motiv der linken Seite ist infolgedessen, wenn man an den Benennungen von Frau Arwidsson so weit als möglich festhält, fortan als M o t i v D 2 zu bezeichnen. Es läßt sich weit vollständiger wiederherstellen, als man nach den bisherigen Veröffentlichungen annehmen mußte 258 . Da das Model rund 1 cm länger war als das vierfigurige Model ist der Befund reicher und differenzierter als alle anderen bisher bekannten 259 . Zwar kehrt das Grundmuster der dreifigurigen Sutton Hoo-Speerwurf-Szene (Fig. 18) etwas abgewandelt wieder, aber es ist beachtlich erweitert. Die Vermehrung wird sichtbar: 1. Beim R e i t e r in dem Helm-Zierat mit drei Tieren, bei dem man bis zu antiken Vorstufen (vgl. etwa auch Fig. 45) zurückgehen muß, um eine ähnlich reiche Analogie zu ermitteln. Immerhin gibt es Verwandtes bei den Goldbrakteaten, wie hier allein mit dem ähnlichen Helmzierat von Gudbrandsdalen (Abb. 33 a und b) veranschaulicht wird, dessen theriomorphe Bekrönung der dieses speerwerfenden Reiters von Valsgärde 7, Motiv D 2 (Fig. 35), fast gleicht 260 . Bedeutsam ist ferner, daß von dem großen S p e e r die Z i e r k n ö p f e im Tüllenbereich nachgewiesen werden können und daß bereits Greta Arwidsson den R i n g k n a u f des Schwertes richtig erkannte, während sie den konventionellen R u n d s c h i l d nicht fand, obwohl er sich photographisch durchaus objektivieren läßt 261 . 2. Beim z w e i t e n S p e e r w e r f e r , dem Dioskuren, durch seine Ausrüstung mit einem eigenen Miniatur-Speer und jenem G ö t t e r h e l m des Mars-Wodan von Torslunda, der auf den dreifigurigen Spielarten ebenso fehlt wie der Reiterhelm. 255

Der abweichende Befund fiel natürlich zuerst der Restauratorin in Mainz, Frau Fecht, auf, mit der ich

256

BRUCE-MITFORD (wie A n m . 10) S. 181ff., 190ff.

meine Beobachtungen diskutieren konnte. 257

S. unten Anhang 2 Motiv 1.

258

ARWIDSSON ( w i e A n m . 7) S.

259

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) Anhang 2 Motiv 2.

260

S. oben nach A n m . 147.

261

Zu solchen Zierknöpfen auf den Preßblechbildern zuletzt BRUCE-MITFORD (wie A n m . 10) S. 195 mit

117.

A n m . 1; zum Ringknauf ARWIDSSON (wie A n m . 7) S. 119; zum Schild des Motivs D ebd. unter „Ausrüstung des Pferdes"; der Schild nachgewiesen bei HAUCK (wie A n m . 1, X X ) Anhang 2 Motiv 2.

226

Karl Hauck

Fig. 33. Speerwurf des Reiters, fünffigurig, sog. Blech D von Valsgärde 7, 2 : 1, nach Arwidsson.

3. In der V e r d r e i f a c h u n g des M o t i v s der G e g n e r . D e r auf dem Rücken sich l i e g e n d B e w e g e n d e ist nur unterhalb der gedachten Gürtellinie erhalten. Seine Version glich weitgehend der von den Motiven L 1 und 2 des Helms Valsgärde 8 (Fig. 26 und 27). Wie jener rammt auch dieser dem großen Pferd sein Schwert in den Bauch. 4. Der an Stelle des Zügelführers der vierfigurigen Versionen neu auftauchende z w e i t e G e g n e r in Panzer-Gewandung 262 duckt sich hinter seinen Schild auf das Knie gestürzt und schwingt sein Schwert doch wohl gegen das ihn bedrohende Paar von Roß und Reiter. 5. Die Gestalt von dem d r i t t e n G e g n e r , der als F a l l e n d e r von der erhobenen Lanze durchbohrt geschildert wird, ist benutzt, um die Waffe als T o d e s s p e e r zu charakterisieren. Das ist eine weitere Spielart, die Aufmerksamkeit auf diese Reiterwaffe in besonderer Weise zu lenken 263 . Wir kommen nun zu den S p e e r w u r f - S z e n e n der r e c h t e n H e l m s e i t e , die wir ausführlicher mustern. Die Einzelnachweise für die Überlieferungsgrundlagen, von denen unsere Rekonstruktion der Bildmodel ausgehen, werden im A n h a n g 2 vorgelegt. Bei der Auswertung dieser Reiterbilder war Greta Arwidsson am un-

262

263

Zu ihrem Vorkommen in Valsgärde 8 ARWIDSSON (wie Anm. 13) S. 28ff. mit Abb. 12, 14 bis 19 und 23 sowie Taf. 1, 6 bis 9, Nr. 426 im Fundverzeichnis. S. dazu unten nach Anm. 271, 284 und 302.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

Fig. 34. Speerwurf des Reiters (mit Eberhelm), vierfigurig, Motiv D 1, von Valsgärde 7, 2 : 1.

Fig. 35. "Sp56rwurf des Reiters mit mehrfacher Helmzier, fünffignrig, Motiv D"2 von Valsgärde 7,

227

228

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glücklichsten. Stellte sie doch ein Mixtum compositum, das bei ihr das Motiv C (Fig. 36) heißt 264 , her aus: Der vierfigurigen Version der Bildfelder R 11,2 und R 111,3, der wir den Namen C 1 (Fig. 37) geben, und aus der fünffigurigen Version der Bildfelder R 113 bis 5, die wir C 2 (Fig. 38) nennen. Wir behandeln zuerst das v i e r f i g u r i g e M o t i v C 1. Zu seiner Wiederherstellung läßt sich auch das Motiv D 1 (Abb. 67) der linken Helmseite verwenden. Denn es ist damit identisch, obschon wir von ihm nicht sehr viel mehr als den zweiten Speerwerfer kennen. Die Gleichheit von C 1 und D 1 hilft der Rekonstruktion also nicht sehr viel weiter. Um so wesentlicher ist die Formular-Gemeinschaft zwischen dem Motiv R 1 von Valsgärde 8 (Fig. 28) mit dem Motiv C 1 (Fig. 37) von Valsgärde 7, da sich jenes Bildmodel auf dem anderen Helm von mehr Fragmenten aus zahlreicheren Bildfeldern zusammenbuchstabieren läßt 265 . Deswegen bietet Valsgärde 8 mit R 1 (Fig. 28) für diese Thema-Version der rechten Helmseite im ganzen die breiteste und beste Uberlieferungsbasis. Wir beschränken uns für C 1 (Fig. 37) darauf, eine Ubersicht über die wichtigsten Waffendetails der 4 Gestalten zu geben: 1. Beim R e i t e r ist auf R H , 2 die Helmkalotte durch Streifen gegliedert und mit einem Ebertorso als Uberrest der alten Eberzier (Abb. 64ff.) erreichbar. Nach

Fig. 36. Speerwurf des Reiters, angeblich einheitlich vierfigurig, Motiv C von Valsgärde 7, 2 : 1, nach Arwidsson. 264

ARWIDSSON ( w i e A n m . 7) S. 1 1 8 f . m i t d e n A b b . 122 bis 128.

265

S. unten Anhang 1 Motiv 1.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden



229

230

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dem Uberrest zu urteilen, entsprach sie ganz dem Typus, den wir nun vom Motiv R 1 von Valsgärde 8 (Abb. 55 und Fig. 28) sowie vom Blech B von Valsgärde 7 (Fig. 39) und seit langem von einer der vier Torslunda-Platten (Abb. 42) kennen 266 . Dagegen ist die vordere Hälfte von dem S p e e r ganz verloren. Am vollständigsten ist der R u n d s c h i l d auszumachen. Ähnlich wie bei Pliezhausen (Abb. 43b) finden sich die Borten des schützenden Mantels nicht bloß im Brust-, sondern auch im Kniebereich.

2. Der z w e i t e S p e e r w e r f e r wird von R 11,2 und R 111,3 in Resten und vollständiger von L 11,2 (Abb. 67) mit dem Schaft seiner M i n i a t u r - L a n z e sowie mit einem H e l m - T o r s o , der die Wiederkehr des Götterhelms bestätigt, überliefert. Die Restbefunde sichern auch hier das Motiv des gemeinsam mit dem Reiter geworfenen großen Speers. 3. Der auf dem Rücken liegend sich bewegende G e g n e r , dessen Antlitz wie bei R 1 von Valsgärde 8 (Fig. 28) in Dreiviertelansicht (vgl. etwa Abb. 68) wiedergegeben ist, schwingt wie dort sein S c h w e r t von unten gegen die Pferdebrust und schützt sich mit einem R u n d s c h i l d und einem B o r t e n m a n t e l . 266

Zum Blech B ARWIDSSON (wie Anm. 7) S. 118mitAbb. 116 bis 121; zur Sache vor allem auch BRUCEMITFORD (wie A n m . 10) S . 2 0 5 f f .

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

231

4. Der Zügelführer war mit einem S p e e r bewaffnet, dessen Schaft erhalten blieb, und trug gleichfalls einen gegürteten B o r t e n m a n t e l (s. Abb. 60ff.). Zur Auswertung der Speerwurf-Szenen von der rechten Helmseite von Valsgärde 7 ist jetzt das f ü n f f i g u r i g e M o t i v C 2 (Fig. 38) zu erörtern, nach dem Greta Arwidsson vergeblich fahndete 267 . Es ist am engsten mit dem spiegelbildlichen Motiv D 2 (Fig. 35) der linken Helmseite verwandt, das zum Glück im ganzen etwas besser erhalten blieb 2 6 8 . Dadurch gewinnen wir bei der Bestimmung der zum Teil nur in Restbefunden erhaltenen 5 Gestalten eine verhältnismäßig weitreichende Gewißheit. Allerdings lassen sich auch so keineswegs alle Lücken schließen. Das veranschaulicht unsere Musterung des Erreichbaren unter unserem Thema-Aspekt, der bildlichen Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen. Unter diesem besonderen Gesichtspunkt sind die beiden Speerwerfer und der Fallende die wichtigsten Gestalten des Ensembles. Wieder mustern wir das im einzelnen: 1. Das große P f e r d mit dem Reiter unterscheidet sich von dem Roß der vierfigurigen Szene durch den straff gespannten geraden Zügel (Abb. 70 und Fig. 38), während dort das Zügelband nach unten durchhängt, das da ja der Zügelführer hält 2 6 9 . Der R e i t e r ist zwar als Gestalt fast ganz erhalten (Abb. 72 bis 74) und so auch sein mächtiger H e l m . Freilich ist die Helmzier zerstört und nur durch einen Rückschluß mit Hilfe des auf R 11,4 noch steil ansteigenden Kammlinien-Restes wird eine Raubvogel-Zier erwägbar. Wie auf den Reiterbildern nach rechts auch sonst fehlt das Schwert und kehrt allein der R u n d s c h i l d wieder. Trotz des fragmentarischen Gesamtbefundes ist auch hier die Verdoppelung der Speerwerfer sicher, obwohl von der großen Lanze nur noch Stücke zu sehen sind. 2. Der zweite Speerwerfer muß auch hier, den Restbefunden nach, einen kurzen gegürteten, mit Borten versehenen Rock getragen haben, seine eigene Waffe ist erneut die M i n i a t u r - L a n z e , die sich in ihrer Kleinform (Abb. 72f. und Fig. 38) von der großen gemeinsam geschleuderten Waffe unterscheidet. Ihre Spitze mit Widerhaken erkannte bereits Frau Arwidsson (Fig. 36) 2 7 0 . Der Helm ist zwar erschließbar, aber durchweg zerstört. 3. Wie bei dem spiegelbildlichen Motiv D 2 (Fig. 35) war auch hier die Gruppe der G e g n e r (Abb. 72 und Fig. 38) verdreifacht. Von dem auf dem Rücken sich l i e gend b e w e g e n d e n Gegner (Abb. 72f.) hat sich nur der kleine R u n d s c h i l d und ein Rest des Bortenmantels erhalten, während sich die Angriffswaffe, das Schwert, nur erschließen läßt. Durch die Parallelversionen ist jedoch der Rückschluß überaus wahrscheinlich. Daher ist auch hier mit einer lebensgefährlichen Bedrohung des Reiters durch den Feind in der scheinbar ungünstigsten Position zu rechnen. 4. D e r auf das K n i e g e s t ü r z t e G e g n e r schwingt auch hier (Abb. 74 und Fig. 38) wie auf D 2 (Fig. 35) sein S c h w e r t gegen Roß und Reiter über seinem eigenen Kopf. Dagegen hält er seinen S c h i l d , über dessen oberen Rand auf der Brust B o r t e n - R e s t e zu identifizieren sind, schützend vor seinen Leib. 267

ARWIDSSON (wie Anm. 7) S. 117: „Vielleicht gehören ein paar Fragmente zu einer weiteren Komposition".

268

HAUCK (wie Anm. 1, X X ) Anhang 2 Motiv 2.

269

Der Unterschied wird deutlicher erst in der Nähe des Pferdemaules.

270

ARWIDSSON ( w i e A n m . 7 ) S .

119.

232

Karl Hauck

5. D e r f a l l e n d e G e g n e r läßt sich noch am besten mit den für seinen Sturz charakteristischen Beinen (Abb. 70) ausmachen. Selbst seine Uberreste zeugen davon, daß ihn die große Lanze des Reiters und des Dioskuren ähnlich durchbohrte wie in D 2 (Fig. 35). Sein Untergang durch diesen Todesspeer wird auch dadurch gekennzeichnet, daß ihm, wie vor allem sein spiegelbildliches Pendant bezeugt, im Kampf seine eigenen Waffen verloren gingen. Die Musterung der Speerwurf-Szenen des Helms Valsgärde 7 C 1 und C 2 sowie D 1 und D 2 ergibt auch hier ihre so erstaunliche Doppelung ähnlich wie bei Valsgärde 8. Der Befund ist aber doch insofern anders, weil dieses Mal nicht die Stirnzone die zweifachen Varianten veranlaßt. Ist doch die Stirnpartie in der Zone II von Valsgärde 7 mit dem Waffentänzerpaar (Abb. 75 bis 81) ausstaffiert. Dagegen spielt der Unterschied zwischen vorderer und hinterer Helmhälfte eine Rolle. Denn die größeren fünffigurigen Motive C 2 (Fig. 38) und D 2 (Fig. 35) treffen wir nur auf den Vorderkopf-, die kleineren vierfigurigen Motive C 1 (Fig. 37) und D 1 (Fig. 34) nur auf den Hinterkopf-Teilen des Helms. Die von uns erwartete symmetrische Aufteilung fehlt. Demgegenüber ist die Gegenläufigkeit des Motivs D 1 (Fig. 34) wahrscheinlich ähnlich intendiert wie auf mediterranen Waffen auf der Helmrückseite (Fig. 9) das Medusenhaupt 271 . Als deren Nordvariante läßt sich ebenso der Untierkopf verstehen, in den der Eberschwanz des abgebildeten Helmzierats beim Motiv D 2 (Fig. 35) mündet, wie das magische Bild mit dem nach hinten geschleuderten Gottes- und Todesspeer 272 . Auch hier fassen wir das Ergebnis der neuen Auswertung in eine Ubersicht zusammen: Rechte Seite: Motiv C 1 (vierfigurig): der Speerwurf des Eberhelm-Reiters, im Geleit eines zweiten Speerwerfers, des Dioskuren (Abb. 64ff. und Fig. 37); Motiv C 2 (fünffigurig): der Speerwurf eines Reiters, vielleicht mit Raubvogel-Helm, im Geleit eines zweiten Speerwerfers, des Dioskuren (Abb. 69ff. und Fig. 38). Linke Seite: Motiv D 1 (vierfigurig = C 1): der Speerwurf des (Eberhelm-)Reiters im Geleit eines zweiten Speerwerfers, des Dioskuren (Fig. 34), gegenläufig. Motiv D 2 (fünffigurig): der Speerwurf des Reiters mit der mehrfachen Helmzier im Geleit eines zweiten Speerwerfers, des Dioskuren (Fig. 35). Schließlich wollen wir noch die Lesung der Stirnbleche der Zone II von dem Helm Valsgärde 7 mit dem P a a r besprechen, das z w e i S p e e r e u m t a n z t . Ist es doch bei der bis ins Helmdetail reichenden Verklammerung der Speerwurf-Motive mit dem Waffentanz-Motiv in einer Bildzone dringlich, daß wir nicht nur jene, sondern auch dieses so vollständig wie möglich kennen. Die Einzelnachweise für unsere Beobachtungen sind im A n h a n g 3 gegeben. Die bisherige Auswertung der beiden Bildfelder mit den Tänzer-Zwillingen (Fig. 19) ist nach diesen Analysen teils zu bestätigen, teils zu modifizieren, teils zu ergänzen. Das eigentliche Motiv ist seit dem Jahr 1949 bekannt, als Bruce-Mitford durch die großzügig erteilte Erlaubnis 271

S. oben nach Anm. 86.

272

Z u i h m KUHN ( w i e A n m . 1 3 2 ) ; HAUCK (wie A n m . 1, X X ) n a c h A n m .

212.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

233

Fig. 40. Bronzefigur aus Ekhammar, Kungsängen, ca. 30 km nord-westlich von Stockholm, 1 : 1, nach Ringqvist.

von Greta Arwidsson ein Originalphoto des besser erhaltenen Bildfeldes R 11,6 veröffentlichen konnte 273 . Schon damals war die Gemeinsamkeit des Formulars von Valsgärde 7 und Sutton Hoo bei jenen Bildmodeln (Fig. 20) augenscheinlich. Wir kennen inzwischen durch weitere Varianten diese Bildkonvention allerdings nunmehr überwiegend (s. etwa Fig. 17 und 40) von Einzelgestalten274. Unsere Beobachtungen, die den Befund modifizieren, ergeben sich aus seiner differenzierteren Erfassung. Sie gilt ebenso für den Tänzer-Helm, und zwar für die Form der Tierköpfe, wie für die Speerspitzen. Bei den Tierköpfen nehmen wir den Restbefund der Augenrahmung (Abb. 75 und Fig. 41) wichtig. Da das auf einen nicht mehr vollständig erfaßbaren Befund weist, beschränken wir uns in der Rekonstruktions-Zeichnung auf die Umrisse. Bei den Lanzenformen der Tänzer sind wir einig mit Frau Arwidsson über den Speer mit Widerhakenspitze, halten dagegen die Form der zweiten Speerspitze für differenzierter durch ihre einschwingenden Blattseiten 275 . Diese Lanzenform hält der Tänzer (1) wie der Tänzer (2) jeweils außen neben dem Speer mit den Widerhaken in seiner Hand. Neben solchen Modifizierungen ließ sich die Szene mit den Uberresten der aufgestellten Speere ergänzen, die vor allem, wenn auch nicht allein das Feld L H , 6 (Abb. 76 und 80f. sowie Fig. 41) wiedergibt. Von dem einen Speer, dessen Ende hinter dem Standbein des Tänzers (2) beginnt, ist zwar die Spitze verloren, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit rekonstruierbar. Von dem anderen Speer kennen wir die Spitze mit Widerhaken und einen Teil seines Schaftes, dessen Ende mit dem Standbein des Tänzers (1) den Zerstörungen anheimfiel. Wir können damit rechnen, daß die umtanzten Speere den beiden Lanzentypen glichen, die von den Tänzern gehalten werden. Das bedeutet, daß das Tänzerpaar mit den beiden Lanzen-Versionen 273

BRUCE-MITFORD (wie Anm. 138) S. 39 (Wiederabdruck).

274

RINGQVIST ( w i e A n m . 1 7 5 ) ; BRUCE-MITFORD ( w i e A n m . 1 3 8 ) S. 2 0 8 ; DERS. ( w i e A n m . 10) S. 2 0 6 f . ;

275

Zur Verbreitung dieser Form auf Gotland NERMAN (wie Anm. 144) Text S. 28 f.

HAGBERG ( w i e A n m . 3 8 ) S. 3 3 6 .

234

Karl Hauck

Fig. 41. Das Paar mit den umtanzten Speeren von der Stirnseite des Helms Valsgärde 7, 2 : 1, Zeichnung H . Lange.

ausgerüstet ist, die wir als die Hauptvarianten der wichtigsten Waffe des Speergottes kennengelernt haben. Der Speer mit den Widerhaken wird für ihn vor allem von den Brakteaten (Abb. 30a und 31a) gezeigt276, der Speer mit den einschwingenden Blattseiten von dem Runenhorn von Gallehus (Fig. II) 2 7 7 sowie von der Torslunda-Platte (Abb. 40 und Fig. 12)278. Sowohl der so bemerkenswerte Gotteshelm (s. Fig. 40) 279 wie diese Speerform sind über die Vendelzeit hinaus bezeugt 280 . Wenn nun diese beiden unterschiedlichen Speer-Spielarten umtanzt werden, so hebt sie das ähnlich ungewöhnlich über die anderen abgebildeten Waffen hinaus, wie den Speer, den jeweils der Reiter beim Vollzug des Wurf-Rituals zusammen mit einem zweiten Werfer im Eidolon-Typus schleudert. Da sowohl für das Tänzer-Paar wie für den zweiten Speerwerfer die Dioskuren-Deutung naheliegt, stellt sich die Frage, ob es sich bei den beiden Motiven, auf die wir in der am einheitlichsten verwirklichten Konzeption bei Valsgärde 7 stoßen, nicht um die gleichen Götterspeere handeln könnte. Denn die ungleiche Länge der Schäfte stellt diese Auffassung deswegen noch nicht in 276 277 278

S. oben nach Anm. 125. S. oben nach Anm. 137. Die Zuverlässigkeit der Zeichnung erlaubt, so zu argumentieren. S. oben Anm. 138.

279

RINGQVIST ( w i e A n m .

280

HAUCK 1 9 6 1 , S.

(wie Anm. 139-164).

1,

175).

XX) nach Anm.

107;

vgl.

BIRGIT A R R H E N I U S ,

Vikingatida miniatyrer (Tor

7,

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

235

Frage, weil sich die Formengebung flexibel dem vorhandenen Raum anpaßt 281 . Wohl liefert uns die lückenhafte Uberlieferung nicht mehr alle die Auskünfte, die wir zur Lösung dieses Problems benötigten, da wir nur wenige der Speerspitzen überhaupt und unter ihnen nicht einmal alle zuverlässig genug erreichen. Auch hat die Erforschung dieser Zusammenhänge eben erst begonnen, so daß es zumindest wahrscheinlich ist, daß wir noch nicht alle die Speerblatt-Varianten kennen, die als Götterspeere in Betracht kommen 2 8 2 . Dennoch verändert die Ergänzung dieses Motivs mit den umtanzten Speeren nicht allein das Verständnis des über der Stirn benützten Bildmodels, sondern auch die Einsicht in die Bildfolge der Zone II des Helms Valsgärde 7. Wird doch da sowohl beim Tänzer-Model wie bei den Reiter-Motiven die Lanze als verehrte Waffe sowie als Unterpfand der göttlichen Sieg- und Nothilfe verherrlicht. Unter dem Dioskuren-Aspekt ist das wichtigste Zwischenergebnis dieses Abschnitts, daß wir jeweils auf jeder Helmseite nicht nur mit einer einheitlich wiederholten Reiter-Szene zu rechnen haben, sondern durchweg mit zwei. Diese Verdoppelung der Speerwurf-Motive ist ungleich durchgeführt. Bei ihr spielten praktische Überlegungen ebenso eine Rolle wie inhaltliche. In Anpassung an den restlichen Platz verwendete man auf der rechten Seite des Helms Valsgärde 7 offenbar das kleinere vierfigurige Motiv C 1 (Fig. 37) in R II, 2, dem auch R III, 3 angeglichen ist 2 8 3 . Ihm schließen sich dann auf R H , 3 bis 5 die Felder mit dem Motiv C 2 (Fig. 38) an. Dieser Dreierfolge vom Motiv C 2 auf der rechten entspricht die Dreierfolge des Motivs D 2 (Fig. 35) auf der linken Helmseite in den Feldern L 11,3 bis 5. Allerdings ist dort das fünffigurige Motiv auch in das Feld L 111,4 aufgenommen, mit dem sich auf der rechten Seite das Feld R I I I , 3 mit seiner vierfigurigen Reiterszene des Motivs C 1 (Fig. 37) vergleichen läßt 2 8 4 . Neben den praktischen kamen auch inhaltliche Gesichtspunkte zum Zuge. Kennzeichnet doch ebenso die Rettungs-Epiphanie des Dioskuren als heilsgeschichtlicher Präzedenzfall wie die Siegesmagie mit dem Schleudern des Gottes- und Todesspeeres das fünffigurige Motiv 2 8 5 . Verwandte Elemente wie etwa das Medusenhaupt auf der Helmrückseite (Fig. 9) veranschaulichen bei antiken Vorstufen bereits eine derartige Bildmagie, die Jahrhunderte später auf Valsgärde 7 neben Platzgründen die Entscheidung mitbestimmte, das vierfigurige Motiv D 1 (Fig. 34) auf der rechten Seite gegenläufig heranzuziehen. Solche Gesichtspunkte der Themawahl werden, wie schon wiederholt berührt, am deutlichsten in der Sonderstellung der StirnMotive, die Heilhaftes kumulieren. Für den Untierkampf von Vendel I 2 8 6 und Besonders deutlich ist das in dem Gegensatz von eigener kleiner Lanze der Dioskuren und dem großen Speer, den der überirdische Kampfhelfer zugleich mit dem Reiter schleudert. Ähnliche Phänomene begegnen auf den Bildern der Goldbrakteaten noch ungleich häufiger; s. dazu IK (wie Anm. 23) Einlei tungsband (im Druck). 282 Vgl. dazu einerseits den Finglesham-Mann (wie oben Anm. 175) sowie andererseits die Varianten bei 281

ARRHENIUS ( w i e A n m . 2 8 0 ) . 283

Zur Lesung s. unten Anhang 2.

284

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) Anhang 2 .

285

KUHN (wie Anm. 132); KARL HAUCK, Von einer spätantiken Randkultur zum karolingischen Europa (Frühmittelalterliche Studien 1, 1967, S. 3 - 9 3 ) S. 58ff. mit Anm. 173. Zum Terminus technicus 'Rettungs-Epiphanie' SPEYER (wie Anm. 33) S. 55ff.

286

HAUCK ( w i e A n m . 5 ) A b b . 11 bis 1 3 .

236

Karl Hauck

Fig. 42. Der Bärenkämpfer von der Stirnseite, Zone III, des Helms Valsgärde 7, 2 : 1, nach Arwidsson.

Vendel X I 2 8 7 , den wir in einer anderen Spielart auch von einem Torslunda-Model kennen 2 8 8 , wie von dem Bärenkampf, den gleichfalls eine Torslunda-Stanze 289 und das Blech F von Valsgärde 7 (Fig. 42) bezeugt 2 9 0 , wird das noch im einzelnen zu erweisen sein 2 9 1 . Jetzt bereits klarer überschaubar ist das bei den Helmen Valsgärde 7 und 8, mit deren Stirn-Motiven wir uns in diesem Abschnitt bei der Neuauswertung eingehender befaßten. Denn die in dem Stirnbereich der Zone II von Valsgärde 7 umtanzten Speere sind Sinnzeichen für die Gegenwart des Mars-Wodan, Sinnzeichen, denen selbst dessen Boten, die Dioskuren, Verehrung erweisen. Wie jene Waffen die Anwesenheit der überirdischen Sieg- und Schutzhelfer in den alten Glaubensvorstellungen garantierten 292 , veranschaulichen in größter Eindringlichkeit die Stirn-Motive von Valsgärde 8, wo auf der rechten Seite das dioskurische Signum (Fig. 29) und auf der linken Seite der Hauptgott in Raubvogelgestalt (Fig. 27) vor der Speerhand des Reiters erscheint. Beide Male sind zugleich als zweite Speerwerfer und Hauptgott-Boten die Dioskuren mit im Spiel. Daher hatte es guten Sinn, verwandte Heilstaten von ihnen, die die gleiche Grundstruktur der Rettung aus Bedrängnis kennzeichnet, nebeneinander zu schildern. Als regelmäßige Konstante jener Thema287 288 289

Ebd. Abb. 10a bis c sowie Fig. 4 S. 36. Ebd. Abb. 14. Ebd. Abb. 15; s. auch oben Anm. 138.

2 9 0

ARWIDSSON ( w i e A n m . 7) S . 1 2 0 m i t A b b . 1 3 9 bis 1 4 2 .

2,1

Das hoffe ich, in meinem Beitrag zur Veröffentlichung des Mainzer Fürstengräberkolloquiums von 1977 zu leisten. Dazu grundsätzlich SPEYER (wie Anm. 33) S. 58.

292

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

237

Spielarten konkretisiert infolgedessen der sich liegend bewegende Gegner, in so verschiedenen Varianten er begegnet, diese lebensbedrohende Kampfnot, indem sein unerwarteter Angriff den Sturz des Reiters heraufbeschwört. Läßt sich doch so erst die wunderbare Rettung, die das Erscheinen der Dioskuren verheißt, voll ermessen. Infolgedessen geht auf dem Helm Valsgärde 8 auf das Dioskuren-Thema auch das Tierornament der Zone I ein, in dem es die Zwillinge als Pferde gegeneinander gestellt (Fig. 30) abbildet. 5. Gesamtauswertung unter Einbeziehung christlicher Versionen des Himmelsspeer-Themas Als ich einsah, wie notwendig es ist, sich mit unserer Thematik zu befassen, ging ich ganz von den Erfordernissen der historischen Sachforschung aus und hatte die Zusammenarbeit mit der philologischen Bezeichnungsforschung vor Augen. Jedoch schärfte gerade diese Kooperation den Blick dafür, daß es darum geht, bis zu den Assoziationsfeldern der vergangenen Gegenwart vorzudringen 293 . Bei dem Bemühen darum entstand dann doch nicht ein Katalog der abgebildeten Waffen, die durch den Sachkommentar in ihrer Umwelt nachzuweisen wären 2 9 4 . In einer vorläufigen Form liefert wenigstens das Register zu diesem Bande diese Waffenliste. Die Eigenart der Zeugnisse veranlaßte vielmehr eine ganz andere Analyse. Ihre Betrachtungsweise hatte sich Bildaussagen anzupassen, die Speere als Unterpfänder der Verbindung von Göttern und Menschen und als Gegenstände darstellen, die den Einstrom überirdischer Kraft unmittelbar vergegenwärtigen 295 . Sie wurden so zu den bedeutsamsten Zeichen des Erscheinens überirdischer Not- und Sieghelfer. Das läßt sich nicht nur an dem hohen Anteil der Speerwerfer-Motive in dem begrenzten Themenkreis der Preßblechbilder ablesen 296 . Das wird unmittelbar anschaulich in den Rettungs-Epiphanien der Dioskuren auf den Reiter-Szenen, die einzeln durch den Königshelm von Sutton Hoo (Abb. 41 und Fig. 18) sowie durch das Gold von Pliezhausen (Abb. 43 b) bezeugt werden und ungleich paarig durch die Helme Valsgärde 7 — da vornehmlich in der Zone II — und 8. Diese Rettungs-Epiphanien, die jeweils ebenso die tödliche Bedrohung der heldenhaften Reiter wie die ihnen zuteil werdende überirdische Hilfe wiedergeben, sind also am vielfältigsten aus dem Umland von Altuppsala (Fig. 1) als Sakralort mit überregionalen zentralen Funktionen auf uns gekommen 297 . Ja, durch die Preßblechreste aus dem Osthügel von Alt293

RUTH SCHMIDT-WIEGAND, in diesem Band S. 4 f f . ; HAUCK (wie A n m . 5) S. 2 7 f f .

294

Diesen Sachkommentar bieten im Rahmen ihrer Auswertung ARWIDSSON (wie Anm. 7) S. 116 f£.; BRUCE-MITFORD (wie Anm. 10) S. 186ff., 205ff.

295

S. unten A n m . 303 sowie grundsätzlich SPEYER (wie A n m . 33) S. 58; PETER BUCHHOLZ, Vorzeit-

296

297

kunde. Mündliches Erzählen und Uberliefern im mittelalterlichen Skandinavien nach dem Zeugnis von Fornaldarsaga und eddischer Dichtung (Skandinavische Studien 13, hg. von OTTO OBERHOLZER) Neumünster 1980, S. 99 f. Vgl. die Ubersicht bei ARWIDSSON (wie Anm. 7) S. 117, in der versehentlich der Befund von Pliezhausen fehlt. KARIN CALISSENDORFF, Place-name types denoting centres (Early Medieval Studies 3, 1971, S. 2—12) S. 2; vgl. auch THORSTEN ANDERSSON, Die schwedischen Bezirksbezeichnungen 'hund' und 'hundare'. Ein Beitrag zur Diskussion einer germanischen Wortfamilie (Frühmittelalterliche Studien 13, 1979, S. 88-124); HAUCK (wie Anm. 1, X X ) nach Anm. 76 und 309.

238

Karl Hauck

uppsala fehlt auch das direkte Zeugnis für ein Mitglied der altschwedischen Königsdynastie am Tempelort selbst nicht 298 . Das aber weist auf die kultische Verehrung dieser Nothelfer in dem Sakralbezirk mit dem Opferaltar. Unter den überirdischen Rettern und Helfern hatte im Krieg den höchsten Rang der Mars-Wodan von Altuppsala inne 299 . Auf seine Rolle als Götter-Fürst gehen die Preßblechbilder von den Helmen zwar am unmittelbarsten verständlich mit seinem Gegenwärtig-Werden in Vogelgestalt ein. Demgemäß hat der Gott, der unter diesem Aspekt in der Nachfolge von Jupiter als Adler zu sehen ist 300 , in den drei einschlägigen Szenen jeweils den Platz an der Spitze des Bildfelds inne, so: in der Speerwurf-Szene über der linken Stirnseite des Helms Valsgärde 8 (Fig. 27), so in der Schildgesangs-Szene der rechtsseitigen Zone I von Valsgärde 7 (Fig. 43)

298

HAUCK ( w i e A n m . 1, X X ) A n h a n g 4 .

299

Zu ihm Adam von Bremen (wie Anm. 88) IV c. 26 S. 258 Z. 7 ff. Dazu HAUCK (wie Anm. 1, XX) nach Anm. 229 und 300.

300

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

239

und so in der Speerwurf-Szene des Eberhelm-Reiters von Vendel I (Fig. 24), die als einzige nicht ausdrücklich als Rettungs-Epiphanie gestaltet ist 3 0 1 . Als Abbreviatur mit dem Raubvogelkopf als pars pro toto bezeugt die gleiche Thematik das Gold der Preßblech-Scheibenfibel von Pliezhausen (Abb .43 a und b) 3 0 2 . Aber auch die Abbilder seiner göttlichen Speere, die umtanzt (Fig. 20 und 41) werden, verheißen die Wirkung seiner gegenwärtigen Siegesmacht und Hilfe. Veranschaulicht wird diese Hilfe des Kriegs- und Totengottes durch die fünffigurigen Motive C 2 (Fig. 38) und D 2 (Fig. 35) von Valsgärde 7, die die mit der auffälligen Verdopplung der Werfer geschleuderte Waffe als Todesspeer kennzeichnen, indem einer der drei Gegner des Reiters als Fallender dargestellt ist. Unter den uns bisher bekannten Preßblechbildern dringen wir bis zur menschlichen Gestalt des Gottes nur mit der sooft schon genannten Stanze von Torslunda (Abb. 40 und Fig. 12) vor. Einzigartig wertvoll ist, daß diese Bildaussagen vollinhaltlich in einer zusammenfassenden Formel im Bericht Adams von Bremen über Altuppsala bestätigt werden 303 . Die Tempelschilderung der Missionare, die Adam um 1070 aufschrieb, kennt auch das plastische Kultbild des Mars-Wodan 3 0 4 sowie die für den Gott bei Kriegsgefahr vollzogenen Opfer 3 0 5 . Es ist nun höchst bemerkenswert, daß die Mitteilung der Preßblech-Bilder über den an Menschen, jeweils an die heroisierten Reiter, ausgeliehenen und weitergebenen Gottesspeer gleichfalls von literarischen Zeugnissen bestätigt werden. In dem großen Kommentar zu den Liedern der Edda von Gering und Sijmons heißt es demgemäß zu der Begleitprosa der älteren Helga KviJ)a, die berichtet, wie der Gott seine Lanze, nachdem ihm geopfert worden war, an Dag zur Kampf-Vorbereitung und -entscheidung weitergab: „Daß Ö£>enn den von ihm begünstigten Helden zu einem bestimmten Zwecke seinen Speer (Gungner) leiht, wird auch sonst berichtet: Starkaf)r erhält ihn, um den als Opfer für ÖJ)enn bestimmten König Vikarr zu durchbohren . . . , und der Schweden-König Eirikr Bjarnarson, um ihn über das dem Untergange geweihte Heer des StyrbjQrn zu schleudern" 306 . Ein Gelehrter wie Jan de Vries sah aber die Starkadsage, die in dem Kommentarzitat zuerst genannt wird, als „wertvollen Beweis für die Bedeutung des odinischen Weihekriegertums an, das sich in Starkad zu seinem endgültigen Ausdruck verkörperte", und sagte, die Sage werfe „ein unerwartetes Licht auf die religiösen Verhältnisse im 7. und 8. Jahrhundert" 3 0 7 . Deswegen hat es hier Interesse, daß in der zitierten Aufzeichnung dieser Sage der Gott selbst als Ziehvater Starkads dem Helden einen Speer aushändigt, der zwar wie ein Rohr aussieht, aber dann doch 301

Zu ihrem Pendant HAUCK (wie Anm. 5) S. 46 f.

302

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) A n h a n g 3 .

303

Adam von Bremen (wie Anm. 88) IV c. 26 S. 258 Z. 8f. sagt von Wodan: bella gerit ministrat virtutem contra inimicos. Ebd. S. 258 Z. 11 f. Ebd. S. 259 Z. 5 f.

304 305 306

HUGO GERING, K o m m e n t a r z u den L i e d e r n der E d d a 2 . H e l d e n l i e d e r , h g . v o n BAREND SIJMONS, H a l l e 1 9 3 1 , S. 1 2 3 ; KUHN (wie A n m . 1 3 2 ) S. 2 4 8 .

307

hominique

D E VRIES (wie A n m . 9 7 ) S. 5 0 ; vgl. auch HÖFLER (wie A n m . 6 ) S . 1 5 4 f f .

240

Karl Hauck

aus dem Scheinopfer des Königs Vikar ein tödliches Odinsopfer macht 308 . Gegenüber diesen späten literarisch ausgestalteten Sagenzeugnissen von christlichen Pergamenten erreichen wir mit den Preßblechen aus Altuppsala und seinem Umland die Merowingerzeit authentisch. Diese Bilder aber propagieren den Kult jenes MarsWodan mit der Verherrlichung seiner Kampfhilfen. Ihre wichtigste ist die durch Opfer erreichbare Ausleihe des Gottesspeers. Dabei wird nun allerdings überwiegend nur die in der Waffe vergegenständlichte Sieges- und Tötungsmacht des Gottes dargestellt 309 . Uberbracht aber wird der Speer offenkundig von jenen Miniatur-Gestalten der kleinen Speerwerfer als Botengöttern des Götter-Fürsten310. Ihnen widmen wir daher jetzt unsere Aufmerksamkeit. Anders als ihr Herr und Meister, Mars-Wodan, nähern sich die Dioskuren, ihrem Rang als Begleitgötter und göttliche Gefolgsleute gemäß, jedenfalls in den Reiter-Szenen der Preßbleche ihren Schützlingen in erster Linie menschengestaltig und einzeln von hinten. Ihr Erscheinen als Einzelgestalten wird daher ergänzt durch die paarigen Spielarten ihrer Rettungs-Epiphanien. Auch wenn die Zuordnung der paarigen Motive in den Zonen II von Valsgärde 7 (Fig. 37 und 38 sowie Fig. 34 und 35) und von Valsgärde 8 (Fig. 28 und 29 sowie Fig. 26 und 27) asymmetrisch und ungleich verwirklicht ist, ihre zwillingshafte Verdoppelung ist unübersehbar. Denn wohl lassen sich die Zwillinge selbst in den Speerwurf-Szenen nicht vergleichsweise gesagt als Castor oder Pollux erkennen, da einer dem anderen ganz gleicht. Aber ihre Schützlinge unterscheiden sich durch die Tierzierate ihrer Helme. Sicher ist das für die linke Seite der Zone II des Helms Valsgärde 7 (Fig. 34 und 35) so, wohl erschließbar für die rechte Seite des gleichen Helms (Fig. 37 und 38), und gleichfalls sicher ist das für die rechte Seite von Valsgärde 8 (Fig. 28 und 29). Anders verhält sich das bei der linken Seite von Valsgärde 8 (Fig. 26 und 27), da dort die RaubvogelHelmzier bei dem Motiv 1 (Fig. 26) gewiß und bei dem Motiv 2 (Fig. 27) immerhin wahrscheinlich ist. Aber dieses Motiv 2 hat ja durch die gleichzeitige Abbildung des Hauptgottes in Vogelgestalt ohnehin einen eigenen Rang. Beides, die Verdoppelung der Zwillings-Motive und den Sonderfall der linken Seite von Valsgärde 8 verstehen wir besser durch die älteren Dioskuren-Brakteaten. Denn durch die dreimalige Verdoppelung der Rettungs-Epiphanien werden die Programme jener drei Helmseiten (Fig. 37 und 38; Fig. 34 und 35; Fig. 28 und 29) Seitenstücke zu den Zwillingsbrakteaten aus dem Umkreis von Odense-Odinsve auf Fünen (Abb. 25 und 26), die die wichtigsten menschengestaltigen Paar-Versionen auf den Goldamuletten sind. Der Sonderfall aber der linken Seite von Valsgärde 8, bei dem das Motiv 2 (Fig. 27) das Motiv 1 (Fig. 26) mit der Vogelepiphanie des Hauptgottes erweitert, läßt sich mit der menschengestaltigen Kombination von Hauptgott und Dioskur auf dem Brakteaten-Motiv Kitnass I (Abb. 30a und b) vergleichen. Zwar haben die pferdegestaltigen Paar-Varianten der Goldbrakteaten, die aus Fundorten 308

F o r n a l d a r S ö g u r N o r ö r l a n d a , h g . v o n C A R L CHRISTIAN R A F N , K o p e n h a g e n 1 8 3 0 , 3 S . 3 3 f . ; W A L T E R

BAETKE, Die Religion der Germanen in Quellenzeugnissen, Frankfurt/M 3 1944, S. 90 Nr. 11. Vgl. auch JAN DE VRIES, Altnordische Literaturgeschichte 2: Die Literatur von etwa 1150 bis 1300. Die Spätzeit nach 1300 (Grundriß der germanischen Philologie 16, hg. von WERNER BETZ) Berlin 1967, S. 166, 488. 309

KUHN (wie A n m .

310

Zu den Botengöttem vgl. auch HAUCK (wie Anm. 1, XIX) 3. Abschnitt nach Anm. 442 und 475.

132).

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

241

Schonens (Abb. 31a und b sowie 32 a und b) stammen, in den kriegerischen Programmen der Waffenbilder keine Entsprechung, da sie in den Themenkreis von dem Hauptgott als Arzt gehören 311 . Aber um so wichtiger ist, daß der A-Brakteat von Aschersleben mit seinem Dioskuren mit Marshelm und Pferde-Protome (Abb. 28a und b) ein Zwischenglied liefert zwischen den mediterranen Dioskuren-Bildern mit Pferde-Protome (Abb. 24, 22 und 23) und den dioskurischen Feldzeichen auf dem rechten Stirnblech des Helms Valsgärde 7 (Fig. 29; s. unten Anhang 1, Motiv 2) vor der Speerhand des Reiters mit Raubvogelhelm. Jedoch nicht nur in diesem wie eine Vision gezeigten dioskurischen Signum vor dem Reiter (Fig. 29) wird auch in den Preßblechbildern die dioskurische Tiergestalt in der Pferde-Protome als Feldzeichen bezeugt. Vielmehr erhellt die Pferdeornamentalisierung der Saxscheide von Valsgärde 5 (Fig. 30), daß die gegeneinandergestellten Ornamenttiere in der Zone I des Helms Valsgärde 8 (Fig. 31) als die theriomorphe Variante des Zwillingsthemas verstanden werden dürfen. Dem Platz der Zwillinge in der überirdischen Rangordnung gemäß ist es, wenn sie bei ihrem Paarauftritt, der am häufigsten für die Stirnzonen, aber auch auf den Helm-Wangen-Klappen von Sutton Hoo (Fig. 3) belegt ist, die Lanzen, die durch ihre Speerblattformen als Gotteswaffen kenntlich sind (Fig. 18 und 41), in einer zur Nachahmung auffordernden Huldigung umtanzen. Im historischen Kontext des Sakralortes deutet das darauf, daß die Gotteslanze als Heiltum in Altuppsala einen bedeutsamen Platz inne hatte 3 1 2 . Deshalb ist es wesentlich, daß wir das TänzerPreßblech auch aus dem Osthügel von Altuppsala wenigstens in einem Fragment (Fig. 44) kennen 3 1 3 . Für die Gesamtauswertung mustern wir, wie der Gottesspeer in den einzelnen Varianten mit den verdoppelten Speerwerfer-Gestalten von Reiter und MiniaturDioskur gehandhabt wird. In der goldenen dreifigurigen Version von Pliezhausen (Abb. 43 a und b) entsprechen einander nicht nur die Speerhände des Reiters und des Mannes im Eidolon-Typus, sondern auch der als zweite Waffe gezeigte Rundschild und nicht zuletzt das jeweils in den Nacken zurückgelegte Haupt. Dessen Stellung gehört in das Ensemble der Wurf-Gestik, die da gerade beim Kopf des zweiten Speerwerfers aufs höchste gesteigert wiedergeben wird 3 1 4 . Daß diese Steigerung als wichtig angesehen wurde, bestätigt ihre Variante in der Speerwurf-Szene von Sutton Hoo (Fig. 18), bei der zwar das Reiterhaupt nicht in gleicher Weise wie bei dem Gold von Pliezhausen (Abb. 43 b) auf die Wurfgebärde einschwingt, aber doch der Kopf des zweiten Speerwerfers 315 . Indem nun diese älteren Versionen durch die Einführung der Götter- und der Reiterhelme in Uppland abgewandelt wurden, schwächte das die einheitliche K o n z e p t i o n des d o p p e l t e n g e m e i n s a m e n S p e e r - S c h l e u d e r n s ab, zumal nun das behelmte Reiterhaupt zwar noch weiter im Profil, aber weiter der Vertikale angenähert, gezeigt wurde. Um aber den zweiten Speerwerfer mit seinem Götterhelm, der nicht zufällig dem Mars-Wodan-Helm von 311

H A U C K ( w i e A n m . 1 , X V I ) n a c h A n m . 4 6 a.

312

Römisch vergleichbares erörtert WERNER EISENHUT, Ancile (Der Kleine Pauly 1, München 1979,

313

HAUCK ( w i e A n m . 1, X X ) A n h a n g 4 .

S p . 3 4 2 f . ) . S . a u c h STRÖM ( w i e A n m . 2 ) S . 2 7 1 . 314

E b d . Anhang 3.

315

BRUCE-MITFORD (wie A n m . 10) S. 1 9 3 .

242

Karl Hauck

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Fig. 44. Das Paar mit den umtanzten Speeren rekonstruiert mit Hilfe der Rückseite des originalen Fragments aus dem Osthügel von Altuppsala, 2 : 1, Zeichnung H . Lange; vgl. Anm. 313.

Torslunda (Abb. 40 und Fig. 12) gleicht, ohne weiteres verständlich darstellen zu können, wurde nun sein Gesicht genau von vorn wiedergegeben und unmittelbar mit dem Betrachter konfrontiert. Die Abschwächung des Kernthemas vom doppelten Speerwurf, die so eintrat, aber wurde bei dem Helm Valsgärde 8 dadurch beim Motiv R 1 (Fig. 28) ähnlich wie bei L 1 (Fig. 26) wettgemacht, daß der kleine Rundschild der Spielart von Pliezhausen (Abb. 43b) durch eine M i n i a t u r l a n z e ersetzt wurde. Sie ist zwar dem Eidolon-Typus des zweiten Speerwerfers gemäß, aber erhellt durch ihre Kleinheit die ganze Größe der von den zwei Speerhänden der beiden Figuren hintereinander gemeinsam geworfenen Lanze. Auf diese neue Weise ist unübersehbar, daß es mit der gemeinsamen Lanze eine besondere Bewandtnis hat. Das wird noch dadurch unterstrichen, daß diese Version gleichfalls paarig auch auf dem Helm Valsgärde 7 wiederkehrt. Das Thema des Gottesspeers wurde auf diese Weise in der Perspektive der Dioskuren als Botengötter veranschaulicht und verbindet sich so mit den Formen der Rühmung des Hauptgottes, die wir im Eingang dieses letzten Abschnittes musterten. Diese Befunde veranlaßten uns, die Aufmerksamkeit ganz auf die bildlichen Wiedergaben des Heldenspeeres im darstellerischen Kontext von Götterbildern zu konzentrieren. Die hier vorgelegte Abfolge von Analysen wollen wir noch in zwei unterschiedlichen Richtungen ergänzen: einmal brauchen wir einen Uberblick über die wichtigsten schriftlichen Zeugnisse zur Rolle der Dioskuren bei den Germanen bis zur

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Merowingerzeit, die wir zusammen mit einigen Nachrichten aus der Kaiserzeit über Siege, die mit überirdischer Hilfe errungen wurden, erörtern. Zum andern wollen wir uns zum Schluß wenigstens mit einigen Beleg-Proben darüber unterrichten, in welchen ikonographischen Formen das Motiv des Geleits der Uberirdischen und der Götter- bzw. Himmelswaffe seit der römischen Kaiserzeit gestaltet wurde. Wenn wir uns zuerst dem Uberblick über die einschlägigen schriftlichen Zeugnisse zuwenden, so wird sich schon dabei herausstellen, wie sinnvoll es ist, beide Fragen zusammen zu beantworten. Den U b e r b l i c k über die l i t e r a r i s c h e n B e z e u g u n g e n germanischer Dioskuren haben wir oben bereits begonnen, als wir zu Beginn des 3. Abschnitts auf die Alci-Problematik und die Notiz der Germania: nulla simulacra eingingen. Wir ergänzen daher hier jene Zusammenhänge mit einem anderen Gesichtspunkt, der grundsätzlich für uns unentbehrlich ist: nämlich mit der Antwort auf die Frage, was die schriftliche Uberlieferung über die Hilfe von Göttern in der Schlacht weiß 316 . Auch da gibt Tacitus für die Germanen in dem Germania-Kapitel über die Heerführer, die mehr durch ihr Beispiel die Ersten sind als durch Machtbefugnis, bereits Auskunft. Denn die Beschränkung der Befehlsgewalt wird verdeutlicht mit dem Satz: 'Im übrigen ist zu ahnden und in Fesseln zu werfen, ja auch nur zu schlagen nur den Priestern erlaubt, nicht wie zur Strafe und auch nicht auf Geheiß des Führers, sondern gleichsam auf Befehl Gottes, der nach ihrem Glauben den Kämpfern beisteht', velut deo imperante, quem adesse bellantibus credunt. Der göttliche Beistand ist unmittelbar anschaulich, da Bilder und Statuen aus den Kulthainen in die Schlacht mitgeführt werden, effigiesque et signa quaedam detracta Iuris in proelium ferunt317. Demgemäß stoßen wir in der Schilderung der Historien des Tacitus vom Aufstand des Batavers Claudius Civilis auf die polemische Antithese von den Feldzeichen der römischen Veteranen-Cohorten hier und auf die Bilder wilder Tiere da, die den Wäldern und Hainen entnommen wurden, depromtae silvis lucisve ferarum imagines, 'wie es bei jedem Stamme Brauch ist in den Krieg zu ziehen' 318 . So wenig wir von dem inneren Gefüge der germanischen Wanderstämme wissen, die Kampfhilfe dioskurischer Gottheiten in irdischen Repräsentanten ist immer wieder zumindest mit Funktions- und Kultnamen aus deren Etymologien erschließbar. So zuerst bei den Wandalen, wenn Cassius Dio den Zug der Hasdingen nach Dakien 171 n. Chr. unter Führung von Raos und Raptos, 'Rahe' und 'Balken', überliefert 319 . Auf ein ähnliches dioskurisches Doppelkönigtum weist die lango316

D a z u grundsätzlich SPEYER (wie A n m . 33); HAUCK (wie A n m . 5) S. 3 0 f f .

317

Germania (wie Anm. 91) c. 7 S. 159ff. Anders KLAUS VON SEE, Altnordische Rechtswörter. Philologische Studien zur Rechtsauffassung und Rechtsgesinnung der Germanen (Hermaea. Germanistische Forschungen. Neue Folge 16) Tübingen 1964, S. 106 Anm. 19; vgl. jedoch auch HEINRICH BECK, Germanische Menschenopfer in der literarischen Uberlieferung (Vorgeschichtliche Heiligtümer und Opferplätze in Mittel- und Nordeuropa. Bericht über ein Symposion in Reinhausen 1968, hg. von HERBERT JANKUHN: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. PhilologischHistorische Klasse. Dritte Folge Nr. 74, Göttingen 1970, S. 240-258) S. 253 Anm. 49. Cornelius Tacitus II 1, hg. von EMIL KOESTERMANN, Historiae (Bibliotheca Teubneriana) Leipzig

318

1950, IV, 22. 319

Dio's Roman History with an English Translation by EARNEST CARY, ed. by HERBERT BALDWIN POSTER (The Loeb Classical Library) Cambridge Mass. 1961, Vol. 9, S. 14 ( L X X I , 12, 1); WAGNER (wie A n m . 9 4 ) S . 2 2 9 f f . , 2 3 9 ; WOLFRAM (wie A n m . 3 2 1 ) .

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Karl Hauck

bardisch-winnilische Wanderüberlieferung bei Paulus Diaconus, bei dem in dieser Führerrolle die Brüder Ibor und Agio auftreten 320 . „Bedenkt man, daß die Namen dioskurischer Führer, die aus der germanischen Wanderungszeit bekannt sind, mehrfach einander inhaltlich entsprechen, so liegt die Annahme nahe, auch der Name Agio habe die Tierhaftigkeit' seines Trägers ausgedrückt (vgl. ahd. egetier 'wildes, schreckliches Tier'.) Vielleicht stand Agio hier als Kurzform für Agiulf" 3 2 1 . Die Landnahmeführer der Jüten auf der britischen Insel im 5. Jahrhundert, Hengist und Horsa, wurden oben bereits erwähnt. Ihre geschichtlichen Benennungen wird man „nicht als echte Personennamen, die bei der Geburt verliehen wurden, sondern als Funktionsnamen bezeichnen dürfen, welche die Führer bei der Auswanderung als Repräsentanten der göttlichen Dioskuren trugen. In späterer Tradition haben die Beinamen ihre ursprünglichen Eigennamen verdrängt" 322 . Die Kultnamen, die die Vorstellungen von der Kampfhilfe der Dioskuren im Norden bezeugen, werden also seit der römischen Kaiserzeit tradiert. Angesichts der intensiven Symbiose von Germanen und Romanen im Imperium Romanum des 4. Jahrhunderts, in dem Männern barbarischer und damit auch heidnischer Herkunft selbst die Laufbahn zu den höchsten Rängen der römischen Armeen geöffnet wurde 323 , ist es erforderlich, die die Germanen betreffenden Zeugnisse von der Götterhilfe im Krieg auch mit der Uberlieferung aus dem Süden zusammenzusehen. Begegnen wir doch im Jahrhundert Konstantins im Süden dem Ringen der gegensätzlichen Religionen auch in der unterschiedlichen Vorbereitung der Schlachtentscheidung immer wieder. So hat an der Epochenwende im frühen 4. Jahrhundert bei dem Kampf um das neue Einheitsimperium der Kaiser selbst das Monogrammkreuz als Siegeszeichen und die Form der Kaiserstandarte festgelegt. Infolgedessen stellt „die Erzählung von der Kreuzesvision . . . wohl die Selbstdeutuni; Constantins auf der Höhe seiner Laufbahn dar" 3 2 4 . Gemäß den damaligen Zeitanschauungen konnte dann Augustin den frommen Kaiser Theodosius als Bezwinger des Usurpators Eugenius als von Gott beschützt verherrlichen und die Zeremonien der älteren Religion zur Kampfvorbereitung der Lächerlichkeit preisgeben. Die augustinische Rühmung des Theodosius erhält dabei ihr Licht durch den Mosesvergleich, wenn es in De Civitate Dei von Theodosius und Eugenius heißt: 'gegen dessen übermächtiges Heer kämpfte er mehr mit Gebet, als mit Waffengewalt an . . . Soldaten, die selbst dabei gewesen, berichteten uns, von der Front des Theodosius her sei ein gewaltiger Sturmwind dem Feinde entgegengebraust, habe ihnen selber alle Geschosse geradezu aus den Händen gerissen und nicht nur diese beflügelt hinübergetragen, quaecumque in eos iaciebantur concitatissime raperet, sondern sogar die

320

Pauli Historia Langobardorum (MGH SS rer. Langob., hg. von GEORG WAITZ, Hannover 1878) I c . 7 S . 5 2 Z . lff.

321

MÜLLER (wie A n m . 97) S. 143; vgl. auch HERWIG WOLFRAM, Gotische Studien 1 (Mitteilungen des

Instituts für österreichische Geschichtsforschung 83, 1975, S. 1—32) S. 5ff. 322 ygi 0 ben nach Anm. 96 und 250 sowie MÜLLER (wie Anm. 97) S. 157. 3 2 3 KARL FRIEDRICH STROHEKER, Germanentum und Spätantike (Die Bibliothek der alten Welt, hg. von OLOF GIGON) Zürich—Stuttgart 1965, S. 9 f f . , 3 0 f f . ; ALEXANDER DEMANDT, Magister militum

(PAULY-WISSOWA, Supplementband 12, Stuttgart 1970, Sp. 553 - 790) Sp. 562ff.; 587ff. 324

VOGT (wie A n m . 64) Sp. 325.

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Speere der Feinde in ihre eigenen Leiber zurückgetrieben. Deshalb sang auch der Dichter Claudian, obwohl dem Christentum fernstehend zu Theodosius' Lobe: „Wahrlich, du bist Gottes Freund, denn Äolus sandt' aus der Höhe Dir den kriegerischen Sturm und streitende Lüfte zu Hilfe, Aeolus armatas hiemes, cui militat aetber, Windsbraut als Bundesgenoß der lauten Trompeten." 'Als er nun seiner Uberzeugung und Voraussage gemäß den Sieg errungen hatte, ließ er die Jupiterbildnisse, die man, um ihm zu schaden, mit allerlei Zeremonien geweiht und in den Alpen aufgestellt hatte, umstürzen', Iovis simulacra, quae adversus eum fuerant nescio quibus ritibus velut consecrata et in Alpibus constituta, deposuit325. Die schriftlichen Zeugnisse, aus denen wir einige wenige Beispiele auswählten, rühmen also entweder die Dioskuren mit ihrem göttlichen Beistand, der an irdischen Repräsentanten sichtbar ist, oder religiöse Kampfvorbereitung. Derartige Zurüstungen werden ebenso von den Anhängern der heidnischen Kulte bezeugt wie von den Kaisern im Bann der jüngeren Buchreligion. Es überrascht infolgedessen nicht, Bildkonzeptionen des mediterranen Heidentums sowohl in Varianten der Randkultur im Norden wiederzutreffen, wie wir sie mit den Motivspielarten der Reiterszenen aus dem Umkreis von Altuppsala als sakralem Zentrum erreichen, als auch in verchristlichten Versionen im Süden. Letztere sind sehr viel länger bekannt als die ersteren und daher auch zumindest als mittelalterliche Denkmäler so erforscht, daß wir auf sie in einer Skizze eingehen können. Indem nun aber die an die Vorstellungen des Nordens angepaßten Motivspielarten aus der Vendelzeit wiederentdeckt wurden, werden auch die gemeinsamen Vorstufen sowohl der heidnisch gebliebenen Nordversionen als auch der verchristlichten Südversionen erreichbar. Das verdeutlichen wir uns nunmehr, indem wir die oben bereits gestellte Frage beantworten, in welchen Formen das Motiv des Geleits der Uberirdischen und der Götter bzw. der Himmelswaffe seit der römischen Kais er zeit gestaltet wurde. Aus dem Bündel einschlägiger Bildgedanken erweist sich als am dauerhaftesten die Vorstellung von dem im Geleit der Uberirdischen gestützten und zu seinem Heil gesteuerten Menschen, der dadurch Außerordentliches zu leisten vermag. Die bildlichen Darstellungen dieses Themas verwenden zu seiner Verwirklichung die zeremonielle Form der sustentatio, der Stützung der Arme des feierlich Geleiteten. Dieser Ritus, der aus dem Orient stammt, ging in der Kaiserzeit in das Hofzeremoniell über. Im Westen ist der sustentatio-Ritus daher schließlich auch bereits im ältesten Zeremonienbuch der römischen Kirche, im Ordo Romanus Primus für den Papst zu treffen 326 . In einer hier interessierenden Bildgestaltung stoßen wir auf diese sustentatio zuerst am Ende des 1. Jahrhunderts in einer Relieffolge, die der Kaiser 325

Aurelius Augustinus, De Civitate Dei, V c. 26, deutsch nach WILHELM THIMME, Zürich 1955, S . 3 1 6 f . ; SPEYER ( w i e A n m . 3 3 ) S . 5 8 A n m .

326

10, S . 73 A n m .

1 2 7 s o w i e S . 7 6 ; JOHANNES STRAUB,

Regeneratio imperii. Aufsätze über Roms Kaisertum und Reich im Spiegel der heidnischen und christlichen Publizistik, Darmstadt 1972, S. 160ff., 282. MICHEL ANDRIEU, Les Ordines Romani du haut moyen âge, 2 (Spicilegium Sacrum Lovaniense 23) N a c h d r u c k L ö w e n 1960, S. 76 N r . 2 9 ; S . 81 N r . 4 5 ; S. 91 N r . 6 9 ; S. 1 0 3 f . N r . 113; ERNST JERG,

Die 'sustentatio' in der römischen Liturgie vor dem Hintergrund des kaiserlichen Hofzeremoniells (Zeitschrift für katholische Theologie 80, 1958, S. 316-324) S. 316.

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Karl Hauck

Domitian in Auftrag gab 327 . Deswegen wird da aus dem Göttergeleit, das, vorausschreitend, Domitian den Weg bahnt, Minerva durch ihre Rückwendung zum Kaiser (Fig. 45) besonders herausgehoben. Zollte Domitian doch gerade dieser Göttin, als deren Sohn er sich zuweilen ausgab, abergläubische Verehrung, errichtete

Fig. 45. Domitian im Göttergeleit, von dem die Zeichnung allein Minerva und Roma wiedergibt, letztere vollzieht den Ritus der 'sustentatio', nach Magi.

ihr auf seinem Forum einen Tempel und feierte auf seinem albanischen Landgut mit einem eigens dafür eingesetzten Priesterkollegium das Fest der Quinquatren zu ihren Ehren 328 . Die zeremonielle Gebärde der sustentatio wird in dem Relief von der Gestalt der Roma so ausgeführt, daß ihre stützende Hand vor dem linken 327

FILIPPO MAGI, I Rilievi Flavi del Palazzo della Cancelleria (Monumenti Vaticani di Archeologia e d ' A r t e 6 ) R o m 1 9 4 5 , S . 9 8 f f . T a f . I u n d I I ; E R I K A SIMON i n : W O L F G A N G H E L B I G , F ü h r e r d u r c h d i e

öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom 1, hg. von HERMINE SPEIER, Tübingen "1963, S. 8 f f . N r . 328

12.

C . Suetonii Tranquilli vitae XII Imperatorum, hg. von MAXIMILIAN IHM, Leipzig 1927, Domitian c. 4 und 15, S. 320, 330.

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Ellenbogen des Kaisers (Fig. 45) zu sehen ist 3 2 9 . Die gleiche bemerkenswerte Geste kehrt im 2. Jahrhundert auf dem oben schon genannten syrischen Helm wieder. D o r t aber wird in einer Weise, die den Sieg der gepanzerten Kriegergestalt verheißt, ihr Speerarm von einer Victoria (Abb. l a und b) wiederum vor dem Ellbogen gestützt. Daß diese überirdische sustentatio nicht von jener Opferszene daneben (Fig. 9a) zu trennen ist, die „die Arme der Götter herbeiruft", hat uns oben bereits beschäftigt 3 3 0 . Parallel zu diesem Helmprogramm erscheinen im 2. Jahrhundert Medaillonprägungen wie die des Antoninus Pius, die die Hilfe der Götter im Kampf verherrlichen. Auf ihnen ist Volcanus, der göttliche Schmied gezeigt, wie er Waffen anfertigt, „die Minerva holt, u m sie den Menschen oder auch den Göttern, die in den Kampf eingreifen wollen, zu bringen" 3 3 1 . O b w o h l damals bereits gedanklich alle Elemente vorhanden sind, die wir in den Speerwurf-Szenen aus Altuppsala vereinigt finden, halten wir es für richtig, vor ihnen auf die christianisierten Versionen dieser Konzeptionen einzugehen. Erreichbar werden sie f ü r uns, nachdem Rom seit der Mitte des 6. Jahrhunderts zwei volle Jahrhunderte lang von den Kaisern in Konstantinopel regiert worden war, allerdings in einer Phase, in der sich jene Abhängigkeit des ersten R o m vom zweiten am Bosporus zu lösen begonnen hatte 3 3 2 . So konnten denn Vorstellungen vom Himmel als Wegbereiter des Kaisersieges von Papst Hadrian auf seinen neuen Beschützer, den Frankenkönig Karl als patricius Romanorum übertragen werden. Demgemäß erfahren wir aus der Widmung des römischen Kirchenrecht-Handbuches von Papst Hadrian für Karl als Osterpilger 774 der veränderten Gegenwart entsprechend von der christlichen Form des Opfers und der Ubergabe einer Himmelswaffe an den Frankenkönig Einzelheiten. Gehen doch die Akrostichon-Verse der Buch-Widmung zuerst auf jenes Schenkungsversprechen ein, das Karls Vater Pippin erstmals zwanzig Jahre früher gegeben hatte und das nun sein Sohn in R o m erneuerte. Von der dazu ausgestellten Urkunde Karls aber wurde nach dem Liber pontificalis eine „Ausfertigung unter das Evangeliar auf dem Petrusgrab, das die Pilger zu küssen pflegten, gelegt" 3 3 3 . Dann aber nennen diese Verse in der Rolle der römischen Dioskuren als Comites und Conservatores der Kaiser 3 3 4 die beiden römischen Apostel. Unter der für die schützende Allmacht signifikanten H a n d Gottes geleiten sie nicht nur Karl, sondern beschenken ihn auch mit dem Himmels- und Siegesspeer, der den Sieg und

329 330 331 332

333

334

Die zeremonielle Gebärde wurde bisher nicht verstanden. S. oben nach Anm. 86. STRACK (wie Anm. 33) 3 S . 55 sowie 59 ff. E U G E N E W I G in: Die mittelalterliche Kirche 1. Vom kirchlichen Fruhmittelalter zur gregorianischen Reform (Handbuch der Kirchengeschichte 3, hg. von H U B E R T J E D I N ) Freiburg-Basel-Wien 1966, S. 63ff.; T H E O D O R SCHIEFFER in: Europa im Wandel von der Antike zum Mittelalter (Handbuch der europäischen Geschichte 1, hg. von T H E O D O R S C H I E D E R ) Stuttgart 1976, S. 549ff. Le Liber Pontificalis 1, hg. von Louis D U C H E S N E , Paris 1955, S . 516 Anm. 31 Z . 30ff., Hadrianus c. 43 S . 498 Z . 26ff.; P E T E R CLASSEN, Karl der Grosse, das Papsttum und Byzanz. Die Begründung des karolingischen Kaisertums (Karl der Grosse 1. hg. von H E L M U T B E U M A N N , Düsseldorf 1968) S . 15f., 29; A R N O L D A N G E N E N D T , Das geistliche Bündnis der Päpste mit den Karolingern (754 - 796) (Historisches Jahrbuch 1980, im Druck) nach Anm. 301 (mir durch die Freundlichkeit des Verfassers bereits im Manuskript zugänglich). Zu dieser Dioskurenrolle s. oben nach Anm. 36.

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die Unversehrtheit des Franken sowie seines Heeres verbürgt, und kämpfen für ihn so, daß das den Franken den Sieg garantiert. In lateinischer Kürze lautet das

. . . Dextera protegi divina Petro comitante Pauloque. Romphaeam victoriae donantes atque pro te dimicantes Inlaestis cum tuis victor manebis, nempe per ipsos335. Der Text bezeugt die Aushändigung einer Reliquienwaffe durch den Papst an den Frankenkönig, die als Gabe der römischen Apostel durch ihren obersten Priester gerühmt wird 3 3 6 . Da Hadrians Nachfolger Leo III. eine solche 'himmlische' Waffeninvestitur variierte 337 , besitzen wir wenigstens in Nachzeichnungen der Neuzeit (Abb. 44) die Szene aus dem Lateranpalast-Mosaik, das dieses bedeutsame Geschehen auf der Petrus-Karls-Seite rühmte. Unter dem Mosaik war noch lange als Inschrift das akklamatorische Rufgebet zu lesen, das bei dem Apostelfürsten langes, unversehrtes Leben für den Papst Leo und glückhaften Sieg für Karl erflehte: B E A T E P E T R E D O N A S VITAM L E O N I PAPAE ET BICTORIAM CARVLO REGI DONAS338. Die vergleichbaren oströmischen Denkmäler und Zeugnisse für dieses ikonographische Thema sind seit einem halben Jahrhundert gesammelt und ausgewertet worden. Dadurch ist ein zentraler Aspekt, der auch für die Bildzeugnisse des Nordens wesentlich ist, geklärt, nämlich die Realität der Waffen und Insignien, die wir aus den Abbildungen solcher Himmels-Investituren kennen. Uber sie sagte so Josef Deer: „Von den sehr wenigen und erst aus der Spätzeit stammenden Darstellungen abgesehen, führen uns diese Bilder nie die Krönung des Kaisers durch den Patriarchen, sondern seine Investitur durch die göttliche Hand, durch Christus, durch die Jungfrau und Heilige, sehr oft unter Assistenz von Personifikationen, insbesondere aber von Engeln vor Augen, die als Ubermittler der Insignien himmlischer Herkunft mitwirken. Alle diese Bilder sind also dazu bestimmt, das Gottesgnadentum und die Gottunmittelbarkeit der Herrschergewalt zum Ausdruck zu bringen. Diese Tendenz führt zu einer eigenartigen Vermischung von transzendenten und reellen, von himmlischen und irdischen, von symbolischen und gegenständlichen Elementen in allen Darstellungen der Herrscherinvestitur. Die Spender und Darbringer der Herrschaftszeichen — göttliche Hand, Christus, Jungfrau, Heilige und Engel — sind nicht 335

Liber PontificaJis 1 (wie Anm. 333) S. 516 Z. 35ff.; über die hier bedeutsame byzantinische Tradition erhalten wir Aufschluß durch Constantine Porphyrogenitus, De administrando imperio, hg. von G Y U L A M O R A V C S I K u n d ü b e r s , v o n R O M I L L Y JAMES H E A L D J E N K I N S , B u d a p e s t 1 9 4 9 , 1 c . 1 3 S . 6 6

Z . 2 4 f f . ; 2 , commentary hg. von ROMILLY JAMES HEALD JENKINS, L o n d o n 1962, S. 6 3 F . ; s. dazu 336

337

ÜEiR (wie Anm. 339) S. 105 sowie S. 62ff. KARL HAUCK, Die Ausbreitung des Glaubens in Sachsen und die Verteidigung der römischen Kirche als konkurrierende Herrscheraufgaben Karls des Großen (Frühmittelalterliche Studien 4, 1970, S. 138-172) S. 170. Annales regni Francorum, hg. von FRIDERICUS KURZE (MGH SS rer. Germ, in us. schol., Hannover 1 8 9 5 ) S . 9 8 ; CLASSEN ( w i e A n m . 3 3 3 ) S . 3 2 m i t A n m . 1 3 7 ; ANGENENDT ( w i e A n m . 3 3 3 ) n a c h A n m . 399.

338

CLASSEN (wie A n m . 333) S. 39F.; HANS BELTING, D i e beiden Palastaulen Leos I I I . im Lateran und

die Entstehung einer päpstlichen Programmkunst (Frühmittelalterliche Studien 12, 1978, S. 55—83) S. 5 7 , 6 6 F . , 7 8 .

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'von dieser Welt', was sie aber dem Herrscher an Herrschaftszeichen und Gewändern darbringen sind alles durchaus reelle Requisiten, sind Insignien und Tracht im konkretesten Sinn des Wortes, die den jeweiligen protokollarischen Konventionen am genauesten entsprechen" 339 . Von den Beispielen, mit denen Deer diese Sicht erhärtete, ist für uns das bedeutsamste der kaiserliche Psalter in der Marciana in Venedig, mit dem Bild Basileios II. ( t 1025) in kriegerischer Rüstung (Abb. 46). Der Kaiser steht auf einem Schild und erhält von zwei symmetrisch heranfliegenden Engeln einerseits das Diadem, das in dem Himmelssegment Christus für ihn bereithält, und andererseits auch den Siegesspeer, der die Feinde bezwingt. Auf jenen Darstellungen sind die „Insignien, welche die Engel den Herrschern zu überbringen pflegen, . . . durchaus reell, wie etwa die Kaiserlanze Basileios II., die ihre Bestätigung im Zeremonienbuch Konstantins VII. findet" 3 4 0 . Demgemäß werden die mit Hilfe des Himmelsspeers bezwungenen Feinde als Besiegte in die Darstellung einbezogen. Nicht bloß zur Erkenntnis dieses Zusammenhangs helfen die Verse, die jene Miniatur Basileios II. erläutern, sondern auch zum Verständnis der Nordversionen dieser Thematik auf den Preßblechbildern aus Altuppsala und seinem Umland. Ihor Sevcenko übersetzte den Text in die folgende englische Prosa: „A strange marvel is to be seen here: from Heaven, Christ, in his life-bringing right, extends the crown, the symbol of power, to Basil, the pious and mighty Ruler. Below are the foremost (two) if the incorporeal Beings: one of them has taken (the crown), brought it down, and is joyfully crowning (the Emperor); the other adding victories to the (symbol of) power, is placing the rhomphaia, a weapon that frightens the enemies away, in the ruler's hand. The martyrs are his allies, for he is their friend. They smite (his enemies) who are lying at his feet" 3 4 1 . In den Versen zur Miniatur Basileios II. (Abb. 46) wird also für die abgebildete Lanze dasselbe Wort 'romphaia' gebraucht, das latinisiert zu romphaea in den päpstlichen Widmungsgedicht von 774 begegnete 342 . Wie die Himmelswaffe den Sieg bewirkte und zur romphaea victoriae wurde, sagt der griechische Text mit dem Hinweis darauf, daß dieser Speer in der Hand des Herrschers die Feinde zu Tode erschreckt und vertreibt. Diese im Osten durch solche Zeugnisse sichtbare Kaisertradition vom siegbringenden Himmelsspeer ist im Westen seit 960 auch für die Ottonen wichtig geworden. Liudprand von Cremona rühmt demgemäß als virga Dei des neuen Moses, Ottos I., die sancta lancea, als ihm von dessen Vater mit dem Reich hinterlassenes Erbe. Den Worten des Bildgedichts aus dem Basileios-Psalter über die Wirkung der Himmelswaffe ganz nahe sagt Liudprand von ihr im Besitz König Heinrichs I.: dum

contra se insurgentes hoc victorifero praeeunte signo semper hostes terruit atque 339

JOSEF DE£R, Byzanz und das abendländische Herrschertum. Ausgewählte Aufsätze hg. von PETER CLASSEN, Sigmaringen 1977, S. 104.

-

3 40

DEER (wie Anm. 339) S. 104, 62ff.; ANDRE GRABAR, L'empereur dans l'art byzantin, Strasbourg 1936, S. 112 ff. mit T a f . X X I I I , 1; IHOR SEVCENKO, T h e Illuminators of the M e n o l o g i u m o f Basil II ( D u m b a r t o n O a k s Papers 16, 1962, S . 2 4 3 - 2 7 6 ) S. 271 f . ; DAVID TALBOT RICE, K u n s t aus B y z a n z ,

München 1959, S. 68 Nr. 127 mit Farbtaf. XI. 341

SEVCENKO (wie A n m . 3 4 0 ) S . 2 7 2 .

342

S. oben nach Anm. 334. Die Übersetzung 'sword' bei SEVCENKO a.a.O. ist ein Versehen.

250

Karl Hauck

fugavit. Und im Anschluß an diesen aus der Tradition entlehnten Satz nennt auch Liudprand den Himmelsspeer rompkea. Diese romphaea ist ein unschätzbares Himmelsgeschenk, inaestimabile donum caeleste, 'ein Kleinod, durch welches Gott das Irdische mit dem Himmlischen verknüpft hat' 343 . In dieser Rühmung wird der König und Kaiser Otto auch unmittelbar als Sieger in der Schlacht von Birten 939 mit den Worten angesprochen: „Vielleicht, nein ganz gewiß hast auch Du vorher nicht gewußt, wie lieb Dich Gott hat; und dieses hat er Dich erkennen lassen, indem er Dir einen so großen Sieg verlieh. Denn welches Maß an Heldenkraft heilige Männer (sancti etiam viri) haben und wie sie vor einer Prüfung durch Gott bestehen, das wissen sie erst nach der Erprobung" 344 . Auf Grund dieser Zusammenhänge wurde die ottonische sancta lancea Staatsreliquie (Abb. 45) und ging als Heiltum in den Hort der deutschen Könige und Kaiser ein, der noch heute mit ihr in der weltlichen Schatzkammer der Wiener Hofburg aufbewahrt wird 3 4 5 . Dementsprechend hat sich auch ein ottonisches Herrscherbild aus dieser Tradition im Regensburger Sakramentar Heinrichs II. gleichfalls mit Versen erhalten, die die Darstellung (Fig. 46) interpretieren. In ihr wird Heinrich II. in derselben Weise wie bei Liudprand Otto I. als neuer Moses gerühmt 346 . Infolgedessen preist die Stützung seiner Arme, deren Hände von Engeln die Himmelswaffen empfangen, den Herrscher ebenso wie den Mann Gottes aus Israel, aber nimmt zugleich nochmals die sustentatio-Tradition auf, die wir hier mit einigen Beispielen aus der römischen Kaiserzeit (Fig. 45 und Abb. l a und b) zuerst kennenlernten 347 . Der sustentatio-Aspekt der Sakramentar-Illustration wird bekräftigt von den Herrscherbildern Heinrichs II. wie dem aus dem Bamberger Pontificale (Abb. 2), das im Kloster Seeon entstand. Es bildet den sustentatio-BÄxxis ohne die Verknüpfung mit der Himmels- und der Moses-Perspektive ab 348 . Demgegenüber zeigt das für uns bedeutsamere Regensburger Herrscherbild Heinrichs II. (Fig. 46) zwar ähnlich symmetrisch wie die Seeoner Handschrift Bischöfe (Abb. 2) dafür Heilige beim stützenden Geleit für den Herrscher, und zwar zusammen mit den Engeln, die aus der Himmelszone die Himmel und Erde verbindenden Waffen bringen. Wohl ist in 343

344

Die Werke Liudprands von Cremona, hg. von JOSEPH BECKER (MGH SS rer. Germ, in us. schol. Hannover-Leipzig 3 1915) S. 1 - 1 5 8 Antapodosis IV c. 2 4 f . S. 119 Z. 2 2 f f . , S. 1 1 8 f . Z. 1 2 f f . , 27. Ebd. IV c. 26 S. 120 Z. 2, S. 121 Z. 8 f f . Dazu KARL HAUCK, Erzbischof Adalbert von Magdeburg als Geschichtsschreiber. Mit der Mitteilung der mikrochemischen Analyse der Heiligen Lanze in Wien von HANNS MALISSA (Mitteldeutsche Forschungen 74/2, 1974 = Festschrift für Walter S c h l e s i n g e r 2 , h g . v o n HELMUT BEUMANN, S . 2 7 6 — 3 5 3 ) S . 3 0 4 f f .

345

HERMANN FILLITZ, Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reichs, Wien—München 1 9 5 4 , S . 3 7 f f . , 5 4 f . ; PERCY ERNST S C H R A M M - F L O R E N T I N E MÜTHERICH, D e n k m a l e d e r d e u t s c h e n

346

Könige und Kaiser. Ein Beitrag zur Herrschergeschichte von Karl dem Großen bis Friedrich II., 768—1250 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München 2) München 1962, S . 139 Nr. 62. ALBERT BÜHLER, Die Heilige Lanze und der Heilige Ulrich auf dem Widmungsbild des Heinrichssakramentar (Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 61, 1955, S. 179—192); JERG (wie A n m . 3 2 6 ) S . 3 2 2 ; HAUCK ( w i e A n m . 3 4 4 ) S . 3 0 8 f f . ; L o u i s GRODECKI-FLORENTINE M Ü T H E R I C H -

JEAN TARALON—FRANCIS WORMALD, Die Zeit der Ottonen und Salier (Universum der Kunst) München 1973, S. 156 und 159 (Farbtafel). 347 348

S. oben nach Anm. 326. SCHRAMM—MÜTHERICH

(wie

A n m . 345)

W O R M A L D ( w i e A n m . 3 4 6 ) S. 9 2 , 1 5 5 , 1 6 0 .

S. 159

Nr. 117;

GRODECKI—MÜTHERICH—TARALON—

Fig. 46. Oberbringung des Himmelsspeeres in der Gestalt der heiligen Lanze für Heinrich II., Ausschnitt aus dem Regensburger Sakramentar, Zeichnung H . Lange.

252

Karl Hauck

der Darstellung die Preisung des Herrschers als eines siegreichen Beters zum eigentlichen Thema geworden. Trotzdem ist, was uns am meisten interessiert, das Thema des Himmelsspeers, den ein Himmelsbote (Fig. 46) überbringt, zugleich ausdrücklich festgehalten 3 4 9 . Dadurch vertieft auch noch dieses christliche Herrscherbild wie die Basileios-Miniatur (Abb. 46) das Verständnis der Speerwurf-Szenen der Kammhelme aus Altuppsala und seinem Umland. Denn alle diese so gegensätzlichen Thema-Varianten verbindet als Gemeinsamkeit die Hervorhebung der himmlischen Hauptmacht als Herrschergottheit. Ja, signifikant in diesem Gefüge für alle Varianten ist die Bekundung der Vertrauensbeziehung zwischen den Heerkönigen oder Heerkaisern und dem für sie nahen Himmel. Beim Vergleich der hier zusammengestellten sustentatio-V znantzn und Spielarten des göttlichen Geleits werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Belege deutlich, die aus gegensätzlichen religiösen Ordnungen kommen. Das kriegerische Geleit der Himmelsmächte legte die Aneignung des sustentatio-Ritus für die bildlichen Wiedergaben dieses Themas so nahe, daß wir auf diese Verknüpfung bereits bei dem zitierten Relief Domitians (Fig. 45) treffen. Die sustentatio des Speerarms bezeugt zuerst der in Syrien gefundene Helm (Fig. 9 a) mit der Victoria, die sich dem gepanzerten Streiter (Abb. 1 a und b) naht. Dabei wird das Siegesopfer gleichfalls zusammen mit dem Triumph geschildert, den die Bekränzung des Triumphators durch eine Victoria (Fig. 9b) verherrlicht 3 5 0 . Demgegenüber verdichten die uppländischen Bildbleche die Thematik ähnlich zu einer einzigen Szene, wie die eben besprochenen christlichen Versionen (Abb. 46 und Fig. 46). Da im Norden Führung und Geleit des Helden durch den Kriegs- und Totengott Mars-Wodan zu schildern war, ist das Motiv um die tödliche Bedrohung des Siegers durch den sich liegend bewegenden Gegner erweitert. Die göttliche Hilfe mit der Himmelswaffe wird im darstellerischen Kontext des Kampfgeschehens wiedergegeben. An die Stelle der Victorien als Götterboten sind die Dioskuren getreten. Anstatt der zeremoniellen sustentatio des Kämpferarms wird das Schleudern des Götterspeers von dem dem Gott nahen Helden u n d von dem Dioskuren als Boten des Wodan-Mars gezeigt. Dabei gibt es Spielarten, die den Götterfürsten mit Abbildern seiner Waffe (Fig. 20, 41 und 44) vergegenwärtigen. Daher kann diese Waffe ausdrücklich als Todesspeer mit dem fallenden Gegner (Fig. 35) charakterisiert werden. Die Dreiheit jener Gegner ist in den fünffigurigen Versionen (Fig. 35 und 38) als Bildchiffre für ein feindliches Heer benutzt. Als Heerkönig aber wird der Reiter, der in der KaiserbildNachfolge dargestellt ist, auch erkennbar durch den Marschall als Zügelführer. Die Kaiserbild-Nachfolge ergab sich am unmittelbarsten aus der Übernahme der Darstellungs-Konventionen des Augustus-adventus in der Schlacht. Sie lag aber auch deswegen gerade bei den Speerwurf-Szenen nahe, weil die Lanze „ein wichtiges Insigne des Kaisertums" gewesen ist 3 5 1 . Am lebhaftesten äußern sich zum Speer als Wunderwaffe die Thema-Varianten, die den göttlichen Herrn des Krieges in Vogelgestalt oder doch mit der Vogelkopf349

350

HAUCK ( w i e A n m . 3 4 4 ) S . 3 0 8 f f . ; D E E R ( w i e A n m . 3 3 9 ) S . 6 4 .

Zum Siegesopfer der späteren Kaiserzeit LAUBSCHER (wie Anm. 40) S. 26, 5 2 f f . , 76, 9 6 f . ; ENGEMANN (wie Anm. 40) S. 150ff.

351

ANDREAS ALFÖLDI, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, Darmstadt 1970, S. X I mit dem Hinweis auf seine älteren Arbeiten; DEER (wie Anm. 339) S. 62ff.

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

253

Abbreviatur (Fig. 24 sowie 27 und Abb. 43) zugleich mit seinem Boten, dem Dioskuren, wiedergeben. In den verchristlichten Fassungen des Themas liegt der Nachdruck teils auf der Verheißung der Unverletzlichkeit des Herrschers und der Seinen wie des tödlichen Erschreckens der Feinde. Auch sie heben auf ihre Weise die Gottesnähe des herrscherlichen Helden hervor, dem solche siegbringende Hilfe zuteil wird. In der Kultort-Perspektive ist die romphaea victoriae, die in der Nachfolge von Romulus und Remus, den römischen Zwillingen, die Apostel Petrus und Paulus Karl dem Frankenkönig und patricius der Römer durch ihren irdischen Stellvertreter, den Papst Hadrian I., schenken 352 , am engsten jenen Abbildern des Gottesspeeres verwandt, die für die vendelzeitlichen Kammhelme in verschiedenen Bildthemata integriert wurden. Dabei erhielten die Dioskuren als Helfer und Botengötter des Mars von Altuppsala eine Schlüsselrolle, der im päpstlichen Rom die des Apostel-Paares entspricht 353 . Die Dioskuren-Funktion des Botendienstes unterscheidet sich von dem, was wir sonst von Tacitus bis Beda über die Zwillingsgötter hören. Denn jene schriftlichen Belege spiegeln die Zwillinge als Hauptgötter. Das ist insofern kein Zufall, als Altuppsala ein traditionsreiches, über Jahrhunderte fortdauerndes Zentrum war. Sobald aber beim Aufbruch von Wanderverbänden die Jungmannschaften besonders wichtig wurden, konnte den Zwillingsgöttern als Sieg- und Nothelfern die Hauptrolle zufallen, in der wir sie bereits im Naharvalen-Hain treffen. Daß die germanischen Dioskuren auf den Bilddenkmälern des Nordens dem Gefolge des MarsWodan zugeordnet werden, bezeugen die Goldbrakteaten genauso wie die gepreßten Bildbleche. Diese Tatsache erklärt sich einfach dadurch, daß dieser jüngere Mars die Rolle und Funktion des älteren Mars-Tlwaz weitgehend übernahm 354 . Zu noch nicht überwundenen Schwierigkeiten führt daher der Versuch, vanische Namenszeugnisse in der Abhängigkeit von dem Einfluß von Dumézil für die Dioskuren in Anspruch zu nehmen 355 . Dagegen ergeben sich mindestens bei zwei der erörterten drei Namen-Paare der irdischen Dioskuren-Repräsentanten des Nordens zu den Bildzeugnissen Beziehungen. Denn für die Hasdingische Paarung Raos und Raptos, 'Rahe' und 'Balken', sind die Balkenköpfe des Mars-TempelGiebels von dem Bonner Bronzeblech (Abb. 18) mit den Halbfiguren der Dioskuren als Reitergötter bemerkenswert. Lassen sie sich doch mit Pendants im Norden zusammensehen, mit denen man auf Grund von viel jüngerer Überlieferung schon immer rechnete 356 . Als ein Problemfall entpuppt sich das winnilische Namenpaar Ibor und Agio. Denn dieses Namen-Paar stellt die für uns bisher als selbstverständlich geltende Voraussetzung in Frage, daß die Zwillingsgötter, sei es nun in Menschen-, sei es in Tiergestalt jeweils als Doppelgänger des gleichen Wesens zu treffen sind. Nun aber wird die Ungleichheit zwischen ihnen, die sie ja auch als Wechselgötter in Erscheinung treten läßt, gesteigert, indem sie, wenn wir den Philologen-Überlegungen folgen, in ungleicher Tierverwandlung begegnen. Jedenfalls werden wir, wenn wir 352 353 354

S. oben nach Anm. 334. HAUCK (wie Anm. 1, X I X ) 2. Abschnitt nach Anm. 103. HAUCK (wie Anm. 1, XVII) S. 567ff.

355

STRÖM (wie A n m . 2) S. 140ff.; anders KUHN (wie A n m . 132) S. 2 6 9 - 2 7 7 .

356

D E VRIES (wie A n m . 2) 2 S. 2 4 9 f . mit A n m . 1 S. 2 5 0 ; WAGNER (wie A n m . 94) S. 2 2 9 , 2 3 9 f .

254

Karl Hauck

uns der Auffassung von Gunter Müller anschließen, der bei Agio an eine Kurzform des Wolf-Kompositums Agiulf denkt, auf ein ungleiches Tierpaar, Eber und Wolf, geführt 357 . Da nun aber immerhin die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß der Wolf als Dioskuren-Helmzier in Betracht kommt, gehe ich auf das Problem ein, auch wenn ich es in der Schwebe lasse und faktisch bei dem einschlägigen Zeugnis eine andere Alternative bevorzugte. Ich meine die Helmzier des dioskurischen Reiters von Gudbrandsdalen (Abb. 33 a und b). Wenn ich bei der Deutung der Helmzier der Echsen-Alternative den Vorzug vor Wolf gab, so mit dem Blick auf das besiegte Tier, das vor dem Reiter auf dem Rücken liegt. Demgemäß habe ich die doppelte Helmzier des Reiters von der fünffigurigen Speerwurf-Szene des Helms Valsgärde 7 (Fig. 35) als eine Kombination von Echse und Eber erklärt 3S8 . Jedoch läßt sich selbst da die Wolfs-Deutung nicht völlig aus den Möglichkeiten eliminieren, solange nicht weiteres Vergleichsmaterial die Urteilsgrundlage sicherer macht 359 . Tendiert man aber dazu, wäre diese doppelte Tierformel eine Bildentsprechung zu dem Brüderpaar Ibor und Agio-*Agiulf, das bisher dioskurisch verstanden wird. Festeren Boden erreichen wir dagegen mit dem Namenpaar Hengist und Horsa. Es gehört zur germanischen Landnahme auf der britischen Insel und ist ein Leitfossil der Expansion des seegermanischen Heidentums ähnlich wie das Phänomen der Goldbrakteaten 360 . Infolgedessen liefern nicht bloß die goldenen Amulette Schlüsselzeugnisse sowohl für die Menschen- wie für diese Tiergestalt der Dioskuren 3 6 1 . Vielmehr vereinigt gleichfalls der Helm Valsgärde 8 in der Zone I (und rechts auch IV) die ornamentalisierte Pferdeversion der Zwillinge mit ihren menschengestaltigen Spielarten in den Zonen II und III (links auch IV) 3 6 2 . Daß es allerdings nicht angeht, bei den theriomorphen Dioskuren-Versionen nur an die Zwillinge als weiße Fohlen oder Rosse zu denken, ergibt schon die Alci-Problematik, auf die wir hier nur insoweit zu sprechen kommen, damit deutlich wird, daß die Bildforschung zunächst einmal die reicheren Beleggruppen methodisch aufarbeiten muß 3 6 3 . Da wir die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden seit der Völkerwanderungszeit in anderer Weise erörterten, als das ursprünglich geplant gewesen ist, beschränken wir den zusammenfassenden R ü c k b l i c k auf die Darstellungen der Dioskuren-Waffen. Diese Beschränkung wird dadurch erleichtert, daß einige von ihnen zugleich Waffen des Mars-Wodan sind, andere, wie der Gottesspeer, auch als die wichtigste Heldenwaffe wiedergegeben werden. Selbst bei den P r e ß b l e c h e n variieren die Dioskuren-Waffen, die abgebildet sind. Wir haben das oben ausführlicher besprochen, als wir die Handhabung des Speeres in den Reiter-Szenen musterten 364 , so daß jetzt nur an folgende Fakten erinnert zu werden braucht: 357

MÜLLER (wie A n m . 97) S. 143.

358

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) nach A n m . 192.

359

S. oben nach Anm. 148. Einschlägiges bei ALMGREN (wie Anm. 65) S. 99 mit Taf. 48A. Zu den englischen Goldbrakteaten LESLIE WEBSTER, Brakteaten, § 2 England (HOOFS, wie Anm. 4) 3 S. 341 f. S. oben nach Anm. 98 sowie nach Anm. 92 und 125. S. oben nach Anm. 250 sowie HAUCK (wie Anm. 1, X I X ) 2. Abschnitt nach Anm. 103.

360

361 362 363

DE

VRIES

(wie A n m . 2) 2 S. 2 4 8 f f . ,

S. 134; ROSENFELD (wie A n m . 91) § 2 . 364

S. oben nach Anm. 313.

251;

LANGE (wie A n m . 91) S. 4 8 1 ;

KUHN

(wie A n m .

91)

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

255

Die Botenrolle der Zwillinge tritt unmittelbar und einheitlich in Erscheinung in dem Gegensatz zwischen Dioskuren-Miniatur und großem Gottesspeer, den der Reiter und sein Helfer im Eidolon-Typus gemeinsam schleudern. Dargestellt wird das in zwei hauptsächlichen Spielarten: die eine von ihnen bezeugen die Speerwurf-Szenen aus Pliezhausen (Abb. 43b) und Sutton Hoo (Fig. 18). Dort tritt der Dioskur zwar im Bortenrock, aber barhäuptig wie auch sein Schützling, der Reiter, auf. Die einzige eigene Waffe ist der Rundschild; die andere hauptsächliche Spielart belegen die Speerwurf-Szenen der Helme Valsgärde 7 (Fig. 37 und 38 sowie 34 und 35) und 8 (Fig. 28 und 29 sowie 26). Wiederholt ist bei den Helfer-Miniaturen da jeweils nur der Bortenrock. Dagegen ist an die Stelle des Rundschilds eine Miniatur-Lanze getreten und die Barhäuptigkeit durch den Götterhelm verschwunden, wie bei den Reitern nun die Helme mit Tierzieraten variieren. Neben den Dioskuren-Waffen ist das dioskurische signum mit der Pferde-Protome zu nennen 365 . In der jüngeren Wortüberlieferung kenne ich keine wirkliche Parallele, aber doch bemerkenswerte Analogien. Die bedeutsamste von ihnen würdigte Hans Kuhn bei der Musterung der altnordischen Belege für gunnfani, das „im Hunnenschlachtliede mit dem Wurf des Todesspeers verknüpft erscheint. Das dortige gnafar yör gunnfani kann nur bedeuten 'die Fahne überragt euch', und das ihm folgende gramr er ybr Odinn (Odin ist euch Feind) muß die Folge davon sein: auch der, über dem diese Fahne ragt, ist Odin preisgegeben" 366 . In den Tänzer-Auftritten der Dioskuren (Fig. 20, 41 und 44) besteht ihre Ausrüstung aus dem eigenartigen Gotteshelm, den paarigen Gottesspeeren, bei denen die Version von Valsgärde 7 (Fig. 41) auch den Wurfspeer mit Widerhaken einbezieht, der für Wodan-Odin bei den Brakteaten dominiert, und einem Kurzschwert, das auf Torslunda (Abb. 40 und Fig. 12) auch zu den Hauptwaffen des Gottes gehört, dort allerdings in einer Spielart mit Ringknauf. Umtanzt werden von den Zwillingen Abbilder des Gottesspeeres, womöglich die gleichen, die sie ihren Schützlingen bringen. Die Dioskuren helfen als Boten des Mars-Wodan ihren Schützlingen, ganz gleich, ob sie Raubvogel-Helmzieren tragen oder Eberhelmzieren. Beide Varianten weisen daher einhellig auf den Mars-Wodan von Altuppsala 367 . Zu seinem Gefolge zählen deswegen ebenso die Reiter, die von den Dioskuren in Rettungs-Epiphanien geschützt werden. Wie der Kreis dieser von dem Gott erwählten Helden auf den Preßblechen sonst dargestellt wird, das bedarf eigener Untersuchungen, nachdem zunächst die Uberlieferung auf den Mars-Wodan hin selbst befragt werden muß 3 6 8 . Die Variationsbreite der Dioskurenwaffen, die die einschlägigen G o l d b r a k t e a t e n abbilden, ist zwar begrenzt, da dort die pferdegestaltigen Versionen vorherrschen. Durch die goldenen Brustbilder der Zwillinge lernen wir zwar ihre Diadem-Insignie (Abb. 25 und 26) kennen, aber an Waffen nur den Mars-Helm mit Vogel-Protome (Abb. 28a und b). Die menschengestaltigen Zeugnisse mit der 365

S. oben nach Anm. 61 und 192 sowie nach Anm. 41.

366

K U H N (wie A n m . 132) S. 2 5 5 .

367

HAUCK (wie A n m . 1, X X ) nach A n m . 183.

368

S. oben Anm.291 sowie HAUCK (wie Anm. 1, X X ) . Zu anderen s. oben nach Anm. 162.

369

256

Karl Hauck

Vollfigur zeigen, wenn wir hier nur zwei Beispiele hervorheben, vor dem Hauptgott zu Pferde auf Kitnass I (Abb. 30a und b) den Dioskuren als Waffen-Tänzer zu Fuß nackt und mit zwei Strich-'Schwertern'. Die Bewaffnung Wurfspeer, Schwert und Helm mit Echsen(?)- oder Wolfs(?)-Zierat belegt die Reiter-Variante von Gudbrandsdalen (Abb. 33 a und b). Sie reiht sich der beträchtlichen Zahl von Zeugnissen an, die wie auch häufig antike Bilddenkmäler, einen der Zwillinge allein wiedergeben 370 . Mit Schild und Schwert gerüstet sind die Dioskuren in der Götterbildzone des Runenhorns von Gallehus (Fig. 11). Je einen Speer in jeder Hand und den Gotteshelm tradiert die Gürtelschnalle von Finglesham (Fig. 17). Daß bei der bildlichen Wiedergabe der Zwillingsgötter-Waffen die Kombination von Götterhelm, Schwert und Speer-Paar über die Vendelzeit hinaus fortdauert, erhellt exemplarisch der Fund von Ekhammar (Fig. 40) 3 7 1 . Durch das im zweiten Abschnitt behandelte ältere mediterrane Vergleichsmaterial ist anschaulich, wie selbstverständlich die voneinander abweichenden Spielarten bei weiterer Verbreitung der Götterbilder waren. Auch dort trafen wir durchweg irdische, gleichfalls von Menschen gebrauchte Waffen in den Händen der Zwillingsgötter, auf die unsere Untersuchung die Aufmerksamkeit konzentriert hat.

6. Anhänge zu den Uberlieferungs-Grundlagen der Rekonstruktions-Zeichnungen von den Bildmodeln Anhang 1: Die Speerwurf-Motive der rechten Seite des Helms Valsgärde 8 Erstveröffentlichung: G. Arwidsson, die Gräberfunde von Valsgärde II: Valsgärde 8 (Acta musei antiquitatum septentrionalium regiae universitatis upsaliensis t. IV, ed. S. L I N D Q V I S T ) Uppsala-Stockholm-Kopenhagen 1954, S. 2 2 - 2 8 , 128f. mit Abb. 78, deren Angabe 1:1 nicht zutrifft. Denn die Grundlinie ist nicht, wie man nach der Zeichnung annehmen muß, 63 mm lang, sondern nur etwa 48 mm. Erste Modifizierungs- und Ergänzungsvorschläge zur Lesung und ihrer ikonographischen Auswertung bei H A U C K (wie Anm. 5), S. 37, 40, 51 mit den Abb. 18 und 20. Meine Auswertung konnte auf Grund der Hilfsbereitschaft von M. Stenberger (f), Uppsala, Latexabformungen der Felder R H , 1, 2, 3 und 4 benutzen. Weiter kam mir eine allerdings über zwei Jahrzehnte zurückliegende Untersuchung des Originals im Universitätsmuseum in Uppsala zustatten. Die irrige Größenangabe in der Erstveröffentlichung kam mir nicht zum Bewußtsein. Jetzige U r t e i l s - G r u n d l a g e : Untersuchung des Originals im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz nach Abschluß seiner neuen Restauration im November und Dezember 1979 und im Januar 1980 sowie Uberprüfung der zeichnerischen Auswertungsergebnisse an der Mainzer Abformung im März und im Mai 1980. Untersuchungs-Ziel: Gesamtkatalog der Figuren, jedoch noch keine spezialisierte und konsequente Erfassung aller erreichbaren Details. Denn das Bessere wäre hier der Feind des dringend Notwendigen gewesen. 370

KRAUS (wie A n m . 12) S p . 1123.

371

RINGQVIST (wie A n m . 175) S . 2 8 7 f f .

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

257

Abgebildet werden A u f n a h m e n des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz vom Original und von der dortigen Abformung sowie ältere Erlanger Aufnahmen von den Latex-Abformungen. Erleichtert doch das Lesen mit der Abformung gerade bei farbig buntscheckigen Feldern des Originals das Verständnis der Zusammenhänge. Die Mainzer Photos werden jeweils mit ihrer NegativNummer zitiert. Durch die Einbeziehung der Erlanger Latex-Aufnahmen war es in der Regel möglich, von den Mainzer Photos jeweils das Geeignetste zur Objektivierung der Befunde aus der Serie auszuwählen. Bei dem Feld R 11,6 war jedoch die Zerlegung des Sehvorgangs in noch kleinere Schritte notwendig. Die Aufnahme T 79/2312 (Abb. 59), mit der das Pferde-Signum objektiviert wurde, ergab nichts für die Lesung der Raubvogel-Helmzier. Zu ihrer Identifizierung hilft T 79/2261 (Abb. 57) mit dem Nachweis der über den Nackenschutz in charakteristischer Weise steil ansteigenden Kammlinie. Eine weitere Schwierigkeit im Randsegment erklärt sich durch die sekundäre Hebung der Bildoberfläche, deren Abstufung zum ursprünglichen Niveau sich quer durch den Protome-Bereich hinzieht. Am besten wurde daher das Auge des Raubvogels mit der Rahmung von dem Photo der Mainzer Abformung T 80/631 (Abb. 58) erfaßt. Kurz, wir müssen mehrere Aufnahmen zur Dokumentation heranziehen. Durch die Veröffentlichung von verschiedenen Ergebnissen aus den Photo-Reihen wird unmittelbar deutlich, daß ein Teil der neu ermittelten Befunde nur in einer ganz bestimmten Beleuchtung zu sehen ist und in keiner anderen. Gehört es doch zum Wesen der Rest- und Feinbefunde, daß sie, anders als die Normalbefunde, jeweils die ihnen angemessene Beleuchtung benötigen, um optisch erreichbar zu werden. Infolgedessen w i r k t das mit den anderen Aufnahmen nicht Erreichte als eine scheinbare Uberlieferungs-Lücke, während es sich in Wahrheit nur um eine nicht genügend flexible Nutzung des Lichtes handelt. Z ä h l u n g der B i l d f e l d e r der rechten Seite = R in den Zonen II, III und IV vom Nacken des Helmträgers her nach dem unten folgenden Schema. Das Ornament-Motiv über dem unteren Helmrand ist in der Zone I sechsmal wiederholt. Es zeigt zwei Pferde (Fig. 31) antithetisch so, daß ihre Stirn- und Maulpartien auf der Mittellinie parallel laufen. Die kugelige Helmkalotte hat zur Folge, daß die Bildfelder, die in der Regel von Bronzestreifen gerahmt werden, in der Zone II am gleichmäßigsten und längsten sind, in der Zone III erheblich kürzer, wobei Zwickel und Restfelder die Anpassung an die zunehmende Wölbung erleichtern. Das Segment der obersten Zone IV ist dann so schmal, daß es nurmehr mit Ausschnitten des Ornamentmotivs verziert ist. Die Feldzählung ist mit Maßangaben in Millimetern verknüpft. Sie veranschaulichen die ungleichen Maße der Bildfelder mit den Grundlinien. Dazu ist die Höhe jeweils in der Mitte des Bildfeldes gemessen. Das Schema ist so mitgeteilt, daß es die flache Helmkalotte abbildet. So weit die ganz trümmerhafte Uberlieferung ein Urteil erlaubt, haben wir mit z w e i Bildmotiven und nicht bloß mit einem zu rechnen, wie man auf Grund der Erstveröffentlichung ein Vierteljahr hundert glaubte. Von dem nur einmal auf der Stirnseite der Zone II geretteten Motiv 2 unterscheidet sich das Motiv 1, das sich wahrscheinlich siebenmal in ganz ungleichen Resten erhalten hat, dadurch, daß ein Reiter mit einem Eberhelm erscheint, während der Reiter des Motivs 2 einen Raubvogelhelm trägt.

258

Karl Hauck

RIV, 1 52 mm H 17 mm

RIV, 2 60 mm H 17 mm

R 111,1 41 mm (ursprünglich unterteilt. Ornament) H 48 mm

R 111,2 35 mm (leer)

RIII,3 53 mm

R I I I , 4 (Zwickel) 37 mm

R III,5 38 mm

H 47 mm

H 48 mm

H 45 mm

H 43 mm

R II, 1 46 mm H 48 mm

R 11,2 47 mm H 53 mm

R 11,3 44 mm H 48 mm

R 11,4 50 mm H 49 mm

R 11,5 49 mm H 48 mm

R 11,6 43 mm H 50 mm

Das Motiv 1: Der Speerwurf des Eberhelm-Reiters (Abb. 47 bis 55) Die ikonographische Inventarisierung der Bildelemente aus der Serie von Bruchstücken wird erleichtert von dem noch am besten erhaltenen Torso. Als solcher konnte sehr wohl bei der Erstveröffentlichung das Bildfeld 11,6 (Abb. 56 bis 59) angesehen werden, da man nicht auf seine absolute Sonderstellung aufmerksam wurde. Weil man von der Prämisse ein und desselben Bildthemas auf der ganzen Bildseite ausging, blieb der tatsächliche Befund angesichts der Autorität von Greta Arwidsson unentdeckt. Um den ursprünglichen Befund zu ermitteln, benötigen wir in diesem Fall eine ganze Serie von Fragmenten aus rund sechs Bildfeldern. Das Motiv, das wir suchen, folgt, wie sein größter zusammenhängender Uberrest im Bildfeld R 11,4 (Abb. 48) erweist, dem gleichen Formular, das auf der linken Helmseite ebenso variiert ist. Dadurch wissen wir, daß wir zur Rekonstruktion des ursprünglichen Models die Bildtrümmer von insgesamt 4 Menschen sammeln müssen. Gemäß dem 'Formular' waren abgebildet: 1. 2. 3. 4.

Mit großem P f e r d ein R e i t e r beim Speerwurf; dahinter ein kleinerer z w e i t e r S p e e r w e r f e r , der Dioskur; der sich l i e g e n d b e w e g e n d e G e g n e r unter und zwischen den Pferdebeinen; der Z ü g e l f ü h r e r oder 'Marschall'.

Die Gestalten 1, 2 und 4 sind überwiegend in Seitenansicht von rechts bzw. in Vorderansicht, Nr. 3 dagegen in Seitenansicht von links bzw. in Dreiviertelansicht wiedergegeben. 1. Das große P f e r d und der R e i t e r . Vom P f e r d im Trab haben sich auf R 11,4, das wir mit dem Latex-Photo (Abb. 48) und mit T 79/2262 (Abb. 52) wiedergeben, in der hinteren Bildhälfte der Rumpf mit Kruppe und Oberschenkel einschließlich der vorderen Hinterhand erhalten. Vom Zaumzeug ist dort die Kreuzung der Riemenzüge hinter dem Schild zu sehen. Dieser Grundbestand wird ergänzt durch eine Reihe kleinerer Fragmente. So ist der Bauchgurt hinter dem Reiterbein und Zaumzeug-Detail davor zu sehen auf R II, 3, wie der Latex (Abb. 51) und die Aufnahme T 80/251 (Abb. 54) zeigen. So werden Teile des Kopfes auf R 11,2 (Abb. 55) erreichbar. So bezeugt den Schweif und die zweite Hinterhand

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R 111,4 (Abb. 50). Ähnlich erfaßt die erste Vorderhand und den Ansatz der zweiten R II, 1 mit T 80/246 (Abb. 55, erstes Segment!) unmittelbar hinter dem Zügelführer. Die zweite Vorderhand reichte mit dem erhaltenen Huf nach R 11,3 bis auf die Brust des Liegenden. Vom Zügel und der Mähne erfahren wir durch die Parallelversion, auf R 11,6 gemäß T 79/2312 (Abb. 59). Für Kopf und Rumpf von dem R e i t e r liefert das Schlüsselzeugnis R 11,2 mit T 80/246 (Abb. 55 sowie Fig. 47, gezeichnet mit Auswertung der Latex-Abformung für den zweiten Speerwerfer). Von seinen drei Waffen sind so am vollständigsten bezeugt sein H e l m mit der Eberbekrönung, der leichte R u n d s c h i l d zur guten Hälfte und der Speer nur als Spur. Den Bereich der Speerhand mit H a n d s c h u h Stulp bezeugt besser R H , 4 mit dem Latex (Abb. 48), den Helm dagegen nur im

Fig. 47. Die erhaltenen Reiterdetails vom Bildfeld II R , 2 des Helms von Valsgärde 8, 2 : 1, Zeichnung H. Lange.

verquollenen Umriß und mit zerdrücktem Eber. Dafür haben sich dort auch Reste der Mantelborten erhalten. Den Umriß des Helms mit Resten des Ebers tradiert auch R 11,3, vgl. T 80/251 (Abb. 54). Der wichtigste Beitrag dieses Bildfeldes zur Rekonstruktion des ersten Speerwerfers ist die Wiedergabe des Reiterbeins, wie es neben dem Schild sichtbar wird und bleibt bis zur nach unten gestreckten Fußspitze. Den vierten Restbefund vom Helm liefert R 111,4, vgl. T 80/261 (Abb. 50). Stumm zum Helmthema bleiben das bis auf einen Gürtelrest des Zügelführers leere R 11,5 (Abb. 58) und R 111,3. Nur den Nackenschutz des Helms und die Mantelborte auf der Brust des Reiters bezeugt R 11,1. Obschon ungleich deutlich, so belegen doch 4 von 7 einschlägigen Bildfeldern den Eberhelm. 2. Der z w e i t e S p e e r w e r f e r kommt als Umriß-Relief, dem die originale Oberfläche verloren ging, dennoch bemerkenswert vollständig auf R II, 3, wie T 80/251 (Abb. 54) nur unzulänglich ahnen läßt. Erhalten hat sich die ursprüngliche Oberfläche bei den Beinen auf R 11,4 gemäß T 79/2262 (Abb. 52) und dem Latex (Abb. 48) sowie vom Gürtel abwärts auf R 11,2 sowie auch auf R 11,1, bei dem allerdings die Kniepartie des hinteren Bildes zerdrückt ist. Ungeachtet dessen überliefert dies Feld wenigstens die Spitze vom k l e i n e n Speer.

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3. Der L i e g e n d e wird von den Knien bis zu seinem Halsausschnitt in seinem B o r t e n m a n t e l von R 11,4 gemäß T 79/2262 (Abb. 52) und dem Latex (Abb. 48) tradiert. Unter dem R u n d s c h i l d wird der gefältelte H a n d s c h u h - S t ü l p mit dem Schildarm sichtbar. Den zum Reiter aufblickenden Kopf bringt unversehrt als Dreiviertelprofil R 11,3, gemäß T 80/251 (Abb. 54), ja noch besser erkennbar der Latex (Abb. 51). Offenbar ging die zweite Vorderhand des Tiers unmittelbar an dem Kopf vorbei, so daß die Haarsträhnen unter ihrem Umriß zu sehen sind. Zumindest der Schwertgriff und der Daumen der S c h w e r t - H a n d , die wir aus der Parallelüberlieferung von Valsgärde 7 R III, 3 (Fig. 37) im Anhang 2 unversehrt kennenlernen, erhellen nach Ausweis von R II, 1 gemäß T 80/246 (Abb. 55), daß der Liegende auch hier seine Angriffswaffe so führte, wie in jener Analogie. Die sonst reduzierten oder fehlenden Unterschenkel kennen wir bei Valsgärde 8 durch R 111,3 (Abb. 49) und R I I I , 4 gemäß T 80/261 (Abb. 50). 4. Der Z ü g e l f ü h r e r wird, wenn man von dem bescheidenen Gürtelrest auf R 11,5 (Abb. 58) absieht, das auf T 80/631 zusammen mit R I I , 6 abgebildet ist, als Torso allein von R II, 1 gemäß T 80/246 (Abb. 55) tradiert. Sein Kopf, der zu dem Reiter zurückblickt, zeichnet sich noch als Umrißrelief, dem die Oberfläche verloren ging, ab ähnlich wie die Maulpartie des Pferdekopfes darüber. Auch wenn die Bruchstücke mühselig aus den einzelnen trümmerhaften Bildfeldern zusammengestoppelt werden müssen, so ergibt sich aus der Rekonstruktion ein Bildmodel (Abb. 53 und Fig. 28) von einer Feinheit, deren Qualität bisher deutlich unterschätzt worden ist. Das Motiv 2: Der Speerwurf des Reiters mit Raubvogelhelm mit der Lanze unter dem Pferde-Signum Die Auswertung des Bildfeldes R II, 6 (Abb. 58), das allein das Motiv 2 bezeugt, hat zwei gegensätzliche Blickrichtungen zu vereinen. Die eine von ihnen kennzeichnet es, daß die Stirnplatte, um die es sich dabei in der zentralen Zone handelt, bemerkenswert viele Formular-Gemeinsamkeiten mit dem 1. Motiv hat. Diese Formular-Prägung ermöglicht es trotz des begrenzten Fragment-Umfangs, grundsätzlich mit den gleichen 4 Menschengestalten zu rechnen. Ursprünglich waren abgebildet: 1. 2. 3. 4.

Mit großem P f e r d der R e i t e r beim Speerwurf; der kleinere z w e i t e S p e e r w e r f e r dahinter; der L i e g e n d e als Gegner des Reiters zwischen den Pferdebeinen; der Z ü g e l f ü h r e r oder Marschall des Reiters.

Von dieser 4-figurigen Reiterszene haben sich auf R 11,6 (Abb. 56 bis 59) nur die ungleichen Reste von folgenden Gestalten erhalten, die wir nun auszuwerten haben: 1. Das große P f e r d und der R e i t e r . Vom P f e r d sind allein übriggeblieben die schmale Mähne und einige Riemenzüge des Zaumzeugs wie der Zügel, in den der verlorene Zügelführer gegriffen haben muß, und die sich unter der Kruppe in vier Richtungen aufgliedernden Riemen-Segmente. Von der Kniehöhe an beginnt der R e i t e r - T o r s o . Mit den breiten Mantelborten steht der Handschuh-Stulp im Einklang. Von den drei Waffen ist noch am wenigsten der R u n d s c h i l d von der Zerstörung betroffen. Ähnliches gilt beim Helm von der eingedellten Kalotte, dem Nackenschutz und der Wangenklappe.

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Daß ein Raubvogel die Helmzier bildete, sichert bereits die steil ansteigende Kammlinie als deutliche Spur gemäß Aufnahme T 79/2261 (Abb. 57). Wohl ist die Oberfläche im Protome-Bereich durch sekundäre Stufung, die auch sonst zu beobachten ist (vgl. etwa das Fragment L 11,2, Abb. 67, von Valsgärde 7), verändert. Jedoch läßt sich das Auge mit Resten der Rahmung gemäß Aufnahme T 80/631 (Abb. 58), der Halsbogen und ein Segment des Schnabelrunds identifizieren. Vom Speer sind nur die Schaftstücke links und rechts der Wurfhand zu sehen. Um so kostbarer ist die Erhaltung eines bisher einzigartigen Befundes darüber: ein Pferdekopf im vereinfachten Umriß mit Ohren, Auge und Halspartie und der Vorderhand wohl als Griff gebildet, den die Aufnahme T 79/2312 (Abb. 59) erfaßt. 2. Von den wenigen Fragmenten des kleineren z w e i t e n S p e e r w e r f e r s ist das wichtigste die zum großen Reiterspeer erhobene Wurfhand. Durch sie bezeugt das Bruchstück R 11,6, wie die Aufnahme T 80/631 (Abb. 58) zeigt, zusammen mit der Wurfhand des Reiters die so auffallende Verdoppelung der werfenden Gestalten. Fast unversehrt ist das vordere Bein, fragmentarischer das hintere, zumal der rahmende Bronzestreifen das Bildfeld verkürzt. 3. Wohl ist ein Stück des originalen unteren Randes erhalten. Aber die Trümmer der Oberfläche ermöglichten es nicht, bestimmte Teile der hier verlorenen Gestalt des liegenden Gegners zu identifizieren. 4. Von dem Zügelführer gibt es keine verwertbare Spur, jedoch wird der Rückschluß auf seine Zugehörigkeit auch an dieser Motiv-Variante durch die drei anderen Motive des Helms Valsgärde 8 nahegelegt. Anhang 2: Die Speerwurf-Motive der rechten Seite des Helms Valsgärde 7 Erstveröffentlichung: G R E T A A R W I D S S O N , Die Gräberfunde von Valsgärde III: Valsgärde 7 (Acta musei antiquitatum septentrionalium regiae universitatis upsaliensis t. V, ed. B. A L M G R E N ) Uppsala 1977, S . 2 1 - 3 3 , 118f. Blech C mit den Abb. 25 sowie 122-128; vgl. auch B R U C E - M I T F O R D (wie Anm. 10) S . 190ff., 208ff.; H A U C K (wie Anm. 5) S. 28f., 37f., 41, 49ff. mit den Fig. 5 und 11. Jetzige U r t e i l s - G r u n d l a g e und Untersuchungs-Ziel: wie bei Anhang 1. Abgebildet werden beim Motiv C 1 und D l A u f n a h m e n von der Abformung im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz, beim Motiv C 2 sowohl Aufnahmen von der Abformung wie vom Original. Alle Aufnahmen stammen vom Museum in Mainz und werden mit den Negativ-Nummern zitiert. Zählung der einschlägigen Bildfelder wie bei G R E T A A R W I D S S O N in ihrer Abb. 25, hier Fig. 16, unter Austausch der schwedischen Bezeichnungen bzw. Abkürzungen für links und rechts, also V = L und H = R. Bei dem bisherigen Schema fehlte noch die Erkenntnis, daß das Blech C nicht als eine einheitliche Version bezeichnet werden kann. In Wirklichkeit handelt es sich um die 4-Figuren-Variante C 1 und um die 5-FigurenSpielart C 2. Die kleinere Speerwurf-Szene mit dem Reiter nach rechts überliefern auf der rechten Helmseite die Bildfelder R I I , 2 und 111,3 sowie auf der linken Helmseite das Bildfeld L 11,2. Die große 5-figurige Szene erscheint auf den Feldern R II 3, 4 und 5. Diese Ungleichheit kehrt auch auf der linken Helmseite wieder, wo auf die kleinere Version im Feld L 11,2 die größere Version in den Feldern 11,3, 4

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und 5 sowie 111,4 folgt. Die Maße der Grundlinien, die zusammen mit der in der Mitte des Bildfeldes gemessenen Höhe angegeben werden, betragen bei den hier interessierenden Bildfeldern: L 11,2 45 mm (die Rahmung ist fast ganz verloren) H 42 mm R 11,2 47 mm

RH, 3 55 mm

H 46]

H 451

RIII,3 48 mm (die rahmenden Bronzestreifen sind unvollständig) H 47 mm RH,4 58 mm (die linke untere Ecke ist original erhalten) H 45 mm

RH,5 48 mm

H 45 mm

Die Maßangabe in der Erstveröffentlichung, „die Bildfläche innerhalb des Rahmens sei 5 , 2 x 4 , 7 cm groß", wird von den originalen Befunden also nicht bestätigt. Vielmehr weisen bereits die tatsächlichen Maße auf die Verwendung von zwei unterschiedlichen Bildmodeln. Programm-Kontext: In der Zone I darunter folgt auf das Feld R 1,1 mit Ornament das Männerpaar mit zum Mund erhobenen Schilden (Fig. 43) in den Feldern R 1,2 bis 6, das auch in Feld R II, 1 wiederkehrt. Auf den Stirnseiten der Zone II tritt das Waffentänzer-Paar in R 11,6 und L 11,6 (s. unten Anhang 3) auf, darüber in der Zone III der Mann zwischen den beiden Bären in R 111,6 und L 111,6 (Fig. 42). In IV, der Segmentzone, waren die Felder mit unterschiedlichen Ornamenten geschmückt. Das Motiv 1: Der Speerwurf des Eberhelm-Reiters Die 4-figurige Speerwurf-Szene nach rechts, die in der Erstveröffentlichung Blech C genannt wird, bezeichnen wir in Anpassung an jenen Sprachgebrauch C 1. Das Motiv C 1 ist nicht, wie das die Ubersicht über die Verteilung der Bildmotive von Frau Arwidsson (hier Fig. 16) mitteilt, in fünf Bildfeldern erhalten, sondern allein in drei, von denen das dritte in der Erstveröffentlichung überhaupt nicht berücksichtigt wurde. Es handelt sich, wie gesagt, um die Felder R I I , 2 , RIII, 3 und L I I , 2 . Da die Bildaussage in der hinteren Hälfte der Szene dem Motiv C 2 eng verwandt ist, kontaminierte das Rekonstruktions-Experiment der Erstveröffentlichung die Motive C 1 und C 2 zu einer Mischfassung. Im übrigen trugen LeseVersehen und nicht identifiziertes Detail dazu bei, daß die ganz nahe FormularVerwandtschaft zum Bild-Motiv 1 der rechten Helmseite von Valsgärde 8 (s. oben Anhang 1) nur summarisch erörtert werden konnte. Das Feld R 111,3 (Abb. 60 bis 63), so fragmentarisch es erhalten blieb, bietet noch am vollständigsten den Gesamtbefund. Nicht zufällig hat Frau Arwidsson dieses Feld auf ihren Abb. 125 und 126 wiedergegeben; dabei allerdings behindert von ihren irrigen Voraussetzungen. Dieses Feld überliefert bruchstückhaft in der

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Formular-Konvention, die sich aus den Bildtrümmern der linken Seite des Helms Valsgärde 8 noch am besten rekonstruieren läßt (s. dazu HAUCK, wie Anm. 1, XX, Anhang 1), insgesamt 4 Menschen. Dargestellt sind: 1. 2. 3. 4.

Mit großem P f e r d ein R e i t e r als erster Speerwerfer; dahinter ein zweiter kleinerer Mann, der z w e i t e S p e e r w e r f e r ; der l i e g e n d s i c h b e w e g e n d e G e g n e r , unter und zwischen den Pferdebeinen; der Z ü g e l f ü h r e r oder Marschall des Reiters.

Vom P f e r d im Trab haben sich auf R 111,3 (Abb. 62) Teile des Halses, die Brust und der Rumpf erhalten, der allerdings vor den Hinterschenkeln abbricht. Vom Zaumzeug ist der Zügel in der Halspartie noch am meisten unversehrt. Außerdem stoßen wir auf eine Brustzier und auf die Gurtkreuzung hinter dem Schild sowie auf den Bauchgurt unter dem Schild. Von den Extremitäten ist nur die erste Vorderhand vollständig (Abb. 60), die zweite ist unter der Schulter weggebrochen. Das Detail unter der Brust kehrt fragmentarisch auf R 11,2 (Abb. 64) wieder. Dagegen ergänzt R I I , 2 RIII,3 dadurch, daß dort der Schweif und Teile der Hinterhände noch erreichbar sind. Dem R e i t e r fehlt auf RIII,3, wie die Aufnahmen T 80/616 und T 80/615 (Abb. 62 und 63) veranschaulichen, der Kopf fast ganz. Die Brust in Aufsicht zeigt die breiten B o r t e n , die ebenso bei Mänteln bzw. Panzern zu treffen sind, zumindest mit ihren Einfassungen. Dem entspricht auch der doppelte Bortenrand unterhalb des Knies, auf den die Aufnahme T 80/615 (Abb. 63) hinweist. Ein analoger Restbefund findet sich beim Reiter von Pliezhausen (Abb. 43 b). Die Fußspitze ist, wie gleichfalls T 80/615 (Abb. 63) am besten zeigt, nach unten gestreckt. Dem erhobenen Speerarm fehlt die Hand. Von der Wurfwaffe selber ist fast nichts mehr erreichbar im Gegensatz zum runden S c h i l d mit großem Buckel. Die Zerstörung vom H e l m , abgesehen vom Nackenteil wird ausgeglichen durch die Reste der Helmkalotte und seine Eber-Bekrönung auf R I I , 3 , die auf T 80/607 und 609 (Abb. 66 und 64) auszumachen sind (vgl. Fig. 39). Dort ist auch der Speerschaft vor der S p e e r h a n d des Reiters sowie das Speerende am hinteren Rand des Bildfelds zumal auf T 80/609 (Abb. 66) zu sehen. Auf L 11,2 entging gemäß T 80/621 (Abb. 67) der Vernichtung allein ein Helmrest. 2. Der z w e i t e S p e e r w e r f e r ist auf R 111,3 nur mit seinem vorderen Knie und dem Arm, mit dem er die große Lanze mitschleudert — es handelt sich um das einzige Bruchstück von ihr auf diesem Feld — zu sehen. Vollständiger, wenn auch schwer lesbar überliefert ihn R 11,2, wie auf T 80/609 (Abb. 64) mehr zu ahnen als zu sehen ist. Am eingängigsten und präzisesten erreichen wir die Gestalt auf L 11,2, wie das T 80/621 (Abb. 67) erhellt, obschon eine sekundäre Stufung der Bildoberfläche dazu führte, daß die rechte Gesichtshälfte mit der Stirnplatte seines Helms auf einem Schrägabfall versteckt ist. Mit dem Borten-Streifen auf der Herzseite korrespondiert der fein 'gefältelte' H a n d s c h u h - S t u l p unter jener Hand, die den kleinen Speer hält. 3. Der l i e g e n d sich bewegende G e g n e r des Reiters zwischen den Beinen seines Pferdes ist nur in Bruchstücken erreichbar. Auch seine Rekonstruktion kann von R 111,3 (Abb. 60 bis 63) ausgehen. Dort wie in R 11,2 und zwar am deutlichsten auf T 80/608 (Abb. 68) erscheint sein Haupt mit den Hinterkopf-Haaren auf dem

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'Boden' in Dreiviertelansicht. Seine Wiedergabe im Profil ist eines der Leseversehen der Erstveröffentlichung (hier Fig. 36). Zwischen den Vorderhänden des Pferdes ist das K u r z s c h w e r t in der Rechten zu sehen. Knauf und Griff kommen besser auf R 111,3, wie noch am besten T 80/616 (Abb. 62) dartut, die Schneide mit der Blutrinne auf R 11,2, wofür T 80/608 (Abb. 68) heranzuziehen ist. Für die Eingliederung der weiteren Fragmente in die Rekonstruktion wesentlich ist der R u n d s c h i l d mit kräftigem Buckel auf R 111,3, der zwar schlechter, aber gleichfalls auf R 11,2, vgl. T 80/615 bis 617 (Abb. 63 bis 60), zu sehen ist. Hat doch R 11,2 nicht bloß die Bortenstreifen auf dessen Brust, sondern auch Reste der Unterschenkel. Weder die Panzerung noch die Schildverzierung des Liegenden von R H , 5 dürfen in unsere 4-figurige Speerwurf-Szene einbezogen werden. 4. Der Z ü g e l f ü h r e r , der sein Antlitz seinem Herrn, dem Reiter zuwendet, ist fast vollständig auf R 111,3, wie noch am eingängigsten T 80/615 (Abb. 63) mitteilt, erhalten. Der Kopf ist zwar mehr im Umriß zu sehen, aber das Bart-Fragment, vgl. T. 80/617 (Abb. 60), korrespondiert mit dem Befund auf der linken Seite von Valsgärde 8 (HAUCK, wie Anm. 1, X X , Anhang 1), dessen Befund mit der LatexAbformung noch am ehesten zu erreichen war. In der Erstveröffentlichung ist die feine Musterung weder der Mantelborten noch des Gürtels erfaßt, noch auch die ringwulstartige Fußabgrenzung, wie R II, 2 gemäß T 80/608 (Abb. 68) bezeugt, das sonst von dieser Gestalt weniger überliefert. Zusammenfassend ist zu dieser neuen Variante der 4-figurigen Speerwurf-Szene nach rechts von Valsgärde 7 (Abb. 65 und Fig. 37) zu sagen, daß sie etwa durch den Eberhelm des Reiters, durch das Dreiviertelprofil beim Haupt des liegend sich bewegenden Gegners oder durch die Bortenstreifen auf seiner Brust oder durch die Fußabgrenzung über dem Knöchel des Zügelführers sich als noch näher verwandt mit dem 'Formular' der oben im Anhang (Abb. 53 und Fig. 28) erörterten Szene von Valsgärde 8 erweist. Das Motiv 2: Der Speerwurf des Reiters D i e 5 - f i g u r i g e S p e e r w u r f - S z e n e nach rechts ist in der Erstveröffentlichung nicht erkannt, obgleich erwartet worden, wenn es da (S. 117) heißt: „Nicht weniger als sechs verschiedene Kompositionen lassen sich auf diesen Blechen feststellen, und vielleicht gehören ein paar Fragmente zu einer weiteren Komposition". In Wirklichkeit hat deren Erörterung bereits begonnen, als Frau Arwidsson zur Rekonstruktion des Motivs C das Feld R II, 4 als Abb. 124 ganz und das Feld R II, 5 zu drei Vierteln als Abb. 122 und zu zwei Dritteln als Abb. 123 publizierte. Weil es fast völlig zerstört ist, spielte R 11,3 in der Diskussion keine Rolle; immerhin kam doch ein kleines Bruchstück davon auf uns, das zum Glück seine Zuordnung mit Gewißheit ermöglicht, obwohl es sich nur um einen menschlichen Unterschenkel (Fig. 48) handelt, der allerdings zu einem signifikanten Kontext gehört. Den eigentlichen Schlüsselbefund liefert das Feld R 11,5 in der Aufnahme T 80/143 (Abb. 74) und zwar gerade in dem Abschnitt vor dem rechten Rand, den Frau Arwidsson nicht mit in ihre Dokumentation einbezogen hat. Schon durch das, was allein auf diesem Feld unversehrt und lesbar blieb, zeigt sich, daß diese Speerwurf-Szene in vieler Hinsicht ein spiegelbildliches Pendant zu der 5-figurigen Szene der linken Helmseite darstellt. Deren Rekonstruktion ist in der Parallelpublikation

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(HAUCK, wie Anm. 1, X X ) im Anhang 2 durchgeführt. Wie dort handelt es sich auch hier um die Wiedergaben von insgesamt 5 Menschen und zwar um: 1. den mit großem P f e r d als Speerwerfer abgebildeten R e i t e r ; 2. den kleineren z w e i t e n S p e e r w e r f e r dahinter; 3. den sich l i e g e n d b e w e g e n d e n Gegner unter und zwischen den Pferdebeinen, der wie die beiden folgenden Gestalten der Bewegungsrichtung von 1 und 2 entgegengesetzt dargestellt ist; 4. den schon nicht mehr aufrechtstehenden, sondern k n i e e n d e n G e g n e r mit erhobenem Schwert; 5. den F a l l e n d e n , den tödlich getroffenen Gegner. Wir durchmustern nun das Motiv-Detail im Einzelnen. 1. Das große Pferd und der Reiter beim Speerwurf. Vom P f e r d hat sich auf R 11,5, wie die Aufnahme T 80/613 (Abb. 72) von der Abformung erhellt, von Hals und Brust an nach dem Rücken zu so ziemlich alles gut erhalten. Dagegen blieb von seinem Kopf nur die abgerissene Maulpartie, auf die der Zügel zuläuft, übrig. Dadurch, daß das Maul jedoch auf R 11,4, wie sich am deutlichsten mit der Aufnahme T 80/141 (Abb. 70) dartun läßt, unversehrt blieb, ist auch dieses Detail rekonstruierbar. Auch dieses Pferdebild war eine Galoppversion, jedoch nicht mit nach vorn gestreckten, sondern nach hinten abgewinkelten Vorderhänden. Das beweisen die Reste der zweiten Vorderhand. Die erste ist dagegen praktisch ganz verloren. Das Bildfeld R 11,4 belegt mit feinem Detail nicht bloß das Pf erdemaul, vielmehr teilweise deutlicher und reicher das Zaumzeug. Wie beim Rückenteil sich R 11,4 im Licht von T 80/138 (Abb. 69) und R 11,5 im Licht von T 80/146 (Abb. 73) gegenseitig ergänzen, zeigt weiteres Detail wie etwa der ganze Pferdeschweif in recht guter Erhaltung. Ähnlich günstig ist der Reiter von R II, 5 (Abb. 72) abgesehen von der Fußspitze bezeugt, wie T 80/613 (Abb. 72), T 80/143 (Abb. 74) und T 80/146 (Abb. 73) in unterschiedlicher Weise dokumentieren. Allerdings ist der S p e e r fast ganz verloren. Im Licht von T 80/141 (Abb. 70) dominiert in der Tracht der M a n t e l mit den breiten Borten-Streifen, die auf der Brust aufeinander zulaufen. Die Mantelborte kehrt auch am Knie wieder, und ihr entspricht der H a n d s c h u h - S t u l p , der beide Male deutlicher, vgl. etwa T 80/613 (Abb. 72) an der Speerhand zu sehen ist, während zumindest auf R 11,4 dieser Bereich über der Schildhand gestört ist. Die Randkerbung des Rundschilds und die Mitte des Buckels sind, vgl. T 80/141 (Abb. 70), deutlich markiert. Vom H e l m haben sich auf R 11,5 gemäß T 80/613 (Abb. 72) und T 80/146 (Abb. 73) der weit herunter hängende Nackenschutz, die Wangenklappe und die Kalotte mit ihren Längsrippen erhalten. Mag R 11,4 gemäß T 80/141 (Abb. 70) das gleiche nur durch Störung reduziert belegen, noch die abgerissene Helmspur über dem Nackenschutz steigt mit ihrer Kammlinie so steil an, daß der R ü c k s c h l u ß auf eine V o g e l h e l m z i e r wohl legitim ist. Das erhellt als Analogie die gleiche Kammlinie im Feld L 11,3 von Valsgärde 8 (s. dazu H A U C K , wie Anm. 1, X X , Anhang 1). 2. Der z w e i t e S p e e r w e r f e r wird für diese Version allein gemäß T80/146 (Abb. 73) von R 11,5 tradiert. Von der Wangenzone an ist der Kopf und der Helm darüber zerstört. Ungeachtet dessen sind die Finger auf dem eigenen Miniatur-

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S p e e r mit Widerhaken-Spitze, die Handabgrenzung, daneben Reste der Mantelborte auf der Brust sowie der Gürtel auszumachen. 3. Der l i e g e n d sich bewegende Gegner des Reiters hat durch die Zerstörung der Bildbleche seinen Kopf zwischen den vorderen Beinen seines großen Pferdes verloren. Seine Brust war gepanzert. An seiner Schildhand hat sich die Ringwulstbegrenzung der H a n d s c h u h - S t u l p e erhalten. Zu seiner Rekonstruktion helfen von R 11,5 T 80/613 (Abb. 72) und T 80/146 (Abb. 73), von R 11,4 T 80/138 (Abb. 69). Mit dem Handschuh korrespondiert der von der unteren Abschlußborte ansteigende B o r t e n - S a u m . 4. Der k n i e e n d e G e g n e r mit erhobenem S c h w e r t ist erst jetzt wiederentdeckt worden. Auch ihn bezeugt im Licht von T 80/143 (Abb. 74) am besten R II, 5. Da dieser Gegner zu dem Reiter als seinem Feind aufblickt (Abb. 72), ist sein Kopf so in den Nacken gelegt, daß die Kinn-Stirn-Kontur fast in die Waagrechte eingedreht erscheint. Vor dem gebeugten linken Knie ist der rechte Fuß weit nach vorn gestellt (vgl. Fig. 48). Zu seiner Tracht und Bewaffung gehören als Schutzwaffen der B o r t e n m a n t e l und der R u n d s c h i l d . Dagegen wird das S c h w e r t im Angriff über dem Haupt geschwungen. Der Schwertarm ist weitgehend von dem rahmenden Bronzestreifen verdeckt. Wenngleich die ganze rechte Ecke bei R 11,4 (Abb. 72, linkes Segment) ihre alten Bilddetails verlor, das gemäß T 80/141 (Abb. 70) unter dem Pferdemaul auch dort zu sehende weist dennoch eindeutig auf die dort einstmals vorhandene Figur. Das gleiche gilt trotz seiner sonstigen Leere von R 11,3 (Fig. 48), da mit einem schmalen Rest der alten Oberfläche wenigstens das nach vorn gestellte Bein gerettet ist.

Fig. 48. Figurales Fragment vom Bildfeld II R, 3 von Valsgärde

7 , 1 : 1 ,

Zeichnung H. Lange.

5. Der F a l l e n d e , der tödlich getroffene Gegner, muß noch mühseliger als auf der linken Helmseite zusammenbuchstabiert werden. Als Ausgangspunkt für die Rekonstruktion benutzen wir die waagrechte Bortenkante seines Mantels, unter dem bei R 11,4 gemäß T 80/141 (Abb. 70) die beiden Oberschenkelansätze sowie der vordere Unterschenkel auch mit Schienenbein und Wade zu sehen ist. Daß der dazugehörige Fuß ähnlich wie bei dem Pendant der linken Seite nach hinten unten weggestreckt abgebildet war, erfahren wir durch R 11,5. Es überliefert zugleich das

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zweite nach hinten oben weggestreckte Bein, wenn auch nicht ganz vollständig. Vom Kopf ist das erhobene Kinn und der Umriß der Haarzone auszumachen. In der Tat hat Wahrscheinlichkeit für sich, daß der Kopf besser als einzelnes Bruchstück auf uns kam, das in der Erstveröffentlichung auf Abb. 12 mitgeteilt wird. Gewiß hat die Szene (Abb. 71 und 72 sowie Fig. 38) empfindliche Lücken, die sich mit Hilfe der derzeitigen Denkmäler und Reste nicht schließen lassen. Jedoch ist das Gesamtverständnis auch durch im Formular verwandte Parallelüberlieferung, voran das Motiv-Pendant auf der linken Helmseite, gesichert. Anhang 3: Die von dem Zwillings-Paar umtanzten Speere von der Stirnseite des Helms Valsgärde 7 Erstveröffentlichungen: G R E T A A R W I D S S O N (wie Anhang 2, 1977) bes. S . 23ff., 119f. mit der wichtigen Abb. 28 bei S. 32, mit den Abb. 135-138 vor S. 113 sowie B R U C E - M I T F O R D (wie Anm. 138) S . 39f. mit Taf. 14a; vgl. auch D E R S . (wie Anm. 10) S . 186ff., 208ff.; H A U C K (wie Anm. 5) S . 37ff., 46ff. Jetzige U r t e i l s - G r u n d l a g e und Untersuchungsziel: wie bei Anhang 1. Abgebildet werden A u f n a h m e n des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz vom Original, die jeweils mit der Negativ-Nummer zitiert werden. Z ä h l u n g der B i l d f e l d e r n a c h dem Verfahren von Frau Arwidsson (s. Fig. 16 und 32) vom Nacken des Helmträgers her; demgemäß unterscheiden wir den Befund des Feldes RII,6 von dem des Feldes L H , 6 . Nur angedeutet wird hier die breite Borte unter den Füßen der Waffentänzer, dagegen sind die Uberreste der Rahmung weggelassen, da für sie das Vergleichsmaterial des Gesamtprogramms unentbehrlich ist. Wie weit der Helmkamm in die rechteckige Form des Motivs hineinreicht und es verdeckt, wenn er aufgesetzt ist, veranschaulichen die Abb. 135 und 137 bei Arwidsson. „Die Bildfläche innerhalb des Rahmens ist ca. 4,0—4,7 X 4,4(?) cm groß; sie wird nach oben hin schmaler". Das Motiv blieb vollständiger auf dem Feld RII, 6 erhalten und dort wieder der Tänzer (1) neben der Speerwurf-Szene vollständiger als der Tänzer (2) neben der Kamm-Zone. Die signifikant nebeneinander erhobenen kurzen Schwerter, die nicht nur mit ihren Schneiden, sondern auch mit ihren Blutrinnen parallel laufen, sind bei Greta Arwidsson in ihrer eigenen Aufnahme, Abb. 28, gut zu sehen. Ihr entspricht hier von den Mainzer Photos T 79/2280 (Abb. 75). Die Aufnahme objektiviert zugleich vom Tänzer (1) sein frontales Antlitz mit den breiten Wangenknochen und die Helm-Grundform mit dem Uberrest der Stirnplatte. Weiter sind erkennbar die in seiner rechten Hand gehaltenen S p e e r e sowie die V-förmig aufeinander zulaufenden breiten Borten des Mantels auf seiner Brust und über seinem rechten Knie. Demgemäß erscheinen auch am Unterarm der Speerhand Reste des Handschuhes des Tänzers (1). Bei T 79/2280 (Abb. 75) fällt das Licht hart auf seine nach oben erhobene rechte Ferse und Fußsohle. Uber der Ferse ist die Speerspitze mit den Widerhaken zu sehen, dagegen läßt sich über das andere Speerblatt bei dieser Ausleuchtung nichts aussagen. Ähnlich scheint mit ihrer Hilfe vom Tänzer (2) nur sein erhobenes Schwert und der gebogene Helmaufsatz links unmittelbar daneben und zwar mit einem erheblichen Rest der Augenumrahmung des einen Tierkopfs zu

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Karl Hauck

erreichen zu sein, die bisher nicht erkannt war. Diese Detailreste kehren im ganzen 'reduzierter' wieder in dem Ausschnitt vom Tänzer (2), den wir daneben mit der Ausleuchtung von T79/2276 (Abb. 76) wiedergeben. Nun aber zeigt sich, daß in Wirklichkeit vom Tänzer (2) auch der Umriß des Bortenmantels unterhalb der Gürtellinie, fast ganz sein rechtes Bein mit Wade und Ferse und sein linkes Bein bis zum Knie und mit der Fußspitze erhalten blieb. Dabei stoßen wir neben dem Fersenballen zugleich auf einen Restbefund, der sich als Ende des einen aufgestellten Speers erweisen läßt, sobald wir auch die Fragmente vom Feld L 11,6 einbeziehen. Wir ergänzen jedoch zunächst die Lesung von R 11,6 mit der Ausleuchtung von T 79/2279 (Abb. 78). Beim Helm hilft sie weiter mit dem geschwungenen Zipfel, den bei Arwidsson sowohl Abb. 28 wie Abb. 135 festhalten, bei der Speerhand mit der oberen Begrenzung des Handschuh-Stulps. Auch wird durch die Aufnahme wahrscheinlich, daß wir neben dem Ellbogen der Speerhand ein Stück des Gürtels sehen können. Schließlich sind von dem Photo die gegensätzlichen Speerblätter erfaßt: Uber der Ferse der Speer mit den Widerhaken, über der Fußspitze der Speer mit den einschwingenden Blattseiten. Die Auswertungszeichnung von Greta Arwidsson (Fig. 19) hat also auch hier einen differenzierteren Befund vereinfacht. Vom Tänzer (2) wird durch T 79/2279 (Abb. 78) ebenso sein Kurzschwert mit Blutrinne und Parierstange sowie der unmittelbar daneben befindliche gebogene Helmaufsatz mit der Augenrahmung des Tierkopfs wenn auch nicht in der gleichen Plastizität wie bei T 79/2280 (Abb. 75) erreicht. Dagegen benötigen wir für die Reste des Tänzers (2) unter der Gürtellinie ebenso eine weitere Aufnahme. Wir verwenden diesmal T 79/2277 (Abb. 79). Erneut ist da von dem Tänzer (2) sein rechtes Bein mit nach auswärts gedrehter Fußspitze, Wade und Ferse zu sehen. Hinter ihr erscheint wiederum das Ende von dem aufgestellten Speer, dem wir gleich noch weiter nachgehen. Die untere Kante des Bortenmantels ist trotz des gleichen Umriß-Umfangs mehr als Spur und nicht so deutlich wie auf T 79/2276 (Abb. 76) zu sehen. Dagegen zeichnet sich klarer von der erhobenen Fußsohle der Ballen und die geschwungene Fußspitze ab. Von den mit diesen Aufnahmen teils abgesicherten, teils wahrscheinlich gewordenen Befunden wird noch nicht mit erfaßt der Daumen unter der Parierstange des Tänzers (2), den wir jedoch bei Arwidsson Abb. 28 sehen können. Diese und die dort veröffentlichten Abb. 135 bis 137 veranschaulichen, wie schwierig die Rekonstruktion der Tierköpfe bei den Tänzerhelmen ist. Es ist bei diesem Ergebnis der Auswertung von R 11,6 erwünscht, daß das Feld L 11,6 uns ebenso gerade beim Tänzer (2) wie bei den Resten von den beiden aufgestellten Speeren weiterhilft. Die da erreichbaren Bruchstücke wurden am besten erfaßt von der Aufnahme T 79/2285 (Abb. 80). Vom Tänzer (2) zeigt sie das Relief des Kopfumrisses und erstaunlich klar den gebogenen Helmaufsatz neben den zwei Speerenden mit seiner feinen Perlung. Von dem Mantel ist die Ecke über dem nach auswärts gedrehten Fuß zu sehen sowie ein Stück des (zum Gürtel) ansteigenden Bortenstreifens. Der nach auswärts gedrehte Fuß erscheint ganz in Seitenansicht. Auch wenn das Ende des einen aufgestellten Speers nicht gleich deutlich kommt wie auf R 11,6 in den Abb. 76 und 79, so steigt nun sein Schaft vor dem Schienbein auf bis über den Kreuzungspunkt hinaus, der die Uberschneidung mit dem zweiten nur in einem kürzeren Stück geretteten Speer markiert. Von letzterem läßt sich auch die

Die bildliche Wiedergabe von Götter- und Heldenwaffen im Norden

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Spitze mit Widerhaken identifizieren. Jedoch ist der Bereich daneben so zerstört, daß wir von dem \ anderen Speerblatt keine Auskunft erhalten. Mit dem Photo T 79/2281 (Abb. 81) erreichen wir gleichfalls den in größerer Länge erhaltenen Schaft des hinter dem auswärts gedrehten Fuß ansteigenden Speers sowie beim Tänzer (2) Reste der waagrechten Mantelborte. Nur die eigentliche Spitze des Lanzenblatts, bei dem, gemäß dem Befund über der Ferse des Tänzers (1) von R 11,6, die Widerhaken zu erwarten sind, ist über dem Fersenbereich zu sehen. Dagegen hat sich ungestörter erhalten die Spitze des Speers ganz außen mit den einschwingenden Blattseiten. Vereinigt man die erreichbaren Details in einer Rekonstruktionszeichnung (Abb. 77 sowie Fig. 41), so ergibt die neue Auswertung einerseits eine noch größere Nähe zum Formular des Tänzer-Paares von Sutton Hoo (Fig. 20). Zwar sind dort die Tänzer-Zwillinge nicht so eng nebeneinander abgebildet, so daß auch die Speere, die sie umtanzen, sich in einem rechten und nicht in einem spitzen Winkel kreuzen. Die Verwandtschaft bezeugen auch die Reste des Handschuh-Stulps vom Tänzer (2) und der Augenumrahmung des Tierkopfs von dem Helmaufsatz des Tänzers (2) neben seinem Schwert. Andererseits ist noch gewichtiger als die Unterschiede in einzelnen Verzierungsdetails die Tatsache, daß das Tänzerpaar in seiner Hand jeweils einen Speer mit Widerhaken und einen mit einschwingenden Blattseiten hält. Nachdem durch die Uberlieferung von Sutton Hoo (Fig. 20) dieser andere Typus zumindest für die eine der umtanzten Lanzen gesichert ist, folgen wir bei unserem Ergänzungsversuch dieser Version. Wir rekonstruieren deswegen die verlorene Speerspitze mit einschwingenden Blattseiten neben dem Wurfspeerblatt mit Widerhaken. Denn, auch wenn die aufgestellten Speere in der Sutton Hoo-Spielart etwas länger sind als in der Valsgärde-Version (Abb. 77 sowie Fig. 41), so wird man sich doch in Anlehnung an diesen Befund entscheiden dürfen, nachdem die Fragmente von R 11,6 und L 11,6 gleichfalls diese Lösung begünstigen.

Abkürzungen AFMF BV

DWEB FEW FMSt HDA HRG HZ MGH MGH Font iur. Germ. MGH LL MGH LL Capit. MGH LL nat. Germ. MGH Script, rer. Germ. MGH Script, rer. Lang.

Arbeiten zur Frühmittelalterforschung. Schriftenreihe des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster ROLF BERGMANN, Verzeichnis der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften. Mit Bibliographie der Glosseneditionen, der Handschriften und Dialektbestimmungen (AFMF 6) Berlin—New York 1973 Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen. Untersuchungen zum Deutschen Wortatlas WALTHER VON WARTBURG, Französisches etymologisches Wörterbuch, Bd. 1 - 2 5 , Tübingen-Basel 1946ff. Frühmittelalterliche Studien. Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Historische Zeitschrift Monumenta Germaniae Histórica Monumenta Germaniae Histórica Fontes iuris Germanici antiqui Monumenta Germaniae Histórica Leges in folio Monumenta Germaniae Histórica Leges in quarto, Sectio II: Capitularía regum Francorum Monumenta Germaniae Histórica Leges in quarto Sectio I: Leges nationum Germanicarum Monumenta Germaniae Histórica Scriptores rerum Germanicarum Monumenta Germaniae Histórica Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum

MIGNE, PL

JACQUES PAUL MIGNE, Patrologiae cursus completus, seu bibliotheca uni-

MIÖG MSD

versalis . . . Series Latina Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem VIII-XII Jahrhundert 1, h g . v o n K A R L MÜLLENHOFF u n d W I L H E L M SCHERER, 4 . A u s g . v o n ELIAS

STEINMEYER, Berlin—Zürich 1964

PBB

(H. PAUL—W. BRAUNE) Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur

REW

Romanisches etymologisches Wörterbuch, hg. von WILHELM MEYER-LÜBKE,

RhVB RLA RLA, 2. Aufl.

3. neubearb. Aufl., Heidelberg 1935 Rheinische Vierteljahresblätter Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, hg. von JOHANNES HOOPS,

Straßburg 1911 ff. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, begründet von JOHANNES H O O P S , 2 . A u f l . h g . v o n H E I N R I C H B E C K , H E R B E R T JANKUHN, HANS K U H N , K U R T RANKE, REINHARD WENSKUS, B e r l i n - N e w Y o r k 1 9 7 3 f f .

StSG ZDMG ZfdA ZMF ZRG GA ZRPh

ELIAS STEINMEYER—EDUARD SIEVERS, D i e a l t h o c h d e u t s c h e n G l o s s e n ,

Bd.

1 - 5 , Dublin-Zürich 1879-1922, unveränd. Nachdruck Frankfurt 1969 Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur Zeitschrift für Mundartforschung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung Zeitschrift für romanische Philologie

Wort- und Sachregister bearbeitet von Ulrich Witte (aind. — altindisch, awest. — awestisch, galic. — galizisch, gall. — gallisch, ir. — irisch, ksl. — kirchenslawisch, ma. — mundartlich, RI — Runeninschrift, sanskr. — sanskrit)

aadr, aartr (westf.) 38 aau (RI) 140, Anm. 88 abladum, abladium, ablatum (lat.) 51 ablaier (frz.) 51 ablunda (vulgärlat.) 51 Ackerbau 11, 16f., 28 — Ackerbautermini 22, 29 Ackergeräte 11 ff., s.a. Geräte, Pflug aditum (lat.) 60 Adstrat 13, 33, s.a. Sprache afie (RI) 162 Agio 253 f. Agrartechnik 7 aisgRb (RI) 136 f. alach 15 Alltagssprache, s. Sprache Amulett 171 f., 190ff., 254 ango (Haken) 18ff., 27, 29, 32, 38 Ango (Waffe) 197 angon (frz. ma.) 18 Angriffswaffe, s. Waffen Anspannung (beim Pflug) 38 Antidotar 74 Apostelfürsten (Peter und Paul) 247f. arare (lat.) 19, 34 araire (frz.) 19, 24, 32 aratrum (lat.) 18ff., 24f., 31 ff. Arbeitsgebäude, s. Gebäude Arbeitspferd, s. Pferd Archäologie 1, 6, 59, 72 Arder 19ff„ 27, 29f„ 34, 38, s.a. Haken ardr (an.) 19, 30, 32 arimannus (mlat.) 115, s.a. harimannus arjan (got.) 19, 34 Ärl 23, 26f., 29, 38f. Arzt 74ff., 90, 195f., 241 — Ausbildung des Arztes 81 — Behandlung durch den Arzt 77 ff. — Honorar für den Arzt 79 — Risiko des Arztes 80 — Schwur des Arztes 80 — Strafe für den Arzt 80

— Vorschriften für den Arzt 81 s.a. Christusverehrung (als Arzt und Erlöser) assaltai (lat.) 46 Assoziationsfeld 4, 11, 175, 237, s.a. Wortforschung at (türk.) 42 Atlas der deutschen Volkskunde 6 auf erre (lat.) 50 Augustus-adventus 252 aula, olla (mlat.) 15 awr/s (RI) 138 Axt 145, 161, 163 — Amulett-Zieraxt 155 — Prachtäxte 161 — Steinäxte 161 aco : sceri (RI) 150 baculum (lat.) 119 Bärenkampf 236 ßätcijXog (griech.) 43 banes blice (ags.) 86f. bannum 15 Barbaren 49 Barhäuptigkeit 179, 181, 196, 206, 255 baro 93, 96, 105 Baron 93 Bauer 7, 35 f. — Sprache des Bauern, s. Sprache Baum 1, 12, 17 bèagnop (RI) 153 Bedeutung — Bedeutungsforschung, s. Semasiologie — Bedeutungswandel 11, 13, 18, 35, 93, 106 — Bedeutungserweiterung 52 — Bedeutungsverbesserung 93 — Bedeutungsverengung 36f., 54 — ursprüngliche Bedeutung 32 f. s.a. Wortforschung Beetpflug 39 Beil 36 Bein 87, 258 ff. — Beinschutz 109f.

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Wort- und Sachregister

beinberga (ahd.) 109f. Beiname 133 Beowulf 163 f. Benediktiner 76 Besitz 50, 97, 100, 114f., 133 — Grundbesitz 99 s.a. Habe Besitzer 60, 67, 115, 133, 160, 164 — Besitzerangabe 135, 139, 151, 162 — Besitzername 133ff., 137, 139f., 158, 160, 164 s. a. Inschriften, Waffen Bewaffnung 4 8 f „ 109ff., s.a. Waffen Bezeichnung 1 ff. — differenzierende Bezeichnung 109 — Bezeichnungsforschung, s. Onomasiologie — metaphorische Bezeichnungen 36 f. — Bezeichnungsmotiv 32ff., 59, 67, 70, 72 — Bezeichnungsübertragung 13, 33ff., 38, 93 — Übernahme von Bezeichnungen 11 ff. — undurchsichtige Bezeichnungen 37 — Bezeichnungsveränderung 11, 34, 38, 57, 106 s.a. Wortforschung, Zeichen, sprachliches biado, biada (ital.) 50 bläd (frz.) 22 b W (ae.) 51 blé (frz.) 12, 50 blegim (ir.) 51 bligicäre (lat.) 51 blika (afrk.) 86f. Blüten 51 blundus (vulgärlat.) 50 Bodenwendepflug 39 Bogen 109, 115 ff., 127, 130 — Bogenschütze 116, 119 — Pfeil und Bogen 116, 118f. s.a. Pfeil bone (ne.) 87 Bortenmantel 220f„ 230f„ 255, 260, 265f., 268 bosta (mlat.) 64 Botengötter, s. Götter Bottich, s. Gefäße Böttcherware 52ff., s.a. Gefäße Brakteaten 168, 172ff., 222, 225, 240f., 254 Brauch 6 Brautlauf 3, 50 Bronzefiguren 49 brout (frz.) 12 briiöhlaup (aisl.) 50 Brünne 112 ff. bruina, brunna (ahd.) 107f. Brunnenfassungen 53 ff. Brustschild 49 Brustschutz 108 Buckelschild, s. Schild Buße 102, 104 f., 121 butfus : faii (RI) 162

caballo (span.) 42 caballus (lat.) 21, 42ff., 115 cabo (lat.) 43 cafúa (span. galic.) 44 cal (rum.) 42 coliga 44 camnet (altpreuß.) 44 campus 16 cantêrius, cantbërius (lat.) 45 cantero 46 capanna 44 capitium (lat.) 42 carceribus 65 cariga 25 carros (gall.) 13 carruca (mlat.) 13, 15, 21, 23f., 32, 35 carrus (mlat.) 13, 15, 21 Castor 176, 185, 187, 190, 240 cavallo (ital.) 42 celer (lat.) 46 celUrium 16 charfrido 87 charrue (frz.) 13, 21 ff., 32, 35 chesfrido 87 cheval (frz.) 42 chicsiofrit 87, 89 Chirurgie 79, 82 f. Christentum 76 Christus—Verehrung (als Arzt und Erlöser) 76 s.a. Arzt clyppeus (lat.) 116 cocurra (lang.) 108 colore 13 conucla (lat.) 125 corylus (lat.) 13 coudre (frz.) 13 crèche (frz.) 12 cultellus 20f., 23, 27 culter (lat.) 20, 26f., 31 f. cupa (lat.), s. Gefäße cupella (lat.), s. Gefäße cusfredum 87f. Dachbau 67 Dämon 76, 84, 202 Daubengefäß, s. Gefäße debladare (lat.) 51 Deutscher Sprachatlas 4 Deutscher Wortatlas 4, 6, 22 Diadem 193 , 249, 255 Dialektgeographie 22, 26f., s.a. Wortforschung Dielenböden 61 Ding, s. Thing Dioskuren 168 ff. - Dioskuren-Helm 195, 206 - Dioskuren-Waffen 255

Wort- und Sachregister Doppelkönigtum 243 Doppelpflug 39 Doppelsterze 40 Dorf 76, 17, 40 dorih (RI) 157f., s.a. idorih dragan (ags.) 78 drageon (frz.) 12 dreschen 70 f. drischbel 70 Dünger 51 duropalus 69 ff. durslegi 89 Ebenpflug 39 Eber 255, 258f., 263 - Eberhelm 208, 214, 217, 219f„ 222, 258f. 262 ff. Echse 254, 256 ecot (frz.) 12 Edda 151, 168, 239 Edictus Rothari 30, 80, 118 Eggepflug 39 Eid (auf die Waffe), s. Waffen Eingang, s. Tür emblaier (frz.) 51 eques (lat.) 42 equiso (lat.) 42 Erbwaffe, s. Waffen Erdeisen 37 erida (as.) 19, 30, 32 ¿Qyärrji; Xnnoc, 42 erren 19, 34, 41 escraigne, escriene (frz.) 63 Escuires 67 Escure 67 Ethnologie 1, 6 Etymologie 2, 5, 9, 28, 30, 32, 59, 243, s. Wortforschung Fachsprache, s. Sprache Fäßchen, s. Gefäße fagus (lat.) 12 Fahne 255 fana (ags. got.) 82 fano 81 f. fara 97 faramannus 97 Faß, s. Gefäße faz, vaz (ahd.), s. Gefäße Feldzeichen 179, 183, 241, 243 fergiftian (ahd.) 77 ferhvunt 89 ferita (lat.) 89 Fern(kampf)waffe, s. Waffen ferratura (lat.) 115

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Fett 54 First 67 flet 59 ff. flett (altfries. ags.) 60 Flöz 72 Fohlen, s. Pferd forh (frk.) 22 forière (norm.) 22 Formkriterien (als Bezeichnungsmotiv) 33 fouc (frz.) 12 Frauengräber, s. Grab fredum 89 Freie 60f., 92f., 96ff., 112, 122 — Edelfreie 96 — Freienstand 102 — Freigelassene 96, 124 s. a. frilaz, frio, Halbfreier, Minderfreier, Unfreier frilaz 96, s.a. Freie frio 96', s.a. Freie -frit (-frido, -fredum) 87ff. Frühlingsadventus 185 fuporcgwhntjjpxstberìdlmoeaieyèa 153 (RI) Fußboden 61 fustis (lat.) 126f. fusus (lat.) 117 Futhark 128, 153 f. ga (RI) 167 Gabelpflug 38 gafl (an.) 86 gage (frz.) 14 gagner (frz.) 18 gähi (ahd.) 50 gaida (ahd.) 108, 123 f. gaignie (afrz.) 17 gairethinx (ahd.) 122 f. galop (frz.) 49 Galopp 4 7 ff. gamallus 97 gaois (RI) 145f., s.a. sioag garaynon (frz.) 15 gasindius 97 Gebäude 58 ff. — Arbeitsgebäude 59 — Gebäudebezeichnung 16, 58ff. — Gebäudeteil 59ff., 68, 73 — Haus 3, 58 ff. — Scheuer 14, 67 — Speicher 16, 59, 66 — Stallgebäude 64 f. — Wohngebäude-59 ff. s.a. Wohnung gebal (ahd.) 85 geban (ahd.) 77

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Wort- und Sachregister

Gebet 75 Gefäße 52 ff. - Bottich 52 - cupa (lat.) 54f. - cupella (lat.) 54 - Daubengefäß 52 ff. - Fäßchen 52 ff. - Faß 52 ff. - orca (lat.) 54 - Schüssel 52 - tonna, tunna (mlat.) 52, 54, 57 - Tonne 52 - vaz, faz (ahd.) 52, 57 Gefolge 94 Gegenwartssprache 11, 32, 35, 37 Gehege 65 Gehirn, s. Hirn Genossenschaftswesen 3 Gepäck 50 Geräte - Gerätebezeichnungen 17, 19 - landwirtschaftliche Geräte 17 ff. s.a. Ackergeräte gerbe (frz.) 12, 22 Gericht 13, 121, 126 - Einhegung des Gerichts 13 - Gerichtsverhandlung 121 - Gerichtszeichen 121 s.a. Thing, Waffen, Zweikampf vor Gericht Gerippe (beim Pflug) 36, 40 Geschoß 125 Gesellschaft 94 ff. Gesetze, s. Leges getregede (mhd.) 50 Getreide 50, 55 gtban (got.) 77 gibla (got.) 86 Gift 77 gisil (ahd.) 108, 123f. gisifrit 87 gitregidi, gatregidi (ahd.) 50 gladius (lat.) 119f., 126 Glaube 6 Glossen 58, 64ff., 69, 71, 110, 113, 127 Götter 168ff., 237ff. - Botengötter 187, 207 - Götterbild 168, 170ff„ 190ff., 242 - Götterhelm 198, 205, 207, 220, 225, 230, 234, 241, 255 f. - Götterlanze 207, 209, 241 - Götterschild 180 - Götterspeer 170, 173, 209, 232, 234f., 239ff., 252, 254 f. - Götterwaffen 170, 173, 191, 195, 204, 243, 254 gölte (air.) 88

gomilè (alb.) 43 goravunt 89 Grab 3, 159, 173, 181, 187, 209 — Frauengräber 53 — Grabbeigaben 53 — Grabfrevel 78 — Grabfunde 83, 113, 116, 118, 120, 149f. — Grabraub 7 — Reihengräber 83 grafia 97 granarium 16 Griessäule 36, 39 f. Grindel 19, 36 ff. — Grindelschar 38 — Grindelsohle 38 Gruppe 91 ff., 97, 99, 103, 106, 110, s.a. Kaste, Klasse, Schicht, Stand Grundbesitz, s. Besitz Gürtel 226, 259, 264, 266, 268 gunnfani 255 Haar 51, 182, 260, 263, 267 habaro (frk.) 22 Habe 97, s. a. Besitz Häufelholz 35 Häufelpflug 39 f. hävos (lapp.) 43 baie (frz.) 12 Haken 18ff., 29, 32, 37ff. Hakenpflug 24, 38 Halbfreier 93 , 96f„ 105, s.a. Freie haldan (got.) 47 Halfter 42 Halle 61 ballier (frz.) 13 halot (afrz.) 13 Halsschmuck 193 hame (finn.) 43 Handelstreibende 115 Handschuhe 220 — Handschuhstulp 259f., 263, 266, 268 Handwerk 7, 17, 28 bangisto 21 harigawerc (ahd.) 108, 124 harimannus 96, s.a. arimannus Hasel 13 f. hasla (frk.) 13f. Haupt 36f., 40, s.a. Pflug Haus, s. Gebäude — Hausforschung 72 — Hausgemeinschaft 97 — Hausgrundriß 65, 70 heafodwund (ags.) 89 healle 60 hebo (weps. finn.) 43

Wort- und Sachregister hebu, hobu (estn.) 43 Heer 102 f. Heilkunde, s. Medizin Heilmethoden 77 ff. Held 170, 239, 252, 255 - Heldenlanze 170 - Heldenlied 168 - Heldensage 168 - Heldenwaffen 168, 173 , 231, 254 heim (ahd.) 107, 109 Helm llOff, 127, 168ff. - Helmkalotte 228, 257f., 260, 263, 265 - Kammhelm 170f., 173f., 189, 206, 211, 252f. - Ka valeriehelm 174 - Königshelm 212, 237 - Raubvogelhelm 219, 222, 232, 241, 258, 260 - Tänzerhelm 233 - Helmzier 231 f., 240, 254f., 257, 261, 265 s.a. Dioskuren, Eber, Götter, Mars, MarsWodan, Reiter, Vogel Hengist 191, 244, 254 hepo (finn.) 43 berbaria 79 Herd 3 herde (frz.) 12 berpex (mlat.) 16 bersen (nl.) 88 Herstellername 135, 151, 154, 164 hêtre (frz.) 12 bevonen (finn.) 43 Hexe 79 hiltegrin (mhd.) 46 hiltja, bilta (ahd.) 46 Himmels-Investitur 248 Himmelsspeer, s. Speer Himmelswaffen, s. Waffen Hinterbaum 40 Hintereisen 37 Hirn 81 ff. hjarsi (an.) 88 hjesse (schwed.) 88 - blaupan (got.) 47, 50 hobune (estn.) 43 Höfe 55, 81 hoba (got.) 19, 21, 32, 34 Holz 12, 29 f. Horsa 191, 244, 254 boue (frz.) 12, 17 boyau (frz.) 17 hreovunt 89 huohih (ahd.) 19, 32 husibaldxx (RI) 158 länua (lat.) 69 Ibor 253 f. idonh (RI) 157

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Ikonographie 170, 174, 203 f. Ikonologie 170, 211 ikxrxkwiwixu (RI) 156 tmbladare (lat.) 51 impfen 17 imputare (lat.) 17 manbina ambilacae 86f., 90 Individualname 160 Initiation 191 Innovation, sachliche 17, 20, 34, 73, 109 Innovationszentrum 31 ff. inpotus (lat.) 17 Inschriften 43, 128ff., 177, 193, s.a. Runen, Waffen Insignien 248 Instrumente, ärztliche 82 ff. Interferenz, sprachliche 14, 107 Interpretatio Germanica 173, 190 Interpretatio Romania 190 isd (RI) 160 Iuppiter Stator 175 Jagdwaffe, s. Waffen jardin (frz.) 12 Jenseitsreise 202 Jochpflug 38, 40 Junggrammatiker 2 Jupiter 184, 245 KaßödXrjg (griech.) 42 ff. käväl (türk.) 42 Kaiser — Kaiserlanze 249 — Kaiserporträt 172, 182, 193 — Kaiserstandarte 244 kalalajah (aind.) 46 kalalam (aind.) 46 kaläyati (aind.) 46 kalikä (aind.) 47 Kamel 42 Kammhelm, s. Helm Kampfesweise (der Germanen) 49 kanay- (jungawest.) 45 kanda (neupers.) 45 KavOfjXia, (griech.) 45 KavOtjXiog (griech.) 45 KàvOcov (griech.) 45 Kante 46 Kanzleisprache, s. Sprache kapala Uta 42 kapälam (sanskr.) 42 Kapitularien, s. Leges Kappzaum 42 Karch 13, 15, 24 Karl der Große 247, 253

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Wort- und Sachregister

Karre 15 Karrenpflug 38 Karstpflug 38 Kaste 94ff., s.a. Gruppe, Klasse, Schicht, Kastor 190 Kastration 42, 44 kifstam (awest.) 45 KaraßäXXEiv (griech.) 44 kaval (pers.) 42 Kavalleriehelm 174 kebul 85 Kehrbrett 35 Kehrpflug 39 f. Keil 35 Kenningar 137, 146ff. Kenntnisse, medizinische 81 kepolsceini 85f., 89f. khänati (aind.) 45 khanitram (aind.) 45 Kippflug 39 Klappflug 39 Klasse 94f., s.a. Gruppe, Kaste, Schicht, ! Kleidung 50 Klepper, s. Pferd Klopfhengit, s. Pferd Kloster 7, 76 klumpü (lit.) 47 klüpti, klübti 47 klusati (tschech.) 48 klusineti (lit.) 48 klustuoti (ma.) 48 kobyla (aksl.) 44 Köcher 108, 130 Königshelm, s. Helm Königsnähe 93f., 99ff. , 105f. Körperrüstung, s. Rüstung KÖXaq>og 43 KoXoßög 42 KOVTÖg

45

Kolter 20, 23, 2 6 f „ 33, 37 komon (aruss.) 43 Kompetenz, sprachliche 4, 9, s.a. Sprache kon (aksl.) 43 Kopfverletzung, s. Schädelverletzungen Krankheitsbeschreibungen 75 Kriegswaffe, s. Waffen Kräuter 77ff., 83, 90 krlus (RI) 146 Krümel 37f. - Krümelpflug 38 Krummholz 19, 38 Kultnamen 244 Kultur - Kulturgeographie 4 - Kulturlehnwörter 15f., 26, 28

— Kulturwellen 3 kumärä- (aind.) 44 kumele (lit.) 43 kunter (ostpreuß.) 45 Kurzschwert 255, 264, 268 Kybele 185 lachenen, lachenie (mhd.) 77 lächsnen (schweiz.) 77 Ladung 50 Lähmung 78, 118 lähhi (ahd.) 76 lancea (lat.) 112, 117 Landmaschinenbau 36 Langschwert 120 Langszepter, s. Szepter Lanze 112, 115ff„ 130f., 145, 175, 179ff„ 207, 209, 220, 222, 226, 230ff., 239, 241 f., 249, 260, 263 — Lanzenblatt 128, 141 ff., 209, 269 — Lanzenschaft 140f., 166f., 220 — Lanzenspitze 142, 160, 231 s. a. Götter, Held, Kaiser, Speer Lautverschiebung — althochdeutsche Lautverschiebung 17,24, 28 — germanische Lautverschiebung 28, 43 lavanda 51 lavandaria (lat.) 51 lavande (frz.) 51 lavand-ula 51 Lece (ags.) 76 Lekningslif {an.) 77 Iteknir (an.) 76 Lebensmittel 50 lecher (frz.) 51 Leechbooks 75, 79, 83 Leges (Gesetze, Kapitularien, Leges barbarorum, Rechte) 8ff., 58ff., 91 ff., 74ff„ 107ff. — Lex Alamannorum 66, 78, 89, 121, 126 Pactus legis Alamannorum 66, 76, 89, 120f., 126 — Leges Anglo-Saxonum 58ff., 98f., 100ff. — Gesetz des Alfred 76 — Gesetzessammlung der Könige /Elfred und Ine 60 — Gesetz des ¿Ethelbert 79 — Leges Edwardi Confessoris 122 — Leis Willeime 76 — Lex Baiwariorum 66f., 78, 80, 85s 116, 125 — Leges Burgundiorum 61, 98, 105 — Lex Frisionum 61 f., 80, 91, 98, 105, 121 — Lex Gundobada 80,- 100, 103, — Leges Langobardorum 80, 111, 121 ff. — Lex Ribvaria 13, 64f., 98, 103, 111, 114, 118, 121, 125 f.

Wort- und Sachregister - Lex Salica 14ff., 27, 61 f., 68, 70, 88, 95, 98, 103 ff., 118 ff. Pactus Legis Salicae 61, 66ff., 103, 116ff. - Leges Saxonum 61, 119, 122 - Lex Thuringorum 61, 80, 98, 105, 117 - Leges Visigothorum 78, 80, 100 Leitwaffe, s. Waffen lekeis (got.) 76 leod 92, 96, 98 ff. leodardi 92, 102, 104 leodi 92, 98, 102, 104 f. Leute 106 liaig (air.) 76 ligicäre (lat.) 51 lih-hamo (ahd.) 43 limen (lat.) 71 litus 105 liut (ahd. mhd.) 98, 106 lua (RI) 139 f. lubjaleisei (got.) 77 lüppe (mhd.) 77 luib (air.) 77 luppi (ahd.) 77 lyf (meö lsekning) (an.) 77 lyfja (an.) 77 lypp (ae.) 77 Magie 77, 235 magulé (alb.) 43 makija (RI) 134, 148 mallum 15 Man(n)dl 38 mannus (lat.) 44 mariha iala (RI) 134 Mars 171, 183, 194f., 207, 211, 253 - Mars-Helm 194, 206, 222, 241, 255 Mars-*Tiwaz 171, 253 Mars Ultor 175 Mars-Wodan 188, 211, 215, 220, 236, 239f„ 252 ff. - Mars-Wodan-Helm 207, 212, 225, 241 Mars-Wodan-Odin 171 medicus (lat.) 76, 80 f. Medizin 74 ff. Medusenhaupt 232, 235 Merkur 184 Messer 20, 130, 157, 161, 163 - Messergriff 130, 155, 161, 163 Messerpflug 23 Metall 30 Metanalyse 50 f. Methode, historische-philologische 8, s. a. Wörter und Sachen-Methode Militärsprache, s. Sprache Minderfreier 96, s.a. Freie

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Missetatbezeichnungen 58 Mobiütät, soziale 96f., 106 mogyla (serb.-ksl.) 43 Moltbrett 35, 37 Mühleneisen 17 Nackenschutz 225, 257, 259f., 265 Nacktheit 179 Naharvalen 190 — Naharvalen-Hain 253 Nah(kampf)waffe, s. Waffen Niederwaldwirtschaft 12 ntwajemariR (RI) 132 ff. Oberschicht, fränkische 103, 106 Obst 17 Ochsengespann 21, 40 Ohr 35, 37 olla (mlat.) 15 Onomasiologie 9, 11, 59, 92, 107, 148, 237, s.a. Wortforschung Operationen, ärztliche 82f., s.a. Trepanation orca (lat.), s. Gefäße Ornamente 137, 151 ff., 157f., 224, 237, 241, 257f., 262, s.a. Runen, Symbole Ortband, s. Schwertzwinge osier (frz.) 12 Ossuarium 83 Ostitis 84 östium (lat.) 69 Ostseehandel 54 owlpupewaR (RI) 132 f. Pactus, s. Leges Pader 28 Paderborn 28 päl (as.) 70 palefroi (frz.) 44 palo 71 pälus (lat.) 69 f. para-veredus (lat.) 44 Parazonium 180 parc (frz.) 65, 72 parhippus (lat.) 44 paripa (tschech.) 44 Park 165 parricus 64f., 72 päl. päl (ae.) 70 pel (afrz.) 69 pellis 69 penna (lat. mlat.) 82 Performanz 4, 9, s. a. Sprache Personenname 44, 138ff., 143, 150, 160, 161 Peter und Paul 247 f. Pfändung 125

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Wort- und Sachregister

Pfahl 70 Pfeil 115f., 118 f., 123 f., 130, 140 - Pfeilschaft 131, 139, 163 s.a. Bogen Pferch 65 Pferd 21, 24, 40, 42ff„ 111, 115, 175ff. - Arbeitspferd 42 - Pferdebezeichnungen 44 - Gangart des Pferdes 47ff. - Fohlen 254 - Pferdeheilung 190 - Klepper 43 - Klopfhengst 43 - Pferde-Protome 182, 184, 194f., 222, 241, 255 - Pferde-Signum 222, 257, 260 - Wallach 21, 42, 44 - Pferdezucht 47 Pflanzen 12, 28 f. pflügen 28 f. Pflug 18 ff. - Abbildungen von Pflügen 39 ff. - Pflugeisen 33, 37 - Pflughaupt 37, s.a. Haupt - Pflugholz 37 - Pflugkörper 35, 39 - Pflugmesser 20, 23, 26ff„ 30, 32f., 34, 37 - Pflugschar 19f„ 24, 29ff., 37, s.a. Schar - unvollkommene Pflüge 39 - vollkommene Pflüge 39 pfluocschar (njhd.) 33, 37 Pfropfreis 17 phalera-Schmuck 206 pherrich (ahd.) 65 pin, pinne (an. mnd.) 82 pinn(a) 81 Pippin 247 plaumoratus (lat.) 31 plesti (ostbalt.) 29 plögen 29 plög (frk. nd.) 24 ff. plovina 31 plovum (mlat.) 31 f. plough (ne.) 32 pluh 35 Pollux 185, 190, 240 Polydeukes 190 pömerium (lat.) 44 postlca (lat.) 69 postis (lat.) 72 poyoda (oberital.) 31 Prachtwaffe, s. Waffen Preßbleche 171, 173, 203, 207, 209, 213, 237, 239ff., 249, 253f. Prestige 96, 103, 106 Privilegien 100, 105

pulislag 89 pyuva 31 Quadratpflug 39 rapa (germ.) 31 Radvorgestell 20f„ 23f., 25, 29ff., 32, 34f., 38, 40 Räderpflug 23ff., 32 raginhurga 97, 103 f. Rahmenpflug 29, 39 ram(i)o (ahd.) 14 Ralo (slaw.) 35 rani: aqpnuikur 162 ranja (RI) 143, 149 Raos 253 Raptos 253 Raubehe 50 Raubvogelhelm, s. Helm raunijaR (RI) 143, 149 Realienkunde 6, s. a. Sachforschung Rechte, s. Leges Rechtswörter 14 Reester 37 regia (lat.) 69 Reihengräber, s. Grab reipus 98 f. Reiter 49, 115, 144f., 178, 184, 196, 201 ff. — Reiterausrüstung 174 — Reiterhelm 174 remedium (lat.) 78 Remus 253 Repräsentationswaffe, s. Waffen Rezeptliteratur 74 rinderstal, rindirstal 64 Rindspflug 38 Ringknauf 225 Ringknaufschwert, s. Schwert Riß 26f., 38 — Rißeisen 37 — Rißpflug 39 riten (mnl.) 88 riz (mhd.) 88 roggo (frk.) 22 Roma 187 Romulus 253 roncin, ronchin (afrz.) 45 Rosmante 45 rotulae 31 Rotzkrankheit 45 roussin (frz.) 45 rozzig (ahd.) 45 Rührpflug 39 Rüstungen 195, 249 — Paraderüstungen 171, 209

Wort- und Sachregister - Prachtrüstungen 171 rttnca (lat.) 45 runcäre (lat.) 45 runcö (lat.) 45 runcus (lat.) 45 Rundschild, s. Schild Runen 128 ff. - Deutungsprobleme bei Runeninschriften 129 f. - Runeninschriften auf Waffen 128 ff. - Zahl der Runeninschriften 128 f. - Runenkreuz 155, 159f. - Runenmeister 133, 137, 139, 141, 156, 158 s.a. Inschriften, Waffen runzit, runzin (mhd.) 45 sä, sote (frz. ma.) 20 sacebaro 93 Sachforschung 1 ff., 237 - Integration der Wortforschung in die Sachforschung 3 - Ubergewicht der Sachforschung 2 s. a. Realienkunde Sachgeschichte 2, 58 Sachkultur 7, 58, 71 sancta lancea 249 Sarg 49, 78 saule (frz.) 12 scabim 104 sceran (ahd.) 33 Schädelverletzungen 74, 81 ff. - Bezeichnungen für Schädelverletzungen 84 Schälpflug 35 Schar 26, 30f., 33, 36ff. - Scharbaum 37 s.a. Pflug Scheibe (von Liebenau) 155 Scheide, s. Schwert Schein 86 Schenkung 122 f. Scheuer, s. Gebäude Schicht 96f., 104, 115 - Schichtbegriff 96 f. - Schichtzugehörigkeit 96f., 102ff. s.a. Gruppe, Kaste, Klasse Schienholz 37 Schiff 54, 196, 200 f. - Alexandriner-Schiff 185 Schild 112ff., 130, 137f., 162f., 166, 184, 197f., 203, 231, 249, 256, 263, 266 - Buckelschild 116 - Schildbuckel 130, 135ff., 139, 142, 163 - Schildfessel 130, 139, 160 f. - Schildhandgriffbeschlag 138 -Rundschild 219ff„ 225, 230f., 2 4 l f . , 255, 259f., 264ff.

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- Schildteile 131 s.a. Buckelschild Schlacht 243, 252 - Schlacht bei Mantineia 49 - Schlacht von Straßburg 49 Schöffenamt 104 scholae 81 Schüssel, s. Gefäße Schutzwaffe, s. Waffen Schwellenbautechnik 70 Schwert l l l f . , 119, 125ff„ 130ff., 145, 148ff., 162ff., 180, 184, 196ff., 2 0 l f f „ 213, 219, 221, 225f., 230, 260, 265ff. - Schwertbeschlag 162, 165 - Schwertgriff 130, 137, 142, 163ff., 222, 260 - Schwert-Kenning 148 - Schwertklinge 130, 155, 159f., 163 - Schwertknauf 149ff., 163, 166 - Kurzschwert 255, 264 - Schwertname 134, 151 - Ringknaufschwert 204, 255 - Schwertscheide l l l f . , 130, 133, 138, 150, 222 - Schwertteile 131, 150, 163 - Zwei-Schwerter-Spiel 196 - Schwertzwinge 131 ff., 137, 142, 148 scion (frz.) 12 scoppon, stopfön (ahd.) 82 screona 62ff., 72 scür (ahd.) 63, 67 scura (altprov.) 66 f. scuria (mlat.) 14, 66f., 72 scutum (lat.) 112, 116 sd (RI) 166 seca, secha (salfrk.) 16, 2 0 f „ 23, 27 secare (lat.) 26 Sech 20, 23, 26ff., 30, 32, 36ff. sego, sega 20 seimispveng (an.) 82 Semasiologie 9, 59, 92, s.a. Wortforschung servus (lat.) 105 Sichel 17, 33 Siedlung 11, 16, 58 - Siedlungsgebiet 59, 63, 70 - Siedlungsgenosse 97 Siegesspeer, s. Speer Sigrdrifumäl 164, 166 silkiprtedi (an.) 82 sioag (RI) 145, s.a. gaois siricum 82 Skelettfunde 83 Sklaven 95 skeinen (ahd.) 86 slibas (lit.) 48 slübti, slumbu (lit.) 48 socha (russ.) 19

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Wort- und Sachregister

Sohle 36 ff.

Sonde 82 Sozialstruktur 92 spata (lat.) 120, 125 Spatha 130 Speer 11-2 ff., 130, 143ff., 163, 166 f., 168ff. -Speerblatt 131, 141ff., 155, 158, 162, 197, 207ff., 215, 220, 235, 267ff. — Himmelsspeer 247, 249, 252 — Siegesspeer 247, 249 — Speerspitze 149, 151, 157, 162, 166, 197, 208, 233, 266, 269 — Speerwerfer 205, 207, 212, 215, 220ff., 258ff. — Speerwurf 141, 147, 166f., 168, 171, 190, 201, 204 ff. — Todesspeer 226, 232, 235, 239 — Wurfspeer 255 f. s.a. Götter, Lanze Speicher, s. Gebäude spica (mlat.) 16 spicarium 16

Spindel 125 Sprache 9ff„ 32ff„ 121 f. — Alltagssprache 97 — Arbeitssprache 35 f. — Sprache des Bauern 35 ff. — Sprachentwicklung 92 — Fachsprache 35 f. — Sprachgemeinschaft 2, 92 — Sprachgeographie 3, 29, s.a. Wortforschung — Sprachinhaltsforschung 10 energetische Sprachbetrachtung 10 — Weltbild der Sprache 10 geistige Zwischenwelt der Sprache 10 — Kanzleisprache 63, 92 — Konservatismus der Sprache 33, 59, 72, 92 f. — Sprache des Militärs 44 — Sprachwirklichkeit 11 — Sprachzeichenmodell 5, 10 s.a. Adstrat, Differenzierung,sprachliche, Kompetenz, Performanz, Substrat, Superstrat, Wortforschung, Zeichen, sprachliches Stab 177 Stadt 7 Stallgebäude, s. Gebäude Stand 60, 67, 91 ff., 103, 105f. — Ständebegriff 95 — Standeszugehörigkeit 104 Sterze 3 6 , 38 ff.

Stoßwaffe, s. Waffen Strafe 3, 104ff., s.a. Buße Strator-Rolle 182, 214 Streichbrett 19, 29, 34ff., 39f. Streichpflug

35

strippa (frk.) 16

Stroh 51 Substrat 13, 25, 28f., 33, s.a. Sprache suelli 71

Sünde 76 sulcare (lat.) 19 sulcus 19

sulh (ags.) 19, 21, 29, 32 Superstrat 13; 22, 33, s.a. Sprache swarda ( R I ) 138 f.

Symbole (auf Waffen) 151 ff., 157f„ 166, s.a. Ornamente, Runen Szepter 178, 194 - Langszepter 178, 180, 185

Tänzerhelm, s. Helm tas (frz.) 12, 22 Tau 78 tautmgil

78

thlö (russ.) 28 templi (lat.) 60 Terra sigillata-Töpferei 15 theo 105

Therapie 74f., 81 Thing 93, 96f„ 98, 103f., 120ff. thungius (lat.) 121 Tiere 9, 21, 37, 65, 67, 111, 190, 195f„ 201f„ 219, 222, 224f., 235, 237, 240f„ 243f„ 253f., 260 - Tierköpfe 215, 233, 267f. - Tiernamen 45 - Viehzucht 11, 16f., 22 tilarids (RI) 144f., 149 tilian (ae.) 28

Tiwaz-Tyr 191 Todesspeer, s. Speer tomnalselshofopasoerpeta ( R I ) 162

tonna, tunna (mlat.), s. Gefäße Tonne, s. Gefäße tou (ahd. mhd.) 78 touuerfo

77

tragan (ahd.) 78 Trajansäule 54 Transferenz, sprachliche 14 f. Trepanation 84, s.a. Operation, ärztliche tsaridiel

25

Tür 69ff., 125 tun (ahd.) 69 turili (ahd.) 69 turstudil 71

uma. bera ( R I ) 140, A n m . 88

Unfreier 9 6 f „ 101 f., 105 - gehobener Unfreier 93 s. a. Freie

Wort- und Sachregister vadium (mlat.) 14 vangsi (aisl.) 30 vapnatak (an.) 122 Vassalität 94 Veränderungen, soziale 93, 105 Verletzungen 74, 79ff., 118f., s.a. Schädelverletzungen Vermögenverhältnisse, s. Besitz Verschneiden, s. Kastration Verteidigungswaffe, s. Waffen Verwandschaft 97 - Verwandtschaftsbezeichnungen 9 viani 16 Victoria 187, 189, 252 Viehzucht, s. Tiere Viereckpflug 39 Vierkantpflug 39 Vierseitpflug 39 virscoppot 82 Vita Corbiani 79 Völkernamen 44 Völkerwanderungszeit 168 Vogel 194 ff. - Vogelgestalt 202, 211, 238, 240 Volkskunde 6 vömen (lat.) 30 Vordereisen 37 Voreisen 37 Vormesser 20f., 23, 26f., s.a. Pflugmess?r Vorpflug 20f., 23, 27 Vorschneider 34 f.

Waffen 107ff„ 128ff., 168ff. - Angriffswaffe 107ff., 130f., 137, 140, 146, 150, 161, 231, 260 - Waffenbesitzer 147 - Waffenbezeichnungen 107ff. - Erbwaffe 133 - Waffenfähigkeit 124 - Fern(kampf)waffe 130 -Jagdwaffe 118, 130 - Himmelswaffen 245, 249f. - Waffenkombinationen l l l f . , 115 - Kriegswaffe 130 - Leitwaffe 147 - Nah(kampf)waffe 130 - Waffennamen 143f., 146ff. - Prachtwaffe 147 - Rechtsfunktionen von Waffen 120 ff. - Runenbeschriftete Waffen 128 ff. Angelsächsische Runenwaffen des 6. Jahrhunderts 149ff. Kontinentale Runenwaffen des 7. Jahrhunderts 154 ff.

283

Lanzen- und Speerblätter des 3. Jahrhunderts 141 ff. Moorfunde aus Südskandinavien und Norddeutschland 131 ff. Waffen mit Inschriften in jüngeren nordischen Runen 161 ff. - Repräsentationswaffe 147 - Sachwert von Waffen 111 ff., 127 - Schutzwaffe 107ff., 130f., 137, 145f., 184 - Schwur auf die Waffe 126 - Stoßwaffe 130 - Waffenschmied 152, 158 ff. -Waffentänzer 196, 203, 206f., 211 f., 224, 232ff., 255f., 262, 267ff. - Waffentanz 196, 204, 207, 232 - Waffenverehrung 207 s.a. Besitzer, Bewaffnung, Dioskuren, Götter, Helden, Inschriften, Runen waganso (ahd.) 30 Wagen 21 Wagensun (südbair.) 30, 33, 36 wagnus (apreuß.) 30 waidanjan (frk.) 18 waidanjare (gallorum.) 18 Wallach, s. Pferd waloper, galoper (afrz.) 49 waranio (mlat.) 14 wapenUec (ags.) 122 Weberäume 63 weiden 17 Wein 17 - Weinbauwirtschaft 17, 54 - Neumagener Weinschiff 54 Wendepflug 19, 23, 26ff., 31, 34f„ 39, 41 Wender 35 Wendeschar 38 Wendevorrichtungen (beim Pflug) 33 f. wer 92, 96, 102, 104 wergeld 102, 104 f. Wergeid 96, 101, 104f., 111 widuhudaR (RI) 148 Wodan-Odin 172, 191, 194f„ 201f., 204, 211, 255 Wörter und Sachen-Methode lff., 59, 71 f., 92 s.a. Methode,historisch-philologische, Wortforschung Wohngebäude, s. Gebäude Wohnung 58, s.a. Gebäude Wolf 254, 256 Wortforschung 2 ff., 107 - Wortfeld 9, 92 - Wortfeldforschung 9 ff. - Wortfeldtheorie 9 - Wortgeographie 4, 22, 30 - Wortgeschichte 2

284

Wort- und Sachregister

- Wortkarten 4 s. a. Assoziationsfeld, Bedeutung, Bezeichnung, Dialektgeographie, Etymologie, Onomasiologie, Semasiologie, Sprache Wühlpflug 39 Wundbußenkataloge 74, 84, 118 Wundchirurgie 81 ff. Wurfspeer, s. Speer iaizda (lit.) 88 Zauber 75 ff. Zaumzeug 258, 260, 263, 265

— Zaumzeug-Zierrate 206 Zeichen, sprachliches 1, 35 — Sprachzeichenmodell 5, 10 s.a. Bezeichnung Ziel 28 Zierknöpfe 225 Zöche 38 zouber (mhd.) 77 Zügel 259f., 263, 265 — Zügelführer 258 ff. Zweikampf (vor Gericht) 127, s.a. Gericht Zwei-Schwerter-Spiel, s. Schwert

Verzeichnis der Abbildungen ABBILDUNGSNACHWEIS

FÜR DIE

TEXTFIGUREN

N a c h H . DANNHEIMER, Die frühmittelalterliche Siedlung bei Kirchheim (Germania51, 1, 1 9 7 3 , S . 159): 4. N a c h A . DIECK, Terminologie der Pflugteile, älteren Pflugarten und des Pflügens; ein Beitrag zur bäuerlichen Gegenstandskultur (Zs. f. Agrargeschichte und Agrarsoziologie J g . 5, 1957, S. 161, A b b . 1): 1, 2, 3. Nach W. NEUGEBAUER, Typen mittelalterlichen Holzgeschirrs aus Lübeck, in: Frühe Burgen und Städte. Beiträge zur Burgen- und Stadtkernforschung, Festschrift f. W. Unverzagt (Deutsche Akademie der Wissenschaften Berlin, Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte 2, Berlin 1954, A b b . 7 D ) : 8. Nach A . ROUSSELL, Stöng, Thjörsardalur, in: M . STENBERGER ( H g . ) , Forntida gärdar i Island, Kopenhagen, 1943, Fig. 37: 7. Nach K . SCHIETZEL, Die archäologischen Befunde der Ausgrabung Haithabu 1963—1964 (Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu 1, hg. von K . SCHIETZEL, Neumünster 1969, A b b . 30): 6. Nach G . ULBERT, Romische Holzfässer aus Regensburg (Bayerische Vorgeschichtsblätter 24, 1959, Abb. 2): 5.

ABBILDUNGSNACHWEIS FÜR D E N

TAFELTEIL

Foto Antikvarisk-Topografiska Arkivet, Stockholm: 17. N a c h U . BENTZIEN, Haken und Pflug. Eine volkskundliche Untersuchung zur Geschichte der Produktionsinstrumente im Gebiet zwischen Elbe und Oder, Berlin 1969, S. 250 ( A b b . 81): 2. F o t o F . - X . DILLMANN: 12.

Nach Nach 1967, Nach

P. V. GLOB, Ard og plov i N o r d e n s Oldtid, Aarhus 1951, S. 55 ( F i g . 6 2 ) : 1. S. HAWKES—R. I. PAGE, Swords and Runes in South-East England (The Antiquaries Journal 47, PL I I b ) : 14. Herrad von Landsberg, Hortus deliciarum, Strasbourg 1952: 3.

F o t o I . ILKJYIR: 1 1 .

N a c h H . KLINGENBERG, Ein Ringschwert aus Schretzheim Kr. Dillingen a. d. Donau (Germania 52, 1, 1974, Taf. 32): 15. Murhardsche Bibliothek und Landesbibliothek, Kassel: 5, 10. Österreichische Nationalbibliothek, Wien: 4. Universitätsbibliothek, Heidelberg: 6, 7. F o t o Württembergisches Landesmuseum, Stuttgart: 16. N a c h E . T . DE WALD, The Illustrations of the Utrecht Psalter, Princeton o. J . (1932): 8, 9. N a c h D . M . WILSON, Anglo-Saxon Ornamental Metalwork 7 0 0 - 1 1 0 0 (The British Museum, London 1964, PL X X X , Fig. 80): 13. Für freundliche Abdrucksgenehmigungen ist der Murhardschen Bibliothek und Landesbibliothek Kassel, der österreichischen Nationalbibliothek Wien, der Universitätsbibliothek Heidelberg und dem Insel Verlag Frankfurt zu danken.

TAFEL I

2

Mecklenburgischer Haken mit eisernem Radvorgestell

TAFEL II

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TAFEL III

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Das Tänzerpaar von Valsgärde 7, 2 :1, Zeichnung H . Lange.

TAFEL XLIII

Abb. 78 Fragment des Tänzerpaares vom Bildfeld R II, 6, Neg. N r . T 79/2279. Abb. 79 Tänzer-Fragment vom Bildfeld R II, 6, Neg. N r . T 79/2277.

Abb. 80

Fragment des Tänzerpaares vom Bildfeld L II, 6. Neg. N r . T 79/2285.

Abb. 81 Fragment des Tänzerpaares vom Bildfeld L II, 6, Neg. N r . T 79/2281.

ARBEITEN ZUR

FRÜHMITTELALTERFORSCHUNG

Bibliographie zur alteuropäischen Religionsgeschichte 1954 — 1964 Literatur zu den antiken Rand- und Nachfolgekulturen im außermediterranen Europa unter besonderer Berücksichtigung der nichtchristlichen Religionen Bearbeitet von Peter Buchholz Q u a r t . X X X I V , 299 Seiten. 1967. Ganzleinen D M 6 7 , - I S B N 3 11 00373 2 (Band 2)

Uwe Lobbedey

Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich aus Südwestdeutschland Q u a r t , ca. X I I , 214 Seiten, 3 Karten und 70 Tafeln. 1981. Ganzleinen (Band 3) Neuauflage in Vorbereitung

Lothar Bornscheuer

Miseriae Regum Untersuchungen zum Krisen- und Todesgedanken in den herrschaftstheologischen Vorstellungen der ottonisch-salischen Zeit Q u a r t . X I I , 271 Seiten. 1968. Ganzleinen D M 6 7 , - I S B N 3 11 000375 9 (Band 4)

Bibliographie zur alteuropäischen Religionsgeschichte, 2. Band 1965 — 1969 Eine interdisziplinäre Auswahl von Literatur zu den Rand- und Nachfolgekulturen der Antike in Europa unter besonderer Berücksichtigung der nichtchristlichen Religionen Bearbeitet von Jürgen Ahrendts Q u a r t . X X V I , 591 Seiten. 1974. Ganzleinen D M 1 4 8 , - I S B N 3 11 003398 4 (Band 5)

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Berlin • New York

ARBEITEN ZUR

FRÜHMITTELALTERFORSCHUNG

Rolf Bergmann

Verzeichnis der althochdeutschen und altsächsischen Glosseninschriften Mit Bibliographie der Glosseneditionen, der Handschriftenbeschreibungen und der Dialektbestimmungen Q u a r t . X X X I V , 136 Seiten. 1973. Ganzleinen D M 6 7 , - I S B N 3 11 003713 0 (Band 6)

Irmgard Frank

Die Althochdeutschen Glossen der Handschrift Leipzig Rep. II. 6 Q u a r t . X I V , 287 Seiten, 8 Tafeln. 1974. Ganzleinen D M 9 7 , - I S B N 3 11 004370 X (Band 7)

Ludger Kerssen

Das Interesse am Mittelalter im deutschen Nationaldenkmal Q u a r t . VIII, 202 Seiten. 1975. Ganzleinen D M 8 2 , - I S B N 3 11 004782 9 (Band 8)

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